ft bi) * ki, Bao aa) BR Lu ° RER j RN AUSONE " RN ht H & II HN PFLÜGERS ARCHIV FÜR DIE GESAMMTE PHYSIOLOGIE DES MENSCHEN UND DER TIERE. HERAUSGEGEBEN VON MAX VERWORN PROFESSOR DER PHYSIOLOGIE UND DIREKTOR DES PHYSIOLOGISCHEN INSTITUTS DER UNIVERSITÄT BONN UNTER MITWIRKUNG VON PROF. BERNHARD SCHÖNDORFF IN BONN. BAND HUNDERT UND ZWEIUNDVIERZIG. MIT 14 TAFELN UND 76 TEXTFIGUREN. BONN, 1911. VERLAG VON MARTIN HAGER. ‚3 Inhalt. Erstes und zweites Heft. Ausgegeben am 11. September 1911. Die Fluoreszenz tierischer Gewebe in ultraviolettem Licht. Von Hans Stübel. (Aus dem physiologischen Institut der Universität Jena) IRRE ; Theoretischer Essai über Muskelmechanik. Von Dr. med. et phil. Th. Christen, Privatdozent in Bern : Über die vom tierischen Organismus unter verschiedenen Be- dingungen ausgeschiedenen Alkoholmengen. II. Mitteilung. Einfluss der Muskelarbeit auf die Ausscheidung des Alkohols in Atmung und Harn. Von Wilhelm Völtz und August Baudrexel. (Mit 4 Textfiguren.) (Aus der ernährungs- physiologischen Abteilung des Instituts für Gärungsgewerbe der Kgl. Landwirtsch. Hochschule zu Berlin) . Zur Frage der Herkunft des Nasenspiegelsekretes des Hundes. Von Dr. Alfred Trautmann, erstem Assistenten des Institutes. (Mit 3 Textfiguren.) (Aus dem physiologischen Institüte der tierärztlichen Hochschule zu Dresden) . Nebenniere und Zuckerstich. Von Dr. N. Waterman, Rotter- dam. (Hierzu Tafel I) Drittes, viertes, fünftes und sechstes Heft. Ausgegeben am 28. September 1911. Das Verhältnis des Nervensystems zur Herztätigkeit beim Hunde, Kalbe und Menschen. Von Prof. Joh. Dogiel. (Mit 5 Textfiguren und Tafel II—XIl) : Studien über Einwirkung einiger nicht-eiweissartiger Stickstoft- verbindungen auf den Stickstoff-Stoffwechsel des Fleisch- * Seite 15 47 89 104 109 IV Inhalt. fressers mit besonderer Berücksichtigung des Ammonacetats. Von Ernst Pescheck. (Aus dem zootechnischen Institut der Kgl. Landw. Hochschule zu Berlin) Beiträge zur Physiologie der Verdauung. III. Mitteilung. Die Magensaftsekretion bei Verminderung des Chlorvorrates des Körpers. Von R. Rosemann. (Aus dem physiologischen Institut der westfälischen Wilhelms-Universität Münster) Studien über das Weber-Fechner’sche Gesetz. Einfluss der Grösse des Gesichtsfeldes auf den Schwellenwert der Ge- sichtsempfindung. Von P. Lasareff. (Mit 3 Textfiguren.) (Aus dem physik. Laboratorium der Kais. Technischen Hochschule in Moskau) Zur Lokalisation einiger Vorgänge in der Sehsinnsubstanz. Von Prof. Dr. A. Brückner, Oberarzt der Klinik. (Aus der Universitäts-Augenklinik zu Königsberg) ; Über die Wirkung des Morphins, Codeins, Dionins und Heroins auf die Atmung. Von Dr. B. v. Issekutz, I. Assistent am Institut. (Aus dem pharmakol. Institut der kgl. ung. Universität Kolozsvär) . Prüfung und Eichung des Sahli’schen Hämometers. I. Teil: Älteres Hämometer. Von Prof. Dr. K. Bürker in Tübingen. (Hierzu: "BareleX es ee: Siebentes und achtes Heft. Ausgegeben am 12. Oktober 1911. Die Dauerverkürzung der Muskeln. Von Albrecht Bethe. (Mit 4 Textfiguren.) (Aus dem physiologischen Institut der Universität Strassburg i. E. und der Zoologischen Station zu Neapel). Über weitere Verbesserungen der Methode zur Zählung roter Blutkörperchen nebst einigen Zählresultaten. Von Prof. Dr. K. Bürker in Tübingen. (Mit 4 Textfiguren und Tafel XIV) Versuche, die Reizwellen im Nerven durch Interferenz sichtbar zu machen. Von E. Wilke und E. Atzler. (Mit 1 Textfigur) Eine Methode zur Erleichterung der Blutdruckmessung bei Tieren. Von E.C. van Leersum, Leiden. (Mit 9 Text- figuren) Seite 143 208 235 241 255 273 291 337 372 377 Inhalt. Optische 'Täuschung und Metakontrast. Von cand. med. Paul Blatt. (Mit 2 Textfiguren.) (Aus dem nn Institut der Universität Wien) . h HE, Über die Sensibilisierung von photographischen Platten für das äusserste Rot und Infrarot. Von L. Lewin, A. Miethe und E. Stenger Neuntes, zehntes, elftes und zwölftes Heft. Ausgegeben am 30. Oktober 1911. Experimentelle Untersuchungen zur vergleichenden Physiologie des Gesichtssinnes.. Von C. Hess. (Mit 5 Textfiguren) . Beiträge zur Physiologie der Verdauung. IV. Mitteilung. Über den Gesamtchlorgehalt des tierischen Körpers bei chlor- reicher Ernährung. Von R. Rosemann. (Aus dem physio- logischen Institut der westfälischen Wilhelms-Universität Münster) a... © ee Beiträge zur Physiologie der ne V. Mitteilung. Über den Gesamtchlorgehalt des menschlichen Fötus.. Von R. Rosemann. (Aus dem physiologischen Institut der westfälischen Wilhelms-Universität Münster) . . . .. Über die experimentelle Erzeugung extrasystolischer ventrikulärer Tachykardie durch Acceleransreizung. (Ein Beitrag zur Herz- wirkung von Baryum und Calcium.) Von Privatdozent Dr. C. J. Rothberger und Privatdozent Dr. H. Winter- berg. (Mit 20 Textfiguren.) (Aus dem Institute für allgem. und exper. Pathologie der Universität Wien) . . Über die Verstärkung der Herztätigkeit durch Caleium. Von Privatdozent Dr. C. J. Rothberger und Privatdozent Dr. H. Winterberg. (Mit 1 Textfigur.) (Aus dem Institute für allgem. und experim. Pathologie in Wien) > Normale Pankreassekretion als Synthese von nervösem und humoralem Einfluss. Von A. Bylina (Kiew). (Aus dem physiol. Laboratorium des Institutes für exper. Medizin zu St. Petersburg) Die Kurven der geflüsterten und leise gesungenen Vokale und der Konsonanten Sch und Ss. Von Otto Weiss. (Mit 15 Textfiguren.) (Aus dem physiologischen Institut der Universität Königsberg i. Pr.) . 403 405 447 459 461° 923 IR el aa Dringende Bitte des Herausgebers. Im Hinblick auf wiederholt aus dem Abonnenten- kreise geäusserte Wünsche erlaube ich mir an die Herren Mitarbeiter folgende Bitte zu richten. Um eine weitere Zunahme der jährlichen Bändezahl und eine Steigerung des Preises für den einzelnen Band zu vermeiden, möchte ich die verehrten Mitarbeiter im Interesse der Abonnenten sowohl wie in ihrem eigenen Interesse ebenso freundlich wie dringend bitten, 1. den Umfang des Textes der Abhandlungen auf das knappste Mass zu beschränken und auch bei grösseren Arbeiten, wenn irgend mög- lich, den Umfang von 2-3 Druckbogen nicht. zu überschreiten; 2. die Textabbildungen stets in einem voll- kommen reproduktionsfähigen Zustande einzu- senden, So dass sie direkt ohne Umzeichnung als Vorlage für die mechanischen Reproduk- tionsveriahren (Zinkätzung, Autotypie usw.) dienen können; 3. bezüglich der Zahl und der Farbenaus- stattung der Tafeln keine übertriebenen Anfor- derungen an die Hersteilungskosten zu Stellen. Hochachtungsvoll Max Verworn. (Aus dem physiologischen Institut der Universität Jena.) Die Fluoreszenz tierischer Gewebe in ultraviolettem Licht. Von Hans Stübel. Die Fluoreszenz der meisten Substanzen wird im wesentlichen nieht durch die Strahlen des siehtbaren Spektrums hervorgerufen, sondern die wirksamsten Fluoreszenz erregenden Strahlen liegen im ultravioletten Teile des Spektrums. Hierdurch begegnete das Studium der Fluoreszenzerscheinungen bisher gewissen Schwierigkeiten. Vor allem besass man bis vor kurzem keine Lichtquelle, welche bei starker Intensität lediglich ultraviolettes Licht gibt, ohne zugleich Strahlen des sichtbaren Spektralbezirkes durchzulassen. Diese letzteren beeinträchtigen die Untersuchung, weil die sichtbaren Strahlen von den auf ihre Fluoreszenz zu untersuchenden Objekten mehr oder weniger reflektiert werden und dadurch eine eventuelle Fluoreszenz- erscheinung verdecken können. Dagegen ist durch spektrale Zer- lesung erhaltenes Licht nur schwer in derjenigen Stärke zu erzeugen, welche die Beobachtung auch schwächerer Fluoreszenzerscheinungen ermöglicht. Wood!) fand in dem Nitrosodimethylanilin einen Farb- stoff, der für Strahlen von 400—2830 uu Wellenlänge durchlässig ist, hingegen Blau und Violett ebensowohl wie die unterhalb 280 uu liegenden Strahlen absorbiert. Mit Hilfe dieses Farbstoffes ist es nun Herrn H. Lehmann in Jena gelungen, ein Lichtfilter zu kon- struieren, welches das Spektralgebiet zwischen 400 und 300 uw durchlässt, für die übrigen Strahlen des Spektrums aber undurch- gängig it. Lehmann?) kombinierte das Nitrosodimethylanilin 1) Wood, Phil. Mag. vol. 6 p. 257. 1903. 2) Lehmann, Über ein Filter für ultraviolette Strahlen und seine An- wendungen. Verhandl. d. deutschen physik. Gesellsch. 12. Jahrg. Nr. 21. 1910. Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bü. 142. 1 2 Hans Stübel: mit Jenaer Blau-Uviolglas, welches die vom Farbstoff durch- gelassenen sichtbaren Strahlen absorbiert, seinerseits dagegen für ultraviolettes Licht in hohem Maasse durchlässig ist. Ein aus diesen beiden Komponenten bestehendes Filter lässt noch einen Teil des äussersten Rot passieren, so dass man beispielsweise eine hinter ihm aufgestellte Glühlampe noch als dunkelroten, strahlenlosen Faden erkennt. Indem Lehmann zwischen zwei Blau - Uviolglasplatten eine 5 mm dicke Schicht einer ungefähr 22 Yoigen Kupfersulfat- !ösung brachte, konnte er auch noch den Durchtritt dieser roten Strahlen verhindern. Die drei Filterkomponenten: Nitrosodimethyl- anilin, Blau-Uviolglas und Kupfersulfat sind nun in der Weise an- geordnet, dass zwischen drei Blau-Uviolglasplatten sich einerseits eine Schicht von Nitrosodimethylanilin in Gelatine, andererseits eine Kupfersulfatlösung befindet. Als Lichtquelle dient bei Untersuchungen mit diesem Filter am besten Bogenlicht, wobei man, um ein an ultravioletten Strahlen mögliehst reiches Licht zu erzeugen, Eisen- kohlen verwendet. Je länger der Bogen ist, den die Lampe eibt, um so günstiger liegen die Verhältnisse, da es vor allem auf das Licht des Bogens und nicht des Kraters ankommt. Gerade der Eisenbogen hat zwischen 300 und 400 uu viele intensive Linien. Um das Licht gut auszunützen, bedient man sich einer Kondensor- und einer Sammellinse aus Quarz. In diesem Apparat besitzt man nun eine Lichtquelle, welche lediglich ultraviolette Strahlen und eine ganz geringe Menge sichtbares Licht enthält, also in hervor- ragender Weise für das Studium der Fluoreszenzerscheinungen ge- eignet ist !). Fluoreszenzerscheinungen an tierischen Geweben sind bis jetzt nur in verhältnismässig wenigen Fällen beschrieben worden, meist nur als mehr oder weniger zufällige Befunde. Am bekanntesten ist die Fluoreszenz der Linse des Wirbeltierauges, welche schon häufig beschrieben wurde ?). Ebenso finden sich Angaben über die Fluores- zenz der Cornea und der Retina. In neuester Zeit hat Hess an l) Die Firma Carl Zeiss in Jena stellt Lehmann’sche Lichtfilter in verschiedener Grösse her und liefert dieselben zugleich mit dazu geeigneter Bogenlampe und Quarzoptik. Bei diesen Filtern ist die Dicke des Blau-Uviol- glases so gewählt, dass noch ein ganz geringer Bruchteil der sichtbaren Strahlen durchgelassen wird, der aber praktisch in keiner Weise stört. 2) Vgl. Helmholtz, Physiol. Optik, 2. Aufl., 1896 S. 284, 306, daselbst auch die ältere hierüber vorhandene Literatur. Die Fluoreszenz tierischer Gewebe in ultraviolettem Licht. 3 den Augen von Insekten und Krebsen ') und am Tapetum lueidum der Säugetiere ?) Fluoreszenzerscheinungen beschrieben. H. Leh- mann?) hat bereits in seiner Mitteilung über das von ihm kon- struierte Filter und seine Anwendungen auf die Fluoreszenz einer ganzen Anzahl tierischer Gewebe hingewiesen, und auf seine An- resung hin habe ich diese Erscheinungen an verschiedenen Tier- formen systematisch untersucht. Auf einfache und zugleich sehr schöne Weise lassen sich die Fluoreszenzerscheinungen am Menschen beobachten. Die Haut fluores- ziert blauweiss, jedoch in sehr verschiedener Stärke. Diese Unter- schiede in der Stärke sind durch den wechselnden Pigmentgehalt der Haut bedingt. Je pigmentärmer eine Hautpartie ist, um so heller ist das Fluoreszenzlicht, welches sie ausstrahlt.e. So heben sich bei Belichtung einer grösseren Fläche lokale Pigmentanhäufungen sehr deutlich ab. Pigmentierte Haare fluoreszieren nicht, während sich einzelne dazwischen befindliche weisse Haare deutlich als stark blauweiss leuchtende Fäden abheben. Ebenso zeigt das Pigment des Auges nicht die geringste Fluoreszenz. Was für die Pigmente des Menschen gilt, gilt in derselben Weise auch für alle von mir bis jetzt untersuchten Pigmente der verschiedensten Tiere. So habe ich beispielsweise dieselbe Erscheinung nachweisen können beim Pigment der Augen aller Wirbeltierklassen, dem Pigment der Vogel- federn (Taube, Huhn), der Schildkrötenschale (Emys europaea, Testudo graeca), dem Pigment der Haut und der Blutgefässwandungen der Amphibien, der Schuppen der Fische, ferner dem Pigment des Panzers der Krebse (Lipochrom), der Haut des Regenwurmes (Hä- matoporphyzin). Hier will ich gleich besonders hervorheben, dass eine sehr wichtige Gruppe von Farbstoffen nicht fluoresziert: das Hämoglobin und seine Derivate. Im übrigen besitzen alle tierischen Zellen und Gewebe die Eigenschaft, im ultravioletten Licht zu fluoreszieren. So weit ich meine Untersuchungen bis jetzt ausgedehnt habe, kann nur die An- wesenheit von Pigment oder von Hämoglobin und Hämoelobinderi- vaten diese Erscheinung beeinträchtigen bzw. aufheben. 1) Hess, Über Fluoreszenz an den Augen von Insekten und Krebsen. Pflüger’s Arch. Bd. 137 S. 339. 1911. 2) Hess, Beiträge zur Kenntnis des Tapetum lucidum im Säugetierauge. Arch. f. vergl. Ophthalmol. Bd. 2 S.3. 1911. 3) Lehmann, |. c. 1 * 4 Hans Stübel: Bakterien fluoreszieren je nach der Art in verschiedener Farbe und verschiedener Intensität, so dass man Bakterienkolonien und Bakterienrasen gut im Fluoreszenzlicht unterscheiden kann. Unter dem Mikroskop kann man die Fluoreszenz kleinerer Ansammlungen von Bakterien wahrnehmen ebenso wie die Fluoreszenz der ver- schiedensten Protozoen. An grösseren Formen erkennt man dabei nicht nur die Umrisse des nur durch sein eigenes Fluoreszenzlicht sichtbaren Tieres, sondern man kann auch Einzelheiten, z. B. die Nahrungesvakuolen eines Paramaeceiums mit aller Deutlichkeit sehen. Ja zuweilen unterscheidet man einzelne Organe deutlicher im Fluores- zenzlicht als bei gewöhnlicher Beleuchtung. Ein besonders schönes Beispiel bietet uns hierfür der Regenwurm. Während die durch Hämatoporphyrin mehr oder weniger stark pigmentierte Haut sehr schwach, an ihren dunkleren Partien überhaupt kaum fluoresziert, heben sich die bei gewöhnlichem Licht mit blossem Auge nur schwer erkennbaren Chitinborsten deutlich als stark grün leuchtende Punkte von ihrem dunklen Hintergrunde ab. So erscheint es nicht als aus- geschlossen, dass auch in der Biologie die Beobachtung der Fluores- zenz in gewissen Fällen als Untersuchungsmethode verwertet werden’ kann. Im folgenden sind die Fluoreszenzerscheinungen einer An- zahl verschiedener Tierformen als Beispiele zusammengestellt. Weinbergschnecke (Helix pomatia). Haut an der Seite des Fusses . . schwach gelbgrün. Haut der Fusssohlle .. ..... n 5 Mantelrande sun N gelbgrün. Lunge: ro er dunkel braungrün. Herz.) .. Sp ee braungrün. Schlundkopf (Muskulatur). . . . . hellblau. Radula:..2 2. Ser re fluoresziert nicht. Magen“... EN ee schwach blau. Speicheldrüsenn u. Ser hellgrün. Dünndarm. ae es ee braungelb. Teheran ... . dunkel gelbgrün. Eiweissdrüse . 2 ee celberun. Üterus... soccer hellgelb. Vagina... intensiv weiss (etwas grün). Denisat.det Wut n. Vo en le a: Hlagellume a. 0. a 5 N u): Musculus retractor penis. ... . N ul 5 Tiebespfeilsack =. .... .....0r intensiv blauweiss. Tiebespfale ma Pe hellerun. Die Fluoreszenz tierischer Gewebe in ultraviolettem Licht. 5 Fussmuskel (auf der Schnittfläche). . . schwach gelbweiss. Schale, Innenseite .... 2.2... B blau. Schale, Aussenseite . . » .». ..... noch dunkler blau, an einzelnen Stellen . braungrün. Flusskrebs (Astacus fluviatilis). Banzerl wre... fluoresziert um so mehr intensiv blau, je weniger er pigmentiert ist, also besonders an der Unterseite und an seiner Innen- seite; stärker pigmentierte Stellen fluoreszieren in stumpfem Dunkelgrün, und zwar ebensowohl die rotbraunen als die grünlich gefärbten. Die feineren Rauhigkeiten des Panzers und die Chitinborsten fluoreszieren leuchtend grün. Masknlaturs intensiv hellblau. Bindegewebe (Verbindungsblatt von Üe- phalothorax u. 1. Abdominalsegment dunkelblau. Ilayz 0. Saar Sr BA La intensiv weiss (etwas grünlich). IKSTemenmee en. . . . . stumpf grün. Masgdeferensun.n.. 2. ln intensiv hellblau. Maren Muscularis. . . . vu... „ blau. BaChitintelle... 0... ua... 5 grün. Nitteldarmdrüsen 2. .... 0... stumpf hellgrün. Dean... <- 0. Ro hellgrün. Hamnplaser a... a. 2. ae schwach blau. Antennendrüse . . .... - ... . intensiv hellgrün. Banchstrang u. m ee. . . schwach gelblich. As AR AN intensiv hellblau. Plötze (Leueiscus rutilus). Haut, schwarze Rückeuhaut, Aussenseite fluoresziert ganz schwach dunkelblau, 2 stellenweise gar nicht. 5 : „ Innenseite. etwas heller blau. Weisse Bauchhaut, Aussen- und Innen- VE ae ee intensiv hellblau. NMinskaln oa Bis hellblau. Wirbelknochen . .. ........... stark hellblau. Bauchtlosser nd Rn a, R, IB ImB ‚0. 0.07 Se ne fluoresziert nicht. HerzwVorkammer. . .: ... > „ deutlich. HerzuKammerkrn.e ara een schwach bläulich. Schwimmblasen san ae. nn intensiv hellblau. HERE Era 810, Kork BEER G gelbgrün. Biersiock nn ee: 22... intensiv hellblau. IKTeMEeNnK Eee. hellblau. ZUNGeRE N... ee an ce: intensiv hellblau. Darm (Oberfläche und Schleimhaut) . - „ gelbgrün. 6 Hans Stübel: Hieber 1... 200 een ne gelbgrün. Gehirm. . aa SE Rat: hellblau. Gornea ala ae a ee ur nn intensiv hellblau. Linse wen An ee noch stärker hellblau. Netzhaut er a en ae gelbgrün. Chorioidealpigment .: .. 2.2... fluoresziert nicht. Wasserfrosch (Rana esculenta). Haut Aussenseite 1.1. 100 zur ce ea: Stark pigmentierte Stellen fluoreszieren gar nicht, schwächer pigmentierte Stellen leuchten schwach in gelblicher Farbe, nichtpigmentierte Partien leuchten hellblau. „as Innenseite... ut een hellblau. Die Blutgefässe heben sich dunkel (nicht fluoreszierend) ab. Zunge, ee ee e.chellblau: Oberkieferrand (Zähnchen) . ..... weiss. Nickhaut.. ek aner oa. schwach hellblau, der pigmentierte Rand fluoresziert nicht. Trommeltell:.: 8. 282. en Su fluoresziert nicht. Muskeln! 2.0 SR eng ae intensiv weiss, etwas ins gelbliche. Fascien... "BE re: AR 5 hellblau. Sehnen ; ". ba. ne ee 5 5 Knochen: .2.0e sn aa 5 s Blut... 02 Mas Ba Sa, fluoresziert nicht. Herz, Wand der Vorkammern. . .. . 5 „ deutlich. Herz) Kammer a wre gelblich. Grosse Gefässstämmer u... 2. schwach weiss. Thyreoidea.: "ne braungelb. Hachenschleimhaut. 2 u. 2.227... hellblau. Bronchien und Trachea von der Schleim- hautoberfläche gesehen. ...... hellblau, die Knorpelringe fluoreszieren intensiv hellblau. Lunge, Ober- und Schnittfläche . . . . schwach braun, stärkere Bindegewebs- züge deut ich weiss. Hueber:....:2.0..0.:. 7 See RM ee dunkelbraungelb, Läppchen deutlich. Milz... ne fluoresziert nicht deutlich. Magen, Oberfläche. en. Warzen intensiv hellblau. B Schleimhaut... vw. era 2 weiss, etwas gelb. Gallenblaser...0 7...0. 3 Alan hellgelb. Darm (in allen Abschnitten), Oberfläche undaschleimhaut.. 0. 2 sur ziemlich intensiv hellgelb. Pankreas en 2 nn hellgelb. OVaHI Re se a ER Die Eier fluoreszieren nicht an der pig- mentierten Seite, an der nichtpigmen- tierten fluoreszieren sie hellbraun. Die Fluoreszenz tierischer Gewebe in ultraviolettem Licht. 7 Oviductaa a gli: hellblau. Üteruse. ....,. NER 2... be. „ INetokörper) ee eo. hell gelbbraun. INNerene se. rs rl). 5 5 Hoden 0 en hellgelb, etwas grünlich. Nervensubstanz (Spinalnerven, Rücken- mark #Gehıen)ane se u % Chomioidealpiemenu. „22 2.0. fluoresziert nicht. Cornespn gen...‘ ER NER hellblau. nS@>. 6 ee IR Re intensiv hellblau. Kaninchen. Haare, unpigmentiert ELLE HL intensiv hellgelb. » Pigmentiert (schwarz) . ... . fluoreszieren nicht. Hauts Innenseite. 2... 220 lee. intensiv hellblau, die Blutgefässe sind dunkel (nicht fluoreszierend). Naseb ee ae intensiv hellblau, LEINE" La 8A ee = weiss, etwas bläulich. Submasıllarısna aaa ni Ne braun, etwas grünlich. Speiseröhre, Aussenseite . ... .. .. “ Mi Schleimhauteu u... 2 =. schwach hellblau. Maren aQuertlächer...... . 0.2. 20. intensiv r 5 Schleimhautaaın.. 2 sr a. schwach ,„ Duodenum, Oberfläche und Schleimhaut dunkel gelbgrün. Dünndarm, Oberfläche... 2... . hellgelb. 3 Schleimhaut... us hellgrün. Blinddarm, Oberfläche und Schleimhaut 5 Dickdarm, Oberfläche und Schleimhaut hellgelb. Rectum, Oberfläche und Schleimhaut . „ Kl se ee er eedunkelbraun. Bankreaserm nn. NN ..... gelbgrün. JLyelDegp 3 5 | an RR HA EN ER dunkelbraun, etwas grünlich. Gallenblasen 2.2... 1.0: 2... gelbgrün. Niere, Oberfläche 2... 21%... 2... dunkel gelbgrün. BeSehnitttlächer Rinde. ...... e „ n R Mark en, 2. hellgelb. UreloR a an Re a SR: 5 Harnblase. . .. . EEE IFA IRLER hellblau. Hoden a na NW. ie: ar gelborün! IEpIelottise ren: intensiv hellblau. Kehlkopf und Luftröhre ....... die knorpligen Teile stark hellblau, die Weichteile schwach gelblich. lkunge, Oberfläche 2... iu... .. dunkelbraun, etwas grünlich. Paıschnittlachene., nean ar, die Querschnitte grösserer Gefässe und Bronchien fluoreszieren hellblau. Herzmuskel ... 0.1: %; RUSS dunkelbraun, etwas grünlich. 8 Hans Stübel: VL E BEER 3 Ua ee NENNE Knochen (besonders die Compacta) . . Sehnenzung@kascerene nn ner Retina SC ee Nervusxopticus.. . 2... Klon all, Sehnerveneintritt@. en Ghorioidea undelrısen 2 ae SCIEraa Re Gorneatan a N IE EN Glaskörpere. 22 Sale Se Zentralnervensystem, graue Substanz. . weisse Substanz . intensiv hellgelb. M hellgrün, die „roten Muskeln“ fluoreszieren weniger stark. intensiv hellgrün. 5, hellblau. ” ” dunkelbraun, etwas grün. hellgelb. gelblich. fluoreszieren nicht. intensiv hellblau. hellblau. intensiv hellblau. fluoresziert nicht deutlich. hellgelb, fluoresziert schwächer als weisse Substanz. . weiss, etwas bläulich. Graue und weisse Substanz sind im Fluoreszenzlicht deutlich voneinander unterscheidbar. Was speziell die Unterschiede in der Farbe des Fluoreszenz- liehtes anbelangt, so spielt bei deren Feststellung natürlich das Farbenunterscheidungsvermögen des Beobachters eine grosse Rolle, vor allem auch sein Adaptationszustand und eventuelle Kontrast- wirkungen. Man wählt daher am besten zur Beobachtung jedes einzelnen Organes stets denselben Hintergrund. Sehr geeignet hier- zu ist eine weisse Porzellanplatte. Da Porzellan so gut wie gar nicht fluoresziert, so erhält man einen ganz dunkelvioletten Hinter- grund, welcher lediglich die geringe Menge des äussersten sichtbaren Violett reflektiert, die von dem Filter noch durchgelassen wird. Mit dem Grade der Adaptation ändert sich sehr häufig scheinbar die Farbe des Fluoreszenzlichtes. So bekommen Organe, die dem hell- adaptierten Auge rein hellblau zu fluoreszieren scheinen, bei Dunkel- adaptation oft einen Stich ins Gelbe oder Grüne. Einer der wich- tigsten Faktoren, der die Farbe, in der ein Organ fluoresziert, be- einflusst, ist sein Hämoglobingehalt. Je mehr Hämoglobin bzw. hämoglobinhaltiges Blut ein Gewebe enthält, um so mehr geht seine Fluoreszenzfarbe aus dem Weiss bzw. Blauweiss oder Grünweiss ins Gelb und Braun über. Die Muskeln, die ja bei den Wirbeltieren ihre Farbe einem dem Hämoglobin sehr nahe stehenden Farbstoff verdanken, liefern uns hierfür ein gutes Beispiel. Strahlend hell- hlau fuoresziert die Muskulatur des Krebses, etwas weniger die des Die Fluoreszenz tierischer Gewebe in ultraviolettem Licht. 9 Frosches, während Vögel- und Säugetiermuskeln oft dunkelbraunrot fluoreszieren. So lassen sich im Fluoreszenzlicht auch rote und weisse Muskeln beim Huhn und beim Kaninchen deutlich voneinander unterscheiden. Auch die Fluoreszenzfarbe der drüsigen Organe ist vor allem durch ihren Hämoglobingehalt bedingt. Wichtig ist es fernerhin, die Gewebe in möglichst frischem Zustande zu unter- suchen, da Bakterienwachstum und Fäulnis vor allem die Farbe des Fluoreszenzlichtes verändert. Bei beeinnender Fäulnis zeigen nor- malerweise blau fluoreszierende Körper ein mehr grünliches Licht. Die Intensität, mit der ein Gewebe Fluoreszenzlicht ausstrahlt, ist im wesentlichen durch seine Struktur bestimmt. Je dichter, wasserfreier, fester ein Gewebe ist, je weniger mit Flüssigkeit ge- füllte Hohlräume es einschliesst, um so stärker ist auch seine Fluoreszenz. So leuchtet ein vertrocknetes Gewebe stärker als frisches, Fascien und Sehnen leuchten heller als der Muskel, noch heller leuchtet der Knochen, vor allem die Substantia compacta. Diese Erscheinung zeigt sich uns mit besonderer Deutlichkeit bei der Beobachtung der Fluoreszenz am Menschen: Viel stärker als die Haut fluoreszieren die Nägel und die Haare, sofern sie nicht pigmentiert sind, am stärksten aber die Zähne, welche ein sehr intensives weisses Licht ausstrahlen. Auch Fettgewebe fluoresziert stark. Ebenso wie die tierischen Gewebe zeigen die meisten organischen Verbindungen, welche sie zusammensetzen, eine mehr oder weniger starke Fluoreszenz, sowohl in fester Form als in wässeriger Lösung. Eine Anzahl von Beobachtungen sei hier in tabellarischer Form zu- sammengestellt: Ally ner Be intensiv blau. Nitellinsausebflanzenn a nn. " hellblau. Eiweisslösung (Eiereiweiss in NaCl-Lö- BUNGWE SE: N hellblau IN DUMOSENE ER ie intensiv hellblau Witte-Pepton in wässeriger Lösung . . hellgelb. Blasinekre ats un i} ee intensiv hellblau. Gelatine ee n ® Gutmann ent 2 » B ROTEN 5. 0 Ra „ en NS 2. a N IE Pr ; INSDaArasınEa nn Ne he H HEENTOSITE DE EINE Re a N ENLIAUNTD, 5 5 Butterfetteisse de ns ee a „ gelbgrün. 10 Hans Stübel: Olivendl in. Nee: ee). gelbgrün. Glykogen, : se sea. - hellblau. Stärke; 1% 2. WERE Rn, ne 5 Dextrin ey. ee weiss, etwas gelblich. Kohrzuckerg nn N. ra hellblau. Milchzuckerge sn ne 15 ee a Traubenzucker. ... ... .ı... N N Haunstotiaut ans ya ern N. .. .„ Suoresziert nicht. Harpsäuresan. af ul. ee 5 5 Rinderoaller tin. n nen lan u gelbgrün, nach Zusatz von HNO, tritt mit der Rotfärbung durch Bildung von Bilirubin auch eine intensiv dunkel- rote Fluoreszenz auf. Harn (Mensch), er 2 intensiv hellgrün. INHICH Ba ner rc a N gelb. Die meisten der von mir untersuchten Körper fluoreszieren in blauweissem Licht. Im übrigen war Stärke und Farbe des Fluores- zenzlichtes je nach der Herkunft und Reinheit der Präparate ziem- lich verschieden. Besonders bunte Bilder zeigen Gallensteine. Reine Cholesterinsteine fluoreszieren gelbgrün; Beimengungen von Gallen- farbstoffen können in allen Farben, von Rot bis zum Violett, fluores- zieren. Harnstoff und Harnsäure fluoreszieren überhaupt nicht. Ein besonderes Interesse beansprucht die Fluoreszenz der Ge- webe des Auges. Betrachtet man ein menschliches Auge in ultra- violettem Licht, so fluoreszieren Selera und Hornhaut hellblau. Die Iris hebt sich als nicht fluoreszierender dunkler Ring ab, und in der Pupille gewahrt man die Linse als stark blauweiss leuchtenden Körper. An Tieraugen sieht man des weiteren, dass die Netzhaut ein schwaches gelbliches Fluoreszenzlicht ausstrahlt; bluthaltige Ge- fässe sind auf ihr als dunkle Streifen, die Papille als hellgelb leuch- tender Fleck zu erkennen. Das Tapetum lueidum fluoresziert grün- lich, je nach der Tierart in verschiedener Nuance und Intensität. Die Linse ist das am stärksten fluoreszierende Organ des gesamten Körpers; höchstens die Zähne kommen ihr in dieser Beziehung gleich. Die Linse fluoresziert bei allen von mir untersuchten Wirbel- tieren in intensiv hellblauer Farbe. Diese starke Fluoreszenz der Linse bewirkt, dass das Auge von einem blendend hellblauen Licht- schein erfüllt wird, wenn man es in den ultravioletten Strahlengang bringst. Hält man eine Linse in konzentrierteres ultraviolettes Licht, so kann man bei dem Fluoreszenzlicht lesen. In Einklang mit der Die Fluoreszenz tierischer Gewebe in ultraviolettem Licht. IK! intensiven Fluoreszenz steht das Vermögen der Linse, in hohem Maasse ultraviolettes Licht zu absorbieren. In der ophthalmologischen Literatur der letzten Jahre finden sich eine ganze Anzahl Arbeiten, die sich, zum Teil auch im Hinblick auf praktische Konsequenzen, mit der Absorption ultravioletten Lichtes von seiten der Augenmedien befassen (Widmark, Hertel, Hess, Birch-Hirschfeld, Best, Scehanz und Stockhausen). Besonders möchte ich hier die Untersuchung von Hallauer!) anführen, der an einem grossen Material die Absorption ultravioletten Lichtes durch die Augenmedien des Menschen und die durch individuelle Unterschiede, Alter unter pathologische Zustände bedingten Variationen der Absorptionsbreite auf spektrographischem Wege exakt bestimmt hat. Auch Cornea und Glaskörper absorbieren, wenngleich in bedeutend geringerem Maasse ultraviolettes Licht. Nach Hallauer absorbiert die Linse jugendlicher Individuen die Strahlen von 400 uu an; vom 20. Jahre an sinkt die Absorptionsfähigkeit etwas, um im Alter wieder zu steigen. Wir wissen zwar bis jetzt nieht, inwieweit die unter natür- lichen Verhältnissen (Tageslicht) vorhandenen ultravioletten Strahlen - die Netzhaut schädigen können. Dennoch geht aus den zahlreichen Versuchen, die bis jetzt über die Absorption mit ultraviolettem Lichte durch die Augenmedien angestellt worden sind, hervor, dass bei Einwirkung ultravioletter Strahlen von grosser Intensität die Ausenmedien, speziell die Linse, infolge ihrer hohen Absorptions- fähigkeit der Netzhaut einen wenn auch nicht vollständigen, so doch sehr weitgehenden Schutz gewähren können. Über- die Durchlässigkeit anderer Gewebe als der Augenmedien für ultraviolettes Licht wissen wir bis jetzt noch sehr wenig. Aus den neuerdings an der menschlichen Haut angestellten Untersuchungen von Hasselbalch?) geht hervor, dass von den Strahlen unterhalb 400 uu weniger als 50°/o bis in eine Tiefe von 0,1 mm vordringen, während eine 1 mm dicke Hautschicht für ultraviolettes Licht bereits so gut wie undurcheängig ist. Strahlen von 300 uu und darunter werden verhältnismässig viel stärker absorbiert als das längerwellige Ultraviolett. 1) Hallauer, Über die Absorption von kurzwelligem Licht durch die menschliche Linse. Klin. Monatsbl. f. Augenheilk. Bd. 47 S. 721. 1909. 2) Hasselbalch, Quantitative Untersuchungen über die Absorption der menschlichen Haut von ultravioletten Strahlen. Skandin. Arch. f. Physiol. Bd. 25 8.55. 1911. 12 Hans Stübel: Die Absorption des ultravioletten Lichtes durch die Augenmedien und durch die Haut kann also die tiefer liegenden Organe vor ultraviolettem Licht von zu hoher Intensität schützen. Diese Eigen- schaft und die dadurch bedingte Fluoreszenz ist daher für den Orga- nismus nicht ohne Bedeutung. Andererseits erscheint es mir sehr zweifelhaft, ob man berechtigt ist, jeden Fall von Fluoreszenz eines tierischen Gewebes als einen Vorgang von biologischer Bedeutung aufzufassen, besonders wenn man bedenkt, wie weit verbreitet diese Erscheinung ist, und dass die Mehrzahl der organischen Verbindungen fluoresziert. Es wird sicherlich richtiger sein, sich zuerst in den verhältnismässig seltenen Ausnahmefällen, in denen ein integrieren- der Bestandteil eines tierischen Gewebes nicht fluoresziert, zu fragen, ob dieses abweichende Verhalten für den Organismus von irgend- welcher Bedeutung ist. In diesem Zusammenhang möchte ich in erster Linie die Pigmente, besonders das Hautpigment erwähnen. In der stärkeren Pigmentierung der Haut nach Belichtung ist mit Recht eine Schutzeinrichtung gesehen worden. Indem das Pigment die die Haut treffenden Strahlen absorbiert, schützt es nicht nur das darunterliegende Gewebe (s. oben), sondern auch die Haut selbst vor zu starken Lichtreizen. Zeigt uns ja die Erfahrung des täg- lichen Lebens, dass intensives Licht in der Haut um so weniger Entzündungserscheinungen hervorrufen kann, je stärker die betreffende Hautpartie pigmentiert ist. Ausser dem in den Zellen der verschiedensten Organe ab- gelagerten Pigment haben nun, soweit ich es bis jetzt feststellen konnte, allein das Hämoglobin und seine Derivate die Fähigkeit, die Intensität der Fluoreszenz eines tierischen Gewebes zu vermindern bzw. die Fluoreszenz ganz aufzuheben. Das Hämoglobin und seine Derivate zeigen an der Grenze zwischen Violett und Ultraviolett eine starke Absorption, die zuerst von Gamgee!) festgestellt, durch Lewin, Miethe und Stenger?) und später durch Rost, Franz l) Gamgee, On the absorption of the extreme violet and ultraviolet rays of the spectrum by haemoglobin, its compounds and certain of its derivatives. Kühne’s und Voit’s Zeitschr. f. Biol. Bd. 34 S. 505. 1896. 2) Lewin, Miethe und Stenger, Über die durch Photographie nach- weisbaren spektralen Eigenschaften der Blutfarbstoffe und anderer Farbstoffe des tierischen Körpers. Pflüger’s Arch. Bd. 118 S. 80. 1907. Die Fluoreszenz tierischer Gewebe in ultraviolettem Licht. 13 und Heise!) eingehender untersucht worden ist. Gerade diejenigen kurzwelligen Strahlen, welche unter physiologischen Bedingungen in verhältnismässig grosser Intensität vorhanden sind, werden also vom Blutfarbstoff absorbiert. Es erscheint daher nicht ausgeschlossen, dass auch Blut unter Umständen Schädigungen durch ultraviolettes Licht verhindern kann, eine Ansicht, die bereits früher von Grober?) aus- gesprochen worden ist. Folgende Versuche sind geeignet, diese Anschauung zu stützen. Es wurden Paramäcien im hängenden Tropfen (mit Quarzobjektträger und Quarzmikroskopkondensor) von dem gut konzentrierten Licht einer bei 30 Ampere Stromstärke brennenden Eisenbogenlampe, deren Strahlen durch das Filter gingen, belichtet und die Einwirkung des Lichtes beobachtet. Nach einer Belichtungsdauer von 5 Minuten war der grösste Teil der Paramäcien gestorben, die übrigen be- wegten sich viel schwächer als normal, und nach 15 Minuten war überhaupt kein lebendes Paramäcium mehr aufzufinden. Wurden nun die Paramäcien statt in einem Tropfen Kulturflüssigkeit in Rinderblut, das mit Wasser ca. 20fach verdünnt worden war, unter- sucht, so war nach einstündiger Belichtungsdauer die Bewegung der Paramäcien noch eine völlig normale, und es war nur ein ganz ver- schwindender Bruchteil von toten Paramäcien aufzufinden. Kontroll- versuche mit einem 20fach verdünnten Rinderblutserum ergaben, dass in diesem Medium die Paramäcien ebenso rasch abstarben als in der gewöhnlichen Kulturflüssigkeit. Dieselben Versuche wurden zuerst beim Licht einer Bogenlampe angestellt, die nur mit S—10 Ampere Stromstärke brannte. Hier konnten auch in Kulturflüssigkeit nach einer Belichtungszeit von über 1 Stunde nie alle Paramäcien zum Absterben gebracht werden. Nur die Bewegung wurde in der Regel schwächer. An manchen Individuen liess sich überhaupt keine Reizerscheinung beobachten. In ebenso geringem Maasse wurden Infusorien, die normalerweise in einem ewigen Dunkel leben, so die grossen Infusorien aus dem Magen der Wiederkäuer (Isotricha, Ophryoscolex, Entodinium) durch dieses Licht beeinflusst. 1) Rost, Franz und Heise, Beiträge zur Photographie der Blutspektra, unter Berücksichtigung der Toxikologie der Ameisensäure. Arbeiten aus dem | kais. Gesundheitsamte Bd. 32 8. 223. 2) Grober, Über die physiologische Bedeutung der Blutfarbe. Verworn’s Zeitschr. f. allgem. Physiol. Bd. 10 S. 63. 1910. 14 H. Stübel: Die Fluoreszenz tierischer Gewebe in ultraviolettem Licht. Es ist auffallend, dass bei diesen Versuchen eine so hohe Licht- intensität und eine so lange Belichtungsdauer notwendig ist, um die Infusorien zu schädigen; wissen wir doch, dass ultraviolettes Licht Mikroorganismen oft schon in wenigen Sekunden abtöten kann. Hertel!), der zuerst exakte messende Versuche über den Einfluss der Strahlen verschiedener Wellenlänge auf Organismen gemacht hat, betont, dass das ultraviolette Licht um so schädlicher wirkt, je kürzer seine Wellenlänge ist. Strahlen von über 300 uu Wellen- läuge wirken nach Hertel’s Versuchen bedeutend schwächer als solche unter dieser Grenze. In neuester Zeit haben Vietor Henri und seine Mitarbeiter auf diese Erscheinung besonders hingewiesen ?). Henri betont dabei, dass Strahlen von unter 280 uu Wellenlänge so gut wie nicht mehr in den durch die Atmosphäre durchgedrungenen Sonnenstrahlen vorkommen. Das Protoplasma ist den nicht in der Atmosphäre vorhandenen kurzwelligen Strahlen nicht angepasst, es absorbiert diese Strahlen, und hierdurch kommt die stark schädigende Wirkung zustande. Die Strahlen, welche durch das Lehmann’ sche Lichtfilter hindurchgehen, haben eine Wellenlänge von 400—300 uu, enthalten also noch keine stark schädigenden Strahlen, sondern nur solche, die auf die Organismen auch unter natürlichen Bedingungen einwirken können. Für das Studium des Einflusses. des auch unter physiologischen Verhältnissen wirkenden Spektralbezirkes von 400 bis 300 uu dürfte sich also das Filter besonders gut eignen. 1) Hertel, Über physiologische Wirkung von Strahlen verschiedener Wellenlänge. Vergleichend - physiologische Untersuchungen. 2. Mitteilung. Verworn’s Zeitschr. f. allgem. Physiol. Bd. 5 S. 95. 1905. 2) Cernovodeanu et V. Henri, Etudes de Paction des rayons ultra- violets sur les mierobes. Compt. rend. de l’academie des scienc. t. 150 p. 52. 1910. — Comparaison des actions photochimiques et abiotiques des rayons ultra- violets. Compt. rend. de l’academie des sciences t. 150 p. 549. 1910. Theoretischer Essai über Muskelmechanik. Von Dr. med. et phil. Th. Christen, Privatdozent in Bern. Vorliegende Abhandlung hat über ein halbes Jahr in meinem Sehreibtisch gelegen, weil ich mir wiederholt die Frage vorgelest habe, ob dieselbe in unserer experimentellen Zeit überhaupt ver- öffentlicht werden dürfte. Denn sie enthält keinerlei neue Fxperi- mente, sondern bloss eine, wie mir scheint, neue Denkweise, oder vielleicht nur eine etwas präzisere Fassung einer bekannten, aber weiteren Kreisen zu wenig geläufigen Denkweise. Endlich habe ich mich doch dazu entschlossen, und zwar aus zwei Gründen: 1. Grosse Reihen von ausgezeichneten Experimenten sind von dem hervorragenden Forscher Chauveau angestellt worden, und G. Weiss hat in den Ergebnissen der Physiologie (1910, S. 369 ff.) darüber berichtet. In den theoretischen Deduktionen, welche sich an die Chauveau’schen Experimente anknüpfen, findet sich nun aber manches, was mit unseren mathematisch-physikalischen Vor- stellungen nicht vereinbar ist, so vornehmlich die energetischen Argumentationen, z. B. das Problem des durch einen Motor auf- recht erhaltenen Gleichgewichtszustandes. Ich werde versuchen, durch eine möglichst eindeutige Fragestellung diese Punkte hervor- zuheben. ” - 2. Das bei weitem wichtieste Anwendungsgebiet der Muskel- physiologie ist für die Klinik die Mechanik der Frakturen und Luxationen. Durch die bahnbrechenden Arbeiten Zup- pinger’s und seiner Schüler ist dieses Gebiet in unerwarteter Weise erweitert und bereichert worden. Trotzdem ist auch heute noch manches lückenhaft, und es bedarf durchaus der Mithilfe der Physiologen zur Klärung mancher noch nicht völlig er- ledister Fragen. Darin liegt auch der Grund, warum ich, im Gegen- satz zu der Zuppinger’schen Schule, die folgenden Erörterungen in einer physiologischen Zeitschrift veröffentliche, nachdem von seiten der Chirurgen verhältnismässig wenig Interesse bekundet worden ist. 16 Th. Christen: Die Gebrüder Weber haben nachgewiesen, dass der ruhende Muskel ein vom Hook schen Gesetze abweichendes Verhalten zeigt, indem die für eine bestimmte Dehnung nötige Belastung nicht der gewollten Dehnung proportional ist, sondern dass, je grösser die bereits vorhandene Dehnung schon ist, die weitere Dehnung um einen bestimmten Betrag um so mehr Belastung erfordert. Es ist zur Präzisierung der Ideen immer gut, alle derartigen Gesetze in mathematische Form zu kleiden, weil man so erst er- messen kann, wie weit dieselben gültig und ob sie überhaupt „Ge- setze“ im strengen Sinne des Wortes sind. — Das Hook’sche Gesetz, das sich auf den elastischen Draht be- zieht. ist einfach auszudrücken. Man bezeichnet mit & seine ver- änderliche Länge, mit p» das belastende Gewicht und mit / seine Länge bei fehlender Belastung. Ausserdem muss man, da das Ge- setz eine Proportionalität aufstellt, einen Proportionalitätsfaktor «a einführen. Endlich erinnern wir uns, dass die Dehnung, d. h. die durch die Belastung erzeuste Verlängerung, nicht nur dem an- gehängten Gewicht, sondern auch der ursprünglichen Länge pro- portional ist. Die Verlängerung <—/ ist also gleich dem Produkt aus drei Faktoren: der Länge des unbelasteten Drahtes !, dem belasteten Gewichte und dem Elastizitätskoeffizienten, so dass wir haben: z—l=a-1-» oder: 2 —t aller aD) ee ae: Noch einfacher ist die Form des Hook’schen Gesetzes, wenn man Gleichung (1) nach » differentiiert: Dune Er 2 d. h. bei allen Körpern, welche dem Hook’schen Gesetze unter- stehen, ist die Zunahme der Länge, dividiert durch die Zunahme der Belastung eine Konstante, d. h. eine von der Belastung un- abhängige Grösse. Diese Tatsache berechtigt uns, dem konstanten Quotienten einen Namen zu geben, ihn den Ausdehnungskoeffizienten zu nennen. Daraus ergibt sich, dass auf alle Körper, welche dem Hook- schen Gesetze nicht genügen, der Begriff des „Ausdehnungskoeffi- zienten“ nicht angewendet werden kann. Deshalb hat auch der Muskel keinen „Ausdehnungskoeffizienten“ im üblichen Sinne des Wortes. Theoretischer Essai über Muskelmechanik. 1% Welche Formel entspricht nun aber dem Weber’schen Gesetze? So viel mir bekannt, haben die Gebrüder Weber keine Formel aufgestellt. Ein exaktes Naturgesetz ist also vorläufig das Weber- sche Gesetz nicht. Das Weber’sche Gesetz sagt aus, dass die Verlängerung, dividiert dureh die Belastung, keine Konstante, sondern um so ge- ringer sei, je grösser die Belastung schon ist. Man kann dieses Gesetz auch in folgender Form ausdrücken: Will man einen be- lasteten und daher auch gedehnten Muskel durch Hinzufügen eines weiteren kleinen Gewichtes noch um einen kleinen Betrag weiter dehnen, so muss das erforderliche Gewicht um so grösser sein, je srösser die bereits vorhandene Dehnung schon ist. Beide Sätze sagen dasselbe aus, nur in verschiedener Form. Wir wollen sie beide in mathematische Form kleiden, um aus der- selben in klarer Weise die Bedeutung des Weber ’schen Gesetzes abwägen zu können. Der Satz in seiner ersten Form sagt aus, dass der Quotient de mit wachsender Belastung abnehme. Somit gilt er... Se. In der zweiten Form dagezen sagt der Satz, dass der Quotient dp ds mit wachsender Dehnung zunehme. Die Dehnung ist z—I, ihr Differential ist gleich dr, weil ! eine Konstante ist; es wird daher dp de >°9- - 2 Se u). Hieraus ergibt sich ohne weiteres, warum das Weber’sche Ge- setz nieht, wie das Hook'sche, ein exaktes „Gesetz“ ist: Das Hook’sche Gesetz findet seinen Ausdruck in einer Gleichung, das Weber’sche dagegen in einer Ungleichung: Eine exakte Lösung ‘des Problems würde nun darin bestehen, dass man den Ursachen nachforschte, welehe dieses merkwürdige Verhalten des Muskels bedingen. Sind dieselben mathematisch genau zu eruieren, so lässt sieh aus ihnen die Form der Funktion dx Pflüger’s Archiv für Physiglogie. Bd. 12. LKW} 18 Th. Christen: bestimmen, man erhielte an Stelle der Ungleichung eine Gleichung und damit ein exaktes Gesetz. Hiervon sind wir aber zurzeit noch weit entfernt und wir wollen recht froh sein, wenn es uns gelingt, empirisch für die Funktion da dp einen mathematischen Ausdruck zu finden, welcher die bestehenden Zusammenhänge mit möglichster Annäherung wiedergibt. Zugleich muss aber auch das Bestreben obwalten, für diesen_ Zusammenhang einen möglichst einfachen Ausdruck zu finden, damit die. Resultate übersichtlich und der Erklärung in Worten zugänglich werden. Ausserdem kommt es vor, dass ein bestimmter mathematischer Ausdruck den Zusammenhang zwischen Belastung und Dehnung in einem begrenzten Gebiete mit grosser Genauigkeit wiedergibt, in einem anderen dagegen von den tatsächlichen Verhältnissen merk- lich abweicht. Wir werden einem solchen Falle in Kürze begegnen. Nun ist zunächst ein besonders wichtiges Moment zu erörtern, welches einen prinzipiellen Unterschied zwischen belebter und un- belebter Materie bedeutet. | Wenn wir beim Hook’schen Gesetze sagen, der Differential- quotient der Länge nach der Belastung sei eine Konstante, so ist damit gemeint, dass das Produkt a -! sowohl von p wie von & un- abhängig sei. Durchaus unveränderlich unter allen Umständen ist aber weder «a noch |. Erinnern wir uns nur an den Einfluss der Temperatur. Schon die Länge des unbelasteten Drahtes 7 wächst mit zunehmender Temperatur. Aber auch der Ausdehnuneskoeffizient a ist von der Temperatur abhängig, mit anderen Worten: a und / sind Funktionen der Temperatur. Ftwas Ähnliches finden wir beim Muskel. Der Muskel ist, im Gegensatz zum Draht, ein Jebendes Material, d. h. seine Kon- stanten sind Funktionen von unabhängig. Variabeln, welche wir in Ermangelunge genauerer Kenntnisse über ihre Natur „vitale Faktoren“ nennen wollen. Dadurch wird gar nichts präjudiziert; es soll damit nur gesagt sein, dass im lebenden Organismus Faktoren in Aktion treten, weiche die physikalischen Eigenschaften des Muskels zu verändern vermögen. Theoretischer Essai über Muskelmechanik. 19 Der Einfluss dieser vitalen Faktoren auf den physikalischen Zu- stand des Muskels muss in analoger Weise in Rechnung gebracht werden, wie der Einfluss der Temperatur oder der Leeierungsverhält- nisse auf die Konstanten des Hook’schen Gesetzes, nur mit dem Unterschied, dass gegenüber z. B. dem Einfluss der Temperatur auf die Verlängerungen eines Drahtes der Einfluss der vitalen Faktoren auf den Zustand des Muskels quantitativ ein viel weit- gehenderer ist. Wir sehen am Hook’schen Gesetze ohne weiteres, dass wir uns jegliche Berechnung dadurch wesentlich vereinfachen können, dass wir die Wirkung der Temperatur ausschalten, oder dass wir wenigstens auf die Legierungsverhältnisse nicht Rücksicht zu nehmen brauchen, falls es uns gelingt, den Versuch in diesem Sinne zu dis- ponieren. Kurz gesagt: die Behandlung der Materie ist um so leichter, einfacher und übersichtlicher, je weniger unabhängig Variable in die Rechnung eintreten. Betrachten wir die Länge des Muskels als abhängig Variable, so müssen wir als unabhängig Variable anerkennen alles, was auf diese Länge von Einfluss ist, also die Belastung und die vitalen Faktoren. Da wir aber soeben gesehen haben, dass für die mög- lichst einfache Behandlung der Materie eine möglichst geringe An- zahl von unabhängig Variabeln von Vorteil ist, drängt sich uns. vor allem die Frage auf: Wie gross ist die Anzahl der vitalen Faktoren? Die Frage. wird sich wohl nach folgendem Gedankengang ent- scheiden lassen: Man versucht, die beobachteten physiologischen Er- scheinungen mit Hilfe eines einzigen vitalen Faktors zu erklären. Ist dies nicht möglich, so führt man deren zwei ein usw. Soviel ich die Verhältnisse übersehen kann, kommt man stets mit zwei vitalen Faktoren aus. Schon a priori hat die Annahme zweier vitaler Faktoren am meisten Wahrscheinliehkeit für sieh: Das Individuum stellt an den Muskel zwei Aufeaben, 1. die Einstellung auf eine bestimmte Ver- kürzung und unabhängig davon 2. die Entwicklung einer bestimmten Spannkraäft. Ich bemerke hier beiläufig, dass ich mit Vorbedacht von Spannkraft, nicht von Spannung des Muskels rede. Die Spannkraft ist diejenige Kraft, "womit der gespannte Muskel an seiner [9 BES PN) Th. Christen: je Befestigung zieht. Seine Spannung dagegen ist nach der üblichen Definition das Verhältnis dieser Kraft zum Querschnitt des Muskels. Dabei ist zu bemerken, dass der Muskel in’einem bestimmten Zu- stande nur eine Spannkraft hat, während seine Spannung verschiedene Werte aufweist; dieselbe ist da am grössten, wo der Querschnitt am kleinsten ist. Wir können aber in einer Reihe von Problemen die Zahl der vitalen Faktoren von zwei auf eins reduzieren. Stellen wir z. B. dem lebenden Muskel die Aufgabe, in bestimmter Stellung einer bestimmten Kraft das Gleichgewicht zu halten, so ist die Willens- anstrengung zum Halten eines bestimmten Gewichtes mit der Grösse der Belastung zwangsläufig verbunden, mit anderen Worten, dieser vitale Faktor ist eine Funktion der Belastung. Da wir aber die Belastung bereits als unabhängig Variable in der Rechnung haben, so fällt der mit ihr zwangsläufig verbundene zweite vitale Faktor für dieses Problem als unabhängig Variable fort. Daraus wird es wahrscheinlich, dass man für alle statischen Probleme mit einem einzigen vitalen Faktor auskommt. Immerhin statuieren wir damit einen prinzipiellen Unterschied zwischen den Experimenten am ausgeschnittenen überlebenden und dem lebenden, vom Zentral- nervensystem abhängigen Muskel. Denn beim ersteren kann von Willensäusserung nicht mehr die Rede sein, höchstens noch von Re- flex. Die zwangsläufige Abhängigkeit des zweiten vitalen Faktors von der Belastung fällt also beim ausgeschnittenen Muskel fort. Dagegen hat die Voraussetzung einige Wahrscheinlichkeit für sich, dass beim ausgeschnittenen Muskel eine zwangsläufige Verbindung der beiden vitalen Faktoren unter sich bestehe. Es lässt sich diese Frage experimentell prüfen, wie ich später zeigen werde. Es besteht somit die Möglichkeit, dass man in beiden genannten Fällen mit einem einzigen vitalen Faktor auskommt, darf aber dabei nicht ausser acht lassen, dass das in den beiden Fällen zwei prin- zipiell verschiedene Elemente sind, und dass die Beziehungen der- selben zu den übrigen Variabeln in den zwei Fällen durchaus ver- schiedene sind. Wir dürfen daher die am ausgeschnittenen Muskel gewonnenen gegenseitigen Beziehungen der Variabeln nicht auf den lebenden Muskel übertragen; das wäre von vornherein ein grundsätzlicher Fehler. Theoretischer Essai über Muskelmechanik. 91 Um die Fragen näher zu studieren, müssen wir zunächst den Einfluss der vitalen Faktoren näher en und mit einem un- zweideutigen Namen belegen. Ist ein Muskel zwischen zwei festen Punkten eingespannt, so bewirkt der Einfluss der vitalen Faktoren die Entstehung oder Zu- nahme einer Spannkraft (isometrische Zustandsänderung). Ist im Gegenteil der Muskel frei beweelich, aber durch eine unveränder- liche Kraft belastet, so bewirkt der Einfluss der vitalen Faktoren keine Spannungszunahme, sondern eine Verkürzung des Muskels - (isotonische Zustandsänderung). Wir dürfen also weder die „Kontraktion“ noch die „Spannung“ des Muskels allgemein als die Wirkung der vitalen Faktoren be- zeichnen; denn je nach den Versuchsbedingungen tritt die eine oder die andere der Erscheinungen oder eine Kombination beider ein. Ich werde daher für die Wirkung der vitalen Faktoren den all- gemeinen Ausdruck „Aktivierung“ gebrauchen. Die zunächst folgenden Erörterungen beziehen sich nur auf den ausgeschnittenen überlebenden Muskel, weil bei diesem die Wahr- scheinlichkeit der Finheit des vitalen Faktors grösser und leichter kontrollierbar ist. Betrachten wir zuerst den nicht belasteten Muskel. Wird der- selbe aktiviert, so verkürzt er sich. Analogie: Wird der unbelastete Draht abgekühlt, so verkürzt er sich. Die Darstellung des Einflusses der Temperatur auf die Länge des "Drahtes geschieht durch eine Kurve, deren Abszissen die Temperaturen und deren Ordinaten die zugehörigen Längen des Drahtes sind. Gelingt es den vitalen Faktor zahlenmässig zu bestimmen, so wird sein Einfluss auf die Länge des unbelasteten Muskels ebenfalls durch eine Kurve dargestellt. Führen wir dazu noch die Belastung ein, so ist die Länge des Drahtes eine Funktion von zwei unabhängige Variabeln. Dieser Zu- sammenhang kann nicht mehr durch eine Kurve, sondern nur noch durch eine Fläche dargestellt werden. Ebenso wird der Einfluss der Belastung und der Aktivierung auf die Länge des Muskels durch eine Fläche dargestellt. Erhält man unter allen denkbaren Versuchsbedingungen, d. h. indem man an Stelle des vitalen Faktors die verschiedensten Reize setzt, trotz- 22 Th. Christen: dem immer die gleiche Fläche, so ist die Einheit des vitalen Faktors beim ausgescehnittenen Muskel erwiesen !). Unter Voraussetzung eines einzigen vitalen Faktors v» hat die genannte geometrische Fläche folgende Gleichung | MD (os Um diese Funktion näher zu studieren, verändern wir in einer Versuchsreihe nach und nach sowohl das p als auch das vo und messen jeweilen das entsprechende ©. Das sollte beim aus- gesennittenen überlebenden Muskel nicht allzuschwierig sein. Den vitalen Faktor ersetzen wir durch einen faradischen Strom von be- stimmter Frequenz und bestimmter Stromstärke. Die quantitativen Veränderungen des vitalen Faktors stellen wir durch Variationen der Sekundärstromstärke dar. Qualitative Veränderungen, von denen später noch die Rede sein soll, können durch Veränderung der Frequenz oder allgemein der Form der Sekundärkurve (veränder- liche Selbstinduktion) erreicht werden. Bescehränken wir uns also einstweilen auf Veränderungen der Sekundärstromstärke des Faradisationsapparates, und definieren als vitalen Faktor in dem vorliegenden Experiment die Stärke des Sekundärstromes. Dieser ist eine unabhängig Variable und kann innerhalb beliebiger Grenzen genau abgestuft werden. Die Form der Funktion f (x, v) hängt selbstverständlich davon ab, welche Form wir dem Weber’schen Gesetze geben oder, besser oesast, in welcher Form wir den Weber’schen Satz zu einem Ge- setze ausarbeiten. Es sind in dieser Richtung meines Wissens zwei Versuche ge- i da macht worden. Chauveau?) setzt den Quotienten in proportional der Belastung p, ohne sich weiter über den Proportio- nalitätsfaktor auszusprechen. Bevor wir aber über denselben etwas Genaueres wissen, müssen wir ihn allgemein als eine Funktion des vitalen Faktors auffassen. Dann wird de a) re. umgekehrt 1) Selbstverständlich unter möglichster Ausschaltung der Ermüdung. 2) G. Weiss, Die Muskelarbeit nach den Untersuchungen von Chauveau. Ergebn. d. Physiol. 1910 S. 369. Theoretischer Essai über Muskelmechanik. 93 Wir wollen auch gleich das Integral dieser Differentialgleichung notieren, wobei natürlich auch die Integrationskonstante allgemein als Funktion von v zu schreiben ist: ae ae 2 = a(n) lo8 50: BR oder: pr U@eR R y ) =le)! Diese Gleichung hat, wie ich gleich hier bemerken will, einen erossen Übelstand: sie wird ungültig für kleine Werte von p: denn auf Grund dieser Gleichung wird die Länge des Muskels negativ unendlich, wenn das Gewicht p gegen Null abnimmt. Dies ist natür- lieh unmöglich. Chauveau hat das wohl auch selbst gemerkt, denn G. Weiss in seinem genannten Bericht über Chauveau’s Arbeiten zitiert folgenden „l. Satz“ von Chauveau: „In einem Muskel, welcher durch eine statische Kontraktion in einen Zustand grosser und vollkommener Elastizität versetzt worden ist, welche den Muskel immer auf gleiche Weise verkürzt, aber mit Veränderungen des Wertes der oehaltenen Last, erzeugt ein gleiches Übergewicht Verlängerungen, deren Wert umgekehrt proportional der Last ist.“ Chauveau beschränkt also die aus seinen Experimenten ab- eeleitete Regel auf Zustände grosser und vollkommener Elastizität und schliesst damit eben dasjenige Gebiet aus, in welchem das aus seiner Formel abeeleitete Integral nieht mehr brauchbar iht. Da es aber entschieden von Wert ist, womöglich das ganze Gebiet mit der Formel ymfassen zu können, will ich versuchen, ob nicht durch Hinzufügung eines Korrektionsgliedes die Ausdehnung der Chauveau- schen Formel auf das ganze Gebiet ermöglicht wird. Ich setze daher an Stelle von p in der Differentialgleichung die Grösse p+ c(v) und überlasse es dem Experiment zu entscheiden, ob die Grösse c(v) wirklich eine Funktion von ® oder eine Kon- stante oder, wie Chauveau voraussetzt, gleich Null ist. Damit erhalten wir folgende Differentialgleichung: RAN (9) dp Pelriet p RE G (v) . . . . . . . “ [y und deren Integral »- db@).eO- ec) >. 2... CO: Wir nennen im folgenden diese Gleichung die „erweiterte Exponentialgleichung“, denn mit der durch Einführung von c (v) ge- 24 Th. Christen: gebenen Erweiterung dürfen wir sie nicht mehr „Chauveau’sche Gleichung“ nennen. Dieselbe geht über in die Chauveau’sche Gleichung, wenn das Experiment beweist, dass man c (v) gleich Null setzen darf. | Ein anderer Versuch, dem Weber’schen Gesetze exakte mathe- matische Form zu geben, ist von Zuppinger gemacht worden). Dieser Autor setzt den Quotienten dp da proportional der bereits bestehenden Verlängerung und leitet daraus ab, dass die Belastung proportional sei dem Quadrate der gesamten Verlängerung. Hier stossen wir auf eine Schwierigkeit, nämlich die Definition des Begriffes „Verlängerung“. Wir denken uns dabei die Differenz zwischen dem belasteten und dem unbelasteten Muskel, dürfen aber nicht ausser acht lassen, dass nicht nur die Belasturg, sondern auch der Grad von Aktivierung, d. h. der vitale Faktor, auf die Länge Einfluss hat. Wir müssen also zuerst angeben, wo wir mit der Messung der Verlängerung beginnen. Wir wollen jedenfalls diejenige Verlängerung messen, die auf Rechnung der Belastung geht. Wir müssen also den vitalen Faktor konstant halten und die Belastung wegnehmen. Dann verkürzt sich der Muskel auf die seinem Aktivitätsgrad entsprechende Minimallänge. Und im folgenden einen Ausdruck gebrauchen zu können, ohne jedesmal eine Definition wiederholen zu müssen, definiere ich ein für allemall als Nullänge des (aktivierten oder nicht aktivierten) Muskels diejenige Länge, welche der Muskel bei dem betreffenden Aktivitätsgrad, bei aufgehohobener Belastung hat. Die Nullänge eines Muskels ist also nicht eine Konstante, sondern eine Funktion des Aktivitätsgrades. Ich bezeichne sie im folgenden stets mit s (v), eben weil sie eine Funktion von » ist. Nach dem Vorschlage Zuppinger’s müsste man also schreiben: d ab): le —s@)] I und das Integral dieser Gleichung wäre: p— const. +29 (2 s@] lo), 1) H. Zuppinger, Die Muskelentspannung etc. Beitr. z. klin. Chirurgie Bd. 64 (3) S. 576. Theoretischer Essai über Muskelmechanik. 95 Nach der Definition der Grösse s(v) ist aber «—=s(v),. wenn p= 0; es muss also die Integrationskonstante sleich Null werden, und wir haben: N N) so? . a. ce), Auf den ersten Blick scheint es, als hätte diese Gleichung vor der Fxponentialgleichung den Vorzug, dass sie ohne Korrektionsglied auf das ganze Gebiet anwendbar ist. Und doch möchte ich auch hier die Möglichkeit einer Korrektion offen lassen. Es ist nämlich sehr wohl denkbar, dass in der Nullänge der Quotient dp da nicht, wie die Zuppinger’sche Formel es verlangt, gleich Null ist. Es ist ja auch in der erweiterten Exponentialgleichung, sowohl wie nach der Chauveau’schen, der Quotient Br es nie gleich Null; es sei denn, dass man x negativ unendlich werden lasse, was natürlich physikalisch keinen Sinn hat. Wir erweitern daher die Zuppinger’sche Gleichung, wie folgt: d no eo) ae eo. : A und erhalten daraus das Integral: av 3 p=c(): [e —s()] 2. BZEo)re s.. (OD) Auch hier wieder muss das Experiment entscheiden, ob die Grösse c eine Funktion von » oder eine Konstante oder, wie Zup- pinger voraussetzt, gleich Null ist. Es erübrigt noch, den Begriff der Nullänge für die Exponential- eleichung nutzbar zu machen. Auf die ursprüngliche Cheauveau- sche Gleichung können wir ihn allerdings nicht anwenden, weil die- selbe gerade bei dem Eintritt in das Nullgebiet ihre Gültigkeit verliert, wohl aber auf die erweiterte Exponentialgleichung. Wir er- halten aus derselben für p—=o und 2&—=s(v) SEO DOSE (1) so dass sie übergeht in ke... 96 "Th. Christen: Reizt man den Muskel mit einem Strom von bestimmter Qualität, und belastet ihn mit verschiedenen Gewichten, so erhält man eine einer bestimmten Aktivierung entsprechende Belastungskurve (x, p), deren Konstanten die Grössen a (v), c(v) und s(v) sind. Verändert man die Sekundärstromstärke, ohne die andern Qualitäten des Stromes zu Ändern, und setzt man, wie wir oben gesagt haben, den vitalen Faktor gleich der Secundärstromstärke, so erhält man zu jeder Stromstärke eine Belastungskurve. Für jede dieser Kurven erhalten die Konstanten a (v), c(v) und s(v) neue Werte, sie sind also Funktionen von v. Damit haben wir die ganze Fläche (x, p, v) bestimmt. Verändert man jetzt die Form der Sekundärkurve des Faradi- sationsapparates, so wird damit eine neue Qualität des Reizes ve- setzt. Erhält man trotzdem keine systematischen Abweichungen unter den so gefundenen Flächen (x, p, v), so wird dadurch die Einheit des vitalen Faktors für den ausgeschnittenen Muskel um so wahrscheinlicher. Wenn wir die bereits vorhandenen Experimente durchgehen, so finden wir schon bei den Gebrüdern Weber — und Fick hat dieses Ergebnis später bestätigt!) —, dass bei hohen Werten des aktivierenden Faktors die Belastungskurve ziemlich gerade verläuft. Durch diese Tatsache ist meine Erweiterung der Gleichungen von Chauveau und Zuppinger durch Einführung der Grösse c(v) gerechtfertigt, denn ohne dies könnten die Belastungskurven nie sich der Form der geraden Linie nähern, ganz abgesehen von der Tatsache, dass die ursprüngliche Chauveau’sche Gleichung für kleinere Belastungen unsültig wird. Allerdings sei zugegeben, dass die Chauveau’sche Gleichung vom lebenden Muskel abgeleitet ist, bei welchem andere Ver- hältnisse bestehen als beim ausgeschnittenen überlebenden Muskel. Wir stossen hier auf etwas schwierigere Fragen als beim aus- geschnittenen überlebenden Muskel. A priori erscheint es notwendig, wie schon bemerkt, dass man beim lebenden Muskel zwei vitale Faktoren einführe. Ich wieder- hole, dass, wenn es auch in bestimmten Fällen möglich ist, mit einem einzigen vitalen Faktor auszukommen, dennoch die geo- 1) A. Fick, Mechanische Arbeit und Wärmeentwicklung bei der Muskel- tätigkeit. a Pe EEE. ee Theoretischer Essai über Muskelmechanik. 2 _ metrische Oberfläche (x, p, v) beim ausgeschnittenen überlebenden Muskel eine durchaus verschiedene Form haben wird gegenüber dem lebenden, dem Zentralnervensystem untergeordneten. Es würde also nicht richtig sein, ohne weiteres die am auseeschnittenen Muskel bestimmte Fläche (x, p, v) auf den lebenden Menschen an- zuwenden. Wenn soeben von zwei vitalen Faktoren die Rede war, so lag dem. der Gedanke zugrunde, dass es hauptsächlich zwei Aufgaben sind, welche das Zentralnervensystem an den Muskel stellt: 1. eine bestimmte Länge anzunehmen und 2. einer bestimmten Kraft das _ Gleichgewicht zu halten. Es gibt allerdings noch zwei andere Auf- gaben, welche aber zu kompliziert sind, um hier eingehend gewürdigt zu werden, nämlich 3. der Muskel soll eine Kraft überwinden, und 4. der Muskel soll einer Kraft nachgeben. In beiden Fällen handelt es sich um dynamische Probleme, die bekanntlich immer schwieriger zu behandeln sind als die statischen. Wir beschränken uns in diesem Aufsatze auf die Möglichkeiten 1 und 2. Es sind dies zwei voneinander durchaus unabhängige Willensakte, und diesen müssen daher auch zwei unabhäneig Variable, d. h. vitale Faktoren ent- sprechen. Durch die Bedingung des Gleichgewichtszustandes wird aber eine unabhängig Variable weggeschafft, denn die Gleichgewichts- bedingung verlangt eine bestinnmte Zwangsläufigkeit zwischen den unabhängig Variabeln. Nennen wir ® den vitalen Faktor, welcher die Länge des Muskels regiert, und « den anderen, welchem die Spannung unter- steht, so rist die Länge des belasteten Muskels eine Funktion der Belastung p und der vitalen Faktoren v» und w, so dass N (ORDER SAL) und die Nullänge dieses Aktivierungszustandes wird So) lo e (20). Gemäss Gleichung (20) muss die Funktion f(p, v, w) eine solche Form haben, dass sie für 9 = o von w unabhängig wird, d. h. en N en Auf dem Papier sieht diese Argumentation sehr einfach aus, aber wie man praktisch das s (v) bestimmen sollte, darüber kann ich mir zurzeit car keine Idee bilden. Denn wir haben s (v) definiert als diejenige Länge, welche der Muskel hat, wenn die Belastung weggenommen worden ist, ohne dass dabei der Zustand der Aktivität 28 Th. Christen: verändert wird, d. h. bei Konstanz der vitalen Faktoren. Nun tritt aber der eine der vitalen Faktoren w, überhaupt erst in Aktion, wenn eine Belastung vorhanden ist, wird also nie konstant bleiben, wenn p gegen Null abnimmt.. Gerade aus diesem Grunde haben wir aber ein Recht, eine Zwangsläufiekeit zwischen dem zweiten vitalen Faktor und der Belastung vorauszusetzen. Wir nehmen also an, dass bei einer bestimmten Belastung (Gleichgewicht voraus- gesetzt) der zweite vitale Faktor immer den gleichen Wert habe. Zeigen sich in der Anwendung keine Widersprüche, so gewinnt die Voraussetzung der Zwangsläufigkeit zwischen p und w an Wahr- scheinlichkeit. Dann hat aber die Definition der „Nullänge“ eine Modifikation zu erfahren, indem sie überall da eintritt, wo der erste vitale Faktor konstant bleibt, der zweite aber zugleich mit der Be- lastung gleich Null wird. Die beiden Formeln für die Abhängigkeit der Verlängerung eines Muskels von der Belastung sind von ihren Autoren (Chauveau und Zuppinger) auf den lebenden Muskel angewandt worden. Wir wollen daher versuchen, auch unsere beiden Gleiehungen, die wir ausgehend von den erstgenannten durch Hinzufügung eines Korrektionsgliedes erhalten haben, auf den lebenden Muskel an- zuwenden. Um aber von vornherein jede Verwechslung mit den am aus- geschnittenen Muskel gewonnenen Resultaten zu vermeiden, be- zeichne ich im folgenden den vitalen Faktor, der noch als unabhängig Veränderliche verbleibt, mit einem neuen Buchstaben «. Dass wir nur einen einzigen vitalen Faktor einführen, dazu sind wir berechtigt durch die Zwangsläufigkeit zwischen :w und p. Führen wir diese Zwangsläufigkeit in Gleichung (19) ein so kommt m 20, DI ae.) oder, wie wir künftig besser schreiben: ee ea NED) Wäre die Form der Funktion f (x, ®, w) für den lebenden Muskel bekannt, so könnte daraus die Funktion f(x, w) abgeleitet werden. Wir müssen indessen auf einem ganz anderen Wege vor- sehen. Wenn Chauveau durch seine Experimente gezeigt hat, dass sein „l. Satz“ auf den lebenden Muskel anwendbar ist, so sind wir erst recht berechtigt, unsere erweiterte Exponentialgleichung an- zuwenden; denn der Chauveau’sche „l. Satz“ ist ja nur ein Theoretischer Essai über Muskelmechanik. 99 ir Spezialfall der Exponentialgleichung, den man aus einer geeigneten Form derselben stets herstellen kann durch die Vereinfachung 2.(&)— (0b Wir haben also für den lebenden Muskei zu setzen: 2—s(u) le 2.) 2 A MAN), Hierin ist « der vitale Faktor, welcher bestimmt, in welcher Lage das gegebene Gewicht gehalten werden soll. Wir können nun mit Hilfe eines anderen Satzes, den Chauveau aus seinen Experi- menten abgeleitet hat, die Funktionen der Variabeln « näher be- stimmen. In der zitierten Abhandlung von G. Weiss findet sich folgender „2. Satz“: „In einem ungleich verkürzten Muskel, der auf diese Weise seine Last auf verschiedenen Höhen hält, ist, wenn diese Last immer dieselbe ist, die von einem gleichen Übergewicht hervorgerufene Verlängerung immer dieselbe.“ | Wenn der Muskel seine Last in verschiedenen Höhen hält, so entspricht diese Variation einer Veränderung des vitalen Faktors ır, und damit gewinnen wir folgende, in die mathematische Sprache Ix übersetzte Fassung des Chauveau’schen Satzes: Der Quotient 25 muss von « unabhängig sein. Vergleicht man diese Forderung mit dx nur unter der Bedingung für alle Werte von p unabhängig von u sein kann, wenn sowohl «a als auch ce von « unabhängig sind. Besteht also der zweite Satz von Chauveau zu Recht, so vereinfacht sich die Exponentialgleichung für den lebenden Muskel ganz bedeutend dadurch, dass sie nur noch eine einzige Funktion von « enthält: Gleichung (9), so ergibt sich, dass © — Ss (u) ER | € er] re ER NERH (20) während die Differentialgleichung DIN Da WO NGEN...\(26) dc a überhaupt keine Funktion von. mehr enthält, sondern nur noch die zwei Konstanten « und c. Diese Konstanten sind Eigenschaften des Muskels, deren numerische Bestimmung sicherlich vom physiologischen und nicht minder vom pathologischen Standpunkt von hohem Inter- esse ist. 30 Th. Christen: Vornehmlich für die Theorie der Extensionstherapie wäre eine Orientierung über die numerischen Werte der Konstanten, speziell «a, und der Grenzen, innerhalb welcher dieselbe unter den verschiedensten physiologischen und pathologischen Bedingungen schwanken können, von hervorragendem Nutzen. Bevor aber eine Entscheidung über den relativen Wert der Grundformen unserer Gleichungen gefallen ist, müssen wir in der- selben Richtung auch die parabolische Gleichung untersuchen. Die- 0 P dx x selbe gibt uns aus der Bedingung, dass zn für alle Werte von p un- abhängig von ı sein müsse, folgendes. Aus Gleichung (15) ergibt sich: sw) == eu) V2:-a (u)-p+ ec (u) 0) a (u) - [x und ACH REE 1 dd Y2.a (w)-p+e(u) | } dx : Hieraus eeht hervor, dass der Quotient ih nur dann für alle Werte von p unabhängige von « sein kann, wenn sowohl « als auch c unabhäneig von « sind, und damit geht die parabolische Gleichung über in: bzw. da # ll — , een‘) dp V2ap+c? Hier finden wir bereits einen Beweis für unsere Voraussetzung, dass beim ausgeschnittenen Muskel die Fläche (x, p, ®) eine andere Form haben muss als die Fläche (x, p, «) beim lebenden Muskel. Würden wir nämlich auch beim ausgeschnittenen Muskel die Grössen a und c als unabhängig von © voraussetzen, so könnten wir die paradoxe Muskelzuckung nicht erklären. Wir wissen, dass jeder aktivierte Muskel sieh verkürzt, wenn er isotonisch belastet ist; nur bei sehr hohen Belastungen erzeugt die Reizung eine Verlängerung. Es ist also nötig, dass die Grösse x % bei kleinen und mittleren Werten von ® negativ, bei sehr hohen © dagegen positiv sei. Oder, wenn man will, es muss die Grösse 9x dv - op Theoretischer Essai über Muskelmechanik: 31 positiv sein. Nun wird aber sowohl aus der Exponentialgleichung als aus der parabolischen Gleichung, wenn « und c vom vitalen Faktor unabhängig sind GUN dv. was mit der paradoxen Muskelzuckung in Widerspruch steht. 0, Gehen wir jetzt zu einem anderen Problem über, dem Chau- veau seine Aufmerksamkeit geschenkt hat, der Arbeitsleistung eines Muskels, welcher ein Gewicht in konstanter Lage hält, so müssen wir zunächst der Einfachheit halber wieder zum ausgeschnittenen über- lebenden Muskel zurückkehren. Wäre der Muskel, welcher ein Gewicht ir: konstanter Lage hält, ein lebloses elastisches Gebilde, ohne Verbindung mit einer Energie- quelle, so würde er beim Halten des Gewichtes überhaupt gar keine Arbeit leisten. Wenn sich beim Muskel dennoch eine Ausgabe von Enereie in Form von Wärmeentwicklung nachweisen lässt, so ist damit bewiesen, dass zur Erhaltung der Lage des Gewichtes durch den Muskel irgendwelche Energietransformationen nötig sind. Weil aber keine Energietransformation ohne Spesen verläuft, so bedingen diese 'Transformationen einen Verlust von Energie für den Muskel. Der Muskel verhält sich also nie wie ein elastischer Strang, sondern er bewahrt seine Natur, er ist und bleibt ein Motor, d.h. eine Einriehtung, welche irgendeine ihr gelieferte Energie in kinetische Energie transformiert. Zum Erhalten eines Gleichgewichtszustandes, wie ihn das Halten eines Gewichtes in konstanter Lage darstellt, braucht es an und für sich keine Energietransformationen; wenn man aber .gezwungen ist, anstatt eines elastischen Stranges einen Motor mit dieser Aufgabe zu betrauen, so muss man eben wohl oder übel diese Energietransformationen mit all den dadurch entstehenden Spesen in den Kauf nehmen. Hiernach muss es aber von vornherein als ein Ding der Un- möglichkeit bezeichuet werden, den Zusammenhang zwischen dem durch einen Motor im Gleichgewicht gehaltenen Gewicht und der dabei verbrauchten Energie theoretisch richtig zum Ausdruck zu bringen, wenn nicht alle zwischen den Motor und das Gewicht ge- schalteten Energietransformationen in Rechnung gebracht werden. Aus diesem Grunde kann ich mich mit der von G. Weiss ab- geleiteten Formel für die beim Halten eines Gewichtes verbrauchte Energie nieht befreunden, denn in der gegebenen Ableitung ist von 33 Th. Christen: diesen Transformationen mit keinem Worte die Rede. Zudem sind nicht einmal die Begriffe „Kraft* und „Arbeit“ reinlich geschieden ?). Die Kritik der zitierten und der bei G. Weiss folgenden Aus- lassungen überlasse ich meinen Lesern; eine eingehende Widerlegung würde eine viel zu weit führende polemische Erörterung erheischen. Ich werde aber im folgenden zeigen, dass das Problem auf einem anderen und, wie mir scheint, richtigern Wege angegriffen werden kann. Stellen wir zunächst fest, dass die Kraft, womit der Muskel ein Gewicht hält, raschen Oszillationen unterworfen ist. Die Kraft, wo- mit der Muskel an der angehängten Last zieht, ist also eine peri- odische Funktion der Zeit Z, und wird, wenn man die Periode mit T bezeichnet, dargestellt wie folgt: 2kırt ) (a1). DAS 2 (+ [847 k=1l T: Die Last P, welche auf konstanter Höhe gehalten werden soll, hat die Masse P 9 wobei 4 die Beschleunigung der Schwere bedeutet. Auf diese Masse wirkt einerseits die Schwerkraft und erteilt ihr die Beschleunigung 9; andererseits wirkt auf dieselbe Masse die veränderliche Kraft » und erteilt ihr die Beschleunigung 6) u Die gesamte Beschleunigung, welcher die Last ? unterliegt, ist also da p & ms li- IR 2) woraus Deo = . [kat € und das Integral dieser Gleichung wird Bo. PA N (Braut Ei Kun 9 -t — 45,5) ‚sin (7 +.) (34). 1) G. Weiss schreibt: „Wenn also ein Muskel eine Last p mit einer Ver- kürzung ? trägt, entwickelt er dieselbe Kraft, wie wenn er ein Gewicht p + pr ohne sich zu verkürzen hält, aber auch ohne elastische Verlängerung über seine Ruhelage hinaus. Da dies der Fall ist, nimmt Chauveau an, dass die durch die Kontraktion des Muskels hervorgerufene Kraft, welche direkt mit den Ver- brennungen, die im Muskel vor sich gehen, verbunden ist, proportional den Aus- gaben ist,“ Theoretischer Essai über Muskelmechanik. 3 Die Last bleibt also: auf keinen Fall absolut ruhig auf einer unveränderlichen Höhe, sondern führt kleine vertikale Oszillationen aus, deren Periode mit der Periode des Muskels übereinstimmt. Ausserdem muss die Bewegung des Gewichtes eine rein periodische sein, weil doch das Gewicht im grossen und ganzen weder steigen noch fallen soll. Daraus ergeben sich die Bedingungen: IE Orc 707,0 .04, 0 2% Lus., (5). Damit geht Gleichung (31) über in p=P+ ZA: sin ( KH]! Dknt N 2 IE ar) (36). IR Leider ist es nicht möglich, allgemein die Maxima und Minima dieser Funktion zu bestimmen. Wir müssen uns auf die Fälle be- schränken, in denen man mit dem ersten Gliede der Fourrier- schen Reihe auskommt. Und in der Tat weichen auch die Tetanus- kurven der ausgeschnittenen Muskeln nicht wesentlich von einfachen Sinuskurven ab. Es werden dann alle A,, ausser dem ersten, A,, oleich Null. Da wir ausserdem völlig frei sind, wohin wir den Nullpunkt der Zeit verlegen wollen, können wir uns noch die Konstante «, schenken und schreiben t an nen: Nennen wir endlich /p die Variation der Kraft, womit der Muskel an der angehängten Last zieht, so ist das Maximum von p gleich und das Minimum Daraus ergibt sich und wir haben amt JE Um die Arbeitsleistung eines Muskels zu berechnen, welcher zwischen zwei festen Punkten eingespannt ist und aktiviert wird, sehen wir zunächst ab von den kleinen Oszillationen, die mit jedem Tetanus verbunden sind, und präzisieren die Frage folgendermaassen: Ein Muskel ist zwischen zwei Punkten eingespannt. Er ist dabei Pflüger's Archiv für Physiologie. Bd. 142. > DE er 2 - sin 34 Th. Christen:. von Anbeginn so aktiviert, dass er an den Befestigungspunkten mit der Kraft », zieht. Nun wird er noch stärker aktiviert, so dass er an den Befestigungspunkten mit der Kraft p, zieht. Welche Arbeit ist bei dieser Steigerung der Aktivierung geleistet worden’? Die Antwort wird heissen müssen: Die gesuchte Arbeit ist gleich der Differenz der potentiellen Energien der Spannung im ersten und im zweiten Zustand. Da die Länge des Muskels jetzt eine Konstante ist, wollen wir sie nicht mehr mit x, sondern mit % bezeichnen. Dann müssen wir zuerst die den beiden Zuständen entsprechenden vitalen Faktoren berechnen nach der Formel: Pı =f(k,v) bw. m —=/(&,%) . .. . (40) Dies wird möglich sein, da wir die Funktion f bestimmt haben. Die potentielle Energie eines Spannungszustandes muss gleich sein der Arbeit, welche verrichtet wird, wenn man bei der Akti- vierung v® den Muskel von Spannkraft Null auf die Spannkraft » bzw. von der Länge s(v) auf die Länge % bringt, und damit wird diese Energiegrösse aa ee eh) s.(t) Bis hierher habe ich die Betrachtungen möglichst allgemein ge- halten, d. h. ich habe den Belastungskurven des ausgeschnittenen Muskels eine mathematische Form gegeben, welche eine ganze Reihe von einzelnen Unterformen als Spezialfälle enthält. Um aber die weitere Rechnung nicht mehr als nötig zu komplizieren, erinnere ich an ein Ergebnis, das schon die Gebrüder Weber erhalten haben, und das später von Adolf Fick bestätigt worden ist, dass nämlich für nicht zu kleine tetanisierende Kräfte die Belastungskurve inner- halb der Fehlergrenzen als eine gerade Linie gelten darf. Mit anderen Worten: in der parabolischen Gleichung ist das « eine solche Funktion von ®, welehe mit wachsendem ® rasch gegen Null kon- vereiert. Dann bleibt uns die einfache Beziehung DIOR) ae): Die Exponentialeleichung ist in diesem Falle obsolet geworden. Die potentielle Energie des Zustandes (p,, %, ®,) wird damit u ea ee. ec), wobei aus Gleichung (42) für v, die entsprechende Funktion von 9, eingeführt werden muss. Als Beispiel will ich den einfachen Fall auf- Theoretischer Essai über Muskelmechanik. 35 führen (der übrigens nicht stark von der Wirklichkeit abweicht), wo c eine Konstante und nur s eine Funktion von © ist: 2 a N Beim Übergang von einem Aktivitätszustand zum anderen ist dann die für Aktivierung geleistete Arbeit: AN Eu... ds). Nehmen wir jetzt unseren tetanisierten Muskel wieder vor, so wissen wir, dass seine Spannkraft p zwischen bestimmten Grenzen rasche Oszillationen ausführt. Betrachten wir zunächst den Muskel als Ganzes oder machen wir, was auf dasselbe herauskommt, die Voraussetzung, dass alle Fasern des Muskels synchron oszillieren (wir kommen hierauf noch zurück), so wird während jeder Tetanusperiode eine Aktivierungsarbeit geleistet, wobei auf Grund von Gleichung (42) der Zusammenhang zwischen der beobachteten Schwankung der Spannkraft und der Schwankung des vitalen Faktors festgestellt werden kann. Die Schwankungen von p und daher auch die Schwankungen von v sind aber gegen die absoluten Werte von p und v® so klein, dass wir sie praktisch als Differentiale betrachten dürfen. Dementsprechend ist auch die Aktivierungsarbeit eine kleine Grösse dE. Die Aktivierungsarbeit einer einzigen Tetanus- periode ist somit nach Gleichung (43) az EO! EI _ [Rs]: = dv (46). Nun ist aber in Wirklichkeit, auch wenn man c nicht als Konstante gelten lassen will, doch immerhin . so viel kleiner als dass wir uns ruhig auf das zweite Glied der rechten Seite der Gleichung (46) beschränken dürfen. Aus dem gleichen Grunde entnehmen wir der Gleichung (42) folgende Annäherung: di ds‘ . v) nn or (47) und. damit geht Gleichung (46) über in dE—=[k—s (v)] - dp = u LADE 2 (AB). Wir hätten diese einfache Beziehung direkt aus Gleichung (44) ableiten können, hätten aber dabei die Voraussetzung machen müssen, c sei von v ganz unabhängig. Wir haben jetzt aber gesehen, dass 2 3* 36 Th. Christen: es genügt anzunehmen, dass mit wachsendem v die Grösse s (v) sich viel stärker ändert als e (v). Diese Voraussetzung trifft in der Tat nach den mir bekannten Versuchen (Weber, Fick) zu, während die erste doch schon eine grössere Beschränkung in sich fasst. Nun müssen wir noch einmal auf die Oszillationen des gehaltenen Gewichtes zurückkommen. DBeschränken wir uns wieder auf das erste Glied der Fourrier’schen Reihe, so erhalten wir aus den Gleichungen (34) und (35) Br HEN = 24: (5,) . sin 2 do) und mit Hilfe von Gleichung (38) er 2, (5): nt RD dc HESS Hieraus erhält man die Amplitude der Bewegung des gehaltenen Gewichtes, wie folgt: x a -9:(5,) I ‚Dies ist eine interessante Gleichung. Sie sagt aus, dass die Oseillationen, welche die gehaltene Last ausführt, um so grösser sind, 1. je grösser die relative Schwankung der Muskelkraft (Kraft- amplitude) ist, und 2. je grösser die Periode des Tetanus ist. Während aber eine Verdoppelung der Kraftamplitude auch eine Verdoppelung der Exkursion der Last bedingt, so wird durch Ver- doppelung der Tetanusperiode 7 die Exkursion der Last vervierfacht. Haben wir bisher angenommen, dass alle Fasern eines Muskels synchron oszillieren, und nehmen wir eine Zahl von » unter sich (50). gleichen Fasern an, so ist die Kraft der einzelnen Faser gleich - und ihre Summe gleich p. Weniger einfach werden die Verhältnisse, wenn wir die Voraus- setzung des Synehronismus fallen lassen. Beibehalten wollen wir nur die Voraussetzung der Gleichheit der einzelnen Fasern unter sich, und wir werden damit wohl kaum von den tatsächlichen Ver- hältnissen abweichen. Die einzelnen Fasern numerieren wir mit 1, 2,..%k..n. Wenn die Fasern unter sich gleich sind, so haben sie auch die gleiche Periode, aber nicht die gleiche Phase. Wir müssen daher für die einzelne Faser allgemein schreiben [6+} >21 P=A+ SA sn +). (50) h=1 JE‘ Theoretischer Essai über Muskelmechanik. 37 und wenn wir uns auf das erste Glied der Fourrier’schen Reihe beschränken Pı —— As + al, g sin ec. + ««) . . . . (53). Die Summe aber der von den einzelnen Fasern ausgeübten Kräfte muss die Gesamtkraft des Muskels sein: N Sm—p Kl! und mit Rücksicht auf die Gleichungen (39) und (53) m 27 t £ - Fc0s «+ A, - cos —. - I sin a k=1 k=1 (54) It I MR Da diese Gleichung für alle Werte von p identisch erfüllt sein muss, so ergibt sich ort n-A,+ 4, - sin . u DE er, sin OS A Tr RN a AR ae Aa A, Scsa—- an an (BO Ik —a]! 2 Sen Wir sehen, dass die Fasern sich zu gleichen Teilen in die Kon- stante A, teilen (selbstverständlich, da sie als unter sich gleich vorausgesetzt worden sind), d. h. die mittlere Kraft der einzelnen Muskelfaser ist stets gleich dem »-ten Teil der Last. Die Konstante A, dagegen ist von dem Grad der Abweichung vom Synchronismus ab- hängig. Auch sie ist für alle Fasern gleich gross, aber sie wird um so grösser, je mehr die «, von Null abweichen, d. h. je weniger synchron die Fasern schwingen. Gleichung (57) bedeutet nur eine für uns weiter nicht wichtige Symmetriebedingung, welche erfüllt sein muss, damit die Gesamtkraft p des Muskels wirklich die Form (39) haben kann. Hieraus ergibt sich folgendes: Nimmt man die Kraftamplitude der einzelnen Faser als etwas Gegebenes, so werden die Kraft- amplituden des ganzen Muskels und damit auch die Exkursionen der Last um so kleiner, je mehr die einzelnen Fasern vom Syn- chronismus abweichen. Jede Hebung der Last bedingt eine be- stimmte Muskelarbeit, während ihre Senkung vielleicht einen Ge- winn, wahrscheinlich aber einen weiteren Verlust an Energie für den Muskel bedeutet. Jedenfalls ist der durch die Hebungen der 38 Th. Christen: Last bedingte Energieverbrauch um so grösser, je häufigere und je grössere Exkursionen die Last ausführt. Weil wir über die Gewinne bzw. Verluste beim Senken der Last nichts Bestimmtes wissen, be- schränken wir uns auf die durch die Hebungen bedingten Energie- verluste und finden diese einer einzigen Tetanusperiode entsprechende ‚Arbeitsgrösse für den ganzen Muskel nach Gleichung (51): 2 A=P-80— 4p-9- (5) er. 2 (We): Die für diese kontinuierlichen Hebungen notwendige Leistung ist eleich dieser Arbeitsgrösse, dividiert durch die Zeit, in welcher sie geleistet wird, also ROSE A d. h. die Leistung des Muskels beim Halten eines Gewichtes, soweit dieselbe in Hebungen der oszillierenden Last besteht, ist proportional der Kraftamplitude des gesamten Muskels und proportional der Periode des Tetanus. Wäre der Muskel ein ruhiger elastischer Strang, so wäre die Kraftamplitude gleich Null, und damit würde auch Z= 0. Ferner: führt die Last an einem elastischen Strang vertikale Oscillationen aus, So ist zwar auch jede Hebung mit einer Energieausgabe ver- bunden; diese Energiemenge wird aber beim Senken wieder in potentielle Energie der Spannung zurückverwandelt, und erst wenn sie sich durch innere und äussere Reibung erschöpft hat, kommt die Last zur Ruhe. Nun erhebt sich die Frage: Kann unter diesen Umständen, d.h. mit Rücksicht auf die vertikalen Oszillationen der Last, die Akti- vierung der einzelnen Muskelfaser während einer Tetanusperiode als eine isometrische aufgefasst werden? Sie kann es nur dann, wenn die der Kraftamplitude entsprechende Verkürzung der Faser be- deutend grösser ist als die Exkursion der Last. Kehren wir für kurze Zeit zu den synchron oszillierenden Fasern zurück. Dann ist bei einer Anzahl von » Fasern und einer Kraftamplitude des ganzen Muskels von /p die Kraftamplitude der einzelnen Faser gleich 2 — A DEEEN DIN), ‚dp ne Schliessen wir schwache tetanisierende Reize aus, so dürfen wir mit Weber und Fick die Belastungskurve als eine Gerade an- Theoretischer Essai über Muskelmechanik. 39 sehen, Wir haben dann in Gleichung (15) a (v) = 0 zu setzen und erhalten Ip Z; AO) Be el). Muitipliziert man diese Gleichung mit Geichung (51), so kommt OB 100) YIRT ZB 2) a Die Frage, ob eine isometrische Zustandsänderung angenommen werden darf, kann somit an Gleichung (61) exakt geprüft werden, indem der nach dieser Gleichung gefundene Wert von —- ein kleiner As A Bruch sein muss, wie wir oben gesehen haben. Nachdem dies festgestellt ist, lassen wir die Bedingung des Syn- chronismus fallen. Wir haben bereits konstatiert, dass die Kraft- amplituden der einzelnen Fasern um so grösser sind (bei gegebener Kraftamplitude des gesamten Muskels), je mehr die einzelnen Fasern vom Synchronismus abweichen. Das Wachstum der Kraftamplitude ist aber kein unbegrenztes, wie es nach Gleichung (56) scheinen könnte. Es ist selbstverständlich, dass keine der Kräfte p. jemals negativ werden kann. Damit ergibt sich aber aus Gleichung (53), dass A, nie grösser sein kann als A.. Es gilt also für die Kon- stante A, folgende Bedingung: AP P & m AR ee (62), d. h. mit verschwindendem Synchronismus kann die Kraftamplitude der einzelnen Faser bis auf ihren en fachen Wert steigen bei gleich- bleibender Kraftamplitude des gesamten Muskels. Daraus ergibt sich, dass das Verhältnis der Verschiebungen, welches über die Zu- lässigkeit der Voraussetzung der isometrischen Zustandsänderung bei der einzelnen Tetanusperiode entscheidet, von seinem ursprünglichen Wert beim Synchronismus dc cv) ( 2) x | a abnimmt bis auf 0%. 9-c(0) ( JENE Re Le NE ae een A RN 08). a ap 9 ) “= Man sieht, dass die Bedingung um so leichter erfüllt ist, je mehr die Fasern vom Synchronismus abweichen. 40 Th. Christen: Die Frage nach der Zulässigkeit der Voraussetzung von iso- metrischer Zustandsänderung bei der einzelnen Tetanusperiode lässt sich aber noch von einer anderen Seite angreifen. Wenn die Ex- kursionen der Last, wie gefordert wird, verschwindend klein sind gegen die Verkürzung, welche der aktivierte, aber isotonisch be- lastete Muskel erfahren würde, so muss auch die für die Oszilla- tionen ausgegebene Energie verschwindend klein sein im Verhältnis zu der für die Aktivierungen verbrauchten. Und das ist tatsächlich der Fall. Man kann die Oscillationen der Last ausschalten, ohne den haltenden Muskel zu entlasten, wenn man den obersten Punkt der Last gegen den untersten Punkt eines festen Gegenstandes stützt. Natürlich ohne Druck, weil sonst die Grösse P vermehrt würde. Bilden die Oseillationen einen grossen Anteil an den Energie- ausgaben, so muss jetzt die Ermüdung geringer werden. In der Tat geben auch Laien, welche unsere Überlegungen nicht mitgemacht haben, an, die Ermüdung sei ein weniges geringer, aber jedenfalls nur kaum merklich. Dabei ist allerdings nicht ausser acht zu lassen, dass das ge- haltene Gewicht ausser den periodischen noch irreguläre Bewegungen ausführt, welche einer mangelhaften Periodizität der Muskelkraft ihre Entstehung verdanken. Man braucht nur an der Last einen Stift anzubringen, welcher auf eine berusste Trommel mit Zeit- markierung schreibt, dann sieht man diese irregulären Schwingungen ohne weiteres, wenn auch die periodischen wegen sehr kleiner Ampli- tude nicht sichtbar werden. Man kann aus der erhaltenen Kurve mit Hilfe der Zeitmarken auch leicht die für die Hebungen nötige Leistung berechnen. Wenn nun die Ausschaltung der kleinen periodischen und zudem noch der grösseren aperiodischen Hebungen eine kaum merkbare Ersparnis an Muskelenergie ermöglicht, da sie doch nur mit einem besonderen Kunsteriff zur Not demonstriert werden kann, so muss die auf die Zustandsänderungen entfallende Leistung eine weit grössere sein. Berechnen wir nach Gleichung (48) die für Zustandsänderung der einzelnen Muskelfaser während einer Tetanusperiode verbrauchte Energie, so erhalten wir für den synehronen Tetanus dE — 0.0. 2. (02), Theoretischer Essai über Muskelmechanik. 41 während für den nicht synchronen Tetanus der Wert dieser Energie ansteigen kann bis auf a 2 A Für den ganzen Muskel erhalten wir also für alle Tetanusarten vom rein synchronen bis zum völlig unregelmässigen P-Ay 2 dE < —— .. c(®) = “ e(®) Der Verlust an Energie beim Halten eines Gewichtes ist also für die einzelne Tetanusperiode um so grösser, je mehr die Fasern unter sich vom Synchronismus abweichen. Die für diese Aktivierungen nötige Leistung erhält man wiederum durch Division der Energie der Einzelaktivierung durch die Periode des Tetanus (66). (67). Eine Betrachtung, welche eigentlich unter die zuerst behandelten Gleiehgewichtsprobleme gehört hätte, verlege ich hier an den Schluss meiner Ausführungen, weil sie erst nach gewonnener Übersicht über das ganze behandelte Gebiet und gewissermaassen als Schlussfolgerung hier am Platze ist. Wir haben für den Zusammenhang zwischen Belastung, Akti- vierung und Länge eines Muskels verschiedene Gleichungen ver- wendet, welche sich indes auf zwei Haupttypen zurückführen lassen. Alle Vereinfachungen, welche wir uns gestattet und deren Be- rechtigung wir begründet haben, werden aus diesen zwei Typen erhalten, sei es durch Ersatz einer Funktion durch eine Konstante, sei es durch Nullsetzen einer Konstanten bzw. Funktion. Wenn dabei für den Zusammenhang zwischen den genannten Grössen beim ausgeschnittenen überlebenden Muskel der gleiche Typus von Gleichungen Anwendung finden konnte, wie beim leben- den, vom Zentralnervensystem abhängigen Muskel, so liegt dies nicht in einem innern Zusammenhang der beiden Probleme begründet, sondern bloss darin, dass eben dieser Typus von Gleichungen mög- lichst einfach und innerhalb der Experimentalfehlergrenzen hin- reichend genau ist. Dass ein innerer Zusammenhang nicht besteht, geht schon daraus hervor, dass im ersten Fall eine Zwangsläufigkeit der zwei vitalen Faktoren unter sich (oder vielleicht die Konstanz des einen) im zweiten Fall dagegen die Zwangsläufigkeit des zweiten 49 Th. Christen: vitalen Faktors mit der Belastung die Reduktion der unabhängig Variabeln auf zwei gestattet. Auch die Form der geometrischen Flächen, welche diesen Zu- sammenhang in beiden Fällen veranschaulichen, ist eine merklich verschiedene, wie bereits auf S. 26ff. ausführlich erörtert wurde. Die auf den lebenden Muskel anwendbaren Flächen (x, p, «) beruhen auf der Voraussetzung, dass von den zwei vitalen Faktoren der eine die gewollte Verkürzung des Muskels regiert, der andere aber zwangsläufie mit dem angehängten Gewicht verbunden ist. Eine sehr wichtige, für den Praktiker vielleicht heute die aller- wichtieste Anwendung der theoretischen Muskelmechanik ist in der modernen Frakturlehre gegeben. Ein Knochenbruch, bei dem nicht bedeutende Periostteile unversehrt sind, zeigt verschiedenartige Dislokationen der Fragmente. Die grössten Schwierigkeiten stellt die Dislocatio ad longitudinem der Korrektion entgegen. Der Grund hierfür liegt in der reflektorischen Aktivierung der Muskeln des gebrochenen Gliedes. Daraus erklärt sich die Über- legenheit der Extensionsverbände über alle anderen Methoden. Trotz der Einführung der Fxtensionsbehandlung in die Be- handlung der Knochenbrüche kann den Chirurgen der Vorwurf nieht erspart bleiben, dass durch Vernachlässigung der wirklichen mecha- nischen Verhältnisse die Extensionsbehandlung eine falsche Richtung eingeschlagen hat. Was helfen aber alle Kenntnisse in der Physiologie, wenn sie vom Kliniker nieht verwertet werden? Suchen wir daher die physio- logische Erklärung der Tatsache, dass bei den bisherigen Extensions- methoden die Aufhebung der Verkürzung so schwierig war und so auffallend hohe Belastung erforderte. Zuppinger, dem das bleibende Verdienst gehört, nach Pereival Pott zuerst wieder mit Konsequenz auf die Bedeutung der Muskel- entspannung in der Frakturbehandlung hingewiesen zu haben, stützt sich auf das Weber’sche Gesetz und hat damit wohl insofern recht, als von den einschlägigen Experimenten das Weber’sche am leich- testen verständlich und am ehesten noch allgemein bekannt ist. Aber genau genommen, gehört das Weber’sche Gesetz nicht hierher. Denn die Tatsache, dass die Grösse 2 mit zunehmender Belastung wächst, haben die Gebrüder Weber nur für den ruhenden Muskel bewiesen. Für den tetanisierten Muskel haben im Gegenteil sowohl Theoretischer Essai über Muskelmechanik. 43 die Weber wie A. Fick gezeigt, dass die Belastungskurve eine gerade Linie, somit 7 konstant, d.h. von der Belastung unabhängig ist. Wir haben aber gezeigt, dass die geometrische Oberfläche, welche die Beziehungen zwischen Länge des Muskels, Belastung und Aktivierung zum Ausdruck bringt, für den lebenden Muskel eine ganz andere ist als für den ausgeschnittenen, weil hier eine andere Zwangläufigkeit der unabhängig Variabeln auftritt. Nun müssen wir uns die Frage vorlesen: Kann die aus den Chauveau’schen Versuchen abgeleitete Fläche (x, p, «) auf den Muskel im Extensionsverband Anwendung finden? Streng genommen kann sie es nicht, weil die Voraussetzung der Zwangsläufigkeit zwischen dem zweiten vitalen Faktor und der Belastung nicht mehr in der gleichen Weise erfüllt ist. Im Chauveau’schen Experiment ist der erste vitale Faktor der Wille, den Muskel auf eine bestimmte Länge einzustellen; der zweite vitale Faktor erzwingt bei gegebener Belastung den Gleich- gewichtszustand. Gehen wir aber zu der Extensionsbehandlung über, so tritt ein neues Moment hinzu, die reflektorische Akti- vierung der Muskeln. Man drückt dies auch mitunter so aus, dass man sagt, am gebrochenen Gliede sei der Tonus gesteigert. Die erste Ausdrucksweise gefällt mir besser, weil sie nichts präjudi- ziert, während man unter Tonus doch leicht etwas Beschränkteres verstehen könnte. Man kann sich z. B. vorstellen, dass bei der Fraktur der vitale Faktor « einfach um einen bestimmten Betrag erhöht ist. Das würde vielleicht etwa dem „erhöhten Tonus“ ent- sprechen. - Es ist dagegen sehr wahrscheinlich, dass auch die Reflex- erregbarkeit am gebrochenen Gliede erhöht ist, so dass jede Be- lastung beide vitalen Faktoren beeinflusst. Es werden also sehr wahrscheinlich beide vitalen Faktoren Funktionen der Belastung, ohne indessen ihre Natur als Funktionen des Willens und des Schmerzreflexes einzubüssen. Dadureh wird allerdings der Zusammenhang kompliziert und unübersichtlich, aber die Vorgänge entziehen sich trotzdem nicht unserer Beurteilung. Würde man nämlich die Chauveau’sche Fläche (x, p, «) für anwendbar erklären, so bestände der Satz zu Recht, dass der Difte- ! > OD N ME es rentialquotient T mit wachsender Belastung zunimmt. Fügen wir % 44 Th. Christen: aber hierzu die neuen Tatsachen, dass die Grösse = nicht nur durch den erhöhten Tonus durchweg erhöht, sondern dass hauptsächlich 3 Ip. s , der Einfluss der Belastung p auf die Grösse z infolge der gesteigerten d Reflexerregbarkeit ein noch grösserer wird, so geht daraus hervor, . 2 { Lo dass nun der Differentialquotient m mit wachsender Belastung noch rascher zunehmen muss, als dies bei Gültigkeit der Fläche (x, p, u) der Fall gewesen wäre. - Wir sind daher berechtigt, den Satz auszusprechen: „Am gebrochenen Gliede wächst die für eine gewollte Ver- längerung der Muskeln notwendige Belastung weit rascher als die gewollte Verlängerung. Die Belastungskurven der Muskeln werden durch den Knochenbruch beträchtlich stärker konvex gegen die Achse der Verlängerungen, d. h. die Zunahme der für bestimmte Ver- _ längerungen nötigen Belastungen wächst mit zunehmender Belastung noch rascher als dies ohnehin beim normalen Muskel schon der Fall ist.“ Die ungeheuere Tragweite dieser Tatsache für die Therapie der Frakturen leuchtet ohne weiteres ein. Sehen wir nun unsere Formeln näher an, so erkennen wir, dass wir nicht alle in derselben vorhandenen Grössen gleich leicht be- einflussen können. Es erhellt aber ohne weiteres, dass die Be- lastung immer kleiner werden muss, wenn es gelingt, das x zu ver- kleinern, d.h. wenn man ein Glied in eine solche Lage bringt, dass der durch die Fraktur hyperaktivierte Muskel möglichst kurz wird. Dass dies in geradezu idealer Weise erreichbar ist, hat Zuppinger sowohl theoretisch (allerdings nur unter Verwendung des Weber ’- schen Gesetzes) als hauptsächlich praktisch in glänzender Weise be- wiesen !). Wir haben ferner die Energieverluste besprochen, welche der Muskel bei Halten von Gewichten erleidet, und wenn auch Heiden- hain nachgewiesen hat, dass die Wärmespesen beim ermüdeten Muskel kleiner sind als beim frischen, so bleibt doch die kontinu- 1) Ausser der zitierten Arbeit Zuppinger’s vgl. Christen, Fraktur- behandlung usw. Münch. med. Wochenschr. 1909 Nr. 48, allwo sich noch eine Reihe weiterer Literaturangaben finden. Theoretischer ‚Essai über Muskelmechanik. 45 ierliche Energieausgabe beim dauernd hochbelasteten Muskel noch hoch genug, um schwere Degenerationserscheinungen in dem auf diese Weise misshandelten Organ hervorzurufen, wie dies auch klinisch erwiesen ist. Diese praktischen Anwendungen der physiologischen Ergebnisse gehören vielleicht nicht streng in den Rahmen dieses theoretischen Aufsatzes hinein. Aber sie sind so interessant und praktisch von so ungeheurer Tragweite, dass es wohl nichts schadet, wenn auch am Schluss einer theoretischen Erörterung die Fruchtbarkeit der Theorie für die Praxis noch besonders hervorgehoben wird. Schlusssätze. 1. Die Länge eines Muskels ist abhängig von der Belastung und der Aktivierung. 2. Die Aktivierung ist im allgemeinen das Resultat der Wirkung zweier vitaler Faktoren. 3. Für manche Probleme besteht zwischen zweien von den Ver- änderlichen eine Zwangsläufiekeit, so dass in diesen Fällen die An- nahme eines einzigen vitalen Faktors gerechtfertigt ist. 4. Der Zusammenhang zwischen der Länge des Muskels, der Belastung und dem vitalen Faktor wird mit Vorteil durch eine geo- metrische Fläche dargestellt. Die Form dieser Fläche ist für die verschiedenen Probleme verschieden. Hierin liegt der Beweis dafür, dass man mit zwei vitalen Faktoren zu rechnen hat, während die abgekürzte Rechnung mit einem einzigen vitalen Faktor nur durch die jeweilige Zwangsläufigkeit ermöglicht wird. Je nach der ver- schiedenen Art dieser Zwangsläufigkeiten ändert sich die Form der genannten Fläche. 5. Die wichtigste Eigenschaft dieser Fläche ist das Verhalten der Grösse . d. h. des Differentialquotienten der Belastung nach der Länge. Diese Grösse wächst beim ausgeschnittenen ruhenden Muskel mit der Belastung. Dieses Wachstum verliert sich aber mit zunehmender Aktivierung (Weber, Fick). Im Gleiehgewichtszustand am normalen, d. h. unverletzten Gliede wächst diese Grösse mit zunehmender Pelastung unabhängig von der Stellung des Gliedes (Chauveau). 46 Th. Christen: Theoretischer Essai über Muskelmechanik. 6. Eine hervorragende Bedeutung erlangt diese Zu- nahme der Grösse = mit zunehmender Belastung am ge- brochenen Gliede, erstens, weil hier die Zunahme eine noch bedeutend stärkere ist, als unter normalen Verhältnissen, und zweitens weil sich daraus eine völlige Umgestaltung der Therapie der Frakturen ergibt. 7. Die beim Halten einer Last in konstanter Lage geleistete Arbeit des Muskels kommt teils auf Rechnung der Oszillationen der Last, teils auf Rechnung der Zustandsänderungen im Tetanus. Die erste Quelle des Energieverbrauches ist gegenüber der zweiten von untergeordneter Bedeutung. Daraus ergibt sich, dass die periodischen Zustandsänderungen im Tetanus als isometrische aufzufassen sind. S. Die Arbeit der Zustandsänderungen im Tetanus lässt sich berechnen, falls die Voraussetzung eines vollkommenen Synchronismus zwischen den einzelnen Fasern zu Recht besteht. Sie lässt sich zwischen zwei Grenzen einschliessen, wenn diese Voraussetzung dahinfällt. 9. Je mehr die Fasern unter sich vom vollkommenen Syn- chronismus abweichen, desto grösser wird, ceteris paribus, der durch Zustandsänderungen im Tetanus verursachte Energieverlust des Muskels. ee (Aus der ernährungsphysiologischen Abteilung des Institnts für Gärungsgewerbe der Kgl. Landwirtsch. Hochschule zu Berlin.) Über die vom tierischen Organismus unter verschiedenen Bedingungen ausgeschiedenen Alkoholmengen. II. Mitteilung. Einfluss der Muskelarbeit auf die Ausscheidung des Alkohols in Atmung und Harn. Von wilhelm Völtz und August Baudrexel. (Mit 4 Textfiguren.) In der ersten Mitteilung hatten wir nachgewiesen), dass 1. die Alkoholmenge, 2. die Gewöhnung und 3. das gleichzeitig mit dem Alkohol aufgenommene Flüssigkeitsvolumen in hohem Maasse be- stimmend sind für die durch den Tierkörper zur Ausscheidung ge- langenden Quantitäten des aufgenommenen Alkohols. Wir hatten gefunden, dass je nach den gewählten Versuchsbedingungen eventuell nur rund 83° bzw. bis zu über 99°) des genossenen Alkohols im tierischen Organismus verwertet wurden. In der betreffenden Publikation hatten wir bereits Versuche in Aussicht gestellt über den Einfluss eines vierten Faktors auf die Alkoholausscheidung, nämlich der Muskelarbeit. Inzwischen haben wir diese Versuche durchgeführt. Was die Literatur über diesen Gegenstand anbelangt, so hat bisher nur F. Strassmann?) die bei gesteigerter Atemfrequenz, welche durch Beimengung von CO, zur eingeatmeten Luft erreicht wurde, in nur einem Versuch 1) W. Völtz und A. Baudrexel, Über die vom tierischen Organismus unter verschiedenen Bedingungen ausgeschiedenen Alkoholmengen. Pflüger’s Arch. Bd. 138 S. 85—133. 1911. 2) F. Strassmann, Untersuchungen über den Nährwert und die Aus- scheidung des Alkohols. Pflüger’s Arch. Bd. 49 S. 315. 1891. : 48 Wilhelm Völtz und August Baudrexel: am Menschen die exhalierten Alkoholmengen zu bestimmen versucht. Strassmann fand während drei Stunden in maximo 5,68°/o, nach Steigerung der Atemtätigkeit durch CO,-Zufuhr 7,92°% des ge- nossenen Alkohols wieder. Die Alkoholausscheidung wurde also unter diesen Bedingungen um 39°/o erhöht, während die Lungen- ventilation viermal so gross war. Die bei Muskelarbeit exhalierten und dureh die Nieren sezernierten Alkoholmengen sind unseres Wissens noch nicht bestimmt worden. Unsere Versuche und zwar drei Ruhe- und sechs Arbeitsversuche von je 22—23!/sstündiger Dauer wurden sämtlich an demselben Tier, einem älteren männlichen Teckel, durchgeführt, welcher seit Monaten an regelmässigen Alkoholgenuss gewöhnt und in einer ge- nügend grossen Zahl von Vorversuchen, welche stets unter gleichen Bedingungen durchgeführt worden waren, wie die Hauptversuche, für die Laufarbeit auf der Tretbahn trainiert worden war. In der Tat eignete sich der Hund ausgezeichnet für die Versuche; er lief auf der Tretbahn mit der gleich zu beschreibenden Maske stets sehr willig und sehr gleichmässig. Die Vorrichtungen für die quantitative Gewinnung des aus- seatmeten hzw. des durch die Nieren sezernierten Alkohols be- standen aus einem für die Respirationsversuche von W. Völtz ent- sprechend abgeänderten Vakuumtrockenapparat und ferner aus den von demselben konstruierten Masken, Harntriehter und der getroffenen Anordnung der Apparatur. Der Respirationsapparat ist in der I. Mitteilung (l. e.) eingehend beschrieben worden, der Harntrichter in dem von E. Abderhalden herausgegebenen Lehrbuch der biochemischen Arbeitsmethoden. Was die Masken betrifft, so ge- langten bei den vorliegenden bzw. anderen noch nicht publizierten Versuchen zur Anwendung: 1. Eine Glasglocke mit Gummikappe (Fig. 1): Über die Öffnung der Glocke (27) wird eine Gummikappe (2) gestreift, durch die (a) der Kopf des Tieres hindurchgesteckt werden kann. Der innere Rand der Gummikappe umfängt den Hais des Versuchstieres. Einige Öffnungen in der Kappe (2b), in die kurze Glasröhren gesteckt werden, gestatten den Luftzutritt zum Innenraum der Glocke. Der Gummikappe gegenüber wird die Mitte der Glocke durchbohrt, um einen Gummistopfen mit Glasrohr einzufügen (3), durch welches die an dem Kopf des Tieres vorbeistreichende Luft durchgesaugt wird, welche sodann die zur Oxydation des Alkohols eingeschalteten Uber die vom tier. Organismus unter verschiedenen Bedingungen etc. 49 Bichromat-Schwefelsäurevorlagen und zuletzt die Luftpumpe passiert. Da Hunde lediglich durch die Maul- und die Nasenhöhle Wasser- dampf und somit Alkohol ausatmen, gelingt es, durch diese An- ordnung den exhalierten Alkohol quantitativ zu bestimmen. Die Glasglocke wurde übrigens nur bei Ruheversuchen verwendet, weil dem Tier die physikalische Wärmeregulation bei Arbeit in dem un- gekühlten Raum nur sehr unvollkommen möglich war. 2. Auf demselben Prinzip beruht die Konstruktion einer Blech- maske, welche für die Arbeitsversuche noch mit Kühlmautel ver- sehen wurde. Die Figur 2 zeigt das Vorderteil eines mit ent- Fig. 1. Glasglocke. — 2 Gummikappe. «a Öffnung zum Durchstecken des Kopfes. 2b_Glasröhren zur Luftzufuhr. 3 Glasrohr zur Luftableitung. sprechendem Geschirr (2) und Maske (7) armierten Hundes. Die Blechhaube (2) gestattet eben das Hindurchstecken des Kopfes. Der Maulhöhle gegenüber trägt die Haube ein Ansatzrohr (7), dureh das die von der Luftpumpe angesaugte und am Halse (6) und Kopf des Tieres vorbeiströmende Luft abgeleitet wird und sodann die Vor- lagen und schliesslich die Pumpe passiert. Um dem Tier die physi- kalische Wärmeregulation bei der Muskelarbeit zu erleichtern bzw. in genügender Weise zu ermöglichen, ist um den vorderen Teil der Maske ein Blechmantel (3) gelötet, der für Wasserkühlung bestimmt ist und zu dem Zweck zwei Ansatzrohre (4 und 5) trägt, auf die Gummischläuche gestreift werden; durch das Rohr 7 strömt das Wasser während der Arbeitsversuche kontinuierlich ein, dureh 5 ab. Pflüger’s Archiv für Physiologie Bd. 142. 4 50 Wilhelm Völtz und August Baudrexel: Durch eine Öse (8) wird schliesslich eine Schnur gezogen, an der die Maske bei der Laufarbeit in zweckmässiger Höhe aufgehängt werden kann, um dem Tier das Tragen derselben zu erleichtern. Die Anordnung der Apparatur während eines Arbeitsversuches auf der Tretbahn ist aus der Fig. 3 ersichtlich. Die Vorderwand der Tretbahn (13) ist fortgedacht, um eine bessere Übersicht zu gestatten. Die Armierung des Tieres mit Harntrichter, Geschirr und der mit Wasserkühlung versehenen Maske ist bereits beschrieben worden. Die Anordnung der Vorlagen ist derart getroffen, dass eine quantitative Trennung der bei Arbeit einerseits und während der a SCH N h II Fig. 2. 1 Maske (Blechhaube). 2 Geschirr. 3 Wassermantel. 4 Wasserzufluss. 5 Wasserabfluss. 6 Luftzufuhr. 7 Luftableitung. 8 Ose zur Anbringung einer Schnur. Ruhepausen andererseits ausgeatmeten Alkoholmengen leicht möglich ist, wie aus der Figur ersichtlich. Zu dem Zweck ist der über das Ansatzrohr (7) gestreifte Schlauch zunächst mit einem T-Stück ver- bunden. Je nach der Schaltung der an den beiden anderen Schenkeln des T-Rohres befindlichen Glashähne muss der exhalierte Alkohol die Vorlagen A,, As und A,, wie im vorliegenden Fall, bei einem Arbeitsversuch, bzw. die Vorlagen R,, R, und R, während der Ruhe- pausen passieren. Statt der je zwei Hähne, welche vor und hinter den Vorlagen in den beiden T-Rohren vorhanden sind, könnte man sich ebensogut eines Zweiweghahnes bedienen. Als Vorlagen wurden je zwei Waschflaschen, wie sie für Kipp’sche Apparate üblich sind, benutzt und dahinter noch eine längere Glasröhre geschaltet. Um 51 Über die vom tier. Organismus unter verschiedenen Bedingungen etc. & j At & °y ‘I »10J0N FI "ugeq “Syonsıoaagny op Any uooeploA °y pun ar ‘Tr "oyonsıaspoqiy 9Ip any uodeLo‘ ©y pun Ve me -J91L ST eztomor, a syssegumeng 77 yoneryag ru aayyorgumem O7 dundyn anz 6 ojlomsep) g "uodepoy uop nz sowons -ynT sap Sungropqy 2 "ıynpnzypuf 9 SSNHIEAOSSEM 9 'SSNgNZIOSSEN F 'Tofueunssen g "lagoson) Z oqneggporg) oysem Tr 'g 53 Wilhelm Völtz und August Baudrexel: ein Hinüberspritzen der bei starker Luftströmung mitgerissenen Tropfen aus einer Vorlage in die nächste zu verhindern, wurde in die oberen Teile der Vorlagen Glaswolle eingeführt und als letzte Vorlage ein Glasrohr benutzt, welches durch seine Länge schon allein ein Hinuüberreissen von Tropfen der Lösung ausschloss. Die benutzte Luftpumpe war eine Ölluftpumpe, welche durch einen Elektromotor betrieben wurde. Bei sämtlichen Versuchen erhielt das 10—11 kg schwere Tier stets die gleiche Alkoholmenge, nämlich 19,44 ecm einer 9,73 volum- prozentigen alkoholischen Lösung, also ca. 1,7—1,9 eem Alkohol pro Körperkilogramm. Unmittelbar nach der Alkoholzufuhr wurde bei den Ruheversuchen das Tier im allgemeinen zunächst mit der Maske armiert, und während es auf der Tretbahn lag, die während drei Stunden ausgeatmete Alkoholmenge gesondert bestimmt. Hierauf brachten wir den Hund in den Respirationsapparat, in dem er bis zum Schluss des Versuches ununterbrochen blieb. Bei den Arbeits- versuchen leistete das Tier unmittelbar nach der Alkoholzufuhr, nachdem es mit der Maske armiert worden war, 1Y/e—2 Stunden Arbeit auf der Tretbahn, innerhalb eines Zeitraumes von 3 Stunden. Die Einteilung der Arbeitszeit und der Pausen wurde so getroffen, dass das Tier entweder je 5 Minuten abwechselnd arbeitete bzw. ruhte, oder die Arbeitszeit währte 10 Minuten und die Pausen je 5 Minuten. Bei zwei Versuchen (5 und 6) begann die Arbeitszeit, nachdem das Tier zunächst 3 Stunden mit der Maske armiert ruhend auf der Tretbahn zugebracht hatte. Nach Beendigung jedes Arbeits- versuches wurde der Hund regelmässig für die übrigen Stunden des Versuchstages in den Respirationsapparat gebracht, in dem er sich immer vollständig ruhig verhielt. Für die auch bei alkoholfreiem Regime ausgeatmeten reduzierenden Stoffe haben wir den früher (l. €.) . gefundenen Durchschnittswert eingesetzt (und zwar für 24 Stunden eine 0,064 ecm Alkohol entsprechende Menge), nachdem wir uns in einem besonderen Versuch davon überzeugt hatten, dass dieser Wert dureh die Muskelarbeit nicht verändert wurde. Die zur Bestimmung des ausgeatmeten Alkohols benutzte von uns modifizierte Nieloux’sche Methode haben wir eingehend in einer früheren Publikation beschrieben !). 1) Pflüger’s Arch. Bd. 134 S. 181. 1910. Uber die vom tier. Organismus ‘unter verschiedenen Bedingungen etc. 53 Tabelle]. Übersicht über die Versuchsreihe an dem alten Teckel. nn zen. Versuch | Datum a Bezeichnung De a De ro | ZN | ges Versuches, | 2 | apparat, | dauer Std. Sta. | Std. 1 | 3. März | 19,44 Ruhe I | DM a | 221P l [#} “ 20 ca. 1!/a Stunden auf der Tretbahn gelaufen „ 20 ” 1!/e ” 3 4 I 5. ” ” Pr] ” ae, | 1980 Ruhe es | > 19 |e92 Del 20 ca. 1'/2 Stunden auf der Tretbahn gelaufen 8 9 Ruheversuche | | 1b Ruhe seem > L h 20 ca. 1'/s Stunden auf der Tretbahn gelaufen ( Arbeit: 8,312 km 99 in 1'/e Stunden } _ Ale Be lea; 20 = _ Arbeit: 8,5455 km N . & in 11/2 Stunden \ 3 2) 23 14..'', 20 _ — —.. == | lass: 20 -— el — 162, 19,44 ca. 1/2 Stunden auf der Tretbahn gelaufen Arbeit: 11,100 km | Selm, | 1944 { en \ 3 2012 | 23% | 18%, 20 —_ _ — _ \ Arbeitsversuche Be Arbeit: 11,670km | a Io. , 19,44 | en \ 3 20 23 Arbeit: ach 3 Std. 31 22.2, 19,44 % | Ruhe 10,530 km in 2% Stunden Arbeit: nach 3 Std. | 6 |24. „ | 1944 2 |Ruhe 11,850 km = 6 17 23 2 Stunden Besprechung der einzelnen Versuche. Wie bereits in der Einleitung hervorgehoben, hatte das Ver- suchstier längere Zeit vor Beginn der Versuche und zwar 6 Monate täglich regelmässig 15 cem Alkohol mit dem Futter erhalten; ausser- dem war der Hund schon früher mehrfach zu Alkoholversuchen benutzt worden; es handelt sich also um ein an Alkohol gewöhntes Versuchstier. A. Ruheversuche. 1. Ruheversuch am 3. März 1911. Das Tier wog 10,40 kg vor dem Futterverzehr und erhielt kurz nach der Nahrungsaufnahme 19,44 ccm, resp. pro Körperkilogramm 54 Wilhelm Völtz und August Baudrexel: 1,87 cem Alkohol einer 9,73 volumprozentigen Alkohollösung. Das Tier blieb während des ganzen 22"/sstündigen Versuches ununter- brochen im Respirationsapparat. Es wurden ausgeschieden: ee re A in der Atmung direkt gefunden 0,504 cem ab für reduzierende Stoffe . 0,060 ,„ rue ee also insgesamt 0,706 cem = 3,63 lo d. Zuf. In Prozent der Gesamtausscheidung: 2 in der Atmung = 62,8; im Harn = 3722. 3. Ruheversuch am 6. März 1911. Der zweite Versuch war eine Wiederholung des Versuches Nr. 1 mit dem einzigen Unterschiede, dass das Tier während der ersten 3 Stunden mit der beschriebenen Blechhaube und dem Harntrichter ausgerüstet wurde, um den während der angegebenen Zeit aus- seatmeten Alkohol getrennt zu bestimmen. Die so gefundenen Werte sind direkt vergleichbar mit den später bei dreistündiger Muskelarbeit gefundenen. Unmittelbar nach Beendigung des drei- stündigen Versuches wurde der Hund für die übrigen 19 Stunden der Versuchszeit in den Respirationsapparat gebracht, in dem Harn- und Atmungsalkohol ebenfalls getrennt bestimmt wurden (Pflüger’s Arch. Bd. 134 S. 133. 1910). Das Tier wog 10,48 kg und erhielt un- mittelbar nach der Fütterung 19,30 eem —= 1,84 eem Alkohol pro Körperkilogramm in 9,73 /oiger Lösung. Versuchsdauer 22 Stunden. Der Hund verhielt sich nach der Alkoholzufuhr etwas unruhig. Die Atemfrequenz betrug pro Minute nach 1 Stunde 21 Atemzüge, 1!/’e Stunden 28 n 1®/« N 17 N, 2 ” 28 » 91]; [| la „ 32 „ 3 24 Die Zahl der Atemzüge weist sehr auffallende Schwankungen auf. Wir haben öfter beobachtet, dass solche und eventuell noch grössere Schwankungen innerhalb sehr kurzer Zeitabschnitte z. B. innerhalb 5 Minuten nach Alkoholzufuhr vorkommen können, auch wenn die Tiere sich ganz ruhig verhalten. — Uber die vom tier. Organismus unter verschiedenen Bedingungen etc. 55 Die Alkoholausscheidung betrug während der ersten 3 Stunden: in der Atmung direkt gefunden 0,150 cem ab für reduzierende Stoffe . 0,008 „ also 0,142 ecm Alkohol = 0,74 °/o d. Zufuhr. Harn wurde während dieser Zeit nicht gelassen. Während der übrigen 19 Stunden der Versuchszeit wurden ausgeschieden : in der Atmung direkt gefunden 0,307 eem ab für reduzierende Stoffe . 0,051 „ | 0,256 eem = 1,33 0/o Alkohol d. Zufuhr ; im Harn innerhalb 22 Stunden 0,160 durch Abgrenzung des Urins nach Zuntz noch aus der Blasererhalten. . -. . .0:011:., 0,171 cem = 0,89 %/o Alkohol d. Zufuhr. Es waren also nicht unerhebliche Mengen Alkohol (6,9% der überhaupt durch die Nieren sezernierten Menge) nach Beendigung des Versuches in der Blase zurückbehalten worden, und es ist stets erforderlich, nach solchen Versuchen den in der Blase noch ent- haltenen Harn zur Alkoholbestimmung zu gewinnen. Insgesamt wurden also von dem verabreichten Alkohol ausgeschieden: durch die Atmung 0,398 cem — 2,06 Io, durch die Nieren 0,171 „ == 0,89 lo Sa: 0,569 eem —= 2,95 '/o der Zufuhr. In Prozenten der Gesamtausscheidung: in der Atmung: 69,9; im Harn: 30,1. ” 3. Ruheversuch am 8. März 1911. Dieser Versuch war eine Wiederholung des zweiten Versuches. Das Tier war während der ersten 3 Stunden auf der Tretbahn mit der Blechhaube ausgerüstet; während der folgenden 19'/s Stunden befand es sich im Respirationsapparat. Der Hund wog 10,39 k& und erhielt unmittelbar nach der Futteraufnahme 19,27 eem Alkohol resp. 1,85 cem Alkohol pro Körperkilogramm in 9,73 '/oiger Lösung. Versuchsdauer 22'/2 Stunden. Die Atemfrequenz pro 1 Minute betrug nach: 56 Wilhelm Völtz und August Baudrexel: !/a Stunde 28 Atemzüge, Ua 5 26 5 3a 5 20 5 1 ” 22 » 1!/s Stunden 18 & 2 & 19 4 alle 5 15 Im Gegensatz zu den beim zweiten Versuch gemachten Be- obachtungen, welche einen recht unregelmässigen Verlauf der Atmungskurven ergaben, sinkt die Atemfrequenz von 28 Zügen in der Minute, die '/a Stunde nach der Alkoholzufuhr gefunden wurde, fast kontinuierlich auf 15 nach 2Ye Stunden ab. Zur Erklärung dieser abweichenden Befunde sei bemerkt, dass der Hund während des zweiten Versuches ziemlich unruhig war, während er bei dem vorliegenden Versuch kurze Zeit nach der Alkoholzufuhr auf der Tretbahn einschlief und erst erwachte, als er nach 3 Stunden in den Respirationsapparat gebracht wurde. Es wurden während der ersten 3 Stunden ausgeschieden: in der Atmung direkt gefunden 0.144 ccm ab für reduzierende Stoffe . 0,008 , Sa.: 0,136 cem Alkohol = 0,71°/o d. Zufuhr. Während der übrigen 19!/s Stunden der Versuchszeit betrug die Alkoholausscheidung: in der Atmung direkt gefunden 0,248 cem, ab für reduzierende Stoffe . . 0,052 „ Sa.: 0,196 cem Alk. — 1,01°/o; im Harn us cn. er 0,152, ae OS) Insgesamt wurden also von dem aufgenommenen Alkohol aus- geschieden: in der Atmung 0,332 cem = 1,72 %/o; im Harnaae 221.0:152, 200 70879%)0 Sa.: 0,484 cem = 2,51%. In Prozenten der Gesamtausscheidung: in der Atmung: 68,6; im Harn: 31.4. 1) Der Hund hatte während dieses Versuches überhaupt keinen Harn ge- lassen; er erhielt daher nach Beendigung des Versuches die Schlundsonde mit ca. ®/a Liter Wasser, um den Harn nach Zuntz abzugrenzen und so den durch die Nieren sezernierten Alkohol zu erhalten. Über die vom tier. Organismus unter verschiedenen Bedingungen etc. 57 Die Resultate dieses Versuches stimmen bezüglich der gesamten ausgeschiedenen Alkoholmenge annähernd, bezüglich des Verhält- nisses des durch die Atmung im Vergleich zum Urin ausgeschiedenen Alkohols gut überein mit den Befunden des zweiten Versuches. Die während der ersten 3 Stunden ausgeatmeten Alkoholmengen stimmen bei beiden Versuchen gut überein (0,74 resp. 0,71°/o der Zufuhr). Die beim ersten Versuch insgesamt gefundenen erheblich grösseren Alkoholquantitäten (Sa.: 3,63°/o gegenüber 2,95 bei Versuch 2, resp. 2,51°/ bei Versuch 3) dürften hauptsächlich wohl auf die etwas grössere Unruhe des seit längerer Zeit wieder zum erstenmal viele Stunden in dem Respirationsapparat eingesperrten Tieres zurückzuführen sein. B. Arbeitsversuche. 1. Arbeitsversuch am 10. März 1911. Das 10,4 kg schwere Tier erhielt nach der Fütterung 19,44 cem resp. 1,57 cem Alkohol pro Körperkilogramm in 9,73 %/oiger Lösung. Versuchsdauer 23!/sa Stunden. Die ersten 3 Stunden befand sich der Hund mit Blechhaube und Harntrichter armiert auf der Tretbahn; er lief abwechselnd 5 Minuten und ruhte ebensolange aus, so dass die eigentliche Arbeits- zeit 11/a Stunden dauerte. Während derselben legte das Tier 8,5312 km zurück, das entspricht einer Stundengeschwindigkeit von 5,55 km. Der während der dreistündigen Versuchszeit auf der Tretbahn bei Ruhe und Arbeit ausgeatmete Alkohol wurde während dieses und des folgenden Versuches nicht getrennt gewonnen und daher ins- gesamt bestimmt. Bei den späteren Versuchen passierte die aus- geatmete Luft dagegen bei der Arbeit andere Bichromat-Schwefel- säurevorlagen als bei der Ruhe, so dass getrennte Alkoholbestimmungen ausgeführt werden konnten. Während der Ruhepausen von je 5 Minuten wurden stets die Atemfrequenz und in Abständen von ea. "/s Stunde auch die Puls- zahlen bestimmt und sonstige Beobachtungen über das Verhalten des Tieres notiert, die wir in Tab. II (S. 58) folgen lassen. Die Zahl der Atemzüge steigt zunächst langsam von 38 auf 65 innerhalb 1 Stunde an; dann wird die Atmung für etwa 20 Minuten foreiert (Zahl der Atemzüge 110—152) teils infolge der Wirkungen des Alkohols, teils infolge der Arbeitsleistung; sodann sinkt die Zahl der Atemzüge sehr erheblich herab und hält sich etwa 1 Stunde lang 58 Wilhelm Völtz und August Baudrexel: Tabelle I. Zeit, gerechnet Atem- | Puls- Während der Pausen vom Beginn frequenz schläge Sehend Een liegend des Versuches pro Minute | pro Minute} Minuten , Minuten | Minuten nach 5 Min. 38 | en 5 Su „15 5 40 140 2 3 —_ ” 25 ” 45 mm FR 5) ME „9 5 54 — — b) — „. 4 n 65 nach 43 Min. zum 1, Male Harn gelassen b) — I 0D 5 65 — B) —_ „ 1Std. 5 Min. 110 — — — d lan, 152 — —_ b) —_ I 80 126—150 — 5 — » 1 ” 39 ” 76 x Fa 2 3 » 1 ” 45 ” 78 STR ER 5 kare a 12 134—180 — 5 — „.2Stdnyor, 18 — — 5 —_ on la, 86 = — 2 5) DE 29 140 140 _ 4 1 za on 86 nach 28t. 29 Min. zum 2. Male Harn gelassen 5) — „20, 45 » 90 Se DE 3 PET Rn | 186 140 —_ 5 _ auf annähernd derselben Höhe (zwischen 76 und 86). Eine weitere Vermehrung der Atemzüge war 21/2 Stunden nach Beginn des Ver- suches zu beobachten (140). Kurze Zeit darauf atmet das Tier wieder ruhiger. Bei Schluss des dreistündigen Versuches erreicht die Atemfrequenz die grösste Höhe (186), weil das Tier offenbar jetzt am stärksten ermüdet war. Die übrigens ziemlich hohe Puls- zahl weist keine sehr grossen Schwankungsen auf. Die Erklärung für die Unregelmässigkeit der Atmung stösst auf keine grossen Schwierigkeiten, wenn wir uns vergegenwärtigen, dass Hunde nach grösseren Anstrengungen insbesondere bei hoher Temperatur sehr unregelmässig und willkürlich die Atmung regulieren; die Tiere können unmittelbar nach höchster Atemfrequenz, und zwar z. B. infolge irgendeiner Ablenkung oder auch wohl infolge der Ermüdung der Atemmuskulatur, die Zahl der Atemzüge für einige Zeit sehr herabsetzen, so dass plötzlich die bis dahin deutlich zu hörenden Atemgeräusche sowie das Schlagen der Flanken fast momentan nicht mehr wahrnehmbar sind, bis ebenso unvermittelt die foreierte Atmung wieder einsetzt. Während der ersten 3 Stunden (1’/a Stunden Arbeit, 1'/s Stunden Ruhepausen) auf der Tretbahn gab das Tier folgende Alkohol- mengen ab: Uber die vom tier. Organismus ‘unter verschiedenen Bedingungen ete. 59 Tabelle I. Durch die Atmung | Durch die Nieren Summa an — Yo CEmWe 50/0 eem —=0/0 direkt gefunden. . 0,818 — — ab für reduz. Stoffe 0,008 —_ - | 0,810 = 4,17 0,404 — 2,08 | 1,214 = 6,25 Für die übrigen 19Y/s Stunden des Versuches wurde der Hund mit Harntrichter ausgerüstet in den Respirationsapparat gebracht. Die Gewinnung des während dieser Zeit ausgeatmeten Alkohols erfolgte in zwei Fraktionen, und zwar während der nächsten 3 Stunden (also der dritten bis sechsten Stunde) und während der übrigen 16!/s stün- digen Versuchszeit.e.. Ebenso wurde auch beim folgenden Versuch der ausgeatmete Alkohol gewonnen, um zu ermitteln, ob infolge der zunächst noch starken Atmung grössere Alkoholmengen als nach einem Ruheversuch ausgeschieden wurden. Allerdings war das nicht der Fall, weil die Atemfrequenz zu schnell zur Norm zurückkehrt. Die Alkoholausscheidung betrug: In der Atmung Im Harn Summa ccm = "lo ccm —= Jo ccm = !/o von der 4. bis 6. Stunde direkt bestimmt. . . 0,102 — — ab für reduzierende Stoffe 0,008 —_ == also Alkohol 0,094 — 0,48 = m von der 7. bis 23'/2. Stunde direkt bestimmt. . . 0,138 —= ar ab für reduzierende Stoffe 0,047 _ — also Alkohol | 0,091 — 0,47 0,068 0,355 | 0,159 — 0,82 Die Gesamtausscheidung an Alkohol betrug somit: Tabelle Illa. a 1 Ba Bee 2 Se Se In der Atmung Im Harn Summa eeme 0 | Cem 0/0 cem — Io N WE PN He BEE EEE ERER B re LE WAHRE ZEM VERRSEBRER HERREN ET 1.—3. Stunde. . . 0,810 = 4,17 0,404 — 2,08 1,214 = 6,25 4.—b. SaRERS; 0,094 — 0,48 E 0,094 — 05 7.2312. Stunde . 0,091 = 0,47 | 0,068 = 0,85 0,159 = 0,82 VRR | N a Mahn erh BRATEN Summa | 0,995 — 5,12 0472 — 243 | 1,467 = 755 60 Wilhelm Völtz und August Baudrexel: In Prozenten der Gesamtausscheidung: 1.—3. Stunde in der Atmung 66,7, im Harn 33,3 4.—23Vla. Stunde „ , 5 13,2, 2088 1.—23ll. „ en 5 On nn 0 2. Arbeitsversuch am 13. März 1911. Dieser Versuch ist eine Wiederholung des vorigen ersten Arbeits- versuches. Das Tier wog 10,30 kg und erhielt nach der Fütterung 19,44 eem bzw. 1,80 cem Alkohol pro Körperkilogramm in 9,73 fjoiger Lösung. Versuchsdauer 23 Stunden. Das Tier legte während der 1'/a Stunden Arbeitszeit 8,545 km zurück. Die Stundengeschwindigkeit beträgt somit 5,7 km. Bezüglich der Atemfrequenz, der Pulszahl usw. wurde folgendes im Protokoll vermerkt: Tabelle IV. Zeit, gerechnet Atem- Puls- Während der Pausen vom Beginn frequenz schläge | nn) liegend des Versuches pro Minute | pro Minute | Minuten Minuten Minuten nach 5 Minuten — — 5 — — 9 5 40 142 1 4 — 220 » 61 _ — 4 il „99 # 82 — — 5 _ „ 45 » 83 — 5 — „ 99 4 74 165 — 5 = „ 1 Std. 5 Min. 76 — — 5 — le our 84 76 — 5 — le 60 — e b) — De n & ” 69 ER d Er u Be Ga 17 99 — 5 = le; 29985 62 — 2 3 „ 2Stdn. 5 Min. 66 — — 5 — a 80 126 — 5 = » 2 ” 25 ” 69 Zar, 5 ge ron 66 — — 3 2 2 Ad 94 140 — 5 a ZA ER 100 132 — 5 _ Die Zahlen für die Atemfrequenz sind regelmässiger als die- jenigen für den ersten Arbeitsversuch. Der mittlere Wert aus allen Beobachtungen der Atemfrequenz betrug bei dem ersten Versuch 86, bei dem zweiten 73; bei dem Tier wurden also bei dem vor- liegenden zweiten Versuch rund 13 Atemzüge weniger festgestellt als bei dem ersten. Im Vergleich zu den Ruheversuchen war also bei den Arbeitsversuchen die Zahl der Atemzüge etwa viermal so hoch. Übrigens könnte man aus der geringeren Zahl der Atemzüge Über die vom tier. Organismus unter verschiedenen Bedingungen etc. 61 beim Arbeitsversuch 2 gegenüber Arbeitsversuch 1 keinesweos ohne weiteres auf eine geringere Lungenventilation schliessen. Es wäre sehr wohl möglich, dass die geringere Zahl der Atemzüge durch eine entsprechend grössere Tiefe der letzteren kompensiert würde. Die Pulszahlen differieren während dieses Versuches übrigens etwas mehr als während des Versuches Nr. 1. Die Gesamtausscheidung an Alkohol betrug während dieses 23stündigen zweiten Arbeitsversuches: Tabelle V. In der Atmung Im Harn Summa cem Kun — Yo ccm ccm 1.—3. Stunde direkt | | gefunden. . . . 0,856 — —- ab für reduz. Stoffe 0,008 _ — 0,848 — 4,36 4.—6. Stunde direkt gefunden. .. . 0,073 — — ab für reduz. Stoffe 0,008 —- — 7z 0,065 — 0,34 7.-23. Stunde direkt gefunden... . 0,106 — _ ab für reduz. Stoffe 0,045 — _ 0.061. — 0:31 1.23. Stunde ins- \ _ | 0,974 = 5,01 | 0,180 — 0,67 % | 1,104 — 5,68 % gesamt In Prozenten der Gesamtausscheidung: in der Atmung: 88,2; im Harn: 11,8. Vergleichen wir zunächst die Zahlen für die Gesamtausscheidung an Alkohol während der Arbeitsversuche Nr. 1 und 2, so ergibt sich eine erhebliche Differenz der Werte; die betreffenden Daten sind nämlich für Versuch Nr. 1 7,75 °/0 h n 2790: Diese Abweichungen sind lediglich bedingt durch den verschiedenen Alkoholgehalt der Harne, der bei Versuch Nr. 1: 2,43 °o, bei Ver- such Nr. 2 dagegen nur 0,67 °/o betrug. Beim ersten Versuch war der Organismus offenbar wasserreicher; bereits nach 3 Stunden hatte das Tier erhebliche Harnmengen und mit denselben 0,404 cem Alkohol, das sind 85,5 °/0 des überhaupt durch die Nieren sezernierten Alkohols, ausgeschieden (bei früheren Versuchen 1. e. S. 121 waren wir zu ganz analogen Resultaten gelangt). Bei dem zweiten vor- 62 Wilhelm Völtz und August Baudrexel: liegenden Arbeitsversuch dagegen hatte der Hund auch nach Ab- schluss des 23stündigen Versuches noch keiner Harn gelassen und konnte soleher mit der geringen Menge Alkohol ca. 2 Stunden, nachdem eine grössere Quantität Wasser mittelst Schlundsonde verabreicht worden war, gewonnen werden. Aus diesen beiden Versuchen können wir sehr deutlich die grosse Abhängigkeit der Alkoholsekretion durch die Nieren von der Wasser-, also Harn- absonderung erkennen, was wir früher (l. e.) bereits nachgewiesen hatten. Die Werte für den Alkoholgehalt der Atmung weisen gute Über- einstimmung auf; bei Arbeitsversuch Nr. 1 wurden insgesamt 5,1, bei Arbeitsversuch Nr. 2: 5,0°/ des verabreichten Alkohols aus- geatmet. Während des dreistündigen Arbeitsversuches betrug die ausgeatmete Alkoholmenge 4,17 /o, bei Versuch 2: 4,36°/o, jedoch wurde bei letzterem Versuch eine um 233 m längere Wegstrecke zurückgelegt, wodurch diese geringe Mehrausscheidung an Alkohol, welche übrigens während der späteren Stunden des Versuches nahezu kompensiert wurde, bedingt sein dürfte. Nunmehr können wir die während der beiden Arbeitsversuche für die Alkoholausscheidung gefundenen Werte mit denen der Ruhe- versuche vereleichen. Bei den beiden ersten Ruheversuchen schied das Tier während der ersten 3 Stunden 0,142 bzw. 0,136 eem Alkohol durch die Atmung aus. Wir verfügen noch über die Resultate aus zwei weiteren gleichen dreistündigen Ruheversuchen, auf die wir später eingehen werden (siehe S. 69 und 71), und bei denen das Tier 0,155 und 0,145 eem Alkohol ausatmete. Der Mittelwert aus diesen vier Versuchen beträgt 0,144 cem Alkohol —= 0,75 %/o der Zufuhr für > Stunden. Bei den beiden Arbeitsversuchen wurden während der- selben Zeit im Mittel 0,329 eem Alkohol ausgeatmet — 4,27 %/o der Zufuhr. Infolge der Zurücklegung von im Mittel 8,429 km in 1!/s Stunden und auch infolge der während der Ruhepausen von insgesamt 1!/e Stunden noch fortdauernden foreierten Atmung wurden also 0,685 cem Alkohol mehr ausgeschieden als während derselben Zeit bei Ruhe. Wir finden somit im Mittel der beiden Arbeitsversuche die 5,76fache Menge des im Mittel von vier Ruheversuchen für die gleiche Zeit (3 Stunden) in der Atmung ermittelten Alkohols. 3. Arbeitsversuch am 17. März 1911. Bei diesem Versuch und den folgenden Versuchen wurde, wie bereits erwähnt, der während der Muskelarbeit ausgeatmete Alkohol Uber die vom tier. Organismus unter verschiedenen Bedingungen etc. 63 gesondert bestimmt, und ebenso der während der Ruhepausen durch die Atmung abgezebene Alkohol. Ferner unterscheiden sich diese Versuche auch dadurch von den früheren, dass die Ruhepausen nicht ebenso lange wie die Arbeitsperioden, sondern nur die halbe Zeit währten wie letztere, sodass der Hund also abwechselnd 10 Minuten lief und 5 Minuten ausruhte, und zwar während 3 Stunden. Der Hund wog 10,92 kg und erhielt nach der Fütterung 19,44 cem Alkohol, resp. 1,78 cem pro Körperkilogramm in 9,73 /oiger Lösung. Versuchsdauer 23!/a Stunden. Die während der 2 Stunden zurückgelegte Wegstrecke betrug 11,100 km (also 5,550 km Stundengeschwindigkeit). Während des dreistündigen Aufenthaltes auf der Tretbahn wurden folgende Feststellungen über Atemfrequenz, Pulszahl usw. gemacht: Tabelle VI. Zeit, vom Beginn Atem- Pulszahl Während der Pausen oe { ulsza 2 ae des Versuches an frequenz pro Minute | stehend sitzend liegend gerechnet pro Minute Minuten Minuten | Minuten nach 5 Minuten 3 137 5 | — = 5 AU) 5 40 — — 5 — 08 2 59 148 — 5 — 0 k 168 — —_ — 5 „ 1Std. 5 Min. 150 155 — 3 2 ne ZA 196 n 5 — m l3001 99. 5 180 166 _ 5 — ler 90: .;, 186 — — 1 4 nach 1 Stunde 55 Minuten Urin gelassen. „ 2 Stdn. 5 Min. 210 135 5 — Ban 220, 212 — — 3 2 Mara Asn 182 148 — 3 2 N 150 128 — 1 4 Wie sehen hier die Werte für die Atemfrequenz im Vergleich zu den früheren zwei Arbeitsversuchen (die ersten 35 Minuten aus- genommen) die doppelte Höhe (152 Atemzüge) erreichen. In der Tat muss hier der Hund jedesmal nach Aufhören der Ruhepausen von 5 Minuten 10 Minuten, also doppelt so lange laufen, wie bei den Arbeitsversuchen 1 und 2. Da der Tretbahnversuch hier auch nur 3 Stunden dauerte, so ist allerdings die ‚Arbeitszeit bei dem vorliegenden Versuch insgesamt nur um !/« grösser, denn das Tier lief während der Arbeitsversuche 1 und 2 je 1!/» Stunden, während des vorliegenden und der folgenden Versuche dagegen 2 Stunden. Die Pulszahl ist annähernd ebenso hoch wie bei den früheren Ver- suehen mit den Arbeitszeiten von der halben Dauer (je 5 Minuten); 64 Wilhelm Völtz und August Baudrexel: die höheren Anforderungen an das Herz hatten also keine wesentliche Erhöhung der Pulszahl zur Folge, die bei diesem Versuch mit der Zahl der Atemzüge, welche erheblich erhöht ist, im Mittel fast übereinstimmt. Während der ersten 3 Stunden des Versuches (2 Stunden Arbeit, 1 Stunde Ruhepausen) schied der Hund folgende Alkoholmengen aus: Tabelle VII. Durch die Nieren Durch die Atmung Summa cem Alk. | ccmAlk.—9o d.Zufuhr ccm ccm | a) Währ. der Arbeit | x direkt bestimmt (2 Stunden). . . | 0,756 en A ab für reduz. Stoffe | 0,005 — ar Volle 3150) b) Währ. der Ruhe- i © pausen direkt be- stimmt (1 Stunde) | 0,315 = EN ab für reduz. Stoffe 0,003 — — 0,312 — 1,61 | Summa —_ | 1,063 —= 5,47 | 0,138 = 0,119/0 | 1,201 = 6,18 %/o Von der vierten bis zur 23'/e. Stunde befand sich das Tier im Respirationsapparat. Während dieser Zeit wurden folgende Alkohol- mengen ausgeschieden: Summa ccm Durch die Nieren ccm Durch die Atmung cem Alk. | com Alk.—/o d.Zufuhr Yon der 4.-6.Stunde direkt gefunden. | 0,155 = — ab für reduz. Stoffe 0,008 u — 0,147 = 0,76 Von der 7.—23a. Stunde direkt ge- iundenee Lern 0,111 — = ab für reduz. Stoffe | 0,047 0,064 = 0,33 | 0,024 —= 0,12 %o | 0,088 = 0,45 °/o Die Gesamtausscheidung an Alkohol betrug somit: Tabelle Vlla. Durch die Atmung | Durch die Nieren Summa cem — 0 | com = Yo cem = %o 1.—D. Stunde: 1 Stunde Ruhe . 05127 —21:61 — — 2 Stunden Arbeit 0,191 — 3,82 0,1338 —= 0,71 1,201 = 6,18 4.—6. Stunde. . . 0,147 = 0,76 — 0,147 = 0,16 1.—231/2. Stunde . 0,064 — 0,33 0,024 = 0,12 0,083 — 0,45 1,274 — 6,56 0,162 — 0,83 1,436 — 7,39 Über die vom tier. Organismus unter verschiedenen Bedingungen etc. 65 In Prozenten der Gesamtausscheidung: 1.—3. Stunde durch die Atmung 88,5; durch die Nieren 11,5 elle. Stunde y „ » 89,8 3 D) ) n 10,2 1.—231e. 2 Be - Sch a Ole 4. Arbeitsversuch am 20. März 1911. Dieser Versuch ist eine Wiederholung des vorigen dritten Arbeits- versuches. Das Tier wog 10,85 kg und erhielt nach der Fütterung 19,44 cem Alkohol, resp. 1,79 cem pro Körperkilogramm in 9,73 % iger Lösung. Versuchsdauer 23 Stunden. Das Tier legte 11,67 km während der zweistündigen Arbeitszeit zurück, das ist eine Stundengeschwindig- keit von 5,835 km. Während des dreistündigen Aufenthaltes auf der Tretbahn wurden folgende Beobachtungen über Atmung, Puls usw. gemacht: Tabelle VII. Zeit vom Beginn Atem- Während der Pausen Pulszahl des Versuches an frequenz pro Minute| stehend sitzend liegend gerechnet pro Minute Minuten | Minuten | Minuten nach 5 Minuten 37 — 5 an Be a - 56 140 — 5 „3 S 100 — — | 2 3 ot. 10 | ı8 DD 5 nach 55 Minuten zum ersten Male Harn gelassen. „ 1Std. 5 Min. 184 | — | — 3 2 nach 1 Std. 10 Min. zum zweiten Male Harn gelassen. lau, 20°, 200 144 | — 3 2 Bela 239, 220 — 1 4 Ela o0., 210 158 — -- 5 „ 2Stdn. 5 Min. 204 — — — 5 MER 20... 230 158 — 1 Es nach 2 Stdn. 25 Min. zum dritten Male Harn gelassen. a 180 — — 2 3 a, 204 126 — 2 3 Der Mittelwert für die Pulszahl stimmt mit demjenigen für den vorigen gleichen Versuch überein (145 Pulsschläge). Die Atem- frequenz beträgt hier im Mittel 167, beim vorigen Versuch 152. Die Erhöhung um 15 Atemzüge in der Minute dürfte auf die etwas erössere Arbeitsleistung zurückzuführen sein. Beim vorigen Versuch betrug nämlich die während derselben Zeit (2 Stunden) zurückgeleste Weestrecke 11,100 km, bei dem vorliegenden Versuch 11,670 km, also 570 m mehr. Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd. 142. 3) 66 Wilhelm Völtz und August Baudrexel: Die Alkoholausscheidung betrug während des 23stündigen Arbeits- versuches: Tabelle IX. In der Atmung | Im Harn ccm ecmE — 0 | ccma— 20/0 1.—3. Stunde: a) für 1 Stunde Ruhepausen direkt gefunden... . 0,295 — ab für reduzierende Stoffe 0,003 —_ ee 002925 31,50 b) für 2 Stunden Arbeit direkt gefunden . . 0,369 — abfürreduzierende Stoffe 0,005 —_ 0,864 — 4,44 0,533 — 2,74 Sa. 1,156 — 5,94 Von der 4.—23. Stunde befand sich das Tier im Respirationsapparat; während dieser Zeit wurden folgende Alkoholmengen ausgeschieden: für die 4.—6. Stunde direkt | geiunden, se. 0,080 == ab für reduzierende Stoffe . 0,008 — 0,072 = 0,97 für die 7.—23. Stunde direkt gefunden... 0. 0. 0,122 = ab für reduzierende Stoffe . 0,045 — 0,077 = 0,40 0,016 —= 0,08 Die Gesamtausscheidung an Alkohol betrug somit: ‚Tabelle IXa. Durch die Atmung | Durch die Nieren Summa ccm — °o ccm = "o . ccm = Jo 1.—3. Stunde: me | BRZiE | oma | 10 an | SE Nomen | ons os Summa a — 0,549 = 2,82 1,854 = 9,53 In Prozenten der Gesamtausscheidung: in der Atmung 1.