ar er « = Rn T PFLÜGER® ARCHIV FÜR DIE GESAMMTE PHYSIOLOGIE DES MENSCHEN UND DER TIERE. HERAUSGEGEBEN VON MAX VERWORN PROFESSOR DER PHYSIOLOGIE UND DIREKTOR DES PHYSIOLOGISCHEN INSTITUTS DER UNIVERSITÄT BONN UNTER MITWIRKUNG VON PROF. BERNHARD SCHÖNDORFF IN BONN. BAND HUNDERT UND SIEBENUNDVIERZIG. MIT 9 TAFELN UND 129 TEXTFIGUREN. BONN, 1912. VERLAG VON MARTIN HAGER. WIRFER % n an Inhalt. Erstes und zweites Heft. Ausgegeben am 23. Juli 1912. Hals- und Labyrinthreflexe beim Kaninchen; ihr Einfluss auf den Muskeltonus und die Stellung der Extremitäten. Von Dr. Walther Weiland (Kiel). (Mit 6 Textfiguren.) (Aus dem pharmakologischen Institut der Reichsuniversität Utrecht) . Lässt sich ein Ödem durch den Säuregehalt der Gewebe er- klären? Von A. R. Moore. (Mit 2 Textfiguren.) (Aus ‘dem Rudolph Spreckels Physiologieal Laboratory der Universität von Kalifornien, Berkeley, U.S. A.) . Zur Lehre von den zentripetalen Nerven der Blutgefässe. DH. Mitteilung. Von Dr. Paul Kaufmann, Chef des Laboratoriums am kais. klinischen Institut für Geburtshilfe und Gynäkologie zu St. Petersburg. (Mit 3 Textfiguren) . ‚Vergleichende Versuche über die Wirkung rhythmischer und kontinuierlicher Durchspülung. Von Paul Gerlach. (Mit 1 Textfigur.) (Aus dem Be Institut der Universität Rostock) : i . Über Wirkungen des „Pituitrin“ (Parke, Davis & ©o. ) auf Kreis- lauf und Atmung. Von Otto Paukow, Düsseldorf. (Mit 6 Textfiguren.) (Aus dem pharmakologischen Institut der Universität Freiburg i. Br.) .. Über Messung von Gewebsoxydationen in vitro (Leber, Zentral- nervensystem). Von Ryuta Usui aus Japan. (Aus der medizinischen Klinik der Universität Heidelberg) Über die Quelle einiger von Hermann Straub vertretenen An- sichten über den Mechanismus der Herztätigkeit. Von Prof. Dr. Yandell Henderson. (Aus dem physiologischen Institut der Yale University, New Haven, Conn.) Berichtigung zur Abhandlung in Pflüger’s Archiv Bd. 145 S. 487 von R. Magnus und A. de Kleijn * Seite: 28. 35- Qual 89: 100: a al IV Inhalt. Drittes, viertes und fünftes Heft. Ausgegeben am 6. August 1912. Experimentelle Untersuchungen über die rückläufige Durch- strömung parenchymatöser Organe. Von Franz Breslauer, Medizinalpraktikant. (Hierzu Tafel I, H u. II.) (Aus dem pathol. Institut des städt. Rudolf Virchow-Kranken- hauses zu Berlin) a ee Arbeit und Gaswechsel am Froschherzen. II. Mitteilung. Wirkung des Cyanids. Von Dr. Viktor Weizsäcker, Assistent der Klinik. (Mit 1 Textfigur.) (Aus der medizinischen Klinik der Universität Heidelberg) Physiologische Wertbestimmung am Dünndarm (nebst Beiträgen zur Wirkungsweise des Pilokarpins).. Von Dr. P. Neu- kirch. (Mit 14 Textfiguren.) (Aus dem pharmakologischen Institut der Reichsuniversität Utrecht) . Zur Kenntnis der Entstehung der Darmbewegung. Von Dr. Walther Weiland, Assistenzarzt an- der medizinischen Universitätsklinik in Kiel. (Mit 11 Textfiguren.) (Aus dem pharmakologischen Institut der Reichsuniversität Utrecht) . Respirationsversuche am Menschen im nüchternen Zustand und nach Zufuhr verschiedener Eiweisskörper. Von Wilhelm- Loeffler. (Aus der allgemeinen Poliklinik, Basel) Über den Gebrauch des Ausdruckes „tropisch“ und über den Charakter der Richtungskraft bei Ameisen. Von Zivil- ingenieur Victor Cornetz, Algier. (Mit 2 Textfiguren) Zur Physiologie der Pankreassekretion. Von A. J. Smirnow. (Aus der physiol. Abteilung des Instituts für exper. Medizin zu St. Petersburg) . Sechstes und siebentes Heft. Ausgegeben am 30. August 1912. Über die Latenz der elektrischen Reaktion des Froschherz- muskels bei Doppelreizen. Nach Versuchen von Herrn J. 8. Beritoff mitgeteilt von Prof. A. Samojloff. (Mit 6 Textfiguren.) (Aus dem physiologischen Laboratorium der physiko-math. Fakultät der k. Universität Kasan Mund- und Nasenatmung in ihrem Einfluss auf die Thorax- bewegung. Von Dr. Ludwig Hofbauer. (Mit 1 Text- figur.) (Aus dem physiologischen Institut der k. k. Uni- versität in Wien) Ä Seite 117 135 153 171 197 215 234 271 Inhalt. Über den Synergismus von Arzneien. Von Emil Bürgi in Bern RN er eh Tal Über die lieinlen Stannius’ chen Versuche am Säugethier- herzen.. (Gleichzeitig eine Erwiderung an H. Winter- stein.) Von Prof. H. E. Hering (Prag) i . Zur Frage über den Mechanismus der Wirkung des Fettes als sekretorischen Erregers der Bauchspeicheldrüse. Von B. P. Babkin und Hidetsurumaru Ishikawa (Japan). (Aus der physiol. Abteilung des Instituts für exper. Medizin zu St. Petersburg) . Einiges zur Frage über die periodische Arbeit a aan kanals. Von B. P. Babkin und Hidetsurumaru Ishikawa (Japan). (Aus der physiologischen Abteilung des Instituts für experimentelle Medizin zu St. Petersburg) Achtes und neuntes Heft. Ausgegeben am 16. September 1912. Untersuchungen über die Atemzentrentätigkeit bei den Insekten. I. Über die Physiologie der Atemzentren von Dytiscus, mit Bemerkungen über die Ventilation des Tracheensystems. Von Prof. Dr. Edward Babäk, Prag. Unter der Mit- wirkung von stud. med. J. Hepner. (Mit 8 Textfiguren) Experimentelle Untersuchungen über den Hautkitzel.e. Von Prof. Dr. Adolf Basler, Assistent am physiologischen Institut in Tübingen. (Mit 5 Textfiguren) A Untersuchungen über den Druck in den kleinsten Blutgefässen der menschlichen Haut. I. Mitteilung. Der Ochrometer, ein Apparat zur Ermittlung dieses Druckes. Von Prof. Dr. Adolf Basler, Assistent am physiologischen Institut in Tübingen. (Mit 5 Textfiguren) SEN Die Abhängigkeit des Tonus der Nackenmuskeln von de Kopf- „stellung. Von R. Magnus und A. de Kleijn. (Mit "1 Textfigur.) (Aus dem pharmakologischen Institut ı Reichsuniversität in Utrecht) LE Über die Dikrotie des Arterienpulses nach Versuchen mit ihrer künstlichen Erzeugung der elastischen Röhren. Von Dr. K. Hasebroek. (Mit 32 Textfiguren.) (Aus dem Ham- burger Medico-mechanischen Zander-Institut) oo Über die Methodik der Aufzeichnung reiner Herzschallkurven. Von Heinrich Gerhartz. (Aus dem med.-poliklinischen Institut der Universität Berlin) 279 288 335 349 375 393 403 417 437 VI ikalteike Bemerkungen zu der Mitteilung von Y. Henderson. (Pflüger’s Archiv Bd. 147 8. 111.) Von Dr. Hermann Straub, Assistenzarzt. (Aus der medizinischen Klinik der Universität Tübingen) . Zehntes, elftes und zwölftes Heft. Ausgegeben am 24. September 1912. Studien an Paraganglien. Von Prof. Dr. R. H. Kahn. (Mit Unterstützung der Gesellschaft zur Förderung deutscher Wissenschaft, Kunst und Literatur in Böhmen.) (Mit 9 Text- figuren und Tafel IV und V.) (Aus dem physiologischen Institute der deutschen Universität in Prag) Elektrokardiogrammstudien über die Wirkung der Ca-Salze der Ringer’schen Lösung aufs Herz. (Etwas zur Bedeutung der T-Zacke des Elektrokardiogramms.) Von A. Leonto- witsch, Privatdozent an der Universität in Kiew. (Mit 5 Textfiguren und Tafel VI, VO, VIII) Beschreibung einer Vorrichtung zur optischen Registrierung von Druck und Stromstärke. Von K. Hürthle. (Mit 3 Text- figuren.) (Aus dem physiologischen Institut der Universität Breslau) SE RR SE N Über die Beziehung zwischen Druck und Geschwindigkeit des Blutes in den Arterien. Von K. Hürthle. (Mit 8 Text- figuren und Tafel IX.) (Aus dem physiologischen Institut der Universität Breslau. Mit Unterstützung aus dem Elizabeth Thompson Science Found) . 6 Ist eine aktive Förderung ‘des Blutstroms durch die Arterien erwiesen? Von K. Hürthle. (Aus dem physiologischen Institut der Universität Breslau) - Seite 443 445 473 509 525 582 (Aus dem pharmakologischen Institut der Reichsuniversität Utrecht.) Hals- und Labyrinthrefllexe beim Kaninchen; ihr Einfluss auf den Muskeltonus und die Stellung der Extremitäten. Von Dr. Walther Weiland (Kie!). (Mit 6 Textfiguren.) Vor kurzem veröffentlichten R. Magnus und A. deKleijn'!) in diesem Archiv ihre Untersuchungen über die Abhängiekeit der Gliederstellung vom Kopf; sie konnten bei dezerebrierten Hunden und Katzen zeigen, dass diese Abhängigkeit in ganz gesetzmässiger Weise geregelt ist durch eine Reihe von Reflexen; eine Anzahl dieser Reflexe liess sich auch beim Menschen : nachweisen, wenn durch pathologische Prozesse, z. B. Hydrocephalus oder Blutungen, das Gross- hirn ausgeschaltet war. Es wurde aus den vielfältigen Erscheinungen analysiert, dass es sich entweder um Reflexe handelt, die vom Halse ausgelöst werden, oder um solche, die von den Labyrinthen aus- gehen, oder endlich, dass eine Superposition dieser beiden Reflex- arten die Tonusveränderuneen hervorruft. Für Hund und Katze konnte der Nachweis erbracht werden, dass sie auch bei normaler Grosshirnfunktion Kopfbewegungen ausführen, die von denselben Stellungen und Tonusänderungen der Glieder gefolgt sind, wie sie an dezerebrierten Tieren im Experiment hervorgerufen werden können, während die Beantwortung dieser Frage für den Menschen noch offen ist. War es demnach wünschenswert, ausgedehnte klinische Unter- suchungen am Menschen in dieser Richtung vorzunehmen, so erschien ebenso die Prüfung anderer Tierarten notwendig, bei denen die äusseren Lebensbedingungen andere als bei den bisher untersuchten I) R. Magnus und A. de Kleijn, Die Abhängigkeit des Tonus der Extremitätenmuskeln von der Kopfstellung. Pflüger’s Arch. Bd. 145 S. 455. 1912. Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd. 147. 1l 2 Walther Weiland: Tieren waren und bei denen sich vielleicht ein grösserer Labyrinth- einfluss erwarten liess. Aus diesen Gründen wählte ich das Kaninchen zu einer Untersuchungsreihe, weil dieses Tier, zu den Nagetieren gehörend, eine ganz andere Art der Fortbewegung zeigt als Hund und Katze und ferner, weil bei ihm nach Labyrinthexstirpationen die Roll- bewegungen so ausgesprochen sind. Beim Zustandekommen dieser letzteren ist nach Ewald, Winckler u.a. der veränderte Tonus der Extremitäten der operierten und der nicht operierten Seite wesent- lich beteilist und darin schien ein Hinweis auf eine besondere, sei es direkte oder indirekte, Beeinflussung der Gliederstellung durch die Labyrinthe zu liegen. Meine Untersuchungen erstrecken sich auf etwa 70 Einzel- versuche; sie haben als wesentliches Resultat, dass es auch beim Kaninchen möglich ist, die Stellung der Glieder durch Veränderung der Stellung des Kopfes zum Rumpf oder zumRaum zu beeinflussen, d.h., dass diese Stellungen durch Hals- und Labyrinthreflexe geregelt werden; in einigen Einzelheiten sind sie von den bei Hund und Katze gefundenen Er- sebnissen verschieden. Methode. Es wurde ausschliesslich an dezerebrierten Tieren gearbeitet; die Tiere wurden unter einer Glasglocke ätherisiert, dann wurde die Tracheotomie gemacht, künstliche Atmung eingeleitet, die Karotiden unterbunden und die Vagi durchschnitten. Es empfiehlt sich, diese Operation so schnell zu machen, dass sie vollendet ist, ehe die Ätherwirkung aufgehört hat, und nun erst Chloroform zu geben. Die Chloroformnarkose darf nicht zu tief sein; bei erloschenem Kornealreflex, aber noch nicht ganz erschlafften Extremitäten soll die Dezerebrierung vorgenommen werden, da es bei tieferer Narkose häufig nicht zum Auftreten der Enthirnungsstarre kommt; bei diesem Verfahren treten Sehnenreflexe usw. etwa 3—5 Minuten nach der Operation wieder auf. Da es bei den ersten Versuchen einige Male vorkam, dass die Tiere nach der Dezerebrierung plötzlich eingingen und in diesen Fällen bei der Sektion gefunden wurde, dass grössere Blutmengen bis zur Medulla herabgeflossen waren, schonte ich eine grosse Vene, die in der Dura an der Stelle der Trepanation auf dem rechten Scheitelbein zu verlaufen pflegt und verminderte so die Blutung, und Hals- und Labyrinthreflexe beim Kaninchen etc. 3 hob die Tiere einige Zeit mit dem Hinterkörper empor, wenn die Dezerebrierung vollendet war. Grössere Blutungen aus dem Schädel- innern verhindern gewöhnlich das Auftreten der Starre und machen die Tiere zum Versuch ungeeignet, selbst wenn sie. nicht zum Tod des Tieres führen. Die Enthirnungsstarre tritt unmittelbar nach der Durchtrennung des Gehirns auf und ist dann ausgezeichnet; der Kopf ist nach dem Rücken zu retrahiert, der Schwanz steil aufgerichtet und die Fx- tremitäten sind maximal gestreckt. Kommt sie nicht sofort nach der Operation zustande, so fehlt sie gewöhnlich überhaupt und es liess sich beim Kaninchen nicht, wie bei Katzen und Hunden, die Beobachtung machen, «dass anfangs schlaffe Tiere im Laufe der nächsten halben Stunde nach der Operation die Starre bekamen. Ich überzeugte mich in der ersten Hälfte der Versuche regelmässig, später nur bei wichtigeren Versuchen durch die Sektion, ob die Dezerebrierung gelungen war; ob sie vollständig ist oder nicht, sieht man übrigens schon an dem mangelhafteren Streektonus der zu der nur unvoliständig getrennten Gehirnhälfte gehörenden Extremitäten. Die notwendigen Hals- und Kopfbewegungen, die im einzelnen Versuch ‘häufig wiederholt wurden, bedingen vielfach ein frühzeitiges Nachlassen der Starre. Vielleicht spielt hierbei der Umstand eine Rolle, dass bei diesen Stellungsänderungen des Kopfes die Atmung des Tieres gestört wird und jede Behinderung der Atmung einen baldieen Verlust der Starre zur Folge hat. In manchen Versuchen hatten die Kaninchen zwar spontane Atmung, aber es war dieses längst nicht so häufiz wie bei der Katze, und meist setzte sie bei den Kopf- bewegungen aus, so dass regelmässig jedes Tier künstlich ventiliert wurde. Durch gute Atmung kann man in den meisten Lagen das Schlaffwerden der Glieder verhindern. Sehr empfindlich zeigen sich die Tiere gegen Hängelage mit dem Kopf nach oben; hierbei ist die Zirkulation gestört und man kann diesem Hindernis nur mit be- schränktem Erfolg durch Umwickeln des Abdomens mit einer Mull- binde entgegenwirken. Meist ist die Starre nach der Untersuchung in. dieser Lage schlecht geworden, das Tier erholt sich nieht mehr und stirbt. Wenn man auch zugeben muss, dass besonders im Anfang dieser Untersuchungen und später bei den Labyrinthoperationen manche Tiere sich als zart und wenig widerstandsfähig zeigten und eine Anzahl Versuche daher nicht zu einem vollständigen Resultat führten, 1 * 4 Walther Weiland: so sind doch in der grossen Reihe der gelungenen Experimente die Befunde so deutlich und eindeutig, dass sie trotz der tech- nischen Schwierigkeiten als gute und beweisende ohne Einschränkung anzusehen sind. Die Reflexe waren von ausgesprochen tonischem Charakter, wie es auch aus den photographischen Aufnahmen, die Zeitaufnahmen sind, hervorgeht, wenn sie auch nicht zu Dauer- stellungen bis zu 1 Stunde führten wie bei der Katze. Gewöhn- lieh ist die Anfangsbewegung übergross, dann aber erfolgt eine Einstellung auf einen konstanten Tonus, der 5 Minuten und länger anhält. Die Latenzzeit zwischen der Kopfbewegung und dem Er- scheinen der zugehörigen Gliederstellung ist gering; Dauer derselben bis zu 23 Sekunden, wie bei der Katze, habe ich beim Kaninchen nie beobachtet. Länger als 2 Stunden ein dezerebriertes Kaninchen mit guter Starre und erhaltener Reaktionsfähigkeit bei wiederholten Prüfungen der einzelnen Kopfstellungen am Leben zu erhalten, ist mir bis jetzt nicht gelungen. Da bei Beginn dieser Versuche die Trennung der Hals- und Labyrinthreflexe an der Katze schon durchgeführt und die Methode zur getrennten Darstellung beider ausgearbeitet war, ist es natürlich, dass sich die folgenden Untersuchungen in der gleichen Weise gliederten, wie es von Magnus und de Kleijn für jene an- gegeben ist. Hals- und Labyrinthreflexe. Die anfänglichen Versuche, durch Durchsehneidurg des Rücken- marks in der Höhe des zwölften Brustwirbels zu einer besseren Starre der Vorderbeine zu gelangen, habe ich nach neun Einzel- versuchen aufgegeben, da die Schädlichkeiten der längeren Narkose und des grösseren operativen Eingriffes zu gross waren und es sich mit der Zunahme der Versuche herausstellte, dass bei technisch einwand- freier Operation gerade die Hinterbeine sehr gut reagierten. Solcher Versuche am Tier mit undurchschnittenem Rückenmark wurden 21 vorgenommen, von denen zwei ausschliesslich zur Beobachtung der Hinterbeine verwandt wurden. Wir wollen die Darstellung so gestalten, dass wir von den vor- genommenen Versuchsreihen je eine im Protokollauszug anführen und im Anschluss daran die vervollständigenden oder abweichenden Befunde der anderen Versuche der gleichen Art ausschliessen. Was die Nomenklatur der am Kaninchen vorgenommenen Bewegungen von Kopf und Rumpf anbetrifft, so werden wir den Bezeichnungen von Magnus Hals- und Labyrinthreflexe beim Kaninchen etc. 5 und de Kleijn folgen. Es bedeutet also Seitenlage rechts, dass das Tier mit der rechten Schulter und Hüfte auf der Unterlage aufliegt, und die ent- sprechende Lage links, dass die linke Körperhälfte aufliegt; Rückenlage und Fussstellung sind direkt verständlich. Für die Hängelage, bei der das Tier mit vertikaler Wirbelsäule gehalten wird, gibt es zwei Möglichkeiten; es kann der Kopf oben und der Schwanz unten oder umgekehrt der Kopf unten und der ‘Schwanz oben sich befinden. Kopfdrehen ist eine Bewegung um. die Achse Schnauze—Hinterhauptsloch ; es wird als Drehen nach rechts bezeichnet, wenn der Scheitel nach rechts und der Unterkiefer nach links zu liegen kommt. Drehung nach links erfolgt so, dass der Scheitel nach links und der Unterkiefer nach rechts gerichtet ist. Kopfwenden ist eine Bewegung um die dorsoventrale Achse Scheitel—Schädelbasis und wird Rechtswendung genannt, wenn die Schnauze nach rechts, der Hinterkopf nach links sieht; bei Linkswendung sieht die Schnauze nach links und der Hinterkopf nach rechts. Heben und Senken ist eine Bewegung um die bitemporale Achse, die beim Heben in dorsaler, beim Senken in ventraler Richtung stattfindet. Die Extremitäten der Seite, nach welcher der Scheitel oder Hinterkopf zeigt, heissen „Schädelbeine“ diejenigen der Seite, nach welcher der Unterkiefer oder die Schnauze zeigt nennen wir „Kieferbeine“. Versuch 15. 11. Oktober 1911. Grosses Kaninchen; ätherisiert. unter der Glasglocke. Tracheotomie; Unter- bindung der Karotiden; Durchschneidung der Vagi; Chloroformnarkose; Dezere- brierung ohne grössere Blutung. Sofort nach der Dezerebrierung wird der Kopf retrahiert, der Schwanz aufgerichtet gehalten; die Extremitäten zeigen gute Starre. In rechter Seitenlage bewirkt Kopfheben dorsalwärts eine maximale Zu- nahme des Strecktonus, Kopfsenken ventralwärts, so dass die Schnauze zwischen ‘den Pfoten sich befindet, eine Abnahme des Tonus bis zum völligen Erschlaffen. Derselbe Effekt tritt auch ein, wenn die Bewegung bei fixierter Mitte der Halswirbelsäule allein im Atlantooccipital-Gelenk oder allein in den untersten Halswirbelsäulengelenken ausgeführt wird. In linker Seitenlage ist der Versuchs- erfolg derselbe. Ebenso sind in beiden Seitenlagen Kopfdrehen und -wenden von gleichem Einfluss, indem nämlich die beiderseitigen Extremitäten gleich- sinnig maximalen Tonus zeigen, wenn der Kiefer beim Drehen nach oben der Scheitel nach unten, minimalen Tonus, wenn der Kiefer nach unten und der Scheitel nach oben gerichtet ist; beim Wenden ist der Tonus maximal, wenn die Schnauze nach oben, er ist minimal, wenn die Schnauze nach unten gewendet ist. In Rückenlage ist der Tonus der Extremitäten minimal, wenn der Kopf so zum Rumpf gebeugt wird, dass die Schnauze zwischen den Pfoten liegt; bewegt man ihn dorsalwärts, so nimmt der Tonus zu, bis er bei einer Stellung, in der die Mundspalte bis zu einem Winkel von 45° über die Horizontalebene gehoben ist, maximal wird; führt man den Kopf weiter dorsalwärts, so nimmt der Tonus ab, bis zur völligen Erschlaffung der Extremitäten bei einer Kopfstellung, in der die Schnauze unter die Horizontale gebracht und mit dieser einen Winkel von etwa 40—50° bildet. Dreht man aus der Maximalstellung (Schnauze 45° 6 Walther Weiland: über der Horizontalen) den Kopf nach rechts oder links, so nimmt der Streck- tonus im Kieferbein stark zu, im Schädelbein stark ab. Kopfwenden verursacht in diesem Falle keine Unterschiede der Starre. In Fussstellung bewirkt Kopfheben dorsalwärts eine maximale Tonuszunahme; Kopfsenken, so dass die Schnauze zwischen den Pfoten liegt, eine starke Tonus- abnahme, so dass das Tier aus seiner stehenden Stellung zusammensinkt. Bei gehobenem, dorsal gerichtetem Kopf sowohl wie bei einer Ausgangsstellung mit horizontal gerichteter Mundspalte hat Kopfdrehen den Erfolg, dass der Tonus des Kieferbeins zunimmt, der des Schädelbeins abnimmt; das Tier fällt nach der Schädelbeinseite um. -Kopfwenden ist auch hier nicht von deutlichem Erfolg. Bei Hängelage mit Kopf unten findet sich, wenn die Schnauze senkrecht nach unten hängt, guter Tonus aller Beine; beugt man den Kopf zwischen die Pfoten, so ist der Tonus geringer, verschwindet bei einigen Prüfungen ganz; bewegt man die Schnauze nach dem Rücken zu, so nimmt der Tonus zu und wird stark, sowie die Schnauze über die Horizontale kommt. In derselben Lage hat Kopfdrehen und -wenden den gleichen Erfolg, nämlich, dass das Kieferbein maximalen, das Schädelbein minimalen Tonus zeigt. Wird das Tier in Seitenlage mit dorsalgehobenem Kopf gehalten, so er- folgt Streckung der Beine und die Mundspaite liegt dabei in einer Ebene mit den Vorderbeinen. Dreht man nun das Tier um die Achse Schnauze-Vorderbeine, so ist-bei After oben der Tonus geringer als bei After unten, bei Seitenlage ist mittlerer Tonus vorhanden. Hält man das Tier in Hängelage mit dem Kopf nach oben so, dass die Schnauze senkrecht nach oben steht, so ist der Tonus mittelstark, und wird bei dorsaler Bewegung des Kopfes maximal, während er bei Ventralbeugung zu einem Minimum absinkt; Kopfdrehen bei dieser Haltung des Tieres zeigt noch die Zunahme des Kieferbeintonus, die Abnahme des Schädelbeintonus, doch ist der Erfolg nicht mehr sehr stark und beim Wenden tritt kein Effekt mehr ein. Bald nach dieser letzten Bewegung ist das Tier tot. Zusammenfassung: Es wird an einem dezerebrierten Kaninchen gezeigt, dass in allen Lagen des Tieres eine Bewegung des Kopfes dorsal eine deutliche Zunahme, eine Beugung des Kopfes ventraleine starke Abnahme des Strecktonus der Extremitäten zur Folge hat; bei diesen Bewegungen wird der Kopf nicht aus seiner Symmetrielage zum Rumpf entfernt. Die Reaktion erfolgt in Seitenlage auch, wenn die Bewegung nur im Atlantooceipital Gelenk ausgeführt wird. Wird der Kopf durch Drehen oder Wenden aus der symmetrischen Stellung zum Rumpf entfernt, so nimmt bei Seitenlage, wenn die Schnauze oben, der Scheitel unten liegt, der Tonusin den Extremitäten derbeiden Körperhälften zu, wenn die Schnauze unten, der Scheitel oben liegt, der Tonus aller Extremitäten ab; Hals- und Labyrinthreflexe beim Kaninchen etc. | 7 in den übrigen Körperlagen dagegen, hat Drehen und Wenden den Erfolg, dass das Kieferbein Tonuszunahme, das Schädelbein Erschlaffung zeiet. ER Die charakteristischen Gliederstellungen bei den einzelnen Kopf- bewegungen sind aus den beigegebenen Fig. 1—5 ersichtlich. Fig. 1a. Dezerebriertes Kaninchen, künstlich ventiliert. Fussstellung mit Kopf dorsalwärts gehoben: das Tier steht; die Hände dienen nur zur Erhaltung des : Gleichgewichts. Fig. 1b. Dasselbe Tier in Fussstellung mit Kopf ventralwärts gebeugt: Schnauze zwischen den Pfoten, das Tier liegt mit dem Bauch auf der Unterlage auf, die Pfoten sind schlaff, Auf Fig. 1 ist ersichtlich, dass das Tier auf seinen vier Ex- tremitäten steht, wenn der Kopf dorsal gehoben ist; das Tier wird nur zur Erhaltung des Gleichgewichtes unterstützt, die Last des Körpers wird durch die vier Pfoten getragen (Fig. la); nach der 8 Walther Weiland: Bewegung des Kopfes ventralwärts ist das Tier zusammengesunken und ruht mit der Bauchseite auf der Unterlage (Fig. 1b). Aus Fig. 2 ist der Erfolg derselben Kopfbewegungen in Rückenlage erkennbar; ist die Schnauze in einer Stellung, in der sie 45° über die Horizontalebene gehoben ist, so zeigen alle vier Fig. 2a. Dasselbe Tier wie in Fig. 1; in Rückenlage; Kopf in einer Stellung symmetrisch zum Rumpf, so dass die Mundspalte einen Winkel von 45° zur Horizontalen bildet. Maximaler Strecktonus aller vier Extremitäten. Fig. 2b. Dasselbe Tier in Rückenlage mit dem Kopf in symmetrischer Stellung zum Rumpf, aber mit der Schnauze zwischen den Pfoten (135 ° zur Horizontalen): alle vier Extremitäten schlaft. Extremitäten maximalen Strecktonus (Fig. 2a); die Pfoten werden schlaff und fallen entsprechend der Schwere herab, wenn der Kopf mit der Schnauze zwischen die Pfoten bewest wird (Fig. 2b). Auf Fig. 3 liegt das Tier in rechter Seitenlage; die linke Hand des Untersuchers hält das Tier auf der nur wenig schräg gestellten Unterlage fest, während die rechte die Kopfbewegung ausführt. Auf Fig. 3a ist der Kopf so gedreht, dass der Scheitel mit den Ohren nach unten sieht, und der Kiefer nach oben gedreht ist; die bei Hals- und Labyrinthreflexe beim Kaninchen etc. 9 dieser Bewegung auftretende maximale Streckung aller vier Ex- tremitäten ist besonders deutlich an den Vorderbeinen, aber auch gut erkenntlich an den Hinterpfoten. Auf Fig. 3b ist der Scheitel Fig. 3a. Dezerebriertes Kaninchen, künstlich ventiliert. Rechte Seitenlage mit gedrehtem Kopf, so dass der Unterkiefer oben, der Scheitel unten liegt. Maxi- maler Strecktonus aller Extremitäten, besonders deutlich an den Vordenbeinen. Fig. 3b. Dasselbe Tier. Rechte Seitenlage mit gedrehtem Kopf, so dass der Unterkiefer unten, der Scheitel oben liegt. Alle vier Extremitäten, besonders deutlich an den Vorderbeinen sichtbar, sind erschlafft. mit den Ohren bei derselben Lage des Tieres sichtbar; es ist also eine Drehung des Kopfes erfolgt, dass der Scheitel oben und der Kiefer unten liegt; dabei sind alle Extremitäten schlaff, der Erfolg ist an allen Extremitäten gut sichtbar. 2 10 . Walther Weiland: Drehen und Wenden in Rückenlage zeisen Fig. 4 u. 5. Auf der ersteren ist der Kopf so gedreht, dass der Scheitel mit den Öhren nach links liegt, der Kiefer, der von der Hand des Untersuchers verdeckt wird, nach rechts; dementsprechend sind die Extremitäten Fig. 4. Dasselbe Kaninchen wie in Fig. 3, in Rückenlage mit gedrehtem Kopf, so dass der Unterkiefer nach rechts, der Scheitel nach links zu liegen komnit (von vorne photographiert). Maximaler Tonus der rechten vorderen und hinteren Extremität (Kieferbeine); schlaffe linke Extremitäten (Schädelbeine). Fig. 5. Dezerebriertes Kaninchen, künstlich ventiliert. Tier in Rückenlage; Kopf nach links gewendet (ist daher auf dem Bilde nicht zu sehen) aus einer symmetrischen Ausgangsstellung, in der die Schnauze 45° über die Horizontal- ebene erhoben ist. Maximaler Tonus der linken Extremitäten (Kieferbeine); - rechte Extremitäten erschlafft (Schädelbeine). Aufnahme von der Seite. der rechten Körperhälfte maximal gestreckt (Kieferbeine), die der linken erschlafft (Schädelbeine); die linke Hand des Untersuchers fixiert das Tier in seiner Lage auf dem Rücken. Das Wenden in der gleichen Lage (Fig. 5) ist so erfolgt, dass der Kopf aus einer Stellung, in der die Mundspalte 45° über die « Hals- und Labyrinthreflexe beim Kaninchen etc. 1l Horizontalebene gehoben war, nach links gewendet wurde; er ist infolgedessen auf dem Bilde nicht sichtbar. Auch hier sind die Kieferbeine in stärkstem Strecktonus, die Schädelbeine erschlafft. Die Hände der Untersucher an den Extremitäten dienen nur dazu, das Tier in seiner Lage zu fixieren. | Der oben geschilderte Versuch dient als Beispiel; im folgenden seien die weiteren Beobachtungen derselben Reihe angeführt. In zwölf Versuchen war in Seitenlage das Drehen und Wenden von gleichem Effekt wie oben beschrieben, d. h. die Beine der beiden Körperseiten reagierten stets eleichsinniz, während in acht. anderen eine gegensinnige Reaktion der Extremitäten der rechten und linken Körperhälfte auftrat, wobei dann immer das Kieferbein sich streckte, das Schädelbein erschlaffte. Umgekehrt konnte in fünf Versuchen beobachtet werden, wenn der Kopf aus der Rückenlage mit einer Ausgangsstellung, in der die Schnauze 45° über die Horizontalebene gehoben war, gedreht wurde, dass, sowohl wenn der Kiefer nach rechts als auch, wenn er nach links gerichtet war, eine deutliche Tonusabnahme der Extremitäten beider Körper- hälften erfolete (gleichsinnige Reaktion); dieser Zahl stehen 17 Be- obachtungen gegenüber, in denen genau wie im ausführlich be- schriebenen Versuch die Extremitäten gegensinnig reagierten. In Fussstellung erfolete nur einmal unter 22 Beobachtungen eine Zunahme des Tonus aller vier Extremitäten bei Kopfdrehen aus einer Ausgangsstellung, bei der die Mundspalte horizontal gerichtet war, während in den übrigen Fällen der gleiche Reflex eintrat wie er für diese Kopfbewegung oben im Protokoll beschrieben ist. Bei der Hängelage mit Kopf oben finden sich für die Dreh- bewegungen keine von dem Protokollversuch abweichenden Angaben, wohl aber war in zwei von vier Beobachtungen Heben und Senken jedesmal von einer starken Abnahme des Tonus gefolgt; in Hängelage mit Kopf unten haben wir den zunehmenden Strecktonus bei Kopf- heben nur zweimal beobachten können, während in sieben Ex- perimenten beide Bewegungen, Heben und Senken, eine starke Ab- nahme des Tonus bewirkten. In dem ausführlichen Versuchsprotokoll treten in den meisten Lagen auf Wenden des Kopfes die Reflexe nicht ein; es gelang aber in einer genügenden Anzahl anderer Versuche ihr Vorkommen sicher- zustellen. Dabei erfolgten dann stets die gleichen Reaktionen, wie sie oben für das Kopfdrehen geschildert wurden, d. h. in der Mehr- 12 Walther Weiland: zahl der Fälle eine gegensinnige Beeinflussung der beiderseitigen Extremitäten (Tonuszunahme im Kieferbein, Tonusabnahme im Schädelbein). In einer Minderzahl der Fälle hatte Kopfwenden eine gleichsinnige Tonusveränderung aller vier Extremitäten zur Folge. Diese letztere Form der Reflexe trat bei denselben Tieren zutage, bei denen auch in Fussstellung oder Seitenlage beim Drehen alle vier Extremitäten gleichsinnig reagiert hatten. In Hängelage mit Kopf unten erfolgte beim Kopfwenden bei zwei Tieren Tonusabnahme aller Extremitäten. Als Ausnahme sei die einmalige Beobachtung angeführt, dass der Tonus aller Beine abnahm, wenn aus Rückenlage mit einer Stellung, in der die Mund- spalte 45° zur Horizontalebene gehoben war, der Kopf nach rechts oder links gewendet wurde; dieses Tier zeigte in Hängelage auf Kopfwenden keine atypische Reaktion. Eine Sonderstellung nimmt unter diesen Reflexen der von Magnus sogenannte Vertebra-Prominensreflex ein; er be- steht darin, dass die vier Extremitäten gleichmässig ihren Tonus völlig verlieren, wenn man in jeder Lage des Tieres die Halswirbel- säule mit ihrem untersten Gelenk an der Brustwirbelsäule von dorsal nach ventral verschiebt, indem man Kopf und Hals als Ganzes parallel mit sich bewegt, ohne dass man den Kopf in seiner Stellung zur Horizontalebene ändert; ebenso gut kann man ihn durch Druck auf den Dornfortsatz des untersten Halswirbeis auslösen. Un- beabsichtigt erzeugt man ihn öfter, wenn man beim Dorsalheben des Kopfes diese Bewegung maximal vollführt urd dann, entgegen der zu erwartenden maximalen Streckung, eine völlige Abnahme des Tonus findet; sein Zustandekommen ist auch hier durch Verschieben der Hals- und Brustwirbelsäule gegeneinander zu erklären. Wird zu diesen Beobachtungen noch hinzugefügt, dass in zwei Versuchen je einmal beim Drehen und Wenden zugleich mit der Hemmung des Strecktonus ein deutlicheraktiver Beuge- tonus der gegensinnigen Extremität auftrat, so sind sämt- liche Beobachtungen, die sich in dieser Untersuchungsreihe fanden, erwähnt; was die Hinterbeine anbetrifft, so waren die Reflexe an ihnen in einigen Fällen weniger stark als an den Vorderbeinen, doch war dies durchaus nicht immer der Fall; in anderen Ver- suchen wurden ihre Reaktionen stärker als die der Vorderbeine gefunden. Hals- und Labyrinthreflexe beim Kaninchen etc. 13 Isolierte Darstellung der Labyrinthreflexe. Da aus diesen Befunden mit genügender Deutlichkeit hervoreing, dass die Tonusänderungen der Hxtremitäten bei Kaninchen sich ähnlich verhalten wie bei Katze und Hund, so musste es auch beim _ Kaninchen, ebenso wie bei diesen Tieren, möglich sein, den ver- schiedenen Effekt einzelner Kopfbewegungen durch eine Superposition von Einflüssen der Stellung des Kopfes im Raum und zum Rumpf zu erklären. Zu diesem Zweck wurde in der folgenden Untersuchungs- . Fig. 6. Schema der Kopfstellungen bei Drehungen um die bitemporale Achse mit den jeder Kopfstellung entsprechenden Winkelbezeichnungen. reihe, der isolierte Einfluss der Labyrinthe auf den Extremitätentonus gesondert festgestellt; es wurde also die Versuchsanordnung benutzt, wie sie Magnus und de Kleijn für diese Untersuchung bei der Katze angegeben haben, indem das dezerebrierte Kaninchen mit drei Blei- platten so eingegipst wurde, dass Kopf und Hals in einer bestimmten symmetrischen Stellung zum Thorax fest fixiert wurden. Auf diese Weise waren Drehbewegungen und Verschiebungen in der Hals- wirbelsäule unmöglich gemacht und die reine Darstellung der Reflexe gewährleistet, die durch Veränderung der Stellung des Kopfes im Raum ihre Entstehung finden. 14 Walther Weiland: Auch hier bedienen wir uns der Nomenklatur von Magnus und de Kleijn und bilden in Fig. 6 das Schema der Kopfstellungen mit den verschiedenen Winkelbezeichnungen ab. Die Veränderung der Lage der Schnauze zur Horizontalebene erfolst, indem man das Tier mit seinem Körper um eine Achse dreht, die bitemporal verläuft. Dreht man es um seine Wirbelsäule als Achse, so verändert sich eben- falls die Stellung des Kopfes zum Raum, indem das Kaninchen nacheinander Fussstellung, Seitenlage und Rückenlage einnimmt. Ohne die Stellung zur Horizontal ebene zu verändern, sind Drehungen möglich, indem man das Tier entweder in Rücken- oder Seitenlage oder Fussstellung eine Uhrzeigerbewegnng um eine senkrecht stehende Achse ausführen lässt oder es in Hängelage um die Wirbel- säulenachse dreht, oder endlich Progressivbewegungen macht; letztere sind natürlich wegen der Notwendigkeit der künstlichen Atmung nur in beschränktem Maasse möglich gewesen. Stiess schon die Untersuchung der Tiere in dezerebriertem Zu- stand auf Schwierigkeiten, so waren auch beim Eingipsen eine Anzahl Misserfolge wegen der geringen Widerstandsfähiekeit der Tiere zu verzeichnen. Um diese zu vermeiden, halfen wir uns damit, dass vor dem Eingipsen die Tiere möglichst wenig untersucht wurden, manchmal verlor aber auch dann das betreffende Tier nach dem Eingipsen seine Starre. Von 17 Versuchen gelangen nur acht in einwandfreier Weise so, dass wir auch nach dem Ausgipsen die not- wendigen bestätigenden Befunde erheben konnten. Ein solcher Versuch gestaltete sich folgendermaassen: Versuch 37. 1. Dezember 1911. Grosses Kaninchen unter der Glasglocke ätherisiert; Tracheotomie; Unter- bindung der Karotiden und Durehschneidung der Vagi. Chloroformnarkose. Dezerebrierung in guter Narkose; Glieder nicht ganz erschlafft. Sofort Retraktion des Kopfes, Aufrichten des Schwanzes und sehr gute Starre aller Extremitäten. Eingipsen mit drei Bleiplatten und drei Gipsbinden so, dass bei Rückenlage des Tieres die Schnauze in einem Winkel von 45° über die Horizontalebene ge- hoben steht. In Fussstellung ist der Strecktonus der Extremitäten ganz erloschen; dreht man aus dieser Stellung um die Wirbelsäulenachse in die Seitenlage, so nimmt der Tonus stark zu. Dreht man weiter, bis die Rückenlage erreicht ist, so findet sich in dieser Lage maximaler Strecktonus, der allmählich beim Zurückdrehen in die Fussstellung wieder ganz verschwindet. Dieses Resultat wurde bei mehrfach wiederholten Prüfungen stets gewonnen, wenn man das Tier in der Luft um die Wirbelsäulenachse drehte; lag das Tier auf der Unterlage auf, so erfolgte für einen Moment, wenn es in die Seitenlage kam, maximale Streckung; bei längerem Liegen in derselben Lage stellte sich Hals- und Labyrinthreflexe beim Kaninchen etc. 15 dann mittlerer Tonus ein, der weniger stark war als in Rückenlage. Da der Unterschied beim Drehen in der Luft und auf der Unterlage konstant war, und ausserdem die maximale Streckung in Seitenlage nur kurzdauernd war, so handelt es sich bei dieser Erscheinung um Hautreflexe Drehungen in Fussstellung und Rückenlage in der Horizontalebene in allen Richtungen sind ohne Einfluss auf den Tonus der Extremitäten. Wird das Tier aus der Rückenlage um eine bitemporale Achse gedreht, so ist bei einer Stellung der Schnauze parallel zur Horizontalebene (0°), bei der der Kiefer oben und der Schädel unten liegt, deutlicher Tonus aller Extremitäten vorhanden, der maximal wird, wenn man die Schnauze 45° über die Horizontal- ebene hebt. Bei weiterer Drehung nimmt der Tonus ab, bis zu einer Minimum- stellung, in der der Winkel der Schnauze zur Horizontalebene — 135° beträgt, und der Scheitel sich oben, der Kiefer sich unten befindet; wird die Drehung fortgesetzt, so steigt der Tonus wieder an, bis er bei 45° sein Maximum wieder erreicht. Das Tier wird nach mehrfachen Prüfungen, die stets die gleichen Er- gebnisse hatten, ausgegipst; jetzt werden die Reflexe in derselben Weise durch- geprüft wie im Versuch 15 (s. S. 5); es ergab sich, dass nun auch alle übrigen Reflexe, wie sie in jenem Versuch geschildert wurden, vorhanden waren, insbesondere erfolgten auf Drehen und Wenden des Kopfes in diesem Falle stets gegensinnige Reflexe mit Streckung des Kieferbeins und Erschlaffung des Schädelbeins. Zusammenfassung: Aus diesem Versuch ergibt sich, dass Tonus- veränderungen von den Labyrinthen aus bei allen Bewegungen in der Horizontalebene fehlen ; sie sind nur vorhanden, wenn die Neieung des Kopfes zur Horizontalebene geändert wird. Ferner zeigt dieser Ver- such, dass die Labyrinthe nur in einer Stellung des Tieres maximal auf den Streektonus wirken und nur in der dieser entgegengesetzten Stellung minimaler Strecektonus vor- handen ist. Da alle anderen Bewegungen des Kopfes ausgeschlossen waren, bleibt nur die Möglichkeit, die Tonusveränderungen auf die Bewegungen des Kopfes zum Raum und damit auf Labyrinthwirkungen zurückzuführen; bewiesen wird dieser Schluss dureh die später zu schildernden Versuche mit doppelseitiger Labyrinthausschaltung. Diese Maximum- und Minimumstellung lag jedoch nicht immer bei der gleichen Kopfstellung, wie aus folgender Übersicht hervorgeht: Versuch Maximum bei Minimum bei 35 0° 180° 37 +45 — 135° 38 + 20° — 160° 41 +45° — 135° 43 Er 180° 44 zwischen 0° und + 45° zwischen 180° und — 135° 46 Se) 150° 47 Se 8 150° al + 45° — 135° 16 Walther Weiland: Bei allen Versuchen zeigten die Hinterbeine die gleichen Re- aktionen wie die Vorderbeine und die Intensität der tonischen Zu- stände war die gleiche oder sogar stärker als an den Vorderbeinen. Versuche an labyrinthlosen Tieren. Die Annahme, dass es sich bei diesen Tonusveränderungen durch Veränderung der Stellung des Kopfes zum Raum bei Ausschluss aller Halsbewegungen um Labyrinthreflexe handeln müsse, liess sich dadurch bestätigen, dass sie durch Ausschaltung der Labyrinthe zum Verschwinden gebracht werden konnten. Der Verlauf eines solchen Versuches war so zu gestalten, dass man bei einem Tier, bei dem das Vorhandensein aller Reflexe festgestellt war, beide Labyrinthe entfernte resp. lähmte und dann im Gipsversuch das Fehlen jeglicher Reflexwirkung feststellte. Nach dem Ausgipsen mussten dann nur einseitige, gegensinnige Halsreflexe bei Drehen und Wenden, und symmetrische Halsreflexe bei Heben und Senken zu finden sein. Zur völligen funktionellen Ausschaltung der Labyrinthe wurde die Einspritzung mit 20 %oigem Kokain verwandt. Wir überzeugten uns jedesmal, ob die einseitige Ausschaltung den typischen Effekt hervorrief, dass also der Kopf bei linksseitiger Labyrinthlähmung nach rechts gedreht und gewendet war, indem das linke Ohr tiefer stand, die Schnauze und der Unterkiefer nach rechts gerichtet waren und umgekehrt bei rechtsseitiger Operation. Dann erst, wenn die Einspritzung als wirksam befunden war, injizierten wir auch auf der anderen Seite, worauf der Kopf in seine symmetrische Stellung zurückkehrte. Unter 14 Versuchen gelangen fünf und aus ihnen ging deutlich hervor, dass die Labyrinthe in der oben geschilderten Weise den Gliedertonus beeinflussen; ein Versuchsprotokoll diene als Beispiel: Versuch 63. 12. Dezember 1911. Mittelgrosses Kaninchen unter der Glasglocke ätherisiert; Unterbindung der Karotiden, Durchschneidung der Vagi. Chloroformnarkose. Dezerebrierung in mittlerer Narkose. Sofort gufe Starre. In Seitenlage zeigt der Kopf bei dorsaler Beugung (Kopfheben) eine Zu- nahme des Tonus bis zum Maximum, bei ventraler Beugung (Kopfsenken zwischen die Pfoten) eine Abnahme bis zum völligen Erschlaffen. Bei Kopf- drehen und -wenden aus der gleichen Lage streckt sich jedesmal des Kieferbein und das Schädelbein erschlafft. In Rückenlage ist der Tonus bei einer Stellung, in der die Schnauze 45° zur Horizontalen gehoben ist, maximal und nimmt bei dorsaler Beugung (Schnauze llals- und Labyrinthreflexe beim Kaninchen etc. 17, 45° unter der Horizontalen) und ventraier Beugung (Schnauze zwischen den Pfoten) bis zur völligen Erschlaffung ab. Darauf werden die Kokaininjektionen nach Eröffnung der Bullae in der oben beschriebenen Weise gemacht unter Kontrolle des Effekts nach einseitiger Einspritzung (von Dr. de Kleijn gemacht). Prüfung des Kopfdrehens in Seitenlage ergibt nun das gleiche Resultat wie vor der Ausschaltung der Labyrinthe. 10 Minuten nach Vollendung der Operation wird das Tier eingegipst, wobei der Tonus der Extremitäten deutlich erhalten bleibt, an den Hinterbeinen stärker ist als an den Vorderbeinen. Wird das Tier aus der Rückenlage um die Wirbelsäulenachse, oder aus Fussstellung um die bitemporale Achse, oder aber aus Hängelage um die dorso- ventrale Achse gedreht, so treten jetzt keine Veränderungen des Tonus ein. Bald danach wird der Gipsverband abgenommen; nachher zeigen nur die Hinterbeine guten Tonus und ordentliche Reaktionsfähiskeit, die Vorderbeine sind im Laufe der Untersuchungen ganz erschlafit. Die Beobachtungen an den Hinterbeinen ergeben, dass in Seitenlage die- selben Reflexe wie vor der Labyrinthausschaltung vorhanden sind; auf Wenden des Kopfes tritt keine Reaktion mehr ein. In Fussstellung bewirkt Dorsalheben des Kopfes eine maximale Zunahme, Ventralbeugen eine völlige Erschlaffung der Starre; bei Drehen ist im Kieferbein maximaler Tonus, im Schädelbein minimaler Tonus vorhanden. Wenden ist auch hier erfolglos. In Rückenlage ist der Befund derselbe wie ‘vor der Labyrinthausschaltung;; doch ist Wenden ohne Einfluss, und bei Drehen nimmt das Kieferbein an Tonus zu, das Schädelbein an Tonus ab. Dann ist das Tier ganz schlaff; es erholt sich nach einiger Zeit, und nun “bewirkt Kopfwenden in Seitenlage Tonuszunahme im Kieferbein, Abnahme im Schädelbein; endlich wird in Hängelage mit Kopf unten untersucht; hierbei tritt bei Dorsalheben des Kopfes maximale Streckung, bei Ventralbeugen des Kopfes maximale Abnahme des Strecktonus auf. Zusammenfassung: In diesem Versuch wird gezeigt, dass bei Tieren, deren Labyrinthe durch Kokain ausgeschaltet sind, und bei denen dureh Eingipsen des Kopfes und Halses in fester Stellung zum Rumpf Bewegungen des Kopfes und Halses durch Drehen oder Wenden ausgeschlossen sind, in keiner Lage eine Veränderung des Gliedertonus mehr auftritt. Nach dem Ausgipsen kann man symmetrische und gegensinnige Halsreflexe in allen Lagen erhalten; bei allen Lagen des Tieres hat eine bestimmte Kopfbewegung den gleichen Erfolg: Es tritt jedesmal auf Kopfheben eine starke Zunahme, auf Kopfsenken eine starke Abnahme des Streektonus ein; beim Drehen und Wenden des Kopfes streckt sich stets das Kieferbein, und das Schädelbein erschlaftt. Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd. 147. 0) 18 Walther Weiland: Ergänzend sei zu diesem Versuch hinzugefügt, dass die Wende- reflexe, die im allgemeinen stets schwächer waren als die Drehreflexe, in den anderen Versuchen sicher nachweisbar waren; überhaupt ergab die Gesamtheit aller Versuche, dass nach Labyrinthausschaltung alle von uns .als Halsreflexe angesprochenen Reaktionen noch vor- handen waren. Bei allen positiven Versuchen dieser Art war stets der Tonus der Hinterbeine viel besser als der der Vorderbeine; das ging so weit, dass wie auch im ausführlich beschriebenen Experimente manchmal die Vorderbeine gar nicht reagierten, während die Hinterbeine gute Tonusunterschiede zeigten. Jedoch konnte hinreichend häufig be- obachtet werden, dass auch nach dem Ausgipsen die Vorderbeine reagierten. Besopders bemerkenswert ist, dass die Hinterbeine stets im gleichen Sinne reagierten wie die Vorderbeine; die Konstatierung dieser Tatsache erscheint deshalb besonders wichtig, weil sie den einzigen wesentlichen Unterschied gegenüber dem Resultat der Prüfung der Halsreflexe an der Katze darstellt, bei der Magnus und de Kleijn folgendes angeben: Hebt man in Seitenlage den Kopf dorsal, so strecken sich die Vorderbeine und die Hinterbeine erschlaffen ; führt man eine Beugung der Halswirbelsäule in ihrer Mitte ‘oder ihrem unteren Teil aus, so dass die Schnauze zwischen die Pfoten zu liegen kommt, es erschlaffen die Vorderbeine, und die Hinterbeine strecken sich maximal. Dieses abweichende Resultat erhielt ich in allen Untersuchungen ; ich führe es hier an dieser Stelle an, weil besonders bei den Ver- suchen mit Labyrinthausschaltung darauf geachtet und speziell darauf untersucht wurde. Tiere mit einseitiger Labyrinthexstirpation. Eine besondere Versuchsreihe wurde angestellt, um zu erfahren, welchen Einfluss die Exstirpation des Labyrinthes einer Seite auf den Ausfall der Labyrinthreflexe hat; es sind im ganzen 17 Tiere - einseitig operiert worden. Auch hier lagen die Verhältnisse schwieriger als bei der Katze, da die Bulla ossea sehr tief liegt, und die Exstir- pation des Labyrinthes häufig nicht ohne Verletzung des Trommelfells und nie ohne Durchtrennung des Facialis möglich war. Die Tiere zeigten nach der Operation die charakteristische Kopfstellung, indem der Kopf in wechselnder Intensität nach der operierten Seite gedreht. Hals- und Labyrinthreflexe beim Kaninchen etc. 19 war, so dass das Ohr der operierten Seite häufig direkt auf dem Boden aufläg. Die dieser Stellung entsprechenden „Kieferbeine“ waren gestreckt und abduziert. Entgegen der ursprünglichen Erwartung, dass nach der Dezerebrierung solcher einseitig labyrinthloser Tiere nur die Extremitäten einer Körperhälfte noch reagieren würden, oder dass wenigstens die Reaktion auf beiden Seiten ungleich sein würde, ergab es sich, dass auch beim Kaninchen die Extremitäten der rechten und der linken Körperseite in genau der gleichen Weise und dergleichen Intensität auf Änderung der Stellung des Kopfes im Raum reagierten. Bei den untersuchten fünf Tieren, die nach 5, 7, 7, 18, 24 Tagen nach der Labyrinthexstirpation dezerebriert wurden, zeigte sich dies Resultat ebenso konstant, wie in den Versuchen, wo nach einseitiger Aus- schaltung des Labyrinthes durch Kokain im akuten Versuch unter- sucht wurde. Die Dreh- und Wendebewegungen waren immer von gegensinnigen Reaktionen gefolgt; die symmetrischen Halsreflexe waren in derselben Weise hervorzurufen wie heim labyrinthgesunden Tier; bei Bewegungen im Raum war eine Maximumstellung vor- handen, die zwischen 20° und 45° lag, und eine dementsprechende Minimumstellung. Dieses Ergebnis stimmt vollständig überein mit dem Resultat einseitiger Labyrinthexstirpation bei Katzen und Hunden. Versuchsergebnisse. Die vorliegende Untersuchung hat als wesentliches Ergebnis, dass die von Magnus und de Kleijn für Katze und Hund gefundene Tatsache, dass die Kopfstellung auf zwei verschiedenen Wegen eine Reihe von zweckmässigen Bewegungen der Tiere beherrscht, auch für das Kaninchen, den Vertreter einer anderen Säugetierklasse, Gültigkeit hat. Es lässt sich auch für das Kaninchen die Trennung dieser Reflex- gruppe in Hals- und Labyrinthreflexe mit Hilfe der oben beschriebenen Versuchsanordnungen durchführen. Nach mehreren Gesichtspunkten verdienen sie eine eingehendere Besprechung; erstens ist aus der Fülle der Tatsachen herauszuschälen, wo man es mit reinen Labyrinth- oder reinen Halsreflexen zu tun hat, wo eine Kombination beider vorliegt; zweitens ist festzustellen, inwiefern das Kaninchen sich trotz der prinzipiellen Übereinstimmung der Reflexvorgänge in der Anordnung dieser Reflexe von Hund und Katze unterscheidet, und drittens ist die Frage zu erörtern, ob es gelingt, durch Beobachtung der Tiere in freilebendem Zustand Kopfbewegungen zu finden, die DEE 20 Walther Weiland: von denselben Gliederstellungen und Tonusveränderungen gefolgt sind wie beim dezerebrierten Tier. Beginnen wir mit den Labyrinthreflexen, so beeinflussen sie, wenn alle Haisreflexe durch Eingipsen ausgeschlossen werden, alle vier Ex- tremitäten in gleichem Sinne, und zeigen die Eigenschaft, dass es nur eine einzige Stellung im Raum gibt, in der sie den Strecktonus maximal werden lassen, und nur eine einzige, die der ersteren genau entgegen- gesetzte, bei der der Strecktonus minimal ist; die. Übergangsstellungen zwischen beiden Lagen sind in ihrem Einfluss auf den Gliedertonus ab- hängig von ihrer Annäherung oder Entfernung von jenen beiden fixen Punkten; diese sind bei den verschiedenen Individuen nicht ganz gleich; es kommen Schwankungen vor bis zu 45°. Das Vorhandensein eines Labyrinthes genügt, um gleichstarke Reaktionen der Extremitäten beider Körperseiten auszulösen. Beim nicht eingegipsten Tier müssen in allen Lagen des Tierkörpers die verschiedenen Kopfbewegungen eine Kombination dieser Labyrinthreflexe mit Halsreflexen hervor- rufen; es gibt keine Lage des Tierkörpers, bei welcher eine bestimmte Kopfbewegung gegen den Rumpf reine Labyrinthreflexe bewirkt. Dagegen gibt es verschiedene Kopfbewegungen, welche reine Halsreflexe ohne Labyrinthreflexe hervorrufen. Das ‚sind alle die- jenigen, bei denen der Kopf bzw. die Ebene der Mundspalte ihre Neigung zur Horizontalebene nicht ändern. Diese Bewegungen sind 1. das Heben und Senken des Kopfes bei Seitenlage des Rumpfes (dorsal oder ventral beugen). 2. Kopf wenden bei Rückenlage, wenn die Mundspalte horizontal steht. 3. Kopf wenden bei Fussstellung, wenn die Mundspalte horizontal gehalten wird. 4. Kopf drehen bei Fussstellung, wenn die Schnauze vertikal nach oben gerichtet ist und die Mundspalte senkrecht steht. 5. Kopf drehen bei Hängelage Kopf unten, wenn die Schnauze senkrecht nach unten hängt. 6. Kopf drehen hei Hängelage Kopf oben, wenn die Schnauze senkrecht nach oben steht. Von diesen verschiedenen Bewegungen führt nur die erste (Kopf heben und senken in Seitenlage) zu eleichsinnigen Reaktionen aller vier Beine, indem bei der Dorsalbeugung des Kopfes alle Extremitäten gestreckt werden und bei der Ventralbeugung er- schlaffen. Alle übrigen unter 2.—6. aufgeführten Kopfbewegungen sind entweder Drehungen oder Wendungen; bei ihnen entfernt sich der Kopf aus der symmetrischen Stellung zum Rumpfe, und es kommt daher stets zur Zunahme des Strecktonus in den beiden Kieferbeinen « Hals- und Labyrinthreflexe beim Kaninchen etc. >31 und zur Erschlaffung in den beiden Schädelbeinen (gegensinnige Reaktion). Das Charakteristische für diese Reaktionen ist, dass sie bei sämtlichen Tieren zu einem konstanten Resultat führen, einerlei, ob die Labyrinthe funktionieren oder gelähmt sind; es eigenen sieh daher diese Kopfbewegungen dazu, bei intakten Tieren das Vorhandensein der verschiedenen Hals- reflexe isoliert zu demonstrieren. : Der Vertebra-prominens-Reflex lässt sich durch Druck auf die Dornfortsätze der untersten Halswirbel bei jeder Lage des Tieres isoliert zur Anschauung bringen, da sich hierbei die Stellung des Kopfes zum Raume nicht ändert. | Am häufigsten, aber auch am kompliziertesten sind die Be- wegungen, bei denen sich bei erhaltenen Hals- und Labyrinthreflexen die Wirkungen beider saperponieren; es wird bei diesen kombinierten Reflexen die auftretende Gliederstellung davon abhängen, welche Reflexe im einzelnen Falle überwiegen. Daraus ergibt sich, wie verwirrend vielfältig die Erscheinungen sind; und trotzdem eelingst es verhältnismässig leicht, sie zu analysieren, wenn man für jede einzelne den Anteil der Hals- und den der Labyrinthreflexe feststellt. Geht man von der Seitenlage aus, so wird bei Drehen und Wenden in dieser Lage sowohl die Lage des Kopfes zum Raum wie auch zum Rumpf geändert. Wird der Kopf gedreht, so dass der Unterkiefer nach oben, der Scheitel nach unten sieht, so ist von den Labyrinthen aus Maximumstellung aller Beine zu erwarten, vom Halse aus Zunahme im Kieferbein, Abnahme im Schädelbein. Es kann also entweder der Tonus aller Beine zunehmen, wenn die Labyrinthrefiexe überwiegen, oder das Kieferbein sich strecken und das Schädelbein erschlaffen, wenn die Halsreflexe stärker sind; wirken beide Reflexe eleichstark, so wird sich im Kieferbein ihr Einfluss addieren (das Resultat ist also maximaler Tonus), im Schädelbein keine Veränderung eintreten, weil sie sich gegenseitig kompensieren. Wird der Kopf so gedreht, dass der Unterkiefer nach unten, der Scheitel nach oben gerichtet ist, so ist die Wirkung des Halsreflexes auf Kiefer- und Schädelbein dieselbe wie vorher; von den Laby- rinthen aus wird der Strecktonus aber an allen Beinen abnehmen. Überwiegen sie also in ihrer Wirkung über die Halsreflexe, so werden wir Abnahme des Tonus beider Extremitäten erwarten dürfen; bei gleichstarker Wirkung beider Reflexe wird das Schädelbein ganz er- schlaffen, das Kieferbein unverändert bleiben. Die gleiche Über- 2 Walther Weiland: legung ergibt für Kopfwenden, wobei die Schnauze nach oben, der Hinterkopf nach unten gerichtet ist, dass bei überwiegendem Labyrinth- einfluss beide Beine maximal gestreckt sein werden, bei gleicher Wirkung beider Reflexursachen das Kieferbein an Tonus zunehmen, das Schädelbein unverändert bleiben muss; dass dagegen, wenn die Schnauze nach unten, der Hinterkopf nach oben sieht, im ersteren Fall beide Beine erschlaffen. im letzteren das Kieferbein un- verändert, das Schädelbein schlaff sein wird. ‘Wird in Rückenlage des Tieres die Schnauze in eine Stellung ge- bracht, in der die Mundspalte einen Winkel von + 45° zur Horizontal- ebene bildet, so wird von den Labyrinthen aus der Tonus maximal eingestellt; bringt man die Schnauze zwischen die Pfoten, so addiert sich die Minusstellung vom Halse und von den Labyrinthen aus, es tritt völlige Erschlaffung aller Extremitäten ein. Wird der Kopf weiter dorsal gebeugt und die Schnauze dabei unter die Horizontal- ebene gebracht, so übertrifft die Wirkung vom Labyrinth aus die Tonuszunahme vom Halse aus, und der Tonus ist gering, weil die Labyrinthe hier tonusvermindernd wirken. Bei der Drehung des Kopfes in Rückenlage geht von den Labyrinthen derselbe Einfluss aus, den man beim eingegipsten Tier, bei der Drehung um die Wirbelsäule als Achse regelmässig be- obachtet, wenn das Tier aus Rückenlage in die Seitenlage gebracht wird: der Tonus aller Extremitäten nimmt gleichmässig ab. Bei gleichstarker Wirkung von Labyrinth- und Halsreflexen wird also beim Drehen das Kieferbein unveränderten Strecktonus behalten, das Schädelbein erschlaffen; überwiegt der Einfluss der Labyrinthe, so ist das Resultat eine Abnahme des Tonus in allen Extremitäten, überwiegt der der Halsreflexe, so nimmt das Kieferbein an Streckung zu, das Schädelbein erschlafft. In Fussstellung wirken beim Heben und Senken die Labyrinthe im gleichen Sinne wie die symmetrischen Halsreflexe; ihre Wirkungen werden sich also addieren; so kommt es, dass die Tonuszunahme bei Dorsalheben, wobei man sich der Maximumstellung von den Labyrinthen aus nähert, maximal wird, so dass die ganze Last des Rumpfes auf den Beinen ruhen kann und das Tier steht, dass aber alle Extremitäten völlig erschlaffen, wenn die Schnauze zwischen die Pfoten gesenkt wird; hierbei summiert sich der tonusvermindernde Einfluss vom Halse aus und die Wirksamkeit der Minimumstellung von den Labyrinthen aus. Hals- und Labyrinthreflexe beim Kaninchen etc. 233 En Wird bei Fussstellung die Schnauze senkrecht nach oben ge- richtet, so muss Wenden aus dieser Ausgangsstellung zur Super- position beider Reflexarten führen; es würde sich die hierbei auf- tretende gleichsinnige Abnahme von den Labyrinthen aus mit der gegensinnigen Reaktion des Wendens ebenso kombinieren, wie es oben für das Drehen in Rückenlage beschrieben wurde. Für das Drehen des Kopfes bei Fussstellung kommen die Labyrintheinflüsse zu den Halsreflexwirkungen nur dann hinzu, wenn aus einer Ausgangsstellung gedreht wird, bei der die Mundspalte horizontal steht. Bei dieser Kopfstellung liest der Scheitel oben, der Kiefer unten, so dass bei jeder Drehung der Tonus von den Labyriuthen aus zunehmen muss; es kann also durch Kombinations- wirkung das Kieferbein nur an Tonus zunehmen, das Schädelbein entweder zu- oder abnehmen. Als letzte Lage wäre die Hängelage zu besprechen; hängt die Schnauze bei vertikal gehaltener Wirbelsäure nach unten, so ist mittlerer Tonus vorhanden. Wenn man nun die Dorsalhebung des Kopfes ausführt, so gelangt er in die Minimumstellung der Labyrinthe, hebt man ihn weiter dorsalwärts, so dass er über die Horizontal- ebene gelangt, muss eine geringe tonusvermehrende Wirkung von den Labyrinthen aus eintreten, so dass sich jetzt Hals- und Labyrinth- reflexe gegenseitig verstärken. Bei der ventralen Beugung nähert man den Kopf zunehmend der Maximumstellung der Labyrinthe, die erreicht wird, sobald die Schnauze über die Horizontalebene eehoben wird. Bei dieser Bewegung kann also eine sehr starke Tonuszunahme aller Extremitäten auftreten, es ist jedoch ebenfalls möglich, dass vom Halse aus der Tonus stark abnimmt oder aber die Labyrinthwirkung kompensiert wird. Für das Kopfwenden aus Hängelage kombiniert sich die Wirkung der gegensinnigen Halsreflexe mit der der Labyrinthe, welche bei dieser Bewegung aus der Ausgangsstellung von — 90° stets auf den Tonus verstärkend wirken müssen. Der tatsächlich eintretende Effekt ist also analog dem für Drehen in Fussstellung. Die Resultate für die Hängelage mit Kopf obeu sind wegen der Schwierigkeiten der Untersuchung. in dieser Stellung nicht leicht zu erhalten, da der Tonus der Glieder bei dieser Stellung überhaupt leicht verschwindet. Auch hier ist aber die kombinierte Wirkung von Hals- und Labyrinthreflexen leicht abzuleiten, wenn man berück- 24 Walther Weiland: sichtigt, dass bei dorsalem Heben des Kopfes die Maximalstellung und bei ventralem Beugen die Minimalstellung der Labyrinthe er- reicht .wird; die Halsreflexe müssen bei dieser Lage in demselben Sinne wirken und also die Reaktion verstärken. Beim Wenden aus dieser Hängelage tritt von den Labyrinthen aus Abnahme des Strecktonus ein, und die gegensinnigen Reaktionen vom Halse aus werden sich also für das Schädelbein mit dem Laby- rintheinfluss addieren, für das Kieferbein aufheben können. Vergleicht man nun die Resultate des oben im ausführlichen Protokoll wiedergegebenen Normalversuches (Versuch 15, S. 5) mit der soeben gegebenen Deutung, so ergibt sich, dass tatsächlich alle verschiedenen Befunde erklärlich sind. Durch diese Darstellung wird vor allen Dingen die verschiedene Reaktion des Tieres auf ein und dieselbe Kopfbewegung bei verschiedenen Körperlagen ver- ständlich; sie ordnet sich gesetzmässig in die Reihe der Kombinations- möglichkeiten ein und ist nur insofern zufällige, als die verschiedenen Einzeltiere verschiedene Stärke der Hals- oder Labyrinthreflexe zeigen. Es bleibt demnach noch übrig, die wenigen Ausnahmen, die in die reguläre Form nicht zu passen scheinen, zu besprechen. Es ist dies erstens die einmalige Beobachtung, nach der der Tonus aller Beine abnahm, wenn in Rückenlage der Kopf gewendet wurde aus einer Ausgangsstellung, in der die Mundspalte 45° zur Horizontalebene gehoben war bei einem Tier, das bei den übrigen ausgeführten Kopfbewegungen normale Reaktionen zeigte. Für diese Tatsache ist bis jetzt keine Erklärung möglich; sie wurde nur in diesem einen Falle beobachtet. Zweitens trat in Hängelage mit Kopf oben in zwei von vier Beobachtungen bei Heben des Kopfes jedesmal eine starke Abnahme des Tonus ein. Vielleicht handelt es sich hier um eine unbeabsichtigte Auslösung des Vertebra-prominens- Reflexes, vielleicht muss man aber auch als Erklärung heranziehen, dass in dieser Lage durch schlechte Zirkulation die Reaktionsfähigkeit des Tieres herabgesetzt _ war und so der Tonus abnahm. Wenn man von diesen verschwindenden Ausnahmen unter mehreren hundert Einzelbeobachtungen absieht, so ergibt sich eine prinzipielle Übereinstimmung der drei Tierarten — Katze, Hund, Kaninchen — in bezug auf die Anordnung der Gliederstellung in ihrer Abhängigkeit von den Kopfstellungen. Nur in einem Punkte tritt ein deutlicher Unterschied zwischen dem Verhalten von Kanin- chen einerseits, von Katze und Hund anderseits zutage. Niemals zeigte sich ein Unterschied zwischen Vorder- und Hinterbeinen derart, wie es bei bestimmten Halsbewegungen bei der Katze der Fall ist. Diese Verhältnisse gibt Maonus für die Katze Hals- und Labyrinthreflexe beim Kaninchen etc. 35 folgendermaassen an: „Die Wirkung der Labyrinthe auf die Hinterbeine ist dieselbe wie auf die Vorderbeine, nur meist weniger intensiv. Dorso- ventralbewegung in der Halsmitte wirkt dagegen auf die Hinterbeine in vielen Fällen sehr deutlich, und zwar in umgekehrtem Sinne wie auf die Vorderbeine: Ventralbewegung bewirkt Zunahme, Dorsalbewegung Abnahme des Strecktonus. Bei fixiertem Atlas führt Heben-Senken im obersten Halsgelenk nur zum Auftreten der Labyrinthreflexe.“ Beim Kaninchen ist es aber von demselben Erfolg, ob man die Dorsalhebung oder Ventralbeugung des Kopfes im Atlanto-oceipital- Gelenk, in der Mitte .der Halswirbelsäule oder in ihren untersten Gelenken ausführt: stets nimmt bei der ersteren Bewegung der Tonus aller vier Extremitäten zu, bei der letzteren erschlaffen alle. Statt der gegensinnigen Reaktion der Vorder- und Hinterbeine bei Hund und Katze reagieren dieselben beim Kaninchen also gleichsinnie. Zum Schluss komme ich zu der Erörterung der Frage, ob die „feste Verknüpfung zwischen Kopf und Gliedern“, wie sie sich aus den mitgeteilten Versuchen für das Kaninchen ergibt, auch während des normalen Lebens beobachtet werden kann, d. h. ob beim Kaninchen Gliederstellungen und Tonusveränderungen vorhanden sind, die sich jedesmal gesetzmässig ergeben, wenn das Tier mit dem Kopf eine bestimmte Bewegung ausführt. Kine Reihe von derartigen Reflexstellungen für die Katze und den Hund hat Magnus — wie in der Einleitung erwähnt — beschrieben; beim Kaninchen ist diese Feststellung ungleich schwieriger. Einwandfrei liess sich nur zeigen, dass beit Tier mit intaktem Grosshirn nach einseitiger Labyrinth- exstirpation die danach eintretende Kopfdrehung von demselben Ein- fluss auf Gliederstellung und Gliedertonus ist wie beim dezerebrierten Tier,; ausführlich wird darüber später im Zusammenhang mit den gleichen Erscheinungen bei der Katze berichtet werden. Am nicht operierten Tier ist es besonders eine Kopfbewegung, bei der der Einfluss auf die Gliederstellung deutlich hervortritt; bewegt nämlich ein auf dem Boden sitzendes Kaninchen den Kopf nach oben, so richtet es sich auf allen vier Extremitäten empor; dabei sind nur die Vorderbeine gauz gestreckt, aber die Hinterbeine strecken sich auch deutlich in den grossen Gelenken. Bringt das Tier die Schnauze auf den Boden oder zwischen die Pfoten, dann sinkt es auf allen vier Extremitäten zu der bekannten Hockstellung zusammen. In Übereinstimmung mit dem experimentellen Befund, dass die Hinterbeine stärker tonisch sind und stärkere Reaktionen zeigen, 26 | Walther Weiland: steht die Tatsache, dass lebende Kaninchen zur Fortbewegung haupt- sächlich ihre Hinterbeine benutzen und auch beim Sitzen überwiegend zur Stütze des Körpers gebrauchen. Zusammenfassung der Versuchsergebnisse. I. Beim dezerebrierten Kaninchen mit Enthirnungsstarre lassen sich durch Veränderung der Stellung des Kopfes zum Rumpf oder zum Raum gesetzmässige reflektorische Tonusveränderungen an den Extremitäten hervorrufen; Änderung der Stellung des Kopfes zum Raum veranlasst Labyrinthreflexe, Änderung der Stellung des Kopfes zum Rumpf bewirkt Halsreflexe. II. Die Labyrinthreflexe lassen sich isoliert zur Dar- stellung bringen, wenn man alle Bewegungen des Kopfes gegen den Rumpf durch festes Eingipsen verhindert. Bringt man ein derartiges Tier in verschiedene Lagen zum Raume, so findet sich eine Stellung, bei der der Strecktonusaller vier Extremitäten maximal ist (Scheitel unten, Unterkiefer oben, Schnauze 0° bis 45 ° über die Horizontalebene gehoben) und eine Stellung, bei der der Strecktonus aller vier Extremitäten minimal ist (Scheitel oben, Unterkiefer unten, Schnauze 0° bis 45° unter die Horizontalebene gesenkt). Bei allen anderen Lagen im Raum stellt sich der Glieder- tonus auf entsprechende mittlere Werte ein. Tonusänderungen treten bei Bewegungen des Tieres im Raum nur ein, wenn dabei die Neigung der Mundspalte gegen die Horizontalebene geändert wird. Dagegen sind Drehungen in der Horizontalebene und alle reinen Progressivbewegungen nicht imstande, die hier geschilderten toni- schen Reflexe hervorzurufen. Ein Labyrinth genügt, um die Tonusänderungen auf beiden Körperseiten zu veranlassen; nach Entfernung beider Labyrinthe lässt sich der Gliedertonus eingegipster Tiere durch Drehungen im Raume nicht mehr beeinflussen. II. Die Halsreflexe lassen sich isoliert zur Anschauung bringen bei Tieren mit ausgeschalteten Labyrinthen; vom Halse aus lässt sich der Gliedertonus der beiden Körperreihen sowohl gleichsinnig wie gegensinnig beeinflussen: / 1. Gleichsinnige Reaktion: a) Ventralbeugung bewirkt Abnahme des Streektonus aller vier Glieder; Hals- und Labyrinthreflexe beim Kaninchen etc. 937 b) Dorsalbeugung bewirkt Zunahme des Strecktonus aller vier Glieder; ec) Druck auf die Dornfortsätze der untersten Halswirbel in ventraler Richtung bewirkt Abnahme des Strecktonus in allen vier Gliedern. 2. Gegensinnige Reaktion: Kopf drehen (um die Achse: Schnauze—Hinterhauptsloch) - und Kopf wenden (um die Achse: Scheitel—Schädelbasis) bewirken nach der in dieser Arbeit gebrauchten Bezeichnungs- weise stets Zunahme des Strecktonus in den beiden Kiefer- beinen und Abnahme desselben in den beiden Schädelbeinen. IV. Dezerebrierte Kaninchen mit intakten Labyrinthen und frei beweglichem Hals zeigen bei den verschiedenen Kopfbewegungen in allen möglichen Lagen des Körpers im Raum Tonusänderungen der Glieder, welche sich restlos auf eine Superposition der geschilderten Hals- und Labyrinthreflexe zurückführen lassen. -V. Diese Reflexe der Kaninchen zeigen grosse Übereinstimmung mit den früher bei Katze und Hund zefundenen Reaktionen; der einzige Unterschied besteht darin, dass Beugen des Halses in dorso- ventraler Richtung bei Katze und Hund eine gecensinnige Tonus- veränderung der Vorder- und Hinterbeine hervorruft, während beim Kaninchen bei dieser Beweeung Vorder- und Hinterbeine stets in gleichem Sinne reagieren. Diese Reaktion tritt bei Katze und Hund nur auf, wenn die Dorsoventralbeugung in den mittleren Halsgelenken ausgeführt wird; beim Kaninchen ist auch die Beugung in den obersten Halsgelenken wirksam. VI. Die Veränderungen der Gliederstellung auf Kopfbewegungen sind tonischer Art und dauern weniestens für eine Reihe von Minuten an, solange die betreffende Kopfstellung beibehalten wird. VII. Bei Kaninchen mit intaktem Grosshirn treten nach ein- seitiger Labyrinthexstirpation Kopfdrehungen auf, welche zu eben- solehen Änderungen des Gliedertonus führen wie beim dezerebrierten Tier; bei unoperierten Kaninchen lässt sich ebenfalls die führende Rolle des Kopfes auf die Gliederstellung beobachten. 28 A. R. Moore: (Aus dem Rudolph Spreckels Physiological Laboratory der Universität von Kalifornien, Berkeley, U.S. A.) Lässt sich ein Ödem durch den Säuregehalt der Gewebe erklären?) Von A. R. Moore. (Mit 2 Textfiguren.) Loeb?) hatte zuerst gezeigt, dass Gastroenemiusmuskeln von Fröschen um einen grösseren Betrag in sauren und alkalischen Lösungen anschwellen als in neutralen Flüssigkeiten. Späterhin zeiste Wo. Ostwald?°), dass dieselbe Erscheinung für Geiatine- platten gilt, und ferner, dass ein Zusatz von Neutralsalzen zu den Lösungen den Umfang des Anschwellens herabsetzte. Martin H. Fischer*) hat diese Beobachtungen bestätigt und weiter ausgedehnt. Auf derartige Experimente gründete er seine Kolloidtheorie des Ödems. Der Inhalt dieser Theorie sei hier mit Fischer’s eignen Worten?) wiedergegeben: „Ein Zustand von Ödem tritt ein, sobald bei Gegenwart einer hinreichenden Wasserzufuhr eine Steigerung des Anziehungsvermögens der Gewebskolloide für Wasser über den gewöhnlich als normal be- zeichneten Betrag hinaus stattfindet. Für dieses gesteigerte Wasser- anziehungsvermögen der Kolloide ist in erster Linie verantwortlich eine Anhäufung von Säuren in den Geweben, entweder als Folge abnormer Produktion oder unzureichender Entfernung der normaler- weise gebildeten Säuren, obgleich man nicht vergessen darf, dass 1) Nach dem englischen Manuskript übersetzt von Vietor Birkner. 2) J. Loeb, Arch. f. d. ges. Physiol. Bd. 69 8. 1; Bd. 71 S. 457; Bd. 75 S. 303. 3) Wo. Ostwald, Arch. f. d. ges. Physiol. Bd. 108 S. 563; Bd. 111 S. 581. 4) M. H. Fischer, Ödema. New York 1910. | 5) M. H. Fischer, Ödema S. 99. Aus dem Englischen übersetzt. Lässt sich ein Ödem durch den Säuregehalt der Gewebe erklären ? 29 sieh möglicherweise wenigstens ein Teil des gesteigerten Wasser- anziehungsvermögens durch die Bildung oder Anhäufung von Sub- stanzen erklären lässt, welche die Kolloide in ähnlicher Weise be- einflussen als jene Säuren, oder auch durch eine Umwandlung der Kolloide, welche nur geringe Anziehungskraft für Wasser haben, in _ solehe von höherer Anziehungskraft.“ Fischer gibt drei allgemeine Beweisgründe für seine Theorie: 1. „Eine abnorme Bildung oder Ansammlung von Säuren, oder Anfänge davon, finden sich in jedem Stadium, welche die Entwick- lung eines Ödems durchläuft. 3. Der Entwicklung eines Ödenis in den Geweben wird entgegen- gewirkt durch die gleichen Substanzen, welche das Anziehungs- vermögen der Emulsionskolloide für Wasser herabsetzen; und dieselbe bleibt unbeeinflusst von Stoffen, welchen eine derartige Wirkung nicht zukommt. 3. Alle chemischen Einflüsse, durch welche sich ‚eine abnorme Bildung oder Anhäufung von Säuren in den Geweben herbeiführen lässt, verursachen zugleich Ödem.“ Fischer ist demnach zweifellos der Ansicht, dass Säuren für ödemische Zustände der Gewebe verantwortlich sind. Nun haben jedoch Kantor und Gies!) gezeigt, dass die Kollagenfasern der Sehne nur in einer Lösung anschwellen, welche freie Säure. enthält; und Goodridge und Gies?) fanden, dass feuchte Fibrinflocken bei Suspension in Gelatine- oder Peptonlösung, frischem Eiweiss, Blut, Milch oder Fleischbrühe nur anschwellen, falls diese Flüssigkeiten freie Säure enthalten. Diese Forscher erheben daher die Frage: „Bestreitet Fischer die Gegenwart von freier Säure in ödemischen Geweben ?“ ‘Da in der Mehrzahl von Fischer’s Versuchen die Frosch- muskeln in destilliertem Wasser von verschiedenen Säuregraden ge- halten wurden, so ist es offenkundig, dass er mit toten Muskeln und nieht mit lebenden operierte.e. Wenn man zugesteht, dass toter Muskel, Fibrin und Gelatine in saurer Lösung stärker schwellen als in neutraler, so bleibt immer noch die Frage offen: „Kann der Muskel in saurer Lösung anschwellen ohne abzusterben ?* Falls sich diese Frage nicht bejahend beantworten lässt, so gestattet Fischer’s „Säure-Kolloid“ - Theorie keinerlei Anwen- 1) Kantor and Gies, Journ. Biol. Chem. vol. 9. 1911. 2) Goodridge and Gies, Proc. Soc. for Exp. Biol. and Med. vol. 8 p. 106. 30 Aue NRolome: dung auf das Problem des Ödems im lebenden Organismus. In keinem von Fischer’s Experimenten finden wir eine Aufklärung über diesen Punkt. Ich habe zuerst zu bestimmen versucht!), ob die künstlichen Ödeme, die sich hervorrufen lassen durch Abschnürung eines Frosehbeines am Knie, darauffolgendes Durchschneiden dicht ober- halb der Schnürung und Einlegen in Leitungswasser bis eine deut- liche Quellung stattgefunden hat, auf Säureanhäufung in den Ge- weben zurückgeführt werden können. Ein Experiment dieser Art gab das folgende Resultat: Stunden in NET Nr. II Leitungswasser Gewicht in Gramm Gewicht in Gramm 0 3,750 - 9,805 12 4,540 4,630 Die Gewichtszunahme in beiden Fällen war annähernd 20°%. Am Ende jedes Versuches wurde das Präparat geöffnet, und die Muskeln lebend befunden, d. h. reizempfänglich. Die Reaktion von Muskeln und Lymphe gegen Säurefuchsin und Neutralrot wurde geprüft. Sie war die gleiche wie mit normalem Gewebe. Hier be- trägt also, bei einem künstlichen Ödem von der Art wie es Fischer selbst beschreibt. die Gewichtszunahme 20°, ohne dass sich auch nur eine Spur von Säure weder im Gewebe noch in der Lymphe nachweisen liess. Sodann habe ich versucht, lebende Muskeln dadurch zur Quellung zu veranlassen, dass ich.sie mit Ringer’scher Lösung von ver- schiedenen Säuregraden behandelte. Verwendet wurden Gastro- cenemien von Fröschen (Rana). Die Ringer’sche Lösung enthielt durchweg die drei Salze NaCl, CaCl,, KCl in der Proportion 1000 :22:15. Die Temperatur war 17—22°. Die Konzentration ist bei den Tabellen angegeben. Da die Säure, welche wir hauptsächlich in tierischen Geweben antreffen, Milchsäure ist, so wurden die Versuche mit dieser Säure (75/100 N) ausgeführt. Jeder Muskel wurde gewögen und in ein Becherglas mit 50 ecem. Ringer’ scher Lösung und der aus der Tabelle ersichtlichen Säuremenge geleet. Die Muskeln wurden, wie üblich, von Zeit zu Zeit aus der Lösung entfernt, rasch mit Filtrierpapier abgetrocknet, zwischen zwei Urschälchen gelegt, gewogen und 1) A. R. Moore, Univ. of Calif. Publ. Physiol. vol.4 p. 111. Sl Lässt sich ein Ödem durch den Säuregehält der Gewebe erklären ? (9% FaL+) 2020 (On E'8+) 989°0 (0/00) C8H°0 12998182 12908197 12395192 got (0/0 6°6+) 069°0 (0 8 +) S99°0 (8 —) 0190 (lo ET —) SIFO (0/0 6L—) S9E'0 (90 1 —) SLE0 &L (0/0 84) 599'0 (0/0. 0) 089°0 (0 9) 6840 (0 81 —) SeH0 | (ST) E8E'0 (%0 L—) 0170 22 2290 | (WILSIELIO (0/0 L—) SCH0 (0 8 —) EPr0, |(F'9) 90 EaF0 | (On Cat) 399 8c7'0 08 890 | (HT) 8290 (0 9 —) 0970 ME) us 20 (ME) ZrriO IH70 6 11878 659°0 A1es Y690 as 0850 | (0 23) 0170 LEy0 zrr 0 $ 890 | em Fan ofen Some en | el en oe EL nes 2.00: 88 0SL | OEL | SOLL STORE |«O91L| zo | ErEn | 9rıT sen (0 DOT en 1 01 | 90 | SOTT | E’60T | 0017 | 0'607 | «’sor | «s6 | — | — | 0%01 | eeıı | oFIT | SaıT | 001 \eerrleert or — | 9 8 Aa S9-| — — | 66 | 0'001 | 066 | 086 0'866 | — |«'s6 | «66 | s‘oor | 0°Tor | 0‘0or |o‘oor lo'zor|ls'ss | — | °C DB EEE ES I ze 102794 KO TE LOIBE SIT ESS) = 1 ctenn Co 02T KcoL OD er oe er aa San 927060 FILE 0,6071 8705, 476071 8207 | SorE For: (0er a 2 Zee eı ce | 95 | — | 0808 | z207 | 9’6or | Hzor | 9901| — | — | 801 | 8sor | 60T Kor ou | = - | - | = |% — I 9 | 08 | = | 8'907 | 8’9or | 0'807 | 0'907 | 0,01 | — | — |z'... a... 60 Minuten 1,62 2,3 Kontnuterlich2 2 a 2... 60 Minuten 1,78 2,4 Versuch 2. 7. Mai 1912. Gewicht des Frosches: 34,60 g. Gewichtszunah Durchspülungsart Durchspülungsdauer | — er an — in Gramm | in Prozent Kontinuierlich. .. . . . . 60 Minuten 1,05 3,0 Eihythmischar sro. a0... 60 Minuten 3,170 10,4 b) Durchfiussgeschwindigkeit ca 2 ccm pro Minute. Versuch 3. 1. Mai 1912. Gewicht des Frosches: 57,35 g. Gewicht h Durchspülungsart Durchspülungsdauer | — an nn — in Gramm in Prozent | Kontinuierlich. 2.2... 30 Minuten 2,10 | 3,6 Rhythmisch“ 2. „un... 30 Minuten rs | 2,1 Kontinuierliche u... 30 Minuten 0,25 | 0,4 Versuch 4. 2. Mai 1912. Gewicht des Frosches: 90,55 g. Gewichtszunahme Durchspülungsart Durchspülungsdauer | — ur =— = in Gramm | in Prozent | Ichythmisch. 2... .0....... 30 Minuten 0,40 0,4 Kontinmerichrr 02.5 30 Minuten 1,50 1,7 ihychmischer 0.00 00.2. 30 Minuten 2,80 | 3,0 c) Durchflussgeschwindigkeit ca 3 ccm pro Minute. Versuch 5. 3. Mai 1912. Gewicht des Frosches: 65,55 g@. Gewicht h Durchspülungsart Durchspülungsdauer |— u an as in Gramm | in Prozent Eihychmischh we. nn. 30 Minuten 8,15 | 12,5 Kontmuierlichen 22.022: 30 Minuten 5,40 | 1,3 Khytimmisch‘. ...2...0%..0.:. 30 Minuten 7,50 9,5 86 Paul Gerlach: Versuch 6. 4. Mai 1912. Gewicht des Frosches: 73,25 g. Dscksonı : en 2 Gewichtszunahme chs ngsar urchspülungsdauer ee ee . in Gramm in Prozent | Kontinuierlich . . . . . 30 Minuten 1,10 1,5 Rhythmisch20.2.. .. 30 Minnten 2,99 3,4 2,2 Kontinnierlich De 30 Minuten 1,70 d) Durchflussgeschwindigkeit ca. 4 ccm pro Minute. Versuch 7. 29. April 1912. Gewicht des Frosches: 41,75 g. Gewichtszunah Durchspülungsart Durchspülungsdauer : nn un ein in Gramm | in Prozent Rhythmisch=. 2 2... 30 Minuten 13,20 | sl,1 Kontinuierlich . .. . . 30 Minuten 1,40 2,9 Rhythmischn...n.0. 2% 30 Minuten 7,00 12,6 Bei den jetzt folgenden Versuchen wurden die beiden Durch- spülungsarten an verschiedenen Fröschen angewendet. Versuch 8. 26. April 1912. Gewicht des Frosches: 45,20 g. Gewichtszunahme Durchspülungsart Durchspülungsdauer - mn = in Gramm | in Prozent Kontinuierlich . . . . . 30 Minuten 9,40 22018 Versuch 9. 26. April 1912. Gewicht des Frosches: 53,35 g. icht h Durchspülungsart Durchspülungsdauer F an —ı — in Gramm | in Prozent Ehythmisch . .... | 30 Minuten | 17,0 | 31,9 Versuch 10. 27. April 1912. Gewicht des Frosches: 37,00 g. Durchspülungsart Durchspülungsdauer 5 Genichsmunaine in Gramm | in Prozent Kontinuierlich . . . . . | 30 Minuten | 4,90 | 13,2 Versuch 11. 27. April 1912. Gewicht des Frosches: 59,65 g. Gewichtszunahme Durchspülungsart | Durchspülungsdauer in Gramm | in Prozent Rhythmisch. ee... | 30 Minuten | 15,70 | 26,3 EEE Vergl. Versuche über die Wirkung rhythm. und kontin. Durchspülung. 87 Ein Überblick über diese Ergebnisse zeigt, dass sich die beiden Durehströmungsarten in den Versuchsreihen a und b, also bei 1-cem bzw. 2 cem Durchflussgeschwindigkeit pro Minute, hinsichtlich der Ödembildung als annähernd gleichwertig erweisen. Anders wird das Bild in der Versuchsreihe e bei 3 cem Durehflussgeschwindigkeit. Hier ist schon deutlich bei rhythmischem Strome eine stärkere Ödembildung zu bemerken, was sich in noch grösserem Maasse in der Versuchsreihe d bei 4 eem Durchflussgeschwindigkeit zeigt. Die Ursache dieser ungünstigen Wirkung des Rhythmus hat man wohl in einer Überdehnung der Gefässwände infolge der starken Pumpen- stösse zu suchen. Zusammenfassung. Ein Vergleich der Ergebnisse sämtlicher angestellten Versuche mit den oben angeführten Angaben der Autoren ergibt folgendes: Diese schreiben im allgemeinen der kontinuierlichen Durchspülung gegenüber der rhythmischen folgende Nachteile zu: 1. schlechtere Ernährung der Gewebe; 2. schlechteres Durchfliessen der Durchspülungsflüssigkeit ; 3. stärkere Ödembildung. Keiner dieser Nachteile konnte experimentell bestätigt werden. Bei schlechterer Ernährung der Gewebe hätte die Leistungs- fähigkeit des Organismus nach kontinuierlicher Durchströmung ge- ringer sein müssen als nach rhythmischer, was nicht der Fall war. - Denn weder der Grad der Erholung noch die zum Eintritt der Er- holung nach vorangegangener Ermüdung, Erstiekung oder Narkose erforderliche Zeit liess einen Unterschied in der Wirkung der beiden Durehspülungsarten erkennen. Ebensowenig konnte bei kontinuierlichem Strome ein schlechteres Durchfliessen der Durchspülungsflüssigkeit festgestellt werden. Bei beiden Durchspülungsarten nahm während der Dauer des Versuches die Menge der durchfliessenden Flüssigkeit ab. Um diese auf der- selben Höhe zu erhalten, musste der Druck bzw. die Triebkraft der Pumpe langsam verstärkt werden. Was endlich die Ödembildung anbelangt, so konnte bei mässiger Durchflussgeschwindigkeit (1—2 cem pro Minute, welch letzterer Wert bei den früher mitgeteilten Versuchen im allgemeinen Verwendung fand) keine Differenz zwischen den beiden Durchspülungs- arten konstatiert werden. Bei schnellerer Durchströmung (3—4 cem 88 Paul Gerlach: Vergleichende Versuche über die Wirkung etc. pro Minute) zeigte sich überraschenderweise deutlich eine schäd- liche Wirkung desRhythmus, die sich in starker Ödembildung . Ausserte. Auf Grund dieser Versuchsresultate erscheint wohl die Schluss- folgerung berechtigt, dass der Rhythmik des Kreislaufes nicht die hohe Bedeutung zukommt, die man ihr vielfach zuschreibt. Sie dürfte vielmehr einfach eine mechanische Notwendiskeit darstellen, deren Nachteilen die Elastizität der Gefässwände wieder entgegen- wirkt, so dass ja tatsächlich an den Orten des Stoffaustausches die Blutströmung eine völlig gleichmässige ist. Als praktische Konsequenz dürfte sich ergeben, dass bei Ver- suchen mit künstlicher Zirkulation von der Anwendung rhythmischer Durehspülung keinerlei Vorteile, sondern wegen der leichteren Ödem- bildung eher Nachteile zu erwarten sind, und dass daher die zur Erzielung der Rhythmik erforderlichen mehr oder weniger kompli- zierten Vorrichtungen zum mindesten ohne Schaden fortbleiben können. Zum Schluss sei es mir erlaubt, Herrn Professor Dr. Winter- stein meinen herzlichen Dank auszusprechen für die Anregung zu der vorstehenden Arbeit und seine freundliche Anleitung bei den Versuchen. 89 (Aus dem pharmakologischen Institut der Universität Freiburg i. Br.) Über Wirkungen des „Pituitrin“ (Parke, Davis & Co.) auf Kreislauf und Atmung. Von Otto Paukow, Düsseldorf. (Mit 6 Textfiguren.) Die unverkennbar günstige Wirkung des Hypophysenextraktes auf die Wehentätiekeit besonders bei Wehenschwäche in der Aus- treibungsperiode hat das Pituitrin zu einem souveränen wehen- erregenden Mittel gemacht. Eine grosse Zahl von Publikationen aus den letzten Monaten bestätigen im allgemeinen die günstigen Er- fahrungen, die Hofbauer zuerst mitgeteilt hat, und beschäftigen sich mit dem praktischen Werte dieses Mittels in der Geburtshilfe und Gynäkologie. Demgegenüber sind theoretische Fragen über das Wesen des Mittels kaum in die Erörterung hineinbezogen worden. Es schien mir daher angebracht, noch einmal die Wirkungen dieses Hypophysenextraktes im Tierexperiment zu studieren. Besonders ist ja bisher bei derartigen Untersuchungen der Ein- fluss auf den Blutdruck berücksichtigt worden, indessen sind die Veränderungen im Blutdruck und im Puls sowohl wie ihre Ursache bisher nicht eindeutig erklärt worden. So sah Szymanowitz bei Injektionen von Hypophysenextrakt eine Blutdrucksenkung und eine Herzbeschleunigung. Oliver und Schäfer konnten demgegenüber eine Blutdrucksteigerung wie bei Adrenalin ohne Herzbeeinflussung konstatieren. Cyon, der schon vorher an eine therapeutische Ver- wendung dachte und sich besonders eingehend mit dem Studium des Hypophysenextraktes beschäftigt hat, nahm an, dass die Herztätigkeit verlangsamt und verstärkt würde. Dasselbe glaubt auch Howell?), 1) Journ, Exp. Med. 1898. 90 Otto Paukow: der bei Durchschneidung der Vagi eine noch deutlichere Steigerung auftreten sah. Cyon glaubte auch beobachtet zu haben, dass die Injektion des Hypophysenextraktes imstande sei, die vaguslähmende Wirkung des Atropins aufzuheben. Er hob besonders hervor, dass die verschiedenen Extrakte keine einheitliche Wirkung hätten. Er nahm daher zwei Bestandteile im Hypophysenextrakt an: 1. das „Hypophysin“, das eine Erregung der Vagi und De- pressoren zur Folge hat und die wichtigste Substanz darstellen soll und, 2. eine andere Substanz, die blutdrucksteigernd wirken und zu einer Erregung der Accelerantes.und der Vasokonstriktoren führen soll. Bei diesen noch immer ziemlich ungeklärten Verhältnissen schien es mir angebracht zu sein, mich mit dem Studium des jetzt in jeden- falls konstanterer Zusammensetzung im Handel befindlichen Hypo- physenextraktes zu befassen. Ich habe in Gemeinschaft mit Herrn Dr. Fühner, Assistenten am pharmakologischen Institut in Freiburg, die Untersuchungen angestellt, über die ich hier berichten möchte. Den Versuchstieren — ausschliesslich Kaninchen — wurde auf der einen Seite die Jugularis zur intravenösen Injektion des Pituitrins und auf der anderen Seite die Karotis zur Blutdruckschreibung (Gummimanometer) freigelegt. Gleichzeitig wurde zur Registrierung der Atmung eine Glasröhre in das eine Nasenloch des stets mit Urethan narkotisierten Tieres eingeführt. So konnte unter Umgehung der Tracheotomie mit ihren unkontrollierbaren Nebenwirkungen Blutdruck und Atmung gleichzeitig registriert werden, ohne dass wir uns der Möglichkeit begeben mussten, die Nachwirkung des Pituitrins nach längeren Intervallen zu kontrollieren. Zunächst einmal stellte ich die wirksame Dosis fest, mit der wir bei Verwendung des Pituitrins von Parke u. Davis einen deutlichen Ausschlag im Blutdruck wahrnehmen konnten. Es zeigt sich hierbei, dass bei intravenösen Injektionen von 0,5 eem Pituitrin nur eine geringe Wirkung, dass aber jedesmal bei intravenöser Darreichung von 1 cem Pituitrin ein deutlicher Effekt eintrat. Es wurde deshalb auch stets bei unseren weiteren Versuchen mit der Dosis 1,0 Pituitrin intravenös gearbeitet. Die Wirkung auf den Blutdruck, die mit dieser Dosis erzielt wurde und die mit den Fest- stellungen anderer Autoren übereinstimmt, war folgende: Nach einem kurzen im Moment der Injektion eintretenden Anstieg des Blutdruckes folgte ein mehr oder minder tiefer, individuell bei Über Wirkungen des „Pituitrin“ auf Kreislauf und Atmung. gleicher Dosis verschieden starker Ab- fall des Blutdruckes. Hierbei arbeitete das Herz während des Abfalles ent- weder gar nicht oder nur mit sehr kleinen Schlägen. Dem Abfall des Blutdruckes folgte dann ein sehr deut- licher kontinuierlicher Anstieg auf über- normale Werte. Während des Anstieges nahm die Grösse der Pulsamplitude all- mählich wieder zu, und so lange der Blutdruck über der Norm blieb, war die Kurve gekennzeichnet durch wesent- lich langsamere und grössere Pulse als vor der Injektion. Dieser Anstieg ist jedenfalls immer nur ein vorübergehen- der, aber von wesentlich längerer Dauer als die Blutdrucksteigerung nach Adre- nalininjektion. Danach geht der Blut- druck wieder zur alten Höhe, manchmal auch dauernd etwas unter die anfäng- liche Blutdruckhöhe zurück. Der mehr oder minder tiefe, oft pulslose Abfall und der darauffolgende, durch grosse schlaffe Pulse ge- kennzeichnete Anstieg der Blut- druckkurve im Anschluss an die Injektion sind die Charak- teristika der Pituitrinkurve. Auf der Höhe der Blutdruck- steigerung finden sich fast stets Irre- gularitäten der Pulse und Schwankungen der Druckhöhe, die unter Umständen diese auch als regelmässige Rhythmusände- rung auftreten können, als Alternans, rhythmisches Ausfallen einer Systole in regelmässigen grösseren Intervallen usw. Vgl. dazu Fig. 2. Interessant und bekannt ist, dass, wenn die Wirkung der ersten Injektion AN ji Ja ni N N Ss E N ı NN Y Re u - 0: \ Alu ren leem ar (Die Zeitlinie entspricht ungefähr der Nulllinie des Manometers.) Fig. 1. ARE erssnngman — un N I ; S . | 2 iz rs = Über Wirkungen des „Pituitrin“ auf Kreislauf und Atmung. 05 abseklungen ist, eine zweite Injektion derselben Dosis nur noch eine wesentlich geringere Wirkung hat, und zwar gesetzmässig derart, dass der meist pulslose Abfall des Blutdruckes ganz fehlt und nur eine Steigerung des Blutdruckes vorhanden ist, .die aber nicht die gleiche Höhe und Dauer erreicht wie bei der ersten Injektion und auch nicht mit so ausgesprochenen Änderungen des Pulses ver- bunden ist. Weitere Injektionen werden dann immer unwirksamer, bis schliesslich fast gar keine Wirkung mehr zu erzielen ist; das. Tier ist pituitrinresistent }). Fig. 3, die Fortsetzung der Fig. 1, zeigt die Folge einer zweiten Injektion. Diesen schon von Howell be- obachteten Effekt habe ich messend weiter verfolgt, indem ich zu ermitteln versuchte, wie klein die erste Injektion sein darf, um die zweite deutlich abzuschwächen. Es ergab sich, dass dazu 0,4 cem als erste Injektion ausreicht. - Diese Veränderungen des Blutdruckes und der Heszarbkib wie ich sie beschrieben habe, haben wir indessen nur bei intravenöser Applikation des Pituitrins beobachten können. Ich habe sowohl kleinere Dosen (1 cem) und auch eine grössere Menge (5 ccm) einem Kaninchen subkutan injiziert, dabei aber keine Veränderungen des Blutdruckes und der Herztätigkeit in der oben beschriebenen Art - nachweisen können. Wie ich bereits erwähnt habe, pflegte nach vorausgegangener intravenöser Injektion von 1 cem Pituitrin die zweite gleichgrosse Dosis nur noch einen geringen Ausschlag zu geben. Aber auch nach dieser Richtung hin vermochte die subkutane Appli- kation des Pituitrins keine Veränderungen herbeizuführen. Selbst nach der subkutanen Verabreichung von 5 cem war bei der nach- folgenden intravenösen Injektion von 1 cem die Kurve genau so typisch in ihrem Ablauf, als ob die subkutane Dosis gar nicht ver- abreicht worden wäre. Daraus folgt also zunächst, dass nur die intra- venöse Darreichung des Mittels imstande ist, die typischen Verände- rungen und ihre Folgen im Ablauf derBlutdruckkurve hervorzurufen. Da das in den Handel kommende Pituitrinpräparat mit Chloreton versetzt ist, so musste daran gedacht werden, ob nicht die Chloreton- beimengung von irgendeinem Einfluss auf die Blutdruckveränderung sein könnte. Es wurde. daher eine. der Pituitrinbeimischung ent- sprechende Lösung von Chloreton (= !/2°/o) hergestellt und einem 1) Howell, l.e. 94 Otto Paukow: Tiere davon erst 1, dann 2 ecm intravenös injiziert. Eine Ver- änderung des Blutdruckes trat dabei überhaupt nicht ein, und. eine nachfolgende intravenöse Injektion von 1 cem Pituitrin ergab eine typische Kurve. Die Beimengung von Chloreton ist also be- deutungslos. Der als erste Folge der Injektion eintretende rasche Abfall des Blutdruckes ist Folge einer Herzwirkung, denn er erfolgt unter ' Herzstillstand bzw. stärkster Herzverlangsamung. Da die Erscheinung einer Vagusreizung gleichartig ist, prüfte ich in der Folge das Ver- halten des Vagus. Wie ich schon eingangs erwähnte, nahm Cyon an, dass das Hypophysenextrakt imstande sei, die vaguslähmende Wirkung des Atropins zu verhindern. Diese Beobachtung haben wir nicht be- stätigen können und haben deshalb auf besonders sorgfältige Ver- suchstechnik geachtet. Wir haben, um ein Austrocknen des Vagus zu vermeiden, uns eine kleine Glasröhrenelektrode herstellen lassen, derart, dass in ein dünnes Röhrehen die in Form eines Doppel- häkchens konstruierten Platinelektroden eingeschmolzen waren, die in der Mitte des etwa 3 cm langen Glasröhrehens in ihr Lumen hineinragten. In diese Glasröhre wurde der durchschnittene Vagus eingeführt. Dann wurde das Röhrchen mit Weichteilen überdeckt und durch Auflegen von feuchter Watte mit Sicherheit vor dem ‘Eintroeknen geschützt. Hierauf wurde nun zunächst durch intra- venöse Injektion von Atropin eine Vaguslähmung herbeigeführt und deren Eintritt durch elektrische Vagusreizung festgestellt. Die nach- folgende Injektion von 1,0 Pituitrin ergab die gleichen Veränderungen im Abfall und Anstieg der Blutdruckkurve wie auch sonst, nur dass die grösseren Schwankungen der Pulse nach erfolgtem Anstieg fehlten. Derselbe Effekt wurde erzielt, wenn die Vagi beiderseits durch- schnitten waren. Auch dann war eine Veränderung im Ablauf der Blutdruckkurve nieht wahrnehmbar. Daraus folgt, dass die Wirkung des Pituitrins auf den Ablauf der Blutdruckkurve weder eine periphere noch eine zentrale Vaguswirkung sein kann. Vielmehr liegt die An- nahme nahe, dass wir es bei dem Abfall des Blutdruckes mit einer direkten Herzwirkung des Pituitrins zu tun haben. Über ihren Angrifispunkt können wir auf Grund dieser Untersuchungen noch nichts Sicheres sagen; sie gewinnt aber dadurch an Wahrscheinliehkeit, dass das Phänomen dieser Pituitrinwirkung ja nur bei intravenöser Injektion zustande kommt. Über Wirkungen des „Pituitrin“ auf Kreislauf und Atmung. 95 Die Literatur enthält Angaben, dass die Reizbarkeit des auto- nomen Nervus pelvieus (Fröhlich) dureh Pituitrin gesteigert werden kann. Wenn sich dieser Befund verallgemeinern liesse, würde er ein interessantes Licht auf die prinzipielle Pituitrinwirkung und auf das mögliche Zusammenwirken von Pituitrin und Adrenalin werfen. Ich habe deshalb die Reizbarkeit des Vagus unter Pituitrinwirkung geprüft. Dazu wurden ein oder beide Vagi durchschnitten und die Schwellenwerte der Reizung des peripheren Stumpfes unter Ver- meidung der üblichen technischen Fehler (s. S. 94) kontrolliert. Das Resultat war, dass sich unter Pituitrinwirkung nach der intravenösen Injektion grosser und kleiner Dosen an der Reizbarkeit des Vagus nichts ändert. Scheinbare Steigerungen der Reizbarkeit des Vagus bekam ich, als ich absichtlich jene fehlerhafte Anordnung der Reizstromleitung benutzte, bei der der Reiz durch Schliessen des primären Stromes des Induktoriums bewirkt wird. Ich lege Wert darauf festzustellen, dass die obigen Angaben für die richtige Schaltung gelten, bei der zur Reizung ein Kurzschluss im sekundären ‘Kreis weegeräumt wird. (Siehe dazu: Garten in Tigerstedt, Grundriss der physiolog. Technik Ba. II Abt. 3 S. 399.) Die weiteren Versuche betrafen den Einfluss des Pituitrins auf die Atmung. Schon bei unseren ersten Versuchen, bei denen wir eine Registrierung der Atmung nicht vorgenommen hatten, konnten wir bald nach erfolgter Injektion einen kurzen vorübergehenden Atmungsstillstand beobachten. Wir haben deshalb bei unseren späteren Versuchen in der oben beschriebenen Weise zugleich mit dem Blutdruck auch die Atmung registriert. Hierbei ergab sich nun folgendes (Fig. 4): Im unmittelbaren Anschluss an die intravenöse Injektion von 1,0 Pituitrin erfolgt zugleich mit-dem vorübergehenden Anstieg des Blutdruckes ein Atemstillstand, der nun während des Abfalles des Blutdruckes fortbestehen kann. Die Dauer dieses „primären“ Atem- stillstandes ist individuell verschieden. Zuweilen führt die Injektion gar nicht zu einem vollständigen Stillstande, sondern nur zu einer ausgesprochenen Verflachung und Verlangsamung der Respiration. Noch während des Abfalles des Blutdruckes oder spätestens bei Beginn der Blutdrucksteigerung fängt das Tier wieder an zu atmen, wobei die anfänglich sehr kleinen kaum wahrnehmbaren Respirationen allmählich an Tiefe zunehmen, um dann aber nach kurzer Dauer 96 Otto Paukow: abermals abzuflachen und nun wiederum vollständig aufzuhören und in den sekundären Atmungsstillstand überzugehen. Dieser zweite charakteristische Atem- stillstand tritt etwa. ein, wenn in der aufsteigenden Kurve des Blutdruckes die Herzpulse wieder deutlich geworden sind und der Blutdruck annähernd die ursprüngliche Höhe wieder erreicht hat. So erhält die Atmungsschreibung zwischen dem primären und sekundären Atmungs- stillstand einspindelartiges Aussehen. Der sekundäre Atmungsstillstand ist von längerer Dauer als der primäre, und auch bei ihm setzt die Atmung mit kaum merkbaren kleinen Re- spirationszügen zunächst wieder ein. Nicht selten zeigt die Atmungsschrei- bung mehrere solcher Spindelfiguren, wobei es jedoch bei den späteren Atmungsabflachungen nie- mals wieder zu einem vollständigen Stillstand kommt... Nach weiteren Versuchen scheint die Dauer des Atemstill- standes beim Kaninchen von der Narkose über- haupt wie von ihrer Tiefe in gewisser Weise ab- hängig zu sein. Bei der weiteren Be- Fig. 4. Oo toxtrin, MM li Über Wirkungen des „Pituitrin“ auf Kreislauf und Atmung. 97 obachtung des abgebundenen und wieder in den Käfig gesetzten Tieres zeigt sich nun, dass die Atmung ein verschiedenes Ver- halten zeigt. Entweder bleibt sie dauernd, und zwar, worauf ich noch zurückkomme, auf Tage hinaus verlanssant, oder sie zeigt, ehe sie diese dauernde Verlangsamung annimmt, eine vor- übergehende starke Beschleunigung, so dass sie eine förmlich jagende wird. Interessant ist im Ablauf der Atmungskurve, dass eine erneute intravenöse Injektion einer gleichgrossen Dosis nach Abklingen der Blutdruckwirkung und, wenn die Atmung wieder eine gleichmässige geworden ist, die gleiche Atmungswirkung nicht wieder hervorruft. Ebenso wie bei einer zweiten intravenösen Injektion der Abfall der Blutdruckkurve ausbleibt, ebenso bleibt auch der Atemstillstand jedesmal aus. Höchstens kann man mit der Blut- drucksteigerung zusammenfallend eine kaum merkliche Abflachung der Atmungstiefe des Tieres beobachten. Auch hier fragten wir uns wieder, wie diese Atemwirkung zu erklären sei und ob der Vagus dabei eine Rolle spielen könnte. Wiederholte Versuche sowohl bei Vaguslähmung durch Atropin- injektionen wie nach doppelseitiger Vagusdurchschneidung ergaben, dass jedesmal der primäre Stillstand bzw. die fast bis zum Stillstand erfolgte Abflachung der Atmung vollkommen fehlte. Es scheint also der „primäre“ Atmungsstillstand tatsächlich auf einer peripheren Vagusreizung zu beruhen. Der „sekundäre“ Atmungsstillstand hin- gegen war weder durch die Atropinisierung noch durch die doppelte Vagusdurchschneidung zu verhindern bzw. aufzuheben. Wie der Ablauf der Blutdrucksenkung und Steigerung war auch, abgesehen von dem Weefall des primären Stillstandes der Ablauf der Atmungs- kurve nicht verändert. Daraus folgt also, dass ebenso wie die Blut- drucksenkung und Steigerung. auch der sekundäre Atmungsstillstand unabhäneig ist vom Vagus. Wie die Wirkung auf die Atmung zu erklären ist, lässt sich ohne weiteres nicht sagen. Zentrale Einflüsse, die auch nach Durchschneidung beider Vagi einwirken können, kämen als Ursache ebenso in Frage, wie vielleicht auch Krampfzustände der Bronehialmuskulatur. Schliesslich machten wir bei unseren Versuchen noch eine Be- obachtung, die ein grosses Interesse verdient. Es ist das die Tat- sache, dass Tiere, denen einmal Pituitrin intravenös injiziert war, gegen eine erneute intravenöse Injektion derselben Dosis, die innerhalb von 1—5 Tagen nach der ersten Einspritzung vorgenommen wurde, Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd. 147. 7 Otto Paukow: 98 een BT er 0: EB ; BR ML HINLILIMNL KATI AUMLEILL NRLURTDKUITTGRUNNNHNN AA BL AR je i 5 Mu u 7 Su er Ba NR NLUTITININ gt MT ug N“ 2, Tr. R u \ Ü Über Wirkungen des „Pituitrin“ auf Kreislauf und Atmung. 99 entschieden empfindlicher waren. Diese Sensibilisierung war ebenso bemerkbar im Ablauf der Blutdruck- wie der Atmungskurve. Die beifolgenden Kurven (Fig. 5 und 6) illustrieren diese Ver- hältnisse am besten. Sie zeigen, dass bei einem mit 1—2 cem vor- behandelten Tiere eine erneute Injektion derselben Anfangsdosis nach einigen Tagen eine deutlichere Wirkung im Ablauf der Blutdruck- und Atmungskurve zeigt als bei der ersten Injektion. Am deutlichsten wird das in den Fällen, wo die Anfangsdosis so klein gewählt war, dass bei dem ersten Versuche eine typische Pituitrinkurve gar nicht zustande kam (Fie. 5)!) und wo dann bei der zweiten Injektion der gleichen Dosis eine ganz typische Kurve (Fig. 6) resultierte. Wir können also auf Grund dieser Beobachtung sagen, dass eine Sensibilisierung des Kaninchens durch eine einmalige intravenöse Injektion des Pituitrins in einer Dosis von 1—5 cem eintritt. Be- merkenswert ist, wie ich schon oben erwähnte, dass nach einer einmaligen Pituitrininjektion die Atmung der Tiere fast stets auf Tage hinaus dauernd verlangsamt ist. Bei einem Tiere, bei dem am 22., 23., 26. und 28. I, der Versuch im ganzen viermal wiederholt wurde (zweimal Karotis-, zweimal Femoralisblutdruck bei jedesmal gleicher Dosis Urethan) war von Versuch zu Versuch eine zunehmende Verlangsamung der Atmung wahrnehmbar Somit haben sich also für den Ablauf der Blutdruck- und Atmungskurve bei ein- oder mehrmaliger intravenöser Injektion an demselben und an verschiedenen Tagen Veränderungen ergeben, die wir als typisch für das Pituitrin ansehen müssen. Sie ermöglichen es uns, an der Hand dieser Ergebnisse neue, aus dem Pituitrin oder auf anderem Wege hergestellte Präparate, an deren Herstellung ja gerade jetzt aus rein praktischen Gründen intensiv gearbeitet wird, vergleichend zu prüfen, und bringen uns durch solche Vergleiche viel- leicht der Erkenntnis näher, welchen Bestandteilen der Hypophysen- extrakte die praktisch wichtige wehenerregende Wirkung zukommt. 1) Hier ist ein Hypophysenextrakt anderer Herkunft, das sich in kleineren Dosen schon als wirksam erwies, injiziert worden. Ti 100 Ryuta Usui: (Aus der medizinischen Klinik der Universität Heidelberg.) Über Messung von Gewebsoxydationen in vitro (Leber, Zentralnervensystem). Von Ryuta Usui aus Japan. Wenn es sich um die Frage nach dem Anteil eines Organs an den Gesamtoxydationen des Organismus handelt, also im wesentlichen um die absolute Oxydationsgrösse, ist zweifellos das Experiment am lebenden Tier, etwa in der von Barcroft!) eingeführten Weise, andern Versuchsanordnungen vorzuziehen. Stellt man sich dagegen die Aufgabe, die Oxydationsprozesse zu beeinflussen, so lässt die In-vivo-Methode in der Regel im Stich. Sieht man von den Messungen an überlebenden Herzen ab, so sind die Methoden zum Studium des Gaswechsels aus dem Körper entfernter Organe nur unvollkommen ausgebildet. So ist mir von den zahlreichen Durchströmungsversuchen Vernons?) an der Kaninchenniere nur ein einziger Versuch bekannt, in dem die Oxydationsgrösse nicht erheblich abfällt, und bei Anordnung von Batelli und Stern?) — Schütteln zerhackter Organe mit Luft — wird stets in der ersten Zeit ein ganz enormer Abfall der Sauerstoff- werte beobachtet. Für quantitative Versuche aber ist un- veränderte Oxydationsgrösse während einiger Stun- den Vorbedingung. Im folgenden soll nun eine Methode zur Messung des Gas- wechsels in vitro beschrieben werden, bei der sowohl künstliche Durchblutung als auch Zerkleinerung der Organe vermieden wird, 1) Ergebn. d. Physiol. 1908 S. 699. 2) Journ. of Physiol. vol. 35 p. 53. 1906; vol. 36 p. 81. 1907; vol. 39 p. 149. 1909. 3) Z. B. Journ. de Physiol. et Pathol. generale 1907 (Mai). — Biochem. Zeitschr. Bd. 21 S. 487. Über Messung von Gewebsoxydationen in vitro etc. 101 und bei der die Oxydationsgrösse viele Stunden lang unverändert bleibt. Ich habe die Versuche auf Anregung und unter Leitung von Herrn Dr. Warburg angestellt. Unser Kunstgriff war einfach der, dass wir ganz kleine Organe benutzten, wobei wir von der Überlegung auseingen, dass mit zu- nehmender Kleinheit des Objekts, der Gaswechsel durch die Ober- fläche hindurch im Verhältnis zum Gewicht immer zunehmen und schliesslich zur Versorgung der Zellen genügen wird. Unsere kleinsten Organe — das kleinste Leberläppchen einer kleinen Maus — wogen etwa 0,05 g; ihre Oxydationsgrössen konnten auf ca. 10 %/o bestimmt werden. Mit der gleichen Genauigkeit dürfte sich noch, bei ge- rinefügiger Änderung der Versuchsanordnung der Gaswechsel eines fünfmal so kleinen Organs messen lassen, so dass Messungen an einzelnen Metastasenknötechen von Rattentumoren, beginnenden Mäusetumoren oder ähnlichen kleinen Gebilden ohne Schwierigkeit ausgeführt werden können. Im Lauf eines Tages lassen sich bequem 15 bis 20 Bestimmungen machen. Beschreibung der Methode. Das frisch herausgenommene Organ wird in ein Röhrchen von 3cem gebracht, in das auf der einen Seite ein Glasstopfen eingeschliffen ist, während es auf der andern Seite in einen Glashahn mit etwa 5 cm langer Kapillare endet. Das Röhrchen wird dann völlig gefüllt mit einer 10°joigen Rinderblutsuspension in Ringer’scher Lösung und auf der Drehscheibe in einem Ostwald’schen Wasserthermostaten langsam gedreht, so dass das Organ sich dauernd durch die Lösung bewegt. Ein Kontrollröhrehen, Blutsuspension ohne Organ, wird gleichzeitig in den Thermostaten gebracht. Nach passender Zeit lässt man den Inhalt des Röhrchens bei geöffnetem Glasstopfen durch den Hahn abfliessen unter 1,5 cem Saponin-Ammoniaklösung und bestimmt in der üblichen Weise!) am Haldane-Bareroft’schen Manometer die Druckverminderungen. Aus der Differenz der Druckverminde- rungen zwischen Versuchs- und Kontrollröhrehen wird in oft!) be- schriebener Weise der Sauerstoffverbrauch berechnet. Das im Röhr- chen zurückgebliebene Organ wird sofort mit neuer Blutsuspension übergossen, wieder auf die Drehscheibe gebracht usf. Das Volumen (in den Tabellen mit v bezeichnet), in dem die 1) 0. Warburg, Hoppe-Seyler’s Zeitschr. f. physiol. Chemie Bd. 76 8. 331. 102 Ryuta Usui: Druckverminderungen entstanden, war etwa 8,5 ccm (13 cem minus 3 cem Blutsuspension minus 1,5 eem Saponin-Ammoniaklösung), so dass ein Ausschlag von 100 mm einem Sauerstoffverbrauch von etwa 0,085 cem entspricht. Mit p sind im folgenden die Differenzen der Druckverminderungen (Blut mit Organ minus Blutkontrolle) bezeichnet. t ist die Temperatur bei der Gasbestimmung. Eine kleine Korrektion für das Volumen des Organs wird angebracht. Die Blutsuspension wird bei derjenigen Temperatur an der Luft gesättigt, bei der der Atmungsversuch vorgenommen wird, also für Mäuselebern bei 38°, für Froschlebern bei 20° Die Blutkörperchen brauchen nicht von derselben Tierart wie das Organ zu sein. Sie sind vom Serum durch Waschen befreit und dienen nur dazu, den Sauerstoffvorrat in einem bestimmten Volumen zu vermehren. Die „Ringer’sche* Lösung für Froschorgane bestand aus 1000 Wasser, 6,5 g Natriumehlorid, 0,2 g Kaliumchlorid, 0,3 g Caleiumehlorid ; für Mäuseorgane aus 1000 Wasser, 8 g Natriumchlorid, 0,2 g Kalium- ehlorid, 0,2 g Caleiumehlorid. Alles neutralisiert mit Natronlauge, so dass Phenolphthalein eben eine Spur rosa gefärbt wurde. Soll die Wirkung einer Substanz geprüft werden, so ist stets die erste Sorge, dass sämtliche Zellen mit der zu unter- suchenden Konzentration im Gleichgewicht sind. Die Blutzellen waren dreimal mit Ringer, der die Substanz zugesetzt war, ge- waschen. Handelt es sich um Substanzen, die von Zellen gespeichert werden !), so wird das Organ vor Beginn der Versuchsperiode mit grösseren Mengen Flüssigkeit etwa 15 Minuten langsam geschüttelt. Die Wirkung einer Substanz wird stets so festgestellt, dass zunächst eine Periode („Vorperiode*“ der Tabellen) in Ringer allein ge- messen wird, dann in Ringer plus Substanz („Versuchsperiode“* der Tabellen), dann, zur Prüfung auf Reversibilität, wieder in Ringer allein („Nachperiode“ der Tabellen). Die Fehler betragen 3—5 mm, so dass sie bei einem durch- schnittlichen Ausschlag von 50 mm nicht mehr als 10°%o Fehler ausmachen. Bakterien: Da es nicht möglich ist, ein Organ wie die Leber völlig steril zu erhalten, so entsteht bei derartigen Untersuchungen stets die Frage, wie weit Bakterien als Fehlerquellen in Betracht kommen (übrigens wurde stets mit sterilisierten Gefässen und sterilen ]) Warburg und Wiesel, Pflüger’s Arch. Bd. 144 S. 472. Über Messung von Gewebsoxydationen in vitro etc. 103 Flüssigkeiten gearbeitet). Folgendes scheint mir Bakterienmitwirkung auszuschliessen: 1. Der Sauerstoffverbrauch steigt mit der Zeit nicht an. 2. Halbstündiges Erwärmen, z. B. des Froschrückenmarks, auf 38° bewirkte in der Folge ein Absinken der Oxydationsgrösse auf die Hälfte. 3. Die Hemmungen beim Froscehrückenmark und bei der Mäuse- leber waren nicht reversibel, während die Bakterienatmung durch die gleichen Substanzen reversibel gehemmt wird. Resultate mit Leberläppchen. Kleine Mäuse wurden mit Äther betäubt, dann das Abdomen eröffnet und der kleinste Leberlappen sorgfältig herauspräpariert. Er kam kurze Zeit zur Spülung in erwärmte Ringer’sche Lösung und darauf sofort in das Atmungsgläschen. . Wie aus Tabelle I er- sichtlich, schwankte das Gewicht (stets bestimmt am Schluss der Nachperiode und nach Trocknen mit Fliesspapier) zwischen 0,05 g und 0,19 ge. Es wurde dafür Sorge getragen, dass das Organ sich zwischen den einzelnen Perioden nicht abkühlte. 1. Die in Tabelle I mitgeteilte Versuchsserie (fortlaufende Serie ohne Auslassung eines Versuchs) zeigt zunächst, dass, worauf es uns im wesentlichen hier ankommt, in dreiaufeinanderfolgen- den Perioden von 90 Minuten der Sauerstoffverbrauch konstant ist, wobei die erste Periode sofort nach dem Tod des Tieres beginnt. Die Abweichungen überschreiten kaum die Fehlergrenzen, mit Ausnahme vielleicht von Versuch 5, in dem in der dritten Periode eine kleine Steigerung zu beobachten ist. 2. Die absoluten Werte, Sauerstoffverbrauch pro Gramm und Stunde, betragen alle einige Zehntelkubikzentimeter und schwanken von 0,24 bis 0,55 cem. Beim Vergleich der Zahlen hat sich ergeben, dass fast regelmässig innerhalb der Fehler der Sauer- stoffverbrauch pro Stunde und Gramm um so grösser ist, je kleiner das Gewicht. Dies wird deutlich aus Tabelle Ia, in der die Resultate, geordnet nach absteigenden Organgewichten, umgeschrieben sind. Wir vermuten, dass diese Beziehung mit der Versuchsanordnung, nämlich der relativ besseren Sauerstoffversorgung der kleinen Organe, zusammenhängst, und glauben deshalb, dass die „richtigsten“ Werte, d. h. diejenigen, die den Verhältnissen in vivo am nächsten kommen, die Oxydationsgrössen der kleinsten Organe sind (also etwa 500 cem 104 Ryuta Usui: pro Kilogramm und Stunde). Merkwürdigerweise ist die Oxydations- srösse der Leber bisher überhaupt nicht bestimmt, abgesehen von den Versuchen mit Leberbrei, die aber zum Vergleich hier wohl kaum herangezogen werden dürfen !). 3. Die ehemische Beeinflussung des Leberstoffwechsels wurde im wesentlichen unter dem Gesichtspunkte studiert, ob. die bisher an Blutzellen und Bakterien gewonnenen Resultate auch auf tierische Gewebe, wie Leberzellen, übertragen werden dürfen. Auf Grund unserer Resultate, die in Tabelle II zusammengestellt sind, muss diese Frage bejaht werden. Unzweideutig ergibt sich wiederum das „Gesetz der homologen Reihen‘, 0,20 Methylpherylketon hemmt stärker als 1,6°o Methylpropylketon und diese Substanz wieder stärker als 2,4°%0 Aceton. 0,1°/o Phenyl- urethan hemmt stärker als 1,5°/o Äthylurethan usw. Es ist nicht unwichtig, hinzuzufügen, dass auch die absoluten Werte der wirksamen Konzentration sehr nahe bei den für Blut- zellen und Bakterien gefundenen liegen, eine Zusammen- stellung für Urethane in Tabelle VII zeigt das deutlich. Die Hemmungen durch die in Tabelle II angeführten Substanzen sind nicht reversibel?). Entfernt man die Lösungen und ersetzt sie durch Ringer, so steigt die Oxydationsgrösse nicht wieder an, im Gegenteil, sie sinkt dauernd weiter ab. Wenn also unter unseren Versuchsbedingungen die Oxydationsprozesse in der Leber- zelle merklich herabgedrückt wurden, so war damit stets eine dauernde Schädigung verbunden. Derartig geschädigte Lebern zeigten im ge- färbten Schnittpräparat keine deutlichen Veränderungen, doch konnten sie mit blossem Auge durcheineeigentümlich weisslich-opake Verfärbung von atmenden Lebern 1) Batelli und Stern, Journ. de Physiol. et Pathol. general. Mai 1907 und Biochem. Zeitschr. Bd. 21 S. 487. Hier wurde 15 Minuten nach dem Tod des Tieres pro Kilogramm und Stunde ein Sauerstoffverbrauch von 4000 ccm gefunden, 105 Minuten nach dem Tod des Tieres 1200 ccm. 2) Deshalb hat auch eine genaue Angabe von Konzentrationen wenig Wert. Je länger man nämlich einwirken lässt — das geht deutlich aus den Werten der „Nachperiode“ hervor —, um so grösser müssen die Hemmungen werden. Wenn trotzdem eine annähernde Übereinstimmung mit den bei andern Zellen gefundenen reversiblen Hemmungswerten besteht (Tabelle VII), so ist das dem Umstand zu danken, dass die angedeutete Unsicherheit gegen die sehr er- heblichen Unterschiede, auf die es ankommt, verschwindet. Über Messung von Gewebsoxydationen in vitro etc. 105 unterschieden werden. Wie schon frühere Beobachtungen !), so lassen auch diese wieder an einen Zusammenhang zwischen Atmungshemmung undKolloidfällung denken, womit dann auch die merkwürdige Allgemeingültigkeit unserer Befunde bei den chemisch differentesten Zellen ihrer Erklärung nähergeführt würde. 4. Von der Hypothese ausgehend, dass es sich bei der schädigenden Wirkung unserer Substanz um Herabsetzung der Koagulations- temperatur handeln könne, haben wir ähnliche Versuche mit Frosch- lebern angestellt in der Hoffnung, hier, da man bei 20, statt bei 38° arbeiten kann, auf reversible Hemmungen zu stossen. Das war in der Tat der Fall, wie aus Tabelle IV hervorgeht. Zentralnervensystem vom Frosch. Das Zentralnervensystem oder Teile des Zentralnervensystems stellen ihre Funktionen schon bei viel kleineren Konzentrationen von Urethanen, ‚Ketonen und vielen anderen Substanzen ein als bei denjenigen, ‚die zur Hemmung der Oxydationsprozesse in Blut- oder Leberzellen nötig sind. Es wurde deshalb schon früher die Frage aufgeworfen, ob Funktionseinstellung in den Nervenzentren und Oxydationshemmung in den Nervenzentren zwei völlig zutrennende Vorgänge sind, oder ob die ÖOxydationsprozesse der Nervenzentren ausnahmsweise empfindlich sind gegen narkotische Substanzen.?) Wir hatten hier.nun die Möglichkeit, diese Frage dureh das Experiment direkt zu beantworten. Das ganze Zentralnervensystem vom Frosch (Rückenmark plus Gehirn) wurde, ungefähr nach den Vorschriften von Baglioni°®) und Winter- stein) herauspräpariert. In der Regel wurden für ein Atmungs- röhrehen zwei Präparate verwendet, die zusammen 0,2—0,4 g wogen, und zwar verwendeten wir lieber kleine als grosse Frösche.°) Im übrigen wurde wie bei der Leber verfahren; die Versuchstemperatur betrug 20°. Folgendes sind kurz die Resultate: 1. In drei aufeinanderfolgenden zweistündigen Perioden ist die Oxydationsgrösse hinreichend konstant, um Beeinflussungsversuche zu ermöglichen (Tabelle V). 1) ©. Warburg und Wiesel, loc. eit. 2) OÖ. Warburg, Münchner mediz. Wochenschr. 1911 Nr. 6. 3) Zeitschr. f. allgem. Physiol. Bd. 4 S. 384. 1904. 4) Zeitschr. f. allgem. Physiol. Bd. 6 S. 315. 1907. 5) Wasserfrösche. 106 Ryuta Usui: 2. Der Sauerstoffverbrauch pro Kilo und Stunde war 63—94 cem (Versuch 1—10 in Tabelle V). In reinem Sauerstoff fand Winter- stein), allerdings mit nicht einwandfreier Methodik, pro Kilogramm . und Stunde 260—300 cem. 2. Die OxydationsprozesseimZentralnervensystem sind nicht empfindlicher als die in den bisher unter- suchten Zellen; wir finden absolut sowohl wie relativ ganz die gleichen Verhältnisse wie für Bakterien, Blutzellenund Leberzellen. DieHemmungen sind in Tabelle VI zusammengestellt, in Tabelle VII mit den für andere Zellarten er- haltenen Werten verglichen. Die Hemmungen sind nicht so irre- versibel wie bei der Mäuseleber, aber keineswegs völlig reversibel. 4. Eine gesättigte Lösung von Stryehnin bewirkte in unserer Anordnung keine Hemmung, eine gesättigte Lösung von Chinin eine sehr starke Hemmung; doch soll auf die basischen Substanzen wegen der schlecht definierten Gleichgewichte?) zunächst nicht näher ein- gegangen werden. Tabelle Il. Leberläppchen von Mäusen. Dauer einer Versuchsperiode 90 Minuten. Temperatur 38°. Sauerstoffverbrauch in Kubikzentimeiern (0,760 mm). Saner: Bus = . Perioden R : i im Mittel d Num- | Gewicht En stoffver- Gasanalyse drei p dei! “n mer 90 Min. brauch pro S Tann, un g ccm ccm erste 0,068 I|v=85;p—= — 78; t—=13,4 1 0,097 zweite 0,061 |v=85;p=— 75; t=13,6 0,42 dritte 006 85: — _uüf: t— 13,9 erste 0,060 |v=85; p=— 174; t=13,8 2 0,12 zweite 0.062 - |v— 85; p—=—- 76; t=13,9 0,33 dritte 0,055 |[|v= 85; p= —68; t=13,9 vw=85;p—=—68; t=132 v=89;p— —66; t—= 13,4 0,43 dritte 0,49 |v=85;p=—6l; t=13, erste 0,048 Iv=85; p=—60; t=14, 3 3 3 4 zweite 0,048 |v=83,5; p=—59; t—=15 dritte 0,050 |v=85; p= —62; t— 15 5) 6 5 5 5 — erste 0,044 |v=85;p—=-55; t=1 zweite 0,03 |v=85;Pp=—94; t=1: dritte 0,056 |v=85;pP— - X0; t—1 erste 0,046 |v=85; p= —97; t=1: zweite 0,044 |v=85;p=—5; t=l: dritte 0,41 |v=85;p=—51; t=1 = a OO OoOn = > erste 0,055 3 0,083 zweite 0,054 mm mn) mn un‘ \ozmen, un ann, umen Van, u an, un? _ [1 DD er, 1) Zeitschr. f. allgem. Physiol. Bd. 6 S. 315. 1907. 2) O. Warburg, Verhandl. d. deutsch. Kongr. f. inn. Med. 1911 S. 553. Über Messung von Gewebsoxydationen in vitro etc. - 107 Perioden | Sauer- Ä verbrauch - - i n Num- | Gewicht von |[stoffver- Gasanalyse drei Porioden mer 90 Min. | Prauch en g cem cem erste 0,041 |v— 85; p— —- 51; t— 152 7 0,058 zweite | 0,041 |\v=85; p= —5l; t=15,1 0,47 dritte 0,040 |v—=85; p= — 50; t= 15,0 erste 0,068 |v= 85; p= — 85; t—=17,0 8 0,16 zweite | 0,069 |v=85; p= — 86; t—= 171 \ 0,29 dritte 0,067 |v=85; p= — 84; t=171|) erste 0.067221 v— So: p 83:56 19,9 9 0,15 zweite ! 0,068 Iv=85; p= — 8; t= 15,9 0,28 dritte 0,064 |v= 85; p= — 80; t= 16,0 erste 0,043 |v=85; p= — 33; t= 14,7 |) 10 | 0,066 zweite | 0,045 |v=85; p= — 56; t—= 14,7 f 0,45 dritte 0,045 |v=8,5; p= — 56; t= 147 erste 0,050 |v=38,5; p= — 62; t—= 14,7 ul 0,093 zweite | 0,051 |v=8,5; p= — 63; t= 14,7 0,36 dritte 0,050 |r=8,5; p= — 62; t= 14,7 erste 0,067 |v= 8,5; p= 84; t— 16,2 12 0,19 zweite | 0,065 |v=85; p=— 8; t=16,2 0,24 dritte 0,065 |v= 85; p= — 85; t= 16,3 erste 0,061 |v= 8»; p= —- 75; t—= 11, 13 0,11 zweite | 0,061 |v=8,5; p= — 75; t= 115 \ 0,36 dritte 0,055 |v=85; p= —67; t=11,9 j erste 0,051 |v=85; p= — 62; t— 11,3 14 0,086 zweite | 0,046 |v=85; p= — 58; t=11,7 0,38 I ame 000 ve no en erste 0,054 |v—=85; p= — 67; t= 14,7 15 0,088 zweite 0,054 |v= 85; p= — 67; t=15,0 0,41 dritte 0,052 |v=85; p= — 55; t=15,3 (| erste 0002 Iv 85; pP — 897: 2 N 16 | 0,17 I! zweite | 0,072 |v=8,5; p= — 88; t= 12,7 0,28 | dritte 0,067 |v=8,5; p= — 82; t—= 12,6 Tabelle Ia. Mäuselebern nach ihrem Gewicht geordnet; daneben ihr Sauerstoffverbrauch in Kubikzentimeter (0,760 mm) pro Stunde und Gramm. Oxydations- ÖOxydations- 6 grössen pro 0 grössen pro Nummer | ewicht Stunde und | Nummer Gewicht Stunde und Gramm Gramm g ccm g ccm | 1 0,19 0,24 ®) 0,083 0,41 2 0,17 0,28 10 0,086 0,38 3 0,16 0,29 11 0,083 0,43 4 0,15 0,28 12 0,066 0,45 6) 0,12 0,33 13 0,058 0,47 6 0,11 0,36 14 0,058 0,52 2 0,097 0,42 15 0,054 0,53 6) 0,093 0,36 16 0,054 0,55 108 Ryuta Usui: Tabelle I. Beeinflussung der Oxydationsprozesse in Mäuselebern. Dauer einer Periode: 90 Minuten. Temperatur 33°. (Die Oxydationsgrössen sind in dieser Tabeile direkt als Druckverminderungen angegeben, da es nicht auf absolute Werte, sondern nur auf die Unterschiede ankommt. v war etwa 8,5 und t ca. 15°.) Substanz | en ’ no EE emmung in Dun in Gewichtsprozenten nero en a ersuchsperiode Vorperiode 72 1 Aceton 2,4 /o Versuchsperiode 53 26 °/o achperioge 28 x orperiode 82 2 Methy p One on Versuchsperiode 38 54 °/o on Nachperiode 16 Vorperiode 63 3 Methy ne Versuchsperiode 18 71°/o IE Nachperiode 4 Vorperiode 61 4 Dimethylharnstoff 5 %/o Versuchsperiode 42 31/0 Nachperiode 16 Vorperiode 85 5 Phenylharnstoff 0,5 %/0 Versuchsperiode 41 52 °/o Nachperiode 23 j Vorperiode 51 6 Athylurethan 1,5 %0 Versuchsperiode 43 16 %/o Nachperiode 44 Vorperiode 55 7 Propylurethan 1,5 %/0 Versuchsperiode 24 56 %/o Nachperiode 6 Vorperiode 47 8 Propylurethan 0,5 %/° Versuchsperiode 40 ' 15 %/o Nachperiode 47 Vorperiode 61 ®) Phenylurethan 0,1 °%/o Versuchsperiode 38 38 0/o Nachperiode 15 Vorperiode 82 10 Amylalkohol (iso) 0,4 %/o Versuchsperiode 64 22 0/0 Nachperiode 59 h Vorperiode 87 11 Athylurethan- 4 %/o Versuchsperiode 35 61/0 Nachperiode 23 Tabelle I. Leberläppchen von Fröschen. Dauer einer Versuchsperiode: 2 Stunden. Temperatur 20°. Sauerstoffverbrauch in Kubikzentimetern (0,760 mm). N Sauer- BanereUor, um- | Gewicht stoffver- ae and N Periode | rauch Gasanalyse pro kun un g ccm ccm | erste 0,0355 |v=817; p= —42; t= 13,3 120.19 zweite | 0,081 |v—=87;p= —37;t=134|\ 0,088 dritte 0,035 |v=87;p= — 42; t= 135 j esste 0,046 |v=8,9; p= — 52; t= 14,7 2 | 04 zweite | 0,042 Iv—=89:; p= —47; t=148|\ 0,055 U dritte | 0,046 [v—89; p= — 50, t—149| Über Messung von Gewebsoxydationen in vitro etc. 109 N Sauer- Sauerstoit- um-| Gewicht - stoffver- eg mer Periode | rauch u a g ccm cem | erste 0,059 Iv—= 92; p= — 68; t= 15,5 | 3 0,66 zweite | 0,053 |v=92; p= —6l; t= 15,3 0,043 (| dritte 0,057 |v— 92; p— 65; = 15,1 (| erste 0,039] 8,97 p — 46: 1 13,8 4 0,35 $| zweite | 0,038 |v—8,9; p— — 45; t— 13,8 0,055 | dritte 0,037 | v 80, p A477 2198 Tabelle IV. (Froschleber.) Anordnung wie Tabelle II. Dauer einer Periode 2 Stunden. Temperatur 20°. 3 each | Oxydations- Namen Substanz in Gewichts- Oxydationsgrössen se prozenten Versuchsperiode e Vorperiode 46 1 4°/o Atbyluretan Versuchsperiode 31 33 0/0 Nachperiode 41 ( Vorperiode 54 \ 2 0,7 °/o Isobutylurethan x Versuchsperiode 35 | 39 %/o \ Nachperiode 49 Vorperiode 54 3 0,5 °/o Phenylharnstoff Versuchsperiode 28 ' 48 %/o Nachperiode 49 | Tabelle V. Zentralnervensystem vom Frosch. Oxydationsgrössen in Kubikzentimetern O, (0,760 mm). Dauer einer Periode 2 Stunden. Temperatur 20°. N Sauer- SIERT Num- | Gewicht : stoffver- Me ns Periode branch Gasanalyse Da Kunde: g ccm ccm erste 0,043 |v=838; p= — 52; t= 15.7 ıl 0,29 J zweite 0,041 |v=88; p= — 49; t= 15,8 0,07 (| dritte 0,037 |v=88; p= —45; t= 15,9 erste 0.042 |v=87; p 51; = 157 2 0,24 J zweite 0,042 |v=8,7;p=—51; t= 15,8 0,086 {| dritte 0,040 |v=8,17; p= —49; t—15,9 f erste 0,046 iv — 8,8; p— 5200 15,1 3 0,25 ‘ zweite 0,045 |v=88; p=—5l; t= 15,6 0,088 L| dritte 0,041 |v=88; p= — 46; t—= 15,7 erste 0,043 |v=8,7; p= —49; t=15,1 |) 4 0,23 J zweite 0,044 |v=8,7; p=—50; t= 15,2 | 0,094 L| dritte 0,044 |v=8,7; p= — 50; t= 15,3 B) 0,28 erste 0.050 |v= 8,8; p= — 60; t= 15,7 0,09 6 0,27 erste 0032 1 —- 8,8490 A 15,3 0,063 7 0,27 erste 0,048 |v=88; p= —57; t= 15,1 0,088 8 0,26 erste 0,037 |v=88; p—= 44; t—= 15,3 0,071 9 0,40 erste 0,050 |v=3,9; p= — 60; t= 16,8 0,063 10 0,36 erste 0,054 |v=8,9; p= — 64; t= 16,3 0,075 110 Ryuta Usui: Über Messung von Gewebsoxydationen in vitro etc. Tabelle VI. Zentralnervensystem vom Frosch. Beeinflussungsversuche. Dauer einer Periode: 2 Stunden. Temperatur 20°. Anordnung wie Tabelle II. Substanz in Gewichts on ubstanz ın W > Oxvdationserössen hemmung in En prozenten Be ae Vorperiode 41 1 Methylurethan 10 %o Versuchsperiode 23 44 9/0 Nachperiode 39 : Vorperiode 54 2 Athylurethan 4 %o Versuchsperiode 31 43 °/o Nachperiode Bis Vorperiode 60 3 Propylurethan 1,3 °/o Versuchsperiode 21 | 65 9/0 Nachperiode 37 Vorperiode 44 4 Butylurethan (iso) 0,7 0/0 Versuchsperiode 14 70 %/o Nachperiode 24 Vorperiode 50 5 Phenylurethan 0,1% Versuchsperiode 8 | 80 9/0 Nachperiode 6 Vorperiode 64 6 Aceton 2,4 °/o Versuchsperiode 52 20 °/o Nachperiode 56 Vorperiode 56 j) 7 Methy IDiops Iketon Terolspeniöde 13 t 77/0 Ne Nachperiode 30 j) : ERE Vorperiode Sl 8 en an Vers veheperiode 11 80 9/0 A Nachperiode 2 ee Vorperiode 55 j) 9 Phenylharnstoff 0,5 %/0 Versuchsperiode 23 | 60 %/ Nachperiode 32 Vorperiode 49 ) 10 Amylalkohol (iso) 0,4 %/o Versuchsperiode 18 | 33 %/0 Nachperiode 28 Tabelle VI. Mengen der verschiedenen Urethane (in Gewichtsprozenten), die eine starke Hemmung der Oxydationsprozesse bewirken. Zellarten Methyl | Äthyl | Propyl |Isobutyl| Phenyl Bakterien!)(VitrioMetschnikoff) 5 39 1,0 0,5 0,05 rote Vogelbiutkörper?). . .... 10 3 1,3 0,5 0,05 Teberzellen ae len. en — 43) 1,9°) ONE) 051°) Zentralnervensystem vom Frosche . 10 4 18) 0,7 0,1 1} Pflüger’s Archiv Bd. 144 S. 467. 2) Münchner mediz. Wochenschr. 1911 Nr. 6. 3) Maus. 4) Frosch. ee u ee Fr a 111 (Aus dem physiologischen Institut der Yale University, New Haven, Conn.) Über die Quelle einiger von Hermann Straub vertretenen Ansichten über den Mechanismus der Herztätigkeit. Von Prof. Dr. Yandell Henderson. Vor kurzem erschien in diesem Archiv!) ein Aufsatz von H. Straub mit dem Titel „Der Druckablauf in den Herzhöhlen, — Der Mechanismus der Herztätigkeit“, wovon die ersten 14 Seiten sich auf eine angeblich neue Methode, den Druckablauf innerhalb der Herzhöhlen zu registrieren, beziehen. Straub behauptet, dass ihm endlich mittelst dieser Methode eine genaue Reeistrierung des innerhalb des Herzens stattfindenden Druckablaufes gelungen ist, die so vielen hervorragenden Forschern, so z. B. Marey, Roy, Hürthle u. a., wegen mangelhafter Technik bzw. Kritik misslang. Diesen Teil der betreffenden Arbeit brauche ich an dieser Stelle nicht zu besprechen. Mit dem letzten auf S. 82 sich befindenden Absatz anfangend, erörtert Straub die Mechanik des Herzens auf Grund der Druck- kurven sowie der Volumenkurven der Kammern. Die darin ge- zogenen Schlüsse sind äusserst wiehtie. Mir sind sie besonders interessant, denn ich habe fast 3 Jahre schweren Experimentierens und Nachdenkens dazu verwendet, genau dieselben Schlüsse zu be- gründen, und im Jahre 1906 habe ich sie in dem „American Journal of Physiology“ °) veröffentlicht. Wenn man nun S. 83—87 inkl. der Straub’schen Arbeit durehliest, so findet man, dass sämtliche vom genannten Autor ge- zogenen Schlüsse (mit unbedeutenden Ausnahmen) annähernd wörtliche Übersetzungen ıneiner eigenen Worte sind. Nirgends in seinem 1) H. Straub, Pflüger’s Arch. Bd. 143 S. 69. 1911. 2) Y. Henderson, Americ. Journ. of Physiol. vol. 16 p. 325—367. 1906. 112 Yandell Henderson: Aufsatz erwähnt Straub, dass er jemals von meiner Arbeit über dasselbe Thema Kenntnis genommen hat!), was um so eigentümlicher erscheint, als er im Jahre 1910 im University College, London, auf Veranlassung von Herrn Prof. Starling meine Angaben einer Nach- prüfung unterzogen und eine Arbeit darüber im Journal of Physiology ?) veröffentlicht hat, wobei er zu wesentlich anderen Schlüssen gekommen ist. Straub hat nämlich versucht nachzuweisen, dass meine Ver- suche durch gewisse Fehler in Masse und Elastizität, die, wie er meint, der grossen von mir benutzten Trommel zugeschrieben werden müssen, ungültig gemacht würden. Er gibt zu, dass meine Kurven diese Fehler nicht zeigen, und nimmt dabei an, dass ich, um diese Fehlerquelle zu vermeiden, einen anderen kompensatorischen Fehler, d. h. übermässige Dämpfung, eingeführt hätte. Diesem Einwand darf ich entgegnen, dass die Trommel, die jeh gebrauchte, so zusammen- gesetzt war, dass die Rlastizität gänzlich ausgeschaltet war und die Massenbewegung auf ein Minimum heruntergezogen wurde und ferner, dass sie überhaupt ohne Dämpfung gebraucht wurde. Neulich von mir ausgeführte Experimente zeigen, dass die geringfügigen Unterschiede zwischen den Straub’schen und meinen Kurven hauptsächlich darauf beruhen, dass ersterer für seine Versuche Katzen und ich Hunde gebraucht habe. In einer demnächst in der Zeit- schrift „Heart“ erscheinenden Arbeit werde ich die Konstruktion dieser Trommel im einzelnen beschreiben. Straub hat in seiner im Journal of Physiology erschienenen Arbeit meine Ansichten zum Teil falsch dargestellt. Daraufhin hat er sich die Aufgabe gestellt, nachzuweisen, dass die missdeuteten Ansichten irrtümlich waren. Im einzelnen schrieb er mir die Ansicht zu, dass während der Diastasis (der dritten von mir entdeckten Periode des Herzzyklus) gar kein Blut in die Ventrikel hineinfliesst, und dass die Volumenkurve immer der Abszisse parallel verläuft, während ich (S. 358) ausdrücklich darauf hingewiesen habe, dass dasselbe nur bei Herzen mit sehr niedrigem Tonus der Fall wäre, und dass nach der gewöhnlichen Tätiekeit die Ventrikel fortfahren würden zu erschlaffen, und dass somit ein kleiner Blutstrom während dieser Periode in sie hineinfliessen würde. l) Straub hat jedoch eine andere von mir stammende Arbeit zitiert, die sich mit einer Methode zur Regulierung der Herzzahl beschäftigt. Americ. Journ. of Physiol. vol. 21 p. 126. 1908. 2) H. Straub, Journ. of Physiol. vol. 40 p. 378. 1910. Über die Quelle einiger von Herm. Straub vertretenen Ansichten etc. 113 Ich habe damals angegeben, dass die Vorhofsystole nur eine sehr kleine Rolle bei der Füllung der Ventrikel spielt, während Straub (im Journal of Physiology, p. 386) behauptete, dass die „auricular eontractions cause a remarkable inflow of blood“ in die Ventrikel hinein. Demgemäss war der allgemeine Effekt des im Journal of Physiology erschienenen Straub’schen Aufsatzes, meine Arbeit in Misskredit zu bringen. Im Gegensatz dazu nimmt Straub nun in _ der letzthin erschienenen Arbeit fast sämtliche von mir gezogenen Schlüsse als seine eigenen an. Folgende Punkte sollen als Beispiele von meinen Angaben und den Straub’schen Umschreibungen derselben dienen: NaSEI p: 338. H. S., 8. 84. „The volume eurve — shows „Bei der Zeichnung der Vo- that the refilling of the ventricles | lumenkurve hatte sich gezeigt, dass oceurs early in diastole, and that|zu Beginn der Diastole sehr rasch it is as rapid a process as is the | eine grosse Menge Blut in die systolie emptying.“ Ventrikel einströmt mit einer Ge- schwindigkeit, die fast genau der Geschwindigkeit der Entleerung während der Systole entspricht.“ NE, p: 368: H. S., S. 83. „Aurieular systole plays a part „Die Vorhofsystfle — hat which is mechanically of very minor | offenbar nicht den Zweck, grosse importance in the normally beating | Blutmengen in die Ventrikel zu heart. — The auricles inject only treiben, denn die durch die Vor- a small fraetion of a eubie centi- | hofaktionindie Kammern beförderte meter of blood into the already | Blutmenge ist doch nur ein kleiner distended ventrieles.“ Bruchteil der während einer Re- volution den Kammern zufliessen- den (vgl. die Volumenkurve der Ventrikel).“ Anmerkung: Im Journal of Physiology wo Straub versuchte, die „Irrtümer“ Henderson’s zu zeigen, sagt er, — (p. 388) „Ihe aurieular contraction causes ‚a distinet increase in the volume of the ventrieles.“ Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd. 147. 8 339. „It appears very probable that the wave which auricular systole induces — must eause the com- plete elosure of the aurieulo-ven- trieular valves.... (also p. 363). The eurrents in the blood thus induced (i. e. by auricular systole) may cause the elosure of the auri- ceulo-ventricular valves.“ Y. H., p. 364. „Ihe cardiae cycle consists not only of two periods, but of three. Systole the period of con- traetion, and discharge; diastole. the period of relaxation and re- filling; diastasis the period of rest. (p- 358.) Diastasis — begins gra- dually as (the first period of), diastole ceases. During this (second) period there may be no further relaxation of the ventricles if — the tonus is slight. If, however, the (heart) beats have been oc- eurring in rapid succession, there | may be a gradual relaxation (and infllow of blood) throughout this period as the tonus thus induced gradually wears off.“ Y. H,, p. 338. „Period of rest, — the latter | part of diastole (or diastasis) — this period is of very variable duration. Differences in the rate‘ of the heart beat are effected al- most entirely by lengthening or, shortening this period,“ Yandell Henderson: H. S., S. 32. „Die Vorhofkontraktion erteilt vielmehr dem einströmenden Blute eine erhebliche Beschleunigung, sleichsam einen Stoss, und dürfte dadurch im Ventrikel Wirbelbil- dung erzeugen, die bei ihrem Riück- prall von den Kammerwänden zur Stellung der Atrioventrikular- "klappen beitragen kann.“ H. S., S. 84. „Die Diastole muss in zwei in ihrem Mechanismus verschiedene Abschnitte getrennt werden“ (in dem ersten Abschnitt der Diastole ‚strömt eine grosse Menge Blut in ‚die Ventrikel ein). „Von dieser Phase ist die zweite, die einen viel Jangsameren Volumenzuwachs der Ventrikel bedingt, durch eine scharfe Ecke geschieden* .. .. (S. 87) „Nach Auftreten dieser Zacke strömt in die Ventrikel unter seringerer Geschwindigkeit nur noch die Blutmenge nach, die während der Fortdauer der Diastole durch den kontinuierlichen Venen- strom nachgeliefert wird.“ 3.8.8. 87, „vYerläugerung und Verkür- zung der Zeit einer Herzrevolution geschieht fast ausschliesslich auf Kosten dieses zweiten Teils der Diastole, wie aus Druck- und Vo- Jumkurve in derselben deutlichen | Weise hervorgeht.“ RE ee Fa u Y. H., p. 347. Aus dem Studium der Druck- und Volumenkurven der Kammer schloss ich, dass „— the blood streaming along the veins toward the heart distends the thin but elastie walls of the cardiae reser- voirs, the aurieles. The elastieity of the walls of the auricles, thus brought into play, is the force which during ventrieular diastole drives the blood through the auri- eulo-ventricular orifices, and dis tends the ventricles as rapidly as their walls relax. If durine the first stage of diastole the ventric- les exert a suction, the importance of such action as an aid in the filling of the chambers is slieht. From the hypothesis of an „active diastole“ — the present writer wholly dissents (also p. 367). Any real suction pump action by the left ventriele is impossible.“ en ee H. :S., 8. 82. Aus seinen Druckkurven schloss Straub: „— dieser Kur- venverlauf scheint mir neue -Ein- blicke in das Zustandekommen der Diastole zu gewähren. Auf Grund der früheren Kurven war von den meisten namhaften Autoren das Vorhandensein einer aktiven Diastole angenommen worden. (S. 86.) Ich selbst hatte auf Grund der Volumkurve diese An- nahme für wahrscheinlich gehalten und von einer elastischen Diastole gesprochen. — Die Herzwand muss vielmehr völlig passiv durch das ein- strömende Blut gedehnt werden ... '(S. 87). Während des ersten Ab- 'sehnittes (der Diastole) strömt all ‘das Blut in die Ventrikel hinein, das sich während der vorangehenden Systole in dem weiten Reservoir der Vorhöfeund Venen angesammelt hatte. — Auf Grund der wieder- gegebenen Feststellungen kann nunmehr als erwiesen angesehen werden, dass es eine aktive Dia- 'stole im Sinne einer Sauewirkung der Kammern und Vorhöfe auf das einströmende Blut nieht gibt —.“ Anmerkung: Im Journal of | Physiology (loe. eit. p. 386) schrieb ISt raub: „After the eontraetion the heart by its own elastieity, like a eompressed rubber ball, 'springs back to a certain volume with about the same speed as it ıdiminished in volume during the contraction. This period of „elastic g%* 116 Yandell Henderson: Über die Quelle etc. diastole“ is ended by the notch of the eurve. The rest of the eurve indicates a „passive diastole“ when the heart is filled from the veins as a result simply of pressure differences.“ Da meine diesbezügliche Arbeit den deutschen Physiologen viel- leicht nicht allgemein zugänglich ist, so bin ich gern bereit, Inter- essenten Separata davon zu senden. soweit sie gewünscht werden. Berichtigung zur Abhandlung in Pflüger’s Archiv Bd. 145 8. 487 von R. Magnus und A. de Kleijn. Auf S. 487 dieser Abhandlung muss die oberste Zeile: „den ersten Schritt nach vorne macht, wobei dann der Ellbogen ge-“ ganz unten als letzte Zeile zu stehen kommen. 117 Aus dem pathol. Institut des städt. Rudolf Virchow-Krankenhauses zu Berlin. Experimentelle Untersuchungen über die rückläufige Durchströmung parenchymatöser Organe. Von Franz Breslauer, Medizinalpraktikant. (Hierzu Tafel I, II, und III.) Im Jahre 1908 machte Wieting-Pascha Mitteilung über die Heilung eines Falles von drohender angiosklerotischer Fussgangrän durch Intubation der Arteria femoralis in die gleichnamige Vene). Wieting nimmt an, dass so der Extremität auf dem Venenwege wieder arterielles Blut zugeführt worden sei. Hiermit hatte die seit einigen Jahren aufgetauchte Frage von der Umkehr des Blutstromes ein hohes praktisches Interesse für die Chirurgie gewonnen, so dass die Wieting’sche Operation an zahlreichen Kliniken ausgeführt wurde. In der Festgabe der Breslauer Chirurgeischen Klinik zur Hundertjahrfeier der Universität [Beitr. z. klin. Chir., 1911?)] haben Coenen und Wiewiorowski im Anschluss an einen klinischen Misserfolg mit der Wieting’schen Operation die bisherigen Er- gebnisse derselben zusammengestellt und in einer ausführlichen experimentellen Arbeit den rückläufigen Blutstrom behandelt. Auf Grund ihrer Untersuchungen kommen die Autoren zu dem Schluss, man müsse „der Operation klinisch die grösste Reserve entgegen- bringen, zumal für diese nicht ungefährliche Operation die physio- logischen und anatomischen Grundlagen nicht erfüllt sind“. Be- 1) Wieting, Die arteriosklerotische Gangrän und ihre operative Behandlung durch arteriovenöse Inkubation. Deutsche med. Wochenschr. 1908 Nr. 28. 2) Coenen und Wiewiorowski, Über das Problem der Umkehr des Blutstroms und die Wieting’sche Operation. Beitr. z. klin. Chir. Bd. 75 Heft 1 ur 1911. Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd. 147. 9 118 Franz Breslauer: züglich der unteren Extremität ergab sich mit Sicherheit, dass hier die Venenklappen die Hindernisse für den rückläufigen Blutstrom darstellen. Auffallend aber war die Tatsache, dass auch die Nieren- gefässe ein ähnliches Verhalten zeigten; weder im Leibe des Tieres bei gekreuzter Gefässnaht noch am exstirpierten Organ beim In- jektionsversuch gelang es, Blut resp. Injektionsmasse auf dem un- gekehrten Wege durch die Nierengefässe hindurchzutreiben |[vel. auch Cottard und Villandret)l. Da die Nierenvenen bekanntlich keine Klappen haben, so war der Grund hierfür nicht ohne weiteres festzustellen. Während CGoenen und Wiewiorowski das Hindernis im Kapillarsystem suchten, meinte A. Bier?), das Hemmnis werde durch einen Spasmus der kleinen Arterien dargestellt. Jeden- falls handelte es sich hier um eine bisher noch nicht bekannte Eigen- schaft des Gefässsystems, die eine weitere Untersuchung erheischte. Zu meinen Experimenten muss ich bemerken, dass mir dank der Freundlichkeit meines Chefs, Herrn Geheimrats D. v. Hanse- mann, das reichliche Material des pathologischen Instituts des Berliner Rudolf Vircehow-Krankenhauses zur Verfügung stand. Ich injizierte 22 normale menschliche Nieren und einige andere Organe von der Vene aus. Elf der menschlichen Nieren konnte ich mittels Operationsschnittes lebenswarm in den ersten 2 Stunden post mortem exstirpieren und rückläufig injizieren; doch sei schon hier bemerkt, dass das Resultat weder an älteren Organen anders war, noch an frisch exstirpierten und sofort injizierten Nieren des lebenden Hundes. Wenn man eine lebenswarme feucht gehaltene Niere mit warmer physiologischer Kochsalzlösung von der Arterie aus durchspült (mittels einer Stempelspritze oder besser mit dem unten geschilderten Apparat), so strömt sofort aus der Vene dunkles Blut ab, das all- mählich wässriger wird. Schliesslich kommt fast klare Kochsalz- lösung im Strahl heraus, die Oberfläche der Niere ist nicht mehr rot, sondern blass; auf dem Durchschnitt sieht man, dass alles Blut herausgespült ist. Von der Vene aus ist dagegen ein Durchspülen unmöglich. Beim Injizieren fühlt man sofort einen Widerstand, die Niere schwillt, die fibröse Kapsel spanat sich scharf an, doch kommt zur Arterie nichts von der Kochsalzlösung heraus. Es muss daher 1) Cottard, Anastomoses et greffes vasculaires. Theses de Paris 1908 * 2) A. Bier, Chir. Kongr. 1911. Experim. Untersuchungen über die rückläufige Durchströmung ete. 119 ein Hindernis vorliegen. Über die Natur desselben kann nur das mikroskopische Bild der injizierten Niere Aufklärung geben. Was die Injektionsflüssigkeit betrifft, so sind ihr durch die Auf- gabe, die zu erfüllen ist, enge Schranken gezogen. Gegen jede diekere Masse, Leimlösung, überhaupt eines der üblichen guten er- starrenden Injektionsmittel, kann der Einwand erhoben werden, dass sie nicht der Viskosität des Blutes entsprechen, zu kompakt sind, mithin durch ein Hindernis weniger leicht durchschlüpfen können als der natürliche Gefässinhalt. Zu dünne Lösungen wiederum sind nach dem Erhärten unter dem Mikroskop nur sehr schwach gefärbt und diffundieren leicht ins Gewebe. Beim Suchen nach einer möglichst dünnflüssigen Injektionsmasse, die in den Gefässen bleibt und sich am besten erst im Präparat färben soll, fand ich am zweckmässigsten die Milch. (Die Milchkügelchen sind wesentlich kleiner als die roten Blutkörperchen.) Die Technik ist einfach [s. Schmorl!)]. Man spült mit Kochsalzlösung von der Arterie aus durch und injiziert körperwarme Milch in die Vene, bis die Niere prall gefüllt ist, bindet rasch und fest ab und bringt das Organ sofort in ein nebenstehendes Gefäss mit Formalin- (80) und Essigsäure- (20) Lösung, welche letztere die Milch zum Gerinnen bringt. Nach 2—3 Tagen ist das Organ durchgehärtet, die Milch geronnen. Nunmehr werden nicht zu dünne Gefrierschnitte gemacht; es folgt Fettfärbung mit Sudan und Gegenfärbung mit Hämatoxylin. Diese Technik liefert gute Bilder und sehr scharfe Farbenkontraste zwischen Parenchym und injiziertem Blutgefässsystem. Drei Nieren injizierte ich ferner, um den Ort des Hindernisses genau festzustellen, von der Vene mit Berliner-Blauleim und nach dessen Erstarren von der Arterie aus mit Karminleim. Um mit gleichbleibendem und nach Wunsch re- sulierbarem Druck arbeiten zu können, bediente ich mich des Toldt’schen Injektionsapparates ), dessen Hauptprinzip in der be- kannten Zwischenschaltung einer Luftflasche besteht. Der Druck betrug meist 125 mm Hg. und wurde öfters bis auf 170 und 180 mm, also über den normalen maximalen Blutdruck des Menschen, ge- steigert, bisweilen auch noch wesentlich höher. l) Schmorl, Die pathologisch-histologischen Untersuchungsmethoden, 9 ul 1909. 2) Toldt, Die Injektion unter messbarem Druck. Arch. f. mikrosk. Anat. Bd. 5 S. 167. Beschrieben auch bei Schmor]. 9 * 120 Franz Breslauer: Die erste Frage war nun: wieweit geht die venös injizierte Flüssiekeit? Schon bei schwacher Vergrösserung zeigt sich der wesentliche Unterschied zwischen arterieller und venöser Injektion: die grossen roten Beeren, als welche sich bei jeder arteriellen In- jektion die Glomeruli an ihren Stielen, den ebenfalls gut injizierten Vasa afferentia darbieten, fehlen bei der venösen Injektion (s. Fig. 1). Im „Handbuch der Gewebelehre des Menschen“ (4. Aufl. 1863) sagt Kölliker, der zu anatomischen Studien auch die Venen mit Leim injizierte, aber die Frage der „rückläufigen Durchströmung“ nicht aufwarf, dass sich bei solchen Einspritzungen nur „die Kapillarnetze, nicht aber die Glomeruli* füllten. In der 6. Aufl. desselben Lehr- buches (1902, 3. Bd.) ist dieser Satz dahin korrigiert, dass von den Venen „meist nur die Kapillaren, seltener die Glomeruli“ injiziert würden. Wir werden sehen, wie sich diese Angaben mit unseren Versuchen in Einklang bringen lassen. Aus Fig. 1 ergibt sich, dass bei rückläufiger Injektion die Kapillaren, namentlich die der Rinde, sut injiziert sind, dass mithin die Flüssigkeit die Venen passiert hat und in das Kapillarnetz hineingeht. Dies ist ein grundsätzlicher Unterschied gegen die retrograde Injektion der Extremitätengefässe, bei der schon die Venen mit ihren Klappen das Hindernis bilden. Die Glomeruli zeigen meist nur eine oder wenige gefüllte Schlingen (Fig. 2). Öfters ist ein Glomerulus gar nicht gefüllt, nie ist ein normaler Glomerulus völlig injiziert. Der erste Gedanke ist also: das Hindernis bilden die Glomeruli. Zunächst könnte nun das feine Kapillarsystem des „Wunder- netzes“ in rein hydrodynamischer Hinsicht ein unüberwindliches Hindernis darstellen. Dem widerspricht die Tatsache, dass von der Arterie aus die Injektion der Glomeruli stets und leicht gelingt. Bei dieser arteriellen Injektion müsste aber der sich vom Vas afferens zum weit dünneren Vas efferens stark verengernde Gefässquerschnitt einen grösseren Widerstand darbieten als bei der venösen Injektion, bei der sich ja umgekehrt das Strombett erweitert. Ein Hindernis anderer, rein mechanischer Art, etwa ein Klappenverschluss, ent- spräche einerseits nicht unserer anatomischen Vorstellung vom arte- riellen Wundernetz, war anderseits auch bei stärkster Vergrösserung nirgends zu sehen. Ausserdem sind die verschiedenen Glomeruli verschieden weit gefüllt. Ausschlaggebend aber für die Tatsache, dass die Glomeruli nicht das wichtigste Hindernis für den rückläufigen Blutstrom darstellen, ist der Umstand, dass durchaus nieht alles Blut Experim. Untersuchungen über die rückläufige Durchströmung etc. 19] der Niere durch die Glomeruli fliesst. Während Bowman und Kölliker!) das zunächst noch angenommen haben, weist R. Virchow?) darauf hin, dass die Marksubstanz dreierlei Arten von Gefässen hat, darunter auch Arteriolae rectae, welche direkt aus den Endästen der Nierenarterien (Arkadengefässe) hervorgehen, ohne mit der Rinde in Verbindung zu treten. Virchow betont scharf, dass Rinde und Mark je einen Kreislauf besitzen, und dass dazwischen Anastomosen bestehen. Daher nimmt bei der Nephritis „das Blut, welches ge- hindert wird, in die Rinde einzuströmen, weil die parenchymatöse Schwellung die Gefässe zusammendrückt, seinen Abfluss durch die Arteriae reetae in die Pyramiden und kehrt von hier in die Venen zurück. Ja, die Hemmung in der Rinde kann so gross sein, dass das Blut in den Venen derselben stockt und gerinnt, und doch bleibt noch die arterielle Zirkulation bestehen.“ Ähnlich liegen die Verhältnisse nach Virchow bei einer Niere mit starker Amyloid- degeneration, deren Zirkulation nicht mehr den „sekretorischen“, sondern den gewöhnlichen „nutritiven“ Charakter hat. Heut ist man allgemein der Ansicht [Donders, Beate, Schweigger-Seidel, Luschka, Golubew°), Gegenbaur*). Stöhr’), Rauber®)], dass ein Teil der Nierenzirkulation unter völliger Umgehung der Glomeruli auf dem Wege: Arteriae arciformes — Arteriolae reetae — Pyramidenkapillaren — Venulae rectae — Venae arciformes einen gewöhnlichen einkapillären Blutkreislauf darstellt, nieht anders, als der Kreislauf in anderen Organen. Auch das Kapillarsystem der Rinde umgeht teilweise die Glomeruli [Gerlach, Ludwig’), Schweigger-Seidel?) (Fig. 3)]. Das Vorhandensein der beiden geschilderten einfachen glomerulus- losen Zirkulationssysteme in Mark und Rinde fand ich in den schönen 1) Kölliker, Handbuch der Gewebelehre des Menschen, 4. Aufl. 1863. 2) R. Virchow, Einige Bemerkungen über die Zirkulationsverhältnisse in den Nieren. Virchow’s Arch. Bd. 12 S. 310. 1867. 3) Siehe bei Zondek, Über die Endverzweigungen der Arterien der menschlichen Niere. Arch. f. mikr. Anat. Bd. 57 S. 117. 1901. 4) Gegenbaur, Lehrb. d. Anat. d. Menschen. 1899. 5) Stöhr, Lehrbuch der Histologie, 12. Aufl. 1906. 6) Rauber-Kopsch, Lehrb. d. Anat. d. Menschen, 7. Aufl. 1907. 7) Ludwig, Von der Niere. Stricker’s Handb. d. Lehre von den Geweben des Menschen und der Tiere Bd. 1. 1871. 122 Franz Breslauer: Injektionspräparaten von K. Thiersch, die mir Herr Geheimrat v. Hansemann freundlichst zur Verfügung stellte, bestätigt. Schliesslich gibt es sogar noch direkte Übergänge von Arterien in Venen, sowohl in der Tunica albuginea als auch im Inneren der Niere, die den Charakter von präkapillaren Verbindungen haben [Steinach, Geberg'), Golubew?), Kölliker?’), Stöhrt)]. Nach dieser anatomischen Feststellung lautet unsere Fragestellung jetzt viel allgemeiner: Warum lässt das teilweise einfache Zirkulations- system eines parenchymatösen Organs den Blutstrom und die In- jektionsmasse nieht rückläufig passieren ? Obwohl auch andere von mir untersuchte Organe, z. B. die Milz, sich gegen rückläufige Durchströmung ebenso verhalten, er- leichtert doch die Niere gerade durch ihren charakteristischen Gefäss- bau die Untersuchung, denn die Glomeruli können uns als Markierungs- punkte für eine uns genau bekannte Stelle des Kreislaufes dienen, nämlich die letzten arteriellen Verzweigungen kurz vor ihrem Über- gang in die Kapillaren. Aus Fig. 4, die eine schematische Kom- bination von zwölf von der Vene aus vorgenommenen Injektions- versuchen darstellt, ergibt sich: 1. Die Venen sind injiziert; 2. die Arterien sind nicht injiziert; 3. die Glomeruli sind oft ein wenig gefüllt; 4. Kapillaren sind injiziert. Halten wir uns nun an die Markierungspunkte, die Glomeruli, so ergibt sich: Da die Masse teilweise in, also sicher an die Glomeruli vorgedrungen ist, so sind die Kapillaren vollständig bis zu ihrem Übergang in die Arterien erfüllt; denn bekanntlich befinden sich die Glomeruli im letzten Teil der arteriellen Verzweigungen. Wir können also Satz 4 dahin ergänzen: Die Kapillaren sind injiziert. Mithin liegt das Hindernis entweder an der Grenze zwischen Kapillaren und Arterien, oder es wird durch eine funktionelle Eigen- schaft der Arterien selbst dargestellt. 1) Geberg, Internat. Monatsschr. f. Anat. u. Physiol. Bd. 2. 1885. 2) Siehe bei Kölliker, Handbuch der Gewebelehre des Menschen, 6. Aufl. 1902. 3) Kölliker, Handbuch der Gewebelehre des Menschen, 4. Aufl. 1863. 4) Stöhr, Handbuch der Histologie, 12. Aufl. 1906. Experim. Untersuchungen über die rückläufige Durchströmung etc. 123 Ein Hindernis organischer Art an der Grenze zwischen den Kapillaren und kleinsten Arterien ist nie beobachtet worden. Dem widerspricht auch die verschieden weite Füllung in die Glomeruli, also in das arterielle System hinein, welches noch den Anfangsteil der Ductus efferentes umfasst. Ein organisches Hindernis war schliesslich auch bei meinen zahlreichen Präparaten nirgends zu sehen. Mithin bleibt als Erklärung: Eine besondere funktionelle Eigen- schaft des arteriellen Systems verhindert das rückläufige Strömen des Blutes resp. der Injektionsflüssigkeit. Es handelt sich nun darum, diese Eigenschaft genauer festzustellen. Wir unterscheiden am Körper Arterien vom elastischen Typ (Aorta, Subelavia, Carotis, Iliaca) und Arterien vom muskulösen Typ (die kleineren). Die ersteren sind in der Leiche oft mit Blutgerinnseln gefüllt, die letzteren nicht. Alle kleineren und kleinsten Arterien haben eine Ringmuskulatur, die mit Zunahme des Gefässkalibers mächtiger wird, bis sie in den ganz grossen Gefässen durch elastisches Gewebe verdrängt wird. Die Wand der Venen besteht vorwiegend aus elastischem Gewebe. Die Kapillaren besitzen nach Annahme der meisten Autoren keine Ringmuskulatur. Wenn sie auch, wie z. B. Mayer!) behauptet, einen diskontinuierlichen Belag von glatten Muskelfasern haben, so kommt derselbe der starken Ring- muskulatur selbst der kleinsten arteriellen Gefässchen gegenüber kaum in Betracht. Sind doch bei der Leiche auch die kleinsten Arterien leer, die Kapillaren dagegen gefüllt mit roten Blutkörperchen. Wenn wir also eine dynamische Wirkung der Arterien auf den rück- läufigen Strom annehmen, so liest es am nächsten, sie dem charakte- ristischen Bestandteil ihrer Wandung, der Muskulatur, zuzuschreiben. In den mikroskopischen Präparaten sieht man auf fast jedem diekeren Schnitt durch eine von der Arterie aus gut injizierte Niere die charakteristischen Arteriae interlobulares mit ihren Zweigen, die in Glomeruli übergehen, zum mindesten aber zahlreiche Bilder der bekannten „Beeren auf ihren Stielen“, nämlich der injizierten Glo- meruli auf ihren ebenfalls gefüllten Duetus afferentes. Oft ist oben- drein noch ein zweiter gefüllter dünnerer Stiel, der Ductus efferens, eine kleine Strecke weit zu verfolgen (s. Fig. 3). Ebenso müsste man bei den von der Vene aus injizierten Nieren zahlreiche Bilder 1) Mayer, Die Muskularisierung der kapillären Blutgefässe. Anat. Anzeiger Bd. 21 S. 442. 1902. 124 Franz Breslauer: von wenig injizierten Glomeruli auf gut injizierten Duetus efferentes finden, da ja die Injektionsmasse bis in die Glomeruli vordringt. Das ist nicht der Fall. Das Herantreten eines Ductus efferens an den Glomerulus ist meist nicht zu sehen, und fast nie fand ich das Bild der ungefärbten oder teilweise gefärbten Beere auf gefärbtem Stiel. Dagegen sieht man öfters an einem teilweise injizierten Glomerulus ein leeres Stück Duetus efferens (Fig. 2). Das passt zu der Annahme eines muskulösen Verschlusses. Eine kleine Strecke des Duetus efferens dieht am Glomerulus hat nämlich noch deutliche Ringmuskulatur, weshalb man den Teil des Duetus noch zum arte- riellen System rechnet. Schon an diesem Gefässstückehen muss also ein durch Muskulatur hervorgerufenes Hindernis beginnen. Daher ist es, wie geschildert, meist leer, obwohl die Flüssigkeit bis hierher vorgedrungen ist. Die Füllung einer Glomerulusschlinge trotz Verschlusses des muskulösen Efferensteiles kann nicht überraschen, wenn man an die langsame Kontraktion des glatten Muskels denkt. Das Zusammenziehen desselben geschieht im Vergleich zum quergestreiften Muskel äusserst träge. Die Latenzzeit beträgt 0,4—1,5 Sekunden [Hermann!) u. a.]. Sie genügt, um die winzige Menge Flüssigkeit, die zur Füllung einer (6—8S u im Durchmesser haltenden) Glomerulusschlinge er- forderlich ist, durehtreten zu lassen. Der sich kontrahierende Ductus efferens presst nun seinen Inhalt hinaus, während die in die muskellose [Kölliker?) u. a.] Glomerulusschlinge eingedrungene Flüssigkeit unbeeinflusst liegen bleibt. Auch im Markkreislauf, in dem wir keine Glomeruli, infolge- dessen auch keine so deutliche Markierung der Übergangsstelle von Kapillaren in Arterien haben, ist beim Durchmustern der Schnitte die Feststellung zu machen: Wo die Kapillaren eine muskulöse Wandung erhalten, also in die kleinsten Arterien übergehen, ist sofort keine Füllung mehr vorhanden. Auf die Schilderung dieser Ver- hältnisse bei den gleichfalls untersuchten Milzpräparaten will ich hier nicht eingehen, weil über den Kreislauf, speziell das Kapillarsystem dieses Organs, noch keine Einigkeit besteht. Doch ist hier wie in der Niere nirgends ein arterielles Gefäss injiziert. Wie hat man sich nun dieses Verhalten der Arterienmuskulatur 1) Hermann, Lehrbuch der Physiologie, 13. Aufl. 1909. 2) Kölliker, Handbuch der Gewebelehre des Menschen, 6. Aufl. 1902. Experim. Untersuchungen über die rückläufige Durchströmung etc. 125 ad vorzustellen ? In der gesamten Muskelphysiologie wirkt dieDehnung als: Reiz zur Kontraktion. Das zeigt sich sowohl am quergestreiften - Muskel!) als auch besonders am glatten). Dazu kommt bei gewissen muskulösen Hohlorganen unter Umständen noch die Neigung, den Inhalt in einer bestimmten Richtung fortzubewegen mittels eines komplizierten Vorganges, den wir Peristaltik nennen. Diese letztere muss aber bei unseren Versuchen, wie ich in folgendem zeigen werde, von der einfachen muskulösen Kontraktion seharf ‚getrennt werden. Immerhin bildet die Dehnung einen Reiz sowohl zu peristaltischen Beweeungen (s. unten) als auch zu einfachen Kontraktionen. Das zeigt sich auch im Zirkulationssystem. Wir sind gewohnt, unsere Gefässe als „elastische Röhren“ zu betrachten, die Venen sowohl wie die Arterien, trotz der grossen Verschiedenheit ihres Baues. Der starken Wandmuskulatur der Arterien pflegen wir an aktiver Tätigkeit nur gewisse regulatorische Funktionen zuzuschreiben, die auf Nerven- reiz hin arbeiten, da wir als einzigen Motor für die Blutzirkulation das Herz betrachten. Anders bei den niederen Tieren, z. B. den Würmern, bei denen automatisch arbeitende Blutgefässe die Rolle des Herzens spielen. Über die Tätigkeit der Gefässmuskulatur des Regenwurnms, dessen ganzer Körper ein ausgezeichnetes Modell zum Studium der Muskelphysiologie darstellt, bestehen ausführliche Arbeiten, die teil- weise auch für unser Thema von Interesse sind. Bei diesem Wurm, der ein längs verlaufendes dorsales und ventrales Gefäss hat, ziehen über das Dorsalgefäss hin 15—20 peristaltische Kontraktionen in der Minute. Im 7. bis 11. Segment hat das Gefäss kontraktile Seitenäste, die wegen dieser Eigenschaft als „Herzen“ bezeichnet werden, ohne dass sie sich übrigens in ihrer Tätigkeit irgendwie von dem Dorsalgefäss unterscheiden. Die Muskulatur des Dorsalgefässes erzeugt hier also einen rhythmischen Blutkreislauf, und „der Gedanke ist naheliegend, dass die durch Füllung mit zuströmendem Blut ent- stehende Dehnung... eine Rolle bei der Entstehung des Reizes 1) Hermann, Lehrbuch der Physiologie, 13. Aufl. 1903. 2) Bayliss, On the local reactions of the arterial wall to changes of internal pressure. Journ. of physiol. vol. 25 p. 220. 1902. — Carlson, Com- parative physiology of the invertebrate heart. — X. A note on the physiology of the pulsating blood vessels in the worms. Americ. journ. of phys. vol. 22 n0. 3 p. 3593. 1908. 126 Franz Breslauer: (zur Kontraktion) unter normalen Verhältnissen spielt!).“ Straub weist in seinen „Fortgesetzten Studien am Aplysienherzen“ ?) aus- drücklich auf die Bedeutung der „Dehnung für die rhythmische Tätigkeit der glatten Herzmuskelzellen* hin. Auch in der auto- matischen Tätigkeit des menschlichen Herzens spielt die Dehnung seiner Muskulatur in der Diastole eine wichtige Rolle. Carlsson?) kommt in seiner Arbeit über die pulsierenden Blutgefässe der Würmer zu dem Satz: „Tension on the vessel wall and hydrostatie pressure in the heart cavity appear to act in the same way as in the mollusecan the arthropod and the vertebrated heart.“ Bezüglich der Wirkung, welche die Dehnung auf die ja nicht als „Herzen“ funktionierenden peripheren Gefässe der höheren Wirbeltiere und des Menschen aus- übt, verweise ich auf die schöne experimentelle Arbeit von Bayliss*), der die verschiedensten Arterien und arteriellen Systeme daraufhin untersucht hat. Er kommt zu folgendem Resultat: l. „The museular coat of the arteries reacts, like smooth muscle in other situations, to a stretehing force by contraetion; 1. ... to a diminuation of tension by relaxation.“ Auch bei der Niere weist er in sehr exakten Versuchen nach, dass ihr Volumen sich bei der Füllung von der Arterie aus zunächst dureh die ausdehnende Flüssigkeit vergrössert, dass aber gleich darauf ein Kleinerwerden des Organs durch die Gefässkontraktion eintritt. Betreffs Einzelheiten muss auf die Arbeit selbst verwiesen werden. In all den genannten Fällen wirkt also schon die Füllung, der rechtläufige Strom, als Reiz auf die Muskulatur. Einen weit stärkeren Reiz für die Gefässwand bildet nach meinen Versuchen der rückläufige Strom, wenn er von den Kapillaren her in die feinsten arteriellen Verzweigungen tritt. Er stellt das Gegenteil der bisher besprochenen physiologischen Ver- 1) Stübel, Studien zur vergleichenden Physiologie der peristaltischen Bewegungen. 1V. Die Peristaltik der Blutgefässe des Regenwurmes. Pflüger’s Arch. Bd. 129 S. 1. 2) Straub, Fortgesetzte Studien am Aplysienherzen nebst Bemerkungen zur vergleichenden Muskelphysiologie. Pflüger’s Arch. Bd. 103 S. 429. 1904. 5) Carlson, Comparative physiology of the invertebrate heart. — X. A note on the physiology of the pulsating blood vessels in the worms. Americ. journ. of phys. vol. 22 no. 3 p. 353. 1908. 4) On the local reactions of the arterial wall to changes of o interna pressure (siehe Literaturverzeichnis). Experim. Untersuchungen über die rückläufige Durchströmung etc. 127 hältnisse dar. Nimmt man hinzu, dass die Gefässwand schon auf Vorgänge, die nur ganz ausserordentlich wenig von der Norm ab- weichen, mit Kontraktion antwortet [s. z. B. Filehne und Biber- feld!)], so lässt sich eine nunmehr erfolgende starke Reaktion auf den Reiz ungezwungen annehmen. Coenen und Wiewiorowski?) machen auf die von Grützner?) gefundene Tatsache aufmerksam, dass die „muskulöse Nabelarterie in gegenläufiger Richtung viel langsamer von Ringer ’scher Lösung durehströmt wird als von dem rechtläufigen Flüssigkeitsstrom“. In der Tat scheinen auch einige andere Erfahrungen auf eine Tendenz der Arterienwandung hinzuweisen, den Inhalt nach den Venen zu, also in der Richtung des normalen Blutstromes, vorzuschieben. Hierher gehört die Erscheinung, dass die Arterien nach dem Tode leer, die Venen gefüllt sind. Der Einwand, dass daran nur die Totenstarre der Gefässmuskulatur schuld sei, also eine postmiortale Myosingerinnung, die mit Vorgängen im lebenden Körper nicht ver- eleichbar sei, ist hinfällig. Denn erstens sind die Arterien in der Leiche schon leer, ehe die Totenstarre der übrigen Muskulatur ein- getreten ist. Ausschlaggebend aber ist eine in der „Entstehung des Collateralkreislaufes“ *) angeführte Beobachtung Bier’s, der die- selben Füllungsverhältnisse wie in den Leichengefässen durch einen künstlichen Eingriff in vivo erzeugt: Beim Operieren an Gliedern, die mit der Esmarch’schen Binde abgeschnürt worden sind, deren Blut also nieht mehr mit dem Gefässinhalt des übrigen Körpers kommuniziert, ergiessen die Venen beim Anschneiden Blut, die Arterien dagegen nicht. „Da die Abschnürung den Strom in den (leichter kompressibeln) Venen früher aufhebt als in den Arterien, so muss das Blut der letzteren nach der völligen Abschnürung in die Venen weiter befördert sein.“ Bier äussert sich sehr skeptisch zu der weit verbreiteten Ansicht, dass diese Tätiekeit der Arterien 1) Filehne und Biberfeld, Über die Natur der durch Blutdrucksteigerung erzeugten Pulsverlangsamung. Pflüger’s Arch. Bd. 123 Heft 10—12. 1909. 2) Coenen und Wiewiorowski, Über das Problem der Umkehr des Blutstroms und die Wieting’sche Operation. Beitr. z. klin. Chir. Bd. 75 H.1 2222 1911. 3) P. Grützner, Mitteilung über die Tätigkeit der Arterien. Med.-naturw. Verein Tübingen. Ref. Münch. med. Wochenschr. Nr. 36. S. 1802. 1907. 4) A. Bier, Die Entstehung des Collateralkreislaufs. Virchow’s Arch. Bd. 147. 1897, und Bd. 153. 1898. 128 Franz Breslauer: auf der „Elastizität“ ihrer Wandung beruhe; er nimmt eine Muskel- wirkung an, ausgelöst durch den Reiz des kohlensäurehaltigen Blutes. Nach den oben geschilderten Versuchen von Carlson und besonders Bayliss aber ist nicht einmal der Kohlensäuregehalt des Blutes zur Erklärung nötig; es genügt die Dehnung der Arterie durch die Füllung, um einen Reiz in dem geschilderten Sinne auf die Wandung auszuüben. Mit anderen Worten: Unter normalen Verhältnissen beherrscht bei den höheren Tieren und dem Menschen die gewaltige Herzaktion so vollkommen das Bild der Zirkulation, dass die Gefässe als rein passive Leitungsrohre erscheinen und wir eine eventuelle Eigen- tätigkeit derselben nicht bemerken können. Wird die Triebkraft des Herzens durch den Tod oder, wie im Bier’schen Versuch, durch eine Esmarch’sche Binde ausgeschaltet, so tritt eine Einrichtung der Arterien in die Erscheinung, welche das Blut aus dem Arterien- lumen hinaus nach den Venen zu, also im Sinne des rechtläufigen Stromes, treibt. Welche Rolle diese Funktion unter normalen Ver- hältnissen in unserer Zirkulation spielt, ist wegen der geschilderten Sehwierigkeiten noch nicht sichergestellt. Es wäre nun naheliegend, auf diese Eigenschaft der Arterien- muskulatur auch die in unseren Versuchen gefundene Hemmung des entgegenläufigen Stromes zurückführen zu wollen. Doch ist ein soleher Schluss nieht ohne weiteres zulässig, da die Muskelaktion in beiden Fällen sehr verschieden ist. Grützner!) kommt bei der Erklärung der oben erwähnten Förderung des rechtläufigen und Hemmung des rückläufigen Stromes in der Nabelarterie zu der Annahme, der normale Strom werde durch eine aktive peristaltische Tätigkeit der Muskelelemente in seiner Fortbewegung unterstützt, während dieselben dem verkehrtläufigen Strom entgegenarbeiteten. Dieser Gedanke ist bestechend schon im Hinblick auf andere, ähnlich gebaute muskulöse Hohlorgane. Doch muss betont werden, dass eine Gefässperistaltik bisher nur an den Gefässen niederer Tiere, z. B. der oben erwähnten Würmer, nach- gewiesen ist, wo die Arterien die aktive Funktion des Herzens haben. Dagegen ist bei den höheren Tieren, bei denen ein zentrales Herz vorhanden ist und die Arterien daher im wesentlichen der Leitung 1) P. Grützner, Mitteilung über die Tätigkeit der Arterien. Med.-naturw. Verein Tübingen. Ref. Münchener med. Wochenschr. Nr. 36 S. 1802. 1907. Experim. Untersuchungen über die rückläufige Durchströmung etc. 1929 dienen, eine Peristaltik der peripheren Gefässe bisher nicht bewiesen. Auch bezüglich meiner Injektionsversuche ist zu betonen, dass die Resultate sich nicht durch Peristaltik, wenigstens durch Peristaitik allein, erklären lassen, wenn auch die Möglichkeit vorliegt, dass eine solche ausserdem vorhanden ist. Es würde sich nicht mit dem Wesen der Peristaltik vereinigen lassen, dass dieselbe noch 2—3 Tage post mortem in den Nierengefässen genau so exakt arbeiten sollte wie an ganz frischen Organen. Ferner ist bekannt, dass Atropin bei lokaler Einwirkung auf den Muskel die Peristaltik vollständig lähmt. „Die Muskulatur bleibt bei mässigen Gaben des Alkaloids erregbar und kontrahiert sich daher auf direkte Reizung, ohne dass indessen eine Peristaltik zuwege gebracht wird“ [Schmiedeberg!)]. Auch Schultz?) fand am Magen und an der Blase bei Hinein- bringen in Atropinlösung keine peristaltische Bewegung mehr, aber eine lokale Kontraktion bei Reizung des Muskels selbst. Um eine eventuelle Peristaltik der kleinen Arterien auszuschalten, injizierte ich daher von der Arterie aus die erforderliche 1 °/oige Atropinlösung (der Isotonie wegen in 0,75 °/oiger Kochsalzlösung [Schultz?)] und band, als die Niere mit dieser Lösung prall gefüllt war, die Arterie und Vene ab. Nach einstündiger Einwirkung zeigte sich bei rück- läufiger Durchströmung kein anderes Resultat, als an der anderen nicht atropinisierten Niere desselben Hundes. Der Nachweis, dass der rückläufige Strom auch noch 2—3 Tage post mortem prompt aufgehalten wird, sowie dieser Atropinversuch schliessen auch gleich- zeitig die Mitwirkung irgendwelcher nervöser Elemente aus. Geht doch die Erregbarkeit der sympathischen Nervenelemente (welche ‘die Gefässwand durchsetzen) erfahrungsgemäss kurze Zeit nach dem Tode, d. h. nach Minuten, verloren [Langendorff°) u. a.|. Der Muskel dagegen bewahrt sich noch lange nach dem Tode die Fähig- keit, direkte Reize mit Kontraktion zu beantworten. Sertoli z.B. wies beim Museulus retraetor penis des Pferdes noch 5 Tage post mortem Zuckungen nach. Andererseits kann auch ein gänzlich nerven- freier Muskel auf Reiz Kontraktionen zeigen, die zunächst am Orte 1) Schmiedeberg, Grundriss der Pharmakologie, 2. Aufl. 1888. 2) Schultz, Zur Physiologie der längsgestreiften (glatten) Muskeln. III. Spontane Bewegungen, Tonus, Peristaltik. Arch. f. Anat. u. Physiol., phys Teil 1897 S. 322, 3) Zentralbl. f. Physiol. Bd 5 S. 129. 130 Franz Breslauer: der Reizung auftreten [Hermann!), Carlson?°)]. Ausser- dem wirkt Atropin, das „Curare der glatten Muskulatur“, lähmend auf die Nervenelemente, lässt aber den Muskel selbst un- beeinflusst. Es handelt sich also in unseren Versuchen um rein muskuläre Vorgänge ohne jede Mitwirkung nervöser Elemente. Übrigens erklärt Bayliss die Kontraktion der Arterien bei rechtläufiger Füllung derselben in ähnlicher Weise ohne Nerven- einfluss: „These reactions are independant of the central nervous system, and are of myogenie nature. They are to be obtained both in the case of vessels in their normal condition in the body, and in exeided arteries some hours after death ?).“ Nun ist noch eine auffallende Tatsache zu erklären, nämlich die enorme Kraft, welehe bei. der Hemmung des rückläufigen Stromes von der Arterienmuskulatur entfaltet wird. Wie schon oben erwähnt, blieb das Ergebnis der Injektion auch bei Anwendung sehr starken Druckes dasselbe. Hierzu ist zu bemerken, dass einerseits durch das sehr feine Gefässlumen der Verschluss erleichtert ist, anderseits die glatte Muskulatur auch sonst ganz gewaltige Leistungen voll- bringen kann. So überwindet der Froschmagen einen Druck von 1—1,5 m Wasser (Santesson s. Hermann). Man denke auch an die Kraft der Uterusmuskulatur. Ausserdem kommt in Betracht, dass die glatte Muskulatur bei starkem Reiz unter Umständen in eine (rein muskuläre) tonische Kontraktion übergeht. So sagt Carlson°): „The pulsating vessels exhibit the same tendency as the body museulature to go into prolonged and extreme tonus on strong stimulation.“ Dieser Tonus tritt nach ihm nur an der Reiz- stelle selbst auf und wird nicht nach anderen Stellen des Gefässes fortgeleitet. Nun vollbringt aber bekanntlich der glatte Muskel im Tonus ganz enorme Leistungen und der scheinbare Energieaufwand geht oft weit über den Stoffverbrauch des Muskels hinaus. Daher 1) Hermann, Lehrbuch der Physiologie, 13. Aufl. 1903. 2) Carlson, Öomperative physiology of the invertebrate heart. — X. A note on tbe physiology of the pulsating blood vessels in the worms. Americ. journ. of phys. vol. 22 no. 3 p. 353. 1908. 8) Bayliss, On the local reactions of the arterial wall to changes of . nternal pressure. Journ. of physiol. vol. 25 p. 220. 1902. Experim. Untersuchungen über die rückläufige Durchströmung etc. 131 erklären jetzt manche [Biedermann!) u. a.] das Zustandekommen des Tonus dadurch, dass sich der Kontraktion eine Myosingerinnung als „Sperrvorrichtung“ beigesellt, wodurch der Tonus gewissermaassen Ruhelage wird, und der Muskel nur geringe Energie aufzubringen braucht, um sich in dieser Ruhelage zu erhalten. Es liegt nahe, einen solchen Tonus auch in unseren Versuchen anzunehmen; ein sicherer Beweis dafür lässt sich aber experimentell nicht er- bringen. Doch sei es nun eine momentane, bei Fortfall des Reizes, d. h. der rückläufigen Injektion, aufhörende Kontraktion oder eine tonische, die auch dann noch bestehen bleibt, jedenfalls ist sie stark genug, um sich der. rückläufigen Strömung erfolgreich zu widersetzen. Zusammenfassend kommen wir somit zu dem Resultat: 1. Die Niere (und Milz) lässt Blutstrom resp. Injektionsflüssigkeit rückläufig von der Vene nach der Arterie hin nicht passieren. 2. Das Hindernis liegt im arteriellen System; Venen und Kapillaren beteiligen sich nicht daran. 9. Das Hindernis besteht wahrscheinlich in einer rein muskulären Kontraktion (Tonus?) der zirkulären Muskulatur der kleinen und kleinsten Arterien, ausgelöst durch den Reiz der rückströmenden Flüssigkeit auf die Gefässwand. Eine Peristaltik ist nicht nachzu- weisen. Zum Schluss danke ich Herrn Geh. Medizinalrat Prof. Dr. v. Hansemann verbindlichst für die Überlassung des Materials, Herrn Oberarzt Prof. Dr. Coenen für die Überweisung und freund- liche Durchsicht der Arbeit. Literatur. 1) Bayliss, On the local reactions of the arterial wall to changes of internal pressure. Journ. of physiol. vol. 23 p. 220. 1902. 2) Biedermann, Studien zur vergleichenden Physiologie der peristaltischen Bewegungen. I. Die peristaltischen Bewegungen der Würmer und der Tonus glatter Muskeln. Pflüger’s Arch. Bd. 102 8. 475. 1904. 1) Biedermann, Studien zur vergleichenden Physiologie der peristaltischen Bewegungen. I. Die peristaltischen Bewegungen der Würmer und der Tonus glatter Muskeln. Pflüger’s Arch. Bd. 102 S. 475. 1904. 132 Franz Breslauer: 3) Biedermann, Zur Physiologie der glatten Muskeln. Pflüger’s Arch. Bd. 46. 18%. 4) A. Bier, Die Entstehung des Collateralkreislaufs. Virchow’s Arch. Bd. 147. 1897 und Bd. 153. 1898. 5) A. Bier, Chir. Kongr. 1911. 6) Carlson, Comparative physiology of the invertebrate heart. — X. A note on the physiology of the pulsating blood vessels in the worms. Americ. journ. of phys. vol. 22 no.3 p. 353. 1908. 7) Cloetta-Filehne, Lehrbuch der Arzneimittellehre, 10. Aufl. 1901. 8) Coenen, Experimentelle Untersuchungen zur Wieting’schen Operation. Chir. Kongr. Berlin 1911. 9) Coenen und Wiewiorowski, Über das Problem der Umkehr des Blutstroms und die Wieting’sche Operation. Beitr. z. klin. Chir. Bd. 75 H.1 0.22. 191. 10) Cottard, Anastomoses et greffes vasculaires. Theses de Paris. 1908. 11) Cottard et Villandre, siehe bei Cottard. 12) Eulenburg’s Realenzyklopädie. 13) Exner, Zur Mechanik der peristaltischen Bewegungen. Pflüger’s Arch. Bd. 34. 1884. 14) Filehne und Biberfeld, Über die Natur der durch Blutdruck- steigerung erzeugten Pulverlangsamung. Pflüger ’s Arch. Bd. 123 H.10—12. 1909. 15) Fürst, Zur Physiologie der glatten Muskeln. Pflüger’s Arch. Bd. 46. 15%. 16) Geberg, Intern. Monatsschr. f. Anat. u. Physiol. Bd. 2. 1885. 17) Gegenbaur, Lehrb. d. Anat. d. Menschen. 1899. 18) U. Gerhardt, Zur Entwicklung der bleibenden Niere. Arch. f. mikr. Anat. Bd. 57. 1901. 19) P.Grützuer, Mitteilung über die Tätigkeit der Arterien. Med. naturw. Verein Tübingen. Ref. Münch. med. Wochenschr. Nr. 36 S. 1802. 1907. 20) P. Grützner, Die glatten Muskeln. Erg. d. Physiol. Bd. 3 (2) S. 12. 2]) Hermann, Lehrbuch der Physiologie 13. Aufl. 1903. 22) Hoorwesg, Über die Blutbewegung in den menschlichen Arterien. Pflüger’s Arch. Bd. 46 S. 115. 1890. 23) Kölliker, Handbuch der Gewebelehre des Menschen. 4. Aufl. 1863. 24) Kölliker, Handbuch der Gewebelehre des Menschen. 6. Aufl. 1902. 25) Kückenthal, Leitfaden für das zoologische Praktikum, 3. Aufl. 1905. 26) Ludwig, Von der Niere. Stricker’s Handb. d. Lehre von den Geweben des Menschen u. d. Tiere Bd. 1. 1871. 27) Mayer, Die Muskularisierung der kapillären Blutgefässe. Anat. Anzeiger, Bd. 21 S. 442. 1902. 28) Rauber-Kopsch, Lehrbuch der Anatomie des Menschen. 7. Aufl. 1907. 29) Ch. Rouget, Note sur le developpement de la tunique contractile des vaisseaux. Compt. rend. de l’acad. des sciences t. 79 p. 559. 1874. 30) Ch. Rouget, Sur la contractilit& des capillaires sanguins. Compt. rend. de l’acad. des sciences t. 88 p. 916. 1879. 31) Schmiedeberg, Grundriss der Pharmakologie. 2. Aufl. 1888. Experim. Untersuchungen über die rückläufige Durchströmung etc. 133 32) Schmieden, Praktische Erfahrungen mit der zirkulären Gefässnaht, zugleich ein Beitrag zur Behandlung der angiosklerotischen Gangrän nach Wieting- Pascha. Berl. klin. Wochenschr. Nr. 13. 1910. 35) Sehmorl, Die pathologisch-histologischen Uptersuchungsmethoden. 5. Aufl. 1809. 34) Schultz, Die längsgestreifte (glatte) Muskulatur der Wirbeltiere. II. Arch. f. Anat. u. Physiol., phys. Teil 1897. S. 307. 35) Schultz, Zur Physiologie der längsgestreiften (glatten) Muskeln. II. (spontane Bewegungen, Tonus,' Peristaltik). Arch. f. Anat. und Physiol. 1897, phys. Teil S. 322. 36) Schultz, Zur Physiologie der längsgestreiften (glatten) Muskeln IV. Arch. f. Anat. u. Physiol. Supplbd. S. 1. 1903. 37) Standfuss, Vergleichend-histologische Studien an den Malpighi’schen Körperchen der Niere der Wirbeltiere. Arch. f. mikr. Anat.‘Bd. 71 S.116. 1908. 38) Stöhr, Lehrbuch der Histologie 12. Aufl. 1906. 39) Straub, Zur Muskelphysiologie des Regenwurms. Pflüger’s Arch. Bd. 79 S. 379. 1900. 40) Straub, Fortgesetzte Studien am Aplysienherzen nebst Bemerkungen zur vergleichenden Muskelphysiologie. Pflüger’s Arch. Bd. 103 S. 429. 1904. 41) Stübel, Studien zur vergleichenden Physiologie der peristaltischen Bewegungen. IV. Die Peristaltik der Blutgefässe des Regenwurmes. Pflüger’s Arch. Bd. 129 S. 1. 42) Tappeiner, Lehrbuch der Arzneimittellehre, 7. Aufl. 1908. 43) Tigerstedt, Lehrbuch der Physiologie, 3. Aufl. 1905. 44) Tigerstedt, Lehrbuch der Physiologie des Kreislaufs. Leipzig 189. 45) Tigerstedt, Untersuchung über die Latenzdauer der Muskelzuckung in ihrer Abhängigkeit von verschiedenen Variabeln. Arch. f. Anat. und Physiol. 1885. Phys. Supplementbd. S. 111. 46) Toldt, Atlas der normalen Anatomie, 5. Aufl. 1907. 47) Toldt, Die Injektion unter messbarem Druck. Arch. f. mikr. Anat. Bd. 5 S. 167. 48) R. Virchow, Einige Bemerkungen über die Zirkulationsverhältnisse in den Nieren. Virchow’s Arch. Bd. 12 8. 310. 1867. 49) R. Wiedersheim, Einführung in die vergleichende Anatomie der Wirbeltiere. 1907. 50) Wieting, Die arteriosklerotische Gangrän und ihre operative Be- handlung durch arteriovenöse Inkubation. Deutsche med. Wochenschr. Nr.28. 1908. 91) Winkler, Ein Beitrag zur Physiologie der glatten Muskeln. Pflüger’s Arch. Bd. 71 S. 357. 1898. 52) Zondeck, Über die Endverzweigungen der Arterien der menschlichen Niere. Arch. f. mikr. Anat., Bd. 57 S. 117. 1901. 53) Zondek, Das arterielle Gefässsystem der Niere und seine Bedeutung für die Pathologie und Chirurgie der Niere. Arch. f. klin. Chir. Bd. 59 S. 588. 1899. Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd, 147. 10 134 Franz Breslauer: Experimentelle Untersuchungen etc. Erklärung der Abbildungen. Fig. 1. Schnitt durch die Rinde einer rückläufig injizierten Niere. (Technik S. 122). Das Kapillarnetz, einige Glomerulusschlingen sowie ein dickeres Venen- stämmchen sind injiziert. Fig. 2. Glomerulus mit Ductus afferens und efferens sowie einem Stück seiner Arteria interlobularis. Starke Vergrösserung. (Rückläufige Injektion.) In- jiziert ist nur eine Glomerulusschlinge und der nicht an den Glomerulus srenzende Teil des Ductus efferens. Arteria interlobularis, Ductus afferens, Anfangsteil des Ductus efferens sind leer. Fig. 3. Gefässschema der Niere (von der Arterie aus injiziert) nach Stöhr. Fig. 4. Schematische Kombination von zwölf rückläufigen Injektionsversuchen an menschlichen Nieren unter Benutzung von Fig. 3. Injizierte Gefässe rot, leere farblos. Pflüger's Archiv für die ges. Physiologie. Bd.147. Taf.1. Verlag von Martin Hager ‚Bonn. Lith.Anst v.F.Wirtz Darmstadt. u" a ar lag von Martin Hager ‚Bonn. RAN Lith.Anst v.F.Wirtz Darmstadt. vi Taf.II. ER Kin Se an & -Arteriola reed x "> Verula reeta Lith .Anst v.F.Wirtz Darmstadt - 135 (Aus der medizinischen Klinik der Universität Heidelberg.) Arbeit und Gaswechsel am Froschherzen. I. Mitteilung. Wirkung des Cyanids. Von Dr. Viktor Weizsäcker, Assistent der Klinik. (Mit 1 Textfigur.) Die im folgenden mitgeteilten Untersuchungen gingen wie die früheren von der Frage aus, wie wir uns die Beziehungen zwischen Arbeit und Gaswechsel bei der Muskeltätiekeit vorzustellen haben. Zu diesem Zweck wurde versucht, die Grösse der beiden Funktionen sowie das Verhältnis dieser Grössen auf chemischem Wege zu be- einflussen. Dass experimentelle Einwirkungen soleher Art auf physi- kalischem Wege möglich sind, nämlich durch Variation der Belastung, wurde früher gezeigt !). Dieses Ergebnis könnte man sehr verschieden deuten. Man müsste wissen, ob unsere Anschauungen über die Thermodynamik des Muskels nur für die kurzzeitigen Versuchsperioden gelten, oder ob sie auch für stationäre und langdauernde Zustände recht be- halten, wie sie ja beim Herzen gegeben sind. Speziell für die Erhöhung des Wirkungsgrades bei höherer Belastung ist hierüber wenig bekannt. Die zitierten Untersuchungen am Froschherzen gehen auf Zeiten zwischen 30 und 60 Minuten, und wir haben Grund, für diese Dauer eine Zunahme des Wirkungsgrades mit zunehmender Belastung zu vermuten. Es wird am Schlusse dieser Mitteilung auf die Notwendigkeit solcher Trennung zwischen langdauerndem, stationärem Zustand und 1) Pflüger’s Arch. Bd. 141 S. 457. 1911. 10* 156 Viktor Weizsäcker: der kurzdauernden Beobachtung, z. B. des thermoelektrischen Ex- perimentes, zurückzukommen sein. Vollkommen sicher geht aus jenen Versuchen hervor, dass das Verhältnis von Arbeit und Oxydation in den genannten Zeiträumen nicht konstant zu sein braucht. Die Beziehung zwischen Druckleistung (isometrischem Maximum) und Sauerstoffverbrauch ist auch am Warmblüterherzen von E.Rohde!) untersucht und hier durch Chloralhydrat, CGyankalium und andere zu ungunsten der Leistung, durch Strophantin und Adrenalin zu gunsten der Leistung veränderlich gefunden worden. Trotz lieser prinzipiellen Übereinstimmung stehen zu diesen Versuchen, was die Wirkung des Cyankaliums anlangt, die im folgenden mit- seteilten in einem gewissen Gegensatz. Doch scheinen mir die’ Unterschiede zwischen Warm- und Kaltblüterherz sowie zwischen den gesamten experimentellen Bedingungen zu gross und zu wenig geklärt zu sein, als dass eine Diskussion der Gründe dieser Abweichung jetzt schon ein Resultat haben könnte. Versuche. Nach allem also, was die sogenannte Thermodynamik des Muskels, die vorhergenannten Gaswechseluntersuchungen und ferner die Er- fahrungen über Anoxybiose des Frosches erwarten lassen, muss der Muskel ein gegebenes Arbeitsquantum mit verschiedenen Sauerstoffmengen leisteu können. Es war aber die Frage, wie weit tatsächliche Unabhängigkeit der Arbeitsgrösse vom Sauerstoffverbrauch besteht, wie weit quantitativ die Trennbarkeit von Oxydation und Kontraktion geht. Wenn man pro Liter Durchspülungsflüssigkeit 0,025—0,5 Milli- mole Cyankalium zusetzt, so zeigt sich folgendes (vgl. Tab. I). Mit steigender Konzentration der Cyanidmoleküle wird die Oxydation in steigendem Maasse eingeschränkt, von eben merklicher bis zu kompletter Hemmung. Jeder Versuch besteht aus drei Perioden (I, I, IM). Die mittlere ist die Cyanidperiode. Zwischen II und III wird ausgewaschen. Die O,-Werte sind nicht in absoluten Mengen, sondern in Millimeter Ablesung des Barcroft’schen Apparates angegeben. Ebenso in allen übrigen Tabellen. Vgl. „Methode“. Diese Hemmung ist in der Regel und bei „guten“ Herzen reversibel. 1) Vgl. Münchner mediz. Wochenschr. 1912 8. 785. Arbeit und Gaswechsel am Froschherzen. I. 137 Tabelle I. Zahl der | V h Proz. der Norm. nn KCN |Kontrak- Dam 0 gcm ; ei tionen Min. mm (07 Arbeit ee — 90 I 48 | 5260. Mm IE | aan 900 39 41 4390 85 34 (95) IN a 900 39 55 4030 SarETr. = 900 41 31 8240 |} Mm I | 900 41 22 7580 1 90 (94) IH. es 900 41 34 7920 32. 1. > 800 34 31 9340 |) m ; E NL. San, 800 37 u 8040 36 86 (96) II. = 800 33 25 7380 lol. 2 1050 40 72 9800 N m 9 Fe ge 1120 40 24 6650 30 |.68 (72) TIL. _ 1000 40 75 7560 |) DO 800 38 45 4940 mM x © N eg | ; 200 37 8 3570 18 72 (75) II. 2 800 37 45 4530 |) 12 6 ze 1000 40 38 3050 |} m ) < | 1000 40 2 1480 | 5 49 (53) II. ı 1000 40 38 2590 IE 2 1000 46 21 2110 } Mm - s A| | 20 49 ) 1240 | ) 58 (78) TR 1000 | 49 16 | 1090 | h Erklärung zu Tab. I. In den letzten drei Stäben sind O,-Verbrauch bzw. Arbeit der Vergiftungsperiode in Prozenten der Norm ausgedrückt worden Für die Arbeit gilt als Norm in den Zahlen des vorletzten Stabes Periode I, in den eingeklammerten Zahlen des letzten Stabes das Mittel aus I. und II. Periode. Bei letzterer Berechnungsart sind die Zahlen für die Arbeit noch günstiger. Die Oxydation pflegt im Anschluss an die anoxybiotische Cyanid- periode auch nicht deutlich zu steigen, von einem Nachholen der sistierten Verbrennungen kann nicht die Rede sein. Anders die Arbeit. Die auch in der Norm meist erkennbare, übrieens mässige Tendenz, zu fallen, zeigt sich bei Einschränkung 138 Viktor Weizsäcker: der Oxydation bis auf 36% der Norm überhaupt nicht erkennbar verstärkt. Bei noch weiterem Herabgehen der Oxydation beginnt auch die Arbeit zu fallen (reversibel), beträgt aber noch immer 50 %/o der Norm, wenn Oxydation überhaupt nicht mehr nachweisbar ist. Die kleinste hier noch messbare Arbeitserösse war wohl immer kleiner als 0,1 g/cm entsprechend 0,0024 Mikrokalorien. Die kleinste noch messbare Sauerstoffmenge aber entsprach einer Wärmebildung von mindestens 12 Mikrokalorien bei Verbrennung von Kohlehydrat. Da also, energetisch betrachtet, die Arbeitsmessung so viel (5000 mal) empfindlicher war, musste entschieden werden, ob die jenseits der Fehlergrenze theoretisch denkbaren, nur nicht mehr nachweisbaren ÖOxydationen als hinreichende Energiequelle der Arbeit in Betracht kamen. Es zeigte sich, dass dies nicht der Fall war, und dass selbst bei vollständiger Umwandlung der Oxydationsenergie in Arbeit diese auf keine Weise aus Verbrennungswärme her- leitbar gewesen wäre. Die Frage also, ob Oxydation quali- tativ eine notwendige Bedingung der Arbeit ist, wurde beantwortet, indem entschieden wurde, ob sie kalorisch die Arbeit geliefert haben konnte. Die Muskelarbeit sank in diesen Versuchen gleichmässig und langsam ab, nach etwa 1 Stunde war die Arbeit so gering, dass sie quantitativ nicht mehr ins Gewicht fiel, nach 2 Stunden war kein mechanischer Effekt mehr nachweisbar. 2000 Tabelle I. In Sen Dancer Kontrak- Ken Arbeit Sauerstoff Minuten tionen 54 59 25 68 1600 m 55 89 29 58 1400 Sn 56 63 47 145 3000 a 57 29 12 49 1000 m 58 39 12 58 1300 m 71 | 59 47 1500 5000 72 en 39 1000 Z Arbeit und Gaswechsel am Froschherzen. II. 139 Über die genauere Anordnung der Versuche gibt der Anhang Aufschluss. Tab. III zeigt das wesentliche Resultat, nämlich, dass das Wärmeäquivalent der geleisteten Arbeit grösser war (bis zum Dreifachen) als der kalorische Wert des verbrauchten Sauerstoffes. Es ist zu berücksichtigen, dass die Zahlen für die Arbeit nur zu klein sein können (s. Methodik S. 147), die für den kalorischen Wert des Sauerstoffes angewandte Berechnungsweise nur zu hohe Daten ergeben konnte (s. ebenda S. 150). In Wirklichkeit übertraf die Arbeit das mechanische Äquivalent der Oxydationswärme wahr- scheinlich in noch höherem Maasse als dies nach der Tabelle an- zunehmen wäre. Um die Natur der nichtoxydativen Vorgänge, welche daher als Quellen der Muskelarbeit hier vorausgesetzt werden müssen, zu er- schliessen, waren Kohlensäurebestimmungen notwendig. Nach Lesser!) geht in der Anoxybiose die Kohlensäureausscheidung meistens in die Höhe, während Fletcher?) im Gegenteil fand, dass die Muskel- kontraktion in Stickstoff die sonst vorhandene Vermehrung der Kohlen- säure bei der Tätigkeit vermissen lässt. Die Frage der Anoxybiose interessiert uns hier nur in zweiter Linie, und es darf daher offen bleiben, ob Cyanidwirkung und Sauerstoffmangel identisch sind, oder ob die Blausäure auch noch andere Prozesse als die der Verbrennung beeinträchtigt. Die Kohlensäuremessungen waren weniger genau als die des Sauerstoffes. Sie genügten aber, um zu zeigen, dass die Kohlensäure- produktion im Cyanidzustande weder zunimmt noch gleich bleibt, sondern abnimmt. Wahrscheinlich nimmt sie in demselben Maasse ab wie die Sauerstoffkonsumption, häufig ist sie = 0, wenn diese — () ist, bei immer noch beträchtlicher Arbeitsleistung. Auch wenn man annimmt, dass die CO,-Zahlen durch Abgabe präformierter und physikalisch oder chemisch gespeicherter Kohlen- säure getrübt sind, so würden dadurch die Daten nur zugunsten unserer Schlussfolgerungen beeinträchtigt, die Kohlensäurebildung wäre in Wirklichkeit kleiner als die Abgabe in die Durchspülungs- flüssigkeit. Dass aber gerade im Cyanidherzen Kohlersäure in der Zelle zurückgehalten würde, erscheint um so weniger glaublich, ais, wie unten gezeist wird, gerade hier die Bildung von stärkeren Säuren vermehrt ist. 1) Mediz. Klinik 1912 Nr. 11. 2) Journ. of Physiol. vol. 28 p. 474. 140 Viktor Weizsäcker: Auch in Tabelle IV sind die Werte in Millimeter Ablesung des Barcroft’schen Apparates gegeben. Den Versuchen wurde nur teilweise eine Normalperiode vorangeschickt. Die Höhe der CO,- Produktion in einem Normalversuche ist aus Tabelle VI im Anhang zu ersehen, ferner aus Periode I in Nr. 53, 60, 653. Ebenso hoch oder höher (zwischen 20 und 60) würden die CO,-Werte auch in den übrigen vermerkten Versuchen im Normalzustand gewesen sein. Im Cyanidzustande aber sinktüberalldie Kohlensäure auf dieselbe Grössenordnung wie der Sauerstoff. Dass dabei noch erhebliche motorische Funktionstüchtiekeit erhalten war, geht aus den Zahlen des letzten Stabes hervor. Tabelle IM. Zahl der KON aha: Versuch \ X rsu O, (6107 Dauer Kontra: Nr. R ; Mol. Conc. mm mm Min. tionen gcm Seil 41 48 49 1000 an 5160 I. 6 6 40 1000 5000 2210 54T. 1 N) 93 800 Som 1880 Q Mm n II ) N) 32 800 500 620 Se 4 2 90 1900 So 2300 1. RR ER 55 1100 nn. 360 58, ) N) 58 1300 1640 60. -1. 24 21 39 1000 Er 7030 1. 0 0 56 1400 . 2390 2, 00 m 0 62. 2,5 5 38 800 1000 1120 Geh 95 95 93 800 t2 1180 8 200 m 3 II. Q 9 48 1200 run 1380 s 5 b) NE I. 8 15 48 1200 0 400 1 mm Ablesung Sauerstoff oder Kohlensäure entspricht etwa dem Wärmeäquivalent von 500 gem Arbeit bei völliger Überführung der ÖOxydationswärme in Arbeit und bei Verbrennung von Kohlehydrat. Arbeit und Gaswechsel am Froschherzen. I. 141 Bei der Kleinheit der Verhältnisse war an weitere qualitative Bestimmungen (Stiekstoff und anderer) von Stoffwechselprodukten nicht zu denken. Zugänglich erschienen nur die Aziditätsverhältnisse. Auf Rat von Herrn Dr. OÖ. Warburg habe ich dabei einen Weg eingeschlagen, der erlaubte, unter Beibehaltung der Bareroft’schen Methode das Quantum der in die durchspülende Ringer- Lösung übertretenden Säurevalenzen zu messen. Es wurde gemessen, wieviel Kohlensäure aus einer bekannten Natriumbikarbonatlösung von diesen, qualitativ nicht bekannten Säuren ausgetrieben wurde. Die Zahlen der Tabelle V bedeuten also das Quantum der gebildeten Säurevalenzen, ausgedrückt in Millimeter Ablesung der Kohlensäurebestimmung. Da wir weder wissen, um welche Säuren es sich handelt, noch wissen, aus welchen Substanzen sie entstehen, sind Rückschlüsse auf die zugehörige Wärme- tönung unmöglich. Doch ist bekannt, dass fast alle nicht oxydativen Spaltungen eine relativ sehr kleine Wärmetönung haben (Hydrolyse der Proteine, Milchsäure- gärung), und es müssten äusserst umfangreiche Spaltungen stattfinden, sollte durch sie eine Art kalorischer Kompensation stattfinden. Wenn wir z. B. an- nehmen, dass die gemessenen Säurevalenzen alle auf Milchsäure zu beziehen sind, und dass diese aus Zucker stammt, so müssten die Zahlen in der Cyanid- periode (zweiter Stab in Tab. IV) etwa das 15fache der wirklich gefunden be- tragen, sollte kalorische Kompensation durch Gärung erzielt werden. Tabelle IV. 00,- Ä ; \ a + Zahl Ve ent ne der Kontrak- KCN > Säuren IE tionen 33 s00 Se 800 39 800 48 1000 46 1000 39 800 41 800 26 600 67T U | 40 1000 | IT: 19 | 40 1000 | 4000 IE 0 40 1000 — 0 2 | 27 600 142 Viktor Weizsäcker: Die Tabelle zeigt, dass auch im Normalzustande gelegentlich geringe Säure- mengen nachweisbar werden, ferner, dass diese im Cyanidzustande beträchtlich ansteigen. Trotzdem bleiben die Gesamtmengen bedeutend unter dem, was man nach dem Vorhergehenden erwarten könnte, zurück. Wir finden somit weder in der Kohlensäureproduktion noch in den Säuremengen, welche im Zustande der Cyanidvergiftung auf- treten, irgendeinen Anhaltspunkt dafür, dass die anaeroben Spaltungen in diesem Zustande in so erheblichem Maasse zunehmen, als die Oxydationen abnehmen. Zwar steigt die Bildung organischer Säuren zweifellos an, aber die Kohlensäure nimmt bedeutend ab, und wir sind nicht berechtigt, nach diesen Versuchen von einer Art von kalorischer Kompensation des Wegfalles der Oxydationswärme, von einem Ersatz durch diese zwei Haupttypen gärungsartiger Vor- gänge zu sprechen. Schluss. Die Versuche über Anoxybiose legten nahe, dass die Oxydationen nieht zu den unumeänglichen Bedingungen der Kontraktion gehören. Die Literatur !) besitzt, so weit ich sehe, bisher keine beweisenden Versuche hierüber, d. h. solche, in denen gleichzeitig die Arbeit gemessen und die Fehlergrenze für den O,-Verbrauch genügend bekannt war. Arbeit und Bewegungen pflegen noch wahrnehmbar zu sein, wenn die kalorisch entsprechenden O,-Mengen mehrere tausendmal kleiner als die eben messbaren Mengen sind. Es ist für die Theorie der Kontraktion von Belang, ob ihr Zustandekommen durch verschiedene Reaktionen vermittelt werden kann, oder ob in dieser Hinsicht eine Einschränkung besteht. Die gleichzeitige Messung von Arbeit und Gaswechsel ergab, dass erstere auch ohne letzteren existieren kann. Eine Einschränkung bezüglich der Quellen der Muskelkontraktion besteht also, was Oxy- dation und Kohlensäurebildung anlangt, nicht, oder vielmehr nur in zeitlichem Sinn: nach einer Stunde ist das Vermögen, ohne Gas- wechsel erheblichere Arbeit zu leisten, aufgehoben. Dies weist darauf hin, dass zwei Dinge stets zu unterscheiden sind: das, was die Muskelbewegung im Augenblick der Kontraktion einleitet und bedingt, und das, was die Tätigkeit auf die Dauer unterhält und zu 1) Vgl. z. B. Winterstein, Zeitschr. f. allgem. Physiol. S. 315 1907, hier auch Diskussion über die Hypothese der Ö,-Speicherung. (Die im Herzen physikalisch absorbierbare O,-Menge liegt weit unterhalb der Fehlergrenze in den vorstehenden Versuchen.) Ferner Lesser, Erg. d. Physiol. 1909 S. 742. “Arbeit und Gaswechsel am F'roschherzen. II. 143 dem dauernd unveränderten Gleichgewicht der. Funktion gehört. Nur dies zweite, nicht aber das erste scheint allerdings mit Oxydation untrennbar verknüpft zu sein. Wir sind aber nicht berechtigt, den weiteren Schluss zu ziehen, dass die Oxydations- energie auch im Normalzustand nicht, oder nicht sofort, in Arbeit verwandelt werde. Dass nun in dem ganzen Ablauf einer Muskelerregung den Öxydationen keine unmittelbar notwendige Rolle zukommt, dafür spricht ferner, dass in den Cyanidvergiftungen die elektrische Erreg- barkeit vom Grade der Vergiftung unabhängig, selbst bei vor geschrittener Herabsetzung auch der Arbeit und bei aufgehobener Atmung des Herzens unverändert gefunden wurde. Zum Beleg dienen folgende Reizschwellen für Induktionsreize bei einer bestimmten Reizfrequenz, ausgedrückt in Rollenabständen. Die Art der Reiz- zuleitung ist unter „Methodik“ beschrieben. I Buch | O,-Verbrauch | Reizfrequenz KON Nr. mm Sn | 115 | 21 99 ar II 115 0 92 San I 115 16 99 wi 5 99 v9 91 Kr Mi 99 9 91 m, 47. I 96-80 31 95 je 1 84 5 95 3000 IH 80 5 95 S000 IV 80 N) 95 Fu v. 82 2 25 | 5000 {2} Dass in anderen Versuchen die Reizschwelle um mässige Be- träge höher wurde (Rollenabstand sank), sprieht nicht gegen die Beweiskraft der mitgeteilten Versuche. Sinken der Erregbarkeit ist auch am unvergifteten Herzen ein gewöhnliches Vorkommnis, wie es z. B. in Periode I von Versuch Nr. 47 der Tabelle beobachtet wurde. Dieser Versuch ist bemerkenswert, weil es sich um eine 4 Stunden lang protrahierte inkomplette Oxydationshemmung handelte, bei der trotz schliesslich starker Abnahme der Arbeit die Reizschwelle konstant blieb. Man wird also danach den Erregungsvorgang, So- 144 Viktor Weizsäcker: weit er von elektrischen Reizen abhängt, ebenfalls innerhalb weiter Grenzen als von der Oxydation unabhängig ansehen müssen. Es mag noch darauf hingewiesen werden, dass Bethe') und Hill?) in neuerer Zeit die Anschauung vertreten, dass die Oxydationen bzw. Wärmebildung dem mechanischen Vorgang bei der Kontraktion nicht vorangehen, sondern nachfolgen. Ohne zu dieser Frage Stellung zu nehmen, können wir doch hervorheben, dass unsere Versuchs- resultate dieser Anschauung jedenfalls nieht im Wege sind. Bezüglich der Quelle der Arbeit im Cyanidversuche wird man sich gleichfalls negativ ausdrücken müssen: Sie ist keinesfalls aus- schliesslich Oxydationsenergie, keinesfalls ausschliesslich Energie aus mit CO,-Bildung oder Säurebildung einhergehenden Spaltungen. Sicher sind andere, physikalische oder chemische Vorgänge im Spiele, die der genannten Gruppe von Prozessen nicht angehören (bzw. dem Nachweis dadurch entgangen sind, dass ihre sauren Endprodukte nieht in die Ringer-Lösung übergingen). Methode. Da die Methode im Prinzip die in meiner früheren Mitteilung be- schriebene war, wird hier nur erwähnt, was inzwischen verbessert wurde. Statt des defibrinierten Blutes habe ich jetzt stets eine Sus- pension von einem Teil gewaschener Ochsenbluterythrocyten in zwei bis zehn Teilen Ringer’scher Lösung benutzt. Letztere wurde aus konzentrierten Salzlösungen und doppeltdestilliertem Wasser jedesmal frisch hergestellt, in einer von @öthlin®) angegebenen Zusammen- setzung. Die pro Versuchsperiode benutzte Menge von 5 eem „Blut“ wurde im Apparat von Barcroft und Haldane®) analysiert. Die gleiche Menge wurde in geschlossenem Gefäss während der Versuchs- zeit bei gleicher Temperatur aufbewahrt und gleichzeitig mit dem Versuchsblut analysiert; die Differenz beider an O, und CO, ergab die Atmung. Diese Kontrolle wurde bei sämtlichen Versuchsperioden durchgeführt: Nach dem Vorgange OÖ. Warburg’s?) wurde der OÖ, nieht mittels Ferricyanid, sondern dureh Absorption bestimmt. Die beeinflussenden Substanzen wurden aus Stammlösungen in 0,7 °o NaCl-Lösung hinzugefügt. 1) Pflüger’s Arch. Bd. 142 S. 291. 2) Journ. of Physiol. vol. 42 p. 1. 3) Skand. Arch. Bd. 12 S.1. 1902. 4) Neues. Modell. Brodie, Journ. of Physiol. vol. 39 p. 391. 5) Hoppe-Seyler’s Zeitschr. f. physiol. Chemie Bd. 69 S. 457. Arbeit und Gaswechsel am Froschherzen. II. 145 In sämtlichen Tabellen sind O, wie CO,-Werte nicht in ab- _ soluten Zahlen, sondern als Ablesungen in Millimetern des Barcroft- schen Apparates gegeben. Da der Fehler für Sauerstoff im all- gemeinen 1 mm nicht überschreitet, so lässt sich der Fehler für die verschieden grossen Ablesungen leicht übersehen. Über die CO;- Bestimmung s. unten. Das Volum der Apparate be- * trug zwischen 30,3 und 32,6 cem. Zur Analyse kamen 5 cem Blut und 3 eem Ammoniaklösung. Daher kann man ohne wesent- lichen Fehler von den Ab- lesungszahlen der Tabellen auf die absolute Menge Sauerstoff ___._... in Kubikzentimetern kommen, h, N 10 000 multipliziert. Die Temperatur betrug stets 13°. Alle sonstigen Korrekturen fallen weg, da die Zahlen stets das Ergebnis einer Differenzbestimmung, der Diffe- renz der Analyse von frischem und verbrauchtem Blut sind. Doch war eine besondere Tem- peraturkontrolle stets vor- handen. Der Durchspülungsapparat der früheren Mitteilung ist auf- gegeben worden zugunsten der abgebildeten Anordnung. Die Füllung des Raumes P ge- schieht durch Paraffnum liquidum, zum Zweck der Isolierung gegen Gasaustausch. Das Herz ist mit Ringer-Lösung befeuchtet und so durch eine dünne Schieht vom Paraffın getrennt. Ein in Ringer-Lösung getränkter Faden ist um die Ventrikelbasis seschlungen und führt durch das Paraffıin zu der einen Elektrode #.. Die Elektrode E, ist in die Durchspülungsflüssigkeit getaucht und besteht aus Platindraht. Die das Herz tragende Kanüle besteht, wie ) € --- - -----91 wenn man sie mit 146 Viktor Weizsäcker: der ganze Apparat, aus Glas und ist in das Gefäss P eingeschliffen. Das Blut wird '/—1l em hoch mit Paraffınunm liquidum über- schichtet (p). Dass dies einen Schutz gegen O,-Austausch mit der Luft gewährleistet, wurde in drei übereinstimmenden Versuchen fest- gestellt. Unter der Wasserstrahlpumpe bei 40° ausgepumptes Blut wurde in blindem Versuch (ohne Herz, statt dessen selbsttätiger Rührer in K‘) mehrere Stunden in der Kanüle unter Paraffın belassen und so- dann analysiert. Es ergab sich, dass der Abschluss nicht vollkommen ist, dass der Fehler aber weniger als 1°/o beträgt. Dasselbe wurde für die Kohlensäure festgestellt. Die Durehmischung der 5 eem Blut erfolgte anfangs durch einen selbsttätigen Glasrührer in k. Es zeigte sich später, dass die Herz- tätigkeit vollkommen genügte, diese Durchmiscehung aufrechtzuhalten. Stets wurden die ganzen 5 eem analysiert, so dass geringe Ungleich- heiten keinen Fehler machten. Das Quecksilbermanometer als Arbeitsmesser konnte auch als „einschenkliges Manometer“ verwendet werden, wenn nämlich sein dem Herzen zugewandter Spiegel in dem Gefässe % stand, wie dies in der Figur gezeichnet ist. Die Niveauänderung dieses Spiegels bei der Kontraktion war dann praktisch zu vernachlässigen. Der geringe dadurch entstehende Fehler wirkt im Sinne der Verkleinerung der wahren Arbeit. Die Berechnung der Arbeit einer Kontraktion erfolgt dann nach der Formel: r?n0 Ar 5 (h?—h1?). Dabei ist r?7r der Manometerquerschnitt, o — spez. Gewicht von a 38 Figur, h, = Exkursion des Schreibhebels + h, in Millimeter. Die Exkursionen der Fahne sind nach unten gerichtet. Natürlich ist bei geringerer Füllung mit Quecksilber das Mano- meter auch als zweischenkliges zu gebrauchen. Bei gleicher Ex- kursion und gleichem Anfangsdruck ist die Arbeit dann doppelt so gross wie bei einschenkliger Anordnung. Der Durchmesser des Manometers betrug bei verschiedenen Apparaten 3—5 mm. Seine Füllung und damit der den Ventrikel belastende Druck, genauer die zwischen Innen- und Aussenfläche bestehende Druckdifferenz wurde von dem Reservoir R aus durch eine Schraube reguliert. Hg, h, + A, in Millimeter entsprechend den Angaben der Arbeit und Gaswechsel am Froschherzen. II. 147 War eine Periode beendet, so wurde mittels dieser Einrichtung der Aussendruck höher als der Innendruck gemacht, das Herz derart völlig entleert und aus der Kanüle % das Blut in der Weise ent- nommen, wie man dies auch bei der Straub’schen Kanüle zu tun pflegt, und durch neues Material ersetzt. Wie früher, wurde auch in diesen Versuchen bei Zimmertemperatur und in allen Perioden konstanter Frequenz sowie konstantem Druck gearbeitet. Wo Tonus- änderungen !) des Herzmuskels stattfanden, bin ich davon ausgegangen, dass wir über den Einfluss eines veränderten Druckes auf den Stoff- wechsel etwas wissen, von Beziehungen zwischen Stoffwechsel und bei gleichem Druck verändertem Volum aber nichts wissen. Deshalb habe ich vorgezogen in solchen Fällen nicht konstantes Volum, sondern konstanten Druck in den Vergleichsperioden anzustreben. Bei der Cyanvergiftung kommen höchstens sehr geringe Tonus- abnahmen in Betracht, besonders, wenn hoher Druck besteht. Der Anfangsdruck wurde mindestens so hoch gewählt, dass die Zusammenziehung eben noch vollständig war. Eine Abschwächung der Kontraktilität musste daher stets in einer unvollständigen Ent- leerung erkennbar werden. Die beeinflussenden Substanzen mussten sich demnach in dem System: Paraffın, Ringer- Lösung, Erythrocyten, Herzmuskel, ver- teilen. Die in den Tabellen vermerkten Konzentrationen der Gifte beziehen sich auf die Volumeinheit der „Blut“mischung; in welcher Konzentration sie aber in Wirklichkeit nach Einstellung des Gleich- gewichtes die Muskelzellen umspülte, und wann dies Gleichgewicht eintrat, ist nieht zu übersehen, und quantitative Beziehungen zwischen Konzentration und Wirkung sind daher nicht aufzustellen. Über die Genauigkeit der Arbeitsmessung lässt sich so viel sagen, dass die Exkursionen des Schwimmers 0,5—2 cm betragen, also auf mindestens 5/0 genau messbar sind. Ferner sind die Reibungsverluste durch Vermeidung aller Ventile jetzt äusserst reduziert, bis auf die nie zu umgehende Kanüle die im ÖOstium atrio-ventriculare eingebunden ist, und die je nach der Herzgrösse tunlich weit gewählt wird und ganz kurz ist. Bei niedrigen Belastungen wird ein kleiner Fehler dadurch entstehen, dass der letzte Teil der Austreibung nicht stattfinden kann, weil die Kanüle einen Bruchteil des Herzinnern ausfüllt. Bei höheren 1) Die Frequenz war stets so langsam, dass zwischen zwei Systolen ein horizontales Kurvenstück lag (20—25 pro Minute). Unter Tonus ist daher hier die Dehnungskurve des ruhenden Herzens zu verstehen. Vgl. OÖ. Frank, Die Wirkung von Digitalis usw. Gesellsch. f. Morph. u. Physiol. München 8. 6 Sep.-Abdr. 1897. 148 Viktor Weizsäcker: Drucken wird dieser Fehler allmählich — 0. Immer wirkt er im Sinn einer Ver- kleinerung der wahren Arbeit. Hervorzuheben ist ferner, dass allen Arbeits- messungen am Froschherzen ein Fehler inhäriert, den keine Methode eliminieren kann; dies ist der Reibungsverlust in den zahlreichen, bis zum Epikard in radiärer Richtung fortgesetzten Spalträumen des Herzens selbst. Eine Vorstellung von diesen gibt die Angabe, dass ich in einem Meridionalschnitt eines in Paraffın eingebetteten Herzens nicht weniger als 120 Spalten gezählt habe, die, über- wiegend in radiärer Anordnung bis an die Peripherie des Herzens reichend !), nebeneinander in dieser einen Schnittebene lagen. Da die Länge der Peri- pherie etwa 11 mm betrug, so kommen auf 1 mm 10 solcher kapillärer, blut- gefüllter Spalten. Das Herz befand sich in diesem Präparat in annähernd kon- trahiertem Zustand. Dass dieser im Herzinnern stattfindende Reibungsverlust den Fehlern meiner Anordnung gegenüber wesentlich, vielleicht überwiegend ins Ge- wicht fällt, ist kaum zu bezweifeln. — Alle diese Fehlerquellen wirken also im Sinne einer Verkleinerung der wahren Arbeit, ein Umstand, der für das Vorhergehende von einer gewissen Bedeutung ist. Das gilt für die Reibungs- verluste ebensosehr wie für die Vernachlässigung der Niveauänderung des Queck- silberspiegels beim einschenkligen Manometer (s. 0.). Ein Teil dieser Fehler wird vielleicht dadurch ausgeglichen, dass die „elastische Arbeit“ ?) nicht bestimmt und nicht abgezogen wurde. Eine kurze Erörterung verdient hier auch die Frage, ob dieser eigenartige Maschenbau mit vielleicht sogar überwiegend radiärer Faseranordnung auch abgesehen von der Reibung sich mechanisch anders verhält wie ein Hohlmuskel mit überwiegend zirkulärem Fasersystem (z. B. Warmblüterherz). Hier zeigt zunächst eine einfache Überlegung, dass bei gleichem Volum und gleichem Druck beide Fasersysteme dasselbe Schlagvolum mit derselben Arbeit fördern. Dagegen sind die Beziehungen zwischen Druck und Faserspannung bei beiden Muskel- arten völlig verschiedene. Z. B. gelten Überlegungen die ich früher 2) über diesen Punkt ausstellte, ausdrücklich nur für ein zirkuläres System, also schwerlich auch für das Froschherz. Für die Beziehung zwischen Volum und Faserlänge aber besteht ein solcher prinzipieller Unterschied nicht, und die Betrachtungen Franks?) hierüber gelten, obwohl auch sie ein zirkulär geordnetes System zugrunde legen, auch für ein radiäres. Wenn auch der anatomische Bau des Froschherzens noch nicht hinreichend geklärt ist: dass das mechanische Prinzip seiner Tätig- keit ein grundsätzlich abweichendes ist, dürfte schon nach den Studien von Gompertz ausser Zweifel stehen. Die ausserordentliche Verzweigtheit des Maschensystems sichert dem Frosch- herzen gegenüber dem Skelettmuskel erhebliche Vorzüge für Stoffwechselversuche. Es gibt Herzen, deren Arbeit und Gaswechsel in den ersten 3—4 Stunden sich nicht ändert. Als Beispiel führe ich den Versuch der Tabelle V an. 1) In der vorzüglichen Darstellung von Gompertz, Du Bois’ Arch. 1884 wohl nicht genügend betont. 2) Pflüger’s Arch. Bd. 140 S. 135. 1911. 3) Zeitschr. f. Biol. Bd. 41 8. 24 ff. Arbeit und Gaswechsel am Froschherzen. II. 149 Bei anderen Herzen bemerkt man von Anfang an einen mässigen Abfall, der die Arbeit wohl in der Regel mehr betrifft wie die Atmung. Experimentelle Einwirkungen sollten daher womöglich von einer Normalperiode gefolgt sein zur Trennung der Absterbe- erscheinungen von den gewollten Veränderungen. Tabelle V. Zahl Periode Arbeit 0, Co, Dauer der Kontrak- mm mm Minuten tionen I 2260 30 238 40 1000 I 2430 29 3 40 1000 III 2430 30 35 40 1000 IV 2310 28 35 40 1000 V 2110 28 26 40 1000 Die Versuche sind ausnahmslos bei Zimmertemperatur (12—16 °) angestellt, und zwar in einem Kellerraum von verhältnismässig niedriger und konstanter Temperatur. Fast alle Versuche sind in den Monaten Februar bis Mai ge- macht, an einheimischen und ungarischen Tieren, Eskulenten und Temporarien beiderlei Geschlechts. Das Gewicht des Ventrikels betrug 0,1—0,2 g. Prinzipielle Unterschiede in den Eigenschaften, auf die es hier ankam, habe ich bei diesen verschiedenen Tiersorten nicht bemerkt. Im folgenden gebe ich methodische und protokollarische Details wieder, die des Zusammenhanges wegen im vorhergehenden weg- gelassen wurden. Zu Tabelle I. Der Anfangsdruck in diesen Versuchen betrug 3—5 mm Hg; er war nicht in allen Versuchen gleich hoch, aber in einem Versuch stets konstant. Die Pause zwischen je zwei Perioden zur Entnahme der verbrauchten und Zufügung der frischen Durch- spülungsflüssigkeit betrug 2—4 Minuten. Verhältnis der Erythrocyten zu Ringer-Lösung = 1:2. Zu Tabelle II. Hier wurde der Anfangsdruck in einzelnen Versuchen höher, bis zu 12 mm Hg gewählt, um die Arbeit pro Kontraktion zu erhöhen und das Verhältnis zwischen Arbeit und Oxy- dation zugunsten der Arbeit zu erhöhen. Es schien allerdings, dass die Folge ein rascheres Absinken der Kontraktionen war. Die Umrechnung der Arbeit in Mikrokalorien bedarf keiner Er- läuterung. Der Sauerstoffverbrauch wurde so veranschlagt, als ob Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd. 147. hl 150 Viktor Weizsäcker: 1 g 0, 3,5 Kalorien geliefert hätte (vgl. die I. Miteilung S. 458). Da dies ein Maximalwert ist, so konnten die Zahlen des Stabes 3, wenn falsch, nur zu gross ausfallen. Die Fehlergrenze für O, ist 23,51 10000. entsprach, diese aber einer Wärmetönung von 12 Mikrokalorien, so . entsprieht 1 mm Ablesung 12 Mikrokalorien. Da, wo kein Sauerstoff- verbrauch nachweisbar war, habe ich ihn, der Fehlergrenze ent- sprechend, zu 12 Mikrokalorien angenommen (Versuch Nr. 57 und 58). Die Werte für die Arbeit bezeichnen in dieser wie in den anderen Tabellen natürlich die Summe der Arbeit einer Periode. Die Arbeit pro Kontraktion pflegte in den Normalperioden nieht oder sehr wenig zu sinken; bei starker Oxydationshemmung pflegt die Arbeit am Anfang normal zu sein, früher oder später aber stark und ganz gleichmässig abzusinken. Wenn die Arbeit sehr klein wurde, so wurde der Versuch meist abgebrochen, obwohl die Kon- traktionen noch 30—100 Minuten weitergingen. Der Satz also, dass Arbeit ohne Sauerstoff nur 1 Stunde lang möglich war, heisst genauer: Arbeit, dienachweislich den kalorischen Wert der Verbrennungen übertraf, wurde unter den gegebenen Bedingungen von Druck, Frequenz und Temperatur eine Stunde lang ohne genügende Oxydation geleistet. Es ist möglich, dass eine sehr kleine Arbeit noch viel längere Zeit ohne entsprechende Oxydation geleistet wird. Tabelle IV. Verhältnis von Erythroeyten: Ringer in diesen Versuchen —= 1:10. Die Kohlensäurewerte entsprechen, wie die des Sauerstoffes, der Differenz zweier Analysen: des frischen und des verbrauchten Blutes. Die Genauigkeit wurde durch stärkere Ver- dünnung der Erythrocyten und spärlichen Bikarbonatzusatz zur Ringer-Lösung erhöht, weil dann der gesamte CO,-Gehalt des „Blutes“ geringer wurde. Wurde aber dieser geringer, so betrug die CO,-Produktion einen grösseren Prozentsatz der vorhandenen Gesamtmenge, die Differenz der zwei Analysen wurde relativ grösser. Die absoluten Werte in Kubikzentimetern CO, erhält man 31,5 10 000° Die Genauigkeit lassen folgende Zahlen auizor CO,-Bestimmungen - ein und desselben Blutes ermessen: Analyse’... ; Il 2 3 4:5 CO, Millimeter Ablesine SON E77 376 2708 1 mm Ablesung; da 1 mm einer Sauerstoffmenge von ccm dureh Multiplikation der Millimeterablesung mit -- Arbeit: und Gaswechsel am Froschherzen. II. 151 Die Unterschiede betragen somit bis 4 mm Ablesung. Die respira- torischen Quotienten überschreiten in meinen Versuchen die Eins fast stets um ein geringes. Doch glaube ich, dass zu einer Dis- kussion dieses Umstandes die Versuchsgenauigkeit bisher nicht, aus- reicht. Zu Tabelle V. In diesen Versuchen wurde das Herz zunächst mit Ringer gründlich leergespült und bei sonst unveränderter An- ordnung nur mit 5 cem Ringer-Lösung von bekanntem Bikarbonat- gehalt versorgt. Die Ringer-Lösung wurde nicht mit Paraffın überschichtet; vielmehr perlte durch eine geeignete Vorrichtung während des ganzen Versuches Luft durch dieselbe. Damit wurde erreicht: 1. hinreichende Sauerstoffzufuhr, 2. fort- gesetzte Abfuhr der CO,, die von den gebildeten und in die Ringer- Lösung eintretenden Säuren aus dem Bikarbonat freigemacht war. Vor der Analyse wurde die Lösung nochmals gründlich mit Luft bis zum Gleichgewicht geschüttelt. Es wurde bestimmt (durch Zufliessen- lassen der Weinsäure in Barcroft’s Apparat; die Überschichtung mit Ammoniak bleibt natürlich weg): 1. der Bikarbonatgehalt der frischen, 2. der Bikarbonatgehalt der verbrauchten Ringer- Lösung. Der zweite Wert war, je nach Maassgabe der vom Herzen pro- duzierten Säuren, der kleinere. Die Differenz beider Ablesungen ergab das CO,-Äquivalent der in die Ringer- Lösung übergegangenen stärkeren Säuren. Um die Brauchbarkeit dieser Methode zu ermitteln, wurde der Versuch durch künstlichen Zusatz von bekannten Mengen Oxalsäure zu Ringer-Lösung und nachfolgendes Schütteln mit Luft nach- geahmt. Es ergab sich in Doppelbestimmungen: CO, (aus NaHCO,) RE: CO,-Differenz Nr. vor dem Zusatz | nach dem Zusatz | = Me on Oealänre gefunden | berechnet a) 104 104 57 56 47,5 50 b) 895 89 68 69 26 25 Die auf diese Weise bestimmte Menge von Oxalsäure betrug 0,439 mg (a) und 0,219 mg (b). Um den an sich schon unwahrscheinlichen Übergang der or- ganischen Säuren in das das Herz umgebende Paraffın wenigstens LINZ 152 Viktor Weizsäcker: Arbeit und Gaswechsel am Froschherzen. II. für die Milchsäure auszuschliessen, wurde der Verteilungsquotient für Milchsäure zwischen Paraffın und Wasser bestimmt (titrimetrisch). ı! Bei diesen Versuchen wurde der Sauerstoffverbrauch nicht ge- messen. Man weiss also nur per analogiam, dass die Atmung gehemmt war. Unter diesen Umständen wird auffallen, dass gerade in diesen Versuchen die molaren Konzentrationen des Cyankalis niedriger gewählt waren als die, welche sonst völlige oder fast völlige Es zeigte sich, dass derselbe nicht grösser sein kann als Öxydationshemmung bewirkten er 5)" Trotzdem war die Hemmungs- 2000 wirkung auf die Arbeit ebenso stark oder stärker wie in den Ver- suchen mit er. die mit Erythrocyten angestellt sind, und es darf dementsprechend angenommen werden, dass auch hier die Oxydations- hemmung komplett war. Die geringere Giftigkeit der Erythrocyten- suspension beruht zum Teil sicher darauf, dass die Erythroeyten das Gift speichern, und dass daher die Konzentration in der umgebenden Ringer-Lösung in Wirklichkeit kleiner wird als die berechnete. Nach einer Angabe, die ich Herrn Dr. Warburg verdanke, kann man annehmen, dass 1 Volum Erythrocyten das Mehrfache an Blau- säure enthält von 1 Volum Ringer-Lösung, wenn Erythrocyten und Ringer-Lösung im Gleichgewicht sind. 153 (Aus dem pharmakologischen Institut der Reichsuniversität Utrecht.) Physiologische Wertbestimmung am Dünndarm (nebst Beiträgen zur Wirkungs- weise des Pilokarpins). Von Dr. P. Neukirch. (Mit 14 Textfiguren.) Einleitung. Nachdem in den letzten Jahren das Herz, der Uterus und die Blutgefässe von Warmblütern im überlebenden Zustande mit Erfolg zu physiologischen Wertbestimmungen von Giften und Arzneimitteln verwendet worden sind, erschien es wünschenswert, auch den Darm zu diesen Prüfungen zu benutzen; denn jedes neue Prüfungsmittel erhöht die Genauigkeit der Ergebnisse. Der Darm erschien besonders geeignet, weil sich von einem einzigen Tiere eine grosse Anzahl von brauchbaren Darmschlingen gewinnen lassen. Bei der Ausarbeitung dieser Methode bediente ich mich wegen seiner starken Wirksamkeit und leichten Dosierbarkeit des Pilokarpins und konnte dabei eine Reihe von Beobachtungen über den Wirkungs- mechanismus dieses Giftes am Darme machen, welche im folgenden mitgeteilt werden sollen. Methodik. Mehrere Hindernisse standen den Untersuchungen zunächst im Wege: der Katzendarm, über dessen Verhalten als isoliertes Organ am meisten bekannt ist?!), war nicht zu verwenden, da seine Tätigkeit in Ringer’scher Salzlösung sich aus Pendelbewegungen verschiedener Grösse und aus irregulären Tonusschwankungen zusammensetzt ?). 