—3. Stunde 68,4°/o,; im Harn 31,6 %/o, BUN Sr 1 oa ons: 2 UN Bot lorn a en 7. Any aa Aus den analytischen Daten dieses vierten und des analogen dritten Arbeitsversuches ersehen wir folgendes: Über die vom tier. Organismus unter verschiedenen Bedingungen ete. 67 1. Die während der einstündigen Ruhepausen auf der Tretbahn ausgeschiedenen Alkoholmengen betrugen bei Versuch 3: 0,312 eem —= 1,61 °/o der Zufuhr, £ 4 Ma EN A das ist eine befriedigende Übereinstimmung. Der Mittelwert aus diesen beiden Versuchen entspricht 0,302 eem Alkohol pro 12 Ruhe- pausen von je 5 Minuten Dauer nach je 10 Minuten Arbeit. Im Mittel der vier Ruheversuche Nr. 2 und 3 und der ebenfalls als Ruheversuche heranzuziehenden ersten 3 Stunden des Arbeitsversuche Nr. 5 und 6 bei denen der Hund nicht unmittelbar, vorher gearbeitet hatte, wurden mit der Atmung pro 1 Stunde 0,048 cem Alkohol ausgeschieden, das ist nur der 6,32. Teil des nach unmittelbar vorausgegangener Arbeits- leistung gefundenen Mittelwertes. Hier sehen wir deutlich, dass die foreierte Atmung, wie sie unmittelbar nach den körperlichen Anstrengungen noch fortbesteht, sehr viel grössere Alkoholmengen herausbefördert, als bei ruhiger Atmung ausgeschieden werden. Das Ver- hältnis der Zahlen für die Atemzüge bei den in Betracht kommenden Versuchen stimmt übrigens sehr angenähert mit demjenigen für die gefundenen Alhoholmengen überein!). Die betreffenden Zahlen sind nämlich: Für die | Für die Pausen unmittelbar nach Ruheversuche der Muskelarbeit Verhältnis 0,048 cem Alkohol 24 Atemzüge 0,302 ccm Alkohol pro 1 Stunde | 1:6,3 159 Atemzüge pro 1 Minute 1: 6,6 I Während der Zurücklegung von 11,10 resp. 11,67 km innerhalb 2 Stunden, also der eigentlichen Arbeitszeit ohne Berücksichtigung der Ruhepausen, schied der Hund bei Arbeitsversuch 3:0,751 ccm, also pro 1 Stunde 0,376 ccm bei einer Wegstrecke von 5,55 km, bei dem vorliegenden Versuch 4:0,864 cem, also pro 1 Stunde und bei Zurücklegung von 5,835 km 0,432 cem Alkohol aus. Der Mittel- wert aus beiden Versuchen ist also 0,404 eem Alkohol pro 1 Stunde und bei einer Zurücklegung von 5,69 km auf horizontaler Bahn. Wenn wir diesen Wert mit dem für die Ruheversuche gefundenen Mittelwert von 0,048 cem pro 1 Stunde (siehe oben) vergleichen, so finden wir, dass die infolge der Arbeitsleistung gesteigerte Atem- 1) Es können natürlich bezüglich .der Tiefe der Atmung bei beiden Ver- suchen Differenzen bestehen. Die Atemgrösse ist von uns nicht bestimmt worden. Sx* 5) 68 Wilhelm Völtz und August Baudrexel: frequenz eine Vermehrung der Alkoholausscheidung durch die Atmung zur Folge hatte, die das 8,4fache des Ruhewertes für die gleiche Zeit betrug. Wenn wir uns nun vergegenwärtigen, dass Hunde täglich 50 bis 60 km und mehr laufen können, und zwar bei viel schnellerem Tempo, so erhellt aus unseren Befunden ohne weiteres, dass ihr Organismus bei Muskelarbeit insbesondere durch die Exspiration sehr viel grössere Alkoholmengen auszuscheiden vermag, als man bisher angenommen hat. Und wir können auf Grund unserer Resultate an Hunden weiter folgern, dass die von Atwater und Benedict an Menschen gefundenen Werte für die Alkoholausscheidung nur für die ge- wählten speziellen Versuchsbedingungen Gültigkeit besitzen, d. h. also, dass vom Menschen nur rund 2°o des auf- genommenen Alkohols den Körper unverbrannt verlassen, wenn von der Person ea. 70 cem Alkohol der verwendeten Konzentration, in mehreren Gaben über den Tag verteilt, genossen werden, und wenn keine höheren Anforderungen an die Arbeitsleistungen des Organis- mus gestellt werden. Wir sind berechtigt, aus unseren Tierversuchen zu schliessen, dass auch vom Menschen recht wechselnde Alkohol- mengen ausgeschieden werden, je nach der Quantität des auf- genommenen Alkohols, der Konzentration, der Dosierung, der Ge- wöhnung und der Muskelarbeit. Nach Aufnahme grösserer Alkoholmengen dürfte auch der Mensch, wenn er z. B. infolge starker Muskelarbeit und hoher Temperatur foreiert atmet, stark transpiriert und eventuell auch noch viel Harn sezerniert (nach dem Genuss grösserer Quantitäten wasserreicher alkoholischer Getränke, z. B. Bier) einen weit höheren Prozentsatz (eventuell 10° des genossenen Alkohols und darüber) des auf- genommenen Alkohols ausscheiden, als er nach dem Genuss ge- ringerer Alkoholmengen bei Ruhe und normaler Temperatur durch Atmung und Harn entfernt. Die von dem Tier bei beiden Versuchen 3 und 4 während der 4.—23!/2. resp. 4.—23. Stunde bei Ruhe im Respirationsapparat aus- geatmeten Alkoholmengen sind sehr gering im Vergleich zu den während der ersten 3 Stunden bei Muskelarbeit gefundenen Werten. Insgesamt wurden für die angegebenen Zeitabschnitte (4.—23!/2. resp. 4.—23. Stunde) in der Atmung ermittelt bei Mersuch 3 0,211 cem — 1,0929. MN 4 — AIR — 080020: Uber die vom tier. Organismus unter verschiedenen Bedingungen etc. 69 also im Mittel — 0,93% der Zufuhr für 20%/ Stunden. Nach der Verabreichung von Alkohol an den ruhenden Organismus können, wie wir gezeigt haben!), von der 4.—10. Stunde noch sehr erheb- liche Mengen ausgeatmet werden. Es wurden bis zu 1°/ der auf- genommenen Alkoholquantität in 1 Stunde (4. Stunde), allerdings nach Zufuhr grösserer Alkoholmengen, nämlich ca. 3 cem pro Körper- kilogramm, ausgeschieden. Die, während des 20'/ıstündigen Auf- enthaltes im KRespirationsapparat bei den vorliegenden Arbeits- versuchen 3 und 4 im Vergleich zu den Ruheversuchen 2 und 3 gefundenen deutlich geringeren Alkoholmengen sind auf eine kleinere Alkoholzufuhr und darauf zurückzuführen, dass der Organismus während der vorausgegangenen je zweistündigen Arbeitszeit und der dazwischen liegenden einstündigen Ruhepausen relativ sehr grosse Alkoholmengen bereits herausgeschafft hatte. Übrigens stimmen sowohl die Werte, welche für die 4. bis 6. Stunde, als auch für die 7.—23. Stunde im Respirationsapparat für den Alkohol der Atmung gefunden wurden, bei allen vier Arbeits- versuchen befriedigend überein. Die betreffenden Zahlen sind nämlich in Prozent der auf- genommenen Alkoholmengen: Tabelle X. 4.—6. Stunde 7.—23 4a. Stunde ' Prozent Prozent sen | der Zufuhr sem ı der Zufuhr 1. Arbeitsversuch. . . . Droge 7 0,48 0,091. |" 20,47 2. Arbeitsversuch. . . . 0,065 | 0,34 0,061 0,31 3. Arbeitsversuch. . . . 0,147 0,76 0,064 | 0,33 4. Arbeitsversuch. . . . | 0,072 087 007 040 Mittelwerte .. .... 0.095 0,49 0,073 0,38 resp. pro 1 Stunde. . 0,032 0,16 0,004 0,02 Die folgenden zwei Arbeitsversuche, Nr. 5 und 6, unter- scheiden sich von den eben beschriebenen, Nr. 3 und 4, dadurch, dass der Hund unmittelbar nach der Alkoholzufuhr nicht arbeitete, sondern zunächst 3 Stunden ruhte und während dieser Zeit zwecks Gewinnung des ausgeatmeten Alkohols durch die Blech- haube atmen musste. Hierauf, also bei Beginn der vierten Stunde, fängt der dreistündige Arbeitsversuch an, der in gleicher 1) W. Völtz und A. Baudrexel, Pflüger’s Arch. Bd. 133 S. 119. 1911. 70 Wilhelm Völtz und August Baudrexel: Weise durchgeführt wurde wie die Arbeitsversuche 3 und 4 (also nach je 10 Minuten Laufarbeit je 5 Minuten Ruhepausen). Auch bei diesen Versuchen wurde der während der eigentlichen Arbeit ausseatmete Alkohol getrennt von dem während der Pausen exhalierten Alkohol bestimmt. Nach Abschluss des Arbeitsversuches (6. Stunde) kam das Tier in den Respirationsapparat, in dem der Alkohol der Atmung in zwei Fraktionen, und zwar von der 7.—9. und von der 10.—23!/a. Stunde bestimmt wurde. Der Harnalkohol wurde gesondert für die 1.—6. Stunde und für die übrigen Stunden des Ver- suches analysiert. : 5. Arbeitsyersuch am 22. März 1911. Der Hund wog 11,08 kg und erhielt nach der Fütterung 19,44 cem bzw. 1,76 cem Alkohol pro Körperkilogramm in 9,73 oiger Lösung. Versuchsdauer 23'}s Stunden. Das Tier legte während der zweistündigen Arbeitszeit, zwischen der 4. und 6. Stunde, 10,530 km zurück, das ist eine Stundengeschwindigkeit von: 5,265 km. Während des sechsstündigen Aufenthaltes auf der Tretbahn wurden folgende Beobachtungen über Atmung und Puls usw. gemacht: Tabelle XI. Atemfrequenz pro Min. nach@/onStundeseene e 18 nach U Stunde se: 25 3 Stunden Ruhe ? nach 1'/a Stunden . ... . 29 2% Mittel 24. nachn2)Stundene u... 02. 21 nach 2!/ag Stunden . .. . . 26 Hiernach 3 Stunden Arbeitsleistung; während derselben wurden folgende Beobachtungen gemacht: Zeit, vom Beginn Atem- Während der Pausen ! Pulszahl a des Versuches an frequenz pro Minute | stehend end liegend gerechnet pro Minute Minuten | Minuten | Minuten nach 10 Minuten 30 | 120 | 5 — = - nach 20 Minuten zum ersten Male Harn gelassen. ” 28 b) 00 — 5, -— — an 70 120 _ 2 3 a5 72 L = 5 = le Std. 10, Min. 180 130 —- b} Se ” 1 b) 25 ” 182 an © FIR ö Sn; BEL. 0U0 160 116 Er 4 1 N 180 — u 1 4 2 2rstdnsl0, 216 70 _ 5 — I 200 = — 5 u nach 2 Stdn. 30 Min. zum zweiten Male Harn gelassen. DTEEEAO. 140 . 104 = 3 2 2 Dahl 200 —_. — Zu ge: Über die vom tier. Organismus unter verschiedenen Bedingungen etc. 71 Die Zahlen für Atmung und Pulsfrequenz sind noch sehr hohe, jedoch, wie vorausgesehen, wesentlich geringer als bei den Arbeits- versuchen 3 und 4, bei denen der Hund sofort nach der Alkohol- zufuhr arbeiten musste. Die Atemfrequenz betrug bei diesem Ver- such während der Ruhe im Mittel 24 pro 1 Minute. Während der Arbeit wurde im Mittel 132, also die 5,5fache Zahl festgestellt. Die mittlere Pulszahl war 93. Die Alkoholausscheidung betrug bei dem 23!/2stündigen Arbeits- versuch 5: Tabelle XI. Alkohol und in der Atmung En aa en 1.—3. Stunde (Ruhe), direkt gefunden | 0,161 ccm ab für reduzierende Substanzen . . | 0,008 „ 0,153 ccm —= 0,79 °/o d. Zufuhr 1Stunde Ruhepausen, direkt getundene >. 2 ...... 0,229 ccm ab für reduzierende Sub- „En STANZEnW Re 0,003 „ 5 a {) de 0,226 ccm 1,16 °/ d. Zufuhr ab für reduzierende Sub- Westanzene. a. 0,005 „ 0,499 ccm = 2,56 Vo d. Zufuhr 7.—9. Stunde, direkt gefunden . . 0,057 ccm ab für reduzierende Substanzen . . 0,008 „ 0,049 cem = 0,25. °/0 d. Zufuhr 10.—23!/2. Stunde, direkt gefunden | 0,061 cem ab für reduzierende Substanzen . . | 0,047 „ 0,014 cem = 0,07 %0 d. Zufuhr 0,011ccm=0,06%/0 0,295 cem — 1,51% der Zufuhr der Zufuhr ) 2 Stunden Arbeit, direkt ge- fundensee een 0,504 ccm Die Gesamtausscheidung an Alkohol betrug somit: Tabelle XIla. Summa Durch die Atmung | Durch die Nieren cem = %o cem = %o cem — !/o 1-3. Stunde Ruhe | 0,153 = 0,79 4.—6. Stunde: a 73 —_ 602 1 Stunde Ruhe . | 0,226 — 1,16 Ve NL a 2 Stunden Arbeit 0,499 — ca 7.—9. Stunde. . - 0,049 ee U 1 ur 7420.38 10.231. Stunde. | 0,014 — 0,07 \ u un > se oe 0,306 = 1,57 1,947 — 6,40 Wilhelm Völtz und August Baudrexel: In Prozenten der Gesamtausscheidung: 1.—6. Stunde in der Atmung 74,7; im Harn 25,3 7.—23Ve. Stunde „ „ A Ss. et) 1.— 2312. „ » b) „ 75,9 ; ” ” 24,5. 6. Arbeitsversuch am 24, März 1911. Die Versuchsanstellung war genau die gleiche wie bei dem fünften Arbeitsversuch. Der Hund wog 11,12 kg und erhielt nach der Futteraufnahme 19,44 cem Alkohol, resp. 1.75 eem pro Körper- kilogramm in 9,73°/oiger Lösung. Versuchsdauer 23 Stunden. Das Tier legte während der zweistündigen Arbeitszeit 11,350 km, also pro 1 Stunde 5,925 km zurück. Die folgende Übersicht enthält die Daten über Atmung, Puls usw. während der ersten 6 Versuchsstunden. Tabelle XII. 2 Atemfrequenz pro 1 Min. nacha rn 2/au Stunden sn ar 25 1 De REN 30 3 Stund > Z em =. »1!/e2Stunden&... ... > 21 Jim Mittel 25. Ruhe 9 Ba 97 alle ER EN RE 24 Hierauf 3 Stunden Arbeitsleistung mit folgenden Beobachtungen: Zeit, vom Beginn Atem- Pisa Während der Pausen ; ulsza des Versuches an frequenz pro Minute | stehend RE liegend gerechnet pro Minute Minuten | Minuten Minuten nach 10 Minuten 26 | —_ 5 — _ 5.25 N 32 120 — 5 — „ 40 5 46 — — 3 2 nach 45 Minuten zum ersten Male Harn gelassen. 209 R 88 124 — 5 — „ 1 Std. 10 Min. 140 == _ 4 1 A 94 115 — 5 _ » 1 » 40 » 180 je Su 2 3 Berlins «DD. 14 192 « 120 — 5 —_ »22Stdn.L07 5 180 — — 5 - Bao 29% 0, 200 110 — 5 — „2 2 „ 180 — en #2 5 nach 2 Stdn. 45 Min. zum zweiten Male Harn gelassen. Se OT 84 | 125 | — 5 _ Die Mittelwerte für Atmung und Pulsfrequenz sind also: Für die ersten 3 Stunden (Ruhe) . für die folgenden 3 Stunden (Arbeit) . Atmung ° 25 120 Pulszahl 119% Über die vom tier. Organismus unter verschiedenen Bedingungen etc. 13 Während der Arbeitszeit war also die Atemfrequenz 4,8mal so gross wie bei der Ruhe (bei dem analogen Arbeitsversuch Nr. 5 5,5mal so gross). Die Pulszahl betrug im Mittel 119 pro 1 Minute, dieselbe ist also im Vergleich zu dem fünften Versuch erhöht (119 gegenüber 93), während die Zahl der Atemzüge verringert ist (120 gegenüber 132). | Die Alkoholausscheidung betrug während des 23 stündigen Arbeits- versuches Nr. 6: Tabelle XIV. a In der Atmung Im Harn 1.—3. Stunde (Ruhe) direkt gefunden . . 0,153 ccm ab für reduzierende Substanzen. . . . . 0,008 „ 0,145 ccm = 0,75 %/o ( 1 Stunde Ruhepausen, direkt ge- tundenats ee 0,242 ccm 4.6 ab für reduzierende Substanzen 0,003 „ 0,239 ccem = 1,23 % Stunde 2 Stunden Arbeit, direkt ge- fundenisenan ee o 0,474 ccm ab für reduzierende Substanzen 0,005 „ 0,469 ccm = 2,41 %o 7.—9, Stunde, direkt gefunden .... . 0,064 cem = ab für reduzierende Substanzen. . .. . 0,008 „ = 0,056 cem = 0,29 %o 10.—23. Stunde, direkt gefunden .... . 0,073 cem ab für reduzierende Substanzen. . .. . 0,047 „ 0,026 ccm = 0,13 %/o N ee EEE SEHE, 0,286 ccm = 1,47 %o 0,021 com Die Gesamtausscheidung an Alkohol betrug somit: Summa ccm = % Durch die Atmung | Durch die Nieren ccm — 0 ccm = °/o 1.-3. Stunde (Ruhe) 0,145 —= 0,75 4.—6. Stunde: en 1,139 = 5,56 1Std.Ruhepausen | 0,239 — 1,28 | ee > ER 2 Stunden Arbeit 0,469 = 2,41 1.9. Stunde ee 0,056 —— 0,29 \ se: 0.1 De 0,53 I stunde. |. 0086 201 | Hl ZH ‚103 = 0,5 Summa | 0,935 —4s1 | 0,307 = 1,58 1,242 — 6,39 In Prozenten der Gesamtausscheidung: 1.—6. Stunde in der Atmung 74,9, durch die Nieren 25,1 7.—23. , ya 5 79,6, N q =. 1.—23. „ Fe . ar e 2 ee N: 74 Wilhelm Völtz und August Baudrexel: Die Zahlen für die Gesamtausscheidung an Alkohol sind bei den beiden Arbeitsversuchen Nr. 5 und 6 fast identisch; dasselbe trifft für das Verhältnis des im Harn ausgeschiedenen Alkohols zu dem Alkohol der Atmung zu. Die betreffenden Daten sind nämlich für den Alkohol: ’ In «er Atmung Im Harn Harn -Alkohol zu Alkohol d. a | m ccm | Atmung —= ' ER Arbeitsversuch.. . .. . 5 0,941 —= 4,83 0,306 — 1,57 1:3,08 Arbeitsversuch. . . . . 6 0,9355 — 4,81 0,307 —= 1,58 1:3,04 - Nun zu der Besprechung der einzelnen Resultate beider Versuche. A. Alkoholausscheidung in der Atmung. Die für die ersten 3 Stunden Ruhe gefundenen Werte (0,135 ccm bzw. 0,145 cem oder pro 1 Stunde im Mittel 0,047 cem Alkohol) stimmen befriedigend überein mit den früher unter analogen Ver- suchsbedingungen ermittelten Alkoholmengen. Dieselben sind infolge- dessen zur Feststellung des Mittelwertes für den Alkoholgehalt der Atmung beim ruhenden Organismus herangezogen worden (s. S. 67). Dieser Mittelwert aus vierVersuchen war pro 1 Stunde 0,048 cem Alkohol. Die Alkoholausscheidung durch die Atmung betrug also für die einzelnen Abschnitte der Versuche 5 und 6: Tabelle XVa. Versuch 5: 0,135 com en 6,0145, ER Be 4.—6. Stunde. Für die Ruhe- { Versuch 5: 0,226 ccm pausen von insgesamt 60 Min. „ 6: 0,239 „ 4.—6. Stunde. Für die zwei- Dan 9: 0,499 ccm stündige Arbeitszeit. . ... . 0 4. 7.—9. Stunde im Respirations- { Versuch 5: 0,049 cem Apparat... vn cu 12:6:00,09605 5. 10.—231/4. Stunde im Respira- nen 5: 0,014 cem GOnSapparataı... ueıeı ce 4 6: 0,026 „ 1. Für die ersten 3 Stunden (Ruhe) | 9) \ 0,233 ccm — 1,20% — 0,484 cem — 2,490 eb I 0,053 ccm = 0,27% —= 0,020 ccm = 0,110 B. Alkoholsekretion durch die Nieren. Tabelle XVb. ee stande { Versuch 5: 0,295 ccm 5 6: 0,286 „ Da Versuch 5: 0,011 cem / Dal Stunde [ \ —M) — 9,09 4 unde s 6: 0.021 0,016 cem 0,09 % Mittel \ — 0291, com 1500% ” Über die vom tier. Organismus unter verschiedenen Bedingungen etc. 75 Es sind also während der ersten 6 Stunden 95° des über- haupt durch die Nieren zur Ausscheidung gelangten Alkohols mit dem Harn sezerniert worden. Um nun die bei der Muskelarbeit im Vergleich zum ruhenden Organismus ausgeatmeten Alkoholmengen direkt miteinander ver- eleichen zu können, bringen wir die folgende Übersicht, welche die betreffenden Mittelwerte aus den Arbeitsversuchen 5 und 6 für die einzelnen Abschnitte auf je 1 Stunde umgerechnet enthält. 1. Für die ersten 3 Stunden der Versuche (Ruhe) sind bei Be- rechnung des Mittelwertes für den ausgeatmeten Alkohol noch zwei weitere analoge Versuche berücksichtigt worden, wie oben bereits erwähnt. Der betreffende Mittelwert aus vier Versuchen ist pro 1 Stunde 0,048 ceem Alkohol. 2. Für die 60 Minuten Ruhepausen während der ccm Alkohol %o dreistündigen Arbeitsperiode . . » » x . 0,233 = 1,20. 3. Für die zweistündige Laufarbeit pro 1 Stunde 0,242 — 1,24. 4, Für die auf die Arbeit folgenden 3 Stunden im Respirationsapparat pro 1 Stunde. . „ 0,018 — 0,09. 5. Für die übrigen 14!/« Stunden betragende Versuchszeit im Respirationsapparat pro 1 Stunde 0,001 = 0,005. Vergleichen wir nun zunächst die Alkoholmengen, welche während der zwölf Ruhepausen von je 5 Minuten bei foreierter Atmung ausgeatmet wurden, mit dem Wert für den Alkoholgehalt der Exspirationsluft bei völliger Ruhe, so ergibt sich die 4,86fache Menge. Also auch bei diesen Versuchen erkennen wir in Übereinstimmung mit den analogen Resultaten der Arbeitsversuche 3 und 4 die grosse Abhängigkeit der ausgeatmeten Alkoholmenge von der Lungen- ventilation. Letztere war bei den vorliegenden Versuchen während der Laufarbeit wahrscheinlich kaum grösser, denn während der- selben betrug der ausgeatmete Alkohol den 5,04fachen Wert, der bei Ruhe ermittelt worden war. Auch bei diesen Versuchen besteht die Proportionalität bezüglich der Atemfrequenz und Alkoholexspiration, die wir bereits früher konstatiert haben (s. S. 67). Die betreffenden Zahlen sind nämlich: 76 Wilhelm Völtz und August Baudrexel: Für die Pausen unmittelbar Verhältnis nach der Muskelarbeit nn Für die Ruheversuche 0,048 cem Alkohol 25 Atemzüge en om Ne) 126 Atemzüge 0,233 cem Alkohol | Bei den Arbeitsversuchen 3 und 4, bei denen die Arbeitsperiode unmittelbar nach der Alkoholzufuhr begann, wurde während der Laufarbeit im Mittel beider Versuche die 8,4fache Alkoholmenge des Ruhewertes gefunden, also wie zu erwarten, eine erheblich srössere Quantität als bei den vorliegenden Versuchen 5 und 6, bei denen die Laufarbeit erst nach dreistündiger Ruhe, demnach 3 Stunden nach der Alkoholzufuhr geleistet wurde. Immerhin ist auch hier noch die exhalierte Alkohelmenge sehr gross, da dieselbe das 5,04fache des Ruhewertes beträgt. Der zurückgelegte Weg war bei den in Betracht kommenden Versuchen annähernd gleich, näm- lich bei den i Versuchen 3 und 4 . . 5,696 km pro 1 Stunde, x 307,080 5 2,02 83998. Le auf horizontaler Bahn. Besprechung der Versuchsergebnisse. Wir lassen nunmehr die Werte für den bei sämtlichen Ver- suchen in Atmung und Harn insgesamt ausgeschiedenen Alkohol folgen: Tabelle XVI. In der Atmung Im Harn Summa ccm — !o com = %o cem = Yo ı| 044 = 2,38 0,262 — 1,35 0,706 — 3,68 Ruheversuche . 2 2 0,398 — 2,06 0,171 = 0,89 0,569 = 2,95 3| 0332 = 1,2 0.152 — 0,79 0,484 — 23,51 ıt 0095412 0,472 — 2,43 1,467 — 7,55 Arbeitsversuche { 2.1. 097 501 0,130 — 0,67 1,104 2 568 3.| 1,274 656 0,162 — 0,83 1,436 — 7,39 Arbeitsversuche { 4| 1305 = 6,1 0,549 — 2,82 1,854 — 9,53 5 | o91 = 48 0,306 — 1,57 1,247 — 6,40 Arbeitsversuche { 6| 0935 — 481 0,307 — 1,58 1.242 — 6,39 Was zunächst die Werte für die Ruheversuche 1—3 betrifft, so sehen wir den Alkoholgehalt der Ausscheidungen allmählich ge- ringer werden, so dass es zunächst den Anschein hat, als ob diese Über die vom tier. Organismus unter verschiedenen Bedingungen etc. 77 Verringerung der Alkoholausscheidung dem Einfluss der Gewöhnung zuzuschreiben wäre. Das ist jedoch nicht der Fall, denn es handelt sich um ein Tier, welches durch Monate hindurch an regelmässige Alkoholzufuhr gewöhnt war, und wir haben in einer früheren Arbeit (l. e.), in der wir den Einfluss der Gewöhnung auf die Alkohol- ausscheidung studierten, nachgewiesen, dass nach Zufuhr gleicher Alkoholmengen, etwa nach 3 Wochen das Minimum an Alkohol zur Ausscheidung gelangt und durch weitere Gewöhnung nicht mehr unter- schritten werden kann. Die allmähliche Verringerung der Alkohol- ausscheidung bei den drei Ruheversuchen ist vielmehr, wie wir bereits bei der Besprechung der Einzelresultate gezeigt haben, dadurch be- dingt gewesen, dass der Hund zunächst unruhiger war als später. Speziell beim dritten Versuch, für den die niedrigsten Werte ge- funden wurden, schlief das Tier während der ersten 3 Stunden, die es auf der Tretbahn zubringen musste, ununterbrochen. Somit sind wir berechtigt, die bei diesem dritten Versuch gefundenen Daten allein als absolute Ruhewerte einzusetzen bzw. zum Vergleich mit den bei der Laufarbeit gefundenen Daten für die Alkoholausscheidung heranzuziehen. Die Werte für die folgenden je zwei Arbeitsversuche weisen dagegen, wenn wir zunächst von den Abweichungen im Alkoholgehalt der Harne, die gleich besprochen werden sollen, absehen, unter- einander befriedigende Übereinstimmung auf, so dass wir für diese Versuche die Mittelwerte einzusetzen berechtigt sind. Tabelle XVI. Alkoholgehalt. Ind. Atmung| Im Harn Summa Arbeitsleistung auf Como ircem: 00 (ccm 80, Slähorızontaler Bahn Ruhewert (3. Vers.) | 0,332 = 1,72 | 0,152 = 0,19 | 0,484 —= 2,51 | = Mittelwert 1 u. 21 0,984 = 5,06 | 0,301 = 1,55 | 1,285 — 6,61 | 8,429 km in 1'/s St. aus den 3 u. 4 | 1,290 = 6,64 | 0,356 = 1,83 | 1,645 — 8,46 | 11,39 kmin 2 Stdn. Arbeitsversuchen \ 5 u. 6 | 0,938 — 4, 82 [0,307 = 1,85 | 1,245 — 6,40 | 11,19 kmin 2 Fassen wir nun zunächst die Werte für die Gesamtausscheidung an Alkohol bei Ruhe und für die verschieden grossen Arbeitsleistungen des Tieres ins Auge, so ergibt sich im Hinblick auf die relativ doch geringe Arbeitsleistung bei sämtlichen sechs Versuchen eine enorme Steigerung der Alkoholabgabe durch den Organismus. Nach Zufuhr von ca. 1,9 ccm Alkohol pro Körperkilogramm betrug die bei dem 78 Wilbelm Völtz und August Baudrexel: Ruheversuch 3 insgesamt ausgeschiedene Alkoholmenge 2,51 °/o der Zufuhr. Bei den Arbeitsversuchen 1 und 2 brachte die durch die 1!/estündige Laufarbeit bewirkte Steigerung der Atemfrequenz: bei Zurücklegung von 8,429 km den Alkoholgehalt der Ausscheidungen auf 6,61°/o, also den 2,66fachen Wert, bei den Arbeitsversuchen 3 und 4 auf 8,46°/o, also den 3,37fachen Wert, und bei den Arbeits- versuchen 5 und 6 auf 6,40 °/o, also den 2,55fachen Wert. Die enorme Steigerung der Alkoholausscheidung ist bedingt: 1. dadurch, dass die Arbeitsperioden, mit Ausnahme der beiden letzten Arbeitsversuche 5 und 6, in die Zeit der stärksten Alkohel- ausscheidung gelegt wurden, und 2. weil während der Pausen von je 5 Minuten, welche die einzelnen Abschnitte der Arbeitszeiten von je 5. (Versuche 1 und 2) bzw. 10 Minuten (Versuche 3—6) trennten, infolge des Fortbestehens der foreierten Atmung, wie wir gezeigt haben, annähernd ebensoviel Alkohol ausgeatmet wurde als während der eigentlichen Arbeitszeit, so dass also für die vermehrte Alkohol- ausscheidung nicht die Zeit der wirklich geleisteten Arbeit, sondern die Arbeitszeit einschliesslich der dazwischenliegenden Pausen an- zunehmen ist. Es kommen also im Hinblick auf die ausgeschie- denen Alkoholmengen für die sämtlichen Arbeitsversuche 1—6 im Vergleich zu dem Ruheversuch 3 nicht 1!/ resp. 2 Stunden (die wirklich eingehaltene Arbeitszeit), sondern ausnahmslos je 3 Stunden in Betracht; hierbei ist jedoch zu berücksichtigen, dass bei den beiden ersten Arbeitsversuchen die Arbeitszeit 1!/s Stunden, die Pausen 1!/a Stunden, bei den Arbeitsversuchen 3—6 die Arbeits- zeit 2 Stunden, die Pausen 1 Stunde währten. Schliesslich haben wir gegenüberzustellen die Werte für den Alkoholgehalt der Atmung bei Ruhe und Arbeit, und zwar für die 3 Stunden unmittelbar nach der Alkoholzufuhr (Ruheversuche 2, 3, 5 und 6 und Arbeitsversuche 1—4), bzw. für die vierte bis sechste Stunde nach der Alkoholzufuhr (fünfter und sechster Arbeitsversuch). Für die Arbeitsversuche 1 und 2, bzw. 3 und 4, bzw. 5 und 6 sind die Mittelwerte eingesetzt. Die betreffenden Daten sind in der Tab. XVII (S. 79) angegeben. Die Tabelle lässt sehr deutlich den Einfluss der Muskelarbeit auf die Alkoholausscheidung in der Atmung erkennen. Bei den Arbeitsversuchen 5 und: 6, die ja erst 3 Stunden nach der Alkohol- zufuhr begannen, wurde trotzdem die 5,18fache Alkoholmenge im Vergleich zur Ruhe ausgeatmet. Da übrigens die Werte für den Über die vom tier. Organismus unter verschiedenen Bedingungen etc. 79 Tabelle XVII. Alkoholausscheidung durch die Atmung während der ersten 3 Stunden nach der Alkoholzufuhr (bei den Arbeitsversuchen 5 und 6 von der 4.—6. Stunde nach der Alkoholzufuhr). Die Tabelle ist geordnet nach der Grösse der Alkoholausscheidung. Es wurde | m M; 7 Bemerkungen auspeatmet Im Mittel | Ruhe- Stunde ir Versuch | über das Verhalten des Tieres Alkohol N | en resp. über die Arbeitsleistungen | ccm Kan ii Ken ae ei a uluaT ulunr Ruhe- das Tier schlief 0,136 | 0,71 | 0,045 , 0,24 1,0 versuch 3 - Ruhe- das Tier wachte in liegender | 0,142 | 0,74 | 0,047 | 0,25 1,04 versuch 2 Stellung Ruhe- das Tier wachte in liegender Stel- 0,145 , 0,75 10,048 | 0,25 1,07 versuch 6 | lung, bisweilen etwas unruhig Ruhe- ebenso 0,153 ı 0,79 | 0,051 | 0,26 112 versuch 5 Arbeits- die Arbeitsleistung betrug 0,716 | 3,68: | 0,239 | 1,23 5,18 versuche | 11,19 km in 2 Stunden; 1 Stunde 5 und 6 | Pausen; Arbeitszeit: 4.-6. Stunde Arbeits- die Arbeitsleistung betrug 0,829 | 4,27 | 0,276 | 1,42 6,02 versuche | 8429 km in 1’!/a Stunden; | lund 2 | Pausen 1Y/a Stunden; Arbeits- | | zeit: 1.—3. Stunde Arbeits- die Arbeitsleistung betrug 1,110 | 5,66 | 0,370 | 1,89 7,98 versuche | 11,39 km in 2 Stunden; Pausen | | 3und 4 | 1Stunde; Arbeitszeit 1.2. Std. | Alkoholgehalt der Atmung während der Arbeit und der Ruhepausen hier annähernd übereinstimmen, nehmen wir von einer gesonderten Besprechung Abstand. Allerdings ist der Ruhewert, weil er für die ersten 3’Stunden nach der Alkoholzufuhr gilt, nicht ganz streng vergleichbar mit den 2 Arbeitsperioden 5 und 6 während der vierten bis sechsten Stunde. Da der Ruhewert für den exhalierten Alkohol für die vierte bis sechste Stunde jedoch nur ganz unerheblich niedriger ist als für die erste bis dritte Stunde, wie wir früher nachgewiesen haben ?), so fällt der mögliche Fehler kaum ins Gewicht. Die übrigen Arbeitsversuche sind natürlich direkt mit den Ruheversuchen ver- gleichbar. Der Mittelwert aus den Arbeitsversuchen 1 und 2, bei denen eine Trennung des während der Pausen ausgeatmeten Alkohols von dem während der Laufarbeit exhalierten Alkohol nicht vorgenommen wurde, ergab das 6,02fache des Ruhewertes. 1) W. Völtz und A. Baudrexel, Pflüger’s Arch. Bd. 138 S. 120. 191. 20 Wilhelm Völtz und August Baudrexel: Bei den Arbeitsversuchen 3 und 4 wurde die 7,98fache Alkohol- menge im Vergleich zur Ruhe exhaliert. Die Atemfrequenz und somit die Alkoholausscheidung war bei den vorliegenden Versuchen am grössten, weil das Tier am meisten arbeiten musste; es legte nämlich 11,39 km innerhalb 2 Stunden zurück gegenüber 8,429 km bei den Arbeitsversuchen 1 und 2. Übrigens ist bei den vorliegen- den Arbeitsversuchen 3 und 4 die Alkoholausscheidung während der Laufarbeit erheblich grösser als in den Pausen. Pro Stunde wurden nämlich im Mittel exhaliert: während der Arbeit: 0,404 ecm Alkohol, also das 8,9 fache; - während der Ruhepausen: 0,302 eem Alkohol, also das 6,7fache des absoluten Ruhewertes. Wir sehen also, dass der Organismus in der Muskelarbeit oder richtiger in der durch die Muskelarbeit bewirkten Steigerung der Atemfrequenz ein Mittel besitzt, um relativ grosse Quantitäten Alkohol auszuatmen. Die Alkoholausscheidung im Harn im Vergleich zum ausgeatmeten Alkohol. Die folgende. Tabelle XIX (S. 81) enthält die Daten für den Alkoholgehalt der Atmung und des Harns: | 1. in Prozenten der gesamten ausgeschiedenen Alkoholmengen bei den einzelnen Versuchen, bzw. ausserdem in einigen Fällen für einzelne Zeitabschnitte der Versuche und 2. die durch die Atmung ausgeschiedenen Alkoholmengen be- zogen auf den Harnalkohol. Wenn wir die gewonnenen Resultate überblicken, so ist bei einigen Versuchen ein annähernd übereinstimmendes Verhältnis zwischen den im Harn ausgeschiedenen Alkoholmengen im Vergleiche zu dem exhalierten Alkohol festzustellen, bei anderen dagegen nicht. Was zunächst die Gesamtmengen an Harnalkohol bei den Ruhe- und Arbeitsversuchen anlangt, so ist dieselbe im Mittel bei den Arbeits- versuchen im Vergleich zu den Ruheversuchen um 60—70 °/o erhöht (Alkoholgehalt des Harnes im Mittel: bei den Ruheversuchen 1,01 °/o, bei den Arbeitsversuchen 1,65 °/o der Zufuhr). Im speziellen wurden bei den Ruheversuchen 1—3 im Mittel auf 1 Teil Alkohol im Harn 2,05 Teile Alkohol in der Atmung nachgewiesen. Bei den Arbeitsversuchen 1, 4, 5 und 6 schwanken die betreffenden Werte zwischen 1 (Harnalkohol) zu 2,1 bis zu 3,1 Uber die vom tier. Organismus unter verschiedenen Bedingungen etc. 8] Tabelle XIX. Von dem insgesamt ausgeschiedenen Alkohol wurden entfernt Harn-Alkohol dos Stunde zu Alkohol durch die | durch den Atmung | Harn ung 075 075 > et 62,8 37,2 1. 221je, 1:1,6 Eule: 2| 699 30.1 1.22. 1:32,32 3 68,6 31,4 1.221]. 1:2,18 Bi 66,7 23,8 a, SE 732 26,8 4.— 231. 67,8 el 32% 1.— 2312. 1:23,11 Arbeitsversuch 2 88,2 11,8 _ 1:2748 Se 88,5 11,5 2 En, 59,8 102 4.2315. 88,7 11,3 1.—231/2. 1:765% Arbeits- 68,4 | 31,6 1.8. versuch 4 90,3 | 9,7 4.—22. 70,4 | 29,6 1.—23, 1: 2,38 Arbeits- 70 | 25,3 a, versuch 5 8,1 | 14,9 1.—23 /2. 75,9 24,5 1.— 2312. 1: 3,08 Arbeits- 02 al a versuch 6 19,6 ! 20,4 28 75,3 I 1.28. 1: 3,05 (Alkohol der Atmung). Dieses Verhältnis wird also bei der Arbeits- leistung erweitert (trotzdem die mit dem Harn sezernierten Alkohol- mengen im allgemeinen bei Arbeit auch grösser sind als bei Ruhe), weil insbesondere die Muskelarbeit hohe Anforderungen an die Re- spirationsorgane stellt, und unter diesen Bedingungen wurden mit dem ausgeatmeten Wasserdampf auch grosse Alkoholmengen exhaliert. Bei Wasserarmut des Organismus kann infolge der ge- ringen Harnsekretion auch bei der Arbeit eventuell weniger Alkohol durch die Nieren ausgeschieden werden als bei Ruhe (Arbeits- | versuche 2 und 3), während die -Wasserdampf- und Alkoholabgabe durch die Atmung auch bei Wassermangel, da dieselbe zwecks Unter- haltung der physikalischen Wärmeregulation erfolgen muss, im Ver- gleich zu den bei grösserem Wasserreichtum des Organismus aus- geatmeten Wasser- und Alkoholmengen kaum verändert sein dürfte. Aus diesen Gründen muss bei Muskelarbeit, wenn die sezernierten Harnmengen und somit auch die mit dem Harn ausgeschiedenen Alkoholmengen klein sind, das Verhältnis zwischen dem durch die Pflüger’s Archiv für Physiologie. Pd. 142. 6 ccm Alkohol 32 Wilhelm Völtz und August Baudrexel: Nieren sezernierten und dem ausgeatmeten Alkohol in eklatanter Weise erweitert werden. Das ist nun auch in der Tat bei den Arbeitsversuchen 2 und 3 der Falle Wir finden hier nämlich auf 1 Teil Alkohol im Harn 7,5 (Versuch 2) bzw. 7,6 (Versuch 3) ee ee el le SE oo. Ber 358 Kerkrenreenemnn ES = aalees a EHER EnE nu 3.3 BEER s 2 Ss DO. — > >) SS ne Ri Bee Sue Ss Snmr BER 2 {eb} = el > © 558 S a43 Kg Sen N SS ge NS 08 sas sa DIN EIS ce El ee se Ss Baless So en & a3 So ei a Be 1 Ri Be SS Ss N an BERZEBN > SEI ei Lee nee SER 5 EN Eos Erz | „ss 358 = SE REIFE ee RES #3 > S ja lee S een >) 8 & 5 Ss“ ehe ERE Bel ® 353 S DıG un Bann oe | S SiS as lle EN SEE Ss N Ole: OS: 42.0 aaa | 532 Ba] BIS = Faire See Sn 2 su Se N os SON STHSTESIISIRS S a SAINTS I Sr Eu SERIE > ENE Teile Alkohol in der Atmung. Die Harnsekretion war bei diesen Versuchen viel geringer als bei allen übrigen, insbesondere gilt dies für den zweiten Versuch. Während desselben sezernierte das Tier überhaupt keinen Harn, und wir konnten letzteren nach Ab- schluss des Versuches nur dadurch gewinnen, dass wir das Tier geatmeten Alkohol bei Muskelarbeit inkl. Pausen. — — — — Kurve —rLosnd Ass Beh aus aoz una Gmanan —*— .— + — Kurve für den aus Jelr, E WR: EIER ı aa a u mwva für Aan ancmaatmatan a En nn es er > man Een Te h Über die vom tier. Organismus unter verschiedenen Bedingungen etc. 83 katheterisierten; die Blase enthielt nur sehr geringe Harn- und Alkoholmengen im Vergleich zu den analogen Arbeitsversuchen 1 bzw. 4; der Alkoholgehalt der Atmung stimmte dagegen bei den in Betracht kommenden Versuchen (1 und 2 bzw. 3 und 4) gut überein. Wir können aus diesen Versuchen sehr deutlich die grosse Ab- hängiskeit der Alkoholsekretion von der Harnsekretion erkennen. Der Wassergehalt des Organismus ist also von sehr grossem Einfluss auf die Alkoholausscheidung durch den Harn. Ist der Wassergehalt des Organismus ein geringer, sezerniert ein Tier also nur wenig Harn, so wird auch nur eine geringe Alkoholmenge durch denselben mit ausgeschieden und umgekehrt, wie wir früher (l. ec.) beim Studium des Einflusses des Flüssigkeitsvolumens auf die Alkohol- ausscheidung des Organismus bereits haben nachweisen können. Wir sind auf Grund unserer Versuche zu dem Schlusse gelangt, dass man von einem bestimmten Verhältnis zwischen Alkoholgehalt des Harns und Alkoholgehalt der Atmung nur unter ganz bestimmten Voraussetzungen sprechen kann. Wir werden also konstante Verhältniszahlen er- warten dürfen, wenn es sich um Versuche an demselben Tier und bei möglichst gleichmässiger Flüssigkeitszufuhr bzw. unter im übrigen gleichen Versuchsbedingungen handelt (gleiche Temperatur, gleiche Muskeltätigkeit bzw. Ruhe, gleicher Wassergehalt der Nahrung, gleicher Wassergehalt des Organismus usw.). Ob Alkohol durch die Blase eventuell resorbiert werden kann, wofür mehrere Beobach- tungen sprechen, soll durch besondere Versuche festgestellt werden. Für wässerige Lösungen von Zucker, Salzen, Harnstoft, Alkaloiden usw. soll die Blase allerdings völlig undurchlässig sein); hieraus ist unseres Erachtens jedoch nicht ohne weiteres zu folgern, dass das auch für den Alkohol zutreffen müsse ?). 1) Cohnheim, Harn und Harnabsonderung in Zuntz’ und Loewy’s Lehrb. der Physiol. des Menschen S. 588. 1909. 2) Inzwischen sind die diesbezüglichen Versuche durchgeführt worden. Eine vorläufige Mitteilung siehe unter W. Völtz, Verhandlungen der Berliner Physio- logischen Gesellschaft vom 7. Juli 1911. An dieser Stelle sei nur erwähnt, dass die Harnblase in hohem Maasse durchlässig für Alkohol ist. In einer grösseren Anzahl Versuche an verschiedenen Hündinnen ergab sich, dass während der ersten Stunde ca.-25—35 % des in die Blase gebrachten Alkohols resorbiert worden waren, während 2 Stunden bis zu 80%, und zwar ziemlich unabhängig 6* gung A9Z uasuıqn a9p pusıyem 0,024 0,162 im Harn SPUM SEIT — 0,068 0,472 Alkoholausscheidung in Kubikzentimetern Tabelle XX. Wilhelm Völtz und August Baudrexel: yansıaA ap Opımyg 'g—T (uapungs) uoasnedagqny A9p done (199WoJLM) ONI91SI9 A 9493 JOnANZ (uepungg) Zungstafspraqay A9p danet So] 19d1oy o1d aojow -3U9ZYNIgUY ‘LynynzJoyoNIY "SOT 19810/8216 UT A9J9W -4aOZAIqny “aynznzjoygoN]y YOnSA9AspagIY — "AV yonsasaayguy = AU ayansıaA 'p Junuyd1rzag (wweıdo]Ly) sodor]. SEP FyPIM9H umnyeq smynsta‘ Aap JawwmmN 19,44 | 1,87 19,30 | 1,84 19,27 | 1,85 10,40| B.V. 45| R.V. 839] R.V. 10, 10, 3. März ” 1911 6. ” op) 0,138 0,533 0,404 8,312] 1Y2 8,545[ 17/2 11,100 1 1!/a 11/g 19,44 | 1,87 19,44 | 1,80 ZACNV. 80| A.V. 2 AHV: 85| A.V. 08] A.V. 12 ACUV: 10,4 10, 10, 10, 1a 14, ” ” 1. 13. Ikrh, 20. 22. 19,44 | 1,78 | 2 19,44| 1,79 | 2 ” or) 0,67 0,12 | 0,88 0,08 | 2,82 1,57 1,58 0,286 | 0,021 | 0,307 0,016 0,549 0,295 | 0,011 | 0,306 0,35 | 2,48 0,06 1,47 | 0,11 im Harn 1,51 Alkoholausscheidung in Prozenten der Zufuhr 2,08 0,71) 2,74 | li 1 1 1 1 uasnedayny A9p done 11,67 8,312] 1%e 8,545| 1!/e 11,100| ı 11,67 10,58 10,53 11,85 9YI91SI9 M 9999 JOHN Z 2 1!/a 19,44 | 1,75 | 2 ° > Sungstafspaqay Jop Aone(] ısopIodıoy o1d 199 -NUIZAIANM :IqNNZ[OJONLY ‘SO A9210/,81,'6 UI 1999 -JUOZNIANY :IqgOJnZJogoNLY ‚0. | 1Ve 1,84 1,85 ‚7 ‚2s| 2 ‚9| 2 ‚6 | 2 ‚25 Tabelle XXI. 19,44 | 1,76 19,30 19,27 19,44 | 1 19,44 | 1 19,44 | 1 19,44 | 1 19,44 | 1 19,44 | 1 yansaaasıaqay = 'A'YV yonsaaaayıny = "AU ayansıaA 'p Sunugd1lazog ev: NG 4 | 20. April| 10,55 | A.V. R.V. A.V. 10,48 1039| R. v. 10,4 10,8 10,92 11,08] A. V. 11,12| A. v. SOIOL]L, SEP FUPIMIH ” ” ” » ” ” 24. 22. 24. aqonsıay Jap aamwmN Über die vom tier. Organismus unter verschiedenen Bedingungen etc. 85 Tabelle XX. Alkoholausscheidung in Kubikzentimetern ee = in der Atmung ae — | PS 3 e 2 3 le: 2 se 8) @ le ® | # EB Efe al BEE Tas, 353 53 |3<85 ae Bee een enescs2r20855| jeası s es E SE Sana Sol" us = 22, 2 Keen ee Bere. 1°: 7 |8.EL 2 | = - 20 ee ee es 2 | Er | ae Ne = A en -— 0 _— 0,444 | 0,706 | 222 Fo | — Zal ılso _ — 0,256 0,398 | 0,569 | 22 8 | ee - — | 0,196 |.0,3832 | 0,484 | 22%e ie — | — 0042| — | — | 0091 | 0,995| 1,467 | 23178 — 08 | 005 — | 0,061 | 0,974 | 1,104 ) 23 0312| — 085 .— [0 — — | 0,064 | 1,274 | 1,436 | 23%. 022 —- 0864 — 00% — ) — |! 0,077 | 1,305 | 1,854 | 23 — NS | 0,226 — | 0,499 | 0,049 | 0,014 | 0,941 | 1,247 | 23" Bis | 0089 | — | 0,469 | 0,056 | 0,026 | 0,935 | 1,242 | 23 | | | | | | Tabelle XXI. Alkoholausscheidung in Prozenten der Zufuhr 23 = in der Atmung = = on = ER | In Far = Ss 3 © SR-> © © 5 8 eb) © An 35 | = en no =, —- =_=| 2.32. PsElle> ss S See esse Sn esse® = 25 8 2585 = = | = sg zz 5-2 > A E n.2 = S ne» © 2. DIE er ze 07) = = s-a| = Se SalumoalLeı me ß 5.200o Ss IS z ES. 2 nn ee 2 Ten en Se= an EB= o #. es re | em I \ Non 39 = —_ = | - + © | + > na s = = ri . | = cr 8 «= > A ee EB | RE DA = = 2,28 | 3,63 | 22/2 0A — | — — ei 0221793021008 527954 122 ale ee 2 on 1,722 0055101921] Ba os |. | —.|.042.510 1.755 | 29% — 4286| — | = [0984| — |.— | 081 | 501 | 5,68 | 23 Bl | as 06 |. .\.. | 0330656 | 7,89, || 23Ya ae AA 037 — |.— | 040 | 671 | 953 | 3 — 0 1,16 | — | 256 | 0,25 | 0,07. | 4,88 | 6,40 | 231e On oa 241 | 0,29 | 0,18 | 481 | 6,39 | 23 Wilhelm Völtz und August Baudrexel: (0,0) (or) Die vorstehenden Tabellen XX und XXI (S. 34 u. 85) enthalten die gesamten Daten über Versuchsdauer, zurückgelegte Wegstrecken, Alkoholzufuhr, Alkoholausscheidung in Kubikzentimeter (Tabelle XX) und in Prozenten (Tabelle XXI). Die Kurventafel (s. S. 82) bringt die gewonnenen Resultate bezüglich der durch die Atmung unter den gewählten verschiedenen Versuchsbedingungen ausgeschiedenen Alkoholmengen graphisch zur Darstellung. Zusammenfassung der wichtigsten Resultate. 1. Infolge gesteigerter Atemfrequenz, bedinest dureh eine Laufarbeit von 8,429 km in 1V/s Stunden auf horizontaler Bahn, wurde unter den gewählten Ver- suchsbedingungen die 2,66fache Alkoholmenge der bei Ruhe insgesamt durch Atmung und Harn ausge- schiedenen Quantität gefunden. Der dureh die Atmung allein während der Arbeits- zeit von 1Ys Stunden und 1Ys Stunden Ruhepausen aus- geschiedene Alkohol betrug im Vergleich zu dem Ruhewert für die gleiche Zeit die 6,02fache Menge. 2. Eine weitere Erhöhung der Atemfrequenz, die durch grössere Arbeitsleistung erzielt wurde (inner- halb 3 Stunden, 2 Stunden Laufarbeit von 11,39 km und 1 Stunde Pausen von zwölfmal je 5 Minuten Dauer), bewirkte eine 3,57mal so grosse Alkohol- ausscheidung durch Atmung und Harn, als von dem ruhenden Organismus unter im übrigen gleichen Bedingungen insgesamt ausgeschieden wurde. von der eingbrachten Quantität der alkoholischen Lösung und ihrer Konzen- tration. — In einer Serie von sechs Versuchen an einer Spitzhündin wurde durch die Blase an Alkohol rund resorbiert: während 1 Stunde 2 2.272: 25 0/o 5 2,Stundeneeer er 50 %/0 3 232 NER TORTEN RENTE 60 %0 5 4 BE 84 9,0 n 5 RR BLUES 2 nlanen 88 %/o h 6 ne 94 °/o der eingebrachten Menge. Weitere Versuche ergaben, dass der Alkohol höchstwahrscheinlich als ab- soluter Alkohol, jedenfalls aber in hoher Konzentration durch die Blasenwand in das Blut gelangt. Uber die vom tier. Organismus unter verschiedenen Bedingungen ete. 37 Aus dem Vergleich des für die zweistündige Arbeitszeit gesondert in der Atmung bestimmten Al- kohols mit dem bei Ruhe ermittelten ergibt sich die 9,Sfache Alkoholmenge infolge der durch Muskel- arbeit vermehrten Atmuns. 3 Der gresse Einfluss der Muskelarbeit oder, riehtiger, der dureh die Muskelarbeit gesteigerten Atemfrequenz, auf die Alkoholausscheidung in der Atmung kommt auch dann zur Geltung, wenn die Arbeitsleistung nicht unmittelbar nach der Alkohol- zufuhr beginnt (Arbeitsversuche 1, 2,3 und 4), sondern ‘erst 3-6 Stunden später (Arbeitsversuche 5 und 6) erfolgt. Bei diesen Versuchen (Arbeitsleistung 11,19 km in 2 Stunden, 1 Stunde Pausen) atmete der Hund während der Arbeitszeit allein 5,38mal (inkl. Pausen 5,18mal) so viel Alkohol aus, als während der gleichen Zeit bei Ruhe. 4. Die Zahl der Atemzüge bei Ruhe und Arbeit war annähernd proportional den bei Ruhe und Arbeit ausgeschiedenen Alkoholmengen. 5. Der Alkoholgehalt des Harns war in den Arbeitsversuchen im Vergleich zu den Ruheversuchen im Mittel um 60-—70°%o erhöht, also keineswegs in dem Masse, wie der Alkoholgehalt der Atmung. Der grössere Wasserverbrauch des Organismus bei der Arbeit zwecks Unterhaltung der physikalischen Wärmeregulation hat eine relativ stärkere Alkohol- ausscheidung durch die Atmung zur Folge. 6. Der tierische Organismus scheidet also bei ge- steigerter Atemfrequenz, wie solche insbesondere durch stärkere Muskeltätickeit hervorgerufen wird, sehr erhebliche Alkoholmengen aus, die bei Ruhe im Körper oxydiert werden würden. Wenn der Wasser- gehalt des Organismus und somit die Harnsekretion relativ nicht sehr gering sind, so gelangen während der Arbeitsleistung auch beträchtlich grössere Al- koholmengen durch die Nieren zur Ausscheidung, als das unter im übrigen gleichen Bedingungen bei Ruhe möglich wäre (siehe die Arbeitsversuche 1 und 4). 88 W. Völtz und A. Baudrexel: Uber die vom tier. Organismus etc. 7. Trotz der grossen Steigerung der Alkohol- ausscheidung bei der Muskelarbeit im Vergleich zur Ruhe wurde auch vom arbeitenden Organismus die bei weitem grösste Menge des genossenen Alkohols verwertet. Unter den von uns gewählten Versuchs- bedingungen gelangten bei Ruhe insgesamt 3,03°o des aufgenommenen Alkohols zur Ausscheidung (Mittel aus drei Versuchen), bei Muskelarbeit in maximo 9,5°o (Arbeitsversuch Nr. 4, also 3,18mal so viel. Also auch von dem unmittelbar nach der Alkoholzufuhr 2 Stunden Laufarbeit leistenden Hunde wurden 90,50 des Alkohols oxydiert. Nur unter aussergewöhnlichen Bedingungen (nach gsrösserer Alkohol- und Wasserzufuhr, sowie einer durch vermehrte und verlängerte Arbeitsleistung noch gesteigerten Atemfrequenz) dürften die ins- gesamt zur Ausscheidung gelangenden Alkoholmengen 15° der Zufuhr erheblich übersteigen. (Aus dem physiologischen Institute der tierärztlichen Hochschule zu Dresden.) Zur Frage der Herkunft des Nasenspiegelsekretes des Hundes. Von Dr. Alfred Trautmann, erstem Assistenten des Institutes. (Mit 3 Textfiguren.) Vor einigen Jahren wurden auf Veranlassung von Ellenberger im physiologischen Institute der tierärztlichen Hochschule zu. Dresden von Kormann!) Untersuchungen über die Modifikationen der Haut und über die subkutanen Drüsen in der Umgebung der Mund- und Nasenöffnungen (Formationes parorales und paranaricae) angestellt. Während Kormann bei allen Haussäugetieren, die eine eigenartig modifizierte Hautpartie in der Umgebung des Einganges zur Nasen- und Mundhöhle besitzen, und zwar beim Rinde im Flotzmaul die Glandulae planonasales (Flotzmaul- oder Muffeldrüsen), beim Schweine die Glandulae planorostrales (Rüsseldrüsen) und bei Schaf und Ziege im Nasenspiegel die Glandulae planonasales (Nasenspiegeldrüsen) in zahlreicher Menge auch schon makroskopisch, in grösseren Kom- plexen in ‘der Subkutis zusammenliegend, nachweisen konnte, ver- misste er Drüsen im Nasenspiegel der Fleischfresser. Bei der Katze vermochte er nur in einem einzigen Präparat eines Individuums einige wenige, den Rüsseldrüsen des Schweines ähnliche Drüsen nachzuweisen, während sich bei anderen Individuen wie bei allen untersuchten Hunden keine Drüsen auffinden liessen. Das Unter- suchungsresultat war in Anbetracht der bisherigen Angaben der 1)B. Kormann, Über die Modifikationen der Haut und der subkutanen Drüsen in der Umgebung der Mund- und Nasenöffnungen, die Formationes parorales und paranaricae der Haussäugetiere. Anatom. Anz. Bd. 28 S. 113. 1906. — W. Ellenberger, Der Verdauungsapparat. In Ellenberger’s Handb. d. vergl. mikrosk. Anatomie Bd. 3 S.44. P. Parey, Berlin 1911. 90 Alfred Trautmann: Autoren und in anbetracht des Verhaltens des Nasenspiegels (die stets feuchte Beschaffenheit seiner Oberfläche) höchst überraschend. Alle Autoren, welche über den Bau und das sonstige Verhalten des Nasenspiegels der Haustiere berichten, sprechen von Drüsen in dem- selben, ohne auf ein abweichendes Verhalten der Fleischfresser hin- zuweisen; es wird im Gegenteil von fast allen betont, dass Drüsen in demselben vorhanden sind. Eigenartig berührt allerdings die Bonnet’sche!) Figur 235 in dem Ellenberger’schen Handbuch der Histologie, die einen Schnitt durcb den Nasenspiegel der Katze darstellt. Man sieht in derselben nichts von einer Drüse oder einem Ausführungswege oder einer Foveola, in der Drüsen münden könnten. Es ist bekannt, dass der Nasenspiegel des Hundes ebenso wie der von Schaf und Ziege und wie das Flotzmaul des Rindes und der Rüssel des Schweines unter normalen Verhältnissen an der Ober- fläche mit Feuchtigkeit bedeckt ist und sich deshalb kühl und feucht anfühlt, und dass das Fehlen der Feuchtigkeit auf abnorme Ver- hältnisse hinweist. In anbetracht dieser Tatsache kam der Instituts- direktor Geh. Rat Prof. Dr. Ellenberger auf die Vermutung, dass Kormann, dessen Präparate auch von ihm durchmustert worden waren, vielleicht den Nasenspiegel nicht in ganzer Ausdehnung unter- sucht habe. Er liess deshalb durch A. Hoppfe den Nasenspiegel von einigen Katzen und kleineren Hunden in ganzer Ausdehnung in Schnitte zerlegen. In keinem dieser Schnitte fanden sich Drüsen. Da Ellenberger daran dachte, dass sich am Übergange der Nasen- spiegelhaut in das übrige Integument, etwa in Form eines Kranzes, eine Anhäufung grösserer Schweissdrüsen befinden könnte, die die Lieferanten der Feuchtigkeit des Nasenspiegels sein könnten, so prüfte er hierauf diese Portion genau, fand jedoch nichts dergleichen: Nunmehr kam er auf die Vermutung, dass die Feuchtigkeit des Nasenspiegels zum Teil durch Lecken des Nasenspiegels mit der Zunge, vor allem aber von der lateralen Nasen- drüse geliefert werden könne, die bei den Fleischfressern grösser als bei anderen Haustieren ist, und die dem Rinde, das ein mächtiges Lager von Flotzmauldrüsen besitzt, ganz fehlt. Der Ausführungsgang dieser Drüse mündet bei Hund und Katze dicht am Nasenloche; von 1) Bonnet, Haut und Anhänge. In Ellenberger’s Handb. d. vergl. Histologie u. Physiologie d. Haussäugetiere Bd. 1 S. 390. Histologie. P. Parey, Berlin 1887. Zur Frage der Herkunft des Nasenspiegelsekretes des Hundes. 9] hier aus könnte nach Ellenberger’s Ansicht die Feuchtiekeit durch Furchen auf den Nasenspiegel gelangen und dort verteilt werden. Zur Prüfung dieser Vermutung auf ihre Richtigkeit sollten Unterbindungen des Ausführungsganges dieser Drüse vorgenommen und deren Folgen beobachtet werden; auch wurde daran gedacht, durch Blutgefässinjektionen und genauere Untersuchungen des Epithels des Nasenspiegels die Frage zu prüfen, ob etwa auf dem Wege der Transsudation aus den Blutgefässen die Flüssigkeiten auf den Nasen- spiegel gelangen könnten. Verschiedene Umstände verhinderten je- doch die Ausführung dieser Pläne; die Frage blieb demnach zunächst offen; ihre Lösung wurde verschoben bis in die neueste Zeit, in der ich auf Veranlassung meines Chefs die Lösung der Aufgabe in An- griff nahm. Meine Untersuchungen beschränkte ich allerdings nur auf den Hund; bei der Katze habe ich keine Versuche angestellt. Zunächst nahm ich nochmals eingehende Untersuchungen des Integuments des Nasenspiegels des Hundes und des Überganges desselben in die umgebende Haut und dieser selbst vor. Dabei konnte ich jedoch nur die Ergebnisse von Kormann bestätigen. Auch in meinen Präparaten war stets der Nasenspiegel des Hundes vollständig frei von drüsigen Gebilden (Fig. 1). Es waren ferner auch in keinem Falle beim Hunde die dem Planum nasolabiale, nasale und rostrale der Wiederkäuer und des Schweines eigenen Poren (Foveolae) zu finden, die auf der Höhe der einzelnen Areale, in die die Oberfläche dieser Region an den einzelnen Stellen verschieden deutlich ein- geteilt ist, liegen, und an denen die Drüsenlager mit ihren Aus- führungsgängen münden. Da ich jedoch lückenlose Serien des Nasen- spiegels nicht wieder untersucht habe, so ist es nicht ausgeschlossen, dass ganz vereinzelte Drüsen vorkommen können, wie dies für die Katze bewiesen ist, und dass in dieser Beziehung auch Rassen- verschiedenheiten vorliegen können. Es geht aber soviel aus den Ergebnissen unserer Untersuchungen hervor, dass von diesen etwa vorkommenden, zweifellos ganz seltenen Einzeldrüschen ganz unmöglich die stets vorhandene Nasenspiegelfeuchtigkeit herrühren kann. Wir mussten also nach anderen Quellen dieser Flüssigkeit suchen. Zu diesem Zwecke waren die von meinem Chef ins Auge gefassten, oben erwähnten Anschauungen auf ihre Richtigkeit oder Wahrscheinlichkeit zu prüfen. Wenn man mit Ellenberger annimmt, dass die Nasen- 02 Alfred Trautmann: spiegelfeuchtigkeit, die dauernd vorhanden ist und durch ihre Verdunstung den Nasenspiegel kühlt, von der Umgebung oder der lateralen Nasendrüse stammt, dann muss man zunächst feststellen, ob Wege bzw. Vorrichtungen für die Verbreitung der Flüssiekeit über den ganzen Nasen- Fig. 1. Querschnitt durch das Planum nasale des Hundes. a Stratum epitheliale. 5 Stratum proprium mit Corpus papillare. c Stratum submucosum mit Blutgefässdurchschnitten (teils blutleer, teils gefüllt). d Knorpel. e Subepitheliales Bindegewebe des Nasenvorhofes. f Epithel des Nasenvorhofes. 9 Querschnitte durch die Rinnen des Nasenspiegels.. h Nasenscheidewand. spiegel vorhanden sind. In dieser Beziehung kann ich bestätigen, was auch aus den Angaben anderer Autoren hervorgeht (s. z. B. Ellenberger, Handbuch der mikroskopischen Anatomie 1911 Bd. III S. 47 Fig. 54), dass nämlich die ganze Oberfläche des Nasen- spiegels von zahlreichen Rinnen (Furchen, Sulei) durehfurcht wird, Zur Frage der Herkunft des Nasenspiegelsekretes des Hundes. 093 die untereinander kommunizieren und ein Rinnensystem darstellen, das die Areale des Nasenspiegels abtrennt (Fig. 3). Durch das Rinnensystem können. also die Flüssigkeiten von jeder Stelle über den ganzen Spiegel verbreitet werden, so dass der ganze Spiegel feucht bleibt. Es ist somit sehr wohl möglich, dass die Feuchtigkeit für den Nasenspiegel von der Umgebung geliefert wird. In erster Linie musste man, wie schon erwähnt, daran denken, dass in den den Nasenspiegel umgebenden Teilen des Integumentes bzw. im Überganes- gebiete der Nasenspiegelhaut in das behaarte Integument besonders zahlreiche und grosse, seröse Drüsen vorhanden wären, deren Sekret in das Rinnensystem des Nasenspiegels geleitet würde. Ich habe mich durch mikroskopische Untersuchung der benachbarten Teile des Nasenspiegels überzeugen können, dass speziell am Übergange des Planum nasale in die behaarte Haut der Reichtum an Knäueldrüsen, die ja nur als Lieferanten des Nasenspiegel- sekretes in Betracht kommen könnten, ein sehr spärlicher ist, ja dass dieselben in den allernächsten an den Nasenspiegel grenzen- den Regionen sogar meist gänzlich fehlen. Der Übergang des Gewebes des Nasenspiegels in das Integumentum commune gestaltet sich in der Regel so, dass plötzlich die mit einem sehr starken Stratum corneum (Fig. 2a) ausgestattete, dieke Epidermis auf mindestens die Hälfte ihrer ursprünglichen Stärke zurückgeht, der gut ausgebildete deutliche Papillarkörper (Fig. 2d) sich verliert und Haare mit stets gut entwickelten Talgdrüsen auftreten. Schweiss- drüsen sind zunächst nur ganz selten zu finden und setzen erst, an Ausdehnung und Menge allmählich zunehmend, später ein, ein Ver- halten, wie es ähnlich von mir früher an der Lippe des Pferdes konstatiert wurde. Auf Grund dieser Befunde dürfte somit die Vermutung, dass das Nasenspiegelsekret von serösen Drüsen der direkten Umgebung des Nasenspiegels geliefert werde, als segenstandslos zu betrachten sein. Ehe ich die Frage prüfe, ob andere Drüsen, z. B. nach Ellen- berger’s Annahme die laterale Nasendrüse, als Lieferant der Nasenspiegelfeuchtigkeit in Betracht kommen können, dürfte zunächst noch die Frage zu erörtern sein, ob die Nasenspiegelflüssigkeit der Hunde etwa ein Transsudat der Nasenspiegelhaut,d. h. der in derselben vorhandenen Kapillargebiete sein kann. Dies könnte angenommen werden, wenn bewiesen würde, dass die Nasenspiegel- 94 Alfred Trautmann: haut besonders blutreich ist, vielleicht Gefässknäuel oder besonders dichte und geschichtet angeordnete Kapillarnetze enthält, und dass keine die Transsudation hindernden Vorrichtungen, vielmehr solche fördernder Art vorhanden sind. Die stattfindende Transsudation liesse sich eventuell auch experimentell z. B. durch Injektion seröser Flüssigkeiten in die Blutbahnen des lebenswarmen, unverletzten Nasenspiegels nachweisen. Um diese Frage zu prüfen, habe ich die e ; e Fig. 2. Epithel des Pianum nasale des Hundes. a Stratum corneum. b Mittlere Epithelzellagen. c Tiefste Epithelzellagen mit Pigmenteinlagerungen. d Stratum proprium mit Corpus papillare. e Querschnitte durch die Rinnen des Nasenspiegels.- Grefässe der Nase mit Leimmassen injiziert. Ich habe jedoch keinen besonderen Gefässreichtum und keine besondere Gefässanordnung im Nasenspiegel nachweisen können; auch habe ich einen Austritt von Flüssigkeiten aus den Gefässen auf die Nasenspiegeloberfläche nicht feststellen können. Mir erschienen im Gegenteil gerade einzelne Partien des Nasenspiegels weniger gefässreich als andere Hautpartien. Ausserdem waren absolut keine Verhältnisse festzustellen, welche eine Transsudation an dieser Stelle wahrscheinlich erscheinen liessen. Das Gegenteil ist vielmehr der Fall. Transsudationen auf die Ober- Zur Frage der Herkunft des Nasenspiegelsekretes des Hundes. 95 fläche von Häuten finden wir nur da, wo die Epitheldecke dünn ist, so dass kein grösserer Druck auf den Gefässen liest, und wo die Gefäss-(Kapillar-)wände nur durch eine dünne Gewebsschicht von der Oberfläche entfernt sind, also ganz nahe der Oberfläche liegen. Dies ist z. B. der Fall bei allen serösen Häuten, ferner in den Zentralorganen des Nervensystems, im Auge (der Wand der Augenkammern), in der Lunge usw. Transsudationen in die tierischen Gewebe finden be- kanntlich überall statt, aber auf Oberflächen, wie gesagt, nur bei dünner Epitheldecke. Auf die Oberfläche der äusseren Haut und der kutanen Schleimhäute transsudiert das Blut nicht. Das Epithel derselben übt einen zu starken Gegendruck gegenüber dem Blut- ‚druck aus. Ausserdem ist das Stratum corneum undurchgängig für wässerige Flüssigkeiten, wenn nicht ein sehr hoher Blutdruck zu- gegen ist. Hebt man die Hornschicht bzw. die oberflächlichen Epithelschichten von solehen Häuten ab, dann tritt Transsudation ein (nässende Flächen), ein Beweis dafür, dass die Hornsehicht bzw. die Dieke der Epithelschicht die Transsudation hindert. Ausserdem kann die Oberfläche solcher Häute durch Transsudation feucht sein, wenn die dicke Epithel- bzw. Horndecke durchlöchert ist, Spalten besitzt usw. Am Nasenspiegel des Hundes finden wir ein sehr dickes Platten- epithel mit einer ausserordentlich mächtigen Hornschicht (Fig. 2 a, b, c), die sogar erheblich dicker ist als in der Umgebung. Eine Trans- sudation der Nasenspiegelflüssigkeit aus dem Blute durch das starke auf. die Kapillaren drückende Epithel und die starke Hornschicht ist nieht anzunehmen, mindestens im höchsten Grade unwahrscheinlich. Öffnungen, und Spalten im Epithel habe ich nicht gefunden, trotz- dem ich daraufhin das Epithel makroskopisch und mikroskopisch eenau durchmustert habe. Auch in den Furchen der Oberfläche des Nasenspiegels war das Epithel dick und mit einer starken Horn- schicht versehen (Fig. 2e), so dass auch diese Stellen nicht als Partien der Transsudation angesehen werden können. Da nach vorstehendem weder die Umgebung des Nasen- spiegels, noch die Haut des Nasenspiegels selbst als Quelle der Nasenspiegelflüssigkeit anzusehen ist, so war nunmehr die Frage zu prüfen, ob, wie Ellenberger vermutet, etwa die laterale Nasendrüse alsLieferant der Flüssig- keit in Betracht kommen kann. Über die Anatomie und Histologie dieser zuerst Von 96 Alfred Trautmann: Kangro!) näher beschriebenen Drüse hat auf Veranlassung und unter Leitung von Ellenberger in unserem Institute Werner Meyer?) im Jahre 1903 Untersuchungen angestellt. Zum genaueren Verständnis und zur genaueren Beurteilung der vorliegenden Frage halte ich es für erforderlich, auf Grund der Meyer’schen Unter- suchungsergebnisse und meiner eigenen Feststellungen eine kurze Schilderung der anatomischen Verhältnisse der lateralen Nasendrüse des Hundes vorauszuschicken. Der Körper der ein schleimfreies, wässeriges, seröses Sekret liefernden lateralen Nasendrüse liest im Sinus maxillaris oder, wenigstens teilweise, im Aditus (Ostium) naso- maxillaris. Die Stelle ihres Sitzes präsentiert sich durch Ver- diekung der Schleimhaut. Sie breitet sich submukös aus und lässt schon makroskopisch einen drüsigen Bau deutlich erkennen. Der Ausführungsgang der monostomatischen lateralen Nasendrüse ver- läuft in der Schleimhaut im Bereiche des mittleren Nasenganges vom Sinus maxillaris aus im Bogen nasenlochwärts und mündet nahe dem Nasenloche und zwar in der Umgebung des vorderen End- abschnittes der „Geraden Falte“, d. h. des sich nasenlochwärts er- streckenden Schleimhautfortsatzes der dorsalen Muschel ?). Die Mündung des Ganges hat mithin eine derartige Lage, dass die aus der Mündungsöffnung austretende Flüssigkeit sehr wohl in das Furchensystem (Fig. 3) des Nasenspiegels eintreten kann. Diesen Vorgang direkt zu beobachten, gelang mir aber nicht. Es erschien mir deshalb, wie dies von meinem Chef geplant worden war, eine Ausschaltung der lateralen Nasendrüse angebracht, um aus den Ausschaltungserscheinungen ein Urteil über die Bedeutung 1) €. Kangro, Über Entwicklung und Bau der Steno’schen Nasendrüse der Säugetiere. Dorpat 1884. 2) W. Meyer, Beiträge zur Kenntnis der Anatomie und Histologie der lateralen Nasendrüse. Philos. Inaug.-Diss. Zürich 1903. 3) Zur schnelleren Orientierung und Auffindung der nicht immer gut sicht- baren Ausmündungsstelle des Ganges ist besonders zu beachten, dass ventral vom vorderen Endabschnitt der „geraden Falte* eine Schleimhautfalte in dorso- ventraler Richtung schräg mundwärts (ab- und vorwärts) zum Grunde des S-Knorpels verläuft (Schrägfalte), und dass kurz nach dieser zwei andere Schleim- hautfalten ausgehen und untereinander fast parallel in ventrodorsaler Richtung vor- und aufwärts ziehen, um am dorsalen Seitenwandknorpel ganz nahe dem Nasenloche zu enden (Parallelfalten. Auf der Schrägfalte befindet sich meist an dem Punkte, wo die dorsale (obere) der Parallelfalten die Schrägfalte trifft, die Mündung. Manchmal liegt letztere auch zwischen den beiden Parallelfalten. Zur Frage der Herkunft des Nasenspiegelsekretes des Hundes. 97 dieser Drüse gewinnen zu können. Es war anzunehmen, dass nach Ausschaltung dieser Drüse der Nasenspiegel der Versuchstiere trocken bleiben würde, falls sie als Hauptlieferant der Nasenspiegelflüssigkeit anzusehen ist. Die Ausschaltung dieser Drüse oder ihres Sekretes konnte in verschiedener Weise geschehen, z. B. durch ihre Exstirpation, durch Verödungsverfahren verschiedener Art und vor allem durch Unter- Fis. 3. Operationsfeld und makroskopische Verhältnisseftdes Nasenspiegels. a Ausführungsgang der lateralen Nasendrüse. 5b Foramen infraorbitale. * c- Blutgefäss, neben dem Ausführungsgang verlaufend. — In den Gang ist ein Pferdehaar zur besseren Sichtbarmachung des Ganges eingeführt. bindung ihres Ausführungsganges. Der Weg der beiderseitigen Ex- stirpation des Körpers der lateralen Nasendrüse wurde von mir des- halb nicht eingeschlagen, weil einmal sich technische Schwierigkeiten in den Weg stellten, und weil sich bei Einschlagung dieses Weges immerhin im gegebenen Fall nur schwer mit Gewissheit hätte feststellen lassen, ob die Drüse tatsächlich in toto entfernt worden war, und weil endlich als Folgen der Operation Nebenerscheinungen eintreten konnten, die trübend auf die Beurteilung der Versuchsergebnisse ein- wirken konnten. Diese schwierige Operation erschien aber auch nicht notwendig, weil in der Unterbindung des Aus- Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd. 142. 7 98 Alfred Trautmann: führungsganges der Nasendrüse ein Weg gegeben war, der mir sicherer, einwandfreier und operativ leichter durchführbar erschien. Von vornherein hielt ich es für geboten, den Gang nahe seiner Mündungsstelle zu unterbinden, weil er hier am leichtesten zugänglich war. Da aber bei einem solchen Vorgehen Eingriffe und Verletzungen des sehr empfindlichen Planum nasale des Hundes un- umgänglich erschienen, durch die leicht Folgeerscheinungen hervor- serufen werden konnten, die geeignet waren, das Untersuchungs- ergebnis zu trüben, so musste ich auf diese relativ bequeme Operations- methode verzichten und eine andere, schwerere und kompliziertere Methode wählen. Ich nahm die Operation zunächst nur an einem Hunde, und zwar wie folgt, vor: Nach Anlegung eines dem Nasen- rücken parallel geführten Hautschnittes in der Höhe des dorsalen Randes des leicht fühlbaren Foramen infraorbitale wurde nach Ent- fernung des Periostes die Knochenwand, wie aus Fig. 3 ersichtlich, von der genannten Stelle aus dorsal bis nahe zur Medianebene und nasenspiegelwärts bis etwa in die Gegend des ersten Backenzahnes des Oberkiefers entfernt. Man sah dann nach Säuberung des Ge- sichtsfeldes den Gang (Fig. 3a) in ziemlich weiter Ausdehnung als weisslichen, dünnen Strang, neben welchem ein etwa gleichstarkes Blutgefäss (Fig. 3c) in ziemlich derselben Richtung verlief. Die Auffindung des Ganges bietet für den nicht Geübten nicht un- erhebliche Schwierigkeiten. Wer diese Operation ausführen will, muss sich unbedingt vorher an einem reichen Leichenmaterial von Hunden möglichst einer Rasse (am besten eignen sich wegen der langen Nase Dachshunde!) durch wiederholtes sorgfältiges Präparieren des Ganges genau über Lage und Verlauf orientieren und Probe- unterbindungen vornehmen, die man dann durch Einführung einer langen Borste in die nach einiger Übung stets leieht und sicher auffindbare Mündungesstelle nahe dem Nasenloch als gelungen oder nicht gelungen kontrollieren kann. Zu der Operation wählt ınan zweckmässig Tiere der Rasse, an der die Orientierung vorgenommen wurde, zumal ich konstatieren konnte, dass der Gang sich durch einen recht regelmässigen und gleichartigen Verlauf bei den ver- schiedenen Individuen einer Rasse auszeichnet, eine Tatsache, die die Auffindung des Ganges sehr erleichtert. Der Gang wurde von mir, um Misserfolgen vorzubeugen, an zwei verschiedenen Stellen unterbunden (s. Fig. 3a), und zwar zuerst näher seiner Mündung und dann näher dem Drüsenkörper. Wartet man nach Unterbindung Zur Frage der Herkunft des Nasenspiegelsekretes des Hundes. 99 der ersten, mehr lippenwärts liegenden Unterbindungsstelle mit der zweiten Unterbindung eine gewisse Zeit, so wird der bei gelungener Unterbindung dem Drüsenkörper zu gelegene Teil des Ganges deut- lich anschwellen, so dass die zweite Unterbindung, obwohl unnötig, ohne Schwierigkeit bewerkstelligt werden kann. Es empfiehlt sich, mit dem Gang reichlich benachbartes Gewebe einzubinden, weil wegen der Zartheit der Gangwand durch die Ligatur der Gang leicht durchschnürt werden kann. Ich habe die Gänge beiderseitig sowohl zugleich als auch erst den rechten und dann nach geraumer Zeit auch den linken unterbunden. Nach Anlegen reichlicher Nähte durch die Hautwunde tritt bei peinlich aseptischer Ausführung der Operation _ eine Heilung ohne weitere Komplikationen sehr bald ein, voraus- gesetzt, dass man die Wunde durch geeignete Schutzmittel dem Tiere selbst unzugänglich gemacht hat. Gewöhnlich zeigten die Tiere nach wenigen Tagen (2—3) ihre frühere Lebhaftigkeit und frühere Fresslust. Meine Beobachtungen an dem Nasenspiegel der so behandelten Hunde begann ich in der Regel nach Verlauf einer Zeit, nach der ich krankhafte, infolge der Operation eingetretene Zustände ausschliessen durfte. Es zeigte sich an dem Tiere mit beiderseitig unterbundenen Gängen, dass schon nach ganz kurzer Zeit eine Trockenheit des Nasenspiegels eintrat, die an dem Tiere vor der Operation niemals beobachtet worden war. Schon nach 6 Wochen trat eine deutlich sichtbare Abscehuppung des Epithels des Nasenspiegels ein, und nach weiteren 4 Wochen war das Planum nasale mit borkenartigen Auflagerungen be- deckt, mit Ausnahme der nächsten Umgebung der Nasenlöcher, die immer mehr oder weniger von dem Sekret der Nasenschleimhautdrüsen benetzt wurden. Ich habe das betreffende Tier leider nur ®/ı Jahr beobachten können, da es an einer durch einen spitzen Knochen hervorgerufenen Darmperforation mit sich anschliessender Peritonitis zugrunde ging. Jedenfalls war nach der genannten Zeit der Nasen- spiegel förmlich deformiert, d. h. die Einteilung seiner Ober- fläche in Areale durch trennende Rinnen war nur noch undeutlich, stellenweise durch Auftreten tieferer Löcher vollständig verschwunden, und das Planum nasale machte einen ver- troekneten, geschrumpften Eindruck. In dem sonst sehr munteren Verhalten des Tieres ist mir an anderen Merkmalen nach der Operation besonders deutlich aufgefallen, dass dem Tiere das 7% 100 Alfred Trautmann: Streichen des Nasenspiegels mit dieser oder jener Vorderpfote zur Gewohnheit geworden war. Es machte auf mich den Eindruck, als ob durch diese Handlung die um die Nasenlöcher befindliche, der Nasenschleimhaut entstammende Flüssiekeit anf den Spiegel gebracht werden sollte, was mitunter zum Teil auch erreicht wurde. Als weiteres Beobachtungsmaterial möchte ich das überaus häufige Lecken des Nasenspiegels mit der Zunge und das noch häufigere Niesen erwähnen. Nach jedem Niesakte, der vielleicht durch irgendwelche durch die Operationsfolgen hervorgerufene Reiz- zustände ausgelöst wurde, konnte eine spärliche, aber deutkch wahrnehmbare Feuchtigkeit auf der Oberfläche des Nasenspiegels konstatiert werden, die aber nach Fixierung des Kopfes durch Ver- dunstung‘ relativ schnell wieder verschwand. Vor der Operation hatte sich das Tier ganz normal verhalten. Ich möchte deswegen dieses Verhalten des Tieres (das versuchte Belecken des Nasen- spiegels mit der Zunge, das Niesen, das Streichen des Nasenrückens mit der Pfote) als zweckmässige Abwehrerscheinungen gegen die nachteiligen Folgen der Ausschaltung der Funktion der lateralen Nasendrüsen deuten. Der Mangel an Feuchtigkeit bzw. die Trocken- heit des Nasenspiegels scheint dem Hunde Unbehagen zu bereiten, und er sucht sich wenigstens etwas Ersatz durch die angeführten _ Handlungen zu verschaffen. Aus den Ergebnissen des geschilderten Versuches dürfte zu folgern sein, dass tatsächlich die Hauptmenge der Nasen- spiegelflüssigkeit von der lateralen Nasendrüse nur etwa ein ganz kleiner Teildurch Leckenmit der Zunge seliefert wird. Nach dem Tode dieses Tieres habe ich die mir zur mikro- skopischen Verarbeitung wertvoll erscheinenden Teile unter- sucht und gefunden, dass an Stelle der lateralen Nasendrüse mit Aus- nahme weniger stark erweiterter Endstücke sich dichtes Bindegewebe mit starken Pigmenteinlagerungen befand. Die Drüse war infolge des andauernden, durch die künstlich herbeigeführte Stauung des Sekretes auf die Epithelzellen ausgeübten Druckes zum grössten Teile de- generiert. Den zwischen den beiden Unterbindungen liegenden Teil des Ausführungsganges vermochte ich trotz sorefältiger Untersuchung makroskopisch und mikroskopisch nicht mehr nachzuweisen, während der Gang in der Nähe der Mündung deutliche Zeichen von Inaktivitätsatrophie aufwies. Diese Feststellungen erschienen mir Zur Frage der Herkunft des Nasenspiegelsekretes des Hundes. 101 ‚deshalb nützlich, weil mir durch sie der Beweis einer richtig aus- geführten Operation erbracht wurde. Auch andere Beobachtungen, die ich gemacht habe, sprechen dafür, dass tatsächlich die laterale Nasendrüse zum weitaus grössten Teile die Nasenspiegelflüssigkeit des Hundes liefert. Ich habe noch andere Hunde mit gleichen Ergebnissen operiert. Besonders hervor- heben möchte ich die Beobachtungen an einem Hunde, bei dem ich die Zufuhr des Sekretes der lateralen Nasendrüse zum Nasenspiegel zunächst nur auf einer Seite durch Unterbindung des rechtsseitigen Ausführungsganges abgeschnitten hatte; erst nach einigen Wochen unterband ich auch den linken Gang. Dieses Tier zeigte nach der _ Unterbindung nur des rechten Ganges ganz deutlich, dass die rechte Hälfte seines Nasenspiegels stets einen weniser starken Grad von Feuchtigkeit aufwies als die linke Nasenspiegelhälfte. Es fehlte aber die Feuchtigkeit niemals ganz, was dem Umstande zuzuschreiben war, dass durch die Rinnen auf der Oberfläche des Planum nasale das Sekret der die linke Nasenspiegelhälfte versorgenden Nasendrüse zur rechten Abteilung hingeleitet wurde, ohne aber die lateralen Partien letzterer ausreichend befeuchten zu können. Nach Unter- bindung auch des linken Nasendrüsenganges traten ähnliche Symptome ein, wie sie oben beschrieben wurden. Sprechen schon die bis jetzt erwähnten Befunde dafür, dass die Quelle des Nasenspiegelsekretes des Hundes iu der lateralen Nasen- drüse zu suchen ist, so werden dieselben nach meiner Ansieht noch erhärtet durch folgende Erwägungen. Nach den Befunden Meyer’s und Kangro’s ist’ bei den Karnivoren die laterale Nasendrüse relativ am mächfigsten, beim Schwein ist sie klein und bei Schaf und Ziege nur wenig ausgebildet. Beim Rinde fehlen Drüse und Gang voll- ständig. Gerade die Tiere, die eine weniger gut ent- wickelte laterale Nasendrüse oder gar keine solche Drüse besitzen, weisen, wie z. B. das Rind im Flotz- maul, mächtige Drüsenpolster auf, während sich beim Hunde mit sehr gut ausgeprägter lateraler Nasen- drüse im Nasenspiegel, der doch gewissermassen ein modifiziertes Flotzmaul darstellt, keine oder viel- leicht nur ganz vereinzelte und seltene Drüsen finden. Man kann deswegen auch von diesem Gesichtspunkte aus mit einem gewissen Rechte die Frage nach der Herkunft der Nasenspiegel- flüssigkeit damit beantworten, dass in der gut ausgebildeten lateralen 102 Alfred Trautmann: Nasendrüse des Hundes (sicherlich wohl auch der Katze und anderer Fleischfresser!) der Hauptlieferant des Sekretes für das Planum nasale dieses Tieres zu suchen ist. Die laterale Nasendrüse des Hundes, die nach Meyer’s Befunden als ein persistierendes und nicht etwa als ein transitorisches Organ anzusehen ist, ist sicherlich, was auch aus den Meyer’schen histologischen Untersuchungen ent- nommen werden kann, funktionell den Flotzmaul-, Rüssel- und Nasenspiegeldrüsen anderer Tiere gleichzusetzen. Dass ihr speziell auch beim Hunde die Aufgabe zufallen mag, durch Absonderung ihres schleimfreien, serösen Sekretes die Re- spirationsluft feucht zu erhalten und alle mit dem Respirations- strom in die Nase geratenen Partikelchen an sich zu ziehen und sie so von den tieferen Partien, hauptsächlich vom Sinussystem, der Regio olfactoria und endlich von den Lungen fernzuhalten, will ich nicht bestreiten. Die Frage endlich, wie das Sekret der lateralen Nasendrüse von der Mündungsstelle des Ausführungs- gsanges derselben auf das Planum nasale des Hundes gelangt, ist leicht beantwortet. Die Mündung des Ausführungs- ganges liegt so nahe der Nasenöffnung, dass bei der herabhängenden Kopfhaltung des Hundes, nicht unwesentlich unterstützt durch die S. 96 näher beschriebene Faltenbildung in der Umgebung derselben, ein Überfliessen des Sekretes in das Rinnensystem (Fig. 3) des Nasenspiegels und eine Weiterleitung durch letzteres nach allen Regionen des Planum nasale leicht denkbar ist. Die Ergebnisse meiner Untersuchungen sind in folgende Sätze zusammenzufassen: 1. Das Nasenspiegelsekret des Hundes wird nicht von Nasenspiegeldrüsen (wie z. B. bei den Wiederkäuern) produziert, da dem Planum nasale des Hundes der- artige Drüsen fehlen. 2. In den dem Nasenspiegel des Hundes benach- barten Partien des Integumentum commune finden sich keine Drüsenanhäufungen, die als Lieferanten der Nasenspiegelflüssigkeit in Betracht kommen könnten. 3. Das Nasenspiegelsekret des Hundes ist kein Transsudat des Blutes. Zur Frage der Herkunft des Nasenspiegelsekretes des Hundes. 103 4. Die Quelle des Nasenspiegelsekretes des Hundes liegt vornehmlich in der bei diesen Tieren sehr gut ausgebildeten lateralen Nasendrüse, die funktionell den Nasenspiegeldrüsen anderer Tiere gleichzustellen ist. In geringem Grade mag die Befeuchtung des Nasenspiegels auch durch Lecken desselben mit der Zunge erreicht werden. 104 N. Waterman: Nebenniere und Zuckerstich. Von Dr. N. Waterman, Rotterdam. (Hierzu Tafel 1.) Nach meiner in Vereinigung mit H. J. Smit in Band 124, 1908, dieses Archives veröffentlichter Abhandlung sind in demselben Archive von Kahn!) zwei Aufsätze erschienen, welche sich mit demselben Problem befassen, und worin in überaus scharfer Weise meinen Ergebnissen widersprochen und die Versuchsmethode kritisiert wurde. Wenn ich erst jetzt diesen Ausführungen aufs bestimmteste ent- segentrete, so geschieht das auf Grund äusserer Umstände; an erster Stelle ist die Abreise des Herrn Dr. Smit nach Indien daran schuld, weiter hat eine Augenerkrankung vor 2 Jahren meine Arbeitstätiekeit auf Monate geschädigt, während andere Studien meine volle Auf- merksamkeit benötigten. Wie schon gesagt, zerfallen die Ausführungen von Kahn in zwei Teile. An erster Stelle wird meine Versuchstechnik als verfehlt dahin- sestellt, indem mir eine unriehtige Handhabung der Ehrmann ’schen Pupillenreaktion ?2) zugeschrieben wird. Ich hatte vordem die Über- zeugung, dass nach den fundamentalen Untersuchungen Ehrmann’s eine genaue Umschreibung der Ausführung dieser Reaktion bei weiteren Versuchen überflüssig sei. Das ist auch die Ursache, dass in meinen Versuchsprotokollen die Ausführung der Reaktion nicht in Finessen beschrieben worden ist, eine Tatsache, welche Kahn gegen die Glaubhaftigkeit meiner Resultate anführt.e. Nachdem ich es aber habe erleben müssen, dass Meltzer?) die von mir ent- deckten mydriatischen Wirkungen von Stoffen, wie Brenzkatechin u. a., 1) Pflüger’s Arch. Bd. 128. 1909; Bd. 140 S. 209. 1911. 2) Ehrmann hat die Ansprüche Meltzer’s auf die Urheberschaft dieser Reaktion meines Erachtens mit Recht zurückgewiesen. 3) Meltzer, Deutsche med. Wochenschr. 1909 S. 575. Nebenniere und Zuckerstich. 105 Wirkungen, welche sieh schon in tausendfachen Verdünnungen be- merkbar machen ?), nur in einer Verdünnung von etwa 1:5 beobachten kann, habe ich meine Ansicht geändert und werde meine Methode ausführlicher beschreiben. Dieselbe deckt sich genau mit den An- gaben Ehrmann’s. Serien von Froschausen werden paarweise in die zu prüfende Flüssigkeit und Kontrollflüssiekeit (am besten Serum derselben Tierart) gestellt. Je mehr Augenpaare, um so zuverlässiger natürlich das Resultat. Es wird dann wiederholt die Pupillenweite der Augenpaare beobachtet, und der Zeitpunkt, worauf Mydriasis ein- tritt, notiert. In einigen Fällen habe ich aber eine Modifikation gemacht, welche darin besteht, dass die Augen innerhalb der Orbita zur Ver- wendung kommen. Mit anderen Worten wird dabei auch der musku- löse Apparat der Augenhöhle intakt gelassen. Man kann dann noch eine neue Beobachtung machen, worauf ich noch später zu sprechen komme. Eine Erörterung erfordert weiter die Regulierung der Licht- verhältnisse. Es ist ohne weiteres einleuchtend, dass eine zu starke Beleuchtung die mydriatische Wirkung von Flüssigkeiten verhindern kann. Das gilt weniger für Flüssigkeiten, worin sich mydriatische Substanzen in starker Konzentration finden, als für solche, worin sehr kleine Quantitäten nachzuweisen sind. Darum hat Ehrmann auch angegeben, dass, wenn schwache Mydriasis zu erwarten ist, die Augen nach einer kurzen starken Beleuchtung ins Dunkle gestellt werden sollen. Weil auch in meinen Versuchen nieht allzu starke Wirkungen zu erwarten waren, habe ieh diesen Rat Ehrmann’s be- folgt und die Pupillen nach kurzer Beleuchtung ins Dunkle gestellt. Der Einwand Kahn’s, dass dann die Pupillen schon spontane Er- weiterunden, und zwar das wohl rechte und linke Auge im ver- schiedenen Grade, zeigen, erachte ich als nicht berechtigt, und bei einer genügenden Zahl von Kontrollpupillen betrachte ich das Resultat als einwandfrei. Noch einiges über das Versuchstier selbst. Ich habe stets unseren gewöhnlichen holländischen Frosch (Rana eseulenta, Wasserfrosch) be- nutzt, und mit Vorliebe die grösseren Exemplare. Ich erwähne auch dies, weil unser holländischer Frosch (bekanntlich bei uns im Über- maass vorhanden) vielleicht einer anderen Gattung angehört als der böhmische. 1) Von Comessatti bestätigt. 7 *+ 106 N. Waterman: Was die weitere Versuchstechnik betrifft sei folgendes bemerkt: Der Zuckerstich wurde in der alten Bernard’schen Weise gemacht, weil dann vorher keine schädigenden Eingriffe das Tier treffen (wie Narkose, Operation, Blutverlust). Bei der Autopsie wurde die ge- troffene Stelle aufgesucht. Das Blut zur Serumreaktion wurde, nachdem Zucker erschien (etwa Y/a—1 Stunde nach der Pigüre), der Ohrvene entnommen. Das Kontrollserum stammte aus der Ohrvene eines gesunden, nicht der Operation unterworfenen Tieres (Aderlasshyperglykämie, Operation). Ich komme jetzt zur zweiten Abteilung der widersprechenden Resultate Kahn’s. Kahn hat in keinem Falle unsere Beobachtungen bestätigen können. Ich kann nichts dagegen anführen, kann allein auf meine obigen Bemerkungen verweisen und muss unbedingt an meinen Befunden festhalten. Zum Belege will ich noch zwei Versuche, welche ich neulich machte, genau anführen und mit photographischen Abbildungen versehen. I. 19. Juni 1911. Kaninchen V: 1,6 kg. Zuckerstich abends 9h 5’. 9h 35’ Blutentnahme aus der Ohrvene (15 ccm Blut). Blutzuckerbestimmung [meine «-Naphtholmethode!)]: 0,332°/0 Blutzucker. Die Ohrvene war vorher mit Toluol hyperämisch gemacht. Harn: Nylander und Fehling +. 20. Juni. Morgens 9b 10’ Ehrmann’sche Pupillenreaktion. Abb. I, II und III zeigen drei Paare (noch innerhalb der Orbita). Um 9h 54’ starke My- driasis, also nach 44 Minuten. Dabei ist auch eine sehr frappante Protrusio bulbi wahrnehmbar, welche ich ebenfalls als ein Symptom der sympathischen Reizung auffasse, und welche bei der Reaktion in der gewöhnlichen Weise natürlich nicht bemerkt wird. Kontrolle (links): normales Kaninchenserum. Die Mydriasis (rechts) ist erheblich. I. Kaninchen: 1,3 kg, m. Pigüre: 19. Juni, abends 9h 15’. 9h 45’ Blutentnahme (Ohrvene) 17 ccm. Blutzucker: 0,307%. Harn: Nylander +. 20. Juni, morgens: Pupillenreaktion und Protrusio bulbi sehr deutlich (Abb. IV) nach 55 Minuten. Die zwei äusseren Bulbi stammen vom Pigüretier. Zusammenfassend muss ich an unseren schon vor drei Jahren mitgeteilten Resultaten festhalten. Nun ist ein günstiger Umstand dieser, dass in der letzten Zeit von verschiedenen Seiten (u. a. von Kahn selbst) die Anschauung, „dass die Wirkung des Zuckerstiches über die Nebenniere geht“, als richtig betrachtet wird. Tschebok- saroff?) fand im Anschluss an Dreyer’s Fxperimente (auch 1) Zeitschr. f. physiol. Chemie Bd. 72 H.1 und 2. 1911. 2) Pflüger’s Arch. Bd. 137 8. 59. Nebenniere und Zuckerstich. 107 unsere etwas primitiven Reizungsversuche wurden erwähnt), dass nach Splanehnieusreizung vermehrte Abscheidung von Adrenalin ins Blut stattfindet (während, wie bekannt, die Wirkung des Zucker- stiches durch Splanchnieusdurchschneidung verhindert wird. Kahn selber musste dann schliesslich die Versuche Mayer’s, denen er zuerst eine andere Deutung geben zu müssen glaubte, im Sinne Mayer’s bestätigen und endlich auch auf anderen Wecen eine Entladung des chromaffınen Systems nach Zuckerstich feststellen. Nach alledem ist deshalb die erwähnte Anschauung ge- wiss richtig. Weil es aber noch mehr auf die Versuchsmethodik als auf die direkten Ergebnisse ankommt, lege ich Wert darauf, meine Methodik mit guten Gründen verteidigen zu können. Ich _ darf jetzt sagen, dass es Smit und mir zuerst gelungen ist, neben dem Beweise Mayer’s, einen Gegenbeweis, welcher diese Versuche ergänzt, geliefert zu haben. Es bleibt aber noch einiges zur Erörterung übrig. Vorerst will ich nochmals die Richtigkeit unserer Versuchsergebnisse nach Ein- spritzung hyperisotonischer Salzlösungen ins Blut bezeugen. Wie Kahn selber erwähnt, hat Hugh Me Guigan!) die Salzglykos- urie bei Kaninchen nach Nebennierenexstirpation ausbleiben sehen. Ich habe diese Versuche bei ihrer untergeordneten Bedeutung nicht wiederholt. In diesem Zusammenhang will ich mich auch gegen den Aus- druck Kahn’s verwahren: „auf Grund solcher, doch sicher sehr zweifelhaften Versuche versteigen sich Waterman und Smit zu der Behauptung, es habe den Anschein, als ob die mydriatische Wirkung des Serums ein besseres Reagens auf die Erregung des Diabeteszentrums darstelle als die Zuekerreaktion im Harne“ '). Wenn Kahn aber aufmerksam die neuesten Arbeiten aus der Wiener pharmakologischen Schule (Fröhlich, Pollak u. a.) beobachtet hat, wird er doch haben ersehen müssen, dass es ja für den - Nachweis einer Reizung des Diabeteszentrums fast kein un- zuverlässigeres Reagens gibt als den Harnzuckernachweis. Einmal findet man kein Zucker bei bedeutend erhöhtem Blutzuckergehalt, ein anderes Mal findet man Zucker, wo nur abnorme Durchlässig- keit der Niere besteht. Wenigstens ist die Glykosurie nieht eine so direkte Folge einer Reizung des Zentrums als die vermehrte Ab- 1) Zitiert nach R. K. Kahn. 108 N. Waterman: Nebenniere und Zuckerstich. gabe von Adrenalin und das Steigen des Blutzuckergehaltes. Ich meine deshalb auch diese vor drei Jahren ausgesprochene Ver- mutung verwerten zu können. Ich will indessen nicht leugnen, dass bei den Fortschritten, welehe in den letzten Jahren in der Be- stimmung der Blutzuckerkonzentration gemacht worden sind, die Blutzuekerbestimmung eine bei weiterem exaktere und leichter aus- führbare Methode darstellt als die Ehrmann’sche Pupillenreaktion, Diese ist unter Umständen nicht über Zweifel an Spezifizität er- haben. Hiermit glaube ich alle Punkte, welche den Angriff Kahn’s auf mich und Smit betreffen, besprochen und widerlegt zu haben. Ich gebe mich aber nur zweifelnd der Hoffnung hin, mit dieser Aus- einandersetzung Kahn befriedigt zu haben. Ich bin aber in der Zukunft auf keinen Fall bereit, meine Versuche nochmals zu wieder- hoien und zum Beweise feststehender Tatsachen auf ziemlich roher Weise viele Versuchstiere zu opfern. Wohl aber möchte ich Kahn bitten, wenn er in der Folge meine Versuchsergebnisse bestätigt hat, dieses Faktum in diesem Archive mitteilen zu wollen. EEE BERERERRE GREEN EEE Pflüger’s Archiv f. d. ges. Physiologie, Bd. 142. AI. Al. All. BEE Verlag von Martin Hager, Bonn. Bent Tafel 1. 109 Das Verhältnis des Nervensystems zur Herz- tätigkeit beim Hunde, Kalbe und Menschen. Von Prof. Soh. Dogiel. (Mit 5 Textfiguren und Tafel II—XII.) Zur Aufklärung dieser Frage sind sowohl anatomische wie auch physiologische Daten gleich notwendie. Anatomische Daten. Bekanntlich sendet das erste Brustganglion (Ganglion stellatum) beim Hunde zwei Nervenäste zum untersten Halsganglion des Sympathicus, während ein dritter Nervenast von demselben Ganglion zum Herz- geflecht geht). Nach Boehm’) verlaufen die ersteren zwei Nerven- äste bei der Katze rechts anders als links; nach Joh. Dogiel?) ist das nicht allein bei der Katze, sondern auch beim Hunde der Fall. Fig. 1 veranschaulicht die Verbindung des ersten Brustganglions mit dem untersten sympathischen Haisknoten. Nach Entfernung des lockeren Bindegewebes erscheint das erste Brustganglion halbmond- förmig mit vielen Fortsätzen, durch welche es mit dem Rückenmarke, dem zweiten Brustganglion und dem untersten sympathischen Hals- knoten verbunden ist. Die letztere Verbindung geschieht durch zwei Nervenäste: Ansae Vieusseni. Von dem ovalen untersten sym- pathischen Halsknoten gehen sechs Fortsätze ab: fünf nach unten in der Richtung zum Vagus und zum Herzen und der sechste nach oben zum oberen sympathischen Halsknoten. Fig. 2 bringt den untersten sympathischen Halsknoten mit seinen acht Fortsätzen in normaler Grösse nach Entfernung des Bindegewebes zur Anschauung. Aus Fig. 3 kann man entnehmen, dass die beiden Nervenfäden der Ansa Vieussenii aus je 4—5 dünneren Fäden besteht. 1) J. Dogiel und K. Archangelsky, Arch. f. d. ges. Physiol. Bd. 113 S. 43 Fig. 17. 1906. 2) Boehm, Arch. f. exper. Pathol. u. Pharmakol. Bd. 4. 1875. 3) J. Dogiel und K. Archangelsky, 1. c. S. 44 Fig. 18. Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd. 142. ) 110 Joh. Dogiel: Bearbeitet man einen Teil der Ansa Vieussenii, näher zum ersten Brustknoten, mit 1°/oiger Osmiumsäurelösung unter Zusatz von 1°/oiger Essigsäurelösung und etwas Glycerin im Verlaufe einiger Stunden, zerzupft hernach mit Nadeln das Präparat, so erblickt man unter dem Mikroskop sowohl Bündel von Nervenfasern wie auch einzelne myelinhaltige Nervenfäden (Fig. 4). Bearbeitet man den in der Nähe des untersten sympathischen. Cervicalganglion befindlichen Teil der Ansa Vieussenii mit 1/oiger Osmiumsäurelösung, so erblickt man in dem Präparat unter dem ALS. ALS. A, M«C, Fig. 1. G.s.t. das erste Brustganglion Fig. 2. @ si unterstes sym- mit acht Nervenfortsätzen; n.s. Nervus pathisches Halsganglion; sympathicus; v. N. vagus; @. s. Ganglion 1, 2, 3, 4 Nervenfortsätze; cervicale infimum n. sympathiei; A.V. G s, grösserer Knoten; @ ss, Ansae Vieussenii zur Verbindung des @Gs3 kleinere Knoten. Ganglion stellatum mit dem Ganglion cervicale infimum n. sympathici; m. c. membrana conjunctiva. Mikroskop Ketten aus Nervenzellen und verschiedenförmigen myelin- haltigen Nervenfasern (Leitz, Obj. 6, Ok. 4, Tubus eingeschoben, vgl. Taf. III, Fig. Nr. 5 und Taf. II, Nr. 4). Derartige Anordnung der Nervenelemente ist besonders typisch für Katzen, bei welchen an der Stelle, wo das unterste Halsganglion des Sympathieus sich gewöhnlich befindet, mit unbewaffnetem Auge keines zu sehen ist. Färbt man den ganzen Abschnitt des Halssympathieus der Katze vom obersten Cervicalganglion bis zu der Stelle. wo beim Hunde gewöhnlich das unterste Cerviealganglion angetroffen wird, mit !/g°/oiger Lösung von Methylenblau in Ringer’scher Flüssig- keit, fixiert das Präparat in einer Lösung von molybdänsaurem Ammonium, und untersucht hernach mit dem Mikroskop hei be- Das Verhältnis des Nervensystems zur Herztätigkeit beim Hunde etc. ]]1] stimmter Vergrösserung, so sieht man an bedeutender Strecke je zwei oder drei Nervenzellen, und nur an einer Stelle, an welcher der unterste sympathische Halsknoten vorhanden sein müsste, findet sich eine bedeutende .Anhäufung von Nervenzellen (Tafel III, Fig. Nr. 9). Zerlegt man den untersten Halsknoten vom Hunde in mög- lichst dünne Flächenschnitte und färbt letztere nach oben angegebener Methode mit Methylenblau, so sieht man unter dem Mikroskop bei geringer Vergrösserung eine be- deutende Anhäufung verschieden grosser und verschieden geformter Nervenzellen (Leitz, Obj. 3, Ok. 4, Taf. II, Nr. 6) oder auch zu zwei oder zu vier Nerven- Fig. 3. @.t.l. Ganglion stellatum ; @. ce. t. Fig. 4 Bündel myelinhaltiger Ganglion cervicale infimum; N.V. Nervus Nervenfasern nach der Behandlung vagus; n.s. Nervus sympathicus; A.V. mit 1%oiger Osmiumsäurelösung Ansa Vieussenii in acht besondere Fäd- des Teiles der Ansa Vieussenii, chen zerlegt. welcher oberhalb der Art. subelavia verläuft. R.4A.S. Leitz Okul. 3 x Ä Obj. 6. zellen mit einer Menge dünnster Nervenfibrillen (Leitz, Obj. 6, Ok. 4, Tubus-O.), ferner noch einige verhältnismässig grosse Nervenzellen mit oberflächlich und tiefer gelegenen Nervenbündeln wie endlich auch einzelne Zellen (Tafel II, Fig. Nr. 7, Nr. 8. Leitz, Obj. 6, Ok. 4, Tubus ganz ausgezogen). Der beim Hunde und anderen Säugetieren wie auch beim Menschen den oberen sympathischen Cervicalknoten mit den unteren verbindende Nervenfaden verläuft am Halse mit dem Vagus zu- sammen in einer beim Hunde stark entwickelten, bei der Katze und beim Kaninchen schwächer ausgebildeten Bindegewebshülle. Der I * 6) 112 Joh. Dogiel: Halssympathicus steht in verschiedener Höhe seines Verlaufs mit dem Vagus im Faseraustausch. An der Abgangsstelle des oberen Kehlkopfsnerven (N. laryngeus super.) vom Vagus findet sich eine bedeutende Verdickung des Vagusstammes (Ganglion nodosum n. vagi). Diese Anschwellung ist gut ausgebildet und mit blossem Auge leicht bemerkbar: beim Menschen, Hunde und Schweine, während beim Rinde, Kalbe und Pferde sie scheinbar fehlt). Spaltet man die den Vagus und den Sym- pathieus des Hundes einschliessende Bindegewebshülle an der Abgangs- stelle des N, laryngeus superior, So erblickt man, dass vom Vagus und vom oberen Kehlkopfnerven zu je einem Nervenfädchen abgehen und sich alsbald zu einem Faden ver- einigen, welcher von C. Ludwig und Cyon zuerst beim Kaninchen (Fig. 5) beschrieben und physiologisch ‘erforscht und daraufhin N. depressor genannt worden ist. Den Bau und die Verteilung des Nervensystems vom Herzen der Säugetiere (Hund, Katze, Ferkel), Vs. Fig. 5. Der Verlauf von N. vagus, N. sympathicus, N. laryngeus superior und N. depressor beim Hunde in normaler Grösse. V. N. vagus; @.c.s. Ganglion cer- vicale super. n. sympathici; n.1. N. laryngeus superior; n. s. N. sympathicus; n.d. N. depressor; mm Teile der Bindegewebshülle. der Vögel (Gans, Truthuhn, Taube), der Amphibien (Schildkröte, Frosch), der Fische (Sterlet, Hecht), der In- sekten (Corethra plumicornis) haben sowohl Joh. Dogiel und K. Ar- changelsky?) wie auch Joh. Dogiel?) allein eingehend untersucht. In der vorliegenden Abhandlung soll das Verhältnis des Nervensystems zur Herztätigkeit besonders berücksichtigt 1) Prof. K. Holzmann und Prof. Joh. Dogiel, Arch. f. Anat. u. Physiol., Anat. Abt., Tafel VI u. VII. 1910. 2) J. Dogiel und K. Archangelsky, Arch. f. d. ges. Physiol. Bd. 113. 1906. 8) J. Dogiel, Die Bedingungen der automatisch-rhythmischen Herz- kontraktionen. Mit 79 Textfiguren, Taf. II u. III. Arch. f. d. ges. Physiol. Bd. 135. Das Verhältnis des Nervensystems zur Herztätigkeit beim Hunde etc. 113 werden. In meiner früheren Arbeit (Archiv f. d. ges. Physiologie Bd. 135) habe ich eingehende Untersuchungen über die Muskulatur, das Nervensystem, die Blut- und Lymphgefässe des Herzens gebracht, hier soll auf den Faseraustausch zwischen dem cerebro-spinalen und dem sympathischen Nervensystem und das physiologische Verhalten beider zu diesem und jenem Herzabschnitt das Augenmerk gerichtet werden. Tafel II bringt den Verlauf des Vagus vom Hunde beiderseits; die Stelle, wo er den unteren Cervicalknoten vom Sympathicus er- reicht, und die Verbindung des letzteren mittels der Ansa Vieussenii mit dem ersten Brustknoten. Links sieht man den Vagus etwas oberhalb des Arcus aortae einen bedeutenden Nervenzweig abgeben, _ welcher sich um den Aortenbogen schlingt und hernach parallel der Trachea nach oben verläuft (N. recurrens sinister).. Rechts geht dieser Nerv bedeutend höher vom Vagus ab, schlägt sich in der Nähe des Ganglion stellatum um die Arteria subelavia und geht ebenfalls parallel der Trachea nach oben. Ausserdem sieht man vom Vagus in verschiedener Höhe (Taf. II, Fig. A u. B) dünne Nervenzweige abgehen, so rechts (Fig. A, Taf. II): einen vom Rekurrensbogen (nr) mit zwei oder drei Wurzeln entspringenden dünnen Nervenfaden («), weleher mit einem dickeren (db) verschmilzt, einen gemeinschaftlichen ‚Ast bildend, der in der Nähe des Herzens wiederum sich teilt und zu der Mündung der unteren Hohlvene und zum Vorhof tritt (1). Etwas unterhalb des Rekurrensbogens entspringt vom Vagus ein zweiter dünner Nervenfaden (2) und zieht, sich teilend, fast zu der- selben Stelle wie der vorhergehende Faden (1). Fernerhin gehen vom rechten Vagüus drei oder vier Nervenfaden zum rechten Herzohr und zur Mündung der Vena cava ascendens. Ein fünfter Nerven- faden entspringt noch weiter unten vom Vagus, teilt sich auf halbem Wege zu der oberen Hohlvene, wo er sich abermals teilt. Links (Taf. II, Fig. V 5. d) sieht man ebenfalls vom Vagus und vom unteren sympathischen Cervicalknoten zum linken Herzohr und Herzventrikel Nervenfäiden ziehen. Das Verhalten der soeben beschriebenen Nervenzweige zum Herzen kann an der Hand verschiedener Methoden auch mit dem Mikroskop untersucht werden. So sieht man schon mit blossem Auge auf der Oberfläche in der Nähe der Vena cava ascendens des mit 1/oiger Osmiumsäurelösung behandelten Hunde- - herzens ein von den Vorhöfen auf den Ventrikel verlaufendes Nervenbündel, welchem besonders an der Mündung der Vena cava ascendens und an der Vorhofsventrikelgrenze zahlreiche Nerven- 114 Joh. Dogiel: knötchen anliegen. Es finden sich ferner Nerven und Nervenknötchen an der unteren Hohlvene und an der Oberfläche des rechten Herz- ohres in der Form von dunkeln Linien und Punkte. Fine neue Gruppe von Nervenknoten sieht man an der Strecke vom Aorten- anfang bjs zur Lungenvene. Diese Gruppe tritt deutlicher hervor, falls man den Aortenbogen und die Lungenvene durchschnitten und die Stümpfe zur Seite gezogen hat!). Aus den angeführten ana- tomischen Daten kann man entnehmen, dass die Nerven und Ganglien am Hundeherzen ringförmig um den grossen Gefässen an der Atrio- ventrikulargrenze und auf der Ventrikeloberfläche gelegen sind. Unter dem Einfluss einer 0,5 /oigen Essigsäure- oder 1—5 eigen Phenollösung wird auf der ganzen Herzoberfläche des Hundes, des Menschen und besonders des Kalbes?) unter dem Epithel des Epi- kardiums ein reiches Nervengeflecht sichtbar. Die Nervenganglien lagern sich sowohl unter dem Epithel wie auch zwischen der Musku- latur der Herzohren, Vorhöfe, an der Atrioventrikulargrenze und unterhalb derselben in der Herzspitze (Kalb). Ausserdem stösst man beim Kalbe?) auch unter dem Endokardiumepithel auf Nervennetze und einzelne dünnste Nervenfibrillen. Da das Herz des Menschen und der Säugetiere sehr reich an Blut- und Lymphgefässen ist, so kommt hierzu noch eine beträchtliche Anzahl von Gefässnerven ®). Auch beim Frosche sind die an der Stelle, wo der Aortenbulbus an den Vorhof und an die Kammer stösst, befindlichen Blutgefässe von Nervenfäden begleitet (vgl. Taf. IV, Nr. 11). Die Nervenelemente des Herzens gehören sowohl dem cerebrospinalen wie auch dem sympathi- schen System an. Beide Systeme verlaufen nicht allein oft zusammen, sondern stehen auch im Faseraustausch zueinander. So z. B. treten vom Vagus, welcher beim Hunde mit dem Sympathieus in eine gemein- schaftliche Hülle am Halse eingeschlossen ist, Fasern zum Sym- pathieus und umgekehrt; der Rekurrens enthält Fasern vom Vagus und vom unteren Halsknoten — die Nervenfasern vom Rekurrensbogen. Das Ganglion cervicale infimum sendet Fortsätze zum Vaeus und zum oberen Halsknoten und steht mit dem ersten Brustknoten 1) J. Dogiel, Pflüger’s Arch. f. d. ges. Physiol. Bd. 135 S. 25. 1910. 2) J. Dogiel, Pflüger’s Arch. f. d. ges. Physiol. Bd. 135 Taf. Ill. 8) J. Dogiel, Pflüger’s Arch. f. d. ges. Physiol. Bd. 135 Taf. II, Fig. 8 u. 9. 4) J. Dogiel und K. Archangelsky, Die gefässverengernden Nerven der Kranzarterien des Herzens. Pflüger’s Arch. f. d. ges. Physiol. Bd. 116, Tafel XIX, XX u. XXI. 1907. Das Verhältnis des Nervensystems zur Herztätigkeit beim Hunde etc. 115 durch die Ansa Vieussenii im Zusammenhang, welche letztere aus sympathischen und spinalen Nervenfasern besteht. Das Ganglion stellatum ist aus Nervenzellen und Nervenfasern zusammengeflochten), welche teils spinalen, teils sympathischen Ursprungs sind. Äusserst demonstrativ sind Präparate aus dem mit 1°/ooiger Pikrinsäurelösung behandelten, in dünne Schnitte zerlegten und in Glycerin gebetteten ersten Brustknoten (Leitz, Obj. 6, Ok. 3, Tubus-O; Tafel IV, Nr. 10). Diesbezügliche anatomische Daten vom Hund in bezug auf Venen (Fig. D), Arterien (Fig. II) und Nerven (Fig. II) haben O. Schmiede- berg?) und gleichzeitig F. Nawrocky®) gebracht. Meine Unter- suchungen erstrecken sich auf Hund, Katze und Kalb*). Das Nerven- system des Herzens vom Hunde gleicht sehr dem des Menschen. An der Hohlvenenmündung, den Herzohren und an der Atrioventri- kulargrenze und am oberen Drittel der Herzventrikel des Menschen (bei neugeborenen gestorbenen Kindern) können nach der Bearbeitung mit 0,5 '/oiger Essigsäure- oder 1 °/oiger Osmiumsäurelösung, wie ich es schon beschrieben habe *), mit blossem Auge Nervenknötchen und Nerven gesehen werden. Ferner habe ich unipolare Nervenzellen im Menschenherzen beschrieben. Vignal°) fand unipolare Nerven- zellen im Ventrikel und multipolare in den Atrien des Menschen- herzens. Letztere sollen dem sympathischen System angehören. Vignal hat.mit Chlorgold, Dogiel mit 1°/oiger Osmiumsäure- lösung gearbeitet. II. Physiologische Daten. Experimentelle physiologische Untersuchungen am Nervensystem des Herzens sind ausgeführt worden: an Kaninchen (C. Ludwig, v. Bezold, Cyon), an Hunden [O.Sehmiedeberg®,) DogielundK. Archangelsky')]. Ferner hät J. Dogiel®) die Bedingungen der automatisch-rhythmischen 1) J. Dogiel und K. Archangelsky, Pflüger’s Arch. Bd. 113 S. 74 Fig. 25 u. S. 75 Fig. 26. 1906. 2) O0. Schmiedeberg, Über die Innervationsverhältnisse des Hunde- herzens. Mit 3 Tafeln. Arb. a. d. physio). Anstalt zu Leipzig. 6. Jahrg. 1571. Mitgeteilt durch C. Ludwig 1872 S. 36—56. 3) F. Nawrocky, Warschauer Universitätsberichte. 1870. . 4) J. Dogiel, Arch. f. mikr. Anat. Bd. 14. 1877. 5) Vignal, Recherches sur l’appareil ganglionaire du cour des vertebres. Laborat. d’histologie du Collöge de France 1881. 6) ©. Schmiedeberg,. c. 7) J. Dogiel und K. Archangelsky, I. c. 8) J. Dogiel, Pflüger’s Arch. f. d. ges. Physiol. Bd. 135. 1910. 116 Joh. Dogiel: Herzkontraktionen an der Hand vergleichend anatomischer und physio- logischer Beobachtungen erforscht. Die vorliegenden physiologischen Untersuchungen sind vorzugsweise an Hunden angestellt worden. Waren die vorher gewägten Versuchstiere curaresiert oder chloro- formiert, so kam künstliche Atmung mit elektrischem Betrieb zur Anwendung. Zuweilen wurde nur Morphium subkutan appliziert oder das Tier blieb auch ganz unvergiftet. Der Blutdruck, die Puls- frequenz, Moment und Dauer der Reizung wurde in Sekunden nach einem Chronometer auf dem endlosen Papier des rotierenden Kymo- graphions vermerkt. Bei der zur Freilegung des ersten Brustknotens und anderer Nerven in der Nähe des Herzens notwendigen Eröffnung der Brusthöhle wurden die Zwischenrippenarterien sorgfältig unter- bunden, um grössere Blutverluste zu vermeiden. Zur Verhütung einer stärkeren Abkühlung des Herzens diente mit auf Bluttempera- tur erwärmten Wasser getränkte Watte. Zur Reizung der Nerven dienten isolierte Elektroden vom du Bois-Reymond’schen In- duktorium bei verschiedenem Spiralenabstand und einem Bunsen- schen Element. Falls Nerven zu Versuchszwecken durchschnitten waren, so wurden beide Stümpfe in Ligaturen gefasst. Ich hatte schon nachgewiesen '), dass die Reizung der Nervenfäden der Vieussen’schen Schlinge mittels Induktionsstroms von gewisser Stärke Zunahme der Frequenz der Herzschläge und Erhöhung des Blutdrucks zur Folge hat. I. Reizt man den nicht durehschnittenen Nervenfaden der Ansa Vieussenii über der Subelavia, so erhält man: 1. frequentere Herzschläge, 2. höheren Blutdruck und 3. Pupillenerweiterung (beim 6500 g schweren curaresierten Hund bei künstlicher Atmung). Vor der Reizung betrug die Zahl der Herzkontraktionen in 10 Sekunden — 28, während der Reizung bei 100 mm Spiralenabstand — 33; der Blutdruck nahm um 25—30°o zu, und die Pupille erweiterte sich bei jeder Reizung. Wird der Faden über der Subelavia durch- schnitten und reizt man den zum ersten Brustknoten gehenden Stumpf, so erhält man beim Hunde gewöhnlich eine bedeutende Er- höhung des Blutdrucks, welche aber ausbleibt, sobald man den Zu- sammenhang des ersten Brustknotens mit dem Rückenmark aufhebt. Die Reizung dieses Nervenfadens gibt nun nur Zunahme der Fre- 1) J. Dogiel und K. Archangelsky, Der bewegungshemmende und der motorische Nervenapparat des Herzens. Pflüger’s Arch. Bd. 113 S. 65 bis 68. 1906. Das Verhältnis des Nervensystems zur Herztätigkeit beim Hunde etc. 117 quenz der Herzschläge. II. Analoge Resultate erhält man bei der Reizung des durchschnittenen oder nicht durchschnittenen Nervenfadens der Ansa Vieussenii unter der Subelavia. III. Die Reizung des langen vom ersten Brustknoten links bei Hunden und Katzen direkt zum Herzen gehenden durchscehnittenen Nerven- fadens gibt um 30° frequentere Herzschläge und hebt den Blut- druck um 20 Jo. Obwohl wir auch früher schon!) den Einfluss der Reizung des ersten Brustknotens und des Rückenmarks studiert hatten, so mussten wir jetzt an der Hand neuer anatomischer Daten diese Unter- suchungen wieder aufnehmen. Wie wir gesehen, kann jeder der über und unter der Subelavia verlaufenden Fäden der Ansa Vieussenii in zwei Teile: einen rechten und linken (das Ver- suchstier liegt auf dem Rücken) zerlegt werden; jeder Schenkel der Ansa Vieussenii besteht aus vier Fäden (Fig. 3). Somit kann an die Stelle der Reizung des oberen oder unteren Gesamtschenkels die der rechten oder linken Hälfte eines jeden oder auch die jedes der acht Fädchen für sich vor und nach der Durchschneidung der- selben treten. Vergleichen wir die Resultate der Reizung der ganzen über und unter der Subelavia gehenden Schenkel der Vieussen’schen Schleife mit denen, welche durch die Reizung der einzelnen Teile derselben erhalten wurden, so bemerkt man recht erhebliche Unterschiede. ‚Während im ersteren Falle gewöhnlich der Blutdruck erhöht wird und die Zahl der Herzschläge zunimmt (Taf. II, Fig. A «, 2), erhält man bei der Reizung des unversehrten rechten oder linken Teiles der Schenkel der Vieussen’schen Schleife mittels des In- duktionsstroms von bestimmter Stärke Abnahme des Blutdrucks und der Frequenz der Herzschläge, was an die Wirkung der Vagus- reizung erinnert. Somit enthalten die vom ersten Brustknoten zum unteren Cervicalknoten und zum Herzen ziehenden Nervenfäden Fasern, welehe die Herzkontraktionen beschleunigen und verlang- samen und den Blutdruck erhöhen und herabsetzen, was wohl durch Vorhandensein von spinalen, sympathischen und Vagusfasern dort- selbst zu erklären ist. Eine solche Verflechtung von Nervenfasern verschiedener Abstammung und ihr Zusammenhang mit drei ver- schieden grossen Ganglien des Halssympathieus (Fig. 2 u. 3) gibt 1) J. Dogiel und K. Archangelsky, l.c. 18 Joh. Dogiel: uns Aufschluss, warum die Reizung des unversehrten über der Sub- elavia befindlichen Schenkels der Vieussen’schen Schlinge die Herztätigkeit verändert und die Pupille erweitert, und wie der Re- flex erfolgt, falls man das Ende gegen das Herz hin des dureh- schnittenen unter der Subelavia befindlichen Schenkels der Ansa Vieussenii, wenn der über der Subelavia verlaufende Schenkel der letzteren heil bleibt, reizt (Fig. 40), oder aber, weshalb die Reizung des Stumpfes vom durchschnittenen oberen Faden, beim unverletzten unteren Zunahme der Frequenz der Herzschläge und Erhöhung des Blutdrucks gibt, wie es auch von Francois Franck!) beobachtet worden ist. Die Pupillenerweiterung und Gefässverengerung erklärt sich durch die Beziehungen des Sympathieus zu der glatten Muskulatur der Iris des Menschen und der Säugetiere und der Herz- gefässe. Den Zusammenhang des ersten Brustknotens mit dem Rückenmark zeigt folgender Versuch: 10800 g schwerer Hund, 4 cem Curarelösung, Reizung des Knotens bei 120 mm Spiralen- abstand, Beschleunigung der Herzkontraktionen von 33 auf 39 in 10 Sekunden —= um 18°/o, Erhöhung des Blutdrucks um 25 %o. Bei erneuter Reizung bei 100 mm Spiralenabstand. Frequenzzunahme von 34 bis 39 = 15°/o, Blutdruckerhöhung um 20°. Nach der Durehtrennung der zum Rückenmark gehenden Fäden gibt die Reizung des ersten Brustknotens bei 100 mm Spiralenabstand wohl Beschleunigung der Herzkontraktionen von 34 auf 40 in 10 Sekunden, oder um 18°, aber keine Erhöhung des Blutdrucks mehr?) [vel. Tafel X, Fig. 38°)]. Ausser dem Einfluss des Rückenmarks, des ersten Brustknotens und dessen Verbindungsfäden mit dem unteren Cervicalknoten des Sympathieus und dem Nervengeflecht des Herzens unterliegt noch der Einfluss des aus dem Gehirn stammenden Vagus unserer Be- trachtung. Hierbei muss der Vagus an der ganzen Strecke von der Abgabe des oberen Kehlkopfnerven bis zu dem Rekurrensursprung und den von ihm zu den verschiedenen Herzabschnitten gehenden Nerven untersucht werden. Nieht ausser acht zu lassen ist auch 1) Francois-Franck, Gazette hebdomadaire 1879. 2) J. Dogiel u. K. Archangelsky, Pflüger’s Arch. f. d. ges. Physiol. Bd. 113 S. 67 u. 68. 1906. 3) Zum vollen Verständnis der Hinweise auf die Blutdruck- und Herz- kontraktionskurven sei hier auf die Erklärung derselben am Schluss meiner Ab- handlung besonders hingewiesen. Das Verhältnis des Nervensystems zur Herztätigkeit beim Hunde etc. 119 der vom N. laryngeus superior und dem Vagusstamme mit zwei Würzelchen entspringende und mit dem Vagus und dem Hals- sympathicus, beim Hunde in eine gemeinschaftliche Scheide eingehüllt, zum Herzen verlaufende N. depressor (Fig. 5), das an der Abgangs- stelle des oberen Kehlkopfnerven beim Menschen, Hunde, Katze, Schweine und Kaninchen gut ausgebildete, beim Pferde und Rinde scheinbar fehlende!) Ganglion nodosum n. vagi und die von rechts und links in verschiedener Halshöhe befindlichen Rekurrensbögen (Taf. II, Fig. A u. B) mit zwei Wurzeln entspringenden und hernach zu je einem Stamm verschmelzenden zum Herzen gehenden Nerven- fäden (Taf. II, Fig. A). Es sollen endlich noch nicht unbeachtet bleiben die mit dem Vagus im bestimmten Verhältnis stehenden, in den verschiedenen Herzabschnitten befindlichen Gruppen von Nerven- zellen, deren Anteil an der Herztätigkeit ja so unverkennbar ist. Bekanntlich äussert der sowohl zentrifugale als auch zentripetale Fasern enthaltende Vagus seinen Einfluss auf die verschiedensten Funktionen im Organismus: auf die Blutzirkulation, die Atmung, die Herzkontraktionen, die Magendarmbewegungen, die Sekretionen. Er ist physiologisch, chemisch und physisch-mechanisch erregbar. Der bekannte Physiologe Czermak konnte bei sich selber durch Druck mit dem Finger am Sternocleidomastoideusrande Verlang- samung der Herzkontraktionen hervorrufen und erklärt diesen Effekt nicht durch Kompression der Carotis oder Jugularvene, sondern durch Reizung des Vagus?). Thanhoffer?) erhielt durch Kompression beider Vagi am Halse eines jungen Menschen, dessen Puls durch Hebel registriert wurde, einen 67 Sekunden andauernden Herzstill- stand mit Bewusstseinverlust. Nachdem die Kompression eingestellt wurde, kehrte das Bewusstsein ganz allmählich wieder. Wasi- lewsky*) konnte durch Druck auf den Vagus bei 35 Kranken und 10 Gesunden Verlangsamung der Herzkontraktionen hervorrufen. Der Vagus hat durch seinen Einfluss auf das Herz schon die Auf- 1) Prof. K. Holzmann und Prof. J. Dogiel, Über die Lage und den Bau des Ganglion nodosum n. vagi bei einigen Säugetieren. Arch. f. Anat. u. Physiol. Anat. Abt. 1910. 2) Czermak, Jenaische Zeitschr. f. Medizin u. Naturwissensch. Bd. 2 u. 3. 1865. 3) Thanhoffer, Zentralbl. f. med. Wissensch. 1876 Nr. 25. 4) Wasilewsky, Krakauer med. Wochenschr. 1876. Separatabdr. f. prakt. Heilkunde. i 120 Joh. Dogiel: ad merksanıkeit solcher Forscher wie Rufus aus Ephesos und Galenus!) erregt, welche ihn bei Tieren durchschnitten; auch Willis und Lover geben Ende des 17. Jahrhunderts an, dass nach der Durchtrennung des Vagus das Herz schneller schlage, und Volkmann?) erhielt schon 1838 Verlangsamung der Herzkontrak- tionen durch Reizung des Vagus mit konstantem Strom, welche Tat- sache 1846 auch Cl. Bernard bekannt war („j’ai pour ma part, ‚observ& ce fait en 1846°)°). Trotzdem blieb die Kenntnis über den Einfluss des Vagus auf das Herz gering, fesselte kaum die Aufmerksamkeit und erregte eher die Verwunderung, so dass Galvani*) diese Erscheinung mit dem Ausdruck „incantessimo“*, d. h. Zauberei, belegte. Erst die Be- obachtungen der Gebrüder Ed. und E. H. Weber?) lenkten die Aufmerksamkeit aller Physiologen auf dieses Gebiet und riefen eine Reihe von Untersuchungen über diese Frage ins Leben. Die Ehre, den Vagus als Hemmungsnerv für das Herz beim Frosch, den Vögeln und Säugetieren erkannt zu haben, gebührt den Gebrüdern Weber, wie das aus folgenden Worten von E. H. Weber hervorgeht: „Be- merkenswert sind die von meinem Bruder und ınir gemeinschaftlich gemachte Entdeckungen, dass die galvanomagnetische Reizung des- jenigen Teiles des Gehirnes, von welchem die Nervi vagi entspringen, oder auch die unmittelbare Reizung ber beiden Nervi vagi das Herz in Erschlaffung versetzt, das Tempo der rhythmischen Bewegung des Herzens verlangsamt und [sogar das Herz ganz zum Stillstand bringt ...“ Ferner: „Was die Haller’sche Irritabilitätslehre betrifft, so stimmen wir, mein Bruder und ich, darin überein, dass sie zu verwerfen sei, und zwar aus folgenden Gründen: Da alle Muskeln zahlreiche Nerven besitzen und kein Muskel gereizt werden kann, ohne dass zugleich die in ihm verbreiteten Nerven mitgetroffen werden.“ 1852 hat Stannius einen kurzen Bericht über den Ein- fluss der Ausschaltung bestimmter Herzteile auf den Rhythmus der Herzkontraktionen beim Frosche veröffentlicht °). Besonderes Inter- 1) v. Bezold, Innervation des Herzens. 2) Volkmann, Arch. f. Anat. u. Physiol.?1838. 3) Cl. Bernard, Systeme nerveux 1858 p. 381. 4) Galvani, Opere de Luigi Galvani. Bologna 1841. Rapporto di Silvestro Gherardi. 5) E. H. Weber, Über Eduard Weber’s Entdeckungen in der Lehre von den Muskelkontraktionen. Müller’s Arch. f. Anat. u. Physiol. 1846 S. 497. 6) Stannius, Arch. f. Anat. u. Physiol. 1852. Das Verhältnis des Nervensystems zur Herztätigkeit beim Hunde etc, 121 esse beanspruchen Punkt 7 und 10 seiner Resultate. Im 7. Punkte heisst es, dass eine auf die Grenze des Venensinus mit dem rechten Vorhof gelegte Ligatur Stillstand des Herzens in Diastole mit Aus- nahme der drei Hohlvenen und des Venensinus bewirkt. Wird nun eine zweite Ligatur auf die Atrioventrikulargrenze gelegt, so fängt der Ventrikel an sich wieder rhythmisch zu kontrahieren, während die - Vorhöfe wie vorhin in Ruhe verharren. Eine Erklärung dieser Er- scheinung blieb aus. Durch die Reizung des R. cardiacus n. vagi beim Frosche an verschiedenen Stellen seines Verlaufs, näher kopfwärts oder näher zum Herzen, an der Vorhofscheidewand, oder nach der Durch- schneidung durch die Reizung des rechten oder linken R. cardiacus in der Richtung zu den Remak’schen oder Bidder’schen Knoten erhält man verschiedene Erscheinungen in der Herztätigkeit beim Frosche. Ähnliches ergibt die Reizung in bezug auf das Herz des Menschen und der Säugetiere, je nachdem der Vagus an der Ab- gangsstelle des oberen Kehlkopfnerven oder weiter unten in der Nähe des unteren Cervicalknotens gereizt wird. Die Resultate sind verschieden, wenn man den rechten oder linken Vagus, oder nach der Durchschneidung, zum Kopfe hin oder herzwärts, in oder ausser- halb der Scheide, in welcher er beim Hunde zusammen mit dem Sympathieus und dem Depressor eingeschlossen ist, bei verschiedener Stromstärke und verschieden lange reizt. Hat man den Vagus an der Abgangsstelle des oberen Kehlkopf- nerven durchschnitten und reizt darauf das b) Ganglion nodo- sum n. vagi, so erhält man beim Kaninchen und Hunde, nicht aber beim Kalbe zuerst eine geringe Herabsetzung des Blutdrucks und Verlanesamung der Herzschläge und hernach Erhöhung des Blut- drucks (vgl. Fig. 1a und Fig. 15). Dieser Unterschied im Reizungs- effekt beim Hunde und Kaninchen einerseits und dem Kalbe anderer- ° seits ist wohl dadurch zu erklären, dass beim Kalbe an der ent- sprechenden Stelle keine Anhäufung von Nervenzellen sich findet. Je weiter vom Ganglion nodosum zum Herzen hin der Vagus bei sleicher Stromstärke gereizt wird, desto bedeutender ist die Herab- setzung des Blutdrucks und die Verlangsamung der Herzkontraktionen (Taf, VII, Fig. 3-5). Die Reizung des kranialen Endes des am 1) J. Dogiel und K. Archangelsky, Pflüger’s Arch. Bd. 113 S. 16 Fig. 3. 122 Joh. Dogiel: Halse durchschnittenen Vagus gibt beim Hunde gewöhnlich Blut- druckerhöhung und beim schwachen Strom Beschleunigung, bei starkem aber Stillstand des Atmens während der Reizung. Geschieht die Reizung des kranialen Vagusstumpfes am vorher euraresierten Hunde, bei künstlicher Atmung, so erhält man nicht Erhöhung, sondern Herabsetzung des Blutdrucks, was als Folge der Reizung des c) N. depressor (Taf. VII, Fig. 8) aufzufassen ist, weil sie ausbleibt, falls die vom Vagusstamm und vom oberen Kehlkopf- nerven abgehenden Würzelchen dieses Nerven am kranialen Vagus- stumpf durchschnitten werden. Wie schon lange bekannt, gibt die Reizung des peripheren Vagusstumpfes mittels Induktionsstroms Herab- setzung des Blutdrucks und Verlangsamung und Stillstand der Herz- kontraktionen auf kürzere oder längere Zeit. Nach der Einstellung der Reizung geht der Blutdruck schnell in die Höhe, und man er- hält verhältnismässig grössere Werte als vor der Reizung. Wird jedoch die Reizung des peripheren Vagusstumpfes nach dem Eintritt der Herabsetzung des Blutdrucks und Verlangsamung der Herz- kontraktionen fortgesetzt, so fängt das zum Stillstand gebrachte Herz wieder an zu schlagen, und der Blutdruck geht zur früheren Höhe; eine weitere Erhöhung desselben nach der Einstellung der Reizung bleibt aber aus (Taf. VI, Fig 9). Schon viele Physiologen haben ferner darauf hingewiesen, dass der Reizungseffekt des rechten Vagus mit dem des linken in bezug auf die Herztätigkeit nicht gleich ist, was teilweise auch von der Stärke und Dauer der Reizung abhängen kann. Die Durchsehneidung des einen Vagus am Halse des Versuchstieres hat fast gar keinen Einfluss auf die Frequenz der Herzschläge, während nach der Durchschneidung beider Vagi die Herzkontraktionen häufiger werden, welche Erscheinung für die Beeinflussung der Erreebarkeit und Leitungsfähigkeit der Vagi durch das Gehirn spricht. Bei den Angaben der Autoren über diese oder jene Wirkung der Vagusreizung ist es nicht immer klar, ob es in Betracht gezogen worden ist, dass der Vagus mit dem Sympathicus zusammen in einer Hülle sich befindet. Auch in dem bekannten Czermak’schen Versuch mit der Vaguskompression an eigenem Halse werden die Haut, die Blutgefässe, der Sympathieus, Depressor und andere Nerven mit komprimiert. Wissen wir doch, dass selbst beim Menschen nicht allein Verlangsamung, sondern auch ein mehr oder weniger dauernder Stillstand des Herzens in Diastole durch Reizung sensibler Hautnerven, Einwirkung auf das Gesicht, Gehör usw. be- na Das Verhältnis des Nervensystems zur Herztätigkeit beim Hunde etc. 123 wirkt werden kann, also ohne direkte Vagusreizung auftritt. Will man also die Funktionen des Vagus prüfen, so muss man ihn am Halse vom Sympathieus isolieren und hierauf erst den unversehrten Stamm oder den kranialen oder kaudalen Stumpf des durchschnittenen Nerven reizen. Nimmt man den unversehrten isolierten Vagusstamm auf die Elektroden und reizt ihn mit verschieden starken Strömen, - so erhält man fast gleichzeitig Veränderung der Herztätigkeit, der Atmung und Schwankungen des Blutdrucks. Reizung des peripheren Vagusstumpfes gibt, wie wir gesehen, Verlangsamung oder Stillstand der Herzkontraktionen in Diastole und Herabsetzung des Blutdrucks und bei fortgesetzter Reizung Beschleunigung der Herzschläge und Erhöhung des Blutdrucks. Auf Reizung des kranialen Vagusstumpfes erfolgt Erhöhung des Blutdrucks und, falls der andere Vagus er- halten ist, Verlangsamung der Herzschläge; bei schwachen Reizen wird die Atmung beschleunigt, bei stärkeren Reizen kann sie ganz sistieren. Nicht ohne Interesse ist die Tatsache, dass der Grad der Verlangsamung oder die Dauer des Stillstandes des Herzens in ge- wisser Abhäneigkeit zum Applikationsort des Reizes — näher zum Herzen oder näher zum Ganglion nodosum n. vagi — steht (Taf. VII, Fig. 3—5). Durchschneidet man den Vagus etwas oberhalb der Abgangsstelle des oberen Kehlkopfnerven und reizt das Ganglion nodosum, indem man es auf isolierte Flektroden nimmt, so erhält man beim Kaninchen und Hunde keine Herabsetzung, sondern Er- höhung des Blutdrucks ohne Verlangsamung der Herzschläge (Taf. VI, Fig. 1a und 15). Beim Menschen, welcher ebenfalls ein Ganglion nodosum besitzt und Nervenzellenhaufen weiter unten im Vagusstamm, gleich dem Hunde, aufweist, müssen analoge Verhältnisse bestehen. Beim Kalbe, wo solche Anhäufungen von Nervenzellen unterhalb des N. laryngeus superior fehlen, konnte ich bei der Reizung des Vagus in der Nähe der Abgangsstelle des oberen Kehlkopfnervens nicht solche Resultate wie beim Hunde und Kaninchen erhalten (Taf. VI, Fig. 1c bis le). Schon C. Ludwig und Cyon hatten gezeigt, dass die Reizung des peripheren Depressorstumpfes effekt- los bleibt, die des kranialen aber jedesmal den Blutdruck sinken lässt. Der Depressor ist bisher beim Kaninehen, Hunde, Schweine, Kalbe, Pferde, Menschen, Vögeln und sogar bei der Emys caspica vorgefunden worden. Dieser Nerv stellt augenscheinlich einen Re- sulator in bezug auf die Herztätigkeit und den Blutdruck dar. Meine Kurven demonstrieren die Herabsetzung des Blutdrucks durch 124 Joh. Dogiel: Reizung des N. depressor beim Hunde, Ferkel, Kalbe und Truthahn, ähnlich den Beobachtungen am Kaninchen von C. Ludwig (Taf.X, Fig. 33 bis 37 b). In der Ansa Vieussenii des Hundes haben wir hiergegen einen Nervenfaden, dessen Reizung zum Ganglion stellatum hin den Blutdruck in die Höhe treibt; somit besitzt das Herz nicht allein einen Depressor, sondern auch einen Pressor: vermag es durch Vermittelung des ersteren den Blutdruck herab- zusetzen, so kann es durch den letzteren ihn heben. Wie wir gesehen, gehen rechts vom Vagus und dem Recurrens- bogen fünf Nervenfäden zu den verschiedensten Herzabschnitten: zur Mündung der oberen und unteren Hohlvene, zum Vorhof, dem’ rechten Herzohr und den Ventrikeln (Taf. II Fig. A). Durch elek- trische Reizung dieser fünf Nerven, sowohl für sich isoliert und unverletzt wie auch der kranialen und peripheren in Ligatur ge- fassten Stümpfe nach der Durchsehneidung derselben, wobei Blut- druck und Pulsfrequenz registriert werden, habe ich charakteristische Verlangsamung oder ausgeprägte anhaltende Beschleunigung der Herzkontraktionen nach der Einstellung der Reizung erhalten, ähn- lich wie OÖ. Schmiedeberg es über seine Versuche am Hunde berichtet. Die Resultate der Reizungen dieser fünf Nerven sowohl im unversehrten Zustande wie auch der kranialen und peripheren Stümpfe nach der Durehschneidung derselben sind bei verschiedenen Tieren und auch bei einem und demselben Tiere durchaus nicht gleich, was wohl davon abhängt, dass diese Nerven in verschiedener Höhe Fasern zueinander abgeben und voneinander erhalten und mit verschiedenen Nervenzellengruppen an der Hohlvenenmündung (Taf. II, Nr. 2, Leitz Obj. 3, Ok. 3) den Herzohren oder der Herzbasis im Zusammenhang stehen. Die von mir erhaltenen Kurven, welche die Veränderungen des Blutdrucks und der Herztätigkeit bei der Reizung dieser Nerven wie auch der anderen Vagusabschnitte und Zweige veranschaulichen, bringe ich mit den entsprechenden Datenangaben am Schlusse dieser Abhandlung. Schlussbetrachtungen. Angenommen, dass das Herz eines ge- sunden Dreissigjährigen SOmal in der Minute sich zusammenzieht, so erhält man in einer Stunde 80-60 —=4800, in 24 Stunden 80-60 -24, einem Monat 80:60-24:30, im Jahre 80-60-24-50-12 und in 50 Jahren —= 2073600000 Kontraktionen. Obeleich in 50 Jahren die Zahl der Herzschläge bald geringer, bald grösser sein kann, so ist es doch erlaubt zu behaupten, dass das Herz eines gesunden Menschen Das Verhältnis des Nervensystems zur Herztätigkeit beim Hunde etc. 195 in 50 Jahren nicht weniger als 2 Billionen Kontraktionen aus- geführt hat. Jede Herzkontraktion ist aber mit Energieverlust von bestimmter Grösse verbunden, welcher zur neuen Arbeit ersetzt werden muss. Neue Energie wird mit neuem Stoff dem Herzen zugeführt. Ein Teil der Stoffwechselprodukte wird vom Herzen selbst verwertet, andere können von den übrigen Organen verbraucht werden, der Rest muss den Organismus auf diesem oder jenem Wege verlassen, weil er sonst den letzteren schädigen könnte. Das Herz schöpft das ihm nötige Material aus dem Blute und der die Gewebs- elemente umgebenden Flüssigkeit (Lymphe), wie ich es schon früher dargelegt habe )), Damit das Herz sich zusammenziehen kann, müssen seine quergestreifte Muskulatur und die glatte seiner Gefässe elastisch sein und Kontraktilität besitzen; ausserdem gehört dazu noch ein bestimmter Stimulus: mechanisch - physischer, chemischer oder physiologischer. Letzterer wird durch das Nervensystem ver- mittelt, das ja die Fähigkeit, sich zu erregen und die Erregung den Muskelelementen, dem verschiedenen Zellprotoplasma überhaupt, mitzuteilen besitzt. Die Herztätigkeit ist mit der Atmung eng ver- bunden; letztere ist aber vom Zufluss des Sauerstoffs und Anhäufung von Kohlensäure in dem zum Gehirn strömenden Blute abhängig. Das aus dem Körper entfernte blutleere Froschherz kann noch ziem- lich lange schlagen, und zwar sogar in einer Atmosphäre von Kohlen- säure, obgleich es in reinem Sauerstoff länger die Fähigkeit behält, und wenn es in CO, schon anfängt zu erlahmen, nimmt es, in O, gebracht, die Tätigkeit wieder auf. Auch das Herz der Säugetiere und des Menschen kann unter Anwendung bestimmter Flüssigkeit und Temperatur bei gewissem Druck und Anwesenheit von Sauer- stoff verhältnismässig lange seine Kontraktionen fortsetzen. Über den Einfluss der Ausschaltung gewisser Herzabschnitte aut den Rhyth- mus der Kontraktionen des Froschherzen lesen wir bei Stannius?) folgendes: „Wird genau diejenige Stelle unterbunden, wo der Hohl- venensinus in den rechten Vorhof mündet, so steht das ganze Herz im Zustande der Diastole anhaltend still. Nur die drei Hohlvenen und der Sinus ziehen sich selbständig zusammen (Versuch 7). Legt man, nach Anstellung des unter 7 beschriebenen Versuches, dessen 1) J. Dogiel, Die Bedingungen der automatisch-rhythmischen Herzkontrak- tionen. Pflüger’s Arch. Bd. 135 S.1. 1910. 2) Stannius, Arch. f. Anat. u. Physiol. 1852. Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd. 142. $) 126 Joh. Dogiel: Resultat Stillstand des ganzen Herzens ist, eine Ligatur um die Grenze zwischen der Kammer und den Vorhöfen, welche zugleich den Bulbus arter. mit umschnürt, so zieht sich der Vertrikel rhyth- misch lange Zeit hindurch zusammen, während die Vorhöfe in Ruhe verharren (Versuch 10). Diese Beobachtung von Stannius be- wahrheitet sich bei jeder Wiederholung des Versuchs, ohne dass man sich die Ursache dieser Erscheinung klar vorstellen konnte. Es ist mir!) nun gelungen, im oberen Drittel der Kammer, ent- sprechend den Atrioventrikularklappen, zwei Ganglien von be- deutender Grösse, jedes aus 9—12 Nervenzellen bestehend, nıyelin- haltigen Nervenfaserbündeln anliegend und zwischen der quergestreiften 'Kammermuskulatur gelegen, zu entdecken (Ganglia intraventrieularia). Die Entfernung dieser Ganglien hat Stillstand der Herzkammer des Frosches zur Folge?). In derselben Abhandlung, in welcher hierüber berichtet wurde, finden sich S. 16°) zehn schematische Diagramme von Froschherzen mit Durchschneidung der Nerven an der Vorhof- scheidewand und Einteilung von der Herzspitze bis zu den Remak- schen Knoten (v» 9 0) und von diesen bis zur Atrioventrikulargrenze (vg) und Angabe der Stellen, von welchen aus gereizt wurde, wor- auf verschiedenartige Veränderungen der Herztätigkeit eintrat. Das in Diastole zum Stillstand gebrachte Froschherz ruht wohl lange, doch nicht ganz: war der Stillstand durch das Anlegen einer Ligatur bewirkt, so fängt das Herz nach Entfernung der letzteren wieder an zu schlagen. Die Reizung eines solchen in Diastole ruhenden Herzens gibt verschiedene Resultate, je nachdem man Teile, welche Nervenzellen enthalten. oder solche, welche keine enthalten, reizt: im ersteren Falle erhält man auf eine Reizung mehrere rhythmische Kontraktionen, im letzteren auf jede Reizung nur eine Zusammen- ziehung, wie das schon Munk°), Marchand*) u. a. beobachtet haben. Diese Tatsache vermag die Ursache, warum die zweite Stannius’sche Ligatur Kammerkontraktionen bewirkt, zu erklären: es wird die Stelle, wo Nervenzellen liegen, gereizt; entfernt man mit der Abnahme der Lieatur den Reiz, ruht die Kammer wiederum. 1) J. Dogiel, Arch. f. d. ges. Physiol. Bd. 135 S. 30 u. 31 Fig. 30 u. 32. 1910. 2) J. Dogiel u. K. Archangelsky, Arch. f. d. ges. Physiol. Bd. 113 S. 16 Fig. 2. 1906. 3) Munk, Beilage zum Tageblatt der Naturforscher-Versammlung zu Speyer 1861. 4) Marchand, Arch. f. d. ges. Physiol. Bd. 18. 1878. we EEE EEE Das Verhältnis des Nervensystems zur Herztätigkeit beim Hunde ete. 127 Nach der Entfernung der Ganglia intraventrieularia hört das Herz auf, sich rhythmisch zusammenzuziehen, und gibt auf jede Reizung nur eine einzige Kontraktion. Loven!) fand, dass die isolierten Vorhöfe und der Venensinus, besonders wenn der letztere in der Nähe der Lungenvene, wo die Remak’schen Knoten sich befinden, gereizt wurde, bei der elektrischen Reizung viel schneller schlagen als ohne Reizung. So z. B. zählte man in 2 Minuten 65 Schläge des Venensinus, bei der Reizung aber führte er in derselben Zeit 127 Schläge aus. Ausserdem sah Loven, dass vom zerstückelten Frosehherzen nur diejenigen Teile, welche Nervenzellen enthielten, sich zusammenziehen, was gewiss dafür spricht, dass die Impulse zu den Herzkontraktionen beim lebenden Tiere von den Nerven- zellen ausgehen müssen. Volkmann?) war der erste, welcher in seiner Hämodynamik den allgemeinen Satz aufgestellt hat, dass die Bedingungen zu der Herztätigkeit im Herzen selber vorhanden sind. Diese Bedingungen sind nach ihm in den Herzganglien gegeben: „ich habe daher schon in meinen früheren Schriften die Hypothese aufgestellt, dass die im Herzen befindlichen Ganglien die Funktion eines regulatorischen Apparates haben“. Nach Bidder°) kommt den von ihm an der Atrioventrikulargrenze des Froschherzens ent- deekten Ganglien eine andere Funktion zu als den von Remak und C. Ludwig beschriebenen. Auf die Dissertation seines Schülers J. Rosenberg*), worin die von E. Weber gemachten Beobachtungen über .den Vaguseinfluss auf das Herz eine Bestätigung erfahren, kurz hinweisend, behauptet Bidder, dass die regelmässige Herztätigkeit das Resultat des regulatorischen Einflusses eines im Herzen selbst befindlichen Nervenzentrums sein muss; die Wirkung eines solchen Zentrums wird durch den Vagus gedämpft, da ja die Vagusdurch- schneidung sowohl beim Frosch wie auch, und in viel höherem Grade, bei den Säugetieren von Beschleunigung der Herztätigkeit begleitet ist. Reizt man nach Bidder während des diastolischen Herz- 1) Loven, Mitt. vom physiol. Laborat. in Stockholm 1886. 3) A. W. Volkmann, Nachweis der Nervenzentra, von welchen die Be- wegung der Lymph- und Blutgefässherzen ausgeht. Müller’s Arch. 1844. Die Hämodynamik nach Versuchen S. 378. Leipzig 1850. 3) F. Bidder, Über funktionell verschiedene und räumlich getreunte Nerven- zentra im Froschherzen. 1850. 4) G. Rosenberg, De centris motuum cordis ‚dispositiones anatomico- physiologicae. Dorpati 1850. 9* 128 Joh. Dogiel: stillstandes mit einer Nadelspitze den Ventrikel, so erfolgt Kontraktion der Kammer und nicht des ganzen Herzens, was nach ihm als Be- weis dafür gelten kann, dass der Vagus nur die Tätigkeit eines Teils des nervösen Herzzentrums hemnt; denn eine entsprechende Reizung des Vorhofs zu derselben Zeit, wo das Herz in Diastole ruht, gibt keine Kontraktion dieses Herzteiles. Am ausgeschnittenen Froschherz, das seine rhythmischen Zusammenziehungen fast ein- gestellt hat, gibt die Reizung mit der Nadelspitze nicht die Kon- traktion der gereizten Stelle, sondern der ganzen Kammer. Aus diesen Tatsachen schliesst Bidder, dass die angegebenen Kontrak- tionen durch Reflexe vermittelt werden, und zwar durch zentri- petale Fasern zu den Nervenzellen an der Atrioventrikulargrenze und durch zentrifugale Fasern von denselben Nervenzellen: reale „in einem Ganglion die Übertragung von zentripetalen auf zentrifugale Fasern stattfinden könne, dass es sich also auch in dieser Beziehung den Zentren des animalen Nervensystems anschliesst“. Somit lassen sich nach Bidder zwei Kategorien von Herzkontraktionen unterscheiden: rhythmische von den Remak’schen Knoten aus stimulierte und reflektorische von den Bidder’schen Knoten ausgehende („dass die reflektierten Bewegungen der Herzkammer von in dem Ventrikelrande gelegenen beiden Ganglien abhängen‘). Die Bidder’schen Nervenknoten müssen also als zum moto- rischen Apparat gehörig angesehen werden. Bezold zählt die C. Ludwig’schen Nervenknoten zum Hemmungsapparat und betrachtet die Remak’schen und Bidder’schen als motorische Nervenzentra des Herzens und glaubt, dass die rhythmischen Herz- kontraktionen durch die Tätigkeit beider motorischen Zentra und des Hemmungsapparates zustande kommt; mit der Ausschaltung der Nervenknoten auf irgendeine Weise wird die Wirkung der Hemmungs- vorrichtung durch die Arbeit des Bidder’schen Zentrums aus- geglichen, weshalb das Herz in Diastole stillsteht. Da jedoch weder Remak, C. Ludwig, Bidder noch Bezold die von mir im oberen Kammerdrittel gefundenen Nervenzellengruppen !) gekannt haben, so fragt es sich, welche Bedeutung den J. Dogiel’schen Nervenknoten zukommt. Meiner Meinung nach müssen alle Nerven- zellengruppen, gleichviel wo sie im Herzen vom Frosch, Hunde oder Menschen liegen, als motorische Nervenzentren des Herzens aufgefasst 1) J. Dogiel, Arch. f. d. ges. Physiol. Bd. 135 S. 30—31 Fig. 30 u 32. 1910. Das Verhältnis des Nervensystems zur Herztätigkeit beim Hunde etc. 199 werden. Ohne die Funktion der Bidder’schen Ganglien zu kennen, behauptet Eekhard: „Über die Funktion der beiden Atrio- ventrikularsanglien wissen wir nichts; jedenfalls sind sie nieht der Vermittler der sogenannten reflektorischen Bewegungen, die am ruhenden Ventrikel auf Reize auftreten.“ Eckhard unterscheidet zwei Arten von Herzbewegungen beim Frosche: automatische, von dem Herzabschnitt, wo der Venensinus in den rechten Vorhof übergeht und eine grosse Anhäufung von Nervenzellen und der Zusammentritt der beiden Vagi sich befinden, ausgehende und unter dem Vaguseinfluss stehende und spontane Bewegungen, welche auf die äussere Reizung der verschiedenen Stellen des ruhenden Herzens auftreten und nicht an das Vorhandensein von Nervenknoten dortselbst gebunden sind. Gleich Bidder!) ist Lövit?) zu dem Schluss gelangt, dass „Sämtliche Ganglienzellen des Herzens, wie bereits in einer früheren Mitteilung auseinandergesetzt wurde, physio- logisch gleichwertige sind und stellen das motorische Zentrum des Herzens dar.“ R. Tigerstedt?) bezeichnet als das wahrscheinlichste Resultat aller dieser Frage gewidmeten Untersuchungen die Annahme, dass die Ursache der Herzkontraktionen in der Tätigkeit der Remak’schen im Venensinus enthaltenen Ganglienzellen zu suchen sei; die Nervenknoten der Vorhofscheidewand und der Kammer beteiligen sich ebenfalls hieran, aber im geringeren Grade. Diejenigen Teile des isolierten Kaltblüter- herzens, welche grössere Mengen von Nervenzellen enthalten, schlagen länger als die übrigen Herzabschnitte. Auch das Warmblüterherz kann unabhängig vom zentralen Nervensystem einige Zeit hindurch sich zusammenziehen, wie die Beobachtungen von Waller und Reid*), Rawitz’), Tigerstedt‘) u. a. es lehren. So schlug das isolierte, unblutige Kaninchenherz 72 Minuten; Rawitz konnte 4 Stunden lang die Kontraktionen der Herzkammer eines sechs- monatlichen menschlichen Fötus nach dem Tode beobachten. Als Tigerstedt die Vorhöfe von den Kammern des Hundeherzens an 1) Bidder, Arch. f. Anat. u. Physiol. 1871. 2) Lövit, Pflüger’s Arch. f. d. ges. Physiol. Bd. 28. 3) Tigerstedt, Arch. f. Anat. u. Physiol. 1884. 4) Waller u. Reid, Philosophical transactions 1887. 5) Rawitz, Arch. f. Anat. u. Physiol. 1885. 6) R. Tigerstedt, Arch. f. Anat. u. Physiol. 1884. 130 Joh. Dogiel: der Atrioventrikulargrenze mittels des Atriotoms anstatt der Ligatur, wie es Wooldrige!) getan, getrennt hatte, fahren die Kammern fort zu schlagen, wenn auch nicht so lange wie ohne eine solche Operation. In bezug auf die reflektorischen Bewegungen des Frosch- herzens habe ich?) schon anderen Ortes sagen können: „dass beim Frosch die Reflexe gerade in den Ganglienknoten des Herzens selbst und unabhängig von den grossen Nervenzentren zustande kommen“. Beim Hunde kann ein gleicher Reflex dadurch zur Anschauung ge- bracht werden, dass man den unter der Subelavia befindlichen Nerven- faden der Ansa Vieussenii durchschneidet und den Stumpf zum Herzen hin reizt, während der über der Subelavia gehende Nerven- faden der Vieussen’schen Schleife intakt ist, somit einerseits mit dem untersten sympathischen Cervicalknoten und andererseits mit dem Ganglion stellatum und dem Rückenmarke verbunden bleibt, Es erfolgt hierbei eine Erhöhung des Blutdrucks (Taf. X Fig. 40), weil der Reiz dem Ganglion cervicale infimum und von dort zum Ganglion stellatum und Rückenmark übermittelt wird. Eine eben- solche Erhöhung des Blutdrucks erfolgt auf Reizung des Stumpfes vom über der Subelavia befindlichen Nervenfaden der Ansa Vieussenii in der Richtung zum untersten sympathischen Cervical- knoten wegen der Übermittelung des Reizes zum Ganglion stellatum und Rückenmark, wie es auch höchstwahrscheinlich Francois- Franck beobachtet hat. Der Umstand, dass die Reizung eines jeden intakten oder durchschnittenen von den zwei oder vier Teilen der oberen und unteren (in bezug auf die Art. subelavia) Nerven- fäden der Ansa Vieussenii unbeständige Resultate gibt, findet seine Erklärung durch die Zusammensetzung dieser Fäden aus Fasern verschiedener physiologischer Bedeutung — aus Nn. pressores und Nn. acceleratores. Sahen wir doch, dass der unterste sympathische Cerviealknoten des Hundes aus drei verschieden grossen Ganglien besteht und mit den Fäden der Ansa Vieussenii verbunden ist, ausserdem Nervenfäden zum Vagus abgibt und erhält. So erhält der vom Rekurrensbogen zum Herzen gehende Nerv Fasern des Rekurrens und des untersten Halsknotens (Taf. II Fig. A, a und 1) Wooldrige, Arch. f. Anat. u. Physiol. 1883. 2) J. Dogiel, Arch. f. d. ges. Physiol. Bd. 135 S. 92 und J. Dogielu. K. Archangelsky. Pflüger’s Arch. f. d. ges. Physiol. Bd. 113 S. 16—18. Schemata des Froschherzens (Fig. 3) und Versuche. Das Verhältnis des Nervensystems zur Herztätigkeit beim Hunde etc. 131 Fig. B). Reizt man den intakten Depressor oder seinen kranialen Stumpf am Halse beim Kaninchen, Katze, Hunde, Ferkel und Kalbe, so erhält man Herabsetzung des Blutdrucks, während die Reizung des peripheren Stumpfes von diesem Nerven der Blutdruck nicht verändert. Somit zibt es einen Nerven, welcher den Blutdruck herabsetzt (N. depressor; Taf. X Fig. 33—37) und einen, der den Blutdruck hebt (N. pressor; Taf. XI Fig. 41, 42). Auf Taf. II Fig. A und Fig. B sieht man die rechterseits vom Vagus und vom Rekurrens in verschiedener Höhe abgehenden fünf Nervenzweige, welche mit den Ziffern 7, 2, 3, 4 u. 5 bezeichnet sind und zu den verschiedenen Herzabschnitten zur Mündung der Vena ascend, Vena descend., zu den Herzohren, Vorhöfen usw. ziehen. Bei der Reizung der ausser- dem mit einem + bezeichneten Nervenfäden, besonders des 5 +, gibt es eine starke und andauernde (30—-40 Sekunden) Beschleunigung der Herzschläge (Taf. IX Fig. 28). Die mikroskopische Untersuchung der Herzstellen, wo diese Nervenfäden endigen (Mündung der Hohl- venen) ergibt hier das Vorhandensein von Nervenzellengruppen, welche mit den zu ihnen ziehenden Nerven in Verbindung stehen (Taf. II Fig. 2). Die Reizung des intakten Nervenfadens 7 ruft zuerst Verlangsamung und, bei fortgesetzter Reizung, hernach Be- schleunigung der Herzschläge und Erhöhung des Blutdrucks hervor. Dasselbe Resultat erhält man bei der Reizung der Nervenfäden 2, 3, 4 und 5 sowohl im unversehrten Zustande wie auch ihrer beiden Stümpfe nach der Durchschneidung eines jeden (vel. Taf. VII Fig. 10—32 Kurven Taf. X). Der Vagus enthält und sendet zum Herzen Fasern, welche die Herzkontraktionen beschleunigen oder verlangsamen, verstärken oder schwächen oder das Herz in Diastole oder Systole zur Ruhe bringen. Zu solchen gehören die von uns vom Vagus aus verschiedener Höhe entspringenden und bis zu den Nervenzellengruppen an der Mündung der oberen Hohlvenen verfoleten (Taf. I A 5+,3-+) Nerven, von welchen einige eine mehr komplizierte Funktion (1, 2 u. £) zeigen, weil sich ihnen Fasern, welche die Herzschläge beschleunigen und verlangsamen, beimengen. Die Reizung des peripheren Vagusstumpfes am vorher kuraresierten Hund gibt vor und nach der Durchschneidung des anderen Vagusstammes verschieden lange anhaltenden Stillstand des Herzens in Diastole: 132 Joh. Dogiel: Die Reizung des peripheren Stumpfes vom rechten Vagus. Nach der Durchschneidung des Beim intakten linken Vagus linken Vagus Versuchs- Spiralen- Dauer der Spiralen- Dauer der zahl abstand in cm | Diastole in Sek. | abstand in cm | Diastole in Sek. 1 10 | 15 15 50 2 10 35 12 50 3 12 | 36 10 140 Reizung des peripheren Stumpfes vom linken Vagus (bei einem _ anderen Hunde). Nach der Durchschneidung des Beim intakten rechten Vagus rechten Vagus Versuchs- | Spiralen- | Dauer der Spiralen- | Dauer der zahl abstand in cm | Diastole in Sek. | abstand in cm | Diastole in Sek. 1 15 29 15 54 2 10 15 15 140 Wie ersichtlick, dauert der diastolische Herzstillstand auf die Reizung des peripheren Stumpfes des einen Vagus erheblich länger, nachdem man den anderen Vagus durchschnitten hat. Reizt man zugleich den peripheren und kranialen Stumpf des einen Vagus, nachdem vorher beide Vagi durchschnitten waren, so wird die dia- stolische Phase abgekürzt im Vergleich zur Dauer der Diastole, falls man nur den peripheren Vagusstumpf, und zwar bei demselben Versuchsobjekt, reizt. Es fragt sich nur, wodurch eine solche Ver- änderung in der Dauer der durch die Reizung des peripheren Vagus- stumpfes bewirkten Diastole bedingt sein mag. Bekanntlich hat die Durchschneidung des einen Vagus am Halse des Versuchstieres keinen Einfluss auf den Blutdruck und Herzschlag, während nach der Durch- -schneidung beider Vagi der Blutdruck in die Höhe geht und das Herz sieh häufiger zusammenzieht. Reizt man zugleich die beiden peripheren Stümpfe der durchschnittenen Vagi, so dauert die Diastole fast doppelt so lange, was C. Ludwig!) durch Faseraustausch beider Vagi erklärt: „Dieses Resultat hat auch nichts Auffallendes, wenn man die vielfachen Plexusbildungen beider Nerven vor ihrem Eintritt in das Herz berücksichtigt, wenn man die Tafel ansieht, 1) ©. Ludwig und Hoffa, Zeitschr. f. rat. Medizin von Henle und Pfenfer Bd. 9. 