1) R. Magnus, Versuche am überlebenden Darme von Säugetieren. I. Mitt. Pflüger’s Arch. Bd. 102 S. 123. 1904.- 2) In neuester Zeit hat Cannon abgezogene zentrenhaltige Längsmuskel- streifen vom Katzendarm zum Nachweis des Adrenalins im Cavablut benutzt. Hier handelt es sich um Hemmung der Bewegungen, die auch dann sichtbar ist, wenn die Kontraktionen vorher in der Normalperiode unregelmässig gewesen sind. 154 P. Neukirch: Anders der Kaninchendarm. Dieser führt besonders bei Längs- muskelschreibung und geeigneter Hebelbelastung in Ringer-Lösung unter O,-Zufuhr ganz regelmässige Kontraktionen aus, etwa 9—14 pro Minute. Die Fusspunkte der Kurve liegen genau auf einer Horizontalen. Lässt man den Darm, der dem frisch getöteten Tiere entnommen ist, ohne weiteres in Ringer’scher Flüssigkeit arbeiten, so sieht man sehr oft eine allmähliche Ab- oder Zunahme des Tonus einsetzen, zuweilen kommt es auch nach. 1—2 Stunden zum völligen Stillstand. Das bessert sich erheblich, wenn man den Darm vor dem Versuche mit Ringer-Lösung ausspült. Nach Ent- fernung des Darminhaltes erhält man so bereits Präparate, die stundenlang den Tonus bewahren. Aber auch auf diese Weise konnte oft nur eine unregelmässige Aktion (Fig. 1) registriert werden. Und selbst bei regelmässigen Kontrak- tionen trat schon nach etwa 1Stunde ein bedeutendes Nachlassen der Amplitude und nach ea. 2—3 Stun- den völliger Stillstand ein. Um diesen Fehlern aus dem Wege zu Fig. 1. I März 1911. Kaninchen- gehen, musste man sich nach darm in Ringerlösung ca. '/g Stunde post mortem. Unregelmässige Aktion, einer geeigneteren Nährflüssigkeit zu feineren Untersuchungen unbrauch- Zeit 177. umsehen. Diese fand sich in der von Tyrode!) angegebenen Lösung, welche im hiesigen Institut von De Heer’) angewendet worden ist. Die Zusammensetzung?) dieser Lösung ist folgende: Nacl. 22,80 MsC, . . 01 Dextrose . 1,0 KO 21002 NaH;PO, . 0,05 Aq. dest. . 1000,0 Bach ara 02 NaHC0O,. . 1,0 bar. 1) M. V. Tyrode, The mode of action of some purgative salts. Arch. int. de Pharmacodyn. vol. 20. 1910. 2) J. L. De Heer, Zur Theorie der abführenden Wirkung von Magnesium sulfat. Arch. int. de Pharmacodyn. vol. 21. 1911. 3) Eine ähnliche Flüssigkeit ist übrigens bereits 1902 von Friedenthal an- gegeben worden (Verhandl. d. Berl. physiol. Gesellsch. 1902/1903). Sie hat folgende Zusammensetzung: NaCl. 2.08 1,6.0 Ca(HzPO,) - 0,3 NaHC0, . 40 Glukose . . 2,0 Kell. 2.903 Ag. dest... . 1000,0 Physiologische Wertbestimmung am Dünndarm etc. 155 Es ergab sich, dass die Tyrode’sche!) Flüssigkeit bei Ver- suchen am isolierten Kaninchendarm sehr grosse Vorzüge vor der Ringer’schen Lösung besitzt. Der isolierte Darm verzeichnet be- sonders bei Längsmuskelschreibung in Tyrode’s Flüssigkeit absolut regelmässige Kurven von solcher Konstanz, dass selbst nach 4 Stunden nur wenig Abnahme der Hubhöhe zu konstatieren ist und dass er 3 Stunden nach Beginn des Versuches bei strengen Anforderungen zu pharmakologischen Prüfungen verwendet werden kann (Fig. 2). An solchen Objekten lassen sich selbst kleine Abweichungen im Tonus und allgemeinen Typus der Kurve mit Sicherheit erkennen. Die Aufbewahrung der zu verwendenden Darm- schlingen geschieht am besten bei 23—30° Därme, die ausgespült und bei solch niedriger Temperatur unter geringer Sauerstoffzufuhr in Tyrode’scher Flüssigkeit a b Fig. 2. 20. Mai 1911. «a Darm 25’ post aufbewahrt werden, unter- mortem, 10’ nach der Einspannung in den scheiden sieh etwa 3 Stunden Apparat: Regelmässige Kontraktionen. b Der- selbe Darm 1h 35’ später. Dieselbe regel- lang nicht merklich von frisch mässige Tätigkeit. Bei (1) dreimaliger Ersatz der halben Flüssigkeit. Keine merkliche dem eben getöteten Tiere ent- Andere de Kurve! nommenen. Mit Hilfe dieser Kaltaufbewahrung kann man also jedenfalls bis zu 6 Stunden nach dem Tode des Tieres tadellos erregbare Präparate erhalten. Längere Zeiten kamen für meine Versuche nicht in Betracht. Werden die Schlingen bei 39° unter sonst gleichen Bedingungen aufgehoben, so sind sie nach etwa 3 Stunden unbrauchbar. Für die Versuche bewährte sich folgende Einrichtung (Fig. 3a). In einem 1,3 1 fassenden Becherglas werden mittels eines entsprechend durchbohrten Metalldeckels drei je 100 eem fassende zylindrische Glasgefässe (Fig. 3b) befestigt. Am Boden der Gefässe befindet sich je ein Glashaken zum Befestigen der Darmschlingen, ferner die Ein- mündungen zweier feiner Glasröhren, deren eine zum Finleiten von O,, die andere zum Absaugen des Inhaltes dient. Die Kontraktionen 1) Bei der Herstellung der Lösung werden NaCl, KCl, CaCl,, MgCl, und Dextrose zuerst in 800 H,O völlig gelöst, dann die in den übrigen 200 HsO voll- kommen gelösten NaHCO, und NaH,;PO, langsam hinzugefügt. Am besten hält man 5—10°/o ige Stammlösungen der Substanzen vorrätig. 156 P. Neukirch: der drei in den Gefässen befestigten etwa 2—3 em langen Darm- stückchen !) werden mittels einfacher Schreibhebel am langsam laufenden Kymographion?) registriert. Die Belastung der Schlinge betrug ca. 1,0 g. Die Temperatur wurde mittels eines Thermo- regulators konstant auf 38° gehalten. Auf diese Weise gelingt es, den Darm stundenlang völlig gleich- mässige unveränderte Kontraktionen (Fig. 2) ausführen zu lassen, welche mit ‚solcher Regelmässigkeit ablaufen, dass die kleinsten Abweichungen auf der Kurve sofortzuerkennen sind. Dieses Objekt ist daher bei seiner grossen Empfindlichkeit zu physiologischen Wertbestim- mungen gut geeignet. b 1 2 Fig. 3a. Versuchsanordnung, um gleichzeitig Fig. 3b. Versuchsgefäss die Kontraktionen von 3 Darmschlingen zu von 100 cem Inhalt. 7 Sauer-. registrieren. 1 Wasserbad, 2 Thermoregulator, stoffzufuhr, 2 Absaugröhr- 333V ersuchsgefässe, 4 Sauerstoffzufuhr, 555 Ab- chen, 3 Haken zur Be- saugröhrchen, 6 66 Schreibhebel. festigung der Darmschlinge. Versuche mit Pilokarpin. 1. Nachdem in einer Anzahl Versuche die Konstanz im Tonus, der Schnelliskeit und Ausgiebigkeit der Kontraktionen des in Tyrode’scher Flüssigkeit arbeitenden Kaninchendünndarms_fest- gestellt war, wurden die zur Erzielung einer Pilokarpinwirkung nötigen Minimaldosen bestimmt. In mehreren Versuchen wurde fest- 1) Es wurden immer solch kurze Darmschlingen verwendet, damit die Masse des vergifteten Organs gegenüber der konstanten Flüssigkeitsmenge von 100 cem möglichst wenig in Betracht kommt. 2) Alle Kurven sind bei einer Trommelgeschwindigkeit von 3—20 mm pro Minute geschrieben. Physiologische Wertbestimmung am Dünndarm etc. 157 gestellt, dass ein Zusatz von 0,02 mg Pilokarpin. hydrochl. auf 100 cem Flüssigkeit!) eine sichere (Fig. 4c), eine solche von 0,01 mg (Fig. 4b) noch eine deutliche Tonuszunahme des Darmes hervorruft; es entspricht das einer Verdünnung von !ıoo00000. Bei einer Ver- dünnung von !/20000000 war meist noch eine minimale Wirkung zu erzielen (Fig. 4a); bei einer Verdünnung von !/4o 000000 war niemals ein Effekt zu sehen. Ian Fig. 4a. 18. Mai 1911. Kaninchen, 11h getötet. 12%: Zufuhr von 0,005 mg Pilokarpin. Fast keine Wirkung. (Auf !/a verkleinert.) Fig. 4d. 28. März 1911. Kaninchen um 3h getötet. 34.30’: Nach Normal- periode Zufügung von 1 mg Pilokarpin. Tonuserhöhung ohne wesentliche Ver- änderung von Rhythmus und Amplitude. (Auf "/a verkleinert.) ıldı Fig. 4b. 15. Juni 1911. Kaninchen, 10h 15’ getötet. 10h 35’: 0,01 mg Pilokarpin. Eben wirksam. (Auf !/e verkleinert.) Fig. 4e. 20. Mai 1911. Kaninchen, 10h getötet. 10h 30’: 1 mg Pilo- karpin bewirkt Tonuserhöhung und Fig. 4c. 18. Mai 1911. Kaninchen, Irregularisierung; dann Absinken fast 11h. getötet. 12h: 0,02 mg Pilokarpin. zum Ausgangstonus. Deutlich wirksam. (Auf !/e verkleinert.) (Auf !/a verkleinert.) Bei näherer Betrachtung lässt sich die Pilokarpinwirkung am sorgfältig ausgespülten in Tyrode’scher Flüssigkeit arbeitenden Darm folgendermaassen charakterisieren: Bei kleinen Dosen (0,01—1,0 mg) steigt der Tonus des Darmes oft so an, dass Kopf und Fusspunkte etwa gleichviel gehoben werden $ 1) Wenn nichts weiter angegeben, sind die angegebenen Dosen stets zu einer Flüssigkeitsmenge von 100 ccm zugefügt. 158 P. Neukirch: (Fig. 4e, d, e). Dabei bleibt die Amplitude wenigstens annähernd der früheren gleich; mit anderen Worten: die Erschlaffungstendenz ist noch nicht eingeschränkt. Der Tonus sinkt nach einigen Kon- traktionen etwas ab und bleibt dann meist stundenlang auf derselben, gesen früher etwas gehobenen Tonushöhe bei regelmässigen Kon- traktionen. Zuweilen drückt sich die Erregung in einer Vergrösserung der Kontraktionen bei gleichbleibenden Fusspunkten aus (Fig. 4b). Bei grösseren Dosen, als grösste wurde 50 mg, das 5000fache der Minimaldose angewendet, tritt nach einer maximalen Tonuszunahme Fig.4f. 20. Mai 1911. Kaninchen, Fig. 4g. 20. Mai 1911. Kaninchen, 10h 15’ getötet. 10h 35’: Wir- 10h 15’ getötet. Derselbe Darm kung von 50 mg Pilokarpin (7). 1 20’ später: Irreguläre Tätigkeit Maximale Tonuserhöhung. Dann bei sehr erhöhtem Tonus. (Zeit 10'.) etwas Absinken bei Irregulari- (Auf !/a verkleinert.) sierung der Tätigkeit. (Zeit 10”.) (Auf !/a verkleinert.) (Fig. 4f) ebenfalls geringes Absinken ein. Dann bleibt der Tonus unverändert auf seiner gesteigerten Höhe (Fig. 4g) — als Maximum wurden 5 Stunden beobachtet —, ebenso wie der unvergiftete Kontroll- darm seinen normalen Tonus behält (Fig. 2). Was den hochgradig (10—50 mg) vergifteten Darm häufig vom schwach vergifteten unter- scheidet, ist die Abnahme der Erschlaffungstendenz: die Fusspunkte rücken den Scheitelpunkten nahe. Es kommt zum Tetanus (Fig. 9a). Setzt der Darm doch noch seine Bewegungen fort, so werden diese oft unregelmässig (Fig. 4g u. Fig. 10). Oft sieht man eigenartige, ganz regellos erscheinende Wellensysteme sich in fast gleicher Weise wiederholen. Auch eine derartige Tätigkeit nähert sich aber all- Physiologische Wertbestimmung am Dünndarm etc. 159 mählich mehr und mehr dem tetanischen Zustand. Gerade bei mit hohen Dosen vergifteten Därmen kommt es öfters vor, dass der Tonus nach dem maximalen Anstieg wieder auf ein relativ niedriges Niveau sofort herabsinkt (Fig. 9a) oder auch im Laufe von Stunden herab- geht; doch kann das nicht als allgemeine Regel bezeichnet werden. Wir sehen demnach, dass von der minimal wirksamen Dosis an bis zur 5000 mal grösseren das Wirkungsbild durch die Erregung beherrscht wird, während Lähmungserscheinungen nicht mit Sicherheit festzustellen sind. Die Erregung kann sich äussern in einer Ver- erösserung der Kontraktionen, in Zunahme des Tonus, in Dauer- verkürzung. Der Frregungszustand dauert an, solange der Darm mit Giftlösung in Berührung ist. Er kann (aber muss nicht) während der Dauer der Vergiftung an Intensität abnehmen. Gewöhnlich bleibt nach einer anfänglichen starken Erregung ein mittlerer Er- reeungszustand bestehen. 2. Nachdem so das Normalverhalten des mit. Pilokarpin ver- eifteten Kaninchendarmes festgestellt war, galt es, etwas über den Mechanismus der Vergiftung zu erfahren und zunächst die Frage zu lösen, ob die Vergiftung reversibel ist. — Rat Es stellte sich heraus, dass dies tatsächlich der Fall ist und dass, . wenn die pilokarpinhaltige Salzlösung durch frische ersetzt wird, die Darmkontraktionen allmählich wieder normal werden. Nach den Vergiftungen mit kleineren Dosen (0,01—0,05 mg) gelingt das mit Leichtigkeit, und es ist ein zweimaliger Wasserwechsel dazu genügend. Bei den Vergiftungen mit den grössten Dosen muss die Flüssigkeit im Laufe einer Stunde häufig gewechselt werden, bis die letzten Spuren. der Wirkung verschwinden. Fig. 9 zeigt einen solehen Auswaschversuch, und man sieht auf Abschnitt d, dass der Darm wieder die gleichen Kontraktionen ausführt wie in der Normal- periode (Fig. 9a) und dass er auf !/ıo mg Pilokarpin (!/soo der zuerst verwendeten Dosis) wieder deutlich anspricht. 3. Bei den Versuchen, die Reversibilität festzustellen, fiel als- bald die merkwürdige Tatsache auf, dass beim Ersatz der gift- haltigen Flüssigkeit durch frische Nährlösung die Darmschlingen wider Erwarten eine oft beträchtliche Tonuszunahme zeigten, fast so, als habe man eine erneute grosse Pilokarpindose zugefügt. Diesem Phänomen wurde nachgegangen, und es ergab sich folgendes: Die höchsten Anstiege beim Wasserwechsel traten dann 160 — P. Neukirch: auf, wenn die ursprüngliche Giftdose sehr hoch, der Tonus des Darmes aber vom Maximum bereits wieder entfernt war '). -Die Analysierung des Phänomens und völlig sichere Feststellung seiner Vorbedingungen stiess auf einige technische Schwierigkeiten. Wechselt man die Nährflüssigkeit vollkommen, so treten durch Ge- wichtsvermehrung des nunmehr in der Luft hängenden Muskels, durch Abkühlung usw. unberechenbare Reize auf, und auch unvergiftete Därme erfahren regelmässig eine Tonusänderung. Das kann man vermeiden, entweder indem man grosse Gefässe nimmt, und- an einer dem Präparat entfernten Stelle alles über dem- selben stehende Wasser mit einer Saugflasche vorsichtig entfernt und frische Flüssigkeit nachher aus einer anderen Saugflasche behutsam zufliessen lässt, oder indem man die oben beschriebenen 100 eem- Gefässe mit Absaugevorrichtung benutzt (Fig. 3b). Die Ersatz- flüssigkeit lässt man auch hier am besten mittels eines Schlauches und bei geringem Gefälle aus einer Spritzflasche zufliessen ?). Bei diesem Verfahren wurde unter 14 Versuchen an sechs Normaldärmen nur bei einem Darm ein geringer Anstieg beim Wechsel der Nähr- flüssigkeit beobachtet. In den übrigen Versuchen ergaben sich keine Änderungen (Fig. 2b). Nahm man dagegen den Wasserwechsel bei Präparaten vor, welche längere Zeit unter der Einwirkung von 50 mg Pilokarpin gestanden hatten, so erfolgte in elf Versuchen regelmässig ein deutlicher Tonusanstieg. Bei geringeren Dosen wuchs die Zahl der negativen Versuche auf Kosten der positiven, wie folgende Tabelle zeigt: Die Auswasch-Erregung war nach Zusatz von 50 mg | 25 mg | 10 mg | 5 mg | 1.mg | 0,5 mg | 0,1 mg | 0,02mg —— 5 = Pilocarp. hydrochl. Bositivisen. 11 1 1 1 1 _ il —_ Fraglich . . — — a 1 1 N Er ee Negativ . . — — — 1 — 2 3 1 Die frisch hinzugegossene Flüssigkeit muss genau die gleiche Temperatur wie die im Versuchsgefäss befindliche haben, da bei An- 1) Denn eine maximal kontrahierte Darmschlinge kann sich nicht weiter kontrahieren. 2) Diese Manipulation wird am besten zwei- bis dreimal wiederholt. Physiologische Wertbestimmung am Dünndarm etc. 161 wendung kühlerer oder wärmerer leicht Tonnsänderungen eintreten können. Bei den aufgezählten Versuchen wurde überall unter Be- rücksichtigung der oben erwähnten Vorsichtsmassregeln verfahren. Die Fig. 5, 6, 7, Sb, 9b und e veranschaulichen den Vorgang besser als lange Schilderung. Man sieht, dass der Anstieg entweder ganz Fig. 5. 24. März 1911. Kaninchen, 105 30’ getötet. Wiederholte. kleine Pilo- karpindosen und Auswaschen derselben. 4h 35’: 1 mg Pilokarpin. 4h 50': Dreimaliger halber Wasserwechsel (bei [ ]. Darauf mächtige Tonuserhöhung; dann Absinken auf mittlere Höhe. (Auf Ya verkleinert.) Fig. 6. 4. April 1911. ! Kaninchen, 11h 40’ getötet. 2 35’: 50 mg Pilokarpin. Tonuserhöhung und allmähliches Absinken auf mittlere Höhe. 4h 00’: Dreimal halber Wasserwechsel (bei |” ]). Starke Tonuserhöhung. (Auf !/2 verkleinert.) steil und plötzlich oder mehr allmählich erfolgt; diese Eigentümlich- keiten hängen jedenfalls zum grössten Teil von der Geschwindigkeit des Wasserwechsels ab. Die Höhe des Anstieges kann das Maximum der vorausgegangenen Pilokarpinerregung erreichen, oder wenn diese selbst noch nicht zur maximalsten Verkürzung geführt hatte, diese sogar übertreffen (Fig. 8). Es ist in der Tat ein ausserordentlich überraschender Anblick, wenn eine Darmschlinge, aus deren Um- 163 P. Neukirch: gebung man das Gift entfernt, sich plötzlich gerade so zusammenzieht, als ob man ihr eine maximale Giftdose beigebracht hätte. Bei der Erklärung des Phänomens kam im wesentlichen folgendes in Betracht: Es konnte angenommen werden, es handele sich bei der auftretenden Tonuserhöhung um das Rückgängigwerden einer Fig. 7. 4. April 1911. Derselbe Darm wie Fig. 6. Nach der Auswaschung er- hält er um 5h 30’ 25 mg Pilokarpin. Nach starkem Anstieg sinkt der Tonus ziemlich tief ab. 6h: Wasserwechsel (7). Starke Tonuserhöhung. Dann lang- sames Absinken des Tonus. Zufuhr von 25 mg Pilokarpin (2) bewirkt keine neue Erregung, sondern beschleunigtes Absinken des Tonus. (Auf !/g verkleinert.) a b Fig.8. 9. Mai 1911. Kaninchen, 1h 50’ getötet. a) 4h 20’: Normalperiode; dann 50 mg Pilokarpin (7). Tonusanstieg, Irregularisierung. 5b) 5h: Wasser- wechsel (2). Mächtige Tonuserhöhung weit über das frühere Maximum. Noch während des Ansteigens 1 mg Atropin. sulf.: Sofort Abfall zum Normaltonus und beginnende Regularisierung. (Auf '/s verkleinert.) Lähmung, die allmählich unter dem Einflusse des im Muskel vor- handenen Pilokarpins aufgetreten war. Diese Anschauung ist aber wohl unhaltbar; denn der ganze Typus der Pilokarpinvergiftung des isolierten Darmes mit seiner plötzlichen Tonuszunahme und dem mehrere Stunden dauernden Hochbleiben des Tonus spricht dagegen. Ausserdem zeigt ein Blick auf Fig. Sa und b, dass eine Wasser- Physiologische Wertbestimmung am Dünndarm etc. 163 wechselerresung auch an einem Darm auftreten kann, an welchem nicht die geringsten Erscheinungen zu sehen sind, welche man selbst bei grösster Skepsis als Lähmung bezeichnen kann. Viel wahrscheinlicher ist eine andere Annahme. Der Tonus- anstieg beim Wechsel der Flüssiekeit beruht auf der erregenden Wirkung der Auswanderung des Pilokarpins. Dass dies so ist, wird durch die Tatsache wahrscheinlicher, dass die Auswascherregung durch geringe Atropingaben (1 mg) sofort beseitigt werden kanı Fig. 9. 6. April 1911. Kaninchen, 2h 50’ getötet. a) Nach längerer Normal- periode. 3h 40’: 50 mg Pilokarpin (7): Tonusanstieg, dann Absinken und Kon- stantbleiben des Tonus. 5) Auswaschung 4h 10’ (2). c) Auswaschung 4h 20’ (3). d) Nach im ganzen viermaligem Auswaschen ist der Darm wieder zum Normal- zustand zurückgekehrt. Auf Y/ıo mg Pilokarpin erfolgt neue Erregung (4). (Auf !/e verkleinert.) (Fig. Sb), wodurch gezeigt wird, dass die Wasserwechselerregung tatsächlich eine Pilokarpinerregung ist. Umgekehrt bleibt die Wasser- wechselerregung aus, wenn die ursprüngliche Pilokarpinerregung dureh Atropin antagonistisch aufgehoben wird. Ebenso, wie beim Einströmen des Pilokarpins in den Muskel eine maximale Erregung auftritt, ebenso tritt nach dieser Vorstellung bei dem dureh die Konzentrationsherabsetzung in der Umgebung hervorgerufenen Aus- strömen des Giftes ein zweiter Höhepunkt des Tonus auf. 164 P. Neukirch: Nach dieser Erklärungsweise würde also die Wasserwechsel- erregung nach Pilokarpin das spiegelbildliche Gegenteil darstellen von der Wirkungsweise des Muskarins am Herzen, wie es Straub!) dargestellt hat. Das Muskarin soll nach Straub nur so lange auf das Herz hemmend wirken, als es in dasselbe einwandert. Ist Gleichgewicht eingetreten, so hört, wenigstens am Aplysienherzen, _ die Hemmung auf. Eine Entgiftungshemmung hat Straub beim Muskarin nieht beobachten können. Beim Pilokarpin, das auch beim eingetretenen Gleichgewicht noch erregend wirkt, wurde im Gegen- satz zum Muskarin gerade während des Herauswanderns eine deutliche Erregung beobachtet, und so liegt es nahe, die Annahme zu machen, dass diese Erregung durch das Auswandern bedingt ist. OÖ. B. Meyer?) hat, wie ich nachträglich fand, bereits 1908 angegeben, dass Rindssubelavia in Ringer-Lösung durch Adrenalin zur Verkürzung gebracht wird und dass, wenn das Präparat in frische, giftfreie Ringer-Lösung versetzt wird, eine weitere Ver- kürzung erfolgen kann. Er hat diese zweite Erregung ebenfalls auf das Auswandern des Giftes bezogen. — Dale und Laid law?) bilden eine Kurve vom isolierten Meerschweinchenuterus ab, der durch 3-Iminazolyl- äthylamin erregt ist, bei dem durch Wasserwechsel eine neue Er- regung hervorgerufen wird. Eine Diskussion dieses Vorganges wird nicht gegeben. Kürzlich hat Prochnow*) den oben erwähnten Befund von O. B. Meyer bestätigt. — Weitere Angaben über Wasserwechsel- erregung habe ich in der Literatur nicht auffinden können. 4. Zur Stütze der Annahme, dass die Wasserwechselerregung auf dem Auswandern. des Pilokarpins beruht, kann Fig. 7 dienen. Bei 2 wurde durch Wasserwechsel an einer vorher maximal ver- gifteten Schlinge eine sehr starke Erregung hervorgerufen, welche allmählich abklingt. Falls diese wirklich durch das Auswandern. des Pilokarpins bedingt ist, so muss es gelingen sie aufzuheben, wenn man durch Pilokarpinzusatz zur Aussenflüssigkeit die Auswanderung 1) W. Straub, Zur chem. Kinetik der Muskarinwirkung und des Ant- agonismus Muskarin-Atropin. Pflüger’s Arch. Bd. 119 S. 127. 1907: 2) O. B. Meyer, Versuche mit Kokain-Adrenalin und Andolin: an. über- jebenden Blutgefässen. Zeitschr. f. Biol. Bd. 50 S. 93. 1908. (Fig. 16 und 17.) 3) H. H. Dale and P. P. Laidlaw, The phys. action of $- a amine. Journ. of physiol. vol. 41 p. 318. 1910. (Fig. 17.) 4) L. Prochnow, Über die Wirkung der Haloidsalze des Natriums auf die glatte Muskulatur usw. Arch. int. Pharmakodyn. vol. 21 p. 287. 1911. Physiologische Wertbestimmung am Dünndarm etc. 165 des Giftes verhindert. Tatsächlich sieht man auf Fig. 7, dass Zusatz von 25 mg Pilokarpin zur Salzlösung ein deutliches Absinken des Hebels bewirkt. Es ist dies eine Pilokarpindosis, die einen normalen Darm in starke Erregung versetzen würde. Es ist selbstverständlich, dass dieser Versuch nicht jedesmal gelingt, da man den Giftgehalt der Schlinge nicht genau kennt. Immerhin habe ich in mehreren Fällen das gleiche Resultat erhalten. Ferner habe ich die Annahme, dass die Wasserwechselerregung dureh Auswandern des Giftes bedingt ist, weiter zu stützen versucht durch den Nachweis, dass tat- : ee sächlich Pilokarpin den Darm verlässt, sobald er in reine Tyrode- Lösung gebracht: wird. Eine beiderseits zugebundene leere Darmschlinge wird 30 Mi- nuten lang in 50 ceem Tyrode- N Lösung + 50 mg Pilokarpin ge- N braeht. Die Schlinge wird so-. dann nacheinander in sieben Ge- fässen mit reiner Lösung ab- gespült und zu einer in 100 cem reiner Flüssigkeit arbeitenden an einem Schreibhebel befestigten fig. 10. 1. Mai 1911. Zu einem normalen Schlinge hinzugebracht. An der a ur He ER N ir allmählichen Tonuszunahme die- vergiftete Darmschlinge gebracht. Deut- ses Kontrolldarmes kann man das he ee (Auf? Slanver: Austreten des Pilokarpins in die gemeinsame Flüssigkeit erkennen. Der Typus der Kurve (Fig. 10) entspricht dem Wirkungsgrad von I—10 mg Pilokarpin. Mit Rücksicht auf die in der nachfolgenden Arbeit von W. Wei- land mitgeteilte Tatsache, dass auch normale Darmschlingen er- resende Substanzen an Ringer’sche Flüssigkeit abgeben, hat Herr Kollege Weiland für mich einige Kontrollversuche ausgeführt, aus denen sich ergibt, dass unter den von mir eingehaltenen Versuchs- bedingungen nur so wenig von den normalen Darmbestandteilen aus- tritt, dass dadurch der Pilokarpineffekt nicht merklich verstärkt (oder gar vorgetäuscht) werden kann. Fig. 11 zeigt oben den Ein- fluss, den der Zusatz einer Darmschlinge von 19 g (ohne Pilokarpin) ausübt, während unten der Effekt von il g Darm registriert ist, Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd. 147. 12 166 P. Neukirch: der 30 Minuten in 50 eem Flüssigkeit mit 50 mg Pilokarpin gelegen hatte und darauf siebenmal abgespült worden war. Dass anderseits keine sehr erhebliche Speicherung von Pilo- karpin aus Giftlösungen stattfindet, ereibt sich aus Versuchen von Herrn W. Weiland, die ich mit seinem Einverständnis hier mitteile: „Darmschlingen von 1!/—4 g werden 15—50 Minuten in 3—10 eem Tyrode’scher Flüssigkeit gehalten, der die minimal- wirksame Pilokarpindosis von !/e—!/ıoo mg zugesetzt war. Nach Ablauf Fig. 11. Obere Reihe: Normale Darm- schlinge in 100 ccm Tyrode. Bei + wird eine normale abgebundene Darmschlinge von 19 g in die Flüssig- keit vorsichtig hineingebracht, nach- dem sie vorher 30’ in 50 ccm nor- maler Tyrode’scher Flüssigkeit auf- bewahrt war. — Untere Reihe: Nor- male Darmschlinge in 100 cem Tyrode. Bei * wird vorsichtig eine abgebun- dene Darmschlinge von 11 g zugesetzt, welche vorher 30’ in 50 cm Tyrode + 50 mg Pilokarpin gelegen hatte und danach siebenmal abgespült war. (Auf !/2 verkleinert.) der angegebenen Zeit wurde die Flüssigkeit abgegossen und einer normalen Darmschlinge zugesetzt. In den Versuchen mit Y/ıoo mg trat darauf stets Erregung auf!), in den Versuchen mit Ysoo mg (einer Dosis, die nach Kontrollversuchen an Darmschlingen desselben Tieres noch gerade schwach erregend wirkte) trat unter sechs Fällen zwei- mal Erregung auf. Es können also nur ganz minimale Pilokarpinmengen durch den Aufenthalt der Darm- schlinge in der Giftlösung dieser entzogen sein; eine erhebliche Speicherung findet also jeden- falls nicht statt. Dass aus kon- zentrierteren Giftlösungen der Darm nachweisbare Mengen Pilokarpin aufnimmt, folgt anderseits aus den oben (S. 165) geschilderten Ver- suchen.“ "5 ‚6. Nunmehr wurde versucht, das bei der Auswaschung austretende Pilokarpin im Waschwasser quanti- tativ nachzuweisen. Eine Schlinge von 10 g wird an beiden Enden zugebunden und auf eine bestimmte Zeit in 50 resp. 100 cem Tyrode’scher 1) Ohne Pilokarpinzusatz wirkt die Aussenflüssigkeit dieser geringen Darm- mengen niemals erregend. Physiologische Wertbestimmung am Dünndarm etc. 167 Flüssigkeit von 38° gelegt, der X mg Pilokarpin zugefügt wurden. Nach einer zu notierenden Zeit wird die Schlinge in sechs Gefässen Tyrode’scher Flüssigkeit abgespült und dann sofort in ein auf konstanter Temperatur gehaltenes siebentes Gefäss gebracht. Dem sechsten Waschwasser, das nicht mehr als 50 cem betragen soll, werden mit einer Pipette einige Kubikzentimeter entnommen und zu einem in 100 eem Tyrode arbeitenden Kontrolldarm gebracht. Die Prüfung er- gab regelmässig, dass das sechste Waschwasser keine auf diese Weise nachweisbaren Pilokarpinmengen enthielt, mit anderen Worten, dass der bereits sechsmal gewaschenen Darmoberfläche keine wesentlichen Pilokarpinmengen mehr entwichen. Dem siebenten Waschwasser wurden nun in Abständen von 5—20 Mi- nuten einige Kubikzentimeter mittels Pipette entnommen und !/a cem-weise vorsiehtig zu Normalschlingen hinzu- gefügt. Nach jedem !/s eem wurde einige Sekunden gewartet, bis der- selbe sich unter dem Einfluss des durchperlenden O, im Gefäss verteilt hatte. Beim ersten bemerkbaren An- stieg des Tonus (Fig. 11) der „Test- schlinge“ wurde die Menge der ver- Fig.12. 15.Mai 1911. Ih: Bei- brauchten Flüssigkeit an der Pipette a bei der Titration. Normalperiode, abgelesen. Verbraucht man z. B. von dann bei (7) Beginn des Aus- den 100 cem Flüssigkeit, die als das en „Waschwasser der Giftschlinge“ zu bezeichnen ist, 5 cem!) zu einem bestimmten Zeitpunkte, um eine Testschlinge gerade zu erregen, so muss nach der früher erfolgten Bestimmung der Minimaldose nunmehr im Testgefäss eine Pilokarpin- konzentration von ungefähr 1:10” herrschen. Das „Waschwasser der Giftschlinge“ hat demnach 0,0002 °%0 Pilo- karpin enthalten. Es sind bis zu dem betreffenden Zeitpunkte 0,2 mg Pilokarpin ausgetreten. Da man in dem oben beschriebenen Apparat drei Testschlingen gleichzeitig benutzen kann, die unter gründlichem 1) Grössere Flüssigkeitsmengen waren nie erforderlich, meist kleinere (/a—1 ccm). Daher kann der in der nachstehenden Arbeit von Weiland ge- schilderte Austritt normaler erregender Darmsubstanzen hier nicht in irgendwie erheblicher Weise stören. 168 P. Neukirch: Spülen der Gefässe sich in etwa 15 Minuten wieder ersetzen lassen, so lässt sich das Austreten des Pilokarpins aus den Darmschlingen leicht und relativ genau verfolgen. Über den Verlauf des Pilokarpinaustrittes kann man sich durch graphische Darstellung leicht ein Bild machen. Da von der Aus- { LIOBBRIFO, unuberv 20 040 so 60 OWEN O TER OR 10 0 BEN 10 1) 2018732; (4 10 2 DEN: 29 x ‚0 IM, Fig. 13. 10 g Darm lagen 30’ in 100 cem Tyrode’scher Flüssigkeit, der 0,01 g Pilokarpin zugefügt waren. Die Kurve zeigt, wieviel Milligramm Pilokarpin nach x Minuten in das siebente Waschwasser (100 ccm) ausgetreten waren. ‚vo __20 OFEN TEE 0, 0 _ 80 _ 90 00 _ Wo _ 420 130 140 150 nukere® T mg. Fig. 14. 19g Darm lagen 30’ in 100 ccm Tyrode’scher Flüssigkeit, der 0,05 g Pilokarpin zugefügt waren. Die Kurve zeigt, wieviel Milligramm Pilokarpin nach x Minuten in das siebente Waschwasser (100 ccm) ausgetreten waren. waschflüssigkeit im Laufe der Zeit ein gewisser Prozentsatz ent- nommen wird, so muss dies bei der Rechnung berücksichtigt werden. Liegt die Dose, mit der die Darmschlinge vergiftet ist, unter 0,5 mg auf 100 cem, so ist in der siebenten Waschflüssigkeit mit dieser Methode dauernd kein Gift mehr nachweisbar. Physiologische Wertbestimmung am Dünndarm etc. 169 Sicher und in bezug auf den durch Wasserwechsel hervorgerufenen Pilokarpinanstieg von Wichtigkeit ist, dass das Austreten von Pilo- karpin länger dauert als die durch den Wasserwechsel hervorgerufene Erregung, und dass die Austrittskurve steil ansteigt, um dann flach zu verlaufen. Der Vergleich von Fig. 12 u. 13 zeigt, dass nach Vereiftung von 10 g Darm mit 1 cg Pilokarpin in 100 cem Flüssigkeit der Austritt des Giftes in 40 Minuten im wesentlichen beendet ist; während nach Vergiftung mit der fünffachen Menge dazu etwa die dreifache Zeit erforderlich ist. (Nimmt man an, dass bei der ur- sprünglichen Vergiftung das Pilokarpin sich auf Wasser und Darm gleichmässig verteilt hat, so würde in dieser Zeit etwa die Hälfte des im Darm befindlichen Giftes ausgetreten sein.) Berücksichtigt man, dass die Wasserwechselerresung nach Ver- eiftung mit 50 mg meist nach 10 Minuten abgeklungen ist, so sieht man, dass das Auswandern des Pilokarpins länger dauert als der Erregungszustand und daher sehr wohl die Ursache des letzteren sein könnte. Zusammenfassung. 1. Zu physiologischen Wertbestimmungen am isolierten Darm eignen sich am besten 2—3 cm lange Stücke des Kaninchendünn- darmes, welcher vorher sorgfältig ausgespült ist und in Salzlösung von 28—30° unter Sauerstoffzufuhr mehrere Stunden aufbewahrt werden kann. Der Versuch selbst wird bei Körpertemperatur in Tyrode’scher Flüssigkeit ausgeführt. Ein solches Präparat behält stundenlang gleichen Tonus, gleiche Amplitude und gleichen Rhythmus bei. 2. Pilokarpin ist ein erregendes Gift, welehes selbst in Dosen, die 5000 mal die Minimaldosis übertreffen, eine vielstündige Dauer- erregung ohne deutliche Lähmungserscheinungen hervorruft. Die minimal wirksame Dosis liegt bei 0,005 mg in 100 eem Salzlösung. 3. Die Vergiftung ist selbst nach grossen Dosen durch Aus- waschen reversibel. Der Austritt des Giites aus einer Darmschlinge in die umgebende Spülflüssigkeit lässt sich durch eine Art physio- logischer Titration quantitativ verfolgen. 4. Ersetzt man bei einem hochgradig vergifteten Darm die pilokarpinhaltige Salzlösung durch normale, so tritt eine plötzliche 170 P. Neukirch: Physiologische Wertbestimmung am Dünndarm etc. Tonuszunahme und ein darauffolgendes Absinken des Tonus unter die vor dem Auswaschen vorhandene Tonushöhe ein. 5. Verschiedene Gründe lassen es als möglich erscheinen, dass diese Erregung auf dem Auswandern des Pilokarpins aus der ver- gifteten Darmschlinge in die umgebende Lösung beruht. 6. Eine irgendwie erhebliche Speicherung des Pilokarpins findet in den Darmschlingen nicht statt. 171 (Aus dem pharmakologischen Institut der Reichsuniversität Utrecht.) zur Kenntnis der Entstehung der Darmbewegung. Von Dr. Walther Weiland, Assistenzarzt an der medizinischen Universitätsklinik in Kiel. (Mit 11 Textfiguren.) In der vorhergehenden Arbeit hat Neukirch Beobachtungen über den Wirkungsmechanismus des Pilocarpins auf den isolierten Dünndarm mitgeteilt. Gelegentlich einiger Versuche, die ich zur Vervollständigung dieser Befunde anstellte, machte ich die Beobach- tung, dass auch dernichtmitPilocarpin vergifteteDarm Substanzen enthält, welche die Darmbewegungen er- regen und welche von der Darmwand leicht an Salzlösungen ab- gegeben werden. Wird nämlich eine gereinigte Kaninchendünndarmschlinge einige Zeit in Tyrode’scher Salzlösung bei 38° gehalten, so bekommt dadurch die Flüssigkeit die ihr sonst fehlende Eigenschaft, die Be- wegungen einer anderen Darmschlinge zu erregen, die in Tyrode- scher Flüssigkeit aufgehängt ist und deren Kontraktionen graphisch registriert werden. Nimmt man ferner einer schreibenden Darm- schlinge nach einiger Zeit einen Teil ihrer Aussenflüssigkeit fort, so erzeugt diese beim Zusatz zu einer zweiten Schlinge ebenfalls Er- regung. Ja es genügt, in ein Gefäss mit 50 oder 100 eem Tyrode- scher Flüssigkeit, in dem eine Darmschlinge zur graphischen Registrie- rung montiert ist, vorsichtig eine zweite Darmschlinge hineinzubringen, um nach kurzer Zeit eine deutliche Erregung an den Bewegungen der ersten Schlinge wahrzunehmen. Da zahlreiche Kontrollversuche von Neukirch und mir ergaben, dass die Tyrode’sche Lösung, welche nicht vorher mit Darmschlingen in Berührung gewesen war, ' keine erregenden Eigenschaften besitzt, so war damit die Anwesenheit 172 Walther Weiland: einer erregenden Substanz in der Darmwand sicher gestellt; über ihre Eigenschaften soll in der nachfolgenden Arbeit berichtet werden. Die Methodik der Untersuchung am überlebenden Dünndarm war die gleiche, wie sie von Neukirch benutzt wurde. Die angewendete Tyrode’sche Flüssigkeit erwies sich auch am Katzen- und Hundedarm brauchbar, insbesondere rief sie auch bei diesen keine Erregung beim Wechsel der Aussenflüssigkeit hervor. Im Anfang waren die Gefässe zur Aufnahme der schreibenden Darm- schlingen ganz gefüllt, später nur zur Hälfte, weil es sich wegen des öfter er- forderlichen Zusatzes grösserer Flüssigkeitsmengen bequemer erwies. Den bei- gegebenen Kurven ist jedesmal eine entsprechende Angabe beigefügt. Zur Herstellung von Extrakten wurden die Därme dem frisch getöteten Tier entnommen, mit Tyrode’scher Flüssigkeit ausgespritzt und sorgfältig vom Darm- inhalt gereinigt; dann wurden sie an beiden Enden zugebunden in die Extraktions- flüssigkeit gebracht. In einer Anzahl von Versuchen überzeugte ich mich, nach- dem sie zur Anfertigung der Extrakte benutzt waren, dass kein Darminhalt oder Darmwandsekret im Darmlumen vorhanden war. Die ersten Versuche gestalteten sich folgendermaassen: Das Tier wurde durch Nackenschlag getötet, der Darm entnommen und sorg- fältig gereinigt. Drei Schlingen von ca. 3 cm Länge wurden zur Schrei- bung montiert. Nach einer längeren Normalperiode, während welcher gewöhnlich beim Kaninchendarm eine ganz gleichmässige Kurve mit gleichen Fusspunkten und Spitzen der einzelnen Längsmuskel- kontraktionen verzeichnet wird, wurde — ohne die Schreibung zu stören — zu der ersten Schlinge eine an beiden Enden zugebundene, gereinigte Darmschlinge zugesetzt; zu der zweiten fügte ich eine abgemessene Menge Tyrode’scher Flüssigkeit, in der vorher ein Darmstück, an beiden Enden zugebunden, eine Zeitlang — 10 Min. bis 3 Std. — gelegen hatte; die dritte schreibende Schlinge diente als Kontrolle. Dabei trat regelmässig bei der ersten eine erregende Wirkung ein, wenn die eingebrachten Darmstücke eine bestimmte mittlere Grösse hatten ; solche von einem Gewicht unter 10 g waren nicht mit Sicherheit wirksam, über 25 g schwere behinderten die Schrei- bung, so dass sie aus diesem Grunde nicht benutzt werden konnten. Dieselbe erregende Wirkung hatten die zugesetzten Flüssiekeiten. Bei diesen fand sich als untere Grenze der nötigen Darmmenge ein Gewicht der Schlingen von 7 g, als kürzeste Zeit, in der die Flüssig- keit erregende Wirkung erhielt, 10 Min., und als geringste Flüssigkeitsmenge etwa 15 cem von 25 cem Gesamtflüssiekeit, 20 bis 25 cem von 50 cem Gesamtflüssiskeit und 40 ceem von 100 ecm Gesamtflüssigkeit; diese verschieden grossen Gesamtmengen wurden 173 Entstehung der Darmbewegung. n Zur Kenntnis der (uoydsemsny) "DunsojopoIAL 9Y9SLI); y9anp NOySIssnJ -uossny A9p 9IeH A9p Sundonaumm odıyewiaap 9 'N1aro -u9ZYey] U9Zued SOUTI ANFEInYSnN] dop SNeLINeNx u) d ie ,g wq "IeM uojfegos poak]L, WO 0G Aw „SE IQ ‚09 op ‘sunmepuunp cz 0A zyesnzZ © ‘(opoaA]L WD9 QG ur) wuepuunpuszyeyy aopuogqwaypg 'Z "314 | Pemin an ‘gq90Ny9Sme ydeuep pun u9eyad 9po ıÄ] wo9 09 ut „ggTToq ‚GC,) WaAepuunpuaysurueyy 3 6z Saw JNeIXN WIIWD0NI5 WI) 9T u0A ZyesnzZ 0 *(opoaÄ] WII (G UT) wIepuunpuayduruey AopuaqIoayas | ‘cz yausıay °T DIA 174 Walther Weiland: verwendet, um bei den verschieden grossen Darmschlingen zu er- reichen, dass sie während der Extraktion vollständig von Flüssigkeit bedeekt wurden. Die Flüssigkeit soll im folgenden als Darmextrakt bezeichnet werden. Ein Kurvenbeispiel der Wirkung eines solchen, der einer schreibenden Darmschlinge zugesetzt wird, zeigt Fig. 1. Es wurde nun untersucht, ob diese Wirkung des überlebenden Dünndarms artspezifisch ist, indem in der gleichen Weise von Katzen- und Hundedärmen Extrakte hergestellt wurden; diese wurden auf ihre Wirkung auf schreibende Kaninchen-, Katzen- oder Hunde- dünndarmschlingen geprüft. Es stellte sich heraus, dass eine Art- spezifität nicht besteht, dass also Extrakte eines Darms auf die Därme aller drei Tierarten wirken. Aber es ergab sich analog früheren Erfahrungen, dass der Hundedarm weniger geeignet ist, solche Wirkungen zu zeigen; Katzendarm bedarf ziemlich kräftiger Reize und Kaninchendarm reagiert am besten. Ein typisches Bild der Wirkung auf den Katzendarm ergibt Fig. 2. Mehrmals wurde beobachtet, dass sowohl Kaninchen- wie Katzen- därme, die längere Zeit — bis zu !/a Stunde — keine registrierbaren Ausschläge gezeigt und nur eine gerade Linie verzeichnet hatten, nach Zusatz von Darmextrakt sofort sich lebhaft zu bewegen be- gannen; als Beispiel möge Fig. 3 obere Kurve vom Katzendarm dienen. In den meisten Fällen wurde als schreibendes (reagierendes) Darmstück Kaninchendünndarm verwandt, weniger oft Katzendünn- darm und nur in den notwendigen Versuchen Hundedünndarm. Während die Dünndarmschlingen aller drei Tierarten auf den Reiz durch Darmextrakte ansprachen, liessen Dickdarmabschnitte keine deutliche Reaktion erkennen. Extrakte, die auf schreibende Dünn- darmschlingen einen gut erregenden Einfluss gezeigt hatten, bewirkten, wenn sie in der gleichen Menge zu einem gut beweglichen Dick- darmstück zugesetzt wurden, keine Erregung. Bei allen drei Tierarten fand sich übereinstimmend, dass die erregende Substanz nicht auf einen Darmabschnitt beschränkt ist, sondern im Magen, Dünndarm und Dickdarm gleichmässig vorkommt. Hier sei anschliessend bemerkt, dass es nach meinen Erfahrungen keinen wesentlichen Unterschied macht, ob das Tier auf der Höhe der Verdauung getötet wird oder vorher hungert; ebenso wie Magnus im Gegensatz zu Jakobj fand, dass die Darmschlingen hungernder "IeM U9J]EU98 9PoAÄ]L W99 06 ur 0.8 IOq ‚09 Aep “uadgwuezyey 3 95 Sue SOJNEIIXT SOUII WII (G U0A ZYesnZ q 'MOYSISSNYUOSSny WII (GC U0A uadnesqy » :9AINn)] 919uN) "CM U9NEU9S 9poaÄ]L WO (GC UI „8E 19Q ‚09 A9p ‘wrıepP9Ipua9zyeyy 3 SI Sne soJyelx] Sour WDI (G UOA zyesnz q "NONSISSNYUISSNY WII 0G UOA UHSnESqY » :9Aamy 2.8gOQ '9POAÄ]L WII OHT UI W.IePuUnpuazIB1y] Aopusqlaaydg "Fe yansıaA VMUM AM Anm MM nn MM AV En S =) =) En © = © S = = = - {es} - ni e Zur Kenntnis der Entstehung d 176 Walther Weiland: Tiere automatische Bewegungen ausführen, ebenso gelang die Ge- winnung der erregenden Substanz des Darmextraktes bei Tieren, die vor dem Versuch 24 Stunden auf Karenz gesetzt waren. Eine Entscheidung darüber, ob die Extrakte einzelner Darm- schichten erregend wirken, liess sich aus Versuchen an der Katze erwarten, da es bei dieser möglich ist, Schleimhaut und Muskularis voneinander glatt und sauber zu trennen. Zu diesem Zwecke wurde am Magen die Mucosa mit dem Messer abgekratzt; am uneröffneten Dünn- und Diekdarm wurde die Museularis durch einen kräftigen Zug eingerissen und dann als Ganzes von der Mucosa und Submucosa | | Fig. 4. Versuch 41. Versuchstier hat vorher 24 Stunden gehungert; schreibender Kaninchendarm in 50 ccm Tyrode. a Zusatz von 20 ccm Extrakt aus 28 g Dünndarm desselben Tieres (60’ bei 38° in 50 ccm Tyrode). abgezogen. Zahlreiche Versuche ergaben übereinstimmend, dass beide Schichten die wirksame Substanz in ungefähr gleicher Menge enthalten. Nur in wenigen Experimenten wirkte die Muskelschicht des Diekdarms gut erregend, während die Mucosa ohne Einfluss war. In einer weiteren Untersuchungsreihe wurden Extrakte an- derer Organe auf die gleiche Weise wie die Darmextrakte an- gefertigt und auf ihre erregende Wirkung auf den Darm von Katzen und Kaninchen geprüft. Bei den Versuchen mit Herz, Niere, Gehirn und Milz wurde jedesmal das ganze Organ benutzt; zu den Versuchen mit Leber dienten einzelne Leberlappen, die dem Tier entnommen wurden, ohne dass die Gallenblase verletzt wurde oder aus den Zur Kenntnis der Entstehung der Darmbewegung. 7 srossen Gallengängen Inhalt über die zu benutzenden Leberabschnitte geflossen wäre. Zu den Proben mit Muskelextrakt wurde Bein- muskulatur genommen unter möglichster Reinigung von allen sehnigen Bestandteilen. Die Organe wurden aus dem frisch getöteten Tier herausgeschnitten, in körperwarmer Tyrode-Flüssigkeit gespült, bis das Spülwasser keine Spur von Färbung mehr zeiete, und dann genau so behandelt, wie es oben für den Darm angegeben wurde. Zum grossen Teil wurden die Flüssigkeiten vor dem Zusatz zu den schreibenden Darmschlingen einmal kurz aufgekocht und filtriert; dies Verfahren geschah mit Rücksicht darauf, dass, wie sich inzwischen herausgestellt hatte, die wirksame Substanz des Darms koch- beständig ist. | Wie aus der nachstehenden tabellarischen Übersicht ersichtlich, ist zwar in einer Anzahl von Versuchen eine Erregung nachgewiesen, doch ist die Wirkung einzelner Organe nicht konstant und, wie sich aus der Durchsicht der Kurver ergibt, auch nicht so intensiv und so langdauernd wie die des Darmextraktes. Wenn man die Be- teiligung der einzelnen Tierarten an den Experimenten ausser acht lässt, so gestaltet sich eine Übersicht über die Wirkung folgender- massen: Milzextrakte zeigten unter 17 Versuchen 4 pos., 10. neg., 3 zweifelhafte Resultate, Muskelextrakte „ 5 8 5 Ads ZN 172 e 5 Herzextrakte „ u) Y Be „ „ Leberextrakte „ 5 8 h Zu On » » Gehirnextrakte » 1 ” I ” ” Nierenextrakte „ SE a rn » ” Die Extrakte anderer Organe wirken also inkon- stant und ausserdem schwächer aufdie Darmbewegung als Darmextrakt. Darmextrakte bleiben bei Zimmertemperatur unter Chloroform- zusatz aufbewahrt tagelang wirksam. Vor ihrer Verwendung zum Versuch wurde das Chloroform, dessen Vorhandensein in der Lösung schon in geringen Mensen die Darmbewegungen zum Verschwinden bringst, über der Flamme vertrieben. Es ergab sich, dass dieses Erhitzen keinen Einfluss auf die Wirksamkeit der Extrakte hat; die erregende Substanz ist kochbeständig. Beim Schütteln der Flüssigkeit mit Äther gehen keine wirksamen Mengen in den Äther über, und der wässrige Extrakt behält seine volle Wirksamkeit. Anders verhält es sich, wenn man Extrakt auf dem Wasserbad oder 178 Walther Weiland: über der freien Flamme zur Trockene eindampft, den Rückstand in Äther aufnimmt, filtriert und nach Verjagen des Äthers den jetzt erhaltenen Trockenrückstand in Tyrode’scher Flüssiekeit löst; diese Lösung zeigt die unverminderte Wirkung des ursprünglichen Extraktes. Ebenso wie in Äther geht die wirksame Substanz aus dem Trockenrückstand in Alkoh. absol. über; dagegen vermag Aceton unter diesen Bedingungen keine erheblichen Mengen aufzunehmen. Zur Extraktion aus dem Darm kann man an Stelle Tyrode’scher Salzlösung auch destilliertes Wasser benutzen; dieses Verfahren wurde besonders angewandt bei den Extrakten, die zur chemischen Untersuchung dienten, um dabei Störungen durch die sonst vorhandenen Salze auszuschliessen. Wird ferner eine wässrige Lösung gegen fliessendes Wasser 24 Stunden dialysiert, so zeigt sich eine starke Abnahme ihres er- regenden Einflusses auf den Darm oder völliges Verschwinden des- selben. Kürzere Dauer der Dialyse gegen stehendes, häufiger ge- wechseltes Wasser führt nur zu geringer Abnahme der Wirkungsstärke. Nachdem ein Versuch, durch Zerhacken des Darınes und Durch- treiben durch die Fleischmaschine eine grössere Ausbeute an wirken- der Substanz zu erhalten, keinen Erfolg gehabt hatte, war das Vor- gehen bei der Herstellung konzentrierter und möglichst wenig ver- unreinigter Lösungen folgendes: Der ganze Dünndarm des Tieres (Gewicht etwa 40—80 g beim Kaninchen, 60— 120 g bei der Katze, 200—240 g bei kleineren Hunden) resp. der ganze Magendarmtraktus wird gereinigt, an beiden Enden zugebunden in einem Becherglas mit 50—150 cem aqu. dest. bei 35° eine Stunde (in einigen Versuchen bis zu drei Stunden) auf einem Wasserbad gehalten; nach dieser Zeit wird der Darm ent- fernt, die Flüssigkeit auf dem Drahtnetz gekocht und auf ein Volumen von ca. 20 cem eingeengt, durch ein gewöhnliches Filter filtriert und auf dem Wasserbad in einem Porzellanschälchen völlig zur Trockene gebracht. Der Rückstand wird in ca. 10 cem ale. abs. aufgenommen, dieser filtriert und das Filtrat auf dem Wasser- bad eingedampft. Der braune Rückstand nach Verjagen des Alkohols wird mit 10—20 eem Äther versetzt, vom Filtrat der Äther verjagt und der nunmehr bräunlich-weisse Niederschlag in 10 eem aqu. dest. gelöst. Danach wird kurz aufgekocht, so dass ein Volumen von 4—6 eem übrig bleibt, filtriert und dieses mit dem gleichen Volumen doppeltkonzentrierter Tyrode-Lösung versetzt. Diese Lösung ist Zur Kenntnis der Entstehung der Darmbewegung. 179 gebrauchsfertig und enthält, wie die Beobachtung lehrte, fast quan- titativ die ursprüngliche Menge des wirksamen Bestandteiles. In einer solchen konzentrierten, mit Alkohol und Äther gereinigten Lösung ist nach Kjeldahl nur eine minimale Stickstoffmenge von einigen Milligramm N enthalten; sie reagiert gegen Lackmuspapier deutlich alkalisch und gibt keine Millon’sche, wohl aber eine schwache Biuretreaktion. Phosphorwolframsäure und Phosphor- molybdänsäure erzeugen mit ihr einen kräftigen weissen Niederschlag; mit Platinchlorid ist der Niederschlag geringer. Kein Niederschlag ha N | | Fig. 5. Versuch 65. Schreibender Kaninchendarm in 50 cem Tyrode. a Zusatz alkohol-äthergereinigten Extraktes aus 64 g Kaninchendünndarm (150’ bei 33° in 100 cem Tyrode). entsteht mit Jodquecksilberjodkalium, Jodjodkalium, konz. Sublimat- lösung und Pikrinsäure Eine Reindarstellung der Substanz ist bis jetzt noch nicht gelungen. Wirkungsweise der darmerregenden Substanz. Aus den zur Darstellung der erregenden Wirkung des Darm- extraktes beigefügten Kurven geht hervor, dass diese sich in ver- schiedener Weise äussern kann. Hier seien noch einige Beispfele graphischer Registrierung hinzugefügt, um die Typen der verschieden- artigen Erregungsbilder zu vervollständigen (Fig. 5 und 6). Die auf Zusatz des wirksamen Darmextraktes auftretende Er- reeung äussert sich entweder in einer reinen Tonuszunahme der schreibenden Darmschlinge, wobei die Pendelbewegungen in alter 180 Walther Weiland: Stärke und Grösse fortgesetzt werden, oder der Tonus nimmt zu und die Pendelbewegungen werden kleiner und unregelmässiger, weil es zwischen den einzelnen Kontraktionen nicht mehr zur völligen Erschlaffung kommt. Unter Umständen tritt nur eine Vergrösserung der einzelnen Pendelschläge oder gleichzeitig damit eine Regularisierung mit allmählich zunehmender Tonuserhöhung ein. Wiederholter Zusatz erregender Substanz bewirkt jedesmal erneute Erregung. Das Wirkungsbild ähnelt also sehr dem des Pilokarpins. Ebenso wie bei diesem gelingt: es sowohl am Katzen- wie am Kaninchendarm die Erregung, die durch den Zusatz des Darmextraktes hervorgerufen wird, durch eine minimale Menge Atropin antago- Fig. 6. Versuch 87. Schreibender Kaninchendarm in 50 ccm Tyrode. a Zusatz von 1 ccm alkohol-äthergereinigten Extraktes eines ganzen Kaninchendünn- darms (Gesamtflüssigkeitsmenge des Extraktes 11 ccm). b Zusatz von 2 ccm des- selben Extraktes. nistisch zu beeinflussen. Zu diesen Versuchen genügten 0,08 mg Atropin (auf 50 ccm Aussenflüssigkeit), um die Kurve auf das ursprüngliche Niveau absinken zu lassen. Kontrollversuche er- gaben die Unwirksamkeit dieser Atropinmenge am unerregten Darm. Die Wirkung ist veranschaulicht auf Fig. 7. Mehrfacher Wasserwechsel führt die Kurve ebenfalls wieder zur ursprünglichen Form und Niveau zurück; die erregende Sub- stanz ist, wie nach den anfänglichen Versuchen zu erwarten war, auswaschbar (s. Fig. 2). Über den Angriffspunkt der Substanz in der Darmwand gaben Versuche an isolierten Ringmuskelstreifen des Katzendünn- darmes Aufschluss; die Präparate wurden, nach den Angaben von Zur Kenntnis der Eutstehung der Darmbewegung. 181 Magnus!), durch Abziehen der Längsmuskulatur von der Ringmuskel- schicht hergestellt. Um die Reste der Längsmuskulatur und des Auerbach’schen Plexus zu entfernen, wurden die Streifen mit einem argent. nitrie. Kristall geätzt; die Schleimhaut und Submucosa wurde ebenfalls von der Ringmuskelschicht abgezogen. In keinem Falle bewirkte Zusatz von vorher auf seine Wirksamkeit geprüftem Fig.7. Versuch 80. Schreibender Katzendarm in 50 ccm Tyrode. Obere Kurve: a Zusatz von gekochtem, eingeengtem (auf 20 ccm) Extrakt aus Muscularis eines ganzen Katzendünndarms (45’ bei 38° in 50 ccm Aqu. dest.); durch 20 ccm Tyrode von doppelter Salzkonzentration auf 40 ccm Gesamtflüssigkeit gebracht; davon 20 ccm zugesetzt. b Zusatz von 0,2 mg Atropin sulf. Untere Kurve: a Zusatz von gekochtem, eingeenstem (auf 17 ccm) Extrakt aus der Schleimhaut eines ganzen Katzendünndarms (45’ bei 33° in 30 ccm Aqu. dest.) durch 17 ccm Tyrode von doppelter Salzkonzentration auf 34 ccm Gesamtflüssigkeit gebracht; davon 20 ccm zugesetzt. b Zusatz von 0,2 mg Atropin. Darmextrakt in genügender Menge zu einem solchen Präparat, das zur Schreibung seiner Kontraktionen montiert war, eine Kon- traktion. Kontrollversuche zeigten die Anspruchsfähigkeit der 1) Magnus, Pflüger’s Arch. Bd. 108 8.7. Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd. 147. 13 182 Walther Weiland: gleichen Präparate, die auf Darmextraktzusatz nicht reagiert hatten, auf Strophantin (0,1—0,2 mg auf 50 cem Tyrode) oder Baryum- cehlorid (0,1 g auf dieselbe Menge Aussenflüssigkeit) und auf Dehnungs- reiz; die Form dieser Kurve wurde durch eine einmalige glatte Kon- traktion dargestellt. Fig. 8a. Fig. 8b. Fig.Sa u. b. Versuch 81. Kaninchen in Urethannarkose ; Tracheotomie. Verzeichnung der Atmung mit Marey’schem Tambour. Fig. 8a. Atmung bei Beginn des Ver- suches. Fig. 8b. Atmung nach mehrfacher Injektion schlechtgereinigter Extrakte. Aus diesen Versuchen geht hervor, dass der Angriffspunkt der wirksamen Substanz der Darmextrakte in den nervösen Zentren des Auerbach’schen Plexus anzunehmen ist. Hinzuzufügen wäre, dass Zusatz der erregenden Darmextrakte zum Katzenuterus eine deutliche Zunahme und Vergrösserung der Kontraktionen bewirkt, dass dagegen Zusatz zur überlebenden Blase keinen Einfluss auf diese zu haben scheint. Zur Kenntnis der Entstehung der Darmbewegung. 183 Die Wirksamkeit der Substanz auf lebende Tiere wurde an Katzen, Kaninchen und einem Hunde untersucht. Dabei wurde an dezerebrierten oder narkotisierten Tieren (zur Narkose wurde bei Kaninchen Urethan, bei Katzen Äther gebraucht) mit einem mittleren Blutdruck von etwa 100 mm Hg der Einfluss der Extrakte auf Atmung, Blutdruck und Peristaltik festgestellt. Die verwendeten Extrakte wurden jedesmal auf ihre Wirksamkeit auf den überlebenden Darm geprüft. - Was zunächst die Atmung anbetrifft, so fand sich beim Kaninchen in Urethannarkose in den ersten Versuchen, als noch keine gut gereinigten Extrakte vorhanden waren, eine enorme Steigerung der Atemexkursionen und der Atemfrequenz; ein Beispiel dafür ist in Fig. 3 abgebildet. Ihn nl hl ATI, ii A | Fig. 9. Versuch 104. Kaninchen in Urethannarkose; Vagi erhalten; verzeichnet Atmung und Blutdruck (s. Fig. 10b). Bei a intravenöse Injektion von 1 ccm gereinigtem Hundedünndarmextrakt in die V. jugularis. Später gelang es, diese Wirkung auf die Atmung durch das oben beschriebene Reinigungsverfahren fast ganz auszuschalten; nur im Augenblick der Injektion erfolgten einige tiefe Atemzüge (Fig. 9). Dasselbe negative Resultat erhielt ich in zehn Einzelversuchen bei vier nicht narkotisierten Kaninchen, bei denen vor und nach der intravenösen Injektion von 1 ccm wirksamem Darmextrakt das Atem- volumen nach der Dreser’schen Versuchsanordnung!) bestimmt wurde; in keinem Falle fand sich nach der Injektion eine irgendwie wesentliche Änderung des Atemvolumens; ich lasse einen Protokoll- auszug eines derartigen Experimentes folgen. Versuch 90. Tier seit 10 Tagen im Versuch, täglich mit 1 ccm wirksamen Extraktes intravenös in die Ohrvene injiziert. Temperatur 37,30 C. Gewicht 1900 g. 1) Dreser, Schmiedeberg’s Arch. Bd. 26 S. 237. 1890. 13 * 184 Walther Weiland: Atemvolum 110 cem, Atemzüge 13 in 10 Sek. (vor der Injektion) ”„ 100 ” » 15 ” 10 ” ” 100 ” ” 14 ” 10 ”„ ”„ 120 ” ” 12 B7] 10 ” 5 1409, a 100,2109, 570 ccm 62 Durchschnitt: 684 cem, 74,4 Atemzüge in 1 Minute. Darauf intravenöse Injektion 1 ccm wirksamen Darmextrakts in die Ohr- vene; gleich nachher Atemvolum 120 ccm, Atemzüge 14 in 10 Sek. ” s0 ” ” 11 n 10 ” ” 1 10 ” ” 12 ” 10 ” ” 1 10 ” ” 10 ” 10 ” 5 120,55 . 1305210705 540 ccm | 60 Durchschnitt: 648 ccm, 72 Atemzüge in 1 Minute. Bei Katzen hat sich eine derartige Beeinflussung der Atmung, wie sie oben für das Kaninchen beschrieben wurde, überhaupt nicht erkennen lassen, ab- gesehen von einem Versuch, in dem nach beendigten Iniektionen das dezerebrierte Tier, das zum Experiment benutzt worden war, spontan atmete, während es vorher künstlich hatte ventiliert werden müssen. Doch ist diese Tatsache nicht notwendig bedingt durch eine Erregung der Atmung infolge der Injektionen von Darmextrakt, da es häufig vorkommt, dass dezerebrierte Katzen erst nach längerer Zeit spontan atmen. Durch die geschilderte Reinigungsmethode mit Alkohol und Äther gelingt es, stark wirksame Extrakte zu erhalten, welche bei narkoti- sierten oder dezerebrierten Kaninchen, auch bei wiederholter Injektion grösserer Mengen, keine Spur von Blutdrucksenkung hervor- rufen. Dabei liess das Auftreten deutlicher Peristaltik erkennen, dass die Darmwirkung eingetreten war. Anders verhielten sich Katzen; Tiere in gutem Zustand bekamen fast stets eine mehr oder weniger stark ausgesprochene Blutdrucksenkung; nur in einem Versuch fehlte sie bei sonst deutlicher Wirksamkeit des Ex- traktes. Sie trat während oder unmittelbar nach der Injektion ein; nach etwa 10 Sek. stieg die Kurve allmählich wieder an und er- reichte nach 60—80 Sek. ihre alte Höhe wieder; nachträgliche Steigerungen fanden nicht statt. Diese Senkung war unabhängig von der Art der injizierten Extrakte — Hunde-, Katzen-, Kaninchen- extrakte aus Magen, Dünndarm oder Diekdarm riefen sie hervor — und war bei verschiedenen Tieren von wechselnder Grösse. Bei wieder- holten Injektionen gleicher Extraktmengen erfolgte jedesmal ungefähr Zur Kenntnis der Entstehung der Darmbewegung. 185 die gleiche Drucksenkung. Es konnte gezeigt werden, dass Extrakte, die beim Kaninchen keine Senkung des Blutdruckes hervorriefen, bei der Katze deutliches Absinken der Kurve zur Folge hatten (Fig. 10). Diese Wirkung auf den Blutdruck war nicht begleitet von Ver- änderungen des Herz- volumens, wie ple- thysmographische Auf- nahmen desselben er- weisen; sie trat bei erhaltenen und durch- schnittenen N. vagi ein und verschwand nicht nach subkutaner Atro- pininjektion. Bei den zum Blut- druckversuch verwand- ten Kaninchen trat in allen Fällen, wo es sich um Tiere in gutem Zustand handelte, ent- weder sofort oder höch- stens 40 Sek. nach der Injektion des betreffen- den Extraktes eine kräftige, dureh die Bauchdecken deutlich sichtbare Peristaltik auf, die in einigen Versuchen nach der ersten Injektion bis zum Schluss des Ex- perimentes andauerte, inanderen nach jeder er- neuten Injektion wieder auftrat. Bei Katzen war dieselbe Erschei- nung zu beobachten; D a Injektion von !l cem gereinigten x B AURRRRLTUNUNNN Ä RK N Ku \ N “ RUN) - N ; a Blutdruck aus der Art. carotis. Hundedünndarmextrakt in die V. jugularis. Katze in Äthernarkose; Vagi erhalten. NLRINOTTULLOUSENIFRIM Fig. 10a. 186 Walther Weiland: jedoch war sie hier nicht so konstant durch die Bauchdecken hin- durch sichtbar; aber, wenn sie auftrat, von der gleichen Intensität wie bei den Kaninchen. Stuhlentleerungen ha- ben sich bei den zu Blut- druckversuchen ver- wendeten Tieren nach den Injektionen niemals eingestellt, auch Spei- chelfluss, Tränensekre- tion, Erbrechen war nie- mals zu beobachten, trotzdem besondersdar- auf geachtet wurde. Bei intravenöser Injektion am le- benden, nicht nar- kotisierten Kanin- chen ergab sich, dass eine einmalige Injek- tion, wie oben erwähnt, keine Wirkung auf die Atmung hatte; sie rief aber auch keine ver- mehrte Stuhlentleerung oder Durchfall hervor. Die Tiere zeigten nach derselben ungestörtes Wohlbefinden;erstnach mehreren, täglich wie- derholten intravenösen Injektionen war Durch- fall vorhanden. Auch nach subkutaner Injek- tion trat Durchfall ein. a Intravenöse Injektion von Blutdruck der Art. carotis. n Extraktes wie bei der Katze (Fig. 10.a). aninchen von Fig. 9). { 1 ccm desselbe Kaninchen in Urethannarkose (dasselbe I Fig. 10b. Zur Kenntnis der Entstehung der Darmbewegung. 187 Ein Kaninchen wurde im Stoffwechselkäfig gehalten und 4 Wochen lang täglich mit je 1 ccm gereinigten, wirksamen Darmextraktes injiziert; es vertrug die Injektionen gut, zeigte bei mehrfachen täglichen Temperaturmessungen kein Fieber, niemals war Speichelfluss oder Tränensekretion zu beobachten. Nach zwei Injektionen war der Stuhlgang breiig, nach vier Injektionen bestand starker Durchfall. In den nächsten Wochen war der Stuhl teils dünnbreiig, teils flüssig; am Ende der dritten Woche war die tägliche Stuhlentleerung reichlich, aber von normaler Konsistenz, später wieder breiig oder durchfällig.. Die einzige auf- fallende Veränderung an dem Tier war eine Gewichtsabnahme von 1970 auf 1830 g, die allmählich eintrat und wahrscheinlich durch den Kotverlust zu erklären ist. Das Tier wurde nach 4 Wochen in voller Gesundheit getötet; bei der Sektion fanden sich makroskopisch keine Organveränderungen; besonders die Nieren waren von normalem Aussehen, ebenso der ganze Magendarmkanal. Der Dünndarm enthielt wenig flüssigen Kot, das distale Ende des Dickdarms einige breiig-weiche Kotballen. Einmalige intravenöse Injektionen grösserer Fxtraktmengen in die V. jugul. bei der Katze (5 ccm, entsprechend der wirksamen Substanz eines ganzen Katzen- oder Hundedünndarms) hatten keine Durcehfälle, aber auch keine allgemeinen Störungen zur Folge. Ein Hund, dem dieselbe Extraktmenge in die V. eubitalis in- jiziert wurde, hatte 20 Min. nach derselben eine sehr reichliche Stuhlentleerung. Über sein Verhalten nach der Injektion sagt das Versuchsprotokoll, dass er keine Zeichen der von Popielski an- gegebenen Vasodilatinwirkung zeigt: kein Speichelfluss, keine Tränen- sekretion, kein Erbrechen, keine Harnentleerung, keine Krämpfe, Unruhe oder allgemeine Prostration. Er trinkt sofort die ihm vor- gesetzte Milch, ist sehr lebhaft und munter. 5 Min. nach der Injek- tion entnommenes Blut gerinnt nach 1!/»z Min. Bei der Katze wurde durch Röntgenversuche die Wirkung der Extrakte auf die Verdauungsbewegungen untersucht. Die Tiere erhielten 25 ecm Kartoffelbrei und 5 g Wismuthydroxyd. In drei Versuchen begann die Beobachtung eine Viertelstunde nach der Nahrungsaufnahme. Der Magen war gefüllt und zeigte deutliche flache Wellen im Pylorusteil, von denen 2—3 gleichzeitig sichtbar waren. Der Punkt der Magenmitte, von dem diese Wellen ihren Ursprung nahmen, wurde auf einer Schirmpause markiert. Darauf wurden 5 cem eines gereinigten FExtraktes, der vorher auf seine Wirksamkeit am isolierten Darm geprüft war und fast die ganze wirksame Substanz eines Dünndarms — Hund, Katze oder Kaninchen — enthielt, 'ntravenös in die V. jugularis injiziert. Sofort begann die Antrumperistaltik lebhafter zu werden, die Wellen wurden tiefer, 188 Walther Weiland: schnürten nunmehr den Mageninhalt im Pylorusteil zeitweise voll- ständig ab und gingen bereits deutlich vom Fundusteil des Magens aus. Jetzt waren vier bis fünf Wellen zu gleicher Zeit sichtbar. 2—5 Min. nach der Injektion erfolgte der erste schussweise Übertritt ins Duodenum. Von da an konnte wiederholt der Durchtritt durch den Pylorus in den Darm verfolgt werden, was im Normalversuch bekanntlich nur selten gelingt. Die entleerten Schüsse passierten entweder sehr schnell das Duodenum und gelangten dann sofort in die linke Bauchseite, oder sie unterlagen im Duodenum zunächst kräftiger rhythmischer Segmentierung, um darauf peristaltisch weiter befördert zu werden. Bei fortschreitender Füllung des Dünndarmes war in diesem die lebhafteste rhythmische Segmentierung sichtbar, so dass lauter Ballen und Kugeln den Verlauf der Dünndarmschlingen kennzeichneten. Diese lebhaften Bewegungen dauerten etwa 60 Min. an; dabei füllt sich der Dünndarm immer mehr, seine Schatten glichen allmählich kontinuierlichen Bändern, die rhythmischen Segmentierungen hörten auf. 1-—1!/a Stunden nach dem ersten Übertritt ins Duo- denum war der erste Schatten im aufsteigenden Colon sichtbar, statt nach 2’/s—3 Stunden in der Norm. Danach ist am Verlauf der Darmbewegungen kein Einfluss der Extraktinjektion mehr zu er- kennen; sie nehmen ihren gewöhnlichen Fortgang. Zur Feststellung der Wirksamkeit der Extrakte auf die Be- wegungen des Dünndarmes wurden in drei Fällen den Tieren 2 Stunden nach der Fütterung dieselben Extraktmengen injiziert, wie oben für die Magenbewegung angegeben. Zu dieser Zeit war der Masen noch nicht völlig entleert, der Dünndarm auf weite Strecken mit Schatten gefüllt und das Colon in allen Fällen unsichtbar. Eine Minute nach der Injektion beginnt rhythmische Segmentierung, die sich nach einer weiteren Minute über den ganzen Dünndarm aus- breitet. Dessen Inhalt wird in lauter Kugeln und Ballen zerlegt, die sich in lebhaftester Bewegung befinden. Es treten manchmal peri- staltische Wellen auf, die den Inhalt einer Schlinge in eine be- nachbarte deutlich vorwärts treiben. Das Bild ähnelt durchaus der typischen Rizinuswirkung!). Auch bei diesen Durchleuchtungen war die Antrumperistaltik viel lebhafter als vor der Injektion; vier bis fünf Wellen waren zu gleicher Zeit siehtbar, und der Pylorusteil war dabei oft völlig abgeschnürt. In zwei Versuchen war bereits 10 Min. 1) Magnus, Pflüger’s Arch. Bd. 122. Zur Kenntnis der Entstehung der Darmbewegung. 189 nach der Injektion die erste Füllung des Colon sichtbar. Auch hier dauern die lebhaften Bewegungen 40—50 Min. an; nachher war der Verlauf der Darmbewegung der Norm entsprechend !). Übereinstimmend mit der geringen Wirkung der Extrakte auf den isolierten Dickdarm ergab auch die Röntgenuntersuchung des Diekdarmes keine Veränderung der Dickdarmbewegung. Die Tiere wurden nach den Injektionen noch mehrere Tage be- obachtet; es trat nur in zwei von neun Fällen Durchfall ein (24 bis 36 Stunden nach der Injektion), und sie zeigten ungestörtes Wohl- befinden. Bei der später vorgenommenen Sektion waren krankhafte ÖOrganveränderungen nicht nachweisbar. Versuche mit Hormonal. In der mir zugänglichen Litteratur fand ich nur zwei Angaben, die zu den oben beschriebenen Versuchsresultaten Beziehungen zu haben scheinen, wenn man den von Dubois und Boulet?) an- gegebenen Einfluss von wässrigen oder Glycerinextrakten aus der Prostata von Hund, Widder und Stier auf die Darmbewegung ausser acht lässt. Diese Autoren erhielten so wechselnde Resultate auf den Darm, und ihre Angaben über die Wirkung auf andere Organe und auf Blutdruck und Atmung beim lebenden Tier, sind so unvoll- ständig, dass sich daraus keine sicheren Schlüsse ziehen lassen. Die zeitlich erste Beobachtung über die spezifische Wirkung von Darmextrakten auf die Darmbewegungen stammt von Enriquez und Hallion?°). Sie haben aus dem Hundedünndarm Extrakte her- gestellt, von denen sie 2—10 cem mit einer Geschwindiekeit von 5—6 cem pro Minute injizierten, und deren Wirkung auf die Darm- bewegung sie mit Hilfe von Gummiballons registrierten. Sie fanden, dass die Injektionen grosse und schnelle peristaltische Bewegungen hervorriefen, die schnell ein Maximum erreichten und in 15—50 Min. verschwanden. Bemerkenswert ist, dass die Wirkung der Injektionen, selbst wenn sie in grossen Zwischenräumen vorgenommen wurden, 1) Die geschilderten Injektionen sind ein vorzügliches Mittel, um im Röntgen- versuch zu Demonstrationszwecken Magenbewegung, Magenentleerung und Dünn- darmbewegungen hervorzurufen. 2) Dubois et Boulet, Compt. rend. de la soc. de biol. 3. Dez. 1911. 3) Enriquez et Hallion, Compt. rend. de la soc. de biol. 1904. 25. No- vember 1911. 190 Walther Weiland: sich kumuliert, und dass daher die Reizbarkeit des Darmes zunimmt; jedoch war die Wirkung der Extrakte inkonstant. Vagusdurch- schneidung und verschiedene Gifte, z. B. Morphin, Chloralhydrat, Atropin, verhindern das Auftreten der Reaktion nicht. Über die wirksame Substanz selbst sagen Enriquez und Hallion „nous l’ignorons actuellement“; sie haben sie aber nach ihren Eigen- schaften umgrenzt und gezeigt, dass sie kochbeständig, alkohollöslich (in 85 /oigem Alkohol) und unabhängig von der blutdrucksenkenden Substanz des Darmextraktes ist. Andere ÖOrganextrakte haben nach Angabe der Verfasser die- selben Wirkungen, unter ihnen besonders Milz, Leber, Magen- schleimhaut, doch unterscheiden sie sich von der „substance exeito- peristaltigque“ durch geringere Dauer und Intensität der Wirkung. Sie äussern die Vermutung, dass es sich um ein Hormon handelt, doch konnten sie den strikten Beweis, dass dasselbe ins Blut über- geht und auch tiefere Darmabschnitte erregt, nicht führen. Ausführliche klinische kasuistische Mitteilungen und einige ex- perimentelle Arbeiten liegen vor über das „Peristaltikhormon“ von Zuelzer, Marxer und Dohrn!), ursprünglich ein Extrakt aus der Magenschleimhaut, aus welchem die Eiweisskörper mit Alkohol ausgefällt waren. Später diente zur Darstellung des „Hormonals“ die Milz. Die Substanz zeigt keine Artspezifität, bewirkt keine Anaphylaxie und war im Magen angeblich nur auf der Höhe der Verdauung nachweisbar. Im Dünndarm fehlte sie fast gänzlich; aus den obersten Partien der Duodenalschleimhaut liess sie sich dagegen gewinnen. Im Tierexperiment wirkt sie nach den Angaben von Zuelzer ähnlich wie Physostigmin. Nach Injektion in die Vene liess sich nach einigen Sekunden starke Peristaltik, die vom Duodenum beginnt und bis zum Reetum verläuft, beobachten und am narkotisierten Tier verschiebt sich nach Eröffnung der Bauchhöhle der Inhalt einer in Kochsalzwasser schwimmenden Darmschlinge analwärts; die ein- setzende starke Bewegung der Dünndarmschlingen greift schliesslich auf das Reetum über, und Kotballen und Luftblasen treten aus dem Reetum aus. Über die Wirkung auf die Peristaltik beim Menschen liest eine zahlreiche und widerspruchsvolle Literatur vor [Qua- 1) Zuelzer, Marxer, Dohrn, Berliner klin. Wochenschr. 1908 Nr. 46. Zur Kenntnis der Entstehung der Darmbewegung. 191 drone), Forkel?), Saar?°), Zuelzer*), Henle°), Kretzch- mann®) u. a.]. Im Experiment fand v. Sabatowski’) geringe Beschleunigung der Darmbewegung, Blutdrucksenkung, Speichelfluss und Aufhebung der Blutgerinnung nach intravenöser Injektion grösserer Mengen beim Hunde, während bei intramuskulärer Injektion kaum etwas davon zu bemerken war. Nach diesen seinen Beobachtungen hält v. Sabatowski das „Peristaltikhormon“ für identisch mit dem „Vasodilatin* von Po- pielski?°). Dittler und Mohr?) beobachten bei vier Hunden, zwölf Katzen und einem Kaninchen Blutdrucksenkung nach intravenöser Injektion von 0,1— 2,0 eem Hormonal pro Kilogramm Tier. Hier sei darauf hingewiesen, dass Ott!°) 1904 zuerst darauf aufmerksam machte, dass filtrierter, wässeriger Milzextrakt bei intra- venöser Infusion die peristaltischen Bewegungen an Kraft und Frequenz zunehmen liess. Um mir ein eigenes Urteil zu bilden, inwiefern das „Peristaltik- hormon“ mit dem in dieser Arbeit beschriebenen wirksamen Be- standteil der Darmwand identisch ist, habe ich eine Anzahl Versuche mit „Hormonal“ angestellt!!). Das bisher gebräuchliche Präparat "mit 0,4°/o Trikresolzusatz als Konservierungsmittel erwies sich als ungeeignet, weil diese Trikresolmenge bereits genügt, bei Zusatz von 0,1 ccm des Präparates die Bewegungen des isolierten Kaninchen- dünndarmes und bei Zusatz von 0,7—1,3 cem die des Katzendarmes aufzuheben. Daher wurden weitere Versuche mit einem Präparat angestellt, das nur 0,1°/o Chloroform enthält !!). 1) Quadrone, Gaz. d. Osped. 17. Nov. 1911. 2) Forkel, Münchener med. Wochenschr. Bd. 35. 1911. 3) Saar, Med. Klinik 1910 Nr. 11. 4) Zuelzer, Med. Klinik 1910 Nr. 11; Ther. der Geg. Mai 1911. 5) Henle, Chirurgenkongress 1911; Zentralbl. f. Chir. Bd. 42. 1910. 6) Kretzehmann, Münchener med. Wochenschr. 1912 Nr. 9. 7) v. Sabatowski, Wiener klin. Wochenschr. 1912 Nr. 3. 8) Popielski, Münchener med. Wochenschr. 1912 Nr. 10. 9) Dittler und Mohr, Münchener med. Wochenschr. 1910 S. 2427. 10) Ott, Proceeding of Physiol. Soc. Journ. of Phys. 1904. 11) Die Versuchsmengen wurden mir von der chemischen Fabrik auf Aktien (E. Schering) freundlichst zur Verfügung gestellt. 192 Walther Weiland: Es reagiert alkalisch gegen Lackmuspapier, gibt starke Millon- sche Reaktion und Biuret-Reaktion; Phosphorwolframsäure und Phosphormolybdänsäure erzeugen mit ihm einen weissen Niederschlag ; Platinchlorid, konzentrierte Sublimatlösung, Jodquecksilberjodkalium, Jodjodkalium und Pikrinsäure geben keinen Niederschlag. Dieses Präparat wurde durch Kochen von Chloroform befreit und wirkte danach in Dosen von 1 ccm auf den Katzendarm, und von 0,5 cem auf den Kaninchendarm deutlich er- regend (Fig. 11). Nach intravenösen Injektionen von 1 eem beim Kaninchen waren peristal- tische Wellen durch die Bauchdecken Big ldlal Versuch, 60) sichtbar; der Blutdruck sank wenig Schreibender Kaninchendarm (um 6—8 mm He) und stieg dann um in 50 ccm Tyrode. Bei a Zu- 2 ? SENT satz von 0,5 cem Hormonal. 5 mm Hg über die Norm. Fig. 11b. Versuch 77. Schreibender Katzendünndarm in 50 cem Tyrode. Bei b Zusatz von 1 ccm Hormonal. Die Atmung wurde vertieft und beschleunigt; bei einem Versuch fand sich am Ende der Injektionen deutliche Tränen- und Speichel- sekretion. Bei der Katze bewirkte intravenöse Injektion nicht regel- mässig sichtbare Peristaltik, stets deutliche Blutdrucksenkung mit späterem Anstieg über den Ausgangswert (53 mm Hg Senkung; 40 mm Hg Anstieg über die Norm). Zur Kenntnis der Entstehung der Darmbewegung. 193 Sowohl das Präparat, welches Enriquez und Hallion aus dem Darm gewonnen haben, als auch das „Hormonal“ aus der Milz zeigen also eine ganze Reihe von gemeinsamen Eigenschaften mit dem von mir in dieser Arbeit beschriebenen Darmextrakt. Das Hormonal scheint stärker durch andere Organbestandteile verunreinigt zu sein als die von mir verwandten Präparate, da es starke Millon’sche - Reaktion gibt, bei Kaninchen auf den Blutdruck wirkt und gelegentlich Tränen- und Speichelsekretion erzeugt. Ob schliesslich der wirksame Bestandteil aus der Milz mit dem aus dem Darm gewonnenen identisch ist, lässt sich zurzeit nicht mit Sicherheit entscheiden, da hierzu aus beiden Extrakten die reinen Substanzen dargestellt und verglichen werden müssten. Dagegen ist wohl nicht zu bezweifeln, dass Enriquez und Hallion es mit derselben wirksamen Substanz zu tun gehabt haben. Von der hypothetischen Substanz, auf welche Popielski fast alle Wirkungen von Organextrakten zurückführt, dem „Vasodilatin“, zeigt die erregende Darmsubstanz wesentliche Unterschiede. Das „Vasodilatin“ bewirkt nach Popielski Blutdrucksenkung und Auf- hebung der Blutgerinnung, allgemeine Erregung, manchmal Krämpfe des Versuchstieres, stets Sekretion fast aller Körperdrüsen, Abgang von Kot und Urin. Nach der ersten Injektion tritt eine Art von Immunität ein; eine zweite und folgende Injektionen sind wirkungslos. Von allen diesen Nebenwirkungen ist bei meinem Präparat nur Blut- drucksenkung bei der Katze (nicht beim Kaninchen) vorhanden; weder allgemeine Erregung, noch Urinabgang, noch Krämpfe, noch Steigerung der Sekretion von Speichel- und Tränendrüsen war in zahlreichen Versuchen zu konstatieren, sobald die Präparate genügend gereinigt waren; ebenso ist von einer Immunität nichts nachzuweisen. Wiederholt wurde festgestellt, dass nach jeder Injektion wieder deutliche Peristaltik auftrat. Von dem Sekretin (Bayliss und Starling) unterscheidet sich die beschriebene Substanz dadurch, dass sie in Alkohol, Äther löslich ist, in welche Lösungsmittel das Sekretin nicht übergeht. Vor einiger Zeit haben Cannon und de la Paz!) gezeigt, dass das Blutserum Substanzen enthält, welche die Darmbewegung 1) Cannon and de la Paz, Emotional stimulation of adrenal secretion. Americ. Journ. of Physiol. vol. 28 p. 64. 1911. 194 Walther Weiland: erregen; kurz darauf fand O’Connor!), dass diese Substanzen erst bei der Gerinnung entstehen und dem Blutplasma fehlen. Diese Be- funde liessen es möglich erscheinen, dass die in meinen Extrakten enthaltene darmerregende Substanz mit dieser Serumsubstanz identisch ist und erst ausserhalb des Körpers postmortal entsteht. Eine der- artige Annahme ist aber schon deshalb recht unwahrscheinlich, weil die von mir geprüften anderen Organe, welche zum Teil sehr blutreich sind (Leber, Milz), schwächer und inkonstant auf die Darnbewegung wirken. Es lässt sieh aber sogar direkt zeigen, dass die in meinen Extrakten enthaltene wirksame Substanz von dem erwähnten Serum- körper verschieden ist. Deun die erregende Wirkung der Darm- extrakte auf den Dünndarm wird durch Atropin antagonistisch auf- gehoben, während die Serumerregung durch Atropin unbeeinflusst bleibt. F. Kahn?) hat dieses bereits für die Serumerregung des Uterus gezeigt; ich habe mich in sechs Versuchen davon überzeugt, dass die erregende Wirkung von 2,5 cem Hundeserum auf Kaninchen- dünndarm durch 0,08—0,2 mg Atropin unbeeinflusst bleibt; die gleichen Atropinmengen heben die erregende Wirkung der Darmextrakte dagegen sofort auf. Danach erscheint es sicher, dass die zwei Sub- stanzen nicht identisch sind, und dass die in dieser Arbeit beschriebenen Effekte nicht durch Verunreinigung der Salzlösungen mit Blutserum hervorgerufen sein können. A Versuchsergebnisse. Es gelingt durch Behandlung mit Tyrode’scher Flüssigkeit oder mit destilliertem Wasser aus dem Verdauungstraktus von Hund, Katze und Kaninchen, am besten bei einer Temperatur von 38° C, einen Extrakt zu gewinnen, der den überlebenden Dünndarm erregt; dieselbe Wirkung erhält man, wenn in die Aussenflüssigkeit eines überlebenden Dünndarmes eine intakte, zugebundene Darmschlinge gebracht wird. Man kann diesen Effekt mit Extrakt aus dem Magen, Dünn- und Dickdarm von den drei Tierarten auf den überlebenden Dünn- 1) J. M. O’Connor, Über den Adrenalingehalt des Blutes. Schmiede- berg’s Arch. Bd. 67 S. 195. 1912. (Vgl. Münchener med. Wochenschr. 1911 S. 1439. 2) F. Kahn, Zur Frage des Serumgehaltes an adrenalinähnlichen Sub- stanzen. Münchener med. Wochenschr. 1912 S. 692. Zur Kenntnis der Entstehung der Darmbewegung. 195 darm derselben hervorrufen. Für die Katze, bei der eine Trennung der Muskel- und Schleimhautschicht des Darmes leicht möglich ist, konnte gezeigt werden, dass sowohl Muscularis als auch Schleimhaut und Submucosa den wirksamen Bestandteil enthalten; nur im Dick- darm wurde er in einigen Versuchen allein in der Museularis gefunden. Die auf gleiche Weise hergestellten Extrakte anderer Organe dieser Tiere wirken schwächer und nur inkonstant auf den Darm. Der wirksame Bestandteil des Darmextraktes ist bei Zimmer- temperatur unter Zusatz von Antiseptieis haltbar; er ist kochbeständig, löslich in Alkohol und Äther, schwer löslich in Aceton, und diffun- dierbar. Das gereinigte Extrakt enthält nur geringe Mengen Stickstoff — einige Milligramm im Extrakt eines ganzen Darmes —, reagiert segen Lackmuspapier alkalisch und gibt nur schwache Biuretreaktion. Mit Phosphorwolframsäure und Phosphormolybdänsäure gibt es einen kräftigen, mit Platinchlorid einen schwachen, weisslichen Niederschlag. Seine Reindarstellung ist bis jetzt nicht gelungen. Sein Angriffspunkt in der Darmwand ist der Auerbach’sche Plexus. Die Erregung kann durch minimale Mengen Atropın antagonistisch aufgehoben werden; durch Auswaschen ist seine Wirkung auf eine isolierte Darmschlinge leicht rückgängig zu machen. Am lebenden Tier hat intravenöse Injektion von gereinigten, konzentrierten Lösungen keine irgendwie wesentliche Wirkung auf die Atmung; beim Kaninchen fehlt auch jeder Einfluss auf den Blut- druck, während bei der Katze fast stets eine beträchtliche, schnell vorübergehende Blutdrucksenkung eintritt. Bei beiden Tierarten tritt eine durch die Bauchdecken sichtbare, kräftige Peristaltik auf. Bei täglich wiederholten intravenösen Injektionen beim Kaninchen erfolgen nach einigen Tagen Durchfälle ohne Fieber, ohne Störung des Allgemeinbefindens, ohne pathologisch-anatomische Organ- veränderungen. Bei Katzen, die mit Wismut-Kartoffelbrei gefüttert sind, sieht man auf dem Röntgenschirm nach intravenöser Injektion Verstärkung der Antrumperistaltik des Magens, beschleunieten Übertritt der Nahrung in das Duodenum, sehr hochgradige Erregung der Pendel- bewegungen, die zu lebhaften rhythmischen Segmentierungen führen, manchmal auch vermehrte Dünndarmperistaltik. Ein Einfluss auf die Diekdarmbewegungen war nicht zu erkennen. 196 W. Weiland: Zur Kenntnis der Entstehung der Darmbewegung. Die erhaltenen Befunde werfen ein Licht auf die Frage nach der Entstehung der Darmbewegung. Der isolierte, zirkulationslose Dünndarm führt in Salzlösung stundenlang rhythmische Bewegungen aus, welche unter der Herrschaft des Auerbach’schen Plexus stehen, und welche auch andauern, wenn die Darmschleimhaut mit ihren sensiblen Nervenendigungen entfernt ist. Auch die Serosaoberfläche kann zerstört sein ohne Beeinträchtigung der rhythmischen Be- weeungen. Wir haben es also mit echten sogenannten automatischen Bewegungen zu tun. Bisher war dunkel, welches die Ursache dieser Automatie ist. Für das automatisch tätige Atemzentrum der Warm- blüter wissen wir, dass der Reiz ein chemischer ist. Der in dieser Arbeit geführte Nachweis, dass die Darmwand selbst eine Substanz enthält, welche den Auerbach’schen Plexus errest, zeigt, dass wir auch für die automatischen Bewegungen des Darmes eine chemische Ursache anzunehmen haben. (Aus der allgemeinen Poliklinik, Basel.) Respirationsversuche am Menschen im nüchternen Zustand und nach Zufuhr verschiedener Eiweisskörper. Von wilhelm Loeffler, h I, Nach Zufuhr von Eiweisskörpern oder Kohlehydraten findet beim Menschen im normalen Ernährungszustand stets eine Steigerung der Sauerstoffabsorption und der Kohlensäureabgabe statt. Diese Steigerung beeinnt ziemlich unmittelbar nach der Nahrungsaufnahme, um nach mehr oder weniger langer Zeit wieder auf den Nüchtern- wert herunter zu gehen. Die Steigerung des Respirationsstoffwechsels wird von den ver- schiedenen Autoren verschieden gedeutet. Die Zuntz-Mering’sche Schule!) führt die sofort nach der Nahrungsaufnahme sich zeigende Steigerung auf die „Verdauungsarbeit“ zurück. Rubner!) ver- anschlagt den Beitrag der Verdauungsarbeit an dieser Steigerung als sehr gering. Nach ihm kommt jedem Nahrungsstoff eine „spezifisch- dynamische Wirkung“ zu. Von fast allen Autoren wird ausserdem angenommen, dass ein Teil der aufgenommenen Nahrung direkt ver- brannt und damit sofort vom Organismus verwertet wird. Bis vor wenigen Jahren waren jeweils nur die verschiedenen Hauptgruppen der Nahrungsstoffe (Eiweisskörper, Kohlehydrate, Fette) miteinander verglichen worden. Es wurde angenommen, dass die verschiedenen Eiweisskörper resp. die verschiedenen Kohlehydrate qualitativ und quantitativ die gleichen Veränderungen im respira- torischen Stoffwechsel bedingten, doch lagen keine experimentellen 1) Zuntz und Mering, Inwiefern beeinflusst Nahrungszufuhr die tierischen Oxydationsprozesse? Pflüger’s Arch. Bd. 32 S. 173. 1888. 2) Rubner, Die Gesetze des Energieverbrauchs bei der Ernährung. 1902. Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd. 147. 14 198 Wilhelm Loeffler: Prüfungen dieser Frage vor. [Voit!)]. Versuche, die einen Teil dieses Problems betreffen, liegen in der Publikation von Falta, Grote und Staehelin?) vor. Diese Autoren fütterten einen Hund mit je gleichen Mengen (120 g) Casein, Glutencasein und hydrolv- siertem Kasein zusammen mit einer Standardkost, bestehend aus Pferdefleisch, Schweinefett und Fleischextrakt. Sie kamen zu dem Resultat, dass ein wesentlicher Unterschied zwischen dem Einfluss dieser Eiweisskörper auf die Kalorienproduktion, sowie auf den Sauerstoffverbrauch und die Kohlensäureabgabe nicht besteht. Nach anderen Gesichtspunkten hin hatte unter anderen Staehelin?) die Wirkung der vegetarischen Diät auf den Menschen studiert. Bedeutende Unterschiede in der Wirkung animalischer und vegeta- bilischer Kostform fand er nicht: Körpertemperatur, Muskelleistung, Pulsfrequenz, Blutdruck, Viskosität des Blutes usw. zeigten keine bedeutenden Verschiedenheiten. Nur die Diurese wurde durch Fleisch und Eier ausgesprochen erhöht. Sowohl Wasser als auch Kochsalz und vielleicht auch die stiekstoffhaltigen Endprodukte des Stoffwechsels erfuhren eine ver- mehrte Ausscheidung, die vom Autor auf eine Wirkung der Ex- traktivstoffe zurückgeführt wurde. Dies bestärkt unsere Annahme, dass zur Untersuchung der Wirkung von Eiweisskörpern oder Kohle- hydraten auf den Stoffwechsel diese Stoffe möglichst frei von allen Zutaten aufgenommen werden müssen. Stoffwechselversuche zur Vergleichung der Wirkung verschiedener, reiner Eiweisskörper beim Menschen sind unseres Wissens noch nicht ausgeführt worden. Der scheinbar naheliegende Einwand, man über- schreite mit der Zufuhr reiner Eiweisskörper ohne jede Zutat und Zubereitung die Grenzen des Physiologischen, ist unbegründet: die von uns gewählten Körper (Casein, Edestin) sind leicht einzunehmen und werden ohne jede Beschwerde ertragen. Ausserdem beweisen, wie später zu ersehen sein wird, die Versuche mit solchen Eiweiss- körpern, dass letztere vom Organismus ausgezeichnet resorbiert und verwertet werden. Dann liegt es in der Natur jedes Versuches, 1) Voit, Die Ernährung. Herrmann ’s Handb. d. Phys. Bd. 6 S. 104. 1881. 2) Falta, Grote und Stähelin, Versuche über den Kraft- und Stoff- wechsel und den zeitlichen Ablauf der Zersetzungen unter dem Einfluss ver- schiedener Ernährung beim Hund. Hofmeister's Beitr. Bd. 9 S. 333. 3) Staehelin, Untersuchungen über die vegetarische Diät usw. Zeitschr. f. Biol. Bd. 49 S. 199. 1907. Respirationsversuche am Menschen im nüchternen Zustand ete. 199 möglichst eindeutige klare Bedingungen zu schaffen, um aus den Resultaten Schlüsse ziehen zu können. Bis vor wenigen Jahren fehlten auch vergleichende Unter- suchungen über die Wirkung verschiedener reiner Kohlehydrate auf den Gaswechsel. Die ersten Untersuchungen, die diese Frage be- treffen, stammen von Johannsson!) aus dem Jahre 1908. Bei einer Prüfung der Hypothese von der gleichen Wirkung der ver- schiedenen Kohlehydrate kam dieser Forscher zu dem auffallenden- Ergebnis, dass z. B. Lävulose eine doppelt so grosse Steigerung der Kohlensäureproduktion hervorruft wie dieselbe Dose Dextrose. Im Mittel von 11 bzw. 10 Bestimmungen bei verschiedenen Individuen betrug die Steigerung der Kohlensäureabgabe nach einer Dose von SlreRDextroser 2. 22028 10:7,85026005 505 Eayulose > 2 22222000. 2219,3, 0000, Der Widerspruch dieses Befundes mit der früheren Annahme dürfte, wie schon oben erwähnt, zum Teil darin liegen, dass Johannsson reine Körper verwendete, während in den meisten Arbeiten von Rubner?), Magnus-Levy?°) u. a. die Zufuhr aus sehr verschiedenen zusammengesetzten Speisen bestand (Dextrose, Reis, Reis + Zucker, Reis + Zucker + Fleisch + Fleischextrakt usw.). Weiter dürfte ein grosser Unterschied darin zu suchen sein, dass Johannsson die Veränderungen des Gaswechsels unmittelbar nach der Nahrungsaufnahme, bis maximal 12 Stunden danach berück- sichtigt, während die anderen Autoren 24 stündige und noch längere Perioden in Betracht zogen. Die Untersuchungen der letzten Jahre haben ergeben, dass die verschiedenen Eiweisskörper in ihrer chemisehen Konstitution und in ihren Beziehungen zum Organismus (z. B. Abbauprodukte) sich sehr verschieden verhalten können. Es dürfte daher von Interesse sein, auch hier zu prüfen, wie sie sich zum respiratorischen Gas- wechsel verhalten. Der Zweck der vorliegenden Versuche ist, den Einfluss von verschiedenen, möglichst reinen Eiweisskörpern auf 1) Johannsson, Untersuchungen über den Kohlehydratstofiwechsel. Skand. Arch. f. Physiol. Bd. 21. 1908. 2) Rubner, |. c. 3) Magnus-Levy, Über die Grösse des respiratorischen Gaswechsels. Pflüger’s Arch. Bd. 55 8.1. 1894. 14 * 200 Wilnelmloeffler:- den Gaswechsel des Menschen zu untersuchen. Sie beziehen sich ausschliesslich auf die Veränderungen des Stoffwechsels, welche sich unmittelbar nach der Nahrungsaufnahme abspielen. Sie wurden nur beim Menschen im nüchternen Zustand, d. h. bei normalem Glykogenvorrat ausgeführt. Als Grundlage für die Versuche dienten Nüchternversuche an denselben Versuchspersonen. Da der Nüchternwert!) (Grundumsatz) als Grundlage für die Berechnung der Stoffwechselveränderung dienen soll, haben wir uns bemüht, denselben möglichst genau zu erhalten. Zur Methodik: Alle Versuche wurden an zwei Personen ausgeführt, welche in Respirationsversuchen dieser Art geübt sind. Die eine Versuchs- person (B) (Gigon) war zur Zeit der letzten Versuche 23 Jahre alt, 131 cm gross, das Gewicht schwankte zwischen 74,2 und 75,6 kg. Die andere Versuchsperson (A) (Loeffler) war zur Zeit der Versuche 24 Jahre alt, 173 cm gross, das’ Gewicht betrug 70,6—71,5 ke. Die Versuche wurden bei vorsätzlicher Muskelruhe?) ausgeführt. Die Ver- suchsperson war meist wach, zeitweise schlafend. Unkontrollierte Muskel- bewegungen konnten mit Sicherheit ausgeschlossen werden, da die einzelnen Perioden eines Versuches nie eine halbe Stunde überdauerten und zwischen den- selben Pausen von 15—30 Minuten eingeschaltet wurden. Die Pausen wurden dazu benützt, die exspirierte Luft mit atmosphärischer Luft derart zu ver dünnen, dass bei den Analysen der CO,-Gehalt zwischen 0,8 und 1,2 % schwankte. Zur Kontrolle der Mischung wurden sofort nach der Verdünnung Proben je aus den oberen, mittleren und unteren Partien des Gasometers abgefüllt. Es ergaben sich für Kohlensäure: obere Partie mittlere Partie untere Partie 1. 0,927 %/0 0,920 9/0 0,926 9/0 I. 0,815 %0 0,815 9/0 II. 1,122%0 — 1,128 °/o Nach diesen Ergebnissen ist also die Mischung völlig homogen. Gleich nach der Mischung erfolgte die Entnahme der Luftproben, die über Quecksilber aufbewahrt wurden. Die Versuchsperson lag während der ganzen Versuchszeit auf einem Liegestuhl, der auch während der Pausen nicht verlassen wurde. Sämtliche Untersuchungen mit Ausnahme von einigen an Gigon wurden mittels eines Respirationsapparates ausgeführt, der nach dem Muster eines von 1) Johannsson, Über die Tagesschwankungen des Stoffwechsels usw. Skand. Arch. Bd. 8 S. 85fl. — Magnus-Levy, Physiologie des Stoffwechsels. In v. Noorden’s Handb. Bd. 1 S. 222. 1906. | 2) Jaquet, Der respiratorische Gaswechsel. Ergebn. d. Physiol. Bd. 2 ‘8. 457. 1903. (Die Versuchsperson nahm Rückenlage ein unter jeder Vermeidung von Muskelspannungen.) Respirationsversuche am Menschen im nüchternen Zustand etc. 201 . Jaquet konstruierten Apparates gebaut ist. Er gleicht dem von Speck!) vor ca. 30 Jahren benutzten; er hat die gleichen Vor- und Nachteile wie ein Zuntz- Geppert’scher Apparat. Als Aufnahmebehälter für die Exspirationsluft dient ein genau geeichtes Spirometer mit zylindrischer Glocke von 150 Liter Inhalt, die über Wasser abgesperrt ist. Die grösste Fehlerquelle bei solchen Apparaten liegt bekanntlich darin, dass bei verschiedenen Höhen der Spirometerglocke die Druckverhältnisse sich ändern. Dieser Fehler wird in unserem Apparat durch ein sehr genau konstruiertes exzentrisches Rad, über das das Gegengewicht der Glocke läuft, beseitigt. Zur Regelung der Zu- und Abfuhr der Luft von der Versuchsperson verwendeten wir anfangs Metallventile, dann Müller ’sche Wasserventile, da diese einen sicheren Abschluss gewähren und eine genauere Kontrolle gestatten. Der Anschluss der Versuchsperson an die Leitung erfolgte durch ein Kautschukmundstück, das durch eine elastische Binde am Munde fixiert wurde. Den Nasenverschluss machten wir anfangs wie in den Zuntz’schen Versuchen mit einer Klemme. Später zogen wir es vor, die Nasenlöcher mit feuchter Watte zu verschliessen. Mit Leukoplaststreifen lässt sich darüber be- quem und sicher ein luftdichter Abschluss erzielen. Zur Berechnung sei erwähnt, dass die Luft im Spirometer als mit Wasser- dampf gesättigt angesehen werden musste. Zur Kontrolle des Apparates diente eine kleine Lampe, die mit Petroleum gefüllt war, dessen Zusammensetzung folgende Werte ergab. 0,1122 g liefern 0,3527 g CO; + 0,1398 g H50. Die Kontrollversuche gaben folgende Werte. Tabelle I. Durch- CO, CO, Datum *® Dauer ne gefunden ! berechnet Hehler | Liter g g g Nov. 1910 . . 195205 150 1,90 1,50 + 0,40 21. April 1911 92.007 150 0,990 1,080 — 0,09 Poser 19T 26’ 56” 150 2,58 2,70 —. 0,12 29. Nov. 1911 30.00” 150 1,37 1,49 — 0,12 Wie aus der Tabelle ersichtlich, ergeben die Kontrollen gut übereinstimmende Werte. Zu ihrer Beurteilung darf natürlich nicht eine prozentuale Berechnung angewendet werden. Nach diesen Zahlen kommt die Genauigkeit unseres Apparates derjenigen anderer Apparate (Jaquet, Tigerstedt) gleich. Die bei einzelnen auch hier verwerteten Versuchen gebrauchten Apparate waren der von Tigerstedt und Sonden?) und der von Jaquet?) in der l) Speck, Physiologie des menschlichen Atems nach eigenen Unter- suchungen. 1892. | 2) Sonden und Tigerstedt, Untersuchungen über die Respiration und den Gesamtstoffwechsel des Menschen. Skandin. Arch. f. Physiol. Bd. 6 S. 1. 1895. 3) Jaquet, Ein neuer Apparat zur Untersuchung des resp. Stoffwechsels beim Menschen. Verhandl. der naturforsch. Gesellsch. Basel Bd. 15 S. 252.. 1903. 202 Wilhelm Loeffler: Basler medizinischen Klinik. Die Luftanalysen wurden in dem Apparat von Pettersson-Hoegland ausgeführt. (CO,-Absorption mit Kalilauge; O;-Absorption mit Pyrogallol). Die Zusammensetzung der atmosphärischen Luft wurde am Ende eines jeden Versuches bestimmt und für die Berechnung der betreffenden Versuche verwertet. Die Stickstoffbestimmung erfolgte nach Kjeldahl. Für die Berechnung der Gasvolumina wurden die Landoltschen Tabellen benützt. Die Versuche begannen frühestens 9—12 Stunden nach der letzten Mahlzeit, die stets beträchtlich eingeschränkt wurde. Der Organismus war also sicher im nüchternen Zustand. Bei den Versuchen mit Nahrungszufuhr wurde am Anfang der Beobachtung der bestimmte Nahrungsstoff in einmaliger Dosis mit beliebiger Quantität Wasser genossen. Die Aufnahme der Respirationsluft begann jeweils gleich nach Schluss der Nahrungsaufnahme. II. Nüchternversuche (Grundumsatz). Die folgenden Versuche entsprechen dem Grundunmsatz bei In- dividuen mit gewöhnlichem also noch ziemlich reichlichem Glykogen- vorrat (nicht bei solehen im Hungerzustand). Es stehen von Gigon Nüchternwerte, die nach drei verschiedenen Methoden bestimmt sind, zur Verfügung. Wie aus Tabelle II (S. 203) ersichtlich ist, ergeben die Nüchtern- versuche gut übereinstimmende Werte. Bei A erhalten wir als Mittel von acht Bestimmungen einen Wert für CO, von 20,70 & und für OÖ, von 18,92 g pro Stunde. Der mittlere Fehler der Einzelbeobachtung beträst für CO, + 1,09, für O, + 0,61. Diese Werte beziehen sich auf eine Periode von 1!/e Jahren. Während dieser Zeit hat sich also der Grundumsatz nicht geändert. Bei B haben die Untersuchungen mit dem Jaquet’schen und dem Tiger- stedt’schen Apparat einen Gaswechsel im Nüchternzustand von ca. 23,32 CO, und 21,0 g O,. Die Versuche am Spirometerapparat lieferten ein Mittel von 21,15 g CO, und 20,0 g O,.. Dieses etwas niedrigere Mittel lässt sich zum grössten Teil darauf zurückführen, dass die Hautatmung bei der letzteren Versuchsanordnung nicht berück- sichtigt werden kann. Die Untersuchungen erstrecken sich bei Gigon auf einen Zeit- raum von mehr als 4 Jahren. Diese Resultate, die mit drei ver- schiedenen Apparaten erhalten worden sind, sowie die gute Über- einstimmung der Nüchternwerte bei mir sind ein sicherer, wenn auch indirekter Beweis für die Zuverlässigkeit unseres Apparates. Die Versuchsperson hat vor den Nüchternversuchen ihre übliche Arbeit getan. Respirationsversuche am Menschen im nüchternen Zustand etc. 203 Tabelle Il. ran " | co;-Aus- | O,-Ver- Bi N Datum Merüchs scheidung| brauch 003 Apparat person & 0 0, 10. Okt. 1910 |Loeffler(A)| 21,92 18,01 0,848 | Poliklinik. Spirometer 14. Nov. 1910 5 2148 | 20,99 | 0,744 i E 19,06 | 18,09 | 0.766 : A Dezbr. 1911 n 19,62 | 18,77 | 0,258 N z 19,97 18,50 0,793 a x 21,40 18,97 0,828 5 a 21,82 18,97 0,836 a R 20,33 19,06 0,776 s 5 Niels ann: 20,70 13,92 0,793 —— Mittlerer Fehler der Einzel- ” Zu mn ul m Januar 1912 beobaehtung. . 2... +1,09 +0,61 _- ._ Septbr. 1907. |Gigon!)(B)| 22,5 — — Tigerstedt Oktober 1907 2 23,8 — N Novbr. 1908. „ 23,8 21,6 0,799 |Jaquet, med. Klinik. April 1910 . © 22,7 20,4 0,811 > ä 5 Oktober 1910 e 21,6 19,5 0,796 | Poliklinik. Spirometer 20,8 20,5 0,740 5 x Septbr. 1910. | n Unsere Versuche ergeben, dass der Grundumsatz für ein und dasselbe Individuum Jahre hindurch ganz auffallend konstant bleibt. Die Beteiligung der einzelnen Körperstoffe am Grundumsatz bleibt also auch die gleiche. Die Annahme, welche noch öfters gemacht wird, dass im nüch- ternen Zustand vorwiegend Fett verbraucht wird, muss sehr vorsichtig aufgenommen werden. Es werden nicht mehr als ca. 40--50 °!o des Umsatzes von Fett bestritten, der Rest verteilt sich ungefähr zu gleichen Teilen auf Eiweiss und Kohlehydrate. Erwähnenswert ist es vielleicht auch, dass der Grundumsatz nicht mehr als 20 bis 26 Kalorien pro Kilogramm in 24 Stunden beträgt. Diese Zahl ist niedriger als das von V oit?) aufgestellte Kalorienminimum für den ruhenden erwachsenen Menschen. Der Nüchternwert ist auch unabhängig von der Tageszeit. Ein- zelne Bestimmungen wurden am Tage, andere in der Nacht aus- geführt. Ebenso ist der Grundumsatz unabhängig vom Wach- oder Scehlafzustand der Versuchsperson. 1) Gigon, Über einige Fragen des Stoffwechsels und der Ernährung. Münchener med. Wochenschr. 1911 S. 1343. 2) Berechnet nach Voit: Die Ernährung. In Herrmann’s Handb. d. Physiol. Bd. 6 S. 531. 204 Wilhelm Loeffler: Versuchsperson A hat, wie zu erwarten war, etwas niedrigere Nüchternwerte als B, indem sie ca. 4 kg leichter und ca. 8 cm kleiner ist. Tabelle Ila. Grundumsatz pro Stunde. Verbraucht Der Umsatz besteht aus | Kalorien 7 pro Kilo- Ave Kohlen 0 Kohle | raninen Eiweiss | Fett hydrat Eiweiss Fett hydrate 54 Sn Ro] Autor g g g %/o %g Magnus-Levyt)| 2,25 4,6 22 15,0. 70.0, 219,0 26,6 Staehelinan. 22:81 2 4,68 20,3 44,5 332 20,0 GigonZ)" 1031092 Be 4,46 22,0 | 51,0 27,0 22,5 NO). De Ro. 14,6 22:69:52 58,2 35,7 boetnlere... 210.95 3,58 3,17 B4.0..| 55:0 12130 21,6 III. Stoffwechsel bei Zufuhr von Eiweiss. Zur Prüfung des Einflusses des Eiweisses auf den Stoffwechsel haben wir als animalisches Eiweiss Kasein gewählt, als Pflanzen- eiweiss Edestin. Das Kasein stellt ein grauweisses Pulver dar, das deutlich nach Käse schmeckt; das Edestin ist ein sehr leichtes, helleelbes Pulver. Beide Körper lassen sich leicht einnehmen. Beschwerden sind nie- mals aufeetreten. Im Mittel erhielten wir einen Stickstoffgehalt für die von uns benützten Präparate: Kasein 12,85 %o N; Edestin 16,50 %/o N. Kasein?) ist ein Nukleoalbumin, das aus Milch gewonnen wird. Edestin wird aus Hanfsamen dargestellt und gehört zu den Glo- bulinen. In ihrem Aufbau aus Aminosäuren differieren die beiden Körper ganz wesentlich. Die wichtigsten Unterschiede sind aus folgender Zusammenstellung ersichtlich.?) 1) Zitiert nach Gigon,l.c. 2) Berechnet nach Voit, Die Ernährung. In Herrmann’s Handb. d. Physiol. Bd. 6 S. 531. 5) Abderhalden, Lehrb. d. physiol. Chemie. Respirationsversuche am Menschen im nüchternen Zustand etc. 205 Rasen Edestin Nukleoalbumin Globulin Glukokollaarn wur ve) 3,8 Leimen. ak ar > 20,9 Klutaminsaurer 2 2.2.02 210 6,3 Dysınaa 2 el... dus 9,88 1,0 ROSINEN den 2,1 ATS a. BA 117 sille r el eiie une Merten thui var uniaiie ueunde,), aerneln er Meıeuhkeifiieniletiie elite 0%. 0.20 0, 0 NO N DOREEN GE DEE OL EDERON ON. DON eöBone u leiluleinuren keit lei len lerne) Sein ke, Mary .al Jesse Keimefsnen elite il lei, erh) e ertey ge ef tulBelitel, drei ye,l Kiel a vet, lei rei) ei, et ein nen neeih ei ieWiie her nei, e Reaktion. . . . . schwach sauer sauer In den Versuchen wurde das Kasein resp. Edestin in einmaligen Dosen von 50 g nach der oben angegebenen Weise genommen. Tabelle III ereibt die Resultate der Kaseinversuche: Tabelle II. Gaswechsel pro !/ Stunde nach Zufuhr von 50 g Kasein. [0107 „-Aus- O,-Ver- |; Datum Zeit Im ae r V a 23. Mai 1911 8h 10’ bis Sh 38’ | 10,02 10,10 0,705 A (N=432 g in | 94 05° „ 9» 30’| 12.07 10,83. 0 0,807 4 Stunden, | 10h 02° „ 10h 27’| 11,95 10,83 | 0,802 nüchtern 0,57 g| 10h 58’ „11h 26’ | 10,93 9,98 0,787 pro Stunde) 11h 46’ „12h 15’ |. 10,04 8,87 0,823 1. Febr 1912 8n 207, 8545’ |. 10.60 9,45 0,816 (N = 426 g in YES 5, Qu 80 12,00 10,51 0,807 4 Stunden, 107032, 108728! 11,19 10,05 0,809 nüchtern 0,57 g | 11h 06° „ 11n 34'| 10,12 9,10 | 0,308 pro Stunde) LmE5302 2120217 9,51 8,86 0,780 Tabelle IV. Steigerung des Gaswechsels nach Zufuhr von 50 g Kasein. | CO,-Aus- Os- | \ Datum Zeit scheidung | Verbrauch Versuchs- person | g g 3. Mai 1911 Sh 38°" bis Ih 05’ 9,64 9,45 A gh 05" „ Yh 30’ 10,05 9.08 9h 30’ „ 10h 02’ 12,80 11,58 10h 02’ „ 10h 27 9,95 9.03 LO 277 100758 1) 10,76 os nes) TR Dauer sr, 23h 50’ | 64,96 | 59,89 Nüchternwerte 98,69 53,98 Steigerung . | +6,31 | +6,34 | 206 Wilhelm Loeffler: 0O,-Aus- O,- | Datum | Zeit | scheidung Verbrauch Versuchs- person | ee le 1. Februar 1912 &h 20’ bis Sh 45’ 8,84 7,87 A ee a 10,55 9,45 gh 13° > gu 38’ 9.20 8,29 957964. .1007037 10,43 9,40 10h 03’ „ 10h 28° 9,32 8,29 10282 21123102 14,08 | 13,64 | Dauer en. 2h 50' 62,42 56,94 ‚Nüchternwerte 58,65 53,99 Steigerung . . +3,77 +3,39 Miele ae N Tabelle V. Gaswechsel pro Stunde nach Zufuhr von 50 g Kasein'). ' TA COE Aus-| O,,.Ver | eo, | Versuchs- Datum Zeit scheidung; brauch | un 4.—5. Dez. 1908 | 54 40’ bis 9h 40’ | 24,59 22,43 0,797 B (Harn-N—6,75g| 9% 50’ „10% 50° 26,77 23,11 0,307 in 10 Stunden | 11h 20’ „ 11h 57’ | 23,80 23,96 0,741 nüchtern 0,59 g| 125 05’ „ 15 03’| 24,16 21,74 0,808 pro Stunde) 1215. ,0%2:h51441 122,13 18,65 0,891 17.-18. u) 9h 00’ „10h 00’ | 22,65 22,26 0,740 (Harn-N—4,20g| 10h 07’ „11h 07’| 24,10 21,77 0,805 5 Stunden | 11h 15’ , 12h 15’ | 24,88 22,32 0,810 - nnshlern 05 gu 1209320210930 25,45 23,67 0,781 pro Stunde) Ih 30°. „ 23071] 22,29 E— — Tabelle VI. Steigerung des Gaswechsels nach Zufuhr von 50 g Kasein., | | CO; Aus- 2 0: | Versuchs- Datum | Zeit aan en scheidung Ver brauch person to} 4.—5. Dez. 1908 $h 40’ bis Ih 40' 24,59 22,43 B 9h 40’ „ 9 50’ 4.98 3,79 9n 50’. „ 10h 50’ 26,77 93. 11 10.502 5 17800! 421 3/87 1157002 ,.125 00% 23, so 23.36 12h 00’ „ 12h 10’ SR | ER IER NT | DB 3.99 | 3,75 | Dauer wor 31/2 Stunden 7,64 s0,31 Nüchternwert . s1,75 73,69 Zunahme. . . +5,39 +6,62 1) Gigon, Über den Einfluss der Nahrungsaufnahme auf den Gaswechsel und Energieumsatz. Pflüger’s Arch. Bd. 140 S. 1. 1911. Respirationsversuche am Menschen im nüchternen Zustand etc. 207 CO,-Aus- O,- Datum Zeit scheidung Verbrauch | Versuchs- person 8 a 17.-18.April1910|] 10h 07’ bis 11h 07’ | 24,10 21,77 B la Ne ae 3,20 2,94 u 152, RN 24,88 22,32 am la 3,21 3,06 a N 25,45 23,67 23 ANE3T 5,40 5,36 Dauersieren.e. 3!/eg Stunden 86,24 79,12 Nüchternwert . 81,75 73,69 Zunahme . . . +4,49 5,43 Mittels ar: +5,19 +6,03 In sämtlichen Tabellen haben wir die Zeit angegeben, welche genau der Dauer der einzelnen Versuchsperioden entsprach. Um vergleichbare Werte zu erhalten, sind dagegen die Werte in Gramm für die Kohlensäureausscheidung und den Sauerstoffverbrauch auf 30 Minuten resp. 1 Stunde gerechnet. Die Dauer der Versuchs- perioden betrug für die Versuche mit dem Spirometer 20—30 Minuten, für die Versuche am Jaquet’schen Apparat ungefähr 1 Stunde. In den Tabellen, welche die Steigerung des Gaswechsels nach Nahrungszufuhr angeben, sind die Werte für Kohlensäure und Sauer- stoff genau entsprechend der Dauer der Perioden und den Pausen berechnet (Tab. IV u. VD. Nach Zufuhr von 50 g Kasein tritt bei beiden Versuchspersonen erst in der zweiten Stunden die Steigerung des Gaswechsels deutlich hervor. Das Maximum scheint auch in dieser Zeit erreicht zu sein. Die Steigerung überdauert bei A die dritte Stunde nicht, während bei B der Nüchternwert erst ungefähr in der vierten Stunde erreicht ist. Bei beiden Versuchspersonen laufen Kohlensäure und Sauerstoff- werte ungefähr parallel. Der respiratorische Quotient gibt verhältnis- _ mässig geringe Schwankungen. Aus dem letzteren lässt sich wohl kein sicherer Schluss ziehen. Die Stickstoffausscheidung ergibt: bei A im Mittel nach Kasein . . 1,08 g pro Stunde Ba Aamüchtern. Sa... 0 a Dora) & »„ B im Mittel nach 50 g Kasein 1,06 „ „ 8 eb nüchtern er... 0.2 DI, 3 Die absolute Steigerung beträgt bei A im Mittel 5,04 & CO, und 4,87 & O,, bei B 5,19 g CO, und 6,03 8 O,. Aus diesem Ver- gleich ergibt sich, dass die Kaseinzufuhr von den beiden Individuen 208 Wilhelm Loeffler: vollkommen gleich verwertet worden ist. Es sei hier nochmals betont, dass die beiden Personen in Länge und Gewicht nicht bedeutend differieren. Unter gleichen Bedingungen scheint also bei gesunden Individuen die Zufuhr von 50 g Kasein die gleiche Gaswechselsteigerung zu bedingen. Eine Berechnung der Eiweiss- resp. Fett- und Kohlehydrat- verbrennung ist hier nicht ausgeführt worden, da dieselbe, wenn die Ergebnisse von Gigon!) richtig sind, keine zuverlässigen Resultate geben. Die Edestinversuche führten zu folgenden Zahlen: Tabelle VII. Gaswechsel nach Zufuhr von 50 g Edestin pro '/’ Stunde angegeben. COs,-Aus- Os-Ver- V ” 2 ü Datum Zeit scheidung| brauch | 205 | Verzuc 1 [05 person g s 2 | 8.—9. Dez. 1911| 95h 03’ bis 94 27’ 10,77 9,67 0,811 A 497 g Nin | 94 50° „ 10h 15’°| 11,29 | 10,20 | 0,805 4 Stunden [104 33° ” 10n 58’| 10,94 | 10,00 | 0,795 11h 15°. 114.41t| 11,49 9,78 | 0,853 11h 55° » 12h 24'| 9,61 3,64 | 0,809 12h 41’ » 1n07| 955 912 | 0,815 Steigerung des @aswechsels nach Zufuhr von 50 g Edestin. C0,-Aus- Os- V a h Datum Zeit scheidung Verbrauch cn person sg g 8.—9. Dez. 1911 9h 03’ bis 9h 30’ 9,693 8,69 A 34307 2.907505 7,360 6,62 912907... 10215% 9,400 8,50 105.15% 5 105394 6,07 6,06 10h 33’ „ 10h 58’ 9,12 8,34 108 98,5 110 315% 6,35 5,61 11h 15° 11er A1) 9,93 8,48 IRA RSS 5,45 4,40 Dauers oa 2 Stunden 50 Min. 63,97 56,70 - Nüchternwerte 58,65 53,99 Steigerung. . +4,73 +3,15 1) Gi gon, Über den Einfluss der Nahrungsaufnahme auf den Gaswechsel und Energieumsatz. Pflüger’s Arch. Bd. 140 S.1. 1911. Respirationsversuche aın Menschen im nüchternen Zustand etc. 309 Tabelle VII. Gaswechsel pro Stunde nach Zufuhr von 50 g Edestin. CO;,-Aus- | O,-Ver- i Datum Zeit scheidung rec CO, Versuchs- 5 person a 8 g 22.—23. Sept. | 10b 18’ bis 11h 18’| 23,06 20,1 0,831 B 1911 LIR926775 1257262772359 Paar 0,792 NIE, 16337 | 25,83 22,94 0,817 6,62 g) 1540’ „ 2h40’| 24,63 21,91 0,832 2h54! „46 54'| 283,14 20,52 0,835 Steigerung des Gaswechsels nach Zufuhr von 50 g Edestin. ; CO,-Aus- Os- Datum Zeit scheidung | Verbrauch erstes: person | 8 8 | 22.—23. Sept. | 11h 26’ bis 12h 26’ 23,79 a 77 B ol 1217267, 12733 2,93 2,61 1 ar 33 25,85 22.94 IN an Anz 2,95 2,62 Ir 267 407 24,63 21,91 ehr 56] 6,56 Bea 902 | 226,503 0 ER 0, SIE Ba 5.84 | Dauesuaen. . 3V/a Stunden 86,71 77,69 Nüchternwert. 81,75 73,69 Steigerung . . +4,96 +4,00 Die Edestinversuche ergaben folgende Resultate: Die Steigerung des Gaswechsels ist in der ersten Stunde sehr gering (Versuchs- person B) resp. — 0 (Versuchsperson A). Das Maximum der Kohlen- säureausscheidung fällt auf die dritte Stunde. Der respiratorische Quotient gibt auch hier keine sicheren Anhaltspunkte. Der Nüchtern- wert ist bei A nach ca. 3 Stunden erreicht, bei B nach 3"/a Stunden. Die absolute Steigerung ist bei beiden Personen etwas niedriger, wenn auch nur unbedeutend als nach Kaseinzufuhr. Die Resultate dieser Versuche deuten mit ziemlicher Sicherheit darauf hin, dass bei verschiedenen Individuen die Zufuhr verschiedener Eiweisskörper die gleichen Veränderungen im Gaswechsel verursacht. Die Individualität, deren Bedeutung für solche Untersuchungen sehr oft hervorgehoben wurde, scheint bei gleicher zweckmässiger Ver- suchsanordnung keine schwerwiegenden Unterschiede hervorzurufen. Diese Schlussfolgerung. ist nicht ohne Wert, da die meisten Arbeiten mit Gaswechselapparaten aus leicht verständlichen Gründen jeweils nur: bei wenigen Individuen ausgeführt werden können. 210 Wilhelm Loeffler: Auffallend ist nun, dass 50 g Kasein die gleichen Veränderungen verursachen wie 50 2 Edestin. Beide Male ist die Dauer der Steigerung gleich, bei A 2 Stunden 50 Minuten, bei B 3!/s Stunden. Die absolute Steigerung ergibt keine wesentlichen Unterschiede. Die auffallenden Resultate bei Zufuhr verschiedener Kohlehydrate scheinen eher darauf hinzudeuten, dass auch bei verschiedenen Eiweisskörpern differierende Gaswechselwerte zu erwarten gewesen wären. Bei den angeführten Kohlehydratversuchen wurden die letzten Abbauprodukte der Polysaecharide (Dextrose, Lävulose) untersucht. Es ist vielleicht zu erwarten, dass die Bausteine des Eiweissmoleküls, analog der Wirkung von Dextrose und Lävulose, verschiedenen Ein- fluss auf die Steigerung des respiratorischen Gaswechsels ausüben können, während das Eiweissmolekül als Ganzes analoge Wirkung hätte wie die Moleküle der verschiedenen Stärkearten. Zur Entscheidung dieser Frage haben wir Versuche mit reinen Aminosäuren begonnen. IV. Die Steigerung des Gaswechsels bei Eiweisszufuhr kann un- möglich auf die Verdauungsarbeit zurückgeführt werden. Die Versuche mit Strohfütterung beim Pferd von Zuntz und Hagemann!), sowie die Knochenfütterung bei Hunden durch Magnus-Levy?) scheinen allerdings darauf hinzuweisen, dass bei sehr grossen Mengen, „die über das zulässige Maass wohl herausgehen“, durch mechanische Darmreizung kein vermehrter Umsatz hervorgerufen werden kann. Auch die schönen Versuche Gohnheim’s?) mit Scheinfütterung scheinen für den Einfluss der „Verdauungsarbeit“ auf den Gaswechsel zu sprechen; in diesen Versuchen fällt ihr Betrag jedoch sehr klein aus. Heilner*) kommt durch seine Untersuchungen dazu, den Einfluss der Verdauungsarbeit völlig in Abrede zu stellen. Er möchte diesen Begriff, der leicht zu Verwechslungen Anlass gibt, möglichst eliminieren. Untersuchungen verschiedener Autoren, Magnus- 1) Zuntz und Hagemann, Untersuchungen über den Stoffwechsel des Pferdes bei Ruhe und Arbeit. Berlin 1908. 2) Magnus-Levy, Über die Grösse des respiratorischen Gaswechsels. Pflüger’s Arch. Bd. 55 S. 81. 1894. 3) Cohnheim, Der Energieaufwand bei der Verdauungsarbeit. Arch. f. Hygiene Bd. 57 S. 401. 1906. 4) Heilner, Zur Frage der Verdauungsarbeit. Zeitschr. f. Biol. Bd. 50. 1908. Respirationsversuche am Menschen im nüchternen Zustand etc. al Levy!), Koraen°), Gigon°), ergaben, dass eine manchmal be- deutende Fettzufuhr keine Steigerung im Respirationsstoffwechsel hervorruft, obgleich dieselbe wohl ebensoviel Darmdrüsenarbeit zu ihrer Aufnahme verlangt wie 50 g Dextrose oder 50 g reiner Ei- weisskörper. Im gleichen Sinne lässt sich verwerten, dass Johanns- son bei Individuen im Nüchternzustand, d. h. bei Glykogenvorrat, eine Steigerung von + 6 g CO,, beim gleichen Individuum im Hunger- zustand, d. h. bei Glykogenmangel, keine Steigerung beobachtete. Endlich spricht auch dafür, dass Lävulose eine doppelt so grosse Steigerung des Gaswechsels bedingt wie die gleiche Dosis Glykose. Wenn auch ein gewisser Einfluss der Darmtätigkeit (Drüsen- sekretion, Peristaltik) auf den Gaswechsel nicht geleugnet werden soll, kann derselbe zur Deutung unserer Resultate doch nicht heran- gezogen werden. Die notwendige Darmdrüsenfunktion, welche 50 g Kasein resp. Edestin zu ihrer Resorption gebrauchen, ist sehr wahr- scheinlich nicht höher als die „Verdauungsarbeit“, die schon im Nüchternzustand vor sich geht?). (Die Sekretbildung der grossen Verdauungsdrüsen erfolgt ja bekanntlich auch im Nüchternzustand.) Ihr Beitrag an den Gaswechsel ist daher schon in dem nach unserer Versuchsanordnung bestimmten Nüchternwert enthalten. Die von uns erhaltene Steigerung nach FEiweisszufuhr lässt sich nur mit den weiteren Veränderungen der Nahrungsstoffe nach ihrer Resorption aus dem Darmkanal in Zusammenhang bringen. Wir wissen, dass die Resorption sehr schnell*) von statten geht, und dass nach ca. 4—6 Stunden die ganze Nahrung, wenn sie nicht zu reichlich ist und zu grosse Ansprüche an den Verdauungsapparat stellt, schon in den Diekdarm gelangt ist. Die intermediären Prozesse, welche die Nahrungsstoffe im Organismus durchmachen, beginnen wohl gleich nach der Resorption, und diese erfolgt, sobald die Speisen ins Duo- denum gelangt sind. Haben die Ingesta den Dünndarm passiert, so wird bekanntlich aus dem Coecum und Colon kein wesentliches Nähr- material mehr aufgesaugt. Die Steigerung durch Kasein kann also wohl auf intermediäre Prozesse zurückgeführt werden. Die jetzt noch 1) Magnus-Levy,l.c. S. 39. 2) Koraen, Über den Einfluss der Nahrungsaufnahme auf den Stoffwechsel. Skandin. Arch. f. Physiol. Bd. 11. 1901. 3) Gigon, l.c. 4) Magnus-Levy, v. Noorden’s Handb. Bü. 1. 212 Wilhelm Loeffler: am meisten vertretene Ansicht ist die, dass die Eiweisskörper gleich nach der Resorption in einem minimalen Betrage zu Körpereiweiss umgewandelt werden; der Rest würde dagegen bis zu den physio- logischen Endprodukten (Harnstoff, Harnsäure) verbrannt. Die dabei freigewordene Wärme tritt teilweise an Stelle der sonst durch Körper- kohlehydrat (Glykogen) resp. Körperfett produzierten Wärme; ein Teil der Wärme würde sich endlich noch als mehr oder weniger überschüssige Kalorienproduktion bemerkbar machen. [,„Spezifisch- dynamische Wirkung“ Rubner').] Fettbildung resp. Glykogenbildung würden nach dieser Anschauung nur in besonderen Fällen vorkommen, z. B. im ausgesprochenen Hungerzustand oder unter gewissen pathologischen Bedingungen, z. B. beim Diabetes. Nach seinen neuen Untersuchungen glaubt nun Gieon?) eine andere Hypothese aufstellen zu können. Nach ihm sollen auch im normalen Zustand aus dem Nahrungseiweiss sowohl Glykogen wie auch Fett gebildet werden. Die Steigerung des Gaswechsels nach Eiweisszufuhr würde auf diese beiden Prozesse zurückzuführen sein. Den Beweis dieser An- nahme sucht der Autor damit zu erbringen, dass bei Variation der Grösse der Eiweissdosen im Verhältnis von 1:2:3:4 der Gas- wechsel eine Zunahme im Verhältnis von 1:3:6:9 aufweist. Ist diese Anschauung richtig, so würden sowohl aus Kasein wie aus Edestin unter normalen Verhältnissen Körperglykogen und Körperfett gebildet. Erwähnenswert, namentlich in Anbetracht der verschiedenen chemischen Zusammensetzung dieser beiden Eiweisskörper, ist es, dass anscheinend aus diesen beiden Stoffen die gleichen Mengen Glykogen resp. Fett im Organismus gebildet werden können. Dieser Ansicht entsprechend würden Edestin und Kasein nicht unmittelbar vom Organismus verwertet. Diese Stoffe werden vielmehr zu einem grossen Teil umgewandelt, als „Reservestoffe“ abgelagert, und erst als solche werden sie zur Energieproduktion verwendet. Zugunsten dieser Anschauung können wir die ganz auffallende Konstanz des Nüchternwertes mehrere Jahre hindurch bei verschiedenen Individuen anführen. Dafür spricht auch die exakte Proportionalität, die man für die Zunahme des Gaswechsels erhält, bei proportional steigenden Dosen von Eiweiss oder Kohlehydraten. 1) Rubner, Die Gesetze des Energieverbrauchs bei der Ernährung. 2)7GIigon, ].c. Respirationsversuche am Menschen im nüchternen Zustand etc. 913 Zufuhr Steigerung im Verhältnis von im Verhältnis von für Kohlehydrate . . 1:2:3:4 bedingen 1:2:3:4 „ EKiweisskörper. . 1:2:3:4 x E:9:1059 Ein regelmässiger Nebenbefund lässt sich in allen unseren Ver- suchen erkennen, nämlich eine gerinegradige Erniedrigung des Gas- wechsels unter den Nüchternwert, kurz nachdem die durch Nahrungs- zufuhr bedingte Steigerung aufgehört hat. Diese Beobachtung wurde schon von Johannsson und Gigon erwähnt. Das gleiche fand Jaquet!) nach der durch Muskelarbeit hervorgerufenen Steigerung des Gaswech- sels. Eine Deutung dieser Anschauung lässt sich momentan nicht geben. Unsere Resultate lassen sich noch für gewisse Fragen der vege- tabilischen Diät verwerten. Es ist bekannt, dass das Eiweiss, das in der vegetarischen Kost zugeführt wird, weniger gut ausgenutzt wird als das animalische Eiweiss. Nach unserem Ergebnis dürfte nun dieser Unterschied nicht auf der Eiweisskomponente selbst beruhen, sondern vielmehr auf der Art und Weise, wie das Eiweiss, in Zellulose eingebettet, zugeführt wird. Dies geht auch aus den schönen Unter- suchen von Albertoni und Rossi?) hervor. Diese Autoren unter- suchten bei den fast vegetarisch sich ernährenden Bauern der Abruzzen die Wirkung der vegetarischen und der animalischen Kost. Sie fanden, dass bei Fleischkost auch eine vollständigere Resorption des Pflanzen- eiweisses erfolgt, und dass der grosse Stickstoffverlust bei vegetarischer Ernährung auf der übermässigen Arbeit beruht, die dem Darm zu- gemutet wird. Ein prinzipieller Unterschied zwischen animalischem und vege- tabilischem Eiweiss scheint nicht vorzuliegen. Daraus lässt sich schliessen, dass bei entsprechender Zubereitung eine ausschliesslich vegetarische Kost leicht zuträglich ist. Die grossen Nachteile reiner Pflanzenkost, die sich nicht nur bei den freiwilligen Vegetariern der Städte, sondern auch bei jenen von der Natur zur ausschliesslichen Pflanzenkost gezwungenen Bauern gewisser Gegenden Italiens zeigen, beruhen wohl ausschliesslich auf dem enormen Schlackenreichtum dieser Kostform. 1) Jaquet, Über die Nachwirkung einer angestrengten Muskelarbeit auf den Stoffwechsel. Arch. f. exper. Pathol. u. Pharmak. Bd. 62. 1910. 2) Albertoni et Rossi, Recherches sur la valeur comparative de l’aliment vegetal et de l’aliment animal et sur la bilance proteique „minimum“. Arch. ital. de biol. t. 51 p. 885. 1909. Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd. 147. 1 OT 214 Wilhelm Loeffler: Respirationsversuche am Menschen etc. Schlusssätze. 1. Die Resultate, die mit unserem Spirometerapparat (kurz- dauernde Versuche) gewonnen werden, stimmen völlig überein mit den Ergebnissen, die mit dem Jaquet’schen und Tigerstedt- Sond&n’schen Apparat erhalten werden. 2. Der Grundumsatz blieb mehr als 4 Jahre hindurch bei der gleichen Versuchsperson konstant. 3. Bei einer Zufuhr von 50 g Kasein (animalisches Nukleo- albumin) steigt der Gaswechsel um ca. 5 g CO, und ea. 5 g 0, Die gleiche Zufuhr von Edestin (pflanzliches Globulin) erzeugt die gleichen Gaswechselveränderungen. 4. Kasein resp. Edestin verursachen bei zwei verschiedenen Versuchsindividuen die gleichen Veränderungen im respiratorischen Stoffwechsel. Zum Schluss sei es mir gestattet, Herrn Professor Egger meinen herzlichen Dank auszusprechen für die freundliche Überlassung des Laboratoriums und der Mittel der Poliklinik; ebenso Herrn Dr. Gigon für die Anregung zu dieser Arbeit, sowie für seine un- ermüdliche Unterstützung bei der Ausführung der Versuche. Über den Gebrauch des Ausdruckes „tropisch“ und über den Charakter der Richtungskraft bei Ameisen. Von Zivilingenieur Victor Cornetz, Algier. (Mit 2 Textfiguren.) Als die schönen Studien Szymanski’s dem französischen Publikum durch G. Bohn bekanntgegeben wurden !), wurde ich von der Anwendung genauer Messungsmethoden auf den Lauf der Ameisen deshalb besonders angenehm berührt, weil ich das Problem der Rückkehr der einzeln forschenden Ameise zu ihrem Neste seit dem Jahre 1909 als eine Aufgabe der Mechanik angesehen habe. Die vorliegende Arbeit ist also durchaus nicht als eine Kritik der Methoden Szymanski’s oder des Geistes, nach welchem diese Methoden erdacht wurden, anzusehen, da ich Methoden und Geist ganz vortrefflich finde. Es handelt-sich hier lediglich um die Sache des Gebrauchs einer Ausdrucksweise. Szymanski bezeichnet der Kürze halber die richtunggebenden Reize als tropische, die nur — die Geschwindigkeit — ändernden als atropische?). Von diesem Verfasser werden nicht nur die äusseren Einwirkungen, also die aus der Umwelt aktuell wirkenden Reize unter dem Begriff Tropismen eingereiht, sondern auch die inneren Reize. Hat z. B. ein äusserer Reiz in der Vergangenheit gewirkt und kommt das Tier später zu der Einnahme einer Richtung lediglich unter der Wirkung des in seinem Innern gebliebenen Ein- druckes [Remanenzerscheinung, subjektives Gedächtnis?)], so wird die 1) G. Bohn, Les Sensations et les idees-forces. Revue des Idees vom 15. April 1912, p. 132. Paris, 26 rue de Conde. 2) Szymanski, Ein Versuch, das Verhältnis zwischen modal verschiedenen Reizen in Zahlen auszudrücken. Arch. f. d. ges. Physiol. Bd. 138 S. 459. 1911. 3) Sehr gute Ausdrucksweise von Beer, Bethe und v. Uexküll. 15* 216 Victor Cornetz: Erscheinung bei Szymanski auch als eine tropische bezeichnet, wie wir weiter unten an Beispielen sehen werden. G. Bohn dagegen hat den Begriff „tropisme“ weit enger be- grenzt: „ce qui caracterise les tropismes c’est la direction invariable du mouvement imposde par une force exterieure“ '). Also bei G. Bohn steht ausdrücklich: „durch eine äussere Kraft.“ Dazu kommt noch bei allen von G. Bohn gegebenen Beispielen (photo- tropisme, g6otropisme, anemotropisme, hydrotropisme usw.), dass die Wirkung der äusseren Kraft immer eine gegenwärtige, eine aktuelle ist. Lebensgewohnheiten, z. B. regelmässig wiederkehrende Ge- wohnheiten (rythmes vitaux), sind bei G. Bohn ganz von den Tropismen abgesondert dargestellt. Alle Remanenzerscheinungen, also innere Reize, kommen bei diesem Verfasser unter den Begriff Fig. 1. AB Ameisenstrasse. EF Szymanski’s Wanne als Hindernis. cbd Lauf der Ameise nach der Ablenkung. „m6&moire associative“. Die Sache ist nun meiner Ansicht nach für die psychophysiologische Analyse sehr wichtig. Denn, sind bei einem Tiere Remanenzerscheinungen nachweisbar, so steht dasselbe viel höher als ein Wesen, bei welchem nur Reaktionen (Antworten) auf aktuell wirkende [äussere Kräfte zu sehen sind. Nun komme ich zu den Beispielen. Ablenkungsexperiment bei Ameisen. ADB ist die Ameisenstrasse (siehe Szymanski’s Fig. 11, I, loe. eit. 5. 483). EF ist das Hindernis. Durch das letztere werden die Ameisen nahe an # nach rechts abgelenkt. In d zeigt sich der schiefe Lauf von b nach d gehend. Der Winkel « ist bei Szymanski (ormica rufa) gleich 75° und unabhängig von der Wannenlänge #F?). 1) G. Bohn, La Naissance :de Intelligence p. 122. 2) Bei V. Cornetz, Trajets de Fourmis, p. 108, Memoire de l’Inst. Psych. de Paris, 1910, ist das Hindernis EF mein 8 cm langer Zeigefinger und die Länge Ed gleich 12 cm. Hier also, bei Tapınoma err. nig. ist Winkel « gleich 56°. Der Trieb, die Ameisenstrasse wieder aufzufinden, ist stärker bei Z’apınoma als bei F\ rufa. Über den Gebrauch des Ausdruckes „tropisch“ u. über den Charakter etc. 917 Szymanski nimmt nun an, dass der schiefe Lauf dd eine Resultante zweier Kraftkomponenten ist. Wie man weiter unten sehen wird, ist diese Annahme nach allen meinen Erfahrungen nicht nur etwa eine erdachte, sondern sie entspricht vollständig der Wirklichkeit. Im Punkte 5 haben wir also: 1. die Richtuneskraft, welche, wenn sie allein wirken würde, die Ameisen zu einem der Ameisenstrasse AB parallelen Lauf bestimmen würde. Letzterer Fall kann bei Fig. 2, Ameisen Nr.1,2,7,8,9, beobachtet werden. Über den Charakter dieser Kraftkomponente hat Szymanski für seine Zwecke nichts auszusagen (Loc. eit. S. 481, Linie 2 von unten). Dass die Richtungskraft eine Remanenzerscheinung ganz eigner Art ist, zeige ich in meiner zweiten Arbeit; 2. die Kraft, welche die Ameisen dazu treibt, ihre Ameisen- strasse wieder aufzufinden. Aliein wirkend würde also diese Kraft die Ameisen bestimmen, von b aus senkrecht zur Ameisenstrasse zu laufen» Welcher ist nun der Charakter dieser zweiten Kraft, welche von Szymanski ebenso wie die Richtungskraft als „tropische“ Kraft bezeichnet wird, was ja nach der Einteilung dieses Autors ganz logisch ist, weil bei ihm jede riehtunggebende Ursache „tropisch“ heisst. Diese zweite Kraft oder Ursache oder Reiz treibt oder drängt die im Punkte d angelangten Ameisen, nach links zu gehen. Offen- bar rührt sie also davon her, dass die Ameisen früher durch das Hindernis gezwungen wurden, rechts zu gehen. Von einem Menschen würde man sagen, dass er sich erinnert, rechts abgelenkt worden zu sein. Wären die Ameisen früher nicht von selbst rechts ‚gelaufen, sondern wären sie weit seitlich ausserhalb der Ameisenstrasse fortgetragen worden, so würde die zweite, also senkrechte Kraft nicht existieren (Fig. 2, Ameisen Nr. 1, 2, 7, 8, 9). Diese zweite Kraft ist also eine Remanenzerscheinung, ein innerer Reiz, eine Nach- wirkung eines früheren äusseren Reizes (Hindernis EF). Nach G. Bohn’s Definition also kein „tropisme“, wohl aber nach Szy- manski’s Begriffserweiterung. Die Ameisen von Fie. 1, in db an- gelangt, werden also nicht etwa von einer äusseren aktuell wirkenden Kraft bestimmt, links zu gehen, z. B. vom Geruch der Ameisenstrasse AB, denn der schiefe Gang nach links wird auch beobachtet, wenn das Hindernis X F viel länger ist (Szymanski, S. 484). In 5b tun sie ganz, als ob sie wüssten, dass ihre Ameisenstrasse nun zu ihrer Linken im Raume sich befindet. Dieser Remanenzakt, diese Er- innerung des Sinnes einer früheren Wendung, ist ein höheres Phä- nomen als eine momentane Antwort auf Licht- oder Geruchswirkung. 318 Vietor Cornetz: Will man nun eine senkrechte Kraftkomponente als äussere aktuell wirkende Kraft, also als „tropisme“ im Sinne G. Bohn’s beobachten, so ist folgendes Experiment lehrreich. Experiment des Forttragens aus der Ameisenstrasse !). Eine Ameisenstrasse S_A geht über eine breite Landstrasse von einem grossen Samenhaufen (Hafer) S bis zu einem Trottoir in A. Dort laufen die Ameisen längs des Trottoirfusses ZN nach dem _ einzieen Nestloch N, also nach Süden. Die Ameisen (Messor barbarus) nisten unter dem Trottoir. Die Ameisenstrasse, 5 bis 6 em breit, ist von einer dichten Ameisenschar begangen. Wir sind im Schatten, also bei ganz diffusem Lichte. Ich fange nun grosse Arbeiterinnen, welche auf der Ameisen- strasse ein langes Samenkorn vor sich schieben oder tragen. Dies geschieht durch ein geschiektes Fassen der freien Samenspitze. Nun setze ich nicht die Ameise wieder auf die Ameisenstrasse, wie Forel mit F. pratensis tat?), sondern ausserhalb derselben auf die Land- strasse. Das ist viel lehrreicher. Setze ich nun eine solche grosse Arbeiterin rechts oder links von der Ameisenstrasse über 0,70 m seitlich, so läuft das Insekt immer geradezu parallel der Ameisen- strasse (Ameisen Nr. 1, 2, 7, 8, 9). Vor dem Lauf dreht sich die Ameise auf dem Punkte des Absetzens, denn ich stelle sie auf der Landstrasse schief zur Richtung $A°). Manchmal wird der parallele Lauf von kleinen Drehungen des Insektes unterbrochen (Ameisen Nr. 1, 2). Eine solche Ameise merkt also hier und da, dass sie nicht mehr auf der Ameisenstrasse läuft. Ist die Ameise weniger weit seitlich als 0,70 m abgesetzt, aber über 0,15 m bis 0,20 m, so erfolst öfters zunächst ein paralleler Lauf, dann aber ein schiefer Gang (Ameisen Nr. 3 und 4). Unter einer Entfernung von 0,15 m seitlich findet der schiefe Gang sofort statt (Ameisen Nr. 5, 6). Herrscht aber ein seitlicher Wind, z. B. von Nordwesten mittelmässig stark 1) Siehe V. Cornetz, loc. cit. S.35. Auch Album dazu Fig. 86. 2) A. Forel, Sinnesleben der Insekten S. 279. 3) Ich bemerke, dass wir im Schatten operieren. Dasselbe Resultat hatte ich auch im Walde, wo das Licht von oben kommt. Wenn nun die Fort- pflanzungsrichtung des Lichtes senkrecht zur Ebene des Ameisenlaufes ist, so kann dieselbe nicht zum Einhalten der Richtung des Laufes benutzt werden! Dies ist von Lübbock übersehen worden. (Lübbock’s oben offene Hut- schachtel auf der Drehscheibe.) Über den Gebrauch des Ausdruckes „tropisch“ u. über den Charakter etc. 219 wehend, so kommen die Ameisen, welche links von der Ameisenstrasse, also unter dem Wind fortgetragen werden, von grösseren Ent- fernungen schief zurück als solche, welche auf der Windseite, also rechts abgesetzt werden. Über 1 m seitlich links abgesetzt laufen aber alle Ameisen nur parallel zu SA. Ö A 2 meter | Er E Er ESTER REN | :6 5 Fig. 2. N Nestloch. SAN Ameisenstrasse auf einer Landstrasse. FN Fusslinie eines Trottoirs. Bei den Ameisen 3, 4, 5, 6 haben wir es also bei dem schiefen Gang mit einer Anziehung von aussen zu tun, denn über eine gewisse seitliche Grenze ist diese Kraftkomponente gleich Null, und es bleibt nur die Richtungskraft (von mir „etat de direction generale X“ damals genannt). 2330 Victor Cornetz: Bei der Vergleichung der Experimente in Fig. 1 und Fig. 2 ist zu beachten, dass in den Fällen, bei welchen die Ameisen, in ge- nügender Nähe der Ameisenstrasse abgesetzt, schief zurückkamen, der Winkel « immer kleiner war als 50° Der von aussen her aktuell wirkende Reiz ist also bei Ameisen Nr. 3, 4, 5, 6 von Fig. 2 viel stärker als die Erinnerung der Ablenkung bei Fig. 1. Die senk- recht zur Strasse wirkende Komponente ist bei Fig. 2 „tropisme“ im Sinne G. Bohn’s, also in engerem Sinne. Es ist nicht etwa ein Trieb, ein Drang, die Ameisenstrasse wieder aufzufinden, wie bei der Ablenkung von Fig. 1, denn über eine gewisse seitliche Grenze geht die Ameise nie mehr schief zurück. Wahrscheinlich ist der Geruch der dichten auf der Ameisenstrasse laufenden Ameisenschar über 0,70 m seitlich nieht mehr wahrgenommen. Wie gesagt, ist ein vom Beobachter fortgetragenes Insekt bei herrschendem seitlichen Winde aus etwas grösserer Entfernung schief bestimmt, wenn die Ameise unter dem Wind abgesetzt wird. Wenn ein Ausdruck von einem Verfasser in einem Sinne ee- braucht wird, dann von einem späteren Autor in einem sehr er- weiterten Sinne, so ist das für den Lernenden, für den Studierenden misslich. Dazu kommt noch, dass der Ausdruck dann bald un- brauchbar wird, er veraltet. Ich erinnere an „Instinkt“. Franken hat ein Dutzend von Definitionen des Wortes Instinkt gesammelt '). Jeder Verfasser meint etwas anderes! Daher ist, meine ich, das Wort veraltet. Der Ausdruck Instinkt kommt mir wie ein alter, sanz deformierter Mietgehrock vor, der viele mehr oder weniger klare Ideen angekleidet hat, dass er schliesslich ganz aus der Form kam. Noch viel mehr morsch und abgebraucht ist aus denselben Gründen das Wort „Wille“. Nun ist die scharfe Unterscheidung Bohn’s zwischen „tropisme“ als äussere, gegenwärtig (oder aktuell) wirkende Ursache und „m6- moire associative“, d. h. Remanenzerscheinungen, für die psycho- physiologische Analyse von grosser Wichtigkeit. Daher wäre sie bei- zubehalten. Anderseits gefällt mir Szymanski’s Gedanke, alle jeglichen richtunggebenden Ursachen in eine Kategorie zusammenzufassen, und dies im Gegensatz zu den Ursachen, die nur die Geschwindig- keit oder z. B. die Länge eines geraden Laufes bestimmen resp. 1) Franken, Instinkt und Intelligenz eines Hundes. Zeitschr. für an- gewandte Psychol. 1910. Über den Gebrauch des Ausdruckes „tropisch“ u. über den Charakter ete. 921 ändern, ganz besonders gut. Der Gedanke scheint mir zukunftsreich, weil diese Einteilung von biologischen Ursachen sich an einer Ein- teilung der Geometrie anlehnt oder besser gesagt eng; anschmiest, und mein verehrter Lehrer Wilhelm Schell schrieb als Motto zu seiner Theorie der Bewegung: „Geometrica geometrice“ ! Szymanski sah, dass richtunggebende und nichtrichtung- gebende Reize als Vektoren und Skalaren der Geometrie der Strecken (Quaternionen) begriffen werden können. ‘Der Kürze halber wären also die Ausdrücke „Vektorreize“ und „Skalarreize“* sehr angebracht und „tropisch“ wäre nur in seinem engeren Sinne zu gebrauchen. Auf französisch würde ich „stimulants vectoriels“ und „stimulants sealaires“ sagen. Unter Vektorreize wären also dann in- begriffen: Tropismen (im Sinne G. Bohn’s), Loeb’s Unterschieds- empfindlichkeit, also Fähigkeit der Antwort auf Variationen des Vektorreizes, Lebensrythmen und endlich Remanenzerscheinungen. Die Einteilung in Vektorreize und Skalarreize kann für höhere Tiere und Menschen gebraucht werden. Über den Charakter der Richtungskraft bei Ameisen. Dass die Richtungskraft, also die Ursache, welche die Ameise dazu bestimmt, parallel der Ameisenstrasse zu laufen, eine Sache des Gedächtnisses ist, das ist an Ameisen 7, 8, 9 von Fig. 2 besonders gut einzusehen. Dieselben wurden am Nestloch N selbst aufgefangen. und zwar durch Haferkörner herausgelockt, als der Hafertransport auf der Ameisenstrasse seit mehreren Stunden vollständig aufgehört hatte. Diese drei grossen Messor hatten sicherlich an besagtem Transport teilgenommen, denn sie besassen noch, in 7, Sund 9 ab- gesetzt, die Richtung geradezu parallel zu 8A. Andere kleinere Arbeiterinnen, am Nestloch aufgefangen und bei Punkt 3 abgesetzt, drehten sich riehtungslos herum, wie dies regelmässig bei allen im Nest genommenen Ameisen der Fall ist, wenn man sie auch nur 20 bis 30 cm davonträgt. Daraus hatte Forel richtig geschlossen, dass ohne Hinreise ins Weite die Rückkehr bei Ameisen nicht möglich ist, dachte aber, dass diese Rückkehr durch Kenntnis des Hinwegs erfolgt. Darüber komme ich sogleich zu sprechen. Interessant ist noch, bei den Ameisen 7, 8, 9 zu bemerken, dass sie alle drei, als sie, jede für sich, südlich vom Nestloch in Berührung mit dem _ Fusse des Trottoirs kamen, sofort nach Süden liefen, also falsch (in der Figur nicht zu sehen). Sie gingen links, wie Ameise Nr. 1 links ging, weil sie früher auf ihrer Ameisenstrasse SA bei Berührung D2D Victor Cornetz: des Trottoirs in A immer nach links marschierten. Der Fuss des Trottoirs ist also Vektorreiz, richtunggebende Ursache bei den Ameisen 7, 8, 9, aber kein Tropisme, denn die Wendung nach Süden, besser gesagt links, denn Süd bedeutet wahrscheinlich nichts für Ameisen, ist offenbar Remanenzerscheinung. Nun ist hier ein kurzer historischer Rückblick von Nutzen. Die Richtungskraft oder die Ursache der Richtung bei der Rückkehr zum Nest wurde von A. Forel als eine Kenntnis des Hinwegs durch Geruchsbilder (topochimisme)!) angenommen und durch Sehen bei deutlich sehenden Ameisenarten (Formica, Myrmecocystus), desgleichen von Wassmann?). Bethe sprach von einer Polarisation der Ge- ruchspur, Lübbock sah die Bestimmung durch die Richtung der Lichtstrahlen als Hauptursache an. Kurz gesagt, bei allen diesen Autoren war die Richtung als abhängig von Reizen der Umwelt resp. von Nachwirkungen solcher Reize angenommen. Es wurde eben als selbstredend angenommen, dass eine Ameise sich bei der Rück- kehr ausfindet. „Wie finden Ameisen ihren Weg“? frug. Wassmann. Ob eine ganz allein ausgereiste Ameise sich bei der Rückkehr über- haupt auszufinden braucht, wurde gar nicht gefragt. Erst im Jahre 1904 kommt es zu einem Fortschritt. Henri Pi&ron?) beobachtet eine einzeln reisende Ameise z. B. 4 m weit vom Ameisennest, aber schon dem Neste zu serichtet laufend. Er lässt das Insekt über einen Träger marschieren, trägt denselben Träger weit seitwärts, z. B. über das Nest -hinaus auf ähnlich beschaffener Bodenfläche, aber ohne den Träger dabei zu drehen (sans que sa marche soit troublee; Pi6&ron, loc. eit. S. 174), und siehe da, die Ameise mar- schierte auf dem neuen Boden nahezu 4 m weit in ihrer ursprüng- lichen Richtung. Dann drehte sie sich beständig herum, wie wenn sie erwartet hätte, ihr Nestloch zu finden. Dieser Besitz der Vor- stellung der Entfernung zum Nest deutete auf einen ganz inneren Vorgang, also auf Muskeltätigkeit (Skalarreiz).. Mit der höchst nützlichen Einteilung Szymanski’s sieht man sofort, dass nur der eine Teil des Problems durch Pieron’s Fortschritt beleuchtet wurde. Eine Remanenzerscheinung, von der Hinreise ins Weite her- 1) Forel, Sinnesleben der Insekten S. 280. 1910. 2) Wassmann, Zum ÖOrientierungsvermögen der Ameisen. Allgem. Zeit- schrift für Entomol. 1901. 3) Pieron, Du röle du sens musculaire dans l’orientation des fourmis. Bull. de l’Inst. Psych. de Paris 1904 p. 168. Über den Gebrauch des Ausdruckes „tropisch“ u. über den Charakter etc. 233 rührend, bestimmt eine Länge, also Skalarreiz. Pi&ron’s wertvolle Beobachtung deutete auf eine podometerartige Figenschaft bei der Ameise). Aber ein Podometer ist keine Boussole! Dessenunge- achtet führte Pi&ron alles auf Muskelgedächtnis zurück, sowohl Länge des Laufes als Richtungen, und stellte das Resultat seiner Beobachtungen in der folgenden erstaunlichen Form dar: „une memoire musculaire, la m&moire des divers mouvements effeetu6s pour aller d’un point & un autre, m&emoire reversible, et permettant ainsi le retour au lieu d’origine.“ Aus seiner Beobachtung der Gleichheit der Länge des Laufes, nach Transport der Ameise, mit der Länge, welche sie noch bis zum Neste zu durchlaufen gehabt hätte, wenn man sie nicht durch den Träger aufgefangen hätte, nahm also Pi6ron an, dass die Rückkehrlinie aus Aufeinanderfolgen von Muskel- bewegungen besteht, welche die Aufeinanderfolgen der Muskel- bewegungen der Hinreise sind, aber im umgekehrten Sinne (m&moire reversible). Besagter Autor dachte also nieht daran, dass eine Ameise, welche forschend in die Weite hinausreist, sich recht frei und un- gezwungen bewegt, weil sie eben noch ohne Beute, also gepäckfrei ist. Sie steigt z. B. in einen Grasstrauch, untersucht denselben und macht darin alle möglichen Bewegungen. Hat sie endlich eine schwere Beute aufgefunden, welche sie nur ziehen oder vor sich schieben kann, so ist diese Ameise bei der Rückkehr zu ganz anderen Muskelbewegungen gezwungen. Glaubt man etwa, dass sie dann in dem Grasstrauch mit der schweren Beute hin und her steigen wird, um durch „memoire musculaire“ die früheren Muskelbewegungen im umgekehrten Sinne auszuführen? In Wirklichkeit lässt sie den Gras- strauch bei der Rückkehr oft mehrere Dezimeter seitlich. — Dazu muss noch bemerkt werden, dass die Länge des Laufes nach Trans- port meistens länger oder kürzer ist, als sie theoretisch sein sollte (siehe vorige Fussnote). Das Problem der Rückkehr, von Pi@ron in seinem oben zitierten Schluss als gelöst dargestellt, war immer noch da, aber als Problem 1) Meine Messungen zeigten, dass die Längen besser von grossen, also schweren Ameisen (Messor) registriert werden als von kleinen (Pheidole pallı- dula). Hat eine grosse Messorameise noch 4 m bis zum Nestloch zu laufen, so läuft sie, nach Transport, zwischen 3,75 m oder 4,25 m höchstens, in nahezu gerader Linie. - Das Verhältnis zwischen Muskelkraft und Körper- gewicht ist viel grösser bei Pheidole als bei Messor, daher ist die grosse, schwere Ameise viel feinfühlender bei der Ausführung von Muskelanstrengungen. . 224 Victor Cornetz: der Richtung (Vektorreiz). Etwas Neues wurde aber durch Pi6ron’s Experiment bekannt: Die einzeln reisende Ameise besitzt eine innere Angabe über die Länge, welche sie noch bis zum Neste zu laufen hat (Skalarreiz, auf Muskeltätigkeit basierend). Am Anfang meiner Studien (Sommerferien 1909) versuchte ich Pi&ron’s Experiment an Ameisenstrassen, Fig. 2 oben, denn dasselbe war dem besagten Autor nur an einzeln reisenden Ameisen geglückt (Pieron, loc. eit. S. 174, Zeile 17 von unten), nicht aber beim gemeinschaftlichen Ameisenlauf; im letzteren Falle muss man eben eine besonders stupide Ameisenart wie die Messor barbarus zur Verfügung haben. Dieselben werden durch das Forttragen nicht erschreckt. Es war mir nun bald klar, dass, wenn man die Richtungs- kraft möglichst rein und ungemischt beobachten will, nicht Ameisen- strassen zum Studium genommen werden müssen, weil diese kon- sekutive Phänomena sind, sondern die Reise der einzeln forschenden Ameise, von mir „fourmi exploratrice“ genannt, denn das ist das Ursprungsphänomen (fait naissant). Zunächst musste ich Pi&ron’s Transportexperiment verbessern. Bei demselben lernt man über Charakter oder Wesen der Richtungs- kraft wenig Positives, weil die Ameise schon dem Neste zu gerichtet läuft, als sie durch den Träger fortgenommen wird, und weil das Insekt bei diesem Transport durch den Beobachter aus der schon eingenommenen Rückkehrrichtung nicht herausgebracht wird (sans que sa marche soit troublde; Pieron, loc. eit.).. Dazu kommt noch, dass bei solchen Ameisenarten, die ein kurzes, aber deutliches Sehen besitzen (Formica, Myrmecoeystus), Pieron sein Experiment nicht ausführen konnte (loc. eit. S. 178), weil solche Ameisen (Formica cinerea) immer erschreckt wurden. Daher konnte man immer noch in dem alten Glauben bleiben, dass deutlich sehende Ameisen der obengenannten Arten, bei welchen man beobachten kann, dass sie sich durch Sehen in der nächsten Umgebung des Nestes hier und da auskennen, bei ihren weiten Rückkehrreisen auch durch das Sehen geleitet werden. Das Experiment, welches ich als Grundexperiment für das Ameisenrückkehrproblem ansehe, stellte ich folgendermassen an. Es wird eine einzelne Ameise auf der Hinreise ins Weite be- obachtet, z. B., als sie an einem Orte X nach Futter oder Beute herumsucht. Der Ort X sei östlich vom Nestloch N und z. B. > m weit davon gelegen. Eine gute, aber nicht nötige Vorsichts- Über den Gebrauch des Ausdruckes „tropisch“ u. über den Charakter ete. 2235 maassregel ist es, um das Loch herum !/s Stunde, bevor man zu be- obachten anfängt, tüchtig zu fegen. Die Ameisen, die man danach hier und da weit vom Nest beobachten wird, sind dann sicherlich nicht mittelst einer alten Geruchsspur ins Weite gereist. Sie sind auf neuem, frischem Boden hinausgewandert. — Es wird im Schatten operiert, z. B. in Waldlichtungen, wo die Beleuchtung hauptsächlich von oben herab kommt). In X also, in der Nähe einer Ameise der sehenden und furcht- samsten Art (Myrmecocystus cataglyphis bicolor), wird eine grosse, mit feuchtem Zucker und auch trockenen Zuckerstückehen beladene Platte behutsam gestellt. Die Ameise klettert darauf und saugt gierig, sobald sie die Nahrung entdeckt hat. Jetzt kann man sich das schöne, 12 mm lange und sonst so furchtsame Insekt mit der Lupe ansehen. Durch den Zuckergenuss für alles unempfänglich ge- macht, kümmert sich die Ameise um nichts anderes. Die Platte wird nun sanft über Im westlich vom Nestloch N auf den Boden gesetzt. Während dieses Transportes dreht man langsam die Platte um einen beliebigen Winkel, z. B. um 150 oder 270°. Das ist wichtig und lehrreich. An dem Zucker saugend, rührt sich die Ameise während der Drehung nicht. Sie scheint nichts davon zu empfinden, während eine in geradem Lauf begriffene Ameise auf Lübbock’s Drehscheibe eine Drehung dieser Scheibe, also eine von ihr passiv empfundene Drehung sofort ausgleicht. Durch welchen Sinn die Ameise die Winkelgrösse so genau empfindet, ist zurzeit unaufgeklärt. Durch die Drehung unserer Platte bei Unbeweglichkeit der Ameise haben wir also die Aufeinanderfolge der von ihr selbst ein- genommenen Körperstellungen unterbrochen. Das ist wichtig, für den Fall nämlich, dass das Insekt etwa die Fähigkeit besässe, eine von ihr eingenommene Körperstellung jedesmal auf die vorige zu beziehen. Nachdem nun die Ameise zu saugen aufgehört hat, sieht sie ein 3 bis 4 em weit liegendes Zuckerstückehen und stürzt darauf. Nun beobachtet man zwei aufeinanderfoleende Freignisse: 1. die Ameise stellt sich ohne Zaudern zunächst auf der Platte mit ihrem Kopf 1) Ist eine bestimmte Richtung des Lichtes vorhanden, welche die Ebene des Marsches genügend schief trifft, also Lübbock’s Kerze, Santschi’s nicht hochstehende Sonne, Viehmeyer’s Fensteröffnung, so kommt diese Angabe als „renseignement surajoute* zur Richtungskraft hinzu, und letztere kann dann nicht ungemischt studiert werden. 226 Victor Cornetz: nach Westen, also vektor; 2. erst nachdem sie ihre Körperachse so orientiert hat, fängt sie einen Pi6&ron’schen Lauf an. Sie marschiert westlich während 4,5 bis 5,5 m, also skalar. Der Richtungsfehler ist immer viel kleiner als der Längenfehler. Aus diesem Experiment, das ich vielfach mit meinen sieben Ameisenarten angestellt habe, folgt, dass eine einzeln auf Forschung ausgereiste Ameise, sowohl der sehenden als der nicht deutlich sehenden Art, der man z. B. östlich vom Nest Futter gibt, nicht etwa dann dem Neste zu läuft, durch früher empfundene Gesichts-, Geruchs- oder Taktbilder zurückgeleitett, denn irgendwo anders fortgetragen, nimmt sie auch die Richtung nach Westen ein!). „Wie finden Ameisen ihren Weg?“ — „Sie finden gar nicht ihren Weg! Sie haben es ja gar nicht nötig!“ Dass Gesichts-, Geruchs- und Taktsinn, von denen obiges Experiment beweist, dass sie bei der Einnahme und bei dem Einhalten der Rückkehrrichtung nicht tätig sind, zu etwas anderem notwendig sind, ist klar. Bei der Hinreise müssen sie zur Entdeckung von Futter oder Beute da sein, auch bei einer Rückkehr ohne Futter (retour bredouille). Ausserdem sind sie auch bereit, irgendwelche ungewöhnlichen oder gefährlichen Vorkommnisse dem Insekt anzuzeigen. Nun ist eine am Nestloch selbst durch Zucker aufgefangene und nach einem beliebigen Punkte X getragene Ameise vollständig richtungslos. Sie dreht sich beständig herum. Sie ist also vektor- und skalarlos. Der Ursprung der Richtungskraft ist also irgendwo in der Hinreise aufzusuchen (Remanenzerscheinung). Dafür zeichnete ich in den Sommerferien von 1909, 1910 und 1911 über zwei- hundert Reisen von einzeln ausgereisten Ameisen meiner verschiedenen Ameisenarten auf. Ich habe darüber in der Zeitschrift für wissen- schaftliche Insektenbiologie, 1911, berichtet. Ich hatte folgende allgemeine Reiseregel als Resultat. Eine einzeln ins Weite aus- reisende Ameise, im Schatten beobachtet, auf gefegstem Boden oder sofort nach dem Regen, geht z. B. nach Nordwesten ab. Sie reist 1) Bei deutlich sehenden Arten wird man die Ameise auf nicht zu ungleich- artiger Bodenfläche absetzen. Mit recht langsam fühlenden, also stumpfsinnigen Ameisen ist das nicht notwendig; Pheidole pallidula auf Zeitungspapier gestellt laufen dennoch westlich bei dem obigen Beispiel, aber nur 15—25 cm lang und dann erst merken sie den Unterschied des Terrains. Über den Gebrauch des Ausdruckes „tropisch“ u. über den Charakter etc. 227 gerade ab, meistens rasch laufend (bei warmer Witterung). Sie schwankt dabei regelmässige hin und her, oft beinahe unmerklich. Vorderteil und Fühler oszillieren hin und her wie der Stock des Blinden. Dieser geradlinige oder manchmal flach-sinusoidenartige Lauf kann etwa bei winzig kleinen Arten 15 cm, bei den Messor 0,50 m bis 1,50 m, bei Myrmecocystus 4 bis 5 m lang dauern. Hier ist Bethe’s Ausdruck: „voranstürzen“ ganz ausgezeichnet am Platze. Auf einmal findet die forschende Ameise etwas Interessantes, sie sucht rund herum (espace de recherches), findet aber nichts. Hier kommt sie nicht mehr wie im Automat vor. Sie scheint mir da sich an etwaige Vorkommnisse der Umwelt anzupassen, aber nur momentan und lokal. Also plastische Fähigkeit (Forel). Auf ein- mal, und das ist das Wichtige, nimmt die Ameise einen nord- westlichen Lauf wieder an usw. Als ich viele Meter weit, nach mehreren Forschungsflächen (es paces de recherches) meiner Ameise Futter gebe, läuft sie geradezu parallel zur allgemeinen nord- westlichen Hinreiserichtung zurück. Sie kommt so mit einem seit- lichen Fehler, oft über 1 m bei grossen Ameisenarten, in der Nähe des Nestloches an. Da ändert sich der südöstliche Gang, und das Insekt sucht, oft recht lange und mühsam das Nestloch auf (Gesichts-, Geruchs- und Taktsinn je nach der Ameisenart). Sehr oft findet die Ameise da Geruchsspuren (Strahlenbüschel um N), welche sie leicht . zurückleiten. Wie die Ameise es fertig bringt, immer wieder die Anfangs- richtung bei der Hinreise zentrifugal einzunehmen, ist mir unbekannt. Sicher ist es mir aber, dass der Ursprung des Vektorreizes in dem geradlinigen Anfang der Hinreise zu suchen ist. Somit wäre das Problem der Rückkehr der einzeln forschenden Ameise zu ihrem Nest auf ein Problem des Anfangslaufes zurückgeführt. Meine Hypothese ist nun, dass durch das regelmässige Hin- und Herschwanken in gerader Linie, eine Zeitlang am Anfang fortgesetzt, eine innere Richtungsangabe entsteht. Die Nachwirkung des am Anfang der Forschungsreise ent- standenen inneren Vektorreizes erstreckt sich nicht nur auf die Hin- und Rückkehrreise, sondern auch auf die Zukunft. Einer grossen, leicht erkennbaren Messorameise, welche ganz allein auf lockerem Erd- und Staubboden, beständig im Schatten, nach Nordwesten ab- gereist war, gab ich 2 m weit vom Nestloch einige Samenkörner. Diese Ameise, welche bekanntlich kein deutliches Sehen besitzt, reiste 228 Victor Cornetz: elfmal wieder nach der Futterstelle, von 9/2 bis 11'/e Uhr‘). Vor jedem neuen Hinreisen und auch vor Rückreisen veränderte ich die Oberfläche und auch die allernächste Umgebung des Loches voll- ständige, und dies durch tüchtiges Fegen und Heranbringen von anderem Erd- und Staubmaterial. Ohne irgendein Zaudern oder Suchen reiste die Ameise vom Nest mit einem sehr geringen Richtungs- fehler jedesmal wieder ab. Der Richtungsfehler beim jedesmaligen Absang der Ameisen vom Samenhaufen war etwas grösser. Der Skalarfehler bei der Ankunft an besagtem Futterhaufen war etwas grösser als sonst bei Messor barbarus; die Ameise suchte nämlich dden Samenhaufen meistens 50 bis 35 em zu früh herum. Bei der Rückkehr war dieser Skalarfehler geringer, denn das mühsame Herumsuchen des Nestloches fine in einer Nähe von 15 bis 20 cm des Loches an. Meine Ameise kümmerte sich also um die jedesmalige eründliche und vollständige Veränderung der Bodenfläche nicht im mindesten. Es genügte ihr, dass die ersten 60 em ihrer ersten Forschungsreise geradlinig nach Nordwesten geschahen, um allem nach- träglichen Reisen die Richtung zu geben. Eine solche Richtung kann noch nach Tagen im Gedächtnis der Ameise bleiben. Wie gesast, ist der innere Prozess der Wiederherstellung der Anfangsriehtung im Laufe der Hinreise mir unbekannt. Hätte die reisende Ameise immer eine zur Ebene ihres Marsches genügend schieie Lichtriehtung zur Verfügung, so könnte man annehmen, dass sie bei ihrer Abreise die Lichtquelle mit dem einen Teil ihres Facettenauges sah, und dass sie deswegen immer dazu getrieben wird, nach jeder erfolelosen Forschung besagte Lichtquelle mit diesem Teil des Auges wieder anzusehen. Santschi baute darüber, nach Studium meiner Resultate, eine hübsche Theorie (Facettenauge als Boussole). Nun aber leben und reisen meine Ameisen meistens im Schatten, unter Bäumen und bei diffusem Lichte! — Endlich könnte man noch an Viguier’s Brieftaubenhypothese denken. Durch einen magnetischen Sinn würde die Ameise immer wieder denselben Winkel mit der magnetischen Achse Nordsüd einnehmen, unter welchem sie abreiste.e Nun fand ich aber nach langem Suchen ein kleines Loch von Pheidole pallidula 2 m hoch über dem Boden, und zwar an einer rauhen mit Kalk getünchten, vertikalen und ostwestlich laufenden Gartenmauer. Öfters kamen da einzelne Ameisen aus dem Loch und reisten auf der rauhen Fläche mit der grössten Leichtigkeit. 1) Siehe V. Cornetz, Album faisant suite aux Trajets de Fourmis Fig. 40—51. Über den Gebrauch des Ausdruckes „tropisch“ u. über den Charakter etc. 229 Die Erdschwere behindert sie wenig oder gar nicht, denn ihre Muskelkraft ist im Verhältnis zu ihrem Gewicht ganz gewaltig. Durch Anbringen von beweglichen, horizontalen Futterträgern an der Wand konnte ich da das Grundexperiment machen und mit demselben Resultat wie auf der horizontalen Ebene. Nun war diese Mauerwand dem Norden zugewandt, also im Schatten, und geradezu senkrecht zur Nordsüdrichtung. Also konnte da von der Einnahme und dem Einhalten eines Winkels mit der magnetischen Nordsüdlinie keine Rede sein. Muss ich nun nicht auf Nachwirkung eines Vektorreizes ganz eigener Art schliessen, wenn ich vor folgendem Beispiel stehe? Nachdem ein Hauptnest von Myrmecocystus seit mehreren Tagen gänzlich verlassen worden war, störte ich die Ameisen, welche nun in einem neuen, 40 m nördlich gelegenen Nest wohnten. Einige grosse Arbeiterinnen flohen, jede eine Larve tragend, direkt nach dem Hauptneste. Ich fing nun solche sofort beim Abgang nach Süden in meinem grossen Strohhut auf und trug sie 25 m seitlich auf ganz anderes Terrain. Aus dem Hute herausspringend, drehten sie alle den Kopf nach Süden und liefen alle viele Meter weit nahezu parallel mit der geraden Linie, welche durch beide Nester ging! Wassmann, welcher ein solches Vorkommnis bei £ sanguinea sah (Nesterabstand 185 m, Zeitraum 25 Tage), nahm an, dass seine Ameisen durch Gesichtsbilder die mit Pflanzen bedeckte Gegend zwischen beiden Nestern nach 28 Tagen in Erinnerung hatten n), An Transportexperimente wurde damals gar nicht gedacht, weil eben als selbstredend angenommen wurde, dass die Ameise, wie der Mensch, durch Kenntnis der Umwelt sich leitet, sich ausfindet, währenddem in Wirklichkeit eine Ausfindung nur in der Nähe des Ameisenloches stattfindet. Nachdem ich in dieser Arbeit bis hierher nur über Tatsachen berichtet habe, wird es mir daher wohl erlaubt sein, einige Hypo- thesen zu bringen. Bei allen den angeführten Beispielen und besonders bei dem letzten finde ich also nichts Festes in der Umwelt, auf welchem die einzeln reisende oder fliehende Ameise ihre Richtung beziehen könnte. Solange so etwas nicht in der Umwelt entdeckt wird, muss ich also wobl annehmen, dass die Ameise die Richtungen des Raumes in ihrem Inneren irgendwo und irgendwie registrieren kann. l) Wassmann, Zum ÖOrientierungsvermögen der Ameisen S. 40. Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd. 147 16 230 Victor Cornetz: Die Annahme eines Registrierens von allen aufeinanderfolgenden Längen und Winkeln entspricht nun gar nicht der Wirkliehkeit bei der Ameise, wie ich oben bei der Kritik Pi&ron’s angeführt habe!). Man beobachtet nie ein Gedächtnis von Details, sondern nur von allgemeinen Richtungen. Und wenn das auch, nach Darwin’s Gedanken, der Fall wäre, wenn das Insekt die Richtung jeder einzelnen Bewegung auf die der vorigen Bewegung bezöge, so wäre damit durchaus nicht erklärt, wie nach Tagen und Wochen die Ameise plötzlich eine gewisse Richtung des Raumes einschlagen kann. Die Tatsache ist aber da und durch Sachen der Umwelt unerklärlich. Sicher ist es nun, dass die innere Richtungsangabe vom geradlinigen Anfangslauf herrührt, denn sie beherrscht nachher die Hinreise. Vielleicht entsteht sie im Inneren durch ein Hin- und Herschwanken, welches dem äusseren Hin- und Herschwanken ent- spricht? Die Richtung, der Raum, die Umwelt sind wahrscheinlich etwas ganz anderes für die Ameise als für uns, denn der menschliche Geist kann sich eine Richtung des Raumes nur als bezogen auf eine feste Richtung der Umwelt vorstellen (Nordsüdrichtung, Koordinaten- achse, axe de reference). Warum Jäuft nun eine einzelne auf Forschung weitreisende Ameise geradlinig ab (Bethe’s Voranstürzen)? Die Frage ist interessant, denn diese einfache Tatsache ist von grosser Tragweite für das Leben der Ameisen in der Aussenwelt. Auf diese Tatsache als Ursprungsphänomen gründen sich später die Ameisenstrassen nach einer geglückten Forschungsreise, und dieses verschiedenartig je nach der Ameisenart. Ein Finalist würde ganz einfach die Frage folgendermaassen beantworten: Eine Ameise, welche zum Zweck der Entdeckung von Futter ausreisen will, fühlt instinktmässig, dass sie dann bald keinen Geruch oder kein Gehör der Nestöffnung mehr empfinden kann, dass sie riskiert, keine Geruchsspuren oder sonstigen Merkmale zu finden, daher hält sie eine Richtung ein und kommt immer wieder dazu, dieselbe einzunehmen. — Das wäre aber rein aus der Luft gegriffen; das stützt sich auf nichts. Ich hatte über die Frage oft nachgedacht, ohne einen Schritt weiterzukommen. Endlich half mir wieder die direkte Beobachtung. Es gibt kleine Spinnen, welche meines Wissens keine Spinn- gewebe machen und beständig hin und her jagen. Es sind Lauf- 1) In Claparede, Orientation lointaine p. 135, als von Darwin her- rührend angeführt. Über den Gebrauch des Ausdruckes „tropisch“ u. über den Charakter etc. 231 und Springspinnen, die bei ihren Jagden keinen Spinnfaden hinter sich lassen. So eine kleine Spinne ist ein viel höher stehendes Insekt als alle meine Ameisen, denn sie besitzt ein deutliches Sehen, dass bis 0,50 m und noch mehr reicht. Auf Mücken jagend, sieht sie eine solche von weitem her, nähert sich behutsam, womöglich mit Ausnützung des Terrains, und springt, von der Seite angreifend, auf einmal wie ein Tiger auf die Beute. Nun kann sich die Mücke in Bewegung setzen und den Platz ändern. Die Spinne, dieses aus der Weite sehend, lenkt ab, geht nach usw. Die Reiselinie einer solchen Spinne weist nun keine Regelmässigkeit auf, denn ihre Form hängt von Zufälligkeiten der Jagd ab, weil eben die Spinne aus der Weite abgelenkt werden kann. Nehmen wir nun zum Vergleich die Reise ins Weite einer meiner Ameisen, welche nur ein ganz kurzsichtiges deutliches Sehen besitzt. Fine solche höhere Ameise (Myrmecocystus) bringt tote, schwerverwundete oder wehrlose In- sekten heim. Ihr Treiben auf der Hinreise ist aber keine Jagd. Durch Zufall sieht diese Ameise beim Vorübergehen ein Insekt in einer Entfernung von 3—4 em (Sehweite für kleine Gegenstände) und stürzt sofort darauf. Ist aber die Beute noch genügend lebendig, um aus der kurzen Sehweite zu kommen, so kann die Ameise nicht nachjagen; sie dreht sich hilflos beständig auf dem Platz herum ‘und nimmt nachher ihre alte Reiserichtung wieder ein. Solche kurz- sichtige Wesen kamen also nie dazu, aus der Weite abgelenkt zu werden. Bei den Ameisen, die kein deutliches Sehen besitzen, und solche Arten sind die Mehrzahl, ist das noch viel mehr der Fall. Solche Ameisen müssen mit den Fühlern an Futter stossen, um auf- gehalten zu werden. Ihr sehr feiner Geruch hat im allgemeinen eine sehr kurze Fernwirkung!). Geht nun die einzeln abreisende Ameise aus dem Nest, so ist in einem nahen Umkreis nie Futter zu spüren oder zu riechen oder keine 3 em weite Beute zu sehen (höhere Ameise). Es ist also für die ausreisende Ameise gar keinGrund da, mehr nach rechts als nach links abgelenkt zu werden. Nun besitzt aber die 1) Ausser bei ganz stark riechenden Dingen, z. B. bei Bäumen, wird die Ameise gar nicht weit durch Geruch angezogen, z. B. durch grosse Käsestücke nur unterhalb 2 cm Entfernung. Es gehen eine Menge von Ameisen einzeln auf Forschung; kommt eine solche durch Zufall an einen Öbstteller, so entsteht die Ameisenstrasse. Zuschauer, welche dies nicht wissen, glauben an eine Anziehung durch Geruch des Obstes. 16 * 232 Victor Cornetz: Ameise ein sehr feines Ausgleichungsvermögen !). Ist sie ein klein wenig links geschwankt, so schwankt sie sofort um dieselbe Winkel- erösse nach rechts usw. Da nun die auf Futtersuchen abreisende Ameise seit Jahrtausenden in der futterlosen Nähe des Ameisenloches nie einen Grund hatte, abzulenken, und da sie überhaupt nie aus der Weite abgelenkt werden kann, wie das für die weitsehende Spinne der Fall ist, so wird ihr Anfangslauf wegen der regelmässigen Schwankung notwendig geradlinig sein. — Die Ameise reist also geradlinig ab, weil sie, was das deutliche Sehen betrifft, blind oder sehr kurzsichtig ist. Hätte eine Menschenrasse seit Jahrtausenden mit einem so unvollkommenen Gesichts- und Gehörsinn bestehen können, so würde sich wohl bei ihr dieselbe Reiseroutine entwickelt haben, ohne dass also dabei von Zwecken ceredet werden braucht. Für solehe Menschen würde die Raumvorstellung eine ganz andere als für uns sein, denn die Welt ist für ein Wesen lediglich das Resultat seiner Empfindungen. Schlussbemerkung. Was die Richtungskraft (Vektorreiz) — oder die Ursache der Richtung -— ihrem Charakter nach nicht ist, wissen wir nun ziemlich gut. Sie gründet sieh nicht auf Geruchs-, Gesichts- und Taktempfindungen, auch nicht auf das Sehen einer Lichtquelle oder- auf Wahrnehmung der magnetischen Nordsüdriehtung, sie ist nicht Funktion von diesen verschiedenen Grössen. Sie hat eine von diesen Grössen unabhängige Existenz. Was sie ist, darüber wissen wir gar wenig zurzeit. Dieses Wenige ist aber doch von Wichtigkeit. Diese Ricehtungskraft ent- steht durch den geradlinigen — oder in seltenen Fällen sinusoiden- artigen — Anfang der Hinreise und beherrscht dann dieselbe. Ihrem 'Charakter nach ist sie einfach, sie ist nicht eine komplizierte aus 1) Siehe V. Cornetz, Observations sur le sens de la direction chez l’homme. Revue des Idees, Juillet 1909. Ein solches Ausgleichungsvermögen besitzen Saharajäger und Hirten, mit welchen ich monatelang in der tunesischen Sahara gelebt habe, in hohem Grade. Auf einer weiten horizontalen Ebene, wo nur kleine Sandhügel (durch Pflanzen verursacht) weit herum zu sehen sind, laufen diese Menschen nachts stundenlang geradezu geradlinig. Jeder 1,50 m hohe Hügel nötigt zu einer Schwenkung, welche sofort automatisch ausgeglichen wird. Mit verbundenen Augen würden sie umpurzeln. Der Gesichtssinn dient aber nur in unmittelbarer Nähe des Körpers und nicht zum Sehen eines weiten Zieles, da ein solches nicht zu sehen ist. Über den Gebrauch des Ausdruckes „tropisch“ u. über den Charakter etc. 233 verschiedenen Empfindungen zusammengesetzte Erscheinung, wie früher angenommen wurde. Dieser einfache Charakter bleibt sich sleich bei ganz verschiedenen Ameisenarten. | Man scheint also für die Zukunft berechtigt zu sein, eben weeen dieser Einfachkeit die Vektorenlehre der Mechanik auf Ameisen an- zuwenden, wie dies von Szymanski auf die geradlinige Bewegung von verschiedenartigen Wesen so fruchtbar geschehen ist. Literatur. Szymanski, Ein Versuch, das Verhältnis zwischen modal verschiedenen Reizen in Zahlen auszudrücken. Arch. f. d. ges. Physiol. Bd. 138 S. 459 u. 481. Bonn 1911. Bohn, G. La Naissance de Intelligence p. 113 u. f. Paris. Symmetrie et tropismes. Forel, A., Das Sinnesleben der Insekten S. 280 u. f. München 1910. Lübbock, Les fourmis, abeilles et guöpes. T. 2 p. 13 u. f. Eine Kritik darüber gab ich in meinem Me&moire Trajets de fourmis p. 162. Franken, Instinkt und Intelligenz eines Hundes. Zeitschr. f. angew. Psychol. S.1. Leipzig 1910. Santschi, Observations et remarques critiques sur le mecanisme de l’orientation chez les Fourmis. Revue Suisse de Zool. 1911 p. 308. Bethe, Die Heimkehrfähigkeit der Ameisen und Bienen. Biol. Zentralbl. S. 19. Leipzig 1902. Viguier, Le sens d’orientation. Rev. scientifique 1898. Claparöde, La faculte d’orientation lointaine. Arch. de Psychol. Geneve 1903. Pieron, Du röle du sens musculaire dans l’orientation des fourmis. Bull. de /Inst. G. Psych. Paris 1904. Wassmann, Zum Örientierungsvermögen der Ameisen. Allgem. Zeitschr. f£. Entomol. 1901. Darin sehr wichtig die richtige Deutung von Viehmeyer’s Experimenten bei seitlichem Lichte. Cornetz, V., Trajets de Fourmis et ‚Retours aunid. Memoires de jl’Inst. G. Psychol. 1910, Text u. 33 Zeichnungen. Cornetz, V., Album dazu. 1911. Text u. 89 Zeichnungen. Cornetz, V., La conservation de l’orientation chez la fourmi. Revue Suisse de Zool. 1911. Cornetz, V., La connaissance du monde environnant son gite pour une fourmi d’espece superieure. Rev. des Idees, Paris, Avril 1912. Cornetz, V., La duree de la memoire des lieux chez la fourmi Myrmeco- ceystus cat. bicolor. Arch. de Psychol. Geneve 1912. Cornetz, V., Observations sur le sens de la direction chez l’homme. Revue des Idees. Paris, Juillet 1909. 234 A. J. Smirnow: (Aus der physiol. Abteilung des Instituts für exper. Medizin zu St. Petersburg.) Zur Physiologie der Pankreassekretion. Von A. J. Smirnow. Die Frage über die Wirkung des Fettes auf die Pankreassaft- absonderung hat bisher keinen völligen Abschluss gefunden. Die selbständige Wirkung des Fettes als Erregers der Pankreassekretion |Damaskin!)] wurde in Zweifel gezogen und die Vermutung aus- gesprochen, dass das eigentliche Erregungsmoment beim Fett lediglich in den Fettsäuren zu suchen sei [Popielski?), Pflüger°)]. Da neutrales Fett unter dem Einfluss der fettspaltenden Fermente des Magen-, Darm- und vornehmlich des Pankreassaftes in seine Kom- ponenten: Glycerin und Fettsäure zerfällt, wobei diese letztere dank den sich in das Lumen des Zwölffingerdarms ereiessenden alkalisch reagierenden Säften sich rasch in Seifen verwandelt, da könnte man meinen, dass safttreibend auf die Bauchspeicheldrüse nicht neutrales Fett an sich, vielmehr die Produkte seiner Zersetzung — Seifen und Fettsäuren — einwirken. Die safttreibende Wirkung dieser Substanzen (Glycerin erwies sich als indifferent) auf die Bauchspeicheldrüse wurde dargetan |Babkin®), Sawitsch°), Studsinski‘), Bylina’)]; 1) N. J. Damaskin, Über die Wirkung des Fettes auf die Pankreas- sekretion.. Verhandl. d. Gesellsch. russ. Ärzte zu St. Petersburg. 1895/1896. Februar. 8.7. 2) L. B. Popielski, Über die sekretionshemmenden Nerven des Pankreas. Dissert. S. Petersburg. 1896. 3) E. Pflüger, Über die Verseifung, welche durch die Galle vermittelt wird, und die Bestimmung von Seifen neben Fettsäuren in Gallenmischungen. Pflüger’s Arch. Bd. 90 S.1. 4) B. P. Babkin, L’influence des savons sur la secretion du pancreas. Arch. des Sciences Biologiques t. 11. 1904. 5) W. W. Sawitsch, Beiträge zur Physiologie der Pankreassaftsekretion. Zentralbl. f. d. ges. Physiol und Path. des Stoffwechsels 1909 Nr. 1. 6) J. B. Studsinski, Über den Einfluss der Fette und Seifen auf die sekretorische Tätigkeit des Pankreas. Russky Wratsch. 1911 Nr. 1, 2 und 3. 7) A. S.Bylina, Normale Penkreassekretion als Synthese von nervösen und humoralem Einfluss. Pflüger’s Arch. Bd. 142 S. 31. Zur Physiologie der Pankreassekretion. Da, niehtsdesto weniger blieb jedoch die Frage über neutrales Fett als selbständigen Erreger der Pankreassekretion immer noch ungelöst. Frühere Experimentatoren führten das Fett in den Magen ein, doch sehloss diese Versuchsanordnung die Möglichkeit nicht aus, dass sich dem Fett Magensaftsäure beimengte. Wenn auch einer- seits das in den Magen eingeführte Fett die Magensaftsekretion zum Stillstand bringt, so führt doch andrerseits der Übertritt eines Ge- menges von Galle, Pankreas- und Darmsaft in den Magen zur Bildung von Seifen, die als energische spezifische Erreger der Magensaftabsonderung erscheinen [Piontkowsky!), Seljony und Sawitsch?)]. Um eine solche Bedingung, die die Vornahme der Versuche in hohem Maasse beeinträchtigt, auszuschliessen, musste unser Versuch in der Weise angeordnet werden, dass der Magen vom Duodenum gleichsam abgetrennt bliebe und das Fett unmittelbar mit der Duodenalschleimhaut in Berührunz käme. Auf Anraten des hochverehrten Herrn Prof. J. P. Pawlow stellte ich eine Reihe von Untersuchungen an hinsichtlich der Wirkung neutralen Fettes auf die Pankreassekretion unter unmittelbarer Reizung der Schleimhaut des Duodenums. Die Aufgabe der Unter- suchung bestand darin: 1. die Möglichkeit auszuschliessen, dass irgendein anderes Reizmittel ausser Fett auf die Duodenalschleim- haut einwirke, 2. den Charakter der Pankreassekretion unter Ein- wirkung von Fett in qualitativer und qgantitativer Beziehung fest- zustellen, und 3. die qualitative und quantitative Seite der Pankreas- absonderung bei Einführung von neutralem Fett in das Duodenum vor und nach subkutaner Injektion von 0,005 g Atropin gegenüber- zustellen. Der Versuch wurde an einem Hunde vorgenommen, dem drei Fisteln angelegt waren: eine am Pankreas, eine am Magen und eine dritte am Darm im Bereich des Duodenums. Die beiden ersten Operationen waren bereits im Dezember 1910 ausgeführt worden; die Anlegung der Darmfistel erfolgte im April 1911. Der Gesund- heitszustand des Hundes ist während der ganzen Zeit ein vollkommen normaler, und das Tier macht den Eindruck eines durchaus lebens- frohen Individuums. Dieses Hundes bediente sich übrigens auch Bylina bei seinen Versuchen. 1) L. F. Piontkowski, Über die Wirkung der Seifen auf die Arbeit der Pepsindrüsen. Dissert. St. Petersburg. 1906. 2) G. P. Seljony und W. W. Sawitsch, Zur Physiologie des Pylorus. Verhanll. d. Gesellsch. russ. Ärzte zu St. Petersburg S. 221. 1910-—-1911. A. J. Smirnow: D [d%) {op} Im Verlauf der drei Monate, während welcher diese Arbeit vor- genommen wurde, liess das Tier nicht nur eine Gewichtsabnahme vermissen, nahm vielmehr um sechs Pfund an Körpergewicht zu. Erkrankungen irgendwelcher Art sowie Durchfallerscheinungen, wie sie so oft bei Versuchen mit Fett beobachtet wurden, blieben aus; der Verdauungsapparat befand sich die ganze Zeit über in aus- gezeichnetem Zustande. Die übliche Methodik der Verdauugsversuche erfuhr einige Veränderungen infolge von Vorrichtungen, wie sie die spezielle Aufgabe im vorliegenden Fall erheischte. Wie stets, wurde bei geöfineter Duodenalfistel der Magen ausgespült, die Magenfistel während des ganzen Verlaufs des Versuchs offen gehalten und unter diese ein Gefäss zum Auffangen der abfliessenden Flüssigkeit gestellt. Die Darmfistel wurde mit einem Pfropfen geschlossen, durch den eine t-förnig gebogene Glasröhre hindurchgeführt war; der Inhalt dieser Röhre wurde während der ganzen Dauer des Versuches kontrolliert. Der Abflussarm der t-förmigen Röhre, die mit einer Bürette von 50 eem Inhalt in Verbindung stand, war mittelst einer Mohr’schen Klemme abgebunden und diente zur Entnahme des Zwölffingerdarminhalts behufs Untersuchung. Der Abfluss der Flüssig- keit aus der Bürette wurde durch eine Schraubenklemme reguliert. An der Bauchwand, der Pankreasfistel entsprechend, war ein Glas- trichter befestigt, mittelst dessen der abfliessende Pankreassaft ge- sammelt wurde. Die Reaktion des Inhalts von Magen und Duodenum wurde im Laufe des Experiments zu wiederholten Malen untersucht. Wo es sich um Untersuchung des Pankreassaftes auf Fermente handelte, wurden die gesammelten Saftportionen auf Eis gestellt. Die Bestimmung des Stickstoffgehaltes nach der Methode von Kjeldahl wurde nach jedem einzelnen der Versuche vorgenommen; dasselbe geschah mit der Bestimmung des festen Rückstandes. Sobald man auf Grund der Kontrollversuche mit 300 cem Milch als fetthaltiger Substanz mit Sicherheit annehmen konnte, dass die weiteren Versuche nicht an einem kranken Tiere vor- genommen würden, begannen die Untersuchungen hinsichtlich der Wirkung des Fettes auf die Schleimhaut des Duodenums. Ein so wertvoller Hund, wie er uns zur Verfügung stand, gab die Möglich- keit, den Versuch in der Weise anzuordnen, dass der Magen gleich- sam physiologisch vom Duodenum abgetrennt blieb. Dies war eine der wichtigsten Versuchsbedingungen, da es nur bei solcher Versuchs- anordnung möglich war, in das Duodenum verschiedene Substanzen Zur Physiologie der Pankreassekretion. 9337 2) einzuführen, ohne befürchten zu müssen, dass sich ihnen saurer Magensaft beimenge. Diese Abtrennung des Magens vom Duodenum wurde dadurch erreicht, dass man während der gesamten Beobachtungs- dauer die Magenfistel offen hielt. Dass der ganze Mageninhalt wirklich nach aussen hin abfloss, ist aus der weiter unten angeführten Tabelle zu ersehen, wo zur Zeit des höchsten Stadiums der Magen- saftsekretion die Kontrollbeobachtung hinsichtlich der Absondernng des Pankreassaftes von 30 Minuten bis zu 1 Stunde 15 Minuten ganz unbedeutende Ziffern ergab. Besonderes Interesse verdient in dieser Hinsicht der Versuch, bei welchem durch das Vorhandensein eines Stückes Fleisch im Magen aus diesem durch die geöffnete Fistei eine verhältnismässig grosse Saftmenge herausfloss und nichtsdestoweniger die Kontroll- absonderung in 1 Stunde 15 Minuten 1 cem Pankreassaft mit beträchtlichem Stickstoffgehalt (0,8253) ergibt. Kontrollbeobachtung vor Inangriffnahme eines jeden einzelnen Versuches mit Fett. Datum Saftmenge | Reaktion im Magen Beobachtungszeit 7. Juli 0,4 | neutral 45’ A 0,4 neutral 1h 1 5 0,6 schwach sauer 45' e stark sauer =H rn 95. 1,0 { dm Magen Fleisch) | 1* 15° 8 — 0,8259 10. August 0,8 sauer 45’ (fester Rückstand 6,4) SE; 2 Tropfen schwach sauer 30' BER 1,0 schwach sauer | S0’(N —19g Um etwaige dahingehende Bedenken, diese unbedeutende Ab- sonderung bei den Kontrollversuchen hinge von der aus dem Magen in das Duodenum übertretenden Magensaftsäure ab, zu entkräften, wurden von uns zwei Versuche mit unmittelbarer Einführung von 0,1% HCl in das Duodenum vorgenommen, da eine solche Lösung HC] als normaler Erreger der Pankreassekretion (unter direkter Einwirkung auf die Duodenalschleimhaut — Katznelson) anzusehen ist. Vergleicht man diese Daten mit der Kontrollabsonderung, so sieht man, dass die Saftsekretion auf Einführung einer 0,1°/oigen Lösung HCl in das Duodenum relativ gross ist und sich durch einen weit geringeren Fermentgehalt auszeichnet. i 238 A. J. Smirnow: IE In2>0R Vin ae 4 dRccm IN 22. 0,4648 Fester Rückstand 3,5 1]: ER DIE a a Nv.r.. . 0,4200 Fester Rückstand 3,5 Diese Daten geben die Möglichkeit, die Frage dahin zu formu- lieren, dass, mag die unbedeutende Absonderung des Kontrollsafts auch von der Magensaftsäure abhängen, sie jedoch immerhin aus dem Magen in das Duodenum in einer so geringfügigen Quantität eindrinet und einen so geringfügigen Prozentsatz an HC] enthält, dass sie bei den weiteren Versuchen mit Fett die Untersuchung nicht beeinträchtigen kann. Dies bestätigen die folgenden Versuche mit Fett, wo ein sehr auffallender Unterschied im Vergleich mit der Kontrollsekretion bemerkbar ist. Möslich, dass die Kontroll- absonderung des Pankreassaftes von Nerveneinflüssen oder bisweilen von periodischen Zurückwerfungen (Boldyrew) abhängt, da solche Säfte einen hohen Stickstoffgehalt aufweisen. Um eine Gewähr dafür zu haben, dass in das Duodenum zu- sammen mit dem Fett nieht auch Fettsäuren, wie sie in dem käuf- lichen Öl stets enthalten sind, mit übertreten, wurde das Öl neutrali- siert; bei zwei Versuchen geschah dies mit Eiweiss (90 eem Öl + 10 eem Eiweiss), bei den übrigen Versuchen wurde zur Neutralisation heisses Ba(OH), verwendet. Die Neutralität des Fettes wurde nach der Methode von Burstyn bestimmt. | Die geöffnete Magenfistel hatte nicht nur den Zweck, den Magen- saft abfliessen zu lassen, sie diente ferner auch zur Ableitung der Produkte der Fettverwandlung. Dieser letztere Umstand hatte eine grosse Bedeutung, da die im Dünndarm angesammelten Produkte der Fettspaltung die Periode der Pankreassaftabsonderung ausdehnen und beim Übertritt in den Magen bei geschlossener Magenfistel eine Sekretion des Magensaftes hervorrufen sowie zusammen mit diesem in den Dünndarm zurückgelangen konnten. Neutrales Fett wurde in das Duodenum in geringen Portionen in Zeitabständen von je 5 Minuten eingeführt. Bei einigen Versuchen wurden 50 eem Fett eingeführt; in der Mehrzahl der Fälle jedoch überstieg die eingeführte Fettmenge nicht 20—25 eem. Die Einführung wurde in der Weise reguliert, dass das Fett spätestens 25 Minuten nach Beginn der Einführung in das Duodenum gelangte. Zur Physiologie der Pankreassekretion. 239 7. Juli. Einführung einer Mischung von Fett mit Eiweiss. (Verhältnis: 90 ccm Fett + 10 ccm Eiweiss, eingeführt 50 ccm der Mischung.) Magen ausgespült. Reaktion im Magen schwach sauer, vor Fetteinführung neutral. Saft- Reaktion Zeit menge Bemerkungen ccm im Magen im Duodenum in 45’ 0,4 wein. |... neutral | schwach sauer vor Dun ung 10h 50’ Beginn der Fetteinführung in das Duodenum (alle 5’ 10 ccm). Diss 1K0N alkalisch | alkalisch 11h 10’. Knurren im Darm; 11R 20’ | 1,8 | 60 sauer schwach alkal. aus dem Magen beginnt 11h 35’12,0$ sauer schwach alkal. emulgiertes Fett mit 11h 50° 1,2 sauer schwach alkal. Magensaft abgesondert zu 12h 05’ | 1,0) sauer neutral werden; bald wird bereits 12h 20’ ! 0,9 | 4.0 sauer neutral eine seifenartige Flüssig- 12h 35’ I 11 | 2 sauer neutral keit von saurer Reaktion 12h 50’ | 1,0 sauer | neutral abgesondert. Gleichzeitig im t-förmigen Glasrohr Färbung des Fettes durch Galle. Fettfermente 2,0. Stickstoffmenge in 100 cem Saft 0,7418. Fester Rückstand in 100 ccm Saft 5,2. Summa: 10,0 o.| WE en _- | — — 10. August. Einführung neutralen Fettes (25 ccm). Magen ausgespült. Vor Fetteinführung Reaktion im Magen sauer, im Duodenum schwach alkalisch (eher neutral). 100 ccm Saft 0,5310. Fester Rückstand in 100 ccm Saft 4,0. Fester Rückstand in 100 ccm des vor Fetteinführung sesammelten Saftes 6,4. Saft- Reaktion Zeit menge Bemerkungen ccm im Magen im Duodenum in 45’ 0,5 — = vor Einführung 15h 00’ Beginn der Einführung neutralen Fettes in das Duodenum (je 5” Portion von 5 ccm) 1h 15’ 1,0 sauer schwach alkal. |1h 45’ beginnt aus dem 1h 30’ | 3,2 96 sauer schwach alkal. Magen eine seifenartige Ih 45’ | 34(° sauer schwach alkal. Flüssigkeit von schwach 2h 00’ 1 2,0 schwach sauer | schwach alkal. saurer Reaktion abge- 2h 15’ aa schwach sauer alkalisch sondert zu werden. In 2h 30’ 12 49 schwach sauer alkalisch dem t-förmigen Glasrohr 2h 45’ 10| 2 sauer alkalisch Färbung um Ih 25”. 3b 00’ | 0,3 sauer alkalisch Menge des Stickstoffs in 240 A. J. Smirnow: 13. August. Einführung neutralen Fettes (25 ccm). Magen ausgespült. Vor Fetteinführung Reaktion im Magen schwach sauer, im Duodenum schwach sauer. Saft- Reaktion Zeit menge Bemerkungen cem im Magen im Duodenum in 45’ 0,6 | — u vor Fetteinführung 12h 30’ Beginn der Einführung neutralen Fettes in das Duodenum (je 5’ Portion von 5 ccm) 12h 45’ | 2,6) schwach sauer neutral Im Laufe der sechsten 14 00’ | 4,51 101 sauer neutral Minute in dem t-förmigen 1h 15’ | 2 sauer neutral Glasrohr Beginn der 1h 30’ | 0,8 — — Färbung. 124 43’ be- Ih=45% ve H sauer | neutral ginnt aus dem Magen 25 00'| 0,65.” sauer | neutral eine seifenartige Flüssig- keit von saurer Reaktion | abgesondert zu werden | (Knurren in den Därmen und im Magen); der Ausfluss dauert mit Intervallen bis Ablauf der ersten Stunde. Stick- stoffmenge in 100 ccm | Saft0,6200. Fester Rück- | stand in 100 ccm Saft 4,4. Summa: 11,5 ‚ee ER | SE 11. Juli. Einführung einer Mischung von neutralem Fett und Eiweiss. Magen ausgespült. Vor Einführung der Mischung von neutralem Fett und Ei- weiss in einer Quantität von 50 ccm, Reaktion im Magen neutral, im Duodenum schwach sauer. Saft- | Reaktion Zeit menge Bemerkungen | gm im Magen imDuodenum | vor Einführung 101 30’ bis 11h 30’ \ 0,4 11h 30’ Beginn der Fetteinführung in das Duodenum (alle 5’ 10 ccm) 11h 45’ 1) — —_ 11h 55’ sondert sich aus 12h 00’ 1618 6 schwach sauer neutral dem Magen eine seifen- 12h 15’ 7>| ’ neutral neutral artige Flüssigkeit von 12h 30’ 142 neutral neutral schwach saurer Reaktion 12h 45’ 1,0) schwach alkal. neutral ab. In dem t-förmigen 1h 00’ 0,4l 98 neutral neutral Glasrohr wird das Fett Ih 15’ 0,8 | ’- | schwach sauer neutral durch Galle gefärbt. Im 1h 30’ 0,6 sauer neutral Magen Knurren; abge- sondert wird eine grosse Menge seifenartiger Flüs- sigkeit. Stickstoffgehalt in 100 ccm Saft 0,6420. Fester Rückstand in 100 cem Saft 4,75. Summa: 9,4 | — | an SR Zur Physiologie der Pankreassekretion. 241 25. Juli. Einführung einer Mischung von neutralem Fett und Eiweiss (25 ccm). Im Magen ein kleines Stück Fleisch, dessen Entfernung nicht gelingt; aus der Fistel sondert sich Magensaft ab. Vor Fetteinführung Reaktion im Magen stark sauer, im Duodenum schwach sauer. + Saft- Reaktion Zeit menge Bemerkungen ccm im Magen im Duodenum in 15 15’ 1,0 | stark sauer | schwach sauer vor Einführung 10h 10’ | Beginn der Einführung einer Mischung aus neutralem Fett und Eiweiss in das Duodenum (alle 5’ 5 ccm) 10h 25’ | 1,0) sauer neutral 10h 35’ in dem t-förmigen 10h 40’ | 3,4 | 78 sauer neutral Glasrohr Färbung durch 100 Se sauer | neutral Galle. Gegen Ablaufeiner 02.0 sauer | schwach alkal. Stunde beginnt aus dem 1 857 | 112 schwach sauer alkalisch Magen eine seifenförmige 11h 40’ | 1,4 | 42 schwach sauer alkalisch Flüssigkeit abgesondert 11h 55’ | 0,8 f ”” | schwach sauer alkalisch | zu werden; weiter nimmt 12h 10’ | 0,8 | sauer alkalisch ihre Absonderung immer | zu. Menge des Stick- | stoffs in 100 ccm Saft | 0,6383. Stickstoffmenge in 100 ccm des vor Fett- einführung gesammelten Saftes 0,8253. Fester | Rückstand in 100 ccm | Saft 4,55. Summa: | 13,0 — = | SB Alle von uns angestellten Versuche mit Fetteinführung in das Duodenum zeigen untereinander eine grosse Analogie. Aus den Versuchen ergibt sich, dass die Sekretion des Pankreassaftes in den ersten 15 Minuten nach Fetteinführung nicht bedeutend ist, wie dies bei allen Versuchen mit Fett der Fall zu sein pflest, darauf gegen Ende der zweiten Viertelstunde stets zunimmt und sich auf einer gewissen Höhe hält, sodann jedoch abnimmt und allmählich bis zum Schluss des Versuches schwächer und schwächer wird. Der Eintritt einer bedeutenden Pankreassekretion ist immer von gewissen Fr- scheinungen beeleitet, die unfehlbar auf ein Höchststadium im Absonderungsprozess schliessen lassen. Anfänglich zeigt das Fett nieht die geringsten Veränderungen, wie man dies sehr bequem an dem mit der Darmfistel verbundenen t-förmig gebogenen Glasrohr beobachten kann. In dieser Zeit ist die Absonderung des Pankreas- saftes nur unbedeutend. Gewöhnlich stellt sich 20—25 Minuten nach Beeinn der Fetteinführung in den Därmen ein Knurren ein, und danach lassen sich in dem t-förmigen Glasrohr Gallestreifehen 249 A. J. Smirnow: a wahrnehmen. Jetzt nimmt die Pankreassekretion zu und erreicht mit der intensivsten Färbung der in dem t-förmigen Glasrohr ent- haltenen Flüssigkeit ihren Höhepunkt. Fast gleichzeitig mit diesen Erscheinungen tritt aus der geöffneten Magenfistel emulgiertes Fett, das bald den Charakter einer seifenartigen Flüssigkeit annimmt, von gleicher Farbe und Zusammensetzung wie die Flüssigkeit in dem mit der Duodenalfistel verbundenen t-förmig gebogenen Glasrohr. Diese Flüssigkeit wird bis zum Schluss der ersten oder Anfang der zweiten Stunde abgesondert; zunächst ist ihre Reaktion infolge Vorhandenseins von Magensaft im Magen sauer, nimmt jedoch sodann unter gleichzeitiger Seifenbildung im Dünndarm neutrale oder alkalische Eigenschaften an. Sobald die Zurückwerfung dieser seifen- artigen Flüssigkeit aufhört, lässt sich im Magen eine Abnahme der Pankreassekretion beobachten. Der Inhalt des Duodenums bleibt während der ganzen Versuchsdauer neutral oder alkalisch — ein Umstand, der darauf hinweist, dass, mögen dort auch immerhin Fettsäuren zur Bildung gelangen, diese keinen konstanten Charakter aufweisen und von alkalisch reagierenden Säften des Dünndarms rasch neutralisiert werden. Aus den angeführten Versuchen ist ersichtlich, dass mit einer Steigerung der Pankreassekretion stets ein Erscheinen von Galle Hand in Hand geht. Im gegebenen Falle leuchtet ein, dass neutrales Fett als selbständiger Erreger eine nur schwache Wirkung auf die sekretorische Fähigkeit des Pankreas ausübt. Das Moment der Spaltung sowie der darauf folgende Prozess der Zersetzung des Fettes erhöht dagegen die Absonderung des Pankreassaftes. Diese Erhöhung der Sekretion, die mit der wahrnehmbaren Verwandlung des Fettes zusammenfällt, kann auf die Funktionen zweierlei verschiedener Mechanismen zurückgeführt werden. Im Augenblick der Spaltung können die sich bildenden Fett- säuren sowie ihre im Wege der Neutralisation der Fettsäuren durch neutrale und alkalisch reagierende Darmsäfte zur Entstehung ge- langender Salze wirksam sein. Die unbedeutende Absonderung des Pankreassaftes in der ersten Zeit nach Einführung des Fettes in das Duodenum kann gleichfalls auf die Spaltung zurückgeführt werden, die anfänglich langsam eintritt, später jedoch beträchtliche Dimen- sionen annimmt. Die oben angeführten Versuche schliessen die Möglichkeit einer solehen Wirkung der Fettsäuren im Augenblick der Spaltung keineswegs aus. Schliesslich kann man auch die An- Zur Physiologie der Pankreassekretion 243 nahme gelten lassen, dass Fett als solches, d. h. in unzersetzter Form, eine safttreibende Wirkung auf das Pankreas ausübt; diese Wirkung des Fettes ist schwach und wird im Augenblick seiner Spaltung er- höht (Erscheinen von Galle in dem t-förmigen Glasrohr). Was den Fermentgehalt im erzielten Saft anbetrifft, so sind, wenn man den hohen Gehalt an Stickstoff und festem Rückstand [Babkin und Tiehomirow!)] in Betracht zieht, die Fermente in dem bei Fetteinführung in das Duodenum erlangten Saft ziemlich stark und können in keiner Weise als Hinweis darauf dienen, dass wir es hier mit einem Saft zu tun haben, der als Resultat der Ein- wirkung irgendeines anderen Reizmittels ausser Fett auf das Pankreas erzielt wird. Der Gehalt an Stickstoff und festem Rückstand, wie er im Pankreassaft nach Fetteinführung in das Duodenum beobachtet wird (bei meinen Versuchen), ist fast identisch mit dem Gehalt an Stick- stoff und festem Rückstand in dem nach Fetteinführung in den Magen erzielten Safte [Bylina?)]. Menge des Stickstoffs und festeh Rückstandes im Pankreassaft auf Fett. Bei Einführung von 100 ccm Bei Einführung von 50—20—25 cem neutralen Fettes in den Magen neutralen Fettes in das Duodenum [Bylina?)]. (Autor). N Fester N Fester Ei Rückstand Rückstand 0,5432 3,8 0,5431 4,0 0,5723 3,7 0,7418 5,2 0,6955 4,56 0,6200 4,4 0,6507 4,4 0,6420 4,75 0,6235 4,5 0,6383 4,55 0,6107 4,9 0,6048 | 4,1 Auf Grund des angeführten Materials konnte man zur Er- örterung darüber übergehen, welcher Art der Mechanismus sei, der bei der Wirkung des Fettes auf die Pankreassekretion im Falle unmittelbarer Fetteinführung in das Duodenum in Frage käme. Da 1) B. P. Babkin und N. P. Tichomirow, Zur Frage der gegenseitigen Beziehungen zwischen der proteolytischen Kraft, dem Stickstoffgehalt und dem Gehalt an festen Bestandteilen im Saft der Bauchspeicheldrüse. Hoppe-Seyler’s Zeitschr. f. physiol. Chemie Bd. 62 S. 468. 2), Bylina, 1. e. 944 A. J. Smirnow: nach der zurzeit herrschenden Ansicht die Tätigkeit der Bauch- speicheldrüse das summarische Resultat der Funktionen zweierlei verschiedener Mechanismen: des humoralen-chemischen sowie des nervösen, darstellt, so musste bei unseren Untersuchungen wünschens- wert erscheinen der Aufklärung der Frage näher zu kommen, auf welchen Mechanismus die Pankreassekretion im Falle direkter Ein-, führung von Fett in das Duodenum zurückzuführen sei. Die weiter unten angeführten Untersuchungen bilden einen der Versuche zur Aufklärung dieser komplizierten Frage. In den Fällen, wo es sich darum handelt, eine von diesen mit der Tätigkeit der Bauchspeichel- drüse verbundenen Funktionen — im vorliegenden Falle die nervöse — auszuschalten, wendet man Atropin an. Dieses Alkaloid, das die nervöse Funktion paralysiert, eibt mehr oder weniger die Möglichkeit auf die Wirkung der andern Funktion des Mechanismus, der 18. August. Einführung von neutralem Fett und subkutane Injektion von 0,005 g Atropin. Im Magen --- Reaktion schwach sauer. Pulsfrequenz 80 in der Minute. Im Duodenum — Reaktion neutral. Vor Fetteinführung in 30’ — 2 Tropfen Pankreassaft. 12h 45’ — Beginn der Einführung neutralem Fetts in das Duodenum im Betrage von 50 ccm. Saft- ae I er Reaktion Zeit menge Bemerkungen cem | im Magen im Duodenum 1670052120569 = | — 1h 10’. Knurren im Darm, 1h 15° | 3,0 | sauer schwach alkalisch| aus dem Magen beginnt g 48 | subkutan injiziert 0,005 g Atropin| sich unverändertes Fett 1h 30 2,4 | sauer schwach alkalisch nn en 1h 45’ | 1,8) schwach sauer |in der t-förmigen | A’anslıc Se Se 2h00'.| 2,8 schwach alkal., Glasröhre hört at Se ons San das Fettauf, von| Zebt die c arakteristische | alle arhezn seifenartige Flüssigkeit | ln durch neutrale Reaktion au 15° | 2,0 alkalisch | Fett geht nicht in| In „nunach kalische 2h 30' | 2.4 alkalisch | Emulsion oder 5 ti as T ls 5 ah 45’ | 14 alkalisch | _seifenartigeFlüs- ns an a 3: sigkeit über. rohr ärbung durch | Galle. Puls 200 in der | Minute, Pupillen erwei- DER N ER , tert, Schleimhaut trocken. Summa:| 1 [ee — | -- —_ N in 100 ccm Saft: | Fester Rückstand in 100 cem Saft: I. 30’ vor Atropininjektion — 0,8400 = T: — II. 15’ nach 5 0,2576, 11. Zr III. 457, en 0,1570 „ IH. 45’ nach Atropininjektion — 1,7 g, Ver S0 5 0,1456 5 IV. 307 7, ” —12 .. Zur Physiologie der Pankreassekretion. 245 22. August. Einführung einer Mischung von neutralem Fett und Eiweiss sowie subkutane Injektion von Atropin. Im Magen — schwach saurer Schleim. Pulsfrequenz 80 in der Minute. Im Duodenum — Reaktion neutral. Vor Ein- führung der Mischung in 30’ 10 ccm Pankreassaft. 12h 55’ Beginn der Einführung von einer Mischung neutralen Fettes und Eiweiss in das Duodenum im Betrage von 20 cem in Portionen von 4 ccm pro 5". Saft- Reakti Zeit menge Ken Bemerkungen ccm im Magen |im Duodenum 1h 10’ | 0,4) — | — 1h 20’. Knurren jm Darm, 1755.) 10] — — gleichzeitig Beginn einer BE 321064 — -— energischen Pankreas- | subkutan injiziert 0,005 g Atropin ne nn Ca haar : -förmigen Glasrohr Fär- An 55° 2,0) schwach alkalisch neutral bung durch Galle. Aus 2h 10 2,01 neutral neutral Tee Sondort sich no el schwach alkalisch neutral as hAn' 9098 F $ emulgiertes Fett ab. Im 2h 40 1,2 schwach alkalisch neutral DemRkaktianinene 2h 55' 10) schwach alkalisch neutral ae dem Magen bereits eine seifenartige Flüssigkeit von schwach saurer Re- aktion abgesondert; dann geht die Reaktion allmäh- lich in eine neutrale und von einer solchen nach und nach in eine schwach alkalische über. Puls 200 in der Minute. Vergif- | tungserscheinung. Summa: | 12,2 | E= | = | — N in 100 ccm Saft. Fester Rückstand in 100 ccm Saft. BVorskieiteinfuhrung 441....1.000. 0), 1 ca — IT. 45’ vor Atropininjektion . 0,6048 g, II. 45’ vor Atropininjektion ... 41 g ii. 15’ nach F 0,4256 g | II. 15’ nach 5 Se 2A9NG, IV 302 , 5 0,1625 g | IV. 30° „ en lad: Ver 30... 5 0,1572 g| V.30’ „ 5 Ba Koi chemischen, einen Schluss zu ziehen. Bei meinen Versuchen bediente auch ich mich dieses Giftes, um festzustellen, welche Wirkung schwefelsaures Atropin, in einer Quantität von 0,005 g subkutan injiziert, auf die sekretorische Tätigkeit der Bauchspeicheldrüse ausübt. Die Anwendung einer solchen Dosis Atropin konnte dem Tier nicht nachträglich sein, musste aber auf den sensiblen nervös- sekretorischen Apparat der Drüse einen Einfluss ausüben. Die hier angeführten beiden Versuche zeigten ein gleiches Bild der Vergiftung, das sich in einer Steigerung der Pulsfrequenz von 80 bis zu 200 Sehlägen in der Minute, einer Erweiterung der Pupillen und einer Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd. 147. 17 246 A. J. Smirnow: allgemeinen Reflexerhöhung äusserte. Die Injektion von 0,005 g Atropin wurde vorgenommen, sobald bei dem in das Duodenum eingeführten Fett der übliche Spaltungstyp beobachtet wurde. In der Regel sank bereits 15 Minuten nach der Atropininjektion der Stickstoffgehalt kedeutend, und diese Abnahme des Stickstoffgehalts und festen Rückstandes (folglich auch der Fermente) währte bis Schluss des Versuchs. Die quantitative Seite der Pankreassekretion wurde jedoch von der Atropininjektion in Höhe von 0,005 g nicht in Mitleidenschaft gezogen; die Absonderung des Pankreassaftes er- fuhr keine merkliche Veränderung. Analoge Resultate erlangte Bylina, der Untersuchungen mit Fett anstellte, wobei er dieses in den Magen einführte und die Pankreassaftabsonderung nach subkutaner Injektion von 0,005 g Atropin beobachtete. Aus der angeführten Gegenüberstellung des Stickstoffgehalts und festen Rückstandes im Pankreassaft; der nach Injektion von 0,005 g Atropin im Höchststadium der Pankreas- sekretion erzielt wurde, ergibt sich die Identität seiner Ergebnisse mit den Resultaten meiner Versuche. ; Bei Fett in das Duodenum eingeführt in den Magen eingeführt (Bylina) 18. April (Autor) 18. August (Autor) 22. August vor Atropininjektion vor Atropininjektion vor Atropininjektion 321 0,6 \ N 0,4 3531 01a 3,0 1,0 A 2,1 3,0 2,3 Subkutan injiziert 0,005 g Atropin Subkutan injiziert 0,005 g Du B 2:07 >B Atropin 1,8 2,0 \ C 1,5 a2 C = Sl 2, j 29 0 6 B 2 10 \ D 2,1 1,4 Da N in Portion A: 0,8400 | N in Portion A: 0,6048 1,2 \ >50 on» B:0876|,,„ „2: 0,4208 0,9 Ä IR 5 C420,15702 2387 3 C: 0,1625 12) : 2 WE 2 Doz N in Portion A: 0,69552 Fester Rückstand Fester Rückstand a RB: 0, 17696 in A: ‚ in A: 4,1 5 NO: 0,1778 „ B: — Seab8: 2,9 Fester Rückstand BET CET in A: 4,56 -2D:.1,2 >». D.:21,6 „ B: 1,8 Ein allmähliches Abfallen ist bei Bylina nicht bemerkbar, offenbar, weil es sich hier um eine Untersuchung der stündlichen Portionen des Pankreassaftes auf Stickstoff handelt, während bei uns Zur Physiologie der Pankreassekretion. \ D47 die Bestimmung der Stickstoffmenge an ziemlich häufigen Portionen vorgenommen wurde. Zum Schluss möchte ich einen Versuch mit Atropin anführen, der in der Weise angeordnet war, dass zunächst eine subkutane Injektion von 0,005 g Atropin vorgenommen und erst hiernach neutrales Fett in das Duodenum eingeführt wurde. Da in dieser Form nur ein einziger Versuch angestellt wurde — eine Wieder- holung misslang infolge ausserhalb des Versuches liegender Ursachen —, so muss es gewagt erscheinen, ihm irgendwelche Bedeutung bei- zumessen und sich zu Erklärungen verleiten zu lassen, die möglicher- weise jeglicher Grundlage entbehren. Sollten die weiteren Unter- suchungen dartun, dass im gegebenen Falle der Stillstand der Sekretion nicht durch zufällige Ursachen, wie etwa Erkrankung des Darmkanals, infolge deren die Spaltung des Fettes durch alkalisch reagierende Säfte im Dünndarm zur Sistierung gelangte, hervor- gerufen worden war, so kann diesem Versuch eine gewisse Bedeutung nicht abgesprochen werden. Versuch mit subkutaner Atropininjektion vor Fetteinführung in das Duodenum. 3. August 1911. Reaktion im Magen sauer. Reaktion im Duodenum schwach alkalisch. Kontrollabsonderung im Ver- laufe einer Stunde — 3 ccm. 1b 10° — 0,005 g Atropin subkutan injiziert. 1h 15’ — Beginn der Einführung einer Mischung von neutralem Fett und Eiweiss in Portionen von 5 ccm für jede 5 Minuten bis zur Gesamtmenge von 25 ccm. ED 0,41 N een... ee 0,3 | 8 DE 3. 0,3 ST en SR 0,2 Während der achten Minute sind die Pupillen erweitert und die Puls- frequenz bis zu 200 Schlägen in der Minute angestiegen; gegen Ende der Stunde zeigt der Hund eine grosse Unruhe und sucht sich aus dem Gestell loszu- reissen. Nach einer einstündigen Versuchsdauer wurde das Fett abgelassen; es wies nicht die geringsten Veränderungen auf und enthielt keine Gallebestandteile. In dem t-törmig gebogenen Glasrohr hatte während der ganzen Zeit auch nicht die schwächste Färbung wahrgenommen werden können. Der Magen zeigt eine saure Reaktion, die gegen Ende der Stunde allmählich in eine schwach alkalische über- geht. Stickstoffmenge in 100 ccm Kontrollsaft . .». . 2.2... 0,840 g Stickstoffmenge in 100 cem Saft nach Injektion von Atropin 0,560 „ I 248 A. J. Smirnow: Zur Physiologie der Pankreassekretion. Fasst man die obigen Untersuchungsergebnisse zusammen, so kann man zu folgenden Schlussfolgerungen gelangen : 1. Die Absonderung des Pankreassaftes geht anfänglich im Verlauf von 20—25 Minuten nach Fetteinführung in das Duodenum offenbar bei neutraler oder alkalischer Reaktion des Duodenalinhalts vor sich. 2. Gleichzeitig mit der Fettspaltung nimmt die Pankreassekretion bedeutend zu. 3. Der bei Einführung von neutralem Fett in das Duodenum zur Absonderung gelangende Pankreassaft zeichnet sich durch hohen Gehalt an Stickstoff und an festem Rückstand und folglich auch an Fermenten aus. 4. Eine subkutane Injektion von 0,005 g Atropin im Höchst- stadium der Fettspaltung verringert nicht die Quantität des zur Absonderung gelangenden Pankreassaftes, führt aber zu einer be- deutenden Verringerung des Gehalts an Stickstoff und festem Rück- stand bereits nach Ablauf von 15 Minuten, wobei diese Verringerung auch weiter anhält. 249 (Aus dem physiologischen Laboratorium der’physiko-math. Fakultät der k. Universität Kasan.) Über die Latenz der elektrischen Reaktion des Froschherzmuskels bei Doppelreizen. Nach Versuchen von Herrn J. S. Beritoff mitgeteilt von Prof. A. Samojloff. (Mit 6 Textfiguren.) Reizt man einen quergestreiften Skelettmuskel mit zwei rasch aufeinanderfolgenden Reizen, so erscheint, wie neuere Untersuchungen ergeben haben, bei genügend kleinem .Reizintervall die elektrische Latenz der Beantwortung des zweiten Reizes länger im Vergleich zu der des ersten Reizes. Wenn über den Grad und über die Deutung der Verspätung des zweiten Aktionsstromes die Ansichten der Autoren differieren, so ist die Tatsache an sich im allgemeinen ausser jedem Zweifel. Natürlich ist es nun zweckmässig, die Frage nach der Reaktion anderer Muskeln und vor allem des Herzmuskels auf Doppelreize in bezug auf die Latenz in Angriff zu nehmen. Wenn es sich aber um einen relativ so langsam reagierenden Muskel, wie der Herzmuskel ist, handelt, der noch dazu eine sehr stark ausgesprochene refraktäre Periode besitzt, so ist es ganz natürlich, daran zu denken, dass in diesem Falle die Verhältnisse der Latenz bei Doppelreizen einfach auf Grund der mechanischen Herzaktion aufgeklärt werden können. Und in der Tat war die Frage nach der Grösse der mechanischen Latenz in ihrer Abhängig- keit vom Reizintervall resp. von der Kontraktionsphase, auf die der zweite Reizmoment fiel, schon vor vielen Jahren von einigen Autoren experimentell geprüft. Marey!) hatte in seiner Arbeit, in welcher er über die Existenz der Refraktärperiode des Froschherzmuskels berichtete, auch die 1) M. Marey, Des excitations artificielles du cur. Travaux du labora- toire du Marey 1876 p. 69, vgl. p. 79. Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd. 147. 13 250 A. Samojloff: Frage nach der Latenz der Extrareize berührt. Er führt hier acht Kurvenreihen vom Froschherzsystolen an; in jeder Kurvenreihe sieht. man je einen auf verschiedene Phasen der Kontraktion fallenden Reizmoment des Extrareizes verzeichnet. In den ersten drei Kurven- reihen bleibt der Extrareiz unbeantwortet, weil er das Herz refraktär findet; über die übrigen fünf Reihen wird gesagt: „De la ligne 4 a la ligne 8, le c@ur reagit aux exeitations, mais avec des rapidites bien differentes. Ce retard correspond ä ce quiHelm- holtz apelle temps perdu pour les museles volontaires. Or, ce retard va toujours en diminuant ä mesure que le c@ur est exeite dans une phase plus avanc6e de ca diastole; tres-long pour la ligne 4 oü il atteint environ "/a seconde, il est presque nul pour la ligne 8.“ Methodisch ist es von Bedeutung, dass das Herz zwischen den Branchen einer „Pinee myographique“ elastisch eingeklemmt war, wobei die Branchen einen grossen Teil des Ventrikels und möglicher- weise auch die Vorhofventrikelgrenze einnahmen; diese Einrichtung diente zur Reizung des Herzens und gleichzeitig zur Registration. der Kontraktionen. | Später wurden ähnliche Versuche von Brunton und Cash!) ausgeführt. Diese Autoren konnten bei Anwendung maximaler, auf den Froschventrikel applizierter Reize die Resultate von Marey be- stätigen. „A very considerable lateney is to be observed in cases where stimulation falls early in the systole. The lateney, when this is the position of the shoek, is usually ‚5° or even more, and occa- sionally where stimulation is eoineident whit the earliest possible attempt at systole, nearly the whole beat may lapse before re- duplieation.“ Es fehlen leider Angaben über den genauen Ort des. Ventrikels, an welchen die Elektroden angelegt waren, sowie über die Beschaffenheit der Elektroden, so dass es unklar bleibt, ob die Vorhöfe bei Anwendung maximaler Reize mitgereizt werden konnten. Übrigens wird auch von den Autoren eine Reihe von Versuchen mit minimalen Reizen beschrieben. Das Resultat dieser Reihe lautet allerdings etwas anders: Fällt der Reiz einen Augenblick vor dem Beginn der natürlichen Systole, so ist die Latenz 0,13 Sek., trifft der Reiz etwa die Mitte der Dekreszente, dann dauert die Latenz 1) P. L. Brunton and T. Cash, On the Effect of Elektrical Stimulation of the Frog’s Heart. Proceedings of the R. Society of London vol. 35 p. 455;- comp. p. 460. 1883. Über die Latenz der elektr. Reaktion des Froschherzmuskels etc. 251 0,18 oder 0,2 Sek., und beim Zusammenfallen des Reizes mit dem ‚Gipfel der Systole ist die Latenz 0,2 Sek. Die Dauer der ganzen Ventrikelperiode war in der besprochenen Reihe 1,3 Sek. Dieselbe Frage wurde darauf in eingehender Weise von Th. Engelmann!) bearbeitet, wobei er zu anderen Resultaten gelangte, nämlich, dass die Dauer der mechanischen Latenzperiode im ganzen und grossen in keiner Beziehung zur Phase der Kontraktion, auf die der Extrareiz fällt, steht. Die Versuche von Brunton und Cash werden von Engelmann nicht erwähnt. Auf die Ergeb- nisse von Marey wird dagegen ganz ausführlich eingegangen ; Engelmann klärte hierbei die methodologischen Nachteile von Marey’s Versuchsanordnung, die den wahren Sachverhalt ver- deckten. „Überhaupt hängt nach Marey die Dauer des Latenz- stadiums bei jeder Reizstärke von der Phase ab, in welche der Reiz fiel, und zwar so, dass sie auch für solche Reize, die während einer Diastole einsetzen, um so länger ist, je weiter vor dem Ende der Diastole letzteres geschieht.“ „An der Richtigkeit der tatsächlichen Angaben von Marey ist natürlich nicht zu zweifeln, um so weniger, als sie durch Abbildungen von Kardiogrammen belegt sind, welche keine andere Auffassung zuzulassen scheinen, als die ihnen vom Autor gegebene. Irrtümlich nur würde es nach meinen Erfahrungen sein, wenn man meinen wollte, dass es sich hier um ein der Kammer- muskulatur überhaupt zukommendes Verhalten handle. Wenn man die Reizung auf die Herzspitze beschränkt, sei es nun, dass man an der abgeschnittenen oder abgebundenen Kammerspitze experimen- tiert, oder mit solchen Stromstärken und in solcher Entfernung von ' der Kammervorkammergrenze zeigt, dass die hier gelegenen Teile (Atrien, Bulbus, Kammerbasis) nicht direkt erregt werden können, so finde ich ausnahmslos folgendes, von Marey’s Befunden ab- weichendes Verhalten. Gleichviel in welche Phase der Reiz fällt und welches seine Stärke ist, wenn er überhaupt Erfolg, d.h. eine V, zur Folge hat, so tritt dieser sogleich ein, d. h. nach einem sehr kurzen Latenzstadium, durchschnittlich etwa nach 0,1 Sek.“ Die Ursache für die abweichenden Resultate Marey’s findet Engel- mann in folgendem: „Ich glaube sie darin finden zu müssen, dass Marey’s Versuchseinrichtung eine Reizung der Ventrikelbasis und 1) Th. Engelmann, Refraktäre Phase und kompensatorische Ruhe. Arch. f. d. ges. Physiol. Bd, 59 S. 309, vgl. S. 318—319. 1895. 16 292 A. Samojloff: der angrenzenden Teile (Atrium und Bulbus) nicht ausschloss.. Es war ja auch Marey gar nicht um isolierte Reizung der Herzspitze zu tun. Da die Arme des Herzmyographs, welche das blossgelegte Herz zwischen sich klemmten, bei Marey zugleich als Elektroden dienten und, nach Beschreibung und Zeichnung zu urteilen, die an die Basis grenzende Partie des Ventrikels zwischen sich fassten, müssen schon schwache elektrische Ströme alle an der AV-Grenze zusammenstossenden Herzabschnitte getroffen haben. Und so ist die Vermutung begründet, dass die von Marey künstlich hervorgerufenen, Systolen in jenen Fällen längerer Latenz nicht einer direkten Er- vegung der Muskulatur der Herzspitze, sondern indirekter Reizung ihren Ursprung verdankten .. .“ _ Wasnun die Frage nach der elektrischen Latenz im besprochenen Sinne anbetrifft, so hat wohl Keith Lucas!) als erster dieselbe aufgestellt und in einigen besonders dazu angeführten Versuchsreihen geprüft. Wie ich?) es schon in einer anderen Stelle hervorhob scheint leider in den Lucas’schen Versuchen vermutlich ein Miss- verständnis mit untergelaufen zu sein. K. Lucas hat nämlich erstens einen Versuch mit Doppel- reizungen der Ventrikelbasis oder des Vorhofes am nach der zweiten Stannius’schen Ligatur stillstehenden Froschherzen vorgenommen und dabei die vom Ventrikel abgeleiteten Aktionsströme mit dem Kapillarelektrometer registriert. Es stellte sich heraus, dass, anstatt der anfänglichen Latenz 0,037 Sek., die Latenz nach dem zweiten Reize des Doppelreizes bis 0,33 Sek. betrug, d. h. die Latenz war infolge des kurzen Reizintervalles auf etwa das Zehnfache gestiegen. In einem zweiten Versuch wurden bei derselben Ableitung der Ströme des Ventrikels eines spontan klopfenden Froschherzens Extra- systolen in verschiedenen Phasen der Ventrikelsystole durch Einzel- reize der Ventrikelbasis hervorgerufen. Wenn der Reiz sofort nach Ablauf der Refraktärperiode appliziert war, so vergingen zwischen dem Reiz und der elektrischen Beantwortung 0,94 Sek.; reizte man später, so war die Zeitdauer kürzer und schliesslich 0,56 Sek. 1) K. Lucas, The electrie vesponse of the gastrocnemius muscle of the frog to two stimuli. The Journ. of Physiol. vol. 41 p. 308, comp. p. 368. 1910. 2) A. Samojloff, Über die Verspätung des zweiten Aktionsstromes bei Doppelreizungen des quergestreiften Muskels. Arch. f. d. ges. Physiol. Bd. 143 S. 453, vgl. S. 489. 1912. Über die Latenz der elektr. Reaktion des Froschherzmuskels etc. 253 Der dritte Versuch ist in derselben Weise ausgeführt mit dem Unterschiede, dass jetzt der Vorhof gereizt wurde. Die latente Periode des elektrischen Effektes dauerte jetzt genau so lange wie im zweiten Versuch; die Zeit zwischen Extrareiz und Extraeffekt schwankt je nachdem, auf welchen Moment der ersten Schwankung der Reiz fällt, zwischen 0,91 Sek. und 0,55 Sek. Es war für mich früher und es ist mir auch jetzt, nachdem ich mich durch eigene Versuche überzeugen konnte, dass in der Tat der zweite Reiz bei einem kurzen Doppelreize eine bedeutend verspätete elektrische Aktion bewirkt, vieles in den Ergebnissen von Keith Lucas unklar. Erstens ist es zu verwundern, dass im ersten Ver- such die Verspätung der zweiten Schwankung 10mal so gross ist wie die Latenz der ersten Schwankung, wogegen die Verspätung in den Versuchen 2 und 3 nicht einmal den doppelten Betrag der kürzesten Latenz beträgt. Auf der Lucas’schen Aufnahme vom ersten Versuche fehlen die Kontraktionskurven; da wir aber wissen, dass die Dauer der Kontraktion des Ventrikels nicht bedentend länger ist wie die der Schwankung, so lässt sich annehmen, dass im Versuch 1 der zweite Reiz so gut wie zu Ende der Systole appliziert war — um so weniger einleuchtend ist es, weshalb die Verspätung einen derartigen Betrag erreichen konnte. Weiter ist es unverständlich, warum einmal die kürzeste Latenz (im ersten Versuch) 0,037 Sek. und ein anderes Mal (in den Ver- suchen 2 und 3) über eine halbe Sek. dauert; die kürzeste Latenz ist also in den Versuchen 2 und 3 etwa 16mal so gross wie im Versuch 1. Ganz merkwürdig und entschieden auf einem Versehen beruhend ist weiter das Ergebnis, nach welchem die Zahlen für die kürzeste sowohl wie für die längste Latenzdauer identisch im zweiten und dritten Versuch ausfallen, obwohl man in dem einen Versuch den Vorhof, im anderen den Ventrikel gereizt hat. | Es war augenscheinlich eine Mitreizung des Vorhofes bei Appli- kation des Reizes auf den Ventrikel bei Lucas wie nach Engel- mann’s Erklärung in Marey’s Versuchen zustande gekommen. Die kritische Besprechung der erwähnten Versuche von K. Lu- @as habe ich in der zitierten Arbeit mit folgenden Worten geschlossen: „Ich will mit dem Obigen nicht sagen, dass beim Herzmuskel jegliche Verspätung im definierten Sinne überhaupt fehlt. Meine eigenen Versuche, die dieses Thema berühren, waren zu einem ganz anderen 254 A. Samojloff: Zwecke unternommen und sind auch nicht gross genug an Zahl, um diese Frage zu entscheiden. Die Frage nach der Verspätung der elektrischen Reaktion des zweiten Reizes bei Doppelreizen seitens des Herzmuskels hat ein gewisses prinzipielles Interesse, und es wäre in der Tat wünschenswert, dieselbe noch einmal einer exakten und allseiticen Prüfung zu unterwerfen.“ Ich veranlasste daher Herrn J. S. Beritoff, eine Reihe von Versuchen über die Latenz der Aktionsströme des Froschherzens bei Änderung der Reizdistanz zu unternehmen. Der einfachste Versuchsplan zur Prüfung der obigen Frage be- ‘stand darin, einen im Stannius’schen Stillstande sich befindenden Froschherzapparat zunächst nieht mit Doppelreizen von bestimmtem Reizintervall, sondern überhaupt mit einer Reihe von Reizen von verschiedenem Intervall zur Tätigkeit anzuregen; aus den Ventrikel- elektrogrammen, die also mit zufälliger Zeitdistanz aufeinanderfolgten, sollte dann die Beziehung zwischen Reizdistanz und elektrischer Latenz hervortreten. Nach diesem Schema wurden mehrere Reihen von Versuchen angestellt, die auch zu bestimmten Ergebnissen führten. Was nun die Methodik anbetrifft, so sei in aller Kürze folgen- des erwähnt. Das in situ befindliche Herz eines dekapitierten Frosches wurde an der Spitze suspendiert, wobei die Suspensions- klemme mit dem Hebel nicht vermittelst eines Fadens, sondern ver- mittelst eines an den Haken angelöteten sehr feinen Drahtes ver- bunden war. Eine zweite ähnliche Klemme mit einem angelöteten Draht fasste die Ventrikelspitze in der nächsten Nähe von der ersten Klemme. ' Die beiden Klemmen stellten die Reizelektroden dar und wurden mit feiner Gummiröhren in einen schon früher beschriebenen Weise umgeben '). Die eine ableitende Elektrode war in einiger Entfernung von den Reizelektroden in Form eines die Spitze im ganzen Umfange umschlungenen Fadens angelegt; die zweite Elek- trode, ebenfalls ein Faden, war um den Vorhof geschlungen. Die Reize erzeugte man durch Unterbrechung des primären Stromes ver- mittelst des Engelmann ’schen Polyrheotoms. Die Scheibe des letzteren wurde mit der Hand gedreht; eine ganze Umdrehung er- 1) A. Samojloff, Weitere Beiträge zur Elektrophysiologie des Herzens. Arch. f. d. ges. Physiol. Bd. 135 S.-417, vgl. S. 421. 1910. Über die Latenz der elektr. Reaktion des Froschherzmuskels etc. 255 zeugste eine einzige Unterbrechung; der Schliessungsinduktionsstrom wurde in bekaunter Weise durch eine in entsprechendem Zeitpunkt ausgeführte Nebenschliessung des sekundären Kreises im Polyrheotom vom Froschherz abgeblendet. Die Aktionsströme wurden vermittelst des Saitengalvanometers (Edelmann’s grosses Modell) unter S00 maliger Vergrösserung (Apochromat Zeiss 8,0 mm, Projektionsokular Zeiss 4) registriert; eleichzeitig mit den Saitenausschlägen kamen die Bewegungen des Suspensionshebels, des Reizmarkierers und der Stimmgabel (25 Schwingungen in 1 Sek.) zur Registration. Das lichtempfindliche Papier auf der Trommel war 13><64 em gross; bei einer Trommel- umdrehung wurde nur ein dritter Teil der Höhe ausgenutzt, so dass man auf demselben Papier drei Serienaufnahmen machen konnte. Die Schnelligkeit der Umdrehung war etwa 3,0 em pro 1 Sek., so dass auf dem ganzen Papierstreifen in allen drei Reihen zusammen etwa 20 Systolenaufnahmen Platz finden konnten. Natürlich kam es darauf an, mit dem Reize am tätigen Herzen nicht zu spät zu kommen, um die möglichst günstigen Bedingungen für das Ausbilden einer eventuellen Verspätung des Aktionsstromes zu schaffen. Nach meiner früheren Erfahrung mit Doppelreizen am Froschherzen hat ein nicht mittelstarker Reiz am tätigen Herzen erst dann Erfolg, wenn er etwa am Ende der elektrischen Schwankung der vorhergehenden Systole appliziert wird). Es schien mit anderen Worten, dass die refraktäre Periode im allgemeinen erst nach Ab- lauf der T-Zacke zu Ende kommt. Schon unsere ersten orientierenden Versuche zeigten nun aber mit vollkommener Konstanz, dass, wenn der zweite Reiz den Ven- trikel zu einer Zeit trifft, wo der Aktionsstrom auf den ersten Reiz bereits ganz abgelaufen ist, eine Verspätung des entsprechenden zweiten Aktionsstromes entweder vollkommen fehlt, oder, was seltener vorkommt, bloss ganz unbedeutend erscheint. Um möglichst früh den Reiz mit positivem Erfolg am tätigen Herzen applizieren zu können, blieb nichts anderes übrig, als den Reiz stärker zu wählen. Man kann sich leicht überzeugen, dass ein stärkerer Reiz auch während der Periode der 7T- Zacke, namentlich während der Dauer der De- kreszente derselben, sich wirksam erweist; sehr starke Schläge er- regen den Ventrikel auch dann, wenn sie im Momente des Gipfels 1) A. Samojloff, l.c. S. 450. 