1850. Das Verhältnis des Nervensystems zur Herztätigkeit beim Hunde etc. 133 welche ©. Ludwig über die Verbreitung des Vagus im Frosch- herzen gegeben hat.“ Wenn wir die von Schiff und Luchsinger bestätigten Beobachtungen von Suschtschinsky, welcher bei der durch Zusammenpressung: der Aorta oder der Lungenarterie be- wirkten Blutdruckerhöhung bei Kaninchen die Fähigkeit des Vagus, Herzstillstand in Diastole hervorzurufen , verloren gehen sah, in Betracht ziehen, so können wir die grössere Dauer der Diastole in obigen Versuchen durchaus nicht durch die geringe Blutdruckerhöhung, welcher ja eher eine entgegengesetzte Wirkung zukommt, erklären. Ebenso muss der Hinweis auf die nach der Vagusdurchschneidung sich einstellende grössere Frequenz der Herzschläge und hierdurch bewirkte Ermüdung als Ursache der längeren Dauer der Diastole zurückgewiesen werden, obwohl die Dauer der Diastole mit der Dauer des Versuchs zunimmt. Gegen die Voraussetzung Tscherepnin’s!), dass diese Erscheinung durch den nach der Durchschneidung der beiden Vagi sich einstellenden stärkeren Blutreflex zu den Herz- gefässen bewirkt werde, spricht die Tatsache, dass bei der gleich- zeitigen Reizung des peripheren und kranialen Stumpfes des einen Vagus die Diastole kürzere Zeit dauert. Es erübrigt sich somit, die kürzere oder längere Dauer der Diastole bei der Reizung des peri- pheren Vagusstumpfes nach der Durchschneidung des einen oder beider Vagi durch die Schwächung oder Verstärkung des vom Gehirn und Rückenmark aus gleichzeitig auf das Herz einwirkenden Ant- agsonismus zu erklären. Wird die Reizung des peripheren Vagus- stumpfes vom Hunde oder einem anderen Tiere nach eingetretenem Herzstillstand in Diastole fortgesetzt, so fängt das Herz wiederum an zu schlagen, anfangs langsam, aber kräftig, allmählich schneller, bis dieselbe oder sogar höhere Frequenz der Kontraktionen als vor der Reizung des Nerven erreicht ist. Der Druck in der Carotis steigt auch allmählich, und die Kurve weist klar auf eine allmähliche, i von der Atmung und den Herzschlägen unabhängige Veränderung des Lumens der Blutgefässe des Körpers hin. Die hierbei erhaltene Kurve von der Herztätiekeit (Taf. VI Fig. 9) beweist deutlich, dass bei anhaltender Vagusreizung dessen Energie nach und nach schwächer wird, wobei eine andere das Herz zu immer schnelleren Kontraktionen anspornende Kraft auftritt. Bei einigen Tieren ge- 1) Tscherepnin, Zur Physiologie des Hemmungsapparates des Herzens. Dissertation. 1831. (In russ. Sprache.) 134 Joh. Dogiel: langt nach dem durch Reizung des peripheren Vagusstumpfes mehr oder weniger schnell bewirkten diastolischen Herzstillstand maximale Beschleunigung der Herzschläge und Erhöhung des Blutdrucks in der Karotis zur Beobachtung. Dagegen sah ich bei Vögeln (Gänsen usw.), bei welchen der diastole Herzstillstand überhaupt nicht lange währt, dass das Herz nach der Einstellung des Reizens ziemlich lange langsamer als in der Norm schlägt. Bei der Vagusreizung verstreicht eine gewisse Spanne Zeit, be- vor sich ihre Wirkung auf die Herztätiekeit äussert — diese Latenz- periode hat viele Physiologen beschäftigt [Pflüger!), Czermak, Donders, Coats, Nuäl, Pruszynski u. al. Donders?) wies nach, dass die Latenzperiode bei der Vaeusreizung zwischen dem grössten Minimum und dem kleinsten Maximum sich bewegt. Die Zeit vom Moment der Reizung bis zum Eintritt der ersten lang- sameren Systole hat Donders als maximale Grenze der Latenz- periode, die Zeit vom Beginn der Reizung bis zum Eintritt der darauf folgenden Kontraktion als minimale Grenze bezeichnet. Czermak?°) bemerkte, dass das mehr oder weniger schnelle Ein- treten des Herzstillstandes von der Phase der Herztätigkeit, während welcher der Reiz einsetzt, abhängt: fällt der Beginn der Reizung vor oder auf den Anfang der Systole, so bekommt man vor dem Stillstand noch zwei ganz normale Systolen, fällt der Beginn aber auf oder gegen den Schluss der Systole oder auf den Anfang der Diastole, so beobachtet man vom Moment der Reizung nur eine einzige normale Systole. Die Zeit, während welcher die Reizung des Nerven zwischen Beginn und Ende der Diastole nur eine Systole zulässt, wird von Czermak als Grenzintervall bezeichnet. Nu&l®) hat den Einfluss der Vagusreizung sowohl auf die Vorhöfe wie auch auf den Ventrikel des Froschherzens für sich untersucht und hierbei unabhängig voneinander und verschieden für. die Kammer und die Vorhöfe Verlängerung der Dauer des Stillstandes und Abflachung der Wellenspitzen erhalten. Pruszynski°) fand, dass bei den Säugetieren die Dauer der Latenzperiode mehr mit den Angaben 1) Pflüger, Unters. a. d. physiol. Laborat. zu Bonn. 1865. 2) Donders, Arch. f. d. ges. Physiol. Bd. 1. 1868. Die Wirkung des konstanten Stromes auf den N. vagus. Pflüger’s Arch. 1872. 3) Czermak, Arch. f. d. ges. Physiol. Bd. 1. 1868. 4) Nuäl, Pflüger’s Arch. Bd. 9. 5) Pruszynski, Zentralbl. f. Physiol. 1889. ‘ Das Verhältnis des Nervensystems zur Herztätigkeit beim Hunde etc. 135 von Nu&l als mit denen von Donders harmoniert. Bowdiez!) erhielt nicht immer eine Wirkung auf elektrische Reizung der Herz- spitze beim Frosch. Nach ihm muss ein „unfehlbarer Reiz“ von einem „hinreichenden Reiz“ unterschieden werden. Ausserdem fand er, dass die Herzspitze eine besondere Art von Kontraktionen aus- führt, welche er als „Treppe“ bezeichnet, weil stärkere und seltenere mit häufigeren und schwächeren abwechseln. Diese „Treppe“ soll nicht von der Richtung und Stärke des reizenden Induktionsstroms abhängen. Meiner Meinung nach ist das Auftreten der „Treppe“ durch unegales Absterben der neuro-muskulären Gewebe der Herz- spitze des Frosches bedingt. Beim Studium der Wirkung elektrischer Reizung auf das isolierte Froschherz fand Marey°), dass die geringste Unempfänglichkeit zu solcher Reizung (la phase re6fractaire) zu gewissen Momenten der Systole besteht und um so länger dauert, je schwächer man reizt, bei erhöhter Temperatur aber abgekürzt in bezug auf bestimmte elektrische Reizung (exeitations suffisantes nach Marey, hin- reichender Reiz nach Bowdicz) erscheint. Die Erscheinung, dass die Dauer der auf Reizung des peri- pheren Vagusstumpfes eintretenden Diastole davon abhängt, ob man näher zum Herzen oder näher zum Ganglion nodosum reizt (Taf. VI Fig. 3—5), scheint mit dem Bau des Ganglion nodosum in gewissem Zusammenhang zu stehen. Diese an der Abgangsstelle des oberen Kehlkopfnerven befindliche, beim Kaninchen, Hunde, Ferkel, bei der Katze und beim Menschen gut ausgeprägte Verdickung des Vagus besteht aus Nervenfasern und einer Menge von Nervenzellen, welche nach dem Herzen hin viel seitener werden, so dass in der Mitte des Halses nur einige seltene Nervenzellen angetroffen werden. Von hier ab gibt die Reizung des Vagus Verlangsamung der Herzschläge und diastolischen Herzstillstand, und zwar je näher zum Herzen, desto länger dauernd (Taf. VI Fig. 3—5), und umgekehrt; reizt man mit demselben Induktionsstrom den Vagus, und bewegt sich dabei in der Richtung zum Ganglion nodosum hin, so sieht man die Verlangsamung und den diastolischen Stillstand allmählich abnehmen, bis schliesslich die Frequenz der Herzschläge gar nicht mehr alteriert wird und 1) Bowdicz, Über die Eigentümlichkeiten der Reizbarkeit, welche Muskel- fasern zeigen. Arbeiten a. d. physiol. Anstalt zu Leipzig 1871. 2) Marey, La circulation du sang. Parıs 1881.‘ 136 Joh. Dogiel: anstatt der Abnahme des Blutdrucks letzterer in die Höhe geht, was gewöhnlich bei der Reizung des Ganglion nodosum selbst, nach der Durchschneidung des Vagus etwas unterhalb der Ursprungsstelle des oberen Kehlkopfnerven, zutage tritt. Beim Kalbe, wo eine solche Anhäufung von Nervenzellen an der Abganssstelle des N. laryngeus sup. fehlt, habe ich bei entsprechender Reizung dieses Resultat, d. h. Erhöhung des Blutdrucks ohne Alteration der Frequenz der Herzschläge, nicht erhalten. Somit enthält der Halsvagus beim Hunde, Kaninchen, Ferkel, der Katze und beim Menschen centripetale und centrifugale Fasern. Beim Hunde z. B. enthält die gemeinschaftliche Scheide ausser den Vagusfasern den Verbindungsfaden zwischen dem sympathischen oberen und unteren Halsknoten sowie noch den De- pressor; unterhalb des unteren Halsknotens in der Brusthöhle gehen vom Vagus in verschiedener Höhe fünf Nervenfäden (Taf. II Fig. A und Fig. B, 1, 2, 3+, 4 und 5+) zu den verschiedenen Herzabschnitten: zu den Hohlvenen, Herzohren, Vorhöfen und zur Kammer, wo sie im bestimmten Verhältnis zu den Nervenzellengruppen und der Herz- muskulatur stehen. Ferner schickt der untere sympathische Hals- knoten Nervenfäden in der Form von Ansa Vieussenii zum Ganglion thoracieum primum s. Gangl. stellatum, wodurch eine Ver- bindung mit dem Rückenmark bewerkstelligt wird. In den Schenkeln der Vieussen’schen Schlinge finden sich Nervenfasern, welche die Herzschläge beschleunigen und den Blutdruck heben: Nn. pressores. Die verschieden grossen Nervenzellenhaufen im Hundeherzen sind, wie oben auseinandergesetzt worden, motorische Nervenelemente; der Vagus enthält Fasern, welche motorische Impulse leiten; durch mannigfaltige Anordnung der Nervenzellen im Herzen und den Vagus- fasern kommt es zur Interferenz der Kräfte, ähnlich wie wir es von den Schallwellen und Lichtwellen kennen. Tatsächlich beweist das Auftreten der durch elektrische, chemische oder mechanische Vagus- reizung eingestellten Herzschläge mit Zunahme des Blutdrucks, trotz- dem die Reizung fortdauert, dass die erhöhte Energie der im Herzen selber befindliehen Nervenzellen die ÖOber- hand über die durch den Induktionsstrom geschwächte Vagusenergie gewinnt. Der Vagus kann ferner durch Atropin zeitweilig untätig gemacht werden, worauf wieder die Energie der Nervenzellen vorwiegt, was sich durch Beschleunigung der Herz- schläge und Erhöhung des Blutdrucks äussert. Es liegt aber auch die Möglichkeit vor, die Vagusenergie zu steigern: führt man bei Das Verhältnis des Nervensystems zur Herztätigkeit beim Hunde etc. 157 Emys caspiea, wo die Reizung des linken Vagus mit dem Induktions- strom gewöhnlich weder Stillstand noch Verlangsamung der Herz- schläge bewirkt, eine geringe Menge Muskarin in die Blutbahn, so erhält man bei gleichstarkem Induktionsstrom vom linken Vagus aus nicht allein Verlangsamung der Herzschläge, sondern auch dia- stolischen Stillstand des Herzens. Zu erwähnen wäre noch, dass wir durch Wärme die Herztätiekeit beschleunigen, durch Kälte die- selbe aber bis zum Stillstand verlangsamen können, Die Fähigkeit der verschiedenen Herzabschnitte, zu schlagen, ist an das Vorhandensein von Nervenzellen in der Muskulatur gebunden. Entfernt man die im oberen Kamnıerdrittel des Froschherzens be- ‚findlichen Nervenzellen, so hört die Kammer auf zu schlagen. Die Reizung der zu der Mündung der Hohlvenen gehenden Nerven- zweige (Taf. II Fig. A 3+, 5+) mittels Induktionsstroms gibt eine noch lange: (30—40”) nach der Reizung anhaltende Beschleunigung der Herzschläge. An der Verbreitungsstelle dieser Nerven (an der Hohlvenenmündung) finden sich Nervenzellen, welche mit diesen Nerven (3+, 5+) verbunden sein müssen. Jeder Nerven oder Ganglien enthaltende Herzabschnitt besitzt die Fähigkeit, zu schlagen: die Mündungsstelle der Vena cava ascendens und Vena cava de- seendens, Auricula dextra, Atria, Atrioventrikulargrenze usw. Jeder von diesen Abschnitten erscheint selbständig, ist aber mit den anderen Herzabschnitten verbunden und unter dem Einfluss cerebro-spinaler Nerven. Diese Nervenzellen liegen teils auf, teils zwischen den Muskelfasern des Herzens, wo ausserdem noch Nervengeflechte vor- handen sind. Da das Herz von Säugetieren und Menschen reich vaseulisiert ist, so kommt hierzu noch ein reiches Netz von Nerven- fasern, welche die glatte Gefässmuskulatur versorgt. Dass das mit eigenem Nervenapparat ausgestattete Herz vom Menschen und vielen Tieren noch unter dem Einfluss des Gehirns und Rückenmarks steht, erschliesst man aus der reflektorischen Veränderung der Herztätig- keit durch die Reizung der sensiblen Nerven der Haut und der Schleimhäute des Respirationstractus, des Gehör-, Gesichts- und Geruchsinnes. e: Das Gesagte erlaubt den natürlichen Schluss, dass das Herz des Menschen einen neuro-muskulären Apparat dar- stellt, der ein eigenes Leben führt, aber auch am Leben des ganzen Organismus teilnimmt. 138 Nr. Nr. Nr. Nr. Joh. Dogiel: Tafelerklärung. 1. Fig. A ein Teil des Hundeherzens; Arterien und Venen; Ganglien und Nerven — halbschematisch.h Tr Trachea; VV Nn. vagi; @.s. Gangl. sympath. inf.; «,# Ansa Vieussenii; n.r. N. recurrens vagi; gt, gt Gangl. thoraeic. I; «N. a. n. recurrente; baN.vago; 1, 2,3, 4u.5 Nervenfäden vom Vagus; Ar.a. Arcus aortae; a.s. Art. subelavia; a.c. Art. carotis; a.d. auric. destr.; a. s. aurical. sinistr,; V.j. a. Vena cava ascendens; V.j.d. Vena jug. descendens; cor. Teil des Herzens. . 2. Ein Teil der Mündung von der Vena ascendens mit Nervenzellen (cc) und + Verzweigungen des Nervenfadens 5 + Fig. A. . 3. Fig. B. Hundeherz in natürlicher Grösse, derart gelagert, dass zu sehen sind: Arterien, Venen, Nerven, Trachea und Speiserohr. n.V. N. vagus; Arc. R. Arcus n. recurrentis n. vagi; 9.5. Gangl. cervie. inf. n. sympathiei; a.S. art. subelavia; a.C. art. carotis; Vj Vena jug. desc.; v.v.v. Venae pulmonalis; A Aorta; Tr Trachea; Oe Ösophagus; s. n. sympathicus; 1,2,3+,4,5 + Nerven vom Vagus und dem Rekurrensbogen; 3+ und5 + Nervenfaden, deren Reizung mittels Induktionsstroms Beschleunigung der Herzschläge gibt. 4. Flächenschnitt durch das Gangl. cervic. inf. bei Leitz S. 6, Ok. 4, Tub. ganz ausgezogen. c.c.c. Nervenzellen; nn Bündel von Nervenfasern und Nerven in verschiedenen Schichten. Das Präparat mit Methylenblau in Ringer’scher Lösung gefärbt und mit molybdens. Ammoniak fixiert. .5. Eine aus dem untersten sympathischen Halsknoten genommene Kette von Nervenzellen und Nervenfasern, mit 1°/oiger Osmiumsäure bearbeitet, bei Leitz S.6, Ok.4, Tub. = 0. . 6. Flächenschnitt des Gangl. cervic. inf. n. symp.; bearbeitet mit 1/oiger Osmiumsäure; bei Leitz 8.3, Ok. 4, Tub. halbausgezogen. . 7. Nervenzellen und Nervenfasern aus dem Gang]. cervic. inf.; mit Methylen- blau in Ringer’scher Lösung gefärbt und durch molybd. Ammoniak ge- härtet. Leitz 8.6, Ok. 4, Tub. halbausgezogen. . 3. Nervenzellen (2) und Nervenfasern mit 1°/o Methylenblau in Ringer- scher Lösung gefärbt und durch molybdens. Ammonium fixiert. Leitz S.6, Ok. 4, Tub. halbausgezogen. 9. N. sympathicus und Anhäufung von Nervenzellen an der Stelle des Gangl. cervic. inf. n. symp., gefärbt mit 1°oiger Methylenblaulösung in Ringer- scher Flüssigkeit und fixiert mit molybdens. Ammonium. Leitz S. 3, Ok. 4, Tub.—=0; e,c,c Nervenzellen und Haufen derselben an der Stelle, wo das Gang!. cervic. inf. bei der Katze sein sollte. . 10. Ausserst dünner Flächenschnitt durch das Gangl. stellatum, mit schwacher Pikrinsäurelösung bearbeitet Leitz S. 3, Ok. 4, Tub. hineingeschoben. c,c,c Nervenzellen; nn Nervenfaserbündel in verschiedener Richtung. 11. Blutgefässe und Nerven im Zwischenraum zwischen der Aorta, den Atrien und der Kammer des Froschherzens. Leitz S.3, Ok. 4. Das Verhältnis des Nervensystems zur Herztätigkeit beim Hunde etc. 139 Erklärung der Herztätigkeitskurven. A. Ganglion nodosum n. vagi. Fig. la und b. Kaninchenweibchen, 1900 g schwer. 11. Juni 1910. Gangl. nodosum oberhalb der Abgangsstelle des oberen Kehlkopfnerven durchschnitten und auf isolierte Elektroden genommen. R. mittels Induktionsstroms bei 120 mm Spiralenabstand des de Bois-Reymond’schen Induktoriums bei einem Bunsen’schen Element. Fig. 1c,d,e. Dasselbe Kaninchen. R. des Gangl. nodosum bei 100 mm Spiralen- abstand (Fig. 1c); R. bei 180 mm Spiralenabstand Gangl. nodosum (Fig. 1d). R. Gangl. nodosum bei 200 mm Spiralenabstand (Fig. le). Fig. 2.. Eine 15650 g schwere Hündin. 1. April 1911. Kurare; künstliche ä Atmung; Brusthöhle eröffnet. Gangl. nodosum durchschnitten; R. bei 100 mm Spiralenabstand. Fig. 2. 9. Dezember 1910. Gangl. nodosum durchschnitten. R. bei 70 mm Spiralen- abstand 20 Sek. R. des Vagus bei 70 mm Spiralenabstand. B. Nervus vagus. Fig. 3,4, u.5. Kaninchen. 11. Juni 1910. Gangl. nodosum oberhalb der Abgangs- stelle der oberen Kehlkopfnerven durchschnitten. R. des Vagus 2 Zentimeter weit vom Gangl. nodosum zum Herzen hin bei 120 mm Spiralenabstand (Fig. 3). R. des Vagus 3 Zentimeter weit vom Gangl. nodosum zum Herzen hin bei 120 mm 12 Sek. lang (Fig. 4). R. des Vagus 4 Centimeter vom Gangl. nodosum zum Herzen hin bei 120 mm Spiralenabstand 15 Sek. (Fig. 5). Fig. 6 u. 7. Ein 19350 g schwerer Hund. 15. April 1911. Kurare; künstliche Atmung. R. des kranialen Vagusstumpfes bei 120 mm Spiralenabstand (Fig 6 u. 7) ergab anstatt Erhöhung Erniedrigung des Blutdrucks, wahrscheinlich wegen R. des Depressors zugleich mit dem Vagus. Fig. 8. Das vorhergehende Tier. Kurare. R. des kranialen Vagusstumpfes bei 90 mm — Abnahme statt Zunahme des Blutdrucks; die gleiche Ursache — R. des N. depressor. Fig. 9. Dasselbe Tier. 15. April 1911. Kurare; R. des peripheren Vagus- stumpfes bei 120 mm Spiralenabstand. R. dauert ohne Unterbrechung bis zur Wiederherstellung des früheren Blutdrucks und der. Herzschläge. Fig. 10, 11, 12 u. 13. Ein 16550 g schwerer Hund. 30. Dezember 1910. Kurare und künstliche Atmung; Brusthöhle eröffnet. R. (bei 120 mm Spiralenabstand 10 Sek.) des ersten Nervenfadens vom Rekurrensbogen. Wiederholung der R. des ersten Nervenfadens bei 120 mm Spiralenabstand 10 Sek. (Fig. 12 u. 13). Fig. 14, 15, 16 u. 17. Dasselbe Tier. R. des zweiten Nervenfadens vom Rekurrens- bogen bei 120 mm Spiralenabstand 10 Sek. R. des zweiten Nervenfadens wiederholt: 25 Sek. R. des dritten und R. des vierten Nervenfadens. 1) Der Kürze halber ist die Reizung mit R. bezeichnet. 140 Joh. Dogiel: Fig. 18 u. 19. Derselbe Hund. 30. Dezember 1911. R. des durchschnitten vom Rekurrensbogen abgehenden Nerventadens bei 120 mm zum Herzen hin 20 Sek. R. desselben ersten Nervenfadens in kranialer Richtung 20 Sek. Fig. 20. Ein 15650 g schwerer Hund. 1. April 1911. R. des vom Rekurrens- bogen abgehenden, nicht durchschnittenen Nervenfadens bei 120 mm Spiralen- abstand 30 Sek. Blutdruckerhöhung (wahrscheinlich infolge Überleitung zum Gehirn). Fig. 21. 30. Dezember 1910. R. des ersten Nervenfadens nach der Durch- schneidung des Rekurrens bei 120 mm in der Richtung zum Herzen hin 10 Sek. R. des ersten Nervenfadens nach der Rekurrensdurchschneidung zum Kopfe hin 20 Sek. E Fig. 22a u. b. Ein 18750 g schwerer Hund. 3. Januar 1911. R. vom Rekurrens- bogen bei 100 mm Spiralenabstand herzwärts. Fig. 23, 24 u. 25. Ein 16550 g schwerer Hund, R. des zweiten vom Rekurrens- bogen abgehenden Nervenfadens herzwärts bei 120 mm. R. des dritten durch- schnittenen Nervenfadens in der Richtung zum Herzen hin bei 120 mm Spiralenabstand 20 Sek. R. des dritten durchschnittenen Nervenfadens zum Kopfe hin. Fig. 26 u. 27. Ein 16550 g schwerer Hund. 30. Dezember 1910. R. des vierten durchschnittenen Nervenfadens zum Herzen hin (Fig. 26). R. des vierten Nervenfadens kranialwärts. Fig. 25a. Eine 18750 g schwere Hündin. 3. Januar 1911. Curare und künst- liche Atmung. a vierter Vaguszweig unterhalb des Rekurrensbogens R. herzwärts bei 100 mm Spiralenabstand. db nach 20 Sek. nach der Einstellung der R. c neue R. 30 Sek. d der rechte Rekurrens durchschnitten und R. des peripheren Stumpfes. e N. vagus durchschnitten, R. zum Herzen hin bei 100 mm Spiralenabstand. Fig. 25b. Derselbe Hurd. R. des vom Rekurrensbogen abgehenden durch- schnittenen Nervenfadens zum Herzen hin. Fig. 29. Ein 9800 g schwerer Hund. 9. August 1910. R. des vierten Nerven- fadens bei 120 mm Spiralenabstand. Fig. 30, 31 u. 32. Ein 18650 g schwerer Hund. 1. April 1911. Brusthöhle eröffnet; Curare, künstliche Atmung. R. des dritten und vierten (fünften ?) Nervenfadens bei 120 mm Spiralenabstand 30 Sek. und nach der R. 30 Sek. C. Nervus depressor. Fig. 33. 27. April 1911. Kaninchen. R. bei 30 mm Spiralenabstand des Depressor. Fig. 34. 26. Juli 1910. 16150 g schwerer Hund. Morphium und Chloroform. R. des Depressors bei 120 mm Spiralenabstand. Fig. 35. 8. Januar 1910. Hund. R. des Depressors bei 120 mm Spiralenabstand. Fig. 36. 3. Juli 1910. Ferkel. Morphium 0,005 subkutan. R. des Depressors bei 120 mm Spiralenabstand. Fig. 37a. Kalb, annähernd 3 Monate alt. R. des linken Depressors bei 120 mm Spiralenabstand. Fig. 37b. Kalb. R. des Depressors bei 90 mm Spiralenabstand. . Das Verhältnis des Nervensystems zur Herztätiskeit beim Hunde etc. 141 D. Ganglion stellatum. Fig. 38. 3. Januar 1911. Hund. Curare und künstliche Atmung. Brusthöhle eröffnet, Der Zusammenhang des Ganglions mit dem Rückenmark durch- ‚schnitten. R. des Gangl. stellatum bei 120 Spiralenabstand zum Herzen hin. E. Ansa Vieussenii. Fig. 39a. Eine 14450 g schwere Hündin. 1. April 1910. Fig. 39b. R. der intakten Nervenfaden über der Art. subelavia und unter der Art. subelavia bei 120 mm Spiralenabstand. Fig. 40. Ein 2100 g schwerer Hund. 9. August 1910. 0,02 g Morph. subkutan. Der unter der Subclavia befindliche Nervenfaden durchschnitten, während der Nervenfaden über der Subeclavia heil blieb, ebenso der Zusammenhang mit Gangl. stellatum und mit dem Rückenmark erhalten. R. des durch- schnittenen Stumpfes des unter der Subelavia befindlichen Nervenfadens zum Gangl. cervic. inf. hin bei 120 mm (Reflex nach Francois-Frank?). Fig. 41 und 42. Ein 8000 g schwerer Hund. 12. August 1910. 0,02 g Morphium. Der unter der Subclavia verlaufende Faden nicht durchschnitten, aber in seine Bestandteile getrennt; der über der Subeclavia befindliche: Nerven- faden nicht durchschnitten und nicht getrennt (Fig. 41). Der Faden unter der Subelavia durchschnitten, während der Faden über der Subelavia nicht durchschnitten ist. R. bei 120 mm Spiralenabstand des unter der Sub- clavia befindlichen Fadens. Fig. 43, 44 und 45. Ein 19350 g schwerer Hund. Januar 1909. Chloroformiert. Der Faden unter der Subeclavia getrennt in eine rechte und linke Hälfte. R. der rechten Hälfte bei 100 mm Spiralenabstand. Die linke Hälfte durchschnitten (Fig. 44). R. zum Herzen hin 10 Sek. R. (Fig. 45) derselben linken durchschnittenen Hälfte zum Rückenmark hin. Fig. 46, 47, 48, 49, 50 und 5l. Ein 22850 g schwerer Hund; chloroformiert. Die Fäden der Vieussen’schen Schlinge über und unter der Subeclavia nicht getrennt und nicht durchschnitten, R. bei 100 mm Spiralenabstand (Fig. 483). Der getrennt untere Faden nicht durchschnitten. R. der linken Hälfte 10 Sek. (Fig. 484). Der untere Faden nicht durchschnitten, aber getrennt (Fig. 49), R. der rechten Hälfte. Der obere Faden getrennt, aber nicht durchschnitten (Fig. 505), R. der linken Hälfte bei 100 mm Spiralenabstand 30 Sek. Der getrennt obere Faden nicht durchschnitten, R. der rechten Hälite (Fig. 51 6). Fig. 52, 53 und 54. -Ein 19350 g schwerer Hund. Curare und künstliche Atmung. Der obere Nervenfaden getrennt in eine rechte und linke Hälfte, R. beider bei 100 mm Spiralenabstand; R. der linken Hälfte bei 100 mm Spiralenabstand, R. der rechten Hälfte bei 100 mm Spiralenabstand. Fig. 55, 56, 57, 58, 59, 60, 61, 62, 63 und 65. Ein 19350 g schwerer Hund. 15. April 1911. Curare und künstliche Atmung. R. bei 100 mm Spiralen- abstand, kranialwärts der linken Hälfte des unteren Fadens (Fig. 59); R. der rechten Hälfte (Fig. 56); nach der zweiten Teilung R. (Fig. 57) der linken Hälfte 10 Sek.; nach der zweiten Teilung der linken Hälfte Pflüger’s Arheiv für Physiologie. Bd. 142. 10 142 Joh. Dogiel: Das Verhältnis des Nervensystems zur Herztätigkeit etc. R. (Fig. 58) der rechten Hälfte; zweite Teilung der rechten Hälfte, R. der rechten Hälfte (Fig. 59); zweite Teilung der linken Hälfte, R. der linken Hälfte (Fig. 60) 15 Sek.; zweite Teilung der rechten Hälfte, R. der rechten Hälfte (Fig. 61); zweite Teilung der rechten Hälfte, R. der linken Hälfte (Fig. 62); zweite Teilung der rechten Hälfte, R. der rechten Hälfte 15 Sek. (Fig. 63); zweite Teilung der rechten Hälfte, R. der linken Hälfte 15 Sek.; zweite Teilung der rechten Hälfte, R. der rechten Hälfte (Fig. 65). F. Nervus laryngeus sup. und Gangl. nodosum n. vagi. Fig. A. Den 2. Juni 1911 bei einem 1600 g schweren Kaninchen der obere Kehlkopfnervy mit dem Ganglion nodosum n. vagi auspräpariert. Curare 2 ccm subkutan, künstliche Atmung, die Vergiftungserscheinungen schwach, der N. laryng. sup. näher zum Kehlkopf durchschnitten. R. des zum in- takten Gangl. nodosum gehenden Stumpfes bei 120 mm Spiralenabstand. a Anfang; R. des Laryngeusstumpfes bei 180 mm Spiralenabstand 5; R. des Laryngeusstumpfes zum intakten Gangl. nodosum hin bei 120 mm Spiralen- abstand c; R. des intakten Gangl. nodosum bei 200 mm Spiralenabstand d; R. des intakten Gangl. nodosum bei 120 mm Spiralenabstand d,; R. des Laryngeusstumpfes zum Gangl. nodosum hin, nachdem das letztere oberhalb der Abgangsstelle des N. laryngeus sup. durchschnitten war, bei 200 mm Spiralenabstand e; R. des Laryngeusstumpfes zum durchschnittenen Gangl. nodosum hin bei 200 mm Spiralenabstand und ebenso bei 180 mm Spiralen- abstand 15 Sek., 9; R. des seines Zusammenhangs mit dem Gehirn be- raubten Gangl. nodosum bei 200 mm Spiralenabstand A und bei 100 mm Spiralenabstand :; R. des Vagus 2 cm unterhalb des Gangl. nodosum bei 100 mm Spiralenabstand. Fig. A,. Den 23. Mai 1911 ein 10100 g schwerer Hund. Curare und künst- liche Atmung. Gangl. nodosum aus der Hülle ausgeschält. R. des Gangl. nodosum, indem es auf isolierte Elektroden genommen wurde, bei 160 mm Spiralenabstand des du Bois-Reymond’schen Induktoriums bei einem Bunsen’schen Element. a Anfang der R.; Wiederholung der R. des Gangl. nodosum bei 160 mm; R. des Gangl. nodosum bei 90 mm Spiralenabstand c; R. des Vagus in der Mitte zwischen dem Gangl. nodosum und dem Herzen bei 120 mm Spiralenabstand und nach der Durchschneidung des Gangl. nodosum oberhalb der Abgangsstelle des oberen Kehlkopfnerven. 143 (Aus dem zootechnischen Institut der Kgl. Landw. Hochschule zu Berlin.) Studien über Einwirkung einiger nicht-eiweissartiger Sticekstoffverbindungen aufden Stickstoff-Stoff- wechsel des Fleischfressers mit besonderer Berücksichtigung des Ammonacetats. Von Ernst Pescheck. Die in den Pflanzen vorkommenden stickstoffhaltigen Körper nieht-eiweissartiger Natur, die allgemein als „Amide“ bezeichnet werden, wurden landwirtschaftlich erst von Bedeutung, nachdem E. Schulze u. a. durch viele Arbeiten festgestellt hatten, in welch’ grossen Mengen diese Stoffe oftmals in den Futterpflanzen vorhanden sind. Die Kenntnis, dass in einigen, namentlich in Wurzelgewächsen mehr als die Hälfte des gesamten Stickstoffs in Form von Amiden enthalten sein kann, leste die Frage nach dem Wert dieser im Vergleich mit Eiweiss natürlich nahe. Denn wenn den Amiden ein Futterwert nicht zukam, so war damit auch der Wert von Futtermitteln, die viel Amide enthalten, entsprechend niedriger. Von pflanzlichen Amiden kam in erster Linie das schon im Jahre 1805 von Vau- quelin und Robinquet im Spargel aufgefundene Asparagin für Fütterungsversuche in Betracht. Denn einmal war dieses leicht in erösseren Mengen zu erhalten, und dann glaubte man wohl auch, ın ihm den Hauptrepräsentanten der pflanzlichen Amide betrachten zu können. Aus diesem Grunde hielt man es ferner auch am ehesten für möglich, die mit Asparagin beim Fütterungsversuch erzielten Resultate auf die ganze Gruppe dieser stickstoffhaltigen Körper zu ‚übertragen. Die vielen Versuche mit Asparagin, denen erst später solche mit anderen Amiden folgten, führten leider nicht zu eindeutigen Ergebnissen. Während einige Forscher wie Weiske, Chomsky, Röhmann usw. fanden, dass Asparagin unter gewissen Bedingungen eiweisssparend wirkt, was Weiske veranlasste, die Amide bei 10 * 144 Ernst Pescheck: Futterberechnungen als verdauliches Rohprotein in Rechnung zu setzen, kamen andere Forscher wie Politis, Gabriel usw. bei ihren Versuchen zu einem entgegengesetzten Ergebnis. Die vielen in den folgenden Jahren angestellten Versuche führten leider nicht zu einer einheitlichen Auffassung der Amidfrage, sondern hatten vielmehr eine Verschärfung der gegensätzlichen Anschauungen, die bis dahin schon Platz gegriffen hatten, zur Folge. So muss man leider heute feststellen, dass sich in dieser für die Fütterung zweifel- los sehr wichtigen Frage zwei Parteien mit direkt entgegengesetzten Ansichten gegenüberstehen. Es ist dies um so bedauerlicher, als unter diesen Verhältnissen eine Klärung natürlich erschwert werden und ausserdem in den Kreisen der praktischen Landwirte Verwirrung eintreten muss. Es würde den Rahmen meiner Arbeit weit überschreiten, wenn ich die ganze Amidfrage hier einer eingehenden Betrachtung unter- ziehen wollte. Ich verweise insofern auf die Fütterungslehren und einschlägigen Arbeiten!), wo die Amide ausführlich behandelt worden sind. Da ich hauptsächlich mit Ammonacetat gearbeitet habe, möchte ich hier nur auf die mit Ammoniaksalzen angestellten Fütterungs- versuche etwas genauer eingehen, vorher aber mit wenigen Worten auch der älteren Arbeiten gedenken, denen allerdings ganz andere Gesichtspunkte als meiner Arbeit zugrunde lagen. i Schon im 18. Jahrhundert sind Versuche über die Wirkung von Ammoniaksalzen auf den Tierkörper angestellt worden. Im Jahre 1712 hat Courteen, wie ich aus einer Arbeit von Rio Marfori?) entnommen habe, Salmiak intravenös injiziert. Ähnliche Versuche, bei denen namentlich Salmiak, Ammmoniumkarbonat und Ätzammoniak teils intravenös, teils per os gegeben wurden, sind in den folgenden Jahren, namentlich in der zweiten Hälfte des vergangenen Jahr- hunderts gemacht worden. Von besonderer Bedeutung für diese Forschungen war die Feststellung von W. v. Knieriem im Jahre 1374, dass Asparaginstickstoff den Organismus in Form von Harn- stoff wieder verlässt. Dieser wichtige Befund, der namentlich durch 1) Just, Landw. Versuchsstation Bd. 69 S. 393. 1908. — Volhard Zentralbl. f. d. ges. Physiol. u. Path. d. Stoffwechsels mit Einschluss d. exper. Therapie 1909 N. F. Jahrg. 4 S. 161. — Völtz, Landw. Jahrb. Bd. 38 Ergänzungs- band 5 8. 433. 1909. 2) Arch. f. exper. Path. u. Pharm. Bd. 33 S. 71. 1894. Studien üb. Einwirkung einiger nicht-eiweissart. Stickstoffverbindungen etc. 145 Arbeiten von Fr. Walter!), OÖ. Schmiedeberge?), E. Haller- vorden?) u. a. bestätigt und ergänzt wurde, gab der ganzen Frage eine neue Richtung. Die Arbeit von Knieriem veranlasste nun- mehr weitere Forschungen über die Harnstoffbildung im Organismus. Die ausserordentlich umfangreiche Literatur*) über diesen Gegen- stand kann ich hier nur streifen, da sie für meine Versuche kaum in Betracht kommt. Erwähnen möchte ich nur, dass ausser Chlor- ammonium, kohlensaurem und schwefelsaurem Ammoniak auch essig- saures, weinsaures, milchsaures und äpfelsaures Ammoniak zu den Versuchen genommen wurden. Während bei allen bisher erwähnten Arbeiten, die dem Studium einzelner physiologischer Momente gewidmet waren, die vollständige quantitative Bestimmung der Stickstoffeinnahmen und -ausgaben in keinem Falle, die der Stickstoffausscheidungen im Harn nur zum Teil erfolgte, sind bei den nun folgenden Versuchen, die zur Prüfung des Nährwertes der Ammoniaksalze, besonders des Ammonacetats, angestellt wurden, vollständige Stickstoffbilanzen aufgestellt worden. Der erste, der Ammoniaksalze verfütterte, um ihre Bedeutung für die tierische Ernährung zu prüfen, war Weiske°), in Gemein- schaft mit Flechsig. Als Versuchstier diente ihnen ein 42 kg schwerer Hammel, der ein eiweissarmes Futter, bestehend aus Wiesen- heu, Stärke, Rohrzucker und wenig Kochsalz erhielt. Diesem Futter wurden 4,70 g N in Form eines Gemisches von kohlensaurem und essigsaurem Ammoniak zugelest. Der Versuch ergab, dass. die Ammoniaksalze keine dem Asparagin ähnliche eiweisssparende Wirkung erkennen liessen, vielmehr aller Stickstoff nach wenigen Tagen im Harn wieder vollständig zum Vorschein kam. Im Gegen- satz hierzu fand O. Kellner‘), dass Ammonacetat, das er wachsen- den Lämmern zu einem eiweissarmen, aber kohlehydratreichen Futter zuleste, den Eiweissansatz zu fördern vermag. Er fand ausserdem, dass das essigsaure Ammoniak die Verdaulichkeit der stiekstofffreien Extraktstoffe und der Rohfaser erhöht hatte. In seiner Wirkung 1) Arch. f. exper. Path. u. Pharm. Bd. 7 S. 148. 1877. 2) Arch. f. exper. Path. u. Pharm. Bd. 8 S.1. 1879. 3) Arch. f. exper. Path. u. Pharm. Bd. 10 S. 124. 1879. 4) Siehe besonders Arch. f. exper. Path. u. Pharm. Bd. 33 S. 164. 1894, und Zeitschr. f. Biol. Bd. 34 S. 65. 1896. 5) Journ. f, Landw. Bd. 38 S. 137. 1890. 6, Zeitschr. f. Biol. Bd. 39 S. 313. 1900. 146 Ernst Pescheck: auf den Stiekstoffumsatz beim Fleischfresser ist Ammonacetat von W. Völtz!) geprüft worden. In dieser Arbeit von Völtz lässt sich leider, da zwischen den einzelnen Amidperioden nicht wieder das Grundfutter gereicht worden war, der Stickstoffumsatz nicht deutlich erkennen. Aus der vollständigen Stickstoffbilanz lässt sich nur ent- _ nehmen, dass Ammonacetat im Vergleich mit Asparagin, das in der unmittelbar vorhergehenden Periode gereicht wurde, anscheinend den Stickstoffumsatz etwas erhöht hat. Dieses Resultat ist aber deshalb nicht einwandfrei, weil es die von der Asparaginperiode herrührende Nachwirkung mit einschliesst. In einer späteren Arbeit, die Völtz?) in Gemeinschaft mit Yakuwa machte, wurden gleichfalls, wie in der vorhergehenden, vier Amide an Hunde verfüttert. Diesmal waren aber zwischen den Amidperioden zur Erkennung der Nachwirkung Grundfutterperioden eingeschaltet worden. Es zeigte sich, dass von den vier gegebenen Amiden (Asparagin, Ammonacetat, Acetamid und Glykokoll) das Ammonacetat die grösste Stickstoffretention be- wirkt hatte. Zu sehr günstigen Ergebnissen, was den Nährwert von Ammoniaksalzen anbetrifft, kam A. Morgen?) in seinen, in Ge- meinschaft mit GC. Beger und F. Westhausser an milchgebenden Tieren angestellten umfangreichen Versuchen. Die Ergebnisse der unter anderen mit Ammonacetat und Ammontartrat angestellten Fütterungsversuche, die ich hier nur ohne auf die Arbeiten selbst näher einzugehen, kurz erwähnen möchte, zeigen allgemein, dass das Ammonacetat in seiner Wirkung dem Eiweiss fast gleich kommt, während das Tartrat dem Acetat nachsteht. Schliesslich wäre noch ein Versuch von O. Kellner und A. Köhler mit Milchkühen zu erwähnen, den Kellner in der 4. Auflage seiner Fütterungslehre, siehe daselbst S. 539, beschreibt. Fr führt hier den Nachweis dass Ammonacetat zur Bildung von Milcheiweissstoffen verwertet werden kaın. Als Gesamtergebnis lässt sich aus allen bisherigen Arbeiten, mit Ausnahme des einen Versuches von Weiske, der zu einem nega- tiven Ergebnis führte, feststellen, dass der Stickstoff des essigsauren Ammoniaks vom Wiederkäuer unter den gewählten Versuchs- 1) Pflüger’s Arch. Bd. 112 S. 425. 1906. 2) Pflüger’s Arch. Bd. 121 $. 126. 1908. 3) Landw. Versuchsstation Bd. 68 S. 333. 1908; Bd. 71 S. 1. 1909, Bd. 73 S. 285. 1910. Studien üb. Einwirkung einiger nicht-eiweissart. Stickstoffverbindungen etc. 147 bedingungen verwertet werden kann. Was den Fleischfresser an- betrifft, so liegen bis heute nur die Völtz’schen Versuche vor, die in einem Falle eine deutliche Retention von Ammonacetat N er- kennen liessen. | Eine vollständig sichere Erklärung für die Resultate dieser Ver- suche kann zur Zeit nicht gegeben werden. Zunächst ist die Be- deutung des Ammoniaks resp. seiner Verbindungen für den Aufbau des Eiweissmoleküls noch nicht sicher festgestellt. Bekanntlich wird aus Eiweiss durch Bakterien im Darm auch Ammoniak abgespalten. Die Frage, ob dieses als Endprodukt des Stoffwechsels zu betrachten ist oder zu synthetischen Prozessen noch Verwendung findet, kann auf Grund der bis heute vorliegenden Forschungsergebnisse nicht mit Sicherheit beantwortet werden. Immerhin ist die Möglichkeit zuzugeben, dass das aus dem Ammonacetat leicht abspaltbare Ammoniak eine ähnliche Rolle im Stoffwechsel spielt wie die Amino- säuren. Da nun Loewi!) mit vollständig abgebautem Eiweiss einen Hund nicht nur im Stickstoffgleichgewicht zu halten vermochte, sondern auch noch Stickstoffretentionen erzielen konnte, erscheint es zum mindesten zweifelhaft, ob Ammoniakverbindungen für den Stick- stoffstoffwechsel des tierischen Organismus von Bedeutung sind. Sollte Ammoniak wirklich ein ebenso notwendiger Baustein wie die Amino- säuren für die Eiweisssynthese sein, so muss man nach diesem Ver- suche annehmen, dass ihm anscheinend nur eine untergeordnete Bedeutung zukommt. Andererseits liesse sich hier einwenden, dass die für die Synthese notwendige Ammoniakmenge durch Bakterien- wirkung im Darm aus den Eiweissbausteinen gebildet worden sein könnte. Da bei der Hydrolyse von Eiweiss mit rauchender Salz- säure oder 25 °/oiger Schwefelsäure stets auch Ammoniak in wech- selnden Mengen entsteht, gewinnt die Möglichkeit, dass dieses für den Stiekstoffstoffwechsel von Bedeutung ist, etwas an Wahrschein- lichkeit. j Betrachtet man die für die Deutung von Amidversuchen wichtigen, von Emil Abderhalden und seinen Schülern in der Zeitschrift für physiologische Chemie veröffentlichten Mitteilungen, in denen die von Loewi zuerst angeschnittene Frage der Verwertung von Eiweiss- spaltprodukten im Organismus einem weiteren Studium unterzogen worden ist, so lässt sich daraus entnehmen, dass zur Bildung von 1) Arch. f. exper. Path. u. Pharm. Bd. 48 S. 303. 1902. 148 Ernst Pescheck: ÖOrganeiweiss es gleichgültig ist, ob Eiweiss als solches oder seine einfachsten Bausteine, diese aber ohne Ausnahme dem Körper zu- geführt werden. Besonders lehrreich ist insofern die Tatsache, dass Abderhalden mit abgebautem Kasein!), dem er einen Baustein, in diesem Falle Tryptophan entzogen hatte, beim Verfüttern an einen Hund diesen nicht im Stickstoffgleichgewicht zu halten ver- mochte, obwohl ihm dies sofort gelang, wenn er dem Präparat wieder Tryptophan zulegte. Auch die an einem zwölfjährigen Knaben), der sich den Ösophagus durch Lauge so verletzt hatte, dass ihm schliesslich selbst Flüssigkeiten durch den Mund nicht mehr zugeführt werden konnten, vorgenommene Rektalernährung mit abgebautem Fleisch führte zu erheblichen Stickstoffretentionen. Diese Versuche lehren, dass der Organismus die Eiweissbausteine als solche in ihrer Gesamtheit zu verwerten vermag. Mit einzelnen Aminosäuren, die Abderhalden an Hunde verfütterte, gelang es ihm nicht, Stick- stoffgleiehgewicht zu erzielen. Wie kompliziert die Verhältnisse liegen, lehrt unter anderem auch folgender Versuch von Abder- halden°). Er verfütterte an einen Hund abgebauten Leim, dem er die nach unserer Kenntnis fehlenden Aminosäuren zulegte resp. die im Leim in zu geringer Menge vorhandenen ergänzte. Trotzdem vermochte er mit dieser Nahrung das Tier vor Stiekstoffverlust nicht zu bewahren, was Abderhalden dahin deutet, dass dem Leim noch wichtige Bausteine fehlen müssen, die sich unserer Kenntnis bisher entzogen haben. Diese Versuche, die ich aus den vielen Mit- teilungen von Abderhalden und seinen Mitarbeitern in der Zeit- schrift für physiologische Chemie besonders herausgegriffen habe, machen die Annahme höchst unwahrscheinlich, dass Stickstoff- retentionen, die durch einzelne Amide oder Ammoniaksalze erzielt worden sind, durch eine direkte Verwertung dieser zum Aufbau von Organeiweiss zu erklären sind. Man hat deshalb auch schon, als die ersten Arbeiten von Weiske, Kellner usw. erschienen, die Wirkung der Amide in- direkt zu erklären versucht. Der erste, der eine derartige Hypothese aufstellte, war N. Zuntz®). Er hielt es für wahrscheinlich, dass 1) Zeitschr. f. phys. Chemie Bd. 61 S. 194. 1909. 2) Zeitschr. f. phys. Chemie Bd. 63 S. 213. 1909. 3) Zeitschr. f. phys. Chemie Bd. 65 S. 336. 1910. 4) Pflüger’s Arch. Bd. 49 S. 483. 1891. Studien üb. Einwirkung einiger nicht-eiweissart. Stickstoffverbindungen ete. ]49 die leicht löslichen Amide den namentlich im Verdauungsschlauch der Wiederkäuer sehr zahlreich vorkommenden Bakterien als Nahrung dienen und so indirekt zu einer Ersparung von Eiweiss, das für die Resorption dem Körper erhalten bliebe, führen könnten. Diese Hypothese hat von anderer Seite verschiedene Erweiterungen er- fahren. O0. Hagemann!) ist der Ansicht, dass das in den Bakterien aus Amiden gebildete Eiweiss in einem anderen Teile des Ver- dauuneskanals nach dem Absterben der Bakterien wieder resorbiert werden kann. Schliesslich wäre noch die Möglichkeit zn erwähnen, dass Amide im Verdauungsschlauch zerstört werden, Energie liefern und so Eiweiss vor dem Verfall schützen in ähnlicher Weise, wie dies die Kohlehydrate tun. Max Müller?), der in vitro zeigen konnte, dass Pansenbakterien tatsächlich Asparagin als Nahrung dem Kasein vorziehen, stellte in einem Fütterungsversuche mit von Bakterien, in diesem Falle aus weinsaurem Ammoniak gebildeten stickstoffhaltigen komplizierten Körpern fest, dass diese ähnlich den Stiekstoffstoffwechsel beeinflussen wie Blutalbumin. Er kommt zu dem Schluss, dass das gebildete sogenannte „Bakterieneiweiss“ als Stoft- wechselprodukt aufzufassen ist. Wenn nun durch diese Hypothesen auch die Verwertung von Amiden und Ammoniaksalzen speziell beim Wiederkäuer eine be- friedigende Erklärung findet, so treffen sie doch nur in sehr be- schränktem Maasse für den Fleischfresser und Omnivoren zu, in deren Verdauungskanal eine weit geringere Bakterienwirkung mög- lich ist. Es kommt hinzu, dass in einer neueren Arbeit von O.Kellner?), P. Eisenkolbe, R. Flebbe und R. Neumann die Auffassung von einer blossen Ersparung von Eiweiss, wie sie Zuntz zuerst für wahrscheinlich hielt, als sehr fraglich hingestellt wird, weil es ge- lang, mit einem Lamm (zwei Tiere versagten), das ein fast eiweiss- freies Futter (0,76 g in Pepsinsalzsäure löslichen N) neben viel Amid- zulagen (10,68 & N in Form von Asparagin und Ammonacetat) erhielt, dieses dennoch ins Stickstoffgieichgewicht zu bringen. Da das dem Lamm (Leb. Gew. 44 kg) gebotene Eiweiss keinesfalls zur blossen Lebenderhaltung genügen konnte, so schliesst Kellner, dass die Amide direkt für Fiweiss in diesem Falle eingetreten sein müssen, 1) Landw. Jahrbücher Bd. 20 S. 264. 1891. 2) Pflüger’s Arch. Bd. 112 S. 112. 1906. 3) Landw. Versuchsstation Bd. 72 S. 437. 1900. 150 Ernst Pescheck: da Eiweiss nicht zu ersparen war, wenigstens nicht so viel als nötig. Eine indirekte Wirkung nach Zuntz wäre also in diesem Falle ausgeschlossen. Somit würden die Anschauungen über synthetische Prozesse seitens der Bakterien an Wahrscheinlichkeit gewinnen. Jedenfalls kann man unbedenklich sagen, dass nach unseren heutigen Kennt- nissen von der Eiweisssynthese im Organismus einzelne Amide resp. Ammoniaksalze als Bausteine zum Aufbau von körpereigenem Eiweiss kaum Verwendung finden dürften. Da nun z. B. Ammonacetat, wie mehrfach festgestellt, Stickstoffansatz bewirkt, so kann diese Wirkung nur mit Zuhilfenahme der Bakterientätigkeit, wenn man von der Aufstellung weiterer Hypothesen absieht, erklärt werden. Die leitenden Gedanken, die meinen Versuchen über die Stick- stoffernährung des Tierkörpers zugrunde gelegt waren und die spezielle Versuchsanstellung bestimmten, mögen hier kurz in ihren Hauptzügen dargelegt werden. Die in der Nahrung zugeführten stickstoffhaltigen Körper müssen fast immer mehr oder weniger einschneidende Wandlungen erfahren, ehe sie im Säftestrom den Körperzellen zugeführt werden, um von diesen zum Aufbau ihrer Substanz bzw. zur Deckung oder Ver- hinderung von Substanzverlusten verwendet werden zu können. Auch wenn die stickstoffhaltigen Körper echte Eiweissstoffe sind, können sie wohl nur in den seltensten Fällen direkt den Körperzellen zur Nahrurg dienen. Meist wird das Eiweiss ein „körperfremdes“ und damit unverändert für den Körper bis zu einem gewissen Grade eine toxische Substanz sein. Abgesehen von der hydrolytischen Spaltung, der schon der Resorption wegen die kolloiden komplizierten Körper unterliegen müssen, kommen noch zwei Arten von Wand- lungen der verfütterten Körper in Betracht. Einmal sind dies Um- setzungen, die durch die Bakterien des Verdauungskanals hervor- gerufen werden, und ferner auch Wandlungen, die von der Tätigkeit der Darmzotten herrühren und die vielfach darin gesehen wurden, dass es die Aufgabe dieser Organe sei, die körperfremden Eiweisse bzw. deren Spaltprodukte in körperähnliche oder artgleiche umzu- prägen. Es ist aber klar, dass beide Prozesse in wechselndem Grade und besonders die bakteriellen Umsetzungen in recht verschiedener Weise verlaufen können. Daraus ergibt sich ohne weiteres, dass die Stickstoffbilanz, die bei Verabreichung eines stickstoffhaltigen Stoffes in einem bestimmten Versuch festgestellt wurde, nicht ein Mass für EEE. NA Studien über Einwirkung einiger nicht-eiweissart. Stickstoffverbindungen etc. 151 die Verwertbarkeit des Stoffes darstellen kann, das unter allen Ver- hältnissen dasselbe ist. Vielmehr ist zu sagen, dass die Tätigkeit der wechselnden Bakterienfloren durch Reiz- oder Hemmstoffe, die vielleicht durch Beifuttermittel mit verabreicht worden sind, von den zugleich gefütterten stickstoffhaltigen Körpern abgelenkt werden kann. Die Zeit ferner, in der die zu prüfenden stickstoffhaltigen Körper der bakteriellen Einwirkung im Darm ausgesetzt sind, und anderes mehr dürften von wesentlichem Einfluss sein und bewirken, dass die Geeignetheit eines Stoffes, zum Stickstoffaufbau der Körper zu dienen, verschieden erscheint. Wie weit die Tätigkeit der Darmzottenepithelien ebenfalls je nach den begleitenden Umständen verschieden ausfallen und zu einer verschiedenen Verwertung des Stoffes führen kann, ist jetzt noch schwer zu sagen. A priori dürfte aber die Annahme wahrscheinlich sein, dass wir es auch bei diesem Prozess mit mancherlei Varianten zu tun haben. Viele Beobachtungen deuten darauf hin, dass z. B. Amide mit verhältnismässig viel Reineiweiss zusammen verfüttert beim Pflanzenfresser scheinbar kaum zum Stickstoffaufbau verwendet werden (Morgen) wohl aber, wenn neben Amiden sehr wenig Eiweiss gereicht wird (Kellner). Auch die Beobachtung, dass art- gleiche Eiweisse im Mittel bessere Resultate bei der Ernährung junger oder kranker Tiere geben als artfremde (Menschenmilch für Kinder, Kuhmilch für Kälber usw.), könnte hier herangezogen werden. Endlich wäre noch ein Moment in Betracht zu ziehen. Bei der Synthese von Eiweisskörpern im. Organismus wird augenblicklich angenommen, dass die wesentlichen Komponenten des Eiweisses den Körperzellen bzw. den Darmepithelien zur Verfügung stehen müssen. Die Frage, ob der Organismus neue Aminosäuren bilden kann, scheint bisher nur positiv für Glykokoll beantwortet zu sein (Abder- halden). Hiernach besteht die Möglichkeit, dass ein einfacher stiekstoffhaltiger Körper, z. B. eine Aminosäure, leicht vollständig zersetzt und sein Stickstoff ganz ausgeschieden werden kann, wenn er nicht mit den fehlenden Eiweisskomponenten zusammentrifft und damit synthetisch verarbeitet werden kann. Es sei hier nochmals an den schon erwähnten Versuch von Abderhalden |. c. erinnert, der mit hydrolysiertem Kasein Hunde in’s Stiekstoffgleichgewicht bringen konnte, wenn aus dem Hydrolysat das Tryptophan nicht entfernt bzw. wieder zugesetzt wurde. Wäre in einem anderen Versuche allein die Verwertbarkeit des Tryptophans geprüft worden, 152 Ernst Pescheck: man würde wohl sicher keine solche scheinbar spezifische Wirkung haben feststellen können. Im Prinzip ist daher die Möglichkeit zuzugeben, dass irgendein anderer stiekstoffhaltiger Körper verschieden bei der Ernährung wirkt je nach Art und Menge anderer Eiweissspaltprodukte, mit denen er zusammen zur Resorption gelangt. Wenn es gelingen sollte, in diesen Mechanismus und Chemismus der hier kurz skizzierten Prozesse einzudringen, so dürfte die Hoffnung wohl nicht zu kühn sein, dass dann manche Richtlinien für eine vorteilhafte Fütterung der Haustiere gewonnen werden möchten. Um über alle erwähnten Faktoren Näheres zu erforschen, dürfte kein anderer Weg möglich sein, als, soweit es die Versuchstechnik erlaubt, die Versuche derart zu gestalten, dass diese einzelnen Faktoren nach Möglichkeit für sich geprüft werden können. Einfache Verhältnisse zu schaffen, war daher für die nach- folgenden Versuche das erste Ziel. Aus diesem Grunde wurden erstens Hunde, Fleischfresser, als Versuchstiere gewählt. Unleuebar liegen die Verdauungsverhältnisse beim Wiederkäuer um vieles komplizierter. Die Bakterienwirkungen spielen dort eine weit um- fassendere Rolle, und da deren sichere Beherrschung durch besondere Versuchsbedingungen wohl noch nirgends gelungen ist, wird bei ihnen ein Hauptfaktor in wechselnder und nicht genau zu kontrol- lierender Weise sich zur Geltung bringen. Die hierdurch für die Deutung der Versuchsresultate herbeigeführte Unsicherheit ist beim Fleischfresser sicher erheblich geringer. Zweitens sollten als Zulagen die zu prüfenden stiekstoffhaltigen Körper immer nur zu Grund- rationen erfolgen, die möglichst gleichartig zusammengesetzt waren. Damit wurde erreicht, dass doch wohl auf eine nicht zu verschiedene Bakterienflora im Darm gerechnet werden konnte und ferner stets die gleichen Eiweisskomponenten neben dem Versuchsstoff dem Organismus zur Verfügung standen. Drittens sollten nur mässige Tagesrationen verabfolgt werden, da hierdurch individuelle Ver- schiedenheiten in der Mastfähigkeit der Tiere vermutlich weniger die Ergebnisse beeinflussen dürften. Viertens sollte der Anfang mit einem möglichst einfachen stickstoffhaltigen Körper gemacht werden, der bei anderen Versuchen, allerdings beim Pflanzenfresser, eine relativ grosse Geeignetheit bewiesen hat, den Stickstoffstoffwechsel günstig zu beeinflussen, dem Ammonacetat. Endlich, um nicht zu sehr durch Störungen der Fressluft aufgehalten zu werden, sollten Studien üb. Einwirkung einiger nicht-eiweissart. Stickstoffverbindungen etc. 153 nicht gar zu geringe Mengen Fleisch im Grundfutter gegeben werden. Unter diesen Verhältnisseu war zwar vorauszusehen, dass die absoluten Zahlen für einen Stiekstoffansatz bzw. Veränderungen des Stiehstoffverlustes sehr niedrig sein würden und durch unvermeidliche Versuchsfehler beeinflusst werden könnten. Diesem ungünstigen Umstande sollte jedoch durch eine möglichst zahlreiche Wiederholung der Versuche bei verschiedenen Tieren begegnet werden. Zunächst sollte das Ammonacetat in Lösung einfach dem Grund- futter zugelegt, alsdann im wechselnden Tempo in den Magen und Darm und zuletzt in die Blutbahn injiziert werden. Hierdurch hätte man wesentliche Änderungen der doch auch beim Hunde vor- handenen Bakterientätigkeit im Magen herbeiführen und ferner die Bakterientätigkeit im Magen ganz ausschalten können. Endlich wäre gefunden worden, wie sich das Ammonacetat im Stoffwechsel verhält, wenn jede Darmtätigkeit ausgeschaltet ist. Leider missglückten, wie später noch kurz zu erwähnen sein wird, die Injektionsversuche in den Magen und Darm. Dafür wurden noch einige weitere Versuche mit kleinen Veränderungen in Menge der Nahrung pro Kilogramm Lebendgewicht bzw. in Menge des zugeführten Ammonacetat N getroffen, sowie schliesslich noch eine Versuchsreihe mit Ammontartrat und Asparagin ausgeführt. Betreffs der einzelnen Versuche ist zu bemerken, dass die Methodik der schon in früheren Arbeiten aus dem zootechnischen Institute beschriebenen im wesentlichen gleich war. Täglich wurde der Harn früh um 9 Uhr mit Katheter abgegrenzt und die gesamte zu einem Versuchstage gehörende Menge mit Salzsäure versetzt, stets auf gleiches Volumen — 1500 eem — gebracht und nach Kjeldahl der Stickstoff bestimmt. Darauf musste das Tier auf der horizontal. gestellten Tretbahn 3 km laufen und wurde dann gewogen. Gegen Mittag erhielt es das Futter und kam dann wieder in den Versuchs- käfıe. Der Kot wurde mit Knochen von bekanntem Stickstoffgehalt, die durch mehrmalige Behandlung mit Äther oberflächlich ent- fettet waren, periodenweise abgegrenzt und der Kotstickstoff nach Kjeldahl bestimmt. Zu den Magen- und Darminjektionen war den Tieren, um Fisteln zu vermeiden, die Magen- und ebenso die Darmwand an einer Stelle an die Bauchwand angenäht worden, so dass es möglich war, mit einem feinen Trokar in das Innere dieser Organe dureh Einstechen zu gelangen. 154 Ernst Pescheck: Bevor mit der quantitativen Aufsammlung der Ausscheidungen begonnen wurde, erhielten die Hunde stets erst längere Zeit das Grundfutter. Zur Feststellung der Nachprüfung wurden nach Ammon- acetat- usw. Zulagen Grundrationen eingeschaltet. Wo dies nicht geschehen ist, habe ich die Gründe besonders angegeben. Betreffs der Futtermittel wäre nur zu erwähnen, dass das Pferdefleisch, von dem 20—25 kg auf einmal bezogen wurden, in Mengen von 400 g in Konservenbüchsen eingewogen und im Dampf- topf sterilisiert wurde. j Nachfolgend gebe ich eine Übersicht über die von mir aus- geführten Versuche. I. Versuche mit Aımmonacetat. A. Per os als Zulage zu einem Grundfutter: 1. Versuch. Drei Perioden (Hündin I) mit Beigabe von Trauben- zucker gegeben. 2. Versuch. Drei Perioden (Hündin II) mit Beigabe von Trauben- zucker auf einmal und innerhalb 10 Stunden gegeben. 3. Versuch. Drei Perioden (Hündin II) ohne Beigabe von Trauben- zucker gegeben. : 4. Versuch. Zwei Perioden (Hündin ID) ohne Beigabe von Traubenzucker gegeben. 5. Versuch. Drei Perioden (Hündin IV) mit Beigabe von Trauben- zucker gegeben. 6. Versuch. Zwei Perioden (Hündin VII) ohne Beigabe von Traubenzucker gegeben. B. Intravenös mit Traubenzucker injiziert. 7. Versuch. Sieben Perioden (Hündin VII). 8. Versuch. Sechs Perioden (Hündin VII). I. Versuch mit Ammontartrat. Per os als Zulage zu einem Grundfutter in Zellulose- acetat eingehüllt und frei gegeben. 9. Versuch. Sechs Perioden (Hündin V]). III. Versuch mit Asparagin. Per os als Zulage zu einem Grundfutterin Zelloidin eingehüllt und frei gegeben. 10. Versuch. Sechs Perioden (Hündin VI). Studien üb. Einwirkung einiger nicht-eiweissart. Stickstoffverbindungen ete, 155 I. Versuche mit Ammonacetat. A. Per os als Zulage zu einem Grundfutter gegeben. l. Versuch. Zu diesem diente die Hündin I, ein kleines ausgewachsenes Tier mit schwarzen Haaren. Die Analyse des Futters ergab foleenden N- und Kaloriengehalt): Pferdefleisch (frisch) 3,47 %/o N 1,618 Kal. Res ak l2 0/0. 8792 Schmalz) ..004% , 9634 Knochen? 2 2... ..5.60%0, 23,189 Traubenzucker . . 0,08% „ 3,438 Ammonacetat?) . . — 3712, Das Tier erhielt zunächst 6 Tage lang ein Grundfutter von folgender Zusammensetzung. ” ” ” ” I. Periode. Grundfutter. 80 g Pferdefleisch. 2,78 g N 129,44 Kal. algezReis .... 2220,82 22,,..202.64 , 10 g Schmalz . . — IH 1,67 g : Knochen?) 0,09 g „ SION pro Tag 3,69 & N 491,99 Kal. pro Kilogramm leb. Gew. 104 Kal. und 0,78 e.N. (Siehe Tabelle 1 auf S. 156.) Es zeigt sich, dass die kleine Hündin noch beträchtlich N an- zusetzen vermag, im Mittel pro Tag 0,77 g. Da die N-Ausscheidung im Harn an den einzelnen Tagen kaum Schwankungen erkennen lässt, so sind für die folgenden Tage kaum Änderungen im N-Stoffwechsel des Tieres zu erwarten. 1) Die Angaben für den Kaloriengehalt beziehen sich stets auf 1 g der betreffenden Substanz. \ 2) Das hygroskopische Salz veränderte seinen N-Gehalt durch Wasser- aufnahme. Es musste deshalb vor jeder Ammonacetatperiode der N-Gehalt von neuem ‚bestimmt werden. Aus diesem Grunde habe ich bei allen Analysen- angaben den N-Gehalt des Ammonacetats, der zwischen 16,10% und 18,48 '/o schwankte, nicht angegeben. 3) Die bei der Zusammensetzung des Futters pro Tag angegebenen Knochen- mengen sind in allen Versuchen, wie aus der Spalte „Bemerkungen“ zu ersehen ist, nicht täglich einzeln verabreicht worden, sonst meist nur in einer Gabe am ersten Versuchstage zur Kotabgrenzung. . 156 Ernst Pescheck: | Tabelle 1. Ein- Ausgabe;N im N am Körper | 1908 |nahme H Prosa A Bemerkungen | aaren rozen W. [ai N Harn | Kot aa Zus dere | | Nov. g g g g g g nahme | kg j > —— “ 16.—17. | 3,69 | 2,40 | 0,46 | 0,09 | 2,95 | + 0,74 +20.05| 4,73 | 108 Knochen 2. Kot- © 17.—18. | 3,69 | 2,32 | 0,46 | 0,09 | 2,87 | + 0,82 | +22,22]| 4,73 | 2bEronzunzZEeEE ae —_ — = AA 19.—20. | 3,69 | 2,41 | 0,46 | 0,09 | 2,96 | + 0,73 | +19,78| 4,71 20.--21. | 3,69 | 2,30 | 0,46 | 0,09 | 2,85 | + 0,84 | +22,76| 4,76 | Kot nicht abgesetzt 21.—2.] 3,69 | 2,41 | 0,46 | 0,09. | 2,96 | + 0,73 | +19,78]. 4,74 | vr ee Zus. Ze anne Ba Nittel proTag| 3,69 | 2,37 | 0,46 | 0,09 | 2,92 | + 0,77 | +20,87 | 4,74 In der nun anschliessenden II. Periode erhielt die Hündin zu dem Grundfutter 1 g N in Form von Ammonacetat und 15 g Trauben- zucker zugelegt. I. Periode. Grundfutter + Knochen 3,69 & N 491,99 Kal. 6,15 & Ammonacetat .00Ne2 32, 22,880 5 15,00 g Traubenzucker 0,07 @ ,„ 51,57 7, pro Tag 4,70 pro Kilogramm leb. Gew. 118 N 566,44 Ral. Kal. und 0,98 e N. 7 Tabelle 2. Ein- Ausgabe N im N am Körper Leb 1908 |nahme | tz., |Haaren Prozent | Gew. Bemerkungen N |Harn, Kot a 1 Zus d Ein- Nov. g g g g g g nahme | kg | } 22.—23. | 4,70 | 3561| 0,54 | 0,09 | 4,19] +0,51 | +10,85 | 4,78] 10 g Knochen zur Kot- | abgrenzung gegeben. 23.—24. | 4,70 | 3,06 | 0,54 | 0,09 | 3,69 | +1,01 | +21,49 | 4,80 en ei vor | | ns 24.—25. | 4,70 | 3,12 | 0,54 | 0,09 | 3,751 +0,95 | +20,21| 4,32 | Kot etwas flüssig. 25.—26. | 4,70 | 3,27 | 0,54 | 0,09 | 3,90 | +0,80 | +17,02| 4,82 26 —27. | 4,70 | 3,33 | 0,54 | 0,09 | 3,96| +0,74 | +15,75| 4,83 | Kot nicht abgesetzt vor! 27.28. |: 470 | 3,59) 0,54 | 0,09 | 4,22) +0,48 | +10,21.| 4,84] der’ Wägung: Zus. ee Near ee Mittelp.Tag| 4,70 | 3,32 | 0,54 | 0,09 | 3,95] +0,75 | +15,96 | 4,82 1) Die Tabellen bedürfen keiner näheren Erklärung. Die einzelnen Ver- suchstage sind stets mit zwei Daten bezeichnet, weil von 9 Uhr früh des einen bis 9 Uhr früh des anderen Tages ein Versuchstag dauerte. Spalte „Bemerkungen“ sind im allgemeinen nur die zur Kotabgrenzung ge- gebenen Knochenmengen angegeben und Vermerke, wenn das Tier vor der Wäsung keinen Kot abgesetzt hatte. In der letzten Studien üb. Einwirkung einiger nicht-eiweissart. Stickstoffverbindungen etc. 157 | Aus der vollständigen mittleren N-Bilanz von 6 Tagen lässt | sich eine Wirkung des Ammonacetats auf den N-Ansatz nicht er- kennen. Vielmehr sinkt die gesamte N-Retention stetig. Umgekehrt hierzu findet eine mässige Steigerung des lebenden Gewichtes statt, so dass das Tier jetzt im Mittel 4,82 kg gegenüber Periode I 4,74 kg wiest. Auffällig ist, dass der Kot-N um 0,08 g erhöht ist. Sicher ist diese Erhöhung auch dem Traubenzucker zur Last zu legen. Bekanntlich wirkt Zucker auf eine vermehrte Kotausscheidung hin. Wie aus der Spalte Bemerkungen ersichtlich, war der Kot des Tieres , am dritten Tage etwas flüssig, was auf die Zuckergabe wohl zurück- zuführen ist, obwohl das Tier an 2 Tagen trotz des Zuckers keinen Kot abgesetzt hatte. Anschliessend sollte nun in einer III. Periode die gleiche Menge Ammonacetat mit Traubenzucker mittelst Einstichkanüle in den Magen injiziert werden. Unüberwindlicher Brechreiz des Tieres liess diesen Versuch scheitern, so dass die Versuchsreihe eine Unter- brechung fand. Die nachfolgende Tabelle 3 enthält deshalb nicht die direkte Nachwirkung der Periode II. Tabelle 3. Ein- . Ausgabe N im N am Körper E eahme Haa Prozent Re Bemerkungen ren 2 Kung N | Harn | Kot a Zus. AEin® Dez. g g g g g g nahme | kg | 4 3,80 | 2,75 | 0,58 | 0,09 | 3,42 | +0,38 | +10,00| 4,71 | 10 En e 4.5. | 3,80 | 2,73 | 0,58 | 0,09 3.40,.1°.0,40,1.2.10:55 |, Arzar | a5 5.—6. | 3,80 | 2,54 | 0,58 | 0,09 | 3,21 | +0,59 | +15,53 | 4,76 6.—7. 1 3,80 | 2,58 | 0,58 | 0,09 | 3,25 | +0,55 | +14,47| 4,76 1.—8 3,80 I 2,57 | 0,58 | 0,09 | 3,24 | +0,56 ı +14,74| 4,76 x 8.9, | 3,80 | 2,74 | 0,58 | 0,09 | 3,41 +0,39 | +10,26 | 4,75 | 108 Knochen gegeben. Zus. | — J1591 | — | — |1993 |+2387| — 128,47 3 Mittelp. Tag | 3,80 | 2,65 | 0,58 | 0,09 | 3,32 | +0,48 | +12,63 | 4,75 IH. Periode. Grundfutter + Knochen 3,79 g N 495,54 Kal. 15 g Traubenzucker :0,01g,„ 5157 „ pro Tag 3,80 g N 547,11 Ral. Pro Kilogramm leb. Gew. 115 Kal. und 0,80 & N. Vorstehende Tabelle 3 zeigt den N-Umsatz während der III. Periode Ich habe diese Tabelle hier angeführt, trotzdem zwischen der II. Periode und dieser ein Zwischenraum von 5 Tagen liegt. Da das Tier aber Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd, 142, 11 158 Ernst Pescheck: durch die Injektion in seinem Gesundheitszustand nicht geschädigt worden war und auch während der fünftägigen Pause weiter das Grundfutter, diesmal mit Traubenzuckerzulage, erhalten und auch gefressen hatte, so dürften die Zahlen der Tabelle 3 doch von Interesse sein. Während schon in Periode II im Verfolg der Harnzahlen sich . eine Erhöhung der N-Ausscheidung bemerkbar macht, zeigt sich in Periode III im Vergleich zu Periode I, Tabelle 1 auch eine wesent- lich höhere N-Ausscheidung im Harn. Der Kot-N ist in der III. Periode noch um 0,04 & gegen Periode II erhöht, was allerdings auch durch die am letzten Tage gereichte Knochengabe von 10 g verursacht ist. Auch das Lebendgewicht ist zurückgegangen, bleibt aber im Mittel noch etwas höher als zu Beginn des Versuchs, siehe Tabelle 1. Im allgemeinen lässt sich sagen, dass Ammonacetat im Gemisch mit Traubenzucker keine günstige Beeinflussung des N-Stoffwechsels herbei- zuführen vermochte. Ob die höhere N- Ausscheidung in der III. Periode, die aber immer roch eine positive Bilanz ergibt (+ 0,48 g N am Körper), zum Teil durch eine von der Ammonacetatgabe in Periode II herrührende Reizwirkung bedingt ist, lässt sich nieht sagen, da, wie erwähnt, zwischen beiden Perioden eine fünftägige Pause liegt. 2. Versuch. Versuchstier Nr. II eine kleine Foxterrierhündin, gleichfalls ausgewachsen, die schon mehrfach zu Versuchen gedient hatte, erhielt dasselbe Grundfutter wie Hündin I aber mit Traubenzuckerzulage. Das Futter hatte folgenden N- und Kaloriengehalt: Pferdefleisch (frisch 3,47°o N 1,618 Kal. Reis ı Pl 0 ao 5a Schmalzene ne 0 0.2 0.020009, 9:6 310 Knochen = 0 202756002 2139278 Traubenzucker . . 0,08% „ 3,438 „ Ammonacetat. . . — ST2lE 0% I. Periode. Grundfutter. 80 g Pferdefleisch . 2,78 g N- 129,44 Kal. 10 gBReis... 0820202 10 g Schmalz . . — 96,34 „ 4 g Knochen . . 0228, 0m, 1580 Y, Traubenzucker 2 0.012,72 590 pro Tag 3,85 g N 548,55 Kal. Pro Kilogramm leb. Gew. 100 Kal. und 0,70 g N. Tabelle 4. Studien üb. Einwirkung einiger nicht-eiweissart. Stickstoffverbindungen etc. 159 1909 8.9. 2. —10. 10.11. IN —ıEL 12.—13. | 3,83 | —II& / ze | Nittel p. Tag 3,83 Ausgabe N im 19,8 ‚89 2 58 Haaren Lei usw. 5 oOocooo2go Hm en en on ‚89 „od Rah) 55 55 0,55 | stehende Tabelle 4. N am Körper eb. Yan Ben Gew. Bemerkungen . Ein- g g nahme | kg re DS BEE [Free SEEN ET 3,33 | +0,50 | +13,05 | 5,42 [108 Knochen zur Kot Sl 1 4 0,72 En 18,20 5.47 ab: grenzung gegeben. 3,22 | +0,61 | +15,93| 5,48 8,05 | +0,78 | +20,37 | 5,48 3,08 | +0,75 | +19,58 | 5,48 | 190g Knochen gegeben. see ee | 3,16 | +0,67 | +17,49 | 5,47 Den N-Umsatz pro Tag sowie die tägliche N-Bilanz zeigt vor- In den nun folgenden Perioden II und III erhielt das Tier eine Zulage von Ammonacetat pro Tag entsprechend 0,9 g N. Während das Tier in der II. Periode das Futter täglich auf einmal erhielt und auch in wenigen Minuten stets vollständig frass, gab ich ihm in der anschliessenden Periode III dasselbe Futter innerhalb 10 Stunden und zwar pro Stunde !/ıo der Gesamtmenge. geben die N-Bilanzen. Grundfutter + Traubenzucker + Knochen II. Periode. 5,65 & Ammonacetat . ae pro TErEE 4,62 & N 5608,29 Kal. Die Tabellen 5 und 6 N 544,27 Kal. 210200, Bot le) ” Pro Kilogramm leb. Gew. 102 Kal. und 0,84 g N. Futter täglich in einer Portion verabreicht. Tabelle >. Ein- Ausgabe N im Be jnahme H Prozent Bemerkungen f 7 aaren rozen w. 5 N Harn | "Kot usw. Zus d. Ein- Jan. -g g g g g & nahme | kg = | 10 RS Je WER WERKE -EE SA | 4,62 | 3,80 | 0,50 | 0,038 | 4,33 | +0,29 | -+6,28 | 5,48 [10.5 Knochen zur Kot- 215. | 4,62 | 3,46 | 0,50 | 0,03. | 3,99 | +0,63 |+13,64 | 5,51 | “"Srentns 8°5°%° 516. | 4,62 | 3,67 0,0 | 0,03 | 4,20 | +0,42 | +9,09 | 5,56 | Kot, vor der Wäsung 7462 | 3,821 0,50 | 0,03 | 485 | +0,27 | +5,84 | 5,55. | "ieht absosekzl. 118. | 4,62 | 3,80 | 0,50 | 0,03 | 4,33. | +0,29 | +6,28 | 5,57] Kot vor der Wägung —- 5 seLzb, BE es Ne 720 | #1,90 | = [27,67 i ktelp.Tag| 4,62 | 3,71 | 0,50 | 0,08 | 424 | +0,38 | +8,28 | 5,53 N am Körper 160 Ernst Pescheck: III. Periode. Grundfutter + Traubenzucker + Knochen 3,72 g N 544,27 Kal. 5.69, Sr Ammonacetate u nn VO pro Tag 4,62 g N 565,29 Kal. Pro Kilogramm leb. Gew. 102 Kal. und 0,83 g N. Futter täglich innerhalb 10 Stunden pro Stunde "/ıo verabreicht. Tabelle 6. Ein- Ausgabe N im N am Körper b UBUD: nLnnb Haaren j | Prozent en Bemerkungen B [ | zZ 5 N Harn | Kot en Zus. A i Jan. g g g g g g nahme | kg 18.—19. | 4,62 | 3,75 | 0,56 | 0,08 | 4,34 | +0,28 | +6,06| 5,53 |10g Knochen zur Kot 19.—20. | 4,62 | 3,49 | 0,56 | 0,03 | 4,08 | +0,54 | + 11,69 3758 abgrenzung gegeben: 20.21. | 4,62 | 404 | 0,56 , 0,03 | 4,63 | 0,01 | —0.22] 5,56 | Kot vor der Wägung 21.—22. | 462 | 347 | 056 | 0.03 | 4.06 | +0,56 | 1212| 5,53| Aicht abgesetzt. 22—23.| 4,62 | 3/86 | 0,56 , 0.08 | 445 | +0,17 | +3,68 | 5,59 | Kot vor der Wägung EEE BEP BR TEE ERLERNEN VIER re oe ee nicht abgesetzt. Zeiss Teer] Mittelp.Tag| 4,62 | 3,72 | 0,56 | 0,03 | 431 | +0,31 | +6,71| 5,55| Es zeigt sich, dass der Ansatz von + 0,67 & N in der Grund- futterperiode, Tabelle 4, in den beiden folgenden Ammonacetat- perioden auf + 0,38 resp. + 0,31 g N sinkt. Aus den Zahlen für die tägliche N-Bilanz der III. Besrkele, Tabelle 6, ist zu erkennen, dass das Tier dem N-Gleichgewicht zustrebt. Auffällig ist, dass es dieses nieht schneller erreicht. Vielleicht ist dies darin begründet, dass in relativ weitem Nährstoffverhältnis gefüttert wurde. Während in der I. Periode die N-Zahlen des Harns noch schwanken, zeist sich in der I. Periode schon die Tendenz zur Steigerung des N-Umsatzes. In der III. Periode lässt sich eine weitere Steigerung des Harn-N nicht erkennen. Beachtenswert sind hier die grossen Schwankungen der N-Zahlen des Harns. Vielleicht lassen sie sich dadurch erklären, dass bei der langen Dauer der Futterverabreichung — 10 Stunden gegenüber wenigen Minuten in Periode II — die Prozesse der Zersetzung N-haltiger Futterbestandteile, die der Körper nieht zu seinem Aufbau verwendet, über eine längere Zeit erstrecken, während bei einmaliger Fütterung diese Zersetzungen wohl zum allergrössten Teil nach 24 Stunden beendet sind. Es ist daher zu erwarten, dass bei bestimmtem N-Bedürfnis des Körpers die Harn- N-Zahlen pro Tag bei einmaliger Fütterung gleichmässiger zu finden Studien üb. Einwirkung einiger nicht-eiweissart. Stickstoffverbindungen ete. 161 sein werden, als wenn die Fütterung auf viele Stunden verteilt wird. Der aus allen Tagen einer Periode berechnete Mittelwert dürfte aber wohl bei verschieden langen Fütterungen, sobald die Perioden 4—5 Tage dauern, kaum beeinflusst werden. Da der N-Gehalt des Kotes in Periode III um 0,06 & höher ist als in Periode II (vgl. Tabellen 5 und 6), also fast entsprechend der Differenz der N-Retentionen dieser beiden Perioden, so besteht vielleicht die Möglichkeit, dass die langsame Fütterung verzögernd auf die Erreichung des N-Gleichgewichts gewirkt hat. Da sich bei demselben Tier sofort ein weiterer Versuch an- schloss, so kann mit Vorbehalt die erste Periode dieses Versuches als Kontrollperiode IV für die vorhergehenden betrachtet werden. Das Tier erhielt in dieser dasselbe Grundfutter aber keinen Trauben- zucker, so dass sich die tägliche Kaloriengabe pro Kilogramm Lebend » gewicht um 10 Kal. erniedrigte. Aus den N-Zahlen für den Harı dieser Periode, siehe Tabelle 7, erkennt man, dass der Organismus des Tieres sich nicht weiter dem N-Gleichgewicht zu nähern trachtet, sondern dass die Zellen sich noch in einer Art Reizzustand befinden, der einen erhöten N-Umsatz hervorrief. Die Harn-N-Zahlen sind im Vergleich zu Periode I, Tabelle 4, erheblich gesteigert. Während in den ersten drei Perioden das Lebendgewicht des Tieres beständig zunimmt, fällt es, wie aus Tabelle 7 ersichtlich, wieder und erreicht am letzten Tage ungefähr den Wert für das Gewicht der Hündin bei Beginn des Versuches. “ Da nicht anzunehmen ist, dass der erhöhte N-Umsatz in der Kontrollperiode IV allein durch den Fortfall des Traubenzuckers hervorgerufen worden ist, lässt sich nur sagen, dass die N-Verluste wahrscheinlich durch eine Reizwirkung des vorher verfütterten Ammonacetats herbeigeführt worden sind. Da bei den früheren Versuchen die Absicht bestand, Parallel- reihen auszuführen, wo die Einverleibung des Ammonacetats mit wechselnder Geschwindigkeit in den Magen und Darm erfolgen und zu gleicher Zeit dem Organismus ein leicht verwertbares Kohlehydrat zur Verfügung gestellt werden sollte, war den Rationen Trauben- zucker beigelegt worden. Es sollte nun geprüft werden, ob diese Beimensung im Futter schädlich oder nützlich auf die N-Retention gewirkt hat. Zu diesem Zweck ist der folgende Versuch angestellt worden, dessen I. Periode ich schon als Kontroilperiode IV des vorigen Versuches mitberücksichtigt habe. 162 Ernst Pescheck: | 3. Versuch. Die Hündin erhielt in den drei Perioden des folgenden Ver- suches keine Traubenzuckerzulage. Das Grundfutter der I. Periode hatte folgende Zusammensetzung. I. Periode. Grundfutter. 2 80 g Pferdefleisch 2,78 2 N 129,44 Kal. | 70 g Reis . 182 000 2026 10 & Schmalz. = 96,34 5 | 2 2 Knochen. VRR 428, Zu pro Tag 3,71 g N 492,70 Kal. Pro Kilogramm leb. Gew. 90 Kal. und 0,68 ge. N. Tabelle 7. Ein- Ausgabe N im N am Körper 1909 |nahme Leh. N aal Kor Haaren Zus Prozent | Gew. Bemerkungen usw. d. Ein- Jan. Ren el g g g g & nahme | kg 23.—24. | 3,71 | 3,34 | 0,55 | 0,08 | 3,92 | —0,21 | —5,66 | 5,54] 108 Knochen zur Kot 24.25. | 3,71 | 3,64 | 0,55 | 008 | 422 1 051 13,75 | 5,50| “bsrenzung gegeben, 25.—26. | 3,71 | 324 | 055 | 003 | sa | 0,11 | —2,97 | 5,49 | Kot. vor der Wägung ı 26.—27. | 3,71 | 313 | 0,55 | 0,08 | 371 | +0,00 | +0,00 | 5,45 | richt abgesetzt. | 27.—28. | 3,71 | 3,36 | 0,55 | 0,03 | 055 | 008 | 394 | 0.28 | 25,79 | 5,42 ade Mittelp-Tag| 3,71 | 3,34 0,55 | 0.08 | 392 | 0,21 | —5,66 | 5,48 Die N-Bilanz zeigt Tabelle 7. In der anschliessenden Periode II bekam das Tier wieder 1 g N in Form von Ammonacetat zugelegt. Der N-Umsatz gestaltete Ah nun folgendermassen: II. Periode. Grundfutter + Knochen 3,71 6,28 8 Ammonacetat 1,00 pro Tag 4,71 IR 09 Q {o) N 492,70 Kal. „2337, N 516,07 Kal. Pro Kilogramm leb. Gew. 96 Kal. und 0,39 (Siehe Tabelle 3 auf S. 163.) Zur Prüfung der Nachwirkung wurde eine III. Periode, wieder das Grundfutter gegeben wurde, angeschlossen. gN. in der III. Periode. Grundfutter + Knochen 3,71 g N 492,70 Kal. pro Tag. Pro Kilogramm leb. Gew. 91 Kal. und 0,69 ge N. Studien üb. Einwirkung einiger nicht-eiweissart. Stickstoffverbindungen ete. 163 Tabelle ®8. Ein- Ausgabe N im N am Körper nahmel — — Leb. 1909 - , ‚Haaren Prozent I Gew. | Bemerkungen N ]|Harn | Kot N Zus. io 2 5 S g g g | nahme | kg 98.-29. Jan.| 4,71 | 4,00 | 0,52 | 0,03 | 4,55 | +0,16 | +3,40 | 5,40 |10_ 8 Knochen zur 2930. „ | #71 | 410 |0,52 | 0,08 | 4,65 | +0,06 | +1,27 | 5,37 nz ge- 20-31. , | 411 — | — | — — — 2 1540 31. in. bis Ay7ı| 3,98 | 0,52 | 0,03 | 4,58 | +0,18 | 43,82 | 5,43 | #04 vor aor wagung 1. Febr. nicht abgesetzt. Ba 423 052 | 0,008 | 4,78 | 0,07, 149 | 5,42 m. ” 4,71 4,04 ü 0,52 0,03 4,59 +0,12 +2,55 5,39 2g Knochen gegeben Zus. — | | ern ee Ba) Mittel pro Tag| 4,71 | 4,07 | 0,52 | 0,03 | 4,62 | +0,09 | +1,91 | 5,40] Tabelle 9. Ein- Ausgabe N im N am Körper 1909 |nahme ln, N | Harn Kot!) Haaren Zus Prozent | Gew. USERS usw. d. Ein- Febr. __ ao 7 Resale: a RS | Bahmen]s Kan er E nahme | kg BB | >71 | 3,57 | 0,54 | 0,03 | 4,14 | -0,43 | 211,59 | — |10 8, Knochen zur 5 | 371 | 2,99 0,54 | 0,03 | 3,56 | +0,15 | +4,04 | 5,40 ae u |3u4 299 054 008 | 3,56 | +0,15 | +4,04 | 5,40 Fer |371 291 054 | 0.03 | 348 | +0,23 | +6,20 | 5,37 3,71 | 2,93 | 0,54 0.08 350 | +0,21 | +5,66 | 5,44 | Kot vor der Wägung 1.—8. ee en a | ee nicht abgesetzt. nicht ab gesetzt. 7539 Fest [21 16 it En Tag| 3,71 | 308 | 0,54 0, ‚08 3,65 | +0,06 | +1, 1,62 | 54 . Zur Tabelle 9 bemerke ich, dass der Kot leider nicht quanti- tativ gesammelt und analysiert werden konnte. Als N-Zahl für Kot in dieser Tabelle habe ich das Mittel aus allen bei diesem Tier be- stimmten Zahlen für Kot-N in den vorhergehenden Perioden — vgl. Ich glaube, diese Zahl deshalb ver- Tabellen 4—8 — eingesetzt. wenden zu können, weil, wie aus den Tabellen ersichtlich, der N-Gehalt des Kotes trotz der Länge des Versuches nur geringe Selbstverständlich kann diese III. Periode nur bedingt bei der Besprechung der Ergebnisse dieses Versuches mitberücksichtigt werden. Schwankungen aufweist. Vergleicht man die in den vorstehenden Tabellen aufgestellten N-Bilanzen, ist zunächst zu konstatieren, so rm @) 2.8 und 9 dass Ammonacetat ohne Beigabe von Traubenzucker eine beachtenswerte N-Retention bewirkt hat. Während in der schon im vorhergehenden 1) Zahl für Kot N ist das Mittel aus den Perioden 4, 5, 6, T und 3 164 Ernst Pescheck: Versuch besprochenen Kontrollperiode IV, der I. Periode dieses Ver- suches (Tabelle 7), das Tier N verliert, so dass die Bilanz im Mittel pro Tag einen Verlust von 0,21 g N ergibt, zeigt sich in der nun folgenden Periode II, Tabelle 8, keine Verstärkung des N-Verlustes, sondern im Gegenteil eine N-Retention. Der N am Körper stieg im Mittel pro Tag von — 0,21 g auf + 0,09 g, was einer Retention von 0,50 g N entspricht. Nach diesem Versuche scheint die ungünstigen Ergebnisse der früheren Ammonacetatfütterungen der mit verabreichte Traubenzucker verursacht zu haben. Wenn nun auch die Periode III leider das erwähnte Missgeschick getroffen hat und der Verlust des Kotes eine einwandfreie vollständige N-Bilanz aufzustellen verhindert, so können doch die N-Zahlen für Harn mit denen in den beiden vorhergehenden Perioden in Parallele gestellt werden. Beim Vergleich der N-Zahlen des Harnes in den Perioden II und III (Tabelle S und 9) erkennt man, dass der Harn-N der III. Periode fast genau um 1 g vermindert ist, also entsprechend der N-Zulage in Periode II. Die N-Ausscheidungen im Harn der Periode III sind gegenüber Periode I (Tabelle 7), in der dieselbe Menge N im Futter gegeben wurde, wesentlich geringer. Das Lebendgewicht des Tieres nimmt in der I. Periode beständig ab, zeigt aber in den folgenden beiden Perioden nur geringe Schwankungen. Das Ammonacetat hat also in diesem Versuche eine Rei zwirkung die zu einer Verminderung des N-Bestandes des Körpers führt, nicht geäussert, sondern vielmehr eine günstige Wirkung auf den N-Stoff- wechsel ausgeübt. Dieses Ergebnis scheint darauf hinzudeuten, dass in den früheren Versuchen die Kombination von Traubenzucker mit Ammonacetat zu Umsetzungen wahrscheinlich schon im Verdauungs- kanal geführt: hat, die für den N-Bestand des Körpers nicht günstig sind. 4. Versuch. Als Versuchstier wurde die Hündin III, ein kleines, kräftiges Tier mit schwarzen Haaren, gewählt. Das Tier erhielt zunächst ein Grundfutter. Es bestand die Absicht, anschliessend an die Grund- futterperiode zunächst eine Injektion von Ammonacetat mit Trauben- zucker in den Magen auszuführen. Leider versagte auch dieses Tier hierbei vollständig. Heftiges Erbrechen störte den Versuch derartig, dass es unmöglich war, eine brauchbare N-Bilanz aufzustellen. Es Studien üb. Einwirkung einiger nicht-eiweissart. Stickstoffverbindungen ete. 165 wurde deshalb beschlossen, nochmals zu prüfen, ob Ammonacetat ohne Traubenzucker, einem Grundfutter beigelegt N-Retention bzw. eine Verminderung der N-Verluste bewirken könnte. Nachdem die Hündin, die sich von den Injektionsversuchen sehr schnell erholt, 8 Tage lang das Grundfutter erhalten hatte, wurde am 19. Februar mit der Sammlung und Analyse der Ausscheidungen begonnen. I. Periode. Grundfutter. nn 80 g Pferdefleisch 2,78 & N 129,44 Kal. SUEcpReise ar. 2.2 12.090.230 033008 0% 20ser Schmalzi7 7.50.01, 1923,08 7, m2#eaKnochen: 2.0.11 8, ARE: pro Tag 3,95 & N 664,08 Kal. Pro Kilogramm leb. Gew. 76 Kal. und 0,45 & N. Tabelle 10. Ein- Ausgabe N im N am Körper nahme P Be Beınerkungen Naar Kot Haaren Zus rozent | Gew. g usw. d. Ein- Febr. g g g g g g nahme | kg 19.20. | 3,95 | 2,92 | 0,65 | 0,04 | 3,61 | +0,34 | +8,61] 8,77 |108 Knochen zur Kot- 20 21. | 3,95 | 256 | 0,65 | 0,04 | 3,25 | +0,70 | +17,72 | 8,73| =tsrenzung gegeben. 121.22. | 3,95 | 2,37 | 0,65 | 0,04 | 3,06 | +0,89 | +22,53| 8,71 22,23. | 3,95 | 2,60 | 0,65 | 0,04 | 3,29 | +0,66 | +16,71| 8,72 32. | 3,95 | 242 | 0,65 | 0,04 | 3,11 | +0,84 | +21,07| 8,77 Zus. E joe 16,32 / Er 43,70 Mittelp.Tag| 3,95 | 2,57 | 0,65 | 0,04 | 3,26 8,74 +3,43 = +0,69 | +17,47 In der anschliessenden Periode II bekam die Hündin 1 gN in Form von Ammonacetat zum Grundfutter zugelegt. II. Periode. Grundfutter + Knochen 3,95 g N 663,37 Kal. 6,21 & Ammonacetat ON ar 2 pro Tag 493 g N 686,48 Kal. Pro Kilogramm leb. Gew. 78 Kal. und 0,56 g N. (Siehe Tabelle 11 auf S. 166.) In der Grundfutterperiode I, Tabelle 10, setzte das Tier noch 0,69 & N pro Tag an. Aus den schwankenden Harnzahlen dieser Periode ist die Tendenz des Tieres, sich ins N-Gleichgewicht zu setzen, nicht ersichtlich. In der nun folgenden Periode II, Tabelle 11,. 166 . Ernst Pescheck: Tabelle 11. Ein- Ausgabe N im N am Körper Leb. hme a 1909 TE Haaren | Prozent| Gew, | Bemerkungen N | Harn Kot usw. Zus. ne | g g g g 8 g | nahme | kg 24.—25. Fehr. | 4,93 | 3,46 | 0,70 | 0,04 | 4,20 | +0,73 | +14,81| 8,78 |10 8 Knoehen zur, 25—26. „ | 4,93 | 3,25 | 0,70 | 0,04 | 3,99 | +0,94 | +19,07| 8831| oa eh 26.—27. ,„ [493 | 3,26 | 0,70 | 0,04 | 4,00 | +0,93 | +18,86| 8,87 i 27.28. „ | 4,93 | 3,61 | 0,70 | 0,04 | 4,35 | +0,58 | +11,76| 8,87 nn 14,93 3.48 | 0,70 | 0,04 | 4.22 | +0,71 | +14,74| 8,87 1—2. „ [49 | 349 | 0,70 | 0,04 | 4.23 | +0,70 | +14,20| 8,86 Zus. arinarrTıarrR Mittel pro Tag | 4,93 | 3,43 | 0,70 | 0,04 | 4,17 | +0,76 | -+15,42| 8,84 vermochte die Hündin noch 0,07 g N im Mittel pro Tag mehr zu retinieren, so dass sich jetzt ein Plus von 0,76 g N am Körper ergab. Also auch in diesem Falle bewirkte Ammonacetat ohne Traubenzucker eine N-Retention. Leider fanden die Versuche mit diesem Tier ein frühzeitiges Ende, da es sich an der Stelle, wo der Darm an die Bauchwand angenäht war, gewaltsam eine schwere Verletzung des Darmes beigebracht hatte, die seine Tötung notwendig machte. Es war deshalb leider nicht möglich, eine Grundfutter- periode zur Feststellung der Nachwirkung anzuschliessen. Das Lebendgewicht des Tieres nahm beständig zu. Es stieg im Mittel der Perioden von 8,74 kg auf 8,34 ke. Die im vorhergehenden Versuch 3 gefundene günstige Wirkung von Ammonacetat ohne Beigabe von Traubenzucker dürfte durch diesen Versuch 4 eine Bestätigung finden. 5. Versuch. Zur Wiederholung der Ammonacetatversuche wurde eine kräftige, gleichfalls ausgewachsene Foxterrierhündin IV gewählt. Da zunächst auf Magen- bzw. Darminjektionen verzichtet werden sollte, konnte bei diesem und den folgenden Tieren die eingangs erwähnte Operation unterbleiben. An dieser Stelle möchte ich ausdrücklich hervorheben, dass die Hündinnen I, II und III trotz der kleinen Operation als normal betrachtet werden können. Irgendwelche Symptome, die erkennen liessen, dass die Tiere durch den geringen operativen Eingriff ge- litten hatten, waren nicht zu bemerken. Es liegt deshalb keine i { Studien üb. Einwirkung einiger nicht-eiweissart. Stickstoffverbindungen etc. 167 Veranlassung vor, folgenden in Vergleich zu stellen. Die Analyse der an das Tier verfütterten Stoffe ergab folgenden N- und Kaloriengehalt: die vorhergehenden Versuche nicht mit den nun Pferdefleisch (frisch) 3,480 N 1,761 Kal. Reis. lo, Bl Schmalz 0.04 oe 9631, Knochen 3:00 lo 2139 8 Traubenzucker Vo. SL Ammonacetat Sala, I. Periode. Grundfutter. 80 g Pferdefleich 2,788 N 140,88 Kal. 90 g Reis . IHN oa 342% n g Schmalz. VD er RS & Knochen mare: 228} 5 & Traubenzucker 0,01 & „ 51,57 pro Tag 4,03 g N 731,23 Ron Pro Kilogramm leb. Gew. 98 Kal. und 0,54 Tabelle 12. eN. Ein- Ausgabe N im N am Körper Leb 2” nie H Kot Haaren De Prozent| Gew. | Bemerkungen N ar 2 usw u d. Ein- Mai g g g a g nahme | kg 21.22. | 4.03 | 3,39 | 0,49 | 0,05 | 3,98 | +0,10 +2,48 | 7,41 |10 8 Knochen zur 22.23. | 4,03 | 3,14 | 0,49 | 0,05 | 368 | +0,85 | +8,69 | 7,40 Kotabgronzung 9324. | 4.03 | 3,07 | 0,49 | 0.05 | 361 | +0,42 |+10,42 | 7,40 24 95. | 4.03 | 3.19 | 049 | 0.05 | 373 | +030| +7,44 | 745 Kot 2, Wäsıns 25 26. | 403 | 314 | 049 | 0.05 | ses | +0,85 | +8,69 | 745 96.27. | 4,03 | 320 |049 005 | 37a | +029| +70 | 78] _ 27.—8. | 4,03 | 3,54 | 0,49 | 0,05 |.4,08 | —0,05 | —1,24 | 7,40 |10 3, Knochen go- 289, | 103 | 348 | 0,49 | 0,05 | 402 | +0,01 | +0,95 | z,a3| sehe: 29.30. | 4.03 | 344 | 049 | 0.05 | 398 | +0,05 | +1,24 | 7,43 0-31. | 403 | 333 | 049 | 0.05 | 387 | +0,16 | +3,97 | 74 ee 2 ser) — | Aittelv. 1 Tagen | 4,03 | 3,29 | 0,49 | 0,05 | 3:83 | +0,20, +4,96 | 7,42 B Zus: Mittel v. 5 Tagen 16, 4,03 | 9 99 3,40 0,49 1916 0,4 0,05 | 3,9 0,0 9| + 41 + 168 Ernst Pescheck: Die Hündin IV hatte ein Lebendgewicht von annähernd 7,5 ke. Wurde ihr ebenfalls 15 g Traubenzucker pro Tag im Futter gegeben, so war auf die Lebendgewichtseinheit bezogen diese Gabe nur bei- nahe halb so stark als bei den früheren Versuchshunden. Ferner wurde die erste Gundration, s. Tabelle 12, 10 Tage lang gereicht, um das Tier an den Traubenzucker zu gewöhnen und zugleich möglichst annähernd N-Gleichgewicht zu erreichen. Die Ammonacetat- reihen schlossen sich in früheren Versuchen zum Teil an Grundfutter- perioden an, in denen das betreffende Versuchstier noch erheblich N zu retinieren vermochte. Die Tabelle 12 gibt eine Übersicht über den Verlauf des N- Stoffwechsels bei Verfütterung der Grundration mit Beigabe von Traubenzucker. Teile ich die Tabelle 12 in zwei Abschnitte zu je 5 Tagen, so erkennt man, dass vom 21.—25. Mai täglich eine beachtenswerte N-Retention stattfand, die im Mittel etwa 0,5 g N pro Tag betrug. In den folgenden 5 Tagen zeigen die N-Zahlen des Harns die unverkenn- bare Tendenz zu steigen. Vom 27.—28. Mai wird die Bilanz sogar negativ. Im Mittel dieser letzten 5 Tage sinkt die N-Retention auf + 0,09 g; das Tier befindet sich also ungfähr im N-Gleichgewicht. Ziehe ich die mittlere Bilanz aus allen 10 Tagen, so ergibt sich eine Retention von + 0,20 g N pro Tag. Man erkennt, dass die Vergleichbarkeit der mit diesem Tiere aufgestellten fünftägigen Bilanzen beeinträchtigt werden würde, wenn ich die Mittelzahlen aus allen 10 Versuchstagen zur Berechnung des täglichen N-Stoffwechsels heranziehen wollte. In der nun anschliessenden II. Periode bekam die Hündin 1g N in Form von Ammonacetat dem Futter beigemischt. II. Periode. Grundfutter + Traubenzucker + Knochen 4,03 g N 731,23 Kal. 519428»Ammonacetatı. 1. 0 100 120 pro Tag 5,03 g N 751,84 Kal. Pro Kilogramm leb. Gew. 101 Kal. u. 0,67 e N. (Siehe Tabelle 13 auf S. 169.) Die N-Bilanz ergibt jetzt wieder nur positive Zahlen, zum Teil recht beachtenswerte Retentionen im Mittel pro Tag 0,34 g N. In diesem Falle hat also die Mischung von Ammonacetat mit Trauben- zucker nicht wie in den Versuchen 1 und 2 einen ungünstigen Ein- fluss auf die N-Ernährung gehabt. Studien üb. Einwirkung einiger nicht-eiweissart. Stickstoffverbindungen etc. 169 Tabelle 13. Ein- Ausgabe N im N am Körper 1909 Denne - , ‚Haare F P t eh Bemerkungen 7, aaren rozen ew. ‚merkunge N | Harn | Kot usw. | Zus. me 8 &: g g g g- nahme g 31.Maihis1.Jmi| 5,03 | 4,33 | 0,48 | 0,05 | 4,86. | +0,17 | +3,38 | 7,41 |10 5 Knochen zur 1.—2. „| 503 | 4,14 | 0,48 | 0,05 | 4,67 | +0,36 | +7,16 | 7,44| Kotabsrenzung Deal 503 394 1048 005 | AA | to56 + 1113 | 7438| >77 3—4. „| 503 | 418 | 048 | 0,05 | 4,66 | +0,37 | +7,36 | 7,52 4—5. „1508 | 427 | 0,48 | 0,05 | 480 1 +0,23 | +4,57 | 7,52 Zus. — | el le ae Mittel pro Tag | 5,03 | 4,16 0,48 | 0,05 | 4,69 | +1,34 | +6,76 | 7,47 Zur Prüfung der Nachwirkung wurde in einer III. Periode, die unmittelbar der II. folgte, noch einmal die Grundration verfüttert. Ill. Periode. Grundfutter + Traubenzucker + Knochen pro Tag 4,03 g N 731,23 Kal. Pro Kilogramm leb. Gew. 97 Kal. und 0,55 & N. Tabelle 14. Ein- Ausgabe N im N am Körper nn. H Prozent Bomerkungen 7 aaren rozen W. te) N |Harn | Kot Zus. | din: Juni g g g g g g |nahme | kg 5— 6. | 403 | 3,44 | 0,49 | 0,05 | 3,98 | +0,05 | +12,41| 7,53 |10# Knochen zur Kot Be 770320 3:97 0492 70:05 | 3,81°17+0.22.| 25,46| 7,55] rstenzuns e2s°°7. 82.1403 | 34 | 049 | 0,05 | 3,98 | +0,05 | +12,41| 7,52 e=%| 403 | 311 | 049 | 0,05 | 3,65 | +0,38 | +943| 7,55 9.—10. | 4,03 | 3,22 | 0,49 | 0,05 | 3,76 | +0,27 | +6,70| 7,55 Ze, || — NE Se Mittelp.Tag| 4,03 | 3,30 | 0,49 | 0,05 | 3,84 | +0,19 | +4,72| 7,54 Die Bilanz, Tabelle 14, ergibt noch ein Plus von 0,19 gN am Körper. Es dürfte daraus zu entnehmen sein, dass das Tier doch noch die Tendenz hatte, seinen N-Bestand zu vermehren; ob durch eine Reizwirkung des essigsauren Ammoniaks erst veranlasst, muss dahin- gestellt bleiben. Jedenfalls ist die Retention in Periode III mit täglich 0,19 g N beinahe nur halb so gross als die in Periode II mit 0,34 & N. Der Unterschied wird auch durch die Zahlen in drittletzter Spalte der Tabellen recht deutlich. Vom .N-reicherem 170 Ernst Pescheck: Futter in Periode II konnten 6,76°0 im Körper zurückgehalten werden gegenüber 4,72% in Periode II. Beachtet man noch die Zahlen für die Lebendgewichtszunahme, so zeigt sich auch hier eine beständige Steigerung annähernd parallel gehend mit der bestimmten N-Retention. 6. Versuch. In dieser Versuchsreihe sollte geprüft worden, wie weit eine N-Retention durch Ammonacetat bewirkt werden könnte, wenn auf die Körpergewichtseinheit bezogen eine reichlichere Menge des Salzes zu einem verhältnismässig mehr N enthaltenden Grund- futter zugelegt wurde. Eine ebenfalls reichlichere Gabe von Kalorien sollte einen eventuellen N-Ansatz unterstützen. Als Versuchstier diente Hündin VI, ein kleines, einem Spitz ähnliches Tier mit weissen Haaren. Die Analyse des Futters ergab folgenden N- und Kaloriengehalt: Pferdefleisch (frisch) 3,48%/o N 1,761 Kal. heise er Dee el 2alon aus Schmalz 2 2 27,.:22.2.0.029053 9.6347: Knochene 3 2 22.05 92002 26805, Ammonacelat 20. u. ara In der I. Periode bekam das Tier zunächst ein Grundfutter von folgender Zusammensetzung. I. Periode. Grundfutter. 80 g Pferdefleisch 2,78 g N 140,88 Kal. g AV gr Reis... ...0,490,..151927 3 20 g Schmalz. . — 92,090 Mi 2r8 Knochen 7.2 01707, 3,0275 pro Tag 3,38 g N 489,09 Kal. Pro Kilogramm leb. Gew. 113 Kal. und 0,78 e N. Aus der N-Bilanz, Tabelle 15 (S. 171), ist ersichtlich, dass das Tier 0,22 g N im Mittel pro Tag retiniert hat. Die N-Zahlen des Harns zeigen in dieser Periode eine derartige Gleichmässiekeit, dass in den folgenden Tagen kein anderer Ernährungseffekt zu erwarten sein dürfte. Man kann deshalb wohl eine in der folgenden Periode II eintretende Änderung des N-Stoffwechsels ganz der Ammonacetat- zulage zuschreiben. Studien üb. Einwirkung einiger nicht-eiweissart. Stickstoffverbindungen etc. 171 Tabelle 15. | e— — = | Ein- Ausgabe N im N am Körper | ) mahue[n, Haa Dayaanı nn Bemerkungen aaren rozent| Gew. ! N | Harn | Kot sw. Zus. Re Okt. g g g & g g nahme | kg Par 95 3,38 2,71 0,43 0,03 Sl +0,21 +6,21 4,29 10 & Knochen zur Kot- Da 24. | 3,38 | 2,69 | 0,43 | 0,03 | 3,15 | +0,23 | +6,81 | 4,97 | @bsrenzung gegeben. 24.—23. | 3,38 | 2,64 | 0,43 | 0,03 310 | +0,28 | +8,28 | 4,35 28.26. | 8,85 | 2,72 | 0,43 | 0,03 | 3,18 | +0,20 | +5,92 ‚22 26.—27 338 | 3,72 .| 043 | 0,03 | 3,18 | +0,20 | +5,92 | 4,33 | Zus. Ne — Ne een Te Mittelp. Tag | 3,38 | 2,70 ! 0,43 | 0,03 | 3,16 1 +022| +6,51 | 431 II. Periode. Grundfutter + Knochen 3,38 & N 489,09 Kal. 4,06 & Ammonacetat Vs 008 Sl pro Tag 4,13 & N 504,20 Kal. Pro Kilogramm leb. Gew. 117 Kal. und 0,95 e.N. In der II. Periode erhielt die Hündin eine Zulage zum Grund- futter von nur 0,75 g N in Form von Ammonacetat. Trotz dieser im Vergleich mit den früheren Versuchen geringeren N-Zulage bekam das kleine Tier auf das Kilogramm Lebendgewicht berechnet im sanzen 0,95 g N. Nachstehende Tabelle 16 zeigt den N-Umsatz. Tabelle 16. Ausgabe N im | Ein- N am Körper 1909 mume H pP t we Bemerkungen | 2 7 aaren rozen W. Z 8 | N | Harn | Kot sw. Zus. Ein | g g g g g g |nahme| kg 12728. 0kt.| 4,13 | 3,70 | 0,81 | 0,03 | 4,04 | +0,09 | +2,18 | 4,36 [19,5 Knochen zur ja 99. „ [4,13 | 3,62 | 0,81 | 0,08 | 3,96 | +0,17 | +4,12 | 4,83| Zotabgrenzuns 12930. „ ı 4,13 | 3,83 | 0,831 | 0,08 | 3,67 | +0,46 |+11,14 | 4,861 °° 80.31. „ [413 | 341 | 0,31 | 0,08 | 3,75 | +0,38 | +9,20 | 4,38 ‚31. Oktober his 1. November | 4,13 | 3,30 | 0,31 | 0,03 | 3,64 | +0,49 |+11,86 | 4,40 " Zus. so 19,06 | 59 oe Mittel pro Tag | 4,18 | 3,47 | 0,31 | 0,03 | 3,81 | +0,32 | +7,75 | 4,37 Zunächst ist festzustellen, dass der N am Körper gegen Periode I, Tabelle 15, sich noch um 0,1 g N erhöht hat. Aus der Tabelle 16 ist aber auch ferner zu erkennen, dass die N-Zulage in Form von Ammonacetat im Mittel eine äquivalente Erhöhung der N-Aus- 72 Ernst Pescheck: scheidungen im Harn hervorgebracht hat. 0,75 g N pro Tag mehr im Futter erhöhten den N-Gehalt des Harnes im Mittel um 0,77 g. Hieraus scheint die Folgerung gegeben, dass vom Ammonacetat überhaupt kein N im Körper zurückgehalten worden ist. Zu einem ı anderen Ergebnis kommt man aber, wenn die N-Verluste im Kot. mit in Rechnung gezogen werden. Es zeigt sich, dass in der Ammon- acetatperiode, Tabelle 16, der Kot-N im Vergleich mit der Grund- futterperiode, Tabelle 15, um 0,12 g erniedrigt ist. Danach hat die Ammonacetatgabe eine bessere Ausnutzung des dem Tiere ver- abreichten N bewirkt, wodurch die schon erwähnte Retention von 0,1 g N herbeigeführt worden ist. Beachtenswert ist wohl auch noch, dass am ersten und zweiten | Tage der Periode II die N-Zahlen des Harnes möglicherweise infolge einer ersten Reizwirkung des Ammoniaksalzes etwas anormal hoch geworden sind. Die Zahlen vom dritten bis fünften Tage zeigen eine bessere Übereinstimmung, vor allem aber erheblich niedrigere Werte. Es dürfte deshalb wahrscheinlich sein, dass bei Verlängerung der Perioden die Wirkung des Ammonacetats noch besser zum Aus- druck gekommen wäre. Nimmt man das Mittel der letzten 3 Tage der Periode, so ergibt sich eine N-Ausscheidung im Harn von nur 3,95 g pro Tag. Berechnet man mit Hilfe dieser Zahl die voll- | ständige Bilanz, so findet man sogar eine Retention von 0,22 g N. Man darf deshalb in diesem letzten Versuche eine weitere Stütze für die Ansicht erblicken, dass Ammonacetat per os in einem ge- eigneten Grundfutter gegeben auf kürzere Zeit beim Fleischfresser | N-Retention bewirken kann. Leider konnte eine III. Periode mit Grundfuttergabe nicht durch- geführt werden. Obgleich der Versuch in den ersten beiden Perioden ohne irgendwelche bemerkbaren Störungen verlief, wurde bereits am 28. Oktober ein Bandwurmglied (Taenia eucurmerina) im Kot be- merkt. In der nun folgenden Periode III stellte sich am dritten Tage Erbrechen ein, weshalb ich den Versuch hier abbrach. B. Intravenös mit Traubenzucker injiziert. Wie bereits früher hervorgehoben, spielen bei der Ernährung auch die Bakterien eine nicht unbedeutende Rolle. Während die Hauptmenge der dem Organismus zugeführten Nahrung nach der Lösung oder hydrolytischen Spaltung zur Resorption gelangt, besteht ferner noch die Annahme, dass ein Teil der Futterstoffe durch Studien üb. Einwirkung einiger nicht-eiweissart. Stickstoffverbindungen etc. 173 bakterielle Tätigkeit in Verbindungen übergeführt wird, die vom Körper aufgenommen auf die sogenannte eigentliche Ernährung der Körperzellen von Einfluss sein dürften. Da nun bekanntlich Salze durch die Darmwand diffundieren, kann man mit Sicherheit annehmen, dass auch ein Teil des dem Futter beigemischten Ammon- acetats, sei es als solches oder in Form irgendeines anderen Ammoniak- salzes, direkt die Darmwand passiert und in den Säftestrom gelangt. Die nachfolgenden Versuche sollten nun zeigen, in welcher Weise Ammonacetat mit Traubenzucker zusammen in die Blutbahn ein- geführt auf die Körperzellen wirkt, es sollte also seine spezifische Wirkung festgestellt werden. 7. Versuch. Die zuerst an einer kleinen, alten Hündin VIII mit kurzen schwarzen Haaren ausgeführten Injektionen mussten leider mehrfach unterbrochen werden, weil sich neben Erbrechen weitere Störungen des Wohlbefindens bemerkbar machten. Sehr störend war auch für diese Versuche die geringe Fressluft des Tieres, die mehrfach zu vollständiger Verweigerung der Nahrungsaufnahme führte. Die für die einzelnen Tage in den Tabellen angeführten Zahlen sind deshalb oftmals Mittelzahlen aus 2 oder 3 Versuchstagen. Ich kann deshalb die nachfolgenden Versuche mit der Hündin VII nur mit Ein- schränkung verwerten. Die dem Tiere verabreichten Stoffe hatten folgenden N- und Kaloriengehalt: Pferdefleisch (frisch) 3,34% N 1,448 Kal. Meise 0.123005 ,213, 71988, Schmalz... — 35807, Knochen . .2..%...:9,32:%/0. „ 1,805, Traubenzucker . . — 3420, n Ammonacetät . . — Sal Die Hündin erhielt zunächst ein Grundfutter wit5 g Traubenzucker. I. Periode. Grundfutter. 50 g Pferdefleisch . 1,67 g N 72,40 Kal. 2lWekleisen ) . ..025 87,X07990 , 20 g Sehmalz ... — 1902, Pmesknochen 2. 0,112 775301, ., 5 g Traubenzucker — 17.067, pro Tag 2,03 g N 360,75 Kal. Pro Kilogramm leb. Gew. 71 Kal. und 0,40 g’N. Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd. 142. 12 174 Ernst Pescheck: Tabelle 17). Ein- Ausgabe N im N am Körper Leb 1910) mahme P Er Bemerkungen N |Harn | Kot | Zus | on 5 Juni g g g g g nahme | kg 11.—12. | 2,03 | 1,94 | 0,31 | 2,25 | —0,22 |—10,84 | 5,11 |6 g Knochen zur Kot- 12..18.[ 23,08 | 1,77 | 0,81 | 308 1 0,05) 2,46 | 5,06 | >berenzuneieseetze :13.—14. | 2,03 | 1,72 | 0,31 | 2,03 | +0,00 — 5,05 Zee ee 5 Mittelp. Tag | 2,03 | 1,81 | 0,31 | 2,12 | —0,09 | —4,43 | 5,07 Wie aus der Tabelle 17 zu ersehen, hatte das Tier am dritten Tage N-Gleichgewicht erreicht. Am 14. Juni sollte die II. Periode beginnen. Der Traubenzucker wurde jetzt im Grundfutter fort- gelassen, weil er mit dem Ammonacetat zusammen intravenös ge- geben werden sollte. Die Injektionsflüssiekeit, 50 eem enthaltend 0,5 & N in Form von Ammonacetat und 5 g Traubenzucker in Ringerscher Lösung ?) klar gelöst, wurde aus einer gewöhnlichen Glasspritze (2 g), die in einem besonders konstruierten Apparat eingesetzt war, in die Ader gespritzt. Der Gang der Spritze liess sich mit Hilfe des elektrisch betriebenen Apparates so regulieren, dass es möglich war, die ge- samte Flüssigkeitsmenge in sehr kurzer Zeit aber auch innerhalb vieler Stunden zu injizieren. Um das Tier möglichst zu schonen, wurde versucht, mit einer feinen Einstichkanüle in eine oberflächliche Hautvene zu gelangen, um so die Injektion fast ohne Verletzung ausführen zu können. Leider gelang es trotz mehrfacher Versuche nicht, die Venen richtig zu treffen, da sie sich unter der schwarzen Haut nur sehr undeutlich abzeichneten, so dass in dieser Beziehung das Versuchstier allerdings beson:lere Schwierigkeiten bot. So kam eine unbeabsichtigte Verlängerung der Grundfutter- periode heraus, aber nun ohne Beigabe von Traubenzucker, was bei der geringen Menge von 5 g keine sehr belangreiche Änderung bedeutet. 1) Bei Aufsteliung der N-Bilanzen sind die N-Verluste in Haaren, Haut- schuppen usw. bei den Injektionsversuchen nicht berücksichtigt worden. 2) 16 g NaCl; 0,2 g CaCl;; 0,15 g KCl; 0,2 g NaHCO, mit aq. dest. zu 2 Liter aufgefüllt. nun men nenne Studien üb. Einwirkung einiger nicht-eiweissart. Stickstoffverbindungen etc. 175 II. Periode. Grandfutter + Knochen ohne Traubenzucker 2,00 & N 342,79 Kal. pro Tag. Pro Kilogramm leb. Gew. 69 Kal. und 0,40 & N. Tabelle 18. Ein- | Ausgabe N im N am Körper 3 Leb. 1910 [nahme Bemerkungen N |Harn | Kot |! Zus. en cn z Juni g g g g g nahme | kg 14.15. ! 2,00 | 2,02 | 0,28 | 2,30 | —0,30 | —15,00 | 5,03 |; g Knochen zur Kot- 6200 | 154 | 028 | 182 | +0,18! +9,00| 5,01 | rerenzung gegeben. 16.—17. ! 2,00 ı 1,68 | 0,28 | 1,96 | +0,04 | +2,00} 4,99 17.—18. | 2,00 | 1,59 | 0,28 | 1,87 | +0,13 | +6,50| 4,98 Zus. — 6,83 | — 17,95 | +0,05 220.01 Mittelp. Tag| 2,00 I 1,71 | 0,28 | 1,99 | +0,01 | +0,50] 5,00 Die Bilanzen vom 14.—18. Juni ergeben, wie aus Tabelle 18 zu ersehen, etwa N-Gleichgewicht. Da sich die Einstiehkanüle nicht bewährt hatte, wurden die Injektionen jetzt in folgender Weise ausgeführt. Nachdem das Tier wie gewöhnlich. katheterisiert war, auf der Tretbahn 3 km hatte laufen müssen und gewogen worden war, wurde ihm eine kleine Glaskanüle in eine oberflächliche Hautvene eingebunden. Die kleine Operation, bei der durch einen Hautschnitt die Vene freigelegt und stumpf abpräpariert wurde, vollzog sich stets mit nur wenigen Tropfen Blutverlust. Um den Tieren unnötige Schmerzen zu ersparen, wurde die betreffende Stelle durch Schleichsche Lösung lokal anästhesiert. Das Einbinden der Kanüle nahm stets nur sehr kurze Zeit in An- spruch und wurde von den Tieren auch wenig empfunden. Nachdem die Kanüle eingesetzt war, wurden die Tiere in einem Gestell so befestigt, dass sie nach Belieben liegen oder stehen konnten, ohne dass der mit der Glaskanüle verbundene feine Kautschukschlauch abzeklemmt werden konnte. Bevor am 21. Juni die erste Injektion begann, gab ich dem Tiere am 20. Juni noch einmal das Grundfutter mit 5 g Traubenzucker. III. Periode. Grundfutter + Knochen + Traubenzucker pro Tag 2,058 N 360,75 Kal. Pro Kilogramm leb. Gew. 72 Kal. und 0,41 g N. 19 176 Ernst Pescheck: Tabelle 19. Ein- Ausgabe N im N am Körper Leb. 1910 [nahme | Bemerk N |Harm | Kot | Zus. ren er oe Juni g g g g g nahme | kg 20.—21. | 2,03 | 1,65 | 0,31 | 1,96 I +0,07 | +3,45 | 4,99 |2 g Knochen zur Kot- abgrenzung gegeben. Die Bilanz, Tabelle 19, ergab fast N-Gleichgewicht. Beabsichtist war nun, in der folgenden IV. Periode das Ammon- acetat mit dem Traubenzucker relativ schnell einzuverleiben und damit die zu vermutende Reizwirkung durch die Überschwemmung der Körperzellen mit dem Salz festzustellen. IV. Periode. Grundfutter + Knochen . . . .......2303 g N 360,75 Kal. Eine Ration in 2 Tagen gefressen, pro Tag 1,02 g „ 180,38 „ Intravenös gegeben pro Tag: 5.0#Praubenzucker 3. 2 1. ee 17.0000 2:47 ©. -Ammonacelate. ars. im ganzen pro Tag 1,52 & N 207,75 Kal. Pro Kilogramm leb. Gew. 42 Kal. und 0,31 g N. Tabelle 20. Ein- | Ausgabe N im | N am Körper 1910 |nahme Leb. © Mi | Prozent Gew. N Harn | Kot | Zus. skin Juni g g g g g ‘nahme | kg Benıerkungen 21.22. | 1,42 | 1,75 | 0,17 | 1,92 | —0,50 | —35,20 | 4,98 |2 s Knochen zur Kotabgren- | zung gegeben. In 2 Std. 0,40 g N injiziert. 22.—23. | 1,52 | 1,56 | 0,17 | 1,73 | —0,21 | —13,82 | 4,83 | In. 2 Std. 20 Min. 0,50 g N injiziert. ze le 1.66 | 0,17 | 1,88 Zus. Mittel p. Tag —0,36 | —24,49 | 2,94 Am 21. Juni bekam das Tier die erste Injektion in eine Vene dicht hinter dem Ohr. Leider zeigten sich sehr unangenehme Neben- wirkungen, so dass von einem normal durchgeführten Versuch nicht die Rede sein kann. Trotzdem sind einige wichtig erscheinende Daten gefunden worden, die dem Versuch doch einiges Interesse verleihen. Die erste Wirkung der Injektion war ein sehr starker Studien üb. Einwirkung einiger nicht-eiweissart. Stickstoffverbindungen etc. 177 Brechreiz, so dass der grösste Teil des Futters (das Tier hatte an diesem Tage nur sehr wenig gefressen) erbrochen wurde. Da der Brechreiz anhielt, führte ich den Versuch nicht zu Ende, sondern stellte nach 2 Stunden die Injektion ein. In dieser Zeit hatte ich dem Tiere eine 0,4 g N entsprechende Menge der Lösung zugeführt. Am 22. Juni wurde nochmals eine Injektion innerhalb 2 Stunden 20 Minuten in eine Vene dieht am Ohr ausgeführt. Diesmal gelang es mir, der Hündin die gesamte Flüssigkeitsmenge von 50 eem ein- zuverleiben. Auch am zweiten Injektionstage brach das Tier mehr- fach. Den Rest des Futters vom vorhergehenden Tage, dem 21. Juni, sowie alles Erbrochene hatte die Hündin am 23. Juni früh vollständig gefressen. Nachdem das Tier an diesem Tage morgens 6 & Knochen zur Kotabgrenzung aufgenommen hatte, wurden zunächst die In- jektionen eingestellt. Die Tabelle 20 zeigt den N-Stoffwechsel während der Injektions- tage. An beiden Tagen frass das Tier nur eine Ration. Da die Nahrungsaufnahme aber sehr ungleichmässig war, ist die in der Tabelle pro Tag als Einnahme angegebene N-Menge nicht ganz richtig. Ich habe deshalb auch, obwohl das Tier am 1. Tage, dem 21. Juni, 0,1 & N intravenös weniger erhalten hatte, dennoch das Mittel aus beiden Tagen genommen, da die so berechnete tägliche N-Bilanz noch am besten den tatsächlichen Verhältnissen entsprechen dürfte. In der am 23. Juni beginnenden V. Periode wurde die Nach- wirkung der Injektionen bestimmt. Das Tier erhielt wieder das Grundfutter mit Traubenzucker. V. Periode. Grundfutter + Knochen + Traubenzucker . 2,24 g N 367,97 Kal. am 23.—24., 24.—25. und 25.—26. Juni seiressenproilau 2... ...0.. 0,7588 „ 12266 , Pro Kilogramm leb. Gew. 27 Kal. und 0,16 g N. Grundfutter + Knochen + Traubenzucker. 2,13 g N 364,36 Kal. am 26.—27. und 27.—28. Juni gefressen Dissautzeinen Rutterrest mit. . . „ 0,818, 122,77 , an beiden Tagen gefressen 1,32 g N 236,59 Kal. pro Tag 0,66 g „ 118,30 „ Pro Kilogramm leb. Gew. 26 Kal. und 0,15 g N. 178 Ernst Pescheck: Tabelle 21. Ein- | Ausgabe N im | N am Körper b. 1910 |nahme - ‘ Bemerkungen N [Harn Kot | Zus. zent Gew: z Juni g g g g g nahme | kg 93.4. | 0,75 | 1,70 | 0,10 | 1,80. | -1,05 -11000| 4,69 | 461 kg. 6 g. Knochen zur mil 24.—25. ! 0,75 I 1,23 | 0,10 | 1,383 | -0,58 | - 77,331 4,62 |1 abgrenzung gegeben. Eine Tages- 25.—26. | 0,75 | 151 0,10 | 1,61 | -0,86 | -114,67| 4,51 A ration ne 4,46 h 26.27. | 0,66 | 1,16 0,10 ' 1,26 | -0,60 |- 90,91| 4,46 |\ abgremiung engeren Einer 27.—28. | 0,66 | 1,48 | 0,10 | 1,58 | -0,92 | -139,40| 4,46 |f ration z. T. gefressen. Futterrest | bestimmt und in Abzug gebracht, | Zus. | 3,57 |708| — |7,58| -4011 — 122,74 | Mittelp. Tag | 0,71 | 1,42 | 0,10 | 1,52 | -0,81 | -114,09 4.55 | | Wie aus Tabelle 21 zu ersehen, frass die Hündin sehr schlecht. Am 23.—24., 24.—25. und 25.—20. Juni hatte sie nur eine Tages- portion und am 26.—27. und 27.—28. Juni eine zweite nicht ganz verzehrt, so dass der Futterrest bestimmt und in Abzug gebracht werden musste. In der nun anschliessenden VI. Periode wurden an 2 Tagen, am 28. und 29. Juni, noch zwei Injektionen in Venen am Hinter- bein gegeben, aber diesmal innerhalb 6 Stunden am ersten und 7 Stunden am zweiten Tage. VI. Periode. 2,77 2 Ammonacetat . .. 0,0 g&N 10,51. Kal. 5 e Traubenzucker . . . .— 17.06: pro Tag 0,50 g N 27,37 Kal. Nur intravenös zugeführt. Pro Kilogramm leb. Gew. 6 Kal. und O,l11 ge. N. Tabelle 22, Ein- | Ausgabe N im N am Körper Leb. 1910 |nahme u le ı Prozent | Gew. Bemerkungen N 1|Harn! Kot | Zus. Hann: Juni g g | g g g nahme | kg 28.—29. | 0,50 1,87. — 11,87 | - 1,37, - 274,00 | 4,42 | Kot an beiden Tagen nicht ab-ı 9.80. | 0,50. 13,88| — | 1,82 | -1,92]| - 264,00 | 4,36.:| aesewt int ieen2 Zn Zus. 3,69 — 13,69 | - 2,69 8,78 Mittel p. Tag 0,5 50 | 1,55 Dez 1,85 | - 1,55 | - 270, 00 | 4, 39 Studien üb. Einwirkung einiger nicht-eiweissart. Stickstoffverbindungen ete. 179 An beiden Injektionstagen verweigerte das Tier die Futter- aufnahme vollständig, so dass es also pro Tag nur 0,5 g N intra- venös erhielt. Beachtenswert ist das Befinden der Hündin während dieses Versuches. Nur am 28. Juni stellte sich bei Beginn der Injektion Erbrechen ein. Am folgenden Tage, 29. Juni, zeigte sich kein Brechreiz; nur war das Tier zeitweise etwas ungeduldig, was ja auch bei der langen Dauer der Versuche erklärlich ist. Zur Bestimmung der Nachprüfung wurde noch die Periode VII angeschlossen. VII. Periode. ondiutter 1 Knochen . . . . .» .. 203eN 343,69 Kal. Eine Ration an 2 Tagen gefressen, pro Tag 1,02 g „ 171,85 Pro Kilogramm leb. Gew. 40 Kal. und 0,24 e N. ” Tabelle 23: Ein- | Ausgabe N im N am Körper b. nahme : ul N | Harn | Kot | Zus. ll Gew, 2 er unzpn 8 g g g g nahme | kg m 14102] 155 | 020 | 1,75 [0,73 | 7157| 431 [> 5 Kuochen zur Kor. abgrenzung gegeben. 1.—2. „ 1.02 | 1,10 | 0,20 | 1,30 | —0,28 | —27,45 | 4,25 | Frass an beiden Tagen nur eine Ration. 8,56 4.28 An beiden Tagen dieser Periode nahm das Tier nur eine Tages- portion auf. Nachdem die Hündin am 2. Juli früh abermals eine Knochengabe zur Abgrenzung des Kotes der VII. Periode aufgenommen hatte, wurde sie aus dem Versuch ausgeschaltet. Wenn nun auch infolge dieser Störungen der vorliegende Ver- such nicht als ein normaler Stoffwechselversuch bezeichnet werden kann, so dürften die beobachteten N-Ausscheidungen im Harn doch beachtenswert sein. In Periode IV ist die N-Ausscheidung im Harn, trotzdem an beiden Tagen nur 'eine Grundration verzehrt wurde, nicht vermindert und zeigt auch in der folgenden Periode V bei minimaler Ernährung kaum die Tendenz zum Sinken. Im Mittel wurden in Periode V an 5 Tagen im Futter pro Tag 0,71g N aulf- genommen und doch 1,42 g, also die doppelte Menge N im Harn ausgeschieden. Diese starke Nachwirkung zeigt, dass das injizierte Zus. Mittel p. Tag 50 > —0,51 |) —50,00 D {or} = oT mo so e za 5 1,02 | 1,33 | 0,20 | 1,53 180 Ernst Pescheck: Ammonacetat einen kräftigen Reiz ausgeübt hat. Die Reizwirkung ist durch die langsame Injektion in Periode VI kaum gesteigert worden. Gegen Periode V erhielt das Tier nur 0,5 g N intravenös mehr, dafür aber per os nichts und zeigte eine Erhöhung der N-Aus- scheidung im Harn von 1,42 g auf 1,35 g, also knapp um so viel mehr, als injiziert worden war. In Periode VII, in der das Tier nur die Grundration bekam und an beiden Tagen nur eine Tages- portion frass, sank die N-Zahl des Harns unter den Wert in Periode V, ein Zeichen, dass die Reizwirkung nachliess. Denn die Futter- aufnahme in Periode VII brachte verdaut in den Körper pro Tag 0,82 & N (1,02 g Futter-N — 0,20 g Kot-N), während in Periode V 0,61 g N (0,71 g Futter-N — 0,10 g Kot-N) in den Körper gelangten. Betrachtet man die sehr grossen N-Verluste, die die Hündin während der Injektionsversuche erlitten hat, nämlich pro Tag in Periode IV, 0,86 g05: —_ 40,855 „LEN 159,028 2 2270807 Se N Vol Ve so ergeben sich im ganzen 8,49 gN. Gleichzeitig war das Lebendgewicht von 4,91 kg auf 4,28 kg gesunken. Der Verlust von 8,49 & N dürfte demnach wohl kaum als Hungerverlust anzusehen sein. Vielmehr ist aus diesen Zahlen zu ersehen, dass das Ammon- acetat als solches, in keiner Weise umgewandelt, wie es wenigstens zum Teil im Verdauungsschlauch durch Bakterien möglich erscheint, grosse N-Verluste herbeigeführt hat und zwar um so grössere, wenn die Einverleibung schneller erfolgte. 8. Versuch. Wie ich schon bei dem vorigen Versuche mit der Hündin VII hervorgehoben hatte, war es nicht gelungen, einen regelrechten Stoff- wechselversuch mit intravenöser Zufuhr von Ammonacetat durch- zuführen. Da das kleine alte Tier sehr ungleichmässig das Futter aufnahm und auch sonst wenig geeignet erschien, wiederholte ich die Versuche mit der kleinen weissen Hündin VII, die schon zu dem sechsten Versuche gedient hatte. Die Versuchsanordnung war der schon beschriebenen entsprechend. Die Analyse des Futters ergab folgenden N- und Kaloriengehalt: Studien üb. Einwirkung einiger nicht-eiweissart. Stickstoffverbindungen etc. 18] Pferdefleisch (frisch). 3,34% N 1,448 Kal. nespanen n. 01,299%0N..) 31798 Schmalz. un OSOT N Knochens. 2 2.3 .2583290°, 1,805. , Iraubenzucker . . Sa... Ammonaeetat . . . 3,721 Nach längerer Verabreichung eines Grundfutters wurden vom 2. Juli ab die Ausscheidungen gesammelt und analysiert. I. Periode. Grundfutter, 50 g Pferdefleisch . 1,67 &2N 72,40 Kal. alperleis . 22...:.0490.,,15192., 20 g Schmalz . . — 1917275 2,0 8 Knochen . . 013g „ 4.3]: 7% > 8 Traubenzucker — 1.092; pro Tag 2,29 g N 437,61 Kal. Pro Kilogramm leb. Gew. 97 Kal. und 0,51 e N. Tabelle 24. Ein- | Ausgabe N im N am Körper Leb. 1910 |nahme Bemerkungen N | Harn | Kot | Zus. Ban | Gew. - Juli g g g g g nahme | kg 98, 2,29 | 1,85 | 0,38 | 2,26 | +0,03 | +1,31 | 4,54 16 Bu Enochen: zug Kor 341 22971.1:63 | 0,88 | 2,01 | 0,28 1212,23 | 4,52 | “"erenzung segeben. 4.—5. ı 2,29 | 1,82 | 0,38 | 2,20 | -+0,09 | +3,93 | 4,50 ‘ 5.—6. | 2,29 1 1,84 | 0,38 | 2,22 | +0,07 | +3,06 | 4,49 |4 g Knochen gegeben. Zen, N seH | +oAr| — Lisos Mittelp. Tag | 2,29 | 1,79 | 0,38 | 2,17 | +0,12 | +5,24 | 4,51 Aus der Bilanz, Tabelle 24, ist ersichtlich, dass die Hündin in der Grundfutterperiode zwar noch täglich etwas N retinierte, aber sich doch sehr dem N-Gleichgewicht näherte. Am letzten Tage be- trug die Retention nur noch 0,07 g N, im Mittel der viertägigen Periode: 0,12 g N. Das Lebendgewicht lässt ganz entsprechend auch eine Verminderung erkennen. Da nach den vorhergehenden Versuchen zu erwarten war, dass eine schnelle Injektion wieder zu erheblichen Störungen führen könnte, sollte das Ammonacetat mit 5 g Traubenzucker in Ringer- scher Lösung klar gelöst zunächst ganz langsam in die Adern ge- 182 Ernst. Pescheck: bracht werden. Die Injektion selbst wurde nach den früheren Er- fahrungen gleich nur in der Weise vorgenommen, dass eine Glas- kanüle in eine oberflächliche Hautvene eingebunden und mit der durch den früher erwähnten Apparat bewegten Injektionsspritze ver- bunden wurde. Die erste 6 Stunden dauernde Injektion bekam die Hündin am 6. Juli. Im Grundfutter war der Traubenzucker wieder fortgelassen worden, da er ja mit dem Ammonacetat intravenös gegeben werden sollte. Das Tier zeigte keine Störungen in seinem Wohlbefinden und keine Spur von Brechreiz. Den N-Stoffwechsel konnte ich an diesem Tage nicht feststellen, da Verluste bei der Injektion ent- standen waren. Die Kanüle war in eine Öhrvene eingebunden worden, was leider Veranlassung zu einer erheblichen Störung gab. Das Tier schüttelte mehrfach heftig den Kopf, wobei sich einmal die Schlauehverbindung der Kanüle mit der Spritze löste. Hierbei war von der Injektionslösung natürlich etwas verloren gegangen. Trotz- dem bestimmte ich den N-Gehalt der Ausscheidungen, wobei sich eine scheinbare Retention von +0,26 & N ergab, die aber aus den erwähnten Gründen viel zu hoch ist. In der nun folgenden II. Periode bekam die Hündin wieder das Grundfutter mit 5 & Traubenzucker. II. Periode. Grundfutter+Knochen+ Traubenzucker pro Tag 2,28 g N, 437,02 Kal. Pro Kilogramm leb. Gew. 98 Kal. und 0,51 e. N. Tabelle 25. Ein- Ausgabe N im N am Körper Luz nun | | Prozent Se Bemerkungen N | Harn | Kot | Zus. ER : Juli g a N g nahme | kg MS 2,28 —. 0,33 Bar — — 4,47 15 g Knochen zur Kot- 8—9. 2,28 | 1,88 | 0,33 | 221 | 40,07 | +3,07 | 4,40 | @bgrenzung’zesehen: 9-10. 1 2,28 | 2,08 | 0,33 | 2411 0,18:| —5,70.| 4,48 10.—11. | 23,28 | 1,94 , 0,33 | 2,27 1 +0,01 | +0,44 | 4,46 11.—12. | 2,28 | 1,56 0,33 | 2,19 | +0,09 | +3,95 | 4,40 12.—13. | 2,28 | 2,28 | 0,33 | 2,61 | +0,33 |—14,47 | 4,44 |8 sg Knochen gegeben. Zus. | — [1004| — jı1601-029| — 126,60 | Mitelp.Tagl 2,28 | 2201 | 0,33 | 2/34 | 0.06 —2,63 | 443 | Studien üb. Einwirkung einiger nicht-eiweissart. Stickstoffverbindungen etc. 183 Aus den Zahlen in Tabelle 25 geht hervor, dass sich das Tier ziemlich im N-Gleichgewicht befand. Auffällig ist die starke Schwankung der N-Zahlen des Harns. Die hohe Zahl am 12.13, Juli ist vielleicht durch die an diesem Tage gegebene Knochenmenge mit veranlasst. In der sich nun anschliessenden III. Periode wurden an 3 Tagen nacheinander langsame Injektionen ausgeführt. III. Periode. Grundfutter + Knochen 2,29 g N 420,55 Kal. Intravenös gegeben pro Tag: 2800 e- Ammonacetat . 0,50 2.., 71031, 5 8 Traubenzucker. . — 120627 im ganzen pro Tag 2,79 g N 447,92 Kal. Pro Kilogramm leb. Gew. 102 Kal. und 0,64 e N. Tabelle 26. Ein- Ausgabe N im N am Körper Leb. 1910 [nahme 2 Prozent| Gew. | Bemerkungen N | Harn | Kot | Zus. dDEin: nee ie: |. 8 g | nahme | kg —0,28 | —10,04| 4,40 |5 g Knochen zur Kot- 4.39 abgrenzung gegeben. I 13.—1A. | 2,79 | 2,66 | 0,41 | 3,07 115. | 2,79 | 345 041 | 286 | —0,07| — 2,51 ö 15.—16. | 279 | 255 041 296 | 0,17. —6,09| 4,35 |25 8 Knochen gegeben. 13,14 4,38 2,79 166, — 2,55 | 0,41 8,89 | —0,52 I 2,96 Zus. Mittel p. Tag Die Dauer der Injektionen in der III. Periode betrug am 13. Juli 7 Stunden 40 Minuten und am 14. und 15. Juli 9 Stunden. An den beiden ersten Tagen erfolgte die Injektion in eine Vene am rechten Hinterbein in Höhe des Sprunggelenks, am letzten Tage in eine Vene des linken Hinterbeines dicht oberhalb des Fusses. Während der Injektionen wurde das Tier dauernd beobachtet. Es verhielt sich vollständig normal und zeigte keinerlei Symptone, die zu dem Sehluss berechtigen, dass das Tier in seinem Wohlbefinden irgendwie gestört wurde. Namentlich war keine Spur von Brechreiz zu bemerken. Den N-Umsatz zeigt die Tabelle 26. Wie zu erwarten, stieg der N-Gehalt des Harnes bedeutend. Vergleicht .man die tägliche mittlere N-Ausscheidung im Harn der Perioden II und III so ergibt 184 Ernst Pescheck: sich eine Differenz von 0,54 g N (Tabelle 26. 2,55 g Harn-N — 2,01 g Harn-N, Tabelle 25). Das wären 0,04 g N mehr als injiziert worden waren. Noch un- günstiger erscheint der N-Stoffwechsel durch die Injektionen be- einflusst, wenn man die vollständige Bilanz in Rechnung zieht, da der N-Gehalt des Kotes gegenüber Periode II um 0,08 g N erhöht ist. Der gesamte N-Verlust des Tieres wird von — 0,06 g in Periode ll auf — 0,17 g in Periode III, also um 0,11 g gesteigert. Auch eine kleine Verminderung des Lebendgewichtes ist zu konstatieren, das von 4,43 kg im Mittel auf 4,38 kg gesunken ist. Aus diesen Zahlen wird man unweigerlich auf eine Reizwirkung des Ammon- acetats schliessen müssen. Zu Bestimmung der Nachprüfung wurde eine IV. Periode an- geschlossen. IV. Periode. Grundfutter + Knochen + Traubenzucker pro Tag 2,29 g N, 437,61 Kal. Pro Kilogramm leb. Gew. 101 Kal. und 0,53 g N. Tabelle 27. Ein- Ausgabe N im N am Körper 1910 [nahme nn Bemerkungen N Harn | Kot | Zus. en Gew. 5 Juli g g g g g nahme | kg 16. 17% | 2,29 | 224 032 | 2,56 oe _110| 4,35 12. & Knochen z. Kot- 17.—18. | 229 | 1,87 |.032 | 319 [+0,10 | 4,371 4,36. | bgrenzung’gegeben: 18.—19. | 2,29 | 1,72 | 0,32 | 2,04 | 3035 +10,92 | 4,33 Zus. se 067911008 113504 Mittelp. Tag| 2,29 | 1,94 | 0,32 | 226 | +0,03) +131| 4,35 Aus den Zahlen der Tabelie 27, die den N-Stoffwechsel des Tieres bei Verabreichung des Grundfutters zeigen, geht hervor, dass die N-Ausscheidung im Harn beträchtlich sinkt. Die hohe Zahl von 2,24 g N am ersten Tage ist wohl noch als direkte Fortsetzung der hohen Umsetzungsprozesse der vorhergehenden Injektionsperiode zu betrachten. Aber schon am zweiten und dritten Tage erholt sich der Organismus wieder und zeigt deutlich das Bestreben, seinen N-Be- stand wieder zu ergänzen. Die N-Zahlen des Harns dieser nur dreitägigen Periode zeigen so grosse Differenzen und so deutlich die Tendenz, sich nach der positiven Seite zu wenden, dass die mittlere Bilanz pro Tag aus allen drei Tagen berechnet wenig Be- deutung hat. EEE EEE EEE EEE Studien üb. Einwirkung einiger nicht-eiweissart. Stickstoffverbindungen etc. 185 V, Periode. Erundiutter } 7,98 Knochen . . . . . 2562N 429,57 Kal. Intravenös gegeben pro Tag: Buezimmonacetät > . .» .» 2... ..050.,.,. 1031 , Behraubenzucker, '. . \.. o. 0 - ID 5, im ganzen pro Tag 3,06 g N 456,94 Kal. Pro Kilogramm leb. Gew. 105 Kal. und 0,70 e N. In dieser Periode sollte im Vergleich zu der langsamen Injektion die Wirkung einer schnellen intravenösen Finverleibung ermittelt werden. Am 19. Juli wurde der Hündin innerhalb 1 Stunde 138 Minuten die gesamte Flüssigkeitsmenge von 50 cem, enthaltend 0,5 g N in Form von Ammonacetat und 5 g Traubenzucker, in eine Vene des linken Hinterbeines dicht oberhalb des Fussgelenkes injiziert. Hierbei zeigten sich im Gegensatz zur langsamen Injektion starke Störungen im Wohlbefinden des Tieres. Ausser sehr starkem Brechreiz stellten sich nach Beendigung des Versuches krampfartige Zustände ein, dazu grosse Atemnot. Trotzdem erholte sich das Tier sehr schnell und war wenige Stunden nach der Injektion wieder vollständig gesund. Leider hatte das Tier Harn verloren, so dass ich eine Bilanz nieht aufstellen konnte. Zur Bestimmung der Nachwirkung wurde die Periode VI an- geschlossen. VI. Periode. Grundfutter + Knochen + Traubenzucker pro Tag 2,29 g N, 437,61 Kal. Pro Kilogramm leb. Gew. 101 Kal. und 0,53 g N. Tabelle 28. Ein- Ausgabe N im N am Körper 1910 |nahme eh, | Prozent| Gew. | Bemerkungen N | Harn | Kot | Zus. Kalmın Juli g g g g g | nahme| kg 20.21. 2,29 s 0,95 | 3,28 | —0,99 | —43,28 | 4,41 Bus Knollen weliet 21.22. 2,29 ’ 0,95 2,11 —0,42 --18,34 4,32 mischt. Kotabgren- 23.—24. | 2,29 0,95 | 2,83 | —0,54 | —23,58| 4,34 | Kieselsäure. 24.—25. | 2,29 ; 0,95 | 23,76 | —0,47 | —20,52 | 4,34 67 — |14,42 | —2,97 — 121,76, ‚93 | 0,95 | 2,83 | —0,59 | —25,76 | 4,35 2,33 1,76 22.—23. 2,29 1,89 0,95 2,84 | —0,55 —24,02 4,35 zung erfolgte mit 1,88 1,81 ‚Zus. Mittelp. Tag | 2,29 186 Ernst Pescheck: In der am 20. Juli beginnenden VI. Periode erhielt das Tier wieder das Grundfutter mit 5 g Traubenzucker. Auf schnelle In- jektionen wurde mit Rücksicht auf die Krankheitserscheinungen ver- zichtet. Den N-Umsatz zeigt Tabelle 28. In dieser ist die ausserordent- lich hohe N-Zahl des Kotes besonders auffallend. Eine Reizung vom Darm aus anzunehmen, liegt keine Veranlassung vor. Es muss demnach wohl das den Körper plötzlich überschwemmende Ammoniak- salz eine kräfttge Reizwirkung auf die Drüsen des Verdauungs- schlauches ausgeübt haben, so dass durch Sekrete der N-Gehalt des Kotes vermehrt wurde. Es liegt nahe anzunehmen, dass das Ammon- acetat vielleicht die Leber zu stärkerer Gallenabsonderung an- gereizt hat. Was die N-Zahlen des Harns anbetrifft, so zeigt sich am ersten Tage dieser Periode, am 20. Juli, die schon früher beobachtete Er- höhung (vgl. Tabelle 27) des N-Umsatzes. Vom zweiten Tage ab aber gehen die Harn-N-Zahlen auf Werte herab, die den in den früheren Grundfutterperioden gefundenen entsprechen. Natürlich ist die Verwertung des verdauten Stickstoffs (Futter-N — Kot-N) in der VI. Periode eine viel schlechtere als in der I. Periode. Er wurden: | Periode I Periode VI VETdaube. er re EN 1,34 g N im Harnrausgeschiedene er 193,08 Differenz + 0,12 &g N —0,59 eg N Be} Bei normalem Zustande der Körperzellen würde sicher eine so weit gegen Periode I verminderte Zufuhr von N in der Nahrung auch eine erheblich niedrigere N-Ausscheidung im Harn herbei- geführt haben. Eine gleiche ungünstige Wirkung bei der langsamen Injektion der gleichen N-Menge, in gleicher Form und während drei Tage war nicht zu konstatieren (vgl. Tabellen 26 und 27). Es dürfte deshalb der Beweis hier geführt sein, dass eine schnelle Übersehwemmung der Körperzellen mit Ammonacetat unter den hier eingehaltenen Bedingungen die Körperzellen in hohem Grade zu einem lebhafteren N-Umsatz angereizt hat. Studien üb. Einwirkung einiger nicht-eiweissart. Stickstoffverbindungen etc. 187 ll. Versuch mit Ammontartrat. 9. Versuch. Die Ergebnisse der vorhergehenden acht Versuche, nämlich eine wenn auch meist geringe N-Retention durch Ammonacetat unter den gewählten Bedingungen, ferner ein starker Reiz auf die Körperzellen, der zu einem mit der Schnelligkeit der Injektion in die Blutbahn steigenden N-Umsatz führte, legten den Wunsch nahe, zu prüfen, ob durch eine Erschwerung bzw. Verlangsamung der Lösung von Ammonacetat bei gewöhnlicher Fütterung eine grössere N-Retention oder irgend ein Einfluss auf den N-Stoffwechsel erzielt werden könnte. In Anlehnung an frühere Versuche aus denı zootechnischen In- stitut von Rosenfeld und Max Müller versuchte ich, Ammon- acetat in Celloidin, von der Chemischen Fabrik von R. Schering in Berlin bezogen, einzuhüllen. Da es mir nicht gelang, das leicht zersetzliche hygroskopische Salz in eine schwerer lösliche Form zu bringen, beschloss ich, diesen Versuch mit einem anderen Ammoniak- salz durchzuführen. Ich wählte Ammontartrat, das mir besonders für diesen Versuch geeignet erschien, weil es viel schwerer löslich als Ammonacetat ist und sich auch bei Zimmertemperatur nicht zer- setzt. Um das lediglich als Hülle dienende stickstoffhaltige Celloidin zu vermeiden, nahm ich als Einschlussmittel Zelluloseacetat, das ich von C. A. F. Kahlbaum in Berlin bezog. Durch Eintragen von gepulvertem Ammontartrat in eine sirupartige Lösung von Zellulose- acetat in Eisessig erhielt ich nach Verdunsten der überschüssigen Essiesäure ein Material, das in kleine Würfel von ca. 2—-3 cbmm Grösse zerschnitten im Vakuumexsikkator über Kaliumhydrat in fester Form zu harten Stückchen eintrocknete. Da Ammontartrat viel schwerer löslich ist als Ammonacetat, war nicht zu erwarten, dass sich das Tartrat mit dem als Lösungsmittel für Zelluloseacetat dienenden Eisessig in essiesaures Ammoniak umsetzen würde, um so weniger als sich Ammontartrat in Eisessig unlöslich, zum mindesten sehr schwer löslich erwies. Tatsächlich war eine derartige Um- setzung wohl nicht eingetreten, da das Material nicht hygroskopisch war und auch noch heute von derselben trockenen Beschaffen- heit ist. Beim Lösen des Salzes aus seiner Hülle zeigte sich, dass nach zwölfstündigem konstantem Zutropfen von Wasser auf die vollständig in Wasser befindliche Masse die abtröpfende Lösung 188 Ernst Pescheck: noch eine kräftige Ammoniakreaktion gab. Der Zweck, das Salz in eine schwerer lösliche Form zu bringen, war also erreicht. Bei dem nun beginnenden Fütterungsversuch stiess ich auf Schwierigkeiten. Ein Tier, das schon zu den Versuchen 6 und 8 gedient hatte, die Hündin VII erbrach das Futter, wenn diesem Ammontartrat entsprechend 1 g N beigemischt wurde. Nach längerer Ruhepause verweigerte die Hündin das Futter, sowie diesem Ammontartrat selbst in geringen Mengen zugelegt war. Eine Dalmatinerhündin war gleichfalls ungeeignet, da bei diesem Tiere das Salz laxierend wirkte. Bemerkenswert ist, dass sich im Harn dieses Tieres schöne gelbe Kristalle ausschieden, die eine kräftige Ammoniak- und Weinsäurereaktion gaben. Schliesslich gelang es mir, mit einer Foxterrierhündin VI den Versuch durchzuführen. Ich musste mich aber auf Zulagen von nur 0,5 g N in Form von Ammontartrat beschränken, da sich bei der doppelten Menge auch bei diesem Tier Diarrhöe und Erbrechen einstellte. Der Versuch wurde nun so angeordnet, dass das Tier in fünf- tägigen Perioden zunächst ein Grundfutter erhielt, dem in der II. Periode eine Zulage von 0,5 g N in Form von Ammontartrat und in der III. Periode eine Zulage von eingehülltem Tartrat, gleich- falls 0,5 g N entsprechend gegeben wurde. Darauf erhielt die Hündin zur Feststellung der Nachwirkung in der IV. Periode wieder das Grundfutter und in der V. Periode vergleichsweise eine Zulage von 0,5 g N in Form von Blutalbumin. Schliesslich gab ich, in einer VI. Periode wieder das Grundfutter, um auch hier die Nach- wirkung zu bestimmen. Jeder Periode wurde noch die in der III. Periode als Hülle gegebene Menge von 6,17 g Zelluloseacetat beigelest. Ausserdem wurde die durch die Ammontartrat- und Albuminzulagen bedingte Änderung im Kaloriengehalt des Futters der Perioden II, III und V dureh Mehrgabe von Schmalz ausgeglichen, so dass das Tier in allen Perioden das gleiche Futter erhielt, dem in drei Perioden 0,5 g N in verschiedener Form bei gleicher Kaloriengabe zugelegt wurde. Als Versuchstier diente, wie schon erwähnt, eine kräftige, aus- gewachsene Foxterrierhündin VI. Nachdem diese längere Zeit das Grundfutter erhalten hatte, wurde am 13. August der Versuch be- gonnen. Die Analyse der an das Tier verfütterten Stoffe ergab folgenden N- und Kaloriengehalt: nn nen nn mn mn ass Studien üb. Einwirkung einiger nicht-eiweissart. Stickstoffverbindungen etc. 189 Bierdelleisch (frisch) . . -. 2... .'3,02% N 2,712 Kal. Bee. ek 2.112800, 3,198 , a nniell2o. 2 ra — . 9, 0BOnAE: AEIEN. 0. De a ErAUNEe 1805 3 enmarnlarıat, : 0. . 2.2. 0...15,00%0:, Dale en mm: 2... . 11,68% „ 4,796 Zelluloseacetat . . . .».. _ nicht bes Ammontartrat in Zelluloseacetat ein- scnlear 22072 20.2. .:..2 526%; nicht"bestimmt. | I. Periode. Grundfutter. Busssbierdellesch . : . . ... 2,42 & N 216,96 Kal. ae Ike, VE 2288, BseSchmalzr 2. c... 30. .0.%. — TITZERT, Beesanochen. . ı.: . 2.2.2.2. NER, sol > Da7zo Zelluloseacetäat -. :. . . .°. — _ pro Tag 327g N 640,17 Kal. Pro Kilogramm leb. Gew. 87 Kal. und 0,44 ge N. Tabelle 29. Ein- | . Ausgabe N im N am Körper Beh . 1910 |nahme : Een n Be- N |Harn | Kot es Zus. eW- | merkungen Aug. g g g g g g nahme | kg 13.—14. | 3,27 | 3,33|0,48| 0,02 | 3,53 1 —0,56 |—17,13 | 7,44 108 Hnochen 2. 14.15. | 3,27 | 2,96 10,48] 0,02 | 3,46 | —0,19 —5,81 7,41 Besen 15.—16. | 3,27 | 2,86 0,48) 0,02 | 3,36 | —0,09 —2,75| 7, 7 16.—17. | 3,27 | 2,81|0,48| 0,02 | 3,31 | —0,04| —1,22 7, 17.—18. | 3,27 | 2760,48) 0,02 | 3,26 | +0,01] +0,31 7, 36, % 3 37 34 14,72| — — 17,22 95 2,94 0,48 | 0,02 | 3,44 ‚39 Ze u u - Zus. — Nittelp. Tag| 3,27 Aus den N-Zahlen des Harns und der täglichen N-Bilanz der Grundfutterperiode I, Tabelle 29, ist zu erkennen, dass sich die Hündin ins N-Gleichgewicht setzt und dieses am letzten Tage er- reicht hat. Der Verlust von 0,17 g N im Mittel der fünftägigen Periode ist als gering zu betrachten. In der nun folgenden Periode II bekam das Tier 0,5 g N in Form von Ammontartrat und so viel Schmalz zugeleet, dass der Kaloriengehalt der Zulage dem der Zulage von Blutalbumin in Periode V gleich war. Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd. 142. 13 190 Ernst Pescheck: U. Periode. Grundfutter + Knochen + 6,17 g Zellulose- acetatä. ee OT TEN 4EGAVA TREE 1,3340. Schmalz area. an. — 12,79 „ 3,3333 2 -Ammontarwatın en. 2 20.22.0000 TOR pro Tag 3,77 g N 660,68 Kal. Pro Kilogramm leb. Gew. 90 Kal. und 0,51 g N. Tabelle 30. Ein- Ausgabe N im N am Körper ver 1910 |nahme Hi Basen ar Be- aaren rozent | Gew. N |Harn | Kot a Zus. a Ein- merkungen Aug. g game g g g nahme | g 7,33 Kotabgrenzung 19.—20. } 3,77 | 3,29 | 0,47 | 0,02 | 3,78 | —0,01 | —0,27 18.19. | 3,77 | 3,60 | 0,47 | 0,02 | 4,09 | —0,32 | —8,49 | 7,39 |10 g Knochen z. 20.—21. | 3.77 | 3.22 | 047| 0.02 | 371 | +0,06 | +1,59 | za2 | Ss 21.—22. | 3,77 | 3,39| 0,47 | 0,02 | 3,88 | 0,11 | —2,92 | 7,33 22.23. | 3,77 | 3,50| 0,47 | 0,02 | 3,99 | -0.22 | —5,84 | 7,33 For ae ee Nitdn Tag] 3,77 | 8,40| 0,47 | 0,02 | 3,89 | 0,12 | —3,18 | 7,34] Aus vorstehender Tabelle 30 ist ersichtlich, dass die Ammon- tartratzulage scheinbar gar keinen Effekt ausgeübt hat. Der Harn-N ist gegen Periode I, Tabelle 29, um 0,46 g, also fast der N-Zulage entsprechend erhöht. Da 0,01 g N in der II. Periode im Kot weniger ausgeschieden wurden, sind die Gesamt-N-Verluste jetzt um 0,05 & N geeenüber Periode I vermindert. Verfolet man in Tabelle 30 den Verlauf der N-Ausscheidung im Harn, so ist an den ersten drei Tagen ein deutliches Sinken der N-Zahlen des Harns zu bemerken. Vom vierten Tage ab aber beginnt eine erhebliche . Steigerung. Es deutet dies auf eine sich nun einstellende un- günstige, um nicht zu sagen toxische Wirkung des Ammontartrats hin. Diese Wirkung ist um so wahrscheinlicher, als, wie oben be- merkt, grössere Mengen von weinsaurem Ammoniak Brechreiz sowie Diarrhöe bei Hunden hervorriefen. III. Periode. Grundfutter + Knochen . . ... ...2..927g N 640,17 Kal. Basdscerschmalzia. zn == 12,79% 12 9,5 g Ammontartrat in 617, g lulase acetatzeingehüllt „2.2 EOS 1,0220» pro Tag 3,77 g N 660,68 Kal. Pro Kilogramm leb. Gew. 91 Kal. und 52 eN. Studien üb. Einwirkung einiger nicht-eiweissart. Stickstoffverbindungen ete. 19] Tabelle 31, —— en ee nn N am Körper | | Ein- Ausgabe N im ' 1910 |nahme H a 5 Sn Ben aaren rozen ew. ungen N |Harn | Kot a Zus. HepR ') Aug. g g g g g g nahme | kg 2324. | 3,77 | 3,62 |0,58| 0,02 | 4.22 | 045 |_11,94| 7,34 | 10 5 Knochen zur Kot- 4.25. | 3,77 | 3,50 |0,58| 0,02 | 4,10 | —0,33 | — 8,75| 7,29 | zbsrinzung gegeben. 28.26. | 3,77 | 3,61 |0,58) 0,02 | 4,21 | —0,44 —11,67| 7,28 | tagıieh Krietalle, die 26.—27. 3,17 3,66 0,58 0,02 4,26 —0,49 — 13,00 Tora sowohl Ammoniak wie 21.—28. | 3,77 | 3,63 |0,58| 0,02 | 4,28 | —0,46 —12,20| 7,28 Weinsäure enthielten. u Beer Tsroel2arnz| — Issas] Iittelp.Tag| 3,77 | 3,60 |0,58| 0,02 | 4,20 | —0,48 — 1141| 7,29 | In der III. Periode, Tabelle 31, in der das in Zelluloseacetat eingehüllte weinsaure Ammoniak verabreicht wurde, setzte sich die schon in Periode II, Tabelle 30, beeinnende Steigerung des N-Um- satzes fort, scheinbar bis gegen Ende der Periode zunehmend. Be- trachtet man die vollständige mittlere N-Bilanz dieser Periode III, so scheint im Vergleich mit Periode Il das in schwerer löslicher Form gegebene Salz eine direkt ungünstige Wirkung geäussert zu haben. Den N-Zahlen des Harns nach zu urteilen, dürfte es aber richtiger sein, zu schliessen, dass die spezifisch ungünstige Wirkung des Ammontartrats nicht aufgehalten werden konnte, auch wenn das Salz in schwerer löslicher Form verabreicht wurde. Beachtenswert ist, dass die hohe N-Ausscheidung im Kot der III. Periode, 0,58 g N gegenüber 0,47 g N in Periode II, den erheblichen N-Verlust, wie ihn die vollständige tägliche N-Bilanz zeigt, wesentlich mit ver- ursacht hat. Da das Salz nicht so fest eingehüllt war, dass ein Teil ungelöst in den Zelluloseacetathüllen im Kot mit zur Ausscheidung kommen und so den Kot-N vermehren konnte, besteht hier die Möslichkeit, dass die harten Stückehen von Zelluloseacetat-Ammon- tartrat den Darm zu vermehrter Schleimabsonderung gereizt haben, wodurch natürlich der N-Gehalt des Kotes erhöht wurde. 'Sehliesslich wäre noch zu erwähnen, dass die schon früher bei einem Vorversuch mit einer Dalmatinerhündin nach Gaben von Ammontartrat im Harn gefundenen gelben Kristalle auch in der IH. Periode, aber nicht in der II. täglich beobachtet wurden. Eine , Prüfung dieser Kristalle konnte ich nicht vornehmen, da sie in ‚ heissem Wasser wieder gelöst mit dem Harn des betreffenden Tages ' auf N untersucht werden mussten. Die schon eingangs erwähnte 15 * 192 Ernst Pescheck: qualitative Prüfung solcher Kristalle hatte ergeben, dass sie Ammoniak und Weinsäure enthielten. Es ist bekannt, dass Weinsäure im Hundeorganismus nur im geringen Umfange verbrannt wird'). In- folgedessen war zu erwarten, dass ein Teil der an Ammoniak ge- bundenen Weinsäure wieder im Harn zur Ausscheidung kommen - würde. Anscheinend hat nun die im Harn ausgeschiedene, nicht verbrannte Weinsäure mit dem dort vorhandenen Ammoniak und vielleicht auch Harnstoff ein Salz bzw. Doppelsalz gebildet. Dass. die beobachteten Kristalle nicht bloss durch den Farbstoff des Harnes gelb gefärbtes Ammontartrat sind, dürfte schon wegen ihrer grossen Scehwerlöslichkeit in kaltem Wasser ausgeschlossen sein. Eine genaue. Analyse solcher Kristalle auszuführen, erschien mir für den vor- liegenden Versuch bedeutungslos. IV. Periode. Grundfutter + Knochen + 6,17 g Zelluloseacetat 3,27 & N, 640,17 Kal. pro Tag. Pro Kilogramm leb. Gew. 38 Kal. und 0,45 & N. Tabelle 32. Ein- Ausgabe N im N am Körper Leb. nahme n 1910 = j -_, ‚Haaren |Prozent| Gew. | Bemerkunge N Harn | Kot usw. | Zus. \d. Kin- 8 8 8 #28 8 g nahme] g | 28.—29. Aug.| 3,27 | 3,56 | 0,45 | 0,02 | 4,03 | 0,76 |—23,24| 7,28 | 10 g Knochen = 29.80. „| 8,271 341 | 0,45 | 0,02: | 8,88 | —0,61 | 18,65] 7,27 | KowmbereZäg 80.81. „ | 3,27| 3,19 | 0,45 | 0,02 | 3,66 | —0,39 | —11,98| 7,27 | Sr Kat \397 3,08 | 0,45 | 002 | 355 |-028| 8,56 | 7,22 1.2. 3,27 | 3,02 | 0,45 | 0,02 | 3,49 | 0,22 | —6,73 | 7,20 Zusammen — [16,26 ul 18,61 | —2,26 — 36,24 Mittelp.Tag| 3,27 | 3,25 | 0,45 | 0,02 | 3,72 | —0,45 | —13,76| 7,25 In dieser an die vorhergehende anschliessenden Periode IV gab ich der Hündin wieder das Grundfutter, um die Nachwirkung der Ammontartratfütterungen festzustellen. Die Tabelle 32, die die N-Bilanz der IV. Periode enthält, zeigt noch deutlich die sehr, un- günstige Nachwirkung des weinsauren Salzes. Es besteht hiernach kein Zweifel, dass in diesem Falle das Ammontartrat die Körper- 1) Zeitschr. f. phys. Chemie Bd. 25 S. 283. 1898. ee ee EEE EEE WERE TEE Studien üb. Einwirkung einiger nicht-eiweissart. Stickstoffverbindungen etc. 193 zellen zu vermehrter N-Ausgabe gereizt hat. Die N-Zahlen des Harns in Tabelle 32 sinken zwar täglich und nähern sich am letzten Tage mehr dem in der I. Periode, Tabelle 29, gefundenen Mittel- werte. Trotzdem ergibt die vollständige N-Bilanz im Mittel pro Tag, verglichen mit der vorhergehenden, sogar einen noch etwas grösseren N-Verlust, obwohl der N-Gehalt des Kotes von 0,58 & N auf 0,45 g N zurückgegangen ist. Hieraus ergibt sich der weitere Schluss, dass Periode III zum Teil eine ungünstige Nachwirkung der Periode II enthalten muss und deshalb ein durch die Schwer- löslichkeit des Salzes verursachter eventuell mässig günstiger Einfluss nicht hervortreten konnte. Während der Perioden I—IV geht auch das Lebendgewicht der Hündin zwar nicht beträchtlich, aber doch deutlich konstant zurück. In der nun folgenden Periode V wurden der Versuchsanordnung entsprechend 0,5 g N in Form von Blutalbumin dem Grundfutter zugelest. V. Periode. Grundfutter + 6,17 Zelluloseacetat 3,27 g N 640,17 Kal. 4,281 & Blutalbumin 05 9, 2 pro Tag 3,77 g N 660,68 Kal. Pro Kilogramm leb. Gew. 92 Kal. und 0,52 ge N. Tabelle 33. Ein- Ausgabe N in N. am Körper 1910 [nahme IH P t en Bemerkungen aaren rozen w. N |Harn| Kot | sw. | Zus Ei Sept g g g g g g nahme | kg 2.—3. | 3,77 | 3,26 | 0,53 | 0,02 | 3,81 | —0,04 | —1,06 | 7,22 I senosken = 3.4. | 8,77 | 2,96 0,53 | 0,02 | 3,51 | +0,26 | +6,90 | 7,21 Eee 4.5. | 3,17 | 3,94 | 0,53 | 0,02 | 3,49 | +0,28 | +7,43 | 722 | 8.—6. | 3,77 | 3,07 | 0,53 | 0,02 | 3,62 | +0,15 | +3,98 | 7,22 6.—7. ‚7 | 312 | 0,53 | 0,02 | 3,67 | +0,10 | +2,65 | 7,24 ‚Zus. — 115,35 | — — 1810| +0,75 — 136,11 Nittelp. Tag | 3,77 | 3,07 0,53 | 0,02 | 3,62 | +0,15 | +3,98 | 7,22 Wie aus Tabelle 33 zu entnehmen, ist die N-Bilanz durch die Eiweisszulage positiv geworden, trotzdem der N-Gehalt des Kotes dieser Periode um 0,08 & pro Tag höher ist als in Periode IV. Aus den täglichen vollständigen Bilanzen ist die Neigung des Tieres, N-Gleichgewicht zu erreichen, erkennbar. Auch das Lebendgewicht 194 Ernst Pescheck: scheint sich wieder etwas zu vermehren; jedenfalls ist die in der vorhergehenden Periode IV noch deutlich bemerkbare Abnahme des Körpergewichtes hier zum Stillstand gekommen. Zur Bestimmung der Nachwirkung der Eiweissfütterung gab ich in der folgenden VI. Periode wieder das Grundf£utter. VI. Periode. Grundfutter + Knochen + 6,17 g Zelluloseacetat 3,27 g N, 640,17 Kal. pro Tag. Pro Kilogramm leb. Gew. 88 Kal. und 0,45 e N. Tabelle 34. Ein- Ausgabe N im N am Körper Leb. 1910 |nahme H P G Be- N | Harn| Kot | el Zus a °W- | merkungen Sept. g Bloc NEE g nahme | kg 7.8. 1 3,27 | 2,97 | 0,48 | 0,02 | 3,471 —0,20 | —6,12 | 7,25 [10 g Knochen z. 8.—9. | 3,27 | 2,69 | 0,48 | 0,02 | 3,19] +0,08 | +2,45.| 7,25] Zotabgrenzung 9.—10. | 8,27.| 2,68 | 0,48 | 0,02 | 3,18] +0,09 | +2,75 | 7724| °° 10.—11. | 3,27 | 2,78 | 0,48 | 0,02. | 3,28] —0,01 | —0,31 | 7,23 11.—12. | 3,27 | 2,62 | 0,48 | 0,02 | 3,12] +0,15 | +4,59 | 7,26 Zus. — er a een ER. Nittel p. Tag | 3,27 a 0,02 3,25] +0,02 | +0,61 | 7,25 Das Tier stellte sich jetzt, wie aus Tabelle 34 ersichtlich, un- gefähr ins N-Gleichgewicht. Das Lebendgewicht ist gegen Periode V im Mittel um 30 g erhöht. Die Zahlen für das Körpergewicht in Tabelle 34 zeigen nur geringe Schwankungen. Der vorstehend geschilderte Fütterungsversuch führte leider nicht zu einem für die Verwertung von Ammoniakverbindungen im Organis- mus wertvollen Resultat. Die spezifisch schädliche Wirkung des Ammontartrats machte sich schon in der Periode II, Tabelle 30, nach wenigen Tagen bemerkbar und setzte sich sogar bis in die zur Fest- stellung der Nachwirkung der Ammoniakfütterungen anschliessende Grundfutterperiode IV, Tabelle 32, hin fort. Dadurch wurde der beabsichtigte Zweck, durch die Einhüllung des Ammontartrats in der III. Periode, Tabelle 31, irgendeinen Effekt zu erzielen, leider vereitelt. Durch die in der V. Periode, Tabelle 33, gegebene Eiweiss- zulage wurde die nachteilige Wirkung des Ammoniaksalzes aufgehoben. Die N-Bilanz neigte sich wieder nach der positiven Seite. In der Studien üb. Einwirkung einiger nicht-eiweissart. Stickstoffverbindungen etc. 195 letzten Periode VI, Tabelle 34, in der wieder das Grundfutter ge- geben wurde, hatte sich das Tier ungefähr ins N-Gleichgewicht ein- gestellt. II. Versuch mit Asparagin. 