256 A. Samojloff: der T-Zacke oder zuweilen sogar auch noch früher, während der Dauer des ersten Teils der 7-Zacke, den Herzmuskel treffen. Nun stellt sich aber dabei folgendes heraus. Wendet man stärkere Reize an, so macht sich deutlich eine Komplikation bemerkbar, die darin besteht, dass ein ein stillstehendes Herz treffender Reiz um so früher eine elektrische Reaktion bewirkt, je stärker er ist. Die elektrische Latenz erweist sich somit in ihrer Dauer von der Stärke des Reizes abhängig. Nachdem diese Erscheinung zuerst an der Hand unserer ersten Kurvenreihen bemerkt wurde, war es wünschens- wert, dieselbe in extra dazu angestellten Versuchen zu prüfen. Es sei hier ein derartiger Versuch, den wir der Besprechung der unser Hauptthema berührenden Kurvenreihen vorausschieken möchten, angeführt. Die Trommel öffnet während ihrer Umdrehung einen Kontakt und erzeugt auf diese Weise einen Induktionsschlag, welcher ein im Stannius’schen Stillstande befindliches Herz trifft. Aktions- strom, Kontraktionskurve, Zeitkurve (0,04 Sek.), Reizsignal wurden verzeichnet. Auf der Fig. 1 sieht man das Resultat dreier in Pausen von mehreren Minuten vorgenommener Reizungen, wobei bei D der Reiz stärker war wie bei A uud bei C stärker wie bei BD. Die Berechnung ergibt, dass die elektrische Latenzdauer in A — 0,056 Sek., in B— 0,04 Sek. und in (© 0,024 Sek. beträgt (die Abstände der Spiralen waren in A, D und © — 10,5 em, 8,5 em, 6,0 em). Durch blosse Änderung der Reizstärke lässt sich also die Latenzdauer um mehr als zweimal ändern. Aus der Fig. 1 ist zu ersehen, dass mit Verstärkung des Reizes die Stärke der ins Galvanometer hereinbrechenden Schleifen in hohem Grade zunimmt, so dass man vor allem die Verkleinerung der Latenzdauer auf die durch Stromschleifen bewirkte Reizung der von den Reizelektroden entfernteren und den Ableitungselektroden näher gelegenen Stelle des Herzens zurückführen muss. Anderseits könnte man auch an die viel diskutierte Möglichkeit denken, dass ein starker Reiz schneller geleitet wird. Wir wollen aber nieht weiter auf den Grund der beschriebenen Erscheinung eingehen und nehmen die Tatsache als solche an. Wenn wir früher erklärten, weshalb es nötig ist, bei Versuchen über die Abhängigkeit der Latenz von der Reizdistanz Reize von erheblicher Stärke anzuwenden, so kommen wir jetzt auf Grund der eben beschriebenen Beziehung der Latenz zur Reizstärke zum Schluss, dass anderseits die Stärke der Reize nicht zu weit getrieben werden Über die Latenz der elektr. Reaktion des Froschherzmuskels etc. 257 darf. Wird der Reiz noch stärker wie in Fie. 1 A, so werden die Schleifenzacken noch stärker, die Latenz augenscheinlich noch kleiner, und man kann überhaupt nur. mit Mühe entscheiden, ob irgendeine Latenz vornanden ist. Wir mussten also in unseren Ver- suchen bei der Wahl der Reizstärke uns von den auseinander- gesetzten Gesichtspunkten leiten lassen. [9 Fig. 1. Drei Ventrikelelektrogramme nach Reizung der Ventrikelspitze mit von A bis Ü zunehmender Reizstärke. Zeitmarken in 0,04 Sek. Was nun die Versuchsreihen mit Reizen, die das Herz in ver- schiedenen Phasen seiner Tätiekeit darstellen, betreffen, so stellte essich heraus, dass in der Tat eine ganz deutliche Beziehung zwischen der Phase, in welcher das Herz gereizt wird, und der elektrischen Latenz- dauer existiert, und zwar je früher der Reiz nach Abschluss der refrak- tären Periode fällt, desto länger wird die Latenz. 358 A. Samojloff: Wir führen eine von den vielen Versuchsreihen mit Angabe sämtlicher Daten an. Die Reihe enthält über 30 Reizungen. Man bemühte sich im allgemeinen, die Reizungen so vorzunehmen, dass grosse Reizdistanzen mit kleinen abwechselten, um auf diese Weise eine Annäherung an Doppelreize mit kleinem Reizintervall zu er- zielen. Es erwies sich aber, dass das in der angegebenen Weise nicht zu erreichen war, denn die Dauer der Herzperiode hänst in so hohem Grade vom Reizintervall ab, dass man beim Abmessen eines grossen resp. kleinen Intervalls sofort in die Hände des Zufalls fällt. Wir betrachten deshalb unsere Reihe als eine fortlaufende Reihe von Reizungen und geben in der Tabelle I nach Möglichkeit sämt- liche Data, die die Beziehung der elekt:ischen Latenz zu anderen Momenten illustrieren, wieder. Tabelle]. Zeitintervall Nummer| gjektrische | Zwischen dem Die des en ZWeuen Die Dauer Die mechanische latente Reizmoment SEEN: Ver- 2 und dem Gipfel 7| des V.E.G. | Reizdistanz Latenz- suchs Periode der vorhergehen- periode den V.E.G. 1 0,024 1,0 2,2 2,10 0,30 2 0,035 0,13 1,56 2,30 0,26 3 0,025 2,08 2,16 3,30 0,38 4 0,034 0,20 1,45 2,20 0,40 5 0,025 2,50 2,13 3,90 0,34 6 0,034 0,24 1,48 2,16 0,30 7 0,027 1,64 2,0 2,45 0,26 8 0.030 | 0.36 are 0.20 9 0,025 1,96 2,0 3,36 0,28 10 0,05 0,10 1,28 1,92 0,34 1 0,063 0,05 112 2,0 0,22 Du 0,025 2,0 2,0 3,6 0,34 3 0,04 0,08 1,36 2,0 0,26 4 0,022 1,72 2,05 3,0 0,26 5 0,033 0,24 1,4 2,0 0,32 6 0,023 1,44 1,92 2,7 0,30 Mi 0,032 0,62 1,62 2,3 0,30 8 0,030 0,72 1,60 2,22 0,24 ®) 0,066 0,05 1,2 1,6 0,36 1 0,030 0,28 1,68 — 0,30 2 0,028 1,68 2,00 3,0 0,28 3 | 0,022 0,76 | 1,82 2,66 0,28 4 0,024 1,52 1,90 3,0 0,32 5 0,055 0,05 1,20 1,50 0,22 6 0,023 1,3 2,0 2,30 0,28 7 0,033 0,18 1,30 2,18 0,22 0) 0,037 172 ll 2,8 0,25 9 0,05 0,10 1,2 1,3 0,22 10 0,026 1,3 1,8 2,8 0,28 11 0,037 0,36 1,4 2,0 0,30 Über die Latenz der elektr. Reaktion des Froschherzmuskels etc. 259 Die angegebenen Zahlen stammen von einem und demselben Versuch, in welchem drei Reihen in der eingangs beschriebenen Weise eine nach der anderen aufgenommen waren. Um die Beziehung der Latenzdauer zu der Phase der Herztätiekeit klarer darzustellen, ist es zweckmässig, die angeführten Zahlen in eine Graphik einzutragen. Es frast sich nun, welche Zahlenreihe ausser der der Latenzdauer wir in die Graphik aufzunehmen haben. Hätten wir es mit echten Doppelreizen zu tun, so würde es am einfachsten sein, die Latenz- dauer mit der Reizdistanz in ihrer Abhängigkeit graphisch darzustellen, um den Einfluss der Phase der Herztätigkeit auf die Latenz zu über- sehen. Da aber in unserem Fall, wie oben auseinandergesetzt wurde, wir vielmehr eine fortlaufende Reihe von Reizungen vor uns haben, und da anderseits die Herzperiode in hohem Grade bezüglich ihrer Dauer von der Reizperiode abhängt, so definiert das Reizintervall an sich nur wenige die Phase der Herztätigkeit. Es ist leicht ein- zusehen, dass irgendein und dasselbe Reizintervall einmal (nach mehreren rasch aufeinanderfolgenden Reizungen) sich als ein Inter- vall von relativ langer Dauer, ein anderes Mal (nach mehreren weit voneinander abstehenden Reizen) als ein sehr kurzes Reizintervall erweisen kann. Deshalb scheint es zweckmässiger, nicht die Reiz- dauer, d. h. die Dauer zwischen dem ersten und dem zweiten Reiz- moment, zu nehmen, sondern die zwischen einem gut definierbaren Zeitpunkt im Ventrikelelektrogramm (z: B. den Gipfel der T-Spitze) nach dem ersten (d. h. dem vorhergehenden) Reiz und dem zweiten (d. h. dem in Frage stehenden) zur Definition der Phase der Herz- tätigkeit zu wählen. In der dritten Kolonne sind gerade diese Werte angegeben. Selbstredend ist die eben definierte Grösse nur dann zu gebrauchen, wenn der zweite Reiz nicht vor dem Gipfel 7’ des vor- hergehenden V.E.G. fällt. Das trifft gerade in der in Rede stehen- den Reibe zu, wenn auch allerdings einige Reize sehr nahe vom Gipfel 7 fallen. In der Graphik Fig. 2 sind die Werte der elektrischen Latenz- dauer auf der Ordinatenachse und die Werte der Kolonne 3 auf der Abszissenachse aufgetragen. Da, wie erwähnt, die Dauer der ganzen Schwankung V.E.G. immer kleiner wird, wenn der Reiz den Ventrikel sukzessive früher nach Ablauf der Refraktärperiode fällt, so führen wir in der Graphik Fig. 3 die Abhängigkeit der Latenzdauer (Ordinate) und V.E.G. Dauer (Abszisse) der zweiten Schwankung an. 260 A. Samojloff: Die beiden Figuren zeigen deutlich, dass im allgemeinen eine Beziehung zwischen elektrischer Latenzdauer und Tätigkeitsphase, in die der Reiz fällt, ausser jedem Zweifel steht. Ein in bestimmten Grenzen früher einfallender Reiz bewirkt eine längere Latenz. Da Fig. 2. aber ausserdem der ceteris paribus früher einfallende Reiz auch eine kleinere Dauer der ganzen Schwankung zur Folge hat, so lässt sich der Sachverhalt auch in der Weise formulieren, dass in gewissen Grenzen einer Herzaktion mit einer kleineren Schwankungsdauer eine längere elektrische Latenz entspricht. Über die Latenz der elektr. Reaktion des Froschherzmuskels et. 261 Im besprochenen Versuch ist die kleinste Latenz etwa zwei- bis dreimal so klein wie die grösste Latenz. Bei dieser Gelegenheit konnte man auch sehr gut die Angaben von Engelmann prüfen, dass die mechanische Latenz unabhängig davon ist, wie spät nach Beendigung der refraktären Periode der neue Reiz das Herz trifft. Wie wir früher sahen, ist nach Engel- mann die Latenzdauer die gleiche, ob der Reiz spät oder früh fällt. Unsere Zahlen der mechanischen Latenz (Kolonne 6 der Tabelle I) weisen überhaupt bedeutendere Abweichungen voneinander auf, wie die Zahlen von Engel- mann. Am grössten | sind die Abweichungen Bes EEE EEEEEEEN bei ganz kleinen Reiz- H intervallen, was damit Ei 5 zusammenhängen mag, H | dass bei kleinen Reiz- EESGEEFFEFER intervallen, wenn also = 4 | die zweite Kontraktion EH nicht von der Nullinie beginnt, die Ausmessung H Y der mechanischen Latenz BEnesen BESHEEE mit grösseren Fehlern | HEHE Bee EEEHEBESEE behaftet ist. Jedenfalls 1 EHEEHESHHE BERERERERSHEEEHEFEFEHERER konnte man eine all- EEHFFEHEHEEH ER EHE rue gemeine Steigerung der Fig. 3. Latenzwerte der mecha- nischen Herzaktion bei früher einfallenden Reizen nicht feststellen, und wohl in diesem Sinne können wir die Behauptung von Engel- mann bestätigen. Dass die Punkte in Fie. 2 und 3 so zerstreut liegen und sich nicht dem Verlaufe einer Kurve fügen, kann man möglicherweise darauf zurückführen, dass wir es bei unserer Versuchsanordnung ausser dem beabsichtigten Faktor noch mit anderen Faktoren, deren Konstanz nicht genug gesichert ist, zu tun haben. Es liess sich am ehester vermuten, dass die Latenzdauer in ihrer Abhängigkeit von der Tätigkeitsphase des Herzens sich exakter wird bestimmen lassen, wenn man das Herz mit echten Doppelreizen reizen würde. Es wurden deshalb auch in dieser Weise mehrere Versuchsreihen ausgeführt. Eie[elelalelelnge 262 A. Samojlort: Um schärfer die Ausmessung der elektrischen Latenz ausführen zu können, wurde in diesen Versuchen die Trommel mit grösserer Geschwindigkeit in Rotation versetzt (etwa 7”—8 cm in 1 Sek.). Bei dieser Schnelligkeit der Bewegung konnten auf dem ganzen Umfang der Trommel, auf dem 64 em langen Papierstück, überhaupt nur zwei Schwankungen entsprechend einem einzigen Doppelreiz Platz finden. Auf jedem Stück Papier (13 em breit) wurden drei Aufnahmen, eine unter der anderen, im ganzen also drei Doppelschwankungen auf- genommen. Zehn bis zwölf Doppelreize machten eine Versuchsreihe aus. Nach jeder Aufnahme wurde eine Pause von mehreren Minuten eingeschaltet, so dass der erste Reiz jedes Doppelreizes das Herz in einem Zustande traf, in dem irgendwelche Tätigkeitsspuren infolge vorhergehender Reize kaum anzunehmen waren. Die Trommel öffnete bei einer Umdrehung zwei Kontakte, deren Abstand nach jedem Doppelreiz grösser genommen wurde. Wir suchten nämlich zu Beginn einer Versuchsreihe diejenige Reizdistanz aus, bei der noch keine Wirkung des zweiten Reizes zustande kam, und vergrösserten dieselbe sukzessive. Gleichzeitig mit der Aktions- stromkurve wurden die Signale für beide Reize und die Zeitkurve verzeichnet. In beschriebener Weise angestellte Versuche ergaben überaus klare Resultate. Es geht erstens aus denselben hervor, dass bei Doppelreizen der Ventrikelspitze der zweite Aktionsstrom bei kurzem Reizintervall mit bedeutender Verspätung auftritt. Zweitens konnte man sich auch über eine andere, schon in früher beschriebenen Versuchen mehreremal beobachtete Erscheinung besser orientieren, nämlich über die Änderung der Form der stark verspäteten zweiten Aktionsstromkurve. | Was zunächst die Zunahme der Latenzdauer anbetrifft, so wollen wir wieder an der Hand einer Versuchsreihe die näheren Verhält- nisse schildern. Aus der Tabelle II und der Graphik Fig. 4 sieht man, wie stark die Zunahme der Latenz sein kann. Wenn man in Betracht zieht, mit wie kleinen Schritten wir die Reizdistanz ver- srösserten und dass nämlich die Reizdistanz, bei der noch keine Reaktion auf den zweiten Reiz bemerkbar ist, sich um einen sehr geringen Wert (0,039 Sek.) von der wirksamen Reizdistanz unter- scheidet, so ist wohl anzunehmen, dass die im angeführten Ver- such beobachtete Verspätung wohl nicht mehr weit von irgendeiner maximalen Verspätung sich befindet. Allerdings könnte man auch Über die Latenz der elektr. Reaktion des Froschherzmuskels et. 263 Tabelle II. Summe der Zeit- Reizdistanz werte der vorher- gehenden Kolonnen Nummer | Elektrische Latenz des Doppelreizes | des zweiten V.E.G. 1 keine Reaktion 2,399 _ 2 keine Reaktion DAS — 3 0,364 2,470 2,834 4 0,325 2,500 2,825 5 0,273 2,939 2,508 6 0,234 2,600 2,834 Ü 0,208 2,626 2,834 8 0,166 2,665 2,831 1) 0,140 2,717 2,857 10 0,091 2,847 2,938 11 0,078 2,990 3,068 12 0,078 3,029 3,107 13 0,078 3,185 3,263 EEH Eee | | FE H | ü | eis EHE u H 2 - | FEFREESRREESFRESBEEEHEER] | | EEHEEERESEEHEEFEE:: BE - k ehe T 1 T " T | EHE EEG arhahhe ube EI e EHBEEI HERE HE PB EB HIESS Fig. 4. sagen, dass die Verspätung bei noch kürzerer Dauer mit Riesen- schritten zunehmen würde und dass ein maximaler’Grenzwert hier ins Unendliche versetzt werden müsste. Es ist aber praktisch sehr schwer, die Reizdistanz so zu wählen, dass die Verspätung des zweiten Aktionsstromes zwischen dem unendlichen Wert (d. h. bei unbeant- wortetem Reiz) und einem nur um einigemal die normale Latenz übersteigenden Wert fällt. Dass man ganz bedeutende Verspätungen 264 A. Samojloff: nicht beobachten kann, hat seinen Grund anderseits vielleicht auch darin, dass die verspäteten Schwankungen weniger steil (worauf wir noch später eingehen) und niedrig werden. Die Abnahme der Reaktionsfähigkeit des Herzens bei Doppelreizen mit zu kurzem Reizintervall geschieht also in zwei Richtungen — die zweite Schwankung tritt später auf, erscheint kleiner und gedehnter im Verlauf, wobei die ganze Schwankungsdauer stark abnimmt. Der Wert 0,078 Sek. war in dem beschriebenen Versuch als normale Latenz anzusehen; durch das frühzeitige Eintreffen des zweiten Reizes ist die Latenz um etwa fünfmal grösser geworden. Addiert man entsprechend die Werte der zweiten und dritten Kolonne, so bekommt man die Werte der vierten, die man als die irresponsive Periode im Sinne von Lucas auffassen kann. Wie man sieht, bleibt dieselbe nicht von gleichem Betrag im Bereiche def Reizdistanzen mit verspäteter Reaktion, sondern sie wird anfangs kleiner, erreicht ein Minimum und steigt dann weiter. In diesem Punkt befinde ich mich also auch bezüglich des Herzmuskels im Widerspruch mit K. Lucas, nach welchem die irresponsive Periode einen und denselben Wert behält. Wir führen nun weiter einen Versuch mit sechs Doppelreizungen an, den wir mit entsprechenden Kurven illustrieren (s. Fig. 5). In der Abbildung ist nur der dem zweiten Reiz entsprechende Aktions- strom wiedergegeben ; würde man auch den ersten mit hineinnehmen, so würde die Figur zu lang werden (ausserdem ist die Reproduktion um zweimal gegenüber dem Original verkleinert). Bei 7, Fig. 5, fällt der zweite Reiz vor der Zacke 7 der ersten Schwankung; er bleibt ohne Erfolg — man sieht nur eine kleine Senkung, von einer Strom- schleife herrührend. Rückt der Reiz weiter vom ersten weg, so wird er manifest. Auf der Höhe des 7-Gipfels das Herz treffend bewirkt der zweite Reiz (s. 2, Fig.5) einen Aktionsstrom mit einer ganz bedeutenden Verspätung. Je grösser die Reizdistanz wird, um so kleiner wird die Verspätung, bis sie schliesslich in den Doppel- reizen 3 und 6 fast zanz verschwindet. Gleichzeitig mit der Zu- nahme der Reizdistanz wächst auch, wie in der Regel, die Zeitdauer der ganzen zweiten Schwankung. Die entsprechenden Zahlenwerte sind in der Tabelle III zusammengestellt. Wir erwähnten früher, dass bei kurzem Reizintervall, wenn die zweite Schwankung mit bedeutender Verspätung auftritt, die Form der entsprechenden Aktionsstromkurve verändert erscheint. Über die Latenz der elektr. Reaktion des Froschherzmuskels et. 265 Tabelle II. N Elektrische N N ummer Latenz N rresponsiv des der zweiten Reizdistanz Periode Doppelreizes| Schwankung Sek. Sek. Sek. 1 — 2,7267 — 3 0,178 2,903 3,081 3 0,073 2,970 3,043 4 0,062 3,105 3,167 5 0,057 3,199 3,256 6 0,057 3,281 3,338 HERE Fig. 5. Die Originalkurven sind zweimal grösser und beginnen mit dem ersten Aktionsstrom, von dem hier nur die Zacke 7 zu sehen ist. Jede der sechs Auf- nahmen weist von oben nach unten auf: Zeitmarken (0,04 Sek.), Reizsignal 7, Reizsjgnal 2, Kontraktionskurve, Aktionsstrom. Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd. 147. 19 26000 2% A. Samojloff: Die Zacke R verliert ihre schlanke Gestalt, sie wird gedehnt. Dieses Verhalten ist sehr schön in der angeführten Fig. 5, namentlich beim Vergleich der R-Zacken in 2 und 3 gegenüber 6, zu sehen (in 5 war während der Rotation der Trommel durch ein Ver- sehen die Nebenschliessung des Galvanometers nicht ge- öffnet, weshalb der Doppel- reiz wiederholt und noch einmal auf demselben Papier- streifenaufgenommen wurde). Entsprechend der gedehnten Form ist die Kuppe der R-Zacke in 2 abgerundet; meistens beobachtet man manche Unebenheiten im Verlaufe der verspäteten zweiten Kurve. Diese Veränderung der Form der zweiten Schwan- kung ist gut an der Hand der Fig. 6, die überhaupt einige Hauptmomente der ganzen Erscheinung der Aktionsströme bei Doppel- reizen des Herzens gut illu- striert, zu sehen. Bei der ersten (7, Fig. 6) Rotation der Trommel wird nur der Kontakt des zweiten Reizes geöffnet; man erhält also ein Ventrikelelektrogramm bei der alleinigen Wirkung des zweiten Reizes, das die gewöhnliche Form des zwei- phasigen Stromes mit den R- und T-Zacken aufweist. Die Latenz ist auf Grund des Reiz- markierers sowie der Stromschleifenzacke abzulesen; sie beträgt 0,032 Sek. Die zweite (2, Fig. 6) Umdrehung öffnet beide Kon- takte, wobei die Reizdistanz (2,08 Sek.) so gewählt ist, dass der Es bedeuten in allen drei Kurvenreihen von oben Zeitkurve (0,04 Sek.), Reizsignal, Aktionsstrom, Kontraktionskurve. zweimal grösser. Fig. 6. Die Originalkurven sind nach unten: Über die Latenz der elektr. Reaktion des Froschherzmuskels etc. 267 zweite Reiz den Herzmuskel im Momente trifft, wo die T-Zacke ge- schrieben wird. Die elektrische Reaktion erscheint verspätet im Vergleich mit der Kurve bei alleiniger Wirkung des zweiten Reizes; die Latenz der zweiten Schwankung beträgt jetzt 0,054 Sek. Es ist bemerkenswert, dass die mitregistrierten mechanischen Kurven der Herztätigkeit keine Verspätung erkennen lassen, ja im Gegenteil würde man auf Grund der Kontraktionskurve eher eine Verfrühung als eine Verspätung annehmen dürfen; es ist an diesem Beispiele gut zu ersehen, dass die betreffende Frage über die Latenz bei Doppelreizen auf Grund der Herzkontraktionskurven nicht aufgeklärt werden kann. Die Dauer der elektrischen Aktion in 2, Fig. 6, ist etwa zweimal kürzer wie in 7. Bei der dritten Umdrehung 3, Fig. 6, war die Reizdistanz um 0,048 Sek. kürzer genommen, und der zweite Reiz blieb unbeantwortet. Die Form der zweiten Stromkurve beim wirksamen Doppelreiz in 2, Fig. 6, ist ganz bedeutend verändert. Es sei darauf auf- merksam gemacht, dass die Formänderung sich hier auf eine Stromkurve bezieht, die durchaus nicht extrem verspätet beginnt; man kann deshalb sagen, dass in der Tat die Verspätung und die Formänderung der Aktionsstromkurven zwei verschiedene, aber in ihrer Bedeutung auf gleicher Stufe stehende Seiten einer und der- selben Erscheinung, nämlich der veränderten Reaktion des Herzens nach kurzem Reizintervall, darstellen; einmal tritt die eine, ein anderes Mal die andere Seite mehr in Szene. Was die Form der AR-Zacke der zweiten Schwankung in 2, Fig. 6, anbetrifft, so ist sie abnorm gedehnt. Entsprechend der Dehnung ist die Kuppe der AR-Zacke abgerundet; am absteigenden Teil sieht man eine Unebenheit. Die Höhen der Zacken R und 7 sind ver- kleinert im Vergleich zur Höhe derselben beim ersten Reiz in 2 und 3 und dem zweiten in 1 der Fig. 6. Was diese Veränderung der Form bedeutet und wie dieselbe zustande kommt, ist schwer zu sagen. Die Ursache der gedehnten Form könnte man sich vielleicht in folgender Weise erklären: Der zweite Reiz, der nach der möglichst kurzen Zeitdistanz nach dem ersten durch das Herz geschickt wird, findet noch nicht sämtliche Muskelfasern reaktionsfähig: die einen reagieren schon, die anderen sind noch refraktär, aber im nächsten Moment sind sie ebenfalls für den Reiz empfänglich usw. Die Kurve des Aktionsstromes würde nicht den normalen Gang des Erregungsablaufes, sondern vielmehr 119) 268 A. Samojloff: des Erregungsaufwachens darstellen. Was anderseits die Verspätung selbst anbetrifft, so lässt sich auch nicht ohne weiteres die Möglich- keit negieren, dass die gedehnte Form und namentlich der ge- dehnte Beginn der zweiten Sehwankung die Verspätung, wenn nicht ganz, so doch zum grossen Teil vortäuschen kann, wie ich es an einer anderen Stelle bezüglich des quergestreiften Muskels dargetan habe). Es sei hier noch darauf hingewiesen, dass in sämtlichen Publi- kationen über Elektrokardiogramme, in welchen man Aktionsstrom- kurven von Extrasystolen findet, sei es in pathologischen Fällen von Menschen oder sei es von Säugetieren bei Experimenten, meistens die Zacke R in einer Weise verunstaltet sich erweist, die sehr an die eben mitgeteilte Veränderung der AR-Zacke der zweiten Schwankung bei Doppelreizen erinnert. Wenn nun zum Schluss jemand die Frage vorlegen würde, ob man die beschriebenen Versuche als eine Bestätigung der Behauptung von K. Lucas über das verspätete Auftreten des zweiten elektrischen Effektes bei Doppelreizen mit kurzem Reizintervall betrachten kann, so hätte man meiner Meinung nach foleendermaassen antworten dürfen: Unzweifelhaft ist die Behauptung von Lucas richtig, wenn auch nicht im ganzen Umfange. Zweifelhaft scheinen mir dagegen die Gründe, die diesen Autor zur richtigen Behauptung führten. Jetzt noch mehr wie früher scheint es mir wahrscheinlich, dass die inden Lucas’schen Figuren (12 und 13 der zitierten Abhandlung) auftretende Verspätung, die das Zehnfache der normalen Latenz be- trägt (eine Verspätung, die ich in einem so grossen Betrage nicht beobachtete), durch Mitreizen des Vorhofs und Überleiten des Reizes erklärt werden kann, denn: 1. fällt der diese ausserordentliche Ver- spätung bewirkende Reiz gar nicht früh genug, er trifft vielmehr das Herz ganz nach Beendigung der Schwankung, weshalb die Verspätung vom Standpunkte meiner Versuche ganz unmotiviert erscheint, und 2. besitzt die so ungewöhnlich stark verspätete zweite elektrische Aktion in der Figur von Lucas eine der ersten Schwankung durch- aus ähnliche Form, was wiederum meinen Erfahrungen über die Ent- stellung der verspäteten Stromsehwankungen widerspricht. 1) A. Samojloff, Über die Verspätung des zweiten Aktionsstromes usw. Arch. f. d. ges. Physiol. Bd. 143 S. 453. 1912. Über die Latenz der elektr. Reaktion des Froschherzmuskels etc. 269 Der Inhalt der vorliegenden Untersuchung kann kurz in folgen- den Worten resumiert werden: 1. Die elektrische Latenz hängt wesentlich von der Reizstärke ab; bei starkem Reiz ist sie kürzer, bei einem schwachen länger. 2. Bei stärkeren Reizen hängt die Latenz von der Phase der Herztätiekeit, auf die der zweite Reiz des Doppelreizes fällt, ab. Wenn der Reiz ganz nach Ablauf der Schwankung den Ventrikel trifft, so ist es kaum möglich, eine Änderung der Latenz zu ver- zeichnen; trifft dagegen der Reiz früher ein, etwa am Gipfel oder auch im zweiten Teil der 7-Zacke, so wird die Latenz grösser, wo- bei dem früher eintreffenden Reize eine grössere Dauer der latenten Periode entspricht. Der grösste beobachtete Wert der Verspätung betrug etwa das Fünffache der Anfangslatenz. 3. Die bei kurzem Reizintervall stark verspätete Herzaktion resultiert einen Aktionsstrom, dessen Form stark verändert erscheint; der Verlauf der elektrischen Kurve, namentlich der der A-Zacke, wird bei geringerer Höhe gedehnt und unregelmässig. Als die obige Untersuchung abgeschlossen war, erschien die Ab- handlung von W. Trendelenburg „Über die zeitliche Beziehung der Refraktärphase des Herzens zu seinem Aktionsstrom“ (Dieses Arch. Bd. 144, 3, 39), in welcher wir folgende Stelle, die unser Thema berührt, finden: „Fraglich erscheinen mir weiterhin Werte, die Lucas für das Froschherz angibt. Wurden zwei Reize an- gewendet, so war die Latenz des elektrischen Vorganges bei dem zweiten beträchtlich länger wie bei dem ersten; z. B. in einem ab- gebildeten Falle (Fig. 13 der Abhandlung von Lucas) etwa 0,4 gegen 0,02 Sek. (ungefähre Schätzung nach der Figur). Obwohl ich mich in meinen Versuchen mit dem zweiten Reiz stets an der Zeit- grenze der Erfolgsmöglichkeit hielt, habe ich doch derart lange Latenzen nie beobachtet. Allerdings ist die Latenz bei möglichst frühzeitig einfallendem zweiten Reiz häufig verlängert, wie z. B. Fig. 2 zeigt, in welcher sie etwa 0,2 Sek. gegen 0,1 Sek. beim ersten Reiz beträgt. Dies ist aber auch der grösste von mir beobachtete Wert.“ Also auch für W. Trendelenburg waren die Angaben von K. Lucas fraglich, wie für mich. Wenn man die Doppelreizungen so vornimmt, wie es bei Lucas der Fall ist, d.h. wenn der zweite Reiz ganz nach Ablauf der ersten Schwankung einsetzt, so lassen 2370 A. Samojloff: Über die Latenz der elektr. Reaktion etc. sich keine derartigen Verspätungen beobachten, wie die von Lucas behaupteten; darin bin ich mit W. Trendelenburg einverstanden. Dass anderseits Trendelenburg Latenzen von grösserer Dauer nicht fand, ist einfach daraus zu erklären, dass er absichtlich mit sehr schwachen Reizen arbeitete und also nicht früh genug den zweiten Reiz mit Erfolg einwirken lassen konnte, während wir eben, um möglichst kurz die Zeitdistanz der wirksamen Reize nehmen zu können, absichtlich von stärkeren Reizen Gebrauch machten. (Aus dem physiologischen Institut der k. k. Universität in Wien.) Mund- und Nasenatmung in ihrem Einfluss auf die Thoraxbewegung. Von Dr. Ludwig Hofbauer. (Mit 1 Textfigur.) Durch vielfältige klinische Erfahrungen ist seit längerer Zeit fest- gestellt worden, dass bei dauernder Verlegung der Nasenwege eine Verminderung des Luftgehaltes der Lungenspitzen auftritt, die „Kroenig’sche Atelektase“. Die Ursache dieser nicht unwichtigen Veränderungen wurde darin gesucht, dass infolge behinderter Nasen- atmung Staubinhalation der Lunge Platz greife. „Die Luft gelange - mangelhaft filtriert, beladen mit in ihr suspendierten korpuskulären Elementen (vor allem Staub), in Pharynx, Larynx, Trachea und Bronchien und ruft hier chronische Reizzustände hervor... ..... Von den grossen Bronchien greift der Katarrh auf die kleineren, von da auf die Alveolen über. Dann kommt es zur Hyperplasie des inter- stitiellen Lungengewebes, das sich allmählich zu festem Narbengewebe verdichtet (bindegewebige Induration).“ !) Gegen die Richtiekeit dieser Auffassung spricht der immer wieder erhobene Befund, dass der Luftmangel der Lungenspitze beim Mundatmer sich nach wenigen langsamen und absichtlich vertieften Atemzügen nicht mehr nachweisen lässt und für eine Zeitlang ver- schwunden bleibt. Dieser so oft schon immer mit demselben End- resultat wiederholte Versuch beweisst, dass es sich bei der Ent- stehung des Luftmangels der Lungenspitze nicht um eine wirkliche Gewebsveränderung handeln könne. Vielmehr wurde dadurch der Gedanke nahegelegt, ob nicht an der Luftverarmung der Lungen- 1) Blümel, Über Collapsinduration der rechten Lungenspitze. Münchener med. Wochenschr. 1908. 22 Ludwig Hofbauer: spitzen bei Mundatmung eine Veränderung des Atemmechanismus schuld trage. Da die Luftverarmung bei Mundatmung sich auf die obersten Lungenpartien beschränkt, war es nötig, behufs Feststellung allfälliger Veränderungen des Atemmechanismus gesondert die Bewegungen der oberen und der unteren Brustkastenabschnitte aufzunehmen. Dies schien vorerst am leichtesten möglich durch Schreibung der Brustkastenbewegungen mittelst Gutzmann’scher Schläuche. Meine - Versuche ergaben aber nach kurzer Zeit eine Insuffizienz dieser Apparate für die Entscheidung der vorliegenden Frage, indem bei anderweitigen Bewegungen der Versuchsperson eine Änderung der geschriebenen Kurven resultierte.e Daher wurde in den weiteren Versuchen die Aufnahme der respiratorischen Brustkastenbewegung mittelst Marey’scher Pneumokardiographen besorgt. Die Aus- schläge wurden auf der langsam rotierenden berussten Kymographien- trommel verzeichnet, die Versuchsperson über Zweck der Unter- suchung und der Aufzeichnung ihrer Atembewegungen im unklaren belassen, um jedweden Einfluss soleher Kenntnis nach Möglichkeit auszuschliessen. Aus demselben Grunde wurde die Kymographien- trommel so aufgestellt, dass die Versuchsperson die Kurven nicht sehen konnte. Entsprechend der eigentümlichen Formation der obersten Brust- abschnitte musste die Befestigung des die Bewegungen dieser Partien aufnehmenden Marey’schen Instrumentes von der Regel etwas abweichend bewerkstelligt werden. Um nämlich eine Verschiebung während des Versuches unmöglich zu machen und die kleinen Bewegungsausschläge dieser Brustkastenpartie genügend sicher ver- zeichnen zu können, ist es nötig, nicht bloss, wie dies sonst der Fall ist, durch eine zirkuläre Tour um den Körper den Apparat zu befestigen, sondern überdies wenigstens an einer Seite eine Schlinge unter der Schulter von der vorderen zur rückwärtigen Schleife des Bandes gehen zu lassen. Ein zweiter Pneumokardiograph war in vorgeschriebener Weise näherungsweise in der Höhe des grössten Thoraxumfanges angebracht. Mittels dieser Technik liessen sich nun folgende Resultate kon- stant erzielen: Bei einem gesunden, an Nasenatmung gewohnten Menschen waren die Ausschläge bei ruhiger Atmung vom obersten Brustkasten- absehnitte etwas weniger stark als die vom unteren. Dieses Resultat Mund- und Nasenatmung in ihrem Einfluss auf die Thoraxbewegung. 273 wird durch Öffnen des Mundes respektive Mundatmung nur sehr unwesentlich verändert. Wenn es sich hingegen um Menschen handelt, welche Erschwerungen der Luftpassage durch die Nase aufweisen, so macht sich beim Öffnen des Mundes eine wesent- liche Verkleinerung der respiratorischen Bewegungen ja fast völliger Stillstand der oberen Thoraxabschnitte geltend. Dieses Resultat tritt fast konstant selbst dann ein, wenn es sich hierbei nicht um ständige Mundatmer handelt. Viel auffallender ist der Unterschied der Atembewegungen der oberen Brustabschnitte, je nachdem, ob durch den Mund oder durch die Nase geatmet wird bei ausgesprochenen Mundatmern. Veranlasst man solche Individuen, welche den Mund zur Atmung stetig benutzen, denselben zu schliessen, nachdem man vorher eine Zeitlang, ohne Einfluss auf ihre Atmung zu nehmen, die Bewegungesgrösse der Brustwandungen graphisch aufgenommen hatte, so tritt sofort eine Vergrösserung der Brustkastenbewegungen in den oberen Abschnitten auf. Die durch den oberen Pneumokardiographen aufgenommene Kurve zeigt alsbald eine Vergrösserung der Ausschläge, welche noch bis zu einer gewissen Zeit eine Tendenz zur Vergrösserung aufweisst, bis dann die Individuen den Mund zur Atmung heranziehen. Ausdrücklich erwähnt sei hierbei, dass es sich nicht um weit- geöffneten Mund handelt, sondern lediglich um eine spaltförmige Lippenöffnung. Diese stärkere Beteiligung der oberen Brustkastenabschnitte bei geschlossenem Mund ist wohl so zu erklären, dass der Mundatmer gezwungen wird, die Luft durch die verengten Nasenöffnungen bei verstärkter Atmung einzuziehen. Nun ist es ja bekannt, dass bei ver- tiefter Atmung die oberen Brustkastenabschnitte viel mehr als die unteren zu dieser Mehrleistung herangezogen werden. Diese konstanten Versuchsergebnisse bahnen zunächst das Ver- ständnis für eine den Kinderärzten lange bekannte Tatsache an. Kinder, welche infolge adenoider Vegetationen im Nasenrachenraum mit geöffnetem Munde atmen, lassen eine mangelhafte Ausbildung des oberen Brustkastens erkennen. Diese Tatsache ist wohl so zu erklären, dass infolge der Mundatmung die oberen Brustkasten- abschnitte zu wenig zur Atmung herangezogen werden, der normale Wachstumsreiz daher auch für die knöchernen Bestandteile dieser Brustkastenpartien vermindert ist. 274 Ludwig Hofbauer: Mund- und Nasenatmung etc. Ebenso wird die Luftarmut der Lungenspitzen beim Mundatmer sowie das Verschwinden des Symptoms bei Einleitung vertiefter Atmung leicht verständlich. Die oberen Brustkastenabschnitte be- wegen sich bei ihm für gewöhnlich nahezu gar nicht (s. Fig.), und so schwindet in den respiratorisch untätigen Lungenteilen der Luft- gehalt, wie man auf Grund vielfacher älterer Versuche weiss. So Fig. 1. Pneumographische Aufnahme der Atembewegungen, a der oberen, b der unteren Thoraxabschnitte beim Mundatmer (cand. med. Goldh.). Aufänglich un- beeinflusste Atmung, dann („zu“) bei geschlossenem Munde. vw Inspiration, + Exspiration. wird z. B. die Lunge des Kaninchens bei Verstopfung eines Bronchus nach kurzer Zeit fleischartig und luftleer (Liehtheim, Arch. f. alle. Pathol. u. Pharmakol. Bd. 10). In vollkommener Überein- stimmung mit diesen Versuchsresultaten wird die beim Mundatmer zur Respiration nahezu nicht verwendete Lungenspitze luftleer. Weil aber keine organische Veränderung des Gewebes daselbst Platz gegriffen hat, wird sie schon nach wenigen tiefen Atemzügen wieder lufthaltig wie in der Norm. 275 Über den Synergismus von Arzneien. Von Emil Bürgi in Bern. B. v. Issekutz hat in dieser Zeitschrift!) zwei Arbeiten über den Synergismus von Giften veröffentlicht, mit denen er meine über die pharmakologische Bedeutung der Arzneigemische aufgestellten Regeln widerlegt zu haben glaubt. In Wirklichkeit bestätigen seine interessanten Resultate meine Anschauungen zum Teil, und nirgends stehen sie zu ihnen in einem unauflösbaren Widerspruche. B. v. Issekutz hat meine Auffassungen offenbar missverstanden, und ich könnte zu meiner Verteidigung in den meisten Punkten einfach auf meine soeben in der „Zeitschrift für allgemeine Physio- logie“ erschienene Abhandlung über den gleichen Gegenstand hin- weisen, ziehe es aber. doch vor, seine Behauptungen direkt zu. widerlegen. ‚Meine zahlreichen Untersuchungen auf dem Gebiete der Ärznei- kombinationen liessen eine Hauptregel erkennen, die ich in der von v. Issekutz erwähnten Publikation ?) in folgende Worte fasste: „Eine Mehrheit von im grossen und ganzen gleich- artig wirkenden Arzneien löst im tierischen Organis- mus nur dann einen ungewöhnlich hohen, über dem Additionsergebnis der Einzeleffekte liegenden Ge- samteffekt aus, wenn die einzelnen Glieder der Medikamentmischung unter sich verschiedene pharmako- logische Angriffspunkte haben; Arzneien mit gleichem Angriffspunkt zeigen bei gleichzeitiger Einfuhr in den Tierleib eine glatte Addition ihrer Einzel- wirkungen.“ 1) Über den Synergismus der Opiumalkaloide. Diese Zeitschr. Bd. 145 S. 415. — Über den Synergismus der Lokalanästhetika. Diese Zeitschr. Bd. 145 S. 448. 2) Zeitschr. f. exper. Pathol. u. 'Therapie Bd. 8 S. 523. 976 Emil Bürgi: Dieses Gesetz, das den von mir gefundenen Tatsachen ent- sprach, wurde schon damals und auch früher zum Teil in etwas anderen Wendungen wiedergegeben und in meiner letzten Publi- kation!) in folgende Fassung gebracht: Bei Kombination zweier Medikamente aus der- selben Hauptgruppe entsteht immer dann eine Poten- zierung derWirkung, wenn die zwei Mittel verschiedenen Untergruppen angehören. Sind sie Glieder der gleichen Untergruppe, so tritt nur eine Addition der Einzel- effekte ein. Diese Regel ist mit ganz ähnlichen Worten auch in das be- kannte Lehrbuch von Meyer und Gottlieb II. Auflage auf- genommen worden. v. Issekutz bemerkt nun in seiner ersten Arbeit („Über den Synergismus der Opiumalkaloide“) zunächst, dass meine Lehre u. a. durch die Versuche von V. Zeelen?) gestützt würde, in denen ich nachgewiesen habe, „dass die Öpiumalkaloide ihre narkotische Wirkung bei an Kaninchen angestellten Versuchen ‚gegenseitig nicht verstärken“. Er kam nun aber bei Experimenten an Fröschen zu anderen Resultaten, die er in folgende Worte zusammenfasst: l. Die Wirkung jener Opiumalkaloide, deren chemische Zu- sammensetzung verschiedenartig ist (Morphin, Narkotin, Papaverin), addiert sich nicht bloss, sondern potenziert sich entschieden (20—50 /o). 2. Die Opiumalkaloide, deren chemische Zusammensetzung — Toxophore — gleichartig ist (Morphin, Kodein, Dionin, Heroin, Thebain) potenzieren ihre Wirkung gegenseitig nicht. 3. Jene Lehre Bürgi’s, dass die in ein und dieselbe pharmako- logische Gruppe gehörenden Arzneien ihre Wirkung gegenseitig nicht potenzieren, konnte hinsichtlich der Opiumalkaloide nicht nach- gewiesen werden. Ich möchte nun fragen: Kann man eine bessere Be- stätigung meiner oben angeführten Regel wünschen, als sie v. Issekutz in diesen drei Schlusssätzen seiner Arbeit geliefert hat? Die Differenz seiner Resultate mit denen V. Zeelen’serklärt sich aus der Verschiedenartigkeit des verwendeten Tiermaterials hinreichend. Kaninchen sind für die Nebenalkaloide 1) Bürgi, Anschauungen über die Wirkung der Arzneigemische. Zeitschr. f. allgem. Physiol. Bd. 14 8. 39. 2) Zeitschr. f. exper. Pathol. u. Therapie Bd. 3 S. 586. Über den Synergismus der Arzneien. 377 des Opiums wenig empfindlich, für Narkotin z. B. gar nicht. Wir gedachten unsere Versuche über Opiumalkaloidkombinationen später an anderen Tieren fortzusetzen, kamen aber vorläufig nicht dazu. Inzwischen ist uns ausser v. Issekutz auch noch W. Straub!) zuvorgekommen. Auch er findet bei Versuchen an der Katze, dass die narkotische Morphin- durch die Narkotinwirkung potenziert wird. Straub bemerkt ausdrücklich, dass er die Richtigkeit der von Zeelen am Kaninchen gefundenen Resultate damit durchaus nicht bezweifeln will. Ich möchte von den Ergebnissen Straub’s und v. Issekutz dasselbe sagen, finde aber in ihnen keine Wider- legung, sondern im Gegenteil eine wertvolle Bestätigung meiner Grundanschauungen, namentlich wenn man von der Schlussdarstellung v. Issekutz’s ausgeht, die eine förmliche Repetierung der von mir aufgestellten Regel darstellt. Denn nach seinen Resultaten potenzieren sich die ungleichartigen Glieder der Opiumalkaloidreihe, während sich die gleichartigen addieren. Beifügen möchte ich hier nur noch, dass meinen Anschauungen nach die verschiedenen Angriffspunkte sehr wohl in ein und derselben Zelle liegen können. Auch hierin bin ich von v. Issekutz falsch verstanden worden. B. v. Issekutz hat ausserdem den Synergismus der Lokalanästhetika untersucht. Die Experimente wurden eben- falls an Fröschen vorgenommen. Er kombinierte: 1. Antipyrin mit Kokain, 2. Antipyrin mit Eukain B, . Antipyrin mit Novokain, . Eukain B mit Novokain, . Kokain mit Eukain B, 6. Kokain mit Novokain. Bei den Kombinationen 1—4 traten Potenzierung ein, bei den Kombinationen 5—6 nur Additionen. v. Issekutz schliesst daraus: „Die Lokalanästhetika steigern demnach in manchen Kon- binationen einander (!) die Wirkung, und so kann Bürgi’s Lehre, dass sich die Wirkung der in eine pharmakologische Gruppe ge- hörenden Heilmittel nur addiere, aber nicht steigere, nicht bestehen.“ Ich will die in meiner letzten Abhandlung erwähnte und zum Teil beantwortete Frage, ob die Verhältnisse bei Kombinationen von oe w 1) Biochem. Zeitschr. Bd. 41 S. 419. 278 Emil Bürgi: Über den Synergismus der Arzneien. Substanzen, die vor ihrer Aufnahme in den allgemeinen Kreislauf wirken, nicht prinzipiell anders liegen als bei den anderen Arznei- gemischen, hier nicht besprechen. | | Ich will auch nur nebenbei bemerken, dass v. Issekutz die Arbeiten der Schule Krawkow’s über die Lokalanästhetika- kombinationen nicht zu kennen scheint, und dass meine eigenen Untersuchungen über diese Gemische, die ich leider aus Mangel an Zeit bis dahin nicht veröffentlichen konnte, obwohl sie schon seit mehr als einem Jahre beendet sind, in ihren Resultaten nicht ganz mit den von v. Issekutz erhaltenen übereinstimmen. Wie aber v. Issekutz dazu kommt, meine Auffassungen durch seine Resultate als widerlegt zu erklären, ist mir unverständlich. Die Lokalanästhetika bilden doch wahrhaftig eine grosse Hauptgruppe mit verschiedenen Untergruppen. Inwiefern diese Untergruppen verschiedene pharmako- logische Angriffspunkte haben, ist unbekannt. Sicher aberiist, dass v. Issekutz mit derKombination der chemisch am meisten verschiedenen Lokalanästhetika die deut- lichsten Potenzierungen erhalten hat. Ebenso ergab die Kombination der einander am nächsten stehenden Substanzen Eukain B und Kokain eine glatte Addition der Einzelwirkungen. Eine Ausnahme machen die Kom- binationen Novokain — Eukain B, resp. Novokain —, Kokain, a. h. eigentlich nur die erstere, da v. Issekutz die grundsätzliche Analogie des Novokains und des Kokains (bzw. Eukains) behauptet, freilich nicht überzeugend. Eukain B plus Novokain sollten also keine Potenzierung ergeben. Dieser einzigen Ausnahme, die nach den Ausführungen von v. Issekutz vorhanden sein könnte, kommt ohnehin keine wesentliche Bedeutung zu, da ich niemals bestritten habe, dass ausser den von mir gefundenen Momenten (Verschieden- heit und Nacheinander der Wirkungen) noch andere Gründe für die Potenzierung durch Kombination vorhanden sein können. Da man aber bei den insensibilisierenden Arzneien gerade die pharmako- logische Verschiedenartiekeit der einzelnen Substanzen schwerer er- kennen kann als bei fast allen anderen Medikamentgruppen, hat der Schluss, den v. Issekutz aus seinem geringen Material ableitet, keine Berechtigung. Auch die Resultate seiner zweiten Arbeit sprechen eher für als gegen meine Auffassungen über die pharmako- logische Bedeutung der Arzneigemische. 279 Über die modifieirten Stannius’schen Versuche. am Säugethierherzen. (Gleichzeitig eine Erwiderung an H. Winterstein.) Von Prof. H. E. Hering (Prag). Winterstein!) glaubte es dem Andenken seines Lehrers Langendorff schuldig sein zu müssen, zu meiner letzten Mit- theilung”?) in diesem Archive Stellung zu nehmen. Ich finde das begreiflich, da Winterstein unter anderem meine Darstellung für eine „irreführende“ ansieht. Es thut mir leid, dass sie auf ihn einen so irreführenden Eindruck gemacht hat, und ich danke Winter- stein, mich auf seine Anschauung aufmerksam gemacht zu haben, denn mir ist es immer lieb, zu wissen, wie andere das auffassen, was ich schreibe. Wofür ich ihm aber durchaus nicht danken kann, das ist die Form, in der er es gethan hat. Der Stannius’sche Versuch hat zwei Seiten; ich will der Kürze wegen die eine — Supraseite, die andere — Infraseite nennen, je nachdem man bei diesem Versuche seine Aufmerksamkeit auf das Verhalten der oberhalb oder auf das der unterhalb der Ligatur gelegenen Herzabschnitte richtet. Aus der Publication von Stannius geht hervor, dass ihn die Infraseite interessirte, wenn er auch mitgetheilt hat, was auf der Supraseite vor sich geht. Auf die Bedeutung der Vorgänge an der Supraseite ist erst später von anderen aufmerksam gemacht worden, und zwar, so viel mir bekannt ist, von Bidder (1852) und Eckhard (18583). 1) Pflüger’s Arch. Bd. 146 S. 155. 2) Pflüger’s Arch. Bd. 145 S. 229. 380 H. E. Hering: Über die Erklärung der Vorgänge an beiden Seiten gingen die Anschauungen lange Zeit auseinander; besonders war die Infraseite Gegenstand der Meinungsdifferenzen, und zwar hinsichtlich der Deutung des Stillstandes der Herzabschnitte auf dieser Seite. Die einen meinten, sie stehen still, weil sie gehemmt sind, die anderen meinten, weil sie nicht angeregt werden. Darüber besteht eine sehr grosse Literatur. Mit der Erklärung der Vorgänge an beiden Seiten hat sich auch Langendorff beschäftigt, der noch im Jahre 1902 (S. 330 der Ergebnisse der Physiologie II. Abth.) in Bezug auf die Supraseite die Folgerung des Stannius’schen Versuches, „dass im Sinus der Angriffspunkt der inneren Herzreize gelesen sei“, für nicht be- rechtigt, und in Bezug auf die Infraseite es mit Heidenhain für wahrscheinlich hielt, „dass der Erfolg des ersten Stannius’schen Schnittes auf einer Reizung hemmender Apparate beruht.“ Mit Bezug auf das Warmblüterherz sagte dann Langen- dorff auf S. 331: „Am Warmblüterherzen gelingt es überhaupt nicht, etwas dem Verhalten des Froschherzen beim Stannius’schen Versuch Ähnliches nachzuweisen,“ und fügt dann weiter hinzu: „Am isolirten und künstlich gespeisten Katzenherzen kann man, wie. ich gefunden habe, nicht nur die beiden Hohlvenen, sondern sogar die Wand des rechten Vorhofes abtrennen, ohne die Herzthätigkeit zu beeinträchtigen.“ — Im Jahre 1903 habe ich!) Versuche am Hundeherzen mitgetheilt, aus denen hervorging, dass nach Durchschneidung der Vorhöfe, gleich- gültig, ob der letzte Schnitt die Vorhofscheidewand oder einen anderen Theil des Vorhofes getroffen hat, ein vorübergehender Kammerstillstand eintritt und dass letzterer nicht die Folge einer Hemmung, sondern die Folge des plötzlichen Ausfalles der Anregung zu sein scheint. Auf diese Mittheilung komme ich weiter unten zurück. Im Jahre 1905 erwähnt Langendorff?) diese Mittheilung und bespricht andere in ihr noch mitgetheilte Beobachtungen, wie auch den Inhalt einer Mittheilung?) von mir aus dem Jahre 1905, auf den ich auch noch zu sprechen komme. Am 23. Mai 1906 erschien dann eine Mittheilung von 1) Physiol. Centralbl. H.1, 11. April 1903. 2) Ergebnisse d. Physiol. II. Abth. 1905. 3) Pflüger’s Arch. Bd. 107 S. 108. Über die modificirten Stannius’schen Versuche am Säugethierherzen. 281 O. Langendorff und C. Lehmann!) unter dem Titel „Der Versuch von Stannius am Warmblüterherzen“. „Diese Mittheilung,“. sagte ich nun in meiner letzten Mittheilung, „brachte über diesen Versuch im Prineip nichts Neues; wenigstens war mir alles Wesentliche darüber schon am Säugethierherzen be- kannt.“ Da Winterstein dies allem Anschein nach mir nicht glaubt, sehe ich mich genötigt, hier etwas ausführlicher zu werden. Dass mir die in jener Mittheilung von Langendorff und Lehmann erwähnten Beobachtungen am Säugethierherzen bekannt waren, ist nicht nur eine Behauptung, sondern eine Thatsache, die aus den von mir veröffentlichten Mittheilungen für jeden Physiologen hervorgeht, der sich die Mühe nimmt, jene Mittheilungen durchzulesen. Im Gegensatz zu den negativen, oben erwähnten Versuchen von Langendorff am Katzenherzen, habe ich im Jahre 1903 in Be- stätigung des von Krehl und Romberg am blutdurchströmten - Kaninchenherzen beobachteten kurzen Ventrikelstillstands nicht nur den Ventrikelstillstand am künstlich durchströmten Hundeherzen nach Durchschneidung der Vorhöfe beschrieben, sondern ausserdem auf Grund zahlreicher Durchschneidungsversuche angegeben, dass es sleicheiltig ist, wo man in den Vorhöfen den letzten Schnitt macht, und habe schliesslich zu dem Streite über die Erklärung des Still- standes ausdrücklich Stellung genommen, indem ich sagte: „Darnach scheint der nach dem letzten Schnitte erfolgende vorübergehende Stillstand der Kammern nicht die Folge einer Hemmung, sondern die Folge des plötzlichen Ausfallens der Anregung zu sein ?).“ 1) Pflüger’s Arch. Bd. 112 S. 352. 1906. 2) Ich möchte nochmals betonen, dass sich meine letzte Abhandlung nur auf das Säugethierherz, nicht auf das Kaltblüterherz bezog. Ich betone das gerade an dieser Stelle wieder, weil ähnliche Durchschneidungsversuche, wie ich sie am Säugethierherzen gemacht habe, F. B. Hofmann (Pflüger’s Arch. Bd. 60) im Jahre 1895 am Froschherzen gemacht und auch analog (siehe S. 155) beurtheilt hat, . worauf er mich gelegentlich aufmerksam gemacht hat. Diese Versuche von Hofmann sind übrigens auch nicht unter dem Titel „Stannius’scher Versuch“, sondern unter dem Titel „Über die Function der Scheide- wandnerven des Froschherzens“ mitgetheilt wurden, daher sie auch wie meine, deren Beziehung zum Stannius’schen Versuch Hofmann natürlich so- fort erkannt hat, von verschiedenen Autoren, wie mir Hofmann mittheilte, über- sehen und nicht erwähnt worden sind. Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd. 147. 20 2382 H. E. Hering: Mit Bezug auf diese Mittheilung sagt nun Winterstein: ‚In der ganzen Mittheilung ist das Wort ‚Stannius’scher Versuch‘ nicht enthalten.“ Das ist richtig; unzutreffend ist es aber, wenn er sagt: „und auch mitkeinem Worte auf irgendwelche Beziehungen zu diesen hingedeutet“; denn was hätte es für einen Sinn gehabt und warum hätte ich gerade auf die strittige Alternative — Hemmung oder Ausfall der Anregung — Bezug genommen, wenn ich nicht den Streit über die Erklärung des Stillstandes vom Stannius’schen Versuch her gekannt hätte, ein Streit, der ausschliesslich an diesen Versuch am Herzen geknüpft ist? Kein Physiologe, der in der Herzphysiologie bewandert ist, kann dies anders auffassen. Dass ich aber in jener so kurzen Mittheilung den Ausdruck „Stannius’scher Versuch“ nicht gebraucht habe, hatte seinen guten Grund, denn es hätte mich in jener kurzen Mittheilung zu weit geführt, auseinanderzusetzen, wie ich es eben kürzlich — leider ohne von Seiten Winterstein’s diesbezüglich verstanden zu werden — gethan habe, dass man in der Analogie mit dem Froschherzversuch beim Säugethierherzen nieht so weit gehen darf, schlechtweg vom Stannius’schen Versuch am Säugethierherzen zu sprechen, wie es schon lange vor Langendorff zuerst Wooldridge gethan hat, den ich mit Tigerstedt sowie Krehl und Romberg schon damals erwähnt habe, woraus auch hervorgeht, dass mir die Arbeiten jener Autoren schon damals bekannt waren, und ich durchaus nicht be- anspruche, was sie schon beobachtet hatten. Auch in der Mittheilung vom Jahre 1905 habe ich den Ansdracl „Stannius’seher Versuch“ absichtlich nicht gebraucht, obwohl sich die ganze Mittheilung nur auf Versuche bezieht, die, wie oben er- wähnt, schon früher von anderen als Stannius’scher Versuch am Säugethierherzen angesehen wurden. In dieser Mittheilung habe ich die Extrasystolenmethode am Säugethierherzen verwendet, um den Ausgangspunkt der Automatie der mit den Vorhöfen oder Vorhof- resten in Verbindung stehenden Kammern festzustellen, worauf sich Langendorff in seiner Mittheilung auch bezieht. Auch den Temperatureinfluss auf die automatisch schlagenden Kammern habe ich beschrieben, darauf aufmerksam gemacht, dass „bei der gleichen Temperatur die Ursprungsreize in der Gegend der Herzwurzel rascher als im Ventrikel oder in den Verbindungsfasern sich entwiekeln“, und S. 123 hinzugefügt: „Diese letztere Thatsache Über die modifieirten Stannius’schen Versuche am Säugethierherzen. 283 erklärt die uns sozusagen selbstverständliche Erscheinung, dass der Ausgangspunkt der Normalcontraetion des Herzens die Herzwurzel und nicht die Ventrikel sind, mit anderen Worten, warum das Herz normalerweise nicht rückläufig schlägt.“ Welche Beobachtungen sollen mir also unbekannt gewesen sein von denen, die Langendorff und Lehmann unter einem Titel veröffentlicht haben, den ich absichtlich vermieden habe, ob- wohl mir die Beziehungen meiner Versuche zum Stannius’schen Versuch, wie aus meinen Mittheilungen hervorgeht, sehr wohl bekannt waren ? Winterstein meint nun weiter: „Die Durchtrennung des Herzens an der Vorhofkammergrenze ist offenbar ein ganz anderer Eingriff als die erste Stannius’sche Ligatur und wäre höchstens mit der zweiten Ligatur vergleichbar, die ja bekanntlich gerade die entgegengesetzte Wirkung ausübt.“ Da hat Winterstein über- sehen, dass letzteres für das Froschherz gilt, nicht für das Säugethierherz;: denn ob man die Vorhöfe des Säugethierherzens dort durchschneidet, wo sie Langendorff mit einem Schnitt, ich in zahlreichen Versuchen mit mehreren Schnitten durchtrennte, oder oberhalb der Atrioventrieulargrenze oder irgendwo zwischen diesen beiden Stellen, was ich alles oftmals gemacht habe, der Effekt ist mit Bezug auf die Infraseite derselbe, wenn nur, wie ich es in meiner Mittheilung ausführlich genug besprochen zu haben glaube, die übrigen jeweiligen Bedingungen zur heterotopen Reiz- bildung auf der Infraseite die gleichen sind. Daher kommt es ja auch, dass die Beobachtungen von Langen- dorff mit meinen früheren prineipiell übereinstimmen, was Winter- stein entgangen ist. Am Ende seiner Bemerkungen kommt Winterstein auch auf die Supraseite des Stannius’schen Versuches zu sprechen, ob- wohl ich diese Seite in meiner Mittheilung nur beiläufig erwähnt habe, da es lange bekannt ist, dass der Ausgangspunkt der Herz- bewegung in der Gegend der Einmündung der Venen in den Vorhof gelegen ist; nur die genauere Stelle ist erst seit 1907 bekannt ge- worden mit der Entdeckung des Keith-Flack’schen Knotens. Mit Bezug auf den sogenannten „Venensinus“, der, wie ich schon früher wiederholt und jetzt wieder Winterstein bemerkt, gesondert beim Säugethierherzen nicht vorkommt, meint nun 20 * 384 H. E. Hering: Winterstein: „Die Entdeckung von Langendorff und Leh- mann, dass diese Stelle sich nicht bloss dadurch wahrscheinlich ‚als Ursprungsort der normalen Herzreize und Ausgangspunkt der Herzbewegung beim Säugethierherzen‘ documentirt, dass, wie die von Langendorff und Adam ausgeführten Versuche dargethan hatten, von hier aus der Rhythmus der ganzen Herzthätigkeit be- einflusst werden kann, sondern auch dadurch, dass seine Entfernung einen vorübergehenden Herzstillstand herbeizuführen vermag, hat aber in Wahrheit eine ganz neue und bedeutungsvolle Thatsache zutage gefördert.“ Hier übersieht Winterstein, dass Langendorff und Leh- mann ausdrücklich sagen, dass die Untersuchungen von H. Adam!) nur den Ausgangspunkt für die folgenden Versuche bilden, die sich mit der Frage beschäftigen, „ob es möglich ist, durch Abtragung des dem Sinus venarum entsprechenden Abschnittes der Vorhofswand einen mehr oder minder andauernden Stillstand des übrigen Herzens zu verursachen“. Die Versuche beziehen sich also ausdrücklich auf die Infraseite; von der Supraseite des Versuches sprechen sie nur gelegentlich auf S. 355: „Vom abgeschnittenen Sinus konnte zuweilen festgestellt werden, dass er unmittelbar nach dem Schnitt weiter pulsirte“ ; sie ziehen aber aus ihren Versuchen nirgends etwa den Schluss, dass der „Venensinus als Ursprungsort der normalen Herzreize und Ausgangspunkt der Herzbewegung beim Säugethier- herzen“ anzusehen ist, und mit Recht, denn aus diesen Versuchen konnten sie diesen Schluss nicht ziehen, da sie viel mehr als das ab- schnitten, was sie als „Venensinus* bezeichneten ’?). Endlich hat Winterstein übersehen, das H. Adam selbst auf S. 609 in der Anmerkung sehr richtig angegeben hat, dass er seine Versuche mittheilt, „obwohl sie im wesentlichen nur das von Me. William erhaltene Ergebniss für das ausgeschnittene, künstlich gespeiste Herz bestätigen.“ Es hat also ebensowenig wie die Mittheilung von Langen- dorff und Lehmann die von H. Adam, wie Winterstein meint, „in Wahrheit eine ganz neue und bedeutungsvolle Thatsache 1) Pflüger’s Arch. Bd. 111. 1906. 2) Dass Langendorff sich in dieser Mittheilung auch nicht über das Zustandekommen des Stillstandes äussert, habe ich schon letzthin hervorgehoben. Über die modifieirten Stannius’schen Versuche am Säugethierherzen. 285 zutage gefördert“, sondern beide Mittheilungen haben in verdienst- voller Weise mit modifieirten Methoden im wesentlichen schon be- kannte Beobachtungen bestätigt und gefestigt. Sehon seit 1904 habe ich wiederholt im Gegensatz zu Anderen darauf hingewiesen, dass dem Warmblüterherzen der Sinus!) der Kaltblüter fehlt, und Winterstein hat, wie schon erwähnt, eben- falls bemerkt, „dass das Säugethierherz einen gesonderten Venen- sinus überhaupt nicht besitzt“. Ferner hat er den Stannius’schen Versuch, wie ihn Stannius 1851 zuerst mitgetheilt hat, mit Recht als einen „wohlumschriebenen experimentellen Eingriff“ bezeichnet, der nach Stannius daraus besteht, dass man genau diejenige Stelle unterbindet, „wo der Hohlvenensinus in den rechten Vorhof mündet‘. Daraus ergiebt sich klar, dass, da das Säugethierherz keinen ge-. sonderten Venensinus besitzt, man auch jenen wohlumschriebenen Eingriff beim Säugethierherzen nicht machen kann, genau diejenige Stelle zu unterbinden, wo der Hohlvenensinus in den rechten Vorhof mündet. Daher habe ich ja auch schon den Titel meiner Arbeit folgender- maassen stilisirt: „Über den Stannius’schen Versuch und seine Modifieationen am Herzen der Säugethiere und des Menscher.“ Wie die Erfahrung lehrt, hätte ich aber meinen Titel noch ausführlicher machen und sagen sollen: „Über den Stannius’schen Versuch am Froschherzen und seine Modificationen am Herzen der Säugethiere und des Menschen,“ d. h. es giebt nach meiner Meinung am Säuge- thierherzen keinen Stannius’schen Versuch, sondern alles, was man als solchen bezeichnet hat, sind nur Modificationen dieses am Frosehherzen gemachten Versuches. Wohl aber ist das Ergebniss des Stannius’schen Versuches am Froschherzen und das Ergebniss der Modifiecationen des 1) Es ist daher auch nicht zweckmässig, den Keith-Flack’schen Knoten als „Sinusknoten“ zu bezeichnen, wenngleich das iınmerhin noch eher angeht, da er wenigstens als ein Theil jenes Herzabschnittes angesehen werden kann, der beim Kaltblüterherz als Sinus thatsächlich abgegrenzt ist. Abgesehen davon, dass äusserlich dieser „Sinusknoten“ nicht abgegrenzt ist, ist das auch histologisch insofern nicht der Fall, als seine Fasern allmählich in die Vorhoffasern über- gehen. 386 H. E. Hering: Stannius’schen Versuches am Säugethierherzen prineipiell gleichartig. Daher habe ich gesagt: „Der Stannius’sche Ver- such ist nur ein Speeialfall des hier zum ersten Male inZusammenhang dargestellten Verhaltens des Herzens, wenn es dem Einflusse der nomotopen Ursprungsreize entzogen wird,“ und des weiteren S. 247 ausdrücklich bemerkt: „Nur um die Continuität zu wahren und die Aufmerksamkeit be- sonders darauf zu lenken, dass jener Versuch nur einen Specialfall darstellt, habe ich diesen Versuch auch im Titel der Mittheilung zum Ausdruck gebracht, welch letzterer ebensogut lauten könnte: „Über das Verhalten des Säugethierherzens, wenn es dem Einfluss der nomotopen Ursprungsreize vorüber- sehend oder dauernd entzogen wird.“ Ich sollte meinen, dass ich damit auch hinreichend klar zum Ausdruck gebracht hätte, warum ich meiner Mittheilung jenen Titel gab. Es ist doch immer wünschenswert, dass man an das Vorausgegangene anknüpft; daher habe ich mich, um besser verstanden zu werden, auf den bekannten Speeialfall, den Stannius’schen Versuch am Froschherzen, bezogen. Leider habe ich diesen Zweck, besser verstanden zu werden, wenigstens bei Winterstein nicht erreicht, was allem Anschein nach darauf beruht, dass ich immer noch nicht ausführlich genug gewesen bin. An dem Inhalt meiner Mittheilung hat sich allerdings dadurch nichts geändert, dass ich jetzt versucht habe, seinen Sinn noch aus- führlicher auseinanderzusetzen. Zum Schlusse möchte ich bemerken, dass Winterstein in meiner zweifellos richtigen Bemerkung, dass Langendorff die oben erwähnten Versuche am Hundeherzen übersehen und nicht er- wähnt hat, implieite einen Vorwurf gegen Langendorff erblickt. Da möchte ich nun Winterstein beruhigen und ihm sagen, dass ich mit meiner Bemerkung Langendorff keinen Vorwurf machen wollte, sonst hätte ich dies schon ausdrücklich gesagt, sondern nur beabsichtigte, darauf aufmerksam zu machen, was ich schon 1903 vor Langendorff gemacht hatte. Es ist doch eine Frage für sich, warum Langendorff jene Versuche nicht erwähnt hat; er hat wahrscheinlich 1906 vergessen gehabt, dass er sie gelesen hatte, wie aus seinem Essay vom Jahre 1905 hervorgeht, wo die Mittheilung nicht nur angeführt, sondern, wie schon erwähnt, auch theilweise Über die modificirten Stannius’schen Versuche am Säugethierherzen. 287 besprochen ist. Ich kannte Langendorff sehr gut, habe ihn sehr geschätzt und deshalb auch wiederholt in Rostock besucht und bin weit entfernt, ihm daraus einen Vorwurf zu machen. ‚Die Be- merkungen von Winterstein enthalten aber Vorwürfe, die ich, offen gestanden, durchaus nicht erwartet hätte, die ich ihm aber in Anerkennung seines Eintretens als Schüler für seinen gewesenen Lehrer zu gute halten will. 388 B. P. Babkin und Hidetsurumaru Ishikawa: (Aus der physiol. Abteilung des Instituts für exper. Medizin zu St. Petersburg.) : Zur Frage über den Mechanismus der Wirkung des Fettes als sekretorischen Erregers der Bauchspeicheldrüse. Von B.P. Babkin und Hidetsurumaru Ishikawa (Japan). I. Einleitung. Unter den sekretorischen Erregern der Bauchspeicheldrüse nimmt, was die Kompliziertheit seiner Wirkung anbetrifft, das Fett eine Sonderstellung ein. Wenn sich hinsichtlich des stärksten Erregers der Pankreassekretion — der Salzsäure des Magensaftes — die Fragen, was die Wirkung ausübe, und wie diese vor sich gehe, ver- hältnismässig einfach entscheiden lassen, so begegnet die Beantwortung dieser Fragen in bezug auf das Fett grossen Schwierigkeiten. Auf Grund des gesamten vorliegenden physiologischen Materials kann man sich gegenwärtig der Überzeugung nicht verschliessen, dass die Bauchspeicheldrüse auf zweierlei Art zur sekretorischen Arbeit angeregt werden kann — einerseits durch Vermittlung der Nerven |Pawlow!)], andererseits durch das Blut [Bayliss und Starling?)]. Die Reizung der Nn. vagi und Nn. sympathiei ruft eine Ab- sonderung des Pankreassaftes hervor. Dieser Saft weist einen reich- lichen Gehalt an festen Substanzen und Fermenten auf. Atropin paralysiert die sekretorischen Nerven der Bauchspeicheldrüse. Anderer- seits wird die Tätigkeit dieser Drüse durch eine Salzsäurelösung, die man in den Zwölffingerdarm eingiesst, angeregt, selbst dann, wenn bereits alle Nervenverbindungen des Darmes zerstört sind. 1) J. P. Pawlow, Innervation des Pankreas. Eschenedelnaja klinitsche- skaja Gazeta 1888. 2) Bayliss and Starling, The mecanism of pancreatic secretion. Journ. of Physiol. vol. 28 p. 5. Zur Frage über den Mechanismus der Wirkung des Fettes etc. 289 Die Injektion der „Sekretin“ enthaltenden Infusa der Duodenal- schleimhaut in das Blut dient als weiterer Beweis der humoralen Wirkungsweise der Säure. Der vermittelst Salzsäure erzielte Pan- kreassaft ist arm an festen Bestandteilen und Fermenten. Atropin beeinträchtigt nicht die safttreibende Wirkung des in das Blut in- Jizierten Sekretins oder der in das Duodenum eingeführten Salz- - säurelösung. Wie wirkt nun aber das Fett auf die Bauchspeicheldrüse ein? Indem das Fett eine weniger ergiebige Pankreassaftabsonderung hervorruft als die Salzsäure [Dolinsky"\, Damaskin?’)], führt es zu einer Anhäufung von festen Bestandteilen und Fermenten im Saft [Walther?°)]. Die subkutane Injektion einer unbedeutenden Dosis (0,005 g) Atropin im Höchststadium der durch Fett hervor- gerufenen Arbeit der Bauchspeicheldrüse übt einen geringen Einfluss auf die Absonderung der flüssigen Bestandteile des Saftes aus, ver- ringert jedoch in auffallender Weise seinen Gehalt an festen Sub- stanzen und Fermenten [Bylina*), Smirnow°)]. Vom Standpunkt einer dualistischen Theorie der Wirkung der sekretorischen Erreger - auf das Pankreas ausgehend, muss man naturgemäss annehmen, dass das Atropin als Nervengift die sekretorischen Nerven des Pankreas, die die Absonderung vornehmlich der festen Substanzen und Fermente vermitteln, paralysiert und den humoralen Mechanismus, der die Sekretion hauptsächlich der flüssigen Bestandteile des Saftes hervor- ruft, unberührt lässt. Ohne freilich im einzelnen festzustellen, wor- auf bei Einwirkung des Fetterregers die Arbeit des sekretorischen Nerven zurückzuführen sei, und wodurch der humorale Mechanismus in Tätigkeit gesetzt werde, haben die Untersuchungen von Bylina und Smirnow die schon früher zu wiederholten Malen ausge- 1) J. L. Dolinsky ‚ Über den Einfluss der Säuren auf die Pankreassekretion. Dissertation. St. Petersburg 1894. 3) N. J. Damaskin, Über die Wirkung des Fettes auf die Pankreas- sekretion. Verhandl. d. Gesellsch: russ. Ärzte zu St. Petersburg 1895—1896, Februar, S. 7. 3) A. A. Walther, Über die sekretorische Funktion des Pankreas. Dissert. St. Petersburg 1897. | 4) A. S. Bylina, Normale Pankreassekretion als Synthese von nervösem und humoralem Einfluss. Pflüger’s Arch. Bd. 142 8. 531. 5) A. J. Smirnow, Zur Physiologie der Pankreassekretion. Verhandl. d. Gesellsch. russ. Ärzte zu St. Petersburg 1911/1912 S. 28. 990 B. P. Babkin und Hidetsurumaru Ishikawa: sprochene Ansicht bestätigt, dass an der sekretorischen Wirkung des Fettes und der Produkte seiner Verwandlung die Nerven der Bauch- speicheldrüse einen unverkennbaren Anteil nehmen [Sawitsch'), Buchstab?), Sawitsch®), Babkin und Sawitseh®), Babkin, Rubascehkin und Sawitsch?)]. Allein das Fett stellt, wie bereits oben erwähnt, einen kompli- zierten Erreger dar. Die Kompliziertheit seiner Wirkung erklärt sich daraus, dass das Fett beim Übertritt aus dem Magen in den Darm unter dem Einfluss der hier vorhandenen fettspaltenden Fermente zersetzt wird: neutrales Fett zerfällt in Glycerin und Fettsäuren, und aus diesen letzteren in Verbindung mit den Alkalien der sich in den Darm ergiessenden Verdauungssäfte bilden sich ihre Salze — Seifen. Die Wirkung aller dieser Substanzen in ihrer Eigenschaft als sekretorische Erreger der Bauchspeicheldrüse wurde untersucht. Beim Glycerin blieb jede Einwirkung auf das Pankreas aus [Babkin‘®), Studsinsky”)], Oleinsäure [Studsinsky’), Bylina®)] und Seife [Babkin‘), Fleig°)| regten es dagegen zu 1) W. W. Sawitsch, Mechanismus der Pankreassekretion. Verhandl. d, Gesellsch. russ. Ärzte in St. Petersburg 1903 S. 99. 2) J. A. Buchstab, Die Arbeit des Pankreas nach Durchschneidung der Nn. vagi und splanchnici. Diss. St. Petersburg 1904. 8) W. W. Sawitsch, Beiträge zur Physiologie der Paukreassaftsekretion. Zentralbl. f. d. ges. Physiol. u. Pathol. d. Stoffwechsels 1909 Nr. 1. 4) B. P. Babkin und W. W. Sawitsch, Zur Frage über den Gehalt an festen Bestandteilen in dem auf verschiedene Sekretionserreger erhaltenen pankreatischen Saft. Hoppe-Seyler’s Zeitschr. f. physiol. Chemie Bd. 56 8. 321. 5) B. P. Babkin, W. J. Rubaschkin und W. W. Sawitsch, Über die morphologischen Veränderungen der Pankreaszellen unter der Einwirkung verschiedenartiger Reize. Arch. f. mikrosk. Anat u. Entwicklungsgesch. Bd. 74 S. 68. 1909. 6) B. P. Babkine, L’influence des savons sur la secretion du pancreas. Arch. des Sciences Biol. t. 11 Nr. 3. 1904. DJ. B. Studsinsky, Über den Einfluss der Fette und Seifen auf die sekretorische Fähigkeit des Pankreas. Russky Wratsch. 1911 Nr. 1, 2 und 3. 8) A. S. Bylina, Über den Einfluss von neutralem Fett und seinen Komponenten auf die Arbeit der Magendrüsen und des Pankreas. Russky Wratsch 1912 Nr. 9 und 10. ‚ 9 C. Fleig, Intervention d’un processus humoral dans l’action des savons alcalins sur la secretion pancreatique. Journ. de Physiol. et Pathol. generale 1904 p. 32. — C. Fleig, Analyse du mode d’action des savons alcalins sur la seöcretion pancreatique. Journ. de Physiol. et Pathol. generale 1904 p. 60. Zur Frage über den Mechanismus der Wirkung des Fettes etc. 291 enereischer Arbeit an. Hierbei war der Gehalt an festen Substanzen und Fermenten in dem als Folge der Einwirkung von Seife und Oleinsäure erhaltenen Pankreassaft recht beträchtlich, doch immerhin geringer als in dem auf neutrales Fett sezernierten Saft [Babkin!), Bylina?)]. Indes fehlt es an einer einheitlichen Auffassung bezüg- lich der Wirkungsart des Fettes und seiner Produkte auf die Bauch- speicheldrüse. Da die Infuse der Duodenalschleimhaut, in einer Lösung von Natrium oleinicum in das Blut injiziert, eine saftreibende Wirkung ausüben, ähnlich den analogen Säureinfusen, so kam Fleig°) zu dem Schluss, dass Seifen humoral wirken. Allein auch bei den Fleig’schen Versuchen äusserte das Atropin eine hemmende Wirkung auf die Pankreassekretion.. Umgekehrt konstatierte Sawitsch®), indem er die Seifen in den Zwölffingerdarm einführte, einen Still- stand der Pankreassaftabsonderung nach Vergiftung des Tieres mit Atropin; andererseits riefen bei seinen Versuchen im Gegensatz zu Fleig nicht nur Seifeninfuse der Duodenalschleimhaut, sondern auch Sodainfuse, wenn sie in das Blut injiziert wurden, eine sekretorische Tätigkeit der Bauchspeicheldrüse hervor. Auf diese und andere Tatsachen, von denen weiter oben die Rede war, gestützt, neigt Sawitsch zur Annahme, dass an der Sekretion auf Seife die Nerven einen bedeutenden Anteil nehmen. Studsinsky?°) ver- mochte als Folge der Atropinanwendung ein Aufhören der durch Einführung einer Seifenlösung in das Duodenum hervorgerufenen Pakreassekretion nicht zu beobachten, ist jedoch nichtsdestoweniger der Meinung, dass die Seife die Drüse durch Vermittlung der Nerven anrest. Die Öleinsäure büsst nach diesem Autor ihre Wirkung nach Atropinanwendung ein und wirkt gleichfalls durch die Nerven. Bylina?) hingegen nimmt an, dass die Oleinsäure wirksam wird, indem sie sich in Seifen verwandelt. Aus dieser kurzen Gegenüberstellung der vorhandenen Meinungen 1) B. P. Babkine, L’influence des savons sur la secretion du pancreas. Arch. d. Science. Biol. t. 11 Nr. 3. 1904. 2) A. S. Bylina, Über den Einfluss von neutralem Fett und seinen Komponenten auf die Arbeit der Magendrüsen und des Pankreas. Russky Wratsch. 1912 Nr. 9 und 10. 3) Fleig, ]. c. 4) W. W. Sawitsch, Beiträge zur Physiologie der Pankreassaftsekretion. Zentralbl. f. d. ges. Physiol. u. Pathol. d. Stoffwechsels 1909 Nr. 1. 5) J. B. Studsinsky, 1. c. 399 - B. P. Babkin und Hidetsurumaru Ishikawa: ergibt sich, wie weit man noch davon entfernt ist, von einer ein- heitlichen Auffassung hinsichtlich des Mechanismus der Wirkung des Fettes als sekretorischen Erregers der Bauchspeicheldrüse sprechen zu können, und deshalb haben wir uns auf den Vorschlag des hochverehrten Herrn Prof. J. P. Pawlow erneut mit dieser Frage beschäftigt. Als Ausgangspunkt für unsere Arbeit diente ein Versuch von Smirnow'). In der Regel injizierte der Autor, wie bereits bemerkt, einem Tiere 0,005 g Atropin im Höchststadium der durch Einführung von neutralem Mohnöl in das Duodenum hervorgerufenen Pankreas- ansonderung; hierbei beobachtete er keine Annahme der Saftsekretion, konnte vielmehr nur ein Sinken des Gehalts an festen Substanzen und Fermenten im Safte feststellen. Sobald er jedoch an dem Hunde eine subkutane Injektion einer gleich grossen Dosis Atropin vor Einführung des Öls in das Duodenum vornahm, liess diese letztere jeden sekretorischen Effekt vermissen. In Anbetracht der zweifellosen Wichtigkeit dieser einmaligen Beobachtung beschlossen wir, sie zu wiederholen und sodann die Wirkung der Produkte der Spaltung und Verwandlung des Fettes unter denselben Bedingungen, d. h. nach vorheriger Vereiftung des Tieres mit einer geringen Dosis (0,005 g) Atropin zu untersuchen. Im Laufe der Arbeit kamen dann noch einige Fragen hinzu, deren Lösung wir gleichfalls eine Reihe von Versuchen widmeten. II. Methodik. Als Versuchstier diente ein Hund, der drei Fisteln hatte: eine chronische Fistel des grossen Pankreasganges (nach Pawlow), eine Magen- und Duodenalfistel (diese letztere war ungefähr 10 em unter- halb der Einmündungsstelle des grossen Pankreasganges angelegt). Die beiden ersteren Operationen waren an unserem Hunde im Dezember 1910, die letztere Ende April 1911 vorgenommen worden. [Eben dieses Hundes — „Ryschi“ — hatten sich vor uns Bylina?) und Smirnow’) bei ihren Arbeiten bedient]. Der Gesundheits- zustand des Hundes war während der ganzen Zeit ein völlig normaler, 1) A. J. Smirnow, l. c. 2) A. S. Bylina, Normale Pankreassekretion als Synthese von nervösem und: humoralem Einfluss. Pflüger’s Arch. Bd. 142 S. 531. — A. S. Bylina, Über den Einfluss von neutralem Fett und seinen Komponenten auf die Arbeit der Magendrüsen und des Pankreas. Russky Wratsch. 1912 Nr. 9 und 10. Zur Frage über den Mechanismus der Wirkung des Fettes etc. 295 - und das Tier hielt sich innerhalb ein und derselben Gewichtsgrenzen (1 Pud 14 Pfund — 1 Pud 15 Pfund), hatte sich folglich den un- bedeutenden Verlusten an Pankreassaft vollkommen angepasst. Die Versuche wurden höchstens zwei- bis dreimal im Laufe einer Woche wiederholt; hierdurch wollte man eine Störung des beim Tiere her- gestellten Gleichgewichts verhüten und erreichen, dass man es stets mit normalen Verhältnissen seines Verdauungstrakts zu tun habe. Wir untersuchten den Einfluss verschiedenartiger Substanzen auf die Tätigkeit der Bauchspeicheldrüse, indem wir sie unmittelbar in den Zwölffingerdarm eingossen. Wir führten Flüssigkeiten von Zimmertemperatur durch die Darmfistel gewöhnlich in langsamem Tempo und geringen Portionen ein, beispielsweise jede Minute 1—2 eem im Verlaufe von 20—25 Minuten. Nur in vereinzelten Fällen, wo es sich darum handelte, einen möglichst grossen Teil des Darmes auf einmal der Wirkung auszusetzen, wurde gleichzeitig eine grössere Quantität Flüssigkeit (20—25 eem) eingeführt; bei der weiteren Einführung wurde jedoch sodann wieder das übliche Tempo beobachtet. Am häufigsten führten wir 25 cem von der zu untersuchenden Flüssiekeit ein; in einigen Fällen betrug die ein- geführte Menge 50 und sogar 60 cem. Unsere Untersuchungen erstrecken sich auf folgende Substanzen: neutrales Mohnöl (neutralisiert wurde es von einer heissen ge- sättigten wässrigen Lösung von Ba(OH),; die Neutralität wurde nach der Methode von Burstyn bestimmt; Mohnöl war als am wenigsten verfälschtes Produkt dieser Art gewählt worden); eine Emulsion aus neutralem Mohnöl mit rohem Eiweiss und aktivem Pankreassaft (auf 50 eem Öl kamen 20 eem Eiweiss und 10 cem Pankreassaft); eine 2°%/oige wässrige Lösung von Natrium oleinieum; eine Emulsion aus 2 cem und 20 cem Oleinsäure auf 100 cem Wasser mit Gummi- arabikum. Zum letztenmal war das Tier 15—16 Stunden vor dem Ver- such gefüttert worden. Am Morgen des Versuchstages wurde der Magen mit warmem Wasser ausgespült. Der Pankreassaft wurde in graduierten Zylinderchen gesammelt. Um sehen zu können, welche Wirkung die in den Zwölffinger- darm einzuführende Substanz auf die Bauchspeicheldrüse ausübt, nahmen wir die Einführung stets bei alkalischer Reaktion der Magenschleimhaut und folglich auch des Duodenums vor. Behufs Erzielung einer alkalischen Reaktion im Magen übten wir in der 294 . B. P. Babkin und Hidetsurumaru Ishikawa: ersten Zeit unserer Untersuchug mittelst der Fahne einer Gänsefeder einen leichten mechanischen Reiz auf die Magenschleimhaut aus. Ein solcher Reiz bedingt die Absonderung von alkalischem Schleim, der die Magensaftsäure rasch neutralisiert. Doch schon nach einiger Zeit nahmen wir von der Anwendung dieses Hilfsmittels Abstand und warteten bis zum selbständigen Eintritt der alkalischen Reaktion im Magen, was bei unserem Hund ziemlich rasch eintrat und natür- lich den normalen Verhältnissen mehr entsprach. Zu eben diesem Zwecke wurde der Hund, selbst an den Tagen, wo die Versuche nicht stattfanden, zwischen 3—4 Uhr nachmittags gefüttert. Infolge- dessen ging in den Morgenstunden niemals eine reflektorische („psy- chische“) Absonderung des Magensaftes vor sich. Somit schlossen wir durch Erzielung einer alkalischen Reaktion im Magen eine gleichzeitig mit der Einführung der Substanz in den Zwölffingerdarm stattfindende Einwirkung des stärksten Erregers der Pankreassekretion — der Salzsäure des Masensaftes — aus. Indes wurden, wie weiter unten ausgeführt werden soll, die von uns in den Darm eingegossenen Flüssickeiten im Verlaufe des Versuches in den Magen zurückgeworfen und regten seine sekretorische Tätig- keit an. (In einigen Fällen wurden die in den Darm einzuführenden Flüssigkeiten mit Karmin gefärbt, um genau die Zeit ihres Eintritts in den Magen beobachten zu können.) Bei der alkalischen Reaktion der Magenwände vermochten wir stets den Augenblick des Eintritts der sauren Reaktion im Magen zu bestimmen. Ausserdem muss in Betracht gezogen werden, dass die Magenfistel während der ganzen Versuchsdauer offen blieb und folglich alles, was aus dem Darm in den Magen zurückgeworfen wurde, sowie der grössere Teil des Magensaftes nach aussen hin abfloss. Infolgedessen traten wohl schwerlich irgendwie bedeutende Mengen sauren Magensaftes aus dem Magen in den Darm über. Die Atropininjektion wurde subkutan vorgenommen. Injiziert wurden 0,005 &, d.h. 0,5 cem einer 1°/o igen stets frisch hergestellten wässrigen Lösung, mit Ausnahme eines speziellen Falles, auf den weiter unten eingegangen werden soll. Bereits 4—5 Minuten nach der Atropininjektion stieg die Pulsfrequenz beim Hunde von 70 bis 80 Schlägen bis zu 130—150 Schlägen in der Minute, und nach Verlauf von weiteren zirka 5 Minuten zeigte der Puls schon gegen 200 Schläge in der Minute oder noch darüber und hielt sich sodann während der gesamten Versuchsperiode auf dieser Höhe. Bald trat auch eine volle Zur Frage über den Mechanismus der Wirkung des Fettes etc. 295 Erweiterung der Pupillen ein. In der Regel begann der Hund 1 Stunde bis 1 Stunde 15 Minuten nach der Atropininjektion unruhig zu werden, mit den Füssen um sich zu schlagen, zu stöhnen, sich zu schütteln, zu husten und sich zu lecken. Die Erregungserscheinungen nahmen rasch zu, und gewöhnlich war es bereits 1 Stunde 30 Minuten bis 1 Stunde 45 Minuten nach der Atropininjektion unmöglich, das Tier im Gestell festzuhalten: der Versuch musste eingestellt werden. Die Versuche mit Atropin wurden — ebenfalls zu dem Zwecke, an einem möglichst normalen Versuchstiere experimentieren zu können —, so selten es nur anging und niemals gleich hintereinander angestellt. In der Zwischenzeit fanden Kontrollversuche statt. In einigen Fällen untersuchten wir den erlangten Pankreassaft auf seinen prozentualen Gehalt an festen Bestandteilen, indem wir bald diese, bald jene Saftmenge in einem Porzellantiegel im Trocken- schrank bei 103° C trockneten. Nach der Menge des festen Rück- standes liess sich — wie dies einer von uns in Gemeinschaft mit Tiehomirow') dargetan hat — mit einer gewissen Wahrschein- lichkeit auf die allgemeine Fermentkraft des Saftes schliessen: je grösser die Menge des festen Rückstandes war, desto bedeutender war auch die verdauende Kraft des gegebenen Saftes. III. Neutrales Fett. Tabelle I (S.296) enthält Beispiele von Versuchen mit Einführung von neutralem Mohnöl in den Zwölffingerdarm in einer Quantität von 25 cem im Verlauf von 25 Minuten (1 cem pro Minute) bei alkalischer Reaktion im Magen. Das in den Darm eingeführte Fett wirkt nicht sofort. Erst nach Ablauf einer bei den verschiedenen Versuchen ungleich be- messenen Zeitspanne tritt eine Beschleunigung der Pankreassekretion ein. Beim Versuch vom 1. Oktober betrug die latente Periode 20 Minuten, beim Versuch vom 4. Oktober 18 Minuten und beim Versuch vom 19. November 11 Minuten. Die Absonderung des Pankreassaftes nimmt an Energie beständig zu, wobei die Reaktion im Magen immer noch alkalisch bleibt. Sodann beginnt aus dem Darm in den Magen anfangs unverändertes durchsichtiges Öl und 1) B. P. Babkin und N. P. Tichomirow, Zur Frage der gegenseitigen Beziehungen zwischen der proteolytischen Kraft, dem Stickstoffgehalt und dem Gehalt an festen Bestandteilen im Saft der Bauchspeicheldrüse. Hoppe- Seyler’s Zeitschr. f. physiol. Chemie Bd. 62 S. 468. B. P. Babkin und Hidetsurumaru Ishikawa 296 "SOUONSIOA SOP pur umzsıq uorryeay AHAMLS UOISINWA JOUTO SUNFIEANINMZ ‚GE vll “(snwy9e] ne) Tones syedrsq 9189 JO sep doqe ‘wopt ‚IE Yll ‘TO soJea -NIU UHFOMISYINANZ use uop ur ‚€ all "uop -10M9S AO0NBS USE U ZU EIH nu uoryeay opeuynau JO SOSLTYaIS -TIMP UHMOMISYINI -NZ UOOC UOP UL, JO yTI "uor} -9ANOSSPIINURT AOP Sunstunapyosog ‚TO YII s’oL IEIRERNE) yansıa A J1z ref 1“ e "IN 08 pIS T UOA ame wı ywmesassuf ‚06 ucl ‚cO usl Sıq ‚0 vll ‚0E ull ‚g8 all ‚06 «Il 1,£O uIL sıq ‚0€ ywOL "JIUNJ9FUrD SIO uofeagnau 69. -uols : -murf uuep ‘IQ sd 0 -yOISTO.INp YaISurzjun 5 0 UHSEN wop SNE Issoly { os ‚0 asLs!q ,9TulT UoA "op -10M98 Jones uodeN | G wr uonyeoy ,asıenTe &0 ‚08 wol -[e uosen wr uonyeoy alı) ‚08 wor stq | ode wı uvonyeoy 20 ,CHuoLsıq| use wı uonyeoy a) ‚ST wol Ssıq ‚ST wol | ‚08 wOL ‚00 uOl wa) ul | wo ul ud) ul S9J78S SoJyus soypes uosunyLauag oe 19Z u9dunyıa9wag In ss ueg 19Z u9sunydo9wag -seoagueg 97 ‘p 98uoW | "p 95uo pP oSuaW TI6T aoqwaaoN '6] WoA yonsıo‘ II6I 1990490 °F woA yInSsI9 A II6I 10900 "I. WoA yansaaa *umu9pond Sep UI TOUyoN wOTerjnau uoA Sundynyurg I oII9qaeL Zur Frage über den Mechanismus des Wirkung des Fettes etc. 297 hierauf auch eine Fettemulsion, vermischt mit den sich in den Zwölf- fingerdarm ergiessenden Säften (Galle, Pankreassaft, Darmsaft usw.) zurückgeworfen zu werden. Um diese Zeit geht die alkalische Reaktion im Magen in eine saure über und bleibt sauer bis zum Schluss des Versuches. Die Absonderung des Pankreassaftes hört geeen Ende der zweiten Stunde allmählich auf. Nach Beendigung des Versuches erhält man aus der Duodenalfistel in der Regel 1 bis 2 cem einer Mischung aus Öl und Galle, d. h. das, was im Fistel- rohr zurückbleibt. Die Reaktion im Duodenum ist nach Beendigung des Versuches in der Regel alkalisch. Diese Versuche stimmen völlig überein mit den Ergebnissen Smirnow’s, der demselben Hunde neutrales Mohnöl in den Zwölf- fingerdarm einführte, ohne jedoch zuvor das Eintreten einer alkalischen Reaktion im Magen abzuwarten. Das Eingiessen grösserer Mengen neutralen Mohnöls (z. B. 25 ccm) in den Zwölffingerdarm auf einmal oder überhaupt neutralen Öls in grösserer Quantität beschleunigt nieht — wie dies aus Tab. II (S. 298) ersichtlich — den Beginn der Pankreassekretion. Beim Versuch vom 28. September trat eine Beschleunigung der Pankreassekretion 25 Minuten nach Beginn der Einführung neutralen Öls in den Darm und beim Versuch vom 30. März sogar erst im Laufe der einundfünfzigsten Minute ein, und dies ungeachtet des Umstandes, dass bereits mit 15 Minuten nach Beginn der Einführung des Öles dieses in den Magen zurückgeworfen zu werden begann. Nachdem wir auf diese Weise die Norm der durch Einführung von 25 cem neutralen Mohnöls in das Duodenum hervorgerufenen Pankreassaftabsonderung festgestellt hatten, gingen wir zu den Ver- suchen mit Atropin über. Schwefelsaures Atropin wurde in einer Dosis von 0,005 & 10—15 Minuten vor Beginn der Einführung neutralen Öles in den Darm subkutan injiziert. In dieser Zeit ver- mochte, wie bereits oben erwähnt, stets seine typische Wirkung, d. h. eine Beschleunigung des Pulses bis zu 200 Schlägen in der Minute, wozu dann noch die Erweiterung der Pupillen hinzutrat, zur Entwicklung zu gelangen.. Im weiteren Verlaufe des Versuches machte sich eine Trockenheit der Schleimhäute bemerkbar: der Hund leckte sich und hustete. Allein hier muss bemerkt werden, dass der alkalische Schleim aus dem Magen die ganze Zeit über, wie bei der Norm, zur Absonderung gelangte. DER. IE SmiENnow, 1.c. Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd. 147. 5 21 ‘3 zg'c :opunyg "3 ‘3 96°C :opunyg °T :UPZUBISANS AOJSOF JU9ZOAT "ıOnBs SOMUIImPp Ur TI uoA a9qu ‘OSIHMay[[pIs uUB ‚0G yZI U0A 4sT UOdeN WI uoNNBoy Slq J9ul UNMOT UI IuT UOISTNUT u9de N WOPp SDe IssoIg ur 2 8, wm 0% :,83 usl usrdorL sur :,0% ucl ze, ST ucl ucl wa» 0°9 :,0I uardor], 9S1ur :,CQ uasunydowag Klllde) oA ‚Sg usL UOA “ Std ‚SC uET UA pum 19 C] "SNB UONIANISUOSEHL orarsofrqtotd „94 UST SQ ‚98 ugI UoA "UOLJOANIS -SBOIJUBT TOP Sunstunsfyasog ‚98 yZl ‚EG ucl ‚06 16l ‚EI ucl ‚OT usl ‚SO ucl asl SIA ‚TO usl :[0 "SNpISyOINp UV SSOp LOSLN op suy "u 08 uÄmwesnz Ce iaa gg 1I99s98u1ro yonsıIoA Ba 91 a) -SEIINUBI sap 95uoMN . ° upzues u "um 08 punys I UOA nefIoA Wu ‚SLul ‚90 ul SIAQ ‚Erucl ‚Er ucl ‚08 ucl ‚SLucl ‚00 us stq4 ,SFull "um OT ‚SO uel IL SIq ‚OF uTL UA Sumuopondg Sep UT SI UOTRAMAU W9 CH UA FUMIENJUA ‚SE IL SQ ‚SH ull "TOSEeNE YORAy9s u9de WI Da ‚rail SIQ ‚,C& yll | 1199 ur soypes y19Z 7 "UHOPIOMIS AONBS UOIEH u UONNROY ‚IE ull "u9de uop u 997 UOA SUNJIOAyHINZ ‚EG yOL "LOLANOS -SEIINUBT Op uUSOT ‚CE yOL 6° oOoOormn ‘ Ei 9 0‘ ur so ufeamou W99 CZ UA Zunaynjurg "gOSI[eNje Use WI voNyeoy 0 w9) ul S9JF%S uasuny1owag -SBIINURT sap 9SuoMN :u9ZUR3 WTUPISZ uoA neppA mw ‚OT ucl ‚Sg all ‚or ull ‚6% all SIQ ‚OL «ll ‚ol ull ‚EG uOl ‚OF uOl ‚Es wOL SQ ,0T uOL ‚wnuwopong Sep ‚EL woL SIq ‚OT wOL ‚OE wor SIQ ‚SS u6 10Z B. P. Babkin und Hidetsurumaru Ishikawa: ZIGI ZIUN '0g WOA yansıaıa a9qwa,dag "gg OA yanSsıaA *WLIEPAIISUFFLOAZ UP Ur (ZIEH 08 WOA yonsıoA "UI ZI UA one um uU9 CZ zz en? uasrLIgn 9Ip pun "ur g UoA qfeyaouur w9 67) SIO UATe.un9U W99 (8 UoA pun (AOqWOAON *8z WOA YOnSIHA) [EWULD Fne S[OUNOR UaTerznou WII cz UOA SUNIUNFUrT I eT1og9® L 298 299 Zur Frage über den Mechanismus der Wirkung des Fettes etc. -99 OP puaayea dp "UOSSLIOSSNEIAT SIO ua} Topuraoaun WI ST joJsyuaeq op SsnY -JpIsE5Ur YonsıoA ‚07 az wn 'pund -ogoH Ualıl ‚07 usl u0895 Iq9I9A9 pun nz yaeu pun g9eu ywwmu aynauN) PIq uap -I9A NZ Sıynaun puny J9p Juuldag yg] UN 'peIs Iydıu pur} Sunzaonayond -nZ 'qe wIie]yag yaıs j19puos use] wop sny "yasıene Jneaep “eye Toemyos sdurF -UB UOSRBN wI one -3y 'MooMA9 uajjıd -nI 'aynumm Aop ul 93 [U9S 005 19898 NO uU9ZURd I9Pp PUHIUBA SIng CT “one er na o ‘0 0 “0 :oPIS =/ıT PU9AURA ywesassuf ‚or ucl ‚g6 ucl SQ ‚Ol uel ‚OL ucl ‚gg ull ‚07 ull ‚gcullsıq ‚OT ull "JanJoZum SIO uapeamou U) €z mnuapond Sep ur ‚CZ ull "nu Ip UL 98e]yaS 005 19808 sing ‚OT all co stqg ‚00 uTl ‚SL all sıq ‚00 ull "yıoızıfar uegnyqus urdoayy 3 6000 ‚00 vll "UOPIOM IEWWLSIS JyaTu 9uawmyrus 9duLldad uoy9S ury9uyo oz uoyues MERNIYER] -SNEIIU SIO UEJqNAJ98 Iq919] anu“ *uajeinau wu) 97T JeIsyue d9p Sy N[9IS9Fu19 yansıaA ‚SZ ugI un "PULISNZSSUNSAAIN, uosıyay ur ‚CI ual u939s Juwoy pun up -19M nz Sıynaun puny A9p Juulsog UB yGT UOA 77648 yydıu pur] ZunzpIom -NONAnZ "NIOPUOSaäge uno]gas pam U9deN wop sny "gosıpexyle puıonepug use WI uormeay 2:19919M19 uappdng "synup A9p ur 988 [y9S 005 19898 puaonepu® soyons -794 sop pusayem sınd :9pIS rl UOA opnert m yuresoSsuf ‚E66 ucl ‚OL usl Sıq ‚ES all ‚SS ull ‚OF ull ‚ES ull ‚OL ullsıq ‚Sg uOL "JIERJOFUND SIO UOTeaynou 9 65 wnuapondg Sep ur ‚06 ulT SIA ‚SC uoL "Oynum J9p Ur 99er Iy9S 005 U9808 sind ‚SE OL "yıoızılar weruggqus urdonyy 3 600'0 oynump ap "9ynuM ur adrıgoS GC) US 3,0 ‚00 vll [op ur osemos cg spng "erfe goemyds 80 1,87 woLSstq[uo8o8 sing "yosıpey usseN WI uonyeay ‚0E vOI |-Ie uosen ur uogywoy WII ULSAIFLS ussunyawag -SEOANURA y197Z u9sunyIowag spp odue ZI6T Tenuef '9g WwoA yonsaa‘ "UOSFRTIISNEAIAT S[O uafeaynau wO9 ST SIg LI 89 JoISgwAIeq d9p sny 9][99898ura yansıaaA ‚CF ul ug "u9PpI9M nz Smynıun 71.1878 puny Aop Juu1s eg ue796 ucl UOA "9838 Jydtu pur} Funypom a2anmZ ge WIO]U9S DIS YA9PUOS U9SUN up sny yosıpey -[e puaonepuw uodeN] wm UONNBON 219119 M -19 uoppdng "oynumm A9P UT OSeIDS 005 19993 AONEPSYINSI9A U9ZUR3 A9P PU9AUBM SInA ! yy9I9]JoTA OYUUoN U9DOMSOp pun Sıynaun sI9pu0os9q pund A9p AM uspunJs[9}IaT A U9J2I9] AP 9me]IoA WI (I ZUDDUINEGES: UOA bi | JuepIoA wı JuresoFsuf ‚Er ul ‚08 ul ‚ST ul ‚00 qL Sstq ‚Et ucl ‚EP ucl ‚08 ucl ‚ST ucl ‚00 usl Stq ‚EI ull Jaunz9Fum SIO Uafeamau u) 5 WMUBPOng Sep ur ‚OL vol sg ‚Hull 70 |,ES uoL sıq| murm aop uroseyag 00 |,SF ulrsıq ‚SP uOT | 003 u9dod sıng ‚CH ull ‚Se all

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Versuch vom 3. März Tab. V, in einer Stunde 4,0 cem). Da die Menge der in den Magen zurück- geworfenen Flüssigkeit bei diesem Versuch nur gering war (im ganzen 15 cem gegen 39 ccm beim Versuch vom 3. März), wir aber andererseits von Zeit zu Zeit ein schwaches Knurren in den Därmen wahrnahmen, so hatte offenbar die Seifenlösung in der ziemlich be- trächtlichen Quantität — nicht weniger als 35. cem — die Mösglich- keit, mit den Darmwandungen in reichem Maasse in Berührung zu kommen, und ihre Wirkung blieb nicht auf einen unbedeutenden Teil des Duodenums beschränkt, wie dies bei einer stärkeren Ver- giftung mit Atropin, beispielsweise bei Versuch vom 16. Dezember, Tab. VI, der Fall sein könnte. Folglich ist es nicht möglich, die Schwächung des sekretorischen Effekts von Seife bei Atropin- anwendung hinsichtlich ein und derselben Zeitperiode lediglich auf den Umstand zurückzuführen, dass hier ein geringerer Bereich der Darmwandungen ihrer Wirkung unterworfen ist. Offensichtlich ist die Frage über die Wirkung von Atropin auf die Bauchspeicheldrüse bei Fett und seinen Produkten komplizierter, als es auf den ersten Blick scheinen mag, um so mehr als sowohl Bylina!) als auch Smirnow?°) bei Atropininjektion im Höchststadium der Pankreas- sekretion auf Fett nicht nur keine Verringerung der Saftabsonderung wahrnehmen konnten, vielmehr bisweilen selbst eine Beschleunigung der Sekretion feststellten. Unsere Versuche im Zusammenhang mit den Beobachtungen Fleig’s?) hinsichtlich der Hemmung der durch Injektion von „Sapokrinin“* in das Blut hervorgerufenen Pankreas- 1) A. S. Bylina, Normale Pankreassekretion als Synthese von nervösem und humoralem Einfluss. Pflüger’s Arch. Bd. 142 S. 531. 2) A. J. Smirnow,l. c. SEC TilerE, ec: Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd. 147. 22 314 B. P. Babkin und Hidetsurumaru Ishikawa: sekretion vermittelst Atropins gewinnen ein besonderes Interesse, wenn man die Meinungsverschiedenheit zwischen Sawitsch!) und Studsinsky°) bezüglich der Wirkung von Atropin auf die Bauch- speicheldrüse in Betracht zieht. Somit ergibt sich, dass Atropin in einer Quantität von 0,005 g, wenn es vorher dem Tiere subkutan injiziert wird, die durch eine 2P%oige Lösung von Natrium oleinieum hervorgerufene sekretorische Arbeit der Bauchspeicheldrüse nicht aufhebt, vielmehr nur bis zu einem gewissen Grade schwächt. Andrerseits muss man anerkennen, dass im Falle der Atropininjektion im Höchststadium der durch neu- trales Fett hervorgerufenen sekretorischen Arbeit des Pankreas diese dank den sich aus dem Fett im Darm bildenden Seifen fortdauert. VI. Emulsion aus neutralem Mohnöl mit Eiweiss und Pankreassaft. Abgesehen von den oben aufgezählten Substanzen führten wir in den Zwölffingerdarm auch noch eine Emulsion aus neutralem Mohnöl (50 eem), rohem Eiweiss (20 eem) und aktivem Pankreassaft (10 eem) ein. Die Mischung wurde 5 Minuten lang geschüttelt, bis sie sich in eine milchartige Flüssigkeit verwandelte. Bei den Ver- suchen mit Emulsion gossen wir, um den tatsächlichen Verhältnissen möglichst nahezukommen, in das Duodenum ein Produkt, das dem darin aus neutralem Fett unter natürlichen Verdauungsbedingungen zur Bildung gelangenden analog war. Als Alkali wurde der Emulsion Eiweiss beigemischt, zu dem Zwecke, die sich aus neutralem Fett unter dem Einfluss einer Lipase des Pankreassaftes möglicherweise bildenden Fettsäuren zu neutralisieren und sie in Seifen zu ver- wandeln. Weiter unten werden wir sehen, wie weit dieser Zweck erreicht ist. . Tab. VII bringt Versuche mit Einführung einer Emulsion in den Zwölffingerdarm. Bei den Versuchen vom 20. Oktober und 18. Januar liessen wir die Emulsion, bevor wir sie in den Darm 1) W. W. Sawitsch, Beiträge zur Physiologie der Pankreassaftsekretion. Zentralbl. f. d. ges. Physiol. u. Pathol. d. Stoffw. 1909 Nr. 1. 2) J. B. Studinsky,l. c. >15 der Wirkung des Fettes etc. 15mus ( Zur Frage über den Mechan on eIr = un c] :,CT ug SQ ‚00 u8 (& 3 zIe = um Fe :,00 as SQ ‚CH ul @ Gi (Ali, = en) ı@ ‚ar ul er ann 1 -uossejodsne -I9U UONNEIY dayası -(nS U9JS9J UR uozoLd a | remens : "UISSE[EISNE u94q1e798 ofeg u % -19U (9][E9I UOA Zunyasıu Jou WII €& [EST -jogsadure yansıa a a -[9J Jdoyıeıs Im uoIs une] JOp NE ‚16 u@l "uoden -nWA)UOHNLOY AOgasıe] -IESUISETN UOSENN wur oed) ,sı9 ‚IE wol "JAUNZPZU STOUToN uaperun "gosıpeyfe Ude wı uouseay u9dunydawag du mm GO 9°I1 SUR aamo ES n Sc-Hm 8 1 ME G ‘0 | | \ Tamm ud Les) 80 un) UI S9JJeS -SeIINURA sop 9duaM :U9PUnJg 7/;7U0A 97er ur yweso9Fsuf 88 06 il) Au ıS8 ‚06 ycl SQ ‚06 ucl y6l ucl uwll ylLSstq ‚0< ull vll ‚<0 all ‚08 wOL ‚g$ uOL SQ ‚08 uOl Jen UP UF ,‚0G uOL ‚08 OL SIQ ‚00 aOL 197 II6T 194099 ‘ZI WoA yansıoA -uU9SeH UHP UT STOUyON UOTELInAU W99 OHL Pun wD9 94 uoA Sunaynzurg "XI OII94®L Zur Frage über den Mechanismus der Wirkung des Fettes etc. 395 Somit ist ein Zeitraum von 4—5 Minuten ausreichend, damit neutrales Fett seine Wirkung entfalten könne. Hieraus folgt, dass die Richtigkeit der Beobachtung Bylina’s!) keinem Zweifel unterliegt. Allein wir wissen, dass die Absonderung des Pankreassaftes, wenigstens bej unserem Hunde, niemals völlig aufhört; mithin befinden sich stets geringe Mengen des Fettferments im Duodenum, und ausserdem ist im Darmsaft seine eigene Lipase vorhanden. Auf diese Weise findet neutrales Fett, wenn es in den Zwölffingerdarm gelangt, dort Bedingungen vor, unter denen, wie wir dies beispielsweise bei unseren Versuchen in vitro sahen, sich von ihm rasch Fettsäuren abspalten und aus diesen letzteren Seifen bilden können. Um die Spaltung des neutralen Öls im Darm nach Möglichkeit zu behindern, stellten wir folgende Versuche mit Bespülung des Duodenums an. Wir gossen die eine oder andere Quantität neutralen Mohnöls in den Magen, schlossen die Magenfistel und liessen während der ganzen Versuchsdauer die Duodenalfistel geöffnet. Das Öl passierte den Zwölffingerdarm in seiner gesamten Länge und floss dann nach aussen ab. Auf diese Weise verblieb das Öl nur sehr kurze Zeit im Lumen des Darms, und mit der Darmwandung kamen stets neue und neue Portionen in Berührung. Tab. X brinst zwei solcher Versuche. Bei einem von ihnen (Versuch vom 7. Oktober) wurden in den Magen bei alkalischer Reaktion seiner Wände 50 cem neutralen Mohnöls, bei dem andern (Versuch vom 1. Februar) unter denselben Voraussetzungen 100 cem eleichen Öls eingeführt. Beim ersteren Versuche erschien das Öl in der Darmfistel 20 Minuten nach seiner Einführung in den Magen, während eine Beschleunigung der Pankreassekretion in der 45. Minute eintrat. Mithin hatte im Verlauf von 25 Minuten, während welcher durch das Duodenum gegen 10 ccm neutralen Öls hindurehgeflossen waren, die Bauchspeicheldrüse ihre Arbeit nicht beschleunigt. Hier- bei muss bemerkt werden, dass etwa 5 Minuten vor Beschleunigung der Pankreassekretion die Reaktion im Magen sauer wurde. Beim zweiten Versuch (1. Februar) zeigte sich das Öl in der Duodenalfistel 13 Minuten nach seiner Einführung in den Magen. 1) A. S. Bylina, Über den Einfluss von neutralem Fett und seinen Kom- ponenten auf die Arbeit der Magendrüsen und des Pankreas. Russky Wratsch. II122NE. 9, u. 10. B. P. Babkin und Hidetsurumaru Ishikawa 326 "yosıpayje wnuop -ON(T WU “TOnBS UOOLN WI UONNLIY "UOSST[EASME.IOg [0 u) cz use wop sUY ‘111933959597 yoru FMRS UEPU9SSHIgSNEAIAT A9Pp HSUaMT ALP opanım [OMOIA 9oaz sep und * CZ yg] un uoro1yasswgay ‘ipo4s9dura yoansıoaA ‚CO ul 0,9 SI ep UnySET alas N -eapmau eye: yuresogsup| "rd TOP Fundtunepyas sypequp Sop uonmeoy ag SN1EIS 1,61 ugl um 66 ‚SP ucl "IONBS WIOUUF TUT 1OOM 008 70 | ,coul SEIN TUT USD EIO EINES 0.09 38 ‚88 u6l St4 ‚8I wol -gasıpesfe SIyOAToISIT SOP 0172 09T, 801 80 | ‚00 ul S BALTERIG) DH SURN op un OpupAuoscN 01 TO. »8C usIstq ,0ogugp| unse WFT, LIU UNI HOT UASEN up ur pun uassepas I9Pp WORIIER af ‘yeyuf 08 20: ‚0G ul -SNEBIdg UMU9PonA pum wSeH Sue 97890 ‚ZI uel SIG ‚ET usl w9 g, use ur ‚06 usT 071302 | C0y LO ‚Crucl "u0N91398 80 ‚ST usLS!q ‚00 uGl "u9puvwgdoA Iaru 00T 20 ‚07 uzlstq ‚Se uzI | -se9yueg BP Fund 0'EI ‚00 udl elegy ZuaNuIs uUopog 01 TO | ‚SE ul ZEUSTHEST SIE ST] ag ‚SS ull uop zue op “uaydons 09 307 | 804 LO | ‚08 u@L "U9PIOMIN AONES UOLIN 9°C ‚0g alLstq ‚Cr ull IO ur ‚0@ usl SIQ ‚OF ucl 01 LO | ‚€ usLSslq ‚05 ug] | mr vonyeoyy ‚OF u IL 10809 07 ; ‚Tull ‚[ersgfeuapondg 0 60 , ‚0su0l "973ugu1 zZ { &0 ‚Or ull op ur [Q WOSgISTWDAmp 030 goymploaL]) „ST ugl -794 oe WU yDIS OM ;& all SIq ‚08 ull uoa wUulogosıg 88 u@l 0 0 ‚OT usLstq ,Sousl|‘,9P ulT SIq Yopuosod 1 i ‚de ull ur 3 0 [fetnau 9 USE WP UT ‚CO ya -ge 9pana pun [oJSHfeUOPp rL 10 ‚gs ull JAN F9SUTd en } 001 sent PP UT ‚CO ucl ONCE OP Ur [IQ Sodnpıs 0 “OEUTITSG ‚Tun . \ r) 3 -9Y OgOSI[eN[e WNUOPONKT -gomp uaryosio ,08 ull 0 r0 \ ET alLSstq ‚60 ull wj yosıpeyfe yoeayds "JIENFIFDID STOUNON UATELNIT UM9 HG UASe UOp Ur ‚00 TE ‚00 yz] un :permauuase N — 30 ‚co vol "gOsıpey[e wnU9pondg - CEO 00T wr vogyeog üe ‚OG u ILUOA = 80 ‚08 uILSIq ‚gg IL | u pun uose um uonmeoy IE °0 ‚SF uoL SA ‚88 uOlL u) UL SIO wo») UI ws UL SIO wa) UI 4 -1OPUOSOLL soypes & ‘popuosoäde soypes‘ Gesutaauen * | LEER seauug 7 ug len omg 82 sop aduo]L |SIPIDUON sop oFuopt 'sop duo ZIGI weniqof'T moA yonsıoA II6I 9q04yO 'L WOA yansıaoA *[OUyoN WOTELnIU Jrur sumuspondg sop Sunpndsoq X 91194®L Zur Frage über den Mechanismus der Wirkung des Fettes etc. 3937 Eine sehr unbedeutende Beschleunigung der Pankreassekretion (anstatt 0,2—0,3 eem pro Viertelstunde 0,5 ecm) war 35 Minuten seit Beeinn der Öleinführung in den Magen, eine merklichere (0,5 cem pro Viertelstunde) nach 50 Minuten wahrzunehmen. Doch muss hervorgehoben werden, dass um eben jene Zeit (12h 50’) der Mageninhalt zum erstenmal nach der Einführung gemessen und hierbei sowohl seine Reaktion wie auch die Reaktion der Magen- wände untersucht wurde. Es ergab sich, dass die Reaktion des Öls (auf Lackmus) neutral, die der Magenwände hingegen in der Nähe der Fistel alkalisch, in grösserer Tiefe (soweit man mit einer langen Pinzette hineinlangen konnte) bereits sauer war. Folelich fiel sowohl bei diesem als auch beim vorhergehenden eine merklichere Be- schleunigung der Pankreassekreation mit dem Eintritt einer sauren Reaktion im Magen zusammen. Somit sind die Voraussetzungen für die Wirkungen neutralen Fettes auf das Pankreas verschieden, je nachdem ob eine Bespülung des Darmes damit stattfindet oder das Fett längere Zeit im Darm verbleibt. Während im ersteren Falle die Absonderung des Pankreassaftes sehr schwach ist und ziemlich spät eintritt, wobei eine Beteiligung der Magensaftsäure nicht ausgeschlossen ist, kann sie im zweiten Falle bereits 4 bis 5 Minuten nach dem Übertritt des neutralen Öls in den Zwölf- fingerdarm wahrgenommen werden. Doch vielleicht sind überhaupt bei den Versuchen mit Bespülung des Zwölffingerdarmes die Bedingungen für die Wirkungen eines Erregers der Pankreassekretion in dem Maasse ungünstig, dass selbst ihre unbestrittenen Erreger sich als unwirksam erweisen. Um über diese Frage Gewissheit zu erlangen, stellten wir Versuche an mit Bespülung des Darmes vermittelst einer 2°/oigen Lösung Natrium oleinieum (Tab. XI, Versuch vom 3. Januar) und einer 0,2 /oigen sowie 0,25 /oigen Salzsäurelösung (Tab. X, Versuch vom 7. Oktober, und Tab. XI, Versuch vom 16. Januar). Versuche mit Oleinsäure wurden von uns leider nieht vorgenommen. Die in einer Quantität von 100 eem in den Magen eingeführte Seife erschien in der Duodenalfistel bereits nach Verlauf von 3 Minuten, die Pankreassekretion begann jedoch erst 11 Minuten nach diesem Zeitpunkt. Sie trat nur in mässigen Grenzen auf (Maximum pro Viertelstunde 1,1 cem) und hielt sich während der ganzen Zeit der Seifenabsonderung aus der Duodenalfistel und noch darüber hinaus B. P. Babkin und Hidetsurumaru Ishikawa 328 "UISSLIIFSNEIAU NONSISSHLT u9Iq1BJ98 ydıunıd uoAaNeSs JeOUuId wa) CZ uaseN wop suY (01 Se cyuf ‚oIsodurd YonsıoA ‚CI ul 001 78177 ‚OL ul Ayo1S2108 ie 051 8’& | ‚SO ul Sta ‚00 ul A9P SNK ONSISSNITUOL Y ? } a oaon uusoag 766 De J8%8 ‚0 J yoeu ‘uıpf G UBNSIO uop en ve,0r | ‚eu = UI SULS UOLIOANISSEIINULA [ ST | ‚08 uslsid,, do. 5 3,4 15 0,22 3,12 schwach |) 8 „ do. J alkalisch 1,5 15 0,10 4,12 (| u. sauer N 0,25 %/o Salzsäure sauer 4 15 0,56 1,90 Wir nehmen von einer eingehenderen Erörterung der angeführten Daten Abstand, da in vielen Fällen, wie aus der dritten Rubrik von Tab. XII ersichtlich, die Pankreassekretion nicht bei alkalischer, 1) Alle auf Tab. XII angeführten Versuche finden sich an früheren Stellen im Text oder in vorhergehenden Tabellen, ausser den beiden Versuchen vom 16. und 23. Januar mit neutralem Öl. 23 339 B. P. Babkin und Hidetsurumaru Ishikawa: vielmehr bei saurer Reaktion im Magen vor sieh ging. Mit andern Worten, die Möglichkeit war nicht ausgeschlossen, dass sich ein neuer Erreger der Bauchspeicheldrüse — die Salzsäure des Magen- saftes —, wenn auch nur in sehr unbedeutender Quantität, beigesellte. Obwohl auch unter diesen Bedingungen (vgl. Versuch vom 16. Januar mit neutralem Öl) der Gehalt an festen Bestandteilen für den in Frage kommenden Erreger typisch blieb, vermochte nichtsdestoweniger in einigen Fällen, wie beispielsweise beim Versuch vom 24. Februar mit Oleinsäure, das Hinzutreten der Salzsäure ihre Menge um einiges zu verringern. Zwecks genauer Feststellung der Wechsel- beziehung zwischen dem Erreger und dem Gehalt an festen Bestand- teilen bzw. Fermenten im Pankreassaft muss man zu einer anderen Anordnung der Versuche schreiten, bei der die Möglichkeit einer summarischen Wirkung zweier oder mehr Erreger ausgeschlossen ist [Babkin und Sawitsch')]. In gleicher Weise wie bei den Versuchen unserer Vorgänger Bylina?) und Smirnow?°) erniedrigte auch bei uns in einer Quantität von 0,005 g subkutan injiziertes Atropin den Gehalt an festen Substanzen in dem auf Emulsion aus neutralem Öl, Natrium oleinieum und Oleinsäure erhaltenen Pankreassaft. Jedoch war, wie Tab. XII (S. 333) zeigt, bei unseren Versuchen diese Erniedrigung nicht so beträchtlich wie bei unseren Vorgängern ; dies erklärt sich damit, dass bei unseren Versuchen die Schnelligkeit der Saftabsonderung weit weniger bedeutend war als bei ihnen. Ausserdem konnten bei so langsamer Absonderung des Saftes die ersten Portionen stets in den Gängen zur Stauung gelangten Saft enthalten, der noch vor der Atropinvereiftung aus den Drüsenzellen abgesondert worden war. Was den Versuch vom 7. April mit Natrium oleinieum anbetrifft, so muss in Betracht gezogen werden, dass die Vergiftung mit Atropin schwächer war als in den übrigen Fällen (siehe Kapitel V). Folglich verringert bei unseren Versuchen die sub- kutane Injektion von 0,005 g Atropin beim Tiere den Gehalt an festen Bestandteilen im Pankreassaft. 1) B. P. Babkin und W.W. Sawitsch, Zur Frage über den Gehalt an festen Bestandteilen in dem auf verschiedene Sekretionserreger erhaltenen pankrea- tischen Saft. Hoppe-Seyler’s Zeitschr. f. physiol. Chemie Bd. 56 S. 321. 2) A. S. Bylina, Normale Pankreassekretion als Synthese von nervösem und humoralem Einfluss. Pflüger’s Arch. Bd. 142 5. 531. 3) A. J. Smirnow,ll c. Zur Frage über den Mechanismus der Wirkung des Fettes etc. 333 Tabelle XIH. Menge der festen Substanzen in dem auf verschiedene Erreger erzielten Pankreassaft nach subkutaner Atropininjektion beim Hund. : 0... | Fester Menge Sekre- ne Rück- Versuch Reaktion ie tions keit. stand Erreger ; Pankreas- Wieviel in 1912 imMagen| „aftes |dauer | Kubikzenti-| 100. ccm meter Saft cem Min. | in I Min. g 11. Jan. | Emulsion neutralen öss| alkalisch 2,3 60 0,04 4,25 11°); a „do. N al 15 0,07 2,51 oige Lös. Natrium < 7. Aprilf en ; 13 302 1270.04. 1554 Fra sin aa: 8 h " 1,4 3 0,05 4,09 äurelös. ; 13°, { Tor a \ sauer | 5,0 so | om | 39 e 2%/oige Oleinsäurelös. . i 19%, { an Nalkalisch 1,9: (045 | 00050 058 2°%/oige Oleinsäurelös. I32, + 0,5°%/0 NagC0; 5 1,6 30 0,05 3,94 | nach Atropin | IX. Schlussbemerkungen. Auf Grund obiger Ausführungen können wir zu folgenden Schluss- folgerungen gelangen: Neutrales Fett wird beim Eintritt in den Zwölffingerdarm hier rasch unter dem Einfluss der Verdauungssäfte einem Zersetzungs- prozess unterworfen, wobei in der zur Bildung gelangenden Mischung sowohl Seifen als auch aller Wahrscheinlichkeit nach ebenfalls Fett- säuren vorhanden sind. Diese wie jene erscheinen als enereische Erreger der Pankreassekretion. Fettsäureu, wie z. B. die Oleinsäure, wirken auf die Bauchspeicheldrüse aller Wahrscheinlichkeit nach durch Vermittlung der Nerven ein, Seifen resp. Natrium oleinicum sowohl durch die Nerven als humoral. Die Absonderung fester Substanzen und Fermente durch die Drüse bei Seife ist ein Reflex; die Anregung der Sekretion der flüssigen Bestandteile des Saftes wird in erster Linie höchstwahrscheinlich dureh das Blut vermittelt. Möglich, dass das Anfangsmoment der Pankreassekretion durch neutrales Fett an sich bedingt wird, das Vorhandensein des letzteren im Duodenum dagegen führt zur Ansammlung fester Substanzen und Fermente im Saft. Ergibt eine chemische Untersuchung der Verwandlungsprodukte des neutralen Fettes im Duodenum, dass neben Seifen im Darm- 334 B.P. Babkin und Hidetsurumaru Ishikawa: Zur Frage etc. inhalt auch Fettsäuren vorhanden sind, dann wird man nicht umhin können, sich einer vermittelnden Auffassung anzuschliessen, nach der der safttreibende Fffekt des Fettes hauptsächlich auf die aus diesem zur Bildung gelangenden Fettsäuren und Seifen zurückzuführen ist }). 1) Als die vorliegende Arbeit bereits niedergeschrieben war, erschien in Hoppe-Seyler’s Zeitschrift für physiologische Chemie Bd. 78 S. 464 eine Arbeit von O. Cohnheim und Ph. Klee, „Zur Physiologie des Pankreas“. Die Autoren untersuchten die Absonderung des Pankreassaftes und der Galle an Duodenalfistelhunden bei verschiedenen Erregern; unter anderem fanden sie hinsichtlich des Fettes, dass in den Zwölffingerdarm eingespritztes Öl eine unbedeutende Absonderung des Pankreassaftes (in nicht höherem Masse als Wasser) hervorruft, dagegen Seifen eine starke safttreibende Wirkung ausüben. Hieraus schlossen sie, dass das Fett auf die Bauchspeicheldrüse hauptsächlich vermittelst der aus ihm zur Bildung gelangenden Seifen einwirkt. 339 (Aus der physiologischen Abteilung des Instituts für experimentelle Medizin zu St. Petersburg.) Einiges zur Frage über die periodische Arbeit des Verdauungskanals. Von B.P. Babkin und Hidetsurumaru Ishikawa (Japan). I. Einleitendes. Die periodische Arbeit des Verdauungskanals, auf die zuallererst Schirokich!) und Tscheschkow?