10. Versuch. Die in der Versuchsreihe 9 mit eingehülltem Ammontartrat be- obachtete erhöhte N-Ausscheidung im Harn zeigte, dass durch die Einhüllung die den N-Bestand des Körpers schädigende Wirkung des Salzes nicht ersichtlich aufgehalten werden konnte, sondern in merklicher Weise fortschritt. Ich stellte mir nun die Frage, ob bei dem weniger different wirkenden Asparagin bei gleicher Reihenfolge der Perioden die Einhüllung einen eventuell erhöhten N-Umsatz aufzuhalten oder in N-Ansatz zu verwandeln vermag. Bekanntlich war in früheren Versuchen von Max Müller!) unter etwas anderen Bedingungen ein sehr günstiger Einfluss der Einhüllung auf den N-Stoffwechsel des Fleischfressers gefunden worden, allerdings bei zum Teil recht hohem Kaloriengehalt des Gesamtfutters, da mit jeder Asparaginzulage zugleich eine Zulage von N-freien Stoffen mehr ver- abfolst wurde. Die Versuchsanordnung war der im vorhergehenden Versuch mit Ammontartrat angegebenen entsprechend; nur verzichtete ich hier auf einen Vergleich mit Eiweiss, da ich lediglich unter den ge- wählten Verhältnissen die Wirkung von Asparagin in schwerer lös- licher Form auf den N-Umsatz feststellen wollte. Als Einschlussmittel für Asparagin nahm ich das von Rosen- feld2) und Max Müller zu gleichem Zweck benutzte Celloidin von der Chemischen Fabrik von R. Schering in Berlin. Bei der Herstellung des Materials richtete ich mich, was die Mengenverhält- nisse anbetrifft, nach den von Max Müller gemachten Angaben. Das Celloidin wurde in Äther-Alkohol zu sirupartiger Konsistenz gelöst und mit fein gepulvertem Asparagin innig verrührt. Die Masse wurde sodann auf grosse Glassplatten in 2—3 mm hohe Schichten ausgegossen und nach Verdunsten des Äther-Alkohols in Würfel von ca. 2-3 cmm Grösse zerschnitten, die nach kurzer Zeit zu festen kleinen Stückchen eintrockneten. 1) Pflüger’s Arch. Bd. 117 S. 497. 1907. 2) Pflüger’s Arch. Bd. 112 S. 339. 1906. 196 Ernst Pescheck: Bei einem Vorversuch zeigte sich, dass das Asparagin derartig fest eingeschlossen war, dass es zum Teil wieder im Kot ausgeschieden wurde. Ich war deshalb gezwungen, die Würfel grob zu mahlen, um so durch Vergrösserung der Oberfläche die Löslichkeit für Asparagin zu erhöhen. Bei der nun angestellten Probefütterung ergab sich, dass im Kot die Celloidinwürfel frei von Asparagin aus- geschieden wurden, da ich diesmal in der aus den Würfeln mit kochendem Wasser erhaltenen Lösung nach der Kjeldahlschen Methode keinen N mehr fand. Was die Analysen betrifft, so bemerke ich, dass der N des Celloidins und ebenso der N des Kotes, der ja das in allen Perioden gegebene Celloidin enthielt, nach der Methode von Dumas bestimmt werden musste. Der. Unlöslichkeit des Celloidins wegen war die Jodlbaursche oder Foerstersche Modifikation der Kjeldahl- schen Methode nicht verwendbar. Um den N-Gehalt des in Celloidin eingeschlossenen Asparagins zu ermitteln, wurde das Salz mit heissem Wasser aus den Celloidinhüllen gelöst, die Flüssigkeitsmenge ein- gedampft und nach Kjeldahl analysiert. Der Gesamt-N des ein- gehüllten Asparagins musste des Celloidins wegen natürlich wieder nach der Dumasschen Methode ermittelt werden. Als Versuchstier diente die Hündin VI, die sich schon in den Versuchen 6 und 8 bewährt hatte. In der I. Periode wurde zu- nächst ein Grundfutter gegeben, dem in der II. Periode 1g N in Form von Asparagin und in der III. Periode die gleiche N-Menge in eingehülltem Asparagin zugelegt wurde. In der IV. Periode be- kam das Tier wieder das Grundfutter. In allen fünftägigen Perioden war dem Futter die in der III. Periode als Hülle gegebene Celloidin- menge in fein geriebener Form beigemischt worden, so dass also das Tier stets das gleiche Grundfutter und in zwei Perioden gleiche Zulagen von Asparagin in verschiedener Form erhielt. Schliesslich gab ich aus später noch zu erörternden Gründen in einer auf die IV. Periode unmittelbar folgenden V. Periode noch einmal eine Zu- lage von 1 g N in Form von Asparagin und stellte in der darauf- folgenden Grundfutterperiode VI auch noch die Nachwirkung fest. In diesen beiden letzten Perioden war die Celloidinzulage fort- gelassen worden. Der Versuch begann nach längerer Vorfütterung am 3. November. Die Analyse des Futters ergab folgenden N- und Kalorien- gehalt: Studien üb, Einwirkung einiger nicht-eiweissart. Stickstoffverbindungen etc. 197 Bierdefeisch (frisch), .. - ... . ..: 3,34% N - 1,448 Kal. een. 280 5.30, LTE oo ee a AL Felsen Selhmallz 2 ran IR A — 9,586 „ Pannen 2.2. ,.11,47 lo: „ nicht bestimmt Asparaciü . - » le} 3,169 Kal. Asparagin in Gelloidin Eineeschlossen 14,82°% „ nicht bestimmt Bon ÄSDAracın . . .. 2:002,.2,8,82%0 ;, MRwelloidin .. >. .5:°. .......:26,00%o0 ;, Tabelle 35. Ein- Ausgabe N im N am Körper 2 lu zahme H = Bemerkungen NlHarn | Kot Haaren] 7... Prozent| Gew. g usw. d. Ein- Nov. g g | g g g g nahme | kg 3.—4. I 2,27 | 2,07 | 0,54 | 0,04 | 2,65 | —0,38 |—16,74 | 4,44 |10 g Knochen z. 4.—5. | 2,27 |2,03|0,54| 0,04 | 2,61 | —0,34 1494| 440 | Ser une 5.—6. | 2,27 | 1,96 0,54 | 0,04 | 2,54 | —0,27 | —11,89 | 4,44 k 6.—7. | 2,27 11,87 |0,54| 0,04 | 2,45 | —0,18 | —7,93 | 4,42 7.—8. | 2,27 [1,91 [0,54 | 0,04 | 2,49 | —0,22 | —9,69| 4,42 Zus — 1984| — — 12,74 | —1,39 — 122,12 Mittel p. Tag 2,27 11,97 |0,54| 0,04 | 2,55 | —0,28 | —12,33 | 4,43 Das in der I. Periode gegebene Grundfutter hatte folgende Zu- sammensetzung: I. Periode. 50 g Pferdefleisch . . . 1,67 gN 72,40 Ral. Almowmeise 0.0.0.0 LAT, Aleezschmalze. 0.....: la Zu Knochen ...; .2..Q,ll.g', 30h »I95e6elloeidin!) 7.2 7 Z — pro Tag 2,27 g N 419,65 Kal. Pro Kilogramm leb. Gew. 95 Kal. und 0,51 g N. Den N-Stoffwechsel während der Grundfutterperiode I zeigt Tabelle 35. Die N-Bilanz ergibt. im Mittel pro Tag einen Verlust 1) Der N-Gehalt von 5,95 g Celloidin beträgt 0,68 g N. Da das Celloidin wieder vollständig im Kot zur Ausscheidung kommt, habe ich die dem Celloidin entsprechende N-Menge vom gesamten Kot-N in Abzug gebracht. Die N-Zahlen für Kot in den Tabellen 35—38 enthalten also den Celloidin-N nicht. Aus diesem Grunde habe ich den Celloidin-N unter die Einnahmen nicht aufgenommen. 198 Ernst Pescheck: von 0,28 & N vom Körper. Dieser negative Wert ist fast nur durch den hohen N-Gehalt des Kotes herbeigeführt worden. Vergleicht man die mittlere N-Ausscheidung im Harn dieser Periode I mit denen der Grundfutterperioden IV und VI, Tabellen 38 und 40, auf die ich später noch näher eingehen werde, so zeigt sich eine sehr gute Übereinstimmung. In Periode I, Tabelle 35, war im Mittel pro Tag 1,97 g N, in Periode IV, Tabelle 35, 1,94 g N und in Periode VI, Tabelle 40, 1,98 g N im Harn ausgeschieden worden. Auch die Zahlen für Kot-N in den Perioden IV und VI ergaben im Mittel nur geringe Unterschiede: 0,36 g N in Periode IV gegen 0,32 g N in Periode VI. Was nun die hohe N-Ausscheidung im Kot der I. Periode anbetrifft, so ist diese wohl dadurch hervorgerufen worden, dass die Hündin vor Beginn des eigentlichen Versuches im Grundfutter aus Sparsamkeitsrücksichten die teure Celloidinzulage nicht bekam. Ich glaubte diese Massnahme treffen zu können, da ja das Celloidin lediglich nur Ballast war, der unverändert im Kot wieder erschien. Die Celloidinzulage hatte aber doch bewirkt, dass das Tier, welches vorher nur sehr träge Kot absetzte, jetzt täglich erössere Kotmengen abstiess. Vielleicht ist so durch reichlichere Schleimabsonderung anfangs etwas mehr N mit dem Kot ausgeschieden worden. Dass diese Zulage in den späteren Perioden keine Ein- wirkung auf eine Vermehrung des Kot-N mehr äusserte, ist aus den Tabellen 35—40 ersichtlich, mit Ausnahme der Tabelle 37, auf die ich gleich zu sprechen kommen werde. In der II. Periode bekam das Tier nun 1 g N in Form von Asparagin zum Grundfutter zugelegt. II. Periode. Grundfutter + Knochen + (Celloidin) 2,27 g N 419,65 Kal. 5,891: g7-Asparagin I 2 ar OFEN a pro Tag 3,27 g N 436,73 Kal. Pro Kilogramm leb. Gew. 98 Kal. und 0,74 ge N. a [72 09 Die N-Bilanz der II. Periode, Tabelle 36, ist durch die Asparagin- fütterung positiv geworden. Im Mittel pro Tag ergibt sich ein Plus von 0,12 g N am Körper. In der anschliessenden Periode III bekam die Hündin das in Celloidin eingehüllte Asparagin. eur HT Era mn em ar ums = res ee 7SPEIERERERENEEEE EEG EEE Studien üb. Einwirkung einiger nicht-eiweissart. Stickstoffverbindungen etc. 199 Tabelle 36. Ein- Ausgabe N in N am Körper „all | melButg = are pP t a Bemerkungen > aaren rozent | Gew. N |Harn | Kot se. Zus. Are Nov. g g g g g g nahme g 8.—9. 327 | 3,77 ,0,51, 0,04 | 3,12] +0,15 | +4,59 | 4,42 |10 g Knochen z. 9.—10. | 3,27 | 2,72) 0,31) 0,04 | 3,07| +0,20 | +6,12 | 4,44 | Kotabgrenzung 10.11. | 3,27 | 2,82 |0,31| 0,04 | 3,17] +0,10 | +3,06 I 445 | °° 11.—12. | 3,27 | 2,86 | 0,31 | 0,04 321 +0,06 | +1,84 | 4,44 12.—13. | 2,27 | 2,85 0,31 0,04 3.20 +0,07 | +2,14 | 4,45 Zus. — (02 = | 15,7 058220 Mittelp. Tag| 3,27 | 2,800,31| 0,04 | 3,151 +0,12 -+3,67 | 4,44 | | | Ill. Periode. Gzungfutter + Knochen . . . .. 227g N 419,65 Kal. 11,34 & Asparagin in Celloidin eingehüllt 1,00 2 „ 1708 „ pro Tag 3,27 g „ 436,73 Kal. Pro Kilogramm leb. Gew. 98 Kal. und 0,74 e N. Tabelle 37. Ein- Ausgabe N in N am Körper Leb. 1910 h | en Harn Kat Haaren Z : Prozent | Gew. | Bemerkungen usw d. Ein- or 5 5 5 g g g | nahme | kg 13.—14. | 3,97 | 3,06 |0,47| 0,04 | 3,57 | —0,30 —9,17 | 4,44 [10 5 Knochen z. 715. | 307 | 2,75 |0,47| 0,04 | 3,26 | +0,02 | +0.31 | 443 | Sotabsrenzung 15.—16. | 3,27 | 2,76. |0,47| 0,04 | 397 | +0,00| +0,00 | 4,44 16.17. | 3,27 | 2,72 |0,47| 0,04 | 3,23 | +0,04 | +1,22 | 4,46 17.—18. | 3,27 | 2,76 |0,47| 0,04 | 3,27 | +0,00 | +0,00 | 4,45 Zus. wo 660 0,25 — Mittel p. Tag 2,81/0,47| 0,04 | 3,32 | —0,05 | —1,58 327 Wie aus Tabelle 37 ersichtlich, ist die vollständige N-Bilanz der III. Periode sogar negativ geworden. Auch in diesem Falle ist der N-Verlust im Mittel pro Tag von 0,05 g wieder fast nur durch den Kot-N verursacht, der gegen Periode II um 0,16 g erhöht ist. Da ich bei der Vorfütterung mit diesem Tiere mich mehrfach über- zeugt hatte, dass nach Zulage von eingehülltem Asparagin zum Grundfutter die im Kot ausgeschiedenen Celloidinstückchen keinen wasserlöslichen Asparagin-N mehr enthielten, dürfte die Annahme, dass noch ungelöstes Asparagin in den Celloidinhüllen mit zur Aus- scheidung gekommen ist und so den N-Gehalt des Kotes erhöht hat, 300 Ernst Pescheck: keine Berechtigung haben. Ich glaube vielmehr, auch diese hohe Zahl in ähnlicher Weise erklären zu müssen, wie ich es schon bei Periode I getan habe. Ebenso wie dort der Celloidinballast anfangs möglicherweise einen Reiz auf den Darm ausgeübt hat, der eine ver- mehrte Schleimabsonderung usw. veranlasste, halte ich es auch hier für sehr wahrscheinlich, dass die harten Stückchen von eingehülltem Asparagin in ähnlicher Weise auf den Darm gewirkt und so die er- höhte N-Ausscheidung in den Fäces herbeigeführt haben. Vergleicht man die N-Ausscheidung im Harn in .den Perioden II und III, Tabellen 36 und 57, so ist zunächst die hohe Zahl von 3,06 g am ersten Tage der III. Periode auffällig. Da die N-Zahlen des Harns der II. Periode anscheinend die Tendenz zum Steigen haben — der Harn-N ist von 2,72 g am zweiten Tage bis auf 2,35 g am letzten Tage angestiegen —, ist anzunehmen, dass bei Beeinn der Periode III eine weitere Erhöhung der N-Ausscheidung im Harn stattfand. Die hohe Zahl 3,06 dürfte daher wesentlich die Nachwirkung der vorhergehenden Asparaginperiode II mit einschliessen. Im weiteren Verlauf der Periode III ist jedoch eher eine Verminde- rung der N-Ausscheidung im Harn zu bemerken. Betrachtet man die N-Zahlen für Harn am ersten Tage der Grundfutterperioden IV und VI, die zur Feststellung der Nachwirkung der vorhergehenden Asparaginfütterungen eingeschaltet waren, so ist ohne weiteres er- sichtlich, dass sich diese Nachwirkung fast nur auf den ersten Tag der folgenden Periode erstreckt. Diese Beobachtung ist auch schon bei früheren Asparaginfütterungen am Hunde gemacht worden. Lasse ich daher in der III. Periode die hohe Harn-N-Zahl von 3,06 g, die sicherlich durch die Nachwirkung der vorhergehenden Asparagin- periode im wesentlichen verursacht ist, fort und berechne die mittlere N-Bilanz aus den übrigen vier Tagen, so finde ich eine tägliche N-Ausscheidung im Harn von 2,75 g gegenüber 2,81 g in Periode II, wenn ich auch da ebenfalls nur das Mittel der letzten vier Tage in Rechnung ziehe. Somit würde sich eine Verminderung der N-Ver- luste im Harn der III. Periode von 0,06 & gegen Periode II er- geben. Nach dieser allerdings nicht ganz einwandfreien Berechnung würde durch das schwerer lösliche Asparagin bei unverändertem, relativ niedrigem Kaloriengehalt des Futters und relativ niedrigen N-Gaben (auf das Kilogramm Lebendgewicht berechnet) die Erreichung des N-Gleiehgewichts innerhalb 10 Tage in minimaler Weise verzögert sein. Aus dieser Berechnung ist auch zu entnehmen, dass die Er- Studien üb. Einwirkung einiger nicht-eiweissart. Stickstoffverbindungen etc. 201 höhung des Kot-N unmöglich allein durch zu fest eingehülltes und daher ungelöst im Kot ausgeschiedenes Asparagin hervorgerufen sein kann, da sich bei dieser Rechnung immer erst eine Verminderung der N-Zahl des Harns von 0,06 g ergibt, während der Kot-N im Mittel pro Tag um 0,16 g gegen Periode II erhöht ist. Ein N-Ver- lust von 0,10 g bliebe also immer noch unerklärt. Um die Nachwirkung der in Periode II und III gegebenen Asparaginfütterungen festzustellen, wnrde in der anschliessenden IV. Periode noch einmal das Grundfutter gereicht. IV. Periode. Grundfutter + Knochen+(Celloidin) pro Tag 2,27 g N 419,65 Kal. Pro Kilogramm leb. Gew. 95 Kal. und 0,51 e N. Tabelle 38. Ein- | Ausgabe N im N am Körper" Tech 1910 |nahm pP & ? Be- N |Harn Kot en Zus. | a °W- | merkungen Nov. g sea BEE g | nahme | kg 18.19. | 2,27 | 2,24 | 0,36 | 0,04 | 2,61] —0,37 |—16,80| 4,45 |10 8 Knochen z. 19— 20. | 2,27 | 1,90 | 0,86 | 0,04 | 2,301 0,03 | —132| Aaı| nn n8 20.—21. | 2,27 | 1,90 | 0,36 | 0,04 | 2,301 —0,03 ı —1,32| 4,42| 21.22. | 2,27 | 1,83 | 0.36 | 0,04 | 2,23] +0,04 | +1,76| 4,42 22.—23. | 2,27 | 1,84 | 0,36 | 0,04 | 2,24] +0,03 | +1,32] 4,38 Zus | - |y3al— | — |11,21]—036| — [22,11 Mittelp. Tag | 2,27 | 1,94 | 0,36 | 0,04 | 2,34| —0,07 | —3,08| 4,42 Den N-Umsatz der IV. Periode zeigt Tabelle 38. Das Tier stellte sich hier fast in’s N-Gleichgewicht, was aus den täglichen N-Bilanzen zu ersehen ist. Inı Vorhergehenden hatte ich vergleichs- halber diese Tabelle schon mehrfach erwähnt. Es sei deshalb hier nur nochmals auf die N-Ausscheidung im Harn am ersten Tage und die im Kot ausgeschiedene N-Menge hingewiesen, woraus ersichtlich, dass -47, des Körpers ist also infolge der Abnahme des Körpergewichtes sogar noch etwas höher als in Versuch 7. Versuch 8. 24. Oktober 1906. Körpergewicht: 21030 g HCl Cl in HCl Cesamı ei Stunde Menge mer or Name DE A gem Or Oo RER %/o Jun Panzer Be | genen] | ganzen ganzen nn 104 | 0,3650 | 0,3796 | 0,3550 | 0,3692 | 0,4727 | 04s16 | o.sı wi 99 | 0,4745 | 0.4698 | 0,4615 | 0,4569 | 0,5272 0,5219 | 0,530 ap 96 | 0.4563 0,4381 | 0,4438 0,4261 | 0,5090 0.4886 | 0.528 Ye —2 72 | 0,4709 |, 0.3390 | 0,4580 0.3297 | 0,5272 0.3796 | 0,545 2 D1js 45 | 0,4526 | 0,2037 | 0,4402 | 0,1981 | 0,5212 | 0,2345 | 0,531 3 97 | 0.3942 23 | 27 | 03942 | 0,1064 | 0,3834 | 0,1035 | 0,5151 | 01391 | 0517 0.1064 0,3334 0.1085 | 05151 | 0,1391 | 0,517 Summe | Y nnikel \ 443 me |} #3 | 0,4372 | 1,9268 | 04252 | 18835 | 0,5001 | 22553 | 0,20 2 1,9366 | 0,4252 | 1,8835 | 0,5091 | 2.2553 | 0,520 Auffallenderweise ist das Resultat des Versuchs 8 besser als das des Versuchs 7, sowohl die Menge des Magensaftes, als auch der Gehalt an Salzsäure und Gesamtcehlor sowie die Gefrierpunkts- erniedrigung sind gestiegen. Das Tier verlor in Versuch 8 2,2553 g Gesamtchlor. In der Zwischenzeit bis zum nächsten Versuch wurden in zwei Portionen im ganzen 1 kg Fleisch und 1 Liter destilliertes Wasser eingeführt — (0,49 g Cl. Das Tier enthielt also bei Beginn des Versuchs 9 noch 21,88 — 2,26 + 0,49 —= 20,11 g Cl = 79° des Chlorvorrats eines normalen Tieres. Der Versuch 9 am 27. Oktober hatte nun ein fast völlig nega- tives Resultat. Der Hund war überhaupt nicht zum Fressen zu be- wegen; er nahm weder rohes noch gekochtes Fleisch an, soft etwas Milch, liess sie aber auch bald stehen. Dagegen soff er eierig Wasser. Die Sekretion des Magensaftes kam nicht in Gang; in der ersten halben Stunde wurden 9 cem ziemlich ungefärbten Saftes ent- leert, der neutrale Reaktion hatte, in der zweiten halben Stunde flossen ebenfalls 9 eem ab, die so stark dunkel gelb-grün gefärbt waren, dass sie nicht titriert werden konnten. Es schien mir zweifel- haft, ob das Ausbleiben der Magensaftsekretion nicht vielleicht einzig und allein auf das Fehlen des auslösenden Reizes zurückzuführen sei, da ja der Hund nicht frass. Ich brachte ihm daher 500 g ge- hacktes Fleisch und 500 eem destilliertes Wasser in den Magen. Als nach 3/ı Stunden der Magen eröffnet wurde, lag das Fleisch noch unverändert im Magen, die Flüssigkeit war fast ganz ver- 218 R. Rosemann: schwunden, nur einige wenige Tropfen Flüssigkeit flossen ab, als das Fleisch mit einem Glasstab zur Seite geschoben wurde; diese Flüssig- keit reagierte schwach sauer. Als das Tier mehrere Stunden später sich den Stopfen aus der Kanüle gerissen hatte, fiel Fleisch heraus, welches sich noch immer im Magen befand. Ich glaube daher, dass es sich bier wirklich um ein völliges Versiegen der Masensaftsekretion infolge der Chlorverarmung des Körpers handelte. In den folgenden Tagen erhielt der Hund viermal je 500 g Fleisch und 500 eem einer 0,9°/oigen NaCl-Lösung, also allein in der letzteren 18 & NaCl = 10,9 Cl. Diese Chlorzufuhr hätte ge- nügen sollen, um Eaas vorhandene Chlordefizit zu decken. Rechnet man die eingeführten 10,9 g Cl zu dem noch vorhandenen Vorrat von 20,11 g hinzu, so ergibt sich eine Chlormenge von 31,01 = 122%) des normalen Wertes. Gleichwohl gab der folgende Scheinfütterungs- versuch Nr. 10 noch keineswegs ein normales Resultat. Versuch 10. 31. Oktober 1906. M HCi Cl in HCl Gesamt Cl enge Stunde ccm 07 im 0% im N) im , ganzen ganzen x ganzen 0—!a 76 | 0,1716 0,1304 0,1669 0,1268 0,3575 0,2717 1/a—1 35 | 0,3942 0,1380 0,3834 0,1342 0,5212 0,1824 1—1!/a Ss | 0,3650 0,0292 0,3550 0,0254 0,5333 0,0427 Summe t c f 7 ) resp. Mittel Y19 | 0,2500 0,2976 0,2432 0,2894 0,4175 0,4968 Ich war verhindert, den Versuch noch weiter fortzuführen. Der Hund erhielt von jetzt: ab wieder täglich seine gewöhnliche Er- nährung: 1000 & Fleischklops und 1000 eem Milch; der nächste Scheinfütterungsversuch am 30. November ergab dann ein völlig normales Verhalten der Magensaftsekretion. Versuch 11. 30. November 1906. u HCl Cl in Hal Bel Stunde DES Er | A Traun 0) 0) cem “ ganzen iv | ganzen % | Ounzen 0, | 85 | 0,293 | 04499 | 0,5148 | 0,4376 | 0,5845 | 0,4845 1414 | 430 | 0,5749 | 2471 | 0,5591 | 24042 | 0.6076 | 2,5448 1,2 | 210 ! 0,5749 | 1,2073 | 0,5591, 1,1741 | 0,5924 | 1,2109 24314 | 90 | 0,5347 | 04812 | 0,5201 | 04681 | 0.5625 | 0.4932 Summe i oe \sı5 | 0,5657 | 4,6105 | 0,5502 | 4,4840 | 0,5808 | 4,7334 Beiträge zur Physiologie der Verdauung. III. 219 Die Chlorausscheidung im Harne habe ich während dieses Ver- suchs nicht genau verfolgt; der Harn wurde auch nicht quantitativ gesammelt. Ich habe aber von Zeit zu Zeit in dem Harn, der sich in der Schale unter dem Käfig des Hundes vorfand, den Prozent- gehalt an Chlor bestimmt. Der Harn wurde dabei zunächst in der von Gruber!) angegebenen Weise mit Schwefelsäure und Zink be- handelt, dann das Chlor nach Volhard bestimmt. Es enthielt der Harn vom 17. und 18. Oktober 0,0327 0 Cl, „ » 5) 25. „ 26. „ 0,0145 0/0 „ » ” D) 28. „ 0,0091 Oo „ Br , OR 0,0245 %0 , er i R 16. November 0,2303 %/o „ Die Werte zeigen gleichfalls die Chlorverarmune, die um den 27. Oktober im Körper des Tieres vorhanden war. Bemerkenswert ist auch, dass trotz der reichen Chlorzufuhr nach dem 27. Oktober die Chlorausscheidung am 28. und 29. noch recht niedrig ist. Versuchsreihe I. Da bei der Fütterung mit chlorarmer Nahrung immerhin ge- ringe Chlormengen dem Körper zugeführt werden, habe ich in den beiden folgenden Versuchsreihen das Tier völlig hungern lassen. Während des Novembers und der ersten Hälfte des Dezembers 1906 war der Hund wieder in der bekannten Weise gefüttert worden; die letzte Fütterung erfolete am 11. Dezember abends 5 Uhr. Der Scheinfütterungsversuch 12 am 12. Dezember hatte natürlich noch ein durchaus normales Resultat; er dient für diese Versuchsreihe als Normalversuch. Versuch 12. 12. Dezember 1906. HCl Clin HC] Cl in Asche Stunde | Menge 5 0, im 7 im 0 im ccm \ ganzen N ganzen ganzen o 0—1/ 64 0,5001 0,3201 0,4864 0,8113 — == a—1!/a | 410 0,5950 2,4395 0,5787 2,3726 0,0515 0,2112 Tun —21/i | 280 0,6023 1,6864 0,5858 1,6403 | 0,0394 0,1103 A— 31/4 % 0,5425 0,4878 0,5272 0,4705 Summe { Era, m, ir respikiei|p 84 | 05846 | 49838 | 05686 | #7987 | | I) M. Gruber, Zur Titrierung der Chloride im Hundeharn. Zeitschr. f. Biol. Bd. 19 S. 569. 1883. 320 R. Rosemann: Leider ist in dieser Versuchsreihe das Körpergewicht des Tieres nicht bestimmt worden. Um den Chlorvorrat im Körper des Hundes sicher nicht zu niedrig anzunehmen, will ich daher der weiteren Betrachtung das höchste Körpergewicht zugrunde legen, das der ı Hund bei der Ernährung mit täglich 1 kg Fleischklops und 1 Liter . Milch überhaupt erreichte, nämlich 24520 g; dem würde entsprechen ein Chlorvorrat von 27,5 g Cl. Im Versuch 12 enthielt der Magensaft 0,5686 °/o Cl in Form von HCl. Der Gesamtchlorgehalt ist nieht bestimmt worden; er ist, wie ich in meiner ersten Mitteilung gezeigt habe, regelmässig etwas grösser als der Gehalt an Chlor in Form von HCl, da neben der Salzsäure immer noch Chlor in Form von Chloriden vorhanden ist. Die Menge dieses Chlors, ebenso wie des im Harn während des Hungers ausgeschiedenen ist aber so ge- ring, dass sie neben dem Chlor der Salzsäure des Magensaftes nicht in Betracht kommt und daher vernachlässigt werden kann. Die im [ Versuch 12 mit der HCl des Magensaftes ausgeschiedene Chlormenge war 4,7987 g. Nach Schluss des Versuchs betrug der Gesamtchlor- vorrat im Körper des Tieres also nur noch 27,5 — 4,8 = 22,7 8 — 82,5°/o der Anfangsmenge. Am nächsten Tage fand nun wieder ein Scheinfütterungsversuch (Nr. 13) statt. Dabei frass der Hund das ihm gereichte Fleisch nur sehr unlustig, das einmal verschluckte Fleisch nahm er nicht wieder, frisches Fleisch frass er ohne Gier und viel langsamer als sonst, dagegen soff der Hund gierig Wasser. Die Magensaftsekretion kam nur langsam in Gang, blieb dauernd spärlich und war nach 2!/ı Stunden fast völlig zum Stillstand ge- kommen. Versuch 33. 13. Dezember 1906. | E Stande Menge is Ci = HCl cem %/o | im ganzen %/o | im ganzen 0—!/a 21 0,3212 0,0675 0,3124 0,0656 1/4-—1!/4 140 0,5329 0,7461 0,5183 0,7256 11/a— 21/4 13 | 0,5329 0,4157 | 05183 | 0,4043 Summe ; 90: < vesp Mütter |} 239 | Ost | 12208 | 0500 1,1955 Die Menge und der Prozentgehalt an Salzsäure sind deutlich ı herabgesetzt. In Form von HCl wurden im ganzen 1,195 g Cl ausgeschieden. Es blieben nunmehr in dem Tiere noch 22,7 —1,2 — 21,5 g Cl = 78,2 °/o des ursprünglichen Vorrats. Beiträge zur Physiologie der Verdauung. II. 931 id Da der Hund in diesem Versuch sehr starken Durst gezeigt hatte, so liess ich ihm im Laufe des 13. Dezembers in zwei Por- tionen zusammen 2 Liter destilliertes Wasser in den Magen fliessen. Am nächsten Tage fand wieder ein Scheinfütterungsversuch (Nr. 14) statt. Das Tier hatte diesmal ersichtlich wenig Durst, frass aber wie im vorigen Versuch nur sehr wählerisch und ohne Gier. Der entleerte Magensaft war rötlich-gelb gefärbt. Versuch 14, 14. Dezember 1906. : HCl Cl in HCl Stunde Menge Da ccm Po im ganzen %/o im ganzen 0—1/ı 31,5 0,3358 0,1058 0,3266 0,1029 1/4 11/4 131,5 0,417 | 0,5808 0,4296 9,5649 11a 21a 80,0 | 0,4088 0,3270 | . 0,3976 0,3181 Summe am : 3 Ei \ 243,0 | 0,4171 1,0136 | 0,4057 0,9859 Quantitativ war die Absonderung fast dieselbe wie in dem vor- hergehenden Versuch, dagegen hat Menge und Prozentgehalt der Salzsäure weiter abgenommen. Mit der Salzsäure wurden 0,9859 g Cl ausgeschieden. Der Chlorvorrat betrug nach Schluss des Versuchs also 21,5 — 0,99 — 20,5 g Cl = 74,5 Io des ursprünglichen Chlor- vorrates. Es konnte zweifelhaft erscheinen, inwieweit die beobachteten Veränderungen der Magensaftsekretion auf den Hungerzustand im allgemeinen, inwieweit auf die Chlorverarmung des Körpers zu be- ziehen seien. Ich beschloss daher, den Hungerzustand weiter fort- bestehen zu lassen, die Chlorverarmung durch Chlorzufuhr aufzu- heben. Im Laufe des 14. Dezembers erhielt das Tier zweimal je 1 Liter 1 op ige NaCl-Lösung, zusammen also 20 & NaCl —= 128g Cl in den Magen. Da der gesamte Chlorverlust seit Beginn des Ver- suchs 7 g Cl betrug, so war durch die Chlorzufuhr der Verlust reichlich kompensiert. Rechnet man die eingeführten 12 g Cl ganz dem vorhandenen Vorrat hinzu, so ergäbe sich nunmehr ein Chlor- vorrat von 32,5 & —= 118°/o des Normalwerts. Am folgenden Tage wurde wieder ein Scheinfütterungsversuch gemacht (Nr. 15). Der ‚ Hund hatte nur wenig Durst, frass dagegen besser als früher. Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd. 142. 15 299 R. Rosemann: Versuch 15. 15. Dezember 1906. Stunde Menge HCl Cl in HCl ccm 0/0 im ganzen 0/0 im ganzen 0—!/4 65 0,4289 0,2788 0,4171 o2rıt Ya—1!/4 310 0,5566 1,7254 0,5414 1,6783 11a —21/a 255 0,5475 1,3961 0,5325 | 1,3579 Dla—allı 145 0,5110 0,7410 0,4970 0,7207 Summe - = | er nel \ 775 | 0,5344 4,1413 | 0,5198 4,0280 Die Magensaftsekretion ist trotz des fortbestehenden Hungers ° (4. Hungertag) infolge der Chlorzufuhr sofort wieder zu fast nor- ° malem Verhalten gebessert. Vergleicht man das Resultat des Ver- suchs 15 mit dem des Normalversuchs 12, so ergibt sich eine sehr weitgehende Annäherung an das normale Verhalten, sowohl in der Menge wie in der Zusammensetzung des produzierten Magensaftes. Ich nahm zunächst an, dass die geringen noch vorhandenen Diffe- renzen bei weiterer Chlorzufuhr noch mehr schwinden würden; der Hund erhielt daher am 15. Dezember zweimal je 1 Liter 1 °o ige NaCl-Lösung in den Magen, ebenso am 16. Dezember, im ganzen also 40 & NaCl = 24 g Cl. Am 17. Dezember wurde sodann wieder ein Scheinfütterungsversuch angestellt. Der Hund zeigte dabei einen ' kolossalen Durst, er soff eigentlich fortgesetzt während des ganzen Versuchs. Dagegen zeigte er keinen besonders grossen Hunger. Versuch 16. 17. Dezember 1906. HCI Cl in HC Cl in Asche Stunde Menge 5 : E ccm 0/9 ım 0/g ım 0%, ım ganzen ganzen ganzen 0-34 | 18 | 08285 | 00531 | 05185 | 0805| mn la | 173 | 0,5329 | 0,9219 | 0,5183 | 0,8967 | 0,0970 | 01035 12a | 130 | 0,5847 | 0,6951 | 0,5201 | 0,6761 | 0,1030 | Orlcıs 243% | 80 | 0,5037 | 04030 [0.4899 | 0.3919 | 0.1182 | % Summe ar v na \ 401 | 0,5185 | 2,0791 | 0,5043 | 2,0222 | a E Das Resultat dieses Versuchs ist auffallenderweise wieder er- - heblich schlechter als das des vorhergehenden, besonders die Menge ' des abgesonderten Magensaftes ist stark herabgesetzt. Die über- reichliche Chlorzufuhr dürfte hier einen schädlichen Einfluss aus- geübt haben; vielleicht hat sie eine übermässige Diurese und damit Beiträge zur Physiologie der Verdauung. IH. 293 eine Wasserverarmung des Körpers herbeigeführt, die ja auch durch den starken Durst des Tieres bezeugt wird. Die Versuchsreihe wurde hier abgebrochen und der Hund von jetzt ab wieder in der gewöhnlichen Weise ernährt. Versuehsreihe III. Während ieh in der zweiten Versuchsreihe gleichzeitig mit dem Beeinn des Hungers eine Scheinfütterung vorgenommen und dadurch sofort eine starke Chlorentziehung bewirkt hatte, wollte ich nun- mehr zunächst die Wirkung des Hungers allein auf die Magensaft- sekretion untersuchen; die erste Scheinfütterung sollte daher erst vorgenommen werden, nachdem der Hungerzustand schon eine Zeit- lang bestanden hatte. Der Hund war in der Zwischenzeit in der üblichen Weise ernährt worden, er befand sich in gutem Ernährungs- zustand (Körpergewicht 26 kg) und die letzten Scheinfütterungs- versuche (Versuche Nr. 22—25 meiner ersten Mitteilung) hatten besonders gute Resultate ergeben; ich gebe hier zum Vergleich das Resultat des letzten Versuchs. Versuch 25. 23. Februar 1907. Körpergewicht: 26400 g. ElAn-Hel HCl Gesamt Cl Stunde Menge B ; : Aa 0/0 Eur C/o nn 0/0 = ccm ganzen ganzen ganzen 0 38 | 0.3838 0,1457 | 0,3728 | 0,1417 | 0,6060 | 0,9303 | 0,604 1 114 | 365 | 0.5822 | 2.1950 | 0,5662 | 2.0666 | 0,6494 | 23448 | 0,643 14 214 | 235 | 0,5749 | 1,3510 | 0.5591 | 1.3139 | 0,6424 | 1,5097 | 0,641 9,31, | 144 | 0,5603 | 0.8068 | 0.5449 | 0,7847 | 0.6302 | 0.9075 | 0,628 Summe , Era. ) b Me ice \ 782 | 0:5663 4,4285 | 0,5508 | 4,3069 | 0,6384 4,9923 | 0,638 > Die letzte Fütterung fand am 25. Februar 1907 statt, von da an hungerte das Tier bis zum 11. März, nach Schluss des an diesem Tage angestellten Scheinfütterungsversuchs erhielt dann der Hund die erste Nahrung (500 cem warme Milch) und würde weiterhin wieder ausreichend ernährt. Während des Hungerns wurde dem Hunde jedoch, da er starken Durst zeigte, am 26. Februar, 1., 6., 7. März je 500 eem warmes Wasserleitungswasser in den Magen gegossen, am 8. März 1000 ccm, ‚ am 9. März 500 ecem und am 10. März wieder 1000 eem einer ‚ 1°oigen NaCl-Lösung. Jeden Vormittag wurde die Blase katheteri- ‚ siert und aussespült, der Harn auf N nach Kjeldahl und auf Cl 155 224 R. Rosemann: nach Volhard (nach voraufgehender Behandlung nach Gruber) untersucht. Die folgende Tabelle gibt eine Übersicht über die ge- fundenen Werte. Körper- Harn Datum gewicht Nahrung g N Cl 23. Febr. 26 400 — _ Normal 24. 1, — — — Normal 20. 0, — = u Normal 26:55 — 5,4250 0,0246 500 cem Wasser DU N 25 950 2,6166 0,0369 _ ee 25 060 1,3475 0,0031 = 1. März — 4,4380 0,0738 500 ccm Wasser x 24 320 2,7160 0,0431 — Hg 23 850 1,5225 0,0246 == A, 23 450 5,0505 0,1476 — De, 23 000 5,4390 0,0738 — 6:0 22 500 5,3270 0,0954 500 cem Wasser Ach 22 590 8,6205 0,0738 500 cem Wasser 8.0, 21 870 6,4435 0,0738 1000 cem 1%oige NaCl-Lösung | 9 22 120 9,3130 0,1722 500 cem 1%oige NaCl-Lösung 10.0.5, 21 540 4,2000 0,1968 1000 cem 1°/oige NaÜl-Lösung ee 22 120 6,9160 0,2706 1000 cem Milch an 21 620 8,5190 5,1660 | 250 g Fleisch, 1500 ccm Milch Sowohl die N- wie die Cl-Ausscheidung zeigen auffallende Schwankungen, für die ich einen zureichenden Grund nieht angeben | kann. Es erweckt den Anschein, als ob die Zuiuhr von Wasser in den Magen jedesmal eine derartige Steigerung der N- und Cl-Aus- scheidung herbeigeführt habe; doch ist am 4. und 5. März, wo die N- und Cl-Ausscheidung ebenfalls recht hoch war, keine Wasser- zufuhr im Protokoll vermerkt. Vielleicht ist an diesen Tagen ver- gessen worden, die Wasserzufuhr zu notieren, was immerhin des- wegen möglich wäre, weil eine derartige Wirkung der Wasserzufuhr bei der Ausführung des Versuchs nicht vermutet, diese vielmehr als indifferent angesehen wurde. Am 7. März, also am zehnten Hungertage, wurde ein Schein- fütterungsversuch angestellt. Das Körpergewicht war von 26 kg auf | 22,6 kg — 87 °/o des Anfangswertes gesunken. Der Chlorverlust durch | den Harn betrug im ganzen nur 0,53 g; dem Anfangsgewicht von 1 26 kg würde ein Chlorvorrat von 29,12 & entsprechen, der durch |ı den Chlorverlust iin Harn nunmehr auf 28,59 g —= 98,2%, des an- ı fänglichen Chlorvorrates erniedrigt worden war. Der Hund hatte mithin am 7. März bei einem Körpergewicht von 22,6 kg einen Gesamtchlorgehalt von 28,59 & = 0,127 °/o; der prozentische Chlor- Beiträge zur Physiologie der Verdauung. II. 2935 [e] gehalt war also sogar noch grösser als bei Beginn der Versuchsreihe. Der Hund soff bei dem Versuche gierig, frass aber auch gut. Für die Untersuchung wurde Magensaft 0—!/ı mit dem Magensafte 21/a—31/a vereinigt, ebenso Magensaft Y/«—1!/a mit dem Magensafte 11/21. Versuch 26. 7. März 1907. Körpergewicht: 22590 g. HCl Cl in HCl Gesamt-Cl Stunde | Menge 3 - 0/0 In 0/o Ber 0/0 a ccm ganzen ganzen ganzen — 2 ne 10,453 0,4319 Ya—li/s | 212 f aus | 108 [195439 | 1,7405 nean Mitte |} 417 | 0,5210 | 2,1724 | 0,5067 | 2,1129 | 0,6314 | 2,6328 0,4331 0,4201 0,6151 0,5966 0,5290 | 1,6928 0,6363 2,0362 Die Menge des Magensaftes ist deutlich herabgesetzt; der pro- zentische Gehalt an Salzsäure dagegen nur wenig verringert, der Ge- halt an Gesamtchlor fast ganz unverändert. Nach Schluss des Ver- suchs erhielt der Hund 500 cem Wasserleitungswasser in den Magen, aber keine Nahrung. Am nächsten Tage wurde wieder ein Schein- fütterungsversuch gemacht. Bei dem Versuch 26 waren im ganzen 2,63 & Cl entleert worden, im Harn dieses Tages 0,07 g Cl, zu- sammen also 2,70 & Cl. Der Gesamtehlorvorrat des Tieres sank dadurch von 28,59 & auf 25,389 g — 88,9 °/o des anfänglichen Chlor- vorrates, bei einem Körpergewicht von 21870 g also 0,118 °/o, noch immer etwas mehr als der normale prozentische Chlorgehalt. Bei dem Scheinfütterungsversuch (Nr. 27) soff der Hund gierig Wasser, war aber nicht dazu zu bringen, feste Nahrung aufzunehmen; rohes, gekochtes Fleisch, Brot, warme Bouillon wurden verweigert. Bei der Eröffnung des Magens flossen aus demselben 70 eem rein blutig- roter, etwas kotig riechender Flüssigkeit; im Verlauf von °/s Stunde wurden noch 17 ccm Flüssigkeit von gleicher Beschaffenheit entleert. Beide Flüssigkeiten erwiesen sich bei spektroskopischer Untersuchung als O-Hb-haltige. Der Versuch wurde abgebrochen. Als am Nach- mittage des Versuchstages der Magen eröffnet wurde, flossen wieder- um 67 ccm rötlich-gelb gefärbte, kotig riechende Flüssigkeit ab; im Spektralapparat war aber Hämoglobin nicht mehr deutlich nachweis- bar. Die drei Flüssigkeiten, zusammen 154 cem, wurden vereinigt untersucht; der Chlorgehalt betrug 0,5212 %/o — 0,8026 g Cl im ganzen. 226 R. Rosemann: Es war also durch die Chlorentziehung eine schwere Schädigung des Magens bis zum Blutaustritt herbeigeführt worden; die Magen- saftabsonderung war nicht mehr in Gang zu bringen. Ich liess nun- mehr 500 cem 1 °/oige NaCl-Lösung, auf 40° angewärmt, in den Magen einfliessen; als dies ohne weiteres vertragen wurde, erhielt der Hund nach 1!/s Stunde nochmals dieselbe Menge; im ganzen wurden damit 10 g NaCl = 6,07 g Cl eingeführt. Der Chlorverlust in Versuch 27 hatte 0,30 g betragen, dazu kamen noch 0,07 g Cl, die während dieses Tages im Harn ausgeschieden wurden, zusammen 0,87 g. Der Chlorgehalt vor Versuch 27 betrug 25,59 g; er sank durch den Verlust auf 25,02 @ und stieg durch die eingeführte Kochsalzlösung auf 25,02 + 6,07 = 31,09 g, also sogar über den Anfangswert von 29,12 g — 106,8 '/o dieses Wertes. Bezogen auf das Körpergewicht, das jetzt 22120 g betrug, war der pro- zentische Chlorgehalt des Tieres — 0,141 Jo. Bei der am folgen- den Tage vorgenommenen Scheinfütterung soff der Hund gierig, frass aber auch wieder ganz gut. Der abgesonderte Magensaft war während des ganzen Versuchs mit Galle vermischt. Versuch 28. 9. März 1907. Körpergewicht: 22120 g. HCl Cl in HCl Gesamt -C] Stunde Menge ; 3 5 ccm ganzen ganzen | ganzen 0a 41 Me u a De | . se IE 0,4125 0,7260 0,4012 0,7061 | 0,5757 1,0132 a—21lla 116 au 5 $ E | la—Zl/a | 57 \ 0,3577 0,6183 0,3479 0,6019 0,5757 0,9960 Summe 30 | resp. (349 von 0,3853 1,3448 0,3748 1,3080 | 0,5757 | 2,0092 Mittel | 1.—3) Die sekretorische Tätigkeit des Magens hat sich sofort merklich ı gebessert; die Menge des abgesonderten Magensaftes ist fast ebenso ) gross wie in Versuch 26, der HCI-Gehalt ist allerdings noch geringer, aber der Gesamtchlorgehalt nähert sich dem Werte in Versuch 26. \ Die gesamte mit dem Magensaft ausgeschiedene Chlormenge ist | 2,01 g Cl; im Harn dieses Tages wurden 0,17 & C] ausgeschieden, \ deutlich mehr als an den vorhergehenden T'agen, aber doch recht wenig, wenn man die starke Chlorzufuhr bedenkt, ein deutliches Zeichen für die bestehende Chlorverarmung und das Bestreben des Beiträge zur Physiologie der Verdauung. II. DD, Körpers, seinen Chlorvorrat wieder auf die Norm zu bringen. Am Nachmittage des 9. März erhielt der Hund 500 eem, am Vor- und Nachmittage des 10. März je 500 cem 1/oige NaCl-Lösung, im sanzen also 15 g NaCl — 9,10 g Cl. Trotz dieser starken Chlor- zufuhr betrug die Chlorausscheidung durch den Harn doch nur 0,20 g Cl. Im ganzen waren die Chlorverluste von der letzten Scheinfütterung an 2,01 + 0,17 +0,20 — 2,38 g Cl, der Gesamt- chlorvorrat sank dadurch auf 31,09 — 2,38 — 28,71 g. Dazu kamen die 9,10 g Cl in der zugeführten NaCl-Lösung — 37,81 g Cl. Das Tier enthielt jetzt ganz erheblich mehr Chlor als am Anfang des ganzen Versuchs, nämlich 129,8 °/o des Anfangswertes, oder auf das Körpergewicht von 22120 g bezogen: 0,171 °o. Am 11. März wurde dann wieder ein Scheinfütterungsversuch gemacht. Versuch 29. 11. März 1907. Körpergewicht: 22120 g. M .HC1 Cl in HCl Gesamt -Cl enge - Stunde 0 im ty im UA im g ganzen ganzen ganzen 0—!/ı 40 — E= _ — — Ya—-11/a 186 0,4088 0,7604 0,3976 0,7395 | 0,5666 | 1,0539 11/a—21/a 142 0,4161 0,5909 0,4047 0,5747 | 0,5727 |, 0,8132 2la—3!la 114 0,4088 0,4660 0,3976 | 0,4533 | 2,5787 | 0,6597 Summe 482 resp. (442 von | 7. 0,4112 1,8173 0,3999 1,7675 | 0,5717 | 2,5268 Mittel la— 34) i Die sekretorische Tätigkeit hat sich weiter gebessert; die Menge des abgesonderten Magensaftes ist gestiegen und übertrifft bereits die Menge im Versuch 26. Bedenkt man, dass das Tier jetzt 14 Tage lang gehungert hatte, so darf man dieses Resultat wohl als eine recht gute Leistung betrachten. Der Gesamtchlorgehalt ist derselbe wie im vorhergehenden Versuch, der Gehalt an HCl etwas gestiegen, aber doch noch immer unter der Norm. Der Versuch wurde jetzt abgebrochen. Gleich nach Schluss des Scheinfütterungsversuchs 29 erhielt das Tier 500 eem warme Milch in den Magen, ebensoviel am Nachmittage, am nächsten Tage 250 & Fleisch und 1!/ Liter Milch und weiterhin die gewöhnliche Nahrung. Die Chlorausscheidung im Harn war am 11. März noch immer ziem- lich niedrig: 0,27 g, stieg dann aber plötzlich am 12. März auf die gewaltige Höhe von 5,17 8. 228 R. Rosemann: Zusammenfassung, Ich gebe hier zunächst eine tabellarische Übersicht (s. 8. 229) der wesentlichsten Ergebnisse der drei Versuchsreihen. Die Magensaftabsonderung wird beeinflusst: 1. von dem all- gemeinen Frnähruneszustande des Tieres, 2. von dem Chlorvorrate des Körpers. Dass der Ernährungszustand des Tieres die Menge der Absonderung beeinflusst, habe ich schon in meiner ersten Mit- teilung (S. 473) gezeigt; bei hohem Körpergewicht des Tieres hatte ich fast regelmässig eine sehr lebhafte Saftproduktion, bei Abnahme des Körpergewichts sinkt auch die Saftmenge. Dem entspricht durch- aus das Verhalten beim Hunger. In den hier zum Vergleich heran- gezogenen Versuchen betrug bei gutem Ernährungszustand des Tieres die mittlere stündliche Saftmenge sehr konstant 240—260 eem; in dem reinen Hungerversuch (Versuchsreihe IID), der nicht durch gleichzeitige Chlorentziehung kompliziert war, betrug sie am zehnten Hungertage nur noch 128, etwa die Hälfte des Normalwertes. Ähn- lich niedrige Werte habe ich stets beobachtet, wenn das Körper- gewicht des Tieres, das bei reichlicher Ernährung über 27 kg be- trug, durch unzureichende Nahruugszufuhr auf 21—23 kg gesunken war (vgl. erste Mitteilung S. 475). Man muss dabei im Auge behalten, dass der auslösende Reiz bei einem unterernährten resp. im Hunger- zustande befindlichen Tiere doch gewiss besonders stark sein wird; das Tier wird die Nahrung mit grösserer Gier verschlingen, wenn es vorher tagelang gehungert hat, als bei vorhergender reichlicher Ernährung. Wenn gleichwohl die Sekretionsenergie so stark herab- gesetzt ist, so müssen offenbar die Bedingungen für die Tätigkeit der sezernierenden Zellen selbst daran schuld sein. Um eine Ver- ringerung des Chlorvorrates handelt es sich dabei nicht; denn der Hungerzustand an sich führt nur eine sehr geringfügige Abnahme des Chlorvorrates des Körpers herbei, da ja die Chlorausscheidung im Harn bald sehr gering wird. Der prozentische Gehalt des Körpers an Chlor kann sogar im Hunger grösser sein als in der Norm; er betrug im Versuch 26 am zehnten Hungertage 0,127 °/o statt des normalen Wertes 0,112°/o. Der Körper schmilzt eben beim Hunger hauptsächlieh organisierte Körpersubstanz ein, die chlorfrei oder wenigstens chlorarm ist, und behält die chlorreichen Körperflüssigkeiten zurück. Infolge dessen kann auch nicht etwa von einer Wasserver- armung des Körpers während des Hungers die Rede sein. Reiehliche Beiträge zur Physiologie der Verdauung. II. (08% 8 194) 3 089 7Z U0A IydIma3redıoyy us IsI I89[88 apunıanz Sunuydedog Aal (£ sap Aadıoyy wop sn HseIsyanszoA WEp uw OP NONSISSN)T WI9 FGI UoJWes95 9ıp ne yaIs uoy9Tzag ualyez osaIg (Z ur Jyoru AoIy JUWoy Ho M UOPIOA OP ZUAAOFFLT 98ULISd Ip !NIUNJOSne So) wouapaIgosodsne [IH WOA ULOT ur sop Hduswywesan) Ip A]TIqnYy dosoIp ur opınMm °IsT UHPIOM Jwwumsoq FydLu SoJFesuase] SOp EeyESALOTySNWESIH Aop uaUuop ur “uaype,g uosıualuop uf (J zunguziorgg Bupoäund TI | g‘6g1 ro | re | ca | zIrdo | 66680 | ZIL7.0 | sp | 85 | ne | 02188 Zurgntziog ser äunn oT | 8:90] 1710 | VIE | 08 | ze2Eo I erzgo | gsse‘o | 0z1 068 | TE | 081% Teresunn IT) 688 sıro. | 68°%8 |«80 (eaizco | — le 82 LL Ye | 01817 SartssunH so iso al. 665 9% a ale9.0. 1.9080 | 0T3E°0 | 881 Lu | FE | 06438 SU RITLELEON 00° | 8Iro | 2467 0° | F8g9%0 I 80 aufgetragen. Die beobachteten Werte von — sind mit Kreuzen ı bezeichnet. Die ausgezogene Linie ist die gleichschenklige Hyperbel, für welche die Koordinatenachsen als Assymptoten dienen. Studien über das Weber-Fechner’sche Gesetz. 239 Aus Fig. 3 ersieht man, dass von einer sehr kleinen Grösse des Gesichtsfeldes bis zu einem Feld von 26° [d?—= 0,16] die Be- » 4 ziehung = und d2 =] sehr gut durch eine Hyperbel dar- stellbar ist. Die gewonnenen Resultate gestatten eine sehr einfache physio- logische Erklärung. Nehmen wir an, wie Helmholtz.) es tat, und wie es von König und Brodhun?) bestätist wurde, dass bei einer Lichtempfindung der Empfindungszuwachs dE nicht nur von objektivem Licht r, sondern auch von dem sogenannten Eigen- lieht der Netzhaut « bedingt ist. Ist die Grösse der Oberfläche der Netzhaut, wo das Eigenlicht den Wert zwischen &@ und & + de hat, o(e)de, so muss nach Helmholtz?) der Empfindungszuwachs folgenden Ausdruck haben: [27 (a) da ua FOR ......Q Die Formel (I) stellt niehts anderes dar, als dass die Wirkungen der einzelnen Teile der Netzhaut summierbar sind. Die Grenzen ' oO und a zeigen, dass das Eigenlicht in den beleuchteten Stellen der ' Netzhaut von o bis a varriieren kann. Wenn r gross genug im | Zergleich zu « ist, so unterscheidet sich die Formel (I) nicht von dem Ausdruck [4 BEE (glei. ..... Y 0 [4 Wie ersichtlich ist, muss das Integral N p(a) de die Summe aller Oberflächen, welche von aussen beleuchtet sind, darstellen. Das obengenannte Integral ist deshalb gleich &. | Der eben merkliche Empfindungszuwachs dE hat, nach Fechner, immer eine konstante Grösse, weshalb es klar ist, dass zwischen $ und < sobald die Summation der einzelnen Reize stattfindet, ) | 1) H. v. Helmholtz, Wissensch. Abhandlungen Bd.3 8.392. Leipzig 1895. BON A-König,]. c. 3) H. v. Helmholtz, 1. c. S. 396. : 16 * 240 P. Lasareff: Studien über das Weber-Fechner’sche Gesetz. eine hyperbolische Beziehung vorhanden sein muss (d.E — Konst.). Die Abweichungen müssen bei ganz kleinen Feldern, welche mit dem Durchmesser der Stäbehen kommensurabel sind, oder, wie Ver- suche gezeigt haben, bei grossen Feldern (grösser als 40’), wo die Summation der Reize aufhört, beobachtet werden. Bemerkenswert erscheint, dass die Feldgrösse, bei weleher die Summation noch stattfindet, der Grössenordnung nach dem Durchmesser der Fovea centralis der Netzhaut gleich ist. 241 (Aus der Universitäts-Augenklinik zu: Königsberg.) Zur Lokalisation einiger Vorgänge in der Sehsinnsubstanz. Von Prof. Dr. A. Brückner, Oberarzt der Klinik. Die letzten Jahrzehnte haben uns ein reiches Material an Be- obachtungstatsachen auf physiologisch - optischem Gebiete gebracht. Die theoretische Forschung ist bestrebt gewesen, es unter einheit- liche Gesichtspunkte zu ordnen und uns die Natur der Prozesse, die den Empfindungen parallel gehen, anschaulich zu machen. In letzterer Hinsicht hat vor allem die Hering’sche Gegenfarben- theorie Aufklärung zu bringen gesucht. Sie stützt sich auf die Gegensätzlichkeit, die sich an den Farbenempfindungen zeigt, vor allem aber auf die Erscheinungen antagonistischer Art bei der von Hering sogenannten lokalen Umstimmung des Auges, insbesondere auf die Kontrasterscheinungen und die Nachbildee. Hering nimmt in der Sehsinnsubstanz bekanntlich antagonistische Vorgänge an, die er mit den Namen Dissimilation und Assimilation bezeichnet hat. ‚ Über den Ort, an dem sich diese Vorgänge in der Sehsinnsubstanz | abspielen, hat Hering sich freilich nie geäussert. Er hat sich viel- "mehr immer wieder dagegen verwahrt, dass er in dieser Hinsicht eine \ bestimmte Angabe machen wolle; er habe stets nur von der Sehsinn- ‚substanz im allgemeinen gesprochen und.immer hervorgehoben, dass ‚wenn er z. B. von einer Wechselwirkung der Netzhautstellen spräche, ‚er damit durchaus nicht ohne weiteres die anatomische Netzhaut meine; er habe diesen Ausdruck stets nur der Kürze halber gewählt. | Auch von anderer Seite sind Angaben über den Ort, an den ‚wir bestimmte Prozesse in der Sehsinnsubstanz etwa verlegen sollten, ‚kaum gemacht worden. Meist ist, sofern diese Frage überhaupt gestreift wurde, hierbei an die Retina gedacht worden !). Es fragt 1) Exner, Studien auf dem Grenzgebiete des lokalisierten Sehens. Pflüger’s Arch. Bd. 73. 242 A. Brückner: sich nun, ob wir auf Grund der bisher bekannten Tatsachen be- rechtigt sind, über diese reservierte Stellung hinsichtlich der Lokali- sation der Vorgänge in der Sehsinnsubstanz hinauszugehen. Diese Frage dürfte zu bejahen sein. Die Berechtigung zu dieser Antwort lässt sich aus den Er- - scheinungen ableiten, welche unter bestimmten Bedingungen am linden Fl ecke wahrzunehmen sind. Der blinde Fleck im Gesichts- felde beruht ja darauf, dass die Sehnerveneintrittstelle für Licht un- empfindlich ist. Wenn es gleichwohl möglich ist, den blinden Fleck wahrzunehmen, so kann diese Sichtbarkeit nur durch nervöse Ele- mente vermittelt werden, welche nicht im peripheren Neuron, d.h. in | der Retina liegen: in der Retina sind ja an der Stelle des blinden ı Fleckes keine empfindlichen Elemente vorhanden. Bereits von früheren ı Forschern [Meissner, Charpentier, Zehender, Tschermakd)] ist konstatiert worden, dass man den blinden Fleck gelegentlich auf ı homogener Fläche als dunkle Scheibe sehen könne. Ich habe dieser ' Frage in den letzten Jahren meine Aufmerksamkeit zugewendet ! und bin dabei zu Ergebnissen gekommen, die anderen Orts?!) ge- nauer beschrieben worden sind und deshalb hier nur kurz referiert | werden sollen. Der blinde Fleck erscheint auf einer gleichmässig gefärbten Fläche im allgemeinen stets in der Gegen- oder Komplementärfarbe, d.h. er erscheint auf weissem Grunde grau bis schwarz, auf schwarzem Grunde unter gewissen Bedingungen hell. Wenn ein farbiger Grund verwendet wird, so ist der blinde Fleck als gegenfarbige Scheibe zu sehen, die freilich ausserordentlich schnell verschwindet. Auch auf Schwarz oder Weiss bleibt er immer nur wenige Sekunden lang sichtbar. Die genauere Verfolgung der Erscheinungen am blinden ı mer: Flecke lehrt nun, dass an den Rändern der Scheibe Randkontrast- | erscheinungen auftreten, und zwar in der gleichen Weise, wie wir sie z. B. an einer schwarzen Scheibe, die von einem helleren Felde umschlossen ist, wahrnehmen, d. h. der Rand der dunklen Scheibe, der noch in den blinden Bezirk fällt, erscheint tiefschwarz, das um-ı gebende hellere Feld dagegen am Randsaume leuchtend hell. Diei Beobachtung wird wesentlich erleichtert, wenn man den Ort, auf! den die Aufmerksamkeit sich zu richten hat, dadurch angibt, dass‘ 1) Zit. bei Brückner, Über die Sichtbarkeit des. blinden Fleckes. Pflüger’s Arch. Bd. 136. Zur Lokalisation einiger Vorgänge in der Sehsinnsubstanz. 243 man eine Grenzlinie durch das Gebiet des blinden Fleekes hindurch- gehen lässt. Hier zeigt sich fast ausnahmslos, dass das mehr zentral bzw. foveal abgebildete Feld bestimmend ist für die Art der Aus- füllung des Gebietes des blinden Fleckes (vgl. die Abbildungen 3 u. 4 in der zitierten Arbeit). Die Randkontrasterscheinungen sind hier besonders schön wahrzunehmen: die Mitte des blinden Fleckes er- scheint weniger intensiv gefärbt wie die Randteile, die besonders ‚deutlich gegen die Umgebung kontrastieren !). Der blinde Fleck kann nun bei entsprechender Versuchsanordnung auch im Nachbilde sichtbar werden. Die Nachbilderscheinungen zeigen hier prinzipiell genau den gleichen Verlauf, wie wir ihn auf sehenden Netzhautstellen haben, d. h. ist der blinde Fleck im Vorbilde dunkel auf hellem Grunde erschienen, so erscheint er im negativen Nach- bilde hell auf dunklem Grunde. Hieran kann sich dann als weitere Phase des Nachbildverlaufes wieder eine dunkle Scheibe auf hellem Grunde zeigen, die mitunter mehrere Sekunden lang sichtbar bleibt. Im allgemeinen sind die Erscheinungen am blinden Flecke ausser- ordentlich flüchtiger Natur. Wenn die Beobachtung länger als 10 bis 20 Sekunden fortgesetzt wird, so erscheint auch ein weisses Feld vollständig homogen, von dem blinden Flecke ist nichts mehr wahr- zunehmen. Auf farbigem Felde dauert die Sichtbarkeit noch erheblich kürzere Zeit. Zu welchen Schlüssen berechtigen uns diese Beobachtungs- tatsachen? Zunächst dürfte es keinem Zweifel unterliegen, dass die Siehtbarkeit des blinden Fleckes lediglich auf einer Kontrastwirkung beruht, die seitens der Umgebung ausgelöst wird. Es wird also der blinde Fleck nur durch eine primäre Erregung seiner Umgebung sichtbar. Man könnte ja einwenden, dass in dem Fall, wo der blinde Fleck dunkel auf hellem Grunde erscheint, sich das Dunkel der korrespondierenden Stelle des anderen geschlossenen Auges im Gesichtsfelde bemerkbar mache. Diese Auffassung muss aber zurück- gewiesen werden angesichts der tatsächlich vorhandenen Abhängigkeit der Färbung des blinden Fleckes von der Farbe des umgebenden Feldes, welches von dem gleichen Auge wahrgenommen wird. Ist aber der blinde Fleck infolge von Kontrast sichtbar, so haben wir damit die Möglichkeit auszuschliessen, dass der Kontrast im 1) Hinsichtlich der Frage einer gleichsinnigen Irradiation der Erregung in das Gebiet des blindes Fleckes hinein sei auf die Ausführungen, 1. c., verwiesen. 244 A. Brückner: peripheren Organ, in der Retina, zustande kommt. Diesen Schluss hat schon Tsehermak!) gezogen. In gleichem Sinne sind die vereinzelt beobachteten Kontrasterscheinungen an Skotomen zu ver- werten, welche durch foveale Herde in der Netzhaut bedinet sind. So erwähnt Wundt?) dass er im Bereich des Skotoms die Kontrast- farbe wahrnehmen könne. Es fragt sich nun, an welche Stelle der Sehbahn können wir mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit die Vorgänge lokali- sieren, welche den Kontrasterscheinungen, d. h. im allgemeinen der Wechselwirkung benachbarter Sehfeldstellen zugrunde liegen. Zu diesem Zwecke müssen wir uns kurz die anatomischen Verhältnisse der Sehbahn ?) vergegenwärtigen. Die Sehnervenfasern erfahren im Chiasma eine Teilung in der Weise, dass die Elemente, welche die nasalen Netzhauthälften versorgen, sich durchkreuzen, während diejenigen der temporalen Hälfte ungekreuzt in den gleich- seitigen Traetus optieus eintreten. Im rechten Traetus optieus ver- laufen also diejenigen Sehnervenfasern, welche die beiden rechten Netzhauthälften versorgen und umgekehrt. Wahrscheinlich liegen bereits hier die von korrespondierenden Stellen beider Netzhäute stammenden Nervenfasern räumlich nebeneinander, jedenfalls aber wohl in der ersten Umschaltestelle, im Corpus genieulatum externum®). Die hier zur Aufsplitterung gelangenden Nervenfasern treten an dieser Stelle in Beziehung zu Ganglienzellen, von denen die sekundäre Sehbahn ihren Ursprung nimmt und in der Gratiolet’schen Seh- strahlung nach der Oceipitalrinde verläuft. Hier verteilen sich die Fasern im Bereich und in der Umgebung der Fissura calearina, welche als die eigentliche Sehsphäre anzusprechen ist. Die Be- deutung derselben haben wir wohl lediglich darin zu erblicken, dass sie eine Umschaltestelle darstellt, von der aus weitere Bahnen ab- gehen, deren Verlauf aber noch nicht genauer bekannt ist. Ihre Integrität ist zu einem normalen Funktionieren des Sehorgans er- forderlich (vgl. Lenz, 1. e.). 1) Über Kontrast und Irradiation. Ergebn. d. Physiol. Jahrg. 2 Abt.2 S. 796. 2) Physiol. Psychologie, 5. Aufl., Bd. 2 S. 259 Anm. 3) Dieser Ausdruck möge der Kürze halber gewählt sein. Hierunter sollen nicht nur die Faserbahnen, sondern auch die optischen Zentren (Corpus genicu- latum externum und Sehrinde) verstanden sein. 4) Vgl. Lenz, Zur Pathologie der cerebralen Sehbahn usw. v. Gräfe’s Arch. Bd. 72 8. 91. Zur Lokalisation einiger Vorgänge in der Sehsinnsubstanz. 245 Wir müssen nun annehmen, dass jedenfalls in der Sehstrahlung und wohl auch schou im Corpus genieulatum externum eine derartige Anordnung der nervösen Elemente stattfindet, dass von einer Pro- jektion der Retina auf diese Gegend gesprochen werden kann. Aller Wahrscheinlichkeit nach ist diese Projektion, d. h. die korre- spondierende räumliche Anordnung der einzelnen Nervenelemente auch in der Rinde der Fissura calearina und ihrer Umgebung ge- geben !). Weiter ist anzunehmen, dass sich die Nervenelemente, welche den korrespondierenden Stellen in beiden Netzhäuten entsprechen, räumlich eng aneinanderlagern, so dass eine umschriebene Läsion einzelner nervöser Elemente in den zentralen Teilen der Sehbahn auch gleichmässige Gesichtsfelddefekte in beiden Augen hervor- ruft (Wilbrand, zit. bei Lenz, ]. ec... Am bekanntesten ist ja die gleichseitige Hemianopsie, welche auftritt, wenn die Sehbahn der einen Seite im Tractus oder weiter aufwärts (bis zur Sehrinde) zerstört ist. Wenn wir für die Lokalisation der vorhin erwähnten physiologisch- optischen Erscheinungen Schlüsse ziehen wollen, so haben wir uns daran zu erinnern, dass die wechselseitige Beeinflussung der Sehfeld- stellen beim Kontrast sich vor allen Dingen in der unmittelbaren Nachbarschaft zweier aneinandererenzender, verschieden gefärbter Felder, eben als Randkontrast, bemerkbar macht. Die dem Kontrast zugrunde liegenden Vorgänge können, wie die Beobachtungstatsachen am blinden Flecke beweisen, sich nicht im peripheren Organ voll- ziehen. Die Wechselwirkung zwischen nervösen Elementen kann sich, wenn wir auf dem Boden der Neuronentheorie stehen, ledig- lich zwischen Ganglienzellen abspielen. Auch wenn wir uns auf den Standpunkt der Fibrillenlehre stellen, werden wir kaum geneigt sein, den nervösen Fasern während ihres Verlaufes zwischen den „Zentren“ eine derartige Wechselwirkung zuzuschreiben. Den Ort für die Wechselwirkung dürfen wir deshalb nur in Gebieten von Ganelienzellen suchen. Vorläufig kommen hierfür also das Corpus genieulatum externum oder die Sehrinde in Betracht, da wir über den Verlauf der von der Sehrinde in höhere Zentren sich begebenden Fasern noch nichts Näheres wissen. Auch sind wir einstweilen nur berechtigt, eine Projektion der Retina im Corpus geniculatum ex- ternum bzw. in der Sehrinde anzunehmen. Die klinischen Tatsachen 1) Vgl. hierzu die Ausführungen von Lenz, l.c. 246 A. Brückner: haben eine derartige räumliche Anordnung der Nervenfasern und der korrespondierenden Ganglienzellen höchst wahrscheinlich gemacht (s. 0.). Die Erscheinungen des Kontrastes, welche sich am aus- gesprochensten zwischen unmittelbar benachbarten Stellen des Seh- feldes vollziehen, deuten ebenfalls auf eine nachbarschaftliche räum- liche Anordnung der zentralen Vertreter der Netzhautelemente. Wenn wir nämlich eine Ausbreitung der Erregung in den zentralen Abschnitten, also im Corpus genieulatum externum oder in der Seh- rinde, annehmen, so ist es wohl das Nächstliegendste, dass hier die räumliche Nachbarschaft betroffen wird. Natürlich könnte auch durch Vermittelung von Bahnen, die nach entfernteren Stellen ver- laufen, eine Irradiation der Erregung und damit eine zentrale „Wechselwirkung der Netzhautstellen“ stattfinden. Immerhin er- scheint die erste Annahme uugleich wahrscheinlicher. Wir haben hier also eine gegenseitige Unterstützung der physiologischen und der klinischen Beobachtungen. Auf Grund der physiologisch -optischen Tatsachen darf man also annehmen, dass von der Erregung in einer Ganglienzellgruppe ein Vorgang in der Nachbarschaft ausgelöst wird, welcher entgegen- gesetzte Verlaufsrichtung wie die primär ausgelöste Erregung besitzt. Wir haben also wahrscheinlich in dem Corpus genieulatum externum oder in der Sehrinde den Antagonismus zwischen benachbarten Netzhautstellen zu suchen. Eine Entscheidung darüber zu treffen, in welchem von diesen beiden Orten die den Kontrastvorgängen zugrunde liegenden nervösen Prozesse sich abspielen, ob im Corpus geniculatum oder in der Sehrinde, ist vorerst unmöglich. Wenn wir noch im speziellen die Kontrasterscheinungen am blinden Flecke erklären wollen, so müssen wir wohl annehmen, dass sie durch eine Erregung derjenigen Zellgruppe zustande kommen, welche die zentrale Vertretung der korrespondierenden „sehenden“ Netzhautstellen des anderen Auges bilden. Es wird also möglicher- weise die Zahl der vertretenden Elemente hier eine geringere sein als bei den binokular vorhandenen sehenden Netzhautstellen. Fehlt doch eben, während sonst sich stets zwei Fasern aus jeder Netzhaut aneinanderlagern, in diesem Bezirk die eine Faser. Wir dürfen deshalb wohl annehmen, dass dieser Bezirk eine gewisse funktionelle Minderwertigkeit besitzen wird. Dem würde entsprechen, dass die am blinden Flecke sichtbaren Erscheinungen nur wenig eindringlich und sehr flüchtig sind: die geringere Zahl der vertretenden Nerven- Zur Lokalisation einiger Vorgänge in der Sehsinnsubstanz. 247 elemente würde ein geringeres „Gewicht“ (Hering) der diesem Bezirke entsprechenden Empfindungen bedingen. Eine Stütze für diese Anschauung würde sich vielleicht dadurch gewinnen lassen, dass man messende Kontrastversuche in den übrigen nur monokular vertretenen Teilen des Gesichtsfeldes anstellen würde, d. h. in denjenigen Teilen, welche den weit nasal gelegenen Netzhaut- stellen entsprechen. Derartige Untersuchungen liegen aber noch nicht vor. Wenn wir die Vorgänge, welche dem Kontrast, also der ant- agonistischen Wechselwirkung benachbarter Netzhautstellen, zu- grunde liegen, mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit lokalisieren können, so kommen wir in dieser Hinsicht bei den Nachbild- erscheinungen zunächst nicht so weit. Der Nachbildverlauf muss auf Vorgängen beruhen, die sich zeitlich nacheinander in denselben Teilen der Sehsinnsubstanz abspielen, und zwar dürfen wir wohl mit Hering, entsprechend den physiologisch- optischen Tatsachen, auch hier einen antagonistischen Vorgang supponieren. Am blinden Flecke lässt sich nun ein Nachbildverlauf konstatieren, der, wie erwähnt, prinzipiell mit demjenigen an sehenden Netzhautstellen übereinstimmt. Bei der vollständigen Gleichzeitig- keit und dem Antagonismus des Auf und Ab der Empfindungen am blinden Flecke und an seiner Umgebung könnte nun sehr wohl zu- nächst nur ein sukzessiv auf und ab schwankender Erregungsprozess in der Netzhaut vorhanden sein. Gelangt dieser wechselnde Er- regungsablauf in das Niveau, wo sich die den Kontrastvorgängen, also die dem Antagonismus benachbarter Netzhautstellen zugrunde liegenden Vorgänge abspielen, so wird er hier diejenigen Elemente, welche dem blinden Flecke entsprechen, in sukzessiv wechselnder Weise kontrastiv beeinflussen. Es kann deshalb der Nachbildverlauf sehr wohl durch Veränderungen im ‘peripheren Organ bedingt sein, während der Kontrast zentralen Sitz hat. Wenn sich diese Möglich- keit auch mit Sicherheit nicht ausschliessen lässt, so werden wir es doch wohl für wahrscheinlicher halten, dass die sukzessiv antagonistischen Prozesse ebenfalls an derjenigen Stelle der Sehbahn entstehen, wo die simultan nebeneinander auftretenden ant- agonistischen Vorgänge sich abspielen. Damit würden wir auch für den Nachbildverlauf den Sitz in zentraleren Teilen der Sehbahn zu suchen haben. Es würden dann sämtliche Vorgänge der sogenannten lokalen Umstimmung,, wie sie sich eben im Kontrast und in den 248 A. Brückner: bad Nachbildern oder allgemein in der lokalen Adaptation zeigen, dort- hin zu verlegen sein. — Es ist schon lange bekannt, dass die Stelle des deutlichsten Sehens, die Macula, eine wesentlich geringere Umstimmbarkeit be- sitzt als die seitlichen Teile der Netzhaut. Der Kontrast z. B. äussert sich, wie an dem von Hermann angegebenen Muster zu sehen ist!), in den peripheren Teilen wesentlich deutlicher als in der Gegend des Fixierpunktes. Vergleichende messende Unter- suchungen über den Kontrast in peripheren und zentralen Teilen der Netzhaut liegen freilich noch nicht vor. Auch ist noch nicht untersucht, wie weit diese geringere Kontrastempfindlichkeit oder allgemein die geringere Umstimmbarkeit bzw. Ermüdbarkeit der zentralen Netzhautteile reicht. Es bedürfte deshalb noch des Nach- weises, ob wirklich, wie man wohl bisher angenommen hat, die ana- tomische Beschaffenheit der Fovea hierfür allein bestimmend ist. Diese Annahme kann nicht mehr ohne weiteres als richtig gelten, wenn die Kontrastwirkung zentralen Sitz hat, wie eben auseinandergesetzt. Vorläufig lässt sich natürlich noch nicht mit Sicherheit ausschliessen, dass für die quantitativen Differenzen des Kontrastes das periphere Organ maassgebenden Einfluss gewinnen kann. Wir werden aber doch nach Anhaltspunkten zu suchen haben, welche diese quanti- tativen Differenzen auf zentrale Vorgänge beziehen lassen. Bei den Hemianopsien, die auf einer Zerstörung der einen Hälfte der Sehbahn jenseits des Chiasma beruhen, findet man bekanntlich vielfach ein sogenanntes überschüssiges Gesichtsfeld, d.h. eine Aussparung der Maecula auf der Seite des hemianopischen Defektes. In einer grossen Anzahl von Fällen aber ist diese Aus- sparung nicht vorhanden, sondern der Gesichtsfelddefekt reicht bis an den Fixierpunkt heran, d. h. es besteht eine vollkommene Heni- anopsie ohne Aussparung an der Stelle des deutlichsten Sehens. Man hat diese zuweilen beobachtete Aussparung der Macula darauf bezogen, dass die Maculavertretung in der Sehrinde multipel an- gelegt sei (Monakow), oder dass eine Doppelvertretung jeder einzelnen Macula in beiden Hemisphären bestehe, verursacht dureh eine Teilung der Nervenfasern. Wilbrand verlegte diese Teilung in das Chiasma. Neuerdings hat nun Lenz (I. e.) die ganze Literatur 1) Abgedruckt unter anderem bei Hering, Lehre vom Lichtsinn. Handb. d. ges. Augenheilk., 2. Aufl. Zur Lokalisation einiger Vorgänge in der Sehsinnsubstanz. 249 einer kritischen Durchsicht unterzogen und kommt zu dem Resultate, dass bei einem Sitz der Läsion im Traetus optieus, im Corpus geni- eulatum externum und in der vorderen Hälfte der Sehstrahlung eine Hemianopsie ohne Maculaaussparung einträte. Erst wenn die Läsion im hinteren Teile der Sehstrahlung oder in der Sehrinde sich finde, komme es zu einem überschüssigen Gesichtsfeld, zu einer Macula- aussparung. Lenz zieht (nach dem Vorgang von Heine) daraus den Schluss, dass die angenommene Teilung der Maculafasern erst etwa im mittleren Drittel der Sehstrahlung stattfinde, und dass die eine Hälfte der Maculafasern durch die hinteren Teile des Balkens zur Oceipitalrinde der anderer Hemisphäre ziehe. Es ist nun verlockend, aus dieser doppelten Vertretung der Maculagegsend in der Hirnrinde auch ihre geringere Umstimmbarkeit zu erklären. Das grössere Quantum von Vorgängen in der Seh- rinde würde den makulären Empfindungen ein grösseres Gewicht im Sinne Hering’s verleihen. Ich möchte diese Ansicht vorläufig jedoch nur mit aller Reserve aussprechen. Sie bedürfte natürlich noch einer genaueren Prüfung, insbesondere auch an Hemianopikern mit und ohne Maeculaaussparung. Vorbedingung hierfür aber wären zunächst vergleichende messende Kontrastuntersuchungen am Nor- malen in verschiedenen Netzhautbezirken. Bestätigt sich diese Hypothese, dass die geringere Umstimmbar- keit der Maculagegend auf ihrer Doppelvertretung beruht, und ist die von Lenz aufgestellte These, dass die Maculafasern erst im mittleren Drittel der Sehstrahlung sich teilen, richtig, so hätten wir damit mit grösster Wahrscheinlichkeit den Sitz der Vorgänge, welche den Kontrasterscheinungen und wahrscheinlich auch den übrigen Phänomenen der lokalen Umstimmung zugrunde liegen, nicht in das Corpus geniculatum externum, sondern in die Sehrinde selbst zu verlegen. Jedenfalls geht aus dem Gesagten hervor, dass wir für die Vorgänge der lokalen Umstimmung, speziell für den Kontrast, nicht das amaerine Ganglienzellsystem in der Retina verantwortlich machen dürfen, wie es geschehen ist !). Ob wir diejenigen Umstimmungserscheinungen des Sehorganes, welche nicht nur lokal an einzelnen Stellen des Sehfeldes auftreten, sondern das Auge in ihrer Totalität betreffen, d. h. die Hell-Dunkel- 1) Wilbrand und Sänger, Neurologie des Auges Bd. 3 S.571ff. (Siehe auch Exner, |. c.) 250 A. Brückner: adaptation ebenfalls nach zentralen Teilen der Sehbahn zu verlegen haben oder ob diese lediglich peripherer Natur sind, lässt sich mit Sicherheit nach dem bisher vorliegenden Material noch nicht ent- scheiden. Neuere Untersuchungen sprechen dafür, dass die Hell- Dunkeladaptation nicht ausschliesslich von peripheren Vorgängen ab- häneig ist. Wenn wir bei helladaptiertem Auge eine weisse Fläche monokular oder binokular betrachten, so erscheint sie uns in beiden Fällen etwa von gleicher Helligkeit. Es findet also keine Summation der Erregungen beider Augen statt. Piper!) hat gefunden, dass bei Dunkeladaptation sich aber eine solehe Summation vollzieht, d.h. dass die Reizschwelle bei binokularer Betrachtung einer ganz schwach beleuchteten hellen Fläche etwa halb so niedrig ist wie bei mon- okularer Betrachtung. Da die binokulare Verschmelzung der von jedem Auge gelieferten Erregungen sich natürlich nur im Zentral- organ vollziehen kann, hat Piper hieraus den Schluss gezogen, dass bei der Hell-Dunkeladaptation irgendwelche Veränderungen in den zentralen Teilen der Sehbahn vor sich gehen, auf welche diese Versehiedenartiekeit in der binokularen Reizsummation des hell- und dunkeladaptierten Auges beruhe. Behr’) hat gefunden, dass bei einer Läsion im Traetus optieus oder im Corpus genieulatum externum eine Störung der Dunkel- adaptation zu konstatieren war bei normaler Funktion des Hellauges. Auch er bezieht diese Abweichung auf die Veränderungen in diesen Teilen der Sehbahn. Ich selbst habe bei meinen Versuchen über die Sichtbarkeit des blinden Fleckes konstatiert, dass ein gewisser Dunkeladaptations- zustand unbedingtes Erfordernis für die Wahrnehmbarkeit desselben ist. Bei helladaptiertem Auge ist er nicht zu sehen. Es liegt hier nicht an der scheinbaren Helligkeit der betrachteten Fläche, auf der der blinde Fleck sichtbar wird, die etwa im dunkeladaptierten Auge grösser wäre wie im helladaptierten, sondern es ist, wie vergleichende Untersuchungen zweifellos gelehrt haben, gerade der Zustand einer gewissen Dunkeladaptation, welcher zur Sichtbarkeit des blinden Fleckes erforderlich ist. Untersuchungen über die quantitativen Ver- hältnisse des Kontrastes bei hell- und dunkeladaptiertem Auge liegen überhaupt noch nicht vor. Sonst liessen sich vielleicht die von mir 1) Zeitschr. f. Psychol. u. Physiol. d. Sinnesorgane Bd. 32 S. 161. 2) v. Graefe’s Arch. Bd. 75 S. 201. —— ud Zur Lokalisation einiger Vorgänge in der Sehsinnsubstanz. 251 beobachteten Erscheinungen am blinden Flecke, der ja durch Kon- trast sichtbar wird, eher verständlich machen. Immerhin deuten auch diese Beobachtungen darauf hin, dass hier möglicherweise zen- trale Vorgänge bei der Dunkeladaptation mitspielen. Bekanntlich ist im dunkeladaptierten Auge die Maculagegend weniger empfindlich als die Peripherie. Sie besitzt also eine ge- ringere Adaptationsfähigkeit für Dunkel als die seitlichen Netzhaut- teile. Die geringere Jokale Umstimmungsfähigkeit der Macula ist, wie oben ausgeführt, vielleicht durch ihre Doppelvertretung in den zentralen Teilen der Sehsinnsubstanz, speziell in der Sehrinde, be- dinst. Ob nun auch bei der Hell-Dunkeladaptation, die ja in ihrem Wesen etwas ganz anderes darstellt wie die lokale Umstimmung, ebenfalls diese geringere Umstimmbarkeit der Macula auf ihrer Doppelversorgung beruht, mag dahingestellt bleiben. Bisher hat man die Minderempfindlichkeit lediglich auf den differenten ana- tomischen Bau des peripheren Organes zurückgeführt. Es würde sich aber wohl lohnen, auch den eben angedeuteten Gedanken zum Ausgangspunkte theoretischer Überlegungen zu machen. Von den Schwierigkeiten, welche sich einer Lokalisation der Umstimmungsprozesse in zentrale Teile der Sehbahn entgegenstellen, wäre vor allen Dingen die Tatsache zu erwähnen, dass der Kontrast in erster Linie ein monokularer ist. Der binokulare Kontrast ist lange nicht so stark ausgesprochen. Tschermak (l. ce.) hat hieraus den Schluss gezogen, dass sich die Kontrastvorgänge vorwiegend in denjenigen Teilen der Sehsinnsubstanz abspielten, in welehen noch eine Sonderung der zentralen Vertretung jedes Einzelauges bestehe. Er erklärt es noch für verfrüht, ein bestimmtes Neuron in dieser Hinsicht aufzuzeigen. Dabei ist aber meines Frachtens der Umstand nicht berücksichtigt, dass wir ja eine Durchflechtung der anatomischen Elemente, welche aus den beiden Netzhäuten stammen, wohl schon auf der ersten Station, nämlich im Corpus geniculatum externum anzunehmen haben. Vielleicht bestehen dann hier oder in der Seh- rinde noch irgendwelche engeren Verbindungen zwischen denjenigen ‚Teilen, welche zu einem und demselben Auge gehören. Eine gewisse Schwierigkeit läge auch in den Erscheinungen bei galvanischer Reizung des Auges, bei der nach den Untersuchungen von G. E. Müller!) je nach der Stromrichtung gegenfarbige Emp- 1) Zeitschr. f. Psychol. u. Physiol. d. Sinnesorgane Bd. 14. 3523 A. Brückner: findungen erzeugt werden. Freilich sind wir ja hier noch nicht im klaren darüber, wo der Angriffspunkt der elektrischen Reizung liegt, insbesondere ob er im peripheren Organ zu suchen ist. — Auf anderen Sinnesgebieten sind Versuche, eine genauere Lokalisation einzelner Erscheinungen vorzunehmen, noch kaum ge- macht worden; doch ist für eine ganze Anzahl derselben ein zentraler Sitz sehr wahrscheinlich. So hat man eine Ermüdung des Ohres für einzelne Töne ge- funden, wenn dauernd und sehr laut ein Ton zur Einwirkung ge- langte. Stellen wir uns auf den Boden der Helmholtz’schen Resonanzhypothese, nach der ein Mitschwingen der Basilarmembran des Corti’schen Organs die Reizübertragung vermittelt, so werden wir diesem physikalischen Vorgang natürlich eine Ermüdbarkeit nicht beilegen können. Wir werden deshalb auch hier die Ermüdung im Nerven oder in weiter zentral gelegenen Teilen zu suchen haben. Eine genauere Lokalisation ist bisher nicht versucht worden. Auf dem Gebiete des Geruchssinnes hat Zwaardemaker eine Aufhebung von Gerüchen gefunden, von denen er den ersten dem einen Nasenloche, den zweiten dem anderen gesondert zuführte. Auch Wettstreit von Gerüchen sowie Auftreten von Mischgerüchen sind hier beobachtet worden. Alle diese Erscheinungen sind eben- falls als in den zentralen Teilen der Geruchsbahn zustandekommend angesehen worden. Beim Geschmack hat Camerer!) gefunden, dass die Sicher- heit des Urteils über die Qualität einer an der Schwelle stehenden Geschmacksempfindung zunimmt, je mehr Papillen gereizt werden. Es handelt sich also hier um eine Summation der räumlich im peri- pheren Organ getrennt einwirkenden Einzelreize. Diese Summation wird wahrscheinlich ebenfalls im Zentralorgan stattfinden. Ob auch die Umstimmungserscheinungen, welche gerade auf dem Gebiete des Geschmackssinnes beobachtet worden sind, zentralen Vorgängen ihre Existenz verdanken, ist noch nicht definitiv entschieden, wenn auch wahrscheinlich. Die meisten Analogien mit dem Gesichtssinn bieten uns die Hautsinne. Tschermak?) hat Versuche über Simultankontrast bei Temperaturempfindungen angestellt. Er legte auf die Hand 1) Zitiert bei Nagel, Handb. d. Physiol. Bd. 3 S. 636. 2) Pflüger’s Arch. Bd. 122 S. 98. Zur Lokalisation einiger Vorgänge in der Sehsinnsubstanz. 253 einen abgekühlten oder erwärmten Metallring und liess dann auf das umschlossene Hautfeld eine an sich für den Temperatursinn in- differente Reizung erfolgen. Je nach der Qualität, welche das um- schliessende Feld vermittelte, eıschien dann der berührende Gegen- stand in der Gegenempfindung, also je nachdem warm oder kalt. Tschermak zieht hieraus den Schluss, dass dieser Kontrast wohl nur zentralen Ursprungs sein müsse. Auf dem Gebiete des Drucksinnes haben wir zweifellos gegen- seitige Beeinflussung von Einzelreizen. So habe ich!) unter der Leitung von v. Frey seinerzeit darüber Untersuchungen angestellt, in welcher Weise sich zwei Einzelreize, die auf distinkte Tastend- organe simultan zur Einwirkung gelangten, beeinflussten. Es ergab sich, dass bis zu einem gewissen Abstande der Einzelreize voneinander stets eine gegenseitige Verstärkung der Empfindungen auftrat: wenn beide Reize für sich unter der Schwelle lagen, also keine Empfindung verursachten, so ergab ihre gleichzeitige Applikation häufig eine deutlich überschwellige Empfindung; waren die Einzelreize jeder für sich schon überschwellig, so rief ihre simultane Reizung eine stärkere Empfindung hervor und ähnliches. Die theoretische Deutung ‚ist, wie v. Frey das getan hat, wohl nur in der Richtung zu suchen, ‚dass man eine Irradiation der Erregung im Zentralorgan annimmt. ‚Diese Irradiation wird sich sozusagen in Form zweier Zerstreuungs- ‚kreise äussern. Dadurch, dass das Gebiet dieser zwei Irradiations- 'kreise sich überschneidet, kommt es zu einer Verstärkung der ‚Empfindung ?). v. Frey hat neuerdings?) diese Vorgänge mit Wahr- ‚seheinlichkeit in die Stelle der ersten Umschaltung der sensiblen "Bahn, also in die Gegend des verlängerten Markes verlegt*). Auch Jauf diesem Gebiete zeigt sich also das Bestreben, eine genauere ‚Lokalisation spezieller Vorgänge in den Sinnessubstanzen anzustreben. Wenn wir das Wesentliche der vorstehenden Ausführungen kurz zusammenfassen, so lässt sich sagen, dass auf dem Gebiete der Ge- ‚Siehtsempfindungen die Vorgänge, welche den Kontrasterscheinungen zusrunde liegen, nicht in der Retina zustande kommen, sondern wahrscheinlich im Corpus genieulatum externum oder in der Seh- 1 ) | 1) Zeitschr, f. Psychol. Bd. 26. 2) v. Frey, Würzburger Berichte 1902. 3) v. Frey, Würzburger Berichte 1911. 4) Man vergleiche hierzu aber auch die Ausführungen von Thunberg in Nagel’s Handb. Bd. 3 S. 72211. Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd. 142. 17 954 A. Brückner: Zur Lokalisation einiger Vorgänge in der Sehsinnsubstanz. rinde. Bei dieser Lokalisation stützen wir uns auf die Tatsache, dass am blinden Flecke, der ja im peripheren Neuron nicht ver- treten ist, Kontrasterscheinungen zu beobachten sind. In gleichem Sinne sind auch die Kontrasterscheinungen zu deuten, wie sie in pathologischen Fällen vereinzelt an Skotomen beobachtet worden sind. Ob die geringere Umstimmbarkeit der Maeulagegend auf ihrer Doppelvertretung im Zentralorgan beruht, bedarf noch näherer Prüfung. Bestätigt sich diese Annahme, so wäre die Sehrinde mit Wahrscheinliehkeit als der Ort anzusehen, an dem sich die den Kontrasterscheinungen zugrunde liegenden Prozesse abspielen. Ob auch die den Nachbilderscheinungen zugrunde liegenden antagonistischen Vorgänge und damit überhaupt die antagonistischen Prozesse in der Sehsinnsubstanz im Sinne von Hering (Dissimila- tion und Assimilation) sich lediglich im gleichen Niveau abspielen, lässt sich zurzeit mit Sicherheit noch nicht entscheiden. Es ist aber mit Rücksicht auf die mit ihnen ja eng verwandten Kontrasterschei- nungen naheliegend anzunehmen, dass mindestens nicht alle Vor- gänge, die den Nachbilderscheinungen zugrunde liegen, in der ana- tomischen Netzhaut zustande kommen. Eine Reihe von Beobachtungstatsachen spricht auch dafür, dass die Hell-Dunkeladaptation nicht lediglich auf Vorgängen im peri- pheren Organ beruht, sondern dass auch hierbei Prozesse in zen- traleren Teilen der Sehbahn mitwirken. } | DD ot [SL (Aus dem pharmakol. Institut der kgl. ung. Universität Kolozsvär.) Über die Wirkung des Morphins, Codeins, Dionins und Heroins auf die Atmung. Von Dr. B. v. Issekutz, I. Assistent am Institut. In den letzten Jahren des vorigen Jahrhunderts bot die Fest- stellung der Wirkung von Morphin, Codein, Dionin, Heroin auf die Atmung vielfach Gelegenheit zu Diskussionen. Mehr als zehn Arbeiter befassten sich mit dieser Frage, ohne sie jedoch endgültig geklärt zu haben. / Im Jahre 1898 erscheint Dreser’s!) erste Mitteilung über mit Heroin angestellte Untersuchungen. Seiner Behauptung nach ver- ‚ursacht beim Kaninchen schon eine Dosis von 0,5 mg pro Kilo- ‚gramm eine starke Abnahme der Atmungsfrequenz, verlängert aber "die Dauer der Inspiration und bewirkt eine tiefere Inspiration als gewöhnlich, mit einem Worte: sie vergrössert das Atmungs- "volumen. — (Tabelle I, 1. 2.) ) Bei einem 1215 g schweren Kaninchen wurde als maximale ‚Arbeitsleistung der Inspirationsmuskeln 40,2 gem beobachtet. | Die maximale Kraft, welche die Inspiration an dem Manometer entwickelte, betrug 23—24 em H,O. Darauf wurde 0,002 g Heroin injiziert. Hierauf stieg die maximale Arbeitsleistung von 40,2 gem auf 136,9 gem. Die maximale Kraft erhöhte sich auf 40 em H30. "Es wird also durch das Heroin die Kraftleistung des einzelnen Atemzuges ganz wesentlich gesteigert. „Die Verlangesamung der Atemzüge, welche durch Heroin ver- anlagt wird, ist durch deren Vertiefung und grössere Kraitentfaltung ınd den grösseren Arbeitswert des einzelnen Atemzuges in einer für ‚len Organismus vorteilhaften Weise kompensiert. Jedenfalls gewähren lie durch Heroin zwar verlangsamten, aber wesentlich gekräftigten 1) Dreser, Pflüger’s Arch. f. d. ges. Physiol. Bd. 72 S. 80. Yes 256 B. v. Issekutz: Atemzüge die Möglichkeit, Sekretwiderstände besser zu überwinden und die Lunge besser zu ventilieren, als es die flachen, frequenten Atemzüge des Bronchitikers vermögen.“ Das Heroin unterscheidet sich also vorteilhaft vom Morphin, Codein und Dionin, welche die Zahl der Inspirationen, das Atmungs- volumen und die Leistungsfähigkeit der Inspirationen beeinträchtigen; er empfiehlt deshalb Heroin als Hustenmittel statt Morphin. Alsbald entstand auf Dreser’s Arbeit hin ein lebhafter litera- rischer Streit: Harnack!) weist nach, dass das Heroin weit giftiger ist als Morphin. Santesson?) und Lewandowsky?°) wiederum konstatieren in keinem einzigen Falle eine Vertiefung der Atmung. In einer anderen Arbeit aber findet Santesson*) bei sieben Ver- suchen sie in zwei Fällen doch. Fraenkel?°) hingegen weist nach, dass nicht nur das Heroin (s. Tab. I, 4), sondern auch Mono-. acetyl-Morphin, Codein, Dionin, ja sogar auch Morphin (Tab. II, 1—3) das Atmungsvolumen vergrössert und bloss in einem Falle ver- ringert (Tab. II, 4). Guinard‘), Leo’) bestätigen Dreser’s An- gaben, Karewsky°), Winternitz°’), Strusberg!°) hingegen nicht. Am eingehendsten befasst sich mit dieser Frage Impens!!), und das Ergebnis seiner Untersuchungen ist, dass das Morphin bei zwölf Versuchen in drei Fällen (Tab. II, 5—16), Codein (Tab. II.) und Dionin (Tab. IV.) bei der Hälfte der Experimente, das Heroin aber in jedem Falle (Tab. I, 5—19) eine Vergrösserung des Atmungs- volumens bewirkt. Doch weisst auch Impens!?) in seiner unter dem Titel „Les Analeptiques de la Respiration“ erschienenen Arbeit einen Versuch auf, bei welchem sich das Atmungsvolumen ver- ringert hat. Tab. I. Nr. 20. Bei meinen Versuchen benützte ich die von Fraenkel beschriebene 1) Harnack, Münch. med. Wochenschr. Jahrg. 1898 S. 881. 2) Santesson, Münch. med. Wochenschr. Jahrg. 1899 S. 1375 und 1767. 8) Lewandowsky, Arch. f. Anat. u. Physiol. Jahrg. 1899. 4) Santesson, Pflüger’s Arch. f. d. ges. Physiol. Bd..81 S. 349. 5) Fraenkel, Münch. med. Wochenschr. Jahrg. 1899 S. 1525. 6) Guinard, Journ. de physiol. et path. gen. 1899. 7) Leo, Deutsche med. Wochenschr. Jahrg. 1899 Nr. 12. 8) Karewsky, Ref. in Therapeut. Monatshefte Jahrg. 1902 S. 481. 9) Winternitz, Therapeut. Monatshefte Jahrg. 1899 S. 496. 10) Strusberg, Arch. internat. de pharmacodyn t. 4. 11) Impens, Pflüger’s Arch. f. d. ges. Physiol. Bd. 78 S. 527. 12) Impens, Arch. internat. de pharmacodynamie vol. 6 p. 162. } Über die Wirkung des Morphins, Codeins, Dionins und Heroins etc. 257 Form des Dreser’schen Apparates behufs Feststellung des Atmungs- volumens. Zur Messung der Inspirationskraft und der Arbeits- leistung derselben wendete ich einen etwas vereinfachten und brauch- barer gemachten Dreser’schen Apparat. Dreser’s Original- apparat war folgendermaassen beschaffen. „Um die Messungen zu ermöglichen, war der eine Schenkel einer T-förmigen Trachealkanüle mit einem nur die Exspiration ge- stattenden Membranventil versehen, während die Inspiration durch den zweiten Schenkel geschah. Mit diesem Inspirationsweg konnten, um die maximale Kraft der Inspiration zu messen, ein Wasser- manometer und, zur Ermittelung der maximalen Arbeitsleistung in Grammzentimetern, verschieden weite Steigröhren verbunden werden. Diese Messvorrichtungen, die gewissermaassen nur sporadisch in Funktion treten sollten, waren an den Inspirationsweg mittelst eines zweiten T-Rohres angeschlossen. Das freie Ende dieses T-Rohres trug einen kurzen Gummischlauch, der nur gegen Ende einer Ex- spiration auf Kommando kurz zugeklemmt werden brauchte, um den Rest der Exspirationsluft durch das Ausatmungsventil zu treiben, die nächste Inspiration auf die gerade angeschaltete Messvorrichtung wirken zu lassen. Durch die Inspiration wird in verschieden weiten Glasröhren Wasser aspiriert; die Höhe der aspirierten Wassersäule wird gemessen. Da die Glasröhren zuvor auskalibriert waren, liess sich das Volumen der aspirierten Wassermenge leicht berechnen. Der Querschnitt der aspirierten Wassersäule sei Q, ihre Höhe H; dann ist ihr Volumen —(@XH. Die Arbeit, die die Inspirationsmuskeln hierbei leisten, QH?’, 5 Ein Fehler dieses Verfahrens besteht darin, dass das Ventil, wenn dasselbe auch noch so leicht beweglich ist, der Exspiration denndoch einen gewissen Widerstand leistet. Die Folge davon = wird sein, dass, wenn wir gegen Ende der Ausatmung das frei- ‚ werdende Rohr verschliessen, das Tier den Widerstand des Ventils ‚ wahrnimmt und die Ausatmung nieht beendigt, sondern sofort die u Einatmung beginnt. Da die Ausatmung keine vollkommene war, leistet auch die Einatmung nicht jenes Quantum von Arbeit, wie \ gewöhnlich ; und zwar wird die bei bei der Einatmung geleistete - Arbeit desto geringer sein, je geringer die Ausatmung war. — Die geleistete Arbeit wird also geringer oder grösser sein, je 258 B. v. Issekutz: nachdem es dem Experimentierenden mit mehr oder weniger Genauig- keit das Ende der Ausatmung zu treffen gelungen ist. Natürlich wird in dem Fall, wenn das Tier sehr rasch atmet, das Ende der Ausatmung schwerer zu treffen sein und wird demzufolge die Arbeit der Inspiration kleiner erscheinen, als sie in Wirklichkeit ist, wo das Tier sehr langsam atmet, und derart das Ende der Ausatmune leicht zu treffen ist. Da werden wir einen dem tatsächlichen sieh nähernden, also grösseren Wert finden, als der vorhergehende. Auch dieser Umstand erklärt das entgegengesetzte Resultat zwischen den Dreser’schen und meinen Versuchen. Ein Kaninchen von 1570 g Gewicht sog das: Wasser in einer Röhre von einem Querschnitte von 0,63 gem bis zu folgenden Höhen hinauf: 6, 11, 5, 12, 10, 15 em. Die bei einer Inspiration geleistete Arbeit schwankte also zwischen (*>-) 14,75 gem und 68 gem. Dasselbe Tier sog das Wasser in einer Röhre von einem Querschnitt von 1,09 gem bis auf 5, 7,5, 10, 12 em. Der Wert der Arbeit variierte also zwischen 27,5 und 78.47 cm. Diesem Fehler beugte ich leicht derart vor, dass ich die Ursache des Fehlers, das Ventil, ausschaltete. Die Vorrichtung vereinfachte sich folgendermaassen: den einen Arm der Trachealkanüle in Gestalt eines T verband ich mit den Messröhren, achtete dabei aber darauf, dass das Ende derselben sich bloss 1—2 mm ins Wasser senke; das andere Ende der Kanüle endete frei; verschloss ich dieselbe, so stand der Ausatmung bloss eine I—2 mm hohe Wassersäule im Wege, so tief nämlich die Röhren im Wasser standen. Die Aus- atmung konnte also frei genug vor sich gehen; aber auch dies kleine Hindernis genügte, um bei der ersten Inspiration eine geringe Arbeits- leistung hervorzurufen; nach der zweiten Ausatmung — welche in- folge ständigen Verschlusses des freien Endes der Kanüle ganz und gar durch das Messrohr geschah — leistete die darauffolgende In- spiration bereits eine grössere Arbeit, die dritte eine noch grössere, die vierte, fünfte in der Regel die gleiche Arbeit, bei den darauf- folgenden Inspirationen stieg der Wert der Arbeit abermals infolge der beginnenden Dyspnöe. Das früher erwähnte Versuchskaninchen z. B. sog das Wasser in einem Rohr von einem Querschnitte von 0,63 qem « ü " ar ee ee u En nn hr > um nn EEE EEE. Über die Wirkung des Morphins, Codeins, Dionins und Heroins etc. 259 bei der 1. Inspiration bis 8 cm hinauf = 40,32 gem 2. ; BB, » 53,180 , a: Be orlDun, ee 68,00 „ BA. 6., , Aal. ns = 68,00 „ at. » re 102,005 ne .8, i a len 9 i DR ER Yen 283,50 Durch diesen Versuch, den ich mehrmals mit gleichem Erfolge wiederholte, belehrt, zeichnete ich stets die bei der dritten Inspiration geleistete Arbeit auf. Der Querschnitt des I. Rohres war 0,63 gem, der des II. Rohres 1,09 gem, der des III. Rohres 1,66 gem, der des IV. Rohres 3,5 qem. Zur Messung der Inspirationsstärke be- nützte ich ein Wassermanometer von 4 mm Durchmesser. Meine Versuche setzte ich oft stundenlang fort, musste deshalb für eine solche fixe Stellung des Tieres sorgen, die die Atmungs- bewegungen nicht beeinträchtigt, das Tier in gewöhnter Stellung erhält und eine Abkühlung desselben verhindert. Zu diesem Zwecke bohrte ich am Boden eines Holzkistehens von entsprechender Grösse Löcher; durch dieselbe zog ich eine Schnur und befestigte so die Füsse des Tieres. An den zwei Seitenbrettern befestigte ich über dem Tier breite Bänder zur Verhinderung der Erhebung; vorne sehnitt ich eine Öffnung für den Kopf. Das Ganze bedeckte ich mit warmen Tüchern, so gelang es mir zu erreichen, dass die Kaninchen mehrere Stunden hindurch ganz ruhig blieben, die Tem- peratur derselben höchstens um einige Zehntel Grade fiel, und auch ihre Atmungsbewegungen derart gleichmässig und ruhig waren, dass ich den Gebrauch narkotischer Mittel entbehren konnte. Die Tabelle meines ersten Versuches zeigt es, dass nach der Tracheotomie, die ich mittelst lokaler Cocain-Adrenalin-Anästhesie ausführte, die Atmungsfrequenz noch 15—20 Minuten ziemlich gross ist, hernach abnimmt und 3—4 Stunden hindurch so bleibt, bis dann wieder eine — wenn auch geringe — Abnahme derselben eintritt. Auch das Atmungsvolumen nimmt nur um ein geringes ab während des fünfstündigen Versuches. Deshalb band ich bei jedem meiner Versuche das Tier nach der Tracheotomie in der Holzschachtel fest und bedeckte dasselbe mit warmen Tüchern und liess es so wenigstens !/a Stunde ruhen, um erst hernach das regelmässigen Atmen fest- zustellen. 260 B. v. Issekutz: I. Mittels Heroin Normal Name Körper- 2 Nr. der gewicht una ein Atemzug | Minutenvolumen Autoren BEQUETZ ro kg ro k g pro Min. | Cent De | ccm 2 Ba: 1® Dreser 2150 134 Sr 630 300 2. e 2770 130 5,07 | 1,6 660 290 9. „ 1000 60 ehe | ehe 530 530 4. Fraenkel 2050 120 7,3 3,6 SS0 420 5. Impens 390 60 Io | die: 1060 | 408 6. y 305 48 220 | 95 1060 460 1. 5 2310 12 186 | 80 1340 | 580 8. 5 1360 76 6,9 5,0 330 400 &% 5 2150 44 16,8 7,8 740 340 10. 5 2130 42 | 18,1 6,1 590 258 11 B 2000 33 11,5 9,15 440 220 12 5 1780 46 13,0 1,3 600 330 13 5 2000 32. 14,4 72 460 230 14 a 1710 60 10,3 6,0 620 | 8360 15 ei 1270 80 6,3 | 9,0 510 400 16 5 1580 30 22,4 14,3 680 430 17 s 2220 40 18,0 s,1 720 320 18 „ 2190 58 1 660 300 19 5 2350 58 17,7 7,9 1030 440 20 5 2250 40 17,0 1,5 680 300 21 4 1270 66 87 |.65 580 450 22 Issekutz 1150 36 17,0 14,5 1452 1260 23 5 1150 86 I Sl) 14,5 1452 1260 24 Mi 1500 75 23,0 15,3 1725: 1150 25 „ 1400 8 22,4 16,0 1814 1300 26 5 1400 sl 22,4 16,0 1814 1300 27 1700 S0 23,0 13,5 1540 1080 28 a 1480 79 19,0 12,9 1501 1000 29 H 1450 75 2218.00 71274 1350 930 B} a 1450 75 18,0 12,4 1350 930 ol : 300 92 12,5 9,5 1137,5 870 UI. Mittels Morphin 1% Fraenkel ? 96 64 | — 620 — 2. a ? 68 4,4 — 300 — 3. n ? 60 3,6 _ 920. 0 22 4. 5 ? 40 10,5 = 420 | — 5. Impens 2550 52 15,4 4210. 02.2960 376 6. x 1930 34 Be 218,6 570 290 7. A 2100 32 2,2000 101 680 327 8. = 2150 38 22,6 10,5 860 400 3: 5 1500 46 21,9 14,5 | 1010 670 10. » 2150 30 19,0 9,0 590 28 tl = 2240 46 26.3 11,8 1210 540 12 5 2370 26 1726,90, AL 2.100 290 13. hs 1520 54 12,9 8,5 690 400 14. 5 1900 44 14,5 | 76 640 380 15. " 2520 36 31,0 | 12,3 1120 440 16. 7 2350 34 240 | 102 820 348 I Issekutz 1020 85,1 17.023,216:6%5 |, 1457 1420 18 A 1020 85,7 17,0 16,6 1457 1420 19 5 | 1500 85 17,0 11,3 1445 990 20 5 1500 8 17,0 11,3 1445 9% 21 5 1000 69,7 18.002.180 1200 1200 22 1000 69,7 18,0) 2180 1200 1200 Über die Wirkung des Morphins, Codeins, Dionins und Heroins ete. 261 angestellte Versuche. Heroin Nach Heroin Zunahme (+) ee Atmungs- ein Atemzug Minutenvolumen a ewicht frequenz ro k ro k des ; me pro Min. ccm z ne ccm E Volumens 0,5 | 26 15,38 7,2 400 190 SF 0,37 36 11,55 5,9 400 150 + 2,0 26 7 71 186 186 a2 0,5 18 13,3 6,6 240 120 at 0,412 24 20,8 8,8 500 210 Ar 0,435 18 26,6 11,5 480 200 SP 0,435 28 22,4 9,7 630 270 Ir 0,44 30 14,0 10,0 420 310 ir 0,465 15 18,3 8,9 330 150 tr 0,46 16 20,0 9,3 320 150 Ar 0,5 12 18,3 9,15 220 110 Zi 0,56 12 95.0 132 300 160 a. 0,5 14 19,3 9.65 270 135 + 0,58 26 13,0 7,6 340 200 + 0,78 30 10,4 8,0 354 200 A 0,634 10 30,0 19,0 360 920 u 0,9 18 20,0 9,0 360 165 ai 5,0 8 27,5 12,5 220 100 + 10,0 2! 67,5 28,8 270 110 ai 0,89 26 16,1 2,1 420 190 | = 1,6 28 10,0 1) 280 220 ze 0,5 25 16,0 13,9 400 330 — 1,3 24 14,0 121 336 280 A 0,33 50 19,5 13,0 975 610 = 05 37 20,2 142 740 530 m 4,5 25 22,0 15,3 500 357 0,5 25 21, 12,3 525 308 _ 0,5 33 18,0 12,2 594 400 0,5 62 15,0 10,0 930 640 _ 6,0 22 17,0 all 374 260 — 0,76 25 17,0 13,0 425 327 Ar angestellte Versuche. 0,5 44 9,0 _ 400 = Ar 0,54 50 8,8 _ 440 == + 0,45 40 12,0 _ 680 — <+ 5,0 24 91 = 260 — = 1,0 42 18,5 1,25 780 305 + 1,0 26 16,0 8,5 420 260 — 1,5 22 21,0 10,0 460 219 _ 1,5 22 21,0 10,0 460 200 — 2,0 24 20,0 13,3 480 320 .— 2,0 24 17,2 8,0 430 20 | — 2,5 24 25,3 11,6 620 256 = 30 | 20 25,0 10,5 500 190 _ 4,0 15 13,3 9,2 400 280 tr 6,0 28 15,0 9,2 420 250 + 8,0 20 28,0 11,1 560 210 _ 7,0 20 23,0 9,8 460 200 — 2,5 57,5 15,8 15,4 910 890 — 16,0 32,9 16,0 15,7 510 500 — 6,0 66 17,6 11,7 1166 770 ie 10,0 30 23,0 15,3 690 . 460 nr 3,0 49 „16,5 16,5 803 803 = 12,0 37 14,0 14,0 518 518 = B. v. Issekutz a + 092 | 089 pq GEL 97 0'81 098 | 006 eg FI 89 nu. 00% | 0001 | 88 803 SF 0'8 0F4 OLEL T6 833 09 + 083 | 098 001 g‘E3 172 0°9 007 096 16 18 07 I 083 | 089 611 883 177 0% OFF 0SOL 0er | og vE "HUIMSIT9 A 9TPISISUe uruoreg ISTOYJImM "AL = 073 | 00L oT cz 83 ‘EI 007 | 066 || oe 8 + Is | 009 0°01 £& 98 0'el sr8 028 es E61 er Ar 0 | 09 gg 9728 08 OT 088 088 69 &sI sr Es 007° | 099 01 esl 98 001 009 006 071 | 718 er ale ose | 0m 6 208 98 001 087 006 5% 9°91 128 + 08E | 084 ey DOT # 0°6 008 0801 197 sgL 2) — 0rE | 008 301 G'88 128 0°6 22 0301 9IT | 993 Pi — 008 | 086 9, HI or 0°9 67 084 a 0° sG + 0.2 | 089 0°6 812 08 0°% oe 082. 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Um die Ursache dieser so sehr widersprechenden Versuchs- ergebnisse zu erfahren, stellte ich jene in der Literatur vorhandenen Versuche in Tabellen zusammen, die mittelst dem Dreser’schen Apparate angestellt wurden. Ich berechnete das Volumen eines Atemzuges und das Minutenvolumen — das ist das Quantum der innerhalb einer Minute entleerten Luft — auch dem Körpergewichte nach pro Kilogramm, um eine entsprechende Vergleichung der Ver- suchsergebnisse zu erzielen. Bei aufmerksamer Besichtigung der Tabellen fällt es sofort auf, dass bei allen jenen Versuchen, wo der Atemzus ein tieferer wurde, das normale Atmungsvolumen der Tiere (die bei einem Atemzuge entleerte Luft in Kubikzentimeter), pro Kilogramm Körpergewicht gerechnet (in den Tabellen mit fett- gedruckten Zahlen bezeichnet), durchschnittlich viel kleiner ist als bei jenen Versuchen, bei denen die Atmung oberflächlich wurde. MN B.: | Bei den Dreser’schen Versuchen, bei denen das Atmungs- volumen 2,3 und 1,6 eem (I. Tabelle 1 und 2), vergrösserte sich dasselbe unter der Einwirkung des Heroin. Hingegen verkleinerte sich dasselbe bei 8,3 cem (I. Tabelle 3). Der Mittelwert des Atmungsvolumens der bei den mittelst Heroin angestellten Impens- schen Versuchen verwendeten Kaninchen war 7,25 cem, der Mittel- wert des normalen Volumens, bei jenen mittelst Morphin, Codein, Dionin angestellten Versuchen, bei denen der Atemzug tiefer wurde, war 8,16 eem, 7,54 eem resp. 7,2 eem, hingegen bei jenen Versuchen, bei denen die Atmung oberflächlicher wurde, war der Durchschnitts- wert des Volumens 9,6 ccm, 11,27 cem resp. 11,3 eem. Auch bei meinen Versuchen war in jenen Fällen, wo die Atmung tiefer wurde, das gewöhnliche Volumen in den mit Heroin angestellten Versuchen 9,5 eem, in den mit Morphin angestellten Versuchen 11,5 eem; in 264 B. v. Issekutz: jenen Versuchen aber, in denen eine Abnahme des Atmungsvolumens eintrat, war der Durchsehnittswert desselben 14,15 resp. 17,3 cem. Ich berechnete, wieviel der Durchschnittswert des Atmungs- volumens der Versuchskaninchen beträgt. Zum Zwecke dieser Be- rechnung verwendete ich: A. 30 Versuche, die Impens in seiner „Les Analeptiques de la Respiration“ betitelten Arbeit mitteilt. Ich fand, dass auf je 1 kg Kaninchen ein normaler Durchschnittswert von 10,01 cem entfällt. B. Impens’ 64 Versuche umfassende Arbeit, in der er sich mit der Wirkung von Morphinderivaten auf das Atmen beschäftigt; als Durchschnittswert erhielt ich 9,6 eem, C. Meine eigenen 58 Versuche, aus denen ich einen Durchschnitts- wert von 14,5 cem erhielt. (Auffallend gross ist der Unterschied zwischen dem Atmungs- volumen der Impens’schen und meiner Versuchskaninchen. Als Ursache dessen kann ich etwas anderes als die Eigentümlichkeit der Rasse nicht bezeichnen.) Es ist also leicht festzustellen, dass bei allen jenen Versuchen, bei denen die Atmung tiefer wurde, das Tier beim Beginne des Versuches oberflächlich atmete, d. h. das mittelst eines Zuges ausgeatmete Luftquantum — pro 1 kg Körpergewicht — blieb weit unter dem Durchschnittswer. Wenn hingegen die Atmung des Kaninchens das gewöhnliche Volumen aufwies, so bewirkte sowohl Heroin als auch Morphin, Codein und Dionin ein oberflächliches Atmen. Die Ergebnisse der einzelnen Autoren hingen von der zufälligen Beschaffenheit der Atmung der Versuchskaninchen ab: Fraenkel verwendete zu seinen Versuche immer sehr oberflächlich atmende Tiere. Deshalb fand er, dass das Morphin und alle Produkte des- selben ein tieferes Atmen bewirkten. — Noch mehr ist die launen- hafte Rolle des Zufalles aus den Versuchen Impens’ zu ersehen, dass alle seine Versuchen mit Heroin an oberflächlich, mit Morphin an stets normal atmenden, mit Codein und Dionin an abwechselnd bald oberflächlich, bald normal atmenden Tieren anstellte; das Er- gsebnis würde gewiss ein anderes gewesen sein, wenn er seine zum Heroin verwendeten Kaninchen zum Morphin und umgekehrt ver- wendet haben würde. Eine einzige Ausnahme bildet der Versuch 16 der Tabelle ], bei welchem das Atmungsvolumen eines Kaninchens von 1580 g Ge- wicht 14,3 eem pro Kilogramm war, und doch vergrösserte sich das- EEE EEE Über die Wirkung des Morphins, Codeins, Dionins und Heroins etc. 265 selbe unter der Einwirkung von Heroin. Da dürfte hier einfach ein Druckfehler vorliegen, insofern nämlich das Gewicht des Tieres nicht 1580, sondern 2580 g& betrug, also das Atmungsvolumen pro Kilo- eramm bloss 8,7 eem ausmachte. Jedenfalls stehen diesem einen Versuche Impens’ meine sechs Versuche gegenüber, bei denen das Atmungsvolumen kleiner wurde. — Und wurde dasselbe nur bei jenen meiner Versuche grösser, bei denen das Atmungsvolumen des Tieres um vieles geringer war als der an meinen Kaninchen fest- gestellte Durchschnittswert (14,5 eem pro Kilogramm). Im wesentlichen liest auch dem Umstande, dass Dreser — im Gegensatze zu mir — bei seinen Versuchen ein Steigen der Energie und Leistungsfähigkeit der Atmung wahrnahm, die gleiche Ursache zugrunde. Die grösste, bei einer Ausatmung vollbrachte Arbeit seines Kaninchens betrug 40,2 gem. Ich habe bei 48 Ver- suchen die Leistungsfähigkeit der Atmung meiner Versuchskaninchen gemessen und erhielt als Durchschnittswert 102,4 gem. Bei den Dreser’schen Versuchen war die Atmungsfrequenz des Kaninchens also eine sehr geringe. Deshalb bewirkte das Heroin eine Steigerung der Atmungsenergie. | Aus den mitgeteilten Tabellen geht auch hervor, dass im all- ' gemeinen das Quantum des injizierten Stoffes zur Abnahme der ‘ Zahl der Atemzüge in gleichem Verhältnisse steht; zu letzterer steht j das Atmungsvolumen in umgekehrtem Verhältnisse, so dass das ’ | - Produkt beider, d. i. die Minutenvolumina, wenigstens 110—150 cem pro Kilogramm gleich sein müssen. Schön ist dieser Zusammenhang aus meinen Versuchen II. IV. zu Abnahme der Atmungsfrequenz ein, hingegen nahm das Volumen | ersehen: nach Injektion des Heroins trat anfangs nur eine geringe | N 4 - stark ab; später nimmt die Atmungsfrequenz immer mehr ab. Damit hi nimmt aber das Volumen verhältnismässig zu, um einen gewissen minimalen Luftwechsel zu bewerkstelligen. In solchen Fällen, insbesondere nach einer grösseren Dosis, wenn die Anzahl der ‚ Atmungen allzu gering ist, erreicht. das Volumen eine beinahe un- ‚ mittelbar der Vergiftung vorangehende Grösse. | Bei einigen meiner Versuche machte ich die Atmung der Tiere auf künstlichem Wege dadurch oberflächlich, dass ich den Körper ‚derselben der Einwirkung von auf 100° G erwärmten Luft aus- ‚setzte. Die Atmungsfrequenz dieser Tiere verminderte 1—2 ctg ‚Morphin und steigerte das Volumen Energie- und Leistungsfähigkeit ‘der Atmung, ohne aber die ursprünglichen Werte erreicht zu haben. 266 B. v. Issekutz: Es existiert demzufolge ein qualitativer Unter- schied zwischen Morphin, Codein, Dionin und Heroin hinsichtlich der Einwirkung auf das Atmen nicht. — Jeder dieser Stoffe vermindert die Anzahl der In- spirationen, das Volumen, die Energie und Leistungs- fähigkeit der Atmung des normal atmenden Tieres. Atmete aber das Tier oberflächlich, dann vergrössert jeder der Stoffe das Volumen, die Energie und die Leistungsfähigkeit der Atmung. I. Kaninchen, 1450 g. Atmungs- Ein Minuten- Zeit frequenz pro Atemzug volumen 1 Min. ccm cem 6h 00’ — — — Tracheotomie 6h 10’ 90 18 1620 6h 20’ 88 18,5 1628 6h 30’ Ss 18 1458 6h 40’ sl 18,2 1464,2 7h 00’ 82 18 1476 7h 20’ 80 18,3 1466,4 7h 40’ 8 18 1458 sh 00’ 18 17:5 1365 &h 20’ 78 18 1404 sh 40’ 75 18 350 9n 00’ 75 17,8 1335 9h 20’ 716 17,5 193 9h 40’ 70 18 1260 10h 00’ 70 17,8 1246 10h 20’ 66 17,5 1155 10h 40’ 68 17,5 1190 11h 00’ 683 17,6 1197 II. Kaninchen, 1150 g. > |» |& =. ei | S 5 Do = 3 = = Eis » Er a=! S h r ä | je2 | = 650 | — — ) — [ Tracheotomie 7501| 8 17 | 1496 36 17.1452 | I. Rohr ) Das 17,4 cm | hinauf, ( 95,37 gem 06 In, Kaninchen } 13,2 „ leistete > 95,00 „ 0065, | sogdas | 95 „ f alsoeine ] 74,90 „ IVaaR® Wasser bis I 5,0 „ ? Arbeitvon 147,50 „ Uber die Wirkung des Morphins, Codeins, Dionins und Heroins etc. 267 25a SER Zeit |Ss== 8235| 558 E95. A535 ea ı '’Iı<#s| << S> Be — — — 10,66 mg Heroin subkutan 810 | 56,6 | 16 | 906,66 8155| 53 14 | 743 I. | Das 12,0cm ) hinauf, (45,3 gem are, Kaninchen J 8,5 „ leistete [28 5 ME #5 sog das 7,0 „ [ also eine ]40,6 „ IV; Wasser bis U 4,5 „ ) Arbeitvon (38,4 „ 820 | 28 16 | 448 8253| 25 16 | 400 8830| 23 16,5 | 379,5 : II Ber Das ( 15,0cm \ hinauf, as gcm I. „ (Kaninchen J 11,0 „ | leistete J65,9 „ 1006 2, sogdas |] 8,0 „ also eine | 53,1 „ Ve Wasser bis 1 4,5 „ ) Arbeitvon (38,4 „ 3836| — —_ — [1,54 mg Heroin subkutan gi 2595| 14 1357 I00| 24 14 | 3836 I. Rohr ) Das ( 12 cm | hinauf, (45,3 gem I. „ | Kaninchen J| 9 „ leistete J441 „ TI j sog das \ 7 „ f also eine 1.9 5 | IVam Wasser bis 4 „ J Arbeitvon (30,4 „ Kaninchen, 1500 g. 0 | — Ze ir | 5 | 175 Be |: | _ 1850| 68 | 22,8 | 1550 I5| 6 | 21 1823 z00| co | 21 |1260 jz0| 55 | 20 | 1120 ‚920| 50 | 195 |975 Aa | 195 |9165 o| - | — Eu 10| 5 | 2ı [1575 Kaninchen, 1400 g. an »_ 30| sı | 22,5 | 1822,5 31 | 24 | 18144 Ba = = Il. Tracheotomie I. Rohr ) Das (18,35cm\} hinauf, | 108,9 gcm I. „ Kaninchen J 13,0 „ | leistete J 92,1 , Hl ! sogdas ]10,0 „ f also eine | 83.05 VE Wasser bis \ 6,0 „ ) Arbeitvon l 68,7 „ 0,5 mg Heroin subkutan T. eie Das 1190 cm ) hinauf, (80,6 gem I Kaninchen 5 12,0 „ leistete ) 78,4 „ ae sog das \ SH also eine | 63,6 „ Var, Wasser bis I 4,3 „ 7 Arbeitvon (344 „ IV. Tracheotomie I. Rohr Das 19,0 ze hinauf, 113,6 gcm INS Kaninchen J 14,0 „ U leistete ) 106,8 „ UNE sogdas 110,0 „ | also eine B SS. 00% Ivgs ; Wasser bis 1 4,8 „ } Arbeitvon I 43,78 „ 0,7 mg Heroin subkutan (0,5 pro Kilogramm) 208 B. v. Issekutz: Zei 235 = Ss Er ä =! er [E5easslzas a cl le 3 15 | 56 195 | 1092 316| 58 19,6 | 1136 320] 47,5 | 185 | 8785 3211 47 | 18 846 I. Rohr Das | 15,5cm \) hinauf, (75,6 gem 11:05 Kaninchen J 11,2 „ leistete J 684 „ I Fealesoordas 85 „ also eine |] 60,0 „ IV. „ , Wasserbis I 4,5 „ } Arbeitvon 138,47 „ 3259| 461.185 | 881 | 380 | 937 20 740 | 3321| 3 19,5 | 702 | 3935 | 86 20 720 3401| 40 | 21 S40 3 As 3522701 135 39 — | — — |1 mg Heroin subkutan (0,71 mg pro Kilogramm) 355 | 39 | 204 | 79,6 400 | 375 | 20,5 | 768,5 4 08 | I. Rohr Das 18,0cm) hinauf, (102,0 gcm | Ra Kaninchen J 13,0 „ leistete 92,18 | IN j sog das 9,5 „ f also eine | 749 „ IVa2as Wasser bis { 5,0 „ } Arbeitvon 47,5 „ 4101 38 | 21,6 | 820,8 los 362427 278152 4 19 —_ — |2 mg Heroin (1,4 mg pro Kilogramm) subkutan 4 25 | 365 ı 20 , 780 43 3l | 20,5 | 636,5 435 | 27 21 567 440 | 25 | 21,6 | 540 N 445 | 25 22,3 | 557,5 26 22 572 4 46 I. Rohr Das ( 18,0 cm hinauf, (102,0 gcm I. „ | Kaninchen J 13,0 „ | leistete J 921 „ DIT „5 sog das \ 95 „ f also eine | 749 „ IV. Wasser bis X 5,0 „ Arbeitvon | 57,4 „ 450] 30 21 620 | 27 21 367 | Asbal mei — 142 mg Heroin (3 mg pro Kilogramm) subkutan 5 05 | 20 21 420 5 10 I 26 21,3 | 553,8 520 | 25 21,5 | 337,5 527| 22 21,3 | 468,6 Ik Rn Das (185cm\ hinauf, (107,8gem Ir Kaninchen }J 13,5 „| leistete A - ML = | sogdas }10,0 „ f alsoeine | 83,0 „ IV. sE> Wasser bis I 6,0 J Arbeitvon l 68,4 „ 5359| 3 22 506 540 | 25 22 500 550 | 28 215 | 588 v. Kaninchen, 1450 g. 600 — — — | Tracheotomie 7000| 75 18 1350 180.7 772 18,5 1332 8 00 18 18,2 1409,6 Über die Wirkung des Morphins, Codeins, Dionins und Heroins etc. 269 L N je) - Beeeis53 555 52% = Te) ı !' ISA < ar 830 | 74 17,9 | 1324,6 I. Rohr | Das 17,5 cm | hinauf, 96,4 gem IE, Kaninchen } 13,0 „ leistete en = TEL sog das | Ir, also eine 1749 „ | Ve Wasser bis \ 5,3 „ )J Arbeitvon 1 50,2 „ | I.Rohr) Das 16,0em } hinauf, (80,6 gcm 19 RKaninehensp 1.2. leistete J 68,3 5 11575 | sog das | 80 „ j also eine } 53,1 „ \ IV. 5 Wasserbis ( 45 „ ll 30,4 „ 9200| 25| 15 937,5 92] — — — 10,70 mg Heroin | 223 | 56 14,7 | 824,6 31] 56 15 840 9440| 53 15 795 "945 | 50 15,2 | 760 ‚9346| — — — 12 mg Heroin (1,4 mg pro Kilogramm) 9532| 53 16 848 1005 | 42 15,5 | 651 10 07 | 40 15,5 | 620 j I. Rohr | Das 16,0 cm | hinauf, 80,6 gem | 18 Kaninchen ) 11,8 „ leistete ) 744 „ ' Ina | sog das 8,9% | also eine } 60,2 „ j IV.r; Wasser bis | 4,5 „ ) Arbeitvon 1 30,4 „ 02 | 3751| 16 600 1014| 3 16 528 0 5] — — 15 mg Heroin (3,4 mg pro Kilogramm) Ba 2 | ı7 | 316 | 27 | ı7 | 199 2085| 23 17,5 | 395 BI 2 | 7 | 3a IN I. Rohr } Das 16,5 cm } hinauf, 2 gem 3 7; Kaninchen [12% Dh Teisteter 78A, 7, j) | Il. „ f _sog das 308 | also eine } 67,2 „ | IV. „ ) Wasserbis I 4,8 Arbeitvon143,35 „ VI Kaninchen, 1700 g. 6 hen — Tracheotomie | I. er] Das 20,0cm \) hinauf, | 126, ‚0 gem | II. Kaninchen J 14,0 „ ! leistete 11068 , E| | DIES; sog das Ei: 7 | also eine f 100,4 S 4 Iv. ) ) Wasser bis | 7.0 , el 93,0, Bam - | — — 10,85 mg Heroin (0,5 mg pro Kilogramm) subkutan E20 | 60 | 20 | 1200 a 58 | 195 1 1131 BI 5 | 19 1045 Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd. 142. 18 370 B. v. Issekutz: ang| 2 | &g Zeit |@2= #85 &58 Es5e Rs: 85° v2 lee >= 7 30 50 19 950 I. Rohr Das 16,5cm \ hinauf, { 85,75 gem II. „ t Kaninchen J 12,0 „ | leistete | 78,4 ', IT.&NE | sog das 8,0 f also eine } 53,1 „ IV.&z,, Wasser bis U 5,0 „ Arbeitvon(47,5 „ 740| 3 21 630 745 28 21,2 | 593,6 7 50 23 22 506 IC | Das 19,0 cm | hinauf, { 113,7 gem 11.2; Kaninchen } 13,2, leistete IT, 2 111. % j sog das I, | also eine Y 74,9 „ IV..n, Wasser bis I 6,0 „ )J Arbeitvont 684 „ 8 00 25 21 525 vm. Kaninchen, 1480 g. 3 30 —_ — — | Tracheotomie 4 30 29 19 1501 I. Rohr I Das 18,2 cm | hinauf, (104,6 sen I. „ ! Kaninchen } 13,0 „ leistete J) 92,1 „ RL | sog das UL also eine } 63,6 „ TV: , Wasser bis { 5,5 „ ) Arbeitvon( 57,47, 4 45 —_ — — 10,75 mg Heroin (0,5 mg pro Kilogramm) subkutan 5 00 63 18 1134 915 45 17 765 5 25 33 18 594 I. Rohr } Das 17,0cm \) hinauf, (91,00 ger I. „ | Kaninchen | la) \ leistete J 68,30 „, IT. 0% | sog das | 75 „ f also eine | 46,69 „ IV Wasser bis { 4,5 „ )J Arbeitvon ( 38,47 „ vm. Kaninchen, 1300 g. 6 30 9 —_ — |] Tracheotomie 2.10] :192 12,5 | 1137,5 I. | Das 12,0cm ) hinauf, (10% ga | IT..05 Kaninchen on, leistete 40,80 „ II: ©; sog das 5,025 also eine } 20,75 „ LIVE ER; Wasser bis ( 2,0 „ )J Arbeitvon 10,50 „ 716 — u — 10,5 mg Heroin (0,55 mg pro Kilogramm( subkutan 780 75 12 900 745 46 13 618 I. Rohr Das 14,5 cm hinauf, 66,2 gcı I» Kaninchen } 10,0 „ leistete )J 545 „ 115% sog das .0=- also eine } 40,6 „ TVone Wasser bis { 3,5 „ J Arbeitvon I 23,2 „ 2 50| — — — 10,5 mg Heroin 8 00 30 15 450 8 10 32 15 480 820 27 17 459 | I. Rohr ) Das 17,0 cm hinauf, f 91,0ge Im | Kaninchen [130 5 leistete ) 93,0 „ 11I2=5 | sogdas ) 90 „ also eine } 67,2 „ IV; Wasser bis I 5,0 „ ) Arbeitvon ( 47,5 „ 8 830 25 17 425 | 8 40 26 16,5 | 421 | Über die Wirkung des Morphins, Codeins, Dionins und Heroins etc. Kaninchen, 1500 g. 271 IX, aSE| 2 53 Zeit |E2=|=53| 555 es. E28|333 miizen| < las 64A0I — _ — | Tracheotomie 740 | 85 17 1445 1. il Das 17,0 cm | hinauf, ( 91,00 gcm E27; Kaninchen j 125, leistete [2516 n IE» | sog das | 9,0 „ f also eine er 5 ver, Wasser bis 4 5,5 „ ) Arbeitvon (57,47 „ 7501 8 18 1530 7175| — — — 12 mg Morphin subkkutan 810| 7 17,5 | 1347,5 820 | 80 18 1440 I. Rohr Das min cm hinauf, 80,6 gem DIE een | E10R, \ leistete ) 68,3 „ 17.2; | sog das | 8,0 „ f also eine I: 5 VE Wasser bis { 5,0 „ )J Arbeitvon ( 41,5 „ 830] — — — 14 mg Morphin subkutan 850 | 66 17,6 | 1166 II — — — |4 mg Morphin 315 | 60 19 1140 9355| 4 20 960 950 | 44 21 924 1000 | 36 23 828 | I. Rohr Das 21,0cm ) hinauf, (139,0 gcm I. „ | Kaninchen | 16,0 „ | leistete J 139,5 „ | | III; sog das In 5 | also eine st 5 Va 2, Wasser bis \ 7,0 „ )J Arbeitvonl 9,1 „ 1015 | 30 23 690 r } X. j Kaninchen, 1020 g I — — — | Tracheotomie 1750| 8571| 17 1457 | I. Rohr Das fi cm ) hinauf, ( 75,60 gcm | I. „ | Kaninchen J11,0 ,„ Ü leistete J 65,09 , u IC zog das \ AU 5 | also eine BR 5 ii. IV. „ ) Wasserbis \ 4,5 „ ) Arbeitvon 138,47 „ 805 | 79 17 1343 Bam — — — [0,5 mg Morphin. hydrochlorie. subkutan | 75 16 1200 - B35| 73 16,2 | 1182 “8 Br — — |1 mg Morphin subkutan 3533| 70 16 1120 30| 70 15 1020 25 | 682 | 15 1023 Des — — — I. Rohr Das 15,0cm ) hinauf, { 68,00 gcm N II. ,„ L Kaninchen J 10,5 „ leistete 3 60,20 „ | ING sog das 8 also eine Ei r | IV. Wasser bis ( 40 „ )J Arbeitvon1 30,40 „ 9580| — — — |1 mg Morphin subkutan 05 | 64 15 960 | 575 | 158 | 910 ) 25 0 16 976 ‚30 — — — |2 mg Morphin subkutan ni — m pro Min Ein temzug ccm Atmungs- frequenz zz GG eu 9273 B. v. Issekutz: Über die Wirkung des Morphins, Codeins ete. | 1056| — — — 12 mg Morphin subkutan 1110| 53,5 | 16,5 | 862,5 ala ahre | — — 14 mg Morphin 11 35 | 50 16 800 1140| — — — [6 mg Morphin I. Das | 14,0 cm hinauf, ( 61,70 gem 11-2, Kaninchen {11,0 „ leistete ) 65,90 „ nl | sog das [ 4.00, also eine } 40,67 „ DVea Wasser bis X 4,0 „ ) Arbeitvon (30,40 „ 1120| 325 | 16 510 XI. Kaninchen, 1400 g. 3401 — E= — | Tracheotomie 920 | 60 22,5 | 1620 I. Rohr) Das 18,0 cm ) hinauf, ( a II. „ | Kaninchen J 13,5 „ leistete III | sog das 10,0 „ also eine 83,0 5 S SON SEV.. 9, Wasser bis ( 6,0 „ ) Arbeitvont 68,4 „ I50]I| — E= — |lIch setze das Tier der Einwirkung, einer auf 10000. 10 05 | 102 12,5 | 1275 erwärmten Luft aus ! 1010| — — — I. Rohr ) Das 11,0 cm | hinauf, EB gen 11... Kaninchen ) 7,0 „ leistete ) 27,207, 3 DIR | sog das ».0%, | also eine } 20,70 „ IV, Wasser bis {1 3,0 „ J Arbeitvon 17,10 „ 15] — — 10,02 g Morphin I. Rohr Das 16,5 cm \ hinauf, [ 85,79 gen IT. 80% Kaninchen J 112 „ leistete 5 69,97 „ El: 3% sog das 8,0 „ f also eine 153,10 „ IV. Wasser bis { 5,0 „ ) Arbeitvon 147,50 „ 1050| 45 2 | 90 u nam ’ EEE RI un Aue ne 273 Prüfung _ und Eichung des Sahli’schen Hämometers. keit: Älteres Hämometer. Von Prof. Dr. K. Bürker in Tübingen. (Hierzu Tafel XII.) Inhaltsverzeichnis. ' Einlesen R 273 2. Das Sahli’sche Hämometer und seine Anwendung . ........ 274 3. Prüfung der Standardlösung mit Hilfe der Spektroskopie, Spektrographie ImdssSpektrophotometrier. „m. a. ee ee we nee 277 4. Eichung des Hämometers auf absolute Hämoglobinwerte mit Hilfe der Spektropholometziess eh. ea ale ee en 286 l. Einleitung. Die kolorimetrischen Methoden zur quantitativen Bestimmung des Hämoglobins können nur dann als einwandfrei bezeichnet werden, wenn als Vergleichslösung eine Lösung des Blutfarbstoffes selbst verwendet wird. Zwar kann eine Pikrokarminlösung oder gefärbtes Glas im Farbenton und in der Farbenstärke einer Oxyhämoelobin- lösung von bekanntem Gehalte, wenn auch nur unter grossen Schwierig- keiten, praktisch gleich gemacht werden, aber die Gleichheit besteht dann nur bei einer bestimmten Beleuchtung; wechselt der Ton der Beleuchtung, indem Strahlen anderer Wellenlänge das Licht zu- - zusammensetzen, dann geht die Übereinstimmung verloren. Die Pikrokarminlösung ist ferner nur beschränkt haltbar, sie nimmt mit der Zeit einen gelblichen Farbenton an. Da es nun bis jetzt noch nicht gelungen ist, eine Oxyhämoglobin- lösung haltbar herzustellen, diese sich vielmehr nach einiger Zeit in eine Methämoglobinlösung oder, wenn Gelegenheit zur Reduktion ‚ gegeben ist, in eine Lösung von reduziertem Hämoglobin verwandelt, ‚so war man zur Farbenvergleichung auf resistentere Hämoglobin- ‚ derivate, wie Kohlenoxydhämoglobin, Methämoglobin, saures Hä- 974 K. Bürker: matin, und auf die Umwandlung des zu bestimmenden Oxyhämo- olobins in das betreffende Derivat ohne Änderung der Konzentration der Farbstoffgruppe angewiesen. So fand eine Kohlenoxyd- hämoglobinlösung bei der kolorimetrischen Doppelpipette von F. Hoppe-Seyler!), der modifizierten Doppelpipette von P. Giacosa?), dem Hämoglobinometer von E. Nebelthau?), dem Hämoglobino- meter von J. Haldane*) und dem Chromophotometer und Kolbenkeil- hämoglobinometer von J. Plesch’) Anwendung, eine Methämoglobin- lösung bei dem Hämoglobinometer von W. Zangemeister‘), eine salzsaure Hämatinlösung bei dem Hämometer von H. Sahli’)°). Über die Prüfung und Eichung des letzteren Apparates, der zurzeit vielfach Verwendung findet, soll im folgenden berichtet werden. 2. Das Sahli’sche Hämometer und seine Anwendung. Mit dem Sahli’schen Hämometer wird das Hämoglobin im Blute in Anlehnung an die Methode von W. R. Gowers’) in folgender Weise zweckmässig bestimmt. 1) H. Thierfelder, Felix Hoppe-Seyler’s Handbuch der physio- logisch- und pathologisch - chemischer Analyse, 7. Aufl., S. 495. Verlag von A. Hirschwald, Berlin 1903. 2) P. Giacosa, Der Hämoglobingehalt des Blutes in grossen Höhen. Zeitschr. f. physiol. Chemie Bd. 23, S. 328. 1897. 3) E. Nebelthau, Demonstration eines Apparates zur Bestimmung des Hämoglobins. Verhandl. d. Kongr. f. innere Med., 15. Kongr., S. 557. 1897. 4) J. Haldane, The colorimetric determination of haemoglobin. Foster’s und Langley’s The journ. of Physiol. Bd. 26, S. 497. 1901. 5) J. Plesch, Chromophotometer, ein neuer Apparat zur Bestimmung der Konzentration von Farblösungen, besonders zur Feststellung der Hämoglobin- konzentration und der Menge des Blutes bei Lebenden. Zeitschr. f. klin. Med. Bd. 63, S. 472. 1907 und Der Kolbenkeilhämoglobinometer, ein neuer Apparat zur funkt. Hämoglobinbestimmung. Münch. med. Wochenschr. Jahrg. 57, S. 406. 1910. 6) W. Zangemeister, Ein Apparat für kolorimetrische Messungen, ins- besondere für quantitative Hämoglobinbestimmungen. Kühne’s und Voit's Zeitschr. f. Biol. Bd. 33, S. 72. 1896. 7) H. Sahli, Neues Hämometer. Sahli’s Lehrb. d. klin. Untersuchungs- methoden, 5. Aufl., S. 845. Verlag von F. Deuticke, Leipzig und Wien 1909. 8) Die genannten Apparate, ausser dem Kolbenkeilhämoglobinometer, findet man abgebildet und die entsprechenden Methoden beschrieben bei K. Bürker, Gewinnung, qualitative und quantitative Bestimmung des Hämoglobins. Tiger- stedt’s Handb. d. physiol. Methodik Bd. 2, Abt. 1, S. 259 f. 9) W.R.Gowers, An apparatus for the clinical estimation of haemoglobin. Transactions of the clinical society of London Bd. 12, S. 64. 1879. Eu Prüfung und Eichung des Sahli’schen Hämometers. L 2375 In ein bis Skalenteil 140 graduiertes Glasröhrchen (Messröhrchen) von ea. 6,5 mm Lichtung, in welchem jeder Teilstrich 20 emm ent- spricht, wird bis zum Teilstriche 10 mit Chloroform gesättigte 1/1o-Normalsalzsäure !) gefüllt. Dann werden mit einer dem Apparate beigegebenen Kapillarpipette 20 emm Blut abgemessen, vorsichtig in die im Messröhrchen befindliche Salzsäurelösung, ohne Luftblasen zu erzeugen, ausgeblasen und zugleich mit der Spitze der Pipette Blut und Salzsäurelösung gemischt. Das rote Oxyhämoglobin wird dabei zersetzt und die Farbstoffgruppe in salzsaures Hämatin?) von brauner Farbe verwandelt; nach einer Minute ist diese Umwandlung erfolet. Darauf wird die Pipette herausgenommen und mit wenig destilliertem Wasser über dem Messröhrehen so ab- und ausgespült, dass sämtliches Spülwasser in das Röhrchen gelangt. Alsdann wird alles sorgfältig gemischt. Es empfiehlt sich nieht, den Inhalt nach Verschluss des Röhrchens zu schütteln, da sonst Lösung zu Verlust geht und störende Luftblasen entstehen; man nimmt die Mischung vielmehr mit einem in der Flamme fein ausgezogenen Glasstäbehen, dem man ein Glaskügelehen angeschmolzen hat, vor. Nunmehr wird diese Lösung mit der in einem zugeschmolzenen Glasröhrcehen befindlichen saure® Hämatinlösung, welche als Standard- lösung dem Apparate beigegeben ist, kolorimetrisch verglichen. Zu dem Zwecke kehrt man zunächst das Standardröhrchen mehrere Male um und sorgt dadurch mit Hilfe des in der Lösung befindlichen Glaskügelckens für eine möglichst gleichmässige Verteilung des Farb- ‚stoffes. Darauf wird das Standardröhrehen und das. Röhrchen mit der zu untersuchenden Blutlösung in ein durchbrochenes Hartgummi- gestell gebracht. Dieses auf der Rückseite mit einer Milchglasscheibe versehene Gestell ermöglicht es, dass nur die mittleren Teile der Röhrchen sichtbar und störende Reflexe von den Rändern der Röhr- chen her vermieden werden, wodurch der Eindruck erweckt wird, als befänden sich die Flüssigkeiten in planparallelen Trögchen. Die Blutlösung wird zunächst dunkler gefärbt als die Vergleichslösung erscheinen. 1) Zur Herstellung derselben werden 15 ccm des Acidum hydrochloricum purum der deutschen und schweizerischen Pharmakopoe, welches 25°%o HCl ent- hält, auf 1 Liter verdünnt und die Lösung zur Vermeidung von Schimmelbildung mit Chloroform gesättigt. 2) Ein Stoff, der freilich noch nicht genügend chemisch definiert ist. 376 K. Bürker: a Jetzt wird zur Blutlösung tropfenweise unter Umrühren mit dem feinausgezogenen Glasstäbehen so lange destilliertes Wasser aus einer Pipette zugefügt, bis die Blutlösung dieselbe Färbung wie die Vereleichslösung aufweist. Um möglichst unbefangen die Verdün- nung vorzunehmen, dreht man, wie es Sahli verlangt, die Skala . des graduierten Röhrehens so hinter den Hartgummirahmen, dass sie nicht sichtbar ist, und deckt ferner das Röhrchen von oben her so zu, dass man nicht sieht, wie hoch die Flüssigkeit darin steht. Man tut gut daran, bei der Verdünnung die drei Stellungen des Flüssigkeitsmeniskus zu notieren, bei welchen die zu untersuchende Lösung eben noch dunkler, gleich und eben heller gefärbt wie die Vergleichslösung erscheint; man kann sich so gleichsam auf drei Einstellungen stützen, von denen die richtige ungefähr in der Mitte zwischen der ersten und letzten celegen sein wird. Der be- treffende Skalenteil gibt dann in relativem Maasse den Hämoglobin- gehalt an. Nach den Erfahrungen Sahli’s ist Blut vom Manne in bezug auf den Hämoglobingehalt normal, wenn sich der Meniskus bei Skalenteil S0—100 einstellt, Blut von der Frau bei Einstellung zwischen den Skalenteilen 70—90. Ein Maximal- nicht ein Durch- schnittswert wurde deshalb der Vergleichslösung zugrunde gelest, weil bei dunklerem Farbenton die Einstellung auf Farbengleichheit leichter möglich ist als bei hellerem. Was noch die Herstellung der Vergleichslösung be- trifft, so verfuhr Sahli bisher in ähnlicher Weise wie bei der be- schriebenen Hämoglobinbestimmung mit Hülfe seines Hämometers. Von der passend eingestellten, filtrierten, Standardlösung wurden je etwa 2 cem in Glasröhrehen von der Weite der Messröhrchen ge- bracht und in jedes Glasröhrehen ein Glaskügelchen zugefügt, dann wurden die Röhrchen zugeschmolzen. Einem jeden Hämometer wurde ein solches Röhrchen beigegeben. Das Glaskügelchen in der Standardlösung soll, wie früher (S. 275) erwähnt, zur gleichmässigen Verteilung des Farbstoffes dienen, denn die salzsaure Hämatinlösung ist keine ganz echte Lösung, der Farbstoff sedimentiert vielmehr in ihr zum Teil, wenn die Lösung längere Zeit ruhig stehen bleibt. Um die Sedimentierung des Farbstoffes zu verhindern, hat Sahli zuerst die salzsaure Hämatinlösung statt mit Wasser mit dem spezifisch schwereren Glyzerin verdünnt; es hat sich dies aber nicht bewährt, da es schliesslich doch zur Sedimentierung Prüfung und Eichung des Sahli’schen Hämometers. I. DIE kommt und das zähere Glyzerin einer Durchmischung mit Hilfe des "Glaskügelehens hinderlich ist. Neuerdings, seit 1910, lässt Sahli seinem Hämometer eine salzsaure Hämatinlösung beigeben, welche sich noch als geeigneter zur Farbenvergleichung erwiesen hat wie die ältere Lösung. Die mit Hilfe der salzsauren Hämatinlösung durchführbare quanti- tative Hämoglobinbestimmung nach Sahli muss als eine insbesondere für den Praktiker recht geeignete kolorimetrische Methode bezeichnet werden, wenn die durch verschiedene Manipulationen im grossen her- gestellte Vergleichslösung in der Tat mit der zu untersuchenden frischen ‚Blutlösung qualitativ übereinstimmt und wenn die Vergleichslösung sich als haltbar erweist. Die Methode wird ferner noch gewinnen, wenn der Apparat auf absolute Hämoglobinwerte geeicht ist, was bis jetzt noch nicht der Fall ist. Die folgende Prüfung und Eichung der Vergleichs- lösung bezieht sich zunächst auf die ältere salzsaure Hämatinlösung; es sind mit dieser als Vergleichslösung bisher sa viele Hämoglobinbestimmungen angestellt worden und werden wohl noch angestellt, dass eine Konstatierung darüber, was man von diesen Bestimmungen zu halten hat, unbedingt nötig ist. Eine zweite, später erscheinende, Mitteilung soll sich mit der Prüfung und Eichung der neuen Vergleichslösung befassen. 3. Prüfung der Standardlösung mit Hilfe der Spektroskopie, Spektrographie und Spektrophotometrie. Die qualitative Untersuchung der Standardlösung und ihre Ver- gleichung mit der frisch aus dem Blute dargestellten sauren Hämatin- lösung wurde auf spektroskopischem, spektrographischem und spektro- photometrischem Wege vorgenommen. Zur Spektroskopie und Spektrographie wurde der vom Verfasser!) angegebene kleine Universalspektralapparat benutzt. Als Lichtquelle diente im ersteren Falle zerstreutes Sonnenlicht, im letzteren Falle direktes Sonnenlicht, das durch einen Heliostaten in den Apparat geleitet wurde. Mit Hülfe des Albrecht’schen Glas- körpers werden im Apparate, falls das nötige Licht von einer einiger- massen gleichmässig beleuchteten Fläche kommt, zwei völlig überein- stimmende Spektren erzeugt, welehe nur durch eine feine Linie 1) K. Bürker, Ein kleiner Universalspektralapparat. Kossel’s Zeitschr. f. physiol. Chemie Bd. 63, S, 295. 1909. 978 K. Bürker: voneinander getrennt sind. Die Fraunhofer’schen Linien im unteren Spektrum stehen genau an derselben Stelle wie die ent- sprechenden Linien im oberen Spektrum, so dass eine exakte Ver- gleichung möglich ist. Das Absorptionströgchen ist in zwei Abteilungen geschieden, in die eine Abteilung kommt die eine, in die andere Abteilung die andere zu vergleichende Farbstofflösung oder auch nur das Lösungsmittel. Zur Spektrographie wurde der kleine Spektralapparat durch eine ausziehbare, innen geschwärzte, Messingröhre mit dem Objektiv!) eines photographischen Apparates in Verbindung gesetzt, als photo- graphische Platte kam die sehr gut sensibilisierte Perchromo- platte von Miethe und Traube, welche die Trockenplattenfabrik OÖ. Perutz in München liefert, zur Verwendung. FExponiert wurde 5 Sekunden, entwickelt mit 15fach verdünntem Rodinal-Agfa, 150 eem des verdünnten Entwicklers enthielten noch 10 Tropfen 10 %oiger Bromkaliumlösung. Bei der vergleichend-spektroskopischen und spektro- . graphischen Untersuehung selbst wurde folgender- massen verfahren. In das Messröhrchen des Hämometers wurde bis zum Teilstriche 10 mit Chloroform gesättigte "/ıo- Normalsalzsäure gefüllt. Darauf wurden mit der Kapillarpipette 20 emm Blut aus der Fingerkuppe des Verfassers entzogen, in die verdünnte Salzsäure völlig ausgespült, frühestens nach einer Minute mit destilliertem Wasser bis Teilstrich 97 verdünnt und die so entstandene Lösung des sauren Hämatins nach sorgfältigem Mischen in die eine Abteilung des Ab- sorptionströgcehens gebracht. Zur Vergleichung wurden aus derselben Schnittwunde unter möglichst gleichen Bedingungen weitere 20 emm Blut mit einer andern Pipette entnommen, diese Blutmenge im Messröhrchen bis zum Teilstriche 97 mit 0,1 /oiger Sodalösung verdünnt, so dass eine in bezug auf die Farbstoffgruppe gleichkonzentrierte Oxyhämoglobin- lösung erhalten wurde. Nachdem letztere Lösung in die andere Ab- teilung des Absorptionströgchens übertragen worden war, wurden beide Lösungen spektroskopisch und spektrographisch untersucht. Auf Tafel XIII, Fig. 1, ist ein derartiges Spektrogramm abgebildet; zur Orientierung in den Spektren können die Fraunhofer’schen Linien dienen, von denen D, E, b und F deutlich hervortreten. 1) Im gegebenen Falle ein Zeiss-Anastigmat 1:3 F — 205 mm. Prüfung und Eichung des Sahli’schen Hämometers. 1. 279 Die Vergleichung ergibt, dass das Spektrum der salzsauren Hämatinlösung sehr wenig charakteristisch ist, das Lieht wird fast kontinuierlich vom roten bis zum violetten Ende hin mit zunehmender Stärke absorbiert, nur um die D-Linie herum ist ein Minimum der Absorption zu konstatieren. Ganz anders verhält sich die in bezug auf die prosthetische Gruppe des Farbstoffs gleich- konzentrierte Oxyhämoglobinlösung. Die von seiten der Hämatinlösung zu beobachtende Art der Absorption, bei der ein Licht bestimmter Wellenlänge nicht besonders bevorzust wird, hat aber auch ihre Vorteile bei der kolorimetrischen Untersuchung. Die allermeisten Hämoglobinderivate sind rot gefärbt, Rotblindheit oder wenigstens Rotanomalie ist aber ziemlich verbreitet. Individuen, welche mit einer derartigen Störung ihres Farbensystems ‚behaftet sind, können daher viel eher mit dem Sahli’schen Hämo- meter Bestimmungen vornehmen als mit andern Apparaten, bei welchen zur Farbenvergleichung rote Lösungen oder Gläser benutzt werden. Eine weitere Vergleichung erstreckte sich auf frisch aus dem Blute hergestellte saure Hämatinlösung und auf die in den zu- geschmolzenen Röhrchen des Hämometers befindliche Standardlösung. Zur Durchführung der Vergleichung wurde die frisch hergestellte Lösung im Messröhrehen mit destilliertem Wasser so verdünnt, dass sie vor der Milchglasscheibe des Hämometers mit der Standardlösung übereinstimmte. Vor einem durchsichtigen Hintergrund erwies sich die frisch hergestellte Lösung etwas trüber als die Standardlösung, was beereiflich ist, da letztere Lösung bisher einem umständlichen Filtrationsprozesse unterworfen wurde. Dieses Moment hat aber für die Kolorimetrie vor der Milchglasscheibe kaum etwas zu bedeuten, denn wie die spektroskopische und spektrographische Untersuchung ergibt, stimmt die ältere Standard- lösung einige Monate lang mit der frisch hergestellten Lösung völlig genügend überein. Nach dieser Zeit kommt es aber, selbst wenn die Lösung nicht unnötig dem Licht ausgesetzt wird, zu einer Abblassung, die sich dem blossen Auge so äussert, dass die Standardlösung matter, ‘ weniger farbenkräftig, erscheint als die frisch bereitete Lösung. In der Figur 2 der Tafel ist unten das Spektrogramm einer in ‚ der beschriebenen Weise frisch hergestellten sauren Hämatinlösung, oben das Spektrogramm einer nach Monaten etwas abgeblassten, 2380 K. Bürker: einem Vergleichsröhrchen entnommenen, Standardlösung wieder- gegeben. Die qualitative spektrophotometrische Uniter- N suchung der Standardlösung wurde mit dem Hüfner’schen Apparate nach einer der Hüfner’schen Methode analogen Methode vorgenommen. Diese Methode beruht darauf, dass das Verhältnis der in zwei verschiedenen, aber bestimmten, Regionen des Spektrums einer Farbstofflösung ermittelten Extinktionskoeffizienten, solange der Farbstoff sich unverändert in Lösung erhält, einen konstanten Wert aufweist. Dieser Wert bleibt, sofern die Absorption in den untersuchten Spektralgebieten eine gewisse Stetigkeit darbietet, auch bei verschiedener Konzentration des Farbstoffes konstant, verschiedene Farbstoffe zeigen aber im allgemeinen verschiedene Werte!). Wird z. B. menschliches Blut 100fach mit 0,1 °/oiger Soda- lösung verdünnt, und muss bei der Spektrophotometrie mit Hilfe des Hüfner’schen Apparates der analysierende Nikol bei Unter- suchung in der Region des nach Grün zu gelegenen Absorptions- streifens des Oxyhämoglobins (Wellenlängengebiet 534,0—542,0 uu) im Mittel um 75,68° gedreht werden, bis die Farbenintensität in den beiden ausgeschnittenen Spektralbezirken gleich ist, dann ist der Extinktionskoeffizient der Blut- resp. Oxyhämoselobinlösung für diesen Bezirk, er sei mit &’, bezeichnet, &o — — log cos? 75,68 — 1,213. Wird in derselben Weise in der Zwischenregion zwischen beiden Absorptionsstreifen (Wellenlängengebiet 556,5 —564,5 uu) untersucht und ein Drehungswinkel von 65,60° gefunden, dann beträgt der Wert des Extinktionskoeffizienten &, in dieser Region & —= — log cos? 695,60 — 0,768. Bildet man den Quotienten — er sei im folgenden „Extink- (0) tionsverhältnis“ ?) genannt, dann ergibt sich dieser zu 1) Über Einzelheiten der Spektrophotometrie, des Hüfner’schen Apparates, der Hüfner’schen Methode und über unberechtigte Einwände gegen dieselbe ist der auf S.274, Anm. 8 erwähnte Beitrag des Verfassers zum Tigerstedt’schen Handbuch der physiologischen Methodik S. 185, 191 und 195 f. nachzusehen. 2) Der Begriff „Extinktionsverhältnis“ darf nicht mit dem von K. Vierord für die quantitative Spektrophotometrie aufgestellten Begriff „Absorptions- verhältnis“ verwechselt werden, was gelegentlich geschehen ist. Prüfung und Eichung des Sahli”schen Hämometers. I. 2381 ai las: RL OTaB ©. ein Wert, welcher mit dem durch sehr viele Bestimmungen er- mittelten Werte 1,578 sehr gut übereinstimmt. Hüfner hat seiner- zeit Schwankungen dieses Wertes für Oxyhämoglobin um 2,5 °/o zu- gelassen; es dürfte dies aber doch etwas zuviel sein, da sonst Ver- unreinigungen des Oxyhämoglobins mit alkalischem Methämoglobin nicht erkannt werden könnten. Mit analoger Methodik sollte nun das Fxtinktionsverhältnis der Sahli’schen Standardlösung bestimmt und mit dem Extinktions- verhältnis der aus menschlichem Blute frisch hergestellten salzsauren Hämatinlösung verglichen werden. Dazu war aber eine Voruntersuchung nötig, durch welche entschieden werden musste, ob überhaupt die salzsaure Hämatinlösung dem Beer’schen Gesetze, auf welchem die ganze Spektrophotometrie beruht, folgt, denn diese Hämatinlösung stellt keine ganz echte Lösung dar. Zu dem Zwecke sollte dieselbe Lösung bei verschiedener Schichtendicke spektrophotometriert werden; ergab ‚sich trotz der verschiedenen Schichtendieken unter genauer Berücksichtigung derselben doch der gleiche Extinktionskoeffizient, dann durfte die salzsaure Hämatinlösung als brauchbar zur Spektrophotometrie bezeichnet werden, denn es besteht die Beziehung Dr Im und, — I 10 worin J', die übrigbleibende Stärke des Lichtes J nach dem Passieren der Lösung mit der Schichtendicke m,, &'; die übrigbleibende Stärke des Lichtes J nach dem Passieren derselben Lösung mit der Schichten- dieke m,, & in beiden Fällen den Extinktionskoeffizienten bedeutet. Daraus ergibt sich aber für J—= 1 im ersten Falle leg J" im zweiten Falle Ei Die zur Untersuchung nötige salzsaure Hämatinlösung wurde aus ‚ dem Blute des Verfassers nach den Angaben von Sahli hergestellt, sie sollte in zwei verschiedenen Trögchen des Hüfner’schen Appa- ‚ rates bei 1,000 und 1,500 em Schichtendieke untersucht werden. ‚ Das letztere Trögchen war zu dem Zwecke eigens angefertigt worden. 282 K. Bürker: Das eine Trögehen enthielt also einen Sehulz’schen Glaskörper von 1,000, das andere von 1,500 em Dicke; beide Trögehen waren aus optisch reinstem Glase hergestellt. Trotzdem konnte die Unter- suchung bei 1,500 em Schichtendieke nicht durchgeführt werden, denn der Schulz’sche Glaskörper von dieser Dieke absorbierte mehr Licht als eine gleiche Schicht Wasser oder "/ıw-Normalsalz- säurelösung. Daher wurden andere Absorptionströgchen benutzt, wie sie Verfasser seinem Universalspektralapparate!) beigibt. Diese Trögchen sind in zwei Abteilungen von gleicher Weite geteilt, in die eine Abteilung wird die Farbstofflösung, in die andere das Lösungsmittel gefüllt, so dass also der Schulz’sche Glaskörper wegfäll. Zwei solche Trögcehen wurden verwendet, das eine hatte an der in Betracht kommenden Stelle eine Weite von 0,965 em, das andere von 1,510 em; die Weite wurde mit Hilfe eines Zeiss-. schen Glasmikrometers, das 0,001 em zu schätzen gestattete, be- stimmt. Die Untersuchung geschah mit einem neuen, sorgfältig geprüften, Hüfner’schen Spektrophotometer des Tübinger physiologischen Instituts. Versuch vom 15. März 1911. | Von frischer, mit dem Blute des Verfassers hergestellter, Sahli’scher Lösung wird der Extinktionskoeffizient bei 0,965 cm Schichtendicke ungefähr in den auf S. 280 angegebenen Wellenlängengebieten bestimmt. Der Extinktions- koeffizient im ersteren Gebiete sei mit €’,,, im letzteren mit e,, bezeichnet. Weite des Kollimatorspaltes '/4o mm, Stand des Rauchglaskeiles bei 2,50 cm der Skala, Weite des Okularspaltes 6,0 Skalenteile. Der Drehungswinkel des analysierenden Nikols betrug im Mittel von zehn Einstellungen im ersteren Gebiete 68,93°, im letzteren 66,13°. Daraus berechnen sich die Extinktionskoeffizienten zu ; — 2logcos 68,93 0,889 7 Dossuae m once > __—2logeos 66,13 0,786 es 0,965 as und das Extinktionsverhältnis zu Ei OO &ys 20a 112 Die analoge Untersuchung in denselben Wellenlängengebieten, aber bei 1,510 cm Schichtendicke, ergab Drehungswinkel von 78,28 und 75,83°, daher in diesem Falle ; 5 1) K. Bürker, Ein kleiner Universalspektralapparat. Zeitschr. f. physiol. 1 Chemie Bd. 63, S. 297. 1909. f Prüfung und Eichung des Sahli’schen Hämometers. I. 2383 i — 2 logeos 78,28 1,384 oe [E51 _ —.2logeos 75,83 _ 1,222 ira oe und das Extinktionsverhältnis ’ € fs —1,18. Es Als Mittel aus beiden Bestimmungen ergibt sich also @',, zu 0,919, e,, zu 0,812, die Abweichungen vom Mittelwerte betragen nur + 0,002 bzw. + 0,003, liegen also innerhalb der Fehlergrenzen, da sich der Extinktionskoeffizient nur auf etwa 1°/o genau bestimmen lässt. Die Übereinstimmung der Extinktions- verhältnisse ist eine vollkommene. AusdemVersucheereibtsichalso,dassdie spektro- photometrische Methode zur qualitativen und quan- titativen Untersuchung dersalzsauren Hämatinlösung benutzt werdenkann, da das Absorptionsgesetz auch für diese Lösung in den in Betracht kommenden Grenzen Gültigkeit hat. Es bestehen daher auch die Resultate einer qualita- tiven spektrophotometrischen Untersuchung zu Recht, welche schon vor einem Jahre an einem grösseren Quantum Sahli’scher Vergleichslösung, wie sie früher zur Füllung der Hämometerröhrchen diente, gewonnen wurden. Die Lösung wurde Ver- fasser am 12. Februar 1910 von Herrn Professor Sahli übersandt, sie wurde sofort einer eingehenden Prüfung unterzogen, die sich deshalb eingehend gestaltete, weil es sich zugleich auch um Auswertung der Lösung zu quantitativen Zwecken handelte. Die Prüfung wurde in der Zeit vom 12.—16. Februar mit einem im hiesigen physiologisch- chemischen Institute befindlichen, von Hüfner selbst noch geprüften, ganz gleich gebauten, Apparate vorgenommen, da der jetzt dem hiesigen physiologischen Institute gehörige Apparat damals noch nicht ‚ fertig war. Der Verfasser ist Herrn Professor Dr. Thierfelder - für die Überlassung des Apparates- zu besonderem Danke verpfliehtet. Die folgende Tabelle (S. 284) enthält die Resultate der in den Wellenlängengebieten 534,0—542,0 und 556,5 —564,5 un angestellten Untersuchungen. Jeder Extinktionskoeffizient ist durch zehn Einzeleinstellungen des analysierenden Nikols ermittelt; es gründet sich also der Mittel- ‚ wert von e';, und &;, auf je 100 Einzeleinstellungen. Die grössten Abweichungen vom Mittelwerte betragen bei &;s + 0,004 und ı — 0,003, bei &;, wenn von dem ganz aus der Reihe herausfallenden 284 K. Bürker: Versuch vom 12. bis 16. Februar 1910, Drehungs- | Extinktions- | Drehungs- | Extinktions- da Nummer winkel koeffizient winkel koeffizient en p Eis p Es er ıl 71,83 0,989 69,10 0,895 1,11 2 71 42 0,993 69,33 0, 904 1,10 3 al, 28 0,987 69, 19 0, ‚99 1,10 4 71,33 0, 989 69, 17 0,898 1,10 5 zul 38 0,992 69, 27 0,902 1,10 6 21; 38 0, ‚992 69, 15 0,897 14 7 ik, ‚33 0,989 68, ‚99 0.891 11 8 71,26 0, ‚986 69, 17 0,898 1,10 9 71 1 0, 988 68, 87 0,856 1,12 10 71 40 0,992 69, 15 zn); ‚897 sh Sees en ee m u 8,967 717% Im Mittel ergab sich demnach e’, zu 0,990, e, zu 1,11. zu 0,897 und Ss Werte 0,886 abgesehen wird, + 0,007 und — 0,006, liegen also unter 1°/o des Gesamtwertes. Der Extinktionskoeffizient &;, lässt sich immer weniger genau feststellen als &';,. Schliesslich wurde auch noch eines der mehrere Monate im Besitze des Verfassers befindlichen, die Sahli’sche Vergleichslösung enthaltenden, Röhrehen des Hämometers aufgebrochen und der Ex- tinktionskoeffizient &;, der sauren Hämatinlösung zu 0,987 fest- gestellt, ein Wert, welcher mit dem obigen Mittelwert 0,990 ganz eut übereinstimmt. Es war nunmehr zu untersuchen, ob die aus Menschenblut nach der Sahli’schen Methode frisch her- gestellte saure Hämatinlösung sich qualitativ gleich wie die geprüfte Standardlösung verhielt, was wiederum mit Hilfe des gleichen Spektrophotometers auf folgende Weise ent- schieden wurde. In das graduierte Röhrchen des Hämometers wurde bis zum Teilstriche 10 Yıo-Normalsalzsäure gebracht, vom Blute des Verfassers, das aus den Fingerkuppen der linken Hand entzogen wurde, mit der Kapillarpipette des Hämometers 20 emm abgemessen und völlig in die Yıo-Normalsalzsäure ausgeblasen. Dann wurde nach einer Minute mit destilliertem Wasser 95—97 fach verdünnt, gemischt und die Lösung in der schon öfters beschriebenen Weise spektrophotometriert. Rn ? Prüfung und Eichung des Sahli’schen Hämometers. 1. 385 Die folgende Tabelle enthält die Resultate von sechs Bestim- mungen, denen 120 Ablesungen am Spektrophotometer zugrunde liegen. Die Werte der verschiedenen Versuche sind, wenigstens in bezug auf die Extinktionskoeffizienten, nieht miteinander vergleichbar, da bei verschiedener Konzentration untersucht wurde, vergleichbar sind aber die Extinktionsverhältnisse. Versuch vom 15. Juni bis 1. Juli 1910. Drehungs- | Extinktions- | Drehungs- | Extinktions- Pins rhältni Nummer _ winkel koeffizient winkel koeffizient Im 2 R nes p Eis p Es an 1 69,36 0,906 67,20 0,823 1,10 2 71,75 1; ‚008 69, 46 0, 910 1,11 3 dl, 79 1,010 69,61 0, 916 1,10 4 71, ‚55 0 ‚999 68,97 0,890 1,12 5) cl ‚63 1.003 69. 19 0,899 1,12 6 Tal; 43 RL 23 020,9] 69, EEE | 0, 22040, 906 2 RE OE Sa. — Be 5; 5,920 a ne Er | 5,344 Fra ee 6,65 €’ Im Mittel ergab sich das Extipktionsverhältnis anal Eis Spektrophotometrisch in den genannten Spektral- sebieten untersucht, stimmt also die frisch aus Menschen- blut hergestellte salzsaure Hämatinlösung völlig mit der Standardlösung des Sahli’schen Hämometers überein. Zusammenfassend ergibt sich also bei einem Rückblick auf die mit Hilfe des Spektroskops, des Spektrographen und Spektrophoto- meters durchgeführten Versuche, dass die frisch aus Menschenblut dar- gestellte salzsaure Hämatinlösung mit der Standardlösung des Sahli- schen Hämometers praktisch identisch ist, was sehr für die Richtig- keit des kolorimetrischen Prinzipes dieses Apparates spricht. Es kommt jetzt noch darauf an, zuentscheiden, ob diese ältere, dem Apparate beigegebene,salzsaure Hämatin- lösung auch längere Zeit haltbar ist. Das ist nun für ‘ einige Monate der Fall, wie aus der auf Seite 284 mitgeteilten Unter- suchung des Inhaltes eines Vergleichsröhrchens, das mehrere Monate ‚im Besitze des Verfassers war, hervorgeht. Dann blasst aber die ‚ Lösung entschieden ab, selbst wenn sie im Dunkeln aufbewahrt wird. Die bis Anfang des Jahres 1910 mit dem Sahli- Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd. 142. 19 286 K. Bürker: schen Hämometer durchgeführten Hämoglobinbestim- mungen sind also nur gültig, wenn nicht zu alte Ver- sleiehslösung zu den Bestimmungen benutzt wurde. Ganz anders scheint es mit der salzsauren Hämatinlösung, welehe Sahli neuerdings seinem. Apparate als Vergleichslösung beigibt, bestellt zu sein, nach S Monaten war auch bei spektrophoto- metrischer Untersuchung nicht im geringsten ein Abblassen zu konstatieren; es ergab sich ferner, dass auch diese Lösung dem Beer’schen Absorptionsgesetze folgt. Über die qualitative und quantitative Bestimmung dieser Lösung soll, wie erwähnt, später berichtet werden. 4. Eichung des Hämometers auf absolute Hämoglobinwerte mit Hilfe der Spektrophotometrie. Nachdem sich die ältere salzsaure Hämatinlösung wenigstens einige Monate lang für kolorimetrische Zwecke als brauch- bar erwiesen hatte, war schliesslich zu untersuchen, welchem Hämoglobingehalte sie entsprach. Zu dem Zwecke hat Verfasser von seinem eigenen, unter strengsten Kautelen für quantitative Bestimmungen aus den Fingerkuppen ent- zogenen, Blut!) 20 emm mit Hilfe der dem Hämometer beigegebenen Kapillarpipette abgemessen, das Blut völlig mit 0,1/oiger Soda- lösung in das Messröhrchen des Hämometers ausgespült und z. B. bis Skalenteil 95 mit weiterer Sodalösung verdünnt. Die so her- gestellte, völlig klare, Oxyhämoglobinlösung wurde sorgfältig gemischt und in ein Fläschchen gefüllt, das mit einem Glasstopfen verschlossen wurde. Dann wurde das Messröhrchen gereinigt, bis zum Skalen- teile 10 mit Chloroform gesättigte "/ıo-Normalsalzsäure eingefüllt, wiederum 20 emm Blut unter möglichst gleichen Umständen ent- zogen, in die Salzsäurelösung ausgeblasen und völlig ausgespült. Nach wenigstens 1 Minute wurde mit destilliertem Wasser gleich- falls bis Skalenteil 95 verdünnt. Die Konzentration der Farbstofi- ' gruppe des Hämoglobins musste dann sowohl in der Oxyhämoglobin- - als auch in der salzsauren Hämatinlösung dieselbe sein. 1) Siehe über Blutentziehung den auf S. 274 Anm. 8 zitierten Beitrag des Verfassers zum Tigerstedt’schen Handbuch der physiologischen Methodik S. 213. ] | Prüfung und Eichung des Sahli’schen Hämometers. I. 287 Nunmehr wurde die Oxyhämoglobinlösung und die saure Hämatin- lösung spektrophotometrisch mit dem Apparate des plıysiologisch- chemischen Institutes untersucht, der grösseren Genauigkeit der Be- stimmungen wegen wesentlich im Wellenlängengebiete 534,0—542,0 uu. Der dort ermittelte Extinktionskoeffizient der Oxyhämoglobinlösung sei &,. Mit Hilfe dieses Wertes und des Absorptionsverhältnisses A', von Oxyhämoglobin für diese Spektralregion ergab sich dann die Konzentration der Lösung nach der von K. Vierordt ermittelten Beziehung zu C —80:Ao, worin c die Masse des Farbstoffes, ausgedrückt in Gramm, in 1 eem der Lösung bedeutet. Die Konstante A’, ist schon früher von G. Hüfner!) und neuerdings von E. Letsche?) für denselben, vom Verfasser benutzten, Apparat und dieselbe Spektralregion im Mittel zu 1,32-10-° bestimmt worden, Hüfner fand 1,31-10, Letsche 1,33-10°. Der Mittel- wert wurde den Berechnungen zugrunde gelegt. Daher ergab sich c = &',-1,32-10=8. Darauf wurde in derselben Spektralregion der Extinktionskoeffizient der salzsauren, in bezug auf die Farbstoffgruppe gleich konzentrierten, Hämatinlösung gemessen. Wenn zwischen der Farbstoffgruppe, so- lange sie noch mit Globin zu Oxyhämoglobin verbunden war, und der freigemachten Gruppe in Form des salzsauren Hämatins eine feste ’ Beziehung bestand, dann musste der Quotient 0 einen konstanten & ts Wert % aufweisen, was in der Tat der Fall war, % wurde zu 1,32°) gefunden. Auch dieser Umstand spricht entschieden für die Richtig- keit des kolorimetrischen Prinzips. Dann gelten aber die Beziehungen ec E05 A, r ’ K ? = 20 Erik BE URAN ie,» 1,32..0.00182, 1) G. Hüfner, Neue Versuche zur Bestimmung der Sauerstoffkapazität des Blutfarbstofis. du Bois-Reymond’s Arch. f. Physiol. Jahrg. 1894, S. 137. 2) Nach noch nicht veröffentlichten Versuchen, deren Resultate dem Ver- fasser vom Autor gütigst zur Verfügung gestellt wurden. 3) Dieser Wert hat mit dem obigen gleichlautenden Werte für 4A’o nichts zu tun, 19 * 288 K. Bürker: worin ce also der Konzentration der einer sauren Hämatinlösung mit dem Fxtinktionskoeffizienten e';, entsprechenden Oxyhämoglobinlösung entspricht, also der Masse von Oxyhämoglobin, in Grammen aus- gedrückt, welche in 1 eem der Lösung enthalten ist. Damit ist die Möglichkeit gegeben, die Standardlösung des Sahli’schen Hämometers jederzeit rasch auf absolute Hämoelobin- werte zu eichen, es braucht nur der Extinktionskoeffizient &', der Lösung bestimmt zu werden. Die nötigen Unterlagen für die Richtigkeit dieser Art der Eichung sollen im folgenden gegeben werden, es wurden zehn Ver- suche, wie sie eben geschildert wurden, angestellt. Versuch vom 21. Juni bis 1. Juli 1910. Extinktions- Die untersuchte E= = =) = P . N Standardlösung mit va” | 5° koeffizient der in Ex- Anker Datum | Ver |22,02| 5 ®® | bezug auf die |tinktions- "Toetizienten der |tünnung] 23 5 | & = &| Farbstoteruppe |vorpatnsc] ED a, Bestim- des se = = s=2 on an g' ei Blute, welcher in | . > riert. 2 m olgen. mung | Blutes FRE S & ee > ek dan Oxyhämoeiai Ks RS) "En 5 zZ ts mengen in Grammpn un S is enthält 1 | 21.Juni] 98fach| 1,227 |0,00162 0,933 1,32 17,2 2122. „ |100 „| 1,200 |0,00158 0,912 1,32 172 3 288% I 1,222 10,00161 0,918 1,33 17,4 41.27. ..| 95 , | 1,338. |0,00177 1,017 1,32 17,2 5127. .| 9 , | 1342 0,0177 1.019 1,32 172 6[ 27. ), | 96 , | 1,334 [000176 1,008 1,32 173 7128 , 19 „| 1340 [0,0017 1,010 1,33 17,3 8| 30. , | 95 „ | 1,322 |0,00175 0,999 1,32 17,3 9 Juli 2390, 1,329 [0,00175 1,003 133 17,3 10:1... „| 95 , | 1,312 10.001273 0,994 1,32 172 Aus der dritten bis fünften Spalte der Tabelle ergibt sich zunächst, dass sieh der Hämoglobingehalt im Blute mit Hilfe der spektrophotometrischen Methode doch recht genau bestimmen lässt, ' aus der sechsten und siebenten Spalte, dass der Extinktionskoeffizient der salzsauren Hämatinlösung in fester Beziehung zu dem Extinktions- ' koeffizienten der in bezug auf die Farbstoffgruppe gleich konzen- | trierten Oxyhämoglobinlösung steht, was insbesondere aus der Kon- ı ’ stanz des Extinktionsverhältnisses n in der siebenten Spalte her- ı ts vorgeht. Die Werte in der letzten Spalte wurden folgendermassen gewonnen. Bei der ersten Bestimmung z. B. betrug der Extinktions- Prüfung und Eichung des Sahli’schen Hämometers. 1. 289 koeffizient der salzsauren Hämatinlösung 0,933 (Spalte 6), der Extink- tionskoeffizient der zugehörigen Oxyhämoglobinlösung (e&,) war daher (0,933-1,32, und ihm entsprach ein Oxyhämoglobingehalt (c,) von 0,00162 g in 1 cem der Lösung (Spalte 5). Der Extinktionskoeffizient der Standardlösung des Hämometers wurde früher zu 0,990 er- mittelt (S. 284), der Extinktionskoeffizient der zugehörigen Oxyhämo- elobinlösung (&;) wäre 0,990-1,32, deren Konzentration sei c,. Da sich die Konzentrationen den Extinktionskoeffizienten proportional ‘verhalten, so besteht die Beziehung A 39..0.990- u daher a — 1° & _0,00162 0,990. 1,32 > N 2: ee 2 0,933-1,32 SLOER - die Standardlösung würde also einer Oxyhämoglobinlösung ent- sprechen, welche in 1 cem 0,00172 g oder in 100 eem unverdünnten - Blutes 17,2 & Oxyhämoglobin enthalten würde. Im Mittel ergab sich für die Standardlösung ein Wert entsprechend 17,3 g Oxyhämoglobin in 100 eem Blut. Unter Zugrundelegen dieses Wertes lassen sich nunmehr mit dem Sahli’schen Hämometer auch absolute Hämoglobinbestimmungen vornehmen. Dem Teilstrich 100 des Messröhrchens würde ein Ge- halt des Blutes von 17,3 entsprechen. Würde bei einer Bestimmung der Meniskus bei Teilstrich 97 einstehen, dann wäre der Gehalt des Blutes 17,3-97 m 168. Von neu hergestellter Standardlösung braucht nur der Extinktionskoeffizient mit demselben Spektro- photometer in derselben Spektralregion genau be- stimmt zu werden, dann ist der entsprechende Oxy- hämoglobingehalt ohne weiteres gegeben. Damit ist eine sichere Basis für absolute Hämoglobinbestimmungen mit Hilfe des Sahli’schen Hämometers geschaffen. Ergebnis. Es ist ein grosser Vorzug des Sahli’schen Hämometers, dass die zur Kolorimetrie dienende Standardlösung desselben aus einem . Hämoglobinderivate (salzsaurem Hämatin) besteht, und dass sich Oxy- , hämoglobin leicht in dieses Derivat verwandeln lässt. Die qualitative spektroskopische, spektrographische und spektro- ‚ photometrische Untersuchung zeigt, dass die ältere, bis Anfang des 390 K. Bürker: Prüfung und Eichung des Sahli’schen Hämometers. I. Jahres 1910 abgegebene, Standardlösung einige Monate lang haltbar ist und während dieser Zeit mit frisch hergestellter salzsaurer Hämatinlösung übereinstimmt, dann aber abblasst. Die neuerdings hergestellte Standardlösung ist viel haltbarer, während einer 8 Monate lang dauernden Beobachtung konnte ein Abblassen dieser Lösung - nicht beobachtet werden. Da zwischen der älteren Standardlösung und der in bezug auf die Farbstoffgruppe gleich konzentrierten Oxyhämoglobinlösung eine spektrophotometrisch ermittelte feste Beziehung besteht, so kann diese Standardlösung durch Bestimmung ihres Fxtinktionskoeffizienten jeder- zeit leicht auf absolute Hämoglobinwerte geeicht werden; es ist zu erwarten, dass dies in noch höherem Maasse von der neueren Standardlösung gilt. Tafelerklärung. Fig. 1. Oben: Spektrum des frisch hergestellten salzsauren Hämatins. Unten: Spektrum des Oxyhämoglobins bei derselben Konzentration der Farbstoffgruppe. Fig. 2. Oben: Spektrum der Staudardlösung des Sahli’schen Hämometers. Unten: Spektrum des frisch hergestellten salzsauren Hämatins. lüger's Archiv f. d. ges. Physiologie. Bd. 142. Tafel II 2 Te Te nn Be a a N na en na Zu 0 on u mE N TE TE nr Ta un mn nn nn nad na taadin LT TTTn n mnn nnn n n n nm en er nn I BO 0 nn a u a — 5 von Martin Hager, Bonn. Be No Di Tafel II. Bd. 142. üger’s Archiv f. d. ges. Physiologie. 8 RL ar & von Martin Hager, Bonn. Ver 3 L ” Pflüger's Archiv f. d. ges. Physiologie. rlag von Martin Hager, Bonn. Bd. 142, Tafel IV. . Rnrei cent onferhulb Jes Sangl.nodas dei 100mm. Tortserzung von 19. Ay. U — n £ „A Ni, IL NE Res seines Zusammenhänge mit dem Gehirn beraubten Gangl.nodl bis 00mm. RLaryageusstumpfas zum durchschnilkoen Epnglnedasum hin Allanegestur) A. Gangl.modosum inlakten bei 120mm. i R des intakten Gangl.nodos bei 200 mm. ö Burn wor. bei 20m } 'w £ x nz S w a } R wu WWW = N E I R B 8 I 3 N 2 ns A }Laryngeusstumpfes zum intakten Ganglnodos. bei 120mm-c. ‚R.des Laryngevs sup Stumpfas bei 160mm.-B. Den Z.M. 7911 Kaninchen der obere Kehlkopfnerv . ee Grgl nodos N vagi aus pröparırt N Laryng, höher zum Kahlk RZ j ee ‚A.des zum intakten Gang! nodos. gehenden Stumpfes bei 120. 5 & , . “ons 23. Mai 191. R. Sanglı nodos. bei mm, _ C 23. Mar 191, AR. Gang!. nodos, dei 160mm _ & Mal 23, 1917. Rd. Vagus in der Mitte dıund dem Herzen bei 120 RT mach def Durchschneitung, 5 d. Abgangssrelle der oberen Hehlkapfüerven. Fig.12 nedosum, bei 160 mm — CL 23.Ma/ 1911, Hund AR. 6 A Gen, "aus der Hülle ausgeschält. Bis: 6:n. 20c. B.n. 18c. 5.n. 10e Lach. AnateF Wirte Daran j Pflüger'sArchiv für die ges Physiologie Bd 142. £.W. Fig. 8. I Fig h. Fig. 3. Fig 8. ee a ee rn N Be if. Bo AAN A INN, | = “ A HANAA, | oe fürdie gen Physiologie Bd 2 : Taf, vo. Fig. 20 s Aw Ve Ar 1.Apr. 19H, 19 a er _ Fig 18 PLLNGEINNNTE Fig 228 5 Fig. 22b \NAN IT, Fr Sr 3 B. \Mun,, ERNANANSON Y = ; ag Bi x Sa | \ naar YNNVV ZEN m oo \ EN mM “ Aw wa un ee fl je er a N, N Fig.17. u 16 k 5 Zi | v 2 N 5 > EN 415 Du. 2: er Bee Nat Bear. RS 5 “iss Be. an near: el ya \ at ” ar er Bar > > x T x a » ze am 10Z % Y für die ges Physiologie Bd 142 ige shcchiv Fig. 28. Fig. 24. Fig. 27. Fig: 26. 1 ea Mal... nF ee nt N = N NL Al fl N N N al I N NV" N & nn Fe Fig. 29. m een nen en Fig. 2Bb / / N N N A De pt Lith Anatı.P. Wirtz Ilarmndidt igesArchiv für die ges Prysiologie. Bd 142 Fig 32. TafX ps I —— nl 3 Fig.35 I Fig.34 s | Be v en Po: Rn en £ rt ri 1 N Fig.37b Fa n VNT Fig.37a Than, “ \N x N - d— Depres — —_ F ] ee en ie Ye Fan A N —— fin Lith Anstv P Wirtz Darmatdt Wa a Hager Da u; igeruhrchiv für die ges Piysiologio BdL.iv2 Fig 32. / Ta£xX V u ee aan 1a) = a ee a ee a = Me. MN A . rg Re: 0. , Depres IN, ne EM Ka Man Hager. un Luth AnatıeP.Wirte.Darmaindt 0 —. nd une ar ei ee ch Et a ee aa re N FlügersArchiv für die ges Piiysiolagie Bil 142, Fig. 42, Fig, 4. Ian Fig.S1. E 2 Fortsetzung von Fig. 30. Taf. XI. Fig.43. Fig.bh, Fig . Il re 1 N al a | ' Pi r op H OD PINED) Fig. 47. M Fig. 46. Be Pe ® 7 ln n19.53 sa. N, fi I Pflüger's Archiv für die ges. Physiologie. Bd.142. Fig 55. Lith Taf. ZI. Anst vF-Wirtz Darmst Pflügers Archiv f. d. ges. Physiologie Bd. 142 Tafel XIll. Fig. | I erlag von Martin Hager, Bonn Neue Photographische Gesellschaft A.-G. Steglitz-Berlin. ger, 5 i R 291 (Au dem physiologischen Institut der Universität Strassburg i. E. und der Zoologischen Station zu Neapel.) Die Dauerverkürzung der Muskeln. Von Albrecht Bethe. (Mit 4 Textfiguren.) Inhaltsübersicht. a TENIIRs 0..0.0.) on IR Ta RE EEE ER 291 Grundlagen für den Vergleich des Energieumsatzes verschiedener Muskeln estatischer) Kontraktion? 2... 28.02 14.02. de de ee 294 Bellengensundlkesultate.a. u. 0.2. sr an ee an se en 295 ran Uno (Malermuschel) »..... -..:2%.. 2 0,0 0 na. 303 DE Ro oe ee en ee 2 hei eallall he me 304 Misverckonde ee a en ee 305 ErsulunogeineäRunktion der Hast. nz... ru 307 Stoffumsatz bei verschiedener Belastung . . . ». 2. 2.2.2.2... 308 Grundlagen für den Vergleich des Tragerekords von Muschelmuskeln mit den Tragerekorden quergestreifter Muskeln... 2... 222 .2020.. 311 Be eberan Aplysia (Nacktschnecke) - - - - .-. .. 222.222 0. 313 u e 314 Sauerstoffverbrauch unter verschiedenen Bedingungen . . ..... 314 Berechnung der Länge und Spannung der Muskeln... ..... 317 Vergleich der Aplysiamuskeln mit einem quergestreiften Muskel . . 321 Die Hypothese der Unermüdbarkeit der Tonusmuskeln (durch die Dauer- verkürzung) und der Frank’sche Einwand gegen dieselbe... . . . 323 Über den statischen Energieumsatz der Gefässmuskulatur . ....... 324 Berechnung der Querschnittsbelastuug (und des Tragerekords) der Gefäss- BarkitmgKaninchen)aas. 1. una. ee ae el 326 ea sn tn a 328 ) | Einleitung. | Als Objekt physiologischer Muskelstudien haben bisher vor- wiegend die quergestreiften Muskeln gedient. Aus ihrem Verhalten ‚ wurden fast alle Gesetzmässigkeiten abgeleitet, welche man für die | Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd. 142. 20 292 Albrecht Bethe: kontraktile Substanz — auch über den Kreis des Spezialfalls hinaus — für gültig hält. Soweit diese. Gesetzmässigkeiten den Zustand lang dauernder Verkürzung (bei gleichzeitiger Spannung) betreffen, können sie folgendermaassen zusammengefasst werden: 1. Eine physiologische Dauerverkürzung kommt nur dadurch zustande, dass dem Muskel eine gewisse, je nach Art des Muskels verschiedene Anzahl von Reizen in der Zeiteinheit zufliesst; d. h. jede physiologische Dauerverkürzung ist ein Tetanus. 2. Während der Dauerverkürzung ist der Stoff- und Energiewechsel des Muskels gegenüber den Zeiten der Reizlosigkeit wesentlich erhöht. (Vermehrung der ge- lieferten Stoffwechselprodukte, Erhöhung der Wärmeproduktion.) | 3. Infolge des gesteigerten Stoffumsatzes tritt ziemlich bald „Er- | müdung“ ein; die Verkürzung lässt nach, obwohl der Reiz fort- dauert. Die Ermüdung tritt um so früher ein, je stärker die Spannung ist, d. h. je grösser die Kraft ist, welcher der verkürzte ' Muskel das Gleichgewicht hält. Der Muskel bedarf einer erheblichen Erholungszeit, um die alte Leistungsfähigkeit wiederzuerlangen. Verbrauch an Betriebsmaterial wie Anhäufung schädigender Stofl- wechselprodukte werden in gleicher Weise als Ursache der Ermüdung angeschuldiet. — | | Bei der Beschäftigung mit wirbellosen Tieren, deren Muskulatur ' in vielen Fällen nur aus glatten Fasern besteht, wurde es mir wahr- scheinlich, dass die genannten Gesetzmässigkeiten für gewisse glatte | Muskeln!), die typischen Tonusmuskeln, nicht zutreffen?). Die‘ Gründe für diese Anschauung waren folgende: 1. Es ist nicht‘ sicher, dass es sich bei den Dauerkontraktionen dieser Muskeln um! einen Tetanus handelt, nach manchen Versuchen sogar unwahrschein- lich®). 2. Gegen einen Stoffverbrauch, der auch nur annähernd! demjenigen der tetanisierten quergestreiften Muskulatur ähnlich 1) Eine Reihe glatter Muskeln Wirbelloser bewegen sich relativ schnell‘ und zeigen geringe Ausdauer bei statischer Inanspruchnahme, während andere) v. Vexküll’s Sperrmuskeln) sich relativ langsam kontrahieren, aber sehr langeıl gegen erhebliche Kräfte verkürzt bleiben können. Es ist daher durchaus nicht: „Tonusmuskel“ und „glatter Muskel“ identisch, wie manche Autoren anzunehmen! scheinen. 2) Bethe, Allgem. Anat. u. Physiol. d. Nervensystems 1903 8. 367 fi. 3)v. Vexküll’s Versuch des „Tonusfangs“ (Zeitschr. f. Biol. Bd. 9. 1905). Biedermann, Elektrophysiologie 1895 S. 56. Die Dauerverkürzung der Muskeln. 293 wäre, schienen mir Versuche an Aplysien zu sprechen. 3. Aus Ver- suchen an diesen und anderen Mollusken schien mir hervorzugehen, dass die Tonusmuskeln. während der Dauerverkürzung nicht er- müden. Ich stellte daher die These auf, dass die Tonusmuskeln ihre Verkürzungszustände auch gegen grosse Kräfte aufrechterhielten, ohne dabei in höherem Maasse wenbeit‘!) zu leisten alsim Zustande grösster, spannungsloser Länge. Es spricht nicht gegen die Richtigkeit dieser These, die sich mehr auf allgemeine Betrachtungen und rohe Schätzungen als auf quantitative Beweise stützte, dass dieselbe Mög- lichkeit, wie Frank?) hervorhebt, schon von Fick?) für den quer- sgestreiften Muskel diskutiert, aber verworfen ist. In der Zwischenzeit von 8 Jahren habe ich mehrfach Versuche unternommen, um meine Hypothese weiter zu stützen und durch quantitative Experimente zu sichern. Aus äusseren Gründen habe ich diese Arbeiten nicht so weit fördern können, wie es mir wünschens- wert erschien. Ich würde daher mein Material auch jetzt noch nicht publizieren, wenn nicht inzwischen eine Arbeit von Parnast) er- schienen wäre, welche die Frage für den Muschelmuskel durchaus in meinem Sinne entscheidet. Er konnte durch ausgedehnte Ver- suche über den respiratorischen Stoffwechsel zeigen, dass sehr srosse Dauerbelastung der kontrahierten Muskeln keine irgendwie nachweisbare Erhöhung des Energie- umsatzes hervorruft. Nachdem hierdurch die Richtigkeit der These für die Tonusmuskeln einiger Tiere erwiesen ist, können meine Versuche, obwohl sie nicht abgeschlossen sind, als weiteres Material dienen, da sie die Frage zum Teil von einer anderen Seite anfassen, zum Teil auch an einem ganz anderen Material an- Sestellt sind. Bevor ich auf die Versuche selber eingehe, will ich die Grund- lagen besprechen, welche mir für den Vergleich des Energieumsatzes verschiedener Muskeln während der Dauerkontraktion maassgebend zu sein scheinen. I) Gemeint ist natürlich „innere Arbeit“. 2) Frank, Ergebn. d. Physiol. Bd. 2 S. 502—503. 1904. 8) Fick, Ptlüger’s Arch. Bd. 51. 1892. 4) Pflüger’s Arch. Bd. 134. 1910. 2394 Albrecht Bethe: Grundlagen für den Vergleich des Energieumsatzes verschiedener Muskeln bei statischer Kontraktion. Nach der herrschenden Lehre leistet ein Muskel, wenn er in verkürztem Zustand ein Gewicht gehoben hält, stets innere Arbeit, obwohl eine Arbeitsleistung im Sinne der Physik nicht vorliegt. Diese innere Arbeit („statische Arbeit“ der alten Autoren, „statischer Energieumsatz“ Frank’s) tritt als Wärme in Erscheinung und ent- spricht der Umsetzung einer gewissen Menge chemischer Energie. Diese Lehre stützt sich lediglich auf Untersuchungen an quer- gestreiften Muskeln. Wenn nun hier behauptet wird, dass die typischen Tonusmuskeln keine innere Arbeit bei statischer Kontrak- tion leisten, so muss zunächst festgestellt werden, nach welchem Maassstab der Vergleich zwischen den bisher allein untersuchten, quergestreiften Skelettmuskeln und den glatten Tonusmuskeln an- zustellen ist. Parnas!) legt seinen Berechnungen folgende Annahme zu- srunde: „Die Erhöhung des Energieumsatzes eines Muskels bei Aus- übung statischer Kräfte im Kontraktionszustand ist unabhängig von seiner Masse und seinem Querschnitt; sie hänet nur von der aus- geübten Kraft, der relativen Verkürzung, der Kontraktionsdauer und der Natur der Muskeln ab.“ In diesem Satz ist implieite enthalten, dass der Energie- umsatz auch unabhängig von der Länge des Muskels ist. Ich halte diese Annahme nicht für zulässig, aus Gründen, die gleich besprochen werden sollen. Im folgenden bedeute A die innere Arbeit), @ den (überall gleichmässig gedachten) Querschnitt und Z die Länge des Muskels?°), P das angehängte Gewicht und ? die Zeit. 1) Pflüger’s Arch. Bd. 134 8. 488. 1910. 2) Der Ruhestoffwechsel des Muskels soll unberücksichtigt bleiben. Mit A! ist also die Differenz des Energieumsatzes bei Dauerkontraktion und Ruhe gemeint. 9) Unter L soll die Länge des stets um den gleichen Prozentsatz gegen seine Ruhelänge verkürzten Muskels verstanden werden. Als Unterlage der’ Theorie können daher nur Versuche an willkürlich innervierten Muskeln (Mensch) dienen, da nur bei diesen eine prozentual gleiche Verkürzung bei ver-ı schiedener Last zu erzielen ist. Die ausgedehnten thermoelektrischen Unter- euchungen können für die Theorie der Dauerkontraktion nur eine untergeordnete Rolle spielen. Die Dauerverkürzung der Muskeln. 295 1. Z, © und 2 seien konstant, P sei variabel. Dann ist A pro- portional dem Gewicht: A—=%k-P. 2. L, Q und P seien konstant; t sei variabel. Dann ist der Energieumsatz (A) proportional der Zeit (): A=x-t. Die annähernde Richtigkeit des Satzes 1 und 2 erhellt aus den Versuchen von Fick, Blix, Speck, Chauveau, Jobansson u. a.!). Bornstein und Poher?°) fanden zwar, dass der Energieumsatz beim Menschen nicht pro- portional dem Gewicht und der Zeit, sondern in stärkerem Maasse ansteigt; doch kann dies vielleicht darauf zurückgeführt werden, dass bei höherer Last und längerer Zeit mehr Hilfsmuskeln in Aktion treten (siehe dazu: R. Müller, Wundt’s philosophische Studien Bd. 17 S. 1ff. 1901). 3. L, P und t seien konstant; @ sei variabel. — Man denke sich zwei gleiche und gleich stark tetanisierte Muskeln nebeneinander- sehänst und zusammen mit dem Gewicht P belastet, wobei die innere Arbeit A betragen möge. Das ist dasselbe, als ob jeder Muskel mit !/s P belastet wäre, wobei jeder !/» A leisten würde. Da nın A=%-Pist, so würde ein Muskel allein mit P (statt !/a P) belastet (wie beide Muskeln zusammen mit dem gleichen Ge- wicht) auch die innere Arbeit A leisten, d. h. der Energieumsatz ist unabhängig vom Querschnitt). 4. P, it und ® seien konstant; Z sei variabel. Es ist dann der Energieumsatz proportional der Länge: A—=f: 1. Wäre die Länge ohne Einfluss, so müsste der Energieumsatz jedes Muskelstücks (z. B. des Muskelstücks von 2/4 Länge) der gleiche sein wie der des ganzen Muskels; oder es müsste der Enersieumsatz bei mehreren aneinandergehängten Muskeln gleich dem des einzelnen Muskels sein *). l) Die Proportionalität trifft nur zu, sofern die Lasten und die Zeiten die physiologisch zulässige Grösse nicht überschreiten, oder, wie Chauveau sich ausdrückt, wenn die „statische Arbeit“ ohne Ermüdung ausgeübt wird. (Compt. - rend. t. 142 p. 977. 1906.) Die zulässigen Lasten sind vorwiegend abhängig von der Grösse des Muskelquerschnittes, die zulässigen Zeiten von der Art des Muskels. - 2) Pflüger’s Arch. Bd. 95 S. 146—156. 1903. 3) Bei zu geringem Querschnitt wird Überdehnung eintreten, und Gleich- gewicht zwischen Last und Muskelspannung wird ausbleiben. 4) Vergleichbare Versuche an verschieden langen Muskeln derselben Tierart sind mir nicht bekannt. Dieser Punkt bedarf also, wenn auch an und für sich durchaus plausibel, noch der experimentellen Bestätigung. 296 Albrecht Bethe; Es ist also der Energieumsatz des statisch kon- trahierten Muskels nach den Versuchen am quer- gestreiften Skelettmuskel proportional der Last, der Zeit und der Länge und unabhängig vom Querschnitt!?), Ar KB) Masse K . Ptm Querschnitt *” Q ): In dem Proportionalitätsfaktor X wird man eine für jeden Muskel spezifische Konstante erblicken können. Die Grösse derselben wird für einige quergestreifte Muskeln weiter unten berechnet werden. Tendiert die Grösse von KÄ gegen Null, so wird auch die innere Arbeit bei der Dauerkontraktion kleiner und schliesslich Null werden. Wir hatten bisher angenommen, dass die verglichenen Muskeln stets den gleichen Verkürzunesgrad haben sollten. Über die Grösse der inneren Arbeit bei verschiedenem Verkürzungsgrad ist schwer ein sicherer Aufschluss zu erhalten. Nach Blix?°) ist die‘ Wärmemenge, welche bei verschiedener Länge desselben Muskels produziert wird, von der jeweiligen Länge abhängig. Je grösser die relative Länge, desto grösser ist die bei gleichem Reiz ab- gegebene Wärmemenge. Die Angabe von Fick), dass bei gleicher Spannung die Wärmeproduktion bei der geringeren Länge grösser sei, führt er auf die stärkere zur Erzielung dieses Resultats nötige ü Reizung zurück. — Auch aus Versuchen am Menschen war ge- schlossen worden, dass der Stoffumsatz mit der Verkürzung bei gleicher Last wächst’). Die gefundenen Unterschiede werden aber verschwindend klein, wenn man berücksichtigt, dass die wirklich am Muskel angreifende Last sich infolge der Veränderung der wirk- samen Hebellängen und der Drehmomente stark verändert [Parnas®)]. (oder auch, da hier / annähernd — 1) Punkt 1,2 und 4 decken sich mit den Annahmen von Parnas, Punkt jedoch nicht. Offenbar hat ihm aber das Vorhandensein eines Einflusses der‘ Länge vorgeschwebt; sonst hätte er nicht den Energieumsatz der drei aneinander- gehängten Muschelmuskeln durch 3 geteilt. Die Versuche von Parnas bleiben! auch dann noch vollkommen beweisend, wenn man die Längen der verwendeter Muskeln in Rechnung setzt. 2) Die drei Konstanten %k, z und £ lı in die Konstante Ä zusammengezogen! 3) Skandin. Arch. Bd. 12 S. 119. 1902. 4) Pflüger’s Arch. Bd. 57 8. 65—77. 189. 5) Tissot, Arch. de Physiol. norm. et path. t.9 p. 82. 1897. — Johanssoı und Koraen, Skandin. Arch. f. Physiol. Bd. 13 S. 236—237. 1902. 6) Pflüger’s Arch. Bd. 134 S. 492. 1910. Die Dauerverkürzung der Muskeln. 297 Nun wird zwar wohl die Abhängiekeit des Stoffumsatzes von der relativen Verkürzung kein einfaches Proportionalitätsverhältnis sein, sondern eine kompliziertere Funktion (Blix sagt darüber nichts Genaues); es wird aber im folgenden sicher kein grosser Fehler dadurch entstehen, dass die relative Verkürzung der untersuchten Muskeln unberücksichtigt blieb, und dass immer nur die absolute Länge der Muskeln in Rechnung gesetzt wurde, gleichgültig, ob die Muskeln stark oder schwach verkürzt waren. Es wird hieraus um So weniger ein wesentlicher Fehler entstehen, als der relative Verkürzungsgrad bei den verschiedenen Muskeln häufig nur geringe Unterschiede aufwies. Berechnung des Faktors<ÄK für quergestreifte Muskeln. Als Maass des inneren Energieumsatzes bei der statischen Kontraktion quergestreifter Muskeln wurden die Zahlen des Mehrverbrauchs von Sauerstoff bei willkürlicher Dauerkontraktion menschlicher Oberarmmuskeln zugrunde gelegt und aus diesen der Mehrverbrauch pro Gramm Last, Zentimeter Muskel- länge und Stunde Kontraktionsdauer berechnet. Es ergibt sich proGramm, Zentimeter und Stunde eine innere Arbeit, welehe der Aufnahme von 0,0111—0,019 mg Sauerstoff resp. der Verbrennung von 0,0118—0,0208 mg Zucker oder 0,0049 —0,0087 mg Fett entspricht. Ich werde im folgenden den Durchschnittswert von 0,015 mg Sauer- stoff = 0,016 me Zucker = 0,0067 mg Fett benutzen. Der Wert 0,0111 mg O, pro Zentimeter, Gramm und Stunde wurde aus der Angabe von Johansson und Koraen!) gewonnen, dass beim Halten einer Last ‚von 20,4 kg mit Hilfe des gebeusten Armes (Einstellung des Schlittens ihres Apparates auf 40,5 cm) eine Mehrausscheidung von 0,0083 g CO, in der Sekunde ‚stattfindet. Nach der Berechnung von Parnas?) lastet dabei auf den Oberarm- muskeln ein Zug von ungefähr 160 kg bei annähernd rechtwinkliger Stellung des Oberarms zum Unterarm. Die Länge des Hauptbeugemuskels, des Biceps, wurde ‚bei dieser Stellung zu 12 cm angenommen. — Direkter gewonnen ist der zweite Wert von 0,019 mg 0, pro Zentimeter, Gramm und Stunde. Tissot®) fand im Minimum beim Halten von 5 kg mit rechtwinklig gebeugtem Arm in 2 Minuten ‘einen Mehrverbrauch von 201 und 226 ccm O,, im Mittel also 214 ccm. Bei 1) Skandin. Arch. f. Physiol. Bd. 13 S. 236. 2) Pflüger’s Arch. Bd. 134 S. 492. 3) Arch. de Physiol. norm. et path. t.9 p. 86 et 87 (Exp. III et IV). 1897. 298 Albrecht Bethe: einem Verhältnis der Hebelarme (Angriffspunkt des Biceps und des Gewichts) von 1:7,5 ziehen also am Muskel 37,5 kg [aus dem Drehmoment!) für 90° berechnet 36,5 kg]. Daraus berechnet sich bei einer Länge des muskulären Teils des Biceps von 12 cm (bei 90° Beugung) der Wert von 0,0191 mg O, pro Zenti- meter, Gramm und Stunde. Für die Berechnung des Energieverbrauchs aus thermo -elektrischen Ver- suchen fehlt es bei der Unsicherheit der absoluten Werte an einer geeigneten Unterlage. Bei Umrechnung des von Parnas berechneten Versuchs von Dani- lewsky würde sich für den Froschmuskel pro Zentimeter, Gramm und Stunde ein Wert von 0,054 mg 0, ergeben, wenn man die Länge des kontrahierten Muskels zu 2 cm annimmt. Der Wert wäre also mehr als dreimal so gross wie beim ‚Menschen. Fragestellungen und Resultate meiner Versuche. 1. Übt die Grösse der Belastung einen Einfluss auf den Stoff- umsatz der Tonusmuskeln während der Dauerkontraktion ?) aus? In den Parnas’schen Versuchen zeigte sich auch nicht die ge- ringste Steigerung des Stoffumsatzes bei der Belastung der Schliess- muskeln verschiedener Lamellibranchiaten (Bestimmung des Sauerstoff- verbrauchs pro Stunde). — Ich habe folgende Befunde hinzuzufügen: a) Teichmuscheln wurden 24—25 Tage ohne Nahrung gelassen. Ihre Schliessmuskeln waren zum Teil nur vom Zug des Schalen- bandes belastet (ca. 170 g am Muskel), zum Teil waren sie mit Zusatzgewichten versehen (Zug am Muskel ca. 500 g). Bestimmungen der Gewichtsabnahme und der Trockensubstanz ergaben, dass die stark belasteten Tiere nicht mehr an Lebendgewicht und Trockengewicht verloren hatten als die gering 1) Braune und Fischer, Abhandl. math.-phys. Klasse kgl. sächs. Gesellsch. d. Wissensch. Bd. 15 S. 269. 1889. 2) Es sei hier bemerkt, dass es bei vielen Tonusmuskeln ebenso schwer ist, einen länger dauernden Zustand grösster Erschlaffung hervorzurufen, wie einen quergestreiften Muskel während längerer Zeit im Zustand der Kontraktion zu erhalten. Die meisten typischen Tonusmuskeln beharren fast während des ganzen Lebens dauernd in einem mehr oder weniger hohen Verkürzungszustand, der ' gewöhnlich auch mit einer dauernden und erheblichen Spannung verbunden ist. . Wenn nicht Narkotika oder andre lähmende Gifte zur Einwirkung gelangen, geht | der Tonus immer nur ganz vorübergehend auf geringe Grade zurück. Es ist | daher bei Muscheln, Aplysien usw. unmöglich, den Stoffumsatz während spannungs- ° loser, grösster Länge mit dem Stoffumsatz während der Verkürzung und hoher | Spannung zu vergleichen, da die Narkotika usw. ja nicht nur den Verkürzungs- zustand beeinflussen. Man kann nur den verkürzten Muskel während Zeiten hoher und geringer Belastung vergleichen. | Die Dauerverkürzung der Muskeln. 299 belasteten. Allein für die Trageleistung hätte der querge- streifte Menschenmuskel 8,Smal mehr an Zucker ver- brannt, als die ganze Trockensubstanz der Tiere am Anfang des Versuchs betragen haben kann (siehe S. 311). b) Es wurde der Sauerstoffverbrauch von Aplysien bestimmt: 1. bei geringer Muskelspannung (z. B. 70 g Last für die Zirkulär- muskulatur und 15 g für die Längsmuskulatur) und 2. bei hoher Muskelspannung im Dauertonus (269 & für die Zirkulärmuskulatur und 85 & für die Längsmuskulatur). Der Sauerstoffverbrauch zeigte sich im letzteren Fall nicht im geringsten erhöht (siehe S. 322). c) Die Muskulatur der Arterien des Menschen würde, wenn sie zur Aufrechterhaltung der Spannung desselben Stoffumsatzes bedürfte wie die quergestreifte Muskulatur, Y/s bis !/ı des gesamten mensch- lichen Ruheumsatzes für sich erfordern. Das ist in Anbetracht der sehr geringen Masse dieser Muskulatur ein vollkommen unmögliches Verhältnis (siehe S. 325). 2. Ist die Ermüdbarkeit des glatten Tonusmuskels abhängig von der im Verkürzungszustand getragenen Last? Der Vergleich zwischen hungernden Muscheln, deren Muskeln durch viele Tage hindurch (bis zu 25 Tagen): a) nur durch den Zug des Schlossbandes, b) durch Zusatzgerichte stark belastet waren, ergab, dass die letzteren am Schluss nieht weniger leistungsfähig waren als die ersteren. Auch dann, wenn die Versuche bis zum Tode der Versuchstiere durchgeführt werden, zeigt sich kein Unterschied zwischen den hoch- und geringbelasteten. Die Dauerhelastung übt also keinen schädigenden (ermüdenden) Ein- fluss auf die Tonusmuskeln aus. Mit anderen Worten: Die Trage- zeit, d. h. die Zeit, während welcher eine Last getragen werden kann, ist beim Tonusmuskel unabhängig von der Grösse dieser Last, während sie sich beim quergestreiften Muskel mit der Grösse der Last sehr schnell vermindert. (Voraussetzung ist natürlich, dass die Muskeln nicht überlastet werden.) (Siehe S. 307). 5. Ermüden quergestreifte Muskeln beim Tragen von Lasten in verkürztem Zustande wesentlich schneller als glatte Tonusmuskeln ? Ein Vergleich der Ermüdbarkeit verschiedener Muskeln (durch Lasttragen) würde sich am eindeutigsten durchführen lassen, wenn man bei gleicher Belastung pro Quadratzentimeter Querschnitt die 300 Albrecht Bethe: längstmögliche Tragezeit bestimmte. Ein solcher Vergleich ist aber aus dem Grunde nicht durchführbar, dass manche quergestreifte Muskeln Lasten, welche der Muscheladduktor und die‘ Gefässmuskulatur während des ganzen Lebens tragen, überhaupt nicht bei einer unter der Ruhelänge ge-- legenen Verkürzungslänge zu tragen vermögen. Es musste daher der Begriff des Tragerekords!) eingeführt werden. Unter Tragerekord verstehe ich das Produkt der vom Muskel im Verkürzungszustand pro Quadratzentimeter Querschnitt getragenen Last und der maximalen Zeit, während welcher die Last ohne Schädigung des Muskels getragen werden kann (Tragerekora an Gramm Last = Quadratzentimeter Querschnitt Die folgende Tabelle I (S. 301) gibt eine Zusammenstellung der aus‘ den Versuchen berechneten Tragerekorde. Aus dieser Tabelle ist zu ersehen, dass die bei äusserster An-ı strengung möglichen Tragerekorde quergestreifter Muskeln‘ - Stunden Tragezeit)) im Mittel etwa hunderttausendmal geringer sind als die der typischen Tonusmuskeln. Am geringwertiesten ist der Froschmuskel, der auch nur auf schnelle Bewegungen, aber nicht auf dauernden Widerstand gegen Zug angepasst ist. Sein Trage-' rekord ist bei einer Querschnittsbelastung von 900 g/qgem — dem dritten Teil von dem, was des Muscheladduetor mit Leiehtig-' keit trägt — mindestens 1 Million mal geringer als der des Museheladduetors und etwa 30 Millionen mal geringer als der Trage- rekord der Gefässmuskulatur des Kaninchens. Am hochwertiesten ist die quergestreifte Muskulatur des Menschen, deren Tragerekord nur 8700 bis 51000 mal geringer ist als der des Muscheladduetors und nur 240000 bis 1400000 mal geringer als derjenige der Gefäss- muskulatur des Kaninchens. Nach der Zusammenstellung erscheint der glatte Gefässmuskel wesentlich leistungsfähiger als der Muscheladductor. In Wirklich- 1) Es ist schwer für das, was gemeint ist, ein passendes Wort zu findene „Irageleistung“ wäre nicht schlecht, kann aber leicht missverstanden werden! da „Leistung“ in der Physik ein Arbeitsmaass (in der Zeit) bedeutet. „Rekord‘ ist angängig, da dies Wort in der Athletik nicht nur für Arbeit in der Zeit sondern auch für Kraft in der Zeit (z. B. Halten von Gewichten usw.) be nutzt wird, s0l Die Dauerverkürzung der Muskeln. 9z8 'S Ayoıs Sunuyaaaag Aap Ay oIp dag) 'oduyrf WO [ UOA Yongssyoawyyp ur9 any Joug99aag (£ jOMOMJBUNXTIL OUION SITEJUOgE purs P—q — "210898 Sunuydoyy UT OZodeı], Se Syeuountyyury Aop NOZ aIp nu Op.ImA ST IST UONONDSH8 Aaıy STe “uopAoM 3290895UR A9SUR] TOTA OSTE 9YUUON OZOABL], 9Iq 'purs zany Ayos uoylozsdunuuedsyumg aIp ep “uoyfeynzsne pulonep sugar] uadLıyelıyou sap puaayeMm SuZ uasoıp uONSUM 9Ip usqeg yasıyyerg "uues] UST] PuwgszopıM NOZ zn Any nu [ONSUM (BTOIASSFSRAy9S) Oouyds A9p wep ‘uaeynzsne sopurquajeyds SOp SnZ uap Puaonep ufoySn UaNR]S ap uogey 19q81 -SunigeN pun mwepgog Hugo uHTEIISSEL) uU9uTdı UT y9nY “u9ssojgdsad UOWULON][OA 48EF uJoyosnwuypTo], uagqlojq Ssaoyury sap pusayeM (2 °C, sOqwIg SEp uajyezZ uap yaeu Yuga9aag) "wojowmuozyeiıpend, Oad Sunysepag 8 006 194 SNITUIUIO.LISLITISOTLT SOP PAONOLOSKAL AOP STE IST 198501 STONSNL uopuayaaoq Ssop PAOY9LOFLAT, I9p Tewf9Tasım ‘uw Iq18 8 qeIg zu (1 I uR I 008 | co | 008 EN en (te 9) yosorg (I SI L’9 009 co („OR ILL00 | 008 onen s snmomongseg | ' ° (ITE'S) sorg (A el Fr 068 Fo (‚E)so0'0 | 00r > snrwouponsen | = (TTE:S)- 81017 (F SI 19 019 Fo ‚ro | 008 ee snrmauonsen |° ° "(IE 'S) 89917 (U 6898 SPI—86 0°63 ee en N 000 18 9 smmaogg sop aoßnog |: ° (TIE'S) wosuom (8 ECI—9L G1LC— 182 OGIT {| a Dun a, } 005 18 09 suaeaagg sop wonagy | ° (TIE'S) WsuoW (F sOT-0L8 —&s & kur nd IN : De omnengy j 2525 | 25%32]| -uoypon] SOJOIMOSPUAAO"TT (oyau) rl OY>ITUTOTISAUE AA 5 S Sun 5 sop augeugqy wweis) UI JU9IM9SPU9gaT (IT SPqeL yane AydropsaoA) "HAOTISYONSTHA A9P FU9TMISUIMIOLL Pun SOJUITMISPUIgIT SIP SZUNTIPURTIA "II S11998L 310 | i | | | | Die Dauerverkürzung der Muskeln, 311 Man wird aber annehmen dürfen, dass die Abnahme der Trocken- substanz in den einzelnen Perioden prozentualiter nicht höher ist, als die des Nassgewichtes. Hierfür spricht, dass die Menge der Trockensubstanz im Verhältnis zum Lebendgewicht mit der Dauer des Hungerns nicht abnimmt, sondern eher zuzunehmen scheint. (Ausserdem scheint die Trockensubstanz bei kleinen Tieren relativ höher zu sein als bei grossen.) Auch die Fettmengen (alkohollös- liche Substanz) zeigen keine typischen Unterschiede. Starke Dauerbelastung der Schliessmuskeln bewirkt also keine nachweisbare Erhöhung des Stoffumsatzes. Ein quergestreifter Muskel verbraucht nach unseren anfänglichen Berechnungen pro Zentimeter Länge und Gramm und Stunde Be- lastung 0,016 mg Zucker oder 0,0067 mg Fett. Hätte der glatte Schliessmuskel denselben Energieumsatz bei der Dauerkontraktion, wie der quergestreifte Wirbeltiermuskel, so würde das Tier 5 in der ersten Periode allen für die Muskelleistung 2,33 g Zucker, in der zweiten Periode 4,93 sg Zucker ver- brannt haben; zusammen 7,26 g Zucker oder 3,04 g Fett. Das ist 8,3 resp. 3,7mal mehr als die ganze Trockensubstanz des Tieres! Der ganze Verlust an Trockensubstanz beträgt aber nur ca. 0,15 g, das ist !/sse von dem, was der Muskel allein hätte verbrauchen sollen. Der Muskel ist nun ungefähr !/so der Weichteile. Rechnen wir für den glatten Muskel einen dreimal höheren Stoffwechsel als für die übrigen Gewebe, so würde der Gesamtumsatz der Adductoren mindestens 1200 mal geringer gewesen sein als der Mehrumsatz eines quergestreiften Muskels bei Verbrennung von Zucker (und bei gleicher Belastung und Dauer). Auch aus diesen Versuchen und Bereehnungen ergibt sich, dass ein erhöhter Stoffverbrauch des Muschelmuskels während der Dauerbelastung im höchsten Grade unwahrscheinlich ist. Sollte er doch vorhanden sein, so muss er mindestens einige tausend- ‚ mal geringer sein, als der der quergestreiften Muskeln. Grundlagen für den Vergleich des Tragerekords von Muschel- muskeln mit den Tragerekorden quergestreifter Muskeln. (Die Resultate des Vergleiches sind im Kapitel „Fragestellungen und Resultate“ auf S. 301 bereits mitgeteilt.) Bei der Vergleichung wurden folgende Gesichtspunkte zugrunde | gelegt: 312 Albrecht Bethe: 1. Die Lasten müssen gehalten werden bei einer Länge des Muskels, welche geringer ist als die physiologische Maximallänge, da auch die Länge der Muschel- muskeln immer weit unter der physiologischen Maximallänge gelegen ist. (Maximallänge der Muschelmuskeln [grösste physiologische Schalenöffnung] ver- hält sich zur Minimallänge [Schalenschluss], nahezu wie 3:2). Bei den vom Nerven aus tetanisierten!) Frosch- und Krötenmuskeln kam also nur die Zeit in Betracht, in welcher das Gewicht mit einer geringeren als der grössten physio- logischen Länge gehalten wurde. Streng genommen hätte schon der Teil der Tetanuskurve nicht mehr zu gelten, in welchem die Kurve sinkt. Der Muskel ist in diesem. Stadium nicht mehr fähig der Last das Gleichgewicht zu halten oder nach Veränderung des Reizes, das Gewicht wieder höher zu heben, oder ein noch schwereres zu tragen. Das sind aber Dinge, die das Vergleichsobjekt, der Muschelmuskel, auch am Ende des Versuches noch zu leisten imstande ist. 2. Die Last ist zu beziehen auf gleiche Querschnittsfläche: Der mittlere (Querschnitt beider Adductoren von Unio zusammen, berechnet sich bei mittel- grossen Tieren aus Länge und Gewicht (bei geschlossener Schale, also grösster physiologischer Verkürzung zu 0,49—0,51 qem (im Mittel 0,5 qem). Die Muskeln der Lamellibranchiaten bestehen nun aus einem trüben, weissen Teil, der aus glatten Fasern besteht, und einem glasigen, gelblichen Teil der aus schräg- gestreiften Fasern besteht. Der Erstere ist nach den Untersuchungen von Coutance, Ihering, Marceau?) u. a. allein imstande grössere Lasten längere Zeit zu tragen. Wir haben uns nur mit diesem glatten Anteil zu befassen. Dieser macht nach Marceau bei der (der Malermuschel naheverwandten) Unio tumidus "/ı bis U/s des Gesamtquerschnitts aus?). Bei Unio pictorum wird also als Quer- schnitt des tragenden Muskelteiles 0,13—0,17 gem (im Mittel 0,15 qcm) einzusetzen sein. — Muskeln, die in verkürztem Zustande eine ebenso grosse Querschnitts- belastung aushalten können wie die Muschelmuskeln in den Dauerversuchen, finden sich zwar unter den quergestreiften Muskeln des Menschen, aber nicht unter den gebräuchlichen Skelettmuskeln des Frosches und der Kröte. Hier mussten geringere Querschnittsbelastungen angewandt werden. Um auch die Resultate dieser Versuche einigermaassen in Vergleich bringen zu können, wurde der Begriff des Tragerekords eingeführt (s. S. 300), und dieser wurde in Gramm >< Stunden pro Quadratzentimeter Querschnitt ausgedrückt. Der Querschnitt der Vergleichsmuskeln wurde wie bei den Muscheln im Zustande der Kontraktion bestimmt. Beim Menschen wurde er aus Dicke und Breite unter Anrechnung der Hautdicke kalkuliert. Die Versuche an Frosch und | Kröte wurden in der üblichen Weise am durchbluteten Gastrocnemius nach ) 1) Reizstärke eben maximal. Frequenz bei Kröte 15—25, beim Frosch N 50—60 in der Sekunde. Temperatur 14—15° C. 2) Arch. d. Zool. exper. et gen. (5) t. 2 p. 295—469. 1909. Diese Arbeit | enthält, wie auch Parnas hervorhebt, eine grosse Fülle von Angaben, welche für die Physiologie der glatten Muskeln von Wichtigkeit sind. 3) Arch. d. Zool. exper. et gen. (5) t.2 p. 375 et table XII. 1909. Die Dauerverkürzung der Muskeln. 313 Durchschneidung des Plexus angestellt. Beiden Versuchen am Menschen sass die Versuchsperson bequem an einem Tisch, auf dem der Oberarm horizontal ruhte!). Der Unterarm war senkrecht gestellt. Um das Carporadialgelenk ging ein Bügel, von welchem eine Schnur horizontal über eine Rolle zum Gewicht verlief. Das Verhältnis der Hebelarme beträgt bei senkrechter Stellung von Oberarm und Unterarm bei Angriff der Last am Handgelenk ungefähr 1:6,3, so dass bei 5 kg als Last ungefähr 31,5 kg, bei 12,5 kg ungefähr S1 kg an den Flektoren (Biceps usw.) ziehen. Es wurde die Zeit bestimmt, die das betreffende Gewicht mit grösster Anstrengung gerade noch gehalten werden konnte. Ermüdungssymptome (Zittern im Muskel, Schmerz usw.) treten sehr viel früher ein. Zu den Versuchen gaben sich sechs Herren in liebenswürdigster Weise her. — Die angegebenen Rekorde (S. 301) mögen von besonders befähigten, normalen ?) Personen, besonders guten Froschmuskeln usw., um 10 und vielleicht auch um 20 und 30 Prozent ge- schlagen werden können; am Resultat ändert das aber fast gar nichts. Versuche an Aplysia?). Es wurde bei den Versuchen verglichen der Sauerstoffverbrauch des normalen, stillsitzenden *) Tieres und des tonisch kontrahierten Tieres. Der erste Fall entspricht einer geringen, der zweite einer hohen Spannung der Muskulatur. Wie die Spannungen zu berechnen sind, ergeben später folgende Betrachtungen. 1) Ähnliche Versuche existieren natürlich in grosser Zahl. Meist ist aber die statische Leistung schwer zu definieren, z. B. beim Halten von Gewichten am ausgestreckten Arm usw. 2) Hypnotisierte, Hysterische und -Katatoniker können offenbar erheblich mehr leisten; die statischen Leistungen sind aber nach dem mir bekannten Material nicht auszuwerten. Es müssten bestimmt gerichtete Versuche unter- nommen werden. Es ist zu vermuten, dass diese höheren statischen Leistungen mit einem gesteigerten Stoffumsatz Hand in Hand gehen. Rosenfeld (Allgem. Zeitschr. f. Psychiatrie usw. Bd. 63 S. 367) fand wenigstens bei Katatonikern in mehr oder weniger „aktiver Haltung“, trotz einer Ernährung mit 30—S0 Kal., pro Kilogramm dauernde Gewichtsabnahme. — In der Arbeit von Bornstein (Monatsschr. f. Psychiatrie Bd. 24 S. 392. 1908) über den Stoffwechsel Geistes- kranker finden sich keine nach dieser Richtung verwertbare Angaben. 3) Eine grosse Nacktschnecke des Mittelmeeres. Die Versuche wurden im April 1908 an der zoologischen Station in Neapel angestellt. Für die freund- liche Hilfe die mir von seiten der Station und ihrer Beamten, besonders von seiten des Herrn Kollegen Henze, zuteil wurde, spreche ich auch hier meinen besten Dank aus. ; 4) Das stillsitzende Tier ıst nie in vollkommener Muskelruhe. Die peri- staltischen Bewegungen, die zur Beobachtung kommen, sind aber beim tonisch ‚ kontrahierten Tier noch verstärkt. Eine wesentliche Arbeitsleistung wird mit demselben kaum verbunden sein. 314 Albrecht Bethe: Methodik. Glasstöpselflaschen von bekanntem Inhalt wurden nach Einbringen eines gewogenen Tieres bis zum Rande mit Seewasser gefüllt, und ohne Luftblase verschlossen. Die durch das Tier verdrängte Wassermenge kam in Abzug. Die Flaschen kamen meist für 1 Stunde in ein Wasserbad von konstanter Tem- peratur. Danach wurde in einer Probe der Sauerstoff nach Winkler titriert. Eine andere Probe des Ausgangswassers war beiseite gestellt und wurde zur Bestimmung des am Anfang vorhandenen Sauerstoffgehaltes verwandt. Durch Rechnung ergab sich der Sauerstoffverbrauch des Tieres während der Versuchs- zeit. Die tonische Kontraktion wurde durch Exstirpation des Schlundringes!) oder durch andauernde Tetanisierung des Kopfteiles hervorgerufen. Von den Vorversuchen, welche sich auf die Konstanz der Sauerstoffzehrung und ihre Abhängigkeit von der Temperatur be- ziehen, teile ich folgende, an zwei Tieren angestellte Versuche mit: Tabelle IVa. Aplysia puncetata. Abhängigkeit des Sauerstoffverbrauches von Temperatur und Dauer des Hungers. 1.Stunde?)| 3. Stunde | 4. Stunde | 22. Stunde | 28. Stunde 18° 0. | 17500. | 15° 0. | isec. | 18€ mg mg mg mg mg O,-Verbrauch von Tier A (58 g) in 1 Stunde. . 3,29 3,00 2,24 2,65 2,52 Os-Verbrauch von Tier B (65 g) in 1 Stunde... 2,80 2,74 1,95 2,87 2,16 In der folgenden Tabelle sind die Zahlen so umgerechnet, dass der Sauerstoffverbrauch in der ersten Stunde (18°) gleich 1 gesetzt ist: 1) F.W. Fröhlich (Zeitschr. f. allgem. Physiol. Bd. 11 S. 129. 1910) schreibt: „Es liegt nun die Angabe vor, dass die Muskeln der Aplysien nach Entiernung des Schlundringes in eine starke tonische Kontraktion geraten. Diese Angabe bedarf einer Korrektur ...“ Hierauf wird beschrieben, dass die Kon- traktur sich erst langsam entwickelt. Dieser Korrektur bedurfte es nicht. Die Angabe über die Tonussteigerung stammt von Jordan (Zeitschr. f. Biol. Bd. 41. 1901). Bereits 1903 wurde von mir (Allgem. Anat. u. Physiol. d. Nervensystems S. 372) nachgewiesen, dass die Tonussteigerung nicht unmittelbar nach der Exstir- pation eintritt. Die Tonussteigerung trat allerdings immer schneller ein, als Fröhlich angibt. Zur Zeit meiner Versuche war die Temperatur hoch! 2) Die Tiere waren am Tage vorher frisch gefangen. Die erste Versuchs- stunde Tag ungefähr 30 Stunden später, als die Einbringung der Tiere in die zoologische Station zu Neapel. Die Tiere wurden nicht gefüttert. ERTEBEINTNSEEDEEEFIEE Die Dauerverkürzung der Muskeln. 315 Tabelle IVnb. '11.Stunde!) | 3. Stunde | 4. Stunde | 22. Stunde | 28. Stunde IS2217027, 1, 31902.0: 15° C. 18° C. 181020: Q,-Verbrauch von Tier A 1 0,91 | 0,71 | 0,803 | 0,762 0,-Verbrauch von Tier B 1 0,98 | 0,696 | 0,846 | 0,77 Aus diesen Zahlen ergibt sich, wie vorauszusehen war, ein ziem- lich bedeutender Einfluss der Temperatur auf den Gaswechsel; Einhaltung der gleichen Temperatur ist also sehr wesentlich. Weiter- hin geht aus den Zahlen hervor, dass der Gaswechsel bei Nahrungsenthaltung abnimmt?). Das bei meinen Versuchen verwendete Wasser hatte immer fast _ den gleichen Sauerstofigehalt. Es kann aber der Sauerstoffgehalt des umgebenden Seewassers nach Henze?) in ziemlich weiten Grenzen variiert werden, ohne dass der Gaswechsel der Aplysien dadurch beeinflusst wird. — Wesentlich ist, dass das Tier Atembewegungen ausführt. Durch Pelletierinsulfatinjektion wird das ganze Tier ge- lähmt und auch die Atmung zum Stillstand gebracht. Der Gas- wechsel wird dabei (wie bei Sauerstoffmangel) auf ein Minimum reduziert): Tabelle V. Aplysia punctata. Einfluss der Pelletierinvergiftung auf den Sauerstoffverbrauch. mg 0, Tier von 37 g Gewicht verbraucht in 1 Stunde . ...... 2,43 Wasselbe mit’ Pelletierin gelähmt . . .. -.. 2.2.2.0... 0,502 Dasselbe 24 Stunden später (wieder ganz munter) 2,18 >» Ferner wurde geprüft, ob eventuell anoxybiontische Prozesse in Frage kommen. Zu dem Zweck wurde in einem auf 3 Stunden ausgedehnten Versuche mit einem Teil des Wassers eine Sauerstoft- bestimmung, mit einem anderen (grösseren) Teil eine Kohlensäure- 1) Siehe Anmerkung 2 auf S. 314. 2) Henze (Biochem. Zeitschr. Bd. 26 S. 266. 1910) fand bei Aplysia limacina, wenn sie reichlich gefüttert wurde, meist eine Zunahme des Gaswechsels. 3) Es soll nicht behauptet werden, dass der Rückgang des Sauerstoffverbrauchs nur auf der Verminderung des Gasaustausches beruht. 316 Albrecht Bethe: bestimmung vorgenommen!). Der respiratorische Quotient ergab sich zu 0,96. Anoxybiontische Prozesse erscheinen danach aus- geschlossen. Auch andere Gründe sprechen gegen diese Möglichkeit. Der Gaswechsel bei Dauerkontraktion. 1. Es wurde zuerst eine Bestimmung des Gaswechsels beim normalen Tier vorgenommen. Dann wurden die Ganglien des Schlundringes ohne Narkose und ohne Blutverlust ?) exstirpiert und ge- wartet bis die Dauerkontraktion deutlich ausgeprägt war (25 Minuter). Darauf wurde eine neue Bestimmung des Gaswechsels und am nächsten Tage eine dritte Bestimmung gemacht. Die Dauerkontraktion dauerte ungeschwächt fort bis zum Tode des Tieres (am sechsten Tage nach der Operation). Die Atembewegungen blieben nach der Operation ausgiebig und ohne wesentliche Veränderung der Frequenz. Tabelle VI. Aplysia punetata (65 g). Sauerstoffverbrauch bei normaler Muskel- spannung (Nr. 1) und während starker Dauerkontraktion (Nr. 2 u. 3). Relatives Ver- Verbrauch an | naltnis des O5- mg 05 Verbrauchs 122 ViorgdersOperalone ge: 2.73 1,000 2. /ea Stunde nach der Operation. ... . 1 0,700 3. 22,Stundensspätere ae: 2,17 0,795 Während der Dauerkontraktion, deren Grösse weiter unten be- rechnet wird, hat also der Gaswechsel nicht zugenommen; er ist vielmehr direkt nach dem Eintritt derselben unter den Normalwert gesunken und hat am anderen Tage, obwohl die Kontraktion an- hält, denselben Wert, den er auch ohne Operation gehabt haben würde (vgl. Tabelle IV b, S. 315). 2. Es wurde auch in drei Versuchen Dauerkontraktion durch Tetanisierung während einer Stunde (in einem abgeschlossenen Wasserquantum) erzeugt. Auch hierbei ging die Sauerstoffzehrung unter den Normalwert. Nach Aufhören 1) Auskochen am Rückflusskühler unter Durchsaugen kohlensäurefreier Luft nach Zusatz von Schwefelsäure mit Tropftrichter. Wägen der Kohlensäure in zwei vorgelegten Natronkalkrohren. Von der gefundenen Menge CO, wurde die auf gleiche Weise bestimmte CO,-Menge des benutzten Seewassers abgezogen. Die Methode ist nicht sehr genau, aber einwandsfrei. 2) Operation bei vorübergehender Blutleere & la Esmarch. je — rn an a u me Di Dauerverkürzurg der Muskeln. 317 des Reizes und der Dauerkontraktion ging die Sauerstoffzehrung im Laufe der nächsten Stunden auf den Normalwert zurück, ohne eine vorübergehende nach- trägliche Steigerung zu erfahren. Wenngleich dieses Versuchsverfahren durch die Reversibilität aussichtsvoller erscheint als das der operativen Drucksteigerung, so ist es doch weniger zuverlässig, weil die Tonussteigerung weniger gleichmässig ist, und die Sauerstofititrierung für die Kontraktionsperiode leicht infolge von Schleimabsonderung unsicher wird. Ich sehe daher von der Mitteilung eines Versuchsprotokolls ab. Berechnung der Länge und Spannung der Muskeln. Direkt bestimmbar ist bei den Aplysien nur der Innendruck, welchem die Muskeln der Körperwand das Gleichgewicht halten. Dagegen sind die Längen und Spannungen der Muskeln nicht ohne weiteres gegeben. Diese müssen wir Fig. 3. Schema des Verlaufs der Muskelfasern im Hautmuskelschlauch der Aplysia. » Meridionalfasern, e Zirkulärfasern. aber kennen, da ja unser Vergleichswert für den Stoffumsatz quergestreifter Muskeln sich auf Länge und Belastung (Spannung) bezieht. Die Längen und Spannungen unserer Muskeln müssen also erst berechnet werden. Hierzu sind vereinfachende Annahmen nötig: Der Körper der Aplysien be- steht aus einem von viel Blutflüssigkeit und den Eingeweiden erfüllten Sack dem Hautmuskelschlauch, der einige hier zu vernachlässigende Anhänge trägt. Beim normalen, nicht kontrahierten Tier ist der Körper langgestreckt; auf Reiz und bei der Dauerkontraktion durch Ganglienexstirpation verkürzt er sich wesent- lich. In beiden Fällen kann man die Gestalt des vom Hautmuskelschlauch um- gebenen Hohlraums als Rotationsellipsoid ansehen (Rotation um die grosse Achse). Die Länge der Achsen verhält sich beim normalen, nichtkontrahierten Tier (in Ruhestellung) ungefähr wie 1:3, beim Tier im Dauertonus ungefähr wie 1:2. Die Längsmuskulatur des Hautmuskelschlauchs verläuft praktisch vom einen Ende der grossen Achse zum andern, also meridional (Meridionalfasern (8. Fig. 3). Die zirkuläre Muskulatur verläuft ziemlich unregelmässig und meist in schrägen Richtungen. Sie soll aber so aufgefasst werden, als wenn sie über- all parallel zum Äquator verliefe (Zirkulärfasern, Fig. 3). Der dadurch ent- stehende Fehler ist zuungunsten unserer Rechnung. 318 Albrecht Bethe: Im folgenden sei: a — halbe grosse Achse b — halbe kleine Achse U = grösster Umfang des Rotationsellipsoids. O — Oberfläche V = Volum BL a?—b? a? V ist in jedem Fall aus dem Gewicht des Leibeshöhleninhalts leicht zu bestimmen. Da das Volum eines Rotationsellipsoids gleich 3 ab°r und a Hz a = n.b gesetzt werden kann, so ist: b — a Die Länge aller Meridionalfasern ist dieselbe, und zwar ist sie gleich dem halben grössten Umfang (5) und nach einer bekannten Formel — arc-R, worin R einen für jedes Ellipsoid aus einer Reihe?) zu berechnenden Zahlenfaktor bedeutet. Die Länge der Zirkulärfasern ist am Äquator am grössten (= dem halben Äquator = b.) und nimmt nach den Polen zu ab, wo sie den Wert O erreicht. Uns interessiert nur die mittlere Länge der Fasern. Diese ist gleich der halben Oberfläche dividiert durch den halben grössten Umfang?). Nach einer bekannten Formel ist a O0 = zb? + a. arc sine. (Berechnung des halben Umfanges siehe oben.) Berechnung der Muskelspannung: Leicht experimentell bestimm- bar ist der hydrostatische Druck im Innern normaler Tiere und solcher Tiere, die sich im Dauertonus befinden, wenn auch nickt während der Versuche, so doch nachher oder durch Vergleich mit andern Exemplaren gleicher Grösse. Aus dem Innendruck p (Druck in g/qcm) lässt sich die Muskelspannung berechnen, unter der Voraussetzung, dass jede Faserart nur in ihrer Längsrichtung defor- mierbar ist. Diese Voraussetzung ist berechtigt, weil die allein noch in Betracht kommende Deformation in der Richtung senkrecht zum Faserverlauf, und zwar vom Innern des Hohlraums nach aussen (das ist die Richtung der Normalen d. h. der Senkrechten auf die jeweilige Tangente) durch die Kraft (Spannung) der senkrecht zu ihrer Verlaufsrichtung angebrachten Fasern der anderen Gattung kompensiert wird. a) Spannung der Zirkulärfasern: Durch die grosse Achse (Dreh- achse) des Rotationsellipsoids (Fig. 4) sei eine Ebene A B gelegt, welche das- selbe in zwei gleiche Teile teilt. Die obere Hälfte übt auf die untere den Flüssigkeitsdruck P—= abrz.p aus, welchem die durchschnitten gedachten Zirkulärfasern der untern Hälfte das Gleichgewicht halten. (Die Meridionalfasern BR=1-6) 564°) 560°) um 2) Warum der halbe Äquator und die halbe Oberfläche zu nehmen ist, erhellt aus den folgenden Ableitungen der Spannungsgrösse. ern = ni nd a SLAEL Ta am Eee Ener Die Dauerverkürzung der Muskeln. 319 kommen für einen Druck in dieser Richtung nicht in Betracht, höchstens direkt am Pol.) Die Spannung aller Fasern zusammen ist also gleich dem Flüssigkeits- druck auf die Ebene AB.= abrr.p. Da alle Punkte einer einzelnen Faser gleichen Abstand von der grossen Achse haben, so ist die tangentiale Spannung im Verlauf jeder Faser die gleiche. Die Grösse abrr.-p entspricht also der Spannung für die Summe aller Zirkulärfasern. Die Grösse der Spannung der einzelnen Faser hat für unsere Betrachtung kein Interesse. (Eine andere Kraft als die Spannung der Muskeln ist nicht vorhanden, um dem Innendruck das Gleichgewicht zu halten, denn nach Entspannung der Muskeln durch Vergiftung, z. B. mit Pelletierinsulfat, sinkt der Innendruck praktisch auf ©, und die Körper- wand gibt jeder Vermehrung des Innenvolums — in gewissen Grenzen — ohne einen Gegendruck zu leisten, nach.) Fig. 4. b) Spannung der Meridionalfasern: Die Spannung einer einzelnen Meridionalfaser ist nicht an allen Punkten gleich, da immer nur an zwei Punkten eder Faser die Tangenten den gleichen Winkel mit der grossen Achse bilden. Dagegen ist die Spannung aller Faserteilchen, welche auf der gleichen Ebene senk- recht zur grossen Achse liegen, dieselbe wegen gleichen Winkels der zugehörigen Tangenten. Daraus ergibt sich folgende Betrachtung: Das Ellipsoid (Fig. 4) sei durch die Ebene CD geteilt. Die Summe der Spannung aller Fasern an den Durchschneidungspunkten ist gleich dem Flüssigkeitsdruck den die linke Hälfte auf die rechte ausübt, gleich d? 7 :p, denn der Verlauf der Fasern fällt hier am Äquator mit der Tangente zusammen. Auf einem beliebigen anderen, parallel dazu geführten Schnitt, z. B. auf dem Schnitt LM ist der Flüssigkeitsdruck Py gleich y?rr-9. Die Richtung dieses Druckes ist parallel zur grossen Achse. Die "Spannung der Meridionalfasern wirkt aber in einer andren Richtung, nämlich der der Tangenten. Damit Gleichgewicht besteht, müssen die kleinen Strecken der Meridionalfasern auf diesem Schnitt eine höhere Spannung besitzen, als dem Wert y2 77» entspricht. Die Summe der Spannung aller dieser kleinen Faser- abschnitte auf dem Schnitt LM sei Z. Um ihren Wert zu bestimmen, ist Z in zwei senkrecht aufeinander ‚stehende Komponenten zu zerlegen, deren eine Py 320 Albrecht Bethe: Py cos pP so ist: Z= yAr-p, worin A die Länge der Normalen d, h. die Senkrechte auf die Tangente von der Tangente bis zum Schnittpunkt mit der x-Achse (grosse Achse) bedeutet. Da uns nicht die Spannung der Fasern an einzelnen Punkten ihres Ver- laufes, sondern ihre mittlere Spannung interessiert, so sind die einzelnen Z-Werte zu summieren und es ist dann das Mittel zu ziehen. Dies kann auf konstruktivem und auf analytischem Wege geschehen. (Fig. 4) ist. Es ist dann: Z= Da nun cosp — 3 und P „= y?’rn.p ist, a) Durch Konstruktion: Da in der Formel Z = yArz:-p der Ausdruck zr.p einen konstanten Faktor bedeutet, so kann dieser zunächst beiseite gelassen werden, und wir betrachten die Formel $ — y-) — er - Für ein Rotationsellipsoid mit bestimmtem Längenverhältnis der grossen und kleinen Achse lassen sich für eine Schar von Ordinaten () leicht die zugehörigen Normalen (A) und die zugehörigen Bogen berechnen resp. ausmessen. Die er- rechneten Werte für 7 werden dann als Ordinaten über den zugehörigen Bogen (von y = b bis y = 0) als Abszissen aufgetragen. Die Ordinaten der entstehenden Fläche würden mit -p multipliziert die Summe der Spannung der Meridionalfasern auf dem betreffenden Querschnitt darstellen. Wird die Fläche in ein Rechteck verwandelt, dessen Grundlinie gleich !/ des Umfanges ist, so erhält man als Höhe (m?) einen Wert, der mit = -p multipliziert die mittlere Spannung (m S) ergeben würde. Es zeigte sich nun für verschiedene Längenverhältnisse der Achsen (wie 1:1, wie 1:2 und wie 1:3), dass sich verhielt »?:5? — 0,625, worin b die halbe kleine Achse bedeutet. Es ist also: n? —= b? . 0,625. Nun war die mittlere Spannung (mS) = n?rn.p. Es ist also: mS = 0,625-b? z-p. Da nun 0,625: = 1,97 d.h. praktisch = 2?) ist, so ist: mSs=?2b?’.». b) Auf analytischem Wege, dessen Wiedergabe hier zu weit führen würde, fand Herr Kollege Gildemeister, dem ich auch hier für die Durchführung der Rechnung danke, unter Zugrundelegung der Formel P = y-4 für die ge- . b?a (2 + 52 gesuchte Fläche den Wert .au kleine Achse bedeutet. Wird dieser durch !/s des Umfangs der Ellipse dividiert, ): worin a die halbe grosse, b die halbe 3 Ä 2b2 so erhält man für sehr verschiedene Verbältnisse @:5b Werte, die von = prak- tisch nicht abweichen. Es ergibt sich also auch hier für die mittlere Spannung der Wert 2b?.». Auswertungder Muskellängen und Muskelspannun- sen für den auf 8.316 beschriebenen bestimmtenFall: 1) 0,625 ist der Durchschnittswert von 0,631, 0,616, 0,623. 2) Die Zahl 2 würde sich ergeben, wenn der Faktor statt 0,625 0,636, ' d.h. 2/r wäre. Bei der nicht sehr genauen Flächenausmessung ist es nicht zu verwundern, dass der Wert 2/z nie genau gefunden wurde. EEG. WIND WEHEN IEHR* ı.ak un I ee Fe a re a En Tr an En Fra we u Die Dauerverkürzung der Muskeln. 391 - Nach den mir vorliegenden Messungen des Innendruckes bei gleich grossen normalen und operierten Tieren beträgt derselbe für Aplysia punctata im Normalzustand 2—4 em Wasser, für Tiere im Dauer- tonus 12—16 cm Wasser. Ich will hier für den Normalzustand 3 em, für den Dauertonus 13 em in Rechnung setzen. Das Volum des Leibeshöhleninhaltes betrug in dem zu behandelnden Fall 50 eem (Gewicht des ganzen Tieres 65 g). Nach den oben angegebenen Formeln berechnen sich die Längen und Spannungen der Muskeln im normalen (nicht kontrahierten) Zustand (Achsenverhältnis 1:3) und im Dauertonus (Achsenverhältnis 1:2) wie folgt: A. Normalzustand B. Dauertonus p = 3 glgem p = 13 g/gem Mittlere Länge der Zirkulärfasern . . 4,04 cm 3,98 cm Spannung der Zirkulärfasern. . . . . 70,3 8 269,0 & Länge der Meridionalfasern . . .. . 10,5 cm 8,85 cm Mittlere Spannung der Meridionalfasern 15,0 g 8,1 g!). © BRD gestreiften Muskel: Aus den gegebenen Daten lässt sich jetzt leicht berechnen, wie gross der Sauerstoffverbrauch der Aplysia hätte sein müssen, wenn ihre Muskeln bei der Dauerkontrak- tion in derselben an innere Arbeit leisteten wie die quer- sestreiften des Menschen. Wir hatten gefunden, dass der quer- gestreifte Muskel des Menschen pro Gramm Last, Zentimeter Länge und Stunde Kontraktionsdauer 0,015 me Sauerstoff verbraucht (S. 297). Bei gleichem Energieumsatz würde eine Aplysia von ‚90 ccm Innenvolum in der Stunde allein zur Erzeugung der Muskel- spannung verbrauchen: A. Im Normalzustand (p —=3 g/gqem; Achsenverhältnis 1:3) 6,63 mg O,. B. Im Dauertonus (p=13g/qem; Achsenverhältnis 1:2) 27,3meO;. Der Verbrauch des ganzen Tieres (von dessen Masse die Muskeln nur einen geringen Teil ausmachen) betrug aber nur (siehe Tabelle VI): | A. Im Normalzustand: 2,73 mg O,. | B. Im Dauertonus: 1,91 und 2,17 me O.. u | Vergleich der Aplysiamuskeln mit einem quer- E | j | ER a ae 1) Ein Vergleich dieser Zahlen ergibt, dass der grosse Unterschied in der ‚Spannung der Meridionalfasern und der Zirkulärfasern im Normalzustand sich ‚in der Dauerkontraktion vermindert. Nach Fortnahme der regulierenden Zentral- ‚organe nimmt die Spannung aller Muskeln zu; die der Meridinalfasern (unter ‚gleichzeitiger Verkürzung) aber. in höherem Maasse als die der Zirkulärfasern. 32323 Albrecht Bethe: Es ist also der gesamte Stoffverbrauch des Tieres rund zehn- mal geringer, als der Stoffverbrauch der Muskeln allein während der Dauerkontraktion betragen sollte. Die Hauptsache aber ist, dass eine Steigerung der Muskelbelastung gegenüber dem Normal- zustand von 200 g für die Zirkularmuskeln (= 3800) und 60 g für die Meridionalmuskeln (570°) keine Vergrösserung des Stoffumsatzes hervorgerufen hat. Im Gegenteil, der Stoffi- umsatz ging in diesem und den übrigen Fällen zunächst zurück und erreichte nach einiger Zeit bestenfalls die Normalhöhe (siehe S. 316). Wenn der grösseren Belastung der Muskeln während des Dauer- tonus überhaupt eine Vermehrung des Stoffwechsels entspricht, so könnte dies nur dadurch geschehen, dass diese Vermehrung durch Verminderung anderer Stoffwechselprozesse kompensiert würde; selbst dann könnte sie nur sehr gering sein. Zu einer derartigen Annahme liest aber vor der Hand keine Veranlassung vor, und wir können daher den Schluss ziehen: Die erhebliche Stei- gerung der Muskelspannung während der Dauerkon- traktion der Aplysien ist mit keiner nachweisbaren Steigerung des Energieumsatzes verbunden. Ich habe früher!) darauf hingewiesen, dass Aplysien ?) im operativ erzeugten Dauertonus bis zum Tode verharren, dabei aber keine Nahrung zu sich nehmen. | Da die dabei zu konstatierende Gewichtsabnahme vorzugsweise auf Wasser- verlust beruht, schien mir diese Tatsache dagegen zu sprechen, dass bei der Dauerkontraktion innere Arbeit in annähernd derselben Weise wie bei quer- gestreiften Muskeln geleistet wird. Frank®) erklärt diese Überlegung für ober- flächlich, indem er zum Vergleich den hungernden und durch Stehen „statische Arbeit“ leistenden Hund heranzieht. Mir scheint, dass Frank bei diesem Ver- gleich einerseits die innere Arbeit unterschätzt hat, welche ein Tier mit quer- gestreifter Muskulatur unter den gleichen Bedingungen wie die Aplysia geleistet | haben würde, und dass er andrerseits den Vorrat einer Aplysia an potentieller, j chemischer Energie überschätzt. Das grösste meiner damals operierten Tiere \ hatte einen Innenraum von ca. 320 cem und überlebte die Operation etwas mehr ' | als 11 Tage. Ich nehme den Innendruck nach der Operation sehr niedrig zu f nur 8 cm Wasser an und- setzte die Verminderung des Innenvolums nach den © häufig kontrollierten Gewichtsverlusten in Rechnung. Dann ergibt sich, dass das & Tier während der 11 Tage ungefähr 20—25 g Kohlehydrat verbrannt haben t 1) Allgem. Anat. u. Physiol. d. Nervensystems 1903 S. 370. ® 2) Die meisten damaligen Versuche bezogen sich auf Aplysia limacina. '} 3) Ergebn. d. Physiol. 1904 Abt. 2 S. 507. | ) | Die Dauerverkürzung der Muskeln. 323 Le 7 müsste, wenn seine Muskulatur nach Art der quergestreiften gearbeitet hätte. Das ist weit mehr, als die gesamte Trockensubstanz vor Beginn des Ver- suches betragen haben kann). Die Hypothese der Unermüdbarkeit der Tonusmuskeln (dureh die Dauerverkürzung) und der Frank’sche Einwand gegen dieselbe. Ich habe ferner in meinem Buch (S. 367) darauf hingewiesen, dass glatte Muskeln typischer Tonustiere im Gegensatz zur quergestreiften Muskulatur bei der Dauerverkürzung keine Ermüdung zeigen. Frank?) glaubt, demgegenüber auf die Möglichkeit hinweisen zu müssen, dass sich die einzelnen Fasern der glatten Muskeln z. B. der Aplysia bei der Dauerkontraktion gegenseitig abiösen und gar nicht dauernd kontrahiert sind. Diese Überlegung scheint mir wenig glücklich. Bei der eben erwähnten grossen Aplysia berechnet sich die Spannung der Meridionalmuskeln zu 180 g, die der Zirkulärmuskeln zu 570 g (wenigstens in den ersten Tagen nach der Operation). Die Querschnittsläche der Muskeln kann ich leider nicht angeben; sie ist aber sicher recht gering und ich schätze die Belastung pro Quadratzentimeter bei den Längsmuskeln auf etwa 500 g. Bei gegenseitiger Ablösung der zu zwei „Arbeitsschichten“ angenommenen Muskulatur, hätte jede „Schicht“ zur Zeit, wo sie Spannung ausübt, die doppelte Last zu tragen. Natürlich ist es möglich, wie dies auch von Frank angenommen wird, dass sich in der Zwischenzeit die andere Gruppe erholt. Es ist aber die Frage, ob das Tier dabei etwas gewinnt, mit andern Worten, ob bei abwechselndem Tragen mit doppelter Querschnittsbelastung ein höherer Tragerekord erzielt wird, ‚als bei dauerndem Tragen mit einfacher Querschnittsbelastung: Die Erfahrung am Tier mit quergestreiften Muskeln lehıt, dass die Ermüdung eines Muskels nicht auf diesen beschränkt bleibt, sondern auch eine Ermüdung anderer, nicht tätiger Muskeln herbeiführt, wenn auch in geringerem Grade. Vollständig könnte sich also die zur Zeit ruhende „Schicht“ nie in der Zwischenzeit erholen und die allgemeine Ermüdung müsste dauernd ansteigen. Es lehrt weiterhin die täg- liche Erfahrung, dass eine auf zwei Muskeln verteilte Last in der Regel be- quemer und länger getragen wird, als wenn zur Zeit immer die ganze Last von 1) Ich fand die organische Substanz einer grösseren Aplysia limacina (Trockensubstanz nach Abzug der Asche) zu 4,4%o des Lebendgewichtes (300 g), die einer kleineren (Lebendgewicht 60 g) zu 11%. (Auch hier ist die organische Substanz grösserer Tiere verhältnismässig viel geringer als die kleiner; es er- klärt sich dies hauptsächlich aus der starken Zunahme der an organischer Sub- stanz armen Leibesflüssigkeit beim Wachstum.) Bei dem oben erwähnten Tier wird die ganze organische Substanz ca. 4% — 16 g betragen haben. Davon war aber zur Zeit des Todes noch eine sehr erhebliche Menge vorhanden. Eine Be- Stimmung der Trockensubstanz wurde leider nicht gemacht. — Frank setzt nun allerdings selber den Stoffwechsel glatter Muskeln bei der Dauerkontraktion sehr viel geringer an als den der quergestreiften. Das ist aber eine Ansicht, die soweit ich sehe, erst nach meinen Ausführungen in der Literatur aufgetaucht ist. 2) Ergebn. d. Physiol. Bd. 2 S. 507. 1904. Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd. 12. 22 3234 Albrecht Bethe: einem Muskel, aber alternierend mit dem andern, inzwischen ausruhenden Muskel getragen wird. Ich habe mich hiervon auch in besonders darauf gerichteten Halteexperimenten überzeugt. Auf keinen Fall ist es möglich, beim quergestreiften Muskel die Tragezeit dadurch wesentlich zu verlängern, dass ‘man die Last abwechselnd von zwei Muskeln tragen lässt, vorausgesetzt, dass ; die Lasten nicht sehr gering sind. Angesichts der grossen Lasten, welche pro Quadratzentimeter Querschnitt durch sehr lange Zeiten hindurch von den glatten Muskeln der Muscheln und der Arterien der Säugetiere getragen werden, gewinnt der Frank’sche Einwand gegen die Unermüdbarkeit der Tonusmuskeln (durch die Dauerverkürzung) noch weniger an Überzeugungskraft. Über den statischen Energieumsatz der Gefässmuskulatur. Die Wand der Arterien wird dauernd durch den Blutdruck ge- spannt. Diesem Innendruck halten die Längsmuskeln und Zirkulär- muskeln der Gefässe das Gleichgewicht. Dass keine anderen Kräfte ' hierfür in Betracht kommen, geht aus den Versuchen von v. Reck- linghausen!) und von J. R. Ewald?) hervor. Nur ganz vor- übergehend und in einzelnen Gefässbezirken werden bisweilen die Muskeln soweit erschlaffen, dass die elastischen Fasern der Gefässe dem Blutdruck das Gleichgewicht halten. Es erhebt sich die Frage, wie gross der Energieumsatz der glatten Gefässmuskulatur sein müsste, wenn ihr Umsetzungsfaktor pro Gramm Last, Zentimeter Länge und Stunde Kontraktionsdauer ebensogross wäre wie bei der quergestreiften Muskulatur (siehe S. 297). Zur Durchführung der Rechnung ist es nur nötig, den Druck in den Ar- terien und das Blutvolum, das sich in den Arterien dauernd befindet, zu kennen. Ich führe die Rechnung für den Menschen durch, und zwar für eine Person von 70 kg Körpergewicht: Der mittlere Blutdruck kann beim Menschen zu 110 bis 120 cm Wasser angenommen werden. Erfahrungsgemäss ist der Blutdruck bis in die kleinen Arterien hinein nahezu von derselben Grösse wie in den grossen Arterien. Ich werde also sicher nicht zu hoch greifen, wenn ich den Druck im ganzen Arterien- system zu 100 cm Wasser annehme. Über die Blutmenge, welche sich im Arteriensystem (mit Ausschluss der Aorta, welche fast keine Muskulatur besitzt) befindet, gibt es keine Angaben. N Es dürfte auch schwer sein, diese Menge zu bestimmen. Man kann nur aus dem ı Verhältnis der Gefässweiten usw. eine ungefähre Schätzung dieser Menge vor- " nehmen. Die gesamte Blutmenge eines Menschen von 70 kg würde sich als "as ı des Körpergewichts zu 5,4 Liter berechnen. Ich schätze, dass ungefähr !/r dieser Menge in den Arterien vorhanden ist. Da diese Schätzung aber sehr ungewiss 1) Arch. f. exper. Path. u. Pharm. Bd. 46 S. 78. 1901, und Bd. 55 S. 375. 1906. 2) Berliner klin. Wochenschr. 1910 Nr. 38. Die Dauerverkürzung der Muskeln. 325 ist, so will ich die Rechnung für zwei verschiedene Fälle durchführen: Fall 1. Es befinden sich im Arteriensystem 1000 cem Blut (= 1:5,4 der ganzen Menge). Fall 2. Es befinden sich im Arteriensystem 600 cem Blut (= 1:9 der ganzen Menge). Berechnung: Man denke sich einen Zylinder, in dessen Wand (wie bei den Blutgefässen) zirkulär- und längsverlaufende Fasern vorhanden sind, deren Spannang allein imstande sein soll, dem Innendruck das Gleichgewicht zu halten. Es seien: p der Innendruck pro Quadratzentimeter, V das Volum des Zylinders, $ die Spannung, Z die Länge der Fasern, c die Zirkulärfasern und ] die Längsfasern, h sei die Höhe, r der Radius des Zylinders, a sei die Kon- stante für den Energieumsatz (in Kalorien oder entsprechenden Nahrungsmengen) bei statischer Kontraktion pro Gramm Last, Zentimeter Muskellänge und Stunde Kontraktionsdauer. Dann ist: Sı = r?7.p!). (Siehe die Betrachtungen auf S. 317 u. f.) == NEN daV =rnz.h ist. Bahr Daher der statische Energieumsatz der Längsfasern (A) beim Druck p = ee np-V-a er Moon oa ra DD. Es ist ferner: Ss =h-2r.-p= nn, r:», wel h = 12 5 T2 76 1? 7 L.e=rn?) Daher der statische Energieumsatz der Zirkulärfasern Br n. Year yoga ER (23). Der gesamte Energieumsatz beim Druck p ist also gleich Aı+A=3V.p-a [aus (1) und (2)%)]. Fall 1. Blutmenge (V) in den Arterien = 1000 cem; »p — 100 g/gem; a — 0,016 mg Zucker pro Gramm-Zentimeter-Stunde (siehe S. 297). Ar + Ac = 3000 - 100 - 0,016 mg Zucker —= 4,8 g Zucker. Fall. 2. Blutmenge (V) = 600 ccm; p = 100 g/gem; a — 0,016 mg Zucker pro Zentimeter-Gramm-Stunde. Aı + Ac = 1800 - 100 - 0,016 = 2,83 g Zucker Resultat: Wenn sich ein Fünftel der ganzen Blutmenge eines Menschen von 70 kg Gewicht im Arteriensystem befindet, so müssten E2 1) $Sı —= Spannung der Längsfasern (l), Lı = Länge der Längsfasern usw. 2) Der halbe Umfang nicht der ganze, weil sonst die Spannung jeder Faser doppelt gerechnet würde. 3) Dass sich das Produkt von Spannung und Länge der Längsfasern und der Zirkulärfasern der Blutgefässe usw. wie 1:2 verhält, hat bereits J. R. Ewald angegeben. (Ein Beitrag zur Theorie der Blutdruckmessung S. 18. Habilitations- schrift. Fischbach, Strassburg 183. 4) Die Vernachlässigung der Endflächen des Zylinders ist zulässig, wenn ‚es sich um sehr lange Zylinder handelt, wie es bei den Arterien der Fall ist. Da die Länge (Höhe) und der Radius des Zylinders ganz herausfällt, so ist es unnötig die wechselnde Weite in einzelnen Gefässbezirken zu berücksichtigen. 99 * Lara: 326 Albrecht Bethe: die Muskeln der Gefässe, falls sie mit demselben Energieaufwand (die Spannung aufrecht erhielten wie die quergestreiften Muskeln des Menschen, in der Stunde 4,5 g Zucker oder eine entsprechende Menge Eiweiss oder Fett verbrennen. Das sind in 24 Stunden 115 g Glukose —= 430 grosse Kalorien. Beträgt die Butmenge in den Arterien nur !/s der ganzen Menge, so würde sich der Energieumsatz auf 2,6 & Zucker in der Stunde — 69 & Zucker oder 259 erosse Klonen am Tage belaufen. Es die also im ersten Falle mehr als Ya, im zweiten Falle ungefähr !/s des ganzen Ruheumsatzes (1650 Kal.) verbraucht werden, lediglich, um die Spannung in den Blutgefässen aufrecht zu er- halten. Dasist ein ganz unmögliches Verhältnis. Auch aus dieser Berechnung ist klar ersichtlich, dass die glatte Tonus- muskulatur im Verhältnis zur erzeugten Spannung einen viel ge- ringeren Stoffumsatz haben muss als die quergestreifte Muskulatur. Berechnung der Querschnittsbelastung der Gefässmuskulatur (Kaninchen). Die Berechnung soll hier nur für die Cireularis der Karotis des Kaninchens durchgeführt werden. Man denke sich ein Stück des zylindrischen Gefässrohts von | der Länge A, dem inneren Radius r und dem Innendruck » der Länge nach in der Achse aufgeschnitten. Die Dicke der Cireularis sei d. Dann ist die Spannung der Zirkulärfasern ($.) an ihrer Sehnittfläche gleich dem Flüssigkeitsdruck, welcher auf der Schnitt- fläche des Lumens lastet (vel. S. 318). — N 20:9. Die Querschnittsfläche der Zirkulärfasern (@.) ist gleich der Schnittfläche des Zylindermantels. Oo 2rde N: Werden die Längen in Zentimeter, der Druck pin Gramm / Quadrat- - zentimeter ausgedrückt, so ist die Belastung der Muskeln pro Quadrat- - zentimeter Querschnitt in Gramm gleich: Ben On lan Ä 1) Diese Formel ist nur dann ganz zutreffend, wenn die Muskularis ver- schwindend dünn ist und dem Lumen direkt anliegt. Trifft dies nicht zu, so ist der Fehler zu ungunsten unserer Rechnung. Die Dauerverkürzung der Muskeln. Son ad Zur Bestimmung von r, d und p wurde folgendermaassen verfahren: Bei einem mittelgrossen kräftigen Kaninchen wurde eine Kanüle in die rechte Karotis eingebunden, und der Blutdruck mit einem Quecksilbermanometer bestimmt (ohne Narkose). Das Tier lag vollkommen ruhig. Von Zeit zu Zeit wurde die äussere Gefäss- weite der rechten und der linken Karotis mit einem Tasterzirkel gemessen und zu dem gleichzeitigen Blutdruck notiert. Nach 1 Stunde wurden beide Karotiden erst peripher und dann weiter zentral ab- sebunden, so dass unter den gerade herrschenden Druck ein Blut- quantum abgefangen wurde. Diese „Blutwürste“ wurden genau ge- messen, in. Formalin gehärtet und nach Einbetten in Celloidin geschnitten !). In den Schnitten wurde mikrometrisch die Dicke der Wand und die Dicke der Circularis bestimmt. Die Schrumpfung der Aussenmaasse betrug zirka ein Viertel; durch Rechnung ergibt _ sich dann die Grösse des Lumens und die Dicke des Cireularis während des Lebens (bei Annahme gleichmässiger Sehrumpfung). Beim grössten beobachteten Druck von 13 em Quecksilber be- trug das Lumen im Maximum 0,31 em, und zwar bei der rechten Karotis; die Dicke der Circularis 0,005 em. Beim geringsten be- obachteten Druck von 11 cm Quecksilber betrug das Lumen im Minimum 0,24 cm, und zwar bei der linken Karotis; die Dieke ihrer Cireularis 0,0065 cm. Daraus ergibt sich als maximale Belastung der Zirkulärmusku- latur während des Versuches pro Quadratzentimeter Querschnitt: 0,155 - 13 - 13,5 - = ( 8 0,005 Se Als Minimalbelastung pro Quadratzentimeter Querschnitt er- gibt sich: O2 ILL 21 nn — 2/00 8. 0,0065 a Als Gegenkraft. für den Innendruck kommt besonders bei ver- enstem Gefäss wohl nur die Spannung der Muskulatur in Betracht. Unter dem Druck von 11 cm Hg wird der Blutdruck höchstens vorübergehend sinken. Während des ganzen Lebens wird also von der Muskulatur eine Spannung auszuhalten sein, welche zwischen den gefundenen Werten schwankt. Ich habe die Lebeuszeit wohl nicht zu hoch mit 3 Jahren (rund 26000 Stunden) angesetzt. Es ergibt sich dann ein Tragerekord von 67,6 - 10° —140 - 10% (siehe oben S. 301). 1) Für die Ausführung dieser Arbeit bin ich Herrn Kollegen Privatdozent Dr. Berg zu Dank verpflichtet. 328 Albrecht Bethe: Theoretisches. Man kann nach dem Vorgange von Fick!) den Prozess der Muskelkontraktion vergleichen mit der Entwicklung eines Gases z. B. von Kohlensäure (durch einen Verbrennungsprozess) in einem Zylinder mit verschiebbarem Kolben. Ist der Kolben gedichtet, so wird ein gehobenes Gewicht dauernd gehalten ohne weitere Arbeits- leistung. Um den Vergleich mit dem quergestreiften Muskel durch- führen zu können, nimmt Fick in dem Zylinder des Vergleichs- modells eine Substanz an, welche die Kohlensäure absorbiert. Da- durch wird, entsprechend der Wiederverlängerung des Muskels, der Kolben wieder in seine alte Lage gebracht. Es ist klar, dass das gedachte System sowohl beim Heben wie beim Sinkenlassen des Gewichts an Arbeitsfähigkeit verliert, denn nur durch Zuführung von Energie kann die Kohlensäure wieder aus dem Absorbens abgeschieden werden. Wenn Gasbildung und Absorption zugleich stattfinden, so muss die das Gas liefernde Verbrennung andauern, wenn das Gewicht dauernd gehoben bleiben soll (Tetanus). Sind aber beide Prozesse unabhängig voneinander, so kann das Gewicht ohne Verlust an innerer Arbeitsfähigkeit des Systems unbegrenzt gehoben bleiben. Es wird absinken können, wenn die von der Gasentwicklung unabhängige Absorption erst auf eine neue Zustandsänderung hin (neuer anders gearteter Impuls) einsetzt ?). In einem anderen Beispiel, welches Volkmann entlehnt ist, vergleicht Fick die Arbeitsleistung des Muskels mit der Verkürzung einer Drahtspirale, durch welche ein konstanter, elektrischer Strom geschickt wird. Ein dauerndes Halten der Last erfordert hier an- dauernden Stromdurchgang, also andauernden Verlust an innerer Energie; das Absinken der Last geht aber (im wesentlichen) ohne Verlust an Energie vor sieh. Ähnliche Beispiele sind von Chauveau, Dreser u. a. angegeben worden (Elektomotor, der ein Gewicht hält, Glaskugel auf Springbrunnen usw.). 1) Internationale wissenschaftliche Bibliothek Bd. 51 S. 86. 1882. 2) Hierbei muss eine Verminderung der inneren Energie des Systems ein- treten, wie schon oben erwähnt. Dasselbe muss bei allen ähnlich gedachten Vergleichsmodellen der Fall sein, wenn auch diese Abnahme der Arbeitsfähigkeit sehr gering gedacht werden kann. Ich verstehe daher die Verwunderung nicht, mit der Frank (Ergebn. d. Physiol. Bd. 3 (2) S. 502. 1904) eine diesbezügliche Bemerkung in meinem Buch zitiert. Die Dauerverkürzung der Muskeln. 329 Vergleichsmodelle des Muskels sind also sowohl in der Weise denkbar, dass bei der Dauerunterstützung eines Gewichtes dauernd ein Energieverlust stattfindet, als auch so, dass die innere Energie bei der Dauerunterstützung gleich bleibt. Mit den Vorgängen, die wir im Muskel annehmen können, haben aber alle diese Beispiele wenig gemeinsam. Ernstlich diskutiert sind folgende Möglichkeiten der Ursache der Muskelkontraktion: Wärmeentwicklung (Wärmekraftmaschine), Quellung aus chemischen Ursachen, reversible Koagulation, osmotische Vorgänge und Veränderung der Oberflächenspannung. Wenn wir von der Annahme einer Wärmekraftmaschine absehen, welche von | Fick als unhaltbar erwiesen ist, können alle die genannten Vor- ' gänge so geleitet gedacht werden, dass die dauernde Verkürzung | ohne Verlust an Arbeitsfähigkeit möglich ist. Fick hat bereits | diese Verhältnisse klar zur Darstellung gebracht — allerdings im Bilde einer speziellen Auffassung der Muskelmechanik. Da die Fick’sche Hypothese über die Natur der physikalischen Vorgänge, ' welche zur Formveränderung führen, nichts präsumiert, so lässt sie nach der physikalischen Seite hin das Feld für weitere Spekulation offen. Bekanntlich nimmt Fick an, dass sich das chemische Ge- schehen im Muskel während der Aktion auf zwei Akte verteilt). " Beim ersten Akt wird auf den Reiz hin eine „Verkürzungs- { substanz“ gebildet, die den mechanischen, eventuell mit äusserer ; Arbeitsleistung verbundenen Verkürzungsvorgang bewirkt; im zweiten \ Akt wird diese Substanz zerstört und dadurch die Rückkehr des l Muskels in die Ruhelage ermöglicht (Vergleich mit der Kohlensäure- } bildung und Kohlensäureabsorption in dem oben erwähnten Modell). | Würde der zweite Prozess verzögert oder überhaupt nicht ohne weiteres eintreten, se würde der Muskel während der Anwesenheit der Verkürzungssubstanz zu einem elastisch gespannten Bande werden und ohne innere Arbeit gespannt sein. — Fick hat auf Grund dieser Überlesung die Frage geprüft, ob etwa unter dem Einfluss von Veratrin der Eintritt des zweiten, sich sonst sofort an ‘den ersten anschliessenden Aktes verzögert wäre; er fand aber, dass ‚bei der Veratrinkontraktion eine grössere Wärmemenge frei wird, ‚als bei der Zuckung des unvergifteten Muskels, wodurch diese Mög- | 1) Myothermische Untersuchungen $. 81. Wiesbaden 1889 (1873). 330 Albrecht Bethe: lichkeit für den Veratrinmuskel ausgeschlossen war!). Dass die Ver- wandlung in einen „rein physikalisch-elastischen Strang“ für den Muskel an und für sich zweckmässig sein könne, hat Fick noch 1892 anerkannt?); Fick ist aber der Frage nicht nachgegangen, ob dies vielleicht irgendwo anders (bei besonderen Muskelarten oder“ in gewissen Tiergruppen) verifiziert sei. Er unterliess dies wohl hauptsächlich aus der teleologischen Überlesung heraus, dass die Notwendigkeit einer dauernden Bereitschaft, in andere Längen über- zugehen, für den Muskel eine zwangsmässige Kuppelung beider Akte erfordere. Ich halte dagegen eine zwangsmässige Kuppelung der beiden von Fiek angenommenen Prozesse nur dort für zweckmässig, wo die Bedürfnisse des Tieres schnelle Bewegungen erfordern. Daher scheint mir die Hypothese durchaus dis- kutabel, dass bei den typischen Tonusmuskeln, welche mehr statischen als dynamischen Zwecken dienen, der Verkürzungs- und Verlängerungsprozess unabhäneig voneinander seien, und dass bier der Verlängerungsprozess viel- leicht durch einen neuen, andersgearteten Erregungsvorgang aus- gelöst werde. Diese Möglichkeit bleibt bestehen, gleichgültig ob man als Ursache der Formveränderung eine Veränderung der Ober- flächenspannung oder des osmotischen Druckes oder einen Kolloid- prozess annimmt. Es ist nur nötig, sich auf den Boden der Fick- schen Hypothese zu stellen, dass dem Akt der Verlängerung und Verkürzung zwei verschiedene chemische Prozesse vorausgehen. Dieser Standpunkt ist dem von Frank in seinem bekannten Referat ge- äusserten durchaus entgegengesetzt. Während ich glaube, dass die tonische Kontraktion als Einzelkontraktion von grosser und sehr variabler Dauer auf- gefasst werden kann, hält Frank dieselbe für einen Tetanus, wie mir scheint, ohne hinreichenden Grund. Wenn nämlich Frank?) aus der Tatsache, dass alle bisher untersuchten Verkürzungszustände des lebenden Muskels mit positiver | | \ Wärmetönung verbunden sind, den Schluss zieht, dass dies wahrscheinlich auch bei den bisher thermodynamisch nicht untersuchten Tonusmuskeln so sein würde, so erscheint mir diese Extrapolation als ganz willkürlich. Allerdings macht nun Frank eine Einschränkung nach der quantitativen Seite hin: „Wir können auch annehmen, dass der Verbrauch von Energie für einen Reiz, bei dem glatten Muskel ähnlichen Gesetzen folgt, wie bei dem quergestreiften Muskel, so dass h) ! I EI also auf der Höhe der tetanischen Kontraktion auf den einzelnen Reiz 1) Myothermische Untersuchungen S. 75. Wiesbaden 1889 (1875). 2) Pflüger’s Arch. Bd. 51 8. 568. 3) Ergebn. d. Physiol. Bd. 3 (2) S. 504. 1904. Die Dauerverkürzung der Muskeln. 331 bei dem glatten wie. bei dem quergestreiften Muskel vergleichsweise dieselbe Grösse der Energieverwandlung träfe Nun sind aber zur Erzeugung einer stetigen tetanischen Zusammenziehung um so weniger Reize in der Zeit- einheit erforderlich, je langsamer die Einzelkontraktion des Muskels erfolgt. So sind . . ... 300 Reize in der Sekunde nötig, um einen Insekten- muskel zu einem stetigen Tetanus zu bringen, während ein weisser Kaninchen- muskel 20—30, ein Schildkrötenmuskel sogar nur zwei Reize in derselben Zeit erfordert.“ Gegen diese Überlegung scheint an und für sıch nichts einzuwenden zu sein; sie führt aber, wie Parnas!) gezeigt hat, bei konsequenter Weiterführung zu dem von Frank offenbar nicht beabsichtigten Resultat, dass bei sehr träge reagierenden Muskeln die Energieumsetzungen während der Dauerkontraktion praktisch gleich Null werden. Das ist aber das, was Frank bekämpft. Trotzdem vermute ich, dass in den Voraussetzungen dieser Überlegung ein Fehler enthalten ist, wenigstens soweit sie den Tonusmuskel betreffen. Diese Muskeln reagieren nämlich unter Umständen gar nicht so langsam, wie sie rea- gieren müssten, wenn der bei günstigster Rechnung sich ergebende Stoffumsatz - auf die Umsetzung gleicher Energiemengen (wie beim quergestreiften Muskel) bei jedem hypothetischen Einzelreiz bezogen werden soll?). Es muss beim Tonus- 1) Pflüger’s Arch. Bd. 134 S. 454. 1910. 2) Vorläufig ist dies nur auf Umwegen zu beweisen, da die Dauer der „Einzelzuckung“ und die notwendige Reizzahl für „vollkommenen Tetanus“ für die meisten glatten Muskeln unbekannt ist. Ob es hier überhaupt eine „Einzel- zuckung“ (und einen Tetanus) im Sinne des quergestreiften Muskels gibt, kann zweifelhaft erscheinen. Die auf künstlichen Einzelreiz unter meist sehr abnormen Bedingungen (Erwärmung oder Vergiftung usw.) aufgezeichneten Verkürzungs- kurven zeigen auch am selben Objekt recht verschiedene Form und Dauer; vor allem dehnen sie sich aber häufig über eine längere Zeit aus, als die Kontrak- tionen, welche das Tier von sich aus auszuführen imstande ist. — Nach den An- gaben von Marceau u. a. vermögen die schräggestreiften, schnellen Adductoren der Muscheln nur geringe Lasten und diese nur für sehr kurze Zeiten zu tragen. Wenn man daher ein Tier mit so hohen Gewichten belastet, dass dieselben nur noch von den glatten Adductoren getragen werden ‚können, so müssen die zu beobachtenden Bewegungen von den glatten Muskeln selber herrühren. Ich habe eine Anzahl solcher Spontankurven bei einer Querschnittsbelastung von 3000 g pro Quadratzentimeter von Unio aufschreiben lassen. Die Ausmessung der schroffsten Kurvenschwankungen (besonders bei plötzlicher Erschlaffung nach längerem Verweilen in stärker kontrahiertem Zustand) und der Vergleich mit Verschmelzungskurven quergestreifter Muskeln ergibt, dass mindestens alle 1—2 Sekunden ein neuer Reiz erfolgen müsste, um einen glatten Tetanus zu er- halten. (Dabei ist vorausgesetzt, dass die Steilheitsschwankungen wenigstens zum Teil mit den hypotetischen Einzelzuckungen bereits zusammenfallen.) Wir kämen also zu einer für glatten Tetanus nötigen Reizfrequenz, welche etwa 20—40 mal kleiner ist als für den Froschmuskel, und etwa 40—80 mal kleiner als für den Menschenmuskel. Dementsprechend müsste auch der Stoffverbrauch (bei gleicher Belastung, gleicher Muskellänge und gleicher Kontraktionsdauer) 3323 Albrecht Bethe: muskel zu der Langsamkeit der Reaktion noch etwas anderes hinzukommen. Die einfachste Erklärung scheint mir zur Zeit die, dass der Tonusmuskel bei jeder Länge den gleichen Minimalumsatz hat, dass er aber imstande ist, je nach Art des Reizes, in eine grössere oder geringere Länge überzugehen. Weiterhin scheint aber die Frank ’sche Überlegung zu einer anderen, un- beapvsichtigten Konsequenz zu führen. Die Richtigkeit der Frank’schen Prä- missen vorausgesetzt, geht nämlich aus der verschiedenen Zahl der Verschmelzungsreize hervor, dass statische Leistungen tat- sächlich ohne Energieumsatz möglich sind. Wenn im Tetanus, wie Frank und mit ihm wohl viele andere Physiologen annehmen, nur bei jedem neuen Reiz eine Umsetzung chemischer Energie statt- findet, so muss der Schildkrötenmuskel während der Dauer von lo Sekunde zu einem elastischen Bande werden, das die Spannung ohne besonderen Energieaufwand aufrecht erhält. Und auch der weisse Kaninchenmuskel muss während Y/so—!/20o Sekunde zu einem solchen werden, denn die Dekreszente der Einzelzuckung ist bei diesem Muskel noch wesentlich gegen die Fallkurve verzögert. — Ein Vergleich des zeitlichen Verlaufs des elektrischen und des mechanischen Vorganges bei der Muskel- kontraktion hat bereits Parnas!) zu einem ganz ähnlichen Schluss geführt, dass nämlich wenigstens bei den trägen Muskeln „im Verlauf der ‚Einzelkontraktion‘ eine Zeit existiert, während welcher der Muskel ohne Verminderung seiner inneren Energie kontrahiert bleibt.“ Zur weiteren Beeründung meiner Vorstellung über die Natur der Dauerverkürzung des Tonusmuskels erscheint es notwendig, auf die Fiek’sche Hypothese vom Auftreten einer Verkürzungssubstanz und deren zur Wiederverlängerung führenden Zerstörung. näher ein- zugehen. Diese Hypothese hat vielfach Anklang gefunden und in experimentellen Tatsachen offenbare Bestätieungen erfahren ?). nur 20—80 mal kleiner sein. Wir haben aber gesehen, dass der Mehrverbrauch des Muschelmuskels während der Kontraktion — wenn überhaupt vorhanden — mindestens einige tausendmal geringer ist. Die Steilheit an den Wendepunkten der Kurven müsste also mindestens einige hundertmal geringer sein, als es in Wirklichkeit der Fall ist. Bei den quergestreiften Muskeln scheint nun (wenn man aus den wenigen vorliegenden Versuchen Schlüsse ziehen darf) durchaus nicht die während des Tetanus auf den einzelnen Reiz in Bewegung gesetzte Menge potentieller Energie gleich gross zu sein, sondern sie scheint bei trägen Muskeln grösser zu sein als wie bei flinken. Wenn dies sich bestätigen sollte, so würde die tetanische Natur der Dauerkontraktion von Tonusmuskeln noch weiter an Wahrscheinlichkeit verlieren. 1) Pflüger’s Arch. Bd. 134 S. 454. 1910. 2) Gad und Heymanns (Arch. f. Anat. u. Physiol. 1890 Suppl. S. 59), Schenk (Pflüger’s Arch. Bd. 52 S. 117. 1892), Winterstein (Pflüger’s Arch. Bd. 120 S. 225. 1907), Bernstein (Pflüger’s Arch. Bd. 122 S. 129. Die Dauerverkürzung der Muskeln. 333 u ner EEE Fiek und nach ihm Gad, Winterstein u. a. haben an- genommen, dass die Verkürzungssubstanz vielleicht Milchsäure sei, welche sich bei der Spaltung von Zucker bilde. Verbrennung der- selben zu Kohlensäure und Wasser sollte dann erst die Möglichkeit zur Wiederverlängerung herbeizuführen. Diese Hypothese erweist sich bei quantitativer Bewertung der freiwerdenden Energiemengen als unvereinbar mit den herrschenden Annahmen über den - Voreang bei den Muskelleistungen. Bernstein!) hat bereits darauf hingewiesen, dass bei der Spaltung von 1 Mol. Zucker in 2 Mol. - Milchsäure nur eine sehr geringe positive Wärmetönung zutage tritt , (&8° der Verbrennungswärme des Zuckers). Wenn man mit Fick und anderen annimmt, dass die Hauptmenge der bei einer Einzel- zuckung auftretenden Wärme (und damit vermutlich auch des ganzen inneren Stoff- und Energieumsatzes) in das Stadium der Kreszente und der eventuellen Leistung äusserer Arbeit fällt, so würden noch nicht 3° der im Zucker vorhandenen Energie der Arbeitsleistung zugute kommen, während 97 °o scheinbar nutzlos bei der Wieder- verlängerung vernichtet würden. Da nun, wie Bernstein weiter ausführt, bis zu 30, ja 40° der Gesamtenergie |des verbrannten Materials?)] als äussere Arbeit in Erscheinung treten, so könne FE Te -, 1908). Auch die Vorstellung von Blix (Skandin. Arch. f. Physiol. Bd. 12 S. 111. -, 1902) schliesst sich der Fick’schen Hypothese ziemlich eng an (Sekretion einer | Verkürzungssubstanz an der Oberfläche kleiner Rotationsellipsoide nach Maass- "gabe ihrer Länge und sofortige Entfernung derselben durch Zerstörung oder Diffusion). 1) Pflüger’s Arch. Bd. 122 S. 159. 1908. 2) Bernstein geht hierbei offenbar von der geläufigen Annahme aus, dass ' die bei den myothermischen Versuchen gefundenen Wärmemengen auf eine voll- " kommene Verbrennung (z. B. von Kohlehydrat) zu beziehen sind. Eine andere Annahme ist beim ganzen höheren Organismus kaum möglich, da aus Spaltungen | der Energieverlust nicht ‘gedeckt werden könnte (Bunge, Rubner, Zuntz, Atwater u. a.). Beim ausgeschnittenen Muskel war diese Annahme bisher } nicht gesichert (Frank, Ergebn. d. Physiol. Bd. 3 (2) S. 487. 1904) und auch für ‘ den Muskel im intakten Organismus bestand die Möglichkeit, dass er selber zu- ‚ nächst vorwiegend Spaltungen ausführt, deren Produkte dem Gesamtbetriebe 4 | durch Umwandlungen an anderen Orten zum Teil wieder nutzbar gemacht werden. , Sehr wichtig ist es daher, dass nach Widmark (Skandin. Arch. Bd. 24 S. 333. 1911) die O,-Zehrung und die 00,-Abgabe auch beim ausgeschnittenen, 8 ‚ genügend mit O, versorgten Muskel auf Reiz hin ansteigen, womit andere An- gaben (Fletcher), dass die CO,-Abgabe nicht anstiege, hinfällig würden. h ‚ Ferner bleibt nach Widmark der respiratorische Quotient bei der Reizung un- D Be 334 Albrecht Bethe: diese Hypothese der quantitativen Prüfung nicht standhalten. Er nimmt deshalb an, dass auf jede wirksame Erregung hin sofort eine ı vollständige Verbrennung eintritt, obwohl ihm die Trennung von Kontraktion und Expansion plausibel erscheint. Vom chemischen Standpunkt aus betrachtet scheint nun eine primäre, vollständige Verbrennung des im Augenblick disponiblen Materials, das wir als Kohlehydrat ansehen wollen, wenig wahr- scheinlich. Auch nach den neueren Anschauungen über den Abbau der Kohlehydrate geht der Weg zur Oxydation über Spaltungs- produkte. Es ist zu vermuten, dass diese primären Spaltungs- prozesse bei der Muskelaktion eine Rolle spielen, auch wenn wir | annehmen, dass die Oxydationsprozesse sich unter Umständen den Spaltungen sehr schnell anschliessen. Aus allen zurzeit in Betracht kommenden Spaltungen des Kohlehyıratmoleküls ist nun aber nur | ein sehr geringer Energiegewinn möglich! Der Gedanke, dass die Spaltungsprodukte eine Rolle spielen, ı lieet um so näher, als wir wissen, dass der Muskel auch ohne Sauerstoff zunächst funktionsfähig bleibt (Hermann) und viele Organismen Muskelleistungen ausüben, welche ganz anaerob leben. Bei den Organismen, welche auf vollständige Oxydation angewiesen sind, sehen wir nun aber, dass die Kontraktion bei Sauerstoffmangel oder hochgradiger Ermüdung durch Tätigkeit einen zunehmenden Verkürzungsrückstand hinterlässt, worauf schon wiederholt von an- deren hingewiesen ist; andererseits tritt die Totenstarre um so früher ein, je ermüdeter der Muskel war, während sie hei erhöhtem Sauer- stoffdruck überhaupt ausbleibt (Winterstein!). Alles dies weist darauf hin, dass die Spaltungsprodukte mit dem Verkürzungszustand in inniger Beziehung stehen und dass sich erst sekundär, vielleicht bei der Expansion die Oxydationen anschliessen. Der oftenbare Widerspruch zwischen den geringen Energiemengen, welche aus Spaltungen für gen Verkürzungsprozess zu gewinnen wären, einer- seits, und der kaum abzuleugnenden Wirksamkeit der Spaltungs- | produkte andererseits, liesse sich, wie mir scheint, lösen, wenn man verändert! Damit ist sichergestellt, dass im Muskel vollkommene Verbrennungen ablaufen, aber es bleibt immerhin möglich, dass daneben auch reine Spaltungen, \ besonders bei der Tätigkeit einhergehen, deren eines Produkt dann aber nicht Kohlensäure sein kann. 1) Pflüger’s Arch. Bd. 120 S. 225. .1907. Die Dauerverkürzung der Muskeln. 335 die Momente grösster mechanischer Leistung und grösster chemischer Umsetzung nicht zusammenfallen lässt: Man müsste dann die Kontraktion als einen durch die auftreten- den Spaltungsprodukte ausgelösten Entspannungsprozess ansehen (ähnlich der Zusammenziehung einer vorher gespannten Feder), während bei der Expansion durch die Oxydation der Spaltunes- produkte (oder eine andere unter Energieabgabe ablaufende Ver- änderung derselben) die kontraktilen Teile wieder aufgeladen würden, indem zugleich ein Teil der freiwerdenden Energie nach aussen als Wärme aufträte. Diese Hypothese im einzelnen zu begründen und mit den be- kannten Tatsachen im Einklang zu bringen — was mir sehr wohl möglich erscheint — würde zu weit führen. Es sei nur das eine erwähnt, dass nämlich die neuen Versuche von Hill!) diese An- sicht zu bestätigen scheinen. Seine eigenen Schlüsse sind der ge- äusserten Hypothese nahe verwandt. — Wir kennen eine Reihe von Substanzen?), welche den quer- gestreiften Muskel in einen lange anhaltenden (anscheinend nicht tetanischen) Verkürzungszustand zu versetzen vermögen (v. Fürth und Sehwartz, Kemp und Walier, Hofmann u. a.). Die meisten dieser Substanzen sind körperfremd. Ich habe aber in letzter Zeit einige Substanzen als starke Kontrakturerreger kennen gelernt, welche eventuell im Stoffwechsel eine Rolle spielen könnten. In dem hier behandelten Zusammenhang scheint mir nun folgender Befund von Wichtigkeit zu sein: Ist eine in den Muskel eindringende Substanz befähigt, eine reversible Kontraktur des- selben hervorzurufen, so hinterlässt die Kontraktur — auch wenn sie stundenlang gegen nicht unerhebliche Kräfte angedauert hat — keine Ermüdungserscheinungen. Der Muskel ist während der Kontraktur — wenn sie nicht maximal ist — und nach Aufhebung 1) Journ of Physiol. vol. 42 p. 1—43. 1911. 2) Diese Substanzen besitzen sehr verschiedene physikalische und chemische Eigenschaften ; aber man kann doch eine Gruppe herausschälen, welche wenigstens in zwei Eigenschaften übereinstimmen: Es sind dies organische Körper von hohem Verbrennungswert, die zu gleicher Zeit imstande sind, bereits in kleinen Mengen die Oberflächenspannung stark zu beeinflussen (z. B. Alkohole: Methyl- <Äthyl- ae Vz*- 2. — = — + 9,3 Körperchen ' oder zu 1,8°, der mittlere le des Mittelwertes (F.) zu Rn — = ee: =. \ SB — + 3,5 Körperehen rn I) 2. 450 oder zu 0,710. 392 K. Bürker: Zählung der roten Blutkörperchen im Blute des Verfassers. Versuch vom 11. bis 17. Mai 1911. EA er zanga Ort Aussen- | Luft- | Mittlere Biutkörperchen Körper- der Blut- | tempera- | druck in | Zimmer- | —_ Damm enachel N en tur mm Hg | temp. in vier- | in 1 emm kg zichung IE: (red.) IE. Ode ee 11. ne 1 13,0 729,0 17 { nn 2 \ 5,95 ı0. | 893 1, 14,0 729,5 17 I a \ 5,97 13 & L 17,0 727,1 17 { u \ 5,32 14. | 896 1, 18,5 726,1 17 { a \ 5,33 15 ae n 18,0 726,6 17 { \ 5.20 16. |. 89,5 h 135 796,6 17 { as \ 5,17 Il. 1 17,5 727,0 17 { \ 5,19 Zählung der roten Blutkörperchen in einer konstanten Blutmischung. Versuch vom 11. bis 17. Mai 1911. Mittlere Zahl der Blutkörperchen Datum Aminen: RE mi N temperatur in viermal | in 1 cmm 20. 50 Quadraten | Blut in Mill. r r 11. 17 | An \ 5.45 12. 17 { In, \ 5,43 [9] aY 12, 17 { ge, \ 5,46 498 574 CE 14. 17 { \ 5,26 1:49) Z 16. 17 { a } 5,25 SR 519 536 | 17 MOTSEDS 17 { 537 555 | \ St 17. mittags 17 { 3 25 \ 5,26 Die unter möglichst gleichen Bedingungen vorgenommenen Zählungen in der konstanten Blutmischung ergaben die in der vorhergehenden Tabelle zusammengestellten Resultate. Zu der Über weitere Verbesserungen der Methode zur Zählung ete. 353 Tabelle, die der vorhergehenden analog ist, muss bemerkt werden, dass am 15. Mai die Übertragung des verdünnten Blutes in die Zählkammer mit paraffinierten Pipetten, statt mit nichtparaffinierten, geschah, weshalb dieser Versuch weggelassen wurde, dafür wurden aber am 17. Mai zwei Zählungen vorgenommen. Der Mittelwert beträgt 5,35 Millionen roter Blutkörper- chen in 1 cmm Blut, daher die Summe der Fehlerquadrate bei sieben Zählungen 551 und damit der mittlere Fehler jeder einzelnen Zählung mM=x+ a + 9,6 Körperchen oder 1,80, der mittlere Fehler des Mittelwertes Fn = + a + 3,6 Körperchen oder 0,7 0. Das Resultat dieser Versuche ist im Vergleich mit dem des vorhergehenden sehr beachtenswert, insofern als die Fehler in beiden Fällen genau gleich gross sind. Ob man also einer Versuchsperson jeden Tag Blut frisch entzieht und die roten Blutkörperchen darin zählt oder unter mög- liehst gleichen Bedingungen die Zahl in eiuer konstanten Blutmischung bestimmt, die Fehler der Zählmethode sind die gleichen. Daraus darf man aber weiterhin folgern, dass die Zahl der Blutkörperchen im Blute unter normalen Verhältnissen eine recht konstante ist, und ‚dass die bei unserer Art der Blutentziehung, Blutabmessung und ‚ Blutverdünnung gemachten Fehler gar nicht in Betracht kommen | gegenüber dem bedenklichsten aller bei Zählung roter Blutkörperchen ‚sich geltend machenden Fehler, nämlich der nie völligen Gleich- ‚mässigkeit der Verteilung dieser winzigen, dazu spezifisch schwereren, ‚ Gebilde in der spezifisch leichteren Verdünnungsflüssigkeit. | Die obigen Berechnungen gründen sich auf eine Auszählung "von 4.80 — 320 Quadraten, wobei je 2- 80 = 160 Quadrate auf jiede Abteilung der Zählkammer kommen; es fragt sich noch, wie gross ist die Genauigkeit, wenn die Zählung sich auf ‚weniger Quadrate erstreckt? Werden nur je 80 Quadrate in jeder Abteilung aus- ‚gezählt, und zwar so, dass in der einen Abteilung S0 nach aussen ‚gelegene Quadrate des Zählnetzes, in der andern Abteilung SO nach ‚innen gelegene Quadrate berücksichtigt werden, so ergeben sich für ‚die konstante Blutmischung nach den in die Schemata eingetragenen Zahlen folgende Resultate. | | 354 | K. Bürker: Zählung der roten Blutkörperchen in der konstanten Blutmischung unter Berücksichtigung von 160 Quadraten. Versuch vom 11. bis 17. Mai 1911. Zahl der Blutkörperchen in zweimal in 1 cmm Blut 30 Quadraten in Millionen | 11. Mai 570 und 541 5,96 Due N itle) 5,60 | Bin 330 „008 9,54 | 14:7, 498 „ 974 5,36 | 16: 529. „- 980 9,42 SIT: ol 5980 9,28 IT7-Ra, SUITE 503 9,06 Daraus berechnet sich als Mittelwert 5,37 Millionen ! gegenüber 5,35 bei Auszählung von 320 Quadraten. Da die Summe der Fehlerquadrate 1967 beträgt, so ergibt sich der mittlere Fehler jeder einzelnen Zählung 1967 Ton —— ats I + 18,1 Körperchen oder 8,4 °0, der mittlere Fehler des Mittelwertes I, — a De + 6,8 Körperchen oder 1,3 'Io. Bei Berücksichtigung von nur SO Quadraten, wobei 40 nach aussen gelegene Quadrate des Zählnetzes in der einen Ab- teilung, 40 nach innen gelegene in der andern Abteilung gezählt werden, kommt man zu folgendem Ergebnis. Zählung der roten Blutkörperchen in der konstanten Blutmisehung unter Berücksichtigung von S0 Quadraten. | Versuch vom 11. bis 17. Mai 1911. Zahl der Blutkörperchen Datum in zweimal | in 1 cmm Blut | 40 Quadraten | in Millionen 11. Mai 289 + 253 = 542 | 5,42 TasRı 262 + 297 — 559 | 5,59 18.0. % 268 + 264 = 532 | 5,32 14,8% 220 + 292 = 512 | 5,12 16.1758 . 258 + 2831 =539 | 5,39 ar 255 + 273 — 5,28 | 5,28 La 234 + 249 = 4,83 | 4,83 Über weitere Verbesserungen der Methode zur Zählung etc. 355. Durch die letzte, etwas aus der Reihe fallende, Zahl wird der Mittelwert auf 5,28 Millionen herabgedrückt, ohne diese würde er 5,35 wie nach Auszählung von 320 Quadraten betragen. Bei einer Fehlerquadratsumme von 3575 ergibt sich der mittlere Fehler jeder einzelnen Zählung zu 3575 fm = + — + 24,4 Körperchen oder 4,6%, der mittlere Fehler des Mittelwertes In a5 m + 9,2 Körperchen oder 1,7°/o, dazu kommt in beiden Fällen die konstante Abweichung vom Mittelwerte von 1,3°/o, so dass sich die Zahlen auf 5,9 °/o und 3,0% erhöhen. In der folgenden Tabelle ist zusammengestellt, welche Fehler ' man mit Rücksicht auf die Anzahl der gezählten Quadrate bei unserer Art der Zählung zu erwarten hat. | | | | ' | \ { | Mittlerer Fehler Grösste Abweichungen Anzahl der ge- — | d. einzelnen Zählungen zählten Quadrate |je der einzelnen | des Mittelwertes vom Mittelwerte bei Zählung ı bei 7 Zählungen 7 Zählungen | 80 5,9 %/o | 3,0 %0 | + 4,5 — 9,8 %/o | 160 3,4 0/0 | 1,3 %/e +47 — 5,4 °/o | 320 | 1,8% | 0,7 %0 +21 — 19% | Zwei weitere Versuchsreihen waren schon vom 1. bis 17. April 1911 in fast derselben Weise durchgeführt worden, nur dass statt der beschriebenen einfachen Übertragungspipetten innen ‚mit festem Paraffın überzogene Pipetten zur Füllung der Zählkammer "benutzt wurden. Der Paraffinüberzug sollte einer Benetzung und ‚damit Entmischung durch Adhäsion der Blutkörperchen amı Glase ‚vorbeugen. Auch die Resultate dieser Versuchsreihen, bei welchen ‚das jeden Tag frisch entzogene Blut in bezug auf den Blutkörperchen- ‚gehalt mit einer konstanten Blutmischung verglichen wurde, seien ‚in den Tabellen auf S. 356 und 357 mitgeteilt. In der ersten Versuchsreihe, die sich auf das jeden Tag frisch entzogene Blut bezieht, beträgt der Mittelwert 5,29 | Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd. 142. 24 356 K: Bürker: Zählung der roten Blutkörperchen im Blute des Verfassers. Versuch vom 1. bis 7. April 1911. f Zahl der Ort Aussen- Luft- | Mittlere Blutkörperchen Datum eg der Blut- | tempera- | druck in | Zimmer- | — SE gewicht | ent- tur mm Hg | temp. ln nz April kg zZ usa en 9) wei) IEC: Quadrater | Millionen | | 1. | 884 = +53 | 73235 17 { a ) 5.42 2. © u | 422 | zo a ) [9J3 | | 3. | 888 I, +80 | zeua |: 10 A or 2 N 4. Be Te 96 | 728,7 17 { rl, db 536 5 | | 2 ns 6 592 | el 1 7956 17 { a \ 5,22 6% = ” 33. 7907 17 { en Y 5,41 E 109] = N 7a 75 1, jo | zone IT El 55 sa |} 5458 Millionen. Bei einer Fehlerquadratsumme von 700 berechnet sich. daher der mittlere Fehler jeder einzelnen Zählung 700 Im—= + u 10,8 Körperchen- oder 2,0%, der mittlere Fehler des Mittelwertes MnM=+ % = — + 4,1 Körperchen oder 0,8 °o. Die Zählung in der konstanten Blutmischung (8. 357) ergab 5,18 Millionen als Mittelwert und als Summe der“ Fehlerquadrate 384, woraus sich als mittlerer Fehler jeder einzelnen Zählung (384 Im — # —_ + 8,0 Körperchen oder 1,50, als mittlerer Fehler des Mittelwertes a Vz. In — 7 EV 76 — + 3,0 Körperchen oder 0,6°o ableitet. 1) Im benachbarten physikalischen Institut etwa 1 Stunde vor Beginn der Versuche gemessen. Über weitere Verbesserungen der Methode zur Zählung etc. 357 Zählung der roten Blutkörperchen in einer konstanten Blutmischung. Versuch vom 1. bis 7. April 1911. | Mittlere | Zahl der Blutkörperchen Datum Zimmer- er temperatur in viermal in 1 cmm April v (0% 80 Quadraten Blut in Mill. 135200 | 1. 17 { en \ 5,11 459 494 2. 17 { es r 5,06 C 93929 3. m a Fe 923 5083 = 4 L | 545 497 h 517 309 843 29 > Di { 532 518 } De 534 486 c e 7 | sn |} 53 507 483 Q S I d 562 559 I} 5,28 So völlig gleich gross wie bei den vorher (S. 352 und 353) mit- geteilten Parallelzäblungen von Blut und konstanter Blutmischung sind die Fehler bei diesen beiden Versuchsreihen nicht. Die etwas grösseren Fehler bei der Zählung des Blutes können dadurch be- dingt sein, dass die Aussentemperatur plötzlich für einige Tage unter den Gefrierpunkt sank; auch dass paraffinierte Übertragungspipetten benutzt wurden, kann von Einfluss sein!). Immerhin ist die Über- einstimmung unter diesen Umständen eine ganz befriedigende, wie aus-der folgenden Tabelle hervorgeht. | Blut Konstante Blut- ä mischung Mittlerer Fehler jeder einzelnen Zählung nWlarozenten Eee 1,8 und 2,0 1,5 und 1,5 Mittlerer Fehler des Mittelwertes in Pro- . BEINEN. So ae ER 0,7 0,8 0,7 P}) 0,6 Auf Tafel XIV sind die bei den vier Versuchsreihen gewonnenen Resultate graphisch verzeichnet, die gestrichelte Linie gibt immer 1) Über vergleichende Zählungen unter Benutzung parafßnierter und nicht- paraffinierter Übertragungspipetten siehe S. 364. 24 * 358 K. Bürker: den Mittelwert an. Ein Blick auf die Kurven lehrt, dass die Fehler etwa gleich gross sind, ob nun das Blut jeden Tag von neuem entzogen, abgemessen, verdünnt und gezählt wird oder ob die Zahl in der konstanten Blutmischung ermittelt wird. Die weitere Folgerung daraus ist schon früher (S. 353) gezogen worden. Jedenfalls kann man mit dem Resultate, dass eine Zählung roter Blutkörperchen bei 200facher Verdünnung des Blutes und bei Be- rücksichtigung von 320 Quadraten, eingerechnet alle Fehler, welche von der Blutentziehung bis zur Zählung, diese eingeschlossen, ge- macht werden, mit einem mittleren Fehler von nur 2°/o behaftet ist, recht zufrieden sein. Es wird nunmehr zu prüfen sein, wo etwa weitere Be- mühungen zur Verbesserung der Zählmethode ein- zusetzen haben. 5. Kritik der Zählmethode. Im folgenden sollen die einzelnen Phasen der Zählung in der Reihenfolge, in weicher sie sich abspielen (siehe S. 345), einer kritischen Betrachtung unterworfen werden. Was zunächst die Wahl der Verdünnungsflüssiekeit betrifft, so soll diese die Blutkörperchen gut konservieren und leicht flüssig sein, sie soll keine zu geringe Dichte und keinen zu grossen Brechungsexponenten haben, leicht und vollständig aus der Pipette und dem Zählraum zu entfernen und dabei unverändert halt- bar sein. Die Blutkörperchen müssen gut konserviert sein, weil sie sich dann leichter und längere Zeit zählen lassen. Die Verdünnungs- flüssickeit darf nieht zähflüssig sein, weil sonst die Mischung erschwert ist und der Zählraum sich zu langsam füllt. Die Dichte der Ver- dünnungesflüssiekeit darf nicht zu gering sein, weil sich sonst die relativ schweren roten Blutkörperchen zu. rasch senken, wodurch Entmischung droht; die Dichte darf andererseits auch nicht zu gross sein, weil sonst die Blutkörperchen auf dem Zählnetz nicht unbeweg- lich verharren und weil sie ferner im Mischkölbehen leichter an dem nur vorübergehend benetzten Teil der inneren Wand hängen bleiben und eintrocknen. Der Brechungsexponent der Flüssigkeit darf nicht zu gross sein, weil sonst das Zählnetz auf dem Boden des Zähl- raumes nur schwer zu sehen ist. Die Flüssigkeit darf ferner nicht ; Über weitere Verbesserungen der Methode zur Zählung etc. 359 sehmieren, weil sich sonst die Pipette und der Zählraum schwer reinigen lassen. Aus all diesen Gründen verbietet sich insbesondere der Zusatz von Glycerin zur Verdünnungsflüssigkeit, wie sich auch noch später (S. 361) ergeben wird. Es ist nicht ganz leicht, eine Flüssigkeit zu finden, welche allen den genannten Anforderungen genügt, am ehesten ist dies noch bei der Hayem’schen Lösung der -Fall. Diese Lösung konserviert die roten Blutkörperchen ausgezeichnet, alle aber in Glockenform, und ermöglicht ferner auch unschwer die Unterscheidung von roten und weissen Blutkörperchen; man braucht nur den Tubus hoch einzustellen und erkennt dann leicht an dem hellen Glanze den Leukoeyt. Nur die kleinen Lymphoeyten können gelegentlich Zweifel erwecken. Werden die Blutkörperchen etwa eine Woche lang in der Hayem- schen Lösung untersucht, so zeigt sich gegen Ende der Woche eine Neigung zu Niederschlägen und Agglutination. Die Leichtflüssigkeit der Lösung ergibt sich aus der Bestimmung der inneren Reibung!), welche, auf Wasser als Einheit bezogen, bei einer Dichte von 1,015 und bei 15° C. nur 1,05 beträgt. Der Brechungsexponent wurde mit dem Abbe’schen Refraktometer für ‚Natriumlicht zu 1,335 ermittelt, unterscheidet sich also von dem des Wassers, 1,333, nur sehr wenig. Die vollständige Entfernung der Lösung aus Pipette und Zählraum bietet keine Schwierigkeit. Die Lösung ist haltbar genug, ein feiner Bodensatz, der nach einiger Zeit entsteht, stört nicht, da die Lösung nicht durchgeschüttelt zu werden braucht. Bezüglich der Abmessungder Verdünnungesflüssigkeit hat sich gezeiet, dass sie sich sehr genau durchführen lässt, wie folgende Versuche beweisen. Versuch vom 23. Juni 1911. Die Pipette zur Abmessung von 4,975 cem Verdünnungsflüssigkeit wird in der beschriebenen Weise zunächst mit destilliertem Wasser, statt mit Hayem- scher Lösung, gefüllt und in ein sorgfältig gereinigtes Mischkölbehen mit einer Ausflusszeit von etwa 40 Sekunden entleert. Bestimmung des Gewichtes des Mischkölbchens vor und nach der Füllung. Fünf derartige Bestimmungen wurden hintereinander bei einer mittleren Zimmertemperatur von 17,7% C. vorgenommen. 1) K. Bürker, Eine neue Form der Zählkammer. Dieses Archiv Bd. 107, S.442. 1905. 360 K. Bürker: Bei der 1. Bestimmung wurden entleert 4,978 g » „ 2. B)] ” ” 4,976 g ) ” 3. ” ” ” 4,978 g ” ”» 4. n „ ” 4,979 g ” ” B ” $2) 4,975 8 ” ———————— Mittel 4,977 g Die grössten Abweichungen vom Mittelwerte 4,977 betragen nur +0,002 oder 0,04 %0. Versuch vom 27. Juni 1911. Es wird genau so verfahren wie beim vorhergehenden Versuche, nur dass die Pipette mit Hayem’scher Lösung gefüllt und diese in das Mischkölbchen entleert wird. Zimmertemperatur 16,99 C. Bei der 1. Bestimmung wurden entleert 5,055 g » b)} 2. ”„ ”„ ” 5,056 g „ ”„ d. „ „ ” 9,056 g a 5 5 x DE laong, EEE) 3 : 9,056 g ” Mittel 5,056 g Die grösste Abweichung vom Mittelwerte 5,056 beträgt nur — 0,001 oder 0,02 °/o. Nach W. Ostwald und R. Luther!) lassen sich Volumen- bestimmungen mit Pipetten für 2 eem Inhalt mit einer Genauigkeit von 0,05 °/o vornehmen, ein Wert, welcher von derselben Grössen- ordnung wie unser Wert ist. Aus den Versuchen geht hervor, dass die Ab- messung der Verdünnungsflüssigkeit mit einem etwa 100mal kleineren Fehler behaftet ist als das Zähl- resultat selbst. Die Entziehung des Blutes aus der Fingerkuppe muss sich auch genügend genau vornehmen lassen, sonst dürften die Parallelzählungen in dem jedesmal frisch entzogenen Blute und in der konstanten Blutmischung nicht mit demselben Fehler behaftet sein. Man könnte aber immerhin einwenden, die Entziehung lässt sich wohl genügend gleichmässig vornehmen, ob aber der er- mittelte Wert die Blutkörperchenzahl im Kapillarblute richtig an- gibt, ob nicht Verdünnung durch Gewebsiymphe eine Rolle spielt, ist eine andere Frage, die zusammen mit der weiteren Frage, wie 1) W. Ostwald und R. Luther, Hand- und Hilfsbuch zur Ausführung physiko-chemischer Messungen, 2. Aufl., S. 132. Verlag von W. Engelmann, Leipzig 1902. I i Über weitere Verbesserungen der Methode zur Zählung etc. 361 verhält sich die Zahl der Blutkörperchen in den verschiedenen Ge- fässprovinzen ein und desselben Individuums, in einer späteren Arbeit behandelt werden soll. Die Abmessung des Blutes mit der Blutpipette ist mit keinem grösseren Fehler als 0,3°/o behaftet. Bei einer Länge der Blutsäule von 83,0 mm und bei der Möglichkeit, den Meniskus mit einem Fehler von höchstens 0,2 mm an der Ringmarke ein- zustellen, berechnet sich der obige Fehler. Die Mischung von Blut und Verdünnungsflüssigkeit derart, dass es zu einer gleichmässigen Verteilung der Blutkörperchen kommt, und die Übertragung des verdünnten und gemischten Blutes in den Zählraum unter Vermeidung von Entmischung ist die bedenklichste Handlung bei jeder Blutkörperchenzählung. Da gerade diese Hand- lung bei dem bisher benutzten Melangeur sehr schwer und nur für kurze Zeit durchzuführen ist, wurden getrennte Pipetten und ein besonderes Mischkölbehen benutzt. Bei der Mischung von Blut und Verdünnungs- flüssigkeit in diesem Kölbcehen ist notwendig, dass das Schwenken abwechselnd in entgegengesetzten Richtungen erfolgt. Man tut gut daran, sich über die Art der Mischung dadurch zu orientieren, dass man leichte Pflanzensamen (Levkoie) oder andere korpuskuläre Elemente von der Form der roten Blutkörperchen in einer ge- eigneten Flüssigkeit suspendiert und in einem Rundkolben in der angegebenen Weise schwenkt. Es ist zu erwarten, dass eine Entmischung weniger droht, wenn die Verdünnungsflüssigkeit eine grössere Dichte hat. Verfasser hat von diesem Standpunkte aus früher schon untersucht!), ob die schwerere Paeini’sche Lösung (Dichte 1,038) sich besser eignet als die Hayem’sche (Dichte 1,015), das Resultat war aber nicht sehr befriedigend. Doch standen damals nicht soviel Erfahrungen über Blutkörperehenzählung zu Gebote als jetzt, es wurde daher neuerdings eine Versuchsreihe mit Hayem’scher Lösung durchgeführt, die aber durch Zusatz von Glycerin auf die Dichte des Blutes (1,060) sSebracht worden war und folgende Zusammensetzung hatte: D) K. Bürker, Eine neue Form der Zählkammer. Dieses Archiv Bd. 107, S. 437. 1905. Wasser Glycerin Natriumsulfat Kochsalz . Sublimat . In dieser Lösung senken sich die roten Blutkörperchen in K. Bürker: 40 cem 10778 1,25 g 28, Onlases 1°/s Minuten auf die Zählfläche, in der reinen Hayem’schen Lösung schon in 1 Minute. Zu 4,975 cem der obigen Lösung wurden im Mischkölbchen 0,025 cem ;Blut des Verfassers zugefügt und dieses Blut 7 Tage lang so gezählt, dass auf jeden Tag eine Zählung fiel. Die Resultate dieser Zählung konnten dann mit den bisher durchgeführten sehr zahlreichen Zählungen, bei welchen reine Hayem’sche Lösung be- nutzt wurde, verglichen werden. Die folgende Tabelle enthält die Resultate. Zählung der roten Blutkörperchen in einer konstanten Blutmiscehung von grösserer Dichte. Versuch vom ?8. Juni bis 4. Juli 1911. Datum 28. Juni Mittlere Zimmer- temperatur Sa0: 18 Zahl der Blutkörperchen in viermal | in1l cmm 50 Quadraten | Blut in Mill. 564 553 496 555 488 520 534 545 565 582 520 581 503 515 548 524 515 543 551 573 514 599 520 504 577 481 956 924 | \ 5,47 5,27 5,28 Nu my u Vo un Van u‘ Vu o' {84} -] Bei einem Mittelwerte von 5,35 Millionen beträgt die : Summe der Fehlerquadrate 450, und daher der mittlere Fehler jeder einzelnen Zählung bei den sieben Zählungen - Über weitere Verbesserungen der‘ Methode zur Zählung ete. 3 Ü (er) co 450 = SE % - — + 8,7 Körperchen 10) oder 1,6%, der mittlere Fehler des Mittelwertes 450 . IM | mg: + 3,9 Körperchen oder 0,6 '/o. Bei den beiden früher (S. 352 und 353) mitgeteilten Versuchs- reihen, bei welchen reine Hayem’sche Lösung zur Verdünnung des Blutes diente, wurde der mittlere Fehler jeder einzelnen Zählung zu 1,8°o, der mittlere Fehler des Mittelwertes zu 0,7 °/o ermittelt, diesen Werten stehen bei Benutzung einer durch Glycerin schwerer gemachten Verdünnungsflüssigkeit die Werte 1,6% und 0,6 %/o, gegen- über. Eine wesentliche Verbesserung ist also nicht erreicht worden, wozu noch kommt, dass die mit Glycerin versetzte Hayeım’sche Lösung die roten Blutkörperchen bei weitem nicht so gut kouserviert und die Unterscheidung von weissen nicht so leicht ermöglicht als die reine Lösung, dass die innere Reibung und der Brechungsexponent grösser ist, der letztere 1,359 gegen 1,335 der reinen Lösung, wodurch der Zählraum sich langsamer füllt und das Zählnetz weniger gut siehtbar ist. Auch sind Kammer und Pipetten, des Glycerins wegen, schwerer zu reinigen, weshalb vorerst kein Grund vorliegt, von der bewährten Hayem’schen Lösung abzugehen. Iminerhin bleibt der Wunsch bestehen, eine vielleicht doch noch ge- eienetere Verdünnungsflüssigkeit als die Hayem’sche Lösung zu finden. Die Zählkammer selbst hat sieh in jeder Beziehung sehr gut bewährt. Die Übertragung des verdünnten und gemischten Blutes in den Zählraum wird mit den beschriebenen Glas- pipetten (S. 342) von relativ weitem Lumen vorgenommen. Es war zu prüfen, ob nicht diese Übertragunespipetten innen mit einem Überzug von festem Paraffin zu versehen seien, um einer Benetzung und damit Adhäsion der Blutkörperchen, verbunden mit Entmischung, vorzubeuzen; bei der relativ grossen Oberfläche, welche das kleine Quantum «des in die Pipette eingesaugten verdünnten Blutes dem Glase darbot, war immerhin eine solche Entmischung in Betracht zu ziehen. Zur Entscheidung wurden Parallelzählungen in dem- selben verdünnten Blute unter Benutzung paraffi- nierter und nichtparaffinierter Pipetten vorgenommen. 354 K. Bürker: Vergleichende Zählungen der roten Blutkörperchen in einer konstanten Blutmischung unter Benutzung paraffi- nierter und nichtparaffinierter Übertragungspipetten. Versuch vom 17. bis 22. Mai 1911. Mittlere Zahl der Blutkörperchen Datum Zimmer- > 3 temperatur in viermal | in 1 cmm Mai IE: 80 Quadraten | Blut in Mill. Übertragung mit paraffinierten Pipetten. \ 510 506 | 18. En } 5,12 a 2. ie 198 5 | 22, 12 { Nr } 5,16 ! 35l 9483 ES 22. 16 { 523 539 \ BD PosTe) c 8937 5927 22. 17,5 { es } 5,45 Übertragung mit nichtparaffinierten Pipetten. 3 477 540 18. 18 { a } 5,26 541 529 | 19. El 932 508 | 22, BD 200 00 c 539.910 »2, 16 { en r 5,38 c 5 477 532 | Er 22, 17? { es \ 5,26 Aus den in der obigen Tabelle mitgeteilten Resultaten ergibt sich bei Benutzung paraffinierter Pipetten ein Mittel- wert von 5,29 Millionen, und bei einer Fehlerquadratsumme von 804 ein mittlerer Fehler jeder einzelnen Zählung von > ae D= + 14,2 Körperchen oder 2,706, ein mittlerer Fehler des Mittelwertes von /804 Fn=+ V - — + 6,3 Körperehen oder 1,2 °/o. Bei Benutzung von nichtparaffinierten Pipetten betrug der Mittelwert 5,28 Millionen, die Summe der Fehler- quadrate dagegen nur 124, und daher der mittlere Fehler jeder einzelnen Zählune Über weitere Verbesserungen der Methode zur Zählung etc. 365 124 a Ms et 5,6 Körperchen oder 1,1%, der mittlere Fehler des Mittelwertes 2 = ab car + 2,5 Körperchen oder 0,3°/o, also ein auffallend gutes Resultat bei Benutzung von nichtparaffinierten Pipetten. Wenn man auch auf Grund der in dieser Arbeit schon früher mitgeteilten und mit nichtparaffinierten Pipetten gewonnenen Resultate erwarten darf, dass das Zählresultat nicht immer so gut ausfallen wird wie im letzten Falle, so wird man doch die nichtparaffinierten Pipetten vorziehen müssen, denn das Paraffinieren stellt, ohne wesentliche Vorteile zu bringen, eine Komplikation dar. Für eine möglichst fehlerfreie Auffüllung des Zählraumes kann es auch nicht gleichgültig sein, wie der Rand des Deckglases über dem vorspringenden Teile der Zählfläche dort, wo eingefüllt wird, beschaffen ist. Bisher war der Rand rechteckig und matt gehalten, es war nicht unmöglich, dass dadurch gelegent- lich Luftblasen in den Zählraum hinein mitgerissen wurden. Um über den Einfluss der Beschaffenheit des Deckglasrandes Erfahrungen zu sammeln, wurden vergleichende Füllungen unter Be- nutzung eines Deckglases der bisherigen Art, eines zweiten mit rechteckigem aber poliertem Rand und eines dritten mit abgerundetem und poliertem Rand vorgenommen, wobei zur Füllung aber immer dieselbe Pipette ver- wendet wurde. Unter Benutzung eines jeden Deckglases wurden je fünf Doppelfüllungen durchgeführt, im ganzen also 30 Füllungen, ' ohne dass ein einziges Mal eine Luftblase mitgerissen worden wäre. Es machte den Eindruck, als ob die Füllung und gleichmässige Verteilung der Blutkörperchen unter Verwendung ‚ des Deckglases mit abgerundetem poliertem Rande am besten gelänge, weshalb dieses in Zukunft benutzt werden soll. Man könnte, um die Auffüllung des Zählraumes mit dem ver- dünnten Blute zu erleichtern, noch daran denken, den Verdünnungs- apparat mit der Zählkammer zu vereinigen, wie dies W. Brünings!') 1) W. Brünings, Ein neuer Apparat für Blutkörperchenzählung. Dieses ‚ Archiv Bd. 93, S. 401 und 409. 1903. 3056 K. Bürker: aus guten Gründen getan hat, der mit seinem Apparat sehr viel bessere Resultate erzielt hat als mit der Thoma-Zeiss’schen Kammer. Abgesehen davon, dass diese Vereinigung aber offenbar mit so grossen Fabrikationsschwieriekeiten verknüpft ist, dass sie sich im grossen nicht durchführen lässt, würde sie keine besseren ı Resultate herbeiführen als die, welche mit der Kammer des Verfassers erzielt wurden. Nach Brünings beträgt bei seinem Apparate der wahrscheinliche Fehler bei einer Zählung von 200 Quadraten 2,27 %o, also abgekürzt wie bisher 2,30, demnach der mittlere Fehler 20 — — — 3,4 °/o. Dieser Fehler ist gleich gross wie der, welcher mit der ' 0,67 Zählkammer des Verfassers bei Auszählung von nur 160 Quadraten gefunden wurde (8. 355). Bemerkenswert ist, dass nach 'Auffüllung des Zählraumes die roten Blutkörperchen, sobald sie sieh auf die Zählfläche cesenkt haben, dort recht fest haften, so dass eine Übertragung der Zählkammer, falls die Füllung nicht auf dem Mikroskop geschieht, vorgenommen werden darf, ohne eine in Betracht kommende Ver- schiebung der Blutkörperchen befürchten zu müssen. Hiebei macht sich die geringe Dichte der Hayem’schen Lösung vorteilhaft geltend. Die beschriebene Prüfungaufgleichmässige Verteilung der Blutkörperchen (S. 349) kann nur eine vorläufige sein, das letzte Wort sprechen die in die Schemata eingetragenen Zahlen. Sind kleine Luftbläschen mit in den Zählraum gerissen worden, so braucht deshalb die Zählung nicht immer aufgegeben zu werden, da die Verteilung der Blutkörperchen doch eine gleichmässige sein kann; immerhin sollten sieh aber die Luftbläschen nicht auf dem Zählnetz selbst befinden, sondern ausserhalb desselben. Was die Wahl der Vergrösserung bei der Zählung‘ mit Hilfe des Mikroskopes betrifft, so soll die Vergrösserung SO stark sein, dass man bei Beleuchtung mit dem Planspiegel!) die Teilstriche des Zählnetzes, als aus drei parallel verlaufenden Linien bestehend, sieht, was jedenfalls bei 320facher Vergrösserung, wie sie Verfasser benutzt, der Fall ist. In Figur 4 (S. 367) ist ein solches Quadrat doppelt so gross als im Bilde wiedergegeben, um die Details besser zur Anschauung zu bringen. 1) Der Planspiegel eignet sich besser als der Konkavspiegel. Es empfiehlt sich auch nicht, einen Kondensor zu benutzen. a Über weitere Verbesserungen der Methode zur Zählung etc. 3657 Die zwei feineren begrenzenden Linien entsprechen den Rändern der eingeritzten Rinne, die mittlere dickere Linie dem Boden der Rinne, an diese mittlere Linie hält man sich. Um nicht zu nahe mit dem Objektiv auf das Deckglas aufrücken zu müssen, wählt man ein mittelstark vergrösserndes Objektiv und ein stark vererösserndes Okular. Ist die Vergrösserung 320fach, so lassen sich auch die Lymphocyten von den Erythroeyten unterscheiden. Zur Beleuchtung benutzt man zweckmässig künstliches Licht, weil dieses sich ‚viel leichter gleichmässig herstellen lässt; doch darf dieses Licht die Fig. 4 Quadrat des Zählnetzes von objektiv '/40o qmm, 640 fach vergrössert. Das gestrichelte Quadrat ist zugesetzt. Kammer nicht zu sehr erwärmen, sonst verdunstet die Verdünnungs- flüssigkeit zu rasch. Bei der Auszählung eines Quadrates analog der Thoma’schen Regel (S. 343) zählt man in einem gedachten Quadrate (in Figur 4 gestrichelt angegeben), welches um die Breite eines roten Blutkörperchens nach oben und rechts von dem wirklichen Quadrate verschoben ist. Oft ist es nicht ganz leicht zu entscheiden, ob eine Berührung der mittleren Linie stattfindet oder nicht; es hat sich als zweckmässig erwiesen, eine Berührung nur anzunehmen, wenn die Linie an der betreffenden Stelle durch das Blutkörperchen deutlich eingebuchtet erscheint. Noch ist eines Umstandes zu gedenken, welcher die Zahl der roten Blutkörperchen bei der gewöhnlichen Art der Zählung kleiner 368 K. Bürker: ausfallen lässt als sie wirklich ist. Immer haften nämlich rote Blutkörperchen an der Unterseite des Deckglases, die dem Zählenden entgehen, wenn er den Tubus nur auf die Zähl- fläche und nicht auch höher einstellt. In einem speziellen Falle fand Verfasser, dass in den Räumen über 320 kleinen Quadraten acht Blutkörperchen an der Unterseite des Deckglases hafteten. Da in 320 Quadraten im Mittel etwa 2100 rote Blutkörperchen zu liegen. pflesten, so entgingen etwa 0,4°/o dem Zählenden. Auf diesen Um- stand ist, wenn es sich um genaue absolute Zahlen handelt, Rück- sicht zu nehmen. Als ausserordentlich nützlich haben sieh die Schemata zum Eintragen des Zählresultates erwiesen, sowohl in bezug auf die Zählung selbst, als auch in bezug auf die Bewertung der Zählung. Was schliesslich noch das Zählresultat betrifft, so ist zur Erlangung eines guten Resultates von grosser Bedeutung, dass jede Abteilung der Zählkammer bei unveränderter Lage des Deckglases für sich gefüllt wird, und dass in beiden Abteilungen auf einer “neunmal grösseren Fläche als in der Thoma-Zeiss’schen Kammer gezählt werden kann. Man richtet es immer so ein, dass die eine Hälfte der zu zählenden Quadrate in der einen, die andere Hälfte in der anderen Abteilung gezählt wird. Zweckmässig wird man bei Auszählung von je 80 oder 40 Quadraten in der einen Abteilung die nach der Einfüllungsstelle hin gelegenen Quadrate auszählen, in der andern Abteilung die von ihr weggelesenen Quadrate. Kommen unter diesen Umständen in einer Abteilung auch einmal grössere Abweichungen vor, so werden sie meist in der anderen Abteilung korrigiert, so dass der Mittelwert immer recht brauchbar ist. Bezüglich des Einflusses der Temperatur und desLuft- druckes auf ‚das Zählresultat ergeben sich folgende Erwägungen. Dass die Zählkammer selbst praktisch unabhängige von der Temperatur ist, hat eine frühere Untersuchung derselben in dieser Richtung mit Hilfe der auf Seite 5 erwähnten optischen Interferenz- | methode ergeben!). Eine Erwärmung der Kammer um 20°C. würde | den Wert der Kammerhöhe erst in der fünften Dezimale beeinflussen, | dabei ist aber die Kammerhöhe nur auf eine Einheit in der dritten Dezimale genau. l) K. Bürker, Die physiologischen Wirkungen des Höhenklimas. Dieses Archiv Bd. 105, S. 495. 1904. Über weitere Verbesserungen der Methode zur Zählung etc. 369 Da die Hayem’sche Lösung zu fast 97° aus Wasser besteht, und das Blut mit ihr 200fach verdünnt wird, so kann sich das Volumen des verdünnten Blutes unter dem Einflusse der Temperatur nicht viel anders als Wasser verhalten. Angenommen, es werde nun das im Mischkölbcehen befindliche Blut bei 15, 0 und 30°C. gezählt, dann würde das Volumen eines Grammes bei einer Temperatur- änderung von 15 auf 0° um 0,07°/o abnehmen und bei einer Tem- peraturänderung von 15 auf 30° um 0,3°/o zunehmen, also um so geringe Werte, dass eine in Betracht kommende Änderung der Blut- körperehenzahl in der Volumeneinheit nieht zu befürchten wäre. Man wird ausserdem nur sehr selten in die Lage kommen, bei so extremen Zimmertemperaturen zu zählen. Die Luftdruckschwankungen, wie sie an ein und demselben Orte vorkommen, können eine Wirkung auf die Zählung nicht haben, zumal die Zählkammer des Verfassers, auch unter ganz extremen Versuchsbedingungen, völlig unabhängig vom Luftdruck ist, während dies bei der Thoma-Zeiss’schen Kammer nicht ganz der Fall ist!), wie eleichfalls mit Hilfe der optischen Interferenzmethode nach- gewiesen wurde. Der Luftdruck kann bei einer Zählung roter Blut- körperchen nur insofern in Betracht kommen, als der Gehalt des Blutes an roten Blutkörperchen abhängig ist von diesem, freilich nieht in dem hohen Maasse, wie bisher behauptet wurde, das hat sich bei der im Eingange dieser Arbeit (S. 337) erwähnten Unter- suchung des Verfassers und seiner Mitarbeiter über die physiologischen Wirkungen des Höhenklimas auf das Blut ergeben. Dass die Kammer des Verfassers der Thoma-Zeiss’schen Kammer bei solehen Versuchen in grösseren Höhen überlegen ist, geht auch aus einer vergleichenden Prüfung hervor, welche A. v. Koränyi?) vorgenommen hat. Aus Schweineblut und Hayem’scher Lösung wurde eine haltbare Blutmischung hergestellt und ihre Blutkörperchenzahl in Budapest, in Tätrafüred (1020 m) und im schlesischen Haus (1600 m) mit der Thoma-Zeiss’schen Kammer und mit der Kammer des Verfassers bestimmt. Da eine 1) K. Bürker, Die physiologischen Wirkungen des Höhenklimas. Dieses Archiv Bd. 105, S. 497. 1904. En ‚2) A. v. Koränyi, Physikalisch-chemische Methoden und Gesichtspunkte in ihrer Anwendung auf die pathologische Physiologie des Kreislaufs. Physi- kalische Chemie und Medizin. Ein Handbuch Bd. 2, S. 67. Verlag von G. Thieme, Leipzig-1908., | 370 K. Bürker: konstante Blutmischung vorlag, hätten beide Kammern oben und unten gleiche Werte geben müssen, die Thoma-Zeiss’sche Kammer aber ergab oben höhere Werte, die Kammer des Verfassers die gleichen Werte. Es kann also mit der Thoma-Zeiss’schen Kammer eine Polyeythämie vorgetäuscht werden, wo gar keine besteht. Wenn auch nicht leicht einzusehen ist, wodurch dieser Fehler bedingt ist, so muss vorerst doch mit ihm gerechnet werden. Ruft man sich zum Schlusse dieser kritischen Betrachtungen poch einmal das wesentliche Resultat ins Gedächtnis zurück, nämlich, dass die Fehler, welche bei der Entziehung, Abmessung und Ver- dünnung des Blutes gemacht werden, gegenüber dem Fehler, welcher dureh die nie ganz gleichmässige Verteilung der Blutkörperchen auf der Zählfläche bedingt ist, nur wenig in Betracht kommen, so ergibt sich daraus, wo weitere Bemühungen zur Verbesserung der Zähl- methode einzusetzen haben. 