°) hinwiesen, die dann von Boldyrew°) einem eingehenden Studium unterworfen wurde und endlich in den Untersuchungen von Katznelson‘) und Edel- man°) eine detaillierte Bearbeitung gefunden hat, wurde von den genannten Autoren in der Regel bei leerem Magen und Duodenum beobachtet. Im Verlauf unserer gemeinsamen Arbeit (Pflüger’s Arch. Bd. 147 S.288) hinsichtlich des Einflusses von neutralem Öl und den Produkten seiner Spaltung und Verwandlung auf die Pankreassekretion ver- mochten wir die Erscheinungen einer periodischen Arbeit nicht nur bei leerem Magen und Zwölffingerdarm, sondern auch in dem Falle zu beobachten, wo in diesen letzteren geringe Quantitäten der von uns untersuchten Flüssigkeiten eingeführt wurden. Freilich finden 1)P. O0. Schirokich, Zur Frage über den Speiseübertritt aus dem Magen in die Därme. Protokolle des 11. Kongresses russischer Naturforscher und Ärzte S. 488. 1901. | 2) A. M. Tscheschkow, Ein Jahr und sieben Monate aus der Lebens- zeit eines Hundes nach gleichzeitiger Ausschneidung beider Nn. vagi am Halse. Dissert. St. Petersburg 1902. 3) W. N. Boldyrew, Periodische Arbeit des Verdauungsapparats bei leerem Magen. Dissert. St. Petersburg 1904. 4) L. S. Kaznelson, Normale und pathologische reflektorische Erregbar- keit der Schleimhaut des Zwölffingerdarms. Dissert. St. Petersburg 1904. 5) J. A. Edelman, Bewegungen des Magens und Übertritt des Inhalts aus dem Magen in die Därme. Dissert. St. Petersburg 1906. 336 B. P. Babkin und Hidetsurumaru Ishikawa: sich bei Boldyrew!) Hinweise darauf, dass weder Wasser, noch Pankreassaft, noch neutrales Öl, wenn man sie in den Zwölffinger- darm einführt, im Gegensatz zu verschiedenen Säuren und unter anderem auch der Oleinsäure die periodische Arbeit des Verdauungs- kanals zum Stillstand bringt; doch da bei unseren Versuchen sich einige neue Tatsachen ergaben, und da unsere Beobachtungen in methodischer Beziehung von Wichtigkeit sind, so möchten wir uns erlauben, diese mitzuteilen. II. Methodik. Die vorliegenden Untersuchungen wurden an demselben Hunde und bei Anwendung eben jener Methodik vorgenommen, deren wir uns auch bei unserer vorhergehenden Arbeit: „Zur Frage über die Wirkung des Fettes als sekretorischen Erregers der Bauchspeichel- drüse“ bedient hatten (Pflüger’s Arch. Bd. 147 S. 288). Es muss nur bemerkt werden, dass der Hund gegen 9 Uhr morgens in das Gestell gebracht, die Magen- und Duodenalfistel geöffnet und der Magen mit warmem Wasser ausgespült wurde. Gegen 10 Uhr morgens begannen wir unsere Beobachtungen. In das Zimmer, in dem wir unsere Versuche an dem Hunde anstellten, wurde niemand (auch nicht einmal der Diener) hereingelassen, um somit die Möglichkeit des Eintritts einer reflektorischen („psychischen“) Magensaftsekretion auszuschliessen. III. Periodische Arbeit des Verdauungskanals bei leerem Magen und Duodenum. In vollem Einklang mit den bisherigen Forschern, die sich mit eben dieser Frage beschäftigt haben, können wir die Behauptung aufstellen, dass eine periodische Arbeit des Verdauungskanals bei leerem Magen und Duodenum vorhanden ist; sie geht sowohl bei alkalischer als auch schwach saurer Reaktion der Magenwände vor sich. Versuche mit Aussetzung der periodischen Arbeit bei reich- licher Absonderung des Magensaftes wurden von uns nicht vor- genommen. Als Beispiel führen wir den nachfolgenden Versuch vom 17. Fe- bruar 1912 an. 1) W. Boldyrew, Einige neue Seiten der Tätigkeit des Pankreas. Er- gebnisse der Physiol. XI. Jahrg. 1911 S. 201. Einiges zur Frage über die periodische Arbeit des Verdauungskanals. 337 Versuch vom 17. Februar 1912. Der Hund wurde gegen 9h morgens in das Gestell gebracht. ‚warmem Wasser ausgespült. Magen- und Duodenalfistel geöffnet. Magen mit Beginn des Versuches 10h 20’, Um diese Zeit beobachteten wir: Bewegung des Magens, schwach saure Reaktion in diesem und Herausfliessen von Schleim, Galle und anderen sich in den Zwölffingerdarm ergiessenden Säften aus der Duodenalfistel; Reaktion in dieser letzteren alkalisch. 10h 25’ bis 10b 30’ lassen alle Erschei- nungen nach. Mithin beobachteten wir gerade das Ende der periodischen Arbeit. Der weitere Verlauf des Versuches ist folgender: Magen 10h 25’ Reaktion schwach sauer. Schwache Bewegungen. 10h 40’ Magen im Zustande der Ruhe. Reaktion darin schwach sauer. 105 55’ Reaktion schwach alkalisch. 115 10’ Reaktion aikalisch. 11h 25’ „ 5 lin , ; 11h 52’ schwache Kon- traktionen des Magens. 11h55’ Magenkontraktionen stärker. Reaktion im Magen alkalisch. 12b 00’ Magenkontrak- tionen. Aus der Fistel - sondert sich Schleim ab. Reaktion alkalisch. 12h 10’ idem. 12h 17’ idem. Hund leckt sich. 12h 25’ Magenkontrak- tionen schwächer. Re- aktionimMagenalkalisch. 12h 30’ Bewegungen des Magens lassen nach, Re- aktionimMagenalkalisch. 12h 40’ Reaktion im Magen alkalisch. 12h 55’ idem. 11h 95; Duodenum 10h 25’ wird aus der Fistel in unbedeutend. Menge Schieim, Galle usw. abgesondert. Re- aktion im Darm alkalisch. 10h 40’ keine Absonderung aus: der Fistel. Reaktion alkalisch. 10h 55’ Reaktion alkalisch. me ag mess 2 12h 05’ beginnt aus der Fistel eine trübe, weissliche Flüssig- keit ohne Beimischung von Galle zu fliessen, Reaktion alkalisch. 12h 10’ idem. 12h 16’ die sich aus der Fistel absondernde Flüssigkeit mit Galle gefärbt. Von Zeit zu Zeit ein Knurren hörbar. Reaktion alkalisch. 12h 22’. Aus der Fistel ge- langen jetzt zur Absonderung Schleim, Speichel, Galle usw. Reaktion alkalisch. 12h 24’ bis 12h 25’ Beimengung von Galle findet jetzt nur in geringem Umfange statt. Re- aktion im Darm alkalisch, 12h 30’. Von diesem Zeitpunkt an bleibt jede Absonderung aus. KHReaktion im Darm alkalisch. 12h 40’ Reaktion alkalisch. G <=} pa. 9” » b) Bauchspeicheldrüse 10h 25’ bis 10’40 : 0,1 ccm Saft. 10h 40’ bis 10h 55’: 0,4 ccm. 10h 55’ bis 11h 10’: 0,1 ccm. 11h 10’ bis 11h 25’: 0,4 ccm. 11h 25’ bis 11h 40’: 0,2 ccm. 11h 40’ bis 11h 55": 0,5 cem. 11h 55’ bis 12h 10’: 1,0 ccm. 12h 10’ bis 12h 25’ 1,3 ccm. 12h 25’ bis 121 40’: 0,5 ccm. 12h 40’ bis 12h 55 0,1 ccm. 338 B. P. Babkin und Hidetsurumaru Ishikawa: Genau ebenso wie bei diesem Versuche wurde auch in den übrigen Fällen die periodische Arbeit stets durch Bewegungen des Magens eingeleitet, auf die wir aus den Bewegungen des Fistel- rohres und dem Schleimausfluss aus dem Magen zu schliessen ver- mochten. Nach einiger Zeit begann aus der Duodenalfistel eine weissliche Flüssigkeit von alkalischer Reaktion, offenbar ein Gemisch aus Säften, vornehmlich dem Pankreassaft, jedoch noch ohne Bei- mengung von Galle herauszufliessen. Um diese Zeit trat auch eine Beschleunigung der Sekretion aus der Pankreasfistel ein. Endlich begann sich auch aus der Duodenalfistel Galle abzusondern, der sich bald Schleim (vermutlich aus dem Magen) und dann und wann auch verschluckter Speichel beigesellte. Sämtliche Erscheinungen hielten ca. 30—35 Minuten an und verschwanden dann, um nach Verlauf von 1 Stunde 15 Minuten bis 1 Stunde 30 Minuten wieder von neuem aufzutreten. In dem Falle, wo die Reaktion im Magen alkalisch war, überstieg die Quantität des im Verlauf einer Viertel- stunde aus der Fistel des Pankreasganges zur Absonderung gelangten Pankreassaftes nicht 1,1—1,3 cem. Im entgegengesetzten Falle konnte sie auch grösser sein. Eine Zurückwerfung der sich in den Zwölffingerdarm ergiessenden Säfte in den Magen vermochten wir niemals festzustellen: weder bei geöffneter noch bei geschlossener Duodenalfistel. (Zu diesem Zwecke nahmen wir spezielle Versuche vor.) Möglich, dass diese Erscheinung damit in Zusammenhang stand, dass der grössere Teil des Pankreassaftes nach aussen hin abfloss und folglich im Darm eine geringe Menge Flüssigkeit vorhanden war als unter normalen Umständen. Bei Beobachtung der periodischen Arbeit des Verdauungskanals und insonderheit der Verdauungsdrüsen drängt sich unwillkürlich die Frage auf, was hier auf den Bewegungsakt zurückzuführen ist, und was von der sekretorischen Arbeit der Drüsenzellen selbst ab- hänst. Die periodische Arbeit begann bei unseren Versuchen stets mit Bewegungen des Magens; folglich liegt die Annahme nahe, dass dank der Bewegung des Dünndarms einige Säfte (Brunner ’scher Darmsaft) aus den Falten des Darmkanals ausgepresst wurden, wie dies beispielsweise stets mit dem in beträchtlicher Menge während der periodischen Arbeit zur Absonderung gelangten Magenschleim der Fall zu sein pflegte. Was die Galleabsonderung anbetrifit, so kann man hier, ohne zu weit zu gehen, das Vorhandensein eines Einiges zur Frage über die periodische Arbeit des Verdauungskanals. 339 nervösen Muskelaktes annehmen, der mit bestimmten Bewegungs- erscheinungen des Verdauungskanals in Zusammenhang steht und nur zu einer reichlicheren Absonderung des in den Drüsengängen bereits angesammelten Sekretes führt. Von diesem Gesichtspunkt aus lässt sich auch die periodische Arbeit der Bauchspeicheldrüse erklären, da nach vielen Autoren in den Wandungen der Ausführungs- gänge des Pankreas bei verschiedenen Säugetieren, unter anderem bei Menschen, Hunden und Katzen, eine lockere Schicht glatter Muskelfasern vorhanden ist). Und wenn gegenwärtig die Teilnahme der sekretorischen Nerven der Bauchspeicheldrüse an der periodischen Arbeit der letzteren noch nicht in Abrede gestellt werden kann, so sprechen doch immerhin einige Beobachtungen eher für ihren passiven als aktiven Charakter. So hören beispielsweise bei Vergiftung des Tieres mit Atropin (subkutane Injektion von 0,005 g schwefelsauren Atropins) die Be- wegungserscheinungen des Magendarmkanals auf, und es ver- schwindet auch die periodische Arbeit der Verdauungsdrüsen. Als Beispiel hierfür kann man die Versuche aus unserer eben zitierten gemeinsamen Arbeit anführen, bei denen nach subkutaner Injektion von Atropin in den Zwölffingerdarm neutrales Mohnöl eingeführt wurde (Tab. III). Beim Versuch vom 25. November vergingen nach der letzten Beschleunigung der Pankreassekretion 2 Stunden 25 Mi nuten, beim Versuch vom 30. Dezember 2 Stunden 10 Minuten, beim Versuch vom 26. Januar 2 Stunden 25 Minuten, während welcher der Pankreassaft, wenn auch ununterbrochen, so doch nur in spärlichem Umfange zur Absonderung gelangte. Eine Ausscheidung von Galle fand sowohl bei diesen wie auch bei den anderen Ver- suchen mit subkutaner Injektion von 0,005 g Atropin nicht statt. Ebenso konnte eine Zurückwerfung, d. h. Bewegungen des Verdauungs- traktes nicht wahrgenommen werden. In der Regel betrug die Pause zwischen zwei Arbeitsperioden, wie bereits erwähnt, 1 Stunde 15 Minuten bis 1 Stunde 30 Minuten. Diese Versuche lassen sich auch in der Weise erklären, dass das Atropin die sekretorischen Nerven der Bauchspeicheldrüse paralysierte und infolgedessen auch die periodische Sekretion des Pankreassaftes aussetzte. Die weiter 1) Siehe E. Laguesse, Le pancreas. Revue general d’histologie t. 1 Fasc. 4 p. 556f. Lyon-Paris 1905. — A. Oppel, Lehrbuch der vergleichenden mikroskopischen Anatomie der Wirbeltiere, 3. Teil, S. 792 u. 796. Jena 1900. 340 B. P. Babkin und Hidetsurumaru Ishikawa: fortdauernde Sekretion muss auf die selbständige Arbeit der Drüsen- zellen zurückgeführt werden. Indes vermochten wir andererseits, was die Menge der festen Substanzen in dem durch die Drüse während der periodischen Arbeit und während der zwischen zwei Perioden liegenden Pause ab- gesonderten Pankreassaft anbetrifft, einen Unterschied nicht zu konstatieren. Wie schon Boldyrew!) dargetan hat, ist die Quantität der festen Substanzen und Fermente im „periodischen“ Pankreassaft sehr bedeutend. Tabelle I bringt die Ergebnisse unserer Untersuchungen. Der feste Rückstand wurde im gemischten Safte, d. h. in dem aus der Bauchspeicheldrüse im Laufe der periodischen Arbeit und während der zwischen zwei Perioden liegenden Pause ausgeschiedenen Saft (natürlich ausserhalb der Verdauung) bestimmt. Tabelle Il. Feste Rückstände in dem bei leerem Magen ausgeschiedenen Pankreassaft. Sekretions- \ „ |Sekre- Schnelle: Prozent Saft- |”. Gehal 8 keit. ehaltan Mu Reaktion im Magen menge TE Wieviel festen Sub- 1912 dauer| Kubik- | stanzen : zentimeter cem | Min. | in 1 Min. g ul Jan: alkalisch 13 45 0,028 5,08 9. Febr.| grösstenteils schwach sauer, gegen | 2,3 90 0,025 5,43 Ende schwach alkalisch lese ,.; die ersten 40 Min. schwach sauer, | 4,3 135 0,031 5,90 darauf alkalisch IT, die ersten 30 Min. schwach sauer, | 4,6 | 150 0,030 5,90 darauf alkalisch DAN, fast andauernd schwach sauer, nur | 5,3 | 165 0,032 6,02 die letzten 15 Min. schwach alkal. 30. März | schwach sauer und nur die letzten | 5,2 9% 0,050 5,16 30 Min. neutral, aber darauf schwach alkalisch Die Schnelligkeit der Pankreassaftabsonderung ist sehr un- bedeutend. Die Schwankungen in der Quantität der festen Sub- stanzen konnten zum Teil von der Reaktion des in den Darm über- tretenden Mageninhalts (hauptsächlich natürlich sauren Schleims) abhängen. 1} W. N. Boldyrew,: Periodische Arbeit des Verdauungsapparats bei leerem Magen. Dissert. St. Petersburg. 1904. Einiges zur Frage über die periodische Arbeit des Verdauungskanals. 341 Tabelle I. Feste Rückstände in dem im Verlaufe der periodischen Arbeit und während der zwischen zwei Perioden liegenden Pause zur Ausscheidung gelangten Pankreassaft. Sekretions-| Prozent- £ : saft- |Sekre-| schnellig- Versuch| Waun gelangte | Meaktion | Saft In | ee | gehalt an 1912 der Saft zur ee menge| dauer Noel festen Sub- tubik- Absonderung’? 5 zontitieter | Stanzen cem | Min. | in 1 Min. g 5. März während der schwach sauer, | 4,3 (8 0,057 6,17 periodisch. Arbeit | dann neutral Da während der neutral, 1,5 45 0,033 6,31 Pause dann sauer . während der sauer 4,7 60 0,070 6,19 ” periodisch. Arbeit . April en derPause| schwach sauer 1,8 60 0,030 6,59 -1 Wie aus Tabelle II ersichtlich, bleibt der Gehalt an festen Sub- stanzen in dem im Verlauf der periodischen Arbeit des Verdauungs- kanals und während der zwischen zwei Perioden liegenden Pause ausgeschiedenen Pankreassaft ein und derselbe, ungeachtet der ver- schiedenen Schnelligkeiten seiner Absecnderung. Man gewinnt den Eindruck, als ob ein und derselbe stets unter gleichen Voraus- setzungen durch die Drüse zur Produktion gelangende Saft bald in grösserer baid in geringerer Quantität abgesondert wird. Es verdient hervorgehoben zu werden, dass sich eine tatsächliche Sekretion der Pepsindrüsen während der periodischen Arbeit niemals feststellen liessen. Wir wiederholen, dass wir diese Erklärung keineswegs als unanfechtbar ansehen: die Frage erheischt offenbar noch weiterer Verarbeitung. Als Abschluss dieses Kapitels bringen wir einen Versuch, aus dem zu ersehen ist, dass die periodische Arbeit des Verdauungs- kanals, und zwar gerade ihr Entstehen, eine von äusseren Einflüssen sehr unabhängige Erscheinung darstellt (vgl. Sehirokich!), Boldyrew°). Wir übten auf die Schleimhaut und die Wandungen des Magens (mit einem Wattetampon auf einer Kornzange) im Laufe von 1Y/’o—2 Minuten einen starken mechanischen Reiz aus, und wenn DEREO2SchiRokich, lc. 2) W. N. Boldyrew, Periodische Arbeit des Verdauungsapparats bei leerem Magen. Dissert. St. Petersburg 1904. 342 B. P. Babkin und Hidetsurumaru Ishikawa: diese Reizung zufällig mit dem Eintritt der periodischen Arbeit nicht zusammenfiel, so blieb sie stets ohne Effekt. Aus einer Reihe analoger Versuche geben wir hier einen (Versuch vom 9. Februar) wieder. Versuch vom 9. Februar 1912. Magen Duodenum Bauchspeicheldrüse 10h 00’ Reaktion sauer. 10h 00’ Reaktion schwach sauer. 10h 15’ Reaktion schwach 10h 15’ Reaktion schwach | 10% 00’ bis 10h 15’: sauer. alkalisch. 0,1 ccm. 105 15’ Reizung des Magens mit einem Wattetampon 1’ 30". 10b 17’ Magenkontrak- | 10% 21’ Knurren. tionen. Fliesst saurer Schleim. 10h 23’ Fliesst Galle usw. 10h 25’ idem. Reaktion | 10h 26’ „ EL, im Magen sauer. IN N: 10h 30’ idem. 10h 30’ Reaktion im Darm | 10h 15’ bis 10h 30’: schwach sauer. Absonde- 1,0 ccm. rung schwächer. 10h 35’ Magenbewegung 10h 35’ fliesst hellere schwächer. Flüssigkeit, 10h 45’ Magen in Ruhe- | 10h 40’ jegliche Absonde- | 10h 30’ bis 10h 45’: zustand. Reaktion darin rung bleibt aus. Reaktion 0,5 ccm. sauer. schwach alkalisch. 11h 00’ Reaktion im Magen | 11h 00’ Reaktion im Duo- | 10h 45’ bis 11h 00’: nicht stark sauer. denum alkalisch. 0,2 cm. 115 00’ Reizung des Magens mit einem Wattetampon 1’ 30”. 11h 10’ Magen in Ruhe- | 11h 12’ Reaktion im Duo- zustand. Reaktion darin denum aikalisch. Abson- schwach alkalisch. derung findet nicht statt. 11h 15’ idem. 11h 15’ idem. 11 00’ bis 11h 15’: 0,2 cem. 11 30’ idem. Reaktion | 11h 30’ idem. 11h 15’ bis 11h 30’: alkalisch. 0,3 ccm. Der Versuch ist insofern lehrreich, als die erste mechanische Reizung des Magens mit dem Beginn der periodischen Arbeit zu- sammenfiei und sie gleichsam hervorrief. Bei nochmaliger Wieder- holung während der Pause blieb die Reizung resultatlos, wie dies auch bei unseren sämtlichen Versuchen der Fall zu sein pflegte. Der Übergang der schwach sauren Reaktion im Magen in eine saure weisst nicht auf eine Sekretion des Magensaftes hin, vielmehr nur auf eine Auspressung desselben aus den Falten der Magenwandung, wo seine Neutralisation durch Schleim noch nicht hatte vor sich Einiges zur Frage über die periodische Arbeit des Verdauungskanals. 348 gehen können. War zu Beginn der periodischen Arbeit die Reaktion im Magen alkalisch, so blieb sie dies auch während ihres gesamten Verlaufs (vgl. den oben angeführten Versuch vom 17. Februar). IV. Periodische Arbeit des Verdauungskanals bei Einführung verschiedener Lösungen in den Zwölffingerdarm. Wie wir bereits oben gesehen haben, wurden bei geschlossener Duodenalfistel die Verdauungsflüssigkeiten im Verlauf der periodischen Arbeit des Magendarmkanals nicht in den Magen zurückgeworfen. Andrerseits riefen die von uns in einer Quantität von 25—35 ccm in das Duodenum eingeführten verschiedenen Flüssigkeiten (neutrales Mohnöl, Oleinsäureemulsion, Mohnölemulsion, Lösungen von Natrium oleinicum; siehe unsere oben zitierte Arbeit) nicht immer sofort die Arbeit der Bauchspeicheldrüse hervor und wurden erst nach Ablauf einer gewissen Zeit in den Magen zurückgeworfen. Als wir die Zeit der letzten periodischen Beschleunigung der Pankreassekretion ‘und Galleabsonderung vor Einführung dieser oder jener Substanz in däs Duodenum mit der Zeit ihrer erneuten Beschleunigung und der Zeit des Erscheinens der Lösung im Magen verglichen, ergab sich, dass sowohl die eine wie die andere bei vielen Versuchen annähernd 1 Stunde 20 Minuten bis 1 Stunde 30 Minuten nach der letzten Periode vor sich geht. Als Beispiele dienen folgende Versuche: Versuch vom 18. Januar 1912. Menge des - Pankreas- Zeit Er Bemerkungen ccm 10% 15’ bis 105 30’ | 0,2 10 15’ Reaktion im Magen sauer, im Duo- 10h45’| 0,3 12 denum alkalisch. 11 00’| 0,3 , 11h 15’| 0,4 11% 15’ bis 11h 30’ | 0,3 11h 40’ Beginn der Magenbewegungen. 11h 11h 45’| 0,2 45’ Knurren im Darm, aus der Darmfistel 12h 00’ | 1,6 kommen Schleim und Speichel. 11h 50’ 12h 15’| 0,3 fliesst aus der DarmfistelG@alleusw. Reak- = tion im Magen sauer, im Duodenum schwach alkalisch. 12% 15’ bis 12h 30’ Sn mn mu mn me DD Ne} 0,5 Gegen 12h 15’ Ende der periodischen Arbeit. 12h 45’| 0,1 09 Reaktion im Magen schwach sauer, im Duo- 1 00’|I 0,2 ? denum alkalisch. Um 1h 00’ Reaktion im 1721572 1770,1 Magen schwach alkalisch. 344 B. P. Babkin und Hidetsurumaru Ishikawa: Menge des Pankreas- saftes cum Zeit Bemerkungen 1b 15’ bis 1b 40’ Einführung von 25 cem Emulsion neutralen Öls in das ‘ _Duodenum (1 cem in jeder Minute). 1h 15’ bis Ih 30’ 0,91 Beginn der Pankreassekretion um 1h 21’. Zu- 1h 45’ 2,7 lo > rückwerfung der Emulsion in geringer 2h 00’ | % Quantität um 1h 40’, 1h 42', 1h 44’, 1h 51’. 2h 15’ 1,5 Alkalische Reaktion im Magen in saure übergegangen um 2h 13. Bei diesem Versuch erreichte die periodische Beschleunigung der Pankreassekretion ihre Maximalhöhe zwischen 11 Uhr 45 Minuten und 12 Uhr. Die Beschleunigung der Pankreassaftabsonderung nach Einführung der Emulsion in den Darm begann im Laufe der ersten Viertelstunde zwischen 1 Uhr 21 Minuten und 1 Uhr 30 M“nuten, d. h. annähernd 1'/s Stunde nach der letzten Periode. Mit änderen Worten, die Einführung der Emulsion in den Darm fiel mit dem Beginn der periodischen Arbeit zusammen. Wir lassen einen weiteren Versuch folgen, bei welchem mit der Einführung von 25 ccm einer 20 /oigen ÖOleinsäureemulsion in den Zwöltfingerdarm bald nach Beendigung der periodischen Arbeit be- gonnen wurde und die Wirkung der Oleinsäure um fast ®/4 Stunde hingehalten wurde. Versuch vom 11. Februar 1912. Menge des Pankreas- saftes ccm Zeit Bemerkungen 10h 05’ bis 10h 20’ | 0,1) 10h 05’ Reaktion im Magen sauer. Aus der 10h 355’ I go! 12 Duodenalfistel fliesst in geringer Quantität 1047507 170,262 eine mit Galle gefärbte Flüssigkeit. Gegen 10h 05’ | 0,8) 10h 10’ hört "dieses Herausfliessen auf. Reaktion im Darm schwach alkalisch, darauf alkalisch. Reaktion im Magen 10h 50’ neutral, 11h 15’ schwach alkalisch. 115 05’ bis 11h 20’ | 0,2) 11& 25’ bis 114 30’ Bewegungen des Magens, 11h 35’ 1,1 28 Ausscheidung von Schleim. Reaktion im 11%,50'.| 0,217 Magen schwach alkalisch. 11h 38’ fliesst 125 05’ | 0,8 aus der Darmfistel Galle usw. mit Unter- brechungen bis 12h 03’. Gegen 11h 50’ bis 11h 55’ hören die Magenbewegungen auf. Reaktion im Magen und Duodenum alkalisch. 12h 05’ bis 12h 20’ 0,3 | Einiges zur Frage über die periodische Arbeit des Verdauungskanals. 345 Menge des Pankreas- saftes ccm Zeit Bemerkungen 12h 25’ bis 12h 48’ wurde eine 20%oige Oleinsäureemulsion in einer Quantität von 25 eem (je 1 ccm in der Minute) eingeführt. 12h 23’ bis 12h 38’ [| 02) 12h 47’ Zurückwerfung einer Flüssigkeit von 1253! 0,4 | 37 schwach saurer Reaktion; 12h 51’ idem; 14 08’ | 0,6 RR 12h 53’ idem; 12h 57’ idem, doch in ge- 1h 23’| 235 ringerem Umfange. 1h 05’ bis Ih 08’ Be- f hleunigung der Pankreassekretion. 14 17’ hoar1:c Ih agr 9 schleunigung der Pankreassekretion. is nr a ra Zuriekweriung von Galle. 14 20’ starkes Fliessen von Galle 1h 21’ Reaktion der Magenwände geht aus alkalischer in schwach saure und von 15h 23’ an in saure über. Zurückweriung von Galle dauert fort. 1h 29’ mengt sich der Galle eine weiss- liche Oleinsäureemulsion bei. 1h 38’ tröpfelt Magensaft usw. Bei diesem Versuche konnten wir dreimal eine periodische Arbeit des Verdauungskanals beobachten: zweimal bei leerem Magen und Duodenum (gegen 10 Uhr 5 Minuten Ende der ersten, zwischen ll Uhr 25 Minuten und 12 Uhr der zweiten Periode) und einmal während der Zeit, als sich die Oleinsäureemulsion bereits im Darm befand (1 Uhr 5 Minuten Beschleunigung der Pankreassekretion, 1 Uhr 17 Minuten Zurückwerfung von Galle in den Magen). Die Pause zwischen der ersten und zweiten Periode dauerte etwa 1 Stunde 20 Minuten, zwischen der zweiten und dritten (wenn man den Zeitpunkt der Beendigung der Magenkontraktionen 1l Uhr 50 Minuten bis 11 Uhr 55 Minuten und den der Beschleunigung der Pankreassekretion 1 Uhr 5 Minuten bis 1 Uhr 8 Minuten in Betracht zieht) ea. 1 Stunde 15 Minuten. Endlich sei hier noch ein Versuch mit Einführung von neutralem Mohnöl in den Zwölffingerdarm wiedergegeben. Versuch vom 23, Januar 1912. Menge des Zeit Pankreas- alles Bemerkungen 10h 00’ bis 10h 15’ | 0,0% 10h 00’ Reaktion im Magen und Duodenum 10h 30’ | 0,61 0 alkalisch. 10h 20’ bis 10h 45’ Magen- 10h 45’ 0,4 f ? bewegungen, Absonderung von Schleim aus 11h 00'’| 0,2) dem Magen, von Pankreassaft, Galle usw. aus dem Duodenum. 11h 00’ Reaktion durchweg alkalisch. Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd. 147. 24 346 B. P. Babkin und Hidetsurumaru Ishikawa: BEDEURWEENAEEUNUEEL BIER. E .3 112. 11719 Ep SEEenRge ee BEE ENEEESEEEHEEREREE Menge des Pankreas- saftes ccm Zeit Bemerkungen 11h 00’ bis 11% 25’ wurde in das Duodenum neutrales Mohnöl in einer Quantiät von 25 eem (1 cem in jeder Minute) eingeführt. 11h 00’ bis 11 15’| 0) An reinem Ol wird in den Magen zurück- 112 30'| 0210, geworfen: 1lh 45’ | ? von 11h 40’ bis 11h 45’: 4 ccm 12h 00’| 0,3 11h 50° „» Ih 55r.5 ., 11h 55’ ) 12% 00’: 21/a’ccm Insgesamt gegen 15 ccm. ” | Sn as ” 125 00’ bis 12h 15’ | 1,0) Von 12h 00’ an hörte die Zurückwerfung auf, 12h 30’ | I en und es begann eine Beschleunigung der 122.451 28% Pankreassekretion.e Von 12h 23’ an aber- 1 00’I 1 malige Zurückwerfung, aber bereits einer Ölemulsion, mit Galle gefärbt, und von Zeit zu Zeit einer durchsichtigen gelben Flüssigkeit. Im ganzen bis 12h 45’ 15 ccm alkalischer Reaktion. Erst um 12h 47’ begann die Reaktion im Magen in eine schwach saure und darauf in eine saure überzugehen. Von 12h 57’ an sondert sich Magensaft ab. Von 12h 45’ bis Ih 00’ 20 ccm Flüssigkeit saurer Reaktion. Um 1h 00’ Versuch eingestellt. Reaktion im Magen sauer, im Duodenum neutral. Bei diesem Versuch fand die periodische Arbeit bei leerem Magen und Duodenum zwischen 10 Stunden 20 Minuten und 10 Stunden 45 Minuten statt. Etwa 1 Stunde nach ihrem Auf- hören um 11 Stunden 40 Minuten stellten sich Bewegungen des Darmes und Magens ein, und das zuvor in den Darm eingeführte Öl (11 Uhr bis 11 Uhr 25 Minuten) begann in unzersetzbarer Form aus dem Magen ausgeschieden zu werden. Erst um 12 Uhr, d. h. 1 Stunde 15 Minuten nach Beendigung der periodischen Arbeit begann eine reichlichere Absonderung des Pankreassaftes. Somit fiel auch bei unserem Versuche die Beschleunigung der Pankreas- absonderung nach Einführung von Öl in den Zwölffingerdarm mit der Zeit der periodischen Arbeit zusammen. (Der Versuch gewinnt auch deswegen an Interesse, weil 1. neutrales Öl aus dem Darm in den Magen im Laufe von 20 Minuten übertrat und keine Be- schleunigung der Pankreassekretion bervorrief sowie 2. die saure Reaktion im Magen erst 19 Minuten nach dem Frscheinen einer mit Galle gefärbten Emulsion darin eintrat; in der Regel riefen die Einiges zur Frage über die periodische Arbeit des Verdauungskanals. 347 Produkte der Fettspaltung und die Galle bereits nach 3—4 Minuten eine Absonderung des Magensaftes hervor. Offenbar trat hier der hemmende Einfluss des Fettes auf die Magensaftabsonderung in die Erscheinung). Die aufgezählten Erscheinungen beobachteten wir gewöhnlich bei Einführung von 25 cem dieser oder jener Substanz in den Zwölffingerdarm. Bei Einführung grösserer Quantitäten Flüssigkeit und besonders auf einmal (z. B. 50 ecm) waren die Erscheinungen andrer Art. Erstens zeigte sich die Flüssigkeit schon sehr bald nach ihrer Einführung im Magen. (Vgl. Versuch vom 19. Dezember 1905 in der Arbeit von Edelman S. 101.) Da diese Erscheinung auch bei Vergiftung des Tieres mit einer geringen Dosis Atropin beobachtet wurde (vgl. z. B. Versuch vom 28. Februar 1912 in unserer gemein- samen Arbeit [Pflüger’s Arch. Bd. 147 S. 304]), so kann man hier schwerlich von einer aktiven Zurückwerfung der Lösung aus dem Duo- denum in den Magen sprechen: offenbar floss die Flüssigkeit aus dem Darm durch den geschwächten Pylorus einfach heraus. Somit muss man diesen Übertritt des Inhalts aus dem Zwölffingerdarm in den Magen von seiner Zurückwerfung in diesen während der periodischen Arbeit und unter anderen Umständen unterscheiden. Zweitens nahm die Absonderung des Pankreassaftes bedeutend früher ihren Anfang (vgl. in der erwähnten Arbeit von uns die Versuche mit Natrium oleinicum und ÖOleinsäure). Folglich be- schleunigte die Einwirkung dieses oder jenes Reizmittels auf eine grössere Fläche des Darms den Beginn der Arbeit der Bauchspeichel- .drüse. Bei den Versuchen mit Einführung grösserer Quantitäten von Flüssigkeiten und auf einmal in das Duodenum verbreiteten wir nalürlich selber diese oder jene Substanz über die Darmwandungen, bei den Versuchen mit Einführung kleinerer Mengen Flüssigkeit verrichtete eben dasselbe der Darm. (Unter den von uns angewendeten Reizmitteln bildet eine Ausnahme neutrales Fett, das auch bei seiner Einführung in den Darm in einer Quantität von 50 eem ziemlich spät zu wirken begann.) Da die bei Einwirkung unserer Reizmittel zur Absonderung ge- langende Pankreassaftmenge den bei periodischer Arbeit erzielten Saftbetrag — bisweilen sogar um viele Male — übersteigt, so waren wir offensichtlich berechtigt, mit ihr bei unseren Versuchen nicht zu rechnen. Nur in einigen Fällen bestimmte sie das Anfangsmoment der Pankreassekretion. 24 * 348 B.P. Babkin und Hidetsurumaru Ishikawa: Einiges zur Frage etc. Hiernach ergibt sich aus unseren Versuchen, dass die peri- odische Arbeit des Verdauungskanals nicht nur bei leerem Magen und Duodenum, sondern auch in dem Falle vor sich geht, wenn in den Zwölffingerdarm eine nicht grosse Quantität (25 cem) neutralen Fettes oder der Produkte seiner Spaltung und Verwandlung ein- geführt wird. 349 Untersuchungen über die Atemzentrentätigkeit bei den Insekten. I. Uber die Physiologie der Atemzentren von Dytiscus, mit Bemerkungen über die Ventilation des Tracheensystems. Von Prof. Dr. Edward Babäk, Prag. Unter der Mitwirkung von stud. med. J. Hepner. (Mit 5 Textfiguren.) I. Einleitung. In einer Reihe von Arbeiten, die wir von der experimentellen Seite teilweise schon fertig haben, wollen wir die Physiologie der Atemzentren der Insekten behandeln. Schon die bisher gemachten Erfahrungen zeugen davon, dass Hand in Hand mit den gewaltigen morphologischen und ökologischen Unterschieden der verschiedenen Insektengruppen weitgehende Differenzierungen der Funktionen des Zentralnervensystems bestehen; insbesondere die Atemeinrich- tungen und die Regulationen der Atemtätigkeit sind ausserordentlich mannigfaltig, wie ich dies eingehend in der dem- nächst zu erscheinenden Zusammenfassung „Die Mechanik und Innervation der Atmung“ in Winterstein’s Handbuch der vergleichenden Physiologie dargelegt habe. Ich stehe davon ab, den bisherigen Stand der Kenntnisse auf dieser Stelle im allgemeinen zu schildern, und verweise teils auf die angeführte Abhandlung, teils auf die in den folgenden Monographien angeführten speziellen Abschnitte. Es wird am Platze sein, erst später einmal, besonders auch auf Grund der durch unsere Arbeiten stattgefundenen Fortschritte, die allgemeine Lehre von der Physiologie der Atemzentren der Insekten zu formulieren. Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd. 147. 25. 350 Edward Babäk: II. Bisherige Kenntnisse über die Atembewegungen der Dytisciden. Die Dytisciden (Schwimmkäfer) sind eine dem Wasserleben voll- kommen angepasste Käferfamilie; sie zeichnen sich durch äusserst ge- wandte Schwimmbewegungen aus, zum Unterschiede von den Hydro- philiden („Wasserkäfern“), mit denen man sie mit Unrecht noch heutzutage oft zusammenbringt: denn es bestehen zwischen diesen beiden Coleopterenfamilien wesentliche morphologische Unterschiede, so dass man sie zu zwei verschiedenen Unterordnungen (Adephagen— Polyphagen) zählt; ihre physiologischen Eigenschaften weichen ebenfalls oft wesentlich voneinander ab (z. B. gleich die Art der Luft- aufnahme aus der Atmosphäre). Von Zeit zu Zeit begeben sich die Dytisciden zur Wasserober- fläche, um ihr Tracheensystem zu ventilieren und einen frischen Luftvorrat in den geräumigen Behälter unter den Flügeldecken zu schöpfen. Das betreffende Verhalten der Dytiseiden hat schon der alte gute Beobachter Nitzsch!), zuletzt eingehend R. du Bois- Reymond?) beschrieben, wie ich dies ausführlich auch in meiner oben zitierten Zusammenfassung vorführe. Ich beschränke mich hier auf einige für das Verständnis der weiterfolgenden Untersuchungs- ergebnisse nötigen Sätze. An die Wasseroberfläche angelangt, öffnet der daselbst mit der Hinterleibsspitze tastende Käfer eine Spalte zwischen den Flügeldecken und dem Abdomen: vor der Be- rührung der obersten Wasserschicht sehen wir da den alten silber- glänzenden Luftvorrat; es kommt dann eine Artvon „inspiratorischer Schluckbewegung“ zustande, indem einerseits die Tereitenfläche des Abdomens exspiratorisch niedersinkt und so den Rückenraum unter den Flügeldecken vergrössert (zugleich wird allerdings aus den dorsal liegenden Stigmen, insbesondere wohl aus den zwei mächtigen distalen Stigmenpaaren, ein Teil der in den grossen Tracheen befindlichen Luft entleert); anderseits wird die Abdomenspitze hervorgeschoben, wodurch eben der spaltförmige Ein- sang zum Rückenraum entsteht, und durch die Kontraktion der komplizierten Muskulatur der Genitalkapsel wird die letztere in die 1) Ch. L. Nitzsch, Über das Atmen der Hydrophilen. Arch. f. Physiol. Reil u. Autenrieth Bd. 10 S.440. 1811. 2) R. Du Bois-Reymond, Über die Atmung von Dytiscus marginalis. Verhandl. d. Berliner physiol. Gesellsch. Arch. f. Physiol. S. 378 1898. Untersuchungen über die Atemzentrentätigkeit bei den Insekten. I. 351 Tiefe des Hinterleibes hinabgedrückt und der sogenannte „Bügel“ distal an das Bauchschild gezogen. Es mischt sich also die exspirierte mit der von aussen „inspirierten“ Luft in dem Rückenraume zu- sammen, und es wird dann wohl unter Wasser aus diesem Gasgehalt ventiliert. Die Atembewegungen von Dytiscus bestehen nach Faivre!) aus Herabsenkung der lateralen Platten, Erhebung der Tergite, Verlängerung und Biegung der drei distalen Segmente bei der Inspiration, bei der Exspiration in umgekehrten Bewegungen. Demgegenüber behauptet Plateau?) auf Grund seiner Beobachtungen mittels der Projektionsmethode, dass während der ruhigen Atmung die Länge des Abdomens sich gar nicht ändert: bei manchen Individuen erscheint eine kleine Hebung der Abdomenspitze bei der Fxspiration; die Neigung der Epimeren, auf welche Faivre Gewicht legt, resultiert bei der exspiratorischen Tergitensenkung. Die graphische Methode soll nach Plateau wegen der Kleinheit der Exkursionen (der vertikale Durchmesser soll bei der FExspiration nur um !/ee verkleinert werden) selten befriedigende Ergebnisse liefern. Die Exspiration verläuft anfangs jäh, weiter gedehnt (und soll zitternd sein); die Inspiration erscheint gedehnt und progressiv abnehmend, ohne Pause. Individuell treten leichte vertikale Oszilla- - tionen des Abdomens auf. Im besonderen wird bei der Exspiration das erste Abdominalsegment schwach nach hinten, das siebente nach vorn, das zweite bis sechste nur wenig nach hinten geneigt: die grösste Exkursion beobachtet man am zweiten bis vierten Tergite; bei der Inspiration können das erste bis vierte Segment sogar eine Konvexität bilden; bei der Exspiration liegen das zweite und vierte fast horizontal, und die Rückenfläche ist stärker konkav als sonst; die Bewegung geschieht in allen Tergiten gleichzeitig. Die weiche stigmentragende Zone fällt bei der Exspiration ein, und die Epimeren- ränder werden nach innen geneigt. Während Plateau keine Bewegungen am Metathorax ver- zeichnen konnte, gibt Camerano°) für Dytiseus ähnlich wie für 1) E. Faivre, De /’influence du systeme nerveux sur la respiration des Dytiques. Ann. d. Sc. Nat. Zool. S. 4, t. 13 p. 326. . 1860. 2) F. Plateau, Recherches experimentales sur les mouvements respiratoires des insectes. Bull. Ac. Sc. Belg. t.3 p. 727. 1882. 3) L. Camerano, Observations sur les mouvements et sur les muscles respiratoires du thorax des Col&opteres. Arch. ital. de biol. t. 19 p. 304. 1893. 25 * 352 Edward Babäk: andere Käfer an, dass nach Entfernung des Abdomens respiratorische Thoraxbewegungen vorkommen, und hält sogar die letzteren für „primär“. Den ununterbrochenen Atemrhythmus des be- festigten Tieres (nach Entfernung der Beine und der Flügeldecken) hält Plateau für abnorme Erscheinung. Wird eine Elythre ge- fenstert, so lassen sich am sonst intakten Tiere unter Wasser nach etwa 20—40 Sekunden dauernden inspiratorischen Atemstillständen je ein bis zwei starke Exspirationen beobachten, wobei zuweilen eine Luftblase entleert wird, und dann begibt sich der Käfer gewöhnlich zur Oberfläche, um Luft zu schöpfen: hier wird eine lange inspiratorische Atemein- stellung wahrgenommen; nachher erscheinen ein bis zwei schwache Exspirationen, und das Tier taucht unter. Die distalen Abdominalsegmente nehmen nach Plateau an der Ven- tilationsbewegung keinen Anteil (während Faivre behauptet hatte, dass auch bei künstlich hervorgebrachter Berührung der Hinterleibs- spitze mit der Wasseroberfläche die drei distalen Segmente herab- sinken und dann gegen die Flügeldecken gepresst werden). Nach Vernichtung des Metathorakalganglions hat Faivre!) in seiner ersten Arbeit völligen Atemstillstand ge- sehen und daher dasselbe als das eigentliche Atemzentrum aufgefasst. Da aber das erste von den sechs im — acht Segmente besitzenden — Abdomen befindlichen Ganelien ganz nahe an das Metathorakalganglion gerückt ist, hat Plateau mit Recht den Verdacht ausgesprochen, dass Faivre zugleich das erste Abdominalganglion verletzt hatte. Es scheint aber, dass Plateau die zweite Arbeit von Faivre?) nicht aufgefunden hat, in der Faivre, durch Baudelot’s?) Ergebnisse an Libellenlarven beunruhigt, seine Versuche wiederholt hatte. Bei grösstmöglicher Schonung des ersten Ab- dominalganglions hat er das Metathorakalganglion vernichtet: und da sah er in der Tat „partielle intermittente“ 1) E. Faivre, De l’influence du systeme nerveux sur la respiration des Dytiques. Ann. d. Sc. Nat. Zool. S. 4, t. 13 p. 326. 1860. 2) E. Faivre, De l’influence du systeme nerveux sur la respiration chez un insecte, le Dytiscus marginalis. Compt. rend. Ac. Se. t. 80 p. 729. 1875. 3) E. Baudelot, De linfluence du syst&me nerveux sur la respiration des insectes. Ann. d. Sc. Nat. Zool. 8.5. t.2 p. 45. 1864. Untersuchungen über die Atemzentrentätigkeit bei den Insekten. I. 353 Abdominalbewegungen nach der Reizung des Hinterleibes ent- stehen. Das erste Abdominalganglion soll nach Plateau die drei (oder vielleicht vier) proximalen Segmente versorgen, wo eben die aus- giebigsten Atemexkursionen vorkommen. Und Faivre hat schon angegeben, dass aus den drei proximalen selbständigen Abdominal- ganglien keineAtembewegungen, sondern nur Krümmungen des Hinterleibes ausgelöst werden. Nach Vernichtung des Metathorakalganglions allein sah Plateau zuerst noch die normale Anzahl der Atemzüge stattfinden ; aber bald wurde die Atmung eingestellt. Noch aber nach der Durchtrennung des Bauchmarkes hinter dem ersten selbständigen Abdominalganglion werden nichtrespiratorische Hinterleibs- bewegungen ausgelöst. Nach Vernichtung der Gehirnganglien, Durchtrennung der Kommissuren zwischen dem Unterschlund- und Prothorakal-, sowie zwischen Prothorakal- und Mesothorakal-, sowie endlich zwischen Mesothorakal- und Metathorakalganglion werden nach Faivre die Atembewegungen fortgesetzt (wenigstens einige Zeit). Plateau hat graphisch festgestellt, dass nach der Dekapitation (wobei auch - die Schlundganglien entfernt werden) der Atemrhythmus eher etwas beschleunigt (9 statt 7, 7 statt 5), die Amplitude aber stark ver- kleinert wird. III. Eigene Beobachtungen über die Ventilation des Tracheen- systems. Zu den Beobachtungen und Versuchen wurde Dytiseusmargi- nalis und D. latissimus verwendet. Das Verfolgen der Luftaufnahme in das Tracheensystem ist am intakten Käfer sehr erschwert; da aber die künstlichen zu diesem Zwecke durchgeführten Versuchsanstellungen leicht das normale Geschehen verändern (s. weiter), haben wir doch einige Beobachtungen am unversehrten Tiere durchgeführt. Es zeigt sich da, dass man nur sehr dürftige Ergebnisse erlangen kann und am Ende doch nur auf verschiedene Kunsteingriffe angewiesen ist, von denen allerdings auf normale Verhältnisse zu schliessen grosse Vorsichtigkeit erfordert, insbesondere was das Vorkommen der Tergitenbewegungen beim im Wasser oder an der Oberfläche verweilenden Tiere betrifft. 354 Edward Babäk: An einem ruhig am Boden des Gefässes sich aufhaltenden Käfer sieht man gewöhnlich keine Anzeichen von Atem- bewegungen, welche die Ventilation des Tracheensystems aus dem Luftreservoir unter den Flügeldecken besorgen würden. Zuweilen wird, besonders bevor sich das Tier behufs Luftaufnahme aus der Atmosphäre zur Wasseroberfläche begibt, die unter den Elythren am Hinterkörper bemerkbare Luftblase etwas nach aussen ausgestülpt und wieder eingezogen, wobei sich aber nicht entscheiden lässt, ob es sich um Bewegungen der verborgenen Tergite (Atembewegungen) oder Totaloszillationen des Abdomens gegen die Elythren und zurück handelt. Nach verschieden langer Zeit begibt sich der all” mählich unruhig werdende Käfer zur Wasseroberfläche, um zu ventilieren: auch während dieses Aktes, wo der Rückenraum mit der Atmosphäre durch breite Spalte kommuniziert, sieht man oft während ganzer Minuten keine deutlichen Atembewegungen. Nach längerem Untergetauchtsein werden bei der Luftaufnahme eigentüm- liche Kopfbewegungen wahrgenommen, indem der Kopf distalwärts eingezogen und wieder hervorgestossen wird. Imhermetisch verschlossenen Wasserquantum ohne Luftatmosphäre macht nach gewisser Zeit das Tier an der Decke verzweifelte Versuche, um Luft zu erreichen. Von der feinen An- passung des eanzen betrefienden Ventilationsapparates zeugt die Beobachtung, dass sogar ganz kleine aus dem Wasser ausgeschiedene Luftbläschen sehr geschickt aufgesucht und in den Rückenraum auf- genommen werden (s. auch unsere Beobachtungen an Culex-Larven und -Puppen!). Es wechsein gewöhnlich Perioden von heftigen Schwimmbewegungen und von Abspannung ab; nach 2, aber auch nach mehreren Stunden wird das Tier bewegungslos oder wenigstens sehr stumpf; es kann sich nicht mehr ohne sehr an- gestrengte Bewegungen an der Decke halten und sinkt bald zu Boden, wo es ohne Bewegung liegt; auch mit starker Anstrengung kann es nicht mehr die Decke des Gefässes erreichen. Auch nach diesem weitgeführten Erstieckungsversuch beobachtet man an dem Tiere, dem wieder Gelegenheit zur Luftaufnahme geboten wird, gewöhnlich keineauffälligenAtembewegungen; es werden da zuweilen nur die Flügeldecken bei der Ventilation des 1) E. Babäk, Zur Physiologie der Atmung bei Culex. Internat. Rev. d. ges. Hydrobiol. u. Hydrogr. Bd. 5 8.81. 1912. Untersuchungen über die Atemzentrentätigkeit bei den Insekten. I. 355 Rückenreservoirs weit abstehend gehalten; unregelmässig rkythmische Abdomenoszillationen, zuerst etwa neun bis zehn bis zwölf, endlich meist nur fünf in 1 Minute, wurden bei einigen Tieren gesehen, ohne aber sicherstellen zu können, ob ihnen Tergitenbewegungen entsprechen. Wird oberhalb des Wassers Wasserstoffatmosphäre her- gestellt, so verhält sich der Käfer eine gewisse Zeit völlig normal; dann sieht man ihn lange auf der Wasseroberfläche verweilen, ja sogar so hartnäckig, dass er sich nicht einmal durch starke Reize wegjagen lässt; aber während dieser andauernden Verbindung des Luftraumes mit der Atmosphäre werden wiederum keine irgend- wie auffälligen Atembewegungen wahrgenommen. Das Tier begibt sich nur sehr selten ins Wasser hinab, um rasch wieder empor- zutauchen (Folge von Verringerung des spezifischen Gewichtes durch Wasserstoff ?). Beim Vergleichen von hermetisch in Wasser (ohne Gasansamm- lung an der Wasseroberfläche und mit Wasserstoffatmo- sphäre) eingeschlossenen Tieren lassen sich auch nach 2—3 Stunden keine auffälligen Unterschiede der Beweglichkeit usw. konstatieren, obwohl man geneigt wäre, im zweiten Falle, wo sich das Tier mit offener Ventilationsspalte an der Wasseroberfläche aufhält, anzu-- nehmen, dass hier früher Erstickungssymptome auftauchen werden, während der erstere Käfer aus seinem Luftreservoir noch etwas Sauerstoff schöpfen könnte. Auch könnte man denken, dass durch die Stigmen beim zweiten Tiere sehr baid der Luftinhalt der Tracheen gegen Wasserstoff ausgewechselt sein wird, so dass das Tier rascher ersticken würde: aber es lässt sich nicht sagen (wenn sich in diesem Falle im Rückenraume kein Sauerstoff befindet), ob vielleicht die Stigmen, deren Rezeptoren mit fremdem Gase in Berührung kommen, dauernd nicht verschlossen bleiben, so dass alsdann der Sauerstoff- gehalt der Tracheen behalten wird (s. unsere Arbeit über die Culex- Larven). Von den noch mehr künstlichen Manipulationen führen wir die Beobachtung der Käfer an, wo die abgehobenen Elythren in einem Halter befestigt werden, so dass die Tergitenbewegungen verfolgt werden konnten, oder wo die Elythren und Flügel abgeschnitten worden waren. Bald nach dieser Manipulation werden heftige Atembewegungen gesehen, aber nach Be- ruhigung haben wir sehr seltene Atemzüge wahrgenommen, 356 Edward Babaäk: nicht einmal einen in 1 Minute; hie und da erscheinen aber gleich- sam Gruppen davon, z. B. während der nacheinanderfolgenden fünf bis sechs Intervalle von je 5 Sekunden je eine Atembewesung, wonach wiederum minutenlange Pause zustande kam. Damit verglichen, treten sogar bald nach der Manipulation während ganzer Minuten jede 5. Sekunde ein bis zwei Atemzüge auf. — Im Wasserstoff sieht man oft ähnliches Verhalten; zuweilen aber sieht man auch, dass gleich am Beeinne der Wasserstoffdurchführung die Atem- bewegungen noch seltener werden, während bald nach Zu- lassung der Luft sogar gruppenweise Atmung auftritt, um etwa nach 1 Minute dem normalen seltenen Atmen Platz zu machen. Doch ist dieses Verhalten gar nicht auffällig. — In Wasserhermetisch eingeschlossen weist der Käfer ohne Flügel und Flügeldecken oft deutliche Atembewegungen der Tergite auf, z. B. etwa je fünf in 1 Minute, aber zuweilen auch keine; er kann die Wasseroberfläche nicht erreichen; zuweilen wird während der Atembewegungen unterhalb des Thorax eine grössere, auf dem ersten Abdominalsegment eine kleinere Luftblase hervor- getrieben, um wieder eingezogen zu werden; später, wenn sich Abschwächung der Bewegungen zeigt, können die Luftblasen sogar dem Körper entströmen, während sie zuerst sehr dicht an den Stigmen haften, so dass sogar Berührung mit festen Gegenständen sie nicht abstreift. Dies zeugt davon, dass der Verschluss durch die Stigmenapparate nicht alshermetisch anzusehen ist (siehe auch unsere Zusammenfassung im Handbuche der vergleichenden Physiologie). — Wird dann der abgeschwächte Käfer der Luft ausgesetzt, so erscheinen während der folgenden Minute heftige Atembewegungen, zuerst eine in je 5 Sekunden bis 17 in 1 Minute, um bald in grösseren und endlich in minutenlangen Inter- vallen aufzutauchen. — Während der Erholung in den geschilderten Versuchsanordnungen können auch gleichsam als Äquivalente der Atmungen eigentümliche Wellenbewegungen der drei ersten Ab- dominaltergite vorkommen. Wird in die Elythren und Flügelin der Mitte ein Fensterchen eingeschnitten (s. oben Plateau), so sieht man in der Luft gleichsam wellenartig verlaufende seltene Tergiten- bewegungen (nach Beruhigung des Käfers); in einigen Stunden wird die betreffende Tergitenregion, die zuerst unter dem Loch eingesunken lag, gleichsam aufgetrieben und erhebt sich durch das Fenster etwas Untersuchungen über die Atemzentrentätigkeit bei den Insekten. I. 357 über das Niveau der umgebenden Elythrenflächen. Es scheint der ganze Mechanismus der Bewegungen an den Tergiten, da die Luft- kammer wenigstens im zentralen Bereiche des Rückens verschwunden ist, abweichend zu verlaufen, was man im Gedächtnis behalten muss, wenn man so präparierte Tiere zur Registration der Atembewegungen verwendet (s. weiter). | ‚Der Einfluss der Befestigung des Tieres an den abgehobenen Flügeldeeken liess sich auch in den Versuchen feststellen, wo das vorletzte Stigmenpaar mit Vaseline ausgefüllt worden war: es bestanden da etwa neun bis zehn Atmungen in 1 Minute gegenüber null bis vier in der normalen Lage. Die Verschliessung des vorletzten oder letzten Stigmenpaares hat auch eine Veränderung des Atemtypus zur Folge derart, dass das Abdomen zeitweise oder dauernd weit unter den Flügeldecken hinaus aus- gestreckt wird, und es werden auch auffallende longitudinale Ex- kursionen desselben vollführt; dabei wird grosse Unruhe verzeichnet, und die Form des Abdomens wird eigentümlich verändert, indem z. B. nach Verschliessung des hintersten Stigmenpaares der be- treffende Abschnitt hochgehalten, die proximalen Segmente eingefallen sind, usw. Von der Wichtigkeit der einzelnen Stigmen eibt folgender Versuch Bescheid: von drei Käfern, wo bei 1. alle Stigmen des Abdomens; bei 2. die letzten zwei Paare (d.h. die am be- deutendsten entwickelten); bei 3. alle bis auf diezweiletzten Paare mit Vaseline verschlossen worden waren — wonach die Tiere in ganz seichtem (1 cm) Wasser gehalten wurden — ist 1. am 4., 2. am 13., 3. am 17. Tage eingegangen, nachdem sie vorher entsprechend verschieden starke Symptome der Störung des All- gemeinbefindens aufgewiesen hatten. IV. Eigene Versuche über die Atembewegungen und ihre Regulation. Diese Versuche wurden sämtlich mittels Registration der Atembewegungen durchgeführt. Wie im vorigen Abschnitte an- geführt worden ist, besteht eine hochgradige reflektorische Reizbarkeit bei den Dytisken, worauf man immer Rücksicht nehmen muss; aber auch nach den zum Zwecke der Registration durchgeführten Manipulationen (Fensterung der Elythren und Flügel — welche womöglich auf kleinen Bezirk beschränkt war —, Befestigung 358 Edward Babäk: des Käfers vermittels schwach drückender übergekreuzter, im Kork- oder Paraffinboden eingesteckter Nadeln, Einführung von feinen Häkchen in die Mitte der Leiste des entblössten vorletzten Tergites, wobei streng darauf zu achten ist, dass keine Öffnung in der Körper- decke, Blutung, Hervorstülpung der Eingeweide zustandekommt) erscheint nach gewisser Zeit ein regelmässiges ruhiges Ver- halten der Tiere: ohne ein solches sind die Versuche wertlos; wir haben demgemäss erst dann verschiedene Änderungen der Bedingungen vorgenommen, nachdem eine solche „Norm“, d.h. Gewöhnung an die abnormalen Verhältnisse, zum Vorschein gekommen war, und suchten dann nachher durch Herstellung der ursprüng- lichen Bedingungen wieder eine solche Norm zurückzuführen. Aber wir müssen trotzdem im Auge behalten, dass unsere Ergebnisse nur teilweise über das wirklich normale Verhalten der Käfer Auskunft geben: so z. B. wenn wir unseren fixierten und mit dem Registrationsapparate verbundenen Käfer ins Wasser untertauchen (um nur das Hauptsächlichste hierbei anzuführen: durch die auch noch so kleine Fensterung wird der mit Luft erfüllte Rückenraum eine Änderung erleiden; es werden weiter die Ex- kursionen des Abdomens in toto gegen die Flügeldecken oder auch die Bewegungen der letzteren verhindert [wahrscheinlich tragen diese beiderlei Bewegungen zur Regulierung der Tracheenventilation bei]; die wiederholte Luftaufrahme wird durch Ablassen der den Käfer deckenden Wasserschicht bewirkt, so dass die „Atemspalte“ des Luft- raumes des im Paraffınbette hinten etwas erhobenen Tieres mit der Atmosphäre kommuniziert: dadurch ist zwar das Verhalten der Norm nachgeahmt (der grösste Hauptteil des Körpers bleibt in Wasser ge- taucht), aber nicht vollständig hergestellt usw... Doch wir müssen uns schon damit begnügen und diese Unvollkommenheiten mit in Kauf nehmen, sonst würde man überhaupt keine Registration voll- führen können. Der Schreibhebel war ganz leicht (ein feiner Aluminiumdraht mit plastischer feiner Spitze, die eben nur den Russbelag abstreifte und durch mikrometrische Schraubenvorrichtung ihre Berührung mit dem Resistrationspapier regulieren liess); durch Gegengewichte konnte bewirkt werden, dass das mit dem Hebel vermittels eines Kokon- fadens verbundene Häkchen kaum eine geringe lokale Erhebung der zarten Tergitenverbindungshaut verursachte und also die Atem- bewegungen gar nicht störte (tatsächlich konnte der Käfer tagelang EEE nenn. EN Net Untersuchungen über die Atemzentrentätigkeit bei den Insekten. I. 359 mit seinen Atembewegungen „arbeiten“ ohne irgendwelche Be- schädieung). Die Vergrösserung der Atemexkursionen beträgt durchweg 6,5; 1 em der Abszisse entspricht 5,7 Sekunden (l Minute — 10,5 cm). a) Das „normale“ Verhalten (des trocken gehaltenen Tieres). Unsere vervollkommnete Registrationsmethode hat uns ermöglicht (Plateau’s Angaben gegenüber), fast durchweg sehr gute Er- sebnisse zu gewinnen. Die vertikale Grösse der Exkursionen der abdominalen Tergite kann sogar bis 1 mm erreichen, also erheblich mehr, als von Plateau berichtet wird; gewöhnlich haben wir etwa eine Amplitude von 0,6 mm beobachtet. Der ununterbrochene Atemrhythmus von etwa sieben bis neun (ja sogar sechzehn kleineren) Atemzügen in 1 Minute kommt erösstenteils nur bald nach der Einspannung des Tieres in die Re- gistrationsvorrichtung vor; bald erscheinen nur vier bis fünf in 1 Minute, und es treten sogar 1 bis 3 Minuten dauernde Pausen auf (Fig. 1); aber noch später kann wieder der beschleunigte Atem- rhythmus zurückkehren, und zwar ohne irgendwelche Reizung, ja sogar am sonst völlig ruhigen Tiere. Individuell bestehen grosse Unter- schiede, indem auch bald nach dem Beginne des Versuches schon lange Pausen und etwa nur zwei bis drei Atemzüge in 1 Minute vorhanden sind. Übrigens ist auch die Unruhe des Tieres nicht immer von beschleunigter Atmung gefolgt; im Gegenteil sieht man oft sogar eine grosse Pause oder Verlangsamung des Rhythmus (allerdings könnte man dies, wenigstens in manchen Fällen, durch sehr rasche, während der allgemeinen Unruhe auftretende Atembewegungen zu erklären suchen, was aber kaum zutreffend wäre). — In einigen Fällen konnte aber am ganz normalen und an die Fesselung längst gewöhnten Tiere ein ununterbrochener, gleichsam maschinell regelmässiger Atemrhythmus tagelang registriert werden, bei sonstiger völliger Ruhe. Zuweilen treten bei sonstiger Ruhe zwei gleichsam superponierte oder eine ganze Reihe von teilweise zusammenfliessenden Atem- bewegungen auf, welche bald mehr oder minder regelmässig, bald sehr unregelmässig sind, so dass dann ein Eindruck von Krämpfen zustande gebracht wird (Fig. 2). (Ausnahmsweise wurde auch ein eigentümlicher Atemtypus (?) beobachtet, ohne dass man auf irgend- welche Ursachen seines Bestehens kommen konnte: in grossen, bis 2 Minuten langen Pausen erschien eine mächtige [in Wirklichkeit ak: Edward Bab 360 (Junuyy uspzunou 19p Ayayyony eqdıygewipe :9]197 ayLıp pun -99AZ) — (uodunsonag[;-ayemqy]| usdıyejpdueay uaänjoy uop yoeu zuonbsag A9ıyı pun Hyyewoyy Aop Juntapuy :9]197 OOMZ pun 9717) "uEZUunıgIS aayı pun Sunuyy ofewaon 'z ‘11 “(u9AnSLT uoyaıywes uop ur) uopunyag ,‘c — assızsqy WO [ uoneudsxy op Jyorıdsyuo ToyUoag Aapuoztojsmy uouyarezaq nz sndAL Ysdıssgujadet 1op sje IST o9yewo}y u9UJOZUTD AOP WIOFUAAINM Ol] — ("UOSNE UOSSOAS UAP UOA Aula :8]197 lg) — (Sunppiqusddnnm op Sunnop -UY :9Jloz SOMZ) — (SWYNÄYAWOFY 199109808 oynıuf) Ypanp SIq91 ayıp[ dep ur :o]loz aysıyg) "Bunwyy ojewaon "Ta Untersuchungen über die Atemzentrentätigkeit bei den Insekten. I. 361 über 2 mm grosse] Fxspiration, wonach die Tergite in derselben teilweise verharrten; es schien, als ob es sich um einen Krampf der Exspiratoren handelte, mit partiellen, unregelmässigen „inspira- torischen“ Zurückbewegungen, d. h. Abschwächungen der tonischen Ex- spiratorenkontraktion.) Nach einer solchen während sonstiger Ruhe erschienenen Atem- eruppe können dann die folgenden Atemzüge erst nach längerer Pause normal erscheinen oder auch bald nachher, wobei sie dann oft sehr verkleinert sind, auch oft gleich aufhören oder allmählich zur Norm anwachsen. Bemerkenswert ist die Form der Atmungskurven (Fig. ]). Der aufsteigende Schenkel — die Exspiration — verläuft in der Fig. 3. Normaler kontinuierlicher Atemtypus mit abweichender Kurvenform der Atemakte. Norm steil nach oben, um dann umzubiegen und noch weiter in einer oft nur wenig von der Horizontale abweichenden Richtung anzusteigen ; es handelt sich also nicht um eine Exspirationspause, sondern um fortgesetzte, aber sehr verlangsamte weitere Exspirationsbewegung, wonach plötzlich die Inspiration einsetzt, welche dann progressiv gewöhnlich regelmässig abnimmt und endlich in verschieden lange inspiratorische Pausen übergeht. Der Aufstieg der Atmungskurve kann zuweilen fast senkrecht sein (Fig. 2), was sich der direkten Beobachtung als zuckende Bewegung kundgibt; teilweise findet man dieses Verhalten bei sehr frequenter Atmung, wo die inspiratorischen Pausen kurz sind, z. B. auch bei der bald nach der Fesselung des Körpers vorgenommenen Registration; aber auch bei sonst normaler Frequenz kann die Verkürzung der Exspiratoren sehr jäh verlaufen. 362 Edward Babäk: Ohne irgendwelche gesetzmässige Beziehung aufstellen zu können, finden wir wieder in anderen Fällen die Exspiration progressiv gedehnt fast in gleicher Form wie die Inspiration, woraus dann fast regel- mässige sinusoidale Kurvenbilder resultieren (Fig. 3). Die End- phase der Exspiration ist verschieden lang, am kürzesten bei den Kurven mit fast senkrecht aufsteigendem Schenkel, wo die jähe Kontraktion der Exspiratoren sofort endigt und der inspiratorischen Dehnung des Abdomens Platz macht. Zuweilen kann der Ex- spirationsschenkel einen zitternden Verlauf zeigen (siehe Plateau), aber eben nur zuweilen. — Auch der Inspirationsabschnitt variiert genug, wohl infolge des verschiedenartigen Verlaufs der Ab- spannung oder Erschlaffung der Exspiratoren. b) Das Verhalten des Tieres unter Wasser. Diese Versuche können uns, wie schon oben ausdrücklich an- geführt worden ist, nur bei gewissem Vorbehalt über die in der Norm vorkommenden Verhältnisse orientieren, insbesondere wo die Flügel- decken und die Flügel entfernt worden waren. Am wichtiesten ist ein solcher Versuch, wo die Atemtätigkeit am meisten und regelmässigsten erhalten ist. Darüber gibt uns die Bilderreihe Fig. 4 Auskunft. Nach dem Untertauchen des ausgiebig (I 1 bis 3) ventilierenden Käfers (ohne Flügeldecken und Flügel) er- scheint Atemeinstellung (717 72); aber schon nach 2 Minuten sieht _ man unregelmässige Tergitenbewegungen des sonst ganz ruhig sich verhaltenden Tieres, von der auf (ZI 1 u. 3) dargestellten Art: es handelt sich wahrscheinlich um Kombination von abgeänderten Atem- bewegungen mit Totaloszillationen des Abdomens. Aber schon nach etwa 7 Minuten kommen zwar kleine, aber sonst normale und rhythmische Atembewegungen zum Vorschein, welche allmählich an Grösse zunehmen und nur hie und da durch erwähnte un- regelmässige Bewegungsgruppen unterbrochen werden (// 2bis 6); die Frequenz der Atmung ist weit kleiner, als es beim Aufenthalte in der Luft der Fall war; in der Form der Atemkurven fällt insbesondere der fast unmittelbare Übertritt des fast gleichmässig steil verlaufenden Exspirationsschenkels in die Inspirationsphase auf (vergl. mit der Norm (in I 1 bis 3). Die Amplitude der Atemzüge unterscheidet sich später kaum von der Norm des Vorversuches (die nachher auf- genommenen Normkurven, siehe //I 1 u. 2, sind allerdings merklich höher). Fig. 4 I Norm (ununterbrochener Atemtypus). — II Atmung unter Wasser. — III Norm. (Siebe den Text.) 364 Edward Babäk: 3) Später zählt man etwa nur einen Atemzug in 1 Minute; durch mechanische Reizung des Fühlers lassen sich ein oder zwei Atem- bewegungen auslösen. In // 8 bis 20 sieht man unregelmässige Be- wegungsgruppen, zuerst bei allgemeiner Ruhe, dann bei Unruhe, weiter wieder in sonstiger Ruhe: es handelt sich da zuletzt um rasche, mehr oder minder regelmässige kleine Atembewegungen, welche auch früher an den erhöhten Abschnitten der unregelmässigen Kurve wahrzunehmen sind. Aber noch nach einer Stunde kehrt wieder regelmässige Wasseratmung zurück (II 12). Nach Entfernung des Wassers kann man längeren Atemstillstand beobachten; dann treten unregelmässige Bewegungsgruppen, wie im Wasser, auf, endlich kommt ein perio- discher regelmässiger Atemrhythmus zustande, indem kleinere, später grössere Gruppen von zuerst kleinen, später mäch- tigen (/IT 1 u. 2) Atemzügen erscheinen, oft durch minutenlange Pause voneinander getrennt. Es ist höchstwahrscheinlich, dass auch ein frei im Wasser untertauchender Käfer aus dem im Rückenraume be- findlichen Luftvorrate sein Tracheensystem ventiliert, da wir regelmässige Atembewegungen sogar beim Käfer gesehen haben, welcher ohne Flügeldecken und Flügel im Wasser sich befand. In dem zuletzt erwähnten Falle haben also die Atembewegungen nur die Aufgabe, den Luftinhalt der grossen Tracheenstämme durchzumischen, ohne der Lufterneuerung durch die Stigmen zu dienen. Von dem soeben geschilderten, am meisten den in der Luft vor- kommenden Verhältnissen ähnlichen Verhalten der im Wasser unter- getauchten Käfer weichen andere Fälle verschieden weit ab, bis sogar regelmässiger Atemrhythmus überhaupt nicht vorkommt und nur hie und da eine Atembewegung, gewöhnlich aber nur die soeben seschilderten unregelmässigen Bewegungsgruppen mit mehr oder minder ınerklichen Atembewegungen vorhanden sind. Dieses Verhalten konnte selbst bei sonst völlig normalen Tieren, wo die Registration nur vermittelst einer ganz kleinen Flügeldeckenfensterung vor- genommen wurde, festgestellt werden, ohne dass wir dafür irgend- welche Gründe angeben könnten. Auch über das Verhalten des Tieres im Wasser, wo nur das Hinterende des Abdomens in die Luft ragte (ähnlich wie bei der 1 Untersuchungen über die Atemzentrentätigkeit bei den Insekten. I. 365 üblichen Ventilation an der Wasseroberfläche) haben wir Versuche angestellt, aber durchwegs grosse Unregelmässigkeiten erhalten: es werden grosse Atemstillstände, dann aber auch seltene mächtige Exkursionen, welche verschiedenartig deformiert und durch rasche Öszillationen voneinander getrennt sind, verzeichnet, wobei es sich wohl um die Komplikation mit den von Du Bois Reymond beschriebenen Ventilationsbewegungen der Genitalkapsel usw. handelt. — Aus dem Verhalten der Atembewegungen nach der Herausnahme des Tieres aus dem Wasser, worin es längere Zeit untergetaucht gehalten wurde, könnte man einige Schlüsse die Atemregulation betreffend erwarten: doch man sieht keine Anzeichen einer typischen „Dyspno&“, es sei denn, dass man die nach einiger Zeit beim Aufent- halte in der Luft erscheinenden mächtigen Atemventilationen in diesem Sinne deuten wollte. ec) Das Verhalten nach der Stigmenverschliessung. Zum Verschliessen der Stigmen haben wir (s. oben) Vaseline verwendet, denn die Einölung, wie sie bisher meistens beim Studium der Stigmenbedeutung ausgeübt worden war (s. meine Zusammen- fassung im Handbuch der vergleichenden Physiologie), stört zu- gleich die Tätigkeit von unbestimmt ausgedehnten Abschnitten des Tracheensystems. Die mit der Stigmenverschliessung verbundene Manipulation hat allerdings gewaltige selbständige Folgen, die man leicht feststellt, wenn man eine „Seheinverschliessung“ durchführt, d. h. alles, was zur Verschliessung der Stigmen nötig ist, die mechanische Bestreichung der letzteren eingerechnet, ohne aber die Vaseline einzubringen. Es werden die Atembewegungen stark be- schleunigt und ihre Exkursionen oft bedeutend gesteigert, um erst nach 15—30 Minuten und später zur Norm zurückzukehren; die Exspiration wird oft zuckend vollführt. Dieses Verhalten muss man also von den Folgen der vollführten Verschliessung der Stigmen mit Vaseline abrechnen. Das Verschliessen der zwei distalen mächtigen Stigmenpaare (oder auch nur des einen davon, besonders des letzten), aber in gewissem Maasse auch der sämtlichen proximal von den letzteren gelegenen, führt gewöhnlich zur auffallenden Veränderung der Atemkurven: dieselben sind (niedrig und) stark gedehnt (Fig.5) (abgesehen von Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd. 147. 26 366 Edward Babaäk: den hie und da vorkommenden. Unregelmässigkeiten) ; die Dehnung be- trifft sowohl die Exspiration als auch die Inspiration, ein Zeichen da- für, dass es sich um mechanische Folge der erschwerten Luft- entleerung und Luftaufnahme handelt; die anfangs verkleinerte Amplitude kann später wieder ansteigen. Von der reflektorisch durch mechanische Reizung der Manipulation bedingten Frequenzbeschleuni- gung abgesehen, hat der Verschluss der distalen (oder der proximalen) Stigmen in der Regel keine auffallenden Änderungen des Atemrhythmus zur Folge, wenigstens nicht in der unmittelbar folgenden Zeit. In einigen Fällen aber haben wir in den weiteren Stunden oder am anderen Tage eine deutliche Steigerung der Frequenz verzeichnet. Die periodische Atmung kann dabei bestehen; zuweilen werden die Pausen kürzer. und die Atemperiode länger, bis sogar auch fast ununterbrochene Fig. 5. Normale Atmung (erste Zeile) und Atmung nach der Ver- schliessung der zwei distalen Stigmenpaare (zweite Zeile). Atmung verzeichnet werden konnte. Die Verschliessune der sämt- lichen Stigmen (welche wir an denselben Tieren vollführt haben, wo zuerst nur die zwei distalen oder die proximalen abdominalen Paare verschlossen worden waren) führt zur fortschreitenden Verlangsamung und Verkleinerung der Atembewegungen, aber das Tier kann noch lange am Leben bleiben (s. oben), auch wenn die Atembewegungen weitgehend gestört sind und sogar der Atemrhythmus völlig auf- gehört hat. d) Das Verhalten im Sauerstoffmangel (Wasserstoffstrom). Die bisherigen Versuchsanordnungen, wobei die Ventilation des Tracheensystems erschwert oder verhindert wurde, haben keine eindeutigen Ergebnisse aufgezeigt, was die Frage über das Vorkommen von Dyspno& betrifft (darunter darf man nur die Frequenz- oder auch Amplitudensteigerung der Atem- akte begreifen, wie solche als Regulationseinrichtung bei ungenügender Untersuchungen über die Atemzentrentätigkeit bei den Insekten. I. 367 Sauerstoffversorgung oder nu AL u bei den Wirbel- tieren auftritt). Wir haben also bei einer anderen Versuchsanordnung den Käfer in einer zylindrischen gläsernen Kapsel verschlossen, durch deren Metallboden mittels. einer Röhre ein Wasserstoffstrom zugeführt wurde (oder auch ein Luftstrom), welcher den Raum durch eine Öffnung in dem Metalldeckel verliess, die nur so fein war, dass der Kokon- faden eben durchging: der letztere verlief zu dem an den Tergiten des Käfers befestigten Häkchen; die Fesselung des Tieres geschah durch ein biegsames, dorsal um den Thorax gelegtes Stahlbändchen. Doch nicht einmal diese Versuche haben ein regel- mässiges Zustandekommen der Dyspno&ö beim Sauer- stoffmangel sichergestellt. In einigen Versuchen wurde bald, ja fast unmittelbar die Atmung eingestellt, und nur hie und da er- schienen unregelmässige Bewegungseruppen oder auch nachher abortive, kaum angedeutete Atembewegungen, (wobei aber: vielleicht die Stigmen verschlossen waren und eigentlich kein Sauerstoffmangel erzeugt wurde), — es handelt sich wohl um eine reflektorische Atemsistierung, die in einigen! Versuchen sehr bald nach Ent- fernung des Wasserstoffes verschwunden ist, um dem normalen (oder auch. etwas beschleunigten) Atemrhythmus Platz zu machen. In anderen Versuchen, wo nur vorübergehende Atemeinstellung und reflektorische Unruhe entstand, konnte später anscheinend normaler ‚Atemrhythmus beobachtet werden; nach dem Aufhören des Wasser- stoffstromes kamen dann einige Male beschleunigte Atembewegungen zum Vorschein. Es lässt sich also nicht bestimmt behaupten, dass die in ‚gewissen Wasserstoffversuchen auffallende Frequenzsteigerung der Atmung durch Verarmung des Sauerstofigehaltes des Tracheensystems und also durch regulatorische Reizung des zentralen nervösen Atenm- apparates zustande gekommen ist. Wir möchten dafürhalten, dass unser Käfer, der überhaupt gegen Sauerstoffmangel sehr resistent ist (s. oben) und als ein im Wasser lebender Luftatmer in der Natur wohl oft in Bedingungen sich befindet, wo die Ventilation des Tracheensystems erschwert ist, keine ausgesprochene Regulation des Atemrhythmus durch die Zusammensetzung der in den Tracheen be- findlichen Luft besitzt. Die Atembewegungen werden beim intakten Tiere wahrscheinlich vorwiegend reflektorisch beeinflusst. Es wäre aber nicht erlaubt, diesen Schluss auf die Gesamtheit 26 * 368 Edward Babäk: der Insektenwelt auszudehnen; wahrscheinlich handelt es sich bei Dytiscus nur um einen extremen Fall der speziellen Anpassung, die er vielleicht noch mit anderen Wasserinsekten und überhaupt manchen anderen Insektengruppen gemeinschaftlich haben mag. Ohne Zweifel existieren aber Insektengruppen, wo eine äusserst entwickelte Empfindlichkeit des Zentralnervensystems gegenüber dem Sauerstoffmangel besteht, die vielleicht nicht hinter derjenigen der homoiothermen Wirbeltiere steht — wir werden in einer von den späteren Abhandlungen über die Verhältnisse bei den Hymenopteren in dieser Richtung berichten. In dem Reiche der Insekten werden höchst verschiedenartige Regulationsmechanismen der Atmung bestehen, über welche man heutzutage herzlich wenig weiss. Die von uns!) und Matula?) an Libellenlarven gemachten Erfahrungen zeugen dafür; wir werden in Kürze über diesen selben Gegenstand newe Er- gebnisse veröffentlichen: an dieser Stelle erwähne ich nur, dass die dyspnoische Frequenzsteigerung der Atmung, die bei den Libellen- larven im Sauerstoffmangel entdeckt wurde, und die Matula durch die Zerebralganglien zustande kommen liess, vielleicht nicht durch zentrale Verschiebungen des Sauerstoffgehaltes in den Tracheen der Zerebralganglien ausgelöst, sondern wahrscheinlich reflektorisch be- dingt wird (worüber schon Matula im gleichen Sinne auf Grund der grossen reflektorischen Beeinflussbarkeit der Atemzentrentätigkeit seine Meinung ausgesprochen hat, ohne aber diesbezügliche spezielle Untersuchungen durchgeführt zu haben); es scheint, dass die zum Sauerstoffgehalt des Atemwassers ausserordentlich empfindlichen Rezeptoren einerseits die zentrifugale Innervationstätigkeit der abdominalen Atemzentren beeinflussen, andererseits aber die Regu- lationstätickeit der Zerebralganglien bedingen, so dass beim intakten Tiere umgekehrt gerichtete (zweckmässige) Änderungen des Atem- rhythmus entstehen als beim dekapitierten. 1)E. Babäk und O. Foustka, Untersuchungen über den Auslösungsreiz der Atembewegungen bei den Libellulidenlarven (und Arthropoden überhaupt). Dieses Arch. Bd. 119 S. 530. 1907. — E. Babäk und J. Rotek, Über die Temperaturkoeffizienten des Atemrhythmus bei reicher und. bei ungenügender Versorgung des Atemzentrums mit Sauerstoff. Dieses Arch. Bd. 130 S. 477. 1909. 2) J. Matula, Untersuchungen über die Funktionen des Zentralnerven- systems bei Insekten. Dieses Arch. Bd. 133 S. 388. 1911. Untersuchungen über die Atemzentrentätigkeit bei den Insekten. I. 369 (In mancher Hinsicht ähnliche Verhältnisse des Verhaltens des Atemrhythmus, wie wir sie bei Dytiscus gefunden haben, herrschen auch bei den von Walling!) und Roller?) studierten Ortho- pteren.) e) Das Verhalten nach Entfernung der proximalen Ab- schnitte des Zentralnervensystems. Nach der Dekapitation wird — wenn keine Maassregeln dagegen getroffen werden — durch die nachfolgende starke Blutung eine oft sehr schwere Schädigung des übriggebliebenen Zentralnerven- systems verursacht, so dass die Atembewegungen spät, schwach, unregelmässig und nur auf kurze Zeit erscheinen. Wenn man aber die Wunde mit erwärmter Nadel bestreicht oder, noch besser, vor einer Ligatur die Amputation des Kopfes vollzieht, so sieht man fast sogleich ohne jede Shockwirkung einen regelmässigen _ Atemrhythmus zustande kommen, der sogar regelmässiger zu sein pflest als in der Norm, indem er während langer Zeit ununterbrochen ist; erst später erscheinen Atemperioden mit einige Minuten dauernden Pausen, die wiederum an das oft in der Norm vorkommende Ver- halten erinnern. Durchwegs ist der Atemrhythmus stark beschleunigt, und diese Frequenzsteigerung lässt sich keinesfalls bloss auf die Neben- folgen der Manipulation während des Öperationseingriffes zurück- führen, denn wir haben noch nach vielen Stunden dieselbe verzeichnet. Wenn sich im späteren Verlauf die ebenerwähnten Pausen ent- wickeln, so erscheint in den nachfolgenden Atemperioden der Atem- rhythmus immer weit frequenter als inder Norm (Fig.6 u. 7). Es handelt sich also ohne jeden Zweifel bei den Zerebral- ganglien um einen gleichsam inhibitorischen Einfluss auf die Tätigkeit der Atemzentren oder, besser ausgedrückt, um eine komplizierte regu- latorische Beeinflussung; dieselbe wird einerseits von den Kopf- rezeptoren, andererseits aber wohl von den Rezeptoren des übrigen Körpers, deren zentripetale Bahnen wahrscheinlich bis in die Zerebral- 1) E. V. Walling, The influence of gases and temperature on the cardiac and respiratory movements in the grashopper. Journ. of exper. Zool. vol. 3 p- 621. 1906. 2) L. W. Roller, Respiratory responses in the grashopper to variations in pressure. Kansas Univ. Sc. Bull. vol. 3 p. 211. 1906. 370 Edward Babäk: ganglionmasse projiziert. sind,, heryorgebracht.. Es ist uns bisher nicht gelungen, bei Dytiscus die Mechanismen dieser Atemregulation näher zu beleuchten (einiges wird im folgenden angeführt werden). In dieser Hinsicht stehen die von Matula gewonnenen Erfahrungen Fig.6. Normale Atmung (7 u. 2) und Atmung nach Dekapitation (3 bis 7). Die Amplitude wird allmählich stärker als in der Norm (nebst be- deutender Frequenzsteigerung). Fig.7. Normale Atmung (erste und zweite Zeile) und nach Dekapitation (dritte Zeile sogleich, weitere Zeilen später: Frequenzsteigerung bei niedriger Amplitude). bei den Libellenlarven (Einfluss der Rezeptoren: des ersten Beinpaares resp. der Tarsen desselben usw.) einzig da. Nach der Dekapitation ist zugleich die Amplitude der Atem- kurven gewöhnlich unmittelbar stark verkleinert (Fig.7). Doch es Untersuchungen über die Atemzentrentätigkeit bei den Insekten. I. 371 bestehen da ungemeine individuelle Unterschiede, und sogar in den Fällen, wo die stärkste Verkleinerung der Exkursionen vorhanden ist, erscheint später, oft aber sehr baldeinefastnormale, ja in einigen Fällen sogar merklich grössere Amplitude (Fig. 6) der Atmung als in der Norm. Daraus folgt, dass es sich da mehr um eine Nebenwirkung des ÖOperationseingriffes handelt, und dass keinesfalls die beschleunigte Frequenz mit Ver- ringerung der Atemexkursionen verbunden zu sein braucht [s. übrigens den Abschnitt a) über das Verhalten in der Norm]. Es war für unsere Frage sehr wichtig, zu sehen, wie sich dieser ausgiebige Atemrhythmus nach der Dekapitation im Sauer- stoffmangel verhalten wird, denn einerseits haben die Versuche am intakten Käfer, wo die Luft mit Wasserstoff stark verdünnt oder sogar durch den letzteren ersetzt worden war, zu keinem eindeutigen Resultate geführt, andererseits hat Matula bei Libellenlarven ge- zeigt, dass die von uns sichergestellte zweckmässige Regulation der Atmung durch den verschiedenen Sauerstoffgehalt des Mediums eigentlich im Zerebralganglion zustande kommt. Da unsere neuen Untersuchungen an Libellenlarven, über die wir in einer Abhandlung dieser Reihe in kurzem berichten werden, ergeben hat, dass ohne den Kopf im sauerstoffarmen Wasser — gerade umgekehrt als in - der Norm — die Atmung abgeschwächt, ja verhindert, durch Sauer- stoffzufuhr aber gefördert wird, haben wir mit Neugierde das Ver- halten der kopflosen Dytisken erwartet. Es hat sich herausgestellt, dass in weit überwiegender Anzahl der Fälle Wasserstoff- zuleitung fast unmittelbar oder nach kurzer Zeit die Atembewegungen sistiert (allerdings konnte zuweilen bei der fortgesetzten Wasserstoffzufuhr ein schwächerer Atemrhythmus auf einige Zeit wieder erscheinen, mit allerlei Unregelmässigkeiten Ver- mengt), während nachherige Lufteinströmung sofort oder sehr bald den „normalen“ Atemrhythmus des deka- pitierten Tieres auslöste (dies liess sich nach Belieben oft wiederholen). Es bestehen also im Rumpfe des Käfers Rezeptoren, deren Reizung durch den Wasserstoff den Atemrhythmus ändert. Doch diese wohl nur reflektorisch bedingte Erscheinung ist nur bei kopf- losen Tieren auffällig, während das Vorhandensein der Zerebral- sanglien das Bild weitgehend verändert, besonders aber undeutlich macht (s. Abschnitt d). Dass es sich kaum um den Einfluss 312 Edward Babäk: des Sauerstoffmangels in den Tracheen der abdominalen Ganglien handelt, lässt sich denjenigen Beobachtungen ent- nehmen, wo bald nach Beginn der Wasserstoffzuleitung die Atem- bewegungen sistiert wurden, nachdem sie schon fast unmittelbar darauf sich verringert hatten, insbesondere aber dem Verhalten nach Luft- zuleitung entnehmen, wo das absolut bewegungslose Tier oft sogleich zu atmen begonnen hat. Wir finden also in dieser Hinsicht eine grosse Übereinstimmung mit den Ergebnissen der in der nächsten Arbeit zu schildernden Untersuchungen. — Einige Versuche, die nach dem Beispiel von Matula in der Amputation der Beinpaare beim kopflosen Tiere bestanden, haben zu keinen klaren Ergebnissen geführt. — Fig.8. Atmung nach Entfernung von Prothorax. In den grossen Pausen zwischen den Atemperioden lässt sich durch mechanische Reizung irgendeiner Extremität eine oft lang- andauernde Atemgruppe auslösen. — Nach der Entfernung von Prothorax (mit nachfolgender Betupfung der Wunde mit heisser Nadel) erfolet ein längerer Atemstillstand; dann erscheint hie und da eine krampfartige Kontraktion der Exspiratoren; aber später haben wir sogar einen ganz regel- mässigen, sehr beschleunigten Atemrhythmus aufzeichnen (Fig. 8) können, dessen einzelne Kurven aber sehr niedrig sind; all- mählich werden sie noch mehr abgeflacht und seltener; endlich können aber starke krampfartige Kontrakturen der Exspiratoren (bis zwei in 5 Minuten) zustande kommen, mit Spuren von rhythmischen Oszilla- tionen, die wohl den einzelnen Ateminnervationen entsprechen. V. Zusammenfassung. 1. Der normale Atemrhythmus der Dytisken in der Luft besteht aus seltenen (etwa 4—5, aber auch nur 1 in 1 Minute) Atem- akten, die zuweilen gleichsam eine langgezogene Atemperiode bilden können, zwischen denen längere (z. B. bis 3, ja über 5 Minuten lange) Pausen aufzutreten pflegen. Durch Reizung, aber zuweilen auch - Untersuchungen über die Atemzentrentätigkeit bei den Insekten. I. 373 ohne auffındbare äussere Ursache entsteht. ein ununterbrochener beschleunigter Atemtypus (wo bis 16 [kleinere] Atemakte in 1 Minute gezählt werden können). Individuell sind zuweilen verschiedene Unregelmässigkeiten zu verzeichnen. 2. Auch bei den in Wasser eingeschlossenen Käfern kommen allmählich regelmässige Atembewegungen vor, die nach Entfernung der Elythren und Flügel oder nach beschräukter Fensterung derselben leicht gezählt und registriert werden können; zuerst sind dieselben klein, allmählich verstärken sie sich, sind aber durchwegs seltener als beim gereizten Tiere in der Luft. Beim intakten Käfer dienen sie wohl der Lufterneuerung in den Tracheen aus dem Rückenraume, aber aus ihrem Vorkommen bei Käfern ohne Elythren und Flügel lässt sich auf ihre Aufgabe schliessen, den Luftinhalt der Tracheenstämme durehzumischen. 3. Die sämtlichen Phasen des oft sehr ausgiebigen Atemaktes, dessen Registration durch gute graphische Einrichtung sehr leicht gelingt, können variieren in Beziehung zur Amplitude, Frequenz, dem allgemeinen Zustande des Zentralnervensystems usw. Nach Verschliessung der zwei distalen oder der proximalen Stigmenpaare (mit Vaseline) wird eine mechanisch (durch Erschwerung der Ventilation) bedingte Abflachung und Dehnung der Atemkurven verursacht. 4. Nach längerem erzwungenem Aufenthalte unter Wasser, nach der Stigmenverschliessung, bei der Ventilation des Rückenraumes aus einer Wasserstoffatmosphäre sowie bei Registration der Atembewegungen eines im wasserstoffdurch- strömten Raume befestigten Käfers wird keine auffällige, regel- mässige Dyspnoö — durch Sauerstoffmangel des Zentralnervensystems — verzeichnet. Wahrscheinlich besteht hier keine zentrale chemische Atemregulation. Eher wird durch den Wasserstoff eine reflektorische Atemeinstellung hervorgebracht, und die zuweilen ununterbrochene und beschleunigte Atmung nach Stigmenverschliessung könnte auch reflektorisch be- dingt sein. — Dieses Verhalten der zentralen Atemmechanismen könnte man mit der ganzen Lebensweise des Käfers, der überhaupt, wie durch Erstickungsversuche gezeigt wird, grosse Widerstands- fähigkeit gegenüber dem Sauerstoffmangel aufweist, 374 Edward Babäk: Untersuchungen über die Atemzentrentätigkeit etc. in Beziehung bringen, lässt sich aber keinesfalls auf die ganze Insektenwelt ausdehnen. enien 5. Durch die (mit geringem Blutverlust verbundene) Dekapi- tatio'n wird eine auffallende (und weitgehend definitive) Be- schleunigung des Atemrhythmus verursacht (während die Verkleinerung der Amplitude: eher als: Nebenwirkung der Operation aufzufassen ist, die mit der Zeit verschwinden kann). Es erweist sich die proximale Ganglienmasse als ein wichtiger Regulator des Atemrhythmus. — Durch Wasserstoff wird der Atem- rhythmus des kopflosen Tieres fast regelmässig ein- gestellt, um bei Luftzufuhr fast sogleich wieder zu beginnen, was für die reflektorische Natur der Erscheinung sprieht. — Nach Entfernung des Prothorax ‚wird ein sehr beschleunigter, aber schwacher und vorübergehender Atemrhythmus verzeichnet. co — Or j . Experimentelle Untersuchungen über den Hautkitzel. Ven ; Prof. Dr. Adolf Basler, 'Assistent am physiologischen Institut in Tübingen. (Mit 5 Textfiguren.) Der Kitzel kommt durch ähnliche Reize zustande wie die Tast- empfindung, ist aber von dieser der Qualität nach verschieden. Er lässt sich fast am ganzen Körper auslösen, wenn er auch an einzelnen Stellen stärker ausgebildet ist als an anderen. Die Art der Empfindung kann man sich am besten vergegen- wärtigen, wenn man sich den Eindruck in das Gedächtnis ruft, den eine über die Haut laufende Fliege verursacht. Abhängigkeit der Kitzelempfindung von der Stärke des Reizes. Um ein Urteil über die Beziehung zwischen Reizstärke ‚und Empfindung zu erhalten, habe ich dadurch Kitzel hervorgerufen, dass ich ein verschieden stark belastetes Objekt über die Haut führte. Zu diesem Zweck konstruierte ich einen zwar primitiven Apparat, der es aber gestattete, mit stets bestimmbarem Druck und immer gleicher Oberfläche die Haut zu berühren. An dem unteren Ende eines Messingstäbchens « (Fig. 1) ist, um eine Achse f drehbar, ein. zweiarmiger Hebel b befestigt. An dessen einer Seite ist 5 cm von der Achse entfernt ein unten kugelförmig gestaltetes Hartgummistück c angebracht, mit dem eine kleine Ge- wichtschale aus Aluminiumblech d fest verbunden ist. Der Radius der Kugel misst 5 mm. Dem Hartgummistück c mit der Schale d wird das Gleichgewicht gehalten durch eine am anderen Hebelarm angebrachte verschiebliche Muffe e Mit dem Hartgummistück ce wird über die Haut gestrichen, während das Stäbchen a senkrecht gehalten wird. Der Druck, mit dem die Berührung stattfindet, wird bedingt durch das jeweils in die Schale d gelegte Gewicht. Die ersten Versuche wurden am Kleinfingerballen der linken Hand ausgeführt. Die Stärke des beim Reizen auftretenden Kitzels 376 Adolf Basler: liess sich ziemlich gut durch verschiedene Noten ausdrücken. Dabei wurden verwendet die Abstufungen: sehr gut —e genügend = | - gut —ı ungenügend 0 ziemlich gut — 2 Diese Angaben beziehen sich lediglich auf das Kitzelgefühl, nicht auf die gleichzeitig vorhandene Berührungsempfindung. Bei Vornahme der Versuche ergab sich, dass ein Druck von 0,1 g unter den angegebenen Umständen als Berührung wahr- genommen wurde, dass er aber noch zu klein war, um Kitzel zu verursachen. Bei 0,2 eg Belastung liess sich dagegen gewöhnlich schon Kitzelempfindung beo- bachten, die bis zu einem Maximum wuchs, wenn der Druck, d. h. das aufgelegte Gewicht, noch weiter zunahm. Dieses Maximum lag bei 0,5, —2 g Belastung. Wurde der Druck noch weiter erhöht, dann trat das Kitzelgefühl hinter dem Eindruck der Berührung immer mehr zurück, so dass bei etwa 10 g Belastung von Kitzel nichts mehr zu merken war. Damit stimmt die Angabe von Alrutz') überein, wonach zu starke und zu schwache Reize nur Berührungs-, aber keine Kitzel- empfindung hervorriefen. Als Beispiel diene einer meiner Versuche: N S Fig. 1. Versuch vom Freitag, den 17. Mai 1912. Basler, linker Kleinfingerballen. Zeit Druck Note für Kitzel in Grammen in Worten in Zahlen Ih 53’ 0,1 ungenügend 0 10h 6’ 0,2 genügend 1 11h 10’ 0,5 gut 3 11h 20’ 1,0 sehr gut 4 11h. 33’ 2,0 sehr gut 4 11h 53’ 5,0 ziemlich gut 2 3h 30’ 10,0 ungenügend 0 l) Alrutz, Die Kitzel- und Juckempfindungen. Skandin. Arch. f. Physiol. Bd. 20 S. 371 (888). 1908. Experimentelle Untersuchungen über den Hautkitzel. 377 Die angegebenen Werte gelten indessen nur mit einer gewissen Beschränkung, denn die Abhängigkeit der Empfindungsstärke von der Reizerösse ist beim Kitzel ziemiich wechselnd; so sagt auch v. Frey): „Die Intensität des Kitzels ist bei stets gleicher Reizung ausserordentlich variabel.“ Aber andererseits muss doch hervorgehoben werden, dass in allen meinen Versuchen ‘der Gesamtverlauf stets der gleiche war, wenn sich auch das Maximum mitunter etwas verschob. Am besten lassen sich die Beziehungen überblicken, wenn man die Versuche graphisch wiedergibt. Die Abszissen stellen in der unten- stehenden Kurve (Fig. 2), die nach dem eben mitgeteilten Versuch gezeichnet ist, die Belastung dar, die Ordinaten die Empfindungen. Ze 0, 5 nme nn Fig. 2. Graphische Darstellung der Kitzelempfindung bei verschiedenem Druck. Die Akszissen stellen die Gewichte dar, die Ordinaten die Kitzelempfindungen. Ermüdung für Kitzel. Wenn man die im letzten Abschnitt beschriebenen Versuche rasch hintereinander wiederholt, kann man leicht beobachten, dass das Kitzelgefühl bei Anwendung auch solcher Reize die stark wirken müssten, immer schwächer wird. Diese Tatsache rührt daher, dass sehr bald eine Ermüdung für Kitzelreize eintritt, die ziemlich lange anhält. Davon kann man sich leieht durch folgenden einfachen Versuch überzeugen. Man fährt mit dem Ende eines Stäbchens über einer bestimmten Strecke der Haut hin und her, mit solcher Kraft und Geschwindigkeit, dass deutliches Kitzel- 1) M. v. Frey, Die Sinnesfunktionen der menschlichen Haut. I. Abhandl. d. Sächs. Gesellsch, d. Wissensch., math.-phys. Klasse Bd. 23 S. 175 (217). Leipzig 1896. 378 Adolf Basler: gefühl zustande kommt. Diese Empfindung wird im Verlaufe des Streichens immer schwächer, bis sie schliesslich ganz aufhört und nur: noch die Bewegung erkannt wird. Sobald man aber mit dem Stäbchen die alte Bahn verlässt und somit über neue, bisher noch nicht berührte Bezirke der Haut kommt, ist wieder die lebhafteste Kitzelempfindung vorhanden. Um festzustellen, wie lange diese Beeinflussung der Haut anhält, habe ich folgenden Versuch gemacht: Mit dem auf S. 376 ab- gebildeten Apparat reizte ich den Kleinfingerballen meiner rechten Hand 2 Minuten lang durch mässig schnelles Hin- und Herfahren bei einer Belastung von 1 g. Zuerst trat starke Kitzelempfindung auf, die aber immer kleiner wurde, bis sie ganz verschwand. Nach dem Ablauf dieser 2 Minuten dauernden Reizung wurde in kurzen Zwischenräumen — zuerst alle Minuten, später nach längeren Pausen — durch einmaliges Streichen über die Haut geprüft, ob die Empfindung wieder zurückgekehrt war. Im einzelnen lauteten die Angaben wie folst: nn Note für Kitzel Zeit Basiun der — e Bemerkungen Reizung in Worten ‚in Zahlen Ina 0 Min. sehr gut 4 Gereizt wurde bis Ih 14’ Sa ungenügend bis genügend 0—1 9h 13’. Kitzel- 9h 15’ Are, n 2 ” 0—1 empfindung ver- 9h 16’ DIE 5 5 > 0-51 schwand nach Sa 6 N R n 0—1 Bruchteil einer Y9h 19 San ’ » h 0—1 Minute. 9h 21 100% genügend 1 9h 23’ Orr genügend bis ziemlich gut 1—2 de er 5 ” » ” t ” ” I ’ gu S gh ag | 39 gut bis sehr gut 3—4 10h 0’ 49 „ sehr gut d Zum Vergleich wurde stets der linke Kleinfingerballen heran- gezogen und seine Empfindlichkeit — „sehr gut“ gesetzt. Ein ge- wisser Fehler, der sich nicht vollständig vermeiden lässt, haftet aber diesen Versuchen immer an. Alle nachmaligen Reizungen, die den Zweck haben, festzustellen, ob die Ermüdung bereits überwunden ist oder noch anhält, bedingen wieder eine neue Ermüdung. Diese Wirkung wurde allerdings möglichst klein gemacht dadurch, dass immer nur ein einmaliges Bestreichen der Haut vorgenommen wurde. Experimentelle Untersuchungen über den Hautkitzel. 379 ‘Der besseren Übersichtlichkeit ' halber sei auch dieser Versuch graphisch dargestellt (siehe Fig. 3). Die langdauernde Er- müdung scheint mir eine der Hauptursachen zu sein für die stets hervorgehobene Un- sleichmässigkeit der Kitzel- empfindung. Sie ist auch der Grund dafür, dass bei den Untersuchungen des vorigen Abschnittes stets längere . Pausen zwischen den ein- zelnen Reizen eingeschaltet wurden. Gerade die langen Zwi- schenräume bedingen aber andererseits manche Un- sicherheit. Denn die Be- zeichnung der verschiedenen Empfindungsstärken nach Noten ist an und für sich schon mit einer gewissen Willkür verbunden, die zwar durch den Vergleich der ein- zelnen Empfindungen unter sich eingeschränkt werden kann. Die Erinnerung an den vorausgehenden Ein- druck wird aber um so schlechter, je länger die da- zwischen liegende Pause ist. Versuche am Unterarm. Um auch über be- haarte Körperstellen ein Ur- tell zu gewinnen, unter- S 31 DZ 77 KR O1 22321376 7289270 za Reiz Die Abszissen stellen die Zeiten in Minuten dar, die Ordinaten die Empfindungen. Einfluss der Ermüdung auf die Kitzelempfindung. [9] D Fig. {5} suchte ich in der gleichen Weise die Abhängigkeit der Kitzel- empfindung von dem angewendeten Druck an der Dorsalseite des Unterarmes. 380 Adolf Basler: Was als sicheres Ergebnis aus diesen Reihen hervorging, war, dass die Schwelle tiefer lag als an der Hand. Denn bei einem Druck von 0,1 g war schon sehr starke Kitzelempfindung vorhanden, eine Beobachtung, die ja wegen der Behaarung von vornherein zu erwarten war. Weiterhin hatte ich aber vermutet, dass, entsprechend der niederen Schwelle, mit zunehmendem Druck der Kitzel bald nachlassen und einer reinen Berührungsempfindung Platz machen müsste. Doch sah ich mich hierin bald sehr getäuscht. Denn es kam vor, dass recht hohe Druckwerte ab und zu noch ganz be- deutendes Kitzelgefühl auslösten. Im übrigen war die Abhängigkeit der Empfindung von der Grösse des Druckes viel unregelmässiger als an der Hand. Womit dieses zusammenhängt, kann ich augen- blicklich nicht übersehen. Aus einem an mir angestellten Versuch vom 18. Juni 1912 lässt sich erkennen, wie starke Empfindungen schon durch verhältnismässig schwache Reize ausgelöst wurden. Note für Kitzel Zeit Druck in Gramm in Worten in Zahlen 6h 22’ 0,1 gut 3 6h 27’ 0,2 sehr gut 4 6h 32’ 0,3 sehr gut ee 64h 37’ 0,4 gut bis sehr gut 3—4 6h 43’ 0,5 gut bis sehr gut 3—4 7h 10’ 1,0 gut 3 7h 15’ 1,0 ziemlich gut bis genügend | 1—2 7h 20’ 10,0 ungenügend | 0 Gleichzeitig sieht man hier auch an der Kitzelwirkung von 1g, wie verschieden der Erfolg von zwei nacheinander vorgenommenen gleichen Reizungen sein kann. —> [9 7 g& 3 % 5% 6 % 8 7 ro Fig.4. Abhängigkeit der Kitzelempfindung vom Druck. Abszissen — Belastungen, ÖOrdinaten = Empfindungen. Experimentelle Untersuchungen über den Hautkitzel. 381 Ähnlich fielen die übrigen an mir angestellten Versuche aus. Einer vom 10. Mai 1912 sei zum Vergleiche wieder als Kurve dargestellt. (Fig. 4.) Bei einer anderen Versuchsperson trat aber einmal bei 30 g Belastung noch starke Kitzelwirkung auf, die mit der Note „sehr gut“ bezeichnet wurde. Welches ist die für die Auslösung des Kitzels zweckmässigste Bewegung? Jeder Tastpunkt soll die Fähigkeit besitzen, Kitzelempfindung auszulösen !), sofern er nur mehrmals hintereinander gereizt wird. Häufig genügt dazu schon seine einmalige Berührung ?). Ganz regel- mässig soll dies der Fall sein auf der Nasenspitze und am Suleus nasolabialis. So sah Kiesow°) an diesen Stellen stets Kitzel- empfindung auftreten bei Ermittlung der Tastpunkte mit Hilfe von Reizhaaren, und Bourdon*) konstatierte an ebendiesen Stellen - Kitzel bei einmaliger Berührung der Haut mit zugespitzten Papier- streifen. Allerdings ist zu berücksichtigen, dass es sich bei allen erwähnten Angaben um Reizung kleinster Härchen handelt, die bei jeder Berührung selbständige Oszillationen ausführen. Die Kitzelempfindung wird aber wesentlich verstärkt, wenn das berührende Objekt über die Haut hin verschoben wird, wahrscheinlich deshalb, weil dann immer wieder neue Tastpunrkte erregt werden. Es ist auch durchaus nicht gleichgültig, wie schnell sich der Gegenstand bewegt. Die Kitzelempfindung wurde bei meinen Ver- suchen um so stärker, je grösser die Geschwindigkeit war. Zur Feststellung dieser Tatsache bediente ich mich einer Versuchs- anordnung, wie ich sie früher verwendete, um die zum Erkennen einer Bewegung notwendige kleinste Geschwindigkeit zu ermitteln). 1) F. Kiesow, Zur Psychophysiologie der Mundhöhle. Zeitschr. £. Psychol. und Physiol. der Sinnesorgane Bd. 33 S. 424 (429). 1903. 2) M.v. Frey, Untersuchungen über die Sinnesfunktion der menschl. Haut. 1. Abhandl. d. Sächs. Ges. d. Wissensch., math.-phys. Klasse Bd. 23 8. 175 (217). 1896. 3) P. Kiesow, Über die Tastempfindlichkeit der Körperoberfläche für punktuelle mechanische Reize. Zeitschr. f. Psychol. u. Physiol. d. Sinnesorgane Bd. 35 S. 234 (240). 1904. 4) Bourdon, La sensation de plaisier. Revue philosophique de la France et de l’etranger vol. 34 p. 225 (226). 189. 5) A. Basler, Über das Erkennen von Bewegungen mittelst des Tast- gefühls.. Pflüger’s Arch. Bd. 136 S. 368 (376). 1910. Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd. 147. 27 382 Adolf Basler: Mit Hilfe eines Uhrwerkes lässt sich eine Stange verschieden schnell in ihrer Längsrichtung bewegen. Gleichzeitig ist eine Vorkehrung getroffen, dass diese Bewegung auf einer daneben auf- gestellten rotierenden Trommel, die mit berusstem Papier überzogen st, selbsttätig registriert wird. Man ist dadurch jederzeit imstande, genau die Geschwindigkeit zu ermitteln, mit welcher die Stange verschoben wurde. An der Stange nun ist die Einrichtung angebracht, die zum Kitzeln dient. Sie besteht: aus einem Stäbchen a, an dessen oberem Ende ein zweiarmiger Hebel b um eine Achse c sich drehen lässt. An dem einen Hebelarm ist eine Hartgummikugel d von der gleichen Form wie in Fie. 1 angeschraubt. An dem gegenüberliegenden Hebelarm befindet sich in gleicher Entfernung von der Achse eine Gewichtschale e, welche der L Ad Kugel das Gleichgewicht hält, so dass das Stäbchen db hori- zontal steht. Der Stab a geht an seinem unteren Ende in eine Muffe f über, die zur Befestigung an der oben er- wähnten Stange dient. Über diese ganze Vor- richtung wurde ein Gerüst aus Latten gestellt, das einige Millimeter höher ist als die obere Fläche der Kugel d. Auf das Lattengestell liess sich die Hand so legen, dass die Kugel d gerade die untersuchte Hautstelle berührte. Der Druck, unter dem dies geschah, war gleich dem in die Schale e gelegten Gewicht. Der Versuch gestaltete sich wie folgt: Die Versuchsperson nahm vor der Aufstellung Platz und legte die Hand auf das Gerüst. Hierauf wurden die Uhrwerke iu Gang gesetzt, wodurch eine Verschiebung der Stange und somit der Kugel d. mit bestimmter Geschwindiekeit erfolgte. Jetzt musste angegeben werden, wie stark das auftretende Kitzelgefühl war. Dabei kamen wieder die oben angegebenen Noten zur Anwendung. Nach einer Pause von mehreren Minuten wurde eine andere Geschwindigkeit eingestellt und mit ihr eine erneute Prüfung in der gleichen Art vorgenommen. Erst nach vollständiger Beendigung des Versuches maass ich die Kurven aus. Dies hat den Vorteil, dass der Untersuchte, Experimentelle Untersuchungen über den Hautkitzel. ‚383 während er sich das Urteil bilden muss, absolut keine Vorstellung über die Geschwindigkeit der Bewegung hat, so dass jede suggestive Beeinflussung von vornherein ausgeschlossen ist. Alle Bestimmungen wurden ausgeführt am Kleinfingerballen der linken Hand und mit einem Druck von 1. Ergebnisse. Auch diese Versuche brachte ich nachträglich in Tabellenform, und es wurden wieder der besseren Übersichtlichkeit wegen Kurven konstruiert, welche die Abhängigkeit der Kitzelempfindung von der Geschwindigkeit der Bewegung darstellen. Nachstehende Tabelle gibt die Ergebnisse eines solchen an mir selbst angestellten Versuches vom Samstag, den 25. Mai 1912 wieder. Geschwindigkeit Zeit Amar 8 Note für Kitzel in der Sekunde) in Worten in Zahlen 10h 59' 7,8 gut 3 11h 4' 12,4 gut bis sehr gut 3—4 Kan12R 7,0 zieml. gut bis genügend 1—2 {lh 35° 12,8 sehr gut 4 11h 43’ 1,25 ungenügend 0 11h 48’ 1,9 ungenügend 0 11h 57’ 2,3 genügendbisungenügend| 0—1 Die verschiedene Länge der Pausen ist dadurch bedingt, dass nach jeder Bestimmung der Apparat immer wieder neu eingestellt werden musste, was verschieden lange Zeit in Anspruch nahm. Bei einer Geschwindigkeit von 2 mm und weniger in der Sekunde fühlte ich zwar mit dem Kleinfingerballen deutlich eine Verschiebung des die Haut berührenden Objektes, empfand aber dabei keine Spur von Kitzel. Dieses Gefühl trat erst bei Geschwindig- keiten von über 2 mm auf, war an der Grenze sehr schwach aus- geprägt und nahm mit zunehmender Geschwindigkeit der Bewegung zu. Die schnellste Verschiebung, die ich mit meiner Versuchs- anordnung .herstellen konnte, war eine solche von 12,3 mm in der Sekunde; und dabei war auch die Kitzelempfindung am grössten. Wie sich der Kitzel bei noch rascherer Bewegung verhält, konnte ich leider bisher nicht untersuchen, da, wie erwähnt, sich grössere Geschwindigkeiten mit dem mir zur Verfügung stehenden Uhrwerk nicht herstellen liessen. Di 384. Adolf Basler: Die durch Kitzeln hervorgerufenen Reflexe. Bisher wurde untersucht, von welchen Einflüssen die Kitzel- empfindung abhängt. Dieselbe lässt sich an der ganzen Körperober- fläche beobachten; an einer Stelle vielleicht etwas mehr als an einer anderen, aber die Qualität der Empfindung ist trotzdem die gleiche. Durch Kitzeln der Hand werden im allgemeinen, wie auch an vielen anderen Körperstellen, keine Reflexe ausgelöst; dagegen ist dieses an zahlreichen Hautbezirken in ausgedehntem Maasse der Fall. So treten, z. B. beim leichten Streichen über die Nackengeeend, die Fusssohle und verschiedene andere Körperstellen, sobald die Kitzel- empfindung eine gewisse Stärke erreicht hat, heftige Abwehrreflexe auf, die häufig mit Lachen verbunden sind. Robinson!) stellte die Empfindlichkeit verschiedener Körper- stellen für die Auslösung der Lachreaktion durch Kitzeln fest. Er konnte auf Grund von Untersuchungen zahlreicher Kinder die ver- schiedenen Körperbezirke in eine solche Ordnung bringen, dass vom Anfang der Reihe bis zum Schlusse die Empfindlichkeit abnimmt. Seine Aufzählung heisst: die hintere Hals-Nackengegend, die Rippen, die Ellenbogenbeuge, die Rippeninsertion der Bauchmuskeln, die Weichen, Gegend des Hüftgelenkes, obere vordere Schenkelgegend. Die Fusssohlen sind nicht aufgeführt. Bei anderen Untersuchungen ?) wurden offenbar die primäre Kitzelempfindung und die darauf erfolgende Reaktion zusammen- geworfen, worauf meines Wissens zuerst Buch?), allerdings in etwas anderem Sinne, hingewiesen hat. Die Lachreaktion kommt nur zustande, wenn man von einem anderen gekitzelt wird. . Ebenso bleibt sie aus bei psychischer De- pression. Damit dürfte zusammenhängen, dass die meisten Menschen, wie behauptet wird, am kitzligsten sind nach der Hauptmahlzeit, am wenigsten im nüchternen Zustande. 1) L. Robinson, Artikel „Ticklishness“ in The dictionary of psychol. medecine. Sully. Zitiert nach M. Buch, Über den Kitzel. Arch. f. (Anat. u.) Physiol. 1909 S. 1 (5). 2) St. Hall and A. Allin, The psychology of tickling, laughing and the comic. Americ. Journ. of psychol. vol.9p.1. 1897; zit. nach S. Alrutz, ]. c. S. 378 und Dechambre, zit. nach M. Buch, Über den Kitzel. Arch. f. (Anat. u.) Physiol. 1909 S. 1 (8). 8) M. Buch, 1. c. 8.5. Experimentelle Untersuchungen über den Hautkitzel. 385 Untersuchungen an der Fusssohle. Um selbst die Reflexe beobachten zu können, musste ich, wie aus dem Gesagten hervorgeht, ausser der Hand noch eine andere Körperstelle mit in die Untersuchung hereinziehen. Der einzige Körperteil, der dazu in Betracht kam, war die Fusssohle. Denn alle übrigen Hautgebiete sind mit Haaren besetzt, was in vielen Beziehungen eine Komplikation oder Verschleierung der Ergebnisse hätte bedingen können. Ich untersuchte also mit der gleichen Methode wie an der Hand auch an der Fusssohle, in welcher Weise die Kitzelempfinaung von der Stärke des Reizes abhängt. Dazu bediente ich mich des in Fig. 1 abgebildeten Apparates. Die Versuchsperson lag mit dem Rücken nach oben der Länge nach ausgestreckt, beugte das unter- suchte Bein rechtwinklig im Knie, so dass die Fusssohle nach oben gerichtet war und eine horizontale Lage einnahm. Ein Versuch vom 7. Juni 1912, der an meiner linken Fuss- sohle vorgenommen wurde, zeigt die beim Kitzeln mit verschiedenem Druck auftretenden Empfindungen. Zeit 5 Duck Dee un Del Bemerkungen in Gramm in Worten in Zahlen 2h 10’ 0,1 gut bis ziemlich gut 2—93 — 23h 15’ 0,2 ziemlich gut 2 _- .2ı 20’ 5,0 sehr gut 4 Andeutung von Reflex 2h 30' 10,0 ausgezeichnet 5) Lachreflex 2h 40' 20,0 b} Lachreflex sehr stark ” Es traten Kitzelempfindungen auf, die stärker waren als die bisher mit „sehr gut“ bezeichneten. Sie wurden deshaib in dem Protokoll „ausgezeichnet“ genannt was der Zahl 5 entspricht. Da bei diesem Versuch 20 g das grösste verwendete Gewicht war, so bildet die folgende Tabelle, die von einem Versuch vom 19. Juni herrührt, gewissermaassen die Fortsetzung. Zeit Druck Note für Kitzel 1 . in Gramm in Worten in Zahlen 6h 15’ 20 ausgezeichnet 5) 6h 10’ 50 e 5 6h 15’ 70 K 5 6h 20’ 90 " 5 386 Adolf Basler: Selbstverständlich waren diese starken Reizungen von den heftiesten Reaktionen begleitet. Man ersieht ohne weiteres, dass hier, im Gegensatz zur Hand, die Kitzelempfindung mit wachsendem Druck nicht zuerst wächst und dann wieder abnimmt, sondern die Empfindung wird bis zu einem gewissen Maximum immer grösser; von da ab bleibt sie, bei noch weiterem Anwachsen der Reizgrösse, in unserem Falle des Druckes, etwa auf gleicher Höhe stehen. Auch Alrutz!) fand keine obere Grenze des Druckes, bei der nur Druckempfindung übrigblieb, während der Kitzel verschwand. Bemerkenswert ist, dass gleichzeitig die Schwelle für Kitzel- empfindung an der Fusssohle kleiner ist als an der Hand. Denn am Kleinfingerballen konnte ich bei Reizung mit 0,1 g zwar Be- rührungs-, aber Keine Kitzelempfindung feststellen, während am Fusse bei gleicher Belastung der Kitzel schon sehr deutlich hervor- trat. Wenn Alrutz?) angibt, dass die schwächsten Reize an der Planta pedis noch keine Kitzelempfindung auslösten, so liegt dies wohl daran, dass die von ihm verwendeten Reize (Bestreichen mit Haarpinsel oder zugespitztem, mit Baumwolle umwickeltem Kork- zylinder) noch unter meinen Belastungsgrössen lagen. Das bisher Gesagte bezog sich auch bei der Fusssohle nur auf die primäre Kitzelempfindung. Gleichzeitig mit dieser traten aber Reflexe auf. Dieselben begannen bei mir gewöhnlich, sobald der Reiz den Druck von 5—10 g überschritt. Dabei änderte sich aber die Empfindung, soweit sie sich auf den primären Kitzel bezieht, qualitativ in keiner Weise. Auch diese Beobachtung deckt sich mit einer Angabe von Alrutz?) vollkommen. Die Reflexe bestehen in erster Reihe in auffallend raschen, hastigen Abwehrbeweeungen, die mit Schreien oder einem eigen- tümliehen Lachen verknüpft sein können. Sie werden deshalb häufig kurz als Lachreaktion bezeichnet. Ein anderer Reflex ist die von Hecker) erwähnte Erweiterung 1) S. Alrutz, Die Kitzel- und Juckempfindungen. Skand. Arch. f. Physiol. Ba. 20 S. 371 (888). 1908. 2) S.-Alrutz, ]. c. S. 388. 8). 8. Alrutz, 1.e.S. 389. 4) E. Hecker, Die Physiologie und Psychologie des Lachens und des Komischen S. 10. F. Dümmler’s Verlagsbuchh. Harrwitz u. Gossmann, Berlin 1873. Experimentelle Untersuchungen über den Hautkitzel. 387 deı Pupillen. Natürlich war ich bemüht, mich selbst von dieser Erscheinung zu überzeugen, und ich konnte dabei die Angabe Hecker’s vollständig bestätigen. Die Versuchsperson kehrte das Gesicht dem Fenster zu, so dass man bequem die Augen sehen konnte. Wenn eine Fusssohle einiger- maassen beträchtlich gekitzelt wurde, trat eine zwar geringe, aber deutlich erkennbare Erweiterung der Pupillen auf, die, solange gereizt wurde, anzuhalten schien. Doch habe ich bisher die Ver- grösserung nur beobachten können bei sehr heftiger Kitzelempfindung, bei der gleichzeitig auch die anderen Reflexe vorhanden waren. Genauere Untersuchungen hierüber habe ich bis jetzt noch nicht ausgeführt. Die Reflexe wuchsen im allgemeinen mit steigender Intensität der Reizung, liessen sich aber durch den Willen gewöhnlich unter- drücken oder doch bedeutend einschränken. Wie an der Hohlhand, so treten auch an der Fusssohle Er- müdungserscheinungen ein, aber doch weniger ausgesprochen als dort. Deshalb kann man verhältnismässig lange Zeit kitzeln, ohne dass die Empfindung wesentlich nachlässt. Als ich meine linke Fusssohle fortgesetzt mit einem Druck von 10 g bestreichen liess, war die primäre Kitzelempfindung sowie auch der Lachreflex erst nach 2 Minuten verschwunden. Vielleicht hängt mit der relativ leichten Ermüdbarkeit die von Goldscheider!) mitgeteilte Erscheinung zusammen, dass solche Hautpartien, die längere Zeit von einem festen Überzug bedeckt waren, gegen Kitzel empfindlicher sind. Denn man kann annehmen, dass nicht so eng umschlossene Körperteile beständig leichten Berührungen ausgesetzt sind, welche die Empfindlichkeit abstumpfen. So habe auch ich gefunden, dass die Fusssohle weit kitzliger ist, wenn man vor dem Versuch Stiefel an- hatte, als wenn die Füsse nur mit Hausschuhen bekleidet waren. Beziehungen zwischen primärer Kitzelempfindung und Lachreaktion. Zunächst sei eine Darstellung meiner Auffassung gegeben, wie ich sie auf Grund der mitgeteilten Versuche gewann. 1) A. Goldscheider, Neue Tatsachen über die Hautsinnesnerven. Arch. f. (Anat. u.) Physiol. 1885 Suppl. S. 1 (93). 