6. Ergebnisse. Die Methode zur Zählung roter Blutköperchen konnte durch Benutzung getrennter Pipetten zur Abmessung der Verdünnunges- flüssigkeit und des Blutes anstelle der bisher üblichen Mischpipette verbessert werden. Die Mischung von Blut und Verdünnunesflüssig- keit geschieht einwandsfrei in besonderen Glaskölbehen, in welchen das verdünnte Blut tagelang zur Zählung geeignet bleibt. Die Über- tragung des verdünnten Blutes in die Zählkammer wird mit relativ weiten Glaspipetten vorgenommen, welche mit Gummikäppchen ver- sehen sind. Es ist nicht erforderlich, die Pipetten, um etwa Be- netzung und damit Adhäsion der roten Blutkörperchen zu vermeiden, innen mit Paraffın zu überziehen. Dass an der Zählkammer die Klammern zum Andrücken des Deckglases nicht mehr in die Bohr- löcher der Glasplatte selbst, sondern in eingekittete Metallager ein- sefügt werden, hat sich bewährt. Der Rand des Deckglases soll dort, wo das verdünnte Blut durch Kapillarität in den Zählraum eindringt, abgerundet und poliert sein. Die Anforderungen, welche an die Verdünnungsflüssigkeit gestellt werden müssen, nämlich, dass sie die roten Blutkörperchen gut konserviert und nicht zu viskös ist, dass sie keine zu geringe Dichte und keinen zu grossen Brechungsexponenten hat und dass sie endlich leicht aus dem Zählraum und den Pipetten wieder entfernt werden kann und dabei haltbar ist, werden von der Hayem’schen Lösung Über weitere Verbesserungen der Methode zur Zählung etc. 371 ziemlich gut erfüllt. Der Zusatz von Glycerin zur Verdünnungs- flüssigkeit ist zu vermeiden. Die Abmessung der Verdünnungsflüssigkeit in das Mischkölbchen lässt sich sehr genau, bis auf 0,02°/o und noch genauer, vornehmen. Die Abmessung des Blutes ist mit einem maximalen Fehler von 0,3 °/o behaftet. In einer konstanten Blutmischung wurde bei sieben Zählungen in je 80 Quadraten, 200 fache Verdünnung des Blutes vorausgesetzt, der mittlere Fehler jeder einzelnen Zählung zu 5,9°/o gefunden, die maximalen Fehler zu + 4,5 und — 9,8°/o, der mittlere Fehler des Mittelwertes zu 3,0°/o. Bei, Auszählung von je 160 Quadraten betrug der mittlere Fehler jeder einzelnen Zählung 3,4°%o, die maximalen Fehler +4,7 und — 5,4°/o, der mittlere Fehler des Mittelwertes 1,3 %o. Wurde in 320 Quadraten gezählt, so ergab sich der mittlere Fehler jeder einzelnen Zählung zu 1,8°/o, die maximalen Fehler zu + 2,1 und — 1,9°/o, der mittlere Fehler des Mittelwertes zu 0,7 °/o. Dureh Adhäsion der Blutkörperchen an der Unterseite des Deck- glases entgehen dem Zählenden, falls das Mikroskop nur auf die Zählfläche eingestellt wird, etwa 0,4°/o Blutkörperchen. Die Fehler, welche bei der Entziehung, Abmessung und Ver- dünnung des. Blutes gemacht werden, kommen gegenüber dem be- denklichsten Fehler bei der Zählung roter Blutkörperchen, nämlich der stets etwas ungleichmässigen Verteilung derselben auf der Zähl- fläche, wenig in Betracht. | Weitere Bemühungen zur Verbesserung der Zählmethode werden daher auf eine noch gleichmässigere Verteilung der Blutkörperchen gerichtet sein müssen. nd or Pflüger’s Archiv für Physidlogie. Bd. 142. 379 E. Wilke und E. Atzler: Versuche, die Reizwellen im Nerven durch Interferenz sichtbar zu machen. Von E. Wilke und E. Atzler. (Mit 1 Textfigur.) Vor einiger Zeit machte der eine von uns Versuche an kolloidalen Substanzen, in der Hoffnung, Eigenschaften an denselben zu ent- decken, welche für die Erklärung des Nervenleitungsvorganges von Wichtigkeit sein sollten. Zur selben Zeit erschien damals die Arbeit von Höber!): Über die Betrachtung erregbarer Nerven bei Dunkel- feldbeleuchtung. Höber versuchte dureh ultramikroskopische Be- trachtung die von ihm hypothetisch angenommene Kolloidwelle direkt zu beobachten. Wenn man sich die grosse Geschwindigkeit, mit welcher die Reizwelle den im Mikroskop sichtbaren Teil passiert, vergegenwärtigt, und wenn man ferner bedenkt, dass die Änderung des Bildes durch die Reizwelle nur eine sehr feine Nuance aus- machen kann, dann wird man leicht einsehen, dass es wohl unmög- lich ist, eine vorbeistreichende Reizwelle mit dem Auge zu beobachten. Eine zweite Schwierigkeit liest, wie Höber selbst hervorgehoben hat, darin, dass von dem Neurilemm und von der Markscheide selbst einer einzelnen Nervenfaser noch immer sehr viel Licht abgebeugt und reflektiert wird, so, dass eine richtige ultramikroskopische Be- trachtung unmöglich wird. Um die erste Schwierigkeit zu beseitigen, lag der Gedanke nahe, eine Interferenzwelle in einem Nerven derart zu erzeugen, dass sich, ähnlich den Kundt’schen Staubfiguren, ‚ Knotenpunkte in der kolloidalen Substanz ausbilden, und auf diese ermöglichen würden. Voraussetzungen für eine solche stehende 1) Höber, Pflüger’s Arch. Bd. 133 S. 254. 1910. Siehe auch: Höber, Zeitschr. f. allgem. Physiol. Bd. 10 S. 173. 1910. f Weise integrale Wirkungen eine vielleicht makroskopische Beobachtung | Versuche, die Reizwellen im Nerven durch Interferenz sichtbar zu machen, 373 Welle sind: 1. dass die Fortpflanzungsgeschwindigkeit in beiden Richtungen im Nerven die gleiche ist!), und 2. dass der Querschnitt des reizleitenden Teiles im Interferenzintervall nicht allzu stark variiert. Als den eigentlichen Reizleiter sehen wir den Achsen- zylinder an, da dieser am reichsten an physiologischen Salzen zu sein scheint; wenigstens deutet sein Verhalten gegenüber Silbernitrat mit Nachdruck darauf hin. Wenn diese Annahme richtig ist, dann wäre die Berührungsstelle von Achsenzylinder und Mark bzw. Neuri- Jemma als der Sitz der elektromotorischen Kräfte anzusehen. Bevor wir aber zur Besprechung unserer Experimente über- sehen, möchten wir noch einige kleine Berechnungen anstellen, um einen Überblick über die Grössenordnungen des Vorganges, d.h. das Maass der substanziellen Veränderungen, wenigstens die vor- handenen Elektrolyten betreffend, zu bekommen. Man kommt hier- bei zu überraschenden Zahlen und Dimensionen. Die einzige Mög- lichkeit, zahlenmässigen Aufschluss zu erhalten über die zu einen: Reize notwendigen Veränderungen der Konzentration der Elek- trolyten, ist die Berechnung aus den elektrischen Reizgrössen. Nach Hermann?) ist die spezifische Leitfähigkeit des Nerven k — 0,004. Bei einer Länge von ca. 10 mm hat demnach ein Nerv von ca. 0,5 mm Durchmesser 110000 Ohm Widerstand. Die mini- malste, für einen Reiz nötige Spannung liegt aber bei ca. 0,001 Volt und die minimalste Zeit, für welche in diesem Fall der Strom ge- schlossen bleiben muss, ist sicher nieht grösser als 0,1 Sek. Daraus berechnet sich die minimalste reizerzeugende Elektrizitätsmenge a 0,001 Volt - 0,1 see 100000 Ohm Da nun ferner 96,540 Coulomb einem Grammäquivalent Elektrolyten entspricht, so wird die durch obige Flektrizitätsmenge bewirkte Substanzanstauung an der Membran bestenfalls 1.10: ; 1-10 _ 58 ano) sein, wenn wir die Rechnung für Natriumehlorid durchführen. — 1 10° Coulomb. 1) Über einsinniges oder doppelsinniges Leitvermögen liegen eine sehr grosse Anzahl von Arbeiten und Veröffentlichungen vor und verweise in dieser Beziehung auf Nagel, Handb. d. Physiol. 1909 S. 800. 2) Hermann, Pflüger’s Arch. Bd. 5 S. 229. 1872. Siehe auch: Alt und Schmidt, Pflüger’s Arch. Bd. 53 8.575. 1893. Waller, Travaux de linstitut Marey 1905 p. 136. Harless, Abhandl. d. bayr. Akad. Bd. 8 S. 333. 1858. a 25 * 374 E. Wilke und E. Atzler: Wenden wir nun die von Nernst!) gegebene Formel zur Be- rechnung der Konzentrationsänderung an einer Membran, wenn ein konstanter Strom hindurchfliesst, an: le) ck Darin bedeutet » die Anzahl Grammäquivalente, welche ein Strom von 1 Ampere in 1 Sek. ausscheidet, multipliziert mit 1- 10°, da man auf Kubikmillimeter umrechnen muss; © bedeutet die Strom- stärke, welche die gesamte gereizte Fläche von 1 qmm passiert, t bedeutet die Dauer des Stromes in Sekunden und % die Diffusions- konstante des betreffenden Elektrolyten, ausgedrückt in Quadrat- millimeter-Sekunden. Setzen wir nun in diese Formel die ent- sprechenden Zahlenwerte ein, dann erhalten wir für die maximale Konzentration 1027-2108 0,1 96540 en Monk 7 Kt d. h. wäre die anfängliche Konzentration gleich Null, dann würde der Reizstrom an der Membran eine Lösung erzeugen, welche 0,000056 normal ist. Dies für die minimalsten Reize, wenigstens am Ischiadieus des Frosches. Wenn man nun aber höhere Spannungen anwendet, dann braucht man nur obige Zahl mit der Anzahl Milli- volt zu multiplizieren, und man bekommt die an der Membran er- zeugte maximale Konzentrationserhöhung. 10 Volt Spannung würden also eine solche von 0,5 Normalitäten hervorrufen. Für irgendeine andere Reizdauer, also beispielsweise für 0,01 Sek., lässt sich die, ‘ Membrankonzentration ermitteln durch Multiplikation des Wertes für 0,1 Sek. mit V10t, also mit VO,1 für { = 0,01 Sek. Wenn wir nun annehmen, dass ein Nerv durch Reizleitung keinen Energieverlust erleidet,.d. h. selbst nur als Leiter und nicht als energielieferndes Prinzip fungiert, dann kann in einem Knoten- punkt im energetischen Sinn im Maximum eine Veränderung ein- treten, die ebenso gross ist als jene an den beiden Reizstellen zu- sammengenommen. Durch Summation vieler einzelner Reize aber ist es vielleicht möglich, Effekte zu erzielen, welche leicht wahr- nehmbar sind. Nach Höber soll nun die Reizwelle in einer Ver- änderung des kolloidalen Zustandes?) gewisser Eiweisskörper (viel- 1) Nernst, Pflüger’s Arch. Bd. 122 S. 283 Formel (18). 2) Höber, Pflüger’s Arch. Bd. 120 S. 492. 1907. Deutsche med. Wochenschr. Jahrg. 33 8. 1513, 1567. Zentralbl. f. Physiol. Bd. 21 S. 496. 1907. Versuche, die Reizwellen im Nerven durch Interferenz sichtbar zu machen. 375 leicht Änderung der Teilchengrösse) bestehen. Für diesen Fall _ erhofften wir uns eine veränderte Färbbarkeit der Knotenpunkte gegenüber dem ruhenden Kolloid. Es ist nun a priori nicht leicht, einen Nerven durchzufärben, ohne ihn in seiner Lebenstätigkeit zu schädigen, d. h. ihn in seiner Fähiekeit, Reize zu übermitteln, zu beeinflussen. So konnten wir zwei Wege einschlagen: Entweder den Nerven zuerst durchfärben und dann die Reizversuche vornehmen oder zuerst reizen und dann im gereizten Zustand zu färben und gleichzeitig die Reizwelle zu fixieren. Für die erste Methode kam wohl nur Methylenblau in Betracht. Wir haben die verschiedensten Färbmethoden mit Methylen- blau versucht, doch haben wir keine deutliche Bildung von Inter- ferenzringen erhalten. Wir haben ferner versucht, den gereizten Nerv mit Silbernitrat zu behandeln und gleichzeitig mit einer Quarz- lampe zu beleuchten; doch auch diese Versuche blieben so gut wie erfolglos. Wir geben im folgenden noch unsere Arbeitsweise an; vielleicht gelingt es doch noch, auf diese Weise Interferenzringe zu erhalten und so die Höber’sche Kolloidwelle experimentell zu be- stätigen. Unsere Versuchsanordnung war im wesentlichen die folgende: Der sorgfältig herauspräparierte Nerv wurde samt dem Erfolgsorgan, dem Gastrocnemius, auf einen Objektträger gelegt und durch vier Elektroden, welche leicht auf den Nerven gelegt wurden, der Reiz- strom der von uns konstruierten Wechselstrommaschine zugeführt. Fig. 1 zeigt die Anordnung der Elektroden. Dieselben waren paar- weise so geschaltet, dass a und a einerseits, 5 und 5b andererseits immer das gleiche Potential hatte; dadurch war die Strecke zwischen a und a stromlos, und nur die von den beiden inneren Elektroden ausgehenden Reize mussten sich genau in der Mitte treffen. Die Wechselstrommaschine war so konstruiert, dass man bei der grössten 376 E. Wilke und E. Atzler: Versuche, die Reizwellen im Nerven etc. Geschwindigkeit 20 000 Wechsel pro Sekunde erhalten konnte. Durch einen Vorschaltwiderstand konnte die Geschwindigkeit in weiten Grenzen variiert werden. Durch eine an die Achse der Maschine eekoppelte Belastungsmaschine waren wir imstande, den Gang der- selben ausserordentlich regelmässig zu gestalten, und gleichzeitig an einem an die letztere geschalteten Präzisionsspannungszeiger die Geschwindigkeit direkt und genau abzulesen und einzuregulieren. Die Geschwindigkeit der Maschine und dementsprechend die Anzahl der Polwechsel pro Sekunde wurde so gewählt, dass bei einem Ab- stand der beiden gleichpoligen Elektroden a und « von S mm vier Interferenzstreifen, der Fortpflanzungsgeschwindigkeit von 26 m pro Sekunde entsprechend, zu erwarten waren. Es mussten also 6500 kathodische und 6500 anodische Stromimpulse pro Sekunde den beiden Stellen «a und a appliziert werden. Es ist nun allerdings wahrscheinlich, dass, trotzdem wir durch anodische Stromstösse die Nachwirkung der kathodischen immer wieder aufhoben, infolge der Überschreitung der refraktären Periode nicht jedem Stromimpulse auch eine Reizwelle entspricht; in diesem Falle würde sich nur ein einziger Interferenzring, und zwar genau in der Mitte zwischen «@ und «a, ausbilden. Wie schon erwähnt, haben wir jedenfalls keine deutlichen Erscheinungen wahrnehmen können. Einigemal glaubten wir zwar tatsächlich, die drei berechneten Ringe erhalten zu haben, doch können es ebensogut zufällige Erscheinungen gewesen sein. Vielleicht selingt es durch Verfeinerung der Beobachtungsmethode und durch Zerzupfen in einzelne Nervenfasern den gewünschten Erfolg zu erzielen. co | 1 Eine Methode zur Erleichterung der Blutdruckmessung bei Tieren. Von E. C. van Leersum, Leiden. (Mit 9 Textfiguren.) Anlässlich zweier Mitteilungen von Lubarsch!) über Gefäss- und Knochengewebeveränderungen, welche von Nerkine und Steinbiss mittels Leber- und Nebennierenfütterung bei Kaninchen hervorgerufen sein sollten, kam es mir nicht überflüssig vor, zu untersuchen, ob diese widernatürliche Ernährung auch den Blutdruck dieser Herbivoren beeinflussen könnte. Dieser Vorsatz war aber leichter gefasst als ausgeführt, weil eine zu diesem Zweck geeignete Methode nicht vorhanden war. Selbstverständlich konnte bei einem Versuche, welcher sich über Monate erstrecken muss, mit der blutigen Methode der Blutdruck- messung nichts erreicht werden. Man würde die direkten Messungen, wegen des geringen Umfanges der Gefässe des Kaninchens, nur an einzelnen Stellen, z. B. in den Karotiden und den beiden Art. femo- rales, vornehmen können, und dies wäre, in Anbetracht der bedeuten- den Schwankungen, denen der Blutdruck unter oft unerforschlichen Einflüssen unterworfen ist, natürlich nicht hinreichend, um, abgesehen noch vom Spiel des Zufalls, einen zuverlässigen Durchschnittswert, der zur Vergleichung dienen könnte, anzusetzen. Auch wäre es ge- wagt, anzunehmen, dass die sukzessive Verschliessung von einigen der grössten Stämme des arteriellen Systemes keinen Finfluss auf den Verlauf der Blutdruckbewegung haben könne. Besser eignete sich die unblutige Methode zu unserem Zweck, weil diese den Untersucher in den Stand setzt, in jedem erwünschten Moment an dem unbeschädigten Tiere von der Druckhöhe des Ge- I. 1) Münch. med. Wochenschr. 1909, Nr. 35, S. 1819 und 1910, Nr. 29, S. 15 378 E. C. van Leersum: fässsystems Kenntnis zu nehmen. In unserem Falle war dies von besonders grosser Wichtigkeit, denn um ein Urteil fällen zu können über den Einfluss der tierischen Ernährung, mussten die Messungen sehr häufig vorgenommen werden, nicht nur täglich, sondern von Stunde zu Stunde, vor und nach der Fütterung, während der Ver- dauung. Was die Apparate anbelangt, so lag es nahe, zu denen zu greifen, welche in der Klinik gebräuchlich sind, und ich habe denn auch damit angefangen, Manschetten nach den Modellen von Gärtner und Riva-Rocei anfertigen zu lassen, obgleich ich mir nicht ver- hehlen konnte, dass die Aussicht auf eine Enttäuschung hier be- sonders gross war. Sind doch die Form der Extremitäten, die Eigen- tümliehkeiten der Haut, aber namentlich auch die versteckte Lage der Gefässe und der kleine Pulsschlag ebensoviele Hindernisse, über deren Beseitigung unzweifelhaft schon mancher, der sich mit der Frage der nichtblutigen Messung befasst, sich vergeblich den Kopf zerbrochen hat. Ich habe natürlich auch mit diesen Schwierigkeiten zu kämpfen gehabt, bis ich zu der Überzeugung kam, dass sie nur dadurch ver- mieden werden könnten, dass die zu gebrauchende Arterie besser zugänglich gemacht würde. In folgender Weise habe ich versucht, diese Frage zu lösen. In die Haut des Halses des Kaninchens wurden, links oder rechts von der Medianlinie, zwei 4 bis 5 cm lange und in einer Distanz von 1 cm parallellaufende Schnitte gemacht. Dadurch ent- stand ein Hautstreifen, worin die Karotis, welche bekanntlich sehr locker und beweglich zwischen den Halsmuskeln liegt und also leicht nach aussen gezogen werden kann, eingewickelt und durch Nat der Wundränder des Streifens festgelegt wurde. Die beiden übrigen, äusseren Wundränder wurden unter dem Köcher hindurch miteinander verbunden, wobei auf eine sorgfältige Behandlung der Wundwinkel geachtet wurde. Es ist von Wichtigkeit, dass die Karotis in schräger Richtung aus der Tiefe in den Köcher laufe, denn starke Krümmung erhöht die Gefahr, dass das Gefäss knickt und abgesperrt wird. Man trenne also die bedeckenden Muskeln über eine grosse Aus- dehnung voneinander. Diese kleine Operation ist in einer Viertelstunde abgelaufen, und unter aseptischen Kautelen erfolgt die Genesung gewöhnlich per pıimam. Selten erwies sich die Ernährung des Streifens als unzu- Eine Methode zur Erleichterung der Blutdruckmessung bei Tieren. 379 länglich und entstand eine trockene Gangrän, welche zur Abstossung der Schlinge führte. Um dies zu verhindern, habe ich beiden Sehnitten die Form einer Sichel gegeben, wodurch der Streifen an den Enden hinreichende Breite bekam. Dass das Blutgefäss ab- stirbt, braucht man nicht zu befürchten, denn die Vasa vasorum besorgen die Ernährung der Gefässwand auf vorzüsliche Weise. Die Wundbehandlung ist gleichfalls sehr einfach. Ein in Peru- balsam getränkter und um die Schlinge gewickelter Gazestreifen und anfangs auch ein Verband um den Hals des Tieres erwiesen sich als genügend, um das Operationsfeld gegen ansteckende oder mecha- nische Schädlichkeiten zu schützen. Weil ich befürchtete, das Tier möchte selbst die Schlinge zerreissen, habe ich anfänglich die Hinter- pfoten zusammengebunden, um die Bewegungen einigermaassen zu beschränken; aber es stellte sich heraus, dass diese Vorsichtsmaass- regel nicht nötig war, weil die Tiere keine Neigung zum Kratzen zeiten. Wohl aber kamen Unglücksfälle vor, wenn zwei Tiere verschiedenen Geschlechtes beieinander untergebracht waren; ein paar Tiere habe ich dadurch infolge von Verblutung verloren. Übrigens erfordern die Tiere wenig oder keine Versorgung. Man hat bloss regelmässig die Haare, welche auf der Schlinge wachsen, wegzuschneiden und falls die Schlinge Neigung zum Kurzer- werden zeigen sollte, einen Streifen Gaze von gehöriger Dicke hin- durehzuschieben. Ich habe seit Monaten eine Anzahl so präparierter Kaninchen, deren Versorgung keine nennenswerte Mühe oder Schwierigkeit verursacht. Nachdem es mir also gelungen war, eine Arterie von gehöriger Kapazität zugänglich zu machen, musste noch ein Apparat gefunden werden, mit dem die Messungen verrichtet werden konnten. Diese Frage war leichter zu beantworten. Um die isolierte Karotis konnte eine Mänschette gewickelt werden in der Art wie Riva- Roeei und v. Recklinghausen angegeben haben; sie brauchte sich von diesen nur in den Dimensionen zu unterscheiden; aber sie musste ausserdem sehr leicht sein, damit ihre Schwere keine Knickung des Blutgefässes verursachen könnte, welche die Messung natürlich wertlos machen würde. Die Manschette, welche ich nach verschiedenen Proben gewählt habe, ist ein sehr leichtes, plattes Röhrchen von 1 em Breite und 3 bis 4 em Länge, verfertigt aus sehr dünnem und dehnbarem Gummi von euter Qualität. Die Aussenseite ist verstärkt durch 3S0r E. C. van Leersum: Bedeckung mit einem Streifehen von einem ebenfalls dünnen, aber nicht dehnbaren Stoffe. Die Luftzufuhr findet statt durch ein Röhrchen, das in der Aussenwand befestigt ist und in Verbindung steht mit der Luftpumpe und einem Manometer von v. Reck- linghausen. Zur Befestigung der Manschette dient eine kleine, leichte, aber kräftige Pinzette, mittels welcher die Enden aneinander- gedrückt werden. Wesen der geringen Ausschläge des Pulses und in Ermangelung eines Schreibehebels von genügender Empfindlichkeit, habe ich vor- läufig auf die graphische Registrierung des Blutdrucks, wie sie durch v. Recklinghausen beschrieben worden ist, verzichtet und mich auf die palpatorische Methode beschränkt, welche viel einfacher und bei genügender Übung auch genügend zuverlässig ist. Mit peiplicher Vorsicht, um das geringste Ziehen zu vermeiden, wird mit den distalwärts von der Manschette gestellten Fingerspitzen der Ausenbliek wahrgenommen, wo die ersten Pulswellen unter der aufgeblasenen Manschette hindurchgleiten. Sobald der Beobachter dies durch einen Ausruf zu erkennen gibt, liest ein anderer den Stand des Manometerzeigers ab, während eine dritte Person oder der Beobachter selbst die Zahl aufschreibt. Auf diese Weise können schnell nacheinander, bis drei-, vier- oder fünfmal in der Minute’ die Messungen verrichtet und in jedem erwünschten Moment wieder- holt werden. Das Kaninchen braucht dabei nicht festgebunden zu werden. Ein einigermaassen geübter Helfer hält zwischen den Fingern der linken Hand die vier Pfoten und mit der anderen Hand den Kopf fest. In dieser Haltung auf den Tisch gelegt, verhält sich das Tier vollkommen ruhig. Wie bei allen Untersuchungsmethoden ist Übung eine Hauptsache, und dies bezieht sich insbesondere auf die Palpation des Pulses. Je mehr das Gefühl geschärft ist, desto kleinere Pulswelle wird man wahrnehmen können, und um so näher kommt man mit den gefundenen | Werten denen des systolischen Druckes. Eine dünne geschmeidige Haut erleichtert die Palpation, und man handelt also vernünftiz, wenn man ausschliesslich junge Tiere verwendet und, falls es eine bestimmte Untersuchung gilt, damit nicht binnen 6 Wochen nach der Operation anfängt. Solch ein langer Zeitraum gewährleistet eine vollständige Resorption der Entzündungsprodukte, welche die Schlinge hart und steif machen. Im übrigen befördern die Manipulationen und die Messungen die Eine Methode zur Erleichterung der Blutdruekmessung bei Tieren. 381 Resorption in hohem Grade, und es ist mithin empfehlenswert, auch im Hinblick auf die Übung im Messen, so früh als möglich mit vorläufigen Messungen anzufangen. Übung ist auch wichtig für den, der das Manometer abliest. Dieser hat mit gespannter Aufmerksamkeit auf das Signal zu achten, das der Beobachter in dem Augenblick gibt, in dem er die Pulsationen wahrnimmt, um sofort den Stand des Zeigers aufzunehmen. Die physiologische Zeit, welche dafür erforderlich ist, wird durch Übung immer kürzer und der Beobachtungsfehler auch um so kleiner, je langsamer sich der Zeiger verstellt. Es ist natürlich im Interesse einer objektiven Beobachtung er- wünscht, dass der Palpator nicht zugleich abliest und keine Gelegen- heit findet, einen Blick auf die Zeigerplatte zu werfen. Ausser dem Manometer von v. Recklinghausen habe ich auch ein Quecksilbermanometer versucht und zum Aufblasen der Manschette den Apparat Gärtner’s benutzt, der bekanntlich aus einem Gummiballon besteht, welcher zwischen zwei Brettchen ge- fasst ist, von denen eins mittels einer Stellschraube auf und nieder bewegt werden kann. Der Apparat ist insofern bequemer, als man ohne die Hilfe anderer die Messungen verrichten kann; denn, mit einer Hand palpierend, kann man mit der anderen die Stellschraube bedienen, mittels welcher der Druck in der Manschette geregelt wird, und man hat unterdessen vollauf Zeit, seine Aufmerksamkeit dem Auftreten und dem Verschwinden des Pulses zu widmen. Wo es aber erwünscht ist, schnell nacheinander eine Reihe von Be- stimmungen zu verrichten, ist es besser, sich des Apparats von v. Reeklinghausen zu bedienen. Noch muss auf eine wichtige Sache aufmerksam gemacht werden, und zwar auf diese, dass die Messungen in ruhiger Umgebung und ohne Roheit geschehen müssen. Zwar wird die Spannung im Gefäss- system durch einen bewundernswerten vikariierenden Mechanismus beherrscht und auf ziemlich konstanter Höhe erhalten, allein dies Silt bloss für das normale Tier und insofern dasselbe sich unter normalen Umständen befindet. Hiervon ist in unserem Falle aber keine Rede. Obgleich scheinbar ruhig darniederliegend, verrät schon der wechselnde Rhythmus der Atmung, dass das Tier infolge des Anfassens und der ungewöhnlichen Lage innerlich unruhig ist und eine plötzliche Bewegung des Beobachters, irgendweleher Lärm oder 332 E. C. van Leersum: die Anwesenheit eines Gattungsgenossen vom anderen Geschlechte ist imstande, die Unruhe zu steigern. Pawlow’s gut dressierter Hund '!), der an die Manipulationen so gut gewöhnt war, dass er beim Messen vollkommen ruhig liegen blieb, wies nichtsdestoweniger Blutdruckschwankungen von 10 mm Quecksilber auf. Ein vorsätzlich gemachtes Geräusch, das Verlegen cm H,O 160 Fig. 1. Kaninchen 57. 170 160 150 140 Fig. 2. Kaninchen 5. der Hand, das Streicheln des Rückens war für einige unserer Tiere schon ein Reiz, stark genug, um eine ziemlich bedeutende Erhöhung des Blutdrucks zu verursachen. Es ist denn auch erklärlich, dass bei besonders reizbaren ı Kaninchen im Anfang einer Reihe die Messungen höhere Werte lieferten als die folgenden. Ausser der Unruhe trägt dazu vielleicht noch ein anderer Umstand bei, und zwar dieser, dass die ersten Kompressionen eine massierende Wirkung ausüben und die Haut 1) Joh. Pawlow, Experim. Beitrag zum Nachweis des Akkommodations- mechanismus der Blutgefässe. Pflüger’s Arch. Bd. 16, S. 266. 1878, und: Über [— u EB die normalen Blutdruckschwankungen beim Hunde. Pflüger’s Arch. Bd. 20 ° Ss. 25. 1879. 1 Eine Methode zur Erleichterung der Blutdruckmessung bei Tieren. 383 weicher machen, so dass infolgedessen bei den folgenden Messungen weniger Kraft erforderlich ist, um die Absperrwng des Gefässes zu bewerkstelligen. Kaninchen 97. Fie. 3. oO 6] =) [=] [=] [==] (=) - = [e2} [e2} [5 a a Lem! m „ 2 Aus diesen Gründen ist es zu empfehlen, dass Tier schonend zu behandeln und ihm Zeit zu gönnen, zu sich zu kommen, und den Ergebnissen der ersten Messungen keine Rechnung zu tragen. Letzteres habe ich aber. nicht mit den Reihen von Messungen getan, 384 E. C. van Leersum: welche durch die Fig. 1, 2 und 3 wiedergegeben sind. Sie stellen die Resultate von ‘drei Reihen von Messungen dar, welche ich in einem willkürlichen Augenblick verrichtet habe, als es mir einfiel, einem zu zeigen, was man mit dieser Methode erreichen könne. Die in den Kurven durch Punkte bezeichneten Messungen folgten rasch aufeinander, etwa drei bis fünf in der Minute. Die Höhe des Blutdrucks ist angegeben in Zentimeter Wasser. Wie schon bemerkt, sind die Kurven nicht ausgesucht, und es sind ebensowenig als in den anderen Kurven, welche ich zur Illustration aufgenommen habe, Werte fortgelassen worden. Fig. 1 stellt also den Verlauf des Blutdrucks während des Zeitraums von ungefähr 3 Minuten dar. Das gebrauchte Tier war von ruhigem Temperament und an die Messungen gewöhnt. Man sieht, dass die Werte höchstens 6 em Wasserdruck auseinandergehen. Solche Schwankungen sind in der Tat gering. Völlig fehlen dürfen sie nicht; denn wäre dies der Fall, so würde die Kurve der Wirklichkeit nicht entsprechen. Fig. 2 stellt das Bild von dem Verlauf des Blutdrucks während etwa 4 Minuten dar. Es scheint hier in auffallender Weise der ı Einfluss der Atmung zur Geltung gekommen zu sein. Fig. 3 stellt eine lange Reihe von 25 Messungen dar, welche innerhalb 6 Minuten mit fast gleichen Zwischenräumen verrichtet wurden. Wir haben hier mit einem nervösen Tiere zu tun, das unmittelbar nach dem Anfassen einen hohen Blutdruck aufweist, welcher aber allmählich abnimnit, je nachdem das Tier sich von dem Schrecken erholt. Bei dem Kreuzchen fängt eine bedeutende ' Steigung an; diese trat ein, während einer der Anwesenden, in der Absicht, dem Tiere Furcht einzujagen, plötzlich Geräusch machte, in die Hände klatschte und mit den Füssen stampfte. | Auch abgesehen von den Anfangswerten dürfen wir die bei’ Kaninchen 87 (Fig. 3) gefundenen Blutdruckwerte hoch nennen; denn! sie betragen wenigstens 176 cm H,O oder 130 mm Hg. Zwar hatı sich in letzterer Zeit herausgestellt, dass der Druck beim Kaninchen I höher ist, als man früher gewöhnlich annahm. — Volkmann!) gabıl" als den höchsten von ihm gefundenen Wert in der Karotis 90 mm Hg)! an; aber Hans Meyer?) hat als Grenzwerte des mittleren Blut- 1) Die Hämodynamik nach Versuchen $. 174. 1850. 2) Über die Wirkung des Phosphors auf den tierischen Organismus. Arch. f. exper. Path. u. Pharm. Bd. 14, S. 323. 18831. Ken Zu leer RE EEE Eine Methode zur Erleichterung der Blutdruckmessung bei Tieren. 385 drucks normaler Kaninchen ca. 70 und 140 mm Hg gefunden, — allein auf Grund eigener Untersuchungen meine ich doch annehmen zu dürfen, dass dieser höchste Grenzwert nicht oft angetroffen wird. Indessen veranlassten mich die gefundenen hohen Werte eine Unter- suchung anzustellen, inwiefern die an der Karotisschlinge gefundenen Druckwerte mit dem wahren Blutdruck übereinstimmten. Auf eine völlige Übereinstimmung braucht man selbstverständlich keinesfalls zu rechnen. Dazu würden ideale Verhältnisse nötig sein, nämlich eine Flüssigkeitssäule und eine Druckmanschette ohne Wand. Denn so dünn und elastisch eine Wand auch sein mag, sie veranlasst eine gewisse Kraftvergeudung, und je dicker das umhüllende Gewebe und die Wand der Manschette sind, desto grössere Kraft ist nötig, um die Trägheit und den Widerstand dieser Massen zu überwinden. Dies ist ein Übelstand, mit welchem alle unblutigen Blutdruck- methoden zu kämpfen haben; aber ich fürchtete, dass er sich in meinem Falle besonders fühlbar machen würde, weil das Verhältnis zwischen Blutsäule und „toter* Wand für erstere ein sehr un- günstiges ist; denn das kleine Gefäss ist mit einer verhältnismässig sehr dieken Bekleidung von. zäher und dieht mit Haarwurzeln be- setzter Haut umgeben. Ich war daher erstaunt, nicht viel grössere Unterschiede. zu finden als Ottfrid Müller!), dem ein Ver- gleich der unblutigen Methode nach v. Recklinghausen mit der direkten Messung in der geöffneten A. radialis eines Patienten, dessen Arm amputiert worden war, eine Abweichung von plus 7—9 lo aufwies. Ich bin auf dieselbe Weise verfahren wie der erwähnte Autor, nur dass ich für die direkte Messung anfänglich die Art. femoralis, später auch die andere Karotis gebrauchte. Ich wählte das zuerst- genannte Gefäss, weil ich fürchtete, dass die immerfort wiederholte Absperrung der Karotis, verbunden mit einer schon bestehenden Versperrung des Blutstroms in der anderen, dem Tiere schlecht be- kommen möchte. Später stellte sich aber heraus, dass dies nicht der Fall war. Wenn die eine Karotis mit dem Manometer ver- bunden ist, hat die Absperrung der anderen eine Druckerhöhung von nur 2—4 mm Quecksilber zur Folge, wovon das Tier offenbar keinen Schaden erleidet. 1) Med. Klinik 1908, Nr. 2—4, zitiert nach Meyer und Gottlieb, Ex- ; Derimenteile Pharmakologie, .S. 198. 386 E. C. van Leersum: Aber bevor eine Untersuchung angestellt wurde nach der Ab- weichung, welche die Messung an der Karotisschlinge notwendig mit sich bringen muss, musste untersucht werden, in welchem Maasse der Blutdruck in der A. femoralis sich von dem in der Karotis herrschenden unterscheidet. ‚Dies ist schon von anderen geschehen, unter anderem von A.W. Volkmann!?), der neben einem Karotisdruck von 91,2 mm Hg in der A. eruralis einen Druck von 86 mm antraf. Ich fand bald nahezu gleich grosse, bald geringere Unterschiede. Um ein doppeltes Instrumentarium zu vermeiden, benutzte ich nur ein einziges Quecksilbermanometer, dessen Bleiröhre sich ver- zweigte und an der Verzweigungsstelle mit einem Dreiweghahn ver- sehen war. Der eine Ast mündete in der Karotis, der andere in der A. femoralis. Dei dieser Einrichtung konnte ich durch eine rasche Drehung des Hahnes das Lumen der Karotis und das der A. femoralis abwechslungsweise mit dem Manometer in Verbindung ' bringen. Die Kurven, welche den Druck in den beiden Gefässen wiedergeben, werden folglich hintereinander geschrieben, was die Vergleichung einigermaassen erschwert. Es kommt hier aber nicht auf absolute Genauiekeit an, und meiner Meinung nach genügte es daher, die Entfernungen der An- ı fangs- und der Endpunkte der Karotis- bzw. der A. femoralis-Kurven von ihren Nullinien zu messen. Selbstverständlich wurden diejenigen Punkte verglichen, welche einer gleichen Druckphase entsprachen. Glücklicherweise findet das Sinken oder Steigen der Kurve, das nach der Umdrehung des Hahnes erfolgt, ziemlich abrupt statt, was die Messung wieder etwas erleichtert. Ich lasse hier das Ergebnis einer solchen Messung folgen. Endpunkt Anfangspunkt Kurve A. femoralis 74,4—80,7, Karotiskurve, Untersch. 6,3 mm Hg » .. Karotis 84,0— 80,4, A. femoralis-Kurve, = 3,0 2 A. femoralis 67,2— 73,4, Karotiskurve, h En „. Karotis 75,4—71,6, A. femoralis-Kurve, 3 3 „ A. femoralis 66,4—70,4, Karotiskurve, N... „ Karotis 66,7—64,8, A. femoralis-Kurve, N 1900, 5 A. femoralis 60,4—63,2, Karotiskurve, N 2,8. 008 „ Karotis 65,8—693,2, A. femoralis-Kurve, * 2,610, 0 „ A.femoralis 58,2—61,0, Karotiskurve, 55 23 1) Die Hämodynamik, S. 174. Zn Eine Erleichterung zur Methode der Blutdruckmessung bei Tieren. 387 Der Druck in der A. femoralis hat sich also in diesem Falle durehschnittlich als 3,7 mm Hg oder beinahe 5 cm H,O niedriger erwiesen. Wie ich schon erwähnt habe, fand Volkmann 5,2 mm, andere haben dagegen nicht mehr als 3 mm gefunden. Die Werte werden für verschiedene Tiere natürlich verschieden sein. Auch habe ich wohl angetroffen, dass der Druck in der A. femoralis oder vielmehr in dem Gefäss, aus dem sie entspriesst, ein paar Millimeter höher ist als der in der Karotis. Dies tritt um so eher ein, je grösser die allgemeine Abnahme des Blutdrucks wird infolge der langen Dauer des Versuchs und der Narkose. In vorstehender Tabelle nähern sich die Werte immer mehr, in der folgenden übertrifft der Femoralisdruck schliesslich den der Karotis: - Karotis sin. 108,2 — A. femor. sin. 107 — Karotis 102 — A. femor. 99 — Karotis 95 — A. femor. 97. Im allgemeinen kann man aber wohl annehmen, dass der Karotis- druck unter normalen Verhältnissen den der Femoralis übertrifft, und man irrt nicht sehr, wenn man diesen Unterschied auf + 4cm Wasser zugunsten des Karotis anschlägt. Diese Korrektur habe ich aber geflissentlich nicht in den Kurven angebracht, welche ich zur Veranschaulichung der Resultate der ver- gleichenden Untersuchung gegeben habe. Fig. 4 und Fig. 5 geben eine graphische Darstellung von ein paar Vergleichungen des „wahren“ (in der A. femoralis gemessenen) Blutdrucks mit dem, welcher an der Karotisschlinge gemessen wurde Hätte ich die Korrektur wohl angebracht, so würde die Kurve B in Fig. 5, welehe den Femoralisdruck wiedergibt, durch die Kurve C ersetzt werden müssen, und der Abstand zwischen den beiden Kurven würde dadurch bedeutend kleiner und die Übereinstimmung der Werte also grösser geworden sein. In diesen Figuren ist der Druck in Zentimeter Wasser ange- geben. Die Linien stellen den Verlauf des Druckes, in Fig. 4 während etwa 15 Minuten, in Fig. 5 während nahezu 20 Minuten dar. Die Linie A gibt die an der Karotisschlinge gefundenen Werte an. In Fig. 4 weichen diese von dem „wahren“ Blutdruck nur wenig ab, nicht mehr als durchschnittlich 5,3 °/o, mit einer grössten ' Abweichung von + 7,3°o. In Fig. 5 ist der Unterschied grösser. ‚ Im Durchschnitt beträgt er 16,90 mit einer grössten Abweichung Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd. 142. 26 388 E. C. van Leersum: von 22,3°/o und einer kleinsten von 12,6°%. Bringt man hier für einen niedrigeren Blutdruck in der A. femoralis die Korrektur von 4 cm H,O an, so nähert sich die Kurve A der Kurve B bedeutend, und der Durchschnittsunterschied beträgt dann nicht einmal 13%. A Blutdruck. an der Karotisschlinge gemessen. B Blutdruck in der A. femoralis gemessen. Fig. 4, ! < ra =} ! © © =) Bes & SEE sn Sr - - „m - - „ Ich darf aber sagen, dass der Fall 5 eine Ausnahme macht. In I den meisten Fällen weichen die Werte im geringeren Maasse von-| einander ab, und ist der Parallelismus sogar auffallend. In Fig. 6 z. B. kommen alle Blutdruckschwankungen in der an der Karotis- schlinge erhaltenen Kurve bis in die Einzelheiten zum Ausdruck. - ‚uossowd98 SITEIOWOF "MY Op UL NOnıpypugg FT "uossou1o3 adumyossmorewyy op us Yonıppnyg Pc "Sry & OTT 051 08T OPL OST 1 09T OLT 390 E. C. van Leersum: Wie gesagt, habe ich für diese Untersuchung später auch die andere Karotis verwendet. Nach dem, was über den Unterschied zwischen dem Druck in der Karotis und dem in der A. femoralis bemerkt worden ist, wird es nicht wundernehmen, dass der Unter- schied zwischen dem direkt und dem indirekt gemessenen Karotis- blutdruck sich als noch etwas weniger gross erwies. Als Beispiel gebe ich das Resultat solch einer vergleichenden Messung. Der Durchschnittsunterschied betrug im ungünstigsten Fall 7,9°/o mit einer höchsten Abweichung von 11,3°/o und einer geringsten von 2,2 lo. Fig. 6. I Blutdruck an der Karotisschlinge gemessen. 1I Blutdruck in der Art. femoralis gemessen. Zum Schluss teile ich das Ergebnis eines Versuches mit, worin die an ein und demselben Tiere unmittelbar nacheinander gefundenen Werte an der Karotisschlinge sowohl mit dem Druck in der A. femoralis als mit dem in der Karotis verglichen sind. Von dem Druck in der A. femoralis weichen sie mit durchschnitt- lich 10,7°/o ab, von dem in der Karotis mit durchschnittlich 10,4%. ı Aus diesen Werten, welche ich noch mit einigen vermehren könnte, und die, ich wiederhole es, nicht ausgesucht sind, geht also hervor, dass die an der Karotisschlinge gefundenen Druckwerte dem wahren Blutdruck ziemlich nahe kommen und nur mit einen ge- > ringen Betrage die von OÖ. Müller gefundenen Werte überschreiten. Wäre aber auch die Abweichung grösser, eins steht fest, nämlich, dass beide Kurven ziemlich parallel laufen. Dies macht die Methode N — 1 u ; Eine Erleichterung zur Methode der Blutdruckmessung bei Tieren. 391 zu einer brauchbaren für das Verrichten verschiedener den Blut- druck betreffender Untersuchungen. Und weil die Abweichung, wie es sich mir immer gezeigt hat, auch auf die Dauer eine ziemlich konstante ist, kann die Methode sehr gut bei vergleichenden Ver- suchen angewendet werden. Es empfiehlt sich dann, bei jedem Tiere, das mit einer Karotisschlinge versehen ist, eine Untersuchung nach der Grösse der Abweichung anzustellen; die Art der Unter- ‚suchung, wozu das Tier dienen muss, bildet hier ein entscheidendes Moment. In einigen Fällen ziehe ich noch die A. femoralis vor, weil 180 | 170 x x 160 150 140 . 130 120 110 Fig. 7. Wirkung von Chloroform, dabei doppelte Kontrolle möglich ist. Von den zwei Gefässen, welche ' dann zur Verfügung stehen, kann das eine am Anfang, das andere am Ende der Untersuchung dienen. Auch zu anderen als dem im Anfang genannten Zwecke eignet sich die beschriebene Methode. Es sei mir vergönnt, dies mit ein | paar Beispielen darzutun. An dem mit einer Karotisschlinge versehenen Tiere kann man ‚auf eine wenig umständliche Weise den Einfluss von Pharmaka auf den Blutdruck nachweisen, und ich pflege daher von Zeit zu Zeit 240 250 220 210 200 190 180 170 160 150 140 392 E.C. van Leersum: bei meinen Vorlesungen davon Gebrauch zu machen. Wenn man die auf dem Manometer abgelesenen Werte laut abruft und an die Wandtafel schreiben lässt, so machen diese Zahlen auf den Zuhörer 2 4 6 8 10 12 14 16 18 20 22 Mi Fig. 8. Wirkung von Adrenalin. einen fast ebenso grossen Eindruck als die Schwankungen des Schreibehebels des Quecksilbermanometers, welche bei einem grossen Auditorium bei weitem nicht für alle deutlich sichtbar sind. | Von solehen während einer Vorlesung verrichteten Blutdruck- bestimmungen gebe ich in Fig. 7 und Fig. 8 die Kurven wieder. Eine Erleichterung zur Methode der Blutdruckmessung bei Tieren. 393 Man sieht in Fig. 7, dass der Blutdruck anfänglich zwischen 170 und 174 cem H,O schwankte. Es fanden etwa drei Messungen in der Minute statt. Inhalation von Chloroform, durch das Pfeilchen ccm ' H,0 210 200 190 10 1m 160 150 G 140 ‚ 130 \ - 120 HF ! > 110 “ ii. 90 6. VI. 7. V1. 8. VI. 9. VI. Fig. 9. Nachwirkung von Adrenalin. angedeutet, führt unmittelbar eine Abnahme dieses Druckes herbei; derselbe nimmt aber ebenso schnell wieder zu, nachdem die Chloro- formzufuhr — beim Kreuzchen — eingestellt wird. Erneute Chloro- 394 E. C. van Leersum: formzufuhr verringert abermals den Druck; aber weil das Tier Krämpfe bekommt, tritt diese Erscheinung erst später ein, um bei Einstellung der Chloroformzufuhr — beim zweiten Kreuzchen — wieder zu verschwinden. Aber, wie zu erwarten war, die ursprüng- liche Druckhöhe wird nicht erreicht. Fig. 8 stellt die Wirkung von Adrenalin dar. Der Blutdruck ist anfangs 190 cem H,;0. Eine subkutane Injektion von 1 mg Adrenalinum hydrochloricum — beim ersten Pfeilehen — führt keine Veränderung davon herbei, wie aus dem Lauf der Kurve während einiger Minuten hervorgeht. Dagegen erfolgt nach einer Injektion von !/s mg in die Ohrvene sofort eine ausserordentlich starke Zu- nahme des Blutdrucks, so dass dieser nach 2 Minuten wenigstens 250 cem beträgt. Der Puls war dabei äusserst hart und selten; einige Augenblicke stand das Herz sogar still. Die schnell nach- einander verrichteten Messungen weisen darauf eine Abnahme nach, welche bis weit unter die Norm reicht. Als der Druck 140 betrug, bekam das Tier Defäkation, und machte es einige Bewegung. Diesem Umstande ist wahrscheinlich die in der Kurve sichtbare Zunahme von 15 ccm zuzuschreiben. Darauf nimmt der Druck wieder ab, und dass er vermutlich lange Zeit niedrig geblieben ist, lässt sich aus einem folgenden Versuche schliessen, wovon das Resultat durch Fig. 9 wiedergegeben ist. An dem Abend des 6. Juni wurde nämlich einem Kaninchen mit einem durchschnittlichen Blutdruck von 160 cem !/a mg Adrenal. hydrochl. in die Ohrvene gespritzt. Unmittelbar stieg der Druck bis 210 cem. Am nächsten Morgen war der Druck, wie aus vier Messungen hervorging, ausserordentlich niedrig, denn er betrug nicht einmal 110 ecm. Einen Tag später war er erst 130 cem, und sogar am dritten Tage hatte er die alte Höhe noch nicht wieder erreicht. Solch eine langwierige und man darf ruhig sagen unerwünschte Nachwirkung des Adrenalins ist, sofern ich weiss, noch nicht nach- gewiesen worden, und auf dem Wege der blutigen Messung würde man sie auch nicht leicht entdeckt haben. Die sukzessive Ab- sperrung vier grosser Gefässe innerhalb einer Frist von einigen Tagen und die dabei für das Ruhigerhalten des Tieres notwendige wiederholte Verabreichung eines Narkotikums würden unzweifelhaft einen störenden Einfluss auf den Blutdruck gehabt und die Unter- suchung wertlos gemacht haben. = Eine Erleichterung zur Methode der Blutdruckmessung bei Tieren. 395 Mit den gegebenen Beispielen meine ich die Brauchbarkeit der Karotisschlinge für die Blutdruckmessung genügend dargetan zu haben. Über die mittelst der beschriebenen Methode erhaltenen Re- sultate der Untersuchung nach dem Einfluss, den Leber- und Neben- nierenfütterung bei Kaninchen auf den Blutdruck ausübt, hoffe ich an anderem Orte zu berichten. 396 Paul Blatt: (Aus dem physiologischen Institut der Universität Wien.) Optische Täuschung und Metakontrast. Von cand. med. Paul Blatt. (Mit 2 Textfiguren.) Herr Professor Sigmund Exner hat mich aufgefordert, zu untersuchen, ob die an der Zöllner’schen Figur beobachtete optische Täuschung auch dann auftritt, wenn die beiden Komponenten derselben, die Bilder vertikaler und die der sie durchkreuzenden schrägen Stäbe, nicht gleichzeitig, sondern nacheinander in das Auge fallen, und zwar nicht bloss unmittelbar nacheinander, sondern mit Einschaltung einer variablen Pause. Ich habe diese Aufgabe mit Hilfe der folgenden Versuchs- anordnung zu lösen versucht: Die beiden Komponenten der Zöllner’schen Figur, vertikale und schräge Linien, habe ich übereinander auf einen Karton auf- gezeichnet (Fig. 1). Beide Bilder müssen nacheinander auf den gleichen Netzhautanteil eines Auges fallen. Die Variation der Ex- positionszeit beider Bilder und der Dunkelpause habe ich mit Hilfe einer bereits andernorts beschriebenen Versuchsanordnung !) bewerk- stelligt, deren Hauptbestandteil ein Tachystoskop nach Helmholtz ist, dessen dem Objekte zugewendete Scheibe (Fig. 2, b) in zweck- entsprechender Weise modifiziert worden ist, so dass von zwei kon- zentrischen Kreisringen der Scheibe der innere (Fig. 2, ») das Bild der einen, der äussere (Fig. 2, m) das Bild der anderen Komponente der Zöllner’schen Figur abdeckt. Mit der Grösse und Lage der Ausschnitte dieser beiden Kreisringe wird die Expositionszeit der beiden Bilder und die Zwischenpause variiert. Um das Auge (Au) I) R. Stigler, Chronophotische Studien über den Umgebungskontrast. Pflüger’s Arch. Bd. 134 S. 365. 1910. Optische Täuschung und Metakontrast. 397 des Beobachters zu fixieren, stützt sich dieser mit dem Örbitalrand an einen durchlochten Holzrahmen (St), an welchem unter 45° ein Deckglas (N) angekittet ist, von dem aus das Bildchen einer seit- lich angebrachten Fixationsmarke (M) in das Auge geworfen wird, so dass dieses auch während der Zwischenpausen die erwünschte Blickrichtung einhält. Als Fixationsmarke diente ein Mignonglüh- ‚ lämpehen, das bis auf einen punktförmigen Ausschnitt allseits licht- ‘ dieht umhüllt ist; letzterer ist durch ein rotes Glim merplätt- chen gefärbt; das Auge blickt durch das die Fixationsmarke widerspiegelnde Deckglas (N) geradeaus durch das Fernrohr und den Ausschnitt des inneren Kreisringes (rn) auf die schiefen schwarzen 398 Paul Blatt: Stäbe der Zeichnung Fig 1 (Fig. 2, Bu). Das Bild der vertikalen Stäbe fällt durch den Ausschnitt des äusseren Kreisringes (m) auf das rechtwinklige Prisma (»), wird von hier auf ein unter 45° daran angekittetes, als Spiegel dienendes Deckglas (P) und von diesem in das astronomische Fernrohr (Z") geworfen. Daher sieht das Auge durch dieses Fernrohr ein Bild der vertikalen Linien, sobald ein Ausschnitt des äusseren Kreisringes die vertikalen Linien abdeckt, und ein Bild der schiefen Linien, sobald ein Ausschnitt des inneren Bo Fig. 2. Kreisringes die letzteren abdeckt. Von dem Lichte, welches vom oberen Bild ausgeht, dringt derjenige Teil in das Fernrohr ein, welcher einerseits von der Hypotenusenfläche des Prismas p und andrerseits von dem Deckglas P reflektiert wird, während ein grosser Teil dieses Lichtes durch das Deckglas P durchtritt und somit ver- loren geht. Von dem vom unteren Bild reflektierten Lichte geht nur der vom Deckglas P nach unten reflektierte Anteil verloren; infolgedessen erschien das untere Bild heller als das obere. Da aber wenigstens annähernde Helligkeitsgleichheit beider Komponenten der Zöllner’schen Figur bestehen soll, so habe ich das untere Bild, die schiefen schwarzen Stäbe, durch Rauchgläser (Fig. 2, @/), welehe ich geradezu vor das Bild gesetzt habe, so weit abgedunkelt, dass das obere (Bo) und das untere (Bu) Bild dem Auge des Be- —— 2 Optische Täuschung und Metakontrast. 399 obachters gleich hell erscheinen. Die Bilder der Stäbe werden von einer seitlich aufgestellten, bis auf einen Schlitz allseits umschlossenen, elektrischen Glühlampe mit Licht von je nach der Schlitzgrösse variabler Stärke beleuchtet. Das Tachystoskop wird von einem telegraphischen Uhrwerk mit einer Umdrehungsdauer der hinteren Scheibe (5) von 2 Sek. getrieben; der Beobachter sieht die beiden Figuren alle 24 Sek. einmal aufleuchten. Mit einer Drehung um zwei Winkelgrade, was in unserem Falle einer Zeit von !/so Sek. entspricht, deckt die Scheibe das ganze Bild zu. Der Experimentator gibt dem Beobachter einige Sekunden vor jedem ‚Aufleuchten der Bilder ein Zeichen, auf dass er die Fixationsmarke in das Auge fasse. Dieselbe Einstellung wird jedesmal von den beiden Beobachtern, Dr. R. Stigler und Autor, geprüft, natürlich ohne dass der erste Beobachter den gewonnenen Eindruck verrät, ehe der zweite sein Urteil abgegeben hat. Wir beobachteten meist viermal hinter- einander mit Zwischenpausen von je 24 Sek. Das Ergebnis unserer Beobachtungen wurde in Tabellen verzeichnet, von denen ich in folgendem ein Beispiel bringe. Die Beobachtungsergebnisse beider Versuchspersonen stimmten fast genau überein, wenn nicht länger als ea. eine halbe Stunde beobachtet wurde, da nach einer solchen Zeit Autor störende Ermüdungserscheinungen aufwies. Es wurde bei drei verschiedenen Beleuchtungsstärken beobachtet, die in folgendem als „schwache, mittlere und starke Beleuchtung“ bezeichnet werden. Die Tabelle enthält, wie bereits erwähnt, nur Beispiele der Beobachtungen, da es mir überflüssig erscheint, alle einzelnen Ein- stellungen mitzuteilen. A. Mittlere Beleuchtung: Bei geringeren _ Pausen als 0,128 Sek. erschienen die später exponierten vertikalen Stäbe gegeneinander geneigt. Die Grenzpause, bei welcher die Täuschung eben noch auftritt, liegt also für mittlere Beleuchtung bei ca. 0,128 Sek. (Nr. 1—5 der Tabelle. Bei schwacher Beleuchtung (Nr. 6 der Tabelle) war die Wahrnehmung der Stäbe nicht deutlich genug, um über ihre Lagebeziehungen ein sicheres Urteil abgeben zu können. Die Formenwahrnehmung hängt ja, wie S. Exner!) dargetan hat, in anderer Weise als die Helligkeits- empfindung von der Lichtstärke und der Expositionszeit ab, und 1) S. Exner, Über die zu einer Gesichtswahrnehmung nötige Zeit. Wiener Sitzungsber. Abt 2 Bd. 58.5. 601. 1868. 400 . Paul Blatt: zwar in dem Sinne, dass zur Formenwahrnehmung ein stärkerer Lichtreiz erforderlich ist. Für uns ergab sich, dass zum Zustande- kommen der optischen Täuschung bei der Zöllner’schen Figur bei nacheinander erfolgender Exposition der beiden Komponenten eine bestimmte Beleuchtungsgrösse erforderlich ist. Bei starker Beleuchtung (Nr. 7—17 der Tabelle) ist die optische Täuschung erst dann sicher nicht mehr wahrnehmbar, wenn die Dunkelpause grösser als 0,166 Sek. ist; bei einer Dunkelpause von 0,15 Sek. zeigte sie sich meistens, während bei mittlerer Beleuchtung diese Dunkelpause schon zu lange war. Wie Nr. 8 der Tabelle zeigt, sieht man bei einer Expositionsdauer von 0,043 Sek. der vertikalen Stäbe diese bei entsprechender Aufmerksamkeit im ersten Moment gegeneinander geneigt, dann aber parallel, während bei einer Ex- positionsdauer von 0,027 Sek. die vertikalen Stäbe unter gleichen Umständen, d.h. bei einer sicher unter der Grenze liegenden Dunkel- ‚pause von 0,128 Sek., gegeneinander geneigt erschienen sind. Währte die Exposition der vertikalen Stäbe länger, so verschwindet eben Tabelle. Beobachter: Dr. R. Stigler und cand. med. Paul Blatt. Expositionsdauer in Sekunden der Nr. = .) Beobachtung schrägen 2 ‚ vertikalen > Stäbe Zu Stäbe A. Mittlere Beleuchtung. 1: | 0,072 0,15 0,043 parallel 2. 0,094 0,128 0,039 geneigt 3. 0,094 0128 | 0,027 geneigt 4. 0,094 0,128 | 0,0135 unbestimmt >. 0,094 0,128 0,025 geneigt B. Schwache Beleuchtung. 6. | 004 | 0128 | 0025 | nicht wahrnehmbar C. Starke Beleuchtung. 1: 0,094 0,128 | 0,025 deutlicher zeneigt als bei Nr. 5 Q 98 | - im ersten Moment geneigt, dann 8. 0.094 0.128 0,043 { nl 9. 0,077 0,144 0,027 unbestimmt 10. 0,072 0,15 | 0,027 geneigt 11. 0,047 0,175 0,027 parallel ? 12. 0,0722 | 0,039 0,027 geneigt 13. 0.094 | 0,18 0.043 { im ersten Mmei zenach dann 2 ir 5 paralle 14. 0,077 0,144 0,027 unbestimmt 15. 0,072 | 0,15 0,027 geneigt 16. 0,047 0,175 0,027 parallel? i» 0,072 0,039 0,027 geneigt Optische Täuschung und Metakontrast. 401 "während derselben der Einfluss der vorher exponierten schrägen ‚Stäbe, wodurch der oben erwähnte Wechsel in der Beurteilung der Lagebeziehung der vertikalen zustande kommt. Das gleiche ergibt sich aus Nr. 13 der Tabelle. Aus zahlreichen, hier nicht veröffentlichten Einzelbeobachtungen ergibt sich ferner, dass die zuerst dargebotenen schrägen Stäbe länger exponiert werden müssen als die vertikalen Stäbe, wenn bei gleicher Beleuchtung beider Bilder die optische Täuschung zustande kommen soll. An Stelle der längeren Exposition der ersten Bildkomponente ‚kann auch grössere Lichtstärke derselben treten, d. h. die optische Täuschung tritt auch bei gleicher FExpositionsdauer beider Bilder ‚auf, wenn die erste Bildkomponente stärker beleuchtet wird. Meine Versuche scheinen mir die folgenden Schlüsse zu begründen: Die Zöllner’sche Figur ergibt die bekannte optische Täuschung auch dann, wenn ihre beiden Komponenten nicht gleichzeitig, sondern, ‚selbst mit Einschaltung einer nicht über ein bestimmtes Maass hinaus- gehenden Dunkelpause, nacheinander auf denselben Anteil der Netz- haut fallen. Die Grösse der zulässigen Grenzpause hängt von der Beleuchtungsstärke ab und liegt innerhalb Bruchteilen einer Se- kunde. Daraus scheint mir zu folgen, dass die optische Täuschung beim Zöllner’schen Muster und wahrscheinlich auch bei den anderen bekannten geometrischen Figuren, nicht auf einem „psychi- schen“ Kontrast, d. h. nicht auf corticalen Vorgängen im Gebiete der Sehsphäre, beruhen, in dem Sinne etwa einer Abstumpfung unserer Auffassung gewisser Richtungen durch vorhergehende oder gleichzeitige Eindrücke anderer Richtungen. Gewiss spielen solche Kontrastvorgänge in unserem Leben eine grosse Rolle: wenn man lange Zeit in sehr heiterer Gesellschaft war, so erscheint einem eine Gruppe durchschnittlich gelaunter Menschen langweilig; oder: ein Mensch, der längere Zeit hindurch in einem Hause mit ausgesuchter Liebenswürdiekeit behandelt wurde, empfindet es als eine Kränkung, wenn an Stelle derselben einmal eine durchaus nicht beleidigende, aber gleichgültige Behandlung tritt. Um eine solche „Urteils- täuschung“ kann es sich im vorliegenden Falle darum nicht handeln, weil die Pause, welche zwischen den beiden Reizen eingeschaltet werden kann, nur innerhalb Pruchteilen einer Sekunde liegt, während sich die psychischen Vorgänge in Zeiten von anderer Grössenordnung abspielen. Daraus ist zu schliessen, dass die oben beschriebene Täuschung bei der Zöllner’schen Figur durch Vorgänge peripher 402 Paul Blatt: Optische Täuschung und Metakontrast. von der Hirnrinde zustande kommt. Bei nacheinander erfolgender Exposition der beiden Bildkomponenten handelt es sich also um eine Erscheinung analog jener des Metakontrastes, d. h. um die gegenseitige Beeinflussung nebeneinander gelegener Netzhautstellen durch nacheinander wirkende Reize. Der Bestand dieser Art des Kontrastes ist von R. Stigler!) für weisse und von Z. Baroncz?’) für farbige Lichtreize unter verschiedenen Bedingungen nachgewiesen worden. Im Prinzip stimmen die Beobachtungen der beiden ge- nannten Autoren mit dem hier Veröffentlichten überein. Ich danke Herrn Hofrat Sigmund Exner ergebenst für die Anregung und Anleitung zur obigen Untersuchung und ebenso Herrn | Privatdozent Dr. Robert Stigler für die mir dabei zuteil gewordene Unterweisung und praktische Unterstützung. 1) R. Stigler, Chronophotische Studien über den Umgebungskontrast. Pflüger’s Arch. Bd. 134 S. 365. 1910. 2) Z. Baroncz, Versuche über den sogenannten Metakontrast. Pflüger’s Arch. Bd. 140 5.491. 1911. 405 Über die Sensibilisierung von photographischen Platten für das äusserste Rot und Infrarot. Von L. Lewin, A. Miethe und E. Stenger. Es ist vor einiger Zeit angegeben worden !), dass man mit Hilfe einer bestimmten Farbstoffmischung imstande sei, eine photographische ‚Platte für das äusserste Rot und für den Anfang des Infrarots emp- findlich zu machen. Die empfohlene Farbstoffmischung setzt sich, wie folet, zusammen: destilliertes Wasser . . . . ....56 cem I Alizarinblaubisulfit-Lösung. . . . 3 cem N blaugrüne (1:500), sofort nach der Her- Lö Ösung. stellung zu verwenden Ammoniak, konzentriert . . . . 1eem Hierzu fügt man: Aonoe ee ne... AD eem Nigrosin B-Lösung (1:500) . . . 2 ccm Kmaeyanol- (1421000) °. 2. . . 30 Tropfen. Im Verlaufe unserer spektographischen Blutuntersuchungen, von denen wir früher an dieser Stelle?) Mitteilungen gemacht haben, er- schien es uns wünschenswert, auch die genannte Plattensensibilisierung zum Nachweis etwa vorhandener Absorptionen in dem genannten - Spektralbereich zu verwenden. Eine Brauchbarkeit dieser Sensi- _ bilisierungsmethode war um so mehr wünschenswert, als, unseres | Wissens, Sensibilisatoren für den ‚Nachweis solcher Absorptionen bisher mit befriedigendem Erfolg nicht gefunden werden konnten. | Auch ein anderes Hilfsmittel, das wir schon vor längerer Zeit be- | l) Gargan de Moncetz, Compt. rend. de l’Acad. d. Sciences t. 149 pP. 851. 1909. 2) Pflüger’s Arch. Bd. 118. 1907. Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd. 142. 27 404 L. Lewin, A. Miethe u. E. Stenger: Über die Sensibilisierung etc. nutzten, nämlich das Bolometer, führte uns bei Benutzung von Blut nieht zum Ziele. Leider muss das gleiche von der obengenannten Farbstoff- mischung gesagt werden. Bei praktisch möglichen Expositionszeiten blieb eine Rotwirkung vollkommen aus, soweit sie nicht durch das Vorhandensein des Pinacyanol hervorgerufen war. In früheren Ver- suchen wurde bezüglich der Leistungsfähigkeit des Pinacyanols folgendes von uns festgestellt: Die Sensibilisierungsmaxima liegen beiten MEZ N an a ne 980 un... . 680 uu. Breite des Sensibilisierungsbandes | bei mittleren Expositionen. . . 880—615 uu ... 625—650 un. Die Sensibilisierungswirkung er- streckt sich je nach Länge der Expositionszeit bis zur Wellen- länger ee 670 —700 um. Daraus ist ersichtlich, welche Wirkungen Pinacyanol allein ohne Beisabe von Alizarinblaubisulfit und Nigrosin-B erzeust, und dass die letztgenannten Farbstoffe in der eingangs erwähnten Sensi- bilisierungsmischung wirkungslos bleiben. Farbstoffe wie Alizarin- blaubisulfit und Nigrosin sind nach unseren heutigen Kenntnissen zur Sensibilisierung als vollkommen überwunden anzusehen. Pinaeyanol selbst ist mithin nur verwendbar, wenn man im Spektralbereich von etwa 540—660 uu photographieren will. Und selbst innerhalb dieser Grenzen kann eine bei etwa 620 uu liegende Absorption nicht eindeutig bestimmbar sein, weil sie in diesem Falle mit dem an dieser Stelle vorhandenen Sensibilisierungsminimum zu- sammenfällt. Will man mit Pinaeyanol sensibilisieren, so empfiehlt sich die Anwendung folgender Vorschrift: Pinaeyanol-Lösung (1:1000 Alkohol). . . . 2 Teile Wasser ,© ul ee Ve) TER Alkohol +... 22: ver ee Man badet die Platten 2—3 Minuten im Dunkeln und trocknet sie bei gelinder Wärme, ohne sie vorher zu waschen. u Pflüger’ s Archiv für die ges.Fhysiologie.Bd 142 . Taf.XIV. Zu Seite 352,356 und 357. alelzaı: T | E | ee E ae ee | | | Zac To 7 1 | | BE | ] [ | | = Fr | == - | | | | —! — ai In T | | Ber 7 | | | Bee | | | | | | { | 2| I | H | | | = | | A | | | I Zei iu EEE ] | 2a ee I IL | Bil onsstante | Blutmischung | | Bllut ischung EjS.aE g frischentzogen gel jeden Tag frisc | alas a ae Eile lea eg ee. ee joe] | | | | | A| = —-—L + } Li — } > 2 1 1 |! | | Zäh esultate Lat} | | | + ® | Ben: e- n 12. 13 14. 15. 13. 14. 16. 3; 17. 1. 3. k. 6. 7 2. 3 %. 5 6. 7 Mai 1911 Mai 1911 April 1911 April 1911 Verlag v.Martin Hager ‚Born . Lith ‚Anst v.F Wirtz, Darmstadt zoN,. N a NR R 2 2 Fa j Ze 3 u 2 - m . ’ ‘ # & ei R Inf Y Pr x \ 4 ” fi Y 5 } “ ? ” u. R ' e A Er = 0 2 r { j ; 4 Sa 2 h j J un 5 } E N 1 R ” e » l . 5 ‘ SR: e \ ; \ \ y . $ y = 3 - Re | j K : . wi A 1 \ £ . Se { AFDS | f | INBru: h 7 Ri a 405 Experimentelle Untersuchungen zur vergleichenden Physiologie des Gesichts- sinnes. Von ©. Hess, (Mit 5 Textfiguren.) Inhaltsübersicht. . über. den Lichtsinn bei Fischen .%. ... . 2... co .2.0220. 405 1. Messende Untersuchungen über die Adaptation bei Fischen . . . 405 2. Über den Einfluss der phototropen Pigmentwanderung auf die klelliekeitswabrnehmung der Eische.. . . .. . . .. 2.2... 411 3. Neue Methoden zur Untersuchung des Lichtsinnes bei Fischen. . 421 AA USammentassung sel... Bl En re ee 433 5. Über einen angeblichen Nachweis von Sukzessivkontrast bei Fischen 435 IL. Beiträge zur Kenntnis des Lichtsinnes bei lichtscheuen Wirbellosen . 437 Ill. Untersuchung des Farbensinnes der Vögel nach dem Prinzip der Bleieibleick-Hiollmpren”schen Probe . . 2... 2.2... ..22.0n 443 I. Über den Lichtsinn bei Fischen. In einer früheren Mitteilung !) berichtete ich über meine ersten Versuche, durch systematische Untersuchungen vom Standpunkte der wissenschaftlichen Farbenlehre über den Lichtsinn bei Fischen Auf- schluss zu bekommen. Ich bin seitdem fortgesetzt bemüht gewesen, neue Methoden zur Erweiterung jener ersten Befunde auszuarbeiten. Über einen Teil der so erhaltenen Ergebnisse soll im Folgenden kurz berichtet werden. | l, Messende Untersuchungen über die Adaptation | bei Fischen. Eine erste Versuchsreihe galt der messenden Bestimmung der adaptativen Änderungen der Lichtempfindlich- 1) C. Hess, Untersuchungen über den Lichtsinn bei Fischen. Arch. f. Augenheilk. Bd. 64. 1909. Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd. 142. 28 406 C. Hess: keit im Fischauge. Ich bediente mich dazu in der Regel der folgenden Versuchsanordnung (vgl. Schema Fig. 1): Im Innern eines 3 m langen, innen mattschwarzen Tunnels 7’ von quadratischem Querschnitte (15 em Seitenlänge) ist eine fünfkerzige Mattglasglüh- birne Z messbar verschieblich. Sie belichtet eine mattweisse Fläche 7’, die an einem Ende des Tunnels unter einem Winkel von 45° zu dessen Achse aufgestellt ist. Das von dieser Fläche zurückgeworfene Licht gelangt durch einen quadratischen Ausschnitt AA, in der gegenüberliegenden Tunnelwand zu dem Behälter 5, für die Fische. In der Regel benutzte ich dazu ein 27 cm breites, 18 em hohes Bassin mit planparallelen Wänden aus Spiegelglas, deren Innenflächen ca. 51/2 cm voneinander entfernt waren. In diesen Behälter brachte ich etwa 30—60 der zu untersuchenden Fische und ermittelte bei verschiedenen Adaptationszuständen derselben die geringsten Licht- Aı — ——E en)? Fig. 1. stärken, bei welchen die Tiere eben noch deutliche Neigung zeigten, nach dem von der weissen Fläche Z’ kommenden Lichte zu schwimmen. Schwammen die Tiere auch bei 3 m Abstand der fünfkerzigen Lampe noch deutlich auf die weisse Fläche zu, so konnte mittels eines vor dem Ausschnitte AA, rotierenden Episkotisters & die Lichtstärke be- liebig weiter abgeschwächt werden. Um zu beurteilen, ob die Tiere noch deutlich auf das Licht zuschwimmen, schob ich bei meinen ersten Versuchen in der Regel vor die Vorderwand des Behälters BB, einen schwarzen Karton langsam von einer Seite vor und be- obachtete, ob die Tiere sich in dem nicht beschatteten Bassinteile sammelten. Später fand ich es zweckmässiger, das Bassin BB, so um seine vertikale Achse um 30—40° zu drehen, dass bald das dem Buchstaben B der Figur, baid das dem Buchstaben 3, entsprechende Bassinende dem Ausschnitte AA, etwas näher stand. Ich selbst sass hinter dem Behälter und konnte im durchfallenden Lichte feststellen, ob die Mehrzahl der Fische noch deutlich in der Richtung nach der weissen Fläche schwamm. Eine erste grössere Beobachtungsreihe soleher Art stellte ich an mehreren hundert kleinen, durchschnittlich ea. 3—9 mm langen Exper. Untersuchungen zur vergl. Physiologie des Gesichtssinnes. 407 Karpfen an, die ich der Güte von Herrn Kollegen Hofer- München verdankte; es ergab sich bei oft wiederholten Bestimmungen überein- stimmend folgendes: Karpfen, die längere Zeit (!/ Stunde oder mehr) den Strahlen der Sonne ausgesetzt waren und dann rasch an den Apparat gebracht wurden, zeigten, wenn die fünfkerzige Lampe ca. 30 em von der weissen Fläche entfernt stand, in den ersten Sekunden nur geringe oder gar keine Neigung, auf die Fläche zu- zuschwimmen. Nach 20—30 Sekunden Aufenthalt im Dunkeln da- gegen schwammen viele von ihnen auch dann noch in der Richtung nach der weissen Fläche, wenn die Lampe auf 1—2 m oder noch weiter zurückgeschoben wurde. Fische, die ich 10—15 Minuten dunkel gehalten hatte, schwammen selbst dann noch deutlich und lebhaft nach der hellen Fläche, wenn die fünfkerzige Lampe in 3 m Entfernung stand und vor dem Bassin ein Episkotister mit einem Ausschnitte von 30° rotierte; in vielen Fällen war selbst bei wesent- lieh geringerer Sektorengrösse noch deutliche Schwimmriehtung zum Hellen nachzuweisen. Die Licehtempfindlichkeit war also hier durch Dunkelaufenthalt von etwa 15 Minuten um mehr als das Tausendfache gestiegen. Ähnliche, zum Teile noch höhere Werte erhielt ich bei ent- sprechenden Messungen an jungen Seefischen, so an Atherina hepsetus, an der ich meine ersten eingehenderen Untersuchungen angestellt hatte, und an Mugil, der sich mir gleichfalls als ein in vieler Hin- sieht geeignetes Versuchstier erwies !). — Ein wesentlicher Unterschied zwischen dem Auge der Fische und dem menschlichen besteht darin, dass in letzterem, wie ich in Übereinstimmung mit vielen anderen Beobachtern feststellen konnte, das Netzhautpigment auch bei länger dauernder Belichtung keine nennenswerte Änderung seiner Stellung erfährt, während es im Fisch- auge bei Belichtung bald glaskörperwärts wandert. Der Grad dieser phototropen Pigmentwanderung, die bei den Fischen viel ausgiebiger ist als bei allen anderen Wirbeltierklassen (schon bei den Amphibien 1) Für freundliche Versorgung mit dem Material an Seefischen bin ich den Herren Prof. Gori in Triest und Prof. Krumbach in Rovigno zu herzlichem Danke verpflichtet. Die Fische hielten sich in den von Herrn Gundelach- ' Gehlberg konstruierten Aquarien, die sich vorzüglich bewähren, zum Teile durch viele Monate vollkommen frisch. 28 * 408 C. Hess: ist sie wesentlich geringer), scheint, wie ich schon gelegentlich meiner ersten einschlägigen Untersuchungen (1902) betonte!), bei ver- schiedenen Arten sehr verschieden zu sein. Bei manchen, wie z.B. beim Seeaal, fand ich sie so stark, dass in den Netzhäuten länger belichteter Tiere das Pigment auf dem Schnitte sich als breite, der Limitans externa aufsitzende dunkle Masse darstellt, aus der nach rückwärts der grössere Teil der Stäbchen fast pigmentfrei hervor- ragt (meine Befunde hat später Garten für den Flussaal bestätigt). Es ist ersichtlich, dass das vorgewanderte Pigment, indem es einen Teil des auffallenden Lichtes absorbiert, innerhalb gewisser Grenzen eine physikalische Adaptation des Auges an verschiedene Licht- stärken herbeiführen kann, ähnlich etwa, wie im menschlichen Auge die Verengerung der Pupille. Vorderhand fehlen uns noch genügende Anhaltspunkte, um ein Urteil über den Umfang dieser Adaptation durch Pigmentabsorption im Fischauge zu gewinnen. Dass etwa die gesamten adaptativen Änderungen darauf zurückzuführen seien, war von vornherein schon angesichts des Reichtums der Fischnetz- haut an Stäbehen und Sehpurpur wenig wahrscheinlich; immerhin schien es mir wünschenswert, auch direkt den Nachweis von der Pigmentwanderung unabhängiger adaptativer Vorgänge im Fischauge zu führen, was mir auf folgendem Wege gelang. Wird ein lange dunkel gehaltenes Fischauge, dessen Pigment ' sich also ausgiebig zurückgezogen hat, belichtet, so dauert es mehrere Minuten, bis eine ausgiebigere Vorwanderung desselben erfolgt?). Die physiologische Adaptation dagegen geht in wesentlich kürzeren Zeiten vor sich. Ich ermittelte wiederholt bei verschiedenen Fischarten die geringste Lichtstärke, die noch deutliche Schwimmrichtung zum Hellen hervorrief, einmal unmittelbar nach Dunkelaufenthalt von "/s Stunde 1) C. Hess, Zur Physiologie und Pathologie des Pigmentepithels. Sitzungs- berichte d. ophthalm. Gesellsch. in Heidelberg 1902. Vgl. insbesondere die dort ı gegebenen Abbildungen von Schnitten durch das länger belichtete Auge eines Seeaales und einer Scorpaena, 2) Chiarini (1904) gibt für Leuciscus an, dass nach 1 Minute dauernder \ Einwirkung direkten Sonnenlichtes die Pigmentverschiebung eben merklich werde, | Pergens (1896) fand das Pigment nach Belichtung von 1 Minute noch retrahiert, ı die Wanderung nach 2 Minuten beginnend. Wird ein belichtet gewesenes Auge | ins Dunkle gebracht, so dauert es nach Chiarini 4-5 Minuten, ehe die Retraktion ı eben merklich wird, nach Pergens 1 Minute; doch ist auch nach Pergens nach 1 Minute dauernder Verdunklung ein sehr grosser Teil des Pigmentes noch innenständig. Exper. Untersuchungen zur vergl. Physiologie des Gesichtssinnes. 409 oder mehr, dann nachdem die gleichen Tiere nach längerem Dunkel- aufenthalte 30—60 Sekunden am hellen Fenster (nicht in direktem Sonnenlichte) gestanden hatten. Es liess sich so leicht nachweisen, dass nach Hellaufenthalt von '/„—1 Minute die Lichtempfindlichkeit oft weniger als den zweihundertsten Teil so gross war als bei den bis zum Versuche dunkel gehaltenen Tieren. In diesen kurzen Zeiten ist aber von einer nennenswerten Pigmentverschiebung nicht die Rede. Ebenso konnte ich zeigen, dass die Lichtempfindlichkeit von Hellfischen, die rasch ins Dunkle gebracht werden, schon während der ersten halben Minute ihres Dunkelaufenthaltes beträchtlich an- steigt, während die Rückwanderung des Pigmentes wesentlich lang- samer erfolgt. Durch diese Beobachtungen ist also das Vorkommen ausgiebiger, ‘von der Pigmentwanderung unabhängiger adaptativer Änderungen der Lichtempfindlichkeit im Fischauge nachgewiesen !). Jene Versuchsreihen, bei welchen ich die geringsten Lichtstärken bestimmte, die eine Ansammlung der Fische herbeizufüren ver- mochten, zeigten mir auch, wie überraschend geringe absolute Licht- stärken hierzu bei dunkeladaptierten Tieren erforderlich sind; es genüge ein Beispiel: Hatte ich den Ausschnitt im Tunnel mit einem blauen Kobaltglase verdeckt, so dass die Fische von frei blauem Lichte bestrahlt wurden, so schwammen sie nach der blauen Fläche auch dann noch lebhaft, wenn deren Lichtstärke so weit herabgesetzt wurde, dass sie meinem dunkeladaptierten Auge nur noch farblos grau erschien. — Das besondere Interesse der mitgeteilten Befunde für die Frage nach dem Lichtsinne bei Fischen liegt in Folgendem: Wenn die sogenannte „Reizschwelle“ bei Fischen wesentlich höher läge, also zur Vermittlung einer eben merklichen Liehtwahrnehmung hier wesentlich höhere Lichtstärken erforderlich wären als im Menschen- auge, so könnte die Frage aufgeworfen werden, ob nicht die Fische ‚in dem für uns lichtstarken Spektrum sich nur deshalb ähnlich wie | der total farbenblinde Mensch verhielten (siehe unten), weil diese ‚für uns hohen Lichtstärken für die Fische nur einen sehr geringen 1 D 1) Wenn auch aus dem geschilderten Verhalten der von mir untersuchten | Fische nicht auf genau gleiches bei allen anderen geschlossen werden darf, so ‚ist doch wahrscheinlich, dass mindestens eine mehr oder weniger grosse Zahl ‘ von Fischen sich ähnlich verhalten wird, 410 C. Hess: Reizwert besässen !). Eine solche Möglichkeit ist aber ausgeschlossen durch den Nachweis, dass auch für unser dunkeladaptiertes Auge verhältnismässig sehr geringe Lichtstärken von den Fischen deutlich wahrgenommen werden und sogar bestimmte Schwimmrichtungen herbeiführen; da ich ferner zeigen konnte, dass innerhalb eines grossen Gebietes der. absoluten Lichtstärken die Empfindlichkeit der untersuchten Fische für Lichtstärkenunterschiede offenbar sehr ähnlich oder gleich der unsrigen ist, so folgt, dass die für uns hohen Lichtstärken für die Fische nicht relativ sehr geringe Reizwerte haben können. Im Hinblicke auf wiederholte falsche Angaben über meine die Ver- teilung der Fische im Spektrum betreffenden Versuche weise ich erneut darauf hin, dass ich schon meine ersten Untersuchungen an Atherina bei verschiedenen Spaltbreiten und verschiedenen Abständen der Bassins von der Lichtquelle häufig wiederholt habe, und dass selbst solche Fische, die mir an hellen Tagen frisch vom Meere gebracht worden waren, in einem genügend lichtstarken Spektrum rasch dem Gelbgrün bis Grün zuschwammen, ähnlich, wie es dunkeladaptierte Tiere bei geringeren Lichtstärken tun; ich betonte, dass solche extrem hell- adaptierte Tiere nur „bei Bestrahlung mit den gewöhnlich für dunkeladaptierte Tiere benützten Lichtstärken keine ausgesprochene Schwimmrichtung zeigten“. Bei einem anderen Versuche beschrieb ich das Verhalten der Fische in einem mässig lichtstarken Spektrum, wenn ich dessen Lichtstärke durch Spaltverengerung langsam herabsetzte; ich zeigte, dass meist in dem Verhalten der Tiere zunächst keine deutliche Änderung wahrzunehmen ist, sowie aber die Lichtstärke unter ein gewisses Maass herunter geht, die lebhaften Bewegungen der kleinen Flossen fast plötzlich aufhören und die Tierchen sich langsam zu Boden sinken lassen usw. Wer sich mit der Adaptationslehre eingehender befasst hat, erkennt schon aus diesen Angaben zur Genüge, dass meine Versuche bei sehr verschiedenen Adaptationszuständen angestellt waren. Wenn ich mein Auge gut dunkel adaptiere und dann ein lichtstarkes Spektrum betrachte, so erscheint dieses, wie der mit der Farbenlehre Vertraute weiss, schon in den ersten Sekunden in der Gegend des Gelb am hellsten, zeigt also nicht die für das gut dunkel adaptierte Auge bei entsprechend herabgesetzter Licht- stärke charakteristische Helligkeitsverteilung, weil wir eben durch die Betrachtung des lichtstarken Spektrums schon momentan hell adaptiert sind. Eine Reihe von Fehlern in den Bauer’schen Arbeiten ist darauf zurückzuführen, dass ihm diese Tatsachen anscheinend nicht geläufig waren. 1) Auf einschlägige Fragen habe ich schon gelegentlich meiner Unter- - suchungen über den Lichtsinn bei Wirbellosen hingewiesen. Exper. Untersuchungen zur vergl. Physiologie des Gesichtssinnes. 41] 2. Über den Einfluss der phototropen Pigmentwande- rung auf die Helligkeitswahrnehmung der Fische. In früheren Untersuchungen habe ich für das Vogelauge den Nachweis geliefert, dass die Aussenglieder des Neuroepithels den optischen Empfangsapparat darstellen; da hiernach ein Gleiches auch für die Fische der Fall sein dürfte, lag die Frage nahe, ob durch die im ersten Abschnitte besprochene Vorwanderung des Pigmentes im lebenden Fischauge eine Änderung in der Zusammensetzung des terminalen Lichtes!) hervorgerufen werden kann. Die einschlägigen Fragen, die, wie leicht ersichtlich, nach verschiedenen Richtungen Interesse haben müssen, beschäftigten mich schon seit Beginn meiner Untersuchungen über den Lichtsinn bei Fischen. So war der Ge- danke an die Möglichkeit eines derartigen Einflusses einer der Gründe, die mich bestimmten, meine ersten messenden Versuchs- reihen an solchen Tieren vorzunehmen, die ich vorher genügend lange dunkel gehalten hatte, so dass das nun aussenständige Pigment für das Messungsergebnis nicht störend in Betracht kommen konnte. Bei Anordnung der Versuche zur Ermittlung des fraglichen Ein- flusses ging ich von folgenden Überlegungen aus: Wenn für die Liehtwahrnehmung neben jenen Strahlen, die gerade in der Achse der perzipierenden Elemente zu deren Aussengliedern gelangen und daher von der Pigmentstellung nicht beeinflusst werden, auch noch solche wesentlich in Betracht kommen, die die Aussenglieder erst erreichen, nachdem sie einen Teil des in dünnen Schichten gelb, in etwas dickeren bräunlich erscheinenden Pigmentes durchsetzt haben, so müssen in Augen mit innenständigem Pigment die kurzwelligen (insbesondere die blauen und violetten) Lichter verhältnismässig stärker absorbiert werden und entsprechend weniger zur Wirkung kommen als die längerwelligen (roten, gelben und grünen). War z.B. für ein Fischauge mit aussenständigem Pigment eine Helligkeits- gleichung zwischen einem roten oder gelben und einem blauen Lichte hergestellt, so wird einem Auge mit Innenstellung des Pig- mentes, falls ein merkliecher Einfluss der angedeuteten Art statthat, die blaue Hälfte zu dunkel erscheinen müssen usw. Diese Ver- schiedenheiten müssen im wesentlichen unabhängig von den absoluten Lichtstärken beider Hälften, also innerhalb entsprechend weiter 1) Als „terminales“ bezeichnen wir mit Ewald Hering das bis zur licht- empfindlichen Schicht der Netzhaut vorgedrungene Licht. " 412 | C. Hess: Grenzen unabhängig vom physiologischen Adaptationszustande der perzipierenden Elemente sein und schon dadurch sich als eine vom Purkinje’schen Phänomen grundverschiedene Erscheinung erweisen. Durch zahlreiche messende Beobachtungsreihen an Glaslichtern und im Spektrum konnte ich das Vorkommen derartiger Erscheinungen in der Tat nachweisen und damit zum ersten Male den Einfluss der phototropen Pigmentwanderung auf die Hellig- keitswahrnehmuns der: Fische feststellen und messend bestimmen. (Über entsprechende Untersuchungen am Wirbellosen- auge hoffe ich bald berichten zu können.) Als Beispiel!) sei eine Versuchsreihe an 2 em langen Mugil angeführt, zu der ich die folgende (in ähnlicher Form schon früher von mir angegebene) photometrische Vorrichtung benützte. Fig. 2. Der über 1 m lange, innen mattschwarze Tunnel 7 ist durch eine vertikale Scheidewand 5 in zwei gleich grosse seitliche Hälften geteilt, in deren jeder eine 500kerzige Nernstlampe Z, und Z, mess- bar verschieblich ist. Entsprechend den Stellen B und R ist, etwa 25 em vom Tunnelende entfernt, in passenden Ausschnitten eine freiblaue bzw. freirote Glasscheibe angebracht, am Ende des Tunnels der Behälter A für die Fische aufgestellt, in welchem bei der ge- troffenen Anordnung die rot und die blau bestrahlte Hälfte in ziem- lich scharfer Grenze aneinanderstossen. Bei £ kann ein elektrisch betriebener Episkotister eingeschaltet werden. (Selbstverständlich l) Ich habe solche Bestimmungen bisher unter Seefischen bei Mugil, bei Atherina hepsetus und bei einem Spariden (Sargus?), unter Süsswasserfischen bei Alburnus vorgenommen. Die Ergebnisse stimmten in den hier in Betracht kommenden Punkten im wesentlichen überein. | | | | | Exper. Untersuchungen zur vergl. Physiologie des Gesichtssinnes.. 413 müssen alle Versuche in einem sorgfältig verfinsterten Dunkelzimmer mit mattschwarzen Wänden vorgenommen werden.) Ich stellte zunächst ohne Episkotister, also bei verhältnismässig hohen Lichtstärken, für Fische, die vorher '/s Stunde oder länger im Dunkeln gestanden hatten, so dass ihr Pigment im wesentlichen aussenständig war, eine Gleichung zwischen Blau und Rot her, indem ich eine Lampe möglichst nahe heranrückte und dann die andere so lange verschob, bis die Tiere sich angenähert gleichmässig in beiden Bassinhälften verteilten. War dies der Fall, so erschienen die bei gleichmässig (mittels Episkotisters) herabgesetzter Lichtstärke in passender Weise mit dunkeladaptiertem Auge betrachteten, nun farblos gesehenen beiden Lichter für mich angenähert gleich hell. Brachte ich aber vor den so eingestellten Apparat Fische, die vorher !/e Stunde oder länger im Hellen gestanden hatten, deren Pigment also ausgiebig vorgewandert war, so schwammen sofort alle oder fast alle in die rotbestrahlte Hälfte. Wurde die Lichtstärke des Blau jetzt durch Nähern der zugehörigen Lampe auf das etwa Sechs- bis Achtfache erhöht, so verteilten die Fische sich wieder angenähert gleichmässig in beiden Bassinhälften; bei noch weiterer Zunahme der Lichtstärke des Blau sammelten sie sich in diesem. Schon aus der Anordnung dieser Versuche geht für den mit den einschlägigen Verhältnissen genügend Vertrauten hervor, dass die mitgeteilten Erscheinungen nichts mit dem Purkinje’schen Phänomen beim Menschen zu tun haben. Besonders eindringlich lässt sich dies auch für den Laien dartun durch den Nachweis, dass die ge- schilderte Verteilung der Fische innerhalb weiter Grenzen unabhängig von den absoluten Lichtstärken ist: Ich brachte Tiere mit aussen- ständigem Pigment vor den Apparat, während beide Lampen 115 cm entfernt waren und der Episkotister mit einem Ausschnitte von nur 1—2° rotierte.e. Vor den farbigen Flächen hatte ich einen Schirm aus Ölpapier aufgestellt; für den durch das Bassin blickenden Be- obachter erschienen bei diesen geringen Lichtstärken beide Flächen nahezu farblos, das Blau deutlich heller als das Rot; die Fische schwammen sofort in die blau bestrahlte Hälfte. Durch rasches Entfernen des Episkotisters und Annähern beider Lampen auf 57 em wurde nun innerhalb weniger Sekunden die Lichtstärke beiderseits um mehr als das 700 Fache erhöht: das Rot erschien mir jetzt fast leuchtend hell, das Blau beträchtlich dunkler, die Fische blieben - aber wie vorher im Blau. Indem ich jedesmal die Lampen 414 C. Hess: verschob, bis die Tiere sich in beiden Hälften angenähert gleich- mässig verteilten, konnte ich zeigen, dass das zur Herstellung der Gleichungen für die Fische erforderliche Verhältnis der Licht- stärken von Rot und Blau bei den höchsten hier benützten Lichtstärken kein merklich anderes war, wie bei den geringsten. (Bei richtiger Anordnung sollen solche zusammengehörige Versuche nicht mehr als wenige Minuten in Anspruch nehmen, damit nicht während derselben eine störende Änderung in der Pigmentstellung eintreten kann.) Während also die durch Änderung der Lichtstärke und des Adaptationszustandes bedingten, dem Purkinje’schen Phänomen entsprechenden Helligkeitsänderungen für den normalen Menschen hier eindringlich in Erscheinung traten, war in dem gleichen, für Fische und Menschen gleichzeitig angestellten Versuche bei den Fischen nicht das geringste davon nachzuweisen, obschon letztere auch auf sehr kleine Helligkeitsunterschiede durch ihre charakteristische Verteilung deutlich reagierten. Entsprechende Versuchsreihen stellte ich an Fischen mit innen- ständigem Pigment an. Auch für diese war das Lichtstärkenverhältnis, bei dem gleichmässige Verteilung in beiden Bassinhälften erfolgte, innerhalb des hier in Betracht kommenden Gebietes von den ab- soluten Lichtstärken unabhängig. Weiter nahm ich messende Versuche an solehen Tieren vor, die ich zunächst eine Stunde oder länger im Dunkeln, danach "es oder 1 Minute lang am hellen Fenster gehalten hatte. Es ist dann, wie wir im ersten Abschnitte sahen, eine physiologische Adaptation an die grössere Lichtstärke schon in ansehnlichem Umfange erfolst, das Pigment aber nach dieser Zeit noch nicht nennenswert vorgewandert. Meine Messungen ergaben, dass für solche Fische mit aussenständigem Pigment auch nach 1 Minute langem Aufenthalte im Hellen, also bei entsprechender „Helladaptation“, die relativen Helligkeiten der von mir benützten roten und blauen Lichter noch merklich die gleichen waren wie bei lange dunkel gehaltenen. Dagegen verhielten sich Fische, die ich etwa 10 Minuten im Hellen gehalten hatte, gegenüber den roten und blauen Lichtern ähnlich wie solche, die eine Stunde oder länger hell gehalten worden waren. Fische, die ich zunächst 1 Stunde oder länger im Hellen, danach 3 Minuten dunkel gehalten hatte, zeigten gegenüber jenen Lichtern im wesentlichen noch ähnliches oder fast gleiches Verhalten wie unmittelbar nach Einbringen aus dem Hellen ins Dunkle, d. h. | | Exper. Untersuchungen zur vergl. Physiologie des Gesichtssinnes. 415 die relativen Helligkeitswerte der benützten roten und blauen Lichter waren für die 3 Minuten dunkel gehaltenen Fische noch ähnliche wie für die lange hell gehaltenen. Es entspricht dies der bekannten Tat- sache, dass das durch lange dauernde Belichtung vorgewanderte Pigment nach Verdunkelung verhältnismässig langsam zurückwandert (siehe oben). Alle diese Befunde bestätigen aufs neue die Richtigkeit meiner Auffassung und zeigen wiederum, dass die in Rede stehenden Vor- gänge mit dem Purkinje’schen Phänomen nichts zu tun haben. Ausser den bisher besprochenen Versuchen mit Glaslichtern stellte ich aus den neuen Gesichtspunkten weitere Beobachtungs- reihen am Spektrum an. In Übereinstimmung mit meinen früheren Ergebnissen fand ich, dass auch die neuerdings von mir untersuchten Jungfische (Mugil, Sargus (?), Alburnus, Karpfen) bei aussenständigem Pigment rasch dem Gelbgrün bis Grün zuschwimmen und auch weiterhin vorwiegend in dieser Gegend bleiben. Ihre Zahl nimmt nach dem Rot hin rasch, nach dem Blau und Violett langsamer ab. Das geschilderte Verhalten ist in lichtstarken Spektren kein wesent- lich anderes als in den lichtschwächsten, in welchen die Fische eben noch eine bestimmte Verteilung zeigen. Gleichfalls in Überein- stimmung mit meinen früher für Atherina gemachten Angaben fand ich, dass auch die neuerdings untersuchten Fische, wenn sie vorher lange im Hellen gewesen waren, in genügend lichtstarken Spektren der Gegend des Gelbgrün bis Grün zuschwammen, ähnlich so, wie die lange dunkel gehaltenen auch in lichtschwächeren. Ich habe bei oft mit verschiedenen Lichtstärken wiederholten Versuchen nie finden können, dass Fische mit innenständigem Pigment sich an einer merk- lieh anderen Stelle des Spektrums zusammengedrängt hätten als solche mit aussenständigem. Wiederholt hatte ich den Eindruck, dass bei solchen mit innenständigem Pigment die Zahl nach dem Blau und Violett etwas rascher abnahm als bei jenen mit aussenständigem, so dass sie sich also noch dichter in der Gegend des Gelbgrün bis Grün zusammenzudrängen schienen als lange dunkel gehaltene; doch war dieser Befund nieht konstant, der Unterschied oft auch nur ein unbedeutender. Messende Untersuchungen nahm ich am Spektrum vor, indem ich in der früher von mir geschilderten Weise Gleiehungen zwischen verschiedenen homogenen und einem in seiner Zusammensetzung 416 C. Hess: konstanten, in seiner Lichtstärke messbar variablen Vergleichslichte herstellte. Als solehes benützte ich, da es durch die Absorption des innenständigen Pigmentes möglichst wenig beeinflusst werden sollte, bei den folgenden Versuchen das Licht einer mit gelblichrotem Seidenpapier umhüllten Glühbirne aus gelbrotem Glase, die, im Innern des mehrerwähnten Tunnels messbar verschieblich, eine schräg stehende mattweisse Fläche am Ende des letzteren belichtete. Das von dieser zurückgeworfene Licht bestrahlte die eine Hälfte des Parallelwandbassins für die Fische, während die andere, in scharfer Grenze an erstere anstossende, von dem zu untersuchenden homo- genen Lichte bestrahlt wurde. Ich beschränkte mich bei diesen Versuchen (die ich wieder an Mugil, Sargus (?) und Alburnus mit im wesentlichen ähnlichen Er- gebnissen anstellte) hauptsächlich auf die genauere Bestimmung der relativen Helligkeitswerte des angenähert reinen Gelb, des gelb- lichen Grün, das für die Fische den grössten Helliekeitswert hatte, und des angenähert reinen Blau. Es wurden jeweils Parallel- versuche angestellt mit Tieren, die eine halbe Stunde oder länger im Hellen, und solehen, die ebensolange im Dunkeln gehalten worden waren. Wiederum ergab sich für die lange dunkel gehaltenen Tiere (die Seefische sowohl wie die Süsswasserfische) weitgehende Überein- stimmung mit den früher von mir an anderen Fischarten erhaltenen Werten: Maximum der Kurve im Gelbgrün, steiler Abfall nach dem Gelb hin, so dass zur Gleichung mit dem angenähert reinen Gelb die Lichtstärke des Vergleichslichtes nur etwa halb so gross gemacht werden musste wie zur Gleichung mit dem gelblichen Grün, weniger steiler Abfall der Kurve nach dem Blau und Violett. Auch bei den lange hell gehaltenen Tieren erhielt ich für die relativen Helligkeiten des Grün und des Gelb keine wesentlich anderen Werte als bei den lange dunkel gehaltenen ; insbesondere ergab sich, dass auch für diese Tiere mit innenständigem Pigment die grösste Helligkeit in der Gegend des Gelbgerün bis Grün lag, und dass auch hier zur Gleichung mit dem angenähert reinen Gelb die Lichtstärke des Vereleichslichtes nur etwa "halb so gross sein musste wie zur Gleichung mit dem für sie hellsten gelblichen Grün. Für das angenähert reine Blau fand ich, in Übereinstimmung mit dem vorher für farbige Glaslichter Ermittelten, dass zur Herstellung einer Gleichung mit dem gelblichroten Vergleichslichte dem Blau Exper. Untersuchungen zur vergl. Physiologie des Gesichtssinnes.. 417 bei den Fischen mit innenständigem Pigment eine grössere Licht- stärke gegeben werden musste als bei jenen mit aussenständigem. So war z. B. für das in diesen Versuchen benützte spektrale Blau zur Herstellung einer Gleichung bei ersteren durchschnittlich eine ungefähr viermal grössere Lichtstärke erforderlich als bei letzteren. Diese Messungen lehren, dass auch für Fische, die lange dem Lichte ausgesetzt waren, im Spektrum das Maximum der Helligkeit in der Gegend des Gelbgrün bis Grün liegt, also jedenfalls nicht an einer wesentlich anderen Stelle als für lange dunkel gehaltene. Die ungefähr. dem Gelb entsprechende Stelle des Spektrums, die für das normale helladaptierte Menschenauge bei mittleren und höheren Liehtstärken die hellste ist, hat für lange hell gehaltene ebenso wie für lange dunkel gehaltene Fische bereits beträchtlich geringere Helligkeit als die Gegend des Gelbgrün bis Grün; die Kurve der relativen Helligkeiten zeigt also auch hier die fürdas total farbenblinde Menschenauge charakteristischen Eigentümlichkeiten. Nach dem Blau und Violett sinkt für die Fische mit innenständigem Pigment infolge der hier relativ stärkeren Absorption kurzwelliger Strahlen die Helligkeitskurve etwas steiler ab als für die Tiere mit aussenständigem Pigment. Auch bei diesen Versuchen handelt es sich also um Dinge, die mit dem Purkinje’schen Phänomen nichts zu tun haben. Brachte ich vor die Lichtquellen meiner photometrischen Vorrichtung oder vor den Spalt des Spektralapparates ein passend gefärbtes gelbes Glas, so verhielten sich jetzt (lange dunkel gehaltene) Fische mit aussenständigem Pigment in allen hier in Betracht kommenden Be- ziehungen merklich so, wie die Fische mit innenständigem Pigment sich ohne das gelbe Glas verhalten hatten. Eines der bei solchen Versuchen benützten Gläser, das mässig stark gelb gefärbt war, absorbierte vom Rot bis zum Gelberün und Grün meines Spektrums verhältnismässig so wenig, dass die Fische in letzterem sich an an- senähert der gleichen Stelle zusammendrängten wie ohne Vorschalten des gelben Glases; erst in der Gegend des Blau und Violett wurde die Absorption durch dieses Glas beträchtlicher. Bei Vorschalten eines wesentlich stärker gefärbten und mehr rötlich gelben Glases dagegen sammelten die Fische sich an einer etwas mehr nach dem langwelligen Ende gelegenen Stelle des Spektrums. — Über die biologische Bedeutung der hier mitgeteilten neuen Befunde möge zunächst Folgendes genügen: Das Wasser absorbiert 418 C. Hess: bekanntlich schon in Schichten von mässiger Dicke relativ viel von den langwelligen Strahlen des Spektrums; bei Fischen, die sich in einiger Tiefe aufhalten, wo ihr Pigment infolge der im allgemeinen schon geringeren Lichtstärke bereits mehr oder weniger zurück- gezogen ist, werden die kurzwelligen Strahlen, die allein noch in grösseren Mengen zu diesen Tiefen gelangen, ausgiebig zur Wirkung kommen können. Nähern diese Fische sich der Oberfläche und kommen damit in Gebiete mit grösserer allgemeiner Lichtstärke, so bildet das vorwandernde Pigment einen gewissen Schutz gegen die ‘ kurzwelligen Strahlen; die langwelligen Strahlen aber, die in diese geringen Tiefen noch eindringen, können hier zur Wirkung kommen, da sie von dem vorgewanderten Pigment weniger zurückgehalten werden. Von einer Reihe weiterer Fragen, die sich aus unseren Befunden ergeben, seien hier nur folgende kurz berührt. Die Untersuchung auf Purkinje’sches Phänomen kann nur Zweck haben, wenn man sich vergewissert hat, dass die Prüfung der relativen Helligkeitswerte der benutzten farbigen Lichter bei ver- schiedenen Adaptationszuständen unter genügend übereinstimmenden physikalischen Bedingungen erfolgt. Beim Menschen ist diese Be- dingung leicht erfüllt, da ihm die Pigmentwanderung abgeht, zudem das fragliche Phänomen, wie allgemein bekannt, auch bei momen- taner Dunkeladaptation deutlich ist, bei der von einer Pigment- wanderung nicht die Rede sein könnte. Wer bei Fischen das Purkinje’sche Phänomen untersucht, indem er einmal lange hell, das andere Mal lange dunkel gehaltene Tiere auf ihr Verhalten gegenüber verschiedenen, in ihrer Lichtstärke beide Male unverändert gelassenen farbigen Lichtern prüft, verrät nicht nur, dass ihm die Kenntnis vom Wesen des Purkinje’schen Phänomens fehlt, sondern übersieht auch, dass er die verschiedenen Versuche unter wesentlich verschiedenen physikalischen Bedingungen vor- nimmt. Schon aus diesen Gründen müssen in so unzweckmässiger Weise angestellte Beobachtungen ohne Wert für die Frage nach dem Purkinje’schen Phänomen bei Fischen sein. Für Atherina machte Bauer folgende Angaben: „Kombiniert man die Jenaer Blau- und Rotscheibe, ihre Intensitäten so abstufend, dass die dunkeladaptierten Tiere sich deutlich in der roten Hälfte sammeln, und bringt sie darauf für etwa 10 Minuten in helles Exper. Untersuchungen zur vergl. Physiologie des Gesichtssinnes. 419 Licht, so tritt eine Umkehr der Reaktion ein: sie sammeln sieh jetzt im Blau statt im Rot. Die Umkehr beruht wiederum auf einer „Rotscheu“ der helladaptierten Tiere; denn man kann das Blau so stark verdunkeln, wie man will, ja man kann es sogar durch einen schwarzen Karton vollkommen abblenden, immer meiden die Fische die rote Hälfte. Entgegen ihrer positiven Phototaxis suchen sie also unter diesen Bedingungen die dunklere Hälfte auf, und es ist somit sichergestellt, dass das Rot für die helladaptierten Tiere ausser seinem Helligkeitswert noch einen Farbwert besitzt, der sie zu einer qualitativ verschiedenen Reaktion, nämlich einer Fluchtbewegung, führt.“ Wer das Verhalten der Atherinen etwas aufmerksamer verfolet hatte, sah ohne weiteres, dass auch diesen Angaben Bauer’s Be- obachtungsfehler zugrunde liegen; eine Besprechung derselben bot kein Interesse. Nachdem aber Bauer meine diesbezüglichen An- deutungen nicht beachtet, mir vielmehr vorwirft, ich hätte seine Versuche unvollkommen zitiert, und da er sogar die Wendung nicht scheut, ich hätte gerade den für seine Beweisführung wichtigsten Teil fortgelassen, nötiet er mich zu der Mitteilung, dass seine hier zitierten Angaben sämtlich unrichtig sind: Nie fliehen nor- male helladaptierte Atherinen aus dem roten in den dunklen Bassin- teil, und nie verhalten sie sich gegenüber roten und blauen Glas- lichtern so, wie Bauer angibt, vielmehr, wie ich oben (s. S. 413) eingehend gezeigt habe, gerade umgekehrt. Die Anstellung der von mir neuerdings oft wiederholten Versuche macht keine Schwierigkeit. Weiter hatte Bauer für helladaptierte Atherinen früher aus- geführt, dass sie im Spektrum sich nicht ins Rot treiben lassen; er hatte sich damit bis ins einzelne eng an meine Darstellung an- seschlossen. In seinem letzten Angriffe aber macht er über das Verhalten der Atherinen eine ganz neue, von seiner früheren grund- verschiedene Angabe, indem er schreibt, dass die Tiere bei dem fraglichen Spektrumversuche „vermeiden, in den rot bestrahlten Teil des Gefässes zu schwimmen und sich ausschliesslich im verdunkelten Teile aufhalten“ ; das Rot habe für sie einen „spezifischen Reizwert, der sie das rot bestrahlte Gebiet meiden lässt“. Auch diese An- gaben lassen sich durch einfache Wiederholung der Versuche leicht als unrichtig dartun: nie verhalten sich helladaptierte Atherinen im Spektrum so, wie es Bauer neuerdings angibt, nie vermeiden sie bei den fraglichen Versuchen in das rot bestrahlte Gebiet zu schwimmen und halten sich nie ausschliesslich im verdunkelten Teile auf. 420 C. Hess: Bauer betont, die hier besprochenen Angaben bildeten den wichtigsten Teil seiner Beweisführung; nachdem sie sich alle als unrichtig erwiesen haben, erscheint ein weiteres Eingehen auf seine Untersuchungen nicht erforderlich '). Graber hatte bekanntlich schon 1884 auf Grund von Versuchen mit seinem „Zweikammersystem“ die Meinung vertreten, dass die Fische eine für verschiedene Farben verschieden grosse „Farbenlust“ (bzw. Farbenscheu), eine „Vorliebe“ für bestimmte Farben hätten; es müsse die „Wellenlänge des Lichtes als solche einen bestimmten oder spezifischen Eindruck hervorbringen, den wir eben als Farbe bezeichnen“ .... Diese vor bald 30 Jahren ohne jede Kenntnis der Farbenlehre aufgestellten Ansichten hat neuerdings Bauer von Graber über- nommen und vertritt auch heute noch die Behauptung, dass das Rot für die von ihm untersuchten Fische einen „spezifischen Reizwert* habe, obschon ich wiederholt darauf bingewiesen habe, in wie einfacher Weise er sich von seinem Irrtum überzeugen könne. Schon in meiner ersten Abhandlung zeigte ich für die damals untersuchten Fische, wie man jederzeit eine anscheinende „Rotscheu“ derselben in „Rotvorliebe“ und eine gleichzeitige „Blauvorliebe“ in „Blauscheu“ verwandeln oder aber völlige Gleichgültigkeit der Fische gegenüber beiden Farben herbeiführen kann. Es ist nicht verständlich, wie man angesichts solcher leicht nachzuprüfender Tatsachen immer wieder von „Rotscheu* und von „spezifischen“ Reizwerten der fraglichen Lichter für die Fische sprechen kann. Auch die Frage nach dem sogenannten „Farbenunterscheidungsvermögen“ der Fische steht in naher Beziehung zu dem hier Besprochenen. Es macht dem mit der Farbenlehre nicht Vertrauten anscheinend grosse Schwierigkeiten, sich über den fundamentalen Unterschied zwischen „Farbenunterscheidungsvermögen“ und Farbensinn klar zu werden. In Bauer’s Angriffen gegen meine Unter- suchungen kehrt die Erklärung immer wieder, die untersuchten Fischarten müssten „ein Farbenunterscheidungsvermögen“ haben, und doch habe ich bereits früher darauf hingewiesen, dass er damit nur eine längst bekannte, auch schon durch meine ersten Untersuchungen bestätigte Tatsache wiederholt. Auch der Laie weiss, dass die Fische sich verschiedenen Farben gegenüber verschieden ver- halten können, sie also offenbar bis zu einem gewissen Grade zu „unterscheiden“ vermögen. Aber ebenso ist bekannt (worauf ich gleichfalls schon früher hin- wies), dass auch der total farbenblinde Mensch ein „Farbenunterscheidungs- vermögen“ besitzt und z. B. mit Sicherheit bestimmte rote von grünen Papieren unterscheiden kann, weil ihm erstere tief dunkel grau, fast schwarz, letztere aber wesentlich heller grau erscheinen. Hat doch Ewald Hering gezeigt, dass ein solcher total Farbenblinder, aufgefordert, aus einer Reihe farbiger Papiere die roten auszusuchen, dies meist richtig trifft, indem er die für ihn dunkelsten 1) Die Leser, die sich für Bauer’s fortgesetzte Angriffe gegen meine Untersuchungen interessieren, werden genügend orientiert sein, wenn sie das was ich geschrieben habe, mit dem vergleichen, was Bauer von mir zitiert. Exper. Untersuchungen zur vergl. Physiologie des Gesichtssinnes. 42] auswählt. Diese Beispiele illustrieren nur die bekannte Tatsache, dass das Vorhandensein eines Farbenunterscheidungsvermögens nicht berechtigt, auf Farben- sinn zu schliessen. Meine auf zwei voneinander ganz unabhängigen Wegen (vgl. den folgenden Abschnitt) durchgeführten Untersuchungen haben in fast überraschender Über- einstimmung zu dem Ergebnisse geführt, dass die verschiedenen farbigen Lichter für die Fische sich in ähnlicher oder gleicher Weise voneinander unterscheiden, wie es für den unter gleichen Bedingungen sehenden total farbenblinden Menschen der Fall ist. - 8. Neue Methoden zur Untersuchung des Lichtsinnes bei Fischen. Zur Untersuchung des Lichtsinnes bei Amphibien, Reptilien, Vögeln und Säugern benützte ich bisher vorwiegend solche Methoden, bei welchen die Sichtbarkeit bzw. Unsichtbarkeit dargebotenen Futters als Grundlage diente. Bei den Fischen hatte ich haupt- sächlich deren Verteilung in verschieden belichteten Bassinpartien verfolgt und nur vereinzelt jenes bei den anderen Wirbeltier- klassen von mir verwendete Verfahren herangezogen. Es schien wünschenswert, die auf dem ersten Wege erhaltenen Ergebnisse bei Fischen noch aus anderen Gesichtspunkten zu prüfen; ich wählte dazu solche Methoden, die sich nicht nur bei Jungfischen, sondern auch bei grösseren bzw. ausgewachsenen Tieren anwenden liessen. Ich kam so auf neuen Wegen zu einer völligen Bestätigung meiner früheren Befunde. Da diese Methoden auch für den mit der Farbenlehre weniger Vertrauten zu überzeugenden Ergebnissen führen und verbreitete Laienmeinungen mit ihnen sich leicht widerlegen lassen, seien sie im Folgenden etwas eingehender besprochen. Man hat wiederholt Fischversuche mit farbigen Ködern an- gestellt, und alle bisherigen Untersucher haben aus den so er- haltenen Ergebnissen auf Farbensinn bei Fischen geschlossen. Demgegenüber zeigte ich schon früher!), dass und warum die bisherigen Experimente mit farbigen Ködern für die Frage nach einem etwaigen Farbensinne bei Fischen nicht zu ver- werten sind. 1) €. Hess, Über den angeblichen Nachweis von Farbensinn bei Fischen. | Pflüger’s Arch. Bd. 134 8.1. Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd. 142. 29 422 O0. Hess: Die einschlägigen Verhältnisse mögen an einem Beispiele erläutert werden. Zolotnitzky (1901)!) klebte an die Bassinwände von Fischen (Makropoden), die sonst mit dunkelroten Chironomuslarven gefüttert wurden, weisse, grüne, gelbe und rote Wollfäden von der Form und Grösse solcher Larven. Die Fische schwammen an den weissen und grünen Fäden vorbei, an den gelben hielten sie vorübergehend an, die gefrässigsten unter ihnen suchten sie zu fassen, während alle Fische lebhaft auf die roten Wollbündel zuschwammen. Zolotnitzky meint danach, „alle Fische hätten ausgesprochene Vorliebe für die rote Farbe“. Nur der mit der Farbenlehre nicht Vertraute wird aus derartigen Versuchen den Schluss ziehen, dass die fraglichen Fische einen Farbensinn besitzen; denn auch Fische mit den Sehqualitäten eines total farbenblinden Menschen werden ähnliches Verhalten zeigen, da sie die weissen Wollbündel am hellsten, die grünen hellgrau, die gelben dunkler grau, die roten noch dunkler grau, fast schwarz und ähnlich so sehen wie die Chironomuslarven. Zolotnitzky macht keine Angaben darüber, wie das Aquarium zum Lichte stand, ob also die Fäden von den Fischen im auffallenden oder im durchfallenden Lichte und auf welchem Grunde sie gesehen wurden, was alles für die Beurteilung der Ergebnisse wesent- lich sein kann. Ich habe schon früher angedeutet, in welcher Weise derartige Versuche angestellt werden müssten, um wissenschaftlich verwertbar zu sein. Nach Ausbildung entsprechender Methoden habe ich im Laufe der letzten Monate eine grössere Zahl von Mugil und Ellritzen (Phoxinus laevis) systematisch in der fraglichen Richtung untersucht. Nachdem ich die Fische mehrere Wochen im Aquarium gehalten und gefüttert hatte, verloren sie ihre ursprüngliche Scheu; die Mugil kamen sogar, wenn ich mich ihrem Behälter näherte, rasch auf mich zugeschwommen. Als Futter benutzte ich zunächst längere Zeit Chironomuslarven, die sie gierig nahmen. Ich richtete mir nun eine grosse Zahl verschiedener Attrappen nach den sogleich zu be- sprechenden Gesichtspunkten her; bei allen Versuchen bot ich zwischen den Attrappen ab und zu wirkliches Futter, da die Tiere dann leichter nach ersteren gingen. Bei einigen Vorversuchen klebte ich zunächst, ähnlich wie Zolotnitzky, farbige Stücke Seidengarns von Form und Grösse der Chironomuslarven aussen auf die vom Fenster abgekehrte Aquariumwand, so dass die Fische sie im auffallenden Lichte, und zwar vor einer gleichmässig hell grauen Wand, sahen. Auch meine zunächst an Chironomuslarven gewöhnten Fische schwammen in der 1) Zolotnitzky, Les poissons distinguent-ils les couleurs? Arch. de Zool. exp. t. 9. cm — Exper. Untersuchungen zur vergl. Physiologie des Gesichtssinnes.. 493 Regel an den weissen und hellgelben Attrappen vorbei und schossen lebhaft auf die dunkelroten. Bot ich nun aber neben den farbigen farblos graue Attrappen von verschiedener Helliekeit, so schossen die Fische ebenso wie auf die roten auch auf dunkel- graue bzw. schwarze; klebte ich eine rote und eine dunkel- oraue, fast schwarze Attrappe in einem gegenseitigen Abstande von 2—3 cm nebeneinander an die Wand des Behälters, so schossen die Fische ebenso häufig nach der schwarzen wie nach der roten; auch nach genügend dunkel blauen und grünen Attrappen gingen sie ähn- lich wie nach der roten. Klebte ich nur weisse, graue und schwarze Attrappen an die Bassinwand, so schossen die Tiere zumeist auf die dunkelgrauen und schwarzen, während sie die weissen und hellgrauen ganz oder fast unbeachtet liessen. Durch sachgemässe Anordnung derartiger Versuche lässt sich also Zolotnitzky’s Auffassung leicht widerlegen und zeigen, dass das Verhalten der Fische gegenüber den wenigen von diesem Autor benützten farbigen Wollen keinerlei Schluss auf etwaige Farben- wahrnehmung gestattet. Denn die Tiere verhielten sich auch hier durchaus so, wie es der Fall sein muss, wenn ihre Sehqualitäten ähnliche oder die gleichen sind wie die eines total farbenblinden ' Menschen. | In anderen Versuchsreihen legte ich die Attrappen einzeln oder - zu mehreren (0—9) zwischen zwei Glasplatten von 13x15 cm " Grösse, die an drei Seiten durch Heftpflasterstreifen miteinander ver- bunden waren. Beim Eintauchen in das Aquarium füllte sich der Zwischenraum zwischen beiden Platten mit Wasser, und die Attrappen schienen, da das Glas fast unsichtbar war, frei in der Flüssigkeit zu schweben; durch kleine Bewegungen der Platten konnten auch die ' Bewesungen der Larven einigermaassen nachgeahmt werden. (Es ‚ist natürlich darauf Rücksicht zu nehmen, dass hier die Helligkeiten ‘der farbigen und grauen Fäden durch die Befeuchtung wesentlich | geändert werden.) Die Versuche wurden bald vor hellem, bald vor - dunklem Grunde vorgenommen, indem ich eine mattschwarze bzw. " mattweisse Fläche an die Glaswand des Aquariums brachte, vor der h] i ‚ich die Platten bewegte. Die Ergebnisse, die ich im einzelnen nicht ‚aufzuführen brauche, stimmten in allen hier wesentlichen Punkten ‚mit jenen der ersten Versuchsreihe überein. Das Verfahren mit den versenkbaren Glasplatten ist zwar dem zuerst be- ‚sprochenen schon wesentlich überlegen, lässt aber vom Standpunkte der wissen- 29 * 494 C. Hess: schaftlichen Farbenlehre noch manches zu wünschen übrig. Ich erwähne es hauptsächlich deshalb, weil es mit naheliegenden Modifikationen sich auch bei Fischen in Teichen und in ihrer gewohnten Umgebung wird anwenden lassen, . und weil auch die viel erörterten Fragen nach dem praktischen Werte farbiger Köder damit wohl in zuverlässigerer Weise in Angriff genommen werden können, . als es bisher möglich war. (Nach Mitteilungen, die mir aus Anglerkreisen zu- - gehen, sind dort die Meinungen über die Vorteile farbiger Köder noch sehr ge- teilt; von der einen Seite werden sie als bedeutend bezeichnet, von der anderen ‚nachdrücklich in Abrede gestellt.) Vom Standpunkte der wissenschaftlichen Farbenlehre musste es nach den eben mitgeteilten Beobachtungen von besonderem Interesse sein, das Verhalten der Fische gegenüber solchen farbigen: Attrappen zu ermitteln, die auf farbigem oder farblosem: Grunde von gleichem farblosen Helligkeitswerte sicht- bar. gemacht wurden. War doch denkbar, dass es auf diesem Wege‘ gelingen könnte, farblose Helliekeitsgleiehungen zwischen verschieden- farbigen Lichtern, wie wir uns solcher zur wissenschaftlichen Unter-' suchung total farbenblinder Menschen bedienen, auch für das Fisch- auge herzustellen. In einer ersten Versuchsreihe diente mir als Attrappe ein schmaler, leicht gekrümmter Streifen farbigen oder grauen (nicht glänzenden) Papiers von Form und Grösse der Chironomuslarven, der auf einem; grossen, von farbigem oder farblosem Papier gebildeten Grunde mög- lichst sorgfältig glatt aufgeklent wurde. Diese grossen Flächen hielt ich so an eine Wand des Aquariums, dass sie den Fischen gut be- lichtet erschienen, und ahmte wieder durch entsprechende Bewegungen derselben die Bewegungen der Larven nach. | Mit dieser und der folgenden Methode wird es möglich, die” Versuche hinsichtlich der benutzten Farben auf das mannigfachste zu variieren; indem ich für jede Kombination von Attrappe und“ Grund den farblosen Helligkeitswert der farbigen Papiere nach den’ bekannten Methoden Ewald Hering’s bestimmte, konnte ieh nun auch diese Untersuchungen mit farbigem Köder in einer den An-ı forderungen der wissenschaftlichen Farbenlehre entsprechen-ı den Form durchführen. Von zahlreichen solchen Beobachtungsreihen,!- die mich längere Zeit hindurch beschäftigten, seien hier nur einige! als Beispiele kurz wiedergegeben. 1. Auf mattweissem Grunde ist eine dunkelrote Attrappe be- festiet; die Tiere schiessen lebhaft auf sie los, in gleicher Weise aber auch nach dunkelgrauen und schwarzen sowie nach dunkelblauen, EBENEN EDER Suse PER, DREIER NEE: nr Exper. Untersuchungen zur vergl. Physiologie des Gesichtssinnes.. 495 dunkelgrünen oder dunkelgelben Attrappen auf weissem oder hell- srauem Grunde. Wird eine rote Attrappe neben einer dunkelgrauen von angenähert gleichem farblosen Helligkeitswerte auf dem gleichen hellgrauen Grunde sichtbar gemacht, so ist das Verhalten der Fische segenüber der grauen kein anderes wie gegenüber der roten. 2. Auf einem für uns leuchtend roten Grunde ist eine dunkel- graue Attrappe von angenähert gleichem farblosen Helligkeitswerte befestigt, die für unser normales Auge bei Tagesbelichtung fast schwarz erscheint und sich lebhaft von dem roten Grunde abhebt. (Meinem dunkeladaptierten Auge erscheinen natürlich bei passend herabgesetzter Lichtstärke Grund und Attrappe angenähert gleich hell, so dass letztere fast oder ganz. unsichtbar ist.) Von den Fischen schwimmt kein einziger auf sie los; sie verhalten sich nicht anders, wie wenn ihnen z. B. eine gleichmässig rote. oder eine gleichmässig schwarze Fläche geboten wird. 3. Die gleiche dunkelgraue Attrappe wird auf einem etwas mehr mit Weiss verhüllten, für uns entsprechend heller roten Grunde be- festist. Die Fische schnappen sofort nach ihr. (Wurden hellgraue oder weisse Attrappen auf dunklem Grunde befestigt, so schwammen die hungrigen Fische wohl auch nach solchen, doch durchschnittlich weniger lebhaft als nach dunklen auf hellerem Grunde. Daher zog ich im allgemeinen, soweit ancängig, die letztere Kombination bei meinen Versuchen vor.) Bei Herstellung anderer von mir benutzter Attrappen war Folgendes zu berücksichtigen. Wir sahen, dass eine für das Fisch- auge bei aussenständigem Pigment hergestellte Gleichung zwischen Rot und Blau für ein Auge mit innenständigem Pigment infolge der Blauabsorption durch das vorgewanderte Pigment nicht genau stimmt. Auch ‘beim Menschen haben, wie Ewald Hering zeigte, die für ein bestimmtes dunkeladaptiertes Auge hergestellten Gleichungen in- folge der individuellen Verschiedenheiten der Gelbfärbung der Linse und Maeula nicht für alle dunkeladaptierten Augen genau Gültigkeit. Ich habe in früheren Untersuchungen !) dargetan, in welcher Weise die spezifische Absorption der lebenden Menschenlinse sich messend bestimmen lässt, und dureh eine grössere Zahl solcher Messungen eine Vorstellung von dem Grade der fraglichen -Verschiedenheiten 1) C. Hess, Messende Untersuchungen über die Gelbfärbung der mensch- ‘ lichen Linse usw. Arch. f. Augenheilk. Bd. 68 H. 2. 1909. 26 C. Hess: der Gelbfärbung geben können. Für meine Linse betrug die: spezifische Absorption 0,248, d. h. von dem zu den damaligen Ver- suchen benützten Blau wurde nahezu ein Viertel in meiner Linse absorbiert. Die Linsen der untersuchten Fische erscheinen nahezu farblos, , jedenfalls wird in ihnen weniger Blau absorbiert als in den meinen; bei aussenständigem Pigment wird also das terminale Licht ceteris paribus im Fischauge relativ etwas reicher an kurzwelligen Strahlen sein als in einem menschlichen mit mässig gelber Linse. Bei ganz innenständigem Pigment dagegen kann die Blauabsorption im Fisch- auge wohl sogar grösser werden als in einem menschlichen mit ' mässig gelb gefärbter Linse. Es war danach die Frage, ob es möglich sein würde, in meinen Versuchen bei solehen Kombinationen farbiger Lichter, wo die frag- liche Absorption eine wesentliche Rolle, spielen konnte, genügend übereinstimmende Gleichungen herzustellen. Dazu ist Folgendes zu bemerken: Die Absorption des Blau durch das innenständige Pigment im Fischauge zeigt die verhältnismässig hohen Werte, die wir oben fanden, wohl nur bei Tieren, die lange in hellem Lichte gestanden hatten, deren Pigment also sehr ausgiebig vorgewandert ist. Meine Attrappenversuche aber nahm ich in der Regel an Fischen vor, die : ich in mässig hellen Räumen hielt, oder aber im Dunkelzimmer bei künstlicher, zum Teil bei farbiger Belichtung (siehe unten). Das in solchen Augen wohl weniger stark vorgewanderte Pigment wird ent- sprechend weniger von den kurzwelligen Strahlen zurückhalten. Ferner handelt es sich bei unseren Fischversuchen ja nicht um die ' Herstellung unter allen Umständen mathematisch genau gültiger Gleichungen, sondern vielmehr darum, das Verhalten der Fische zu ermitteln, wenn der Helligkeitswert der Attrappen sich für sie ein- mal sehr beträchtlich, ein anderes Mal aber nur wenig (oder aber gar nicht) von jenem des Grundes unterscheidet. Dass die farblosen Helliekeitswerte farbiger Lichter für den total farbenblinden mit jenen für den dunkeladaptierten, bei entsprechend herabgesetzter — Lichtstärke sehenden normalen Menschen im wesentlichen überein- - stimmen, ist trotz der vorher erwähnten Verschiedenheiten der Linsen- und Maculafärbung unschwer zu erweisen; und ähnlich war das Verhalten unserer Fische jenen verschiedenen Gruppen von Attrappen gegenüber in so charakteristischer Weise verschieden, dass die mich beschäftigenden Fragen sich bestimmter beant- Exper. Untersuchungen zur vergl. Physiologie des Gesichtssinnes. 427 worten liessen, als ich zu Beginn dieser Versuchsreihen hatte hoffen können. 4. Eine freiblaue Attrappe wird auf einen grossen, freigelben Grund von angenähert gleichem farblosen Helligkeitswerte geklebt; sie erscheint also bei entsprechend herabgesetzter Belichtung meinem dunkeladaptierten Auge wieder angenähert gleich hell mit dem Grunde und ist daher jetzt auf diesem kaum oder gar nicht sichtbar. Bei Tagesbelichtung dagegen sieht sie mein helladaptiertes Auge ungemein deutlich, dunkelblau auf hellgelbem Grunde. Von den Fischen schwimmt aber keiner nach ihr. Wird sie nun durch eine dunkler blaue oder schwarze Attrappe auf dem gleichen gelben Grunde ersetzt, so schiessen sofort zahlreiche Fische auf sie los. Auch diese eindringlichen, unschwer anzustellenden und daher ' auch zur Demonstration gut geeigneten Versuche habe ich mit gleichem Ergebnisse wie bei Mugil oft bei (5—6 em grossen) Ell- ritzen angestellt. Nach dem Mitgeteilten brauche ich nicht noch alle anderen von mir durchgeprüften Kombinationen von Farben für Attrappe und Grund aufzuführen. Die Ergebnisse stimmten stets darin überein, dass die Fische auf die Attrappe oft losfuhren, wenn ihr farbloser Helligkeitswert von dem des Grundes wesentlich verschieden war, wie immer die Farben beider uns erscheinen mochten; dass sie dagegen, wenn der farblose Helligkeitswert der Attrappe von jenem des Grundes nur wenig oder gar nicht ver- schieden war, ihr wenig oder gar keine Beachtung schenkten, auch dann, wenn sie für unser Auge sich durch lebhafte Färbung aufs deutlichste vom Grunde abhob. Um endlich solche Versuche mit möglichst freifarbigen und zu- gleich kontinuierlich variablen Reizlichtern anstellen zu können, bediente ich mich des folgenden, durch Schema Fig. 3 ver- anschaulichten Verfahrens. Die Fische befinden sich in einem ziemlich schmalen, recht- eckigen Aquarium A aus Spiegelglas, dessen Längswände durch schwarze Kartons vor seitlich einfallendem Lichte geschützt sind. Dicht an der Hinterwand des Aquariums wird ein grosser, über Rahmen gespannter Bogen mattweissen Papiers C oder aber ein 428 C. Hess: dünner, ebener weisser Karton angebracht, aus dem an passender Stelle ein schmales Streifehen von der Form und Grösse einer Chironomuslarve ausgeschnitten ist. Diese Fläche wird von vornher durch die in einer Hülse eingeschlossene Nernstlampe Z, belichtet, die mit Konvexlinse und mit passenden farbigen Gläsern versehen werden kann. Hinter © steht, um seine vertikale Achse drehbar, ein ebener Schirm $ aus mattweissem Karton, der von der Lampe Z, belichtet wird. Der Beobachter sitzt bei DB und verfolgt, durch die Wasserschicht blickend, das Verhalten der Fische. Alle Versuche werden im Dunkelzimmer vorgenommen, so dass in das Aquarium ausser dem von Z, kommenden und dem durch den kleinen Aus- (& @) Fig. 3. schnitt in © fallenden kein Licht gelangen kann. Es sei zunächst die Lampe L, mit einem möglichst freigrünen Glase versehen und der Schirm $S mit rotem Lichte bestrahlt. Je nach der Stellung dieses Schirmes, die von einem Mitarbeiter variiert wird, fällt durch den Ausschnitt in © mehr oder weniger Licht, und dementsprechend erscheint die durch ihn gebildete Attrappe auf dem grünen Grunde verschieden hell. Steht der Schirm so, dass er verhältnismässig wenig Licht von Z, in der Richtung nach (© zurückwirft,. so er- scheint dem Beobachter die Attrappe viel dunkler als der grüne Grund, in einem stark mit Schwarz verhüllten Rot; wirft der Schirm $ viel Lieht nach © zurück, so erscheint dem Beobachter die Attrappe in einem stark mit Weiss verhüllten Rot und viel heller als der grüne Grund. Bliekt der Beobachter mit dunkeladaptiertem Auge durch einen Episkotister nach der Fläche C, so erscheint die Exper. Untersuchungen zur vergl. Physiologie des Gesichtssinnes. 429 Attrappe auf dem (jetzt farblos gesehenen) Grunde im ersten Falle farblos dunkel, fast schwarz, im zweiten farblos hell, fast weiss. Zwischen diesen äussersten Stellungen des Schirmes lässt sich leicht eine mittlere finden, bei welcher dem durch den Episkotister blicken- den dunkeladaptierten Beobachter die Attrappe angenähert gleich- hell mit dem Grunde erscheint und daher bei sorgfältiger Anordnung !) ganz oder nahezu unsichtbar ist. Unserem hell adaptierten Auge erscheint jetzt bei voller Lichtstärke die Attrappe freirot auf grünem Grunde. Die Versuche an den Fischen begann ich in der Regel damit, dass ich zunächst an die Stelle von Ü eine gleichmässig weisse Fläche (ohne Ausschnitt) brachte und dicht vor dieser einige Chironomuslarven in das Bassin warf, die bald von einem Teile der Tiere gesehen und gefressen wurden. Hierauf wurde die Attrappe siehtbar gemacht und dabei die Schirmstellung in der angegebenen Weise variiert. In den beiden ersten eben erwähnten Fällen, also wenn die Attrappe für uns beträchtlich dunkler oder etwas?) heller als der grüne Grund. erscheint, schwimmt ein Teil der Fische auf sie los und fährt an der betreffenden Stelle gegen die Glaswand. Hat aber der Schirm ‚$ jene mittlere Stellung, bei der unserem dunkeladaptierten Auge Grund und Attrappe angenähert gleich hell erscheinen, so schwimmen die Tiere zumeist achtlos an der für unser helladaptiertes Auge sehr deutlich und in lebhaften Farben sichtbaren Attrappe vorbei, so, wie sie es sonst an gleichmässigen Flächen zu tun pflegen, auf welchen für sie nichts zu sehen ist. Sobald aber die Stellung des Schirmes 8 so geändert wird, dass der farblose Hellickeitswert der Attrappe wieder merklich geringer ist als der des Grundes, fahren meist bald wieder Fische auf sie los. Die Verschiedenheit ihres Verhaltens bei den verschiedenen Schirm- stellungen ist in der Regel eine sehr auffällige. | Entsprechende Versuche stellte ich an, nachdem ich vor die Lampe ZL, ein freiblaues Glas gebracht und den Schirm 5 durch das gelbliche Lieht einer Mattglasbirne bestrahlt hatte. Bei passender Stellung des Schirmes S erschien jetzt die Attrappe bei voller Licht- 1) Hierzu ist unter anderem erforderlich, dass der Ausschnitt aus dem Papier C sehr sorefältig und mit scharfen Rändern hergestellt sei, dass keinerlei Unregelmässigkeiten und Schattenbildungen an den Rändern auftreten usw. 2) Erscheint die Attrappe sehr hell, fast leuchtend, auf dunklerem Grunde, so schnappen die Fische nicht nach ihr. 430 C. Hess: stärke meinem helladaptierten Auge schön gelb auf freiblauem Grunde, und es liess sich wieder leicht eine solehe Schirmstellung finden, bei der die Fische sie wenig oder gar nicht beachteten, während viele von ihnen lebhaft darauf losfuhren, sobald durch ent- sprechende Drehung des Schirmes der farblose Helligkeitswert der Attrappe merklich geringer geworden war als der des Grundes. In anderen Versuchsreihen ersetzte ich den Schirm S durch eine Milch- glasplatte, die von rückwärts mittels eines in Mattglaszylinder eingeschlossenen, ca. 20 cm langen Glühfadens innerhalb des in Betracht kommenden Gebietes ge- nügend gleichmässig belichtet war; durch Vorsetzen freifarbiger Gläser konnte die Färbung auch dieser Lichtquelle nach Bedürfniss variiert werden. Bei der geschilderten Aufstellung der Bassins war es ferner leicht, in besonders eindringlicher Weise zu zeigen, wie ausser- ordentlich geringen Helligkeitswert rote Reizlichter auch für die neuerdings von mir untersuchten Fische haben. Vor die Nernstlampe ZL, brachte ich ein rubinrotes Glas, so dass eine bei (CU aufgestellte mattweisse Fläche dem durch das Aquarium blickenden Beobachter gieichmässig freirot und ziemlich hell erschien. Warf ich dicht vor € Chironomuslarven in das Bassin, so hoben sie sich für uns tief dunkel aufs deutlichste von dem hellroten Grunde ab; die Fische, die an dieses Futter gewöhnt waren und sonst gierig danach schwammen, liessen es jetzt achtlos zu Boden sinken. Wurde aber durch eine rasche Bewegung das rote Glas vor Z, durch ein für uns tief dunkel blaues ersetzt, während die eben in das Bassin geworfenen Larven zu sinken anfingen, so schossen augenblicklich viele von den Fischen auf das Futter los, obschon es für unser Auge sich von dem jetzt viel weniger hellen blauen Grunde wesentlich weniger deutlich abhob als vorher von dem hell roten. Liess ich das blaue Glas vor Z, stehen, so waren in wenigen Sekunden alle eingeworfenen Chironomuslarven gefressen ; ersetzte ich aber das blaue Glas rasch wieder durch ein rotes, so standen die Fische augenblicklich von der Verfolgung der noch übrigen, uns wieder deutlich sichtbaren Larven ab, als wenn diese plötzlich verschwunden wären. In anderen Versuchen der zuletzt geschilderten Art bot ich den Fischen statt der lebenden Larven wieder eine Attrappe in Form eines entsprechenden Ausschnittes aus der mattweissen Fläche bei 0. Derselbe wurde diesmal von rückwärts nicht beleuchtet, sodass er sich tiefschwarz von der gleichmässigen Fläche abhob. Bestrahlte ich diese von Z, her mit für uns dunkelblauem Lichte, Exper. Untersuchungen zur vergl. Physiologie des Gesichtssinnes. 43] so schossen sofort viele Fische auf die Attrappe los; sobald ich das blaue Glas durch ein hellrotes ersetzte, standen sie davon ab und schwammen achtlos vorbei, begannen aber augenblicklich wieder nach ihr zu schnappen, wenn sie wieder auf dunkelblauem Grunde sichtbar wurde, obschon sie für unser Auge sich von letzterem viel weniger deutlich abhob als von dem hellroten. Auch diese Beobachtungen konnte ich mit gleichem Erfolge wie bei Mugil oft bei Ellritzen wiederholen. Letztere waren anfangs so scheu, dass sich bei Tages- licht keine Versuche mit ihnen anstellen liessen. Auch hier erwies sich die ge- schilderte Anordnung besonders zweckmässig: Da der Behälter an drei Seiten bedeckt und nur von der vierten belichtet war, auch von oben kein Licht einfiel, so sahen die Fische nichts von uns und zeigten infolgedessen bei den Manipula- tionen keine Scheu mehr, sondern verhielten sich wie unbeobachtete Tiere und waren daher für meine Zwecke gut geeignet. Der für Laien eindringlichste unter den hierher gehörigen ist wohl der folgende, von mir mit Ellritzen und Mugil oft angestellte Versuch: Das Licht der mit passender Konvexlinse versehenen Nernst- lampe wird auf den mit weissem Sande bestreuten Aquariumboden seworfen und auf diesen ein ca. 1 em langer Wurm gelegt. Be- findet sich das rote Glas vor der Lampe, so ist das sich lebhaft krümmende Tier, von dem das schräg einfallende Licht auf dem Grunde dunkle Schlagschatten wirft, für uns aufs deutlichste sichtbar. Die Fische schwimmen, ohne etwas von ihm zu merken, an dem Wurme vorüber; selbst wenn sie mit der Schnauze einmal daran stossen, halten sie in der Regel nur einen Augenblick wie suchend inne, finden ihn aber nicht und schwimmen weiter !). Wird das rote Glas dureh ein dunkelblaues ersetzt, so ist jetzt für uns der Wurm viel weniger deutlich sichtbar als vorher; aber die Fische schiessen augenblicklich auf ihn los und suchen ihn sich gegenseitig zu ent- reissen; sobald wieder das rote Glas vorgesetzt wird, verlieren sie ihn, und er bleibt unberührt am Boden liegen ?). Dass hierbei nicht etwa eine „spezifische* Wirkung des roten Lichtes im Spiele ist, lässt sich leicht zeigen, indem man die Lichtstärke des Rot langsam erhöht; der Wurm wird dann bald von den Fischen gesehen und gefressen®). Ersetzt man die Würmer durch schwarze Fliegen, die 1) Durch solche Versuche wird auch in besonders schlagender Weise ge- zeigt, dass das Aufsuchen der Nahrung hier wesentlich oder ausschliesslich durch das Auge erfolgt und das Geruchsorgan dabei keine merkliche Rolle spielen kann. 2) Entsprechende Ergebnisse hatte ich früher bei Julis pavo mit spek- tralem Rot erhalten. 3) Auch diese Versuche sind natürlich im Dunkelzimmer vorzunehmen, und es ist für Fernhalten störender Nebenbelichtung Sorge zu tragen. 432 C. Hess: etwa an feinen Drähten im Bassin bewegt werden, so lassen die Fische auch sie im Rot unbeachtet, während sie im Blau sofort danach schnappen. Alle diese Befunde bleiben unverständlich, wenn manden untersuchten Fischen Farbensinn zuschreiben will; sie. sind ohne weiteres- verständlich, ja zuJen warten, wenn die Sehqualitäten der Fische ähnliche oder die gleichen sind wie die des total farben- blinden Menschen. Ich habe im Vorstehenden gerne vorwiegend solche Versuche geschildert, die sich mit den einfachsten Mitteln und ohne jede Kenntnis der Farbenlehre anstellen lassen; durch ihre Wiederholung kann auch der Laie sich leicht von der Unhaltbarkeit jener oben berührten Angaben über Farbensinn bei Fischen überzeugen. — Man hat wiederholt die Frage an mich gerichtet, ob die von mir erhobenen Befunde nicht vielleicht mit der Annahme eines etwa nur schwach entwickelten Farbensinnes bei den Fischen vereinbar sein könnten. Auch auf diese Frage ist die Antwort bereits in meiner ersten Abhandlung gegeben. Ich wies darauf hin, dass ein bei ihnen etwa vorhandener Farbensinn wesentlich anders geartet sein müsste als der menschliche. Hätten die Fische einen Farben- sinn, der mit dem unseren irgend verglichen werden könnte, so müsste er so schwach entwickelt sein, dass er auf den Helligkeits- wert, den die farbigen Lichter für ein Auge mit den Sehqualitäten eines total Farbenblinden haben, ohne nachweislichen Einfluss wäre. Der mit der Farbenlehre Vertraute weiss aber, von wie grossem Einflusse auf die wahrgenommenen Helliekeiten schon sehr „un- gesättigte“ Farben sind. B Auch der folgende Punkt verdient hier Beachtung. Es ist be- kannt, wie unsicher der normale Mensch bei Vergleichung der Helliekeiten verschiedenfarbiger Lichter ist: die Schwierigkeiten der heterochromen Photometrie beruhen ja wesentlich darauf, dass es dem Normalen innerhalb eines ziemlich breiten Gebietes von Lichtstärkenverschiedenheiten nicht möglich ist, mit Bestimmtheit anzugeben, welches von zwei verschiedenfarbigen Lichtern ihm deutlich heller erscheint, während solches für uns bei zwei gleich- farbigen oder farblosen, für den total farbenblinden Menschen also bei zwei beliebigen Lichtern mit verhältnismässig grosser Genauig- EEE EN BESSER U ET ANNE near 5 Tine na. INT Tas TERN Exper. Untersuchungen zur vergl. Physiologie des Gesichtssinnes. 433 keit möglich ist. Auch in dieser Hinsicht verhielten sich die unter- suchten Fische ganz anders als ein normaler und im wesentlichen so wie ein total farbenblinder Mensch. Alle meine messenden Ver- suche mit spektralen und mit farbigen Glaslichtern sind ja eben darauf gegründet und erst dadurch möglich, dass regelmässig. schon verhältnismässig sehr geringe Änderungen der Lichtstärke eines der beiden Vergleichslichter genügen, um eine bestimmte Schwimm- richtung und Ansammlung der Tiere in einem bestimmten Bassin- teile herbeizuführen, und zwar stets in dem, welcher unter den gegebenen Verhältnissen für den total farbenblinden Menschen der hellere ist (auch wenn er dem farbentüchtigen viel dunkler erscheint als der andere). Es ist bisher nicht eine Tatsache bekannt geworden, die zur Annahme eines wenn auch nur schwachen Farbensinnes bei Fischen berechtigte. Sachgemässe Untersuchung bei den verschiedensten Lichtstärken und entsprechend verschiedenen Adaptationszuständen hat bisher bei keiner Fischart auch nur eine Andeutung: von Purkinje’schem Phänomen erkennen lassen, während ich bei allen anderen Wirbeltierklassen die diesem entsprechenden Helligkeits- änderungen. bei Änderung von Lichtstärke und Adaptationszustand unschwer habe nachweisen können. 4. Zusammenfassung. Die wesentlichsten Ergebnisse der hier mitgeteilten neuen Be- obachtungen über den Lichtsinn bei Fischen sind kurz folgende: 1. Die Sehorgane der Fische zeigen die Fähigkeit der Anpassung an verschiedene Lichtstärken in beträchtliichem Umfange: Nach Dunkelaufenthalt von etwa Y/ı Stunde kann ihre Liehtempfindlichkeit um. mehr als das Tausendfache grösser gefunden werden als un- mittelbar nach Eintritt aus dem Hellen ins Dunkle. Diese adaptative Empfindlichkeitsänderung kommt zum kleineren Teile physikalisch, durch die phototrope Pigmentwanderung zustande, zum wesentlich grösseren aber ist sie von dieser unabhängig und rein physiologischer Natur, wie schon die von mir ermittelten zeitlichen Verhältnisse der Adaptation erkennen lassen. 2. Durch das unter dem Einflusse der Belichtung erfolgende Vorrücken des Pismentes im Fischauge wird die Zusammensetzung des terminalen Lichtes geändert, indem das innenständige Pigment von den kurzwelligen Strahlen verhältnismässig mehr absorbiert als 434 C. Hess: von den langwelligen. Zur Herstellung einer Gleichung zwischen einem bestimmten roten und blauen Lichte kann nach meinen bisherigen Messungen bei innenständigem Pigment für das Blau eine etwa 4—8 mal grössere Lichtstärke erforderlich sein als bei aussenständigem. 3. Vom spektralen Grün wird durch das vorgewanderte Pigment verhältnismässig wenig absorbiert, die an der hellsten Stelle ihres Behälters sich sammelnden Tiere gehen im Spektrum sowohl bei innenständigem wie bei aussenständigem Pigment nach der Gegend des Gelbgrün bis Grün. Die für das helladaptierte Menschenauge hellste, der Gegend des Gelb entsprechende Stelle im lichtstarken Spektrum ist auch für Fische, die sich lange Zeit im Hellen auf- gehalten haben, beträchtlich weniger hell als die Gegend des Gelb- grün bis Grün. 4. Bei keiner der bisher untersuchten Fischarten hat sich etwas dem Purkinje’schen Phänomen Ent- sprechendes nachweisen lassen. 5. Bei den Attrappenversuchen schwammen die Fische im all- gemeinen auf die Attrappe los, wenn diese sich in ihrem farblosen Helligkeitswerte wesentlich vom Grunde unterschied; dagegen liessen sie dieselbe unbeachtet, wenn sie ansenähert gleichen farblosen Helligkeitswert wie der Grund hatte, also dem unter entsprechenden Bedingungen sehenden total farbenblinden Menschenauge ähnlich oder gleich mit dem Grunde erschien und daher für ein solches kaum oder gar nicht sichtbar war. Die Farbe, in welcher die . Attrappe vom normalen helladaptierten Menschenauge gesehen wurde, war bei allen diesen Beobachtungen ohne nachweislichen Einfluss auf das Verhalten der Fische. Eine für dastotalfarbenblinde Menschenaugeher- gestellte Helligkeitsgleichung zwischen zwei ver- schiedenfarbigen Lichtern gilt also annähernd oder genau auch für die unter entsprechenden Bedingungen sehenden (bisher von mir untersuchten) Fische. Rote Lichter haben auch für sie, ebenso wie für den total farben- blinden Menschen, ausserordentlich geringen Hellig- keitswert. Somit führen auch meine neuen Methoden der Lichtsinnuuter- suchung bei Fischen übereinstimmend zu dem Ergebnisse, dem ich früher mit den Worten Ausdruck gegeben habe: „Alle bisher von mir ermittelten Tatsachen würden gut in Einklang stehen mit der Vase me al meet Te Exper. Untersuchungen zur vergl. Physiologie des Gesichtssinnes. 435 Annahme, dass die untersuchten Fische total farbenblind seien; ja nach einer solchen Annahme hätte man die von mir gefundenen Tatsachen in allen Einzelheiten voraussagen können.“ 5. Über einen angeblichen Nachweis von Sukzessiv- kontrast bei Fischen!). Nachdem ich meine Methoden zur Untersuchung des Lichtsinnes bei Jung- fischen den Herren der Neapeler Station 1909 im April vorgeführt hatte, stellte Bauer dort Untersuchungen über den Lichtsinn bei Jungfischen an, durch die er „den objektiven Nachweis des sukzessiven Helligkeitskontrastes bei Tieren“ erbracht zu haben meint. (Zentralbl. f. Physiol. 1909. Nr. 18.) Das Wesentliche seiner Versuche (auf Einzelheiten ist nicht einzugehen) besteht in Folgendem: Jungfische von Smaris alcedo zeigen (am deutlichsten bei seitlicher Beleuchtung) positive Phototaxis, d. b. sie schwimmen nach dem hellen Ende ihres Behälters; nach einiger Zeit beginnen sie sich im Trog zu verteilen; setzt man sie dann wieder hellerem Lichte, z. B. direktem Sonnenlicht, aus, so sammeln sie sich von neuem am hellen Ende. „Bringt man nun derartig hell- adaptierte Tiere in schwächeres Licht zurück, so dauert zunächst die positive Einstellung noch kürzere oder längere Zeit (je nach der Dauer der voraus- gegangenen Belichtung) nach, und alsdann wird eine plötzliche Umkehr der Re- aktion bemerkbar: Alle Tiere richten den Kopf gegen das dunkle Ende des Trogs und sammeln sich auf Erschütterung an diesem Ende an (negative Phototaxis). Dieses Verhalten dauert eine Zeitlang (verschieden je nach der Dauer und Inten- sität der vorausgegangenen Belichtung), und darauf kehrt wiederum die normale Reaktion (Einstellung gegen die Lichtquelle und positive Phototaxis) zurück.“ Bauer erklärt die „negative Phototaxis“ in diesen Versuchen folgender- maassen: Bei abnehmender Belichtung überwiege an den vorher stärker belichtet gewesenen Netzhautstellen die Assimilation im Sehorgan die Dissimilation und dadurch trete ein neuer Reizzustand ein. „In unserem Falle macht sich dieser Assimilationsreiz wiederum in einer Einstellung der Körperachse und ge- richteten Bewegung geltend. Der Reiz geht jedoch in diesem Falle scheinbar von derjenigen Stelle des Gefässes aus, welche am wenigsten Licht entsendet, also am wenigsten dissimila- torisch wirkt. D. h.: bei Fixierung dieser Stelle kommt die Reizwirkung des Assimilationsvorganges am stärksten zur Geltung, weil die Assimilation unter diesen Bedingungen am meisten die Dissimilation überwiegt. In ganz ähnlicher Weise erscheint uns das negative Nachbild weiss gereizter Netzhautstellen am schwärzesten beim Fixieren einer dunklen Wand; und wie 1) Mit den folgenden Darlegungen entspreche ich wiederholten Aufforde- rungen von zoologischer und physiologischer Seite; ich selbst hatte geglaubt, auf eine Besprechung dieser Arbeit Bauer’s verzichten zu können, in der Meinung, dass deren Fehler auch für den Fernerstehenden ohne weiteres ersichtlich seien; doch wurde mir versichert, dass letzteres nicht der Fall und eine Klarstellung im Interesse der Sache sej. 436 C. Hess: wir, um (bei offenen Augen) den Sukzessivkontrast am stärksten zu empfinden, die Augen auf die dunkelste Stelle im Zimmer richten müssen, ebenso wenden sich die Fische der für die Entwicklung des Kontrastreizes günstigsten, weil dunkelsten Stelle des Troges zu.“ | Auch hier begegnen wir dem Mangel an Vertrautheit mit. den Elementen der Physiologie, der schon in jenen anderen Arbeiten Bauer’s so störend hervor- trat. Bei Erörterung der in Rede stehenden Angaben kann ich mich auf folgende Punkte beschränken. ‚1. Das negative Nachbild weiss gereizter Netzhautstellen erscheint bekannt- lich am schwärzesten, nicht, wenn wir eine dunkle, sondern wenn wir eine helle Wand fixieren; auch der Laie überzeugt sich leicht, indem er nach der Sonne oder einem hellen Fenster blickt, dass er, „um den Sukzessivkontrast am stärksten zu empfinden“, das Auge auf eine helle Fläche richten muss; das Nachbild der Sonne usw. sehen wir oft leuchtend hell, wenn wir das Auge auf einen dunklen Grund richten, und nur auf hellem Grunde dunkel, im allgemeinen um so dunkler, je heller der Grund ist. Bauer’s Beweisführung .erledigt sich also schon durch die Feststellung, dass sie sich auf irrigen und leicht zu widerlegenden Behauptungen aufbaut. 2. Die fraglichen Fische sollen positiv phototaktisch sein, wenn die Dissimila- tion in ihrem Sehorgan die Assimilation überwiegt, dagegen negativ phototaktisch werden, sobald die Assimilation überwiegt. Schon. die geringen Änderungen der subjektiven Helligkeit, die den verschiedenen Phasen des Abklingens der Nach- bilder entsprechen, sollen genügen, um ihre positive in negative Phototaxis zu verwandeln. Jede Lichtstärkeverminderung, die zu einem Überwiegen der Assimi- lation über die Dissimilation im Auge führt, würde aus dem positiv einen negativ phototaktischen Fisch machen. Ein Fisch, der zunächst etwa gerade gegen eine helle Lichtquelle gerichtet ist und zufällig eine leichte Wendung mit dem Körper macht, so dass sein eines Auge dem Hellen, das andere dem Dunkeln zugekehrt ist, würde vermöge des ersten Auges positiv, vermöge des anderen aber gleich- zeitig negativ phototaktisch sein. Da jeder Lichtreiz, der ein Auge trifft, nicht nur dissimilatorische Vorgänge an der direkt gereizten Stelle, sondern gleich- zeitig assimilatorische in der umgebenden Netzhaut hervorruft, so würde ein und dasselbe Auge durch die direkt gereizten Netzhautstellen positive, durch die nicht direkt gereizten negative Phototaxis veranlassen. Bauer’s Anschauungen von der Bestimmung des Sinnes der Phototaxis durch die assimilatorischen und dissimilatorischen Vorgänge stehen also auch in schroffem Widerspruche zu seiner Angabe, die Fische seien unter ihren ge- wöhnlichen Lebensbedingungen positiv phototaktisch. 3. Für die positive Phototaxis, die die Tiere unter ihren gewöhnlichen Verhältnissen zeigen, nimmt Bauer an, sie könne als Fluchtreflex aufgefasst werden, indem die Fische bei drohender Gefahr aus den ihren gewöhnlichen Aufenthalt bildenden Algenbüscheln ins Freie zu kommen suchten. Der angeb- lichen negativen. Phototaxis bei Überwiegen der Assimilation schreibt Bauer keine biologische Bedeutung zu; er führt nur an, die Tiere wendeten sich der dunkelsten Stelle des Troges zu, ebenso „wie wir, ‚um (bei offenen Augen) den Sukzessivkontrast am stärksten zu empfinden, die Augen auf die dunkelste Stelle Exper. Untersuchungen zur vergl. Physiologie des Gesichtssinnes. 437 im Zimmer richten müssen.“ Abgesehen davon, dass letzteres falsch ist, bleibt unverständlich, wie der Vergleich mit dem seine Nachbilder beobachtenden Menschen die angebliche, plötzlich eintretende negative Phototaxis der Fische erklären soll: denn selbst wenn der Fisch so, wie ein physiologischer Beobachter, ein Interesse daran hätte, sein Nachbild möglichst dunkel zu sehen, wäre doch nicht verständlich, warum er ihm nachschwimmen solle Wären Bauer’s Vor- stellungen richtig, so müssten ja die Fische, von welchen er eben angab, sie strebten dem Lichte zu, nach dem Dunkeln streben, sobald das ihre Augen treffende Licht durch eine Wolke, durch den Schatten eines anderen Fisches usw. etwas verringert wird; sie müssten einem beständigen Wechsel von positiver und ' negativer Phototaxis unterliegen. | Es liesse sich noch vieles gegen die Bauer’schen Betrachtungen sagen ; | doch genüge der Nachweis, dass sie von unrichtigen physiologischen Angaben | ausgehen, und dass von ihren Ergebnissen der eine Teil den anderen vollständig | ausschliesst; zudem sind sie in sich unmöglich. { II. Beiträge zur Kenntnis des Lichtsinnes bei liehtscheuen Wirbellosen. Wirbellosen anstellte, seien hier kurz jene bei Artemia salina ' (Branchiopode) geschildert, auf deren Lichtempfindlichkeit Herr ' Kollege Cori in Triest so freundlich war, mich aufmerksam zu machen. Auch für reichliche Versorgung mit Material bin ich ihm) zu herzlichem Danke verpflichtet. ' Die in manchen Salinen häufigen, ea. 1 cm langen, lebhaft \ umherschwimmenden Krebse fliehen unter normalen Verhältnissen aus dem Hellen ins Dunkle; sie sind überraschend empfindlich gegen- "über sehr geringen absoluten Lichtstärken wie auch gegenüber | kleinen Lichtstärkeunterschieden und dadurch zu messenden Beob- ! achtungen besonders so ueu Zur Vornahme I arbeitete ich anderer , „negativ l | Von neuen Untersuchungen, die ich über den Liechtsinn bei N | | - 1 i i ‚unahme erfolgte wieder an dem oben beschriebenen Tunnel: i 'Artemien, die !/« Stunde am hellen Fenster (nicht in der Sonne) | sestanden hatten, zeigten, im Dunkelzimmer rasch vor den Apparat E ehracht, wenn die fünfkerzige Lampe 30 bis höchstens 40 cm von der weissen Fläche entfernt war, in den ersten Sekunden nur eben "merkliche Neigung, sich an der vom Lichte abgekehrten Seite ihres Behälters anzusammeln; bei grösserem Abstande der Lampe war | Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd. 142. 30 S 1% Die Messung en adaptativen Empfindlicehkeits- ) i 438 C. Hess: ein deutlicher Einfluss der Belichtung nicht mehr nachzuweisen.) Hatten die gleichen Tiere Y/s Stunde im Dunkeln gestanden, sou schwammen sie auch dann noch von der Lichtquelle weg, wenn dien fünfkerzige Lampe 3 m entfernt stand und ausserdem ein Episko- tister mit einem Ausschnitte von nur 2° vor der weissen Flächeı rotierte. Die Lichtempfindlichkeit war also bei den !/ Stunder dunkel gehaltenen Tieren um das Vieltausendfache grösser als bei den aus dem Hellen kommenden. Bestimmungen, die ich an rasch‘ aus dem Hellen ins Dunkle gebrachten Tieren nach verschieden‘ langem Dunkelaufenthalte anstellte, ergaben auch hier wieder, dassı unmittelbar nach Einbringen aus dem Hellen ins Dunkle die Licht- empfindlichkeit zunächst rasch beträchtlich, weiterhin langsamer wächst. Wie gross dieselbe bei gut dunkeladaptierten Artemien ist, zeigt z. B. die Tatsache, dass solche noch lebhaft von der Licht- Fig. 4. quelle wegschwammen, wenn ich sie in einem 10 m langen, sorg- fältig verfinsterten Dunkelzimmer mit mattschwarzen Wänden auf- stellte und in 7 m Entfernung von ihnen ein Zündholz entflammte. Zur messenden Untersuchung der Unterschieds- empfindlichkeit und des Verhaltens der Tiere gegen- über farbigen Glaslichtern bediente ich mich vielfach der folgenden Vorrichtung (Schema Fig. 4): In zwei innen mattschwarzen Tunnels 7, und 7, von quadratischem Querschnitte sind zwei Matt- glasbirnen Z, und Z, messbar verschieblich. In der Mitte zwischen drei gleich grosse Fächer von je 33 mm Breite geteilt ist. In alle drei Fächer brachte ich Artemien und berücksichtigte bei den folgen- ı den Versuchen in erster Linie das Verhalten der im mittleren Fache'' befindlichen, achtete aber auch auf die Schwimmrichtung der Tiere‘ in den seitlichen Abteilungen. \ Ich führe nur ein Beispiel an, um eine Vorstellung von der grossen Unterschiedsempfindliehkeit der Artemien zu geben. In den | tg EN a ee a 0 en La a en EEE Te Exper. Untersuchungen zur vergl. Physiologie des Gesichtssinnes. 439 Tunnels befanden sich zwei fünfkerzige Lampen, die linke blieb während des Versuches dauernd in einem Abstande von ungefähr 30 em stehen, die rechte wurde von einem Mitarbeiter verschoben, während ich, ohne ihren Abstand zu kennen, die Schwimmrichtung der Tiere verzeichnete. Es ergab sich Folgendes: Die Artemien zeigten keine ausgesprochene Neigung, nach der rechten oder linken Glaswand des mittieren Behälters zu schwimmen, wenn die rechte Lampe in 29, 30 oder 32 em Entfernung stand; wurde sie über 32 em hinausgeschoben, so schwammen die meisten Tiere nach rechts, bei Annäherung der Lampe auf weniger als 29 em eilten sie nach der linken Seite. Brachte ich an die Stelle des Behälters mit den Tieren zwei unter rechtem Winkel mit vertikaler Kante aneinander- stossende mattweisse Photometerflächen, so erschienen letztere meinem _ Auge nieht merklich verschieden hell, wenn die rechte Lampe in 30, 31 oder 32 em Entfernung stand. Entsprechende Versuche wiederholte ich an dem gleichen Appa- rate mit farbigen Glaslichtern: Wirkte von rechts her ein rotes, von links her ein blaues Licht auf die Tiere, und wurden die Lampen so lange verschoben, bis die Krebse keine merkliche Neigung er- kennen liessen, sich an einer Seite ihres Behälters zu sammeln, so zeigten jetzt die an Stelle des letzteren gebrachten Photometer- flächen einerseits ein für uns sehr helles Rot, andererseits ein sehr _ dunkles Blau; bei eleichmässiger Herabsetzung der Lichtstärken beider Photometerflächen mittels Episkotisters erschienen meinem dunkeladaptierten Auge die jetzt farblos gesehenen Flächen an- genähert gleich hell. Mit entsprechenden Ergebnissen stellte ich Gleichungen zwischen Rot und Grau und zwischen Blau und Grau her. Bei allen Versuchen schwammen die Artemien nach derjenigen Seite ihres Behälters, die für das Auge des total farbenblinden Menschen jeweils die weniger helle war. Im Spektrum hatten sich bald alle Artemien an der von der Lichtquelle abgekehrten Wand ihres Behälters gesammelt. Um über die relativen Helligkeitswerte der Strahlen verschiedener Wellen- längen für die Artemien Aufschluss zu bekommen, bediente ich mich der folgenden Methode der kompensatorischen Belichtung mit kontinuierlich variablen Lichtern: Der Behälter für die Tiere wurde durch Einsetzen von drei Glasstreifen in vier Fächer von je ea. 2,5 cm Breite geteilt, wie nachstehendes Schema (Fig. 5) zeigt, und dann so in ein Spektrum von passender Breite gebracht, dass 30 * 440 C. Hess: das erste Fach vorwiegend von roten, das zweite vorwiegend von rotgelben und gelben, das dritte von gelbgrünen und grünen, dası vierte von blauen und violetten Strahlen in der Pfeilrichtung ge- troffen wurde. Die Krebschen sammelten sich zunächst an der den! Buchstaben A, A, entsprechenden Wand ihres Behälters. In passender! Entfernung hinter dieser brachte ich eine Glühlampe F an, deren ca. 20 em langer, in einer zylindrischen Glasröhre eingeschlossener Faden horizontal und der Ebene A, A, parallel stand. Zwischen und A, A, war eine Milchelasplatte M so aufgestellt, dass das von dem Glühfaden ausgehende Licht den Behälter für meine Zwecke genügend gleichmässig bestrahlte, | Die Stärke der Bestrahlung konnte durch Variieren des Abstandes der ' Am ER Lampe F' oder aber mittels Rheo- staten innerhalb weiter Grenzen beliebig variiert werden. Besann die Lichtstärke der Lampe F' von Null an langsam zu- zunehmen, so fingen bei einem bestimmten Belichtungsgrade von M den durch das Licht des Spektrums nach A, A, zetriebenen Artemien 7 EEE regelmässig zuerst jene in dem Fig. 5. rot bestrahlten Fache nach der Wand AA zurückzuschwimmen. Ich konnte es leicht dahin bringen, dass die meisten von diesen sich bei r sammelten, während die Krebse in allen übrigen Fächern sich noch bei A,A, befanden. Nahm die Lichtstärke von Z' langsam weiter zu, so begannen nun die Tiere in dem rotgelb bis gelb, weiterhin auch die in dem blau bzw. violett bestrahlten Fache in der Richtung nach AA zurückzuschwimmen; sie sammelten sich alle oder zum grössten Teile hier, während die Tiere in dem von gelberünem und grünem Lichte bestrahlten Fache sich noch bei A, A, befanden; damit auch diese letzteren zurück- schwammen, war eine weitere beträchtliche Erhöhung der Licht-, stärke von F' erforderlich. Indem ich derartige Versuche bei ver- schiedenen Breiten des Spektrums und der einzelnen Fächer, ferner bei verschiedenen Lichtstärken und entsprechend verschiedenen Adaptationszuständen der Krebse vornahm, konnte ich mich auch | | | | | Exper. Untersuchungen zur vergl. Physiologie des &esichtssinnes. 44] ‘mit dieser Methode leicht überzeugen, dass die Artemien sich wie alle übrigen bisher von mir untersuchten Krebse verhalten, und so, wie es der Fall sein muss, wenn ihre Seh- qualitäten ähnliche oder die gleichen sind wie die eines total farbenblinden Menschen. | Steuer erwähnt (Leitfaden der Planktonkunde 1911) kurz einen Versuch, wonach Artemien durch Säuren, namentlich CO,, positiv phototaktisch gemacht ‚werden können, NaOH mache sie, jedoch nur weniger ausgesprochen, negativ phototaktisch. Die Angaben über die Wirkung der CO, konnte ich bestätigen: Goss ich in einen Behälter, in welchem die Tiere in ihrem gewohnten Wasser vom Lichte geflohen waren, etwas kohlensäurehaltiges Wasser, so sammelten sich bald die meisten Artemien auf der Lichtseite; in den ursprünglichen Behälter mit ihrem gewöhnlichen Wasser zurückgebracht waren sie nach wenigen Minuten wieder so lichtscheu wie zuvor. — In aller Kürze sei noch über Untersuchungen an einer grösseren Zahl verschiedener Arten von Wassermilben (Arrhenurus, Atax 'ypsilophorus u. a.) berichte. Alle hatten stets ausgesprochene Neisung zum Hellen zu schwimmen, sammelten sich im Spektrum rasch in der Gegend des Gelbgrün bis Grün und gingen an der photometrischen Vorriehtung mit roten und blauen Gläsern (siehe S. 412) in die blau bestrahlte Hälfte, solange diese meinem dunkel- adaptierten Auge bei entsprechend herabgesetzter Lichtstärke deut- lich heller erschien als die rote, kurz, auch diese Tiere verhielten sich in allen Beziehungen so, wie es der Fall sein muss, wenn ihre Sehqualitäten jenen des total farbenblinden Menschen ähnlich oder eleich sind. Bei Milben, die ich '/« Stunde dunkel gehalten hatte, war die Lichtempfindlichkeit um mehr als das 600 Fache grösser als bei solchen, die ich rasch aus dem Hellen vor den Apparat im Dunkelzimmer brachte. In einem Aufsatze „über Ähnlichkeit der Wirkungen verschiedener Licht- wellen auf Tiere und Pflanzen“ (Umschau 1911) schreibt J. Loeb, P. Bert (1869) habe gefunden, dass Daphnien sich in grösster Dichtigkeit im gelben und grünen Teile des Spektrums sammelten; ich hätte denselben Versuch mit ähnlichen Resultaten wiederholt; ich ‚hätte nicht berücksichtigt, dass Loeb und Sachs ihre Versuche mit farbigen Schirmen angestellt hätten, und dass für solche die von ihm früher behauptete Identität des tierischen und pflanzlichen Heliotropismus bestehe. Ich kann mir alle diese unrichtigen Augaben Loeb’s nur durch die An- nahme erklären, dass ihm die Arbeiten von Bert und von mir nicht bekannt sind. Das von mir bei meinen Spektrumversuchen an Daphnien erhaltene Ergeb- nis war jenem von Bert nicht ähnlich, sondern von demselben grund- 442 ©. Hess: verschieden. Nach Bert sollten die Strahlen, die für die Daphnien die grösste Helligkeit (intensite lumineuse) haben, die sein, die auch für uns die -hellsten sind: „die gelben Strahlen stehen an der Spitze. Daher ist die relative Energie der optischen Wahrnehmungen (sensations visuelles) in den verschiedenen Partien des Spektrums bei diesen Tieren und bei uns die gleiche“). Es war eine meiner Hauptaufgaben, die Fehler der Bert’schen Untersuchungen nach- zuweisen und die tiefgreifenden Unterschiede zwischen den Helligkeits- wahrnehmungen der Daphnien und jenen des normalen helladaptierten Menschen darzutun. Vor allem ist Bert’s Angabe unrichtig, dass das Gelb des Spektrums für die Daphnien am hellsten sei, und dass das Rot sie viel rascher anziehe als das Blau: Tatsächlich ist das Gelb für sie viel weniger hell als das Gelbgrün bis Grün, und gegenüber dem Rot und Blau verhalten die Tiere sich Bert’s Angaben entgegengesetzt. Die Helligkeitsverteilung im Spektrum ist für die Daphnien von jener für unser helladaptiertes Auge fundamental verschieden, und zwar ebenso, ‚wie jene für den total farbenblinden von der für den normalen Menschen verschieden ist. Bert zog aus seinen auf Daphnien allein beschränkten Versuchen den Schluss, dass „überhaupt alle Tiere in der gesamten Reihe dieselben Strahlen und zwar mit der gleichen relativen Intensität sehen.“ Ich habe durch syste- matische Versuche an einer grossen Zahl von Wirbellosen und Wirbeltieren den Nachweis erbracht, dass unter letzteren die bisher untersuchten Amphibien, Reptilien, Vögel und Säuger sich so verhalten, wie es der Fall sein muss, wenn ihre Sehqualitäten ähnliche oder die gleichen sind wie die des normalen Menschen, während sämtliche bisher untersuchten Fische und Wirbellose ein von jenem grundverschiedenes, und zwar solches Verhalten zeigen, wie es der Fall sein ' muss, wenn ihre Sehqualitäten jenen des total farbenblinden Menschen ähnlich oder gleich sind. Für die Richtigkeit meiner Auffassung bringen auch die vor- liegenden Untersuchungen neue Stützen. Nicht minder befremdlich ist die unrichtige Angabe Loeb’s, ich hätte nicht berücksichtigt, dass die Sachs’schen Versuche ebenso wie seine mit farbigen Schirmen angestellt waren, und dass für solche Versuche die früher von ihm behauptete Identität des tierischen und pflanzlichen Heliotropismus bestehe, Dieser Vorwurf Loeb’s ist um so auffälliger, als ein grosser Teil meiner Ab- handlung gerade der Besprechung der Fehlerquellen seiner mit farbigen Schirmen angestellten Untersuchungen gewidmet ist; so schrieb ich u. a.: „Das Beispiel der Untersuchung mit roten und blauen Glaslichtern habe ich eingehender be- sprochen, weil eben diese Methode bei den bisher üblichen Untersuchungen über den Farbensinn der Tiere eine grosse Rolle gespielt hat, und weil wesentlich auf | sie die irrigen Ansichten zurückzuführen sind, die, soweit ich sehe, heute all- gemeine Geltung haben.“ Ich brauche hier nicht alle die Gründe zu wiederholen, | um derentwillen es unzulässig ist, aus ähnlichem Verhalten von Pflanzen und | 1) Auch Bert’s Angaben werden von Loeb gerade im wichtigsten Punkte unrichtig zitiert: Bert gibt an, dass „das Gelb, das Rot, das Grün die Daphnien viel rascher anzieht als das Blau und insbesondere als das Violett“, die grosse Mehrzahl der Tiere sammle sich vom Orange bis zum Grün. Exper. Untersuchungen zur vergl. Physiologie des Gesichtssinnes. 443 Tieren gegenüber roten und blauen Glaslichtern auf Identität von tierischem und pflanzlichem Heliotropismus zu schliessen, wie dies Loeb getan hatte. Von den Schiüssen, die Loeb neuerdings 'aus seinen Versuchen zieht, lautet der erste: „Tiere wie Pflanzen zeigen deutlich heliotropische Reaktionen hinter Schirmen von blauem, aber nicht von rotem Glas.“ Dieser Schluss ist für die Tiere schon durch meine ersten Untersuchungen (1909) als unzulänglich erwiesen; zeigte ich doch, wie leicht es ist, durch passende Abstufung der Licht- stärken auch mit rotem Glase „heliotropische“ Reaktionen bei Tieren hervor- zurufen, ja, die Wirkung des Rot auf die Tiere jener des Blau gleich oder noch grösser als diese zu machen, Der Schluss des Loeb’schen Aufsatzes lautet: „Soweit das bis jetzt vor- liegende Tatsachenmaterial reicht, ist die heliotropische Wirkung des Lichtes für Tiere und Pflanzen prinzipiell die gleiche.“ Es ist nicht recht ersichtlich, was Loeb hier mit dem Worte „prinzipiell“ sagen will. Dass es sich hier wie dort im Prinzip um die Wirkung von Licht auf lebende Substanz handelt, war ja wohl lange bekannt. An seiner früheren Angabe, dass die Abhängigkeit der tierischen und der pflanzlichen Bewegungen vom Lichte Punkt für Punkt die gleiche sei, scheint Loeb selbst, nachdem ihm meine Untersuchungen be- kannt geworden sind, nicht mehr festzuhalten, spricht er doch auch im Titel seines Aufsatzes nur noch von „Ähnlichkeit“ der Wirkungen verschiedener Licht- wellen auf Tiere und Pflanzen. Insofern er also auch seine Meinung von der „Identität“ der Wirkung des Lichtes auf Tiere und Pflanzen aufgibt, schliesst er sich jetzt auch hier meinen Anschauungen an. II. Untersuchung des Farbensinnes der Vögel nach dem Prinzip der Seebeck-Holmgren’schen Probe. In früheren Untersuchungen!) erbrachte ich den Nachweis, dass helladaptierte Tagvögel das lichtstarke Spektrum am langwelligen Ende merklich genau so weit sehen wie der normale helladaptierte Mensch; dagegen ist es am kurzwelligen Ende für die untersuchten Vögel so hochgradig verkürzt, dass grünblaue, blaue und violette Strahien von ihnen kaum oder gar nicht wahrgenommen werden, wofür der Grund in den farbigen (vorwiegend roten und gelben) Ölkugeln jener Vogelnetzhäute zu sehen ist. Ich wies darauf hin, dass die von mir gefundenen Tatsachen am einfachsten verständlich werden, wenn wir annehmen, dass der durch die farbigen Strahlungen im perzipierenden Apparate des: Huhnauges ausgelöste Prozess jenem im normalen Menschenauge ähnlich oder gleich ist. Die Unterschiede, die wir in den hier in Betracht kommenden Punkten zwischen dem Verhalten des Huhnauges und dem des normalen 1) Über en und Farbensinn der Tagvögel. Arch. f. Augenheilk. Bd. 57 S.4. 1907, A4A C. Hess: menschlichen finden, sind kleiner, als z. B. der Unterschied zwischen | einem normalen und einem total farbenblinden oder einem rotgrün- blinden Menschenauge mit Verkürzung des Spektrums am langwelligen ! Ende (= relativ blausichtigen Rotgrünblinden): Untersuchte ich einen solchen und ein Huhn am Spektrum, so piekte das Huhn in der ı Nähe des langwelligen Spektrumendes noch Körner, die für jenen ı Rotgrünblinden nicht sichtbar waren. | Ich hob aber schon in meiner ersten Mitteilung hervor, dass ein relativ gelbsichtiges roterünblindes Huhn bei solchen Pick- versuchen (wie auch hinsichtlich seiner Pupillenreaktion) sich ähnlich verhalten würde, wie es in meinen Versuchen der Fall war. Wenn es nun auch wenig wahrscheinlich war, dass die Hühner rotgrünblind sind, schien es doch wünschenswert, weitere Untersuchungen im Hinblicke auf die angedeutete Möglichkeit vorzunehmen; ieh wählte dazu ein Verfahren, das im Prinzip der Seebeck-Holmgren’schen Methode der Farbensinnprüfung beim Menschen entspricht. Diese besteht bekanntlich darin, dass man dem zu Untersuchenden aus einer grösseren Menge verschiedenfarbiger Wollbündel z. B. ein für uns leicht gelblich rotes vorlegt und ihn auffordert, von den anderen Bündeln die ihm ähnlich erscheinenden herauszusuchen. Der Normale wird nur vorwiegend rote auswählen, der Rotgrün- blinde dagegen auch für uns braune und gelblichgrüne Bündel zu jenen gelblich roten legen. Die Versuchsperson braucht bei diesem Verfahren keine Auskunft darüber zu geben, wie ihr die vorgelegten Farben erscheinen: wir erfahren, ohne dass sie ein Wort spricht, ob sie farbentüchtig oder rotgrünblind ist. Katz und R&vesz fanden (1908), dass Hühner, vor eine schwarze Fläche gebracht, auf der etwa Reiskörner aufgeklebt und Weizenkörner lose aufgestreut sind, rasch lernen, dass nur das Picken der letzteren für sie von Erfolg ist und deshalb das Picken nach den Reiskörnern bald ganz einstellen; auch wenn diese jetzt nur lose aufgestreut werden, lassen sie sie unberührt. Die Autoren machten mit Hilfe dieser „Klebemethode“ verschiedene psychologische Beobachtungen und gaben auch an, das Verfahren könne, bei Be- nützung gefärbter Futterkörner, auch zur Untersuchung des Farben- sinnes der Hühner dienen. Aber gerade die von ihnen nach dieser Richtung angestellten Versuche können, wie das Folgende zeigt, über den Farbensinn der Hühner keinerlei Aufschluss geben. Sie schreiben bei Schilderung ihrer Versuche mit gefärbtem Reis: „Wir stellten mit jeder Farbe (Rot, Blau, Grün) farbige Reiskörner in verschiedenen Exper. Untersuchungen zur vergl. Physiologie des Gesichtssinnes. 445 ‚Sättigungsstufen her (1, 2, 3,...). Nach den angestellten Versuchen unterschied ‚ein Huhn beispielsweise Rot; von Rots, Blau; von Blau;, Grün, von Grün;, sowie ‚Rot,, Blaus, und Grün, von Weiss. Von Graunuancen, die wir uns durch Färben der Reiskörner mit Tusche hergestellt hatten, wurden unterschieden Grau, von Graus, Grau; von Graus, Grau; von Weiss. Zum Vergleich mit der Unterschiedsempfindlichkeit des menschlichen Auges sei gesagt, dass wir beispielsweise einzelne Körner von den Nuancen Rot,, Grüns, Blau, und Grau; eben noch von weissen Reiskörnern unterscheiden konnten, mit denen sie vermischt waren.“ Der Umstand, dass das Huhn bei den hier geschilderten Ver- suchen die verschieden gefärbten Körner unterscheidet, beweist ‚aber keineswegs, dass es Farben wahrnimmt, worauf es uns hier allein ankommt; denn auch ein Huhn, dessen Sehqualitäten ähnliche oder die gleichen sind wie die eines total farbenblinden Menschen, wird bei den angeführten Versuchen die Körner nach ihrer ver- schiedenen Helligkeit unterscheiden können und, wenn es gewöhnt ‚worden war, die weissen Körner liegen zu lassen, die für uns blauen, grünen und roten picken, weil sie ihm (mehr oder weniger dunkel) 'srau erscheinen. — Um Hühner nach dem Prinzip der Seebeck-Holmgren’schen ‚Wollprobe mit farbigem Futter zu untersuchen, färbte ich grössere Mengen von Reiskörnern mit verschiedenen Pigmenten so, dass mir insbesondere gelblichrote, angenähert rein rote und bläulichrote, so- ‚wie gelblichgrüne, angenähert rein grüne und bläulichgrüne Körner teils in schön freien, teils in mehr oder weniger stark mit Weiss, Grau oder Schwarz verhüllten Farben, ferner gelblichgraue, rein graue und bläulichsraue Körner reichlich zur Verfügung standen. Auf eine mattschwarze, etwa 15 x<30 em grosse Tuchfläche klebte ich leicht gelblich rote Körner fest und streute zwischen diesen die verschiedenen grünen und grauen aus. Das Huhn, das an den gelb- Jiehroten Körnern vergeblich pickte, liess schon am zweiten Tage sämtliche vorwiegend roten (also auch die rein roten und leicht bläulich roten) !) unberührt und pickte nur noch nach den grauen und grünen. Dies war weiterhin auch dann der F all, wenn ich zum Füttern zwischen den erünen und grauen rote Körner lose ausstreute (also nun nicht 1) Die Hühner scheinen sich in dieser Hinsicht nich alle gleich zu ver- halten, wenigstens pickte eines der Tiere, für die ich gelbrote Körner aufgeklebt hatte, nicht mehr nach diesen, wohl aber noch nach den bläulichroten; nach- dem ich auch solche aufgeklebt hatte, liess es bei den späteren Versuchen alle für mich vorwiegend roten Körner unberührt. 446 C. Hess: Exper. Untersuchungen zur vergl. Physiologie etc. mehr festklebte). Mit erstaunlicher Schnelligkeit und Sicherheit pickt das Tier alle zwischen den roten Körnern liegenden grauen und grünen Körner; wenn von diesen nur noch wenige vorhanden sind, sucht es sie auf der ganzen Fläche zwischen den roten auf, so dass meist nach wenigen Sekunden nur noch die vorwiegend roten übrigbleiben. Brachte ich ein solches Huhn im Dunkelzimmer vor eine Reihe nicht aufgeklebter, auf mattschwarzer Unterlage ausgestreuter weisser Reis- körner, die durch die Strahlen des Spektrums gefärbt wurden, so liess es auch hier die gelbroten und roten Körner unberührt. | Ich legte nun einem sogenannten Grünblinden (= relativ gelb- sichtigen Rotgrünblinden) von den verschieden gefärbten Reiskörnern gelblich- und bläulichrote vor und liess ihn aus der bunten Menge der übrigen Körner die ihm ähnlich erscheinenden aussuchen: Er legte gelblichgrüne mit den gelblichroten, blassblaue mit den bläulich- roten zusammen usw. Für diesen rotgrünblinden Menschen waren also verschieden gefärbte Körner ähnlich oder gleich, die das Huhn mit voller Sicherheit unter- schied!). Ein Huhn, das ich daran gewöhnt hatte, die roten Körner liegen zu lassen, wurde von einer schwarzen Fläche gefüttert, auf der jetzt die vorwiegend grünen Körner festgeklebt, dagegen die roten, grauen usw. lose aufgelegt waren; schon nach kurzer Zeit nahm es keine grünen Körner mehr, auch wenn diese zwischen den andersfarbigen lose ausgestreut wurden, wohl aber die roten. Im Spektrum pickte es jetzt sofort die roten Körner am langwelligen Ende eben so weit, als diese für unser normales Auge sichtbar waren. Nur für ein Auge mit den Sehqualitäten eines normalen Menschenauges haben die versehieden roten Körner das gemeinsame Merkmal der vorwiegenden Rötlichkeit. Meine Versuche schliessen die Möglichkeit einer Rotgrünblindheit bei den untersuchten Hühnern aus und bilden eine neue Stütze für meine Vermutung, dass ihre Sebqualitäten jenen des normalen Menschen ähnlich oder gleich sind. 1) Es ist bekannt, dass 3—4 °/o aller Männer rotgrünblind sind. Es würde auf dem bier eingeschlagenen Wege nicht eben schwer sein, durch Untersuchung einer grösseren Zahl von Hühnern (bzw. Hähnen) mit Sicherheit festzustellen, ob auch bei diesen Tieren partielle Farbenblindheit vorkommt. Sollte dies der Fall sein, so wäre damit auch ein einfacher Weg gegeben, der Frage nach etwaigen anatomischen Eigentümlichkeiten solcher farbenblinder Sehorgane näher zu treten. 447 (Aus dem physiologischen Institut der westfälischen Wilhalms-Universität Münster.) Beiträge zur Physiologie der Verdauung. IV. Mitteilung. Über den Gesamtchlorgehalt des tierischen Körpers bei chlorreicher Ernährung. Von R. Rosemann. In meiner zweiten Mitteilung !) habe ich den Gesamtchlorgehalt des Hundekörpers zu 0,1120 gefunden. Die damals von mir unter- suchten Hunde waren mit einer mittleren Kost ernährt worden, die weder übermässig chlorreich noch chlorarm war. Selbstverständlich wird der Chlorgehalt der Nahrung einen gewissen Finfluss auf den Chlorgehalt des Körpers ausüben, wenn ich auch glaube, dass man diesen Einfluss im allgemeinen überschätzt. Dass eine chlorarme Ernährung, ja sogar der Hunger, den Chlorvorrat des Körpers nur sehr unbeträchtlich herabsetzt, geht aus meiner dritten Mitteilung ?) hervor; der prozentische Chlorgehalt des Körpers kann dabei sogar steigen, da das Körpergewicht infolge der Einschmelzung von chlor- armem Gewebe stärker sinkt als der Chlorvorrat, der nur durch die geringe Chlorausscheidung im Harn vermindert wird. Eine er- hebliche Herabsetzung des Chlorvorrates konnte ich nur dadurch erreichen, dass ich den Hunden durch Scheinfütterung mit dem Magensafte Chlor entzog. Wird solchen Tieren dann wieder reich- lieh Chlor zugeführt, so steigt der Chlorgehalt des Körpers stark an, in meinen Versuchen bis auf 0,141 und sogar 0,171°/o, ohne 1) R. Rosemann, Beiträge zur Physiologie der Verdauung. II. Mitt.: Über den Gesamtchlorgehalt des tierischen Körpers. Pflüger’s Arch. Bd. 135 S. 177. 1910. 2) R. Rosemann, Beiträge zur Physiologie der Verdauung. III. Mitt.: Die Magensaftsekretion bei Verminderung des Chlorvorrates des Körpers. Pflüger’s Arch. Bd. 143 S. 208. 448 R. Rosemann: dass etwa die Chlorausscheidung im Harn sogleich entsprechend stiege; aber diese Chloranreicherung hat doch nur einen sehr kurzen Bestand; denn bei der Rückkehr zur gewöhnlichen Ernährung er- folgt sogleich eine sehr starke Chlorabgabe im Harn: ich beobachtete einmal ein Ansteigen des mit dem Harn pro Tag ausgeschiedenen Chlors von 0,27 auf 5,17 g von einem Tag zum andern !). Es erschien mir interessant, den Gesamtchlorgehalt des tierischen Körpers nach längerer chlorreicher Ernährung direkt festzustellen. Ich habe zwei Versuche an Hunden ausgeführt, die eine Zeitlang mit sehr chlorreieher Kost ernährt wurden. Für die Untersuchung wurden die Tiere in derselben Weise, wie ich es in meiner zweiten Mitteilung) beschrieben habe, durch Kochen mit Kalilauge voll- ständig aufgelöst und in einem aliquoten Teil der Lösung der Chlor- gehalt genau bestimmt. Nur auf diese Weise kann man den Chlor- gehalt des ganzen Körpers in zuverlässiger Weise erhalten. Mit Rücksicht auf die Angaben Padtberg’s?) habe ich dabei die Haut und den übrigen Körper getrennt behandelt; in dem zweiten Ver- suche ist auch der Chlorgehalt des Blutes bestimmt worden. Ich glaubte zunächst, dass es nicht möglich sein würde, einem Hunde längere Zeit eine sehr chlorreiche Nahrung beizubringen; ich fürchtete, dass das Tier bald die Aufnahme der Nahrung ver- weigern würde. Zu dem ersten Versuche diente daher ein Hund mit Magenfistel (in Fortsetzung der in meiner zweiten Mitteilung enthaltenen drei Analysen von Hunden wird dieser Hund weiterhin als Hund 4 bezeichnet); er hatte sich von der Operation vollständig erholt und befand sich durchaus wobl. Er wurde mit Hundekuchen, von Zeit zu Zeit mit Fleisch ernährt; er nahm das Futter stets sehr gern. Vom 2. bis zum 10. August einschliesslich erhielt das Tier ausserdem täglich 10 & NaCl in 200 cem Wasser gelöst durch die Magenfi:tel in den Magen, zusammen 90 g NaCl. Vom 11. bis zum 17. August wurde die tägliche Menge auf 20 g NaCl in 200 cem Wasser gesteigert. Diese starke Chlorzufuhr wurde ohne Störung vertragen; nur an einem Tage zwischen dem 11. und 17. August trat Erbrechen ein, die Salzzufuhr wurde infolgedessen für einen 1) Vgl. III. Mitteilung S. 224. 2) Vgl. II. Mitteilung S. 180. 3) J. H. Padtberg, Über die Bedeutung der Haut als Chlordepot. Arch. f. exper. Path. u. Pharm. Bd. 63 S. 60. 1910. Beiträge zur Physiologie der Verdauung, IV. 449 Tas ausgesetzt. In der Zeit vom 11. bis 17. August wurden so 120 & NaCl eingeführt, im ganzen also 210 g NaCl = 127 < Cl. Am 18. August trat wieder Erbrechen ein, der Harn war intensiv blutigrot gefärbt. Mit der Salzzufuhr wurde jetzt aufgehört. Am 19. August frass der Hund noch 1 Pfund Fleisch, am 20. August verweigerte er die Nahrungsaufnahme, am 21. August trat der Exitus ein. Das Körpergewicht des Tieres betrug am 3. August 8700 g, am Schluss 8200 g, war also nur unbedeutend gesunken. Für den Tod des Tieres war keine andere Ursache wie die überreichliche Salzzufuhr aufzufinden. Für die Untersuchung wurde die Haut 2b- oezogen und Haut und übriger Körper getrennt aufgelöst und analysiert. Hund 4. Gewicht des Hundes . . . 8198 g, Gewiehtder Haut =... .2 1260) 2:— 15.4%o, Gewicht des übrigen Körpers 6958 g — 84,6 /o. Haut, 1260 g. Aufgelöst unter Zusatz von 300 cem Kali- lauge III (enthaltend 0,0182% CI — 0,0546 Cl). Gesamtlösung 4 Liter. In 100 eem der Lösung — !ıo Haut = 31,5 g Haut eeiunden » ..... . 10,043026] 0,0436 „ Mittel 0,0433 Cl. In der Gesamtlösung also . 1,732 Cl. In der zugesetzten Kalilauge 0,055 Cl. In 1260 g Haut 1,677 Cl — 0,135 %o Cl. Übriger Körper, 6938 g. Aufgelöst unter Zusatz von 850 ccm Kalilauge III (enthaltend 0,0182°/0 Cl — 0,1547 Cl). Ge- samtlösung 10 Liter. ” Knochen 373 g, chlorfrei, eiteanen. 2. .2..29008, h In 100 eem der Lösung — !/ıoo Hund — 69,38 g Hund seimden 2... 00957 Cl. 3 0,0964 „ Mittel 0,0961 Cl. In der Gesamtlösung also . 9,61 Cl. In der zugesetzten Kalilauge 0,15 „ In 6938 2 Hund (ohne Haut) 9,46 Cl = 0,1360 cl. ” 450 | R. Rosemann: 1n=126020 Haut „0.2 32,.9068%@1: In 6938 g übriger Körper 9,46 Cl. In 8198 g Hund 11,14 Cl = 0,186 '/o Cl. Den zweiten Hund (Hund 5) habe ich ungefähr 2 Monate lang mit einer chlorreichen Kost ernährt.- Das Tier erhielt für gewöhn- lich Hundekuchen, von Zeit zu Zeit aber frisches Pferdefleisch, dem Kochsalz zugesetzt war. Anfänelich wurde das Kochsalz einfach auf das Pferdefleisch aufgestreut; später, als der Hund diese Nahrung offenbar nur widerwillie nahm, wurde das Salz im Innern grösserer Würfel von Pferdefleisch verborgen; der Hund schlang dann meist die Stücke hinunter, ohne das Kochsalz zu bemerken. Schliesslich lernte ich durch Zufall ein für meine Zwecke besonders geeignetes Nahrungsmittel kennen, nämlich gesalzenes, geräuchertes Pferdefleisch. Dieses Fleisch hatte einen sehr kräftigen, an Schinken erinnernden Geruch und wurde von dem Hunde mit grosser Gier gefressen, ob- wohl es ausserordentlich viel Kochsalz enthielt. Um eine Vorstellung von dem Kochsalzgehalt dieses Fleisches zu gewinnen, habe ich 200 g davon unter Zusatz von Kalilauge aufgelöst und in einem Teil der Lösung das Chlor bestimmt; ich erhielt so für das Fleisch einen Chlorgehalt von 7,8992 %0. Diesen Wert habe ich im folgenden den Berechnungen zugrunde gelegt; es ist aber ganz selbstverständ- lich, dass er nur eine sehr annähernde Geltung haben kann; bei dem Einsalzen des Fleisches wird es natürlich durchaus von Zu- fälligkeiten abhängen, wie gross der Chlorgehalt des einzelnen Stückes wird, so dass starke Differenzen des Chlorgehaltes vorhanden sein müssen. So viel sieht man aber jedenfalls, dass bei dieser Nahrung erhebliche Mengen Chlor in den Körper gelangen müssen. Das Tier befand sich in einem Käfig mit geneigtem Boden; der abfliessende Harn wurde täglich gesammelt und die Menge des aus- gesckiedenen Chlors bestimmt. Natürlich ist diese Methode, den Harn zu sammeln, für eine genaue Bestimmung unzureichend; es kam hier aber nur darauf an, ein ungefähres Bild von der Chlor- ausscheidung zu gewinnen. Die folgende Tabelle gibt eine Über- sieht über die Chloreinfuhr und -ausscheidung; dabei ist der Chlor- gehalt des Hundekuchens und des gewöhnlichen Pferdefleisches nicht berücksichtigt worden. Beiträge zur Physiologie der Verdauung, IV. 451 m NaCl-Zu- | © in NaCl Datum Nahrüng satz zur a he 8€- | Cl im Harn r zenem er Diehrane Pferdefleisch 9. Jan. Hundekuchen — == 0,2121 10. ” ” Au = 0,5151 11, ” so "3 er: 0, 363 12. ” ” IE FE 0,5757 13. ” b) Br Tu 0,5757 14. 7 Seen) Te FE 0,4848 15. , » == — 0,4848 16, „ j = — 0,5151 17. b2) ” 2. EX 0,5151 ie. , - 500 g Pferdefleisch 10,0 6,07 2,1513 19; Hundekuchen — = 1,6968 20, , 5 — — 0,7575 2l. „ » == — 0,4394 Ba, R, — — 0,4394 23. "” „ Fr Nr 0,5000 DA. — — 0,5000 2. ; 500 g ; Pferdefleisch 10,0 6,07 3,1512 202, Hundekuchen E= — 2,5452 ZI " — == 0,3636 ‘28. „ „ rs, Era 0,7070 Zub Ir 5 _ — 0,7070 0.7, = — — 0,7070 31. 0) ) es ET 0,3050 1. Febr. 500 g Pferdefieisch 10,0 6,07 3,6966 DU Hundekuchen. — — 2,1513 I — _ 0,6363 u, 300 g Pferdefleisch (Knochen) 5,0 3,04 6,7266 Sa Hundekuchen E= — 7,0296 Be 2 = 0,4545 TR 500 8 Pferdefleisch 10,0 6,07 5,5146 DEN, Hundekuchen — — 3,2118 UL, 500 g Pferdefleisch 10,0 6,07 | 4,3026 108, Hundekuchen _ — 3,3936 lege 500 g Pferdefleisch 10,0 6,07 5,0904 N, Hundekuchen — — 1,4241 ayıar — _ 0,9696 14. „ 500 8 Pierdefleisch 10,0 6,07 4,2420 19.0, 500 Ri Pferdefleisch 10,0 6,07 3,8754 ib. ;, Hundekuchen _— —_ 2,3028 IT. % —_ = 0,9593 IS: 2, 500 g Pferdefleisch 10,0 6,07 3,2724 la. Hundekuchen — — 2,2119 a 5 er ur 1,0605 Sen... 2 = 0,6666 Ba R ar ua 0,4545 23. ;, 3 — 0,6969 Zinn, _ _ 0,3636 Ze 500 g gesalz. " Pferdefleisch u 39,5 19,9950 2bR , Hundekuchen — — 5,2116 27. „ | 250 g gesalz. Pferdefleisch — 19,8 12,1806 28, 250 8 gesalz. Pferdefleisch 19,8 11,2716 1. März | 250 g gesalz. Pferdefleisch 19,8 et DER, Hundekuchen = = 3,1269 De, 250 g gesalz. Pferdefleisch = 19,8 6, 1812 ee Hundekuchen — — 5,3934 58 j ren 3.9087 452 R. Rosemann: Datum Nahrung satz zur | TeSp. m 3&- | Cl im Harn hen salzenem = 5 | Pferdefleisch 6. März | 250 g gesalz. Pferdefleisch — 19,8 11,7261 Re 475 g gesalz. Pferdefleisch — 37,5 16,2711 SHRE Hundekuchen — — 10,1808 9.5 5 — — 3,9390 102 ® — — 4,7874 ae — — 1,0908 ER, 5 — — 0,6666 In der Zeit vom 9.—17. Januar, in der der Hund nur mit Hundekuchen ernährt wurde, ist die Chlorausscheidung im Harn verhältnismässig niedrig; sie beträgt im Durchschnitt 0,5 g pro Tag. Die Chlorzusätze zur Nahrung bewirken jedesmal eine entsprechende Steigerung der Chlorausscheidung; in wenigen Tagen aber nähert sich diese dann wieder der Norm. Im eanzen wurde in dem der Nahrung zugefügten NaCl in der Zeit vom 18. Januar bis 24. Februar 57,67 g Cl in den Körper eingeführt. Dazu kommt das Chlor im Pferdefleisch; rechnet man den Chlorgehalt desselben —= 0,05 °/o (vgl. dritte Mitteilung S. 215), so ereibt sich für im ganzen 4800 & Pferdefleisch 2,4 g Cl. An den 28 Tagen, an denen der Hund nur Hundekuchen bekam, darf man die Chloreinfuhr nach dem Ergebnis der Vorperiode wohl auf 0,5 g Cl pro Tag, im ganzen also — 14 g Cl, veranschlagen. Das ergibt zusammen eine Chloreinfuhr von 57,67 + 2,4 + 14,0 —= 74 2 Cl. Die Ausscheidung betrug in derselben Zeit 79,66 e Cl; das ist bei der Unsicherheit der Rechnung wohl eine befriedigende Übereinstimmung. Diese Bilanz macht es jeden- falls unwahrscheinlich, dass in dieser Zeit erhebliche Chlormengen im Körper zurückgeblieben sein sollten. In der Zeit vom 25. Februar bis 12. März ist dann Chloreinfuhr und -ausfuhr erheblich gesteigert. Die Chloreinfuhr beträgt — wenn man für den Chlorgehalt des gesalzenen, zeräucherten Pferdefleisches den Wert 7,8992 0 einsetzt — 176 & Cl; die Chlorausscheidung nur 132 g Cl. Natürlich ist es ganz ausgeschlossen, dass diese Bilanz den tatsächlichen Verhältnissen entspricht; denn 44 g Cl können nicht im Körper des Tieres zurückgeblieben sein. Das ist an sich selbstverständlich und wird auch durch das Ergebnis der weiter unten mitzuteilenden Analyse bestätigt. Unzweifelhaft dürfte der von mir in 200 & des verfütterten Pferdefleisches festgesteilte | | | | ' 500 Beiträge zur Physiologie der Verdauung. IV. 453 Chlorgehait von 7,8992 °/o nicht der durchschnittliche Gehalt dieses Fleisches überhaupt gewesen sein (vgl. S. 450). Andererseits ist wohl auch daran zu denken, dass bei dieser überreichlichen Chlor- zufuhr ein Teil des Chlors nicht resorbiert resp. durch den Darm ausgeschieden worden ist; leider sind die Fäces nicht untersucht worden. Die Zahlen für die Chlorausscheidung im Harn zeigen jedenfalls, dass eine sehr starke Chlorzufuhr stattgefunden hat; es passierten auf diesem Wege in den letzten 16 Tagen im ganzen 132 & Cl den Körper des Tieres —= 8,25 g Cl pro Tag, der 16fache Betrag der Chlorausscheidung bei gewöhnlicher Ernährung mit Hunde- kuchen. Am 13. März wurde das Tier, nachdem die Chlorausscheidung im Harn wieder annähernd auf den normalen Wert zurückgekehrt war, durch Verblutung getötet. Das dabei ausgeflossene Blut wurde für sich analysiert; ebenso wurde die Haut und der übrige Körper des Tieres getrennt untersucht. Hund 5. Gewicht des Hundes . . . . . 10972 g, Bewieh@den Haut, >. : . ... .160008 14,6 %/o, Gewicht des übrigen Körpers . . 8867 g = 80,8%, Gewicht des Blutes. . . . . . 505.082 74,690: Haut, 1600 g. Aufgelöst unter Zusatz von 200 cem Kalilauge III (enthaltend 0,0182 %0 Cl — 0,0564 Cl) und 200 „ > IN r 01700255, 0,034055 zusammen 0,0704 Ol). Gesamtlösung 5,5 Liter. In 100 ecın der Lösung —= "ss Haut = 29,1 g Haut gefunden 0,1006 Ül, 5 OO Mittel 0,1009 Cl. In der Gesamtlösung also . . . 5,5495 Cl, In der zugesetzten Kalilauge . - 0,0704 „ In 1600 g Haut . . 5,4791 Cl = 0,542 % Cl. Übriger Körper, 8867 g. Aufgelöst unter Zusatz von 700 eem Kalilauge III (enthaltend 0,0182°% Cl — 0,1274 Ü]) und ß R IV ( i 0.017000 052 EN SINE zusammen 0,2124 Cl). Gesamtlösung 15 Liter. Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd. 142. 3l 454 R. Rosemann: Knochen . . . 9341 g, chlorfrei, Bett 200 222125.4106088; 8 In 100 eem der Lösung — !ıso Hund — 59,1 g Hund gefunden. . . . 0,0733 Cl, a Ne) Mittel 0,0736 Cl. In der Gesamtlösung also . . . 11,040 Cl, In der zugesetzten Kalillauee . . 0212 „ In 8867 g Hund (ohne Haut) 10,828 Cl = 0,122 lo Cl. Blut, 505 eg. Aufeelöst unter Zusatz von 50 cem Kalilauge III (enthaltend 0,0182 % Cl —= 0,0091 CI). Gesamtlösung 1 Liter. In 100 eem der Lösung — 50,5 g Blut gefunden, .. .........0,15927261 h a el ee a NDS Mittel 0,1566 „ In der Gesamtlösung also . . . . 1,566 Cl, In der zugesetzten Kalilauge . . . 0,009 „ In 505 e& Blut . . .. 1,557 Cl —= 0,508: Yo=CR In 1600722Haut .2.2222:547970) »„ 3867 g übriger Körper . 10,828 „ he H0DREL Blut en 2 las In 10972 g Hund . . . . 17,864 Cl = 0,163%0 dl. Da in diesem Versuche bei der Verblutunge dem Tiere 505 g Blut mit 1,557 g Cl entzogen und für sich analysiert worden sind, so können die Werte für den Chlorgehalt der Haut und des übrigen Körpers nicht ohne weiteres mit den entsprechenden Werten des vorhergehenden Versuches verglichen werden, weil diese sich ja auf normal bluthaltige Teile beziehen. Die erforderliche Korrektur habe ich in der Weise ausgeführt, dass ich die 505 g Blut mit 1,557 g Cl auf die Haut und den übrigen Körper proportional dem Gewicht verteilt habe; das dürfte dem wahren Sachverhalt wenigstens annnähernd entsprechen. Es kommen dann auf 1600 & Haut mit . . 5,479 Cl = 0,342 lo Cl, 74.8 Blut mit 72.0238. 5 0 3010ER also enthalten 1677 & bluthaltige Haut 5,717 Cl = 0,341 lo Cl. Beiträge zur Physiologie der Verdauung. IV. 455 Und es kommen i | auf 8867 gübriger Körper mit . . 10,828 C1—=0,122%0 Cl 428FBlutmit. . . . . .„ 1319, —=0,308% „ also enthalten 9295 g übriger bluthaltiger Körper 12,147 C1—0,131%/0 Cl. 9 Der prozentische Chlorgehalt der Haut, der den Gehalt des Blutes noch etwas übersteigt, wird durch diese Korrektur fast gar nicht herabgesetzt; dagegen wird der Gehalt des übrigen Körpers durch die Hinzurechnung des ehlorreichen Blutes nieht unwesentlich gesteigert. Zum Vergleich gebe ich hier schliesslich noch die Analyse der Haut von Hund 1 (vgl. 2. Mitteilung S. 186), den ich früher nur auf seinen Gesamtchlorgehalt untersucht hatte; da die Lösung der Haut des Tieres aufbewahrt worden war, so konnte ich sie noch nachträglich untersuchen. Hund 1. Gewicht des Hundes . . . 28910 e, Gewicht der Haut . . . . 3680 & = 12,7 Io, Gewicht des übrigen Körpers 25230 g = 87,3 ')o. Haut, 3680 g. Aufgelöst unter Zusatz von 650 eem Kalilauge I (enthaltend 0,2606 %/o Cl = 1,6939 Cl). Gesamtlösung 12 Liter. In 200 eem der Lösung — !/co Haut —= 61,3 g Haut seiunden. - . .. ..0,1806 61, 0,1866 „ Mittel 0,1866 Cl. In der Gesamtlösung also . 11,1960 Cl. In der zugesetzten Kalilauge 1,6939 „ In 3680 & Haut 9,5021 Cl = 0,2582 %/0 Cl. Der ganze Hund 1 enthielt (vgl. zweite Mitteilung S. 186): ” 28910 eg Hund . . . 34,28 Cl = 0,119%o Cl. SpsßrerHaut 22.2.7990 023310 25230 & übriger Körper 24,78 Cl = 0,098 %o Cl. Der prozentische Chlorgehalt der von mir untersuchten Hunde 1 und 3, die mit gewöhnlichem Hundefutter von mittlerem Chlorgehalt ernährt worden waren, betrug 0,119 und 0,105 °/o, im Mittel 0,112 %/0'). Demgegenüber ist nun der Chlorgehalt bei chlorreicher Ernährung 1) II. Mitteilung S. 192. [a4] m 456 R. Rosemann: beträchtlich gesteigert, auf 0,136 und 0,163 °/o; die Chloranreicherung entspricht dabei dem Grade der Chlorüberfütterung, die bei Hund 5 beträchtlicher war als bei Hund 4. Legt man zum Vergleich einen Prozentgehalt von 0,112 als Normalgehalt zugrunde, so hätte Hund 4 bei einem Körpergewicht von 8198 g normal enthalten 9,18 g Cl; tatsächlich wurden gefunden 11,14 g, der aufgespeicherte Überschuss betrug also 1,96 g Cl = 21° des Normalwertes. Hund 5 hätte bei einem Körpergewicht von 10972 g normal enthalten 12,29 g Cl; gefunden wurden 17,86 & Cl; der aufgespeicherte Überschuss betrug also 5,57 g Cl = 45°/o des Normalwertes. Es ist sehr bemerkens- wert, dass eine so starke Chloranreicherung des Körpers gefunden wurde, obwohl das Tier bereits 5 Tage lang nach Schluss der chlor- reichen Fütterung wieder mit Hundekuchen ernährt worden war. Die Chlorausscheidung im Harn, die zunächst natürlich stark über die Norm erhöht gewesen war, war bereits annähernd zur Norm zurückgekehrt. Es ergibt sich daraus, dass der aufgespeicherte Chlorüberschuss von 5,57 g Cl erst ganz allmählich, zum mindesten erst im Verlaufe einer Reihe von Tagen wieder zur Ausscheidung gekommen sein würde. Hätte ich den Hund etwa schon am Anfang des 9. März getötet, so wäre der Chlorüberschuss noch erheblich höher gewesen. Die Chlorausscheidung im Harn während der letzten 4 Tage betrug zusammen 10,48 g Cl; nimmt man an, dass bei der Ernährung mit Hundekuchen (vel. S. 452) die tägliche Chloreinfuhr ca. 0,5 g Cl betrug, in 4 Tagen also 2,0 g, so stammten mithin 8,48 g Cl aus dem aufgespeicherten Vorrat. Der Gesamtchlorgehalt des Tieres hätte also am 9. März betragen 17,36 + 8,48 — 26,34 g Cl oder 0,240°/o des Körpergewichtes, mehr als das Doppelte des Normalwertes! Der im Körper aufgespeicherte Überschuss hätte dann betragen 5,597 + 8,48 — 14,05 g. Cl; verglichen mit dem nor- malen Vorrat von 12,29 & also 114°/o des Normalwertes! Dass eine derartige Steigerung des Chlorgehaltes des Körpers durch chlor- reiche Ernährung überhaupt möglich sein würde, hätte ich bei Be- ginn meiner Versuche nicht angenommen. Allerdings stellt ein so gewaltiger Überschuss keinen dauernden Besitz dar; die stark ge- steigerte Chlorausscheidung im Harn setzt diesen Chlorüberschuss in wenigen Tagen beträchtlich herab. Ist aber auf diese Weise der aufgespeicherte Chlorvorrat auf 45°/o des Normalwertes gesunken, wie es am Schluss meines Versuches der Fall war, so ist die Chlor- ausscheidung im Harn nur noch verhältnismässig wenig über die Beiträge zur Physiologie der Verdauung. IV. 457 Norm erhöht; eine immerhin nicht ganz geringfügige Chloranreicherung des Körpers wird also für einige Zeit aufrechterhalten bleiben. Es wäre interessant, zu untersuchen, wie sich in dieser Zeit die Magen- saftsekretion verhält; ob die Chloranreicherung dafür gleichgültig ist, oder ob sie etwa eine Steigerung der Salzsäureproduktion zur Folge hat. Ich beabsiehtige, Versuche hierüber anzustellen. Dass der bei chlorreicher Ernährung im Körper aufgespeicherte Chlorüberschuss nicht etwa im Blute aufbewahrt wird, ist schon von vornherein wahrscheinlich, wenn man bedenkt, mit welcher Energie der Organismus die Zusammensetzung des Blutes konstant zu erhalten bestrebt ist. Den Chlorgehalt des Hundeblutes bei ge- wöhnlieher Ernährung fand ich einmal zu 0,2701°/o!); doch habe ich jetzt Bedenken, ob dieser Wert nicht zu niedrig ist, weil ich damals die Verkohlung des Blutes noch ohne Zusatz von Natrium- karbonat ausgeführt habe. Abderhalden?) fand 0,2955 und 0,2908 %/o, Wahlgren?) 0,3156 — 0,2950 — 0,3326 — 0,2877 — 0,3068 — 0,3135. Das Mittel der acht Bestimmungen von Abderhalden und Wahlgren ist 0,3044°/0*). Der Chlorgehalt im Blute des Hundes 5 betrug trotz der starken Chlorspeicherung im Körper dieses Tieres 0,508, ein durchaus normaler Wert. Wahlgren?) und Padtberg°) haben allerdings in ihren Versuchen, in denen die Chloranreicherung des Körpers durch intravenöse Injektion von hypertonischer Kochsalzlösung herbeigeführt wurde, erhebliche Steige- rung des Chlorgehaltes des Blutes erreicht. Aber es ist natürlich sehr wahrscheinlich, dass in diesen nur wenige Stunden dauernden Versuchen die endgültige Ablagerung des Chlors in die Gewebe noch nicht zustande gekommen war. Bei einer dureh chlorreiche Er- nährung bewirkten Steigerung des Chlorgehaltes des Körpers kommt 1) I. Mitteilung S. 510. 2) E. Abderhalden, Zur quantitativen vergleichenden Analyse des Blutes. Zeitschr. f. physiol. Chemie Bd. 25 8.83 und 94. 1898. 3) V. Wahlgren, Über die Bedeutung der Gewebe als Chlordepots. Arch. f. exper. Path. u. Pharm. Bd. 61 S. 102. 1909. 4) Padtberg gibt für den Chlorgehalt normalen Hundeblutes auffallend hohe Werte, nämlich in fünf Versuchen 0,302 — 0,417 — 0,416 — 0,356 — 0,349, im Mittel 0,368°0. Nimmt man diese Werte für die Berechnung des mittleren Chlorgehaltes normalen Blutes zu denen von Abderhalden und Wahlgren hierzu, so ergibt sich der Wert 0,329 %/o. 5) J. H. Padtberg, Über die Bedeutung der Haut als Chlordepot. Arch. f. exper. Path. u. Pharm. Bd. 63 S. 60. 1910. 458 R. Rosemann: Beiträge zur Physiologie der Verdauung. IV. jedenfalls das Blut, und wahrscheinlich die Körpersäfte überhaupt, ais Chlordepot nicht in Betracht. Wahlgeren und Padtberg schliessen aus ihren Versüchen, dass die Haut beim Hunde bei weitem das wichtigste Chlordepot darstellt. Diese Angabe veranlasste mich, in meinen Versuchen die Haut gesondert zu analysieren; die gefundenen Werte geben aber kein einheitliches Bild. Für die Haut des normalen Hundes (Hund 1) fand ich einen Chlorgehalt von 0,258 /o, ein Wert, der mit den von Wahlgren und Padtberg gefundenen Werten genügend über- einstimmt. Die Haut erweist sich als ein sehr chlorreiches Organ, der Prozentgehalt an Chlor ist mehr als doppelt so gross als der Durchschnittswert für den ganzen Körper. Das würde mit der Auf- gabe, als Chlordepot zu dienen, gut übereinstimmen. Beim Hunde 5, der infolge der sehr chlorreichen Ernährung eine starke Chlor- anreicherung des Körpers zeigte, ist der Chlorgehalt der Haut auf 0,341 °/o gesteigert; er übertrifft sogar den Chlorgehalt des Blutes (0,3080). Auch das würde ja für die Rolle der Haut als Chlor-- ddepot sprechen. Man darf aber nicht übersehen, dass Wahlgren und Padtberg bei ihren normal ernährten Hunden mehrfach sogar noch höhere Werte für den Chlorgehalt der Haut gefuuden haben, bis zu 0,478°/o; danach hätte man bei der starken Chlor- aufspeicherung im Körper des Hundes 5 doch wohl einen viel höheren Chlorgehalt der Haut erwarten sollen. Ganz unverständlich ist aber das Resultat bei Hund 4; denn obwohl auch hier eine Chloranreiche- rung des Körpers stattgefunden hatte, ist doch der Chlorgehalt der Haut auffällig niedrig; er stimmt fast vollständige mit dem Chlor- gehalt des ganzen Körpers überein. Vielleicht spielt hierbei der Umstand irgendwie eine Rolle, dass dieser Hund nicht bei vollem Wohlbefinden getötet, sondern aus inneren Gründen gestorben ist. Ich möchte daher auf Grund meiner Versuche die Frage, in welchen Organen das aufgespeicherte Chlor deponiert wird, unentschieden lassen. 459 (Aus dem physiologischen Institut der westfälischen Wilhelms-Universität Münster.) Beiträge zur Physiologie der Verdauung. V. Mitteilunse. Über den Gesamtehlorgehalt des menschlichen Fötus. Von R. Rosemann. In meiner zweiten Mitteilung!) über den Gesamtchlorgehalt des tierischen Körpers habe ich eine Zusammenstellung fremder und eigener Analysen des Chlorgehaltes menschlicher Föten und Neu- geborener gegeben, aus der sich ergab, dass der Chlorgehalt beinahe völlig regelmässig mit steigendem Körpergewicht abnahm. Der kleinste in dieser Tabelle aufgeführte menschliche Fötus wog 248 g, hatte eine Länge von 23,5 cm und enthielt nach meiner Analyse 0,272°/o Chlor. Zur Ergänzung teile ich im folgenden noch die inzwischen von mir ausgeführte Analyse eines beträchtlich kleineren menschlichen Fötus mit. Das Verfahren war dasselbe wie früher. Menschlicher Fötus 4. Gewicht I11 ge. Länge 18 cm. Aufselöst unter Zusatz von 100 eem Kalilauge III (enthaltend 0,0182 /o Cl = 0,0182 Cl). Ge- samtlösung 1 Liter. Knochen: ganz geringe Menge. In 400 eem der Lösung —= ?/s Fötus = 44,4 g Fötus gefunden =. .......0,148876], DILEEE Mittel 0,1191 Cl. In der Gesamtlösung also . 0,2978 Cl. In der zugesetzten Kalilauge 0,0182 Cl. In 111 & Fötus 0,2796 Cl = 0,252 0 (I. ” 1) Beiträge zur Physiologie der Verdauung. II. Mitt.: Über den Gesamt- chlorgehalt des tierischen Körpers. Pflüger’s Arch. Bi. 135 S. 190. 1910. 460 R. Rosemann: Beiträge zur Physiologie der Verdauung. V. Der gefundene Wert von 0,252°/o Cl ordnet sich, entsprechend dem niedrigen Gewicht des Fötus, an die Spitze der in meiner Zu- sammenstellung aufgeführten Zahlen. Er wird merklich nur über- troffen von dem Prozentgehalt 0,272, den ich in einem Fötus von 248 g Gewicht fand. Diese Abweichung dürfte vielleicht in einem verschiedenen Blutgehalt der beiden Föten begründet sein, der ja unter diesen Verhältnissen gewiss leicht schwanken kann. Jeden- falls dürfte der Wert 0,25—0,27 °/o den Maximalwert für den Chlor- gehalt eines menschlichen Fötus darstellen; er nähert sich dem Chlorgehalt des Blutes. Je mehr während der Entwicklung geformte Körperbestandteile entstehen, die keinen oder nur einen geringen Chlorgehalt haben, desto mehr sinkt der Gesamtcehlorgehalt des Körpers, bis er den Wert des Erwachsenen erreicht. 461 . (Aus dem Institute für allgem. und exper. Pathologie der Universität Wien.) Über die experimentelle Erzeugung extra- systolischer ventrikulärer Tachykardie durch Acceleransreizung'). (Ein Beitrag zur Herzwirkung von Baryum und Caleium.) Von Privatdoz. Dr. ©. 3. Rothberger und Privatdoz. Dr. H. Winterberg. (Mit 20 Textfiguren.) In unserer letzten Mitteilung im 141. Bande dieses Archivs (S. 343) haben wir nachgewiesen, dass den Förderungsnerven des Herzens ein weitgehender Einfluss auf die Reizerzeugung zukommt, und dass sich derselbe nicht nur auf die Hauptreizbildungsstellen, den Sinus- und Atrioventrikularknoten, sondern noch weiter auf die Herzkammern selbst erstreckt. Wir konnten ferner zeigen, dass der rechte Accele- rans vorzugsweise die Reizbildung in der rechten und dass der linke Accelerans vor allem die Automatie der linken Kammer anregt. In vielen Fällen gelang es jedoch auch bei der von uns zu diesem Zwecke angewendeten Methode, die im wesentlichen darin besteht, dass bei maximal erresten Acceleratoren die Ursprungsreize durch Vagusreizung ausgeschaltet werden, nicht, automatische Kammer- schläge hervorzurufen. Es lag nahe, die Ursache für diesen teilweise negativen Ausfall unserer Experimente in den wechselnden Erregbarkeitsverhältnissen der reizbildenden Apparate der Herzkammern zu suchen. Um zu prüfen, ob diese Vermutung begründet sei, haben wir in einer neuen Reihe von Experimenten versucht, in solchen Fällen die Erregbarkeit dieser Apparate so weit zu erhöhen, dass nunmehr jede Accelerans- reizung ein positives Ergebnis liefert. Nun sind aber die in Frage kommenden Apparate ihrer eigent- lichen Natur nach unbekannt. Ist es doch gegenwärtig nicht ein- 1) Vorläufig mitgeteilt im Zentralbl. f. Physiol. Bd. 25 Nr. >. 1911. 462 C. J. Rothberger und H. Winterberg: mal möglich, zu entscheiden, ob die Reizerzeugung im Herzen eine Funktion nervöser Elemente oder der Herzmuskelzellen selbst ist. Ebensowenig sind Mittel bekannt, welehe imstande wären, die Er- reebarkeit der automatische Reize produzierenden Apparate der Herzkammern zu steigern. Es handelte sich also vor allem darum, solche Substanzen aufzufinden. Aus früheren, schon einige Jahre zurückliegenden Versuchen wussten wir, dass die Erdalkalien, ins- besondere Baryum -und Caleium, bei intravenöser Applikation ihrer Chlorverbindungen eine vollständige Dissoziation der Vorhof- und Ventrikeltätigkeit hervorrufen können, dass sie also durch Erregung der hypothetischen automatischen Apparate Kontraktionsreize zu er- zeugen imstande sind. | Da aber Erregung in vielen Fällen nur die Folge hochgradig gesteigerter Erregbarkeit ist, so schien es uns nieht aussichtslos, zu prüfen, ob kleinere, zur Erregung nicht ausreichende Mengen dieser Agentien den gesuchten erregbarkeitsteigernden Effekt hervorrufen könnten. Unsere Vermutung fand in den Experimenten, über die im folgenden berichtet werden soll, eine weitgehende Bestätigung. Versuchsanordnung. Die Anordnung unserer Experimente ist mit der in unserer vor- angehenden Mitteilung beschriebenen fast vollständig identisch. Als Versuchstiere dienten ausnahmslos Hunde von 10—20 kg Gewicht, (ie nach intravenöser und in den späteren Versuchen nach subkutaner Morphininjektion durch Äther dauernd in tiefer Narkose erhalten wurden. Von der früher geübten Immobilisierung durch Curare haben wir wegen der grossen Schwierigkeit der Beschaffung guter Präparate abgesehen. Wir konnten dies um so eher tun, als wir bei Benützung des von H. H. Meyer angegebenen Narkoseapparates bei entsprechender Einstellung des die Luftäthermischung regulieren- den Hahnes eine ohne jede weitere Bedienung tadelios funktionierende Narkosevorrichtung besassen ?). Nach Blosslegung des Herzens wurden die Vaei am Halse durehsehnitten und die sternförmigen Ganglien präpariert. Dieselben blieben nach Durchtrennung aller Verbindungen nur mit den beiden 1) Wir können diesen kleinen, handlichen, bei dem Mechaniker des physio- logischen Institutes in Wien — Castagna — erhältlichen Apparat (Preis 34 Kr.) für das Tierexperiment bestens empfehlen. Über die exper. Erzeugung extrasystolischer ventrik. Tachykardie etc. 463 Ästen der Ansa Vieussenii in Zusammenhang und wurden ebenso wie der rechte periphere Vagusstumpf mit Elektroden armiert. Die Aktionsströme des Herzens (Ableitung Ösophagus-Anus) wurden zusammen mit den Suspensionskurven des rechten, manch- mal auch des linken Herzohres und des rechten Ventrikels (Konus- teil) photographisch registriert. Die Zeit wurde mittels einer Stimm- gabel gemessen, deren ganze Schwingung 0,02 Sekunden beträgt, die also das Ablesen von 0,01 Sekunden erlaubt. In jedem Versuche stellten wir zunächst den Effekt einer ein- fachen Vagusreizung (R.-A. 100 mm) fest. Dann prüften wir bei dem sleichen Rollenabstand die Wirkung des linken und rechten Accelerans sowohl für sich allein als auch in Kombination mit Reizung des rechten Vagus. Die Vagusreizung wurde immer erst nach Eintritt der maximalen Acceleranswirkung ausgeführt. Erst dann wurde die zu prüfende Substanz in wässeriger Lösung intravenös injiziert. Nach der Injektion wurde neuerdings der Effekt der Reizung des Vagus und der Acceleratoren und schliesslich die Wirkung der kombinierten Erregung des rechten bzw. des linken Accelerans mit der des rechten VYagus untersucht. Die Veränderungen des Blutdruckes wurden mit Hilfe eines mit der Femoralis verbundenen Hg-Manometers kontrolliert. I. Versuche mit Chlorbaryum. Wir verwendeten 1/oige, 5 '/oige und 10 /oige wässerige Lösungen von BaCl, und injizierten von denselben gewöhnlich 0,5—1 cem. a) Wirkung kleiner Dosen 0,005 —0,01 g BaC],. Schon in diesen relativ kleinen Mengen besitzt das Clorbaryum eine ziemlich konstante Wirkung auf die Erregbarkeit jener Apparate, die bei Reizung der Acceleratoren zur Entstehung automatischer, ventrikulärer Systolen führen. Dieselbe kommt am überzeugendsten in jenen Fällen zum Ausdrucke, bei denen am noch unvergifteten Herzen die kombinierte Accelerans- Vagusreizung vollständigen Herz- stillstand erzeugt. Die intravenöse Applikation von 5—10 mg BaCl, in 1°/oiger Lösung bewirkt bei Hunden von ca. 15 kg Gewicht eine meist recht deutliche Verstärkung der einzelnen Systolen bei mässig ansteigendem Blutdruck (10—20 mm Hs). Sonst bleibt aber die Tätigkeit des Herzens, abgesehen ven einer in den einzelnen Fällen wechselnden 464 . C. J. Rothberger und H. Winterbers: Beeinflussung der Schlagfrequenz, auf die wir später zurückkommen werden, unverändert und auch die Reizung der Hemmungsnerven sowie der Acceleratoren liefert dieselben Effekte wie vorher. Erst bei kombinierter Reizung der Acceleratoren und der Vagi tritt der geänderte Zustand des Herzens zutage. Das mit den genannten kleinen Baryumdosen vorbehandelte Herz wird durch Vagusreizung bei erregten Acceleratoren nicht mehr stillgestellt, sondern zeigt regelmässig nach einer kurzen Pause automatische Ventrikelschläge, die von der rechten oder linken Herzkammer ausgehen, je nachdem dieHemmungsreizung bei erregtem rechten oder linken Accelerans ausgeführt wurde. Als Beispiel für dieses Verhalten sei auf die Figuren 1a, bu. ce verwiesen. Dieselben stammen von einem 14 kg schweren Hunde nach intravenöser Applikation von 0,005 g BaCl,. Fig. 1a zeigt den Effekt einer Vagusreizung (R.-A. 100 mm), die ebenso wie vor der Vergiftung einfachen Herzstillstand bedingt. Interessant ist in Fig. Ia der Kontrast zwischen den der Vagusreizung folgenden äusserst schwachen Vorhofkontraktionen und den verstärkten deutlich zweiphasigen P-Zacken. Auf diese Erscheinung, die wir übrigens des öfteren, manchmal sogar in noch prägnanterer Weise, beobachtet haben, hat jüngst auch Kahn [Pflüger’s Arch. Bd. 140] aufmerksam gemacht. Die Form des E.-K. sowie die Schlagfrequenz (V,— V ,—0,30 Sek.) sind genau so geblieben wie vor der Vergiftung. Dasselbe gilt auch von der Wirkung der Acceleransreizung. Der rechte Accelerans (Anfang der Fig. 1b) verkürzt ebenso wie vorher die Dauer einer Herz- revolution auf 0,20 Sek. und bewirkt die von uns beschriebene Form- änderung des E.-K. in typischer Weise, während der linke Accele- rans (Anfang der Fig. Ic) die Form des E.-K. und die Schlag- frequenz (V;— V,; — 0.28 Sek.) viel weniger beeinflusst, dabei jedoch, wie früher, atrioventrikuläre Automatie hervorruft. Während aber vor der Vergiftung Reizung des. Vagus bei maximal erregtem rechten Accelerans vollständigen und bei maximal erregtem linken. Accelerans nur durch einen automatischen Schlag der linken Kammer unterbrochenen Herzstillstand!) erzeugte, ergeben sich nun ganz 1) So instruktiv auch die betreffenden Abbildungen wären, so müssen wir doch, um die Zahl der Figuren nicht allzusehr zu vermehren, von der Dar- stellung dieser Verhältnisse Abstand nehmen. Wir verweisen diesbezüglich auf unsere vorangegangene Mitteilung. (Pflüger’s Arch. Bd. 141 S. 343.) Über die exper. Erzeugung extrasystolischer ventrik. Tachykardie etc. 465 79S_g0°0 Ur 107 "4 STONLYUOA uag991 sap pun SFoyIOA UNTIL SOP U9AINYSUOISUEdSnS 'TEUSIS HUIS,AOUXTT SEP Ypınp Jaoıyaew Sunzroasnuse1 "NRT 3 6000 OA uonyolup yoeu "um g Swgeumy 'uopTugssysınp Soyuwasfay pun Ide\ ‘N FL Pung ITGT ZIgM "EI woA yausıoy "ET 'dlg VIERERTERTITFRRREENPEEN ET FTIR ESTERLETI PER TI T I IDEI FETTE RD NT IERRTSBUREUHREE Din ! riet AR riet ES cn an ER HESERSEPIIHT a | | 4 f IPGFTARFFTUFENETRELT EI I CHT Ki uhhunmlann : Ir e [) -OWWBH UF AP alyewmomy 7219198 snöe‘ 9}y991 AOp “yaepy Aop puoyoaadszuo “soryapozioy SOp aygH Ip Fue pun suerajo99Yy 99y991 op apına [ "AL7 UA omgeumy yoeu awapayyruuf) "107 7 'S[oyLUoA UONYD9ı Sp pun saJoyıo‘ UaNYaI sap uaamysuolsusdsng "peusısg s,aouxm "II6L ZIEM "ET WoA yonsıoA AT SH [ESRHEABGN: &0 - © E=) - © Dr = ‚Do rg = 3 - © on - © E= E=| _ =) fa ar) C. Über die exper. Erzeugung extrasystolischer ventrik. Tachykardie ete. 467 andere in Fig. 1b u. c dargestellte Verhältnisse. In Fig. 1b werden bei erregtem rechten Accelerans durch Vagusreizung nur die Vor- höfe zum Stillstande gebracht. Dagegen schlagen die Ventrikel, wenn auch in langsamerem Tempo, weiter, und das E.-K. zeigt, dass es sich um automatische von der rechten Kammer ausgehende Kon- traktionen handelt. Bei erregtem linken Acceleraus (Fig. le) ver- mag der rechte Vagus weder die Vorhöfe noch die Kammern zur Ruhe zu bringen, indem nun sowohl der linke Vorhof (negative P-Zacke!) als auch die linke Kammer selbständige, voneinander un- abhängige Kontraktionsreize bilden (Dissoziation). Es tritt also unter der Einwirkung von Baryum der so-häufig schon unter physiologischen Verhält- nissen nachweisbare Einfluss der Acceleratoren auf die ventrikuläre Reizerzeugung besonders deutlich hervor. In vielen Fällen scheint nach Baryum-Applikation ebenso wie am unvereifteten Herzen der linke Accelerans hinsichtlich der Er- zeugung ventrikulärer Automatie viel stärker wirksam zu sein als der rechte. Wenigstens ist die Frequenz der nach kombinierter Reizung des linken Accelerans und des rechten Vagus (= *) auftretenden linksseitigen automatischen Ventrikelschläge gewöhnlich Ace. r Vag.r tionen. Auch überdauern die automatischen Schläge des linken Ventrikels die Vagusreizung gewöhnlich länger als jene der rechten Kammer. Das in Fig. 1b u. e illustrierte Experiment weicht hier- von ab, indem sowohl bezüglich der Frequenz als auch hinsichtlich der Dauer der automatischen Tätigkeit der rechten und linken Kammer fast vollständig identische Verhältnisse bestehen. Von der Regel, dass ve = rechtsseitige , ve linksseitige Kammerautomatie bedingt, zeigten auch die mit Baryum vorbe- handelten Herzen ähnliche Ausnahmen, wie sie von uns im unver- eifteten Zustande beschrieben worden sind. Sie betreffen auch hier Ace. r. Vaeır; Trotz dieser Ausnahmen schien uns die aufgestellte Grundregel mit wachsender Erfahrung immer schärfer hervorzutreten. Auch 7 höher als jene der von rechts nach “ ausgehenden Kontrak- zumeist die Kombination 468 C. J. Rothberger und H,. Winterberg: lernten wir eine von uns früher vielleicht nicht genügend beachtete Fehlerquelle, die häufig scheinbar widersprechende Ergebnisse hervor- ruft, vermeiden. Dieselbe besteht darin, dass die Reizungen der Acceleratoren der beiden Seiten in zu rascher Aufeinanderfolge vor- genommen werden, so dass die reizerzeugende Wirkung des einen Accelerans bei Erregung des anderen noch nicht abgeklungen ist. Da man sich überdies die Wirkungszonen der beiden Acceleratoren nicht scharf voneinander getrennt, sondern mehr oder weniger in- einander übergreifend zu denken hat, so ist um so eher begreiflich, dass beispielsweise bei noch nicht lange zurückliegender Reizung des rechten Accelerans die kombinierte Reizung von ve 5 trotz- dem wieder zu Automatie der rechten Kammer führen kann, während einige Minuten später der typische Effekt — in dem angenommenen Falle also Automatie der linken Kammer — eintritt. Die beschriebene Wirkung einer einmaligen Injektion von 5 bis 10 mg Chlorbaryum bleibt gewöhnlich längere Zeit (10 Minuten und darüber) bestehen. Ist sie vorübergegangen, so kann sie durch eine zweite Dosis von derselben Grösse neuerdings hervorgerufen werden, b) Wirkung mittlerer Dosen 0,025 —0,05 g BaCl].. Werden kleine Dosen von 0,005-—0,01 g BaCl, wiederholt bei- gebracht, oder wird von vornherein 0,5—1 cem einer 5 °/oigen Lösung injiziert, so gerät das Herz in einen Zustand, der ausserordentlich interessante Erscheinungen darbietet. Auch jetzt scheint sich bis auf eine mehr oder weniger deutliche Verstärkung der Systolen, die gewöhnlich mit einer gewissen Verkleinerung des Herzens einher- geht, nichts Wesentliches geändert zu haben. Vagusreizung hemmt den Herzschlag bei dem gleichen Rollenabstande wie vorher, und auf Reizung des rechten Accelerans reagiert das Herz ebenfalls in voll- ständig normaler Weise mit einer ganz entsprechenden Beschleuni- gung ohne jede Störung der normalen Sukzession. Ganz anders aber verhält es sich, sobald der linke Accelerans faradisiert wird. Zunächst treten allerdings nur die der Reizung des linken Accelerans auch sonst zugehörigen Erscheinungen auf, wie mässigere Frequenz- zunahme, eventuell aurikuläre Automatie mit negativer P-Zacke oder atrioventrikuläre Automatie; dann aber beginnt das Herz unter weiterer, meist sehr bedeutender, den früher festgestellten normalen Reizeffekt des linken Accele- Über die exper. Erzeugung extrasystolischer ventrik. Tachykardie etc. 469 rans übertreffender Beschleunigung arhythmisch zu schlagen. Analysiert man die während dieses Stadiums erhaltenen Kurven — Suspensionskurven und E.-K. —, so zeiet es sich, dass wir es mit einem Anfall extrasystolischer ventrikulärer Tachykardie zu tun haben, dessen Ausgangspunkt im linken Ventrikel zu suchen ist. Denn das E.-K. setzt sich aus einer ununterbrochenen Reihe mehr oder weniger typischer linksseitiger Extrasystolen zusammen. Ein auf diese Weise ausgelöster tachykardischer Anfall hält kürzere oder längere Zeit — bis 5 Minuten und darüber — an, worauf sich wieder die regelmässige rhythmische Schlaefolge ein- stellt. Aber auch dann können noch lange Zeit hindurch durch wiederholte Reizungen des linken Accelerans immer wieder neue tachykardische Paroxysmen provoziert werden. Der Ablauf des ganzen Phäno- mens ist dabei so regelmässig, dass es mit grosser Sicherheit gelinet, den Fintritt des tachy- kardischen Anfalls zu regi- 5 Se Alle strieren. Man verfährt zu diesem BERISERNRGUHRSRNAANNSKARSRANFRANLRAUSARLHRKRFAFENES Zwecke nm besten in der Weise, Fig. 2a. Versuch vom 7. März 1911. dass man das linke Gang!. Spitz, 11 kg. Exner’s Signal. Sus- stellatum so lange faradisiert, Dechten Ventrikele B.oK. Zeit Nach bis der Herzschlag deutlich be- Injektion von ne a Ve — schleunigt ist. Hierauf unter- N bricht man die Reizung und beginnt mit der Aufnahme. Nach kurzer Zeit setzt dann plötzlich die arythmische, tachykardische Tätigkeit des Herzens ein, die man nun leicht in allen ihren Phasen verfolgen kann. Die Rückkehr zur normalen Schlagfolge geschieht ohne Ausnahme immer dann, wenn die Frequenz der extrasystolischen Schläge so weit abgesunken ist, dass sie hinter jener der normal ausgelösten Kontraktionen zurückzubleiben beginnt. Fig. 2a zeigt die Suspensionskurven und das E.-K. eines 11 kg schweren Hundes, dem in einem Intervall von 20 Minuten 2 Dosen von je 0,015 BaCl; beigebracht worden waren, kurz nach der zweiten Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd. 142. 32 BEnHERHaN® ne j 7 oumey] 194991 AOP NONSLIETL AOYy9smBwoInge nz se mo (SAxEIN) Bunzwasuger 10q 9510 “uorpwu1o yqraıq OZ[ogseryss ofrunou HI 'SURAH]OH9Y UsNyDHA1 SEP Sunzioy yoru Swgeumy TI6T ZAeM °, woA yonsıon HoRg Bug ERAHNEN BASIS AHHERANER BASE ÄRA RASSE AARAU A { RN } | A NRTEIE FR TATBTRIR A THEIR RN HAARE vi i Y 144 ea PIIIREERLIKEIINEN III TEILT ERLITT TELERIT III ELELL III Irıkhl oe _ 0.0400. NANSARENNISNNSNIGANDDSKEN “ "HIPIBHÄIRL, 9IBTUYLIJUIA as1os -syum ul Zued “Sundtuna[y9sag 19p Yıyuy deu awyeumy *sUBI1a[J899Y uoyuI SOp Junziay "II6I ZıeN ERREEN! Y RENSUENEN EAFRTERER JR ERUIER LE SSUSEHLTE REN N I UUSIHNENTEFERE STIER OIEHURZEERTEREUTERFERERUNGN, NENRURFUTTEERERNURT? EIER L EUUBAn REN Rn AHRHnnE: Irırtkeriert IBERNEEREZ, Bee ee f | on - {eb} Pe) = © - Ss .-— u! >} Ss = - © on - ® Fe} = Pe} oO = Es @) Über die exper. Erzeugung extrasystolischer ventrik. Tachykardie etc. 471 Injektion. Weder die Sukzession der Herzschläge noch die Form des durch eine besonders hohe P-Zacke ausgezeichneten F.-K. hatte sich gegenüber der Norm irgendwie verändert. In Fig. 2b, mit deren Registrierung in der eben geschilderten Weise nach Eintritt der durch Reizung des linken Accelerans erzeugten Beschleunigung des Herzschlages begonnen wurde, sieht man nun sehr schön, wie ungefähr vom siebenten Herzschlage an unter weiterer Frequenz- zunahme die linke Kammer selbständig zu schlagen beginnt, und wie sie nach einer kurzen Periode dissoziierter Vorhof- und Kammer- tätigkeit auch die Vorhofsystolen rückwirkend bestimmt. Dagegen blieb nach Reizung des rechten Accelerans (Fig. 2c) die normale Schlagfolge erhalten, und erst nach Reizung des Vagus wurde die Automatie der rechten Kammer demaskiert. In vielen Fällen gelingt es sogar in diesem Stadium der Baryt- vergiftung die durch Reizung des linken Accelerans erzeugte extra- systolische Tachykardie durch Erregung des rechten Accelerans wieder aufzuheben. ec) Wirkung grosser Dosen 0,05—0,1 g BaC],. Injiziert man von vornherein 0,5—1 ccm einer 10 P/oigen Lösung von BaCl, intravenös, so entwickelt sich gewöhnlich im Verlaufe von 1—2 Minuten nach der Injektion auch ohne jede Nervenreizung ein Zustand hochgradig beschleunigter arhythmischer Herztätigkeit von ähnlichem Charakter, wie er nach mittleren Dosen erst nach Reizung des linken Accelerans zustande kommt. Diese spontan nach ent- sprechend grossen Dosen von Baryum einsetzende Beschleunigung und Unregelmässigkeit des Pulses wurde auch schon von anderen Beobachtern beschrieben. Es wird sogar angegeben, dass die durch Baryum zu erzielende Schlagfrequenz höher ist als der maximale beschleunigende Effekt der Acceleratoren. Diese Angabe trifft jedoch wenigstens unter den von uns geübten Versuchsbedingungen nicht zu. Die mittlere Dauer einer Kammerrevolution beträgt bei maxi- maler Barytwirkung nicht unter 0,20—0,21 Sekunden, und die maxi- male Beschleunigung, die durch Reizung des rechten Accelerans zu erzielen ist, ergibt bei Hunden für den einzelnen Herzschlag in den verschiedensten Versuchen den optimalen Wert von ebenfalls 0,20 bis 0,22 Sekunden. Es beträgt also die Minutenfrequenz in beiden Fällen ungefähr 300 Schläge. Diese Frequenz kann bei Hunden nach unseren Beobachtungen nur bei Flimmern der Vorhöfe im An- DES C. J. Rothberger und Winterberg: BEREE" errgaR; SEIEN EELER IEENRUNENERENNUTTEERFENNEN. IINERRUNDE| {hl ah AK Raum IEERERREHUER ER, [RERFUNBRERRERANBTEHSUARELENRANLELLRERENGG Zeit. E.-K. Suspensionskurven des rechten Vorhofs und der rechten Kammer. njektion von zusammen 0,055 g BaCl,. Vagusreizung. R.-A. 50 mm. ’s Signal. kardie nach I Exner Spontane Arhythmie und Tachy Fig. 3. Versuch vom 7. März 1911. schlusse an eine kombi- nierte Acceleransvagusrei- zung noch bedeutend über- schritten werden. Der höchste von uns beobachtete Grad ventrikulärer Tachy- kardie durch Flimmern der Vorhöfe zeigte vorüber- gehend eine Minutenfre- quenz von 450 Schlägen (siehe die vorangegangene Mitteilung Pflüger’s Arch. Bd. 141 S. 369). Immerhin ist auch die durch grössere Baryum- dosen erzeugte Tachykardie hochgradig genug. Die elek- trographische Aufnahme Fig. 3 zeigt, dass auch diese spontan entstandene Tachy- kardie extrasystolischer Natur ist, wobei gewöhn- lich, wie dies auch in Fig. 3 zutrifft, der Ausgangspunkt derselben im linken Ven- trikel gelegen ist. Fig. 3 ist demselben Experimente wie die Fig. 2a, b und e entnommen. Nachdem schon vorher zusammen 0,05 g BaCl, gegeben worden waren, kam es nach einer dritten Injektion von 0,025 g BaCl, zu der dargestellten Arhythmie und Tachykardie der linken Kammer. In anderen Fällen und, wie es scheint, namentlich nach Anwendung noch Über die exper. Erzeugung extrasystolischer ventrik. Tachykardie ete. 473 grösserer Giftmengen geht die automatische, beschleunigte Ventrikel- aktion von der rechten Kammer aus. Während der automatischen Tätigkeit der Kammern zeigen die Vorhöfe ein verschiedenes Verhalten. Ihre Schlagfrequenz bleibt in den meisten Fällen hinter jener der Kammern mehr oder weniger weit zurück; nur selten schlagen Vorhöfe und Kammern gleich häufig, niemals aber die Vorhöfe frequenter als die Kammern. In Fie. 3 besteht zwischen Vorhöfen und Kammern vollständige Dissoziation; die Vorhöfe schlagen regelmässig in ihrem eigenen Rhythmus (As— A; = 0,32”) weiter und bleiben von der tachykardischen und arhythmischen Ventrikelaktion vollständig unbeeinflusst. Manchmal wird der weiterbestehende Eigenrhythmus der Vorhöfe dadurch ge- stört, dass einzelne Ventrikelschläge rückläufig Vorhofkontraktionen auslösen. In anderen Fällen lassen die Vorhöfe ihren eigenen Rhythmus überhaupt gar nicht hervortreten, doch werden nur selten alle Systolen der Kammer rückläufig. Durch die Hindernisse, welchen unter diesen Umständen die Vorhöfe bei der Entleerung ihres Inhaltes in die Ventrikel begegnen, entstehen in den grossen Venen mit der Vorhofsaktion isochrone Pulsationen, die sich, wie schon Boehm bei der Besprechung der Barytvergiftung erwähnt, bis in das Gebiet der Pfortader erstrecken können. Die einzelnen tachykardischen Ventrikelschläge bei der Baryum- intoxikation sind fast niemals vollständig regelmässig. Der Grad der Arhythmie ist allerdings in den verschiedenen Fällen und in den einzelnen aufeinanderfolgenden Stadien des Ablaufes der veutrikulären Tachykardie sehr ungleich entwickelt. Meist sieht man, wie z. B. in Fig. 4 (siehe auch Fig. 8), auf Gruppen von drei bis fünf rascheren, untereinander aber ebenfalls nicht gleich langen Schlägen ein bis zwei langsamere Systolen folgen. In dem hier abgebildeten Versuche entwickelt sich nach Injektion von 0,15 g BaCl, die seltener zu beobachtende Erscheinung rechts- seitiger ventrikulärer Automatie,. wobei ähnlich wie in Fig. 3 bei vollständiger Dissoziation zwischen Vorhöfen und Kammern die Vor- höfe in ihrem ursprünglichen Rhythmus weiterschlagen. Bisweilen entsteht durch den Wechsel frequenterer und lang- samerer Ventrikelkontraktionen eine eigentümliche Art von Allo- rhythmie. Wir geben im folgenden eine solche Beobachtung wieder, bei welcher sich nach Applikation von 0,05 BaCl, spontan hochgralige C. J. Rothberger und H. Winterberg: E.-K. Zeit. sseitige Extrasystolen) nach Injektion von 0,15 BaQl;. Arhythmie (recht Fig. 4 Versuch vom 13. Mäız 1911, Reizmarkierung. Suspensionskurven vom rechten Vorhof und von der rechten Kammer. Spontane ventrikuläre Tachykardie entwickelte. Die tachykar- dischen Ventrikelschläge zeigten deutliche Gruppen bildung, indem auf drei sehr rasche Schläge immer zwei von längerer Dauer folgten. Die einzelnen auf- einanderfolgenden Herz- schläge in 0,01 Sekunden gemessen, ergaben folgende Werte: 36, 30, 24, 22, 22, 34,830, 24, 21,22% 34, 30,22, 22 7218 33,.30,224.2207 22: 34, 29, 23, 20,23, 33, 29, 28, 20, 22 Gewöhnlich sind in- dessen die Glieder der einzelnen Gruppen viel un- regelmässiger formiert. Am häufigsten sieht man ähn- liche Bilder wie in Fig. 4. Je hochgradiger die Taechykardie, um so weniger pflegt im allgemeinen die Arhythmie zum Ausdrucke zu kommen. Wenn man kürzere Strecken der Kur- ven ins Auge fasst, so kann es sogar erscheinen, als ob eine ganz rhythmische Schlarfolge bestünde. Man kann sich aber durch wei- tere Verfolgung der Kurven überzeugen, dass eine SO mathematische Regelmässig- keit, wie sie die normalen "BO EEE Ts ie he nu cn ned Du nd Dune an nn a nn men nase ee. Über die exper. Erzeugung extrasystolischer ventrik. Tachykardie etc. 475 Herzschläge bei durchschnittenen Herznerven aufweisen, nur äusserst selten zustande kommt. Auch beim Flimmern der Vorhöfe sieht man ein ähnliches Zurücktreten der Arhythmie der Kammern, wenn die Bedingungen für die Überleitung der von den flimmernden Vorhöfen ausgehenden Reize besonders günstig sind und eine annähernd maximale Frequenz der Ventrikelsystolen erzeugen. Vielleicht spielt die hohe Frequenz auch hier eine ähnliche Rolle. Vollständig ungestört durch lange Kurvenstrecken zu verfolgende Rhythmik der automatischen Kammerschläge bei mässiger Frequenz derselben haben wir nur einmal gesehen. Wir reproduzieren in Fig. 5 einen kleinen Ausschnitt aus diesem Experimente. Durch Reizung des linken Accelerans entwickelte sich nach Applikation von 0,04 BaCl, linksseitige Kammerautomatie. Das E.-K. ist durch die besondere Grösse der Ausschläge auffallend. Die einzelnen Kammer- systolen erfolgen rhythmisch in Intervallen von 0,33 Sekunden (Minutenfrequenz 181) und rufen rückläufig Vorhofkontraktionen hervor. Die durch die erwähnten grösseren Barytdosen spontan ent- standene extrasystolische ventrikuläre Tachykardie geht ebenfalls nach einiger Zeit (5—10 Minuten) unter allmählicher Frequenz- abnahme der automatischen Schläge vorüber, um nach Applikationen neuer Giftmengen in ganz ähnlicher Weise wieder aufzutreten. Doch scheint mit fortschreitender Vergiftung die Automatie nicht mehr so regelmässig vom linken, sondern häufig auch vom rechten Ventrikel auszugehen. Gewöhnlich kommt es auch nach wiederholter Injek- tion dieser grösseren Dosen bis auf eine immer stärker hervor- tretende Verlangsamung des Herzschlages zu vollständiger Erholung. Manchmai aber bleibt die Tachykardie dauernd bestehen; der Tonus des Herzens lässt aber nach und das Herz stirbt endlich unter wühlenden Bewegungen ab. Nach Abklingen eines durch Baryum direkt ausgelösten tachy- kardischen Anfalles verbleibt das Herz sehr häufig in jenem schon beschriebenen Zustande, in welchem nur durch Reizung des linken Accelerans ein neuer tachykardischer Anfall hervorgerufen werden kann. Nicht selten aber — und das gilt namentlich für Fälle von vorgeschrittener Intoxikation mit bedeutend verlangsamter Frequenz nach Wiedereintritt der normalen Schlagfolge — ändert sich nunmehr die Reaktion des Herzens auf Acceleransreizung in dem Sinne, dass 476 C. J. Rothberger und H. Winterberg: auch durch Reizung des rechten sowie durch gleichzeitige Erregung beider Acceleratoren ventrikuläre Tachykardie entsteht. E.-K. Suspensionskurven vom rechten Vorhof und rechten Ventrikel. Linksseitige ventrikuläre Automatie nach Reizung des linken Accelerans. Versuch vom 8. Juni 1911. Zeit. Fig. 5. Dabei zeigt das E.-K. nach Reizung des rechten Accelerans in der Regel rechtsseitige Extrasystolen. Ein sehr schönes Beispiel hierfür habeu wir in unserer vorläufigen Mitteilung im Zentralblatt für Physiologie Bd. 25 Nr. 5 abgebildet. Bei Erregung beider Über die exper. Erzeugung extrasystolischer ventrik. Tachykardie ete. 477 Aeceleratoren beobachtet man bald nur links- oder rechtsseitige, bald sowohl links- als auch rechtsseitige Fxtrasystolen nacheinander oder durcheinander, oder auch weniger gut charakterisierte E.-K.- Formen, die sich dem Typus des normalen E.-K. mehr oder weniger nähern. d) Wirkung der Herznerven auf Vorhöfe und Kammern während der durch BaC], erzeugten Automatie. Prüft man bei noch bestehender durch BaCl, spontan ent- standener oder durch Acceleransreizung provozierter ventrikulärer Automatie das Verhalten der Herznerven, so ergibt sich folgendes: Reizung des Vagus ist in der Regel auf die Frequenz der tachykardischen Ventrikelschläge selbst bei übereinandergeschobenen Rollen des Induktoriums ohne jeden erkennbaren Finflus. Aus diesem Grunde hat wohl auch Boehm ((. c.) behauptet, dass die Barytsalze die Enden des Hemmungsvagus lähmen. Das ist jedoch nicht richtig, sondern es handelt sich auch hier um einen der von uns beschriebenen Fälle von „scheinbarer Vaguslähmung“ '), die sich aus dem Umstande erklären, dass den Hemmungsnerven über die Atrioventrikulargrenze hinaus keine den Herzschlag noch wesentlich verlangsamende Wirkung zukommt. Dass die Vagi trotzdem ihre Erregbarkeit nicht eingebüsst haben, geht schlagend daraus hervor, dass zwar die Frequenz der Kammerschläge unverändert bleibt, dass aber die Vorhofschläge entweder vollständig gehemmt oder doch be- deutend verlangsamt werden, wie dies z. B. in Fig. 3 zu sehen ist?). Da die Frage, ob und in welchem Grade die Vagi auf die 1) Rothberger und Winterberg, Über scheinbare Vaguslähmung bei Muskarin, Physostigmin und anderen Giften sowie bei intrakardialer Druck- steigerung. Pflüger’s Arch. Bd. 132 8. 233. 1910. 2) Wir müssen bei dieser Gelegenheit erwähnen, dass trotz unserer dies- bezüglichen Publikation, der Möglichkeit einer solchen scheinbaren Vaguslähmung in einer neueren aus Schmiedeberg’s Laboratorium erschienenen Arbeit von Honda (Arch. f. exper. Pathol. v. Pharmakol. Bd. 64 8. 72. 1910. „Über das Wesen der herzhemmenden Muskarinwirkung“) keine Rechnung getragen wurde. Dadurch, dass der betreffende Autor nur die Ventrikelpulse verzeichnete, kommt er zu der Ansicht, dass grosse Muskarindosen nach vorübergehender Steigerung die Erregbarkeit des Vagus an seiner Unterbrechungsstelle vernichten. Hätte Honda, wie dies bei einschlägigen Analysen unerlässlich ist, auch der Tätigkeit der Vorhöfe Aufmerksamkeit geschenkt, so wäre er wohl zu gleichen Resultaten gelangt, wie wir in unserer erwähnten Mitteilung. Es wäre jedenfalls notwendig, die Versuche von Honda mit Berücksichtigung dieses Umstandes nachzuprüfen. ATS C. J. Rothberger und H. Winterberg: automatisch schlagenden Kammern hemmend einwirken, noch immer als kontrovers anzusehen ist, haben wir bei bestehender ventrikulärer, dureh Chlorbaryum erzeugter Automatie wiederholt die Dauer der Herzschläge vor, während und nach einer maximalen (R.-A. 0) Vagus- reizung bestimmt. In der überwiegenden Zahl aller Fälle war das Ergebnis vollständig negativ. Als Beispiel voll- kommener Wirkungslosigkeit des Vagus auf die Dauer der auto- matischen Kammersystolen und somit auch auf die Pulsfrequenz führen wir folgende Zahlen an. Es betrug (Versuch vom 10. März 1911) die Dauer einer Kammerrevolution vor der Vagusreizung 0,22, 0,24, 0,24, 0,22, 0,24, 0,24, 0,25, 0,25, 0,24, im Mittel also 0,2358 Sekunden, während der Vagusreizung 0,22, 0,24, 0,22, 0,22, 0,26, 0,26, 0,23, 0,23, 0,21, 0,24, 0,28, 0,24, 0,25, 0,24, 0,23, 0,20, 0,24, 0,30, im Mittel also 0,24 Sekunden und in der Nachperiode 0,24, 0,24, 0,22, 0,23, 0,24, 0,22, 0,24, 0,28, 0,24, 0,24, 0,24, 0,24, 0,24, 0,25, durchschnittlich also wieder 0,24 Sekunden. Nur bei noch länger fortgesetzter Vagusreizung (R.-A. 0) schien manchmal doch eine gewisse Verlangsamung der automatischen Ven- trikelschläge zu erfolgen. Es blieb aber immer der Zweifel bestehen, dass es sich dabei nicht um eine Hemmungswirkung, sondern um das bei längerer Beobachtung auch ohne Vagusreizung allmählich erfolgende Abklingen der tachykardischen Kammertätigkeit handelt. Dieses Bedenken drängt sich insbesondere dann auf, wenn die Minimalfrequenz nicht während der Vagusreizung selbst, sondern erst in der Nachperiode verzeichnet wird. Die folgende Tabelle, die alle von uns beobachteten Fälle von Verlangsamung der automatischen Kammerschläge durch langdauernde (!/a—1 Minute) und maximale (R.-A. 0) Vagusreizung enthält, soll eine Vorstellung über den Grad der unter diesen Umständen auftretenden Hemmungswirkung geben. Der Übersichtlichkeit wegen sind die ausden einzelnen Herzschlägen vor, während und nach Vagusreizung wie oben bestimmten Mittelwerte auf Minutenfrequenzen umgerechnet worden. Minutenfrequenz während der Datum Vor- Reiz- Nach- periode periode periode ne Februar 222 200 207 194 182 188 231 | 222 200 200 200 194 \ März 2350 | 240 | 214 252 250 250 Über die exper. Erzeugung extrasystolischer ventrik. Tachykardie etc. 479 Aus dieser Zusammenstellung, in welche die, wie schon erwähnt, weitaus grössere Zahl der gänzlich negativen Fälle, sowie einzelne Beobachtungen, bei denen die Minutenfrequenz während Vaeusreizung sogar etwas zunahm, nicht aufgenommen sind, ersieht man, dass nur zweimal die Verlangsamung während der Vagusreizung be- deutender ist als in der Nachperiode. Aber auch diese Ausnahmen ge- statten keinen bindenden Schluss, weil wegen der bestehenden Arhythmie die aus einer doch nur beschränkten Zahl von Herzschlägen berechnete Minutenfrequenz nicht den richtigen Durehschnittswert ergeben muss. Im grossen ganzen stimmen die Ergebnisse unserer Experimente mit jenen von Erlanger!) überein, der zu dem Schlusse gelangt, „dass die Vagi auf die Ventrikel des Hundeherzens oft keinen oder im besten Falle einen unbedeutenden chronotropischen Einfluss aus- üben“ ?). Immerhin bedürfte es zur endgültigen Entscheidung dieser theoretisch sehr wichtigen Frage noch weiterer Experimente. Die- selben müssten stets mit elektrographischer Registrierung verbunden sein, um automatische, von der Atrioventrikulargrenze ausgehende Herzschläge zu erkennen). Letztere unterliegen, wie von uns und Hering gezeigt wurde, dem hemmenden Einflusse der Vagi. Dieser Umstand, der von Hering?) und Rihl?’) seinerzeit noch nicht in Rechnung gezogen wurde, erklärt vielleicht die von diesen Autoren gemachten Erfahrungen, nach welchen dem Vagus auch auf die automatischen Kammerschläge eine ziemlich kräftige Hemmungswirkung zuzuschreiben wäre. 1) Erlanger, Über den Grad der Vaguswirkung auf die Kammern des Hundeherzens. Pflüger’s Arch. Bd. 127 S. 77, 1909. 2) Diese Meinung bildet selbstverständlich keinen Widerspruch zu der An- nahme „scheinbarer Vaguslähmung“ bei bestehender, durch Gifte erzeugter Kammer- automatie, da der bis jetzt nicht einmal mit Sicherheit nachgewiesene, unter allen Umständen aber sehr geringfügige Einfluss der Vagi auf die automatischen Kammerschläge im Vergleiche zu den Hemmungseffekten auf die Vorhöfe und die atrioventrikulären Abschnitte praktisch vernachlässigt werden kann. 3) Kahn (Pflüger’s Arch. Bd. 140 S. 627. 1911) hat kürzlich in seinen Elektrokardiogrammstudien ebenfalls mitgeteilt, dass der Vagus nach Durch- schneidung des His’schen Bündels auf die automatischen Kammerschläge keinen, oder nur einen sehr geringfügigen und inkonstanten Einfluss hat. 4) Hering, Über die unmittelbare Wirkung des Accelerans und Vagus auf automatisch schlagende Abschnitte des Säugetierherzens. Pflüger’s Arch. Bd. 108 S. 281. 1905. 5) Rihl, Über Vaguswirkung auf die automatisch schlagenden Kanımern des Säugetierherzens. Pflüger’s Arch. Bd. 114 S. 545. 1906. 480 C. J. Rotbberger und H. Winterberg: Dass die Vagi dureh Baryt nicht gelähmt werden, geht, ab- sesehen von der oben erwähnten, auch während der Tachykardie nachweisbaren Wirkung auf die Vorhöfe noch daraus hervor, dass selbst nach grossen Giftmengen immer gleichzeitig mit dem Aufhören der ventrikulären Automatie der gewöhnliche Hemmunsseffekt auch auf die Herzkammern wieder eintritt. Im Gegensatze zuden vollständig oder doch nahezu vollständig unwirksamen Hemmungsnerven vermögen die Aceceleratoren die Frequenz der durch Baryum hervorgerufenen automatischen Ventrikelschläge bis zu dem jeweils möglichen Optimum zu steigern. Dass dasselbe annähernd mit der durch Reizung des rechten Accelerans zu erzielenden Maximalfrequenz zusammenfällt, ist eine Tatsache, die gewiss beachtet zu werden verdient. Ist die spontan nach Baryumvergiftung entstandene Tachykardie schon an und für sich maximal, dann versagt allerdings scheinbar auch die Wirkung der Acceleratoren. Sie wird aber sofort deutlich, wenn die Frequenz der automatischen Kammerschläge geringer ge- worden ist. Durch Reizung der Acceleratoren wird überdies die auf Insuffizienz der Rückleitung beruhende Dissoziation der Vorhof- und Kammerschläge aufgehoben, indem nach Reizung der Acceleratoren bei spontan entstandener ventrikulärer Tachykardie gewöhnlich alle, oder doch die meisten Ventrikelsystolen rückläufig Vorhofkontrak- tionen auslösen. Durch dieses Verhalten unterscheidet sich meist schon von vornherein die durch Acceleransreizung hervorgerufene von der spontan entstandenen Baryumtachykardie. Wir verweisen diesbezüglich auf Fig. 2b und Fig.3. In ersterem Falle tritt nach Reizung des linken Accelerans linksseitige extrasystolische Tachy- kardie ein, wobei die Schlagfrequenz der Vorhöfe von den Kammern bestimmt wird und mit jener der letzteren übereinstimmt, im letzteren Falle dagegen schlagen die Kammern schon vor der Vagusreizung häufiger als die Vorhöfe. ; Indessen beobachtet man zuweilen auch nach spontaner Tachy- kardie das Rückläufigwerden aller automatischen Kammerschläge. Was aber hier eine Ausnahme bildet, ist nach Acceleransreizung die Regel. Dass endlich die Acceleratoren nicht nur auf die Frequenz, sondern auch auf den Bildungsort der automatischen Kammerschläge bestimmenden Einfluss nehmen, haben wir bereits früher auseinander- gesetzt. Über die exper. Erzeugung extrasystolischer ventrik. Tachykardie ete. 481 Prinzipiell in derselben Weise wie durch faradische Reizung kann auch durch toxische Erregung der Acceleratoren bei mit Baryum entsprechend vorbehandelten Herzen extrasystolische ventri- kuläre Tachykardie hervorgerufen werden. Wir haben nach dieser Richtung die Wirkung von Adrenalin und Nikotin geprüft. Schon kleinste Mengen von Adrenalin (0,000 01 g), nach voran- gegangener Applikation von Baryum in die Blutbahn injiziert, genügen, um Paroxysmen ventrikulärer Tachykardie zu provozieren. Da sich der Einfluss des Adrenalins nicht allein auf das Innervationsgebiet des rechten oder linken Accelerans, sondern auf das gesamte sym- pathische System erstreckt, so sieht man in Übereinstimmung mit dieser Wirkungsweise nicht selten, dass dje automatischen Kammer- schläge in buntem Wechsel balä vom rechten, bald vom linken Ventrikel ausgehen. Als Beleg dafür diene die foleende Fig. 6, die von einem Hunde gewonnen wurde, dem nach Vorbehandlung mit 0,04 g BaCl, 0,01 eem Adrenalin (0,00002 g) intravenös gegeben wurde. Es ist vielleicht am Platze, hier hervorzuheben, dass Adrenalin für sich allein zwar eine sehr beträchtliche Tachykardie hervorbrinst, dass aber selbst nach relativ grossen Adrenalinmengen (0,001—0,002 g) keine Kammerautomatie eintritt. Dagegen zeigen sich während einer Vagusreizung auf der Höhe der Adrenalinwirkung sehr häufig einzelne automatische Kammerschläge in derselben Weise, wie wir dies in der vorausgegangenen Mitteilung bei kombinierter Vagus-Accelerans- reizung beschrieben haben. Besonders aufgefallen ist uns ferner, dass nach dem Abklingen eines durch Adrenalin bei BaCl;, - Vergiftung erzeugten tachy- kardischen Anfalles eine zweite faradische Reizung der Accelera- toren von gleicher Stärke und Dauer gewöhnlich wirkungslos ist und bleibt, selbst wenn neue zu diesem Zwecke sonst ausreichende Mengen von Baryum nachinjiziert werden. Hingegen hat Wieder- holung derselben oder einer nur unbedeutend grösseren Adrenalin- dosis auch ohne Reinjektion von Baryum vollen Erfolg. Ebenso wie durch Adrenalin kann man auch durch Nikotin nach Vorbehandlung mit Baryum Kammerautomatie auslösen. Es scheint sogar, dass die so erzeugten tachykardischen Anfälle von ganz besonders langer Dauer sind. Wir haben solche !/s—?/ı Stunde persistieren gesehen. ‘Besonders bemerkenswert ist, dass selbst nach sehr grossen Dosen von Nikotin (0,02—0,04 2), die weitaus genügen, 482 C. J. Rothberger und H. Winterberg: um die Leitung der Hemmungsnerven zu unterbrechen, durch fara- dische Reizung der Acceleratoren sich neue Anfälle von Kammer- automatie hervorrufen lassen, sobald die durch Nikotin selbst aus- gelöste ventrikuläre Tachykardie abgeklungen ist. Es geht daraus IIEFSITIERTERTI TEEN NG Suspensionskurven vom rechten Vor- Kammerautomatie nach Injektion von DILL IETKITEI TEN) Exner’s Signal Zeit in 0,02 Sek. 0,00002 g Adrenalin bei einem mit 0,04 g BaCl, vorbehandelten Hunde. Versuch vom 22. Mai 1911. E.-K. hof und rechten Ventrikel. Fig. 6. hervor, dass, sowie die übrigen auch die bei der Er- zeugung ventrikulärerAutomatieinFragekommenden Acceleransfasern nicht mehr durch Ganglien unter- brochen sind. Wenn die Acceleransreizung nach Nikotin versagt, so ist das stets darauf zurückzuführen, dass die Barytwirkung vor- übergegangen ist, wie dies namentlich nach Anfällen von längerer Über die exper. Erzeugung extrasystolischer ventrik. Tachykardie etc. 483 Dauer leicht vorkommt. Im Gegensatz zum Adrenalin stellt dann die Zufuhr selbst kleiner Barytmengen die Wirksamkeit der faradischen Acceleransreizung wieder her. II. Versuche mit Chlorealeium. Wie zu erwarten war, ergaben die Versuche mit Caleium ähn- liche Resultate wie die Experimente mit Baryum. Es kann deshalb über dieselben in mehr summarischer Weise berichtet werden. Der Unterschied beider Agentien liegt im wesentlichen nur in den zur Erzielung gleicher Effekte nötigen Dosen. Dieselben müssen bei Caleium viel höher gegriffen werden. Die Applikation von 1 ccm 1°/oiger Lösung blieb in der Regel ganz wirkungslos, erst nach 0,05 g CaCl, kam es zu deutlicher Ver- stärkung der Herzkontraktionen und bei kombinierter Accelerans- Vagusreizung trat Kammerautomatie ein. Auch hier war der Effekt Ace. 1. Ace. r. Vae.r. Vag.r. Nach 0,1—0,2 g CaCl,; (1—2 cem 10°/oiger Lösung) kam es gewöhnlich zunächst zu einem Anfalle spontaner Tachykardie. Wenn dieser abgelaufen war, blieb der nach mittleren Baryumdosen be- schriebene Zustand zurück, in welchem durch Acceleransreizung allein ventrikuläre Automatie hervorgerufen werden kann. Dagegen gelang es uns gewöhnlich nicht, Dosen zu finden, welche erst nach Acceleransreizung, ohne schon an und für sich Kammerautomatie zu erzeugen, zu ventrikulärer Tachykardie führten. Es scheinen dem- nach im Gegensatze zur Barytvergiftung die hierzu nötigen Dosen beim Caleium viel näher aneinander zu liegen, so dass sich deshalb die ein- zelnen Stadien der Intoxikation schwieriger voneinander trennen lassen. Ferner ist nach Ablauf der spontanen Tachykardie gewöhnlich nicht nur der linke, sondern auch der rechte Accelerans imstande, wieder einen Anfall zu erzeugen. Auch bleibt nach Ablauf der spontanen Tachykardie regelmässig eine ziemlich erhebliche Pulsver- langsamung bei normaler Schlagfolge zurück. Einfache Vagusreizung führt auch bei bestehender Caleium- vergiftung — die tachykardischen Anfälle natürlich ausgenommen —, sobald ihr keine Acceleransreizung unmittelbar vorangegangen ist, zu Herzstillstand. Dieser Herzstillstand hält häufig, namentlich bei vorgeschrittener Vergiftung, beträchtlich länger an als beim un- vergifteten Herzen. nach häufig viel ausgesprochener als nach 484 C. J. Rothberger und H. Winterberg: Wir haben diese auffallende Erscheinung nicht nur bei Hunden, sondern auch bei Katzen in einer schon im Jahre 1908 ausgeführten Versuchsreihe beobachtet. In der folgenden Figur 7a, welche von einer durch Medulladurchschneidung immobilisierten Katze stammt, sehen wir zunächst an den Suspensionskurven des rechten Vorhofs und des rechten Ventrikels, sowie an der aus der Karotis geschriebenen Blutdruckkurve (Hg-Manometer) den Effekt einer bei R.-A. 100 mm vorgenommenen 3 Sekunden langen Vagusreizung. Eine gleich lange Vaeusreizung bei demselben Rollenabstande nach intravenöser In- jektion von 3 cem 10 °/oiger CaCl;-Lösung (Fig. 7b) bewirkt einen die Reizung 5 Sekunden überdauernden Stillstand, während am un- vergifteten Herzen überhaupt keine vollständige Ruhe, sondern nur eine starke Verlangsamung zustande gekommen war. Während diese durch Caleium verstärkte Hemmungswirkung an den Vorhöfen fast immer zu sehen ist, schlagen die Herzkammern sehr häufig entweder während der ganzen Zeit des Vorhofstillstandes oder nur im Beeinne desselben automatisch weiter. Daraus resultiert namentlich, wenn nur die Pulskurve ins Auge gefasst wird, das paradoxe Phänomen, dass der Herzstillstand erst nach einer ausserordentlich verlängerten Latenzzeit, ja mitunter erst nach dem Sistieren der Vagusreizung und dann in verstärkter Weise einsetzt!). Ein solches Beispiel zeigt Fig. 8; auch hier wurde der Vagus 3 Sekunden lang bei R.-A. 100 mm gereizt, nachdem der 3300 g schweren Katze vorher 0,7 g CaCl; injiziert worden waren. Diese im Beginne oder während der ganzen Dauer einer Vagus- reizung an mit Calcium vergifteten Katzen sehr häufig beobachtete Kammerautomatie ist höchstwahrscheinlich darauf zurückzuführen, dass in den genannten Experimenten nur die Vagi, nicht aber die Acceleratoren durchschnitten worden waren. Die fort- bestehende tonische Erregung der Acceleratoren schafft so Bedingungen, welehe mit den früher bei kombinierter Vagus-Acceleransreizung er- örterten im Prinzipe identisch sind. Der Unterschied dürfte nur in der wechselnden Stärke des jeweils vorhandenen Acceleranstonus bestehen, und damit erklärt sich wohl auch die Inkonstanz und das oft frühzeitige Erlöschen der automatischen Kammertätigkeit mit dem folgenden so paradox erscheinenden Stillstande. Es macht einen 1) Winterberg, Studien über Herzflimmern. U. Mitteilung. Pflüger’s Arch. Bd. 122 8. 377. / Über die exper. Erzeugung extrasystolischer ventrik. Tachykardie ete. 4 E Alle drei Figuren zeigen von oben nach unten: die Suspensionskurve des rechten Vorhofes, die Kurve des Druckes aus der Karotis, die Suspensionskurve des rechten Ventrikels, die Reizmarkierung und die Zeit in Sekunden. Fig. 7a u. Fig. 7b stammen von dem Versuche vom 4. Mai 1908: Katze, 2500 o. Halsmark durchschnitten. — Fig. 7a. Vagusreizung bei R.-A. 10 cm. 3 Sek. Fig. 7b. Dasselbe nach 3 ccm 20°/oiger CaCls-Lösung in mehreren Dosen. Die Hemmungswirkung ist deutlich verstärkt und verlängert. Fig. 8. Versuch vom 11. Mai 1908. Katze, 3300 g. Halsmark durchschnitten. Vagusreizung bei R.-A. 10 cm. 3 Sek. nach 7 ccm 10 %Yoiger CaCl,-Lösung. Der Kammerstillstand tritt erst nach dem Ende der Vagusreizung auf. Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd, 142. 29 [573] 486 C. J. Rothberger und H. Winterberg: eigentümlichen Eindruck, wenn man sieht, dass die Vaguswirkung während der Reizung versagt oder doch stark abgeschwächt ist, während nach dem Ende der Reizung das Herz plötzlich für mehrere Sekunden stillsteht. Die zur Erzielung der verstärkten Vaguswirkung bei Katzen erforderlichen Caleiumdosen sind individuell sehr verschieden, im allgemeinen aber, wie auch die abgebildeten Versuche lehren, relativ sehr hoch. Erst 0,2—0,3 g CaCl, haben eine deutliche Wirkung. Dagegen beobachtet man nicht selten schon nach kleineren Dosen als Folge der Vagusreizung oder sogar als unmittelbare Folge der Injektion Vorhofflimmern. Letzteres wird auch von Gross angegeben. Eine Prüfung des kleinsten noch wirksamen faradischen Hem- mungsreizes vor und nach CaC],;-Injektion hat uns keinen Beweis für das Bestehen einer gesteigerten Erregbarkeit der Vagi im Sinne einer Herabsetzung der Reizschwelle durch das beigebrachte Gift geliefert. Wohl aber haben wir bei weiter fortgesetzter Caleium- applikation nicht selten spontane, periodisch eintretende, 10 Sekunden und darüber anhaltende Herzstillstände beobachtet, an die sich manch- mal Flimmern der Herzkammern anschloss. Es erscheint leicht möglich, dass zwischen der zunehmenden Verlangsamung der Schlag- folge bis zu den periodischen Stillständen und der beschriebenen verstärkten Hemmungswirkung des Vagus ein kausaler Zusammen- hang besteht, vielleicht in der Art, dass durch grössere Caleiumdosen die Bildung der normalen Ursprungsreize schon an und für sich erschwert wird, und dass aus diesem Grunde, nicht aber infolge erhöhter Er- regbarkeit, die Hemmungswirkung der Vagi an Dauer und Intensität gewinnt. Bezüglich der erwähnten periodischen Stillstände ist noch zu bemerken, dass dieselben in gleicher Weise auch bei atropini- sierten Tieren auftreten, also keinesfalls auf eine Erregung der Heimmungsnerven zu beziehen sind. Nach grossen Caleiumdosen kann es übrigens, wie wir dies auch bei Baryum erwähnt haben, selbst bei durchschnittenen Acceleratoren während einfacher Vagusreizung gelegentlich zu automatischen Kammerschlägen kommen. Bei der CGaleiumvergiftung scheint dies sogar häufiger vorzukommen als bei der Barytintoxikation. Uber die exper. Erzeugung extrasystolischer ventrik. Tachykardie etc. 487 III. Versuche mit Strontium- und Magnesiumchlorid. Im Gegensatz zu Baryum und Caleium sahen wir nach Injektion von Strontium und Masnesium weder bei Acceleransreizung allein, noch bei kombinierter Erregung der Vagi und Acceleratoren Kammer- automatie eintreten. Es erfolgten höchstens während der Vagus- hemmung einzelne selbständige Kammerkontraktionen in gleicher Weise wie vor der Verabreichung der betreffenden Agentien. Wir haben sehr grosse Dosen 10—15 eem 10°/oiger Lösungen von SrCl, und MeCl, verwendet und die Versuche abgebrochen, nachdem das Ergebnis derselben bis dahin als durchaus negativ be- zeichnet werden musste. Ob noch grössere Dosen vielleicht doch in ähnlicher Weise wirken wie Baryum und Caleium, haben wir nicht weiter verfolgt. Bezüglich des Strontiums erscheint uns dies nicht unwahrscheinlich, da wir in den oben erwähnten Versuchen an Katzen (1908) nach sehr grossen Strontiumdosen (mehrere Kubik- zentimeter 20 °%/oiger Lösung) Anfälle von Arhythmie und Tachy- kardie beobachtet haben. Bei den erfolelos mit Strontium oder Magnesium vorbehandelten Hunden hatte eine darauffolgende Darreichung kleinster Baryumdosen (0,005 g) stets die früher beschriebene charakteristische Wirkung. IV. Form und Grösse des E.-K. bei bestehender Kammer- automatie. Schon bei Durchmusterung der bisher gegebenen Abbildungen fällt eine gewisse Verschiedenheit der Form und der Grösse der von den automatisch schlagenden Kammern herrührenden Aktions- stromkurven auf. Dieselben zeigen im allgemeinen den Charakter zweiphasiger Schwankungen. Nach dem gegenwärtigen Stande unserer diesbezüglichen Kenntnisse (Kraus-Nicolai, Kahn) sind wir berechtigt, den Ursprung der diesen atypischen E.-K. entsprechenden Herzschläge in die rechte bzw. linke Herzkammer zu verlegen, je nachdem die erste Phase der Doppelschwankung nach auf- oder nach abwärts gerichtet ist. (Ableitung Ösophagus-Anus!) Livksseitige automatische Kammerschläge haben wir in Fig. le, 2b, 3 und 5 abgebildet. Doch weicht die Gestalt unserer E.-K. von der typischen Form meist mehr oder weniger ab. Dem gewöhn- lichen, aus einer steil abwärts gerichteten tiefen und einer aufwärts gerichteten flacheren, langsamer ablauferden Schwankung bestehenden Typus am nächsten stehen die in Fig. le dargestellten Formen, 33 + 488 C. J. Rothberger und H. Winterberg: namentlich bei der Rückbildung der Automatie. Auf der Höhe derselben zeigt aber das E.-K. bereits eine auffallend hohe und steile zweite positive Phase. Noch ausgesprochener ist diese sehr häufige Veränderung in Fig. 2b und 5 ausgeprägt. In Fie. 5 gehen die beiden Phasen der Doppelschwankung fast unver- mittelt ineinander über und man kann nur aus dem rascheren Ablauf der negativen Phase erkennen, dass es sich um linksseitige Extrasystolen handelt. Fig. 3, die eine den eben besprochenen ähnliche und sehr häufig zu beobachtende Form des E.-K. bei Baryt- [ERTERTETERESRUGTHERTER 15 KERURFORANAERRERREN Fig. 9. Versuch vom 10. Februar 1911. Linksseitige Automatie nach 0,05 g BaÜl, spontan entstanden. Jäher Form- und Grössenwechsel der E.-K. vergiftung darstellt, tritt eine gewisse Unregelmässigkeit in der Ge- stalt der einzelnen Aktionsstromkurven hervor. Es wechseln steilere und höhere mit fiacheren und niedrigeren Schwankungen ab. In den folgenden Fig. 9—14 geben wir eine Reihe weiterer Beispiele der bei linksseitiger ventrikulärer Automatie beobachteten E.-K.-Formen. Fig. 9 zeigt eine ganz unvermittelt eintretende Ver- grösserung der den linksseitigen Extrasystolen entsprechenden Aus- schläge. Die beobachteten Potentialschwankungen sind meist sehr hoch, manchmal reichte die Breite des zur Verfügung stehenden Papieres (6 em) nicht aus, um die Saitenausschläge zur Gänze auf- nehmen zu können. Selbst nach Einschaltung eines Widerstandes von 4000 @ (Saitenwiderstand 3500 2) sahen wir in einem Falle noch Ausschläge von 47 mm Höhe, wobei zu bemerken ist, dass die Über die exper. Erzeugung extrasystolischer ventrik. Tachykardie etc. 489 Spannung der Saite, wie in allen übrigen Versuchen; so gewählt war, dass einem Ausschlage von 10 mm eine E.M.K. von 1 Millivolt entsprach. Fig. 10. Versuch vom 23. Februar 1911. Vergiftung mit 0,3 g BaQl; in sechs Einzeldosen von 0,05 g. Automatie der linken Kammer durch Reizung des linken Accelerans nach Abklingen der spontanen Automatie. Fig. 11. Versuch vom 14. März 1911. Vergiftung mit 0,2 g BaCl, in zwei Dosen. Reizung des linken Accelerans nach abgeklungener spontaner Tachykardie. Es kommt aber auch insbesondere bei stärkerer Vergiftung mit BaCl, vor, dass bei bestehender ventrikulärer Automatie ganz kleine Saitenbewegungen verzeichnet werden, wie in Fig. 10, 11 und 12. In Fig. 10 und 11 sehen wir überdies, ähnlich wie in Fig. 9, ziem- lieh unvermittelte Variationen der Form und Grösse der E.-K. 490 C. J. Rothberger und H. Winterberg: Fig. 13 haben wir deshalb abgebildet, weil hier ganz eigenartige dreiphasige Schwankungen vorkommen. Dieselben entstehen dadurch, dass eine auch sonst nicht selten beim Übergang des absteigenden. zum aufsteigenden Schenkel der ersten negativen Phase befindliche Zacke (Fig. 3 und 5) besonders mächtig entwickelt ist. Fig. 14a endlich stellt eine andere, ebenfalls nicht seltene Form dreiphasiger Schwankungen dar, bei denen die erste Phase nach auf- wärts gerichtet ist. Man könnte deshalb in Zweifel sein, ob es sich Fig. 12. Versuch vom 10. Februar Fig. 13. Versuch vom 31. Juni 1911. 1911. Späteres Versuchsstadium (vgl. Vergiftung mit 0,05 g BaCl; und Fig. 9). Spontane Kammerautomatie Reizung des linken Accelerans. nach einer zweiten Dosis von 0,05 8 BaCl,. auch hier um links entspringende automatische Schläge handelt. Dieser Zweifel wird dadurch behoben, dass sich gewöhnlich zwischen dieser dreiphasigen Form fliessende Übergänge zu der typischen zweiphasigen finden (Fie. 14b). Kahn (l. ce.) hat die gleiche Form der Kammer-E.-K. nach Durchschneidung des His’schen Bündels be- obachtet, und sah darnach keine chronotrope Wirkung des Vagus auf die entsprechenden automatischen Kammerschläge '). 1) Kahn meint, dass die so gestalteten E.-K. von normaler Form sind, da sie aus einer R-Zacke, einer tiefen S-Zacke und einer hohen Nach- schwankung besteben. Wir glauben jedoch schon mit Rücksicht auf die ganz abnormen Grössenverhältnisse der Zacken, die über die sonst beobachteten Unterschiede weit hinausgehen, auch diese E.-K. als atypische bezeichnen zu sollen. Ob nach einem experimentellen Eingriff die resul- Über die exper. Erzeugung extrasystolischer ventrik. Tachykardie ete. 491 r 8 Z Ss = [eb] = R= an >) a a = = Ss N = Ss - iD ee . = = Sl [€ © m 580 <>2 SS © © ME eh) e =} se) N m 0 ee > fe Be Ro EmME = en) ii S 7a Se = =, = = 23 als SO) IS = [eb] aa a 5 = 2 2) SS! 2 BEN DD I a or no a — .— —i _ Ser) So: BR s$ 0) on 5 N SER Sr Ze En = = = {eb} = SS — un! ‚Ed je Auch die von der rechten Kammer ausgehenden automatischen Schläge unterscheiden sich vielfach in ihrer Gestalt von dem tierenden E.-K. typisch oder atypisch sind bzw. ob es sich um einen normalen oder abnormen Verlauf der Kontraktionswelle handelt, ist nach unserer Meinung in jedem speziellen Falle nur durch den Vergleich mit der vor dem Eingriffe beobachteten E.-K. Form festzustellen. 492 C. J. Rothberger und H. Winterberg: typischen E-.K. der rechtsseitigen Extrasystole. Zumeist, z. B. in Fig. 1b oder in Fig. 4, zeigen alle oder doch einzelne der rechts- seitigen automatischen Schläge eine nur schwach entwickelte zweite negative Phase; bisweilen fehlt diese sogar vollständig. Ist überdies die erste nach oben gerichtete Schwankung nicht sehr hoch (Fig. 1b), so wäre ohne Vergleich mit dem entsprechenden Normalelektrogramm bzw. mit den zugehörigen Suspensionskurven eine Verwechslung mit atrioventrikulären Kontraktionen mit negativer Nachschwankung möglich. Fig. 15. Versuch vom 23. Mai 1911. Vergiftung mit 0,03 g BaCl,. Kammer- Ace. r. automatie nach kombinierter Reizung von Oft wechseln solche und andere (Fig. 15) weniger charakteristische E.-K. mit ganz typischen rechtsseitigen Extrasystolen. Gelegentlich erfolgt der Übergang einer Form in die andere ganz allmählich, um, wenn das eine Extrem erreicht ist, plötzlich wieder in das andere umzuschlagen. So z. B. in Fig. 16, welche aus demselben Versuche stammt wie Fig. 4, mit dem Unterschiede, dass nach Ablauf der in Fig. 4 dargestellten, spontan entstandenen Automatie durch Reizung des rechten Accelerans (Fig. 16) diese neuerdings hervorgerufen wurde. Dieser verschiedenen Genese ent- sprieht auch die grössere Frequenz, namentlich der Vorhofschläge in letzterem Falle. Wir haben schon früher erwähnt, dass von der Regel, dass nach Reizung des rechten Accelerans rechtsseitige, nach der des linken Über die exper. Erzeugung extrasystolischer ventrik. Tachykardie etc. 493 g des rechten Accelerans nach abgeklungener Reizun spontaner Automatie (Fig. 4). Vergiftung mit 0,015 g BaQl,. 4 13 IH \ \ | en \ 4 | | N € 1 { \ } 3 \ \ $ \ B \ en | Fig. 16. Versuch vom 13. März 1911. linksseitige Automatie zustande kommt, abweichende Befunde er- hoben werden können. So entwickelten sich nach kombinierter ; a 2 Reizung des er die in Fig. 17a abgebildeten automatischen ag. r. ‚royeds 'y9S c/o (q 9eg 3 100 Weu — —— - sap Zunzioy Yıalmıqwoy (® "IIGT TEN "LT WoA yonsaoyA LT 'BLF . “QIL II WILL DIA Über die exper. Erzeugung extrasystolischer ventrik. Tachykardie etc. 495 Schläge, von denen man nicht recht sagen kann, welchem Typus sie zuzurechnen sind, bis sich fast unmittelbar darauf (Fie. 17b) eine Form entwickelt, die wohl dem Typus. linksseitiger Extrasystolen zuzuzählen ist. Entstehen nach Reizung des rechten Accelerans linksseitige Extrasystolen, so weisen sie doch gegenüber den nach Reizung des linken Accelerans zu beobachtenden, ebenfalls links- seitigen Schlägen sowohl in ihrer Form als auch in ihrer Grösse meist sehr deutliche Verschiedenheiten auf. Endlich können auch rechtsseitige Extrasystolen in linksseitige oder umgekehrt letztere in rechtsseitige übergehen. Relativ häufig f EEE ERZEREEEEREREEEEERRENEEZEERFESUERFEREE ET : EuE ee 1 LER EEREUNEREZRER DEREN ITRITETTICTTÜLLTERLELEEFPFFLLERELDD | Er 2 j £ ert ARBERRENBANNERERETADAERZE Fig. 18. Versuch vom 13. April 1911. Vagusreizung (R.-A. 0) bei spontan ent- standener linksseitiger Automatie (0,2 g BaCl,). Ubergang in rechtsseitige Automatie sahen wir dieses Umschlagen des einen Typus in den anderen, wenn bei bestehender ventrikulärer Tachykardie eine starke und sehr lange dauernde Vagusreizung vorgenommen wurde. In Fig. 18 ist das Ende einer Vagusreizung (R.-A. 0) bei bestehender linksseitiger Auto- matie abgebildet. Die Vorhöfe sind gänzlich ruhig gestellt, die erste ‘ Kammersystole zeigt in ihrem E.-K. noch deutlich den Charakter linksseitigen Ursprunges, dann folgen einige E.-K. unbestimmter ‘Genese und auf diese sodann rechtsseitige Extrasystolen. Obwohl in anderen Fällen der eben besprochene Übergang ganz ausbleibt _ oder erst spät nach dem Sistieren der Vagusreizung, ja unter Um- ständen auch ohne jeden weiteren Eingriff spontan erfolgt, so glauben wir doch auch in diesen Beobachtungen einen Anhalts- 496 "0. J. Rothberger und H. Winterberg: punkt dafür zu besitzen, dass den Hemmungsnerven ein gewisser Einfluss auf die ventrikuläre Reizbildung vielleicht doch nicht absolut abgesprochen werden kann. Die Vielgestaltigkeit der E.-K., die wir trotz der zahlreichen Illustrationen auch nicht annähernd vollständig zu reproduzieren vermögen, kann darauf zurückgeführt werden, dass der Ausgangs- punkt der einzelnen Kontraktionen wechselt oder darauf, dass der einzelne Schlag durch das Zusammenwirken von mehreren, an verschiedenen Stellen entstehenden Kontraktionswellen zustande- kommt. Für die erstgenannte Möglichkeit spricht der Umstand, dass die automatische Kammertätigkeit, die spontan oder durch Accelerans- reizung nach Baryum- und Caleium-Intoxikation entsteht, fast nie vollkommen rhythmisch ist. Die Ursache für die Rhythmusstörung könnte entweder in einer unregelmässigen Entstehung der an einer bestimmten Stelle sich bildenden automatischen Kammerreize oder darin gelegen sein, dass die Reizentwicklung an multiplen Punkten erfolet. Für die erstere Annahme haben wir keinen bestimmten Anhaltspunkt. a Dagegen scheint uns die Auffassung, dass die Unregelmässigkeit der automatischen Kammerschläge durch das Abwechseln einer Mehr- zahl Kontraktionsreize produzierender, in den Herzkammern ge- legener Stellen zustande kommt, vor allem dadurch gestützt zu werden, dass zwischen dem Grade der Arhythmie und dem Formen- und Grössenwechsel der Elektrokardiogramme ein unverkennbarer Zusammenhang besteht !). Wenn man mit Rücksicht darauf die einzelnen in dieser Mit- teilung enthaltenen Abbildungen betrachtet, so tritt dies augenfällig genug hervor. Dort, wo die Arhythmie erheblicher ist, wie z. B. in Fig. 2e, 4, 9, 10, 11, 15 usw., zeigen die Kurven auch einen stärkeren Wechsel in der Gestalt und Grösse der E.-K., und es erscheinen umgekehrt die E.-K. um so gleichmässiger, je weniger ausgeprägt die Störung der Schlagfolge ist, wie in Fig. 1b, 1e, 2b, 3 und ins- besondere in Fig. 5. Gerade das letztere Beispiel verdient deshalb besonders hervorgehoben zu werden, weil sich in diesem seltenen 1) In ähnlicher Weise spricht sich auch Lewis (Mechanism of the heart beat p. 186) dahin aus, dass beim Bestehen rhythmischer tachykardischer Herz- schläge ein einziger Punkt für die Reizbildung anzunehmen ist. Über die exper. Erzeugung extrasystolischer ventrik. Tachykardie ete. 497 Falle fast vollständig regelmässiger automatischer Kammerschläge auch gleichförmige, geometrisch nahezu kongruente Kammerelektro- eramme vorfinden. Auch die früher beschriebene eigentümliche Allorhythmie ist wohl kaum anders zu deuten als durch Interferenz von Kontraktions- reizen, die an verschiedenen Punkten gebildet werden. Die zweite, oben erwähnte Möglichkeit, nämlich ein Zusammen- wirken mehrerer Kontraktionswellen kann nur dann in Betracht kommen, wenn multiple wirksame Reize gleichzeitig oder doch nahezu gleichzeitig gebildet werden. Dieses Vorkommnis, welches natürlich an sich keine Rhythmusstörung bedingt, scheint eben- falls in unseren Experimenten nicht allzu selten zu sein. Ins- besondere dürften beim Eintritte und beim Erlöschen der durch Acceleransreizung erzeugten ventrikulären Automatie günstige Bedingungen für ein Zusammentreffen der normalen, vom Vorhofe herabgeleiteten und einer zweiten, im Ventrikel entstandenen Kontraktionswelle ge- geben sein!). Vergegenwärtigen wir uns die Vorgänge, die sich nach Acceleransreizung bis zum Dominieren des heterotopen Ven- trikelrhythmus abspielen. Der Accelerans beschleunigt einerseits die Frequenz der physiologischen Reize und regt andererseits die Bildung der automatischen Ventrikelreize an. Die chronotrope Wirkung auf die physiologische Reizbildung wird rascher effektiv, und daher kommt es zunächst zu einer Beschleunigung, wobei je- doch die Schlagfolge normal bleibt. Inzwischen wächst aber lang- sam die Geschwindigkeit der ventrikulären Reizbildung; sie erreicht die Frequenz der physiologischen Ursprungsreize und überflügelt sie endlich. Es muss also zwischen den beiden Stadien des anfangs vor- herrsehenden normalen und des später dominierenden ventrikulären Rhythmus eine Periode eingeschaltet sein, in welcher die nomotopen und die heterotopen Reize in gleicher Frequenz entstehen. Ja es werden sogar, solange dies der Fall ist, die Momente der Reizbildung beider Stellen annähernd zusammenfallen. Diese Gleichzeitigkeit wird da- 1) Eine solche Interferenz zeigt sehr schön ein von Lewis ausgeführtes Experiment (l. c. S. 152 u, Fig. 120), in welchem in verschiedenen Momenten des Intervalls As —Vs künstlich von der Herzoberfläche Extrasystolen ausgelöst wurden. 498 C. J. Rothberger und H. Winterberg: «durch herbeigeführt, dass beim Passieren der normalen Kontraktionswelle das anderwärts gebildete Reizmaterial vernichtet wird (Engelmann, Wenekebach). Es wird also die heterotope Reizbildung dasselbe Tempo einschlagen, in welchem die normalen Ursprungsreize ein- fallen. Diese Intervalle genügen aber anfangs noch nicht, um die heterotopen Reize zu der Höhe anwachsen zu lassen, welche zur Auslösung einer Systole notwendig ist. Durch den fortwirkenden fördernden Einfluss der Acceleratoren wird jedoch der Prozess der heterotopen Reizbildung zunehmend immer mehr beschleunigt, die Entwicklung zureichender automatischer Reize in den Ventrikeln geschieht rascher und rascher, bis endlich der Zeitpunkt eintritt, wo die Herzkammern gleichzeitig auf der normalen Bahn und von einem Punkte ausserhalb derselben wirksam erregt werden. Nun beginnt die Doppelregung der Herzkammern und dauert so lange an, bis die immer noch weiter wachsende Beschleunigung der heterotopen Reizentwicklung zu einem solchen Vorsprung -der entsprechenden Kontraktionswellen geführt hat, dass die physiologischen Reize voll- ständiz in die refraktäre Phase derselben fallen. Auf diese Weise erklärt sich nun ganz ungezwungen die auf- fallende Erscheinung, dass in vielen Fällen, wo nach Accelerans- reizung ventrikuläre Automatie eintritt, zwischen den normalen und den für die autochthone Ventrikelerregeung charakteristischen Elektro- srammen eigentümliche Übergangsformen sichtbar werden. Sehr schön tritt dieses Verhalten in Fig. 2b hervor. Auf vier normale E.-K. folgt vor dem Eintritt der typischen linksseitigen Extra- systolen eine Gruppe von vier E.-K., die in allmählichem Über- sang zu den atypischen Formen hinüberleiten. Vergeblich würde man aus den Suspensionskurven den Sachverhalt zu erkennen suchen. Die normale Sukzession ist noch nicht nachweisbar ge- stört zu einer Zeit, wo das E.-K. schon deutliche Veränderungen aufweist und der Vorhof schlägt noch voran, während das E.-K. schon deutlich anzeigt, dass in der linken Kammer die automatische Reiz- bildung beeonnen hat. Ebenso wie der physiologische Leitungsreiz mit einem hetero- topen Reize, so können zwei und mehrere heterotope Reize auch untereinander interferieren, sobald sie annähernd gleichzeitig ent- stehen. Auch dieses Zusammentreffen findet ohne Zweifel seinen Ausdruck in der Form der zugehörigen E.-K., wenn es auch schwer, ja unmöglich sein mag, im einzelnen Falle zu entscheiden, ob eine Über die exper. Erzeugung extrasystolischer ventrik. Tachykardie etc. 499 solche Interferenz vorliegt, oder ob es sich um eine eigenartige Form des E.-K. handelt, die einem experimentell noch nicht genauer be- stimmten Ausgangspunkte der automatischen Kammerkontraktion entspricht. V. Wirkungsweise und Angriffspunkt von Baryum und Caleium. Das wichtigste Ergebnis der vorliegenden Versuche bildet offen- bar die Tatsache, dass mit Baryum oder Caleium vorbehandelte Herzen auf Acceleransreizung mit ventrikulärer extrasystolischer Tachy- kardie reagieren. Der wesentliche Unterschied, welcher gerade hierin zwischen normalen und mit den genannten Erdalkalien vergifteten Tieren besteht, lässt sich nur durch die Annahme erklären, dass sowohl Baryum als auch Caleium zu den von uns gesuchten Mitteln gehören, welche jene Apparate, von welchen die Entstehung automatischer Kontrak- tionsreize in den Herzkammern abhängig ist, für die Einwirkung der Acceleratoren zueänglicher machen, oder, mit anderen Worten, welche die Erregbarkeit dieser Apparate steigern. Die Beobachtung, dass grössere Dosen von Baryt oder Kalk schon für sich allein ventrikuläre Automatie erzeugen, könnte aller- dings die Meinung erwecken, dass die Wirkungsweise dieser Agentien nicht auf gesteigerter Erregbarkeit, sondern auf direkter Erregung der ventrikulären Reizbildunestellen beruht, und dass durch die Acceleransreizung nur die Frequenz schon vorhandener, durch die Einwirkung des Giftes gebildeter, aber latenter Reize so weit ge- steigert wird, dass sie gegenüber den sonst deminierenden Ur- sprungsreizen zur Geltung gelangen. Dass diese Annahme unzutreffend ist, lehren jedoch die Er- gebnisse .einfacher Vagusreizung ohne vorangegangene Erregung der Acceleratoren. Unter diesen Umständen tritt, wie früher ausgeführt wurde, der gewöhnliche Hemmungseffekt noch zu einer Zeit ein, in weleher mit Acceleransreizung kombinierte Vaguserregung oder Reizung des linken, ja auch des rechten Accelerans mit Sicherheit ventrikuläre Automatie erzeugt. Nur nach grossen Dosen von Baryum und namentlich von Caleium und auch da in sehr inkonstanter Weise wird durch einfache Vagusreizung das Herz in manchen Fällen nicht mehr zum Stillstande gebracht. Hier liegt dann tatsächlich 500 | GC. J. Rothberger und H. Winterberg: eine Erregung der reizerzeugenden Apparate der Herzkammern vor, die entweder direkt durch die grossen Giftmengen bedingt wird oder dadurch zustande kommt, dass die primäre Steigerung der Er- regbarkeit sekundär unter dem Einflusse physiologisch vorhandener Reize zur Erregung führt. In analoger Weise kommt es ja auch bei höheren Graden von Strychninintoxikation scheinbar spontan zum Auftreten von Krämpfen, die aber dennoch reflektorisch ausgelöst werden. Die fürs erste gewiss überraschende und befremdende Tatsache, dass nach mittleren Barytdosen nur durch Reizung des linken Accelerans ventrikuläre Tachykardie entsteht, und dass dieselbe durch Erregung des rechten Accelerans sogar aufgehoben wird, ist in sehr einfacher Weise zu erklären. Die Führung des Herzschlages wird in der Regel durch jenen Punkt bestimmt, der die frequentesten Kontraktionsreize bildet. Trotz der gesteigerten Erregbarkeit der reizerzeugenden Apparate in den Ventrikeln ist die durch Reizung des rechten Accelerans zu erzielende Frequenz der automatischen Kammerschläge bei mittleren Baryum- bzw. Calciumdosen geringer als die gleichzeitig bewirkte Beschleunigung der normalen Ursprungsreize. Daher bestimmen die letzteren nach wie vor den Ablauf der Kontraktionswelle des Herzens und unterdrücken die weniger frequenten im Ventrikel gebildeten Reize. Anders verhält es sich dagegen bei Reizung des linken Accelerans, der ja gewöhnlich eine viel geringere Beschleunigung der physiologischen Reize bewirkt. Dieselbe bleibt deshalb viel eher hinter jener der im Ventrikel gebildeten Kontraktionsreize zurück, so dass letztere die Führung des Herzschlages übernehmen. Dass es sich wirklich so verhält, lässt sich leicht durch die Be- stimmung der Minutenfrequenz erweisen, die in den einzelnen Fällen durch Reizung des rechten Accelerans einerseits und durch die des linken Accelerans andererseits im Vergleiche zu der durchschnittlichen Schlagzahl der automatisch tätigen Ventrikel zu erzielen ist. Die Richtigkeit dieser Auffassung lässt sich ferner experimentell durch künstliche Herabsetzung der Reizbildungsfähigkeit des Keith- Flack’schen Knotens, des Aussangspunktes der normalen Herz- reize, nachweisen. In Fig. 2b sahen wir nach Applikation von 0,02 BaCl, durch Reizung des linken Accelerans, der den normalen Herzschlag (Fig.2a) von 0,42 auf 0,32 Sek. verkürzte linksseitige Automatie einsetzen. Dagegen Über die exper. Erzeugung extrasystolischer ventrik. Tachykardie etc. 501 blieb nach Reizung des stärker beschleunigenden rechten Accelerans (V,—V,— 0,26—0,27 Sek.) (Fig. 2 c) die normale Schlagfolge ungestört und erst durch Reizung des Vagus wurde die automatische Tätig- Eintritt rechtsseitiger c.) Reizung des rechten Accelerans eith-Flack’schen Knotens. (Vgl. Fig. 2a, b, Kammerautomatie. Fig. 19. Versuch vom 7. März 1911. nach vorausgegangener Kühlung des K keit der rechten Kammer demaskiert. In dem gleichen Experimente wurde sodann die Gegend des Keith-Flack’schen Knotens durch Chloräthylspray abgekühlt. Jetzt ist durch Reizung des rechten Accelerans (Fig. 19).nur noch ungefähr die gleiche Beschleunigung zu erzielen (V;,—V,— 0,31 Sek.) wie früher durch Erregung des linken Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd. 142. RX 502 C. J. Rothberger und H. Winterberg: Accelerans; dafür tritt aber unter den so geänderten Umständen die Automatie der rechten Kammer auch ohne Intervention einer Vagusreizung deutlich zutage. Warum nach kleinen Dosen von Baryum und Calcium nur durch kombinierte Reizung der Acceleratoren und der Vaci ventrikuläre Automatie eintritt, bedarf nunmehr keiner weiteren Begründung. Desgleichen fehlt selbstverständlich die unterschiedliche Wirkung des rechten und linken Accelerans in allen jenen Fällen, in denen beide Nerven gleiche chronotrope Wirksamkeit besitzen, und es lässt sich unschwer voraussehen, dass, wenn einmal der linke Accelerans, wie es ausnahmsweise vorkommt, stärker beschleunigend wirkt als der rechte, nur durch Reizung des letzteren in einem gewissen Stadium der Barytvergiftung ventrikuläre Tachykardie entstehen wird. Ebenso ist es leicht begreiflich, dass nach stärkerer Herabsetzung der Schlagfrequenz bei vorgeschrittener Intoxikation oder infolge längerer Versuchsdauer beide Acceleratoren tachykardische Anfälle auslösen. Unter diesen Umständen ist nämlich, wie wir uns speziell überzeugt haben, die durch Acceleransreizung zu erzielende Be- schleunigung zwar prozentuell ebenso bedeutend wie früher, aber ab- solut geringer, während die Frequenz der ventrikulären Reizbildung auch in absoluten Werten gemessen keine Einbusse erlitten hat. Ausser diesen in erster Linie in Betracht kommenden Kon- kurrenzverhältnissen, die durch die Frequenz der nomotopen und heterotopen Reizerzeugung nach der einen oder anderen Richtung entschieden werden, scheint der linke Accelerans schon unter physio- logischen Bedingungen die Reizbildung der linken Kammer stärker anzuregen als der rechte Accelerans die von ihm versorgten Kammerteile. Wir verweisen diesbezüglich auf unsere vorangegangene Mitteilung. Darin liest wohl auch der Grund, dass bei kombinierter Accele- rans- und Vagusreizung nach kleinen Mengen von Baryum oder Caleium die automatischen Schläge des linken Ventrikels früher und mit etwas grösserer Sicherheit aufzutreten pflegen als jene des rechten. Auffallend ist auch der Umstand, dass die spontane ventri- kuläre Tachykardie besonders häufig vom linken Ventrikel aus- geht, ein Unterschied, der sich jedoch bei sehr starker Vergiftung oft wieder verwischt. Es wäre daran zu denken, dass durch die Drucksteigerung infolge der durch Caleium und namentlich durch Baryum bewirkten Gefässkonstriktion die Reizbildung im linken Über die exper. Erzeugung extrasystolischer ventrik. Tachykardie etc. 508 Ventrikel begünstigende Verhältnisse geschaffen werden, und dass darauf auch das Prävalieren des linken Accelerans zurückzuführen sei. Wir haben gerade deshalb die Blutdruckverhältnisse beider Barytvergiftung genau verfolgt. Dabei hat sich herausgestellt, dass die älteren Angaben von enormer Steigerung des Blutdruckes durch Baryum wenigstens für die von uns gewählten Versuchsbedingungen und Versuchstiere nicht zutreffen. Nach kleinen und mittleren Baryumdosen stieg der Blutdruck auch von niedrigen Anfangswerten (ea. 60 mm Hg) um höchstens 30 mm Hg; bei Eintritt tachykardischer Paroxysmen nach Acceleransreizung oder infolge stärkerer Vergiftung ‘sank derselbe sogar unter das Ausgangsniveau. Da überdies der linke Accelerans sich auch noch zu einer Zeit als wirksam erwies, zu welcher der Blutdruck schon lange zur Norm zurückgekehrt war, so glauben wir den Druckverhältnissen in den Herzkammern und speziell im linken Ventrikel bei dem Zustandekommen der Auto- matie keinerlei Einfluss zuschreiben zu sollen. In unseren bisherigen. Erörterungen haben wir immer wieder von den reizerzeugenden Apparaten in den Herzkammern gesprochen. In der Steigerung ihrer Erregbarkeit haben wir soeben den wesent- lichen Mechanismus der Baryt- und Kalkwirkung erkannt. Wir haben aber schon einleitend hervorgehoben, dass diese von Nicolai’) _ auch als tertiäre Reizbildungszentren bezeichneten Apparate ihrer eigentlichen Natur nach unbekannt sind. Wenn wir somit die Frage nach dem Angriffspunkt der Baryum- und Caleiumwirkung beantworten könnten, so würden wir damit ; auch das gewebliche Substrat der Reizerzeugung im Herzen be- zeichnen. Schon deshalb verlohnt es sich, nicht nur unsere eigenen Befunde, sondern auch die auf die Wirkungsweise und den Wirkungs- ort dieser Gifte Bezug habende Literatur zu Rate zu ziehen. Die Wirkung des Baryums . wurde in eingehender Weise und mit spezieller Rücksicht auf das Herz und das Gefässsystem schon von Boehm:) im Jahre 1875 untersucht. Dieser Autor fand, so- weit es die uns interessierenden Phänomene betrifft, dass die Baryt- 1) Nicolai, Die tatsächlichen Grundlagen einer myogenen Theorie des Herzschlages. Arch. f. Anat. u. Physiol. 1910. 8.1. 3) Boehm, Über die Wirkungen der Barytsalze auf den Tierkörper. Arch. f. exper. Pathol. u. Pharmakol. Bd. 3 S. 216. 1875. 5 4 * r 504 C. J. Rothberger und H. Winterberg: salze die Herzarbeit vermehren und bei Säugetieren systolischen Stillstand des linken Ventrikels erzeugen. -Im Widerspruche zu unseren Beobachtungen steht, wie schon erwähnt wurde, die Angabe Boehm’s, dass die Barytsalze die Enden des Hemmungsvagus lähmen. Ferner gibt Boehm an, dass die Barytsalze in mittleren Dosen auf der Höhe der Blutdruck- steigerung eine enorme Erhöhung der Pulsfrequenz bedingen. Aus der Erhöhung der Pulsfrequenz zieht nun Boehm den für uns wichtigen Schluss auf Reizung des Accelerans. Eine Prüfung des Verhaltens der Accelatoren wurde jedoch von Boehm aus dem Grunde unterlassen, „weil dieser Nerv bei der Katze noch nicht genau bekannt war“; sonst wäre wohl die Ent- stehung der Tachykardie und Arhythmie infolge von Aceelerans- reizung schon von Boehm entdeckt worden. Besonders hebt Boehm die stürmischen Gastrointestinalsymptome hervor und sieht in den- selben einen der Wirkung auf die Gefässe, die durch Baryt unab- hängig von dem medullären Zentrum verengert werden, analogen Vorgang. Die endgültige Entscheidung, ob dabei die Muskeln selbst oder die Nerven primär von dem Gifte betroffen werden, ob also die Barytsalze einen starken Reiz für das gesamte sympathische Nervensystem abgeben oder zu den glatten Muskeln spezifische Be- ziehungen haben, lässt Boehm dahingestellt. Ringer!) behandelt 1883 die physiologische Wirkung von Baryumcechlorid und sucht die Frage zu entscheiden, ob der systolische Stillstand und die Blutdrucksteigerung lokal oder nervös bedingt sind. Er kommt zu dem Ergebnis, dass es sich um vom zentralen Nervensystem unabhängige lokale Wirkungen handelt, ohne aber noch weiter zwischen lokalen Nervenapparaten und der Musku- latur zu differenzieren. Immerhin meint er aber, dass die Alter- native, ob es sich um eine Wirkung auf das gesamte sympathische System oder um eine spezifische Wirkung auf die glatte Muskulatur handelt, zugunsten der letzteren Annahme zu ent- scheiden sei. Brodie und Dixon?) haben gefunden, dass BaCl, auch die l) Ringer, Investigations in to the physiological action of Barium chloride. The Brit. med. Journ. vol. 2 p. 265. 11. Aug. 1883. 2) Brodie and Dixon, Contributions to the physiology of the lungs. II. Journ. of Physiol. vol. 30 p. 476. 1904. Über die exper. Erzeugung extrasystolischer ventrik. Tachykardie etc. 505 Lungengefässe verengert, und ziehen daraus den Schluss, dass es sich um eine direkte Wirkung auf die Muskulatur handelt. Besonders beachtenswert sind Versuche von Magnus!), in denen er die Darmwirkung der Barytsalze in einer unsere Frage- stellung nahe berührenden Weise studiert hat. In seiner schönen Arbeit am überlebenden Dünndarm weist Magnus darauf hin, dass die Innervation des Darmes in vieler Beziehung Analoeien zu der des Herzens zeigt. Er hat eine Reihe von Giftwirkungen auf den Darm näher studiert und den Angriffspunkt verschiedener Substanzen genauer bestimmen können, indem er dieselben auf solche Schichten der Darmwand einwirken liess, welche den Auerbach’schen Plexus noch enthielten, andererseits auf solche, welehe von ihm be- freit waren. Bezüglich des Baryums fand nun Magnus, dass sein Angriffspunkt peripher vom Auerbach’schen Plexus liegt. „Baryt ruft bei allen nur irgendwie erregbaren plexusfreien Präparaten deutliche Kontraktionen hervor, z. B. auch an solehen, welche vorher auf Pilokarpin und Strophantin nicht reagiert haben.* Dieses Ver- halten kann nach Magnus zwei Gründe haben. Entweder ist Baryt ein sehr viel stärkeres Erregungsmittel als die anderen, oder es hat einen anderen Angriffspunkt. Es würden dann Strophantin, Pilokarpin und Physostigmin an den Nerven oder den Nervenenden der zentren- freien Präparate angreifen und Baryt an den Muskelfasern selbst. „Diese letztere Annahme hat sehr viel Wahrscheinliches, denn man findet Präparate, welche auf mechanischen Reiz sich ausserordent- lich lebhaft zusammenziehen und auf Strophantin usw. nicht reagieren. Dagegen ist Baryum ebenso wie der mechanische Dehnungsreiz noch gut wirksam, und von dem mechanischen Dehnungsreiz wird von allen Untersuchern angenommen, dass er auf die glatte Muskulatur selbst wirkt.“ Unsere Beachtung verdient ferner die Beobachtung von Magnus, dass der Barytwirkung eine Erregbarkeitssteigerung voran- zugehen scheint. „Wenigstens zeigten Präparate, welche in der Normalperiode nicht reagierten, nach Zusatz von Baryt deutliche Kontraktionen auf Dehnungsreiz.“ Endlich nimmt nach Magnus der Baryt auch insofern eine Sonderstellung ein, als Suprarenin auf 1) Magnus, Versuche am überlebenden Dünndarm von Säugetieren. V. Wirkungsweise und Angriffspunkt einiger Gifte am Katzendarm. Pflüger’s Arch. Bd. 108 S. 1. 1905. 