388 Adolf Basler: Der primäre Hautkitzel besitzt eine spezifische Sinnesqualität, die sich, wie jede Empfindung, nicht beschreiben lässt. Er ist an der ganzen Körperoberfläche auslösbar. An manchen Teilen der Haut ist er stärker als an anderen; so ist er z. B. besonders heftig an dem Suleus nasolabialis, wo auch die Schwelle sehr tief liegt. Ebenfalls sehr ausgesprochen, jedoch mit grösserem Schwellenwert ist das Kitzelgefühl an der Fusssohle, dem Handteller usw. Die von Sternberg!) hervorgehobene grosse Kitzelempfind- lichkeit des harten Gaumens kommt hier nicht in Betracht, weil sich die vorliegende Untersuchung nur auf die äussere Haut bezieht. Ausser diesen primären Empfindungen können durch das Kitzeln die oben genauer beschriebenen Reflexe ausgelöst werden. Die beiden möglichen Folgen des Reizes, nämlich die primäre Kitzelempfindung, die an der gereizten Stelle lokalisiert ist, und die reflektorischen Bewegungen, möchte ich besonders scharf trennen. Denn gerade durch Vermengung der primären Empfindung mit der Reaktion und durch Erschliessung der Stärke des Kitzelgefühls aus der Intensität der Reflexe ist schon grosse Verwirrung angerichtet worden. Auf Grund von Untersuchungen über den Rosenbach’schen Bauchdeckenreflex vertritt Buch?) die Ansicht, dass „der Haut- und Schleimhautkitzel nicht das geringste mit dem Lachreflex zu tun hat, sondern dass zum Zustandekommen der Lachreaktion eine Reizung der Muskulatur stattfinden muss. Dieser Muskelkitzel kann nicht durch leichte Berührung und sanftes Streichen, sondern nur durch festen Griff hervorgerufen werden.“ Bei meinen Versuchen an der Fusssohle fand ich aber den Lach- reflex schon bei verhältnismässig geringem Gewicht, so dass man doch an den oberflächlichen Hautkitzel denken muss. Es soll übrigens durchaus nicht bestritten werden, dass bei höherem Druck, z. B. bei einem solchen von etwa 100 g, die tiefliegenden Nervenelemente erregt werden. Es schien mir aber wichtig, noch eine andere Körperstelle zum Versuch heranzuziehen. Sagt doch Buch?) selbst ausdrücklich, dass die Fusssohle eine gewisse Sonderstellung einnimmt. 1) W. Sternberg, Kitzel- und Juckempfindung. Zeitschr. f. Sinnes- physiologie Bd. 45 S. 51 (55). 1910. 2} M. Buch, Über den Kitzel. Arch. f. (Anat. u.) Physiol. 1909 S. 1 (4). O)aMa Buch, alze ser Experimentelle Untersuchungen über den Hautkitzel. 389 Deshalb reizte ich die Nackenhaut in der gleichen Art wie die übrigen Körperstellen mit schwachem Druck. Dabei trat bei 0,2 g Belastung eine ausserordentlich starke primäre Kitzelempfindung, kombiniert mit starker Lachreaktion, auf. Durch so kleine Gewichte ist aber die Reizung der Muskulatur unbedingt ausgeschlossen. Dieser Versuch scheint mir noch unzweifelhafter als der an der Fusssohle zu beweisen, dass auch der oberflächliche Hautkitzel die Lachreaktion im Gefolge haben kann. Mit dem Gesagten soll jedoch durchaus nicht in Abrede gestellt werden, dass ein Muskelkitzel im Sinne von Buch existiert. Auch scheint es mir nicht unmöglich, dass dieser in der Tiefe lokalisierte Kitzel vielfach Lachreaktion zur Folge haben kann. Der Kitzel besitzt trotz des begleitenden Lachens eine unangenehme Gefühls- betonung, was schon daraus hervorgeht, dass Kinder sich gegen das Gekitzeltwerden stets sträuben !). Die verhältnismässig wenig lästige Empfindung gestaltet sich zu einem direkt unerträglichen Zustande, wenn die Reizung längere Zeit fortgesetzt wird. Darauf beruht es auch, dass das Kitzeln schon als Strafe und Folter eingeführt wurde. Während den Gräueln des 30jährigen Krieges soll es vorgekommen sein, dass Leute dadurch _ zu Tode gekitzelt wurden, dass man ihnen die Fusssohlen mit Milch bestrich und diese von Ziegen ablecken liess ?). Bei meinen Versuchen hatte ich häufig Gelegenheit, zu be- obachten, dass der Lachreflex gesteigert war und weit leichter ein- trat, wenn vorher oder gleichzeitig ein anderer Körperteil gekitzelt wurde. Nicht selten kommt auch die Reaktion schon zustande, wenn nur der Versuch zum Kitzeln gemacht wird, eine Beobachtung, die man an spielenden Kindern leicht machen kann. Es werden hier demnach Bewegungen ausgelöst, deren veranlassender Reiz ob- jektiv gar nicht vorhanden ist. Derartige Erscheinungen sind aber freilich in der Physiologie nichts besonders Auffallendes. Ich erinnere als Beispiel nur daran, wie lebhaft die Speicheldrüsen bei der blossen Vorstellung einer wohlschmeckenden Speise zu sezernieren beginnen. 1) Wenn H. Ellis (Die Gattenwahl beim Menschen. Würzburg 1906) von einem Falle berichtet, dass ein junges Mädchen sich absichtlich kitzeln liess und dabei Lustgefühl empfand, so lag hier offenbar eine pathologisch abnorme Empfindung vor. 2) Ähnliche Fälle, bei denen der Kitzel als Strafe Verwendung fand, er- wähnt M. Buch, |. c. S. 15. 390 Adolf Basler: Welches sind die Nervenendigungen in der Haut, deren Reizung Kitzelempfindung verursacht? Alrutz!) gelangte zu der Auffassung, dass es in der Haut liegende Nervenendigungen gibt, deren Reizung keine andere Sinnes- qualität empfinden lässt als Kitzel. Er gründet diese Behauptung auf seine Beobachtung, dass es Tastpunkte gibt, deren Erregung keine Kitzelempfindung bedingt, und dass andererseits Kitzel durch Reizung von zwischen den Tastpunkten liegenden Stellen hervor- gerufen werden kann. Wir hätten demnach für die ebengenannte Empfindung ein besonderes Sinnesorgan, das nach Alrutz ziemlich oberflächlich liegen soll. Wie ich glaube, neigen indessen die meisten Forscher der An- nahme zu, dass der Kitzel eine bei Reizung der Tastpunkte auf- tretende Nebenerscheinung ist?). Für diese Auffassung sprechen Jie zahlreichen Beobachtungen, dass es möglieh ist, durch Reizung einzelner Tastpunkte Kitzelempfindung zu erhalten ?). Bekannt ist die niedrige Schwelle für Kitzel an den behaarten Körperstellen, die auch von mir beobachtet wurde, und die sich wohl am ungezwungensten aus der Tatsache erklären lässt, dass die Körperhärchen als Hebel wirken. Es liegen zuverlässige An- gaben vor*), dass ebendiese Härchen Kitzelempfindung veranlassen. Man wird also nicht fehlgehen, wenn man die Nervenkränze der Haarbälge, die ja nach der allgemeinen Auffassung die Tastempfindung vermitteln, auch als Sinnesapparate für den Kitzel ansieht. Wenn jedoch behauptet wird’), dass den Tasthärchen eine be- sondere Empfindlichkeit, die nicht den anderen Formen des Tast- sinnes entspricht, zukommt, so sei demgegenüber nur daran erinnert, dass genau der gleiche oberflächliche Kitzel, wie er bei Berührung 1) S. Alrutz, Die Kitzel- und Juckempfindungen, Skand. Arch. Bd. 20 S. 371 (896). 1908. 2) A. Goldscheider, Neue Tatsachen über die Hautsinnesnerven. Arch. f. (Anat. u.) Physiol. 1835 Suppl S. 1 (92). Eine eingehende Darstellung der verschiedenen Auffassungen gibt T. Thunberg, Nagel’s Handb. d. Physiol. Bd. 3 S. 704. ; 3) F. Kiesow, Zur Psychophysiologie der Mundhöhle usw. Zeitschr. f. Psychol. u. Physiol. der Sinnesorgane Bd. 33 S. 424 (429). 1903. 4) F. Kiesow, l. c. S. 429. 5) Ossipow und Noischewski, Gesellsch. d. Ärzte der psychiatr. u. neuropathol. Klinik in Petersburg, 22. Jan. 1898, zit. nach M. Buch, 1. c. S. 12, Experimentelle Untersuchungen über den Hautkitzel. 391 eines Tasthärchens entsteht, zustande kommt, wenn man über eine unbehaarte Körperstelle streicht. Für diese Hautbezirke wird ge- wöhnlich angenommen, dass die Kitzelempfindung an die Meissner- schen Tastkörperchen geknüpft ist. Da aber an einzelnen Teilen unseres Körpers auch durch sehr starken Druck Kitzel ausgelöst werden kann, so ist es nicht von der Hand zu weisen, dass in diesen Fällen die in der Tiefe liegenden Endapparate, welche wohl für die Wahrnehmung des starken weit in die Tiefe dringenden Druckes bestimmt sind, auch Kitzel- empfindung vermitteln können. Welche der beiden Auffassungen mehr Glaubwürdigkeit besitzt, darüber traue ich mir kein eigenes Urteil zu, da sich meine Unter- suchungen nicht auf die Beantwortung dieser Fragen erstreckten. Zusammenfassung der Ergebnisse. Zum Schlusse seien die wesentlichsten Ergebnisse meiner Unter- suchungen nochmals kurz hervorgehoben, wobei ich mich jedoch nicht an die Reihenfolge halte, die der ausführlicheren Darstellung zugrunde gelegt wurde. 1. Bei leichtem Streichen (0,1 g Belastung) über den Klein- fingerballen mit einem kugelförmig gestalteten Hartgummistück von 10 mm Durchmesser hatte ich noch keine Kitzei-, sondern lediglich Druckempfindung. 2. Bei einem Druck von 0,2 g trat bei sonst gleicher Reizung primäre Kitzelempfindung auf, die mit zunehmendem Druck bis zu einem Maximum wuchs, das bei 0,5—2 g Belastung lag. 3. Bei weiterer Zunahme des Druckes trat der Kitzel immer mehr zurück, in dem Maasse, als die Berührung kräftiger gefühlt wurde, so dass sich bei 10 g überhaupt kein Kitzel mehr wahr- nehmen liess. 4. An der Fusssohle bedingte ein Druck von 0,1 g schon ziemlich starkes Kitzelgefühl, das auch hier mit zunehmendem Ge- wicht immer grösser wurde. Aber im Gegensatz zur Hand liess sich zwischen einer Belastung von 0 und 100 g kein Maximum nach- weisen, von dem aus die Empfindung wieder kleiner wurde. 5. An der Dorsalfläche des Unterarmes war bei 0,1 g Be- lastung ebenfalls schon deutliches Kitzelgefühl vorhanden. Im übrigen verhielt sich die Empfindung bei zunehmendem Druck ähnlich wie am Kleinfingerballen, wenn man von einigen Unregelmässigkeiten 5923 Adolf Basler: Experimentelle Untersuchungen über den Hautkitzel. absieht, die gerade hier viel mehr hervortreten als an allen anderen untersuchten Körperstellen. 6. Von grosser Bedeutung war es, wie rasch das erregende Objekt verschoben wurde. Unter Bewegungen, die mit Geschwindig- keiten von 2—12,8 mm in der Sekunde erfoleten, war die von 12,35 mm am wirksamsten. Bei und unter 2 mm Geschwindigkeit war keine Kitzelempfindung zu erhalten. 7. Schon nach kurzer Zeit trat eine auffallende Ermüdung der gekitzelten Hautpartie für weitere Reize ein, die sich bis zu 30 Mi- nuten lang fühlbar machen konnte 8. Auch. an der Fusssohle waren die Ermüdungserscheinungen vorhanden, aber weniger ausgesprochen als an der Hand. 9. Dureh Kitzeln mancher Körperstellen treten, wenn der Reiz eine gewisse Grösse erreicht hat, bestimmte Reflexe auf. Sie be- stehen in Erweiterung der Pupille, Abwehrbewegungen, Schreien und Lachen. : 10. Diese Reflexe waren sehr stark bei Reizung der Fusssohle und der Nackengegend, waren aber nicht zu beobachten beim Kitzeln des Handtellers, des Handrückens und des Armes.: Auch konnten sie niemals hervorgerufen werden, wenn man sich selbst kitzelte. 395 Untersuchungen über den Druck in den kleinsten Blutgefässen der menschlichen Haut. I. Mitteilung. Der Ochrometer, ein Apparat zur Ermittlung dieses Druckes. Von Prof. Dr. Adolf Basler, Assistent am physiologischen Institut in Tübingen. (Mit 5 Textfiguren.) Wohl der erste, welcher den Blutdruck in den Kapillaren zu bestimmen suchte, war N. v. Kries!). Er maass denselben dadurch, dass er auf die Haut des lebenden Menschen ein Glasplättchen von bestimmter Grösse auflegte und dieses so lange beschwerte, bis eine Verfärbung der Haut auftrat. Eine solche ist ein Zeichen dafür, dass die Kapillaren der Haut oder wenigstens viele von ihnen zu- sammengedrückt werden, woraus sich schliessen lässt, dass der zur Anwendung gebrachte Druck den in diesen Gefässen herrschenden um ein geringes übertreffen muss. Derselben Methode bedienten sich H. und B. Ballantyne?) und in neuester Zeit wieder Schiller?). Diese Untersuchungen haben den Nachteil, dass stets ein zu hoher Druck gefunden wird. Denn, damit überhaupt eine Kom- pression der Gefässe zustande kommen kann, muss, worauf schon v. Kries aufmerksam gemacht hat, die Epidermis an den Rändern des Glasplättehens eingedrückt werden. Zu einer solchen Deformations- 1) N. v. Kries, Über den Druck in den Blutkapillaren der menschlichen Haut. Berichte der Sächs. Gesellsch. der Wissensch. Bd. 27 S. 149. 1875. 2) H. and B. Ballantyne, Journ. of Boston Soc. of med. science vol. 3 p. 330. 1899. (Mir nicht zugänglich.) 3) W. Schiller, Über den Einfluss der Temperatur auf den Druck in den Kapillaren der Haut. Physiol. Zentralbl. Bd. 24 S. 391. 1911. 394 Adolf Basler: arbeit, die sich gar nieht in Rechnung ziehen lässt, wird ein nicht unbeträchtlicher Anteil des ausgeübten Druckes verbraucht. Dieser Fehler könnte zwar dadurch eingeschränkt werden, dass man die Glasplatte möglichst gross machte, so dass die Randpartien, an denen sich lediglich die Deformation abspielt, gegenüber der ge- drückten Fläche sehr klein werden. Aber über eine gewisse Grösse kann man nicht hinausgehen, weil sonst die Haut wegen ihrer Unebenheit nicht mehr an allen Stellen genau anliegt"). Eine andere Gruppe von Versuchen wurde in der Weise aus- geführt, dass über einem abgegrenzten Hautbezirk ein hydrostatischer Druck erzeugt wurde, der gerade ausreichte, um eine Verfärbung herbeizuführen, und dessen Grösse an einem Manometer abgelesen werden konnte. Dieser Methode bedienten sich Roy und Brown?), welche die Schwimmhaut und das Mesenterium des Frosches so lange komprimierten, bis sich bei mikroskopischer Beobachtung zeigte, dass die darin befindlichen Kapillaren verschlossen waren. Eine ähnliche Versuchsanordnung wendete Lapinsky?°) an. v. Basch‘*) klebte auf die Haut ein Gefäss und erzeugte in diesem einen solchen Druck, dass er gerade ausreichte, um die Haut- gefässe blutleer zu machen. v. Recklinghausen?) benutzte einen an zwei gegenüber- liegenden Stellen durchlochten Gummiballon, dessen untere Öffnung auf die menschliche Haut aufgedrückt wird, während die obere durch eine Glasplatte verschlossen ist. Er erhöhte den Druck so lange, bis die Haut blass wurde, und liess ihn hierauf wieder abnehmen, bis eine deutliche Rötung der Haut sichtbar wahrgenommen werden konnte. 1) Vgl. dazu die Ausführungen von Lombard, American Journ. of Physiol. vol. 29 p. 335 (840). 1912. 2) Ch. Roy and J. G. Brown, Neue Methode, den Blutdruck in den kleinen Arterien, Venen und Kapillaren zu messen. Arch. f. (Anat. u.) Physiol. 18738 8. 158. — Ch. Roy and J. G. Brown, The blood pressure and its variations in the arterioles, capillaries and smaller veins. Journ. of Physiol. vol. 2 p- 323. 1879/80. 3) M. Lapinsky, Studien über die lokale Blutzirkulation im.Bereiche ge- lähmter Nerven. Arch. f. (Anat. u.) Physiol. 1899 Suppl. S. 477. 4) S. v. Basch, Wiener klin. Rundschau 1900 Nr. 28 u. 29. (Mir nicht zugänglich.) 5) H. v. Recklinghausen, Unblutige Blutdruckmessung. 3. Abhandl. Arch. f. exper. Path.’u. Pharm. Bd. 55 S. 463 (490). 1906. Untersuchungen über den Druck in den kleinsten Blutgefässen etc. 395 Seit einiger Zeit mit der Untersuchung des Blutdruckes in den kleinen Gefässen der menschlichen Haut beschäftigt, war es mein Bestreben, mich dabei einer Versuchsanordnung zu bedienen, die eine möglichst genaue Messung gestattet und die Vorteile aller bisher angewendeten Apparate in sich vereinigt. Von diesem Gesichtspunkte aus war ich bemüht, einen handlichen und jederzeit gebrauchsfertigen Apparat zu konstruieren, den ich als Ochrometer (von wxeös blass) bezeichnen möchte. Ich habe denselben bei der letzten Tagung der Deutschen physiologischen Gesellschaft in München demonstriert, inzwischen aber bei Fortsetzung meiner Untersuchungen so weitgehend verändert und, wie ich glaube, verbessert, dass eine vollständig neue Be- schreibung angezeigt sein dürfte. Beschreibung des Apparates. Der Apparat besteht aus einer starken Messingplatte «a (Fig. 1a), die etwa 3 cm über einem Brettehen b befestigt ist. In derselben sind zwei runde Gläser c, und c, von je 2 em Durchmesser luft- dicht eingekitte. Unter den Gläsern sind zwei unten offene Kästehen d, und d, luftdicht aufgeschraubt. Fig. 2 zeigt eines dieser Kästchen von unten gesehen, Fig. 3 einen Querschnitt _ durch dasselbe. Jedes Kästchen besteht aus einem elliptischen Messingblech von 3 mm Stärke, in welchem zwei Löcher eingeschnitten sind, ein grosses Loch / mit einem Durchmesser von 20 mm und ein kleines Loch e mit 3 mm Durchmesser. Seitlich sind zwei > mm breite Streifen von Messingblech f, und fs angelötet, die so gebogen sind, dass sie sich dem Rande des elliptischen Bodens an- passen. Die untere, offene Seite ist überzogen mit Goldschlägerhaut 9, die durch Behandlung mit Glycerin recht weich gemacht wurde. Zur Befestigung der Membran dient eine Rinne %, welche seitlich in das 3 mm starke Blech eingefeilt ist, und um den ganzen Rand herumläuft. Mit Hilfe dieser Rinne lässt sich das Kästchen nach Art einer Marey’schen Kapsel mit der Goldschlägerhaut verhältnis- mässig leicht überziehen. Durch das Anbringen der Membran entsteht ein nach allen Seiten abgeschlossener Hohlraum, der nur durch die beiden Löcher ! und e mit aussen kommuniziert. Beide Kästehen sind nun so an die Platte « angeschraubt, dass das Loch ! jedes Kästehens gerade mit dem Fenster c, resp. C3 ZU- sammentrifft, so dass man durch das Glas ce hindurch direkt auf 6 Adolf Basler: Fig. 2. b Ansicht von der Seite. Fig. 1. a Längsschnitt. Untersuchungen über den Druck in den kleinsten Blutgefässen etc. 397 -die Goldschlägerhaut, und da die letztere durchsichtig ist, durch dieselbe hindurchsehen kann. Das Loch e hat einen anderen Zweck. Um nämlich eine Kommunikation mit dem Raum ‘im Innern her- stellen zu können, sind auf der Platte a (vel. Fig. 4) zwei um- gebogene Messingröhren ?, und :, angelötet, deren Lumen die Platte durehbricht. Unter die Mündung dieser beiden Röhren kommt das Loch e beider Kästchen zu liegen. Zum Versuche legt man nun zwei Finger einer Hand so unter den Apparat, dass jeder unter eines der mit Goldschlägerhaut über- spannten Kästchen zu liegen kommt, wie es in Fig. 1a, wo die Quer- schnitte der beiden Finger mit %, und k, bezeichnet sind, schematisch angedeutet ist. Für jeden Finger ist ein Behälter aus Blech m, und ms vor- handen, der genau unter das Kästchen d passt, und dessen Seiten- wände entsprechend der Form des Fingers mit Polsterung versehen sind. Dadurch liegt die ganze Goldsehlägerhaut zum Teil der -Polsterung, zum grösseren Teil der Haut des Fingers auf. Zwei Blechstreifen 2, und n3 sind auf der einen Seite durch ein Scharnier ınit der Unterfläche der Behälter »» verbunden; auf der anderen Seite lassen sie sich durch eine Schraube o (Fig. 15) beliebig in die Höhe schieben. Diese Blechstreifen, auf welche die Finger zu liegen kommen, haben den Zweck, die obere Fingerfläche gleich hoch zu stellen. Fig. 4. Durch Blasen in die Röhrchen 2, und , lässt sich in den Kästchen d der Luftdruck erhöhen, und da die Goldschlägerhaut sehr nachgiebig ist, überträgt sich dieser Druck auf die darunterliegende Haut. Gleichzeitig kann man die Farbe der beiden Finger durch die runden Gläser c, und c, hindurch beobachten. Der eine der beiden Finger dient als Vergleicehsobjekt; über dem anderen wird so lange der Druck erhöht, bis sich die Haut gerade zu verfärben beginnt. Nun wären aber die beiden durch die runden Glasscheiben sichtbaren Fingerstücke, weil zu weit vonein- ander entfernt,. schwer zu vergleichen. Deshalb werden die beiden Gesichtsfelder durch optische Hilismittel scheinbar so gegeneinander Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd. 147. 28 398 Adolf Basler: geschoben, dass sie sich unmittelbar berühren. Und hierzu dient die ganze übrige Einrichtung (Fig. 1) des Apparates. Ungefähr 5 em über der Platte a ist eine zweite Platte » von derselben Grösse angebracht. Auf ihr sind in einem Gehäuse aus Messing q zwei Fresnel’sche Prismen r, und 7, montiert, welche die Strahlen, die in ihre untere Fläche eintreten, so zusammenbrechen, dass sie, an der oberen Fläche unmittelbar aneinander anstossend, heraustreten. Diesen Gläsern entsprechend sind in der Platte » zwei Öffnungen s; und s, angebracht. Der Teil eines Gesichtsfeldes, der also unter dem Loch s, liegt, stösst nach dem Austritt der Strahlen aus der oberen Fläche der Fresnel’schen Prismen direkt an den unter dem Loch s, liegenden Teil des anderen Objektes. Zum Schluss ist über dem Ganzen ein Tubus # angebracht, der an seinem oberen Ende mit einem ziemlich engen Diaphragma » verschlossen ist, durch das bei der Untersuchung hindurch gesehen wird. Diese Einrichtung hat den Zweck, einmal das von oben auf- fallende Licht, das an der oberen Fläche der Prismen reflektieren würde, abzuhalten, andererseits dem Auge eine Stellung aufzuzwingen, die genau senkrecht über der Berührungslinie der beiden Fresnel- schen Prismen liegt. Um das Auge in die Entfernung bringen zu können, wie es seiner Refraktion entspricht, ist der Tubus ? ausziehbar. Eine weitere Optik ist entbehrlich. Alle zuletzt beschriebenen Teile sind wie der ganze Apparat aus Messing hergestellt und an der Innen- fläche schwarz gebeizt. Von grosser Bedeutung ist eine möglichst gute Beleuchtung der beiden sichtbaren Fingerfiächen. Diesem Zwecke dient ein an der hinteren Seite des Apparates angebrachter Spiegel w, der sich mittels der Schraube w, um eine nahe an dessen unterem Rand liegende horizontale Achse drehen lässt. Auf dem Längssehnitte (Fig. 1a) ist natürlich nur die Projektion dieses Spiegels auf die Schnittebene darstellbar und deshalb nur punktiert angedeutet. Um den Druck im Inneren der Kästchen erhöhen und gleich- zeitig seine Stärke ablesen zu können, ist noch eine besondere Ein- richtung vorhanden. Die zur Druckmessung notwendigen Quecksilber- manometer , und % (Fig. 5) sind zur bequemeren Aufstellung beide zusammen auf einem Holzbrettehen montiert. Sie sind mit einer Skala’versehen und brauchen, da der zu bestimmende Druck Untersuchungen über den Druck in den kleinsten Blutgefässen etc. 399 nie gross ist, nicht höher zu sein als 1O cm. Zu genauen Messungen empfiehlt es sich, Wassermanometer zu verwenden. Der eine Schenkel der Manometer ist jeweils durch einen Gummi- schlauch mit dem T-Rohr x, resp. x; verbunden, das auf der gegen- überliegenden Seite durch einen zweiten Gummischlauch und das Ansatzrohr i, resp. “ (Fig. 1b und 5) mit dem Hohlraum des Kästehens d kommuniziert. Durch die beiden Gummigebläse y, und Ya wird der Druck hergestellt. Um nach dem Gebrauch die ein- gepumpte Luft wieder entfernen zu können, wurden in die Schlauch- leitungen zwei T-Hähne z, und z, eingeschaltet. Soll eine Bestimmung mit dem beschriebenen Apparat vor- genommen werden, dann werden, wie schon erwähnt, zwei Finger unter die Membranen geschoben. Hierauf legt man durch leichtes Drücken an beiden Gummi- sebläsen die Goldschlägerhäutchen dieht an. Dabei muss gerade so viel Luft hineingeblasen werden, dass zwar die Membranen nach abwärts gehen, aber kein Überdruck entsteht, was sich an der Ein- stellung des Manometers erkennen lässt. Nun wird bei gleichzeitiger Beobachtung durch den Tubus £ (Fig. 1) der eine der beiden Finger dureh Erhöhung des Luftdruckes so lange komprimiert, bis seine Haut gerade heller zu werden beginnt als die des anderen Fingers. Durch Ablesen des vom Manometer angezeisten Druckes erhält man so denjenigen Druck, der gerade etwas grösser ist als der in den am leichtesten kompressiblen Ge- fässen der Haut herrschende. 28 + 400 Adolf Basler: Die Bestimmung wird natürlicherweise um so genauer, je ähn- licher von vornherein die Farbe der sichtbar werdenden Fingerteile ist. Aus diesem Grunde ist mitunter einiges Probieren erforderlich, namentlich dann, wenn die Finger gegen den Nagel hin röter werden. Aber durch entsprechendes Hin- und Herschieben der Hand gelingt es immer, solche Stellen zu finden, dass beide dem beobachtenden Auge erkennbaren Gesichtsfelder in der Farbe genau übereinstimmen. Dann ist man für die kleine Mühe aber auch reichlich belohnt, denn es lässt sich so der geringste Farbenunterschied überraschend leicht feststellen. Genauigkeit des Apparates. Um zu ermitteln, mit welcher Genauigkeit die Bestimmungen vorgenommen werden können, führte ich mehrere Versuchsreihen aus. Dabei blieb die untersuchte Hand in dem Apparat ruhig liegen, und es wurden ziemlich schnell nacheinander 20 Bestimmungen gemacht. Zur genaueren Ablesung wurden bei diesen Versuchen die beiden Quecksilbermanometer durch zwei mit Wasser gefüllte ersetzt. Bei der ersten Versuchsreihe betrug der mittlere Fehler für die einzelne Beobachtung + 13,4 mm; als mittleren Fehler des Mittel- wertes berechnete ich + 3,36 mm. Bei den späteren Versuchen wurde aber das Ergebnis wesentlich besser, so dass der mittlere Fehler des Mittelwertes nie grösser als £ 2 mm Wasserdruck wurde. Als Beispiel sei auf S. 401 ein soleher Versuch in Tabellenform angeführt. Dass der Fehler in der ersten Reihe nicht unbeträchtlich grösser war als in allen folgenden, liest wohl an der mangelhaften Übung. In einer weiteren Reihe von Beobachtungen suchte ich festzu- stellen, mit welcher Genauigkeit der Apparat arbeitet, wenn die Bestimmungen nach der v. Recklinghausen’schen Art ausgeführt werden. Es wurde also der Druck über dem einen Finger so lange erhöht, bis derselbe deutlich hell wurde, dann musste der Druck langsam sinken, und sobald die Farbe des Fingers wieder mit der des Vergleichsfingers übereinstimmte, wurde der Druck abgelesen. Hierbei. betrug der mittlere Fehler des Mittelwertes + 1,21 mm; demnach ist auch bei dieser Art der Untersuchung, was die Ein- stellung anlangt, die Genauigkeit eine ganz ähnliche. Untersuchungen über den Druck in den kleinsten Blutgefässen etc. 401 Versuch vom 24. Mai 1912. Basler, linker Zeigefinger. Zahl der Beobachtungen n —= 20. Abweichung Nummer Ablesung | vom Mittel- a2 wert = d 1 94 OR. | 0 2 94 0 0 3 104 10 100 4 94 0 0 5 84 10 100 6 102 8 64 7 90 4 16 6) 98 4 16 &) 90 4 16 10 90 4 16 Mi 83 6 3 12 92 2 4 13 54 10 100 14 94 0 0 15 92 2 4 16 102 ) 64 17 94 0 0 18 102 () 64 19 98 4 16 20 94 0 0 — Sa. 1880 — 616 Summe der Quadrate — Dur — MN Mittelwert der Ablesungen — —_ — 94 Mittlerer Fehler der einzelnen Beobachtung f = + vv — a A) 2 Mittlerer Fehler des Mittelwertes !'= + VS — 35 1lle Lombard!) hat in seiner verdienstvollen Arbeit aus dem Würz- burger physiologischen Institut eine Methode veröffentlicht, welche die Untersuchung der Druckverhältnisse in den kleinsten Gefässen der menschlichen Haut wesentlich fördern dürfte. Nach seinen Be- obachtungen lassen sich mit einem Mikroskop bei 24facher Ver- grösserung die Gefässe der Cutis in der Fingerhaut erkennen, wenn man auf den Finger eine Glycerinschicht bringt und für genügende Beleuchtung sorgt, Wird der Finger verschieden stark komprimiert, während gleichzeitig die Gefässe beobachtet werden, kann man fest- stellen, dass bei allmählicher Erhöhung des Druckes zuerst der 1) W. P. Lombard, The Blood Pressure in the Arterioles, Capillaries, and small veins ofthe human Skin. Americ. Journ. of Physiol. vol. 29 p. 335. 1912. 402 Adolf Basler: Untersuchungen über den Druck etc. subpapilläre Venenplexus komprimiert wird, was sich an dem Er- blassen des Grundes bemerkbar macht. Da ich bei den bisher beschriebenen Versuchen nur den eben merklichen Farbenunterschied der Haut berücksichtigte, so muss es sich auch hier um diese sehr kleinen Venen handeln. Bei dem mitgeteilten Versuche betrug der Druck 94 mm. Wasser = annähernd 7 mm Quecksilber. Wenn Lombard den zur Überwindung der am leichtesten kompressiblen Gefässe nötigen Druck höher fand, so erklärt sich diese Abweichung wohl unschwer daraus, dass Lombard keine Vergleichsfarbe zur Verfügung hatte. Vielleicht ist auch eine gleichmässige Farbenveränderung des Grundes mit dem Mikroskop schwerer zu erkennen. Das bisher Gesagte schien mir zum Verständnis des Apparates notwendig. Das Ergebnis der mit dem Ochrometer vorgenommenen Untersuchungen soll in einer späteren Veröffentlichung mitgeteilt werden. 403 (Aus dem pharmakologischen Institut der Reichsuniversität Utrecht.) Die _ Abhängigkeit des Tonus der Nackenmuskeln von der Kopfstellung. Von R. Magnus und A. de Kleijn. (Mit 1 Textfigur.) Einleitung. In einer früheren Arbeit!) haben wir über die Abhängigkeit der Extremitätenmuskeln von der Kopfstellung berichtet. In Ver- suchen an Katzen und Hunden ergab sich, dass bei dezerebrierten, Tieren der Tonus der Gliedermuskeln in sehr verwickelter Weise von der Stellung des Kopfes beeinflusst wird, und es gelang, die Erscheinungen vollständig zu erklären durch eine Superposition von Hals- und von Labyrinthreflexen. Entsprechende Reaktionen wurden auch am Menschen in pathologischen Fällen beobachtet. Weiland?) konnte dann zeigen, dass im Prinzip die gleichen Erscheinungen sich am Kaninchen nachweisen lassen. Die bisher vorliegenden Ver- suche gestatten einen Einblick in den Einfluss der Labyrinthe und der Stellung des Halses auf den Gliedertonus. Zu einem vollständigen Verständnis des Zusammenhanges dieser Erscheinungen fehlte noch ein Glied. Es war noch festzustellen, ob auch ein Finfluss der Labyrinthe auf den Tonus der Halsmuskeln vorhanden ist. Sollte sich eine derartige Abhängigkeit nachweisen lassen, so würde sich dadurch ein neuer Weg ergeben, durch welche die Labyrinthe auf die Gliedermuskeln einwirken können. Ausser 1) R. Magnus und A. de Kleijn, Die Abhängigkeit des Tonus der Extremitätenmuskeln von der Kopfstellung. Pflüger’s Arch. Bd. 145 S. 455. 1912. . 2) W. Weiland, Hals- und Labyrinthreflexe beim Kaninchen usw. Pflüger’s Arch. Bd. 147 S.1. 1912. 404 R. Magnus und A. de Kleijn: den in der früheren Arbeit geschilderten direkten Reflexen würden dann noch die Labyrinthe die Stellung des Halses bedingen und diese wieder reflektorisch den Gliedertonus beeinflussen. Es hat sich nun tatsächlich nachweisen lassen, dass der Tonus der Halsmuskeln in gesetzmässiger Weise von den Labyrinthen ab- hängt, mit anderen Worten, dass die Stellung des Kopfes im Raum in gesetzmässiger Weise einen bestimmten Kontraktionszustand der Halsmuskeln bedingt. Der Schilderung dieser Beziehungen ist die nachstehende Arbeit gewidmet. Methodik. Dieser Arbeit liegen im ganzen 39 gelungene Versuche zugrunde, von denen 22 an Katzen, 12 an Kaninchen und 5 an Hunden aus- geführt wurden. Die Ergebnisse sind in ihren Grundzügen so übereinstimmend, dass sie für alle drei Tierarten gemeinsam be- sprochen werden können. Die meisten Versuche wurden an dezerebrierten Tieren ausgeführt. Die Technik der Dezerebrierung war genau die gleiche, wie sie in den früheren Arbeiten geschildert worden ist. Auf die Durchtrennung des Rückenmarks im Brustteil, die sich bei den Versuchen über den Extremitätentonus als vorteil- haft erwiesen hatte, haben wir jetzt meistens verzichtet. Die Erwartung, dass nach Durchschneidung des Rückenmarks am ersten Brustwirbel der Tonus der Nackenmuskeln beim dezerebrierten Tier wesentlich zunehmen würde, hat sich nicht erfüllt. Da wir den Einfluss der Labyrinthe auf die Nackenmuskeln untersuchen wollten, so war zunächst bei jedem Experiment festzustellen, ob die Tiere nach der Dezerebrierung überhaupt wirksame Labyrinthreflexe hatten. Zu diesem Zwecke benutzten wir die in unserer früheren Arbeit (Seite 515) geschilderten Reaktionen, mit denen man an dezerebrierten Tieren die Anwesenheit von Laby- rinthreflexen beweisen kann. Am leichtesten geschieht das, wenn man in Seiten- lage des Tieres den Kopf dreht. Dreht man den Kopf mit dem Scheitel nach unten und dem Kiefer nach oben, und folgt darauf tonische Streckung beider Vorderbeine, so sind wirksame Labyrinthreflexe vorhanden. Ferner kann man in Hängelage mit Kopf unten (Wirbelsäule steht senkrecht) den Kopf ventral- wärts beugen; strecken sich darauf beide Vorderbeine, so kann man ebenfalls die Anwesenheit von Labyrinthreflexen annehmen. Ebenso, wenn Heben und Senken des Kopfes in Rückenlage den entgegengesetzten Effekt auf den Vorder- beintonus hat wie in Fussstellung. Für die Details dieser Prüfungen verweisen wir auf unsere früheren Arbeiten. Nur solche Tiere, welche wirksame Labyrinth- reflexe besitzen, eignen sich zur Anstellung der im nachstehenden beschriebenen Versuche. Die Abhängigkeit des Tonus der Nackenmuskeln von der Kopfstellung. 405 Die Prüfung des Tonus der Nackenmuskeln geschieht am besten und am überzeugendsten einfach mit der Hand, indem man den Widerstand feststellt, den der Kopf einer bestimmten Bewegung entgegensetzt. Als solche Bewegung be- nutzten wir die Beugung des Halses in dorsaler und in ventraler Richtung, wo- bei diese Bewegung entweder im Atlanto-oceipital-Gelenk oder in der Halsmitte oder am Ansatze des Halses am Rumpfe vorgenommen werden konnte. Bei der Ausführung der Bewegungen hat man darauf zu achten, dass dabei die Lage der Mundspalte gegen die Horizontebene nicht geändert wird, da sonst hierdurch störende Labyrinthreflexe ausgelöst werden. Ausserdem wurde der Widerstand des Halses gegen Drehen und Wenden des Kopfes nach rechts und nach links untersucht. Als Wenden des Kopfes bezeichnen wir eine Bewegung um die Achse: Scheitel-Schädelbasis, bei der Rechtswendung bewegt sich die Schnauze nach der rechten Seite des Tieres. Als Drehung bezeichnen wir eine Bewegung um die Achse: Schnauze-Hinterhauptsloch, bei der Rechtsdrehung wird das rechte Ohr gesenkt. Wenn man den Widerstand des Halses gegen Kopfdrehen und -wenden bei verschiedenen Lagen des Körpers im Raum untersuchen will, so muss man sorgfältig darauf achten, dass sich bei dem Übergang von einer Lage in die andere die Stellung des Halses gegen den Rumpf nicht ändert, da hierdurch allein schon der Widerstand gegen Drehen und Wenden verändert werden kann. Sind z. B. der Hals und der Kopf stark dorsalwärts retrahiert, so wird schon dadurch der Widerstand gegen Halsdrehen vergrössert. Um diese Fehlerquelle auszuschalten, tut man gut, den Scheitel des Tieres mit der Hohlhand zu um- fassen, die Spitze von Daumen und Mittelfinger auf die Gegend der Kiefer- gelenke zu setzen und den Zeigefinger wie eine Art Schiene über die Dorsal- fläche des Halses zu legen. Umgreift man dann den Körper des Tieres mit der anderen Hand (und dem Unterarm), so kann man es leicht erreichen, dass der Nacken seine Stellung zum Rumpf nicht ändert, wenn man den Körper des Tieres in verschiedene Lagen bringt. Wenn man nun auf diese Weise leichte Bewegungen des Kopfes gegen den Rumpf in den angegebenen Richtungen aus- führt, so kann man auf sehr deutliche Weise den Tonus der Nackenmuskeln an dem Widerstand fühlen, den sie diesen Bewegungen entgegensetzen, und man kann die sehr starken Änderungen dieses Tonus, die bei verschiedenen Stellungen des Kopfes im Raum auftreten, direkt wahrnehmen. Manchmal fühlt man dabei, wie eine maximale oder federnde Muskelspannung direkt nachlässt, manchmal fühlt man die vorher schlaffen Halsmuskeln schnell die stärkste Spannung gewinnen. In denjenigen Versuchen (und das waren die meisten), in denen dann die Labyrinthe ein- oder doppelseitig ausgeschaltet wurden, haben wir meist die Einspritzung mit 200 Kokain von der Bulla aus ins Labyrinth angewendet, nach dem Verfahren, welches de Kleijn!) für die Katze geschildert hat, und welches auch bei Hunden und Kaninchen gelingt. In einigen Fällen bei Hund und Katze und in den meisten Fällen beim Kaninchen haben wir auch die Labyrinthe auf chirurgischem Wege von der Bulla aus entfernt. (Vergl. de Kleijn!). 1) A. de Kleijn, Zur Technik der Labyrinthexstirpation und Labyrinth- ausschaltung bei Katzen. Pflüger’s Arch. Bd. 145 S. 549. 1912. 406 R. Magnus und A. de Kleijn: Einzelne Beobachtungen wurden auch an Tieren angestellt, denen in Äther- narkose das Labyrinth der einen Seite von der Bulla aus exstirpiert war, und bei denen die Dezerebrierung erst ein oder zwei Tage später vorgenommen wurde. Für die Bezeichnungen der verschiedenen Stellungen des Rumpfes und Kopfes im Raum und der verschiedenen Bewegungen des Kopfes gegen den Rumpf gebrauchen wir die gleichen Bezeichnungen wie in unserer früheren Arbeit, auf welche wir für alle Einzelheiten verweisen‘). Rückeniage, Fussstellung und Seitenlage sind ohne weiteres verständlich. Für die verschiedenen Lagen des Kopfes im Raum haben wir Winkelbezeichnungen eingeführt, die auch in dieser Arbeit verwendet werden sollen, und für deren Verständnis wir die früher gegebene Abbildung hier nochmals abdrucken. Fig. 1. Versuchsergebnisse. l. Verhalten labyrinthloser Tiere. Dezerebrierte Tiere, denen beide Labyrinthe exstirpiert oder ausgeschaltet sind, zeigen nach den Versuchen Sherrington’s eine vorzügliche Enthirnungsstarre, bei der die Streckmuskeln der Glieder, die Heber des Schwanzes und des Nackens einen deutlich ausgesprochenen Tonus besitzen. Der Tonus der Nackenmuskeln ist direkt fühlbar an dem Widerstand, den der Nacken einer Be- wegung‘ des Kopfes ventralwärts entgegensetzt, während die Dorsal- verschiebung und Dorsalbeugung des Nackens meist auf geringen Widerstand stösst. Ebenso ist Wenden und Drehen des Kopfes nur unter Überwindung eines gewissen Widerstandes möglich. Diese Tonusverhältnisse der Nackenmuskeln bleiben konstant, in welcher 2) R. Magnus und A. de Kleijpn, a. a. O. S. 462. Die Abhängigkeit des Tonus der Nackenmuskeln von der Kopfstellung. 407 Lage zur Horizontalebene sich der Rumpf und der Kopf des Tieres ‚auch befinden. In Rückenlage, Fussstellung und Seitenlage sind sie in genau der gleichen Stärke nachweisbar. 2. Verhalten dezerebrierter Tiere mit intakten Labyrinthen. Dieses ändert sich sofort, sobald man Tiere mit gut wirksamen Labyrinthreflexen untersucht. Bei diesen findet sich ein sehr starker Einfluss der Lage des Kopfes im Raum auf den Tonus der Nacken- muskeln. In unserer früheren Mitteilung wurde gezeigt, dass der Streck- tonus der Glieder maximal wird, sobald sich der Kopf in der Stellung 0° bis + 45° findet (Scheitel unten, Kiefer oben, Mund- spalte 0° bis 45° über die Horizontale gehoben. Fig. 1). Befindet sich der Kopf in der umgekehrten Stellung, 180 ° bis — 135° (Fig. 1), so ist der Strecktonus der Glieder am geringsten, und es kann sogar ein aktiver Beugetonus auftreten. Es hat sich herausgestellt, dass bei diesen selben Stellungen des Kopfes auch der Tonus der Nackenmuskeln maximal bzw. minimal wird. Befindet sich das Tier in Rückenlage und der Kopf in der Stellung zwischen 0° und +45°, so ist der Tonus der Nackenheber, die den Kopf dorsalwärts bewegen, maximal. Kopf und Nacken sind nach dem Rücken zu retrahiert, und man fühlt einen Widerstand bei dem Versuche, den Kopf ventralwärts zu be- wegen, welcher in gut gelungenen Versuchen nur mit grösster An- strengung zu überwinden ist. Dieser Widerstand ist fühlbar, wenn man die Bewegung des Kopfes gegen den Rumpf im Atlanto- oceipital-Gelenk, in der Halsmitte oder an der Halsbasis ausführt. Eine Verschiebung des Kopfes in dorsaler Richtung stösst dagegen auf keinen oder nur sehr geringen Widerstand. Die Beuger von Kopf und Nacken haben also bei dieser Lage des Kopfes keinen deutlichen Tonus. Dreht man nunmehr das ganze Tier, ohne die Stellung des Kopfes zum Rumpfe zu ändern, um eine beliebige Achse um 180°, bis es sich in Fussstellung befindet und der Kopf die Lage 180° bis — 135° (Scheitel oben, Kiefer unten) einnimmt, so fühlt man, dass der Tonus der Nackenstrecker abnimmt, und dass der Widerstand gegen Ventralverschieben und Ventralbeugen des Kopfes geringer wird. Der Grad dieser Abnahme ist in den verschiedenen Versuchen 408 R. Magnus und A. de Kleijn: wechselnd. Manchmal nimmt der Tonus der Nackenstrecker nur einfach ab, aber er kann gelegentlich auch vollkommen verschwinden. Im Gegensatz dazu kann man in fast allen Versuchen nachweisen, ddass die Verschiebung des Kopfes in dorsaler Richtung nunmehr auf einen deutlichen Widerstand stösst. Es ist also ein Tonus der Nackenbeuger aufgetreten. Auch der Grad dieses Tonus wechselt in den verschiedenen Versuchen. Er kann sehr stark, er kann aber auch nur eben angedeutet sein. Eine Abnahme des Streck- tonus unter dem Einfluss der Labyrinthe geht also einher mit einer Zunahme des Beugetonus. Auch hier gilt wie bei den Extremitäten für die Labyrinthreflexe das Gesetz der reziproken Innervation. Im einzelnen lassen sich bei diesen Reflexen folgende Besonder- heiten feststellen. Bei den Katzen wurde in allen Versuchen bis auf einen das Maximum des Tonus der Nackenstrecker bei der Kopfstellung + 45°, das Minimum bei — 135° gefunden. Nur in einem Versuche lag das Maximum des Tonus der Nackenstrecker bei 0° und das Minimum bei 180° Beim Hund war unter drei Versuchen zweimal das Maximum bei 0°, (Minimum bei 180°). In einem Falle war das Maximum zwischen 0° und + 45° (Minimum zwischen 180° und — 135°). Die Genauiekeit der Bestimmungen ist nicht ganz so gross wie bei den Extremitäten, weil der Nacken kürzer ist als die Gliedmaassen, doch dürfte der Fehler 20° nicht überschreiten. Ebenso wie in den Versuchen an den Gliedermuskeln ist die Maximum- und die Minimumstellung des Kopfes stets um 180° voneinander verschieden. Auch in diesem Fall tritt in der sogenannten Minimumstellung ein Maximum des Tonus der Beugemuskeln auf. Die geschilderten Reflexe sind Labyrinthreflexe. Sie fallen nach Ausschaltung beider Labyrinthe sofort und endgültig aus. Reflexe von der Haut des Tieres spielen, wie besondere Kontroll- versuche ergaben, hierbei keine Rolle. Bei den dezerevrierten Tieren, bei denen schon von vorn- herein der Tonus der Nackenheber besonders gross ist, ist in der Maximumstellung der Tonus dieser Muskeln immer viel grösser, als der Tonus der Nackenbeuger in der Minimumstellung werden kann. In dem Verhältnis des Tonus der beiden antagonistischen Muskel- gruppen sind, wie erwähnt, zwischen den verschiedenen Versuchen grosse Unterschiede. So kann es vorkommen, dass ein Tier in Fussstellung den Kopf noch stark gehoben trägt und ohne Unter- Die Abhängigkeit des Tonus der Nackenmuskeln von der Kopfstellung. 409 stützung frei in der Luft hält; in anderen Versuchen sinkt der Kopf unter Frschlaffung der Naekenstrecker und Kontraktion der Beuger zu Boden, woran sich dann, wie in der früheren Mitteilung gezeigt wurde, eine Erschlaffung der Vorderbeine anschliessen muss. Verhielten sich beim Heben und Senken des Kopfes die drei untersuchten Tierarten im wesentlichen gleich, so sind beim Drehen und Wenden die Verschiedenheiten etwas grösser. Das Wenden stösst bei Kaninchen und Hunden in der Maximumstellung (+ 45 °) auf den grössten, in der Minimumstellung (— 135°) auf den ge- ringsten Widerstand. Auch bei den Katzen ist dies in der Mehrzahl der Versuche der Fall; doch kommt es gelegentlich vor, dass der Widerstand gegen Wenden bei den verschiedenen Lagen des Kopfes nicht nachweislich wechselt. In einem Versuche war er sogar in der Minimumstellung (— 135°) am grössten. Der Widerstand gegen Kopfdrehen ist bei Hunden und Kaninchen ebenfalls in der Maximum- stellung (0° bis + 45°) am grössten, in der Minimumstellung (180 ° bis — 135°) am geringsten. Bei den Katzen sind die Unterschiede im Widerstand gegen Kopfdrehen bei verschiedenen Lagen des Kopfes meistens gering und stets weniger ausgesprochen als die beim Wenden fühlbaren Unterschiede. Meist fühlt man bei Katzen den grössten Widerstand beim Drehen, wenn der Kopf sieh in der Maximumstellung befindet. In zwei Versuchen war das Verhalten umgekehrt. Hier war der Widerstand der Minimumstellung etwas STÖSSET. Dieses Verhalten beim Drehen und Wenden kann nicht wunder- nehmen, wenn man bedenkt, dass bei diesen Bewegungen nicht nur die Nackenstrecker, sondern auch die Beuger in Anspruch genommen werden, und dass der Tonus der letzteren in der Minimumstellung nicht ab-, sondern zunimmt. In der Seitenlage des Tieres stehen die Tonusverhältnisse der Nackenmuskeln ungefähr in der Mitte zwischen denen bei Fuss- stellung und bei Rückenlage. Häufig ist besonders bei Katzen der Widerstand gegen Dorsalverschieben des Kopfes dem gegen Ventral- verschieben gleich. Manchmal überwiegt bei Katzen der Tonus der Heber. In selteneren Fällen (zwei Versuche) der der Beuger. Bei Kaninchen und Hunden ist in Seitenlage der Tonus der Nackenheber stets deutlich vorhanden und der der Nackenbeuger minimal oder abwesend. Auch in den übrigen von uns geprüften Lagen des Tieres im 410 R. Magnus und A, de Kleijn: Raum nimmt der Tonus der Nackenmuskeln Werte an, die zwischen denen der Maximum- und denen der Minimumstellung liegen. Im allgemeinen verhalten sich die hier geschilderten Reflexe gerade so, wie die Reflexe von den Labyrinthen auf die Extremitäten- muskeln. Es handelt sich auch hier um Reflexe der „Lage. Der Einfluss der Labyrinthe dauert so lange, als sich der Kopf in der betreffenden Stellung befindet. Die Latenz wechselt. Sie kann nur den Bruchteil einer Sekunde betragen, kann aber auch bis zu 10 Sekunden und länger dauern. Die Reflexe treten nur dann auf, wenn der Kopf seine Lage zur Horizontalebene ändert. Ebenso sind alle reinen Progressivbewegungen unwirksam. Die beschriebenen Reaktionen sind in guten Versuchen so ausser- ordentlich deutlich ausgesprochen, dass sie sich ohne weiteres fühlen und demonstrieren lassen. Dieser Verdeutlichung fügen wir noch je ein tabellarisches Versuchsprotokoll für Katze, Hund und Kaninchen bei. Versuch 20. Dezerebrierte Katze. Rückenlage Widerstand des Kopfes ö Fussstellung gegen 1450 Seitenlage 1980 Dorsalverschieben . . . . . | Nuil | Schwach | Stark Ventralverschieben. . . . . Maximal Stark Schwach Wiendenwrasu. tn. 20. 0m Stark Deutlich | Schwach Drehen tan Kane: Kein deutlicher Unterschied Versuch 23. Dezerebrierter Hund von 6 Wochen. Ras ; 7 3 N Wider wen Kopfes Rückenlage 0° Seitenlage else Dorsalverschieben . .. . . Null Null Deutlich Ventralverschieben. . . . . Sehr stark Mittel Null Wenden... vrlı 2 Sm Stark Deutlich Schwach Drehen ar re: Deutlich | Etwas geringer Schwach Versuch 29. Dezerebriertes Kaninchen. In Kopfes Rückenlage 0° | Seitenlage ne Dorsalverschieben der Hals- ; Dasısh. ee ee Null Null Gering Ventralverschieben der Hals- 1 DAasıSss Sn er Eee Maximal Sehr stark | Schwächer Dorsalbeugen im Atlant.- R r0ccip.-Gelenk on nı.. Null - Null Gering Ventralbeugen im Atlant.- occip.-Gelenk ur mer Maximal Sehr stark Schwächer Wiendenkre. nn Se: Stark Mittel Schwach Drehen zes. Stark Mittel Schwächer Die Abhängigkeit des Tonus der Nackenmuskeln von der Kopfstellung. 411 3. Verhalten einseitig labyrinthloser Tiere. In unserer früheren Mitteilung haben wir gezeigt, dass ein Labyrinth imstande ist, den Tonus der beid erseitigen Extremitäten- muskeln reflektorisch zu beeinflussen. Fxstirpiert man bei einem dezerebrierten oder normalen Tier ein Labyrinth, so findet man häufig (aber nieht immer) die Beine der Körperseite, auf welcher das Labyrinth fehlt, schlaffer als die Beine der anderen Seite. Dieser Tonusunterschied ist vorübergehend und kann auch ganz fehlen. Ob er aber vorhanden ist oder nicht, in beiden Fällen kann ‘das noch anwesende Labyrinth bei Veränderung der Stellung des Kopfes im Raum den Tonus aller Extremitäten in gleichem Sinn und in gleicher Stärke beeinflussen. Fin Labyrinth wirkt also auf den Extremitätentonus beider Körper- seiten. Bei den in dieser Arbeit beschriebenen Versuchen hat es sich mit grösster Deutlichkeit herausgestellt, dass das Verhältnis der Labyrinthe zu den Halsmuskeln ein anderes ist. Ein Labyrinth steht ausschliesslich oder wenigstens ganz überwiegend zu den Halsmuskeln nur einer Körperseite in Be- ziehung. Exstirpiert man einem dezerebrierten Tier ein Labyrinth oder schaltet es mit Kokain aus, so stellt sich alsbald die bekannte Kopf- abweichung her. Der Kopf wird nach der Seite des fehlenden Labyrinthes gewendet und gedreht. Unmittelbar nach der Operation überwiest bei den Katzen und Hunden stets die Wendung des Kopfes, während bei Kaninchen häufig die Drehung stärker aus- gesprochen ist. (Einige Tage nach der Operation überwiegt bei nieht dezerebrierten Katzen und Hunden ebenfalls die Drehung.) Untersucht man ein derartiges einseitig Jabyrinthloses Tier in der oben beschriebenen Weise auf das Verhalten des Tonus seiner Nackenmuskeln, so kann man zunächst feststellen, dass in der Maximumstellung des Kopfes (0° bis + 45°) noch immer Beugen und Ventralverschieben des Kopfes auf grösseren Widerstand stösst als in der Minimumstellung des Kopfes. Dieser Unterschied ist sowohl deutlich, wenn man die Labyrinthabweichung des Kopfes bestehen lässt, als auch, wenn man die Drehung und Wendung korrigiert und den Kopf in symmetrische Stellung zum Rumpfe bringt. Versucht man die Drehung oder Wendung des Kopfes zu korri- gieren, so stösst man dabei auf einen deutlichen muskulären Wider- 412 R. Magnus und A. de Kleijn: stand. Ist z. B. das rechte Labyrinth exstirpiert worden und der Kopf infolgedessen nach rechts gedreht und gewendet, so kann man beim Linksdrehen oder -wenden des Kopfes einen starken Wider- stand der tonisch verkürzten Rechtsdreher und Rechtswender des Nackens fühlen. Dagegen stösst Rechtswendung auf keinen und Rechtsdrehung auf meist nur geringen Widerstand. Es ist also ein Tonusunterschied der Nackenmuskeln an den beiden Halsseiten . aufgetreten. Wenn man nun ein solches Tier in verschiedene Lagen im Raum brinet, so kann man feststellen, dass der Tonus der vorher erschlafften Muskeln (bei rechtsseitiger Labyrinthexstirpation der Linksdreher und Linkswender) sich dabei nicht ändert. Sowohl bei Maximum- wie bei Minimumstellung des Kopfes bleibt ihr Tonus minimal. (Bei unserem Beispiel stösst Rechtswenden und Rechts- drehen bei allen Kopfstellungen im Raum auf keinen Widerstand.) Anders verhält sich der Tonus der Muskeln, welche nach Labyrinthexstirpation in Kontraktion geraten sind. (Rechtsdreher und Rechtswender unseres Beispiels.) — Es hat sich in zahlreichen Versuchen an Katzen, Hunden und Kaninchen zeigen lassen, dass der Tonus dieser Muskeln in der Maximumstellung des Kopfes (0° bis + 45°) deutlich grösser ist als in der Minimumstellung (180° bis — 135°). Bei Rückenlage des Tieres stösst also die Korrektion der Kopfabweichung nach Labyrinthexstirpation auf grösseren Wider- stand als in Fussstellung; die hierbei festzustellenden Tonusänderungen sind niemals so gross, wie sie für die Heber und Senker des Nackens bei Anwesenheit beider Labyrinthe oben geschildert worden sind. Sie sind aber in gut gelungenen Versuchen so deutlich, dass an der Richtigkeit unserer Angaben nicht gezweifelt werden kann. Bei der Minimumstellung des Kopfes verschwindet der einseitige Tonus der Wender und Dreher des Nackens niemals ganz. Die Kopfabweichung bleibt also auch in Fussstellung des Tieres bestehen. Nur die Differenz im Tonus der beiderseitigen Nackenmuskeln ist in der Maximumstellung viel grösser als in Minimumstellung, da die Spannung der Muskeln, welche nach einseitiger Labyrinthexstirpation schlaff bleiben, sich bei verschiedener Stellung des Kopfes im Raum nicht nachweislich ändert. Nur in einem unter 39 Versuchen haben wir eine ganz geringe Zunahme des Tonus der erschlafften Muskeln in der Minimumstellung des Kopfes gefunden. (Reciproke Innervation). Die Abhängigkeit des Tonus der Nackenmuskeln von der Kopfstellung. 413 Im einzelnen ergaben sich folgende Unterschiede bei den drei untersuchten Tierarten. Bei Katzen und Hunden ist hauptsächlich die Wendung des Kopfes ausgesprochen und der geschilderte Tonus- unterschied deshalb auch am deutlichsten beim Wenden des Kopfes nachzuweisen. Beim Kaninchen tritt die Drehung mehr in den Vordergrund, und es sind daher die deutlichsten Unterschiede bei Drehbewegungen des Kopfes festzustellen. Sie zeigten sich aber auch in den meisten Versuchen beim Wenden und fehlten hierbei nur in zwei Experimenten. Bei einseitig labyrinthlosen Kaninchen, bei welchen die Kopf- drehung stark ausgesprochen ist, kann man sich das beschriebene Phänomen dadurch am deutlichsten machen, dass man das Tier in Rückenlage in der Luft hält, mit der einen Hand die Lendenwirbel- säule fasst und mit der anderen Kopf und Hals umgreift und dabei in der oben (S. 405) angegebenen Weise dafür sorgt, dass sich die Beugung (dorsoventral) von Kopf und Hals gegen den Rumpf nicht ändert. Nunmehr sucht man die Drehung des Kopfes zu korrigieren und dreht so lange, bis man auf einen deutlichen elastischen Wider- stand stösst. Wenn man nunmehr, ohne irgend etwas an der Haltung des Tieres zu ändern, dieses langsam durch die Seitenlage in die ‚Fussstellung dreht, so fühlt man, wie der elastische Widerstand am Hals schon bei Seitenlage abnimmt und bei Fussstellung ein Minimum erreicht. Dreht man das Tier in Rückenlage zurück, so fühlt man den elastischen Widerstand zurückkehren. Einige Versuchsprotokolle in Tabellenform mögen das Geschilderte veranschaulichen. Versuch 22. Dezerebrierte Katze. Linkes Labyrinth mit 20% Kokain ausgeschaltet. en ne Seitenlage Fussstellung — 135° Dorsalverschieben . Null Schwach Deutlich Ventralverschieben Maximal Stark Null Linkswenden. . . Null Null Null Rechtswenden . . Maximal Stark Schwach, aber deutlich Linksdrehen . . . Null Null -Null Rechtsdrehen. . . Sehr deutlich Deutlich Schwach Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd. 147. 29 414 . R. Magnus und A. de Kleijn: Versuch 26. Dezerebrierter Hund. Rechtsseitige Labyrinthexstirpation. rei 1 en se Seitenlage Fussstellung — 135°, Dorsalverschieben . Null Null Null Ventralverschieben Maximal Mittel Schwächer i Rechtsdrehen. . . Gering Gering Etwas stärker (?)}) Linksdrehen . . » Stark Mittel Schwach Rechtswenden . . Null Null Null Linkswenden . . . Deutlich Weniger Gering Versuch 29. Dezerebriertes Kaninchen?). Linkes Labyrinth mit 20% Kokain ausgeschaltet. i ückenlage { u nun 1508 Seitenlage Fussstellung — 135 ® Dorsalverschieben . Null — Deutlich Ventralverschieben Stark — Schwach Linkswenden . . . Null Null Null Rechtswenden . . Stark Mittel Schwach Linksdrehen . . . Schwach _ Schwach Rechtsdrehen. . - Deutlich — Schwächer Wir haben es bisher unterlassen, die einzelnen Muskeln des Halses, welche für Heben, Senken, Drehen und Wenden in den verschiedenen Richtungen in Tätigkeit treten, gesondert zu bestimmen. Wenn wir im vorhergehenden der Einfachheit der Darstellung halber von Heber, Senker, Dreher und Wender des Kopfes gesprochen haben, als ob es sich dabei jedesmal um verschiedene Muskel handelt, so müssen wir doch darauf hinweisen, dass bei diesen Bewegungen häufig die gleichen Muskeln in Tätigkeit treten. 4. Verhalten von Tieren mit intaktem Grosshirn nach einseitiger Labyrinthexstirpation. Die bisher geschilderten Versuche bezogen sich ausschliesslich auf dezerebrierte Tiere. Wir müssen aber auch hier die Frage aufwerfen, ob die bisher festgestellten Reflexe dem dezerebrierten Tier eigentümlich sind oder sich auch bei intaktem Grosshirn nach- weisen lassen. Für einen Teil der oben geschilderten Reaktionen - (denen nach einseitiger Labyrinthexstirpation) lässt sich nun in der Tat zeigen, dass sie sich auch bei unverletztem Grosshirn finden. 1) Nicht konstant, 2) Das Verhalten desselben Tieres vor der Labyrinthausschaltung s. Tab. S. 410. Die Abhängigkeit des. Tonus der Nackenmuskeln von der Kopfstellung. 415 Wir haben zu diesem Zwecke je einen Versuch an der Katze und am Hund und fünf Versuche am Kaninchen angestellt. In allen Fällen trat nach einseitiger Labyrinthexstirpation die charakteristische Drehung und Wendung des Kopfes ein. Bei Hund und Katze war einige Tage nach der Operation die Drehung stärker ausgesprochen als die Wendung. Beim Kaninchen ist dies wie erwähnt von Anfang an der Fall. Bei diesen Tieren hat sich zeigen lassen, dass in Rückenlage, bei Maximumstellung des Kopfes (0° bis + 45°), der Widerstand gegen Korrektion der Kopfstellung grösser ist als in Fuss- stellung und bei Minimumstellung des Kopfes, während Drehung und Wendung des Kopfes in der umgekehrten Richtung in beiden Lagen auf keinen oder nur geringen Widerstand stösst. Die Erscheinungen sind bei den drei Tierarten beim Drehen des Kopfes deutlicher ausgesprochen als beim Wenden. Bei einem Hund und einem Kaninchen waren sie überhaupt nur beim Drehen nachweisbar. In einzelnen Versuchen an einseitig labyrinthlosen Kaninchen liess sich auch zeigen, dass die Unterschiede im Widerstand gegen Ventral- und Dorsalverschieben des Kopfes bei den verschiedenen Lagen im Raum die oben geschilderten Unterschiede zeigten. Daraus ergibt sich, dass auch diese Gruppe von Reflexen bei Anwesenheit des Grosshirns nachgewiesen werden kann. Ein Protokoll in Tabellen- form möge die Schilderung verdeutlichen. Versuch 38. Kaninchen (Grosshirn intakt), Linksseitige Labyrinthexstir- pation. Resultat bei der Prüfung nach "/a und 40 Stunden identisch. Widerstand des Kopfes gegen | er F uesllune Dorsalverschieben (Halsmitte) . ..... Null | Deutlich Ventralverschieben (Halsmitte) .. .. . » - Stark Gering Dorsalbeugen (Atlanto-oce.-Gel) .... . - Null Deutlich Ventralbeugen (Atlanto-occ.-Gel) . . . . . - Stark Gering Beentsdeehenl) a... 0.0 ......0 ar Stark Schwach Hüinksdrehen. . 2... ...: lee Null Null kechtswendend). . . .....:; en 218, Deutlich Gering Gering Gering Linkswenden . ... . NR Schluss. Die im vorstehenden geschilderten Beobachtungen zeigen, dass die Labyrinthe nieht nur den Tonus der Extremitätenmuskeln be- 1) Die Unterschiede im Widerstand bei verschiedenen Körperlagen sind beim Rechtsdrehen stärker ausgesprochen, als beim Rechtswenden. 29% A16 R. Magnus und A. de Kleijn: Die Abhängigkeit des Tonus etc. herrschen, sondern auch den der Nackenmuskeln. Es ergab sich, dass diejenige Stellung des Kopfes im Raume, bei welcher von den Labyrinthen aus der Tonus der Gliederstrecker am grössten ist, auch der Tonus der Nackenheber am stärksten wird. Zu gleicher Zeit ist der Tonus der Nackenbeuger minimal. Bei der umgekehrten Stellung des Kopfes, bei welcher der Tonus der Gliederstrecker am geringsten ist und der Tonus der Gliederbeuger steigt, findet man auch den Tonus der Nackenstrecker am geringsten und kann einen deutlichen Tonus der Nackenbeuger nachweisen. Die geschilderten ‘ Reflexe auf die Nackenmuskeln sind ebenfalls Reflexe der Lage, treten nur auf, wenn der Kopf seine Neigung zur Horizontalebene ändert, und können unter Umständen eine lange Latenz besitzen. Während jedes Labyrinth den Extremitätentonus auf beiden Körper- seiten beeinflussen kann, ist der Einfluss der Labyrinthe auf die Nackenmuskulatur ein einseitiger. Die Reflexe sind auch bei An- wesenheit des Grosshirns nachweisbar. Durch diese Feststellungen ergibt sich ein neuer Zusammenhang der Labyrinthe mit der Gliedermuskulatur. Diese letztere wird nicht nur direkt von den Labyrinthen beeinflusst, sondern auch durch Vermittlung des Halses: denn jede der in dieser Arbeit geschilderten Tonusänderungen der Nackenmuskulatur muss eine der in unserer früheren Arbeit geschilderten Reflexgruppen vom Hals auf die Glieder- muskeln hervorrufen. Hierdurch ergibt sich ein sehr verwickelter Zusammenhang des Kopfes mit den Gliedern. Schon jetzt sei darauf hingewiesen, dass die Erscheinungen, wie sie an der Körpermuskulatur nach einseitiger Labyrinthexstirpation auftreten, nicht ausschliesslich direkte Folgen des Labyrinthausfalls sind, sondern zum Teil durch die Drehung und Wendung des Halses hervorgerufen werden. Diese Dinge werden wir in einer nachfolgenden Arbeit eingehender zu analysieren haben. 417 (Aus dem Hamburger Medico-mechanischen Zander-Institut.) Über die Dikrotie des Arterienpulses nach Versuchen mit ihrer künstlichen Erzeugung in elastischen Röhren. Von Dr. K. Hasebroek. (Mit 32 Textfiguren) Vor kurzem habe ich in einer Arbeit!) die charakteristische Form der Blutdrucksteigerung des Organismus, die in einer Aufwärts- bewegung nur des systolischen (— maximalen) Druckes besteht, auf die Mitbeteiligung einer aktiv pressorischen Bewegungsenergie der Arterien zurückgeführt. Für die Möglichkeit dieser Anschauung hatte ich eine gewissermaassen induktive Grundlage zu gewinnen versucht, indem ich in einem elastischen Schlauchsystem dieselbe Form der Drucksteigerung künstlich herstellte durch die Hinzufügung rhyth- mischer Pression auf die Aussenwände des Schlauches während des intermittierenden Durchflusses. Bei dieser Gelegenheit hatte ich bereits eine Schlauchpulskurve abgebildet, an der eine Tendenz zur Vergrösserung der katakroten Hauptsekundärelevation offenbar wurde. Diese Erscheinung habe ich in der folgenden Arbeit experimentell weiter verfolgt. Die Methode der Wellenerreeung bestand in intermittierender Öffnung und Schliessung des Metallhahnes einer Mariotte’schen Flasche. Frequenz der Stromstösse — 54 pro Minute. Der Schlauch ruhte der Länge nach auf dem Versuchstisch. Das periphere Schlauch- 1) Physikalisch-experimentelle Einwände gegen die sogenannte arterielle Hypertension, zugleich ein Beitrag zur Frage der aktiven Arterienbewegung. Pflüger’s Arch. Bd. 143. 418 _K. Hasebroek: ende war über den horizontalen Schenkel eines gläsernen Knierohres gezogen. Der senkrecht abwärts gerichtete Schenkel des Knierohres ging in ein 50 em langes diekwandiges Schlauchstück über, das mit seinem unteren Ende bis auf den Boden eines mit Wollfäden und Wasser angefüllten Gefässes reichte. Dies Gefäss entleerte sich beim Zufluss aus dem Schlauchsystem durch Überlaufen. Die Weite des Endschlauches konnte durch einen Quetschhahn derartig ein- gestellt werden, dass beim rhythmischen Zufluss aus der Mariotte- schen Flasche das Ausfliessen resp. das Überlaufen des Gefässes kontinuierlich erfolgte. Luftabschlusshahn —————— (7) fressions x Flasche Sphyg mograph Gefass mit DS WollFfaden. 4. ke be. a 'y n) Fig. 1. Mit Hilfe eines wassergefüllten Mantelrohres, das den Schlauch umschloss, konnte rhythmischer Druck auf die Aussenwand des hindurchziehenden Schlauches während der Durchströmung ausgeübt werden. Jch darf aus der in meiner ersten Arbeit (dieses Archiv Bd. 143) genauer beschriebenen Methodik kurz rekapitulieren, dass das Tempo der rhythmischen hydraulischen Innendrucksteigerung des Mantelrohres mittels Triebrades und Gummiballons bei allen folgenden Versuchen zeitlich auf die Endphase der primären Stromstösse eingestellt war. Der systolische (Hahn- Über die Dikrotie des Arterienpulses etc. 419 öffnungs-)Stromstoss erhielt also jedesmal bei seiner Passage durch das Druckmantelrohr einen kurz- währenden Druckzuwachs durch die erfolgende Pression der Schlauchwand. Die richtige Einstellung dieser „Pression“ auf das Ende der Systole wurde vor jedem Versuch mit Hilfe eines einige Zentimeter stromabwärts vom Druckmantelrohr ein- zufügenden Drucksteigrohres kontrolliert. Bei nachfolgender Puls- schreibung wurde dann das Steigrohr wieder entfernt. In der Ab- bildung meiner Apparatanordnung (Fig. 1) ist daher das Steigrohr fortgelassen. Um die Pression des Mantelrohrinnendruckes geraduell ab- schwächen und verstärken zu können, ging von dem Ballonschlauch mittelst T-Rohres rechtwinkelig ein Schlauchstück ab, welches einen endständigen Luftabschlusshahn trug. Dieser ermöglichte es, die im Ballon entstehenden Luftkompressionsstösse variabel einstellbar nach aussen entweichen zu lassen und so abzuschwächen. Ich bedurfte einer abgeschwächten Pressionswirkung bei diesen sphygmo- graphischen Untersuchungen, um die Schleuderung des Fühlhebels möglichst zu vermeiden, die bei zu starker Pressionswirkung sich ein- stellt. Es tritt daher in den folgenden Kurven die Pressionswirkung auf die primäre Welle, somit auf die Höhenzeichnung der anakroten Kurvenschenkel, bei diesen Versuchen überhaupt in den Hinter- grund. Mein Dudgeon-Sphygmograph war auf einen 31/2 Pfund schweren Bleiklotz montiert und hatte genügende Stabilität, um Unverrückbarkeit bei den Aufnahmen zu garantieren. An der Pelotte des Sphygmographen war ein 7 cm langer Stahldraht an- gelötet, der, leicht geneigt zur Tischebene, bequem rechtwinkelig auf den Schlauch gelest und diesem angepasst werden konnte, bis eine Kurve mit dem Optimum des Ausschlages resultierte. Die Feder- spannung des Sphygmographen veränderte ich während eines Ver- gleichsversuches nicht. Auf dem Tische befand sich eine Zentimeterskala.. Deren Nullpunkt entsprach der Lage des Zuflusshahnes; der Schlauch- anfang fiel auf 20 em, das Schlauchende — beim Knierohr — auf 230 em. Um die Kurven beim Vergleichen gut übersehen zu könner, führte ich Formeln ein, die ich am besten an einem Beispiele dar- lege: 420 K. Hasebroek: F' — 52 heisst: Höhe der Mariotte’schen Flasche — 52 em. gr. H. heisst: Grosser Zuflusshahn von 35 x 12 mm Querschnitt, mit starrem Ansatzrohr für den Schlauch von 20 em Länge und 11 mm Querschnitt. Irr. kl. — 230 heisst: Kleiner schwarzer Irrigatorschlauch von 7 mm Lichtung und 1,3 mm Wanddicke in einer Länge von 230 cm (inkl. des 20 em starren Hahnfortsatzrohres) bis zum peripheren Knierohr. T= 1" heisst: Triebrad eingestellt auf Skala 1Y2. (Lediglich zur technischen Erleichterung des jedesmaligen Einstellens der Pression auf die Höhe des primären Stromstosses.) L==3 heisst: Regulierender Lufthahn am Ballon-Mantelrohrschlauch auf die Pressionsstärke 3 eingestellt. R!° 175 heisst: Druckmantelrohr von 10 cm Länge (und 23 mm Durchmesser) in Entfernung von 175 cm stromabwärts vom Hahn am Schlauch befindlich. S—220 oder 150 = $ heisst: Sphygmograph resp. 220 oder 150 cm vom Hahn entfernt appliziert; durch die Stellung der Zahlen hinter oder vor & ist angedeutet, dass im ersten Fall der Sphygmograph sieh zugleich stromabwärts, im zweiten Fall stromaufwärts vom Mantelrohr befand; um wie viel dies nach Zentimetern, ergibt sich aus den gleichzeitig notierten Zahlen von KR: z. B. bedeutet $—= 220 bei A! 175, dass der Sphygmo- graph sich 220 — (10 +175) = 35 em stromabwärts vom Mantelrohr befunden hat. Subtraktion der $-Zahlen von 230 ergibt, wie weit der Sphygmograph vom Schlauchende entfernt gezeichnet hat. Das Zeichen X heisst: Herabhängendes Schlauchende durch Quetschhahn bis zum kontinuierlichen Ausfluss verengt. Die folgende Kurve Nr. 1 soll schlechthin den gesetzmässigen Zusammenhang der Vergrösserung der Hauptsekundärelevation r mit dem Grad der Pressionswirkung demonstrieren: 3. April 1912. F=52, gr. H., Irr.k.—= 230, R' 175, S= 200, T=1!e, <&. Zunehmende Vergrösserung der Elevation r unter kontinuierlich zunehmender Pressionswirkung. Über die Dikrotie des Arterienpulses etc. 421 Zu einer vorauszuschickenden Analyse meines Normalkurven- schemas benutze ich die folgende Kurve Nr. 2, die 10 cm vom Schlauchende aufgenommen ist: Normalkurve (10 cm vom Schlauchende). Ich lege der Analyse die Arbeit Grasheys!) zugrunde, die mir in ihrer Exaktheit und dem konsequenten Vorgehen vom Ein- fachen zum Komplizierten als maassgebend für die Auslegung einer Wellenbewegung in elastischen Schläuchen erscheint. Ich habe bei der Analyse denjenigen Kurventabellen Grashey’s zu folgen, die dieser mit seiner Wellenerzeugungsmethode I, d. h. unter Hahnöffnung und -schliessung des Zuführungsschlauches, er- halten hat. (Grashey S 22.) Alsdann ergibt sich für meine Normalkurve Nr. 2 folgendes: Im Moment der Hahnöffnung erfolgt durch die primäre positive zentrifugale Welle — die ich Stromstosswelle — SSW. nenne — der Anstieg der Spitze, woselbst die erste Zacke a als Schleuderungsprodukt des Sphygmographen aufzufassen ist. (Gr. 8$ 10 und 14.) Die Einströmung dauert bis zum Zeichen X. .Die Länge der Linie d ist abhängig von der Zeitdauer des Ein- strömens, also bis zum Hahnschluss. Der Abfall d’ bis zum Zeichen x” ist hervorgerufen durch die negative zentrifugale Tal- welle oder Entspannungswelle (Grashey), die jedoch mehr eine Druckabnahme als eine wirkliche negative Welle bedeutet. (Gr. $ 37.) Sie verdankt ihr Erscheinen zwei Momenten: dem Beharrungs- vermögen der strömenden Flüssigkeit nach der Unterbrechung und einer Entspannungsbewegung der Schlauchwände. (Gr. $$ 29—34.) Diese negative Welle ist um so tiefer — wenn ich absehe von dem modifizierenden Einfluss etwaiger bereits aus der Peripherie eingetroffener Reflexwellen —, je schneller die Flüssigkeit im Schlauch im Moment der Unterbrechung sich zentrifugal bewegt hat und je energischer also die Entspannungsbewegung der Schlauchwand 1) Grashey, Die Wellenbewegung elastischer Röhren und der Arterien- puls des Menschen. Leipzig, Vogel, 1831. 422 K. Hasebroek: einsetzt. (Gr. $$ 36 und 40.) Auf diese negative zentrifugale Druckschwankung folgt die sekundäre positive zentrifugale Welle r. Sie entsteht dadurch, dass die unmittelbar nach der Talentspannungswelle zentripetal rückschwankende Flüssigkeit dureh den die Unterbrechung hervor- bringenden Hahnschluss aufgehalten wird. (Gr. SS 40, 111 und 112.) Um diese Welle » dreht sich unsere Untersuchung; ich nenne sie die Hahnschlusswelle = HSW., um damit zu- gleich ihre Beziehung zu resp. ihre Identität mit Grashey’s positiver Klappenschlusswelle anzudeuten, die dieser der Dikrotie des Arterien- pulses zugrunde legt. Da jede positive zentrifugale Welle — also sowohl die primäre Stromstosswelle SSW. als deren sekundäre Hahnschlusswelle HSW. — an einem unvollständig geöffneten Schlauchende, wie es bei meinen Versuchen der Fall ist, in zwei unter sich ungleichnamige, mit- einander gleichlaufende periphere Reflexwellen verwandelt wird (Gr. SS 48, 71 und 116), so entstehen sowohl auf der Linie d als abwärts von r Reflexions- resp. Interferenzerscheinungen, von denen die deutlich positive Welle s für uns insofern von Bedeutung ist, als sie vielleicht durch Verschmelzung eine isoliertere Ausprägung der Hahnschlusswelle » herbeizuführen vermag. Die Grösse der Hahnschlusswelle HSW. während ihres Durch- flusses durch den Schlauch hängt nach Grashey ab: 1. von ihrer Grösse bei ihrer zentralen Entstehung; 2. von der Art und Stärke des durch periphere Reflexion und Interferenz entstehenden positiven Einflusses derStromstosswelle SSW (Gr. $$ 118—120). Daraus ergibt sich, dass wir bei unserer Untersuchung auf zwei Arten entstehender Vergrösserung der HSW. r zu achten haben: einerseits auf die Bedingungen einer Vermehrung der Energie der Rückwärtsschwankung des Druckes am zentralen Schlauchanfang gegen den geschlossenen Hahn, andererseits auf die Bedingungen einer Verstärkung der Reflexion derprimären Stromstosswelle SSW. am peripheren Schlauchende. Hiernach glaubte ich, zweierlei experimentell untersuchen zu müssen: a) den Einfluss einer lokalen Mantelrohrpression in der Nähe des zentralen Schlauchanfanges; b) den Einfluss einer lokalen Mantelrohrpression in der Nähe des peripheren Schlauchendes. Über die Dikrotie des Arterienpuises ete. 433 Ich beginne mit der Pression in der Peripherie. Versuch I. Druckmantelrohr von 10 cm Länge, 35 ccm vom peri- pheren Schlauchende entfernt appliziert. Pulse (Kurven 3—9) im Abstand von resp. 220—200—150—120—100—80—50 cm vom Hahn aufgenommen, 54 Stromstösse in der Minute. Kurven Nr. 9 Nr. 8 Nr. 7 Nr. 6 Nr. 5 Nr. 4 Nr. 3 Abstand 50 80 100 120 150 200 220 ccm a — ya ET T = A| M E H = Zuflusshahn, A = Schlauchanfang, Z— Schlauchende, M = Mantelrohr. . März 191% M—52, gr. H., Ir. kl.— 230, RW 175, L—3, T— 1%, &, EEE Kurventafel Nr. 3—9. Druckmantelrohr peripherwärts, 35 cm vom Schlauch- ende. Kurven links ohne, rechts mit Pression. Resultat der Kurventafel 3—$ 1. Inder Norm — also „ohne Pression“ — wird dieHSW.-Elevation in der Peripherie kleiner und sinkt tiefer zur Basis. (Verfolge von Nr. 9 nach 3 hin die sieben linksseitigen Normalkurvenhälften.) 494 K. Hasebroek: 2. Unter der peripher einsetzenden Pression vergrössert sich gegenüber den resp. Normalkurven die HSW.-Elevation am stärksten stromabwärts vom Mantelrohr am peripheren Schlauchende, während sie stromaufwärts zunächst undeutlich (Kurve 6) und kleiner (Kurve 7), dann aber nach dem zentralen Schlauchanfang hin wieder etwas grösser wird. (Vergleiche von Nr. 3 nach 9 hin die sieben rechts- seitigen Kurvenhälften mit den resp. linksseitigen.) Ich fasse die Vorgänge ad 2 folgendermaassen auf: a) Die peripher am Schlauche eingreifende Mantelrohrpression hat die Bewegungsenergie der primären Stromstosswelle stromabwärts vermehrt. Dass dies der Fall ist, dafür spricht, das diese periphere Position des Mantelrohres ausnahmslos auch die Geschwindigkeit des Ausfliessens hob: ein !/ı Litergefäss füllte sich unter derartiger Pressionseinwirkung in 62 Sek. gegen- über 64 Sek. in der Norm. Grashey hat aber nachgewiesen, dass das rhyth- mische Ausströmen aus einem Schlauch an die fortschreitende Welle gebunden ist. (Gr. 8 92 fi.) b) Durch ihre Energiezunahme zeigt die primäre Stromstoss- welle am peripheren Schlauchende verstärkte Reflexion. Die ver- stärkte Reflexwelle führt durch Interferenz resp. Addition eine Vergrösserung der HSW.-Elevation her- bei, und zwar um so mehr, je zeitlich kürzer nach ihrer Entstehung und je örtlich näher dem Reflexorte am peripheren Schlauchende sie mit der HSW. zusammentrifft. ce) Stromaufwärts vom Mantelrohr stört die Pression die HSW., vermag aber vielleicht durch Vermittlung einer verstärkten zweiten Reflexion am geschlossenen Hahn die HSW. am zentralen Schlauch- anfang um ein geringes zu vergrössern. Für letzteres spricht, dass die Vererösserung in Kurve 9 — als dem zweiten Reflexort am nächsten — mir deutlicher zu sein scheint als an der Kurve Nr. 8. 3. Mit der stärksten Vergrösserung der HSW.-Elevation am peripheren Schlauchende fällt zugleich ihr verstärkter Abfall zur Basis zusammen. Der Einfluss des beschleunigten Ab- flusses (confer ad a) ist so bedeutend, dass in der Kurve Nr. 3 unter der Pression die negative Druckschwankung unmittelbar vor der HSW.-Elevation zu einer wahren negativen Drucksenkung wird. Über die Dikrotie des Arterienpulses etc. 425 Versuch II. Druckmantelrohr von 10 cm Länge, 45 cm vom Hahn @ 25 cm vom zentralen Schlaucharfang) entfernt appliziert. Pulse (Kurven Nr. 10-15) im Abstand von resp. 220—200—150—100—80—30 cm vom Hahn aufgenommen. 54 Stromstösse in der Minute. Kurven Nr. 15 Nr 14 ENT. 13 IND PZN NEID Abstand 30 80 100 150 200 220 ccm x x —x— x > H 4A M E H = Zuflusshahn, A —= Schlauchanfang, X —= Schlauchende, M = Mantelrohr. 172 März 1912. P=Z 52, or. H., Irr. kl. — 230, RI45, 7n=2, T=1, Kurventafel Nr. 10—15. Druckmantelrobr zentralwärts, 45 cm vom Hahn — 25 cm vom Schlauchaufgang. Kurven links ohne, rechts mit Pression. Resultat der Kurventafel Nr. 10—15. 1. In der Norm — also ohne Pression — wird die HSW.-Elevation in der Peripherie kleiner und sinkt tiefer zur Basis. (Verfolge von Nr. 15 nach 10 hin die sechs linksseitigen Normalkurvenhälften.) 2. Unter der zentral einsetzenden Pression vergrössert sich gegenüber den resp. Normalkurven die HSW.-Elevation stark am zentralen Schlauchanfang. Von hier aus verkleinert sie sich nach 426 K. Hasebroek: dem peripheren Schlauchende zu. (Vgl. von Nr. 15 nach 10 hin die rechtsseitigen Kurvenhälften mit den resp. linksseitigen.) Ich fasse die Vorgänge ad 2 folgendermaassen auf: Die zentral am Schlauche eingreifende Mantelrohrpression bedeutet, da sie in der Schlussphase des primären Stromstosses auf einen Abschnitt des zentralen Schlauchanfanges wirkt, hier eine Erhöhung erstens des Druckes am Ende des primären Stromes, zweitens der lebendigen Kraft der Entspannungsbewegung der Schlauchwandung. Damit erhält auch die Rückschwankung der Flüssigkeit gegen den bereits geschlossenen Hahn hin (conf. S. 422) einen Zuwachs an Energie, und die entstehende HSW.- Elevation fällt grösser aus als in der Norm. (Siehe auch Gr. $ 112 und S. 421.) Daher findet sich die grösste Erhebung in der Kurve 15, d. h. in der Kurve, die am nächsten dem Hahn ist. Diese zentral und direkt vergrösserte HSW.-Elevation klingt nach dem peripheren Schlauchende ab, und so ist sie in den Kurven Nr. 10 und 11 nur noch schwach angedeutet. Um genau festzustellen, wie die periphere und zentrale Pression in ihrer Wirksamkeit auf die HSW.-Elevation zueinander sich ver- hielten, brachte ich das Mantelrohr in der Mitte der Schlauchlänge an. Versuch Ill. Druckmantelrohr von 10 cm Länge, 125 cm vom Hahn (= je 105 cm vom Schlauchanfang und Schlauchende) entfernt appliziert. Pulse (Kurven Nr. 16—23) im Abstand von resp. 220—200—180—150—100— 8S0—50—30 cm vom Hahn aufgenommen. 54 Stromstösse in der Minute. Kurven Nr. 23 Nr.22 Nr.21 Nr.20 Nr. 19 Nr.18 Nr.17 Nr.16 Abstand 30 50 80 100 150 180 200 220ccm X X N kark X H 4A M E H = Zuflusshabn, A = Schlauchanfang, E = Schlauchende, M = Mantelrohr. Resultat der Kurventafel Nr. 16—23. 1. in der Norm — also ohne Pression — wird die HSW.-Elevation in der Peripherie kleiner und sinkt tiefer zur Basis. (Verfolge von Nr. 23 nach 16 hin die acht linksseitigen Normalkurvenhälften.) 2. Unter der in der Mitte des Schlauches eingreifenden Pression vergrössert sich gegenüber den resp. Normalkurven die HSW.- Elevation bei weitem am stärksten stromabwärts vom Mantelrohr am peripheren Schlauchende, während Über die Dikrotie des Arterienpulses etc. 497 sie sich stromaufwärts vom Mantelrohr, nach dem zentralen Schlauch- anfang hin, kaum verändert. (Vgl. von Nr. 23 nach 16 hin die rechts- seitigen Kurven mit den resp. linksseitigen.) Hieraus ergibt sich — in Verbindung mit den Resultaten der Versuche I und II — die Tatsache, dass die Pression durch periphere Wirkung mittelst Reflexion und Interferenz sich intensiver und von der Peripherie über eine grössere Schlauchstrecke stromaufwärts im Sinne einer Vergrösserung der HSW.-Elevation bemerk- bar macht, als sie durch direkte zentrale Wirkung bei der Ent- stehung der HSW. stromabwärts es zu tun vermag. 209Marz 19122 7 — 52, gr. H., Irn.kl.— 230, RI195, zZ=2 TZP% = Kurventafel Nr. 16—23. Druckmantelrohr in der Mitte des Schlauches. Kurven links ohne, rechts mit Pression. 428 K. Hasebroek: Da meineVersuche diegesetzmässige Herausbildung der Haupt- sekundärelevation einer rhythmischen Wellenbewegung betreffen, so muss es erlaubt und wird vielleicht auch zweckmässig sein, bei der auf- fallenden Ähnlichkeit zwischen den Druckformen an meinen Schläuchen und denen am Arteriensystem auf die Möglichkeit ähnlicher physikalischer Vorgänge am lebenden Gefässsystem hinzuweisen. Ich bin mir jedoch dessen voll bewusst, dass es sich in der Dikrotie um Erscheinungen handelt, an denen viele Faktoren beteiligt sind; ich kann daher vorläufig nicht dem Einwand begegnen, dass die Dikrotie des Arterienpulses auch noch auf andere Weise entstehen kann. Entspricht meine HSW.- Erhebung der Dikrotie des Arterien- pulses? So weit ich sehe, haben alle Forscher, die an Schläuchen gearbeitet haben, in einer entsprechenden Hauptsekundärelevation ein Analogon gesehen. Ferner: Es besteht bei meinen sämtlichen „Normalkurven“ eine Übereinstimmung mit Arterienpulskurven darin, dass die Hauptsekundärelevation in der Peripherie klein wird und zur Basis abfällt. Auch die modernsten systematischen Aufnahmen mit dem O. Frank’schen Spiegelsphygmographen an Subelavia und Carotis — Brachialis — Radialis — Hohlhandbogen- und Mittel- fingerarterie!) weisen dieses Verhalten der charakteristischen Haupt- sekundärelevation am katakroten Kurvenschenkel auf. Eine zweite Frage ist: Darf ich die Auffassung meiner Ele- vation, wie ich sie nach Grashey vollführt habe, auf die Ver- hältnisse am Arteriensystem übertragen? v. Frey sagt freilich, dass Grashey bei seiner Übertragung „reichlich schematisch“ vorgegangen sei, und dass er daher seine „negative Welle, positive Klappenschlusswelle, die Reflexion mit Zeichenwechsel in der Peripherie als zu sicher vorausgesetzt?)“ habe. Dieser Einwand kommt aber nur für die Frage in Betracht: ob die dikrotische Welle am Arterienpuls ein direkter zentraler Vorgang ist, oder ob sie erst aus der zuvor peripher reflektierten Hauptwelle zentral hervor- gebracht wird. Es handelt sich andererseits für mich gar nicht um diese Eutscheidung, sondern um die Frage nach der Ursache der Vergrösserung der Dikrotie Diese würde ich in einer bisher nicht berücksichtigten Energie des 1) 0. Müller und Eugen Weiss, Über Topographie, die Entstehung und die Bedeutung der menschlichen Pulskurve. Kurven Nr. 6, 7, 7a, 12 u. 18. Deutsches Arch. f. klin. Med. Bd. 105 H. 4. 2) v. Frey, Die Untersuchung des Pulses. Springer. Berlin 1892 S. 178. Über die Dikrotie des Arterienpulses etc. 429 Systems, in der aktiven Mitarbeit derArterienwände, die sowohl direkt zentral als indirekt peripher sich bemerkbar machen kann, zu suchen haben. Seitdem ich in meiner ersten experimentellen Arbeit in diesem Archiv für die charakteristische isoliert systolische — maximale Blutdrucksteigerung des Organismus die Möglichkeit der Annahme einer aktiven Arterienpression unter dem Reiz der Pulswelle auf- gezeigt habe, und mittelst einer physikalisch analogen Energie an Schläuchen dieselbe Form der Drucksteigerung habe herstellen können, kann ich es nur als eine weitere Bestätigung auffassen, dass ich nun auch für die Dikrotie aus experimentellen Gründen auf dieselbe aktive Arterienpression Stosse. Ich erhalte für den Zusammenhang dieser beiden Vorgänge einen direkten Anhalt: aus der bereits erwähnten Arbeit von Müller und Weiss: Diese Autoren bestätigen für den Menschen die OÖ. Frank- sche Beobachtung an Tieren, dass die dikrotische Erhebung an der Tibialis postica viel grösser ist als an der zentraleren Femoralis. Sie führen die hier vorliegende periphere Ursache mit Frank auf Eigenschwingungen der Blutsäule zurück. Frank bringt nun aber diese Eigenschwingungen mit der von ihm erneut bestätigten höheren Blutdruckamplitude in der Femoralis gegenüber der Aorta in Zu- sammenhang. Gerade diese Erscheinung einer Druckamplitude, die stromabwärts lokal höher als stromaufwärts ist, habe ich auch durch meine Pressionseinwirkung künstlich am elastischen Schlauch nach- machen können!). Nichts liegt also näher, als dass ich auch die auffallende Vergrösserung der Dikrotie in der Tibialis auf eine ana- loge Pressionsenergie der stromaufwärts gelegenen Cruralis oder Femoralis zurückführe. Da die Physiologie seit Bayliss die Tatsache kennt, dass die Arterie auf vermehrten Innendruck mit Kontraktion antwortet, so könnte man diese Energie für die Erscheinung einer vergrösserten Dikrotie in der Pulskurve analog meinem Experiment heranziehen. Freilich handelt es sich bei Bayliss um Wirkungen, die relativ lange Dauer haben, wenigstens 10 Sekunden. Aber hier haben wir eine künstliche Experimentalreizung vor uns. Man weiss auch vom quergestreiften Muskel, dass dergleichen künstlich erzeugte Kontrak- tionen nicht den natürlichen entsprechen. 1) Pflüger’s Arch. Bd. 143 S. 548. Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd. 147. 30 430 K. Hasebroek: Einer der grössten Vorteile der Berücksichtigung einer ge- steigerten pressorischen Arterienreaktion auf die primäre Pulswelle wäre dieser: dadurch eine bei absolut hohem Blutdruck vorkommende starke Dikrotie zu deuten. Man steht dieser Tatsache, da sie bis jetzt mit erhöhter Gefässspannung zugleich rechnen muss, noch immer ziemlich ratlos gegenüber. In Anlehnung an unser Experimentalergebnis müsste es sich bei der Hochdruck- dikrotie besonders um den isoliert hohen systolischen Blutdruck handeln. Zur Hochdruckdikrotie gehört in erster Linie die Dikrotie bei Muskelarbeit. Der hohe Druck bei Muskel- arbeit zeichnet sich aber gerade dadurch aus, dass er den charak- teristischen isoliert systolischen Typus hat, der in seiner Persistenz als physiologische Erscheinung, wie ich glaube nachgewiesen zu haben), mit einer Arterienpression in Zusammenhang gebracht werden kann. Und ich kann tatsächlich auch an meinem Schlauchapparat unter der Mantelrohrpression eine typische Muskelarbeitskurve künstlich erzeugen: Ich bin dabei in der Lage, aus einer früheren Abhandlung’), die von ganz anderem Gesichtspunkte aus geschrieben wurde und daher für meinen heutigen Vergleich gewiss objektiv ist, exakte Radialiskurven unter Muskelarbeit heranzuziehen, die, was physikalisch für den Vergleich wichtig ist, mit demselben Sphygmographen ge- zeichnet wurden. Der Sphygmograph ruhte bei diesen Arbeitspulskurven während der Versuchs- zeit unverrückt auf der linken Radialis; der Arm lag in einer auf einem Stativ befestigten Hohlschiene, der Druck der Sphygmographenpelotte wurde durch ein angehängtes Gewicht erzielt, so dass resp. der rechte Arm oder das rechte Bein für die auszuführende Widerstandsmuskelarbeit frei blieb. Aus der grossen Anzahl von vollkommen übereinstimmende Resultate liefernden Versuchen teile ich das Paradigma über die Beinmuskelarbeit mit (Widerstandsbewegung des rechten Unter- schenkels — ca. zehnmaliges Heben und Senken einer 15 kg schweren Hantel, die an einem Riemen über dem Knie hängt, durch die Übung „Hüftbeugen“): Kurve Nr. 24, aufgenommen während der 1) Pflüger’s Arch. Bd. 143 S. 541. 2) Hasebroek, Über die gymnastische Widerstandsbewegung in der Therapie der Herzkrankheiten. Festschrift Tierfelder. AlfredLangkammer, Leipzig 1895. Über die Dikrotie des Arterienpulses etc. 431 Übung selbst, bei + Beginn der Übung. Kurve Nr. 25, erster Kurvenabsehnitt bis ++ vor, zweiter Kurvenabschnitt unmittelbar nach der Übung. Meine jetzt am Schlauch gewonnenen analogen Kurven Nr. 26 und 27 gebe ich unmittelbar darunter. Man vergleiche mit resp. Nr. 24 und 25 die beiden Kurven 26 und 27, die unter der Wirkung der Pression bei 144 Stromstössen ANIME: RKRNONS Su Aa un a oe AN NS NAAR UA Radialispulskurven während und unmittelbar nach Muskelarbeit (verkleinert). F—52, gr. H., Ir. kl. = 230, RV 195, S= 20, L = 2A. Schlauchpulskurven während entstehender und nach eingetretener Pressions- wirkung. in der Minute — um die gesteigerte Frequenz wie bei der Muskel- arbeit ungefähr zu haben — stehen: In 26 rückt die Hauptsekundär- elevation im Stile der typischen Dikrotie zur Basis, und der Kurven- charakter wird — die Radialiskurven sind verkleinert wieder- gegeben — wie in 24 während der Muskelarbeit. Vollkommene Übereinstimmung herrscht in Kurve 27 nach eingesetzter Pression mit den ersten Pulsen nach Muskelarbeit bei dem Zeichen ++ in 25; im weiteren Verlauf der Kurve 25 beginnt bereits der Rück - gang zur Norm. 30 * Nr. 24 Nr. 25 Nr, 26 Allmähliche‘ Zunahme der Pression Nr. 27 Vor und nach der Pression 432 K. Hasebroek: Ich kann noch aus der früheren Arbeit hinzufügen: dass die damals in parallelen Versuchsreihen nach v. Basch festgestellten systolischen Blutdruckwerte für die Zeit der veränderten Arbeits- kurven gestiegen waren von resp. 132 : 150 — 137 :155 — 150 : 177 — 143 2170 1082112 — 192113: — 141°: 155 — 1952: 149, — 137:150 — 121:140 mm He. In der Pathologie ist die Hochdruckdikrotie vollends ungeklärt. In einer Arbeit!) führt Fellner zunächst an, dass z.B. für Sahli „alle Schlüsse von der Gestalt der Pulskurve auf den Blutdruck hinfällig geworden seien, seitdem er bei Hunden einen Dikrotus gefunden zu einer Zeit, als der eingebundene Manometer 200 mm Hg. Druck zeigte“. Alsdann gibt Fellner selbst einen Fall von Blei- vergiftung, in dem die palpatorisch rigide Arterie bei 180 mm Hg. Maximaldruck solchen Pulsus dicrotus zeigte, dass die dikrotische Welle mit Extrasystolen hätte verwechselt werden können, bei einer keineswegs gesteigerten Frequenz. (Obduktion: Leichte Sklerose der Arterien, Hypertr. d. l. Ventrikels, Pericarditis, parenchym. Nephritis.) Da die Amplitude noch 50 mm gross war, so könnte das. für eine periphere Mitarbeit der Arterien in unserem Sinne sprechen. Dass prinzipiell ähnliche physikalische Vorgänge, wie sie meinen experimentellen Bedingungen entsprechen, sehr wohl mit im Spiel sein können, dafür kann ich in den Kurven 28 und 29 einen weiteren Beleg geben: Ich habe im Verfolg anderweitiger Gesichts- punkte an meinen Schläuchen unter der Formel F'— 75, R°° 45, S — 155, d. h. mittelst eines 95 em langen zentral applizierten Mantelrohres, .15 em stromabwärts, bei 144 Stromstössen, eine Ver- änderung der Kurven erhalten, die einer weiteren rätselhaften modifiziert dikroten Kurve des Fellner’schen Falles auch in den anderen Details auffallend ähnelt: Nr. 28 al a anhand ana. Radialispulskurve, verkleinert. 1) Fellner, Klinische Beobachtungen über den Blutdruck, pulsatorische Druckzunahme, sowie ihre Beziehungen zur Pulskurve. Deutsches Arch. f. klin. Med. Bd. 84 H.5 u. 6. Über die Dikrotie des Arterienpulses etc. 433 Ohne Pression. Mit Pression. Schlauchpulskurve. Man könnte nun einwenden, dass unter der von mir an- genommenen Arterienpression die Dikrotie mit absolut niedrigem Druck unvereinbar sei. Dagegen habe ich folgendes zu bemerken: 1. Die absolute Höhe des Blutdruckes wird nicht durch meine Arterienpression allein bestimmt, sondern die Pression liefert nur eine Funktion der Addition zu dem aus der Relation zwischen Herzkraft, Schlagvolumen und den gesamten Widerständen resultierenden Blutdruck. Experimentell finde ich in den folgenden Kurven, die bei unveränderter Lage des 3. April 1912. g -H., Irr. k.—= 280, R' 195, S=20, L=3, T= 11, £. Gleichstarke Pressionswirkung bei zunehmenden absoluten Drücken. Links ohne, rechts mit Pression. Sphygmographen gezeichnet sind: dass bei Erhöhung der Mariotte- schen Flasche von 37 auf 52 und 70 em, also bei Steigerung der absoluten Drücke, die Vergrösserung der Dikrotie allerdings zurück- geht, wenn der Grad der Pression absolut derselbe bleibt. Da aber meine Kurve Nr. 1 S. 420 zeigt, dass eine Zunahme des Pressions- grades die HSW.-Elevation wachsen lässt, so kann durch gleichzeitig zunehmende Verstärkung der Pression auch bei hohem und höchstem Druck die Elevation ebenso ausgeprägt erscheinen als wie unter geringerer Pression bei niedrigerem Druck. Übertragen auf den Körper würde das bedeuten: Eine Vergrösserung der dikrotischen Erhebung Nr. 30 Druckhöhe —E3lrem Nr. 31 Druckhöhe —392Kcm! Nr. 32 Druckhöhe = 70 cm 434 K. Hasebroek: würde sich nicht nach dem absoluten Blutdruck an sich richten, sondern nach dem Verhältnis desGrades der Arterien- pression zur Höhe des Druckes. So wäre es zu verstehen, dass Fellner seine gleiche dikrote Kurve bei einem anderen Kranken auch bei 90 mm Hg erhielt. 2. Eine weitere Unabhängigkeit vom absoluten Blutdruck aber würde dadurch entstehen, dass wir auch am Körper die Möglichkeit einer lokalen Beteiligung der Arterienpression annehmen können. Die modernen Untersuchungen über die Vasomotoren verlangen sogar diese Annahme. Alsdann aber wird, je weiter peripher- wärts und je lokaler beschränkt die Pression stattfindet, um so weniger eine Erhöhung des Druckes stromauf- und zentralwärts, d.h. am allgemeinen Blutdruck sich zeigen. 3. Fast alle meine mit relativ kurzem Druckmantelrohr und unter abgeschwächter Pression (siehe S. 419) gewonnenen Kurven ergeben schon an sich, dass die vergrössernde Wirkung auf die Dikrotie bereits dort vorhanden sein kann, wo ein vergrössernder Einfluss auf den anakroten Schenkel, dessen Höhe zugleich der Aus- druck des systolischen-maximalen Druckes ist, am Kurvenbild noch nicht zum Ausdruck kommt. Die durch Übertragung meiner Schlauchversuche eventuell ver- ständliche Unabhängigkeit der Vergrösserung der Dikrotie von der absoluten Höhe des Blutdruckes, in Verbindung mit der aus- gesprochenen Spezifität der Vergrösserung meiner HSW.-Erhebung gegenüber der Konstanz des oberen Kurventeiles (siehe alle ıneine Kurven, besonders Nr. 1), veranlassen mich, kurz auf eine wichtige klinische Arbeit der Tübinger Schule, die mit vollendeter Technik des Spiegelsphygmogramms arbeitet, einzugehen '). Erstens: Veiel findet von einem ganz anderen Standpunkt aus ebenfalls das auffallende Faktum, dass die Dikrotie unter den Sekundärelevationen eine Ausnahmestellung einnimmt, also eine spezifisecke Entstehungsursache haben muss; während die übrigen Elevationen, besonders die am oberen Kurventeil, in gesetzmässiger Beziehung zu den „Kontraktionszuständen“* der Arterie stehen, geht die Dikrotie ihren eigenen Weg (V. S. 264 und 303). 1) Veiel, Über die Bedeutung der Pulsformen. Untersuchungen mit dem 0. Frank’schen Spiegelsphygmographen an Gesunden und Kranken. Deutsch. Arch. f. klin. Med. Bd. 155 H. 4. Über die Dikrotie des Arterienpulses etc. 435 Zweitens: Veiel ist gezwungen, um für dieSchrumpfniere und neuropathische juvenile Sklerose die Unstimmigkeit zwischen erhöhtem Kontraktionszustand und notorisch relativer Weite der Arterien (z. B. „Drahtpuls“ und weite Arterie bei Nephritis [V. S. 307]) zu beseitigen, die Untersuchungen Grützner’s heranzu- ziehen, der für die glatte Muskulatur der Hohlorgane zwei voneinander unabhängige Funktionen nachwies: einerseits das Vermögen, sich zu verkürzen und zu verlängern, andrerseits, sich in jeder Länge ihrer Stellung gegen Widerstände zu „sperren“. Veiel zitiert Noyons und v. Uexkuell, die hervorheben, dass hiernach das Maass für die Kontraktion der „Weg“, für den Tonus die „Härte“ des Muskels sei. Veiel denkt somit für die obigen Zustände und auch für die Digitalispulskurve — ausser an Änderungen des Kontraktionszustandes — an Hypertrophie und Änderungen des Tonus im Sinne von Sperrung und Härte der Arterien (V. S. 306 bis 317). Nun findet sich aber ganz anffällenderweise gerade bei diesen Fällen von Nephritis und neuropathischer juveniler Sklerose am deutlichsten von sämtlichen Kurven die Dikrotie. Dies fällt bei der Schrumpfniere (V. S. 307) Veiel so sehr auf, dass er an die von v. Frey ausgesprochene Vermutung erinnert, nach der die dikrotische Erhebung am katakroten Schenkel nicht immer identisch sei; hiergegen sprechen aber entschieden die so überaus klar übereinstimmenden Bilder der Spiegelkurven. Für mich würde die Erklärung folgendermaassen liegen: Man darf für die Arterien, weil sie sich in fortwährender Bewegung befinden, die „Sperrung“ keineswegs als einen statischen Zustand auslegen. Ich berufe mich auf vorhandene analoge Schlussfolgerungen beim Herzen, zu denen man unter Digitaliswirkung gekommen ist!), denn Veiel wird zu seiner Argumentation ja auch durch die Digitalispulskurve veranlasst. Hier heisst es unter dem Gesichtspunkt der Trennung von Kontraktion und Tonus vielmehr so: Die Herztätigkeit ist auf- zufassen als ein Hin und Her zwischen zwei tonischen Zuständen. Im therapeutisch wichtigen Stadium der Digitaliswirkung wird gleich- zeitig der Tonus — also die Sperrung — des systolischen Ventrikels gesteigert, der des diastolischen vermindert. Das Resultat Heubner’s 1) W. Heubner, Das Wesen der Digitaliswirkung. Therap. Monatsh. 1912 Nr. 26 S. 157. 436 K. Hasebroek: Über die Dikrotie des Arterienpulses etc. ist: Stärkere Ausdehnung des Ventrikelsin der Diastole, stärkere Zusammenziehung in der Systole. Es scheint mir nur logisch zu sein, diese Auslegung auch auf die physikalisch diastolisch-systolisch sich bewegenden Arterien anzuwenden. Es könnte also unter den @Grützner’schen Grundlagen in gleicher Weise bei der Arterie die kinetische Energie vermehrt sein, wie Heubner es für das Herz annimmt. So würde sich eine relative Weite des Arterienrohres, die doch hauptsächlich durch die Diastole bestimmt wird, gut erklären. Und da wir nach meinen physikalischen Resultaten eine kinetische Energie der Gefässwandungen — sei es zentral oder .peripher — als Ursache für die Vergrösserung der dikrotischen Erhebung in Anspruch zu nehmen haben, so könnte gerade unter der Notwendigkeit der Heranziehung des Tonus als „Sperrung“ es verständlich werden, dass in den Veiel’schen Kurven — auch in den Fellner’schen — bei den beregten Zu- ständen die Dikrotie an einer unter den Fingern als „rigide* zu fühlenden Arterie erscheint. Unter den vorgebrachten Gesichtspunkten würde vielleicht der allgemeine Satz Geltung erlangen können, dass eine Zunahme der Dikrotie, wo sie erscheint, unabhängig vom absoluten Blutdruck auf irgendwelche Zunahme gesteigerter physiologischer Eigentätigkeit der Gefässwandungen hinweist. Bekannt- lich haben Landois sowohl als neuerdings Roy schon für die Entstehung der Dikrotie ähnlichen Mutmaassungen Ausdruck gegeben. Roy spricht bereits von einer verstärkten Reaktion der Arterie'). 1) Nagel’s Handb. d Phys. Bd. 1 S. 797 u. 798. 437 (Aus. dem med.-poliklinischen Institut der Universität Berlin.) Über die Methodik der Aufzeichnung reiner Herzschallkurven. Von Heinrich Gerhartz. In einer jüngst erschienenen Arbeit A. Hoffmann’s!) sind einige die Methodik derHerzschallaufzeichnung betreffende Angaben gemacht worden, die geeignet sind, über mein bezügliches Verfahren falsche Vorstellungen zu verbreiten. Sie bedürfen deshalb der Richtigstellung. Hoffmann schreibt: „Bei fast allen bisher gebräuchlichen Methoden besteht der Nachteil, dasssichmechanischeErschütte- rungen der Brustwand auf den Schreibapparat über- tragen; von diesem Fehler ist weder die Weiss’sche, noch die Gerhartz’sche Vorrichtung frei. Auch die Auf- nahme vermittels des Phonendoskops, mit seitlicher Öffnung im Zuleitungsschlauch, wie sie von Einthoven und in der Edel- mann’schen Apparatur vorgesehen ist, bietet keine Sicherheit dafür, dass mechanische Erschütterungen auf die Auf- nahmeinstrumente übertragen werden“ (S. 301). In der Forderung, dass ein Schallaufzeiehnungsapparat von solehen Fehlern frei sein müsse, stellt Hoffmann Ansprüche, die ich selbst in meiner ersten Veröffentlichung über diesen Gegenstand ?) schon vor vier Jahren als notwendig bezeichnet habe: „Was. registriert werden soll, ist der von diesen durch die Bewegungen 1) Aug. Hoffmann, Zur Technik der Schreibung von Bewegungs- vorgängen in Verbindung mit dem Elektrokardiogramm. Pflüger’s Arch. Bd. 146 S. 295—305. 1912. . 2) H. Gerhartz, Die Aufzeichnung von Schallerscheinungen, insbesondere die des Herzschalles. Zeitschr. f. exper. Pathol. u. Ther. Bd. 5 S. 109. 1908. 438 Heinrich Gerhartz: des Herzens hervorgebrachten Luftstössen befreite Schall.“ — „Es leuchtet ein, dass die angegebenen Methoden zur Herzgeräusch- registrierung keine brauchbaren sind, wenn dieser wesentlichste Punkt nicht genügende Berücksichtigung findet.“ Hiernach wird man es für selbstverständlich finden, dass ich in meinen späteren Arbeiten immer wieder dieser Forderung zu ent- sprechen versuchte. Und in der Tat nehmen die diesen Teil be- treffenden Ausführungen einen beträchtlichen Raum in meinen Ver- öffentlichungen ein. Da aber Hoffmann meine jahrelangen Bemühungen, eine einwandfreie Aufzeichnung des Herzschalles zu erzielen, als wenig erfolgreich ansieht, wird man erwarten, dass er selbst in der Lage ist, die Störungsfreiheit der von mir getroffenen Vorrichtungen zu übertrumpfen. Die Hoffmann’sche Anordnung ist folgende (1. ec. 1, S. 302): „Ein Glastrichter von mässigem Umfange wird vermittels eines Gestänges, welches am Tisch befestigt ist, so angebracht, dass er etwa mit seinem Rande 2 cm weit von der Brust, des betreffenden Patienten entfernt bleibt. Durch einen Schlauch ist der Trichter mit einem Resonator verbunden, der aus zwei hohlen Halbkugeln aus Messing besteht, die an ihrer grössten Öffnung aufeinanderge- schraubt sind, und zwar unter Einschaltung eines 1 mm starken Diaphragmas aus Geigenholz. Beide Halbkugeln tragen in ihrem Zenit einen röhrenförmigen Ansatz, der auf der einen Seite den vom Trichter kommenden Schlauch, an der anderen Seite einen Schlauch, der zum Mikrophon führt, aufnimmt.“ ... „Das Mikro- phon und der Aufnahmetrichter befinden sich in einem absolut ruhigen, vom Galvanometer völlig getrennten Raum.“ . .. „Die Leitung (se. zum Galvanometer) ist durch die Wand geführt.“ „Dadurch, dass der Aufnahmetrichter mehrere Zentimeter von der Brustwand entfernt ist, kann weder eine Erschütterung unmittelbar übertragen werden, noch auch können Nebengeräusche seitens des Aufnahmeinstrumentes die Kurve entstellen.“ „In noch einwandfreierer Weise ist ein Abfangen jeglicher mechanischer Erschütterung auf dem Wege zum Mikrophon dadurch garantiert, dass die eingeschaltete Holzmembran keine Ersehütterung durchlässt. Dieselbe kann auch fehlen.“ Hoffmann lässt also zwei Methoden als einwandfrei gelten: 1. die Aufhebung der direkten Verbindung zwischen der Über die Methodik der Aufzeichnung reiner Herzschallkurven. 439 Brustwand und dem registrierenden System, 2. die Zwischen- schaltung einer Holzmembran in die Schallzuleitung. „Bei dieser Anordnung ist ein Übertragen mechanischer Er- schütterungen durchaus ausgeschlossen.“ Ich bitte nun diesen Auszügen aus Hoffmann’s Arbeit (Juli 1912) folgende Zitate aus meinen eigenen Veröffentlichungen gegenüberstellen zu wollen: Ad. I. Aufhebung der direkten Verbindung zwischen der Brustwand und dem registrierenden System. August 1911. S. 74°). „Werden die Herztöne auf einige Distanz hin gehört, und ist dabei die Spitzenstosspulsation von der gewöhnlichen Stärke, so earantiert die Methode, das Zuleitungsrohr 1- 2 cm von der Membran ab zu halten und nach allen Seiten hin freie Kommunikation mit der äusseren Luft zu schaffen, vollkommen die Gewinnung einer reinen Schallkurve. Beim gesunden Menschen habe ich selbst ein solches Phänomen noch nicht beobachtet, wohl einmal bei einer Kranken, die an Mitralinsuffizienz litt.“ S. 99: „Von dieser Kranken wurden zu verschiedenen Zeiten sehr zahlreiche Aufnahmen gemacht, und zwar (unter anderem) ... Drittens bei Wegfall irgendeiner Verbindung zwischen der Kranken und dem Registrierapparat.“ S. 101: . . ., wobei „das Anschlussrohr des den Schall zu- führenden Schlauches mehrere Millimeter weit vor das Zuleitungsrohr des Apparates gehalten wurde, wo also gar keine Verbindung zwischen der Kranken und dem Registrierapparat bestand, und wobei auch nicht, wie dies bei der Technik von Weiss zu geschehen pflegt, das weitere Rohr in das andere und parallel zu ihm gehalten wurde“ (Fig. 115). Ad. II. Zwischenschaltung einer Holzmembran in die Schallzuleitungsvorrichtung. 1) H. Gerhartz, Die Registrierung des Herzschalles. Graphische Studien. Berlin 1911. (J. Springer.) — Meine Arbeiten sind Hoffmann bekannt ge- wesen, da er sie referiert hat (vgl. Hoffmann, Funktionelle Diagnostik und Therapie der Erkrankungen des Herzens und der Gefässe. Wiesbaden 1911, und Jahreskurse f. ärztl. Fortbildung, 3. Jahrg. H.2 S. 24. Februar 1912, 440 Heinrich Gerhartz: a) Mai 1908 (l. e. 2, S. 437). S. 110. „Im alltäglichen Leben machen wir die Erfahrung, dass das beste Verfahren Luftstösse zu eliminieren, ein starrer Abschluss ist, dass aber Schallwellen, wenn sie an einen solchen Widerstand ge- langen, Schwingungen erzeugen, welche sich jenseits desselben der Luft mitteilen und, wenn auch mit verminderter Intensität, so doch nieht in ihrem Charakter modifiziert, dahinter wahrgenommen werden können!). Wir gehen also am sichersten, wenn wir nach dem Vorschlage von Ruhmer diesen Weg wählen, so dass wir so zu einer Zuleitungseinrichtung kommen, die aus einem zylindrischen Rohr (um die allseitige Ausbreitung der Schallwellen zu hindern) besteht, das durch eine den Schall gut leitende, aber durch die Pulsationen nicht eindrückbare Wand verschlossen ist.“ b) März 1910. S. 5242). (Oktober 1909.) „Völlig einwandfrei ist aber allein, wie ich schon früher nach- drücklich betont habe, das Verfahren, die grobschlägigen Pulsa- tionen dadurch aufzuhalten, dass man sie eine grossmassige Membran . . . passieren lässt.“ „In dem... einen Falle (Mitralinsuffizienz) ist es mir meines Erachtens einmal gelungen, das systolische Geräusch durch eine 4 mm dieke Tannenholzmembran, die in die Mitte eines 17 em langen, glattwandigen konischen Ahornholztrichters eingeleimt war, hindurch aufzunehmen.“ . . . „In diesem Falle — meines Wissens bisher der einzige — ist also die Trennung der Spitzen- stosselemente von den Schalloszillationen einwandfrei durchgeführt.“ S. 54l:... „so dass als einzig erstrebenswertes Endziel bleibt, dureh Einschaltung einer starren Zwischenwand in das Schallzuleitungs- system reine Luftschallschwingungen zu schreiben und auf diesem Wege die Kurven zu analysieren.“ 1) Diese Mitteilung soll nach Edens (Kritik meines Buches im Deutschen Arch. f. klin. Med. Bd. 106 S. 216—217. 1912) „der Vorstellung Schwierigkeiten bieten.“ Man stelle sich zwei Personen vor, die sich in zwei benachbarten, durch eine dünne Wand getrennten Zimmern befinden. Die eine hört die andere deutlich sprechen; d. h. die Schallwellen durchsetzen die Zwischenwand, andere Luftbewegungen werden aber am Durchtritt gehindert. 2) H. Gerhartz, Herzschallstudien. Pflüger’s Arch. Bd. 131 S. 509 bis 567. 1910. Über die Methodik der Aufzeichnung reiner Herzschallkurven. 441 c) August 1911 (1. e. 8.439). 8. 46: „Die Komplikation der Herzschallaufnahme durch den Spitzen- stoss macht es notwendig, für die Gewinnung reiner Schallkurven Trichter zu verwenden, bei denen der Schall, bevor er auf die Membran trifft, erst eine alle Stosserscheinungen ausmerzende Zwischenwand passiert.“ S. 61: Es ist klar, dass (die geringe Intensität des Herzschalles) vor allem bei dem Versuch, durch eine durch den Herzstoss nicht eindrückbare Platte hindurch zu registrieren, erschwerend ins Ge- wicht fällt. Reine Schallfiguren sind deshalb beim gesunden Menschen nur selten zu erzeugen. Die Figuren 56 und 57 stellen die ersten Beispiele solcher Aufnahmen dar.“ S. 99. Mitralinsuffizienzkranke: „Von dieser Kranken wurden zu verschiedenen Zeiten sehr zahlreiche Aufnahmen gemacht, und zwar erstens mit einem in halber Höhe mit einer dicken Holz- membran versehenen Trichter.“ „Die Figuren 103, 104, 105 und 106 sind einige Beispiele für in dieser Weise gewonnene Kurven‘ ft. S. 134. Aortengeräusche: . ... „und zwar wurde hierbei . teils ein mit einer 4 mm. dieken Holzzwischenwand versehener Membrantrichter benutzt.* S. 141: „Auch bei dieser Kranken liess sich durch die Regi- strierung mittels des Membrantrichters der endgültige Beweis dafür, dass wir es in den besprochenen Kurven tatsächlich mit Schallfiguren zu tun haben, führen.“ (Fig. 176.) „Die Kurve Fig. 178 . . . ist eine reine Schallkurve, da die Schwingungen des Geräusches hier erst die Holzwand des Membran- *riehters passieren mussten.“ S. 153: „Vor allen anderen (Handhaben, deren Anwendung volle Sicherheit für die Erkennung von Herzschallkurven verleiht) steht das Experimentum erucis, die Schallschwingungen, bevor sie die registrierende Membran treffen, dadurch von den Stossbewegungen vollkommen zu trennen, dass sie eine dicke, starre Membran pas- sieren müssen. Dass dieser Weg möglich ist, dafür wurden ja von mir genügend Beispiele gebracht“ usf. Damit dürfte es offenkundig sein, dass Hoffmann die Störung der Schallaufzeichnungen durch die Stossbewegung der durch die 443 Heinrich Gerhartz: Über die Methodik der Aufzeichnung etc. Brust erschütterten Luft mit den gleichen Mitteln zu ver- meiden sucht, wie ich es schon seit Jahren tue. Sein Vorwurf, dass bei meiner Anordnung die mechanischen Stösse der Brustwand auf die Apparatur übertragen werden, würde also auch für „seine“ Methode gelten und dürfte demnach hinfällig sein. Immerhin muss es befremden, dass Hoffmann in seiner Arbeit es nicht zum Ausdruck bringt, dass ihm meine diesbezüglichen Versuche bekannt waren. 