506 C. J. Rothberger und H. Winterberg: der Höhe der Barytwirkung keine hemmende Wirkung zeigt, während es diese nach allen Erregungen aufs deutlichste entfaltete, die durch Pilokarpin, Strophantin und Atropin hervorgerufen sind. Auch dieses Verhalten widerspricht nach Magnus zum mindesten der Annahme nicht, dass BaCl, an den Muskelfasern selbst angreift. Trotzdem ist, wie Magnus ausdrücklich bemerkt, die Annahme des ver- schiedenen Angriffspunktes von Baryt und den anderen peripheren Erregungsmitteln (Strophantin) nur eine, wenn auch wahrscheinliche Hypothese. Sehr interessant ist das von Loeb!) festgestellte abweichende Verhalten von BaCl, gegenüber den anderen Erdalkalien. Während Ca, Mg und Sr die zuckungserregenden Wirkungen der Natrium- salze hemmen, wirkt BaCl, erregend nicht nur, wenn man das Salz zu einer Kochsalzlösung zusetzt, sondern auch in einer reinen Lösung. Ba ist nach Loeb nicht nur kein hemmendes Ion, sondern seine erregende Wirkung übertrifft noch bei weitem jene der Na-Salze. „Es ist zweifellos,“ sagt Loeb, „dass alle diejenigen Salze eine stark erregende Wirkung haben, welche Ca zu fällen inıstande sind, was leicht verständlich ist im Hinblick auf die Tatsache, dass Ca die rhythmischen Zuckungen hemmt, welche in Na-Salzen entstehen.“ Die hemmende Wirkung des Caleiums auf die rhythmischen Zuckungen in NaCl-Lösung befindlicher Muskeln hat zuerst Ringer?) nachgewiesen, und nach Loeb (l. ce.) wirkt eine Zunahme des Quo- Cna (Konzentration der Na-Ionen Coca nn der Ca-Ionen erregend, eine Abnahme dieses Wertes dagegen-hemmend. Ähn- liches gilt auch von K, Mg und Sr. Loeb?°) hat aber weiter ge- zeigt, dass es auch muskulöse Gebilde gibt, bei denen nicht eine tienten ) im allgemeinen muskel- eine höhere & IR Cn Erhöhung, sondern eine Erniedrigung des Wertes 5 = Ca Erregbarkeit bewirkt. Wenn man nämlich bei einer Hydromeduse 1) Loeb, Über physiologische Ionenwirkung usw. Handb. d. Biochemie d. Menschen u. d. Tiere Bd. 2 S. 130. S. Fischer, Jena 1908. 2) Ringer, Further experiments regarding the influence of small quantities of lime, potassium and other salts on muscular tissue. Journ. of Physiol. vol. 7 p- 291. 1886. 3) Loeb, The stimulating and inhibitory effects of Magnesium and Calcium upon the rhythmical contractions of a Jelly fish. Journ. of Biol. Chem. vol. 1 p. 427. 1906. Über die exper. Erzeugung extrasystolischer ventrik. Tachykardie etc. 507 Polyorchis den Rand abschneidet, welcher das Zentralnervensystem enthält, so ist das übrigbleibende Zentrum meist nicht imstande, sich im Seewasser rhythmisch zu kontrahieren; wohl aber geschieht dies nach Hinzufügen von CaCl,; in derselben Weise wirkt SrCl, und noch energischer BaCl,. Es sei hier jedoch auf die noch weiter unten zu besprechenden Befunde von Bethe hingewiesen. Nach Howell!) hängt der Reiz, welcher zur Herzkontraktion führt, von der Gegenwart von Ca-Verbindungen im Blute ab. Eine ähnliche Meinung hat später auch Hering geäussert, indem er be- hauptet, dass die Kalksalze in naher Beziehung zur Bildung der Ursprungsreize stehen. Langendorff und Hueck?) dagegen sahen nach CaCl, (1—1,5 eem 1°/o CaCl,;) keine Pulse an der nach Bernstein ab- geklemmten Herzspitze auftreten, wohl aber wurde die Er- regbarkeit des Herzmuskels gesteigert gefunden, so dass schon schwächere mechanische Reize als vorher genügten, um einen Pulsschlag zu erzeugen. Eine Verstärkung der automatischen Reize müsste sich nach Langendorff und Hueck vor allem in einer gesteigerten Frequenz äussern. Nun ist aber das Tempo, in dem die Reizantriebe erfolgen, in jeder Hinsicht von der Anwesen- heit von Ca-Ionen unabhängig. Beim Froschherzen wird sogar die Schlagfrequenz durch Ca regelmässig verlangsamt. Mit kalkfreier Speisungsflüssiekeit behandelte stillstehende Herzen reagieren auch auf äussere Reize nicht; es fehlt also die Kontraktilität, nicht aber der innere Reiz. Bei Säugetieren ist die Wirkung des Caleiums eine ähnliche. Bei Katzen beobachteten Langendorff und Hueck nach intravenöser Injektion allerdings manchmal Steigerung der Frequenz, die sie aber als sekundäre, durch die Druck- erhöhung bedingte Erscheinung erklären. In ähnlicher Weise wird von den Autoren die am isolierten Katzenherzen nach Kalk auftretende geringe Frequenzzunahme auf Steigerung des Blutdurchflusses und Erhöhung der Temperatur zurückgeführt, die von der primären Zunahme der Kontraktionsstärke abhängt. 1) Howell, On the relation of the blood to the automaticity and sequence of the heart beats. Americ. Journ. of Physiol. vol. 2 p. 47. 1899. 2) Langendorff und Hueck, Die Wirkung des Caleiums auf das Herz. Pflüger’s Arch. Bd. 96 S. 473. 1903. 508 C. J. Rothberger und H. Winterberg: Langendorff und Hueck schliessen deshalb, dass das Ca für die Leistung des Herzens dadurch von Bedeutung ist, dass es dessen kontraktile Elemente arbeitsfähiger macht, also eine inotrope, vielleicht auch bathmotrope Wirkung ausübt, nicht aber dadurch, dass es als chemischer Herzreiz wirkt. Gross') fand nach Caleium regelmässig Beschleunigung der Herzschläge, glaubt aber, dass sich auf Grundlage der myogenen Lehre die Zunahme der Schlasfrequenz in Koordination mit der Er- höhung der Kontraktilität erklären lässt. Er stimmt mit Langen- dorff’s Ansicht überein, dass Ca keinen direkten Herzreiz bildet. Pauli und Fröhlich?) sahen nach Dosen von ana Zenti- srammen bei Hunden meist Pulsverlangsamung. Popielski°) dagegen gibt wieder Beschleunigung der Herz- schläge durch CaC]l, an. Er beruft sich dabei als Beleg auf eine Abbildung (Taf. V Fig. 3), die jedoch nicht eine Zunahme, sondern im Gegenteil eine geringe Abnahme der Schlagfrequerz nach CaCl, zeigt. Bethe*) hat unter anderen Elektrolyten auch die Wirkung der Caleium- und Magnesiumsalze auf die rhythmischen Bewegungen der Meduse Rhizostoma untersucht. Diese Experimente sind deshalb von grösserem Interesse, weil die rhythmischen Bewegungen der Medusen weitgehende Analogien zu dem Mechanismus des Herzschlages auf- weisen. (Extrasystolen, refraktäre Phase usw.) Bethe fand, dass Caleinmmangel die rhythmischen Bewegungen von Rhizostomen auf- hebt, und dass schliesslich auch die Reflexerregbarkeit ver- schwindet. Doch ist der Vorgang vollkommen reversibel. Zusatz von Kalk im Überschuss vermehrt die Pulszahl und macht die Pulse grösser und voller; bei weiterer Vermehrung aber tritt Verlangsamung und endlich Stillstand ein. Bezüglich des Angriffspunktes des Caleiums spricht sich Bethe 1) Gross, Die Bedeutung der Salze der Ringer’schen Lösung für das isolierte Säugetierherz. Pflüger’s Arch. Bd. 99 S. 264. 1903. 2) Pauli und Fröhlich, Über kombinierte Ionenwirkung. Sitzungsber. d. Wiener Akad. Bd. 115, Abt. III. Juni 1906. 3) Popielski, Über den Einfluss des Pepton Witte auf die Tätigkeit des isolierten Säugetierberzens. Pflüger’s Arch. Bd. 130 S. 394. 1909. 4) Bethe, Die Bedeutung der Elektrolyten für die rhythmischen Be- wegungen der Medusen. I. u. II. Mitteilung. Pflüger’s Arch. Bd. 124 S. 541. 1908, u. Bd. 127 S. 219. 1909. Über die exper. Erzeugung extrasystolischer ventrik. Tachykardie etc. 509 dahin aus, dass es in physiologisch deutlich wırksamen, aber nicht allzugrossen Dosen seine Wirksamkeit vorwiegend oder ganz am Randkörper entfalte. Im Gegensatze zum Kalk zeigen die Magnesiumsalze eine primär lähmende Wirkung auf die Bewegungen der Medusen, wobei jedes Zeichen vorausgehender Erregung fehlt. Aus neuester Zeit liegen endlich Untersuchungen aus dem In- stitute von H. H. Meyer), von Chiari und Fröhlich?) vor, die darauf hinweisen, dass durch Kalkentziehung der Erregungszustand des sympathischen und autonomen Nervensystems gesteigert wird. Überblieken wir die in der angeführten Literatur vorliegenden Angaben über den Wirkungsmodus von Baryum und Calcium, so ergibt sich, dass nur ganz vereinzelte Befunde an die von uns auf- gedeckte Steigerung der Erregbarkeit der reizbildenden Apparate anklingen. Hierher gehört bezüglich des Baryums die Beobacktung von Magnus, dass der Barytwirkung eine erhöhte Erregbarkeit gegenüber mechanischen Dehnungsreizen vorangeht, und bezüglich des Caleiums die Angabe Langendorffs, dass an der Bernstein- schen Herzspitze unterschwellige mechanische Reize durch Caleium wirksam gemacht werden, sowie endlich der Befund Bethes, dass “die reflektorische Erregbarkeit bei Entziehung von Kalk erlischt und bei Kalkzusatz sich wiederherstellt. Dagegen scheint die Tatsache gesteigerter Erregbarkeit der reiz- bildenden Apparate gegenüber der Acceleranswirkung bei Baryum- und Caleiumintoxikation der Meinung von Chiari und Fröhlich zu widersprechen, die gerade bei Kalkmangel eine erhöhte Krregbar- keit des vegetativen Nervensystems gefunden haben. Dieser Wider- spruch wäre aber nur dann wirklich vorhanden, wenn sich heraus- stellen würde, dass der Angriffspunkt von Baryum und Caleium im vegetativen Nervensysteme liegt, und dass somit die reizerzeugenden Apparate diesem Systeme angehören. Die von den verschiedenen Forschern geäusserten Ansichten über den Angriffspunkt von Baryum und Caleium stimmen wenigstens 1) H.H. Meyer, Über die Wirkung des Kalkes. Münch. med. Wochenschr. 1910 Nr. 44. 3) Chiari und Fröhlich, Erregbarkeitsänderung des vegetativen Nerven- systems durch Kalkentziehung. Arch. f. exper. Pathol. u. Pharmakol. Bd. 64 S. 214. 1911. 510 C. J. Rothberger und H. Winterberg: darin überein, dass derselbe weit in der Peripherie zu suchen ist. Ausser Brodie und Dixon, die sich auf das wohl kaum noch beweiskräftige Argument der Nervenfreiheit der Lungengefässe stützen, lassen die meisten Autoren es schliesslich doch dahingestellt, ob der eigentliche Ort der Wirkung in den peripheren Nervennetzen oder in der Muskulatur zu suchen ist, wenn sie sich auch der letzteren Annahme mehr zuneigen. Nur Bethe nimmt einen be- stimmteren Standpunkt ein, indem er die Caleiumwirkung vorzugs- weise im Randkörper der Medusen lokalisiert, also in jenem spe- zialisierten Teile des Nervensystems, von welchem die normale Rhythmik der Medusen ausgeht, und den Bethe deshalb direkt mit dem Sinus des Herzens höherer Tiere vergleicht. Nachdem nun unsere eigenen Versuche ergeben haben, dass durch Ba und Ca die Erregbarkeit der tertiären Reizbildungszentren erhöht wird, war es gewiss schon aus diesem Grunde von Interesse, zu untersuchen, ob sich nicht auch die Erregbarkeit der Reiz- bildungszentren höherer Ordnung durch die genannten Erdalkali- metalle in ähnlicher Weise ändert. Wir haben deshalb vor allem die nach kleineren, noch nicht zur Automatie führenden Giftmengen zu beobachtenden Änderungen der Schlagfrequenz verfolgt. Weiter haben wir den Effekt der Acceleransreizung — gemessen durch den zur Erregung notwendigen Rollenabstand oder durch die bei gleichem Rollenabstand und gleicher Reizdauer erzielte Maximal- frequenz — fortlaufend in den verschiedenen Vergiftungsstadien geprüft. Was zunächst den Einfluss von Baryum und Caleium auf die Schlag- zahl betrifft, so kann von einer enormen Steigerung der Frequenz, wie sie z. B. Boehm gesehen hat, keine Rede sein, solange nicht die automatische Kammertätigkeit einsetzt. Es ist deshalb wahrschein- lich, dass sich die Angabe Boehms auf dieses Stadium bezieht. Dagegen bedingen kleine und mittlere Mengen von Baryum und Caleium in vielen, aber durchaus nicht in allen Fällen eine Zunahme der Schlagzahl, die aber sehr rasch vorübergeht und einer bleibenden oder doch nur langsam abklingenden Verlangsamung Platz macht. In der folgenden kleinen Tabelle führen wir drei Ver- suche an, die über die Grösse und Dauer der Frequenzsteigerung Aufschluss geben sollen. Über die exper. Erzeugung extrasystolischer ventrik. Tachykardie etc. 5]ij | : Dauer einer Herzperiode in Ds 0,01 Sekunden 2 1 Minute 3 Minuten g vo» BED nach BaC], später 92, Mai 0,01 40 282 43 22 5 0,01 43 3 59 227.15 =2001 59 58 | — 1. Juni 0,01 33 32 31 8 0,02 42 37 45 SU, 0,02 42 38 46 ‘ Die stärkste Verkürzung einer Herzperiode von 0,40 Sekunden auf 0,32 Sekunden zeigt der Versuch vom 22. Mai. Das ergibt auf Minutenfrequenzen umgerechnet eine Steigerung der Normalfrequenz von 150 auf 138. In den übrigen Versuchen ist die Beschleunigung schon weitaus geringer; im Versuche vom 1. Juni liegt sie schon innerhalb der Fehlergrenzen. Besonders beweisend für die be- schleunigende Wirkung des Baryums sind die Experimente vom 22. Mai und 8. Juni, weil sich hier auch eine zweite Injektion der gleichen Dosis noch wirksam zeigt. In allen angeführten Versuchen resultiert schliesslich eine mehr oder weniger bedeutende Verlang- samung, die im Versuche vom 8. Juni zwischen der ersten und zweiten Injektion sich vollständig zurückbildet. Auch bei Caleium haben wir nach Injektion in die Blutbahn in manchen Fällen eine mässige Beschleuni- gung des Herzschlages feststellen können, wogegen wir nach Magnesium von vornherein nur Verlangsamung der Haerztätigkeit konstatiert haben. Die in der Literatur vorliegenden, einander vielfach wider- sprechenden Angaben bezüglich der Beeinflussung der Schlagfrequenz erklären sich nun leicht aus der Flüchtiekeit und Inkonstanz des der Injektion rasch folgenden Stadiums der Zunahme- und der später eintretenden länger anhaltenden oder nach grösseren Dosen bleibenden Abnahme der Schlagfrequenz. Das normale Reizbildungszentrum zeigtalso unter dem Einflusse von Calcium und Baryum gegenüber dem Vorgange der physiologischen Reizentstehung höchstens ein sehr rasch vorübergehendes Stadium einer geringen Erregung. Es war nun weiter zu untersuchen, ob das primäre Reizbildungs- zentrum nach Vergiftung mit Baryum oder Caleium nicht vielleicht eine Steigerung seiner Anspruchsfähigkeit auf Acceleransreizung er- kennen lässt. 12 C. J. Rothberger und H. Winterberg: Minutenfrequenz vor der Ver- | nach der Ver- Datum Dosis vor d. |nach.d.| _ giftung bei | giftung bei Ver van Reizung d. Accel. | Reizung.d. Accel. (R.-A. 100 mm) | (R.-A. 100 mm) giftung | giftung rechts | links [rechts links 27. Febr. | 0,03 g BaC], 160 152 | a. za 275 168 - a yentrikuläre Ta rk 1 21. März | 0,005 BaQl, = = 23 | 21 or Zus 0,01 Call, 167 167 260 ı 207 260 200 DE 005 167 Il — | — 240 194 a 020 , 171 72 -— | - (1198| 1 dann |ventrikuläre Tachykardie Um darüber Aufschluss zu erhalten, haben wir in einer Reihe von Versuchen die durch Reizung des rechten und linken Accelerans bei dem gleichen Rollenabstande (100 mm) zu erzielende Maximal- frequenz vor und nach Baryt- bzw. Kalkvergiftung festgestellt. In der voranstehenden Tabelle sind einige Beispiele zusammengestellt. Die normalen Ursprungsreize werden demnach bei mit Baryum oder Calcium vorbehandelten Herzen durch Acceleransreizung nicht stärker beschleunigt als vor- her. Nach grösseren Dosen, die zur Verlangsamung des Herz- schlages geführt haben, ist sogar die durch Acceleransreizung zu erzielende Maximalfrequenz bedeutend geringer als unter normalen Verhältnissen. Trotzdem sieht man unter den gleichen Bedingungen Anfälle von extrasystolischer Tachykardie eintreten; die Reizbildung in den tertiären Zentren wird also gleichzeitig ausserordentlich ge-. fördert. Es wäre nun noch möglich, dass die Baryum- und Caleiumsalze nicht an den Reizbildungszentren selbst, sondern an den Endigungen des Herzsympathiecus angreifen und die Erregbarkeit derselben steigern, also die Reizschwelle für den Eintritt des normalen Acceleranseffektes erniedrigen. Wir haben deshalb nach Bestimmung der normalen Scehlag- frequenz (für 10 Sekunden) die Reizschwelle für den rechten und manchmal auch den linken Accelerans bestimmt. Hierauf wurde eine solche Menge 1°/o ige Chlorbaryumlösung injiziert, dass die Reizung Über die exper. Erzeugung extrasystolischer ventrik. Tachykardie etc. 513 des linken Accelerans regelmässig einen tachykardischen Anfall er- zeugte.e. Dann wurde neuerdings der beschleunigende Effekt des rechten bzw. linken Accelerans bei den gleichen Rollenabständen wie früher nach 10 Sekunden langer Reizung bestimmt. Diese Experimente ergaben das aus der folgenden Tabelle ersicht- liche Resultat. Die Zahl der Herzschläge ist auf Minutenfrequenzen umgerechnet. Vor der Ver- Nach der Ver- giftung; Reizung d. | Dosis | giftung; Reizung d. rechten Accelerans von rechten Accelerans Datum Bad] Bemerkungen Rollen- . auls Rollen- : abstand nun abstand en: mm | q g mm q 30. Mai oo 188 0,01 0 | 162 R.-A. © = Normal- a0 270 188 — 270 | 168 eunenz 30. 250 193 — 250 176 al 230 222 — 230 |, 214 al 210 260 —_ 210 | — a0: £ 180 273 — lS0BE 2290 8. Juni © 143 0,02 car Sa, 300 | 143 —_ 300 132 Sin, 280 165 | — 280 126 EN - 270 180 — 270 126 Bas 250 204 —_ 2350 156 110%, on [00) 180 0,03 [0 .) | 138 Auen nen 12. ” 320 180 =” 330 | 138 De KE Na; 300 198 = 320 | 156 fall von Tachykardie. ws 980 998 ar 300 | 168 Nach Abklingen der- 12, > . > = 289,1"), SO ee Do ” 132 0,02 nn Hs Das 300 132 _ 300 2127 1 DONE, 250 132 — 250 114 a 200 138 200 °|° 114 DONE 180 150 _ 10° | 132 DDR 16027222186 = 160 | 180 2a co 2168 0,025 oo 7 50 2. 0 260 168 _ %60 156 Da, 220 174 u 22022 022168 eb 5 190 210 — 2107 20. 22180 DOSE: OS 2246 — 190 210 Reizung des linken . Reizung des linken ä Accelerans Accelerans RE u com 168 — el An 21082172168 E 2102022150 A 200 180 = 190 | Lu ee Aus den angeführten Beispielen geht klar hervor, dass die Reiz- schwelle für die physiologische Acceleranswirkung durch Baryum zum mindesten keine Herabsetzung erfährt, ein Befund, mit welchem 514 C. J. Rothberger und H. Winterberg: auch das Ergebnis der Untersuchungen von Chiari und Fröhlich nicht im Widerspruch steht. Unsere Versuche zeigen demnach, dass die Erhöhung der Er- regbarkeit durch Baryum die reizerzeugenden Apparate in einer zum mindesten quantitativ ausserordentlich differenten Weise betrifft. Die Stätte der physiologischen Reizbildung reagiert höchstens mit einer vorübergehenden rascheren Reizerzeugung, und grössere Dosen setzen die Schlagfrequenz bereits herab. Ähnliches gilt wohl auch von dem sekundären Zentrum an der Vorhofkammergrenze. Denn auch in den Fällen, bei welchen Reizung des linken Accelerans atrioventri- kuläre Automatie erzeugte, war die zur Auslösung dieses Phänomens notwendige Stromstärke nach Baryum- oder Caleiumapplikation eher grösser als kleiner, und ebenso blieb die Frequenz der bei einer bestimmten Stromstärke erhaltenen atrioventrikulären Schläge ziem- lich unverändert. Demgegenüber wird die physiologisch so geringe, nur durch besondere Versuchsanordnungen nachzuweisende Reiz- bildungsfähigkeit der tertiären, in den Herzkamımern gelegenen Zentren so ausserordentlich erhöht, dass sie der durch Accelerans- reizung zu erzielenden optimalen Reizbildung des primären Zentrums vollständig die Wage hält. Dieses Ergebnis unserer Experimente ist in gewissem Sinne überraschend; denn es scheint für eine viel weitergehende Ungleich- artigkeit der verschiedenen Reizbildungsstellen zu sprechen, als sie bis jetzt angenommen wird. Dass es sich aber bei der Baryt- und Kalkwirkung um einen ganz abnormen, von der physiologischen Reizbildung prinzipiell verschiedenen Vorgang handeln sollte, ist mit der Tatsache nicht leicht in Einklang zubringen, dass die Entstehung der heterotopen ventrikulären Reize bei mässiger Vergiftung durch Acceleransreizung und, wie noch gezeigt werden soll, nur durch diese allein in Gang gebracht wird. Über diese Schwierigkeit könnte man sich durch die Annahme hinweghelfen, dass die Erregbarkeit der Hauptreizbildungszentren schon an und für sich maximal ist und auch durch Gifte nicht mehr gesteigert werden kann. Wenn eine solche ad hoc gemachte Hypothese auch gewiss keine völlig be- friedigende Erklärung zu bieten vermag, so ist es doch wieder sehr auffallend, dass die optimale Frequenz der automatischen Kammer- schläge bei mit Baryum oder Caleium vereifteten Tieren mit der unter normalen Verhältnissen durch Acceleransreizung zu erzielenden maximalen Schlagzahl ziemlich genau zusammenfällt. Über die exper. Erzeugung extrasystolischer ventrik. Tachykardie etc. 515 Wie dem nun immer sei, so lässt sich auch aus der Feststellung dieser differenten Beeinflussung, einerseits der primären und sekundären, andererseits der tertiären Reizbildungszentren, kein weiterer Anhalts- punkt für den eigentlichen Angriffspunkt des Baryums und Caleiums gewinnen. Von den in Betracht kommenden Möglichkeiten muss nun noch die einer gesteigerten Reizbildungsfähigkeit der kontraktilen Substanz im engeren Sinne erörtert werden. Wir haben in einer im Jahre 1908 ausgeführten Versuchsserie, welche wir im Anschlusse an diese Publikation mitteilen, die vom Katzenherzen ausgeworfene Blutmenge mit der Stromuhr von Hürthle gemessen und dabei festgestellt, dass nach Zufuhr von CaCl, bei mässiger Herabsetzung der Schlagfrequenz eine bedeutende Zunahme der vom Herzen geförderten Blutmenge eintritt. Diese Steigerung der Energie kann wohl nur auf eine Wirkung des Caleiums auf die kon- traktile Substanz bezogen werden. Aber es ist sehr fraglich, ob die von uns jetzt studierte ventrikuläre Tachykardie auf derselben Wirkung beruht. Von dem Gesichtspunkte ausgehend, dass, falls erhöhte Erreg- barkeit der kontraktilen Substanz vorläge, auch andere die Muskulatur direkt treffende Reize bei der Baryt- und Kalkintoxikation den gleichen Effekt haben müssten wie die Erregung der Acceleratoren, haben wir folgende Experimente ausgeführt. Zunächst haben wir den schwächsten faradischen Reiz bestimmt, der bei direkter Applikation auf die Oberfläche der Herzkammern Extrasystolen oder kurzes Flimmern bervorrief. Dann wurde Baryum oder Caleium in soleher Menge gegeben, dass Acceleransreizung mit Sicherheit ventrikuläre Tachykardie hervorrief. Eine erneuerte Prüfung desselben faradischen Reizes ergab nun nicht nur keine Verstärkung, sondern bei vorgeschrittener Intoxikation sogar eine Abschwächung seiner Wirkung. Nach wiederholter Beibringung grösserer Giftmengen gelingt es sogar häufig nur auffallend schwer, die so vorbehandelten Herzen selbst durch sehr starke faradische Ströme dauernd zum Flimmern zu bringen. Ebensowenig konnten wir durch mechanische Reize an mit Baryum oder Calcium vergifteten Herzen Kammerautomatie von srösserer Frequenz oder längerer Dauer erzeugen. In früheren Ver- suchen („Über scheinbare Vaguslähmung usw.“) haben wir bei analoger Versuehsanordnung am unvergifteten Herzen häufig das Auftreten von Extrasystolen beobachtet, welehe bei Klemmung der Aorta vom 516 C. J. Rothberger und H. Winterberg: linken, bei Verschluss der Pulmonalis vom rechten Ventrikel aus- gingen. Wir erwarteten nun, dass bei der durch Baryum und Calcium erzeugten Steigerung der Erregbarkeit die Klemmung der grossen Gefässe zum Auftreten ventrikulärer Tachykardie führen würde. Zu diesem Zwecke gaben wir wieder Baryum in einer zur Auslösung ventrikulärer Tachykardie durch Acceleransreizung aus- reichenden Menge, überzeugten uns von der Erreichung der ge- wünschten Wirkung und klemmten nun bald die Aorta, bald die Pulmonalis an der Wurzel ab. Da unter diesen Umständen schon an normalem Herzen nicht selten Kammerautomatie auftritt, so mussten wir um so eher erwarten, dass bei gesteigerter Erreg- barkeit der Muskulatur der dieselbe treffende mächtige Dehnungs- reiz durch selbständige Kammerkontraktionen beantwortet werden würde. Trotzdem aber wurde die normale Schlagfolge nicht gestört, zu unserer Überraschung selbst dann nicht, wenn während der Ab- klemmung der Aorta bzw. Pulmonalis die Vagi gereizt wurden. Es zeigt sich also hier die interessante Tatsache, dass die ge- steigerte Erregbarkeit der tertiären Zentren nur bei künstlich ge- reizten Accelerantes in Form der ventrikulären Tachykardie zutage tritt, während selbst eine energische Dehnung der Kammerwände nicht einmal imstande ist, wenig frequente automatische Kontrak- tionen auszulösen. Es muss daher als sehr unwahrschein- lich bezeichnet werden, dass die kontraktile Substanz selbst als Angriffspunkt der Baryum- und Caleium- wirkung für das Entstehen der ventrikulären Tachy- kardie ursächlich in Betracht kommt. Weiter wäre nun zu erwägen, ob nicht das Verbindungsstück zwischen Nerv- und Muskelgewebe den Ort der Giftwirkung darstellt. Dagegen scheint uns aber hauptsächlich der Umstand zu sprechen, dass die heterotope Tachykardie nach Baryt- und Kalkvergiftung, ob sie nun spontan oder durch Acce- leransreizung zustande kommt, immer nur von den Herzkammern und nie von den Vorhöfen ausgeht. Dieses Verhalten drängt dazu, den Angriffspunkt der Giftwirkung in einem mehr spezialisierten, nur den Kammern eigenen Gewebe zu suchen. Von dieser Überlegung aus wäre in erster Linie an das Reizleitungssystem, und zwar dessen ventrikuläre Verzweigung, zu denken, da es bis jetzt wenigstens nicht gelungen ist, ein Äquivalent desselben in den Vorhöfen aufzufinden. | Über die exper. Erzeugung extrasystolischer ventrik. Tachykardie etc. 517 Wir hätten dann das Reizleitungssystem gleichzeitig als Reiz- bildungssystem anzusprechen und wären nur gezwungen, dem Keith-Flack’schen und dem Tawara’schen Knoten noch eine besondere Stellung einzuräumen, die unter anderem auch in ihrem biochemischen Verhalten zum Ausdrucke kommt. So könnten manche der hier geschilderten Erscheinungen ihre Erklärung finden, wenn wir uns auch wohl bewusst sind, dass unsere Versuche nicht hinreichen, um den Angriffspunkt von Ba und Ca mit Sicherheit zu bestimmen, geschweige denn, die oben angefuhrte Hypothese zu beweisen. VI. Exstrasystolen und extrasystolische Tachykardie mit nervösem Auslösungsmechanismus. Die Steigerung der Erregbarkeit der Kontraktionsreize pro- duzierenden Apparate in den Herzkammern durch Baryum und Caleium ist eine neue Tatsache von grossem praktischen und theo- retischen Interesse. Die praktische Bedeutung derselben liegt zunächst darin, dass sie uns gewisse Fälle paroxysmaler Tachykardie mit nervösem Aus- lösungsmechanismus, wie sie klinisch beobachtet werden, begreiflich und einer Analyse zugänglich macht. Bisher steht man diesen Fällen, insofern es sich nicht um paroxysmale Beschleunigung der normal entspringenden Herzschläge handelte, ganz ohne Verständnis gegen- über. So sagt z. B. Lommel!): „Die Ursachen der paroxysmalen Tachykardie sind in vielen Fällen im Nervensystem zu suchen. Eingehendere Vorstellungen über die Wirkungsweise dieser neuro- genen Einflüsse auf den Herzmuskel sind gegenwärtig wohl noch nieht möglich.“ In ganz ähnlicher Weise äussert sich auch Romberg?). „Das Wesen des anfallsweisen Herzjagens nnd der anfallsweisen Herz- verlangsamung ist noch völlig dunkel. Am wahrscheinlichsten handelt es sich um eine nervös oder funktionell verursachte Steigerung oder Herabsetzung der Herzerregbarkeit.“ Unsere Experimente zeigen nun wenigstens für die extrasysto- lische ventrikuläre Tachykardie, dass es sich dabei um recht komplizierte Vorgänge handelt, indem Veränderungeu der Erregbarkeit der reizbildenden Apparate mit 1) Lommel, Deutsches Arch. f. klin. Med. Bd. 82 S. 495. 1905. 2)Romberg, Krankheiten des Herzens und der Blutgefässe. Stuttgart 1909. Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd. 142. 3) 518 C. J. Rothberger und H. Winterberg: nervösen Erregungen in bestimmte Kombination treten müssen. Wir sind natürlich von der Annahme weit entfernt, in dem von uns blossgeleeten Mechanismus die zu- reichende Erklärung für alle Formen extrasystolischer Tachykardie beim Menschen gefunden zu haben. Wir glauben aber nach den bisher beim Zusammenwirken der experimentellen und klinischen Herzpathologie gemachten Erfahrungen bestimmt erwarten zu dürfen, dass sich wenigstens eine Gruppe von Fällen paroxysmaler Tachy- kardie zwanglos hierher einreihen lassen wird. Es wird allerdings notwendig sein, bei der klinischen Untersuchung des Herzjagens die elektrographische Untersuchungsmethode in grösserem Umfange heranzuziehen, da nur auf diese Weise eine detailliertere Orien- tierung über den Ausgangspunkt der Herztätigkeit möglich ist. Die Vergiftung mit Baryum und Caleium ist selbstverständlich nicht mehr als ein Paradigma für die erregbarkeitssteigende Wirkung, die auch anderen, gegenwärtig noch unbekannten, vielleicht sogar im tierischen Orsanismus selbst entstehenden Substanzen auf die reizbildenden Apparate des Herzens zu eigen sein dürfte. Zu der erhöhten Erregbarkeit der letzteren muss sich gleich- sam ergänzend als zweites Moment noch eine Erregung der Herznerven, und zwar vor allem der Acceleratoren, eesellen. Das Zustandekommen derselben kann man sich wieder in verschiedener Weise vorstellen: durch stärkere Betonung des physiologischen Acceleranstonus (sympathikotonische Zustände), durch stärkere reflektorische Erregungen oder auch durch die Einwirkung reichlicher in die Zirkulation eintrefender Hormonmengen, wie z.B. des Adrenalins. Auch die letztgenannte Hypothese entfernt sich wohl nicht allzu weit von dem realen Boden experimenteller Tatsachen, nachdem wir ja zeigen konnten, dass bei mit Baryum sensibilisierten Herzen schon kleinste Mengen von Adrenalin (0,00001 g) Paroxysmen extra- systolischer ventrikulärer Tachykardie zu provozieren vermögen. Den Gedanken verfolgend, dass zwischen den zahllosen, einen tachykardischen Anfall zusammensetzenden automatischen Kammer- schlägen und einzelnen Extrasystolen nur ein gradueller Unterschied bestehen könnte, haben wir den Versuch gemacht, bei mit Baryum empfindlich gemachten Herzen durch Variation der Dauer der Acce- leransreizung einzelne Extrasystolen experimentell zu erzeugen. Dabei machten wir folgende Erfahrungen. Vermindert man zu- Über die exper. Erzeugung extrasystolischer ventrik. Tachykardie ete. 519 nächst die Giftdosis, so erhält man bei gleicher Dauer der Acce- _ leransreizung, die gewöhnlich etwa 10 Sekunden betrug ‚entwederi anhaltende, wenn auch weniger frequente Kammerautomatie oder einfache Beschleunigung ınit normaler Sukzession der Herzschläge. Dagegen erzielt man befriedigendere Resultate, sobald die Strom- stärke, oder noch besser, die Dauer der Reizung herabgesetzt wird. Je kürzer dieselbe, desto flüchtiger ist auch der tachykardische An- fall. Bei hoch empfindlichen Herzen können aber selbst Reizungen von weniger als 1 Sekunde immer noch zur Auslösung einer ganzen Gruppe automatischer Kammerschläge genügen. Der Ablauf ist dabei so, dass auf die kurze Reizung zunächst zunehmende Beschleunigung erfolgt, woraufnach einiger Zeit sich ein kurzer extrasystolischer Paroxys- mus einstellt. Wenn man dann noch die Reizstärke vorsichtig ab- stuft, gelingt es in der Tat, die normale, etwas beschleunigte Schlag- folge unterbrechende, ventrikuläre Extrasystolen zu erzeugen, die meist zu Gruppen von zwei bis drei Schlägen vereinigt sind, aber gelegentlich auch vereinzelt erscheinen. Fig. 20 bietet ein Beispiel von in dieser Weise durch Nervenreizung hervorgerufenen ventrikulären Extrasystolen, welche auch von einer vollständigen kompensatorischen Pause ge- folgt sind. Zwar erscheint diese um ein geringes verlängert (0,02 Sek.) bzw. verkürzt (0,01 Sek.), je nachdem man sie an den vorausgehenden (0,32 Sek.) oder an den nachfolgenden (0,33 Sek.) Normalsystolen misst. Diese kleine Ungenauigkeit rührt davon her, dass die von der Acceleransreizung abhängige Beschleunigung der Normalschläge im raschen Absinken begriffen ist. Nach der angegebenen Methode lassen sich Extrasystolen zwar mit grosser Sicherheit nervös auslösen, aber es gelingt auf diese Weise nicht, den normalen Rhythmus längere Zeit hindurch durch Extrasystolen zu unterbrechen. Im besten Falle lassen sich, wie in Fig. 20 wenige durch normale Schläge unterbrochene Gruppen von Exstrasystolen hervorrufen. Wir haben noch versucht, dureh kontinuierliches Ein- fliessenlassen einer sehr stark verdünnten Adrenalinlösung (0,00002 g auf 100 cem physiologische NaCl,- Lösung) nach Baryumvorbehandlung länger dauernde extrasystolische Arhythmie zu erzeugen. Doch erzielten wir entweder nur eine Erhöhung der Scehlagfrequenz oder im besten Falle das Auftreten grösserer Gruppen von Extrasystolen. Immerhin bedeutet das beschriebene Verfahren eine wenn auch noch nicht vollkommene Lösung des Problems der experimentellen 35 * 520 C. J. Rothberger und H. Winterberg: Erzeugung von Extrasystolen auf nervösem Wege). Auch bei dieser Gelegenheit können wir nur wieder darauf hinweisen, dass die experi- Auftreten ventrikulärer Extrasystolen nach kurzer Suspensionskurven vom rechten Vorhof und rechten Ventrikel. Accelerans. Vergiftung mit 0,03 g BaÜl,. Reizung des linken Fig. 20. Versuch vom 12. Juni 1911. Zeit in 0,02 Sek. E.-K. mentelle Technik der Nervenreizung, die einen ganzen, aus den ver- schiedensten Einheiten aufgebauten Nervenstamm trifft, mit den fein 1) Das gelegentliche Auftreten einzelner Extrasystolen nach einfacher Acceleransreizung kommt diesbezüglich nicht in Betracht, weil dasselbe viel zu selten und unter unbekannten Bedingungen erfolgt, welche gerade das wesent- liche Moment in sich schliessen. Über die exper. Erzeugung extrasystolischer ventrik. Tachykardie etc. 521] abgestimmten reflektorischen Frregungsvorgänsen im Organismus auch nicht entfernt verglichen werden kann. Doch lässt sich aus unseren Versuchen die wich- tige Erkenntnis gewinnen, dass nur bei vorhandener Disposition nervöse Reize Extrasystolen auslösen können, dass also die extrasystolische Arhythmie auf nervöser Basis eine viel kompliziertere Störung ist, als man sich bisher vorgestellt hat!). Die Schwieriekeit, dieselbe zu analysieren, wird hauptsächlich in der experimentellen Erforschung der „disponierenden Momente“ zu suchen sein. In unserem Falle sind dieselben in den Erregbarkeitsverhältnissen der reizerzeugenden Apparate gegeben. In der menschlichen Pathologie dürften nebst diesen noch viele andere Bedingungen mitwirken. Zusammenfassung. Die in unserer letzten Mitteilung beschriebene Tatsache, dass bei erregtem rechten bzw. linken Accelerans oft von der rechten bzw. linken Kammer ausgehende automatische Schläge auftreten, wenn die normalen Ursprungsreize durch Vagusreizung ausgeschaltet werden, erfährt eine interessante Bestätigung und Erweiterung. Es zeigt sich nämlich, dass bei der beschriebenen kombinierten Reizung nach Einverleibung von BaCl, oder CaCl, (SrCl, und MeCl, erwiesen sich als unwirksam) die automatischen Kontraktionen nicht nur oft, sondern ganz regelmässig auftreten, so dass negative Fälle nicht mehr zur Beobachtung kommen. Bei etwas grösseren Dosen tritt schon nach Reizung des linken Accelerans allein extrasystolische Tachykardie ein; dabei liegt der Ausgangspunkt der automatischen Schläge im linken Ventrikel. Reizung des rechten Accelerans stellt die normale Schlagfolge wieder her. Grosse Dosen bewirken schon für sich allein hochgradige Arhythmie, welche jedoch wieder vorübergeht. Dann erzeugt auch Reizung des rechten Accelerans Tachykardie mit rechtsseitigen ventri- kulären Extrasystolen. 1) Wir konnten die letzten Publikationen Hering’s (Pflüger’s Arch. Bd. 141 und Münchner med. Wochenschr. Nr. 37), welche nach der Veröffent- lichung unserer vorläufigen Mitteilung und unserer Arbeit in diesem Archiv (Bd. 141) erschienen, in der Korrektur der vorliegenden Arbeit nicht mehr be- rücksichtigen, obwohl sie in nahen Beziehungen zu dem von uns behandelten Gegenstande stehen. 599 C. J. Rothberger u. H. Winterberg: Über die exper. Erzeugung etc. Die Tachykardie kann nicht nur durch faradische, sondern auch durch toxische Reizung der Acceleratoren (Adrenalin, Nikotin) hervor- gerufen werden. Während des tachykardischen Anfalls ist Vagusreizung wirkungs- los; dagegen können die arhythmischen Schläge durch Accelerans- reizung beschleunigt worden, wenn sie nicht schon jene Frequenz hatten, welche am unvergifteten Herzen durch Reizung des rechten Accelerans zu erzielen war. Die Extrasystolen, aus welchen der tachykardische Anfall be- steht, zeigen im E.-K. oft sehr verschiedene Form und Grösse. Im allgemeinen ist die Formverschiedenheit der einzelnen Schläge um so auffallender, je mehr die Arhythmie ausgesprochen ist. Es erfolgt dabei die Reizbildung an mehreren Stellen, und die von diesen ausgehenden Erregungswellen interferieren unter Umständen in der verschiedensten Weise. Das Zusammenwirken des nomotopen mit heterotopen oder das Aufeinandertreffen mehrerer heterotoper Erresungswellen kann zum Auftreten interessanter Übergangsformen führen. Die beschriebenen Frscheinungen lassen sich erklären, wenn man annimmt, dass BaCl, und CaCl, die Erregbarkeit derjenigen Apparate steigern, von welchen die automatischen Kontraktionsreize der Kammern ausgehen (tertiäre Reizbildungszentren). Grosse Dosen steigern die Erregbarkeit in so hohem Grade, dass sofort Kammer- automatie auftritt, während nach kleineren Dosen hierzu noch der fördernde Einfluss der Accelerantes nötig ist. Das primäre und das sekundäre Reizbildungszentrum (Knoten von Keith-Flack und Tawara) reagieren auf BaCl, und CaCl, nicht in nennenswerter Weise. Die heterotope Automatie nach Baryt- und Kalkvergiftung geht mmer von den Ventrikeln, nie von den Vorhöfen aus. Der Angriffs- punkt dieser Gifte lässt sich nieht mit Sicherheit näher bestimmen. Die vorliegenden Untersuchungen zeigen, dass unter gewissen Bedingungen auf nervösem Wege Exstrasystolen und extrasystolische Tachykardie hervorgerufen werden können, wobei aber der Nervenreiz nur die ınehr nebensächliche Rolle eines auslösenden Momentes spielt. 929 (Aus dem Institute für allgem. und experim. Pathologie in Wien.) Über die Verstärkung der Herztätigkeit durch Calcium!) Von Privatdoz. Dr. ©. 3. Rothberger und Privatdoz. Dr. H. Winterberg. (Mit 1 Textfigur.) Im Anschlusse an die Beobachtung, dass die mit dem Suspensions- verfahren gewonnenen Ausschläge — insbesondere gilt dies für die Vorhöfe — bedeutend an Grösse zunahmen, wenn Calcium intravenös beigebracht worden war, haben wir es versucht diese Verstärkung der Herztätigkeit in exakterer Weise festzustellen. Wir benutzten zu diesem Zwecke die Hürthle’sche Stromuhr in derselben Weise, wie sie der eine von uns bereits früher zur Erprobung einer „Methode zur direkten Bestimmung der Herzarbeit im Tierexperi- mente) angewendet hatte“. Wir wollen die Versuchsanordnung in Kürze hier wiederholen (l. e. S. 361): „An einer durch Curare oder Durchschneidung der Medulla immobilisierten Katze wurde die zuführende Kanüle der Stromuhr in den Truneus brachio-cephalicus eingebunden, von welchem beide Karotiden und die Subelavia dextra abgehen, die abführende Stromuhrkanüle in die linke Vena anonyma oder, wenn diese zu eng war, in die rechte Cava sup.; die Art. subel. sin. wurde ab- ‘ gebunden. Klemmt man nun den Aortenbogen ab, so kann das aus dem linken Ventrikel herausgetriebene Blut nur in die Stromuhr fliessen und gelangt von dort durch die abführende Kanüle in das rechte Herz. Die die Stromuhr passierenden Blutmengen werden 1) Die Versuche, welche der vorliegenden Mitteilung zugrunde liegen, haben wir bereits 1908 ausgeführt, aber bisher nicht veröffentlicht. 2) Rothberger, Pflüger’s Arch. Bd. 118 S. 853. 1907. 524 0. J. Rothberger und H. Winterberg: automatisch registriert“). Unter der Stromuhrkurve wurde mit einem Gummimanometer der Druck aus dem Seitenrohr der zuführen- den Stromuhrkanüle verzeichnet. Die Injektion der CGaleiumlösung (10°) erfolgte in der Weise, dass wir eine Pravaznadel direkt in den abführenden Schlauch der Stromuhr einstachen. Da die Be- urteilung der Giftwirkung eine durch längere Zeit bestehende Gleich- mässigkeit der Herzaktion voraussetzte, haben wir gewöhnlich die erste Schleife des Hering’schen Kymographions ganz ohne Ein- griff ablaufen lassen, was ungefähr 4—5 Minuten dauerte, und erst auf der zweiten Schleife die Injektion verzeichnet. Da wir aber auch dann vor einer Störung, z. B. dureh Bildung von Gerinnseln, geschützt sein mussten, haben wir das Blut der Katzen kurz vor dem Beginn des Versuches durch intravenöse Injektion von Hirudin ungerinnbar gemacht. Wir haben neun Versuche ausgeführt. In zweien trat nach der Injektion eine Verschlechterung der Herztätiekeit auf, was jedoch darauf zurückzuführen ist, dass die gewählten Giftmengen (1 bzw. 0,5 cem der 10 °/oigen Lösung) für den stark eingeengten Kreislauf zu hoch waren. Ein dritter Versuch (28. März) muss aus demselben Grunde als negativ bezeichnet werden; die Verschlechterung der Herzaktion blieb nur deshalb aus, weil es sich um ein besonders grosses Tier (über 4 kg) handelte. Von den übrigen sechs Ver- suchen, in welchen 0,2—0,3 eem der 10 °/o igen Lösung injizirt wurden, ist nur einer negativ, alle anderen aber positiv ausgefallen. Als Beispiel führen wir folgenden Versuch (15. April) an. Die Tabelle I zeigt in der ersten Kolonne die in unmittelbar aufeinander- folgenden Zeiträumen von je 10 Sekunden vom linken Ventrikel aus- geworfene Blutmenge an, wie sie durch Berechnung der Stromuhr- kurve gewonnen wurde. Die zweite Kolonne zeigt die Pulsfrequenz in 10 Sekunden (Gummimanometerkurve), die dritte das aus diesen beiden Werten berechnete Schlagvolum. In der Zeit vor der Injektion (1 Min. 40 Sek.) verschlechtert sich die Herzaktion immer mehr. Während die Sehlaefrequenz nur 1) Die Messung derselben geschieht in der Weise, dass die Höhe der vom Registrierhebel der Stromuhr innerhalb einer bestimmten Zeit gezeichneten auf- und absteigenden Kurvenschenkel addiert wird. Mit Hilfe der vorherigen Eichung der Stromuhr kann man dann die in dieser Zeit durchgeflossene Blutmenge be- stimmen. Über die Verstärkung der Herztätigkeit durch Calcium. 595 Tabelle I. 15. April. Katze, 3100 g. Tafel A Tafel B Blut- Schlag- Blut- | Schlag- menge frequenz le menge | rennen, Saul: in 10 Sek. | in 10 Sek, | 7" | in 10 Sek, volumen | ;n 10 Sek. | in 10.Sek, | Volumen 63 27 2,88 65,6 ei = 66,2 28 2.36 68,7 27 2,54 60 29 2.06 71 27 2,63 57,5 29 1.98 70 96 2,69 mw 30 1 75 27 2,77 . 48,7 29 1,67 en 2 ar 44 29 1,51 “= er 40 29 1,38 3 27 1,59 36,2 29 1,25 -- ll Ne 32 29 il 41 26 1,57 0,2 CaCl; 10% 3 I. 26 1,42 39 98 1,14 0,2 CaCl, 10% 38 97 1,4 63 27 | 0938 40 25 1,6 92 27 I 331 33 24 1,37 94,7 28 Erz sis 3 23 1,47 88,7 29 | 8,06 46 23 2,0 86 28 an 51 23 2,22 80 99 2,75 57 24 2,37 75,6 29 1 2079 49 25 1,96 70,6 28 959 45,6 25 1,82 70 28 | 88 44 25 1,76 | 44 25 1,76 | | | | | I um zwei Schläge in 10 Sek. zunimmt, sinkt die in 10 Sek. beförderte Blutmenge fast auf die Hälfte ab; das Schlagvolumen verkleinert sich socar um mehr als die Hälfte. Angesichts dieses Zustandes glaubten wir nun nicht länger zuwarten zu sollen und injizierten 0,2 ccm der 10%oigen CaCl,-Lösung. Die Wirkung ist eine überaus eklatante, Das auf 32 gesunkene 10 Sekundenvolum steigt auf 94,7, das Schlag- volumen verdreifacht sich. Die hier abgebildeten Kurven veranschaulichen diese erhebliche Verstärkung der Herztätigkeit. Fig. Ia und Ib zeigen, zwischen zwei senkrechte Striche eingefasst, je einen Zeitraum von 10 Sek., je eine „Periode“, wie sie in den Tabellen unmittelbar aufeinander- folgen. Die Abbildung entstammt demselben Versuch wie Tabelle I, und zwar entspricht Fig. Ia der letzten Periode vor der Giftinjektion, 926 C. J. Rothberger und H. Winterberg: Fig. la. Fig. 1a und b. Versuch vom 15. April 1908 (siehe Tabelle I). Oben die von den drei horizontalen Strichen des Hürthle’schen Ordinatenschreibers durchzogene Stromuhrkurve. Darunter die Kurve des Druckes in der Aorta, zuunterst die Zeit in Sekunden. Fig. la zeigt den Zustand vor der Injektion von 0,2 ccm 10%oiger CaCl;, Fig. 1b das Maximum der Wirkung. Fig. Ib dagegen der fünften Periode nach derselben (Maximum der Wirkung). Fig. Ia zeigt den trägen Lauf der Stromuhr, welche in Über die Verstärkung der Herztätigkeit durch Calcium. 527 Fig. 1b. 10 Sek. nur wenig mehr als zweimal gefüllt wird). Fig. Ib dagegen zeigt, dass innerhalb derselben Zeit von 10 Sek. die Stromuhr un- 1) Die Winkel zwischen den auf und ab steigenden Schenkeln der obersten Kurve entsprechen den Zeitpunkten, wo die Stromuhr vollgelaufen war’und die Grundplatte gewendet werden musste, um das Blut in den abführenden Schlauch 5238 C. J. Rothberger und H. Winterberg: cefähr siebenmal vollgelaufen war. Auch die bedeutende Vergrösse- rung der pulsatorischen Druckschwankungen in der Aorta zeigt die beträchtliche Verstärkung der Herztätigkeit. Die das Herz kräftigende Caleiumwirkung hält längere Zeit an. Erst in der Hälfte der zweiten Schleife finden wir wieder ungefähr dieselben Werte wie vor der ersten Injektion. Die zu dieser Zeit wiederholte Verabreichung derselben Giftmenge hat, wie aus der Tabelle zu ersehen ist, noch eine deutliche, wenn auch viel geringere Wirkung als das erstemal. Wir haben aber beobachtet, dass auch eine erste Injektion wenig wirksam war, wenn sie so spät vor- genommen wurde. Tabelle I. 7. April. Katze, 3000 g. 0,025 g Hirudin | Schlag- lulmEsEn regen Schlagvolumen in 10 Sek. | in 10 Sek. Fünf Perioden nicht berechnet 70 | 26 | 2,69 61 24 | Day 57,5 23 | 25 sl 21 | 2.4 45,3 | 20 2,26 0,25 CaCl, 10% 52 | 20 2,6 55 | 20 2,75 55 19 2,89 46 19 2,4 61 20 3,05 74 21 3,52 76,1 21 3,62 74 22 3,36 72 21 3,43 73,4 22 334 74,4 21 3,54 43,4 — _ Letales Woser. fliessen zu lassen. Diesen Wendepunkten entsprechen in der Kurve des Aorten- druckes je eine Erhebung, welche dadurch zustande kommt, dass das Herz während der kurzen, bis zur vollzogenen Wendung verstreichenden Zeit sein Blut nicht auswerfen kann. Über die Verstärkung der Herztätigkeit durch Calcium. 529 Als weiteres Beispiel führen wir den in Tabelle II dargestellten Versuch an. Im Beginne sind fünf Perioden & 10 Sek. nicht be- rechnet, weil die Stromuhr noch nicht in gleichmässigem Gange war. In den nun folgenden fünf Perioden nimmt die vom Herzen ge- förderte Blutmenge stetig ab, wenn auch nicht in so hohem Grade wie in Tabelle I. Die Injektion von 0,25 cem 10° iger CaCl,- Lösung lässt auch hier eine deutliche, wenn auch viel ge- ringere Wirkung erkennen als im ersten Versuche. Das 10 Sek.- Volumen steigt von 45,3 auf 76,1, das Schlagvolumen von 2,26 auf 3,62, dabei ist die Schlagfrequenz im wesentlichen gleich geblieben. Das Tier war ungefähr ebenso schwer wie dasjenige, welches zu dem in Tabelle I dargestellten Versuche gedient hatte. Die etwas grössere Giftdosis führte 2 Min. nach der Injektion zu letalem Wogen. Es verdient besonders hervorgehoben zu werden, dass die Ver- stärkung der Herztätiekeit durch Calcium keineswegs mit Be- schleunigung, sondern eher mit einer geringen Abnahme der Schlagfrequenz einhergeht, was wir in allen Versuchen gleich- mässig beobachten konnten. Die Verlangsamung ist sehr mässig, sie beträgt nur ein bis zwei Schläge in 10 Sek.; gerade in dem in Tabelle I wiedergegebenen Versuche ist diese geringe Verlangsamung um so deutlicher, als vor der ersten Injektion bei sinkender Herz- kraft eine ebenso geringe Beschleunigung eingetreten war. Nach der zweiten Injektion ist die Pulsverlangsamung noch deutlicher. Wir müssen auch daran erinnern, dass das Herz unter den gewählten Versuchsbedingungen nicht mehr unter dem Einflusse des Zentral- nervensystems stand, denn die Versuchsanordnung ist ganz analog der Isolierung des Herz-Lungen-Kreislaufes (Hering), nur dass hier statt der U-förmie gebogenen Glaskanüle die Stromuhr die Verbindung zwischen Arterie und Vene herstellt. Langendorff und Hueck!), welche die verstärkende Wirkung des Caleiums auf das isolierte sowie auf das in situ schlagende Katzenherz bereits nachgewiesen haben, fanden, besonders im intakten Tier, eine Steigerung der Pulsfrequenz, welche sie jedoch als die Folge der Drucksteigerung auffassen. Die auch am isolierten l) Langendorff und Hueck, Die Wirkung des Caleiums auf das Herz. Pflüger’s Arch. Bd. 96 S. 473. 1903. 530 €. J. Rothberger und H. Winterberg: Über die Verstärkung etc. Herzen auftretende, sehr geringe Erhöhung der Pulsfrequenz führen sie auf die erhöhte Herzenergie zurück. In den Versuchen von Langendorff und Hueck konnte die Verstärkung der Herztätigkeit nur in der Vergrösserung der Aus- schläge der Suspensionskurve zum Ausdruck kommen. Es werden deshalb die hier mitgeteilten Versuche, in welchen wir einen wenn auch unter abnormen Verhältnissen gewonnenen zahlenmässigen Ausdruck dieser Verstärkung erzielt haben, einiges Interesse beanspruchen können. Sp}! (Aus dem physiol. Laboratorium des Instituts für exper. Medizin zu St. Petersburg.) Normale Pankreassekretion als Synthese von nervösem und humoralem Einfluss. Von A. Bylina (Kiew). Gegenwärtig kann man einen Mechanismus der Pankreassekretion von zweierlei Art als sicher festgestellt betrachten, nämlich den nervösen und humoralen. Den ersteren hat Prof. J. P. Pawlow!) genau nachgewiesen, indem er sowohl an chronischen Experimenten als auch in akuter Form die sekretorische Bedeutung des N. vagus dargetan hat. Dieselbe Eigenschaft ist bald darauf auch in bezug auf das sympathische Nervensystem festgestellt worden. Der Ein- fluss des Nervensystems auf die Saftabsonderung wurde auch durch Ausschaltung der sekretorischen Nerven nachgewiesen. In dieser Richtung ist die Anwendung des Atropins von hervorragender Be- deutung gewesen. J. P. Pawlow?) hat nämlich auf die paraly- sierende Wirkung dieses Alkaloids auf die sekretorische Fähigkeit der Nn. vagi hingewiesen, während W. W. Sawitsch?) dasselbe auch in bezug auf die Nn. sympathiei bestätigt. Es hat sich nur ergeben, dass die nach Säureapplikation eintretende Pankreassekretion unter dem Einflusse von Atropin sich nicht verändert. Ferner wurde festgestellt, dass Säuren, auch bei vollständiger Trennung des Pan- kreas von seinen sekretorisehen Nerven, die Sekretion von Pankreas- saft hervorrufen können. 1) J. P. Pawlow, Innervation des Pankreas. Eschenedelnaja klinitscheskaja Gazeta 1888. 2)M. Affanassiew und J. Pawlow, Beiträge zur Physiologie des Pankreas. Arch. f. d. ges. Physiol. u. Pathol. d. Menschen u. d. Tiere Bd. 16. 1878. 3) W. W. Sawitsch, Mechanismus der Pankreassekretion. Arbeiten d. Gesellsch. d. russ. Ärzte. St. Petersburg 1903. — W. W. Sawitsch, Beiträge zur Physirlogie der Pankreassekretion. Mitteil. d. Kaiserl. militär-mediz. Akademie zu St. Petersburg 1908. 992 A. Bylina: Diese Tatsache wurde verständlich, nachdem Bayliss und Starling!) nachgewiesen hatten, dass die unter Säureeinwirkung eintretende Sekretion ihre Entstehung einer besonderen Substanz, Sekretin genannt, verdankt, welches sich in der Schleimhaut des Duodenum und des oberen Abschnittes des Dünndarmes befindet. Nachdem die englischen Autoren auf diese Weise den humoralen bzw. chemischen Mechanismus der Pankreassaftabsonderung entdeckt hatten, begannen die Forscher das Bestehen eines nervösen Mecha- nismus ganz in Abrede zu stellen. Und doch spricht eine ganze Reihe von Tatsachen dafür, dass beide Mechanismen bestehen. Wertvolle Beiträge zu der in Rede stehenden Frage enthält die Arbeit von W. W. Sawitsch a. a. OÖ. Dieser Autor hat eine qualitative Untersuchung sowohl des Saftes, dessen Absonderung dureh Säureapplikation, als auch desjenigen, dessen Sekretion durch Nervenreizung bewirkt wurde, vorgenommen und hierbei festgestellt, dass die beiden Säfte sich voneinander sehr wesentlich unterscheiden: der erstere erscheint flüssig und enthält wenig Fermente, während der letztere im Gegenteil dicht ist und reichlichen Fermentgehalt aufweist, ohne dass die Schnelligkeit der Sekretion an und für sich hierbei eine wesentliche Rolle spielt. Die Bedeutung des sympathischen Nervensystems für die Aus- scheidung von Fermenten gleicht vollkommen derjenigen der Nn. vaei: bei Reizung der ersteren gelangt ein ebenso dichter, stark ferment- haltiger Pankreassaft zur Sekretion wie bei Reizung der Nn. vagi. Nach den Beobachtungen desselben Forschers nähert sich der unter dem Einflusse von eingeführten Seifen zur Absonderung ge- langte Saft hinsichtlich der Konzentration der Fermente dem Typus des durch Nervenreizung erzeugten Sekrets, aus welchem Grunde der Autor seiner Überzeugung Ausdruck gibt, dass die Nerven im Prozess der unter dem Einflusse vou Seifen eintretenden Sekretion eine wesentliche Rolle spielen. Die Beobachtungsresultate von W. W. Sawitsch?) sprechen somit für das Vorhandensein zweier Mechanismen der Pankreassekretion: einerseits eines nervösen, an- dererseits eines chemischen, des Sekretinmechanismus. ı) Bayliss and Starling, The mecanism of pancreatie secretion. Journ. of physiol. vol. 28. 1902. — Bayliss und Starling, Die chemische Koordina- tion der Funktionen des Körpers. Ergebn. d. Physiol. Bd. 5. 1900. 2) W. W. Sawitsch, Mechanismus der Pankreassekretion. Arbeiten d. Gesellsch. d. russ. Ärzte. St. Petersburg 1903. Normale Pankreassekretion als Synthese von nerv. und humor. Einfluss. 533 Zu demselben Schlusse sind in ihrer bezüglichen Arbeit auf Grund von physiologisch-morphologischen Untersuchungen auch B. P. Babkin, W. J. Rubaschkin und W. W. Sawitsch!) (1908) gelangt. Diese Autoren studierten die quantitativen Ver- hältnisse der Zymogenkörner in den Zellen des Pankreas einerseits — nach der Sekretion auf Säure, andererseits — nach der Sekretion auf Seifen, durch Reizung der Nn. vagi bzw. Nn. sympathici. Die dabei erzielten Resultate waren folgende: Nach der durch Säure erzeugten Sekretion blieben die Zellen (wie im Zustande des Hungerns) mit-Zymogenkörnern gefüllt, während bei der anderen Untersuchungs- serie ein mehr oder minder bedeutender Verbrauch der Zymogen- vorräte stattfand. Es ist somit klar, dass auch diese Autoren sich für das Vorhandensein zweier Mechanismen der Pankreassekretion aussprechen mussten. Die zitierten Arbeiten stellten jedoch die Wechselbeziehungen zwischen den beiden Sekretionsmechanismen nicht fest; sie bestimmten nicht den Höhegrad der Wirkung und Bedeutung eines jeden dieser Sekretionsmechanismen in speziellen Fällen von pankreatischer Saft- absonderung. Es war infolgedessen eine weitere Analyse dieser wichtigen Frage erforderlich, die uns dem Verständnis der Rolle und der Grenzen des nervösen sowohl wie auch des anderen, nicht nervösen Mechanismus auf dem Gebiete der normalen Verdauung näher gebracht hätte. Das Bestreben, diese Lücke nach Möglichkeit aufzufüllen, liegt nun den Untersuchungen zugrunde, die im Nachstehenden geschildert werden sollen. Unsere Beobachtungen wurden an zwei Hunden angestellt, denen im Dezember 1910 nach der Methode von Prof. Pawlow Fisteln des Duetus pancreaticus magnus angelegt worden waren. Die so- eben erwähnte Methode von Prof. Pawlow besteht bekanntlich darin, dass das Darmende des Ductus pancreatieus samt einer kleinen Partie der denselben umgebenden Duodenalschleimhaut nach aussen hinaus- geleitet wird. Ausserdem hatte jeder Versuchshund auch eine Magenfistel. Behufs Vornahme des Experiments wurden die Hunde um 8 Uhr morgens in den Ständer gebracht, worauf durch die ent- 1) B. P. Babkin, W.J. Rubaschkin und W.W. Sawitsch, Morpho- logische Veränderungen ‘der Zellen des Pankreas bei Einwirkung von ver- schiedenen Erregern auf dasselbe. Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd. 142. 36 934 A. Bylina: sprechende Fistel der Magen mit warmem Wasser ausgespült wurde. Zum letztenmal wnrden die Tiere 14—16 Stunden vor dem Experi- ment gefüttert. Der Pankreassaft wurde bei dem einen der Hunde („Ryschi“) mittels eines Glastrichters gesammelt, der an der Bauchwand, der Pankreasfistel entsprechend, befestigt war. Der Saft wurde in einen am Trichter hängenden kleinen, graduierten Zylinder gesammelt. Bei dem anderen Hunde („Grifon“) wurde zur Aufnahme des Saftes in. den Duetus pancreatieus eine dem Verlauf des Duetus entsprechend gekrümmte dünne, glatte Messingkanüle eingeführt. Die an einem Gummidiskus befestigte Kanüle wurde 1!/’. em hoch.in den Ductus hineingeführt, während an. das entgegengesetzte, .freie Ende ein sraduierter Zylinder befestigt wurde. Die Menge des zur Aus- scheidung gelangten Saftes wurde in Kubikzentimeter in Zeitabständen von je 5 oder je 15 Minuten notiert.: Die zu prüfenden flüssigen Substanzen wurden in den Magen durch die Fistel eingeführt; der Pfropfen , der die Fistel schloss, hatte eine durchlaufende Öffnung, durch welche ein Glasrohr ging, das durch ein Gummirohr mit dem Triehter verbunden war. Bei der Einführung der Flüssigkeiten wurden die üblichen Maassnahmen befolgt, welche die Absonderung von kompliziert-nervösem (psychischem) Magen- und Pankreassaft zu verhüten haben. Da nach den vorliegenden Bedingungen auch für die Zwecke unserer Untersuchungen die qualitative und quantitative Analyse der physiologischen Eigenschaften des Pankreassaftes in der Mehrzahl der Fälle, den halbstündlichen oder stündlichen Portionen entsprechend, ausgeführt werden musste, dieselben aber zu gering waren, um eine ein- gehende Untersuchung des Sekrets zu ermöglichen, beschränkten wir uns auf eine Bestimmung, die die ganze Fermentenergie des zu unter- suchenden Saftes am ‚genauesten widerspiegelte. Wir haben hierbei die Bestimmung des Stickstoffgehaltes des Pankreassaftes im Auge. — B. .P. Babkin!) hat in Gemeinschaft mit- N. P. Tiehomirow festgestellt, dass zwischen dem Grade. der proteolytischen Kraft des betreffenden Saftes einerseits und dem Gehalt an organischen Stickstoff- 1) B. P. Babkin und N. P. Tichomirow, Zur Frage der Wechsel- beziehungen zwischen der .proteolytischen Kraft und dem Gehalt an ‚Stickstoff und; festen Bestandteilen im Pankreassaft. Mitteil:. d. Kaiserl. Militär-Mediz. Akademie zu St. Petersburg 1908. ei : a ann Normale Pankreassekretion als Synthese von nerv. und humor. Einfluss. 535 substanzen in diesem Safte andererseits ein vollständiger Zusammen- hang bzw. Parallelismus besteht. Die Stiekstoffmenge gibt uns somit einen Maassstab für den Trypsingehalt, und da sich in der Ab- sonderung der Pankreasfermente ein Parallelismus bemerkbar macht, so sind wir in der Lage, nach dem Stickstoff über den Ferment- reichtum des Saftes überhaupt zu urteilen. Die Stickstoffbestimmung wurde in unseren Beobachtungen nach der Methode von Kjeldahl vorgenommen. Die entsprechenden Zahlen geben den Gewichtsgehalt an Stickstoff in 100 eem Pankreas- saft an. War die betreffende Saftportion ausreichend genug, so wurde ausser dem Stickstoff auch der feste Rückstand bestimmt. Dieser letztere gewährt uns die Möglichkeit, uns von dem summa- rischen Gehalt an organischen sowohl als auch an anorganischen Bestandteilen eine Vorstellung zu machen. Die Bestimmung des festen Rückstandes wurde durch Verdampfung und Austrocknung einer gewissen Saftmenge bis zu einem konstanten Gewicht bei einer Temperatur von + 110° C. bewerkstelligt. Das Eiweissferment wurde nach der Methode von Mett be- stimmt; der Pankreassaft wurde hierbei durch Darmsaft in 10 %/oiger Volummenge aktiviert. Sämtliche oben erwähnten Untersuchungen wurden streng nach ein und derselben Methode ausgeführt. Beide Hunde waren während der ganzen Untersuchungsdauer vollkommen gesund. Das Körpergewicht bewegte sich in der Nähe von 24,5 kg bei Ryschi, dasjenige des Grifon in der Nähe von 20,5 ke. Der Verlust von Pankreassaft ausserhalb der Bedürfnisse des Experiments wurde dadurch verhütet, dass die Pankreasfistel nach jeder Fütterung mittels Gummidiskus abgebunden wurde, der mit einer Watteschicht umwickelt war. Dieser Diskus wurde mittelst elastischer Röhrchen der äusseren Fistelöffnung entsprechend be- festigt und behinderte einen Abfluss des Sekrets, indem er dieselben hermetisch schloss. Auf diese Weise wurde der für die Versuchs- tiere so lästige Abgang von Pankreassaft ausserhalb des Experiments vollständig beseitigt. Diese Methode wird in den letzten Jahren in den Laboratorien des Prof. J. P. Pawlow angewendet und kann als sehr bequem anerkannt werden. In der Einleitung wurde darauf hingewiesen, dass die Aus- schaltung des nervösen Mechanismus durch Atropininjektion. bis jetzt lediglich in bezug auf zwei selbständige Erreger der Pankreas- 36 * 536 A. Bylina: sekretion, nämlich in bezug auf Seifen [|W. W. Sawitsch!)] und Säuren studiert wurde. Nicht untersucht blieb in dieser Beziehung das Fett, und somit waren unsere auf Anregung des hochverehrten Herrn Prof. J. P. Pawlow angestellten Beobachtungen auf die Aus- füllung dieser Lücke gerichtet. Durch unsere früheren Untersuchungen, die wir an denselben Hunden ausgeführt hatten, haben wir die im Laboratorium des Prof. Pawlow von Dr. Damaskin?) im Jahre 1396 festgestellte sekre- torische Wirkung der Fette vollauf bestätigt. Die Beschreibung der bezüglichen Experimente bildet einen Spezialabschnitt in einer anderen von uns verfassten Arbeit, aus der hervorgeht, dass neutrales Fett einen zweifellosen selbständigen Erreger der Pankreassekretion darstellt. Ohne uns in eine ausführliche Frörterung dieser Frage einzulassen, möchten wir nur die Protokolle unserer entsprechenden Experimente, welche das im vorstehenden Gesagte illustrieren, an- führen. Zunächst einige methodische Erläuterungen. Für unsere Experimente verwendeten wir Mohnöl, welches, eben weil es im Vergleich zum Provenceröl wesentlich billiger ist, weniger verfälscht wird, folglich eine grössere Garantie für die Reinheit des Produktes gewährt. Das käufliche Mohnöl wurde in allen unseren Experimenten mittels gesättigter heisser wässriger Lösung von Ätz- baryum zuvor neutralisiert. Am folgenden Tage wurde die Mischung filtriert und unmittelbar vor dem Experiment das Öl für die Dauer von 30 Minuten in den auf + 33° C. eingestellten Brutschrank zur Entfernung der Kohlensäure gebracht. Nach dieser Bearbeitung erwies sich das Mohnöl bei der Untersuchung nach der Methode von Burstyn stets als vollkommen neutral. Bekanntlich spaltet sieh das Fett, nachdem es in das Duodenum gelangt ist, unter der Einwirkung der im Duodenum vorhandenen Mischung von Pankreassaft und Galle in seine Komponenten: Glycerin und Fettsäuren, wobei letztere dank dem Vorhandensein von alkalisch reagierenden Substanzen sich rasch in Seifen verwandeln. L. B. Po- pielski°) sprach die Vermutung aus, dass die wirklichen Erreger 1) W. W. Sawitsch, Beiträge zur Physiologie der Pankreassekretion. Mitteil. d. kaiserl. militär-mediz. Akademie zu St. Petersburg 1908. 2)N. J. Damaskin, Über die Wirkung des Fettes auf die Pankreas- sekretion. Arbeiten d. Gesellsch. d. russ. Ärzte. St. Petersburg 1396. 8) L. B. Popielski, Über die sekretionsheinmuenden Nerven des Pankreas. Dissertation 1896. vi Normale Pankreassekretion als Synthese von nerv. und humor. Einfluss. 537 der Pankreassekretion im Fett lediglich die Fettsäuren sind. Trotz- dem im Dünndarın Basen stets im Überschuss vorhanden sind, haben wir in unseren Experimenten, um vollständige Gewähr dafür zu haben, dass die sich bildenden Fettsäuren schon in Statu naseendi in Seifen übergehen, rohes Hühnereiweiss angewendet, welches be- Kanntlich deutlich ausgeprägte alkalische Eigenschaften und die Fähigkeit, Säuren zu neutralisieren, besitzt. Dieses Hühnereiweiss wurde in einer Reihe von Experimenten in den Magen sowohl zuvor für sich als auch in Mischung mit neutralisiertem Mohnöl eingeführt, welches auf diese Weise den Charakter einer Emulsion mit deutlich alkalischer Reaktion bekam. Das in den Magen ein- geführte Eiweiss bewirkte in den Kontrollexperimenten an und für sich, wie es auch nicht anders zu erwarten war, weder Magensaft- noch Pankreassaftabsonderung und diente ledielich als Material zur raschen Neutralisierung der sich bildenden Fettsäuren. Wir möchten bemerken, dass diese Vorsichtsmassregel eigentlich überflüssig war, weil der Gang der Sekretion und die Eigenschaften des Pankreas- saftes sowohl in den Experimenten mit Anwendung von Eiweiss als auch in denjenigen, in denen reines neutralisiertes Öl angewendet wurde, vollkommen homogen waren. Diese Tatsache weist deutlich darauf hin, dass das Fett an und für sich als solches einen Erreger der Pankreassekretion darstellt. | Als Beispiel der nach Fettapplikation vor sich gehenden Sekre- tion können die Experimente vom 12. März 1911 dienen. Tabelle. Ryschi. 12. März 1911. Saftmenge Bemerkungen 0,8 Reaktion im Magen sauer. 0,7 Eingiessung von 50 ccm Eiweiss in den Magen. 0,8 1,0 0,7 Eirgiessung einer Emulsion aus 100 ccm neutrali- siertem Öl und 20 ccm Eiweiss. I 35 Erste 2,5 Stunde } | 2,8 fr (A) Il 235 Reaktion des Mageninhaltes alkalisch. 2,4) Zweite 2,9 | do Stunde 2.1.05 | 1,8) 398 A. Bylina: | Saftmenge Bemerkungen 1. | Dritte 1,6 79 Stunde 1:8 2m (| 231 | 1,6 Vierte ste Stunde til 5,6 1,2 Magen leer. Stickstoffgehalt in der Portion A: 0,5432 g, fester Rückstand im gesammelten (gesamten) unter Ölwirkung abgesonderten Saft: 3,816 g. Eiweissferment im gesammelten Saft: 4,4. Grifon. 12. März 1911. | Saftmenge Bemerkungen 1,3 Reaktion im Magen schwach alkalisch. 0,8 Eingiessung von 50 ccm Eiweiss in den Magen. 0,5 0,4 0,5 Eingiessung einer Emulsion aus 100 ccm neu- tralem Mohnöl und 20 cem Eiweiss. 2,3 | Erste 1,2 ' Stunde 2,4 8,8(4) 2.9 Reaktion des Mageninhalts alkalisch. 3,8 | Zweite 2,9 Stunde II 30 g 118 L 2,1 | Dritte 2,6 Stunde | 2,7 g 19° L 2,6 2,4 | Vierte 2,6 Stunde Da 1,6 J Im Magen blieb wenig Eiweiss. Reaktion im Magen stark alkalisch. Stickstoffgehalt in der Portion A: 0,57232 g. Fester Rückstand im ge- sammelten, unter Ölwirkung abgesonderten Saft: 3,746 g. Eiweissferment im gesammelten, unter Ölwirkung abgesonderten Saft: 4,2. Diese Tabelle gibt uns einen allgemeinen Begriff von dem Ver- lauf der Pankreassekretion, die durch neutrales Öl angeregt wird. Eine sowohl ihrem Typus nach als auch nach den Eigenschaften des Normale Pankreassekretion als Synthese von nerv. und humor. Einfluss. 539 Saftes homogene Sekretion wurde auch in den Fällen beobachtet, in denen reines neutrales Öl ohne Eiweisszusatz verwendet wurde. Wir möchten hervorheben, dass die Reaktion des Mageninhaltes mittelst Lackmuspapier bestimmt wurde In den Fällen aber, in denen dem Mageninhalt Öl beigemengt war, wurde die Reaktion durch ne“ einer Lösung des Mageninhalts in Alkoholäther mittelst — = NaOH unter Verwendung von Phenolphthalein als In- dikator kontrolliert. Jetzt möchten wir zur Schilderung derjenigen Experimente übergehen, denen das Studium des Einflusses von Atropin auf die Pankreassekretion unter neutralem Fett zugrunde lag. Die erste bezügliehe Beobachtung wurde am Hunde „Ryschi“ am 21. März vorgenommen. Tabelle II. Ryschi. 21. März 1911. | Saftmenge | Bemerkungen 2 Reaktion im Magen sauer. ut 0,7 Fingiessung von 50 ccm Eiweiss in den Magen. 0,4 Eingiessung einer Emulsion aus 100 ccm neu- tralem Mohnöl und 20 ecm Hühnereiweiss. 2,8 Pin \ 7,2(A) 37 Subkutane Einführung von 0,005 g Atropin. Erste 1,2 23.2 (B) Puls über 200 in der Minute. Stunde 6,6 ei Pupillen erweitert. 9,1 Im Magen ölige Emulsion nebst Beimengung von Galle. Reaktion alkalisch. BB} Zweite | 4,2 | 153 Stunde 32 2,6 4,2) Dritte 38100 Stunde 2A er 1,6 Aus dem Magen wurden ca. 30 ccm öliger gallig gefärbter Emulsion entleert. Reaktion alkalisch. ” ” pr) p?) Aus vorstehender Tabelle geht hervor, dass zu Beginn des Ex- periments innerhalb der ersten 45 Minuten die Beobachtung der 540 A. Bylina: spontanen Sekretion stattfand, wobei die Saftmengen in Zeitabständen von je 15 Minuten notiert wurden. Am Ende der dritten Viertel- stunde wurden in den Magen des Hundes 50 eem reines Eiweiss, 15 Minuten später die Emulsion aus neutralem Öl und Eiweiss ein- seführt. Innerhalb der folgenden halben Stunde wurde die auf die Einführung des Öles erfolgte Pankreassekretion beobachtet, worauf das Versuchstier eine subkutane Injektion von 0,5 cem einer 1°/oigen wässrigen Lösung von Atropinum sulfurieum, d. h. 0,005 g Atropin bekam. Somit wurde sowohl die Einführung der Flüssigkeit in den Magen als auch die Injektion des Alkaloids unmittelbar am Ende desjenigen viertelstündigen Intervalles vorgenommen, unter dem die bezüglichen Wirkungen in der Tabelle notiert sind. Diese Bemerkung gilt auch für die folcenden Tabellen. Indem wir uns nun dem Einfluss des Atropins zuwenden, der im Experiment vom 21. März zum Ausdruck kam, müssen wir zwei Seiten dieses Einflusses hervorheben: erstens bewirkte die Injektion des Alkaloids Beschleunigung der Sekretion, die sowohl im Ver- gleich zu der Sekretion in demselben Experiment vor der Injektion als auch im Vergleich zu dem in der Tabelle I wiedergegebenen Kontrollexperiment an demselben Hunde deutlich hervortrat. Die zweite Manifestation der Atropinwirkung ist noch prägnanter. Wir haben hier die ausserordentlich rasche Abnahme des Stickstoffgehaltes im Pankreassaft im Auge. Während in der Sekretportion die unter dem Einflusse der Ölwirkung vor der Atropininjektion zur Aus- scheidung gelangt war, der Stickstoffgehalt 0,345 g pro 100 cem Saft betrug, sank der Stickstoffgehalt in der Portion, die innerhalb der ersten Stunde nach der Atropininjektion zur Ausscheidung gelangt war, auf 0,05824 g&. Wenn man die Schnelligkeiten der Sekretion gegenüberstellt, so muss man anerkennen, dass die angegebene Ver- ringerung der Stickstoffmenge diejenige wesentlich übersteigt, die man auf die Zunahme der Schnelligkeit der Sekretion als solche hätte zurückführen können. In der Tat wurden vor der Atropin- injektion unter dem Einflusse der Öleinführung innerhalb einer halben Stunde 7,2 eem abgesondert; nimmt man dieselbe Sekretions- schnelligkeit auch für die folgende halbe Stunde an, so können wir annehmen, dass innerhalb einer Stunde ca. 14,4 cem zur Absonde- rung gelangen. In der ersten Stunde nach der Injektion wurden 23,2 cem Saft sezerniert, und somit nahm die Schnelligkeit der Se- kretion weniger als um das Doppelte zu. Innerhalb derselben Zeit Normale Pankreassekretion als Synthese von nerv. und humor. Einfluss. 54] hatte sich aber der Stickstoffgehalt um 5,9, d. h. fast um sechsmal verringert. | Wir sehen somit, dass das Atropin in diesem Experiment den -Stickstoffgehalt im Pankreassaft in sehr auffallender Weise retiniert hat. Da aber der Stickstoff bekanntlich der Index der Ferment- energie ist, so muss man annehmen, dass dementsprechend auch eine Verringerung der Quantität der Fermente stattgefunden hat. Wir wollen nun zur Schilderung der weiteren Experimente mit ‘Fetten übergehen. Am 18. April wurde der Einfluss des Atropins auch auf die Sekretion unter dem Einflusse von Öleinführung ge- prüft, mit dem Unterschiede nur, dass eine vorangehende Einführung von Eiweiss nicht stattfand und das neutrale Öl in reinem Zustande und nicht in Form einer Emulsion mit Hühnereiweiss eingeführt wurde. Tabelle IM. Ryschi. 18. April 1911. Reaktion im Magen neutral. Puls SO in der Minute. Bemerkungen | Saftmenge Eingiessung von 100 ccm neutralen Mohnöls in den Magen. |\ 551 Erste 2,3 Stunde 2,1 | 10,1(A) 2,3 u— Subkutane Injektion von 0,005 g Atropin. 5 Min. nach der Injektion Puls ca. 200. 15) Ze a (0,6B) | Pupilien erweitert. h I ( 1 | 2,2) Dritte 1,2\ >> Stunde 09 (5 (0 e f } 1,2 Im Magen verblieben ca. S0 ccm öliger Flüssig- keit mit Beimischung von Galle. Reaktion neutral. Stickstoffgehalt in der Portion A: 0,69552 g, B: 0,17696 g, B BEER 5 C: 0,1778 g, Fest. Rückstand „ , ua AR2e4556170, 0, B: 1,845 g. ” ” ” r) ” PP) ” ” ” Aus vorstehender Tabelle geht hervor, dass das Atropin in diesem Experiment eine Beschleunigung der Sekretion nicht bewirkt hat. 542 A. Bylina: Die Schnelligkeit hat sich sogar etwas verringert. Trotzdem aber sank der Stickstoffgehalt in deutlicher Abhängigkeit von der Atropin- einführung von 0,69552 g auf 0,17696 g in 100 cem Saft. Die Stickstoffmenge hat sich somit fast um das Vierfache (3,9) verringert. Dieselbe Verringerung wurde auch in der 2. Stunde nach der In- jektion beobachtet, wobei der Stickstoff trotz der geringen Sekretions- schnelligkeit 0,1778 g betrug. Dasselbe Verhalten wie der Stickstoff zeigte auch der feste Rückstand des Saftes: in der Portion A (vor der Atropininjektion) betrug derselbe 4,5676; in der Portion B (1 Stunde nach der In- jektion) 1,845 g. Ein vollständig analoges Experiment wurde an unserem zweiten Hunde Grifon angestellt, wobei folgende Zahlen gefunden wurden. Tabelle IV. Grifon. 18. April 1911. Reaktion im Magen alkalisch. Puls 84 in der Minute. Saftmenge | Bemerkungen 18 0,6 Eingiessung von 100 cem neutralen Mohnöls in den Magen. n | vo) rste 1,7 Q Stunde } 2a 8,8(A) it 33) i Injektion von 0,01 g Atropin. 0,91 Zweite | 10lgs,B Puls über 200 in der Minute. Stunde J| 130° (B) Pupillen erweitert. (| 5,6 h | ritte Sl } Stunde | 20 g 1810) 0,9 Im Magen verblieben ca 50 ccm emulgierter Ol- flüssigkeit mit Beimischung von Galle. Re- aktion neutral. Stickstoffmenge in der Portion A: 0,65072 g. „ B: 0,2576 g. » 2 B) C: 0,4592 g. Eiweissfermente „ „ nn C: 28. ” ” 7 ” ” ” ” Wir sehen, dass die Atropininjektion bei dem zweiten Hunde eine starke Abnahme des Stickstoffgehaltes zur Folge hatte. Hier Normale Pankreassekretion als Synthese von nerv. und humor. Einfluss. 543 verringerte sich die Stickstoffquantität um das 2,5fache. In der zweiten Stunde nach der Injektion stieg der Stickstoffgehalt, ohne jedoch seine ursprüngliche Höhe zu erreichen., Ein gleichartiges Verhalten zeigte das proteolytische Ferment. In den Saftportionen, die vor der Atropininjektion und innerhalb der ersten Stunde nach derselben zur Ausscheidung gelangt waren, waren die Zahlen für das proteolytische Ferment 4,4 bzw. 2,8. Damit man sich eine Vorstellung darüber machen kann, wieviel Stickstoff in den üblichen Pankreassaftportionen, die auf neutrales Öl abgesondert werden, enthalten ist, möchten wir die Protokolle der Experimente anführen, in denen eine Atropininjektion nicht stattfand und der Stickstoff in jeder stündlichen Saftportion gesondert bestimmt wurde. Die Resultate dieser Beobachtungen sind in der Tabelle V niedergelest. Tabelle V. Ryschi. 25. April 1911. | Saftmenge Bemerkungen 0,4 04 Reaktion im Magen neutral. Eingiessung von 100 ccm neutralen Mohnöls in den Magen. | Erste 2,7 Stunde 2,5 (0.8) (| 232 Del Zweite 1,6 Stunde 1,4 | 6,1(B) llerdlgil | 21 | Dritte 151, 76,9 (C) Stunde Zul > A | | Im Magen verblieben ca. 70 cem Ol. Stickstoff in der Portion A: 0,6272 g, B: 0,66304 g, b> b2] ” bi] GC; 0,5768 g, Eiweissfermente in Portion A: 4,5, B: 4,4. ” ” BZ] ” „ ” B] 544 A. Bylina: Grifon. 25. April 1911. Reaktion im Magen alkalisch. Saftmenge | Bemerkungen 0,6 Eingiessung von 100 ccm neutralen Mohnöls in den Magen. { 2,9 } Erste ,| 234 Stunde }| 3,0 N 10,4(A) (| 231) [ 2,9 | Zweite )| 2210: Stunde } 1,8 | 8,3 (B) (|... 18 | 1,6 | Dritte Da. Q I S 9 (©) Stunde 1,9 AN ) Im Magen verblieb eine geringe Quantität alkalisch reagierenden Schleimes. Ol nicht vorhanden. Stickstoffgehalt in der Portion A: 0,6048 g. 0,61264 g. : 0,61488 g. : 4,9. : 4,8. 4,9. ” ” ” ” „ ” ” ” Eiweissfermente „ „ D) aubbam Aus den mitgeteilten Beobachtungen geht deutlich hervor, dass die Stiekstoffmenge bei beiden Hunden in der Saftportion der zweiten Stunde im Vergleich zu derjenigen der ersten Stunde nicht nur ver- ringert, sondern im Gegenteil vergrössert war. Die Stiekstoffabnahme in den vorhergehenden Experimenten ist somit lediglich das Resultat der Atropininjektion. Was die dritte Stunde betrifft, so fand in der betreffenden Saft- portion bei Grifon eine Zunahme, bei Ryschi eine unbedeutende Ab- nahme des Stickstoffgehaltes statt. Wir sehen also, dass die Pankreas-Sekretion auf Öl trotz der Atropineinführung nieht aufhört. Der Saft wird nach wie vor ab- gesondert, nur erfahren seine physiologischen Eigenschaften eine auffallende Veränderung. Bereits im Jahre 1878 hat Prof. J. P. Pawlow!) beobachtet, dass die durch den Genuss von Fleisch 1) M. Affanassiew und J. Pawlow, Beiträge zur Physiologie des Pankreas. Arch. f. d. ges. Physiol. u. Pathol. d. Menschen u. d. Tiere Bd. 16. 1578. — J. Pawlow, Weitere Beiträge zur Physiologie der Bauchspeicheldrüse. Ibid. Bd. 17. 1878. Normale Pankreassekretion als Synthese von nerv. und humor. Einfluss. 545 hervorgerufene Pankreassekretion von Atropin zum Stillstand ge- bracht wird. Diese Unterbrechung der Funktion des Pankreas er- klärte der Verfasser durch Paralyse der entsprechenden sekretorischen Nervenendungen, wies aber zu gleicher Zeit auf Paralyse der motori- schen Magenfunktion hin. Dank dieser letzteren Erscheinung hört der Mageninhalt, der aus einer Mischung von dem genossenen Fleisch und dem unter der Einwirkung desselben zur Ausscheidung gelangten Saft besteht, unmittelbar nach der Atropininjektion auf, sich nach dem Duodenum fortzubewegen. Die letzte in den Darmkanal über- segangene Portion von saurem Mageninhalt wird rasch neutralisiert und wirkt im Darm nieht mehr als Erreger der Pankreassekretion, da weder die Eiweisssubstanzen des Fleisches noch deren Verdauungs- produkte solche Eigenschaften besitzen. Somit muss bei dem Genuss von Fleisch die Pankreassekretion schon aus dem Grunde aufhören, weil dank dem Atropin der Über- gang des spezifischen Erregers in den Darm aufhört. Wenn im Magen Fett enthalten ist, sind die Verhältnisse wesent- lich anders. Das Fett verlässt nämlich den Magen in mehr oder minder bedeutenden Portionen, so dass im Darm im Moment der Atropininjektion ein gewisser Vorrat an Fettmaterial, in unseren Experimenten an neutralem Mohnöl angesammelt ist. Es ist leicht zu verstehen, dass die Ölquantität, welche in den Darm übergegangen ist, in demselben auch nach der Atropininjektion verbleibt, wo das Öl mit der Schleimhaut stets in Berührung kommt. In unseren Experimenten mit neutralem Fett hat die Atropin- einführung, wie aus den entsprechenden Tabellen hervorgeht, die Pankreassekretion nicht unterbrochen, wohl aber auf die Eigen- schaften des Saftes, speziell auf den Stickstoffgehalt, der sich jedes- mal merklich verringerte, eine prägnante Wirkung ausgeübt. Das Atropin bewirkt, wie angegeben wurde, Paralyse der Endungen der Nn. vagi und Nn. sympathiei im Pankreas. Diese beiden Nerven enthalten Fasern, welche auf das Pankreas sekretions- erregend wirken. Durch die Einführung von Atropin beseitigen wir je nach der Grösse der angewendeten Dosis mehr oder minder voll- ständig den sekretorischen Einfluss des Nervensystems, mit anderen Worten, wir schwächen in mehr oder minder bedeutendem Grade den Einfluss des nervösen Mechanismus im Prozess der sekretorischen Pankreasfunktion ab. 546 A. Bylina: Aber trotzdem ging in den Experimenten mit neutralem Öl die Sekretion auch ohne Mitwirkung des durch das Atropin vorüber- sehend geschwächten nervösen Einflusses vor sich. Es muss hier folglich ein anderer sekretorischer Mechanismus, augenscheinlich kein nervöser, geblieben sein und nach wie vor funktioniert haben. Als solcher Mechanismus gilt heutzutage der humorale oder chemische. Es ist klar, dass als Erreger dieses chemischen Mechanismus in unseren Untersuchungen der in den Darm vor der Atropininjektion übergegangene Fettvorrat und die Seifen in Betracht kommen konnten, welche letzteren sich aus den Fettsäuren im Augenblick der Spaltung des neutralen Fettes bilden. Somit musste man die Sekretion, die in den geschilderten Experimenten nach der Atropininjektion beobachtet wurde, und die durch einen Saft mit niedrigem Stickstoffgehalt charakterisiert war, vor allem vornehmlich auf humoralen Ursprung zurückführen. Wir werden im nachstehenden zu der Analyse dieser Frage noch zurückkehren. Jetzt aber möchten wir zur Betrachtung der weiteren Experimente übergehen. Es war von ausenscheinlicher Wichtigkeit, den Einfluss des Atropins auf die Pankreassekretion unter dem Einflusse solcher fetthaltigen Substanzen zu studieren, die als natürliche Bestandteile der Nahrung gelten. Wir wählten Rahm. In den Experimenten mit Rahm bekam das Tier !/s Stunde vor der Eingiessung des letzteren 60 eem reines Hühnereiweiss in den Magen, und erst hiernach wurden durch die Magenfistel 300 ecm besten Rahms eingegossen. Die Atropininjektion geschah 30 Minuten nach der Rahmeinführung subkutan. Die Resultate dieser Experimente sind für beide Hunde in der Tabelle VI niedergelegt. Tabelle VI. Ryschi. 28. März 1911. Reaktion im Magen sauer. Puls 76 in der Minute. | Saftmenge Bemerkungen Einführung von 60 ccm Eiweiss in den Magen. Einführung von 300 ccm Rahm in den Magen. Einführung von 0,005 & Atropin. # Normale Pankreassekretion als Synthese von nerv. und humor. Einfluss. 547 | Saftmenge Bemerkungen gelegten Experimente zuwenden, nehmen Erste ER Puls ca. 200 in der Minute, Seande - 54 + 21,3(B) Pupillen erweitert. | 6 4) Reaktion des Mageninhalts neutral. weite || 351 Zweite 3,3 Stunde | 32 13,3(0) 2,9 Reaktion des Mageninhalts schwach sauer. Im : Magen verblieben ca. 120 ccm gallig gefärbten Rahms. Stickstoffgehalt in der Portion A: 0,33752 g. ”» „ ” » B: 0,09072 g. ” ER) ” C: 0,10752 g- Fest. Rückstand „ „ A B: 1,418 g » ” 2» » Col gi Eiweissfermente „ , “ Alt ” 2 ” ”„ B: 2,0. Grifon. 4. April 1911. Reaktion im Magen sauer. Puls 84 in der Minute. | .Saftmenge | Bemerkungen Te ——: 0,3 0,6 Eingiessung von 60 ccm Eiweiss in den Magen. 1,4 0,8 Einführung von 300 ccm Rahm in den Magen. . 38 18:6(4) Subkutane Injektion von 0,005 g Atropin. ( 72,0 | a 9 116,5(B) | Puls ca. 200. Pupillen erweitert. {| 53) . 4,3 u II srl a \ 3,4 Im Magen ca. 100 ccm geronnenen Rahms nebst Beimischung von Galle. Reaktion neutral. Stickstoffgehalt in der Portion A: 0,56672 g. Rn Ba ni B: 0,22848 g. ” ” 2 ” C: 0,28 g Eiweissfermente „ „ x A: 8,2. ” ” ” ” B: 3,4. Wenn wir uns den Resultaten der im vorstehenden nieder- wir wahr, dass die Atropin- 548 A. Bylina: injektion bei Ryschi auch unter den gegebenen Verhältnissen eine starke Abnahme des Stickstoffes zur Folge hatte. Die Beschleunigung der Sekretion war hierbei eine sehr unbedeutende: vor der Injektion- innerhalb !/g Stunde 8,1 cem, nach der Atropininjektion innerhalb 1 Stunde 21,5 eem. Die Stiekstoffmenge hat sich aber um das 4,2 fache verringert. Ein gleichartiges Verhalten wurde auch in der zweiten Stunde nach der Atropineinführung beobachtet. Die Stickstoffmenge hat sich im Vergleich zum Stickstofigehalt im Saft, der auf Rahm vor der Atropininjektion zur Ausscheidung gelangt war, um das 93,6 fache verringert, und zwar trotz gleichzeitiger Verringerung der Sekretions- schnelligkeit. Ähnliches Verhalten zeigte bei Ryschi auch das Eiweissferment, das sich von 3,7 auf 2,0 verringert hat. Wenn wir uns nun zu den Resultaten desselben Experiments mit Rahmeinführung bei unserem zweiten Hunde (Grifon) zuwenden, stellen wir vollständige Ähnlichkeit derselben mit den soeben ge- schilderten Resultaten fest. Hier hat sich der Stickstoffgehalt nach der Atropineinführung bei etwas verlangsamter Sekretion um das 2,5 fache verringert; die Stickstoffabnahme hielt auch in der zweiten Stunde an. Das proteolytische Ferment sank von 5,2 auf 3,4. | Damit man sich von dem Grade der Abnahme der Saft- konzentration eine Vorstellung machen kann, möchten wir die Sekretion auf Rahm anführen. In diesen Experimenten fand eine Atropininjektion nicht statt. Tabelle V1. Ryschi. 31. März 1911. Reaktion im Magen schwach sauer. Saftmenge Bemerkungen | Einführung von 60 ccm Eiweiss in den Magen. 0,3 0,8 0,5 Einführung von 300 ccm Rahm in den Magen. 4.4 } 2,0 | Sal Srste De: u Stunde ] 34 | 13,8 (B) tl 36 Normale Pankreassekretion als Synthese von nery. und humor. Einfluss. 549 | Saftmenge Bemerkungen Reaktion des Mageninhalts schwach sauer. Galle nieht vorhanden. = s ww oo or =1 men me 3 - or &o ID (es) Due »cOcow Zweite { Stunde (l De Im Magen verblieben ca. 30 ccm geronnenen Rahms ohne Beimischung von Galle. Reaktion sauer. Stickstoffgehalt in der Portion A: 0,38864 g. y BR ». B: 0,53836 g. » » nn €: 041552 g. Eiweissfermente „ „ RU Fest. Rückstand „ „ N ee ” ” p7] ” ” C: 3,116 g Grifon. 31. März 1911. Reaktion im Magen sauer. | Saftmenge Bemerkungen Einführung von 60 ccm Eiweiss in den Magen. 0,3 0,7 0,8 x Einführung von 300 cem Rahm. 3,6 30,66 (A) I a2) Erste 4,2 Sumde || 59 | 192. (D) 3,8 Reaktion des Mageninhalts neutral. Galle nicht vorhanden. 34) Zweite 2,9 Stunde 3,0 | 12,1 (0) li 32 Im Magen verblieben ca. 150 ccm Rahm; Galle nicht vorhanden. Reaktion schwach sauer. Stickstoffgehalt in der Portion A: ” ” BD} 2) » 2? 2) Eiweissfermente „, Fest. Rückstand „, ” ” b2] n SrıErere er] ” B2] ” ” 0,62944 g. 0,5824 g. 0,59248 g. 4,5. 4,066 2. 4,14 g. Wir sehen, dass in diesen Experimenten bei dem einen der Hunde (Ryschi) der Stickstofigehalt in der zweiten Portion sich nicht Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd. 142. 37 990 A. Bylina: nur verringert, sondern im Gegenteil bedeutend vergrössert hat. Bei Grifon aber hat zwar eine gewisse Verringerung stattgefunden, jedoch ist der Grad derselben im Vergleich zu der Stickstoffabnahme im entsprechenden Experiment mit Atropin als geringfügig zu be- trachten; während im letzteren Falle der Stickstoffgehalt sich um 2,5 verringert hat, hat er sich hier nur um 1,08 mal verringert: Ein demjenigen des Stickstoffes ähnliches Verhalten zeigt auch der feste Rückstand. Wir haben für denselben keine Bestimmungen in den Saftportionen, die in den Tabellen VI und VII mit dem Buchstaben A bezeichnet sind. Vergleicht man aber bei Ryschi die entsprechenden Quantitäten des festen Rückstandes in den beiden Experimenten in den Portionen B und C, so sieht man auch hier, dass die Atropin- injektion den Gehalt des Saftes an festen Substanzen stark herab- gesetzt hat. Während in dem Falle ohne Atropin der feste Rückstand 3,79 8 (B) bzw. 3,116 g (C) betrug, waren die entsprechenden Befunde im Experiment mit Atropineinführung 1,418 g (B) bzw. 1,51 g (©). Wir sehen somit, dass das Atropin auch in den Experimenten mit Rahm, wie früner in denjenigen mit reinem Fett, die Kon- zentration der stiekstoffhaltigen organischen Substanzen in dem zur Ausscheidung gelangenden Saft verringert. Die Sekretion hört hierbei nieht auf. was man in derselben Weise erklären kanı, wie es beim Öl geschehen ist: eine gewisse Quantität Rahm dringt in den Darm noch vor der Atropininjektion ein, und hier funktioniert das im Rahm enthaltene Fett als Erreger der Pankreassekretion; hierbei verdankt die vor sich gehende Sekretion, da der Einfluss des Nerven- systems entweder beseitigt oder wesentlich verringert ist, ihr Zu- standekommen hauptsächlich dem humoralem Mechanismus. Nun kam die Aufgabe an die Reihe, die Pankreassekretion auf Seifen bei Beseitigung des nervösen Mechanismus mittelst Atropin zu erforschen. Seifen entstehen bekanntlich aus Fettsäuren bei deren Verdauung im Darmkanal und sind, wie B. P. Babkin!) nach- gewiesen hat, ein energischer spezifischer Erreger der Pankreas- sekretion. Die grosse Bedeutung der Seifen für diese letztere gab Veranlassung zu Anwendung von Atropin bei denselben unter den Bedingungen des chronischen Experiments, wie sie in allen unseren Untersuchungen geboten waren. 1) B. P. Babkin, Über den Einfluss der Seifen auf die sekretorische Funktion des Pankreas. Arch. biolog. Wissenschaften Bd. 11. 1904. Normale Pankreassekretion als Synthese von nerv. und humor. Einfluss. 551 Jedem der Versuchstiere führten wir durch die Magenfistel .100 eem einer 5°/oigen wässrigen Lösung von Natrium oleinicum ein, worauf genau nach einer Stunde die Atropininjektion stattfand. Die Resultate der Experimente sind in der Tabelle VIII nieder- gelegt. Tabelle VII. Ryschi. 21. April 1911. Reaktion im Magen sauer. Puls 90 in der Minute. | Saftmenge | Bemerkungen Einführung von 100 ccm einer 5 Yo igen Lösung von Natrium oleinicum in den Magen. 4,6 | Suse” | = | 17,9 (A) Im Mageninhalt ca. 60 ccm Lösung. 3 Einführung von 0,005 g Atropin. 1,4) u } 15 6,3 (B) Puls ca. 200 in der Minute. Pupillen erweitert. I 12) Dritte 06 Stunde { 01411000) ‘Im Magen verblieben ca. 40 cem Seifenlösung (30 Min.) 3 ohne Beimischung von Galle. Reaktion alkalisch. Stickstoffgehalt in der Portion A: 0,2464 g. ” ) „ B: 0,126 8 Grifon. 13. April 1911. Reaktion im Magen neutral. Puls 96 in der Minute. | Saftmenge Bemerkungen Schleim, Speichel, Seifenlösung und Galle be- stand. Reaktion alkalisch. 0,6 Einführung von 100 ccm einer 5 /oigen Lösung von Natrium oleinicum in den Magen. 2,32) Era = | ande j I (A) Im Magen ca. S0 cem Lösung. L 2,8 Einführung von 0,005 g Atropin. Nach 5 Min. Puls ca. 200 in der Minute. Pupillen erweitert. 1,2) Zweite | alle Stunde } 1,5 [ 5,0 (B) v7. 10) Dritte 2,3 | Stunde 1,1 74,2 (C) (45 Min.)\ 0,8 J Im Magen verblieben ca. SO ccm Inhalt, der aus all 902 A. Bylina: Stickstoffgehalt in der Portion A: 0,43008 g. B: 0,1904 g. C: 0,24264 g. ” n ” ” ” ” ” ” Bei beiden Hunden ist, wie wir sehen, eine sehr bedeutende Verringerung der Stickstoffmenge eingetreten. Die Anteilnahme des Atropins an dieser Erscheinung tritt noch deutlicher hervor, wenn wir uns zu den Kontrollexperimenten mit Seife wenden, die sich nur dadurch unterscheiden, dass sie ohne Beseitigung des Einflusses des Nervensystems vor sich gingen. Die hierher gehörigen Befunde sind: Ryschi. Tabelle IX. 7. April 1911. Reaktion im Magen sauer. Erste Stunde Zweite Stunde Dritte Stunde (45 Min.) | | | Grifon. Saftmenge Bemerkungen m 0,5 Einführung von 100 ccm einer 5%oigen Lösung ns von Natrium oleinicum in den Magen. 3, | er u 4,6 Reaktion des Magensaftes stark alkalisch. Im Magen ca. 40 ccm Seifenlösung. Dia 23 110,608) 1,7 1,5 1,0 22,9 (0) 0,4 Im Magen etwas Schleim von alkalischer Re- aktion. Galle nicht vorhanden. Stickstoffgehalt in der Portion A: 0,32144 go. ” ” ” ” B: 0,47264 g- Fest. Rückstand „ ,„ „A: 2/5988. B: 3,38342 g. ”» ” ” » ” 7. April 1911. Reaktion im Magen sauer. | Saftmenge | Bemerkungen 14 0,8 Einführung von 100 ccm einer 5°/eigen Lösung von Natrium oleinicum in den Magen. Normale Pankreassekretion als Synthese von nerv. und humor. Einfluss. 553 | Saftmenge | Bemerkungen j 391 Dei, L N Im Magen ca. 60 ccm Seifenlösung. a II 531 - Zweite 3,9 rn Stunde } 3,0 13,7(B) Il 28 | Ad 31) Dritte DEU > 26,10) Stunde 13316908 L | Im Magen etwas Schleim von alkalischer Re- aktion. Galle nicht vorhanden. Stickstoffgehalt in der Portion A: 0,40992 g. ” ” ” $) B: 0,42448 8. ” ” $) „ C: 0,51072 g. Eiweissfermente „ ,„ n A: 4,1. ” ” ” „ B: 4,8. Fest. Rückstand „ ,„ e A: 3,102 g. ” „ „ „ „ B: 3,168 g. In diesen Experimenten sehen wir im Gegensatz zu den voran- gehenden Experimenten mit Atropin bei beiden Hunden einen mit dem Fortschreiten der Sekretion progressiv zunehmenden Stickstoff- gehalt. Dasselbe Verhalten zeigen sowohl die Quantität der festen Substanzen als auch diejenige des proteolytischen Ferments (Grifon). | Man kann somit auf Grund unserer Erhebungen sich der von W. W. Sawitsch!) ausgesprochenen Ansicht voll und ganz an- schliessen, wonach die Hauptrolle bei der Sekretion auf Seifen den Nerven zukommt. Unsere weiteren Experimente hatten die Aufgabe, die Wirkung des Atrepins unter möglichst natürlichen Verhältnissen der Fütterung des Tieres mit fetthaltiger Nahrung zu studieren. Zu diesem Zwecke fütterten wir die Versuchttiere mit einer Mischung, die aus 100 g gemahlenem rohen Fleisch und 50 g frischer Rahmbutter bestand. 1) W. W. Sawitsch, Beiträge zur Physiologie der Pankreassekretion. Mitteil. d. Kaiserl. Militär-Mediz. Akademie za St. Petersburg 1903. 554 A. Bylina: Letztere wurde zuvor angewärmt und dann mit dem Fleisch zu einer einförmigen Masse sorgfältig verrieben; der Hund frass diese Mischung sehr gern. — Eine Stunde nach der Fütterung fand die Injektion von 0,005 g Atropin statt. In dieser Weise wurde nur an einem der Hunde, nämlich an Grifon, experimentiert, da bei dem anderen Hunde Ryschi zu dieser Zeit eine Duodenalfistel angelegt wurde. Die Resultate des Experiments sind in der Tabelle X ent- halten. | Tabelle X. Grifon. 9. Mai 1911. Bemerkungen | . Saftmenge Verfütterung einer Mischung aus 100 g Fleisch und 50 g Butter. 5 5 Erste 1 Stunde 3,3 1114) 3,2 Reaktion des Mageninhalts sauer. Injektion von 0,005 & Atropin. Puls ca. 200 in der Minute. Pupillen erweitert. 1,3 Zweite 1,2 Stunde | N] 5,9.(B) (| 14 Reaktion im Magen sauer. Es verblieb ein Teil des Fleisches und der Butter. Stickstoffgehalt in der Portion A: 0,4648 g. e AN U LEN up orsAuse _ Eiweissfermente „ „ AS ARS: en) n B: 24. Wir sehen, dass auch unter diesen vollkommen natürlichen Versuchsbedingungen, bei denen das Nahrungsmittel in den Magen normal gelangte, und zwar auf dem natürlichen Wege per os, das Atropin eine sehr deutliche Verringerung der Stickstoffmenge herbei- geführt hat, der eine Abnahme der proteolytischen Kraft des Saftes entspricht. Diese Wirkung des Atropins tritt um so deutlicher hervor, wenn man berücksichtigt, dass die Schnelligkeit der Sekre- tion zu derselben Zeit mehr als um das Doppelte nachgelassen hat. Das Kontrollexperiment (ohne Atropin) wurde am 11. Mai vor- genommen. Bin BEP. a Normale Pankreassekretion als Synthese von nerv. und humor. Einfluss. 555 Tabelle XI. Grifon. 11. Mai Du | Saftmenge | Bemerkungen Verfütterung einer Mischung aus 100 g Fleisch | und 50 g Butter. Erste 2,1 Stunde 21 54 (A) 2,0 er Reaktion des Mageninhalts sauer. ’ Zweite 2,7 | Stunde 2,2 | 10,3 (B) 2,0 Im Magen verblieb ein grosser Teil des Fleisches und der Butter. Reaktion sauer. Stickstoffgehalt in der Portion A: 0,58688 g, ”„ » „ ” B: 0,44352 8, Eiweissfermente „ „ a Asa ” $)] ” ” B: 4,4. In diesem Experiment gab die zweite Stunde gleichfalls eine gewisse Verringerung des Stickstoffs und des Eiweissferments. Je- doch kann diese Verringerung hinsichtlich ihrer Dimensionen als der gleichzeitigen Zunahme der Schnelligkeit der Pankreassekretion ent- sprechend betrachtet werden. Wir haben noch eine Sorte fetthaltigen Nahrungsmittels, näm- lich Eigelb geprüft. In dem betreffenden Experiment wurden dem Hunde durch die Magenfistel 100 cem rohen Hühnereigelbs ein- geführt, und nach 1 Stunde wurde das Atropin injiziert. Tabelle XI. Grifon. 5. Mai 1911. ae Bemerkungen Spontane Sekretion bei leerem Magen. Einführung von 100 cem rohen Eigelbs indenMagen. 3,8 Erste 1,3 Stunde 2% (| 2,6 R \ } Injektion von 0,005 g Atropin. Puls ca. 200 in der Minute. Pupillen erweitert. [ 0,9 Zweite 0,8 Stunde 0,8 | 0,9 Magen leer. Reaktion in demselben alkalisch. Stickstoffgehalt in der Portion A: 0,49728 g B: 0,2604 g. B2] p] br] n A. Bylina: OT SR a Hierauf wurde dasselbe Experiment, jedoch ohne Atropin wiederholt. E Tabelle XII. Grifon. 4. Mai 1911. | Saftmenge | Bemerkungen Pankreassekretion bei leerem Magen. 0,9 0,6 Einführung von 100 ccm rohen Eigelbs in den Magen. N Erste 2,0 Stunde 12 b2 @ (I 232 5 [ Se Zweite 5 23178 B Stunde Keen (B) | 08] Magen leer. Reaktion neutral. Stickstoffgehalt in der Portion A: 0,631 g. ” ” ” ” B: 0,5376 8- Wenn wir die Daten in Tabelle XII und XIII miteinander ver- gleichen, so sehen wir, dass im Experiment vom 5. Mai trotz der gewaltigen Verlangsamung der Sekretion die Stiekstoffabnahme in der zweiten Stunde weit stärker ausgesprochen war als in der Be- obachtung vom 4. Mai. Oben wurde bereits hervorgehoben, dass in den Experimenten mit reinen Fetten und fetthaltigen Nahrungsmitteln ein gewisser, ziemlich grosser Vorrat an Fettmaterial aus dem Magen in das Duo- denum noch vor der Atropininjektion eindringt. Somit sammelt sich im Duodenum trotz der durch das Atropin hervorgerufenen Parese der motorischen Funktion des Magens und trotz der Inhibierung des Übertritts des Mageninhalts in das Duodenum eine gewisse Quantität Fettsubstanz an, die stets mit der Schleimhaut in Berührung kommt und infolgedessen innerhalb einer gewissen Zeit in bezug auf das Pankreas ihre safttreibende Wirkung zur Geltung zu bringen vermag. Es ist klar, dass dieselbe Erscheinung auch bei Einführung von wässrigen Lösungen von Natrium oleinicum in den Magen statt- findet. Auch hier sammelt sich schon vor der Atropininjektion im Duodenum ein gewisser Vorrat an Seifenlösung, die so lange Pankreassekretion bewirkt, bis eine vollständige Absorption der im Darm vorhandenen Seifen stattgefunden hat. Normale Pankreassekretion als Synthese von nerv. und humor. Einfluss. 557 Ganz andere Verhältnisse haben wir bei einem anderen Erreger der Pankreassekretion, nämlich bei Salzsäure. Die in den Darm eindringenden Salzsäureportionen werden teils resorbiert, teils rasch neutralisiert, so dass gleichzeitig mit der durch das Atropin bewerk- stellieten Parese des Magens auch der Übergang von frischen Salz- säureportionen in das Duodenum aufhört. Die früher eingetretenen Portionen büssen dank der Neutralisation rasch die Fähigkeit ein, Pankreassekretion hervorzurufen. Dieser Umstand veranlasste mich, eine Versuchsanordnung zu wählen, bei der die Säurelösung in das Duodenum unabhängig von dem Zustande des Magens eingeführt werden konnte. Dies lässt sich in der einfachsten Weise dadurch erreichen, dass man die Flüssigkeit unmittelbar in das Duodenum einführt. Diese Untersuchungen wurden unter den Bedingungen der akuten Form des Experiments mehrmals ausgeführt. Die unter diesen Bedingungen angestellten Beobachtungen mit Atropin brachten in der letzten Zeit die Mehrzahl der Forscher zu der Ansicht, dass die nach Säureapplikation eintretende Pankreassekretion ohne Be- teilieung des Nervensystems vor sich geht und dies ausschliesslich dem humoralen, dem Sekretinmechanismus verdankt. Die akute Form der experimentellen Methodik, die in vielen Fällen bis jetzt leider unersetzbar ist, involviert gewisse, allgemein bekannte Mängel, welche die Quelle von unvermeidlichen Fehlern abgibt. Infolge dessen war es in hohem Grade erwünscht, den Einfluss des Atropins auf die saure Pankreassekretion bei einem Hunde mit permanenter Duodenalfistel nachzuprüfen. Zu diesem Zwecke legte Professor J. P. Pawlow am 29. April 1911 dem einen unserer Versuchs- hunde, nämlich dem Ryschi, eine Duodenalfistel an. Bekanntlich wurden im Dezember 1910 dem Ryschi eine Pankreas- und Magen- fistel angelegt. Die neue Operation wurde, wie die beiden, ersten in Morphium-Chloroform-Narkose ausgeführt. Das für die Fistel be- stimmte Metallrohr wurde in das Duodenum in einer Entfernung von ungefähr 10 en unterhalb der Mündungsstelle des Duetus pan- ereatieus magnus eingeführt. Die nächste schwere Aufeabe bestand nun darin, das so kom- pliziert operierte Tier am Leben zu erhalten, welches gleichzeitig Fisteln an drei benachbarten und so eng miteinander verbundenen Organen, wie Magen, Pankreas und Duodenum, hatte. Das post- operative Stadium verlief bei Ryschi durchaus günstig. Die Haut- 558 A. Bylina: öffnung umklammerte das Fistelrohr so fest, dass der Darminhalt an diesem letzteren nicht vorbeifloss.. Der Verlust an Pankreas- saft wurde ebenso wie früher durch den Verschluss der entsprechen- den Öffnung mittelst eines mit Watte umwickelten Gummidiskus verhütet. Die Nahrung des Hundes bestand ausschliesslich aus Milch und Weissbrot. Die Experimente mit Ryschi begannen wir erst in der vierten Woche nach der Anlegung der Duodenalfistel, als der Hund sich von der Operation bereits vollständig erholt und an Körpergewicht zugenommen hatte. Wir waren somit vollkommen sicher, dass wir an einem vollständig normalen und gesunden Tiere experimentieren. Wir hatten somit zu eruieren, ob die nach Säureapplikation eintretende Pankreassekretion ihr Zustandekommen tatsächlich ledig- lich dem humoralen Sekretionsmechanismus verdankt, oder ob auch das Nervensystem daran einigermassen beteiligt ist. Die Anordnung der entsprechenden Experimente bestand in folgendem. Nach vorangehender Ausspülung des Magens bei offener Duodenalfistel wurde durch diese letztere in den Darm eine 0,1 "/oige wässrige Salzsäurelösung eingeführt, und zwar in einer Quantität von 100 ecem, wobei die Schnelligkeit der Einführung so reguliert wurde, dass die ganze Flüssiekeitsmenge in das Duodenum genau innerhalb einer vollen Stunde hineinfloss. Zu diesem Zwecke ver- wendeten wir einen Apparat, der aus einer graduierten Bürette von 100 eem Kapazität bestand. Die Bürette wurde an einem Stativ befestigt und mittelst eines mit einer Schraubenklemme versehenen Gummiröhrcehens mit dem Rohr der Duodenalfistel in Verbindung gebracht. Der Druck, unter dem die Säurelösung in die Darmhöhle floss, wurde durch Heben der Bürette auf konstanter Höhe gehalten. Der Pankreassaft wurde von Viertelstunde zu Viertelstunde, d. h. innerhalb eines Zeitraumes gesammelt, während dessen 25 cem 0,100 iger Salzsäurelösung aus der Bürette in das Duodenum flossen. Die qualitative Analyse des Pankreassaftes wurde an halb- stündigen Saftportionen vorgenommen. In denjenigen Experimenten, die das Stadium der Beteiligung des Nervenmechanismus bezweckten, wurden dem Versuchstiere unmittelbar am Ende der ersten halben Stunde (in 30 Minuten seit Beginn der Einführung der Salzsäure in das Duodenum) 0,005 g Atropin subkutan injiziert. Es versteht sich von selbst, dass man durch Vereleichung der qualitativen Eigen- schaften des vor und nach der Atropininjektion in einzelnen Por- Normale Pankreassekretion als Synthese von nerv. und humor. Einfluss. 559 tionen gesammelten Saftes feststellen kann, ob durch die Beseitigung resp. Abschwächung des Nerveneinflusses mittelst des Alkaloids irgend eine Veränderung in der Zusammensetzung des auf Säure zur Sekretion gelangenden Pankreassaftes stattgefunden hat. Wir möchten zunächst die Resultate des Kontrollexperiments anführen, in dem die Atropininjektion unterblieben ist. Tabelle XIV. Ryschi. 30. Mai 1911. Saftmenge | Bemerkungen . \ 11,1(A) 5,9) ” h 11,2 (B) Stickstoffgehalt in der Portion A: 0,16464 g. ” ”„ ” » B: 0,14336 g- Fest. Rückstand ,„ „ A: 1,84703 9. ” ei ” ” ” B: 1,691 g8- Eiweissfermente „ ,„ e NG Be Be: 2,8: ” » ” ” Im vorstehenden Experiment fällt vor allem die grosse Gleich- mässigkeit der Sekretionsschnelligkeit auf: die Saftvolumenmengen, die den halbstündigen Portionen A und B entsprechen, sind ein- ander sehr nahe (11,1 eem bzw. 11,2 ccm). Dieser Umstand be- weist uns die Genauigkeit des sekretorischen Mechanismus: das Pankreas reagiert auf den gleichen Reiz (in beiden Fällen 50 ccm Salzsäurelösung) mit quantitativ gleichförmigem sekretorischen Effekt. Die qualitative Analyse beider Saftportionen weist auf deren nahe Ähnlichkeit hin. Die proteolytische Energie ist in beiden Fällen vollkommen gleich. Der Stickstoffgehalt und der feste Rückstand nehmen jedoch, wie aus der Tabelle hervorgeht, in der zweiten halbstündigen Portion etwas ab. Die Anordnung des folgenden Experiments vom 1. Juni unter- schied sich von dem vorangehenden nur dadurch, dass am Ende der ersten halben Stunde dem Tiere 0,005 g Atropinum sulfurieum injiziert wurden. Für die Gleichmässigkeit der Schnelligkeit der Einführung der Säure in das Duodenum wurde in derseiben Weise gesorgt wie früher. 560 A. Bylina: BabelleXV: Ryschi. 1. Juni 1911. Saftquantität | Bemerkungen Injektion von 0,005 g Atropin. N 3(B) Puls über 200 in der Minute. 220 a Stickstoffquantität in der Portion A: 0,17024 g. 2 ” ” ” B: 0,11576 8: Eiweissfermente „ ,„ # A: 2,9. ” ” ” B: 1,8. In diesem Experiment tritt die Identität in der Sekretions- schnelligkeit, die im vorangehenden Experiment beobachtet wurde, nicht mehr hervor. Hier ist in der zweiten Hälfte des Experiments eine bedeutende Verlangsamung der Sekretion eingetreten, deren Zusammenhang mit der Atropineinführung vollkommen klar auf der Hand liegt. Trotz der Verringerung der Schnelliekeit der Saftabsonderung ist die Abnahme des Stiekstoffgehaltes in der zweiten halbstündigen Portion (B) im Vergleich zu der ersten (A) bedeutend klarer aus- geprägt als im Experiment vom 30. Mai. In der Beobachtung vom 1. Juni bemerkten wir ausserdem eine gewisse Verringerung der proteolytischen Energie. Dasselbe Experiment wurde am 4. Juni wiederholt. Folgende Tabelle enthält die hierher gehörigen Resultate. Tabelle XVI. Ryschi. 4. Juni 1911. Saftquantität | Bemerkungen 21314) Injektion von 0,005 g Atropin. 3,9 Puls über 200 in der Minute. 4,6 7,9(B) Stickstoffgehalt in der Portion A: 0,1568 o. h a: £ B: 0,07616 g. Eiweissfermente „ „ „ A372,9. 2 ” ” ” B: 1,6. Normale Pankreassekretion als Synthese von nerv. und humor. Einfluss. 561 In diesem Experiment wurde ebenso wie im vorangehenden in der zweiten Hälfte beobachtet: Verlanegsamung der Sekretions- schnelligkeit, Verringerung der eiweissverdauenden Kraft des Saftes und Abnahme des Stickstoffgehaltes, wobei diese letztere bedeutend deutlicher ausgeprägt ist als im Kontrollexperiment vom 30. Mai. Dieser Unterschied tritt schon bei einfachem Vergleich der ent- sprechenden Zahlen miteinander zutage. Noch deutlicher wird er, wenn wir in Erwägung ziehen, dass im Experiment vom 30. Mai der Stickstoffgehalt in der Portion B im Vergleich zu demjenigen der Portion A sich um 1,14mal verringert hat, während im Experiment vom 4. Juni die entsprechende Verringerung 2,05 mal ausmachte. Es ist somit klar, dass die Atropineinführung unter den Be- dingungen unserer Beobachtungen eine gewisse Verringerung des Stickstoffgehaltes in dem auf Säure zur Sekretion gelangten Pankreas- saft, folglich eine Abnahme der gesamten Fermentenergie des Sekretes bewirkt hat, für welche die Stickstoffquantität einen genauen Mass- stab abgibt. Der Grad der Abnahme der Stickstoffmenge ist in den Experimenten mit der Säure zwar geringer als in denjenigen mit Öl, immerhin aber durchaus wahrnehmbar und konstant. Die mitgeteilten Daten dokumentieren einen gewissen Unter- schied zwischen den Daten unserer Beobachtungen und denjenigen anderer Forscher. Wir glauben, dass dieser Unterschied durch die Verschiedenheit der angewendeten Methodik bedingt ist, wobei wir _ von dem Standpunkte ausgehen, dass der von uns angewendeten chronischen Form des Experiments an einem Tiere mit permanenten Fisteln des Pankreas und des Duodenum eine grössere Genauigkeit zukommt. Bekanntlich bewirkte in den akuten Experimenten die Atropininjektion keine Verlangsamung der Pankreassekretion auf Säure. Unter den Bedingungen unserer Experimente führte die Injektion des Alkaloids jedesmal eine deutliche Verringerung der Sekretionsschnelligkeit herbei. Die Hauptursache dieser Erscheinung muss man mit der grössten. Wahrscheinlichkeit in der durch das Atropin bedingten Inhibierung resp. Abschwächung der Darmperistaltik suchen. Es ist klar, dass dieser Umstand in mehr oder minder bedeutendem Grade die Absorption der Säurelösung seitens der Schleimhaut erschwert, was seinerseits zur Verlangsamung der Sekretion führen muss. Unter den Bedingungen des akuten Experi- ments ist die motorische Darmfunktion schon von Anfang an gestört, so dass die Atropininjektion in dieser Beziehung eine wesentliche 962 A. Bylina: Änderung nicht herbeiführt, und die Resorptionsbedingungen, sofern sie von der Beweglichkeit des Darmes abhängen, in statu verbleiben. Das ist der Grund, weshalb die Sekretionsschnelliskeit unter dem Einflusse des Atropins bei der akuten Untersuchungsform sich nieht verändert. Ausser der Verlangsamung der Sekretion hat die Atropininjektion in unseren Experimenten in dem auf Säure zur Sekretion gelangten Pankreassaft noch eine gewisse Abnahme des Stickstoffgehaltes, d. h. eine Verringerung des Gesamtgehaltes an Fermenten in demselben bewirkt. Die Bedeutung dieser Tatsache liegt darin, dass auch in der Pankreassekretion auf Salzsäure ausser dem humoralen Sekretin- mechanismus das Nervensystem bis zu einem gewissen Grade eine Rolle spielt. Die Beteiligung des Nervensystems müssen wir uns in zweierlei Weise vorstellen. Erstens ist es durchaus möglich, dass die Salzsäure ausser ihrer safttreibenden Hauptwirkung durch die Vermittlung des Sekretins die Fähigkeit besitzt, die Sekre- tion auch reflektorisch, d. h. auf dem Wege durch das Nervensystem zu beeinflussen. Der zweite Umstand, der in Betracht gezogen werden muss, ist mehr von allgemeiner Bedeutung und besteht in folgendem: das Pankreas zeigt bekanntlich eine mehr oder minder bedeutende konstante selbständige Sekretion, die durch den Übertritt der Speisemassen in das Duodenum nieht bedingt wird, da sie auch bei leerem Magen und am hungernden Tiere beobachtet wird. Man kann nicht in Abrede stellen, dass an dem Zustandekommen dieser Sekretion ein Teil des Einflusses auch auf den sauren Magen- saft zurückgeführt werden muss, der von der Magenschleimhaut periodisch abgesondert wird und in das Duodenum eindringt. Es unterliegt jedoch keinem Zweifel, dass hier ausser dem humoralen auch der nervöse Mechanismus beteiligt ist, und dass man somit Veranlassung hat, von einer selbständigen oder spontanen sekre- torischen Tätigkeit des Pankreas zu sprechen. Einen Beweis für das Gesagte können unsere Untersuchungen abgeben, die wir hier nur kurz erwähnen. können, da sie in einer anderen Arbeit eingehend geschildert sind. Es handelt sich um einen Hund mit konstanten Fisteln des Pankreas und Magens. Bei diesem Hunde riefen wir eine künstliche komplette Achylia gastrica hervor und beobachteten trotz des Fehlens von Magensaft ziemlich bedeutende spontane Pankreassekretion bei leerem Magen und bei alkalischer Reaktion in demselben. Normale Pankreassekretion als Synthese von nerv. und humor. Einfluss. 563 Ferner waren wir bestrebt, den Einfluss des Atropins auf diese selbständige Saftsekretion klarzustellen. Das entsprechende Ex- periment hatten wir an Grifon angestellt: innerhalb der 1. Stunde wurde bei leerem Magen Pankreassekretion beobachtet, wobei die Reaktion im Magen neutral war; dann bekam der Hund eine Atropin- injektion, worauf innerhalb 1 Stunde wiederum Pankreassaft ge- - sammelt wurde. Bei Abschluss des Experiments war die Reaktion im Magen alkalisch. Das Resultat der Atropininjektion bestand erstens in einer ‘quantitativen Verringerung der selbständigen Sekretion (erste Stunde: 4,3 cem, zweite Stunde: 2,3 ccm) und zweitens in einer Abnahme der proteolytischen Kraft des Saftes (von 4,0 nach Mett auf 2,4). Dieses Experiment beweist mit voller Überzeugungeskraft, dass der nervöse Mechanismus in der spontanen Pankreassekretion eine Rolle spielt. Es ist klar, dass jede sekretorische Tätigkeit des Pankreas, durch welchen Erreger sie auch hervorgerufen sein mochte, sich auf die die Basis bildende selbständige Saftabsonderung gleichsam auf- facht bzw. sich derselben ausschliesst. Also, selbst wenn es auch Erreger gibt, die an und für sich auschliesslich auf humoralem Wege wirken (als solchen Erreger betrachtet die Mehrzahl der Autoren die Salzsäure), so ist immerhin summa summarum der zur Aus- scheidung gelangende Saft das Resultat in der Hauptsache zwar des humoralen Einflusses, in gewissem Grade aber auch des nervösen Einflusses, der der selbständigen Sekretion zukommt. Nun wird es klar, wie das Atropin in unseren Experimenten bei Ryschi eine Verringerung des Stickstoffgehaltes im Pankreassaft, der auf die Wirkung von Säuren entsteht, hat hervorrufen können. Hier wurde augenscheinlich infolge der mehr oder minder voll- ständigen Paralyse der sekretorischen Pankreasnerven aus dem üblichen summarischen sekretorischen Effekt der Teil der Nerven- wirkung abstrahiert, die eigentlich nieht dem sauren, humoralen Einflusse, sondern derjenigen ursprünglichen Pankreasfunktion zu- kommt, auf die sich die Wirkung der Säure auffacht. Zum Schluss möchten wir noch einmal auf die wichtige Rolle hinweisen, die der nervöse Mechanismus in der Pankreassekretion, die auf neutrales Fett, fetthaltige Nährmittel und Seifenlösungen erfolgt, ausübt. Man muss im Auge behalten, dass unsere Experimente mit der Atropinanwendung den ganzen Umfang des Nerveneinflusses nicht in vollem Maasse feststellen. Dies wurde durch die Geringfügigkeit 964 A. Bylina: der Atropindosis gestört, auf die wir uns beschränken mussten, um der Gesundheit und dem Allgemeinzustande der Versuchstiere bei den wiederholten Atropininjektionen keinen Schaden zuzufügen. Andererseits ist es nicht ausgeschlossen, dass die so geringe (Quantität (0,005 g) den sekretorischen Einfluss des Nervensystems nicht voll- ständig beseitigte, sondern ihn in mehr oder minder geringem Grade abschwächte. Wir haben somit keinen Grund zu behaupten, dass die gesamte Sekretion, die in unseren Experimenten nach der Atropineinführung beobachtet wurde, ausschliesslich durch den humoralen Mechanismus bedingt war. Es ist möglich, dass hier infolge der geringen Atropin- dosis ein gewisser Grad von nicht vollkommen beseitigtem Nerven- einfluss verblieb. Sicher ist nur, dass die gesamte Verringerung des (resamtgehalts an Fermenten durch die durch das Atropin bewirkte Abschwächung des Nerveneinflusses bedingt war. Daraus geht hervor, dass das Nervensystem in der Funktion des Pankreas eine sehr grosse Rolle spielt, und zwar nicht nur eine regulierende, wie dies Bayliss und Starling:) behaupten, sondern in der Hauptsache eine trophische, d. h. auf die Bildung und Aus- scheidung von Pankreasfermenten gerichtete. Wir wollen hier auf die Frage der Einteilung der Pankreas- nerven in sekretorische und trophische nicht näher eingehen. Diese Frage ist vorläufig in vielen Beziehungen eine vollständig offene. Wenn man nun unsere Untersuchungen in ihrer Gesamtheit einer summarischen Betrachtung unterzieht, so muss man zu dem Schlusse gelangen, dass die normale sekretorische Pankreasfunktion das summarische Resultat der Funktionen zweierlei verschiedener Mechanismen oder Sekretionsmodi ist: einerseits des humoralen chemischen, andererseits des nervösen. Diese Tatsache kann als Beispiel dafür dienen, wie der Organismus zur besten Erfüllung seiner Bedürfnisse bestrebt ist, mittelst der verschiedensten Wege seine kowpliziertesten Funktionen zu koordinieren. Zum Schluss ist es mir eine angenehme Pflicht, dem hoch- verehrten Herrn Prof. J. P.E. Pawlow für die ständige Anleitung, 1) Bayliss and Starling, The mecanism of pancreatic secretion. Journ. of physiol. vol. 28. 1908. — Bayliss und Starling, Die chemische Koordi- nation der Funktionen des Körpers. Ergebn. d. Physiol. Bd. 5. 1906. nn. Normale Pankreassekretion als Synthese von nerv. und humor. Einfluss. 565 die er mir bei der Ausführung dieser Arbeit in liebenswürdiger Weise hat zuteil werden lassen, desgleichen dem Assistenten des Laboratoriums, Herrn Privatdozenten B. P. Babkin, für die Hilfe und Ratschläge, die ich bei ihm stets fand, an dieser Stelle meinen tiefsten Dank zu sagen. Literatur. M. Affanassiew und I. Pawlow, Beiträge zur Physiologie des Pankreas Arch. für die ges. Physio]. u. Pathol. des Menschen u. der Tiere Bd. 16. 1878. J. Pawlow, Weitere Beiträge zur Physiologie der Bauchspeicheldrüse. Ebenda Bde 1878. J. P. Pawlow, Innervation des Pankreas. Eschenedelnaja klinitscheskaja Gazeta 1888. J. P. Pawlow, Vorlesungen über die Funktion der Hauptverdauungsdrüsen St. Petersburg 1897. W.W.Kudrewetzki, Beiträge zur Physiologie des Pankreas. Dissertation. 1890. J. Dolinski, Über den Einfluss der Säuren auf die Pankreassekretion. Disser- tation. 1894. N. I. Damaskin, Über die Wirkung des Fettes auf die Pankreassekretion. Arbeiten der Gesellsch. der russischen Ärzte. St. Petersburg 1896. L. B. Popielski, Über die sekretionshemmenden Nerven des Pankreas. Disser- tation. 1896. A. A. Walter, Über die sekretorische Funktion des Pankreas. Dissertation. 1897. W.W. Sawitsch, Mechanismus der Pankrerssekretion. Arbeiten der Gesellsch. der russischen Ärzte. St. Petersburg 1903. W.W. Sawitsch, Beiträge zur Physiologie der Pankreassekretion. Mitteil. der Kaiserl. Militär-Medizin. Akademie zu St. Petersburg 1908. B. P. Babkin und W. W. Sawitsch, Zur Frage des Gehaltes an festen Be- standteilen im durch verschiedene Erreger gewonnenen Pankreassaft. Ebenda. B. P. Babkin und N. P. Tichomirow, Zur Frage der Wechselbeziehungen zwischen der proteolytischen Kraft und dem Gehalt an Stickstoff und festen Bestandteilen im Pankreassaft. Ebenda. B. P. Babkin, Über den Einfluss der Seifen auf die sekretorische Funktion des Pankreas. Arch. biolog. Wissensch. Bd. 11. 1904. B. P. Babkin, Zur Frage der sekretorischen Funktion des Pankreas. Mitteil. der kaiserl. Militär-Medizin. Akademie zu St. Petersburg 1904. Modrakowski, Zur Innervation des Pankreas. Pflüger’s Arch. Bd. 114. Bayliss and Starling, The mecanism of pancreatic secretion. Journal of physiologie Bd. 28. 1902. Bayliss und Starling, Die chemische Koordination der Funktionen des Körpers. Ergebn. der Physiol. Bd. 5. 1906. Pflüger’s Archiv für Physiologie. Pd. 142. 3% [0,0] 566 A. Bylina: Normale Pankreassekretion als Synthese etc. Wertheimer et Lepage, Secretion pancreatique et atropine. Societe de biologie 1901. Fleig, Zur Wirkung des Sekretins und der Säure auf die Absonderung von Pankreassaft. Zentralbl. für Physiol. 1903. Wertheimer et Dubois, Des effects antagonistes de l’atropine et de la physostigmine sur la secretion pancreatique. Fleig, Intervention d’un processus humoral dans l’action des savons alcalins sur la pancreatique. Journal de physiol. et pathol. generale t. Vl. Fleig, Analyse du mode d’action des savons alcalins sur la secretion pan- creatique. Ibidem. B. P. Babkin, W. J. Rubaschkin und W.W, Sawitsch, Morphologische Veränderungen der Zellen des Pankreas bei Einwirkung von verschiedenen Erregern auf dasselbe. R. Heidenhain, Physiologie der sekretorischen Prozesse. Lehrb. der Physiol. L. Hermann. Russische Übersetzung Bd.5 T.1. 1886. St. Petersburg. | OR op) 1 (Aus dem physiologischen Institut der Universität Königsberg i. Pr.) Die Kurven der geflüsterten und leise gesungenen Vokale und der Konsonanten Sch und Ss. Von Otto Weiss. (Mit 15 Textfiguren.) Im 21. Bande des Zentralblattes für Physiologie habe ich im Jahre 1907 Nr. 19 die Resultate von Versuchen über die Re- sistrierung geflüsterter und leise gesungener Vokale sowie der Konsonanten S und Sch mitgeteilt. Ich hatte die Absicht, diese Versuche, die eine Reihe neuer Gesichtspunkte für das Studium der Sprachlaute ergeben haben, weiter auszudehnen und dann im Zu- sammenhang zu veröffentlichen. Da sich indessen der Abschluss der Gesamtuntersuchung voraussichtlich noch lange hinausschieben wird, so sehe ich mich veranlasst, den Inhalt der vorläufigen Mit- teilung zunächst ausführlich mitzuteilen. Die Versuche wurden mit dem Seifenlamellen-Phonoskop !) aus- geführt. Es wurde dabei so verfahren, dass die Schallzuleitung zu der Lamelle durch den Schlauch des Edison’schen Phonographen geschah, Dieser Schlauch wurde mit Hilfe eines Korkes so in dem Träger der Lamelle befestigt, dass kein resonanzfähiger Raum zwischen Lamelle und Schlauch vorhanden war. Für den Schlauch ist durch wiederholte Prüfung am Harmonium festgestellt worden, dass er auf keinen der Töne der verfügbaren Skala resoniert. Der Lamellenträger gestattete nach Belieben, unter Lamellen verschiedenen Durchmessers bei den Reeistrierungen auszuwählen. 1) Medizin. -naturwissenschaftl. Arch. Bd. 1 S. 457—445. — Pflüger’s Arch. Bd. 123 S. 341— 386. — Zeitschr. f. biol. Technik u. Methodik Bd. 1S. 49—57. 38 * 568 Otto Weiss: Verwendet wurden Lamellen von 0,4—2,4 em Durchmesser. Die ersten Versuche wurden mit einer Lamelle von 1 em Durchmesser angestellt. Über die Konstanten dieses Instrumentes habe ich an verschiedenen Stellen Angaben gemacht. Durch neue Unter- suchungen bin ich veranlasst, diese Angaben zu revidieren und teil- weise zu berichtigen. Die wichtigste Frage für das Registrierinstrument ist die nach seiner Eigenperiode. Wie ich mehrfach mitgeteilt habe, war es mir nicht gelungen, an dem Instrument Eigenschwingungen zu erzeugen. Solche Versuche geschahen zunächst durch Erzeugung von Luft- bewegungen mit der Hand, die Kurven mit steilem Anstieg und Ab- fall zur Folge hatten. Ich hatte zunächst angenommen, die Lamelle habe wegen ihrer geringen Spannung einen so tiefen Eigenton, dass er noch unter der Periodendauer akustischer Schwingungen liege), und war deshalb überrascht, als ich bei Prüfung der Eigenperiode des Systems zwar völlige Aperiodizität, aber eine Einstellungszeit von nur 0,01 Sekunden fand. Das wäre bei der Kombination einer Lamelle von der ver- muteten Periodendauer und eines Hebels, der aperiodisch schwingend in etwa !/;s Sekunde seine Ruhelage erreicht, nicht möglich. Meine Bedenken wurden dann zerstreut durch das freilich unerwartete Resultat, das die Berechnung der Eigenperiode der Lamelle ergab. Die mathematische Behandlung der Schwingungen von Membranen findet sich bei Lord Rayleigh, Theorie of Sound. Für eine kreis- förmige Membran vom Radius », der Spannung S und der Ober- FE 5 SE en, De a A flächendichte d ist die Schwingungsdauer 7 — 0.383 \ g' Hierin ist r gegeben; d ist das Produkt aus der Oberfläche der Membran, der Dicke und dem spezifischen Gewicht der Membranmaterie. & ist doppelte Oberflächenspannung. Die Daten für diese Grössen sind in Zentimetern, Grammen und Sekunden ausgedrückt: r—=0,5 em; d— zır?-1,1012-57 811-107; S—17r?:2-.2,7829-9,81. Das spezi- fische Gewicht der verwendeten Seifenlösung wurde mit dem Pykno- meter bestimmt. Die Dicke der Membran ist aus den bekannten Dimensionen und dem spezifischen Gewicht errechnet worden. Zu- srunde gelegt ist der Berechnung ein Membrandurchmesser von l em und ein spezifisches Gewicht von 1,1012. Das Membran- 1) Pflüger’s Arch. Bd. 127 S. 75. Die Kurven der geflüsterten und leise gesungenen Vokale etc. 569 gewicht wurde gleich 0,00005 g gesetzt entsprechend meiner früheren 0,00005 Angabe. D ist die Dicke de =; N ngabe emnach ist die Dicke der Membran d #.0,25-1,10% — (0,000 057 811 cm. Die Oberflächenspannung wurde mit Hilfe der Bestimmung der Kapillaritätskonstante « bestimmt. Diese wurde aus der Steighöhe 7 der Seifenlösung in einem Rohre vom Radius r nach der Gleichung @—!srHs ermittelt. Es wurde gefunden »— 0,43571 mm; H= 11,6 mm; s, wie angegeben — 1,1012. Demnach ist « = 2,7829, im: absoluten Maasssystem gleich 2,7829-9,81. Die Oberflächen- spannung der Membranflächen ist also 7r?-2-2,7829-9,81. Führt ‚man die numerierten Daten in die Gleichung für die Schwingungs- dauer ein, so erhält man für 7 den Wert: 0,5 m 1012-57 811-1079 mr? 0,382 2.2,7829- 9,81rr: Danach müsste eine Membran von den Eigenschaften der hier verwendeten eine Schwingungeszahl von 707,54 haben. Dabei würde eine Einstellungszeit von 0,01 Sekunde durchaus möglich sein. Neue Bedenken kamen mir indessen durch eine Untersuchung von Melde?!), die ich erst im Laufe der letzten Monate kennen lernte. Melde bestimmte die Eigenperiode von Seifenmembranen, deren Durchmesser von 33,8 em bis 11,2 em variierte. Er fand für die Membranen von folgendem 1 — — (,0014133 Sek. Durchmesser Schwingungszahl 39,5 cm 1,042 28.2, 1,389 22,0% 1,934 Im00 2,882 1142, % 3,891 Zugleich wurde ich auf eine Untersuchung von May und Lindemann?) aufmerksam gemacht, in der sich die Angabe fand, dass eine kreisförmige Seifenlamelle von 1,5 em Durchmesser eine Eigenperiode von "rs Sekunde habe. Da dieses Resultat den Melde’schen Beobachtungen sehr viel näher kam als das Resultat meiner Berechnung, so wurden meine Bedenken hinsichtlich der er- mittelten Einstellungszeit aufs neue geweckt, zumal ich auch bei 1) Annalen der Physik 6. Reihe Bd. 9 8. 275—296. 2) Deutsches Arch. f. klin. Medizin Bd. 93 S. 500—534. 570 Otto Weiss: der Bestimmung der Eigenperiode einer Membran von 24 mm Durch- messer eine Schwingungszahl von nur 35 pro Sekunde fand. In der Tat ist die Methode, mit Hilfe deren die Einstellungs- zeit bestimmt wurde, nicht ohne Bedenken. Die Versuchsanordnung war so, dass eine Glimmermembran, mit einem Eisenplättchen armiert, als Telephonmembran benutzt wurde. Die Dämpfung geschah durch Reibung eines Stiftes, den das Eisenplättchen trug, in einer mit Kautschuk gefütterten Hülse. Diese Telephonmembran wurde direkt auf die eine Fläche der Metalllamelle aufgekittet, welche die Seifen- lamelle trug. Auf diese Weise bildeten Seifenlamelle und Telephon- membran die Wände eines kegelförmigen Luftraumes, dessen Mantel die Metalllamelle bildete. Es erschien nun nicht ausgeschlossen, dass bei dieser Anordnung nicht die Einstellungszeit der Seifenlamelle bestimmt wurde, sondern die Einstellungszeit der Telephonmembran, indem die Seifenlamelle den Bewegungen der Telephonmembran treu folgte. Deshalb erschien es wünschenswert, die Einstellungs- zeit der vollkommen freischwingenden Membran festzustellen. Dies ist möglich, wenn man die Membran durch elektrische Ladung vor- wölbt, wie Cremer und Matthes!) angegeben haben. Dieser Methode habe ich mich bedient und gefunden, dass die Eigenschaften des freischwingenden Phonoskopsystems wesentlich anders sind, als ich auf Grund der beschriebenen Versuche an- genommen habe. Das freie System schwingt nicht vollkommen aperiodisch, wie ich bisher und noch kürzlich OÖ. Frank?) gegenüber betont habe, vielmehr kommt ihm eine Eigenperiode von !/s2,; Sekunde zu. Das Dämpfungsverhältnis der Schwingungen beträgt 2,33; das logarithmische Dekrement ist 0,8321. Aus dieser Beobachtung geht zugleich hervor, dass bei meinen Bestimmungen der Einstellungszeit durch die Versuchsanordnung eine neue Dämpfung des Systems hinzugekommen ist, die dem frei- schwingenden abgeht. Wie inzwischen schon Garten?) gezeigt hat, lassen sich die Schwingungen dämpfen, wenn die Lamelle vor einem kleinen Luftraum schwingt. Bei meiner Bestimmung der Einstellungs- zeit bin ich durch diese Luftdämpfung getäuscht worden. Dass diese die Ursache war für die Aperiodizität des Instrumentes bei den 1) Verhandl. des Kongresses für innere Medizin 27 S. 267 —272. 2) Der Gegenstand meiner Diskussion mit OÖ. Frank wird durch diese Be- richtigung nicht berührt. 3) Zeitschr. f. Biologie Bd. 56 S. 41—74. Die Kurven der geflüsterten und leise gesungenen Vokale etc. 571 Bestimmungen, habe ich erst jetzt bemerkt. Ich muss deshalb meine Behauptung, dass das System vollkommene Aperiodizität besitze, zurücknehmen und dahin berichtigen, dass es nur den oben an- gegebenen Grad von Dämpfung!) hat. Bei den Ausführungen fällt auf, dass die errechnete Schwingungs- zahl von 707,54 und die beobachtete von 62,5 sehr voneinander abweichen. In der Dämpfung des Systems kann die Ursache dieser Abweichung nicht liegen; denn dem ungedämpften System würde eine Eigenperiode von 64,6 zukommen. Die Ursache der Abweichung der Rechnung von der Beobachtung liegt vielleicht darin, dass die Dicke der Membran wesentlich grösser ist, als ich aus den von mir ausgeführten Bestimmungen schliessen musste. Die Gleichung für die Schwingungsdauer 7’ lautet, wie angegeben, Pi $ SEN We .. ® .. Oo f o N= 0383| 5 Bei flüssigen Membranen ändert sich $ fast gar nicht, wenn die Membrandicke sich ändert; denn die Spannung ist lediglich eine Funktion der Oberfläche der Membran, und diese ändert ihre Grösse in kaum merklichem Betrage. Dagegen ändert sich die Schwingungsdauer proportional der Wurzel aus der Membran- dicke. Im vorliegenden Falle hätte man also anzunehmen, dass die Dicke der Membran etwa 121 mal so gross ist wie angenommen worden ist, wenn die Rechnung eine Schwingungszahl von 64,6 ergeben sollte. Diese Annahme hätte man aber nur unter der Voraussetzung zu machen, dass im Membranhebelsystem die ganze Membran als schwingender Körper zu betrachten ist, was offenbar nicht zutrifft. Denn dureh das Ende des Hebels wird aus der Lamelle ein kreis- förmiges Stück im Zentrum herausgeschnitten, so dass in Wirklich- keit der schwingende Körper ein Ring aus Seifenlösung ist. Für kreisförmige Seifenmembranen ist die Schwingungsdauer von Melde und von Garten bestimmt worden. Auch ich habe einige solche Bestimmungen gemacht, indem ich gleich Garten nach der Methode von Cremer und Matthes die Membran durch elektrische Ladung vorwölbte.. Die Resultate der Bestimmungen sind in der folgenden Tabelle enthalten. 1) Es ist leicht möglich, die Dämpfung durch das beschriebene Verfahren zu vermehren, und ich werde dementsprechend mein Instrument modifizieren. Inwieweit etwa meine bisherigen Registrierungen durch diese Eigenschaften des Instrumentes beeinflusst sind, werde ich demnächst ausführen. Otto Weiss: [br 1 ID Membran- Schwingungs- Material durchmesser dauer Autor cm Sek. ( I | aD Melde . 28,2 0,720 Seiten- ) 22/6 | 0317 R wasser | 17.0 0,347 l 11,2 0,257 5 2,69 0,0285 Garten 2,40 0,0280 Weiss 2,03 0,0196 Garten Glyzerin- 1,50 0,0133 May u. Lindemann Seifen- 1,47 0,0123 N wasser 1,00 0,008 Weiss 0,96 0,0069 Garten 0,60 0,0033 » L 0,20 0,0009 5 Für eine kreisförmige Lamelle von 1 cm Durchmesser ergibt das Experiment eine Schwingungsdauer von 0,008 Sekunde. Das ist nahezu das Sechsfache der errechneten Schwingungsdauer. Man muss also an- nehmen, dass die Membrandieke das 36fache der angenommenen Dicke beträgt. Das würde also statt 57 811-107? 36-57 811-107? sein. Im schwingenden System des Phonoskops wird die Seifenlamelle durch die Hebelschleife in zwei getrennte Lamellen geteilt, so dass, wie erwähnt, eine ringförmige Lamelle schwingt. Dieser Ring wird im Zentrum belastet durch den Hebel und durch die in seiner Schleife liegende kleine Lamelle. So ist es wohl verständlich, dass die Schwingungsdauer geringer ist als die einer unbelasteten kreis- förmigen Lamelle. Die beschriebene Anordnung ist auch die Ursache, dass die ringförmige Lamelle wesentlich gedämpfter schwingt als eine freie kreisförmige Lamelle es nach den Versuchen von May und Lindemann und von Garten tut. Denn einmal durch- schneidet der aperiodisch schwingende Hebel die Luft, wenn die Lamelle schwingt, und zweitens wird die dämpfende Wirkung der Luft- reibung durch die kleine Lamelle im Zentrum des Ringes vergrössert. Die Reibungswiderstände, welche auf diese Weise geschaffen werden, geben dem Instrument den oben beschriebenen Grad von Dämpfung. Die Versuchsanordnung war analog der früher beschriebenen. Der Apparat war erschütterungsfreier!) aufgestellt, als dies früher 1) Ich benutze hier die Gelegenheit, zu erklären, dass meine Vermutung, dass Einthoven’s Mikrophon bei seinen Registrierungen der Herztöne nicht erschütterungsfrei aufgestellt gewesen sei, irrtümlich war. Ich habe mich davon persönlich in Leiden überzeugt. & ee Die Karven der geflüsterten und leise gesungenen Vokale etc. 573 möglich war. Herr Dr. E. Herrmann und Herr V. Hoffmann hatten die Freundlichkeit, die Sprachlaute für die Reeistrierungen zu erzeugen. Ausserdem dienten meine eigenen Sprachlaute der Untersuchung. Fig. 5. Fig. 1-5. Vokal A obere Kurve, untere Y/ıoo Sekunde. F ig. 1, geflüstert; Fig. 2, sehr leise gesungen; Fig. 3, etwas lauter; Fig. 4, laut; Fig. 5, sehr laut. Es wurde eine grosse Zahl von Sprachlauten untersucht; von diesen Registrierungen gebe ich im folgenden nur die Resultate, die etwas Neues enthalten. Hierher gehören in erster Linie die Flüster- laute. Die beistehenden Figuren geben je ein Photogramm der Vokale U, O, A, E, I. Die Kurven haben gemeinsam, dass die 1) Einige Kurven mussten zur Reproduktion umgezeichnet werden. 574 Otto Weiss: Schwingungen ununterbrochen in der Grösse der Amplitude wechseln. Die Kurven des geflüsterten U, O0 und A sind von dem gleichen Fig. 8. Fig. 6—8. Vokal O0. Fig. 6, geflüstert; Fig. 7, leise gesungen; Fig. 8, laut. WWW VW VMAWMMMMAAVAVAWWVMMWVVWVVVVVG Fig. 10. Bie-zlil® Fig. 9—11. Vokal U. Fig. 9, geflüstert; Fig. 10, leise gesungen; Fig. 11, laut. Die Kurven der geflüsterten und leise gesungenen Vokale etc. 575 Typ. Bei ihnen ist die Periode der Schwingungen für jeden Vokal ziemlich konstant, während die Amplituden fortgesetzt in ihrer Höhe wechseln. Das Verhältnis der Amplituden kann bis zu °/ı betragen. Wodurch der Vokalcharakter beim Flüstern bedingt wird, ist aus den Registrierungen sehr schwer zu sagen. Ich hatte zunächst an- genommen, dass die Schwankungen der Amplitudenhöhen, die immer in Gruppen erfolgen, das charakteristische Moment wären, wurde aber durch die Analyse der Kurven der sehr leise gesungenen Vokale zum Zweifel daran gezwungen. Näheren Aufschluss über diese Frage können Versuche über Vokalsynthesen ergeben, mit denen ich noch beschäftigt bin. Fig. 12. Vokal E, geflüstert. Fig. 13. Vokal I, geflüstert. 4 ELTA Fig. 14. Scharfes 8. Fig. 15. (1 mm Absz. — 0,01 Sek.) Der Geräuschcharakter, den die geflüsterten Vokale tragen, wird wohl durch die grosse Unregelmässiekeit der Gruppierung der Schwingungen bedingt sein. Wie man aus den Kurven sieht, schwellen die Amplituden in jeder Gruppe von Schwingungen an und wieder ab. Würden diese Gruppen gleiche zeitliche Abstände voneinander haben, so hätte das Ohr, wie bekannt, den Eindruck eines Tones, dessen Höhe vom zeitlichen Abstande der Gruppen ab- hänst. Bei den Kurven der geflüsterten Vokale wechselt der zeit- liehe Abstand der Gruppen ununterbrochen. Man hat zu erwarten, dass dadurch der Eindruck des Geräuschartigen entsteht. Sicheren Aufschluss werden auch hier synthetische Versuche ergeben, mit denen ich beschäftigt bin. Vielfach sind in den Kurven der ge- flüsterten Vokale Schwingungen nachweisbar, die frequenter als die charakteristischen Schwingungen der Formanten sind. Dies ist be- sonders beim Vokal A der Fall. Diese Schwingungen treten sehr unregelmässig auf. Auch sie können für die Erzeugung des Geräusch- charakters von Bedeutung sein. 976 Otto Weiss: Einer besonderen Besprechung bedürfen die Kurven der ge- flüsterten Vokale E und I. Bei ihnen findet man stets Schwingungen, deren Periode . wesentlich geringere Dauer hat als die Periode der charakteristischen Töne. Diese letzteren sind den langsameren Sehwingungen aufgesetzt. | Die charakteristischen Töne für die geflüsterten Vokale liegen für U zwischen 400 und 600, im Mittel 450) oa 550.23... 710,08 00 (610 aa 700:0.3°°840, 2 0,2100..2760 Ei 2. 099008 5:>0600. =... 9500 1 123..22950008 oe 000 Diesehr leise gesungenen Vokale zeigen bei den Kurven von U, OÖ, A sehr charakteristische Unterschiede von den Kurven der laut gesungenen. Besonders und ohne weiteres fällt dieser Unterschied bei den Kurven für A in die Augen. Während die Kurve des laut gesungenen A (Kurve 5) von der Schwingung des Grundtones niehts mehr enthält (das lehrt bereits die blosse Be- trachtung, und die Analyse bestätigt es), tritt die Grundtonschwingung bei dem leise gesungenen Vokal in den Vordergrund. Die Kurve des sehr leise gesungenen A zeigt Schwingungen, bei denen die Grundtonamplitude sehr hoch ist; die Formantschwingungen sind von gleichmässiger Höhe und über die Grundtonschwingung verteilt. Dasselbe Verhalten zeigt die Kurve des etwas stärker gesungenen Vokales A (Kurve 3). Auch hier haben die Formantschwingungen in der ganzen Periode nahezu die gleiche Höhe. Bei stärker ge- sungenem Vokal A treten die Formantschwingungen stärker hervor; die Grundtonschwingung ist aber immer noch stark vertreten. Hier zeigt sich ein sehr wesentlicher Unterschied von den beiden ersten Kurven. Die Formantzacken haben nicht mehr alle gleiche Höhe; vielmehr zeigen sie in der Periode des Stimmtones ein Anschwellen und Abschwellen. Hier beginnt sich das anzudeuten, was beim laut gesungenen Vokal den schwebungsartigen Charakter der Kurve be- dingt (Kurve 4). Diesen zeigt die Kurve 5, in welcher der Grund- ton, wie bereits erwähnt, auch durch die Analyse nicht mehr nach- zuweisen ist. Analoge Verhältnisse findet man bei den Vokalen U und O0. Bei den Vokalen E und I dagegen überwiegt in den Registrierungen stets der Grundton über die Formantschwingungen. 1) Mittelzahlen aus Versuchen an drei Personen. Die Kurven der geflüsterten und ıeise gesungenen Vokale etc. 57 1 Es sind hier keine Kurven von gesungenem E oder 7 reproduziert worden, weil die gewonnenen keine Abweichungen von den bekannten Typen zeigen. Worin der Grund für das eigentümliche Verhalten der Formanten gegenüber dem Grundtone liest, kann gegenwärtig nicht sicher gesagt werden. Bemerkenswert in dieser Hinsicht ist eine Untersuchung von Meissner, in der gezeigt wird, dass die Bedingungen der Schallzuleitung das Schallbild sehr wesentlich in dem Sinne modi- fizieren können, den unsere Kurven zeigen. Ferner habe ich ge- legentlich beobachtet, dass die Kurve des Vokals A auf die Note C ein Prävalieren des Grundtones zeigt, wenn zur Registrierung eine Seifenmembran von 2,4 cm Durchmesser verwendet wurde. Die Kurven desselben Schalles zeigten bei Verwendung einer Membran von 1 em Durchmesser nichts mehr von Grundton. Dass in der Tat die Eigenschaften der Membran von grosser Bedeutung für die Form sein können, in der der Schall registriert wird, das ersehe ich aus den Kurven von L. Hermann!), aus: denen hervorgeht, dass man auch für den Vokal / Schallbilder gewinnen kann, die vollkommen dem Typus der Kurve des laut gesungenen A gleichen. Meine Versuche über diesen Gegenstand sind noch nicht abgeschlossen, so dass ich mich hier mit diesen kurzen Bemerkungen begnügen muss. Zum Schluss teile ich noch die Resultate meiner Registrierungen der Konsonanten Sch und Ss mit. Die Kurven, welehe man von diesen Sprachlauten mit Hilfe einer Seifenmembran gewinnen kann, zeigen sehr geringe Amplituden, wenn man nicht, wie es neuerdings Garten getan hat, Membranen von sehr kleinem Durchmesser nimmt. Ich habe deshalb die Seifenmembran durch eine Goldblattmembran ersetzt und damit Kurven erzielt, in denen beim Sch Sehwingungs- frequenzen nachzuweisen waren, die zwischen 300 und 4500 lagen. Beim Ss (Kurve 14) gehen diese Frequenzen bis zu 6000 und mehr in der Sekunde. Die Resultate meiner Versuche der Registrierung der geflüsterten Vokale und der Laute Sch und Ss sind neuerdings im wesentlichen von Garten?) bestätigt worden; für den Konso- nanten Sch konnte Garten indessen nur Schwingungsfrequenzen von höchstens 2900 pro Sekunde nachweisen. 1) Pflüger’s Arch. Bd. 47 Taf. VII. ES Ü). Altenburg Pierersche Hofbuchdruckerei Stephan Geibel & Co. I FR $ m: ar N N ” z 2 = Ss N 799 { ENATETGE EST um ah) 4 ar