445 (Aus der medizinischen Klinik der Universität Tübingen.) Bemerkungen zu der Mitteilung von Y. Henderson. (Pflüger’s Archiv Bd. 147 S. 111.) Von Dr. Hermann Straub, Assistenzarzt. Dass es mir vollständig fernlag, Henderson’s Verdienste um die Herzphysiologie schmälern zu wollen, geht wohl aus meiner englischen Arbeit zur Genüge hervor, in der ich auf seine Arbeit ausführlich eingegangen bin und wesentliche Punkte zum Teil wört- lich zitiert habe (S. 378). Auf das schärfste muss ich aber der Darstellung Henderson’s widersprechen, die bei Unkenntnis der beiden Originalarbeiten den Anschein erweckt, dass ich Henderson’s Resultate übernommen habe. Henderson hat seine Volum- registrierung mit einem Mareytambour und Hebelvergrösserung, seine Druckregistrierung mit einer von der Karotis in den Ventrikel eingeführten Sonde ausgeführt. Aus den in meinen Arbeiten ein- gehend erörterten Gründen sind diese Methoden wegen der zu grossen Masse, der dementsprechend notwendigen zu grossen Dämpfung und wegen des für Volumregistrierung zu grossen Elastizitätskoeffizienten der verwendeten Registrierinstrumente ungeeignet, irgendwelche zu- verlässigen Schlüsse auf die Art der Volumkurve und des Druck- ablaufs zu begründen. Es gilt für die Untersuchungen Henderson’s alles, was ich im Journ. of Physiol. 40, 1910, S. 379—382 und in diesem Archiv 143, 1911, S. 69—72 ganz allgemein gesagt habe. Das Neue meiner Untersuchungen aus dem Institute of Physiology des University College in London und aus der medizinischen Klinik Tübingen liegt in einer neuen Methodik, die, wie ich gezeigt zu haben glaube, Volum und Innendruck ohne Entstellung der Kurven registriert. Über diesen springenden Punkt der ganzen Frage geht Henderson schweigend hinweg. Die Ansiehten Henderson’s 444 Hermann Straub: Bemerkungen etc. stimmen auch, wie eine Lektüre der Originalarbeiten zeigt, mit den meinigen in wesentlichen Punkten nicht überein. Wie Henderson dazu konmt, seine Arbeit als die Quelle meiner methodisch völlig abweichenden Untersuchung zu bezeichnen, ist mir unerfindlich. Selbstverständlich steht jeder spätere Unter- sucher auf den Schultern seiner Vorgänger. Mit allem Nachdruck aber behaupte ich die völlige Originalität der Methodik meiner englischen wie meiner deutschen Arbeit. 445 (Aus dem physiologischen Institute der deutschen Universität in Prag.) Studien an Paraganglien. Von Prof. Dr. R. H. Kahn. (Mit Unterstützung der Gesellschaft zur Förderuug deutscher Wissenschaft, Kunst und Literatur in Böhmen.) (Mit 9 Textfiguren und Tafel IV und V.) I. Paraganglion aort. abd. des Hundes. Eine der wichtigsten Fragen der Physiologie des chromaffinen Gewebes ist die, ob die ausserhalb der Nebenniere des Säugetier- körpers befindlichen Anteile desselben mit dem Nebennierenmarke funktionell als ebenso identisch betrachtet werden dürfen, als man das in genetischer und morphologischer Hinsicht mit voller Be- rechtigung tut. Es ist ja heute als einwandsfrei festgestellt zu betrachten, dass der chromaffine Anteil der Nebenniere, das Mark, in das Blut, welches das Organ durchströmt und seine Zellen umspült, im Wege der Sekretion Adrenalin abgibt. Bezüglich der ausserhalb der Neben- nieren gelegenen chromaffinen Körper, der übrigen Paraganglien, fehlt ein deratiger Nachweis. Freilich könnte man auf die genetische und morphologische Identität aller Paraganglien gestützt auch für die ausserhalb der Nebenniere gelegenen Organe die gleiche sekre- torische Funktion annehmen, zumal eine wichtige Tatsache, ihr ansehnlicher Adrenalingehalt, mehrfach festgestellt wurde. . Indessen wird eine derartige freie Übertragung doch aus mehreren Gründen Bedenken erregen. Vor allem ist hervorzuheben, dass die einzelnen Paraganglien, wenn sie auch morphologisch den gleichen Gewebstypus darstellen, doch in ihrem “efinitiven Baue merkliche Unterschiede aufweisen [Kohn!)). Diese Unterschiede beziehen 1) A. Kohn, Die Paraganglien. Arch. f. mikroskop. Anat. Bd. 62 S. 263 (336). 1903. Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd. 147. 3l 446 R. H. Kahn: sich in erster Linie auf die Art der Gefässverteilune. Während die Gefässversorgung der freien Paraganglien nicht von der anderer Organe abweicht, ist die Marksubstanz der Nebenniere durch weite, dünnwandige Gefässe ausgezeichnet, die in eine weite Zentralvene einmünden, welche mitten durch das Organ zieht. Mit auf diese Weise zeigen die freien Paraganglien einen kompakteren, das Neben- nierenmark einen lockeren Aufbau. Es sind ferner bezüglich der Chromreaktion deutliche Unter- schiede zu konstatieren.. Kohn hat hervorgehoben, dass die Mark- substanz der Nebennieren weit intensiver chromierbar ist. Während man an den übrigen Paraganglien deutliche Braunfärbung nur dann erhält, wenn sie frisch oder doch bald post mortem in die Chrom- lösung gebracht werden, gibt die Marksubstanz intensive Chrom- reaktion auch noch geraume Zeit nach dem Tode. Dabei erscheint sie für die Betrachtung mit freiem Auge fast schwarz, während jene nur braun geworden sind. Ein weiterer Umstand, welcher nicht übersehen werden darf, liegt in dem bemerkenswerten topographischen Verhalten kleiner Paraganglien. Solche liegen, wie Kohn gezeigt hat, mitten in den sympathischen Ganglien, ja mitten im sympathischen Nerven ein- gebettet, als chromaffine Einlagerungen. Betrachtet man Bilder, wie die auf Taf. XVIII bei Kohn, so wird man sich nicht ohne weiteres entschliessen können, solchen Bildungen eine gleiche sekretorische Funktion zuzuerkennen, wie dem Marke der Nebenniere. ° Aber trotz soleher Bedenken nehmen zahlreiche Autoren für die ausserhalb der Nebenniere liegenden Paraganglien dieselbe Funktion an wie für das Nebennierenmark, im Hinblick auf die Befunde des Adrenalingehaltes aller dieser Organe. Es haben nämlich Biedl und Wiesel!) als erste die Extrakt- wirksamkeit der von Zuckerkandl?) beim menschlichen Kinde gefundenen, am sympathischen Geflechte der Aorta abdominalis liegenden „Nebenorgane des Sympathieus“ untersucht. Diese Organe, welche aus chromaffinem Gewebe bestehen, also im Sinne Kohn’s 1) A. Biedl und J. Wiesel, Über die funktionelle Bedeutung der Neben- organe des Sympathicus (Zuckerkandl) und der chromaffinen Zellgruppen, Pflüger’s Arch. Bd. 91 S. 434. 1902. 2) E. Zuckerkandel, Über Nebenorgane des Sympathicus im Retro- peritonealraum des Menschen. Anat. Anz. 1901 S. 95. Studien an Paraganglien. 447 als Paraganglia aort. abdom. aufzufassen sind, erwiesen sich in den Versuchen als adrenalinhaltig.. Extrakte aus denselben zeigten qualitativ die gleiche Wirkung wie Nebennierenextrakte. Die Wirkung auf den Blutdruck, den Herzschlag und auch sonstige Nebenwirkungen waren ganz die gleichen. Nur quantitative Unter- schiede stellten Biedl und Wiesel fest. Die Grösse der Druck- steigerung war nämlich niemals so erheblich, wie man sie nach Injektion einer ungefähr gleich grossen Menge von frischen Neben- nieren erhält. Ferner hat Swale Vincent!), auf dessen Untersuchungen wir noch später zu sprechen kommen, gezeigt, dass auch der grosse chromaffine Körper an der Aorta des Hundes Adrenalin enthält. FExtrakte aus solehen Organen mehrerer Tiere brachten eine typische Blutdrucksteigerung zuwege. | Endlich erzielte Mulon?°) Blutdrucksteigerung durch Injektion eines Extraktes der Karotisdrüse des Pferdes. Diese Befunde bezüglich des Adrenalingehaltes der freien Para- ganglien sind gewiss von hohem Werte, Sie beweisen vor allem die Zusammengehörigkeit dieser Organe aufs neue, indem sie zeigen, dass dieselben neben den wichtigen gemeinsamen genetischen und morphologischen Merkmalen auch noch das gemeinsam haben, dass sie alle eine merkwürdige in pharmakologischer Hinsicht äusserst wirksame Substanz enthalten. Aber dass diese Substanz in das Blut sezerniert, auf dem Blut- wege in den Körper gelangt, um hier spezifische Wirkungen aus- zuüben, das wissen wir nur vom Nebennierenmarke, dem Parag. suprarenale. Denn hier ist es dadurch bewiesen, dass man das Adrenalin im Venenblute nachweisen konnte. Für die übrigen Para- ganglien fehlt ein solcher Beweis bisher. Und so sehr naheliegend eine Übertragung des vom Nebennierenmarke sicher Bekannten auf die freien Paraganglien auch ist, und so verlockend eine solche auch erscheinen mag, so grosse Vorsicht ist auch aus den oben erörterten Gründen geboten. Zweifellos verlohnt es sich, durch genauere Studien an den in Betracht kommenden Organen solche Momente zu eruieren, welche 1) Swale Vincent, The chromaphil tissues and the adrenal medulla. Proceed. of the Royal Soc. vol. 82 p. 502. 1910. 2) Arch. gen. de Med. Annee 81 t. 2 No. 52. 1903 (zit. nach Swale Vincent). 3l* 448 R. H. Kahn: in der besprochenen Frage sichere Aufschlüsse zu geben geeignet erscheinen. Wir führen also im folgenden Untersuchungen vor, welche sich auf ein freies Paraganglion beziehen. Es handelt sich um das Paraganglion aorticum abdominale des Hundes. Dieses Organ, dessen Vorhandensein vielen ganz unbekannt ist, wurde bereits von Swale Vincent!) einer kurzen Untersuchung unterzogen, nachdem er von Kohn über die Lage und Art der Auffindung desselben durch Übersendung von Präparaten unter- richtet worden war. Man findet in der Mitteilung von Swale Vincent einige schematische Abbildungen des Paraganglions, histologische Erörterungen über seinen Aufbau, aus denen wiederum die chromaffine Natur desselben hervorgeht, und die oben schon erwähnten Untersuchungen über seinen Adrenalingehalt. Wir gehen nunmehr an die Mitteilung der eigenen Unter- suchungsresultate- Anatomischer Teil. Das Paraganglion aorticum abdominale ist ein beim Hunde regelmässig vorhandenes, unpaariges Organ. In allen untersuchten Fällen — und es wurde in den letzten vier Jahren eine überaus grosse Zahl von Hunden daraufhin untersucht — fand es sich regel- mässig vor. Es stellt ein streifenförmiges Gebilde dar, dessen längste Achse etwa in der Richtung der Längsachse des Körpers liegt. Der Streifen ist viel breiter als diek und ist der Breite nach transversal gelegen. Länge und Breite schwankt in ziemlich weiten Grenzen, besonders die erstere. Die grösste beobachtete Länge betrug etwa 80 mm, jedoch finden sich auch viel kürzere Organe vor. Die Breite überstieg nie 2,5 bis höchstens 3 mm, die Dicke des Organs ist sehr gering und kaum exakt zu messen (höchstens 1 mm). Das Gewicht kann ziemlich genau bestimmt werden, indem es meistens gelingt, den Streifen gut isoliert mit feiner Schere abzupräparieren. Es schwankt, entsprechend der Verschiedenheit der Dimensionen des Organes. Gewichte bis zu 0,06 & und darüber wurden beobachtet. Was die Form anlangt, so findet man in der weit überwiegenden Zahl der Fälle beim erwachsenen Tiere einen in der Längsrichtung des Körpers gerade ausgestreckten spindelförmigen Streifen. Derselbe 1) A. 2.0. Studien an Paraganglien. 449 ist scharf begrenzt, selten stärker gebogen oder gar geschlängelt. (Fig. 1 der Taf. IV) Indessen kommen selten Formen vor. So sieht man in Fig. 2 der Taf. IV ein in mehrere Teile gespaltenes Para- ganglion. Während die beiden Hauptteile desselben durch einen ziemlich feinen Faden miteinander verbunden sind, scheinen die beiden oberen, kleinen Teile völlig isoliert zu sein. Solche Formen von Spaltung des Organes beim erwachsenen Tiere kamen nur selten zur Beobachtung. Ganz vereinzelt aber stehen die Befunde, welche in Fig. 3 und 4 der Taf. IV abgebildet sind. Fig. 3 zeigt ein deutlich doppelt angelegtes Organ. Seine beiden Teile sind völlig voneinander getrennt, mit Ausnahme ihrer oberen Enden, welche ineinander übergehen. Fig. 4 stellt den merkwürdigen Befund eines mehrfach gespaltenen Organes dar, dessen einzelne Teile miteinander zusammenhängend eine eigentümliche Figur bilden. In der Regel aber bildet das Paraganglion einen geraden Streifen. Um das Organ ohne vorherige Übung zu sehen, empfiehlt sich vor allem seine Darstellung nach der Methode von Kohn!). Man be- deckt den Retroperitonealraum der Tierleiche mit einem Wattebausch, der mit 3,5 Voiger Lösung von Kaliumbichromat getränkt ist, und lässt das Ganze einige Stunden liegen. Dann sieht man die chrom- affınen Organe sehr deutlich braun gefärbt. Noch deutlicher wird das Bild, wenn man das bichromsaure Kalium mit Wasser aus den Geweben auswäscht und die von der Wirbelsäule abpräparierten Weichteile in Glycerin aufhellt. Zur besseren Erhaltung der Form und Lage der ganzen Gegend scheint es vorteilhaft zu sein, dem Chromsalze etwas Formol hinzu- zufügen. Man nimmt hierzu am besten das Gemisch, welches sich, wie auch Kohn angegeben hat, zur Fixierung der Organe zum Zwecke mikroskopischer Untersuchung vorzüglich eignet, nämlich 10 Teile des 40°/oigen Formalins und 90 Teile einer 3,5 /oigen Lösung von Kaliumbichromat. Dabei wird die Färbung etwas weniger intensiv. Auf diese Weise vermeidet man, was mit der blossen Bichromatlösung leicht eintritt, dass das streifenförmige Paraganglion einen leicht wellenförmigen Verlauf annimmt. Man erkennt dann, dass das Organ in der Regel gerade gestreckt ist und nicht stark bogenförmig oder mehrfach gewunden verläuft, wie aus den Ab- bildungen von Swale Vincent?) hervorzugehen scheint. 1) A. Kohn, a. a. O. S. 270. 2) A. a. O. S. 506, Fig. 1 u. 2. 450 R. H. Kahn: Die den Figuren 1 bis 4 und 6 bis 7 der Taf. IV zugrunde liegenden Präparate wurden so gewonnen, dass die entsprechende Stelle der Dorsalwand der Bauchhöhle, von welcher noch ausführlich die Rede sein wird, mit Watte, welche reichlich in der oben er- wähnten von Kohn angegebenen Flüssigkeit (meist mit Formol) Ven. cava inf. «---- -- - -.- - -.- - -- linke Nebenniere > Ven. lumb. -- -- Ven. renal. sin. - - --- Ven. sperm. int. sin. Ven. sperm. int. dextr. Samen Paragangl. aort. abd. Art. sperm. int. dextr. --- - - - lien te Aorte =-- -- - Art. sperm. int. sin. Sn Arts mesentssint: Art. abdominal. getränkt war, bedeckt wurde. Dann wurden die Bauchdecken der Leiche wieder geschlossen. Nach etwa 12 Stunden wurde die Watte entfernt, das ganze Gewebe von der Wirbelsäule abpräpariert und in eine Schale mit der gleichen Lösung von Kaliumbichromat ohne Formol gebracht, in welcher es weitere 24 Stunden verblieb. Sodann Studien an Paraganglien. 451 wurde weitere 12 Stunden in fliessendem Wasser ausgewaschen und das Ganze in Glycerin aufbewahrt. Man erzielt auf solche Weise bei völliger Erhaltung der Form und Lagebeziehungen des Organes eine schöne dunkelbraune Färbung desselben, während das übrige Gewebe völlig farblos und sehr durch- sichtig zurücktritt. ‘Was nun die Topographie des Organes anlangt, so ist folgendes zu bemerken. Das Parag. aort. abd. des Hundes liegt unmittelbar unter dem Peritoneum der dorsalen Wand der Bauchhöhle ventral von der Aorta. Betrachtet man es, nachdem man die Bauchhöhle von der Linea alba aus eröffnet hat, so liegt es auf der Aorta, ein wenig gegen ihren rechten Rand, also gegen die Vena cava. Es bedeckt in der Regel den Ursprung der Art. sperm. int. dextra mit seiner unteren Hälfte, sein oberes Ende pflest in der Höhe der Einmündung der venae spermaticae int. in die Vena cava bzw. Vena renal. sin. zu liegen. Auf diese Weise findet sich das Organ auch an fettreichen Tieren, wegen seiner oberflächlichen Lage unter dem Peritoneum nach der Chromierung ausgezeichnet sichtbar in dem beim Hunde sehr charakteristischen nach oben spitz zulaufenden Raume zwischen der Vena cava einerseits und der Vena renal. sin. und Vena sperm., int. sin. andererseits (Fig. 1). Die in Betracht kommenden topo- graphischen Beziehungen zu den Blutgefässen zeigt Fig. 1, welche, schematisch gehalten, die Verhältnisse wiedergibt, wie sie sich bei grossen Hunden vorfinden. Die beiden grossen Gefässe sind der Deutlichkeit halber etwas weiter voneinander entfernt und das Paraganglion etwas weiter an den rechten Rand der Aorta gezeichnet worden, als es den gewöhnlichen Verhältnissen entspricht. Gleich allen übrigen Paraganglien hat auch das in Rede stehende innige Beziehungen zum sympathischen Nervensystem. Es erscheint von jenen sympathischen Ganglien und Nerven innig umgeben, welche den Plexus aorticus bilden. Regelmässig unmittelbar über dem oberen Pole des Organes, häufig auch knapp unter dem unteren finden sich grosse sympathische Ganglien, deren Verbindungsfäden das streifenförmige Paraganglion an seinen beiden seitlichen Rändern einschliessen. Präpariert man das Organ mit seiner nächsten Umgebung nach der Chromierung vorsichtig mit feinen Instrumenten ab und unter- sucht es bei schwacher mikroskopischer Vergrösserung in Glycerin, 452 R. H. Kahn: so erkennt man besonders schön bei jungen Tieren, in den unmittelbar benachbarten sympathischen Ganglien und Nerven die zahlreichen . mehr oder weniger feinen Einlagerungen chromaffinen Gewebes, deren Abbildung bei Kohn!) auf Taf. XVII zu sehen ist. Bei jugendlichen Tieren zeigt das Paraganglion einige erwähnens- werte Besonderheiten. Untersucht man sein Verhalten an neu- geborenen Hunden, so fällt vor allem seine relative Grösse auf. Weiters der Umstand, dass in diesen Fällen die Streifenform nicht die Regel ist. Vielmehr ist das Organ hier häufig geteilt, auch gelappt und sendet oft einen starken Fortsatz, welcher auch gelegentlich vom Hauptorgane fast ganz abgeschnürt ist, gegen die linke Neben- niere. Auch finden sich bei neugeborenen Tieren in der unmittel- baren Umgebung des Hauptorganes eine Anzahl kleiner, rundlicher mikroskopisch gut sichtbarer Paraganglien, von denen einige kon- stant in der Nähe der rechten Nebenniere liegen. Ein solches Ver- halten erscheint sofort verständlich, wenn man sich der Ausführungen Kohns über die Beziehungen dieser Organe zum Marke der Neben- niere erinnert. Man sieht in Fig. 6 der Taf. IV ein Parae. aort. abd. des neugeborenen Hundes abgebildet. Das Mark der beiden Nebennieren schimmert als brauner Körper über dem oberen Pole des Organes zu beiden Seiten durch «das Gewebe, ein starker gelappter Fortsatz zieht gegen die linke Nebenniere. Neben der rechten und am unteren Pole des Paraganglions sind relativ grosse braune Körper zu sehen. Sehr rasch schwinden im weiteren Verlaufe des Wachstums des Tieres in der Regel diese Nebenkörper sowie der gegen die linke Nebenniere gerichtete Fortsatz. Schon nach 6—7 Wochen vermisst man meistens den letzteren und findet an seiner Stelle nur kleine ganz isolierte braune Körperchen. Auch alle sonstigen grösseren, makroskopisch gut sichtbaren Nebenkörper pflegen mit der Zeit zum grössten Teile zu schwinden. Fig. 7 der Taf. IV zeigt ein Beispiel für das regelmässige Aussehen der in Rede stehenden Organe des etwa 3 Wochen alten Tieres. Das Paraganglion ist meist breiter geworden und zeigt keinen Fortsatz zur Nebenniere. Der Hauptkörper aber wächst nun weiter. Er bleibt nicht nur für das ganze weitere Leben des Tieres erhalten, sondern nimmt an 1) A. a. 0. Studien an Paraganglien. 453 Grösse bedeutend zu, um schliesslich die oben erwähnten Dimensionen zu erreichen. Bei dieser Gelegenheit sei bemerkt, dass das gleiche Verhalten - bezüglich der Persistenz und des weiteren Wachstums des Organes für die Katze und das Kaninchen seinerzeit, von Kohn erörtert wurde. Auch bei diesen Tieren finden sich am Erwachsenen die freien Paraganglien im Bauchraume (hier sind sie ganz anders ge- staltet als beim Hunde) an typischer Stelle ohne Zeichen von Rück- bildung. Beim Menschen scheinen die Verhältnisse anders zu liegen. Nach Zuckerkandl!) degenerieren die Paraganglien an der Aorta des Menschen frühzeitig. Über ihr Schicksal scheint nichts Genaueres bekannt zu sein. Die gleichen Verhältnisse scheinen beim Affen vorzuliegen. Denn gelegentlich der Anstellung von Versuchen, von deren Resultaten anderenorts die Rede sein soll, an bisher fünf niederen Affen konnten trotz sorgfältiger Chromierung keine makroskopisch sichtbaren Para- ganglien an der Bauchaorta entdeckt werden. Es handelte sich in allen Fällen um ausgewachsene Tiere. Über das Vorkommen solcher Organe bei jugendlichen Affen scheint nichts bekannt zu sein. Ferner gibt Swale Vincent an, bei einer Reihe untersuchter Tiere nämlich, Affe, Schwein, Meerschweinchen, Ratte und Eich- hörnchen nichts gefunden zu haben. Über das Alter der untersuchten Tiere verlautet nichts. Endlich wäre über die Art der Gefässversorgung unseres Organes einiges zu sagen. Es gelingt kaum durch Injektion der Gefässe von der Aorta her mit farbigen Massen die arterielle Blutversorgung ganz klarzustellen. Offenbar handelt es sich um feinste arterielle Gefässe, welche von der Aorta selbst oder auch von der Art. sperm. int. der rechten Seite entsprineen. Der Abfluss des venösen Blutes erfolst in typischer Weise in der Regel in einer grösseren Vene, welche in die linke, seltener in die rechte Vena sperm. int. ein- mündet. Manchmal führen auch mehrere und dann feinere Venen das Blut nach rechts und links in die Venae sperm. int. ab, sehr selten münden diese direkt in die Vena cava. Von diesen Verhältnissen kann man leicht sehr instruktive Bilder erhalten, wenn man ein Tier ersticken lässt. Häufig, aber 1) A.a. 0. 454 R. H. Kahn: nicht immer bildet sich eine intensive Hyperämie des Paraganglions aus, welche seine Form so deutlich und auffällig hervortreten lässt, als wäre es chromiert. Nur hat, das Organ nicht die braungelbe Farbe wie nach der Chromierung, sondern ist intensiv dunkelrot gefärbt. Auch die abführenden Venen treten vollkommen gefüllt hervor. Bei Konservierung solcher Präparate in Kayserling’scher Flüssigkeit wird das Organ noch dunkler und rotbraun, so dass es sich von einem chromierten kaum unterscheidet. Fig. 5 auf Taf. IV zeigt die Abbildung eines solchen Präparates vom mittelgrossen Hunde. Man sieht die Form des Paraganglions völlig hervortreten, feine venöse Gefässe entspringen aus dem Organe, vereinigen sich zu einer stärkeren Vene, welche in die linke Ven. sperm. int. einmündet. Aus welchem Grunde bei der Erstickung solche Verhältnisse manchmal eintreten, manchmal aber völlig fehlen, ist vorläufig kaum zu entscheiden. Am besten geht man so vor, dass man eine Tracheal- kanüle anlegt und das Tier durch Verschluss derselben erstickt. Alle bisher beschriebenen Erscheinungen lassen sich bei ge- nügender Erfahrung auch an der frischen Leiche, ja auch im lebenden Tiere erkennen und geben dadurch Gelegenheit zu einer Reihe von Untersuchungen, von denen im folgenden einige Resultate vorgeführt werden sollen. Physiologischer Teil. Zum Zwecke der Anstellung von physiologischen Untersuchungen ist es nötig, das Paraganglion, ohne es durch Färbung darzustellen, mit Sicherheit und in seinem vollen Umfange zu erkennen. Man geht zu diesem Zwecke folgendermaassen vor. Am lebenden Tiere wird unter gehöriger Narkose, eventuell Curarisierung die Bauch- höhle in der Linea alba eröffnet, indem man den Schnitt von der . Höhe des unteren Randes der Rippenbogen bis nahe an den oberen Rand der Symphyse führt. Die Wundränder werden breit auseinander- gezogen und die Blutung sorgfältig gestill. Nun zieht man den Darm aus der Bauchhöhle, indem man ihn in warme Tücher hüllt und über den linken Wundrand eventriert. Zuletzt schlägt man den absteigenden Ast des Duodenums, welchen man der rechten Bauch- wand anliegend findet, ‚ebenfalls nach links hinüber, so dass die Dorsalwand der Bauchhöhle zum grossen Teil frei übersehen werden kann. Die Situation der nun in Betracht kommenden Organe ist aus Fig. 3 der Taf. V zu ersehen. Studien an Paraganglien. 455 An jener Stelle, an welcher die Pars transversa inferior des Duodenums in die Pars ascendens übergeht, setzt sich ein dünnes Ligament an den Darm an, welches sich einerseits an die dorsale Bauchwand anheftet, andererseits mit seinem freien Rande in der Richtung nach dem. unteren Pole der rechten Niere zieht. Dieses Ligament wird, indem man das Duodenum nach links vorlagert, angespannt, zieht dann bogenförmig (in der Fig. 8 durch einen Haken nach rechts unten gezogen) von rechts oben nach links unten und begrenzt auf diese Weise nach unten einen an der dorsalen Bauchwand ganz charakteristischen Raum, welcher muldenförmig gestaltet, rechts von der Vena cava und links von der Pars ascendens duodeni eingeschlossen erscheint. Die Muldenform desselben wird dadurch erzeugt, dass das Duodenum einerseits, andererseits aber die mit Blut gefüllte Vena cava stark in ventraler Richtung vor- springen. In diesem Raume lässt sich ein zweiter, kleinerer drei- eckiger dadurch abgrenzen, dass man die Vena spermatica interna der linken Seite aufsucht. Diese bildet, indem sie knapp vor deren Einmündung in die Nierenvene mündet, mit der.Vena cava einen ziemlich spitzen Winkel. Auf diese Weise entsteht ein kaudalwärts nicht scharf abgegrenzter dreieckiger Raum, in dessen Mitte das Paraganglion aorticum liegt. Das lebende Organ hebt sich von der Umgebung deutlich durch seine Farbe ab. Es ist blass hellrot ge- färbt. Währt die Entblössung einige Zeit, so wird die hellrote Farbe immer satter, zugleich etwas dunkler, so dass das Organ bis in seine äussersten Ausläufer verfolgt werden kann. Auch an fetten Tieren gelingt die Identifizierung des Paraganglions ohne Schwierigkeit, da es sehr oberflächlich liegt, nur von dünnem Peritoneum bedeckt ist und sich durch seine Farbe vom Fette gut abhebt. In Fig. 8 der Taf. V, welche eine photographische Wiedergabe der in Betracht kommenden Vernältnisse an der ganz frischen Leiche _ eines, mittelerossen Hundes in entsprechender Verkleinerung darstellt, ist wohl die Stelle, an welcher das Paraganglion liegt, als heller Streifen gut zu sehen, das Organ selbst aber ist nicht scharf ab- gebildet. Das rührt daher, dass sich dasselbe in der entbluteten Leiche viel weniger gut von der Umgebung abhebt als im lebenden Tiere. Es ist hier viel blasser, und es erfordert oft grosse Übung und Erfahrung, um es in allen seinen Teilen sicher zu erkennen. Man hält sich dann am besten, nachdem man in der oben angegebenen Weise ‘seinen Ort bestimmt hat, an die gerade in der Leiche besser 456 R. H. Kahn: hervortretenden sympathischen Nervenstränge des Plexus der Aorta, welche das Organ an seinen beiden Rändern begleiten. Hat man sich an Präparaten genügend über das Verhalten der aus dem Organ abführenden Venen orientiert, so ist man auch leicht in der Lage, dieselben im lebenden Tiere aufzufinden. Sie zeichnen sich dadureh aus, dass das Blut, das sie führen, deutlich hellrot ist. In Fig. 8 der Taf. V ist die Einmündungsstelle der Vene des Para- sanglions in die linke Vena sperm. int. deutlich zu sehen. Die Möglichkeit, diese Verhältnisse am ungefärbten, frischen Organe zu erkennen, schafft nun die Möglichkeit, dasselbe zu exstirpieren, zu transplantieren, das abströmende Blut zu untersuchen und seine Extraktwirkungen zu studieren. Wir beginnen zunächst mit der Erörterung der letzteren Er- scheinungen. Der Adrenalingehalt lässt sich unschwer erweisen. Zur Illustration seien zwei Versuchsprotokolle angeführt. a 15. Mai 1912. Hund Z ca. 10 ke. sh 30' durch Verbluten getötet. Das Parag. aort. wird herausgeschnitten, zerrieben und durch 8 Stunden bei Zimmertemperatur mit 3 cem physiologischer NaCl- Lösung extrahiert. Blutdruckversuch am Kaninchen von 1400 g Gewicht (0,75 g Chloral). Studien an Paraganglien. 457 Fig. 2 zeigt die Wirkung der intravenösen Injektion von 2,5 cem des zentrifugierten Extraktes auf der Blutdruck. (Zeit in Sekunden, Druckwert der Linie des Injektionssignales 82 mm Hg.) Es erfolgt eine rapide Steigerung des Blutdruckes um 83 mm Hg, so dass der- selbe vorübergehend auf das Doppelte seines früheren Wertes (169 mm) ansteigt. Nach vollendetem Absinken der Kurve verharrt der Druck einige Zeit auf geringerem Niveau als vor der Injektion, eine Er- 'scheinung, welche nach Adrenalingaben als regelmässig bekannt ist. Wie man sieht, genügt die in einem Organe des Hundes vor- handene Adrenalinmenge weitaus, um beim Kaninchen einen maxi- malen Effekt 'zu erzielen. Indessen sind zur Auslösung einer Blutdrucksteigerung viel geringere Dosen nötige. Als weiteres Bei- spiel seien die bei einer Katze erhobenen Werte angeführt. b. 10. März 1909. Hund von mittlerer Grösse, verhlutet. Das Paraganglion aort. wird zerrieben und mit 7,5 ccm physio- logischer Kochsalzlösung extrahiert. Das Extrakt wird zentrifugiert und mit 50 cem NaCl-Lösung verdünnt. Injektion von je 1 cem dieser Verdünnung steigert den Blutdruck bei der Katze um 18 mm Hg. Verdünnung mit 5 ecem NaCl-Lösung: je 0,5 ccm steigern den Blutdruck um 35 mm Hg. Man sieht also, dass in Bestätigung der oben erwähnten Unter- suchungen von Swale Vincent das Paraganglion aort. abd. des Hundes eine Substanz enthält, welche bezüglich ihrer Wirkung auf den Blutdruck sich dem Adrenalin ganz analog verhält. Man wird kein Bedenken tragen, aus solchen Versuchen zu schliessen, dass dieses dem Nebennierenmarke so nahe verwandte Organ tatsächlich ebenfalls durch seinen Gehalt an Adrenalin ausgezeichnet ist. Jedoch wird es nicht überflüssig erscheinen, zu untersuchen, ob auch die übrigen typischen Adrenalinwirkungen durch die Extrakte desselben hervorgerufen sind. Hier ist vor allem zu erwähnen, dass die bei der Katze so charakteristische vorübergehende Pupillen- erweiterung nach der Injektion von Extrakten unseres Organs ebenso auftritt wie nach Nebennierenextrakten. Auch die Mydriasis am Froschauge im Meltzer-Ehrmann’schen Versuche zeigt das reichliche Vorhandensein von Adrenalingehalt in den Extrakten an. Auch hierfür mögen einige Beispiele angeführt werden. 458 R. H. Kahn: a. 19. Mai 1912. Hund 3, 10 Tage alt. Verblutung. Das Paragangl. aort. wird zerrieben und durch 3 Stunden mit 1,5 eem physiologiseher Kochsalzlösung extrahiert. Die Wirksamkeit wird an fünf Froschaugenpaaren geprüft. Je ein Auge wird mit NaCl-Lösung, das andere mit dem Extrakte be- handelt. Das Extrakt bewirkte maximale Pupillenerweiterung, welche bereits nach 5 Minuten vollendet war. | Verdünnungen von 1:6 NaCl-Lösung erweiterten die Pupillen nach 10 Minuten maximal, solche von 1:60 nach 25 Minuten. b. ll. März 1909. Hund, S Wochen alt, Verblutung. Das Paragangl. aort. wird zerrieben und mit 7 cem NaCl-Lösung extrahiert. Das Extrakt erweitert die Froschpupillen maximal. Bei Ver- dünnung desselben im Verhältnisse von 1:100 NaCl-Lösung tritt nach 30 Minuten eine deutliche Erweiterung der Pupillen ein. Erhält man nun durch die Extrakte des Paraganglions qualitativ die gleichen Wirkungen bezüglich der Blutdrucksteigerung und Mydriasis wie durch Nebennierenextrakte, so ist in quantitativer Hinsicht die Überlegenheit der letzteren stets sehr deutlich zu kon- statieren. Genauere Angaben über diesen Punkt werden weiter unten vorgeführt werden. Wir weisen vielmehr jetzt darauf hin, dass sich diese Unterschiede besonders an einer weiteren typischen Adrenalin- wirkung, der Glykosurie, bemerkbar machen. Ein Beispiel erläutere diese Erscheinung. 10. Mai 1912. Hund 3, 40 kg. Verblutung. Das Paragangl. aorticum (80 mm lang, streifenförmig) wird sorgfältig herauspräpariert. Es wiegt mit etwas anhängendem Fett und Bindegewebe 0,09 &. Nach Zerreibung im Mörser wird es mit 2,5 eem physiologischer Kochsalzlösung 6 Stunden extrahiert. Es wird ferner die linke Nebenniere durch einen Längsschnitt eröffnet, 0,08 g des Markes entnommen und dieses ebenfalls zerrieben und 6 Stunden mit der gleichen Menge Kochsalzlösung extrahiert. Beide Extrakte werden zentrifugiert und je einem Kaninchen subkutan einverleibt. Studien an Kaninchen 2, 1500 g, 4h 00’ Harn reduziert nicht. 4h 15’ Paraganglionextrakt. 5h 20’ Harn reduziert nicht. 65h 20’ Harn reduziert nicht. 75:20’ Harn reduziert nicht. 8h 20’ deutliche Reduktion. 9h 20’ deutliche Reduktion. Paraganglien. Kaninchen £ 1550 g. 4h 00’ Harn reduziert nicht. 4h 20' Mark-Extrakt. 5h 20’ Harn reduziert nicht. 6h 20’ Reduktion +. 7h 20’ Reduktion ++. 8h 20’ Reduktion +++. 9h 20’ geringe Reduktion. 459 10h 20’ sehr deutliche Reduktion, 8h 00’ früh deutliche Reduktion. Wie man sieht, hat das Extrakt aus dem Paraganglion wohl eine deutliche glykosurische Wirkung, diese ist aber im Vergleiche mit der Wirkung des Extraktes des gleichen Gewichtes von Neben- nierenmark recht unansehnlich. Man macht bei Anstellung solcher Versuche regelmässig den. Befund, dass die Einverleibung von Extrakten aus einem ganzen Paraganglion aort. höchstens eine eben merkliche Glykosurie hervorbringt, während ein Extrakt aus einem Teile eines Nebennierenmarkes hochgradig glykosurisch wirkt. Solche Befunde, welche dafür sprechen, dass der Gehalt des Parag. aort. an Adrenalin auch absolut genommen geringer sei als der des Nebennierenmarkes, fordern dazu auf, sich eine Anschauung über die Wertigkeit des Organes als Adrenalinträgers gegenüber dem Marke der Nebenniere durch genauere vergleichsweise Prüfung des Adrenalingehaltes zu verschaffen. Wir führen im folgenden die Resultate solcher vergleichenden Untersuchungen nach der, wie es scheint, augenblicklich verwendbarsten quantitativen Methode, der Prüfung der Extrakte am Läwen’schen Präparate, vor. Einige Beispiele werden die Methode erläutern. ds 23. November 1911. Hund 3, ca. 20 kg. Verblutung. Das Paragangl. aort. ist 70 mm lang, ca. 2 mm breit, 0,06 & schwer. Es wird zerrieben und mit 6 cem physiologischer Kochsalz- lösung extrahiert. Die linke Nebenniere wird der Länge nach ge- spalten, 0,06 g reines Mark w.:rden abgewogen. Diese Menge von Marksubstanz lässt sich auf etwa ein Fünftel des gesamten Markes schätzen. Das Mark wird zerrieben und mit der gleichen Menge Kochsalzlösung extrahiert. Die Extrakte bleiben 2 Stunden stehen und werden dann am 11 Stunden alten Läwen’schen Präparate (nach Trendelenburg) geprüft. 460 R. H. Kahn: Fig. 3 zeigt die vasokonstriktorische Wirkung verschiedener Verdünnungen der zentrifugierten Extrakte. Die Injektionswirkung von 0,3 cem des Extraktes des Paraganglions ist in der ausgezogenen Linie (1) zu sehen. Das Extrakt wurde im Verhältnis von 1:10 mit physiologischer Kochsalzlösung verdünnt. Die —-—- Linie (2) zeiet die Wirkung der gleichen Menge von Markextrakt in der . gleichen Verdünnung. Man sieht, dass die letztere ungleich stärker ist. Nun wurde mit weiteren Verdünnungen des Markextraktes ausgetastet, um eine der Paraganglion-Wirkung möglichst ähnliche Vasokonstriktion zu erzielen. Die punktierte Linie (3) zeigt den Min. 5 10 15 20 25 Fig. 3. Effekt, welcher durch eine Verdünnung von 1:50 erzielt wurde, die gestrichelte jenen einer Verdünnung von 1:30. Man erkennt, dass die Wirksamkeit des Paraganglions dureh die beiden letztgenannten Verdünnungen eingeschlossen ist. Verlegen wir den Effekt desselben in die Mitte der beiden Verdünnungen, so können wir aussagen, dass eine 40fache Verdünnung des Markextraktes einer 10 fachen des Extraktes vom Paraganglion bezüglich der vasokonstriktorischen Wirksamkeit entspricht. Das heisst mit anderen Worten, der Adrenalingehalt der gleichen Menge Nebennierenmarkes ist viermal grösser als der des Paraganglion aort. b. 30. März 1912. Hund d, ca. 25 kg. Verblutung. Gewicht des Paragangl. aort. 0,06 g. Das Organ wird zerrieben und mit 6 eem physiologischer Kochsalzlösung extrahiert. 0,06 g Nebennierenmark ein Fünftel bis ein Sechstel des gesamten Markes werden ebenso behandelt. Die Extraktion wird durch 6 Stunden fortgesetzt. Die Extrakte werden am 11 Stunden alten Läwen- schen Präparate geprüft. Studien an Paraganglien. 461 "Das Resultat bezüglich der vasokonstriktorischen Wirkung zeigt Fig. 4. Die ausgezogene Linie entspricht der Injektion von 0,5 ccm des im Verhältnis 1:50 mit NaCl-Lösung verdünnten Paraganglion- Fxtraktes. Die gestrichelte Linie, welche etwa die gleiche Höhe der Wirkung anzeigt, der Injektion der gleichen Menge von Mark- extrakt in der Verdünnung 1: 150. Min. 5 10 15 20 Fig. 4. Man sieht also, dass in diesem Versuche das Paraganglion nur ein Drittel des Adrenalingehaltes des gleichen Gewichtes von Neben- nierenmark aufwies. Zur Kritik derartiger Versuche sind nun einige Bemerkungen am Platze. Die bei der Prüfung am Läwen’schen Präparate ge- wonnenen zahlenmässigen Werte, die Aussage, dass sich die Adrenalin- gehalte gleicher Gewichte von Paraganglion und Nebennierenmark wie 1:3 oder 1:4 verhalten, könnten aus mehreren Gründen ungenau sein. Vor allem wurden die beiden Organe die gleiche Zeit hin- durch extrahiert. Hier könnte die Möglichkeit vorliegen, dass infolge des doch einigermaassen verschiedenen, wenn auch prinzipiell ganz gleichartigen Baues der Organe in gleichen Extraktionszeiten doch nicht die gleichen Adrenalinmengen in Lösung gehen. Es könnte die Extraktionsfähigkeit des Paragangliongewebes eine geringere sein, als die des Nebennierenmarkes. Und diese Möglichkeit durch sehr lange Extraktionszeiten zu umgehen empfiehlt sich wiederum deshalb nicht, weil ja in solchen Extraxten das Adrenalin der Zerstörung anheimfällt. Dieser Prozess aber könnte wieder in den beiden Fällen verschieden rasch oder stark vor sich gehen. - Weiter könnte daran gedacht werden, dass sich in den Extrakten neben dem Adrenalin noch andere Substanzen etwa in verschiedenen Mengen vorfänden, welche ebenfalls vasokonstriktorisch wirksam sind Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd. 147. 32 462 R. H. Kahn: und die wahre Adrenalinwirkung verschleiern. Dieses Bedenken scheint wohl wenig wichtig zu sein, denn es handelt sich etwa dem "Blutserum gegenüber, bei welehem solche Verhältnisse bekannt sind, um hohe Verdünnungen mit NaCl-Lösung bei sicher hohem Adrenalin- gehalte. In solehen Verdünnungen kommt wohl zweifellos wesentlich oder ausschliesslich die Adrenalinwirkung zum Vorschein. Eine weitere Fehlerquelle könnte darin erblickt werden, dass das Gewicht des Paraganglions als zu gross bestimmt worden sei. Es lässt sich wohl das Organ, wenn man die nötige Sorgfalt anwendet, recht genau herauspräparieren, aber immerhin ist das Anhaften von etwas Bindegewebe oder Nervensubstanz kaum völlig zu vermeiden. Es könnte daher das gewogene Nebennierenmark etwas mehr chromaffines Gewebe enthalten, als das herauspräparierte Paraganglion, wenn auch der Unterschied keinesfalls so hochgradig sein kann, dass daraus die bei der Prüfung gefundenen ausgesprochenen Unterschiede erklärt werden können. Immerhin wird man auf die gefundenen absoluten Werte kein zu grosses Gewicht legen dürfen. Der Unterschied in der Wirk- samkeit der beiden Organe besteht aber zweifellos zu ungunsten des Paraganglions. Das geht auch mit Sicherheit aus den oben vor- getragenen Befunden bezüglich der glykosurischen Wirksamkeit beider hervor. Denn in diesen Versuchen wurde fast die gesamte Menge der beiden Organteile einverleibt (nur gröbere Partikel wurden durch leichtes Zentrifugieren entfernt) und der Unterschied in der Wirk- samkeit ist typisch sehr bedeutend gewesen. Die Feststellung der Tatsache, dass der Gehalt an Adrenalin im Paraganglion geringer ist, als der im gleichen Gewichte von Nebennierenmark, und die sonstigen in den geschilderten Versuchen erhobenen Befunde liefern Anhaltspunkte für die Beurteilung der Adrenalinwertigkeit der freien Paraganglien überhaupt. Was also zunächst das Verhältnis zwischen dem Paraganglion aort. und den Markanteilen der beiden Nebennieren anlangt, so kommt es hier neben den Adrenalingehalten der gleichen Gewichte der beiden Organe auf das Verhältnis ihrer Gesamtgewichte an. Letztere lassen sich durch Schätzung nach vorheriger Spaltung der Organe und Entnahme des dem Gewichte des Paraganglions gleichen Gewichts von Nebennierenmark ziemlich genau ermitteln. Es beträgt in den meisten Fällen das Paraganglion etwa ein Fünftel des Markes einer, also den zehnten Teil des Markes beider Nebennieren. Indessen Studien an Paraganglien. 463 kommen andere Werte vor. So beobachtete ich bei einem Hunde von ca. 10 kg mit einem Paraganglion von 0,04 &, dass letztere etwa der Hälfte eines Nebennierenmarkes entsprach. Setzt man also dementsprechend das chromaffine Gewebe des Paraeanglions gleich ein Viertel bis ein Zehntel des Markes der beiden Nebennieren, den Adrenalingehalt desselben aber entsprechend den oben mitgeteilten Versuchen zu einem Drittel des gleichen Mark- sewichtes, so kommt man zu dem Resultate, dass der Adrenalingehalt des Paraganglions ein Zwölftel bis ein Dreissigstel jenes des Neben- nierenmarkes beträgt. Nun überragt das Paraganglion an der Bauchaorta alle anderen freien Paraganglien an Grösse ganz ungeheuer. Alle anderen sind mikroskopisch kleine Gebilde, welche sicherlich zusammengenommen nur einen Teil unseres Organes ausmachen. Daraus geht hervor, dass sämtliche freien Paraganglien zusammen, also das gesamte freie Adrenalsystem (Biedl) dem Marke der Nebennieren gegenüber sehr zurückstehen, und das sowohl nach dem Gewichte als auch ganz besonders dem Adrenalingehalte nach. Diese Feststellungen beziehen sich auf den Hund. Bei anderen Tieren und beim menschlichen Kinde eventuell auch beim erwachsenen Menschen sind diese Verhältnisse noch zu untersuchen. Man kann aber bezüglich einiger Tiere auf Folgendes hinweisen. Es lässt sich durch Chromierung leicht erheben, und ein Blick auf die Textfiguren S und 9 der eingangs zitierten Untersuchung von A. Kohn lehrt es, dass beim Kaninchen und der Katze die Ansehnlichkeit der Paraganglien an der Bauchaorta recht gering ist. Es ist zu vermuten, dass sich bei diesen Tieren dasVerhältnis Paraganglion-Nebennierenmark noch ungünstiger für das erstere gestalten dürfte. Beim menschlichen Kinde ist entsprechend der Grösse der Zuekerkandl’schen Organe die Sache vielleicht etwas anders; beim erwachsenen Menschen, bei welchem ein ähnliches Organ nicht vorhanden zu sein scheint, ist das Verhältnis wohl für die freien Paraganglien mindestens ebenso ungünstig wie für den Hund. Das beim Hunde verhältnismässig bedeutende Zurücktreten der Wertigkeit des Paraganglions gegenüber dem Nebennierenmarke macht es auch ganz erklärlich, dass die vollkommene Exstirpation des Organes ganz symptomlos vertragen wird. Die Exstirpation wird derart vorgenommen, dass man an der Hand der oben erörterten Maassnahmen das Organ entblösst, aufsucht und dasselbe nun mit > 464 R. H. Kahn: feinen Instrumenten herausschneidet, ohne Nebenverletzungen zu setzen. Bei genügender Sorgfalt vermeidet man es, die Arteria spermatica interna dextra (Textfigur 1, Fig. 8 der Taf. V zu verletzen, welehe unmittelbar unter dem Organe verläuft und an seinem rechten Rande stets deutlich sichtbar hervortritt. Verletzung dieses Gefässes verursacht eine starke Blutung, während die Blutung infolge der Durehtrennung der kleinen Gefässe des Paraganglions selbst nach kurzer Kompression mit einem Tupfer völlig steht. An derart operierten Tieren sind weder im Leben noch bei der Sektion irgendwelche pathologische Erscheinungen zu beobachten. Wir führen als Beispiel ein Versuchsprotokoll an. 29. November 1909. Hund d, ca. 15 kg, tiefe Narkose. Vollständige Fxstirpation d, Parag. aort. abd. p. Laparotom. Ein Extrakt des zerriebenen exstirpierten Organes mit 4 cem NaCl-Lösung erweitert die Pupille des Froschauges maximal. Das Tier lebt bei völligem Wohlbefinden symptomlos weiter und wird am 2. Februar 1910 durch Verbluten getötet. Die Sektion ergibt durchaus normale Verhältnisse, am früheren Orte des Para- ganglions eine schmale, schlecht sichtbare Narbe. Die Chromierune des Bauchraumes lässt keine Spur von Resten des Organes erkennen. An dieser Stelle sei der Resultate von Transplantationsversuchen des Paraganglions gedacht. Es ist von vorneherein zu erwarten, dass nach völliger Entfernung des Organes von seinem Mutterboden eine Einpflanzung desselben an anderem Orte seine rasche Ein- schmelzung zur Folge haben werde. Denn derartige Versuche an den Nebennieren führten regelmässig zum raschen Schwunde der Marksubstanz. Wir verweisen diesbezüglich auf die Untersuchungen von Shiota!) (daselbst Literatur), und fügen hinzu, dass tatsächlich das Gewebe des Paraganglions völlig verpflanzt rasch zugrunde geht und der völligen Resorption anheimfällt. Auch hierfür sei ein Versuchsprotokoll angeführt. 5. Januar 1912. Hund Z, ca. 15 ke. In tiefer Narkose wird in die Milz an deren unterem Rande mit dem Messer eine Tasche gestochen, in welche das eben exstirpierte Paraganglion aort. versenkt wird. Naht mit feiner Seide. Blutung unbedeutend. Das Tier wird bei völligem Wohlbefinden am 5. März 1) H. Shiota, Über das Schicksal und die Funktion der transplantierten Nebenniere. Pflüger’s Arch. Bd. 128 S. 431. 1909. Studien an Paraganglien. 465 1912 durch Verbluten getötet. Das entsprechende Stück der Milz wird in Kal. bichrom. — Formol fixiert, mit Alauncochenille gefärbt und in Paraffın geschnitten. Es zeigt sich im mikroskopischen Bilde bindegewebiges Narbengewebe, Reste alter Blutung, keine Spur chromaffinen Gewebes. Gestielte Transplantationen des Organes wurden nicht versucht, sind auch wohl kaum exakt ausführbar. Wir wenden uns nun einer anderen Frage zu, nämlich der nach der funktionellen Gleichwertigkeit der freien Paraganglien mit dem Marke der Nebenniere, und gehen an die Erörterung der hierüber an unserem Organe angestellten Untersuchungen. Die Lösung dieser Frage auf direktem Wege begegnet einer Reihe eigentümlicher ‚Schwierigkeiten. Es handelt sich zunächst darum, ebenso wie es beim Marke der Nebenniere geglückt ist, auch bezüglich des Para- sanglions zu untersuchen, ob in dem aus dem Organe abströmenden Blute Adrenalin nachweisbar ist. Die Blutentnahme aus den abführendeu Gefässen ist möglich. Es ist oben auseinandergesetzt worden, dass der Abfluss des venösen Blutes in typischer Weise erfolgt. In der Regel eines, seltener mehrere venöse Gefässe führen das Blut der vena spermatica interna der linken, manchmal auch der rechten Seite zu. Hat man sich dieses Verhalten an Präparaten gut angesehen (Fig. 5 und 8 auf Taf. IV und V), so findet man das abführende Gefäss im lebenden Tiere mit Sicherheit. Es ist sehr fein und von hellroter Farbe. Eine Kanüle einzuführen, gelingt nicht. Dagegen lässt sich ganz gut eine kurze, ziemlich weite Kanüle in die vena spermatica interna in der Gegend der Einmündung des Gefässes einlegen. Bindet man sodann die sonstigen Äste derselben ab, und die Vene selbst peripher bzw. zentral von der Mündung des Paragangliongefässes zu, dann erhält man ziemlich rein aus unserem Organe abströmendes Blut. Dieses ist stets einigermaassen mit anderem Blute vermischt, da es nicht möglich ist, alle feinen in die vena spermatica einmündenden Gefässe abzubinden, und fliesst recht spärlich. Immerhin gelingt es manch- mal, bis zu einigen Kubikzentimetern Blut zu sammeln. Eine andere ganz zweckmässige Methode besteht darin, dass man das feine Gefäss in der Nähe seiner Einmündungsstelle abklemmt - und es sodann mit feiner Schere anschneidet. Die hervorquellenden Blutstropfen werden mit kapillaren Pipetten, deren man eine grössere Zahl vorrätig haben muss, aufgesogen, und die Pipetten in ein 466 R. H. Kahn: Gläschen entleert. Dabei hat man sich natürlich vor Verletzung der Umgebung zu hüten, und arbeitet in möglichst weiter Entfernung vom Organe selbst. Die auf solche Weise gewonnene geringe Menge von Blut kann man gerinnen lassen und das Serum abzentrifugieren. Zur Untersuchung des Blutes auf einen eventuellen Adrenalin- gehalt besitzen wir keine ganz einwandfreie Methode. Am sichersten fährt man hier noch, wenn man solches Blut mit anderem etwa bezüg- lich seiner vasokonstriktorischen oder die Darmbewegung hemmenden Wirkung vergleicht. Indessen ist auch hier nur ein erheblicher Grad von Adrenalingehalt sicher nachweisbar, wie etwa im Falle des aus den Nebennierenvenen abströmenden Blutes. Immerhin konnte also in unserem Falle der Versuch gemacht werden, durch Vergleichung des Paraganglionblutes mit solchem aus der Karotis, oder aus Venen etwas bezüglich des Adrenalingehaltes zu ernieren. Es wurden also an sehr grossen Hunden (20—40 kg) Versuche in dem erörterten Sinne durehgeführt. Die Tiere wurden durchweg kurarinisiert, künstlich geatmet. Das Paraganglion wurde freigelegt, und aus der abführenden Vene Blut nach einer der beiden eben beschriebenen Methoden gewonnen. Sodann wurde zum. Vergleiche Blut aus einem anderen Gefässe, mit Ausschluss des oberen Teiles des Stammes der Vena cava, entnommen. Beide Blutproben wurden der spoutanen Gerinnung überlassen, die Sera abzentrifugiert und nun am Läwen’schen Präparate bezüglich ihrer vasokonstriktorischen Wirkung verglichen ?). Derartiger ungemein mühsamer und heikler Versuche wurden im Ganzen sieben angestellt, von denen zwei resultatlos verliefen. Es gelang nämlich weder die Blutentnahme genügend sauber, noch stand nachher ein entsprechend einwandfreies Läwen’sches Präparat zur Verfügung. Die fünf anderen Versuche, welche als gut durchgeführt betrachtet werden können, ergaben ein ganz gleichsinniges Resultat. In Anbetracht der Wichtiekeit der Sache führen wir die Ver- suche au der Hand der Protokolle einzeln vor. 1) Bezüglich der näheren Details bei der Anstellung solcher Prüfungen sowie über den Wert der Methode überhaupt wird verwiesen auf: R. H. Kahn, Zur Frage nach der Adrenalinämie nach dem Zuckerstiche. Pflüger’s Arch. Bd. 144 S. 251. 1912. — R. H. Kahn, Weitere Untersuchungen zur Adrenali- nämiefrage. Pflüger’s Arch. Bd. 144 S. 396. — R.H. Kahn, Weitere Studien über die Nebennieren. Pflüger’s Arch. Bd. 146 S. 578. 1912. Daselbst Literatur. Studien an Paraganglien. 467 a. 16. Oktober 1911. Hund Z, ca. 20 ke. Nach Blosslegung des Paraganglion aort. erkennt man zwei bis drei Venen, welche in die linke vena sperm. int. einmünden. Diese wird präpariert, peripher von der Einmündung der Paraganglionvenen wird eine kurze Glaskanüle eingebunden, zentrale Ligatur der Vene. Es sickert langsam einiges Blut aus der Kanüle in ein vorgelegtes Zentrifugenglas, welches zum Teile auch aus kleinen Venen stammt, die von der dorsalen Seite her in die vena spermat. einmünden. Weiter wird nach zentraler Abklemmung die grösste der Paraganglion- venen angeschnitten und das aus der Schnittstelle sieckernde Blut mit Pipetten aufgefangen. Auf diese Weise werden nach der Ge- rinnung ca. 0,3 cem Serum gewonnen. Zum Schlusse wird Blut aus der Karotis entnommen und ebenfalls zu Serum verarbeitet. Die beiden Sera werden am 4 Stunden alten Läwen’schen Präparate geprüft. Min. 5 10 15 20 25 Fig. 5. Das Resultat ist in Fig. 5 zu sehen. Die gestrichelte Linie entspricht der vasokonstriktorischen Wirkung des Karotisblutes, die ausgezogene, der Wirkung des Venenblutes des Paraganglions. Es wurden je 0,3 cem des unverdünnten Serums injiziert. Eine Wieder- holung des Versuches konnte nicht stattfinden, weil das Präparat untauglich wurde Die Wirkung des Serums aus dem Paraganglion war stärker und dauerte längere Zeit an. b. 30. Januar 1912. Hund d, ca. 20 ke. Das Paraganglion aort. besitzt drei abführende Venen, von denen zwei direkt in die vena cava, eine in die linke ven. sperm. int. 468 R. H. Kahn: einmünden. Alle drei werden nacheinander zentral abgeklemmt und angeschnitten, das aussickernde Blut wird mit Pipetten aufgefangen. Sodann wird Blut aus der Vena jugul. ext. entnommen. Nach er- foleter spontaner Gerinnung zeigt sich, dass aus der geringen Blut- menge aus dem Paraganglion blos 0,15 cem Serum zu gewinnen sind. Diese werden mit Ringerlösung auf 0,3 ecem aufgefüllt und sodann auch das von dem Jugularisblute stammende Serum in dem gleichen Maasse mit Ringerlösung verdünnt. Die Sera werden, da das zur Verfügung stehende Läwen’sche Präparat nicht ganz einwandsfrei funktioniert, über Nacht am kühlen Orte aufbewahrt. Die Prüfung erfolgt am folgenden Morgen am 18 Stunden alten Läwen’schen Präparate. 40 ER BZ et Min. 5 10 15 Fig. 6. Fig. 6 zeigt das Resultat. Die ausgezogene Linie entspricht der Wirkung des Jugularisserums (0,3 eem), die gestrichelte der des Paraganglionserums. Der Versuch konnte nieht wiederholt werden, weil kein Serum des Paraganglionblutes mehr zur Verfügung stand. Auch in diesem Falle war die vosokonstriktorische Wirkung des Paraganglionserums stärker und dauerte längere Zeit an. GC 30. März 1912. Hund d, ca. 25 ke. Das Paraganglion sendet eine starke Vene, welche aus zwei Ästen entsteht, zur ven. sperm. int. der rechten Seite. Einer dieser Äste kommt zum Teile aus der Tiefe unter dem Organe hervor, der andere allein aus demselben. Es wird eine kurze Glaskanüle in die vena spermatica eingebunden, dass Gefäss wird vor seiner Einmündung in die vena cava abgeklemmt, der Kanüle wird ein Zentrifugenglas vorgelegt. Auf diese Weise werden im Laufe von Studien an Paraganglien. 469 30 Minuten ca. 10 cem Blut gesammelt, ohne dass störende Ge- rinnungen in der Kanüle eintreten. Sodann wird die vena cava kaudal vom Paraganglion abgebunden, peripher von der Ligatur eröffnet und es werden ebenfalls ca. 10 cem Blut aufgefangen. Beide Blutproben gerinnen spontan, werden zentrifugiert, das Serum wird abgezogen. Die Prüfung der Sera erfolgt am 6 Stunden alten Läwen’schen Präparate. Es wurden je 0,3 cem Serum injiziert, wobei das Para- ganglion eingeschlossen wurde. Min. 5 10 15 20 Fig. 7. Das Resultat zeist Fig. 7. Die ausgezogene Linie stellt die Wirkung des Cavaserums, die gestrichelte die des Paraganglion- serums dar. Der Unterschied ist sehr bedeutend. Das letztere Serum wirkt viel stärker und andauernder. d. 2. April 1912. Hund 9, ca. 25 ke. Es sind mehrere, aber sehr feine abführende Gefässe vorhanden Das grösste wird abgeklemmt, angeschritten, das austretende Blut wird mit Pipetten aufgefangen. Man gewinnt auf diese Weise ca. 1,5 cem Blut. Ferner wird Blut aus der vena hypogastrica dextra entnommen. Da nur sehr wenig Serum aus dem Paraganglion zur Verfügung steht, wird eine Verdünnung der Sera mit dem gleichen Volumen Ringerlösung vorgenommen, so dass 0,2 ecem des Paraganglion- serums injiziert werden können. Die Prüfung erfolst am 6 Stunden alten Läwen’schen Präparate. "470 R. H. Kahn: Man sieht in Fig. 8 das Resultat der Injektion von je 0,2 ccm der beiden Sera. Die Kurve des Hypogastricaserums ist gestrichelt, die des Paraganglionserums ausgezogen. Es wurde zuerst das letztere, sodann das erstere injiziert. Auch in diesem Falle ist die Wirkung des Paraganglionserums stärker und andauernder. Min 5 10 15 e. 17. Mai 1912. Hund d, ca. 35 ke. Das Organ besitzt zwei kleine Venen zur linken ven. sperm int. ziehend. Sie werden abgeklemmt, angeschnitten, und das Blut wird mit Pipetten aufgefangen. Sodann wird Blut aus der ven. sperm. int. dextra entnommen. Die Sera werden mit gleichen Teilen Ringerlösung verdünnt und am 7 Stunden alten Läwen’schen Präparate geprüft. 40 : Ey Min. 5 10 15 20 25 Fig. 9. Die gestrichelte Linie in Fig. 9 zeigt die vasokonstriktorische Wirkung des Serums aus der vena spermatica (0,3 eem). Die Wirkung des Paraganglionserums (ausgezogene Linie) in der gleichen Menge ist auch hier stärker und andauernder. Da genug Serum Studien an Paraganglien. 471 zur Verfügung stand, wurde der Injektionsversuch öfter und zwar stets mit dem gleichen Resultate wiederholt. Zur Kritik solcher Versuche ist folgendes zu bemerken. Es ist vor allem bedauerlich, liegt aber in der Natur der Sache, dass die zur Prüfung verfügbaren Mengen von Paraganglionserum meistens sehr gering sind. Dadurch ist gewöhnlich nur eine einmalige Injektion ermöglicht, während es doch wünschenswert wäre, die Injektionen möglichst oft zu wiederholen. Hier kann man sich bloss dadurch sichern, dass man das Serum einschliesst, d. h. die Injektion des- selben zwischen zwei Injektionen des Vergleichsserums vornimmt. Das ist in unseren Versuchen geschehen. Ein weiterer Umstand, der sehr zu bedenken ist, liegt darin vor, dass das Blutserum an sich schon vasokonstriktorische Stoffe, welche sicher mit Adrenalin nicht identisch sind, enthält. Wir gehen an dieser Stelle nicht genauer auf diese Verhältnisse ein, sondern verweisen auf die auf S. 466 dieser Abhandlung zitierten Arbeiten. Es sei nur hervorgehoben, dass nach unseren Unter- suchungen gleichmässig behandelte Sera, demselben Tiere zu etwa gleicher Zeit entnommen, die gleiche vasokonstriktorische Wirkung zu haben pflegen, so dass ein konstant nach der gleichen Richtung sich zeigender Unterschied in der Wirkung im Falle, dass überhaupt Adrenalin in höherem Maasse im Serum vermutet wird, wohl für dessen Vorhandensein spricht. Betrachtet man nun die Resultate der eben vorgeführten Ver- suche, so erkennt man vor allem, dass zwischen den untersuchten Seren ein konstanter Unterschied bezüglich ihrer vasokonstriktorischen Wirkung zu finden ist. Das aus den Venen des Paraganglions ge- wonnene Serum wirkt stärker und andauernder als solches aus der Karotis oder aus anderen Venen. Die Grösse des Unterschiedes, der sich stets in der gleichen Richtung geltend macht, ist in den einzelnen Versuchen verschieden, aber er ist in allen so deutlich, dass man nicht anstehen wird, ihn auf das vermehrte Vorhanden- sein vasokonstriktorischer Substanzen im Serum des Paraganglion- blutes zu beziehen. Ob es sich hier tatsächlich um Adrenalin handelt, lässt sich aus unseren Versuchen nieht mit Sicherheit erschliessen, wenngleich die Vermutung sehr nahe liegt. Denn der Befund, dass im Serum des Venenblutes eines Organes, welches sicher Adrenalin enthält, ein gesteigerter Gehalt an vasokonstriktorisch wirkenden Substanzen 4723 R. H. Kahn: Studien an Paraganglien. vorhanden ist, macht den Adrenalingehalt dieses Blutes in hohem Grade wahrscheinlich. Prinzipiell handelt es sich in unseren Ver- suchen um dasselbe, was auch bezüglich der Experimente mit dem Nebennierenblute vorliegt. Auch dort erschliesst man den Adrenalin- gehalt aus der gesteigerten Wirkung des Serums. Nur ist man dort in der glücklichen Lage, sich einerseits auf sehr grosse Unterschiede stützen zu können, andererseits, wie O’Connor gezeiet hat, durch adrenalinzerstörende Maassnahmen das tatsächliche Vorhandensein von Adrenalin fast sicherzustellen. Wir halten also durch unsere Versuche das Vorhandensein von Adrenalin im Venenblute des Paraganglion aort., soweit man es heute überhaupt nachzuweisen vermag, für erwiesen. Und hierauf gestützt vermuten wir für dieses Organ die gleiche physiologische Funktion, wie für das Mark der Nebenniere, nämlich die Sekretion von Adrenalin in das Blut. Es besteht indessen die Möglichkeit, auf anderen Wegen zu versuchen, diese Vermutung noch weiter zu stützen. Von den Resultaten solcher Versuche soll bei späterer Gelegenheit die Rede sein. Tafelerklärung. Tafel IV. Die Figuren 1—7 sind nach chromierten Präparaten in natürlicher Grösse gezeichnet. Tafel V. Die Fig. 8 ist eine photographische Reproduktion der topo- graphischen Verhältnisse an der dorsalen inneren Bauchwand der frischen Leiche eines mittelgrossen Hundes. Die Gedärme sind nach links geschlagen. Bezüglich der Einzelheiten wird auf die Seiten 449, 450, 452 und 455 des Textes verwiesen. Pflüger’s Archiv f.d. ges. Physiologie, Bd .147. Taf.WV. (l N A ku 2 Li » [ Und 2 Verlag v.Martin Hager, Bonn. Lith. Anst. v: F-Wirtz,, Darmstadt. "uuogp “se unmpm UA Seo‘ umpoy ‘ponp 'Jur "Asueal 'q yuowvstT -HTeUEPONP-ON9E.T "SIT Tuoponp 'pueose 'q ‚ı9xop ‘ur "waods "Jay 'pge "Mor 'Seaud ‘uxop 'yur "waads "ua "us "ur "waeds "ua IXODECHUT A SEOIAYNURI "us 'Teuot "uoA swosd-oa]T "OSnMN S19IN 909 9I9TUUIION OMU] CARd BUOA Tueponp "pu99sop 'd REN | 7 pa e18ojoısAyg se P 4 Alyoıy SAOSnUd Re 473 Elektrokardiogrammstudien über die Wirkung der Ca-Salze der Ringer’schen Lösung aufs Herz. (Etwas zur Bedeutung der T-Zacke des Elektrokardiogramms.) Von A. Leontowitsch, Privatdozent an der Universität zu Kiew. (Mit 5 Textfiguren und Tafel VI. VII. VII.) Die Ringer’sche und die Locke’sche Lösung haben heut- zutage eine so weite Anwendung in der Kardiologie gefunden, dass die Frage nach ihrer „normalen“ Zusammensetzung und der Wirkung ihrer Bestandteile naturgemäss eine besondere Bedeutung erlangt hat. In der vorliegenden Arbeit soll denn auch die Zusammensetzung dieser Lösungen erforscht werden, wobei als Kriterium nicht das Myogramm des Herzens, sondern das Elektrokardiogramm gewählt wurde, das tiefer als andere Methoden in das Wesen der Herz- kontraktion einzudringen gestattet. Verschiedene Umstände zwangen mich, meine Aufsabe einzuschränken, so dass hier nur die Resultate der Wirkung des Caleiums auf das Elektrokardiogramm beschrieben werden können. Die Tatsachen lenkten dann die Aufmerksamkeit auf eine interessante Seite der Frage, die zur Erklärung der Be- deutung der 7-Zacke des Elektrokardiogramms sowie zum Ver- ständnis der bekannten wunderbaren Mannigfaltigkeit der Formen des Elektrokardiogramms des ausseschnittenen Herzens geeignet erscheint, und darin liest vielleicht das Wesentlichste dieser Arbeit. Untersuchungsmethoden. In das Herz des Frosches (Rana eseulenta), und zwar zunächst in den Sinus venosus und dann in die linke Aorta. wurde eine Kanüle eingebunden. Um Gerinnsel zu vermeiden, ist es am zweckmässigsten, das Herz durch einen Einschnitt in den Sinus zu durchspülen, indem 474 A. Leontowitsch: man eine gewisse Menge der Ringer’schen Lösung — in die durch die Entfernung der vorderen Brustwand entstandene Ver- tiefung — auf das Herz giesst. Es ist Wert darauf zu legen, dass die Vena s. ligament. apieis cordis geschont wird. Namentlich die Vorhofpulsationen hängen, wie es scheint, stark von der Integrität dieser Vene ab. Dieser Umstand soll um so ‚mehr berücksichtigt werden, als man gewöhnlich durch die verlockende Lage dieser Vene versucht wird, sie zu unterbinden, um sie dann am Faden zu fassen und als Vorriehtung zum Umwenden des Herzens zu benutzen !). Ich verfügte über ein grosses (Edelmann’sches) Modell des Einthoven’schen Galvanometers. Seine Empfindlichkeit wurde in verschiedenen Versuchen gewöhnlich zu ca. 40 mm pro 1 MV genommen. Zum Photographieren diente uns eine photographischer Apparat eigener Konstruktion, der in den Werkstätten des Kiewer Polytechnischen Instituts angefertigt wurde. Wir behalten uns vor, ihn nach Beseitigung einiger noch vorhandenen Defekte genauer zu beschreiben. In seinem jetzigen Zustande liefert er 8 cm breite und 5 m lange Streifen bei verschiedenster Geschwindigkeit. Zum Photographieren wurde Zeiss’ Apochromat S mm und Projektionsokular 4 benutzt. Zur Beleuchtung diente Reichert’s Objektiv V, dessen Apertur zu der des Apochromats passte. Die Entfernung bis zum lichtempfindlichen Papier betrug 1.m. Zur /weiordinatensystemphotographie bediente ich mich der üblichen Garten’schen Methode mit der zylindrischen Linse (Radius—2 cm). Die Beleuchtung wurde nach dem in der Zeitschrift für biologische Technik (Bd. 2 S. 274) beschriebenen Verfahren eingerichtet. Zur Ein- führung der Flüssigkeit in das Herz diente eine Reihe Mariotte’scher Gefässe, die mit der Herzkanüle verbunden waren. Indem wir die einem bestimmten Gefässe entsprechende Klemme lösten, führten wir Ringer’sche Lösung von dieser oder jener Zusammensetzung ein. Um sicher zu sein, dass der Druck aller dieser Flüssigkeiten der gleiche war, wurde die ins Herz eingeführte Kanüle mit einem lateralen Fortsatze versehen, der mit einem Manometer verbunden war. Dieses Manometer füllte sich jedesmal von selbst mit der 1) Allgemein wird angenommen, dass im Froschherzen keine Blutgefässe vorhanden seien. Die angeführte Tatsache wie auch andere von uns gemachte Beobachtungen veranlassen uns, dieser Meinung etwas vorsichtig gegenüber- zustehen. Elektrokardiogrammstudien über die Wirkung der Ca-Salze etc. 475 Flüssigkeit, die durch das Herz strömte. Änderte sich die Zusammen- setzung der Ringer’schen Lösung, so änderte sich auch die Zu- sammensetzung der Flüssigkeit des Manometers, die durch einen besonderen lateralen Fortsatz abfloss. Wir benutzten folgende Ringer’sche Lösungen: 1. Die „normale Ringer’sche Lösung“. Als solche betrachteten wir nach verschiedenen Proben die Flüssigkeit folgender Zusammensetzung: 25° NaCl — 24 cem 5°%/o CaCls — 6 cem 5%o KCI — 8 cem 5° NaHCo, — 2 cem 2. „9 eem CaCl;,-Ringer’sche Lösung.“ Ganz wie oben, nur wird vom CaCl, nicht 6, sondern 9 cem genommen. 3. „l2 cem CaCl,-Ringer’sche Lösung.* Wie oben, nur wird 12 ccm CaCl, genommen. 4. „KCl-freie 12 cem CaCl;,-Ringer’sche Lösung.“ Wie unter 3., nur ist KCl nicht enthalten. 9. „od ecem CaCl,-Ringer’sche Lösung.“ Wie 1., nur sind nieht 6, sondern 3 cem CaCl, genommen. 6. „CaCl,-freie Ringer’sche Lösung.“ Wie unter 1., nur ohne Ca. CaCl,; wurde stets in kristallinischer Form verwandt. Einführung in die gewonnenen Resultate. Bekanntlich sind die Formen der Elektrokardiogramme des ausgeschnittenen Herzens sehr manniefaltig. Eigentlich haben noch nicht alle Formen ihre Beschreibung, geschweige denn ihre „Er- klärung“ gefunden. Am vollständigsten sind sie bei Samojloff!) dargestellt worden. I) Arch. f. d. ges. Physiol. Bd. 135 S.417. Fig.3ff.; Arch. f. Physiol. 1906 S. 207 (Supplbd.). Die von mir beobachteten Bilder nehmen mich gegen die Einförmigkeit der von Straub (Zeitschr. f. Biol. Bd. 53 S. 502—504) beobachteten Kurven ein. Das Straub’sche „typische Elektrokardiogramm des ausgeschnittenen Froschherzens“ ignoriert — statt eine Erklärung zu geben — alle andern vor- kommenden Formen dieser Kurven aus dem Grunde, weil bei den Straub’schen Versuchsbedingungen stets nur solche Kurven gewonnen wurden. Allerdings bildet — namentlich in verwickelten Fällen — die Konstanz des Resultats ein Argument für die Richtigkeit des betreffenden Versuchsergebnisses, falls die 476 A. Leontowitsch: Unsere Arbeit ergab jedoch eine noch grössere Mannigfaltigkeit der Kurven als bei Samojloff, was wohl dadurch bedingt ist, dass in unserer Arbeit nicht wie bei Samojloff die Aufgabe vorlag, ein normales Elektrokardiogramm des ausgeschnittenen Herzens zu finden. Der Natur der gestellten Aufgabe entsprechend, mussten wir alle vorkommenden Kurven berücksichtigen. Aus diesem Grunde bin ich gezwungen, die Beschreibung der Ergebnisse meiner Arbeit mit einer Art Klassifikation der Kurventypen einzuleiten, um später die Ca-Wirkung zu einer Übersicht der Kombinationen dieser Kurven im Experiment darstellen zu können. Das erste, womit man rechnen musste, war das, was ich als elektrische Schwankungen zweiter Ordnung bezeichnen möchte, ohne dadurch die Bedeutung dieser Erscheinung prädestinieren zu wollen. Eine Vorstellung davon geben die Kurven (Fig. 1, 2, 4, 5, 6, 7 auf Taf. VI, Versuch vom 21. Mai 1911). Darauf sind drei Momente verzeichnet: zunächst (Fig. 1) Ringer’sche Lösung von folgender Zusammensetzung: 25°/0o NaCl — 32 cem, 5°/o CaCl; — 4 cem, 5°/o KCl — 4 cem, 5°o NaHCo, — 4 cem, Wasser bis 1000 eem*). Fig. 2 und 3 auf Taf. VI sind bei Ringer’scher Lösung derselben Zusammensetzung gewonnen, mit dem Unterschiede, dass hier 13 ccm CaC]l, genommen wurden. Fig. 4—7 entsprechen einer Ringer’schen Lösung derselben Zusammensetzung, jedoch ohne Ca. Erörtern wir nun diese „Schwankungen zweiter Ordnung“ näher. B-Schwankungen des Elektrokardiogramms oder Schwankungen zweiter Ordnung. Bei aufmerksamer Betrachtung dieser Kurven erkennen wir: l. sehr grosse, langsam ansteigende und langsam abnehmende Stromschwankungen. Ca-Ringer’sche Lösung verstärkt diese zwingende Notwendigkeit einer solchen Quelle der Stabilität erwiesen ist. Doch weiss man aus der „Fehlertheorie“, dass einer solchen Konstanz der Ergebnisse stets nur eine sehr relative Bedeutung zukommt, dass man dadurch nicht vor einseitiger Schätzung sicher ist, und dass sie nur beim Fehlen anderer Erklärungen einen Wert hat. In diesem Falle ist die von Straub vorgenommene Sonderung ganz willkürlich; seine Ignorierung alles dessen, was in seine Theorie nicht hineinpasst, steht in trostlosem Widerspruch zu den Angaben vieler Forscher, die über mannigfaltigeres Material verfügten. Auch wir konnten uns mit seinen Vorstellungen in unserm Material nicht orientieren, können daher nicht An- hänger seiner Anschauungen sein. 1) Ursprüngliche Ringer’sche Lösung. Elektrokardiogrammstudien über die Wirkung der Ca-Salze etc. 477 Schwankungen beträchtlich, während sie unter dem Einfiuss Ca-freier Lösung bis zum völligen Verschwinden abgeschwächt werden. Ihre Zahl gleicht der Anzahl der Herzsystolen (zeitlich fallen sie mit der Herzkontraktionsperiode zusammen. Vgl. darüber unten); 2. geringere, sich schnell entwickelnde und ebenso schnell abnehmende Stromsehwankungen, die eine offenbare Ähnlichkeit mit der Zacke R und vielleicht auch mit der Zacke P des gewöhnlichen menschlichen Elektrokardiogramms (nach Einthoven) aufweisen. 3. Nirgends ist mit Sicherheit die 7-Zacke des gewöhnlichen Elektrokardiogramms festzustellen. Wollten wir uns die Aufgabe stellen — wie das gewöhnlich geschieht —, nach der Aufeinanderfolge der Grösse und der Form der Zacken des Elektrokardiograınms zu schliessen, wo in diesen Kurven die Zacken P, ©, R, $, T zu suchen sind, so müsste man sagen, dass die Orientierung auf diesem Wege schwer, ja unmöglich ist. Teilen wir aber die beobachtete Erscheinung in zwei Kategorien, so entwirrt sich alles sehr einfach, denn dann sehen wir: A) „schnelle“ Schwankungen und B) „langsame“ Schwankungen. Die schnellen Schwankungen gleichen den Zacken P und R des gewöhnlichen Elektrokardiogramms; die langsamen unterscheiden sich von ihnen scharf durch ihre Grösse (zuweilen) und ihren schlaffen Anfang und ihr schlaffes Ende. Auf Fig. 1, 4, 5, 6, 7 (Taf. VD ist zu sehen, dass die Höhe der B-Schwankung im Beginn der Kurve bei „normaler“ Ringer’scher Lösung 39 mm, bei einer vierfachen Ca-Menge ebenfalls gegen 42 mm betrug. Sie sinkt aber unter der Wirkung der Ca-freien Flüssigkeit bis auf 5 mm, vermindert sich also um das Achtfache. Was die A-Schwankung betrifft, so beträgt ihre Grösse bei normaler Lösung 5—6 mm; bei Ca-Ringer- scher Lösung nimmt sie an einigen Zacken bis 10—12 mm zu. Es erscheinen ausserdem neue Zacken desselben Charakters (ihre Zahl nimmt also zu), von denen die nach unten gerichtete (desselben Charakters wie bei Extrasystolen nach Reizung der Herzspitze) bis zu 24 mm gross ist. Wird jedoch Ca beseitigt, so nehmen die Zacken ihre frühere Grösse an. Es ist demnach kaum ratsam, auf den Gedanken zu verzichten, dass wir in den oben erwähnten sieben Figuren zwei ganz verschiedene Erscheinungen vor uns haben: die Erscheinung A, die den gewöhnlichen Zacken P und R des Elektro- kardiogramms gleieht, und die bis zu einem gewissen Grade selb- Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd. 147. 33 478 A. Leontowitsch: ständige Erscheinung B, die ich als elektrische Schwankung zweiter Ordnung bezeichnen möchte. Unten nenne ich die Erscheinung B stets M-Schwankungen. Bei Betrachtung der Arbeiten meiner Vorgänger muss man natürlich konstatieren, dass diese Erscheinung von vielen beobachtet worden ist; namentlich in den mit dem Kapillarelektrometer ge- machten Arbeiten erscheint sehr häufig die Gewinnung dieser „Kurven zweiter Ordnung“ als ihr Hauptergebnis. So stellen bei Samojloff!) die Figuren 6, 9 reine Kurven dieser Art, die Figuren 4, 7, 8, 10, 11, 12 und 13, Kombinationen der Kurven erster (B) und zweiter (A) Ordnung dar, und nur die Fie. 2, 3 und 5 sind reine Kurven erster Ordnung. In der zweiten Samojloff’schen Arbeit sind Schwankungen zweiter Ordnung deutlich auf Fig. 21 sichtbar. Das Auftauchen der „Schwankungen zweiter Ordnung“ scheint mit der Verletzung des Herzens bei der Präparierung und mit dem Erscheinen von Demarkationsströmen darin zusammenhängen. Ein gutes Verfahren, diese Schwankungen hervorzurufen, besteht darin, dass man auf das ausgeschnittene pulsierende Herz ein Stück Frosch- haut lest, und zwar so, dass die Epidermis auf dem Herzmuskel liegt. Die Verletzung des Muskels durch einen Einschnitt ruft auch mehr oder minder deutlich diese Schwankungen zweiter Ordnung hervor. ; Was die Momente anbetrifft, die diese B-Schwankungen beein- flussen, so gelang es mir, zu beobachten, dass Drucksteigerung bis zu einem Grade, bei dem das Herz deutlich erweitert wird, die Grösse dieser Schwankungen häufig verdoppelt und verdreifacht, ohne dass dadurch die Schwankungen erster Ordnung beeinflusst werden. Zuweilen wirkt vollständiges Aufhören des Zuflusses der Ringer- schen Lösung zum Herzen recht eigenartig auf die B-Schwankungen. Man sieht dabei gewöhnlich, wie die Kurven zweiter Ordnung an Höhe abnehmen und einen eigenartigen, oft auffallend regelmässig wiederkehrenden Charakter erhalten, während Kammer- und Vorhof- kontraktionen — wie das durch das blosse Auge und auf den Kurven sichtbar ist — vollständig fehlen. Fig. $ und 9 (Taf. VI und VII; 1) Arch. f. Physiol. 1906 Suppl. Taf. 11 und 12. — Auch A. Hoffmann, Pflüger’s Arch. Bd. 133 S. 578. — Auch Tschirjew, Kiewer Univ. Nachr. 1905, Fig. 21—23. Elektrokardiogrammstudien über die Wirkung der Ca-Salze etc. 479 Versuch vom 17. Mai 1911) sind Beispiele solcher Schwankungen). Den verschiedenen Besonderheiten ihrer Entstehung entsprechend, nennen wir diese Schwankungen „elektrische Herzkrämpfe des Typus M“. A-Schwankungen des Elektrokardiogramms. Die A-Schwankungen oder die Schwankungen erster Ordnung sind „schnelle Schwankungen“ (P, R, 8°). Als unsere Arbeit in ihrer jetzigen Gestalt bereits abgeschlossen war, erschien die Arbeit von Rothberger und Winterberg?). Diese Autoren gingen von der Erscheinung aus, dass Ca und besonders Ba die Erregbarkeit der letzten tertiären Herzzentren oder vielleicht des Herzmuskels (letzteres scheint ihnen weniger wahrscheinlich) stark erhöht. Indem sie mit Hilfe von Ca oder Ba die Accelerantes reizten und gleichzeitig das Hauptsinuszentrum durch Vagusreizung beseitigten, zeigten sie, dass unter diesen Bedingungen die Automatie dieser tertiären Zentren scharf hervortritt. Dieselbe Automatie zeiet sich auch ohne jede Nervenreizung sehr prägnant bei grossen Ca- und Ba-Dosen, Die „Keith-Flack’schen“ und „Tawara’schen“ Knoten reagieren auf solche Ca-Einwirkungen nicht. Diese Autoren machten sich demnach an eine viel kompliziertere Aufgabe, als wir es hier tun. Wir bezwecken hier nur, die Viel- gestaltigkeit des Elektrokardiogramms zu studieren, die uns in unseren Versuchen entgegentrat, was — wie wir glauben — ebenfalls ein gewisses Interesse bietet. Im allgemeinen müssen. wir jedoch schon jetzt sagen, dass sich der Standpunkt Rothberger’s und Winterberg’s mit Not- wendiekeit aus unseren Versuchen ergibt: auch bei uns lässt sich die Mannigfaltigkeit der Kurven nur dann befriedigend erklären, wenn wir eine Reizung tertiärer Zentren als anatomo-physiologisches Substrat der Ca-Wirkung annehmen °). 1) Auf Fig. 9 ist leider starkes Zittern der Saite bemerkbar. Doch ist hier das Vorhandensein grosser Schwankungen vom Typus D zweifellos. 2) Über die experimentelle Erzeugung extrasystolischer ventrikulärer Tachy- kardie durch Acceleransreizung. (Ein Beitrag zur Herzwirkung von Barium und Calcium.) Pflüger’s Arch. Bd. 142 S. 461, namentlich S. 483. 3) Es ist uns angenehm, hier zu bemerken, dass in dieser Beziehung der Gesichtspunkt, mit dem wir in unserer in Langendorff’s Laboratorium aus- geführten Arbeit „Zur Frage über Kontraktionswellen im Herzen“ (Pflüger’s Arch. Bd. 123 S. 67, bes. S. 110 Fig. 6, Anfaug 1909) hervorzutreten wagten, all- 33 * 480 A. Leontowitsch: Ausser den ganz normalen haben wir in bezug auf die „Schwan- kungen vom Typus A“ folgende Arten von Elektrokardiogrammen beobachtet: 1. Bigeminie (Trigeminie usw... Es kamen bei uns zwei Arten von Bigeminie vor. Die erste lässt sich bequem durch die Formel (+ PR, + R,+FP,;,+ R,) ausdrücken. Das ist die Bigeminie, die man gewöhnlich unterscheidet (vgl. Nicolai, S. 315, 226). Fig. 3 (Taf. VI) zeigt ein solches Beispiel. Hier ist die Differenz zwischen Anfang R, und R,—=1,72”, zwischen Anfang R, und R,—=2,12"; man muss demnach annehmen, dass eine kompensatorische Pause nach einer dieser R-Zacken vorhanden ist. (Auf Fig. 3, Taf. VI, ist — R, grösser als + R,.) . Es ist anzunehmen, dass hier eine allorhythmische Reizung in den Vorhöfen, d. h. unterhalb des Remak’schen Knotens, vorliegt. In anderen Fällen findet die allorhythmische Reizung an anderen Stellen des Herzens statt, und es kommt eine Bigeminie und Allorhythmie anderer Art zustande. Fig. 11 (Taf. VI) liefert ein Beispiel einiger solcher Arten von Bigeminie: zunächst haben wir ein grosses + R, und ein kleines — R,, dann nimmt AR, allmählich zu und nimmt den Charakter (+ R—$) oder ei EN an. Demnach muss man vermuten, dass hier ausser der früher geschilderten Bigeminie vom Typ+P,+R,+P,;—R, auch einesolche vom Typ P, + Rı+ P, {+ RS} vorhanden ist (vgl. unten über die S-Zacke). 2. Transversale Herzdissoziationen. Ausser regel- mässiger Bigeminie kamen noch unregelmässige Typen von Disso- ziationen der Vorhof- und Ventrikelpulsationen vor; in solchen Fällen ist es schwer zu sagen, wo die AR,-Zacke, wo P,, wo R, ist. Zu- weilen sind sie in wunderlichster Weise miteinander verwickelt und liefern dann vollständig unordentliche Zacken vom Typ R und viel- leicht auch P. Auf Fig. 17a und ce haben wir zwei P-Zacken auf eine RS. (Über RS siehe unten.) In solchen Fällen haben wir es offenbar mit einer Dissoziation beider Vorhöfe oder der Teile (z. B. des rechten oder des linken) des Ventrikels zu tun. 3. Die Verstärkung der &Ö-Zacke des Elektro- kardiogramms(?). Sehr häufig, namentlich bei nicht sehr starker mählich Verbreitung findet. Ende 1909 gaben Nicolai und Plesch (Deutsche mediz. Wochenschr. Bd. 51) ein analoges Schema des Reizleitungssystems des Herzens. (Meine Arbeit war bereits im August 1907 abgeschlossen; ihre Ver- öffentlichung wurde durch den Tod Langendorff’s verzögert.) Elektrokardiogrammstudien über die Wirkung der Ca-Salze etc. 481 Wirkung von Ca, erhält man Kurven, die mit dem sechsten Teil der Fig. 3 der zweiten Samojloff’schen Arbeit (1910) Ähnlichkeit haben, allerdings mit dem Unterschiede, dass die negative Kompo- - nente der R-Zacke, d. h. die S-Zacke, die der R-Zacke bei „Extra- systole des linken Ventrikels“ ähnelt, ihrem Charakter nach voll- ständig der gewöhnlichen positiven A-Zacke gleicht und sich von ihr nur in der Richtung unterscheidet. Fig. 14 (Taf. VII) ist ein Beispiel eines solchen Falles. Im Anfang der Kurve 14 (Taf. VII) ist diese S-Zacke schwach ausgeprägt. Auf der Hebelkurve der Ventrikel- kontraktion ist zu sehen, wie sich allmählich der Herzstillstand unter dem Einflusse von Ca vorbereitet. Man sieht, wie sich die Zacke S entwickelt, und zwar namentlich dann, wenn das Myogramm an den ıneisten Systolen eine deutliche zweihöckrige Kurve (Dissoziation der Herzbündel) darstellt; und nur wenn die Systolen so winzig werden, dass sich der Charakter ihres mechanischen Prozesses nieht mehr beurteilen lässt, ist die Spaltung nicht mehr zu sehen. Das alles lässt vermuten, dass eine solche Kurve mit der Zacke R+ 5 eben durch die Spaltung der Systole in den Herzteilen zustande komnit, in denen die Prozesse, die auf dem Elektrokardiogramm die A-Zacke liefern, entstehen. Eine solche S-Zacke ist demnach nichts anderes als —R eng mit + R verbunden. Hat doch Samojloff (l. e. S. 426ff.) eine solche Kurve gerade an einem Ventrikel bekommen, der so zerschnitten war, dass beide Teile im Zusammenhang blieben und doch jeder im eigenen Tempo pulsierte. Als sich die Tenpi ausgleichen und zu einem einheitlichen wurden (auch bei ihm zeigt das Myogramm keine Spaltungen mehr) entstand (+ R— R) des Elektrokardiogramms. Bei einer solchen Anschauung über die Natur einer derartigen S-Zacke wird man nur annehmen müssen, dass das Elektrogramm — und das ist auch sehr plausibel — ein viel feinerer Indikator für die Vorgänge im Herzen ist als das Myogramm. Der 483 A. Leontowitsch: Umstand, dass solche S-Zacken auch beim lebenden Menschen vor- kommen, spricht durchaus nicht gegen unsere Vermutung, da sich HE: HINEIN doch geringe Grade der Disso- ziation durch nichts an der Herztätigkeitäussern. Übrigens hoffen wir, später noch einmal auf diese Vermutungen zurück- zukommen. Es ist die Form des Elek- trokardiogramms, die Roth- berger und Eppinger schon durch die unvollständige Blockierungderrechten Zweige des His’schen Bündels, d. h. auch durch eine Dissoziation beider Herzventrikel, erklären. Wir kommen demnach zu einem dem ihrigen nahen Schlusse. 4. Elektrisches Flim- mern des Herzens. Recht Elektrokardiogrammstudien über die Wirkung der Üa-Salze etc. 483 häufie kommt eine sonderbare Veränderung des Elektrokardiogramms vor, die man richtiger „elektrisches Flimmern“ des Herzens nennen sollte, und die darin besteht, dass das Elektrokardiogramm während der ganzen Herzrevolution aufeinanderfolgende R-Zacken liefert. Beim Photographieren der Kurve bemerkte ich diese Form des Elektro- kardiogramms an dem sonderbaren Zittern. der Galvanometersaite während einiger Herzkontraktionen. Das Myogramm weist dabei durch nichts auf ein solches Herzflimmern hin; es ist nur gewöhnlich sehr niedrig. Fig. 12 liefert ein Beispiel dieser Erscheinung. Man sieht hier, wie auf eine Herzkontraktion zehn bis elf aufeinander- folgeude AR-Zacken folgen. Wir unterfangen uns jetzt nicht, eine detaillierte Erklärung der Entstehung dieser Erscheinung zu geben. Wir beobachteten sie in der ersten Periode der Wirkung der Ca- freien Lösung; sie entspricht wohl dem Herzflimmern. Seltener, wie es scheint in weniger ausgeprägten Fällen dieser Kategorie, finden wir eine R-Zacke und einige Gipfel in dem darauf folgenden Teile des Elektrokardiogramms. (Siehe Fig. 13, Taf. VII). Das beobachteten wir in der Reizperiode nach Steigerung von Ca. 5. Elektrische Krämpfe des R-Typus. In den Fällen, in denen die Herztätigkeit — am häufigsten wegen Fehlens der Ringer’schen Lösung — grosse Störungen erleidet, erhält das Elektro- kardiogramm zuweilen einen seltsamen Charakter. Die grossen Amplituden erinnern durch ihre allgemeine Konfiguration und Ge- schwindigkeit an A-Schwankungen, allerdings atypische. Fig. 10 liefert ein Beispiel solcher „elektrischen Krämpfe“. Diese Erscheinung, die schon von sehr vielen beschrieben worden ist, bezeichne ich hier als „elektrische Krämpfe vom Z-Typus“. 6. Vollständiges Fehlen der Schwankungen vom A-Typus. In seltenen Fällen registriert die Galvanometersaite auch Kurven ohne alle Schwankungen des A-Typus. Solche Kurven erhielt ich gewöhnlich gegen Ende des Versuches nach vorherigen Stillständen, die durch zu grosse Ca-Mengen oder das Fehlen von Ca bedingt waren, wenn die Herztätigekeit nach Zufluss normaler Ringer’scher Lösung scheinbar hergestellt war. Fig. 18 ist ein Beispiel einer solehen Kurve. Ähnliche Kurven sind mehrfach in der Zeit von Einthoven durch das Kapillarelektiometer gewonnen und beschrieben worden. Die Kurve sieht aus wie nur eine Kurve vom B-Typus. ABA A. Leontowitsch: Mir persönlich wird es schwer, daran zu glauben, dass eine solehe Form der Kurve die wirklichen Verhältnisse richtig wiedergibt. Ich bin eher anzunehmen geneist, dass die R-Zacke entweder vom Gralvanometer der grossen Geschwindigkeit wegen nicht wiedergegeben wird oder aber umgekehrt der Langsamkeit und der geringen Höhe wegen mit den 5-Schwankungen zusammenfällt. Nichtsdestoweniger bringe ich hier zur Vervollständigung der Beschreibung des Be- obachteten auch eine solche Kurve (vgl. Kraus-Niecolai, Das Elektrokardiogramm usw. S. 144). 7. Spaltung der RS-Schwankungen. Ein dem Rö-Typus naher Elektrokardiogrammtypus wurde von uns beim Übergang von Berini SET agree EEE TEERETRTETEH TEE SEP Gm Saar Sasse DIS RUUREEZEETTIN: a sn: Bazar Der Hrn sen en — ERSETZSS! DANS EEE TE EEE Fe aneneemgren ee sethiie teren] mau £ eh en u ne aan) Femme m mrerernen GESEHN TETEREEENTT DEE TEBERTENSTITEEENEENRE TU DLR SI > EEE ROTASTHESEEE MEBEmN Sm u} E ı amnvomrı Pommern zen: sahen: a ASIEN IM: Gar sus ha TTETen” ES ERSTE ECHTE EURETEN" .. TAEUCHRETTTERRERT HH ee rn wa WERT ..n ı Em UISZERBEET nn IREEREUTT u SR EI ERMELIERET BER: nn n ee ee RETTET REN Sagt ee ee Ca-freier Lösung zu einer Lösung mit 9 cem 5oiger CaCl,; pro Liter beobachtet. Fig. 15 stellt ihn dar. Hier haben wir fast das- selbe; nur ist hier (nach A gerechnet) die zweite positive S-Kom- ponente von der negativen etwas zurückgedrängt, wobei sich unten zwischen ihnen eine Zacke vom 7 (?)-Typus einkeilt, die früher als R beginnt und etwas später als das Ende von S schliesst. Über T-Schwankungen. Wir haben bis jetzt noch nicht den Teil des Elektrokardiogramms erwähnt, der verschiedenen Einwirkungen gegenüber am empfind- lichsten ist. Ich meine die „7-Gruppe“ oder die Finalschwankungen. Jetzt ist es nötig, die Frage über diese interessante Gruppe von Schwankungen und über die Wirkung von Ca auf dieselben zu er- Elektrokardiogrammstudien über die Wirkung der Ca-Salze etc. 485. örtern, Die Betrachtung der Kurven 13 und 16 zeiet, dass wir es im Anfang derselben mit einem für den Menschen üblichen „nor- malen“ Elektrokardiogramm zu tun haben. Verfolgen wir aber weiterhin eine Systole nach der anderen, so sehen wir, wie diese T-Schwankung unter dem Einflusse von Ca an Höhe und Breite sukzessive zunimmt, und wie sie allmählich zu nichts anderem wird als zu der früher beschriebenen „Schwankung zweiter Ordnung“, bei der die übrigen schnellen Schwankungen des Elektrokardiogramms- nicht mehr als gleichberechtigte Glieder, sondern als schwächere und kurzdauernde Anhängsel, sozusagen als Eindringlinge, erscheinen. Weder in diesen noch in anderen Kurven kann man irgendwelche Gründe finden, um bei diesem allmählichen Übergange der T- Schwankung in „Kurve zweiter Ordnung“ diese beiden Prozesse in zwei verschiedene Erscheinungsgruppen zu sondern; im Gegenteil ist die Wucht der Tatsachen eine derartige, dass am wenigsten ge- zwungen die Anschauung erscheint, nach der die Schwankung zweiter Ordnung und die 7T-Zacke im Grunde ein und dasselbe ist. Diese Zacke ist eigentlich nur als höchst schwache Äusserung der Schwankung- zweiter Ordnung anzusehen !), und das ist auch unsere Ansicht über diese Erscheinung. In Anbetracht des in vielen Fällen vorkommenden Übergangs der T-Zacke in eine „Schwankung zweiter Ordnung“ kann für den Fall, dass die Frage nach der Bestimmung des Anfangs der T-Zacke im Verhältnis zum „Myogramm“ auf- geworfen würde, im voraus gesagt werden, dass eine derartige Frage mit der zur Berechnung der „elektrischen Kontraktionswelle“ nötigen Genauigkeit nicht beantwortet werden kann, da die Erscheinung der 7T-Zacke selbst zu variabel ist, was auch von allen, die sich diese Aufgabe gestellt hatten, konstatiert worden ist ?). Durch diese Gesichtspunkte erlangen die „Schwankungen zweiter Ordnung“ ein ungewöhnliches Interesse und heischen eine weitere Betrachtung. Die Form der Schwankung zweiter Ordnung ist sehr veränderlich. Es ist daher sehr schwer, irgendeine graphische Charakteristik davon zu geben. Am häufigsten sieht man ein initiales Sinken unter die Abszisse, einen Anstieg etwas vor Anfang der R-Zacke, ein Anstieg, 1) A. Hoffmann, Pflüger’s Arch. Bd. 133 S. 571—573, sondert bereits die T-Zacke von den übrigen ab, indem er letztere als Reizwellen, sie aber als Kontraktionswelle betrachtet. 2) Vgl. z. B. Weiss und Joachim, Zeitschr. f. klin. Med. Bd. 75 H. 3 u.4S8.6. 486 A. Leontowitsch: der weiter, ungefähr bis zur Hälfte der Entfernung, zwischen zwei benachbarten R-Zacken zunimmt, und der dann wieder einem Sinken. der Kurve Platz macht. Von dieser Art ist die M-Schwankung auf Fie. 16,2 (Taf. VI u. VIID; seltener kommen solche Kurven wie auf Fig. 1 u.13 (Taf. VI u. VII) vor, in denen die Schwankung die Form eines umgekehrten V oder die eines etwas abgerundeten Dreieckes mit der Basis nach unten hat.. In einigen Fällen macht die Form der Kurve Schwieriekeiten, wenn man versucht, ihre Verhältnisse gegen das Herzmyogramm festzustellen. Man soll dann von der P-Zacke oder, was häufig be- quemer ist, von der R-Zacke ausgehen, die tatsächlich in bezug auf das Myogramm fast immer als Initialschwankung (Nicolai) erscheint (vel. Fig. 11, 13, 16 |Taf. VI u. VIII]) in ihren mittleren Teilen). Zuweilen findet sich in solcher Kurve auch ein der Herzpause entsprechender horizontaler Teil (vgl. Fig. 3 [Taf. VI]) vor. Ist er vorhanden, so erhält die A-Schwankung grössere Präenanz. Am kompliziertesten sind die D-Schwankungen bei Bigeminien, Tri- geminien usw. Dann erscheint die B-Schwankung gewöhnlich ge- meinsam für die ganze Kontraktionsgruppe, d. h. für zwei Kon- traktionen bei Bigeminie, für drei bei Trigeminie usw. (s. Fig. 11 [Taf. VI). Die Natur des Gegenstandes ruft ein Bedürfnis nach Vereinheitlichung der beobachteten Tatsachen durch irgendeine Idee hervor. Diesem Bedürfnisse kamen denn auch alle Forscher, die auf diesem Gebiete arbeiteten, und von denen viele als besondere Kenner dieses Gegenstandes gelten müssen, nach '!). Von diesen Forschern hält Straub die 7-Zacke für den Ausdruck der ‘Stoffwechselprozesse des sich zusammenziehenden Herzmuskels. Hoffmann sieht in der „Z-Gruppe“ den Ausdruck des elektrischen Prozesses der Kontraktions- welle im Gegensatz zur R-Gruppe, die die Erregungswelle darstellt, die im Muskel bei seiner Reizung entsteht. Samojloff (S. 443, 444 usw.) spricht sich nicht entschieden aus; er sammelt tatsächliches Material und weist besonders darauf hin, mit weicher Hartnäckigkeit die T-Zacke — im Gegensatz dazu, was bei der R-Zacke beobachtet wird — ihr (+ oder —) Zeichen bei Reizungen des Herzens zur Hervorrufung der Extrasystolen bewahrt. Er weist auch auf die Empfindlichkeit dieser Zacke gegenüber verschiedenen Ausseneinwirkungen aufs Herz hin, wirft aber die Frage nach der Ursache dieser Zacke nicht auf. Nach Nicolai?) ist die R-Zacke ein Ausdruck der Erregung des basalen Teils des 1) Vgl. Samojloff, Pflüger’s Arch. Bd. 135 S.444. — A. Hoffmann, Pflüger’s Arch. Bd. 133 S. 552. Daselbst auch Literatur. 2) Kraus und Nicolai, Das Elektrokardiogramm des gesunden und kranken Menschen S. 176. Elektrokardiogrammstudien über die Wirkung der Ca-Salze etc. 487 Papillarmuskes, während 7’ die Rückkehr des Erregungsprozesses gegen die Herz- basis hin bedeutet. Nach Gotch!) entspricht die T-Zacke dem Strom des linken Ventrikels. Über diese beiden Erkärungen sagt A. Hoffmann: „Beide Erklärungen, so be- stechend sie zunächst scheinen, haben doch etwas Gezwungenes.“ 2) Im allgemeinen muss man sagen, dass die Erklärung des Ursprungs der Schwankungen zweiter Ordnung sehr kompliziert ist, und es ist kaum anzunehmen, dass diese Erscheinung von nur einer Komponente abhängt. Kombinieren wir alles von uns Beobachtete, so halten wir es bei dem jetzigen Stande unserer Kenntnisse vorläufig für nötig, in dieser Beziehung mit folgendem zu rechnen: - 1. Die beträchtlichen Schwankungen dieser Art, die zuweilen bei äusserster Schwäche der Herzmuskelkontraktionen vorhanden sind, sprechen dafür, dass es einen besonderen Zustand des elektrogenen Herzapparats gibt, der nicht in allen Verhältnissen des Herzlebens vorkommt; er äussert sich nur in Fällen besonderer Herzreizung, sei es nach unvorsichtiger Präparierung, sei es nach beabsichtigter Verletzung oder jäher Zunahme der Ca-Menge in der Ringer’schen Flüssigkeit usw. Ziehen wir alle Möglichkeiten einer solchen Erscheinung in Betracht, so müssen wir besonders bei zweien verweilen: die eine besteht im Erscheinen des sogenannten Demarkationsstromes infolge der Verletzung irgendeines Herzteils; die andere, die der ersten nahesteht, aber keine so genaue Lokalisation ermöglicht, ist die Erscheinung, die — soweit mir bekannt — ist an den Muskeln noch nicht studiert ist, die aber seit langer Zeit von Wedensky für die Nerven verfochten wird. Es handelt sich um den Zustand der sogenannten „Parabiose“. Man muss danach annehmen, dass im Herzen bei der Parabiose neben andern möglichen Ver- änderungen auch elektrische Erscheinungen entstehen, und zwar mit solchen Potential- differenzen, die in der Norm entweder gar nicht oder in einem Grade vorkommen, der bei unsern jetzigen Apparaten nicht in allen Phasen der Herzrevolution, sondern nur in der die T-Zacke liefernden Phase der stärksten Kontraktionen wahrnehmbar ist. 2. Als zweite wahrscheinliche Ursache dieser Schwankungen ist anzuführen, dass die die Herzkontraktionen begleitenden Änderungen des elektrischen Herz- widerstandes bei Vorhandensein der oben erwähnten Potendialdifferenzen an der Galvanometerseite Schwankungen hervorrufen, die eigentlich den Charakter des Elektrokardiogramms, d. h. einer Erscheinung tragen, die eine Anologie damit aufweist, was wir bei den Marey’schen Registrierungen & transmission sehen, mit dem Unterschiede, dass die Registrierung hier nicht durch Luftdruck-, sondern durch elektrische Übertragung geschieht. Das Herz spielt hier also ungefähr die Rolle des Mikrophons der Telephoneinrichtung, während die parabiotischen Differenzen die Rolle des in diese Einrichtung eingeschalteten Elements spielen. Bis zu einem gewissen Grade haben demnach diejenigen recht, die — wie Straub — die T-Schwankung mit dem Stoffwechsel des Herzens in Zusammen- hang gebracht haben; nur muss diese Anschauung konkreter gefasst werden. Nur bis zu einem gewissen Grade haben auch die recht, die — wie A.Hoffmann — 1) Gotch, Capillary Electrometer Records of the elektr. Changes during the naturale beat of frogs heart. Proceedings of the Roy. Soc. Vol. 79. 1907. 2) 1. ce. S. 560. ASS A. Leontowitsch: die T-Zacke als Kontraktionswelle deuten; denn die T-Zacke ist keine Kontraktions- welle, sondern eine elektrisch registrierte Kontraktionskurve. Von einem solchen Gesichtspunkte werden alle Eigentümlichkeiten des Elektrokardiogramms begreiflich: die P- und R-Zacken (9 und 5?) sind eigent- lich „Erregungsströme des Herzens“; die T-Zacke und die Schwankung zweiter Ordnung ist eine äusserst wertvolle, aber im Elektrokardiogramm eigentlich nebensächliche Erscheinung. Je nachdem, wo sich die verletzte oder parabiotische Stelle des Herzens befindet, ob die negative elektromotorische Kraft des Demarkationsstroms der einen oder der andern Elektrode näber liegt, je nacb der konkreten Grösse dieser Kraft, nach ihrer Lage in bezug auf unsere Elektroden, je nach der Grösse der Veränderung des Widerstandes des Herzens zwischen den Elektroden bei gegebener Ableitung, je nach der Synergie der einzelnen Muskelbündel wird die Schwankung zweiter Ordnung verschieden ausfallen. Alle diese Momente bedingen die wunder- bare Mannigfaltigkeit der Schwankungen zweiter Ordnung, die das normale Elektro- kardiogramm des ausgeschnittenen Herzens in solcher Weise verzerren. Es ist nur zu natürlich, dass die „Schwankungen zweiter Ordnung“ und die T-Zacke die Eigentümlichkeiten der Herzkontraktion nur annähernd wieder- gaben. Nehmen doch an der Änderung des elektrischen Widerstandes des Herzens eine ganze Reihe sich summierender Momente teil: Verkürzung des Herzens (setzt den Widerstand herab), Verdickung seiner Wände (ebenfalls Herabsetzung), Verringerung des Volumens und des Durchmessers des Herzens (Erhöhung des Widerstandes), Aufeinanderfolge resp. grössere oder geringere Koordination der Kontraktionen einzelner Teile des Herzmuskels usw. Das Resultat aller dieser Einwirkungen ist auch am ausgeschnittenen Herzen schwer vorauszusehen, um wie viel schwerer also beim lebenden Menschen. Zu der von dem Kürzer- und Dickerwerden des Muskels herrührenden Änderung des elektrischen Widerstandes eines Muskelabschnitts kommt noch eine Widerstandsveränderung, die damit zusammenhängt, dass das Herz ein Hohl- muskel ist, der bald mehr, bald weniger mit Blut resp. Ringer’scher Lösung gefüllt ist. Ist es noch irgendwie möglich, die Wirkung des ersteren Umstandes zu berechnen, so bringt der zweite ein solches Moment mit sich, dessen Wirkung auf die Leitungsfähigkeit sich schon viel schwieriger abschätzen lässt: dieselbe Blutmasse kann mit verschiedener Geschwindigkeit herausgeschleudert werden, je nach den mechanischen Bedingungen in der Aorta und den Arterien, je nach der Aufeinanderfolge in‘ der Koordiniertheit der Kontraktionen verschiedener Muskelabschnitte, je nach dem Zustande des Herzmuskels usw. Es ist möglich, dass auch die Geschwindigkeit der Änderung des elektrischen Widerstandes von Bedeutung ist. Einige der hier geäusserten Voraussetzungen erfordern natürlich eine ex- perimentelle Bearbeitung; trotzdem dürfte es kaum unangebracht gewesen sein, sie hier anzuführen. Nach den angeführten Voraussetzungen müssen der Parabioseprozess und der normale Erregungszustand des Muskels, letzterer besonders in der Höhe seiner Entwicklung sehr nahe beieinanderstehen, d. h. beide Prozessen ohne merkliche Grenzen ineinander übergehen, was kaum unwahrscheinlich ist. 489 Elektrokardiogrammstudien über die Wirkung der Ca-Salze etc. I N 66 + d -UI9 91UBJ94219H UI 9IM SEMI9 pun Jwuruge ‚uonestmd | ww , zue sıq oyop alp Toqom “roqn 7 ur Jyad 90 — 17 uoa done yırıs (ww 65) Sal — "Puopıaom Sıssgwpadarun ww Z—] SIq yaılqaur Oi I -jje uuep pun < ‘6 ‘eg auep "ww 6% > = ‚G \— a „o— 10 +=U "wu 33 :61 + — EI Yesue wuwıSoAN © —y uoa agoneq Se e+t=d Alar y sr=a uoA donedq SEP :U9AUOIESINT ONYAKIS I9AIp SIG 1IOMZ v0 ‘90H 9+=IL mr —=y|%) ‚T u gI pun ZI wweasonpıey () I ur odeypps OT wuo0g [ww 07 wweasoim "ww g] wwe.isoAp | -012o] wop yoeu uguonespng d9p [yeZ | sıq swweadoAn sop ayoy J9p awgeunz söugzuy | ‘««) ‚I ur odelyas OT Zunso"] ayds da93ury So NER) ZunsorT ayds,d98ury 9117-29) IHM 9uyo “aoasury-e) wm ZI ofeunou 09 9 Hfeullou wa) 9 ‘(pey soyds,.u941eH)) aAyejaı aIp anu “wun?s9q Jyalu MONSTPUIMTISIK Hmjosqy "wurgadoıpıegoryaf] pun aawwmeyzaagf Puls orgsıday 9Aauny 9ISıY °*II6T TER °Cz woA yonsıoA 7.900 = sıeg op ve y on done] Fer „lT0o= ‘9 sıq qe yoıpyewjje ywwıu 7 sıseg Jop ue %7 UOA „one sıseg ap ue 7 UOA Jane Pe Vet ICH N Ve u ET 6s=M 'S=U md De yeler vd 6 uvı=d :9Aanyy Ddıssgun “I ur odeıyoS gg srarwoarg °,T ur odeıyog 0g | -Io8eı ayag ,T ur odeıypg 67 e9) auyo daduıy IHM duyo ‘aosury-eg wo ZI d9du1y-geg wa 9 -(uwe1doAN augo) aAAny Jul °TI6T TEN Tg WOA y9nsIToA (‚08 SIq ‚OT U0593 o)lonep HAıny 9paf) "oyonsıoA Aoujozum Zungroayasog "PM 99er Z-z 109p ru SOHITTUYOMIS UI WUBASOIPACHONNIIH SEP I9g0M ‘wu 6] NZ uauonNesnT ayaIuyomad (G uuep :ose[yag „z ol any wesurmwds "Funyuemydg-y Au u9uolyesjng Julmasıq unau uuep !u9uonesng Sy99S sne SnuwyaL 9IM Sem pun wur 67 SIq swyeunz yaıyewjfe ‘uouoryesing 9.1919M JIOMZ ı9F1ıparu uuep ‘wu FE —= la "uw (I = uonespng 9um ‘(mu FZ —= 9YLUıp Afewıxeu 9Ip) uauoyesing 91ayıejs Jung :®Q yeu A9nBuyn "uury UOpaoMm a } —y ıoyeds Yo = 0 a9ygds . 3oYqdegoag uauonesmg 8Z pusayen rı = sem ‘uopıom nz yaıuye oydeZ-L g,= er —y uoA aoneq 2 d9p Sugjuw pun J199MA9 AIezIq pun il = yoayds 7 WIS 1990M ‘7 sndÄL uoA Jopummy9sıoa Ar E „oyAWweı ay9sLıNo]q“ Feydg uauıe ne sl, = JuToy9sA9 u9uoyesing 09 DEN — "31% 0E+ 1 uoA Joneq] I9uro u —=% 1990M 5 Br un Kanarın Zuep 2: Ir :SUB ATULWOSLT IP YOIS IJQ9T9]S yoıyeun]y 4 ‘wwg + —=% :uadejyas junyydeu uuel] er < iAnre, ‚oo 04 | 21 a) ——i@g 3 ey = :ıoneq Z TOUEq Did I ” = :17UoA7 SL. | 97 Aoyun Iqdıu me n Fe G ened 48: HlIUIWIFIT AOp T9q “u9dunıoIg “ „U.IOULLUI A say Hugo WWeAISolpIeyorNeojg SEP Yq1oJq soyasL42][9% 7 194 OM ‘uoJjedsod uago 9LURYL A9p 19 'Iyasıaqn 9Lumasıg ur op “Lay J9SULy-e) = 3 an Sunsorf ayds ,T9du1y oprunou u 9 Sunsorf 998 ,A9JUuLy AlaıF-e) IHM 9uyo “aadury-e) um ZI opeunou 0 9 =) = -(Sunz39s}104) II6I ITEM "SZ oA yansıaA 491 Elektrokardiogrammstudien über die Wirkung der Oa-Salze etc. 80 = y uoa aoned En — up SI y rl ‚SEO = UOA done] 'ISSeF -wn uguoryespndzuaf] ZI—II Hp “UHPUelIOA HyTESsA9g9W ww F wney Toqep Iy9ra.119 wweısoin sed Ale e eE z So = Yy wa .one(] - "SO=Y uoaaoneq STIER IE a aaaneuing UL DS EL rl Sl Gh FE ANSL ogoıs) pam 9UOSLIINOTO PUIs WOPAOSSN Seıdeds | uoaA one] ,09 + a uogfedsod yaıpnap wweıdoAp sep uuam VPEISSZ IE. 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Leontowitsch: Dritte Kurve. 6 ccm Ca-freie 12 ccm 12 ccm CaCl, ohne KCl \ (6) Ca-Ringer 2 Ringer’sche Lös. | Ca mit KCl une 30 Schläge Pe ( 16 23 Schläge pro 1’. [DerselbeEffekt| Wirkung wie pro 1”. v — 2 Die Pulsationen wer- | wievorhin, nur vorhin. P? 7_$+5 den immer schwä-|ohne schwan-| p— +4, Bi (+ 9 en cher, die M-Schwan- | kende Reizer-| R— +7, k in- i b 3 | Gut sind die R- -Schwankungen. ee rn N Oben gespal- Te we Elf Schläge sind zunächst| pnält sich während Pa), ten. T=—4, 31/e| schwach. Darauf eine Pause & ikereman. an Er ’ M fehlt. M fehlt. yon 2. Schroffe Zunahme dannzuvorschwin: m—{* 5 der Vorhofpulsationen von! den. R= +6 mit —2 5—15 mm. Vom 18. Schlage | sespaltener Spitze.| Die Schläge sind nicht zu an entwickelt sich der M-| T——5 mm. zählen. Geschwindigkeit Charakter, wobei die 19., nicht angegeben. 20. und 21. vielzackig sind. 22. bis 28. Schlag mit über- schüssiger R-Zacke von +5 mm. Danach gleichen sich die Pulsationen aus: P=+5, R—(+' scharfe M-Schwankung von +6 mm. Allgemeine Resultate. Die Betrachtung der gewonnenen Resultate zeigt uns demnach, dass die Erforschung des Elektrokardiogramms einige interessante Züge bietet, die das ergänzen, was die früheren myographischen Be- obachtungen von anderen Forschern geliefert haben. Die Reizung der „systolischen Funktion“ des Herzens zerfällt dureh die Wirkung von Ca in eine andauernde und vorübergehende. Eine prinzipielle Differenz zwischen diesen beiden Arten gibt es nicht. Es handelt sich nur um einen graduellen Unterschied. Fig. 13 gibt ein ziemlich typisches Bild der Ca-Wirkung: hier haben wir sowohl das vorübergehende als auch das andauernde Reizstadium (s. Beschreibung der Figur). Wir wollen nun die Resultate der Versuche in Tabellen zu- sammenfassen. 499 Elektrokardiogrammstudien über die Wirkung der Ca-Salze etc. 3 ol, ‘ —b, Isar 2: 1uyosypan zz :yrugasydan N EN. NELEFER! Gr Aue m wma U el Dub wald 0 7% Da u Luosnozug (@ -(uopueyaoa uuamM) CI = M Balfsjl = 2, :yprugdswand (F % = — I SR — nn = [I- :I+=tc-= H :prugdswandg (£ Ye —y :%0 = a —= 1 So Er —Y+ :pugdsguma (G uu Fg=d ‘78 = En :pıugosyoanıg (T — | - — |@rız |Cı6 |6ı# |eıe | - | - | vr er ++ |aeur| 0000002 wuung Zr Tr = Fr: m = 08 == E a ee rue == == == = = = 08 377 == = 3 Dr 5 pl z = 9AANY "T "AoN 8 A SION 'G —= = = = == == 9 = = = 1) -'7I 9Aany °JI — = 77 9 SG == el = ee = g-zI+|e ‘eg | HAany II = = = LI L >= &l == = 06 IL [74 7 | aaa I. 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Leontowitsch: 500 N -—— ER RZ == — sl TR == = — er => ® ° * yugosydancy =: TE Zu Ss RS SE ==, 7 I 3 1 = ewmng NEN) = = =: = = Ze ‘) os Ga a dc Fe I qus = = SE ES | ae a | Sn maprogsonee)\ _— — — — — — — — — FE — _— — Anl y.1B9S => = SI E= 83 — - ee zo — | 9Aany IT "TI6L’AON SA 'SIOA (nz oqBäuenzont?, omoy ISSL]) = og = BER DE Sa = 7 => — 1° TI6T MO '8Z WOA yonsıoA Yı18JS Ay9S = S: = = E00 Kos en om Er a 1 3% FE Fr 86 gz0 e) a ed 9AMM I "TITEL PO 'LI'ASIOA wopuvrptoad a \ a — _ — | — | — | yroA 0° Sheet Eat | > TIemnrosan u9purıLIoA — — —= — sus | — —— — —_ CH & " 116] TEN '9E WOoA yonsaa‘ 0SU9g9 == => => — cl _— —_: = et c-—y‘9+ NE [7 “II "UIOA EIS ST = = v0 == = = FE Su 81 - Lt 6 SAIMM I "TIGTL IE 'GG A 'SIOA ne | 22 5 — gro ee | -ı1-|.# = (I nn \ # | TI6T Tem "Tg woa yonsıoa sndA sndA spd | spo1o ‘79 9uol aporıad 7 Sn Sonaken a ns mi orugur aruyu ToSuns 9pRZ 3 Ä zo Er or OUSH | ayopt g v0 19P NY -OBLL] dig AuBEuDS ONaeZ-L RZ | _ d IHM duyo aasuıyg wo ZI oydugayy ordumayy -a8oAm |- 180 ed -SyneH W = = = = = == =. = — — — = _ | : ° Yragosypand cOl - en == = = EB RR = 3 6 y SE EX 6” ‚08 u v a u «“ [44 [14 “UTOA = IE = = co IE ee tn IE N de "I TI6T "8 Kg == = = ne SE 129 = == — Nee a { SAMT "TIGT’AON SA UONSIO AT —— = = _ pre: 2 "QIOA "TIOA BER Er = "TI6T “ '87 “ « — = de Ole 7202 re | | wear zu Sl Yusle = ol a : = == = = BE 77 = == 6 7 = 7 | 1167: 0909-1 = Ze 66 9 = I6 FE TE Je: =: GL + II6T Te "yoH a zop yıoy |-aSı1] | -aıq ADS 27, Oz 7 I9M + 19Suıy el apdugayy apdueay -A8oA -AdoAM ü -Syn®H 8 "H9yEIInsIYy A9P 9IIIgEL IPu9sseJuawwesnz 9aMZ 501 Blektrokardiogrammstudien über die Wirkung der Oa-Salze etc, "IOSURJIOA UNION ANZ YOIOJSA9A WI a7 U0A zone ‚spjeFuogq9 wwmeasoAn sep 'yaeIs Pyuıs 7 :Sun1oS[o7ssnTyag | Sa | se Pr 2% go a ER = a > | N er | el phufg: ze == = En a at - = BE yostdäye | ? : x 3 | 16 TV rag = ee Il6T 'AON 8 woA yansaoA "T en = = ° ne — , 9L —_— | — — UOXOLNHUON ENTE SS To Tee s = - = 3 ° 80 177 Zar — — fd Ze ne x ITIOA "UTIOA — — —— — u Zee ze ur: Zr 9AAUY — \ Er . « e “ [9 y y { 7 — Kog TI6L 20 ER E = el =: = = | NE 12 8 —_ — — — — so — ee - — — le lae | ran Lz LEy\ KR sndA]L | sndA]L | spoyLy |sjoqıoy| ‘99 | uouon 9porıod 7 -N |-uoAsep sep -gspn,j | PTurın (oruru UOSUnN | oyoRZ OR Z -zuy | woA En UOF | ayog a una 10p 91ox | ara], -odrg | RAUS -L OR Z-J 4 A98UIy-e) wm g arpdweay ogdweayy| -"AS0AM | -"A80AM n2d -SyneH "MW ‘IgoqIO Yaejs 7 UOA Jonel] "UOSUNUrayas1ozIoy Orduray "No "uoN9eZ aoıpe pun uodunyueAgag-r A0p uoyug “puwegspmg 01 EZ | | Yıugdsgoancı == = = _ —= = — — |popmmpsaan) — uayfedse#‘9 + G— | aaıny "III =: =; Fe ze =. er 86 == TE ne = = — | ° TI6T "AON 8 woA yonsıay '@ = = = 6 & ea ee Kr ze = a 1 _ — "JIOA — — — _ — |— umeNy uoHe]y9S [ONLIIU9A OLCL T1os$ Terre 3 us | — | 'qı0A [ I eeS ma een = — | ° TI6T g0MO "I : ua || "— == FE = ST De == I pue3spns g+ = “ * - TI6T Te ’ca WOA yansıo\ ER Be = = = 7 AR lg Purgspns al yaels I "YIoA — = — Sue] 62 = _ n— — — — | 9amy IT "TI6L TEN ’CZ A yansıao A zes | — Er 3= = wur ar 2 STIoR eng wor yonszon sndA sndA S[ONLII | SFoQIO "79 u9uoL 9poLtod in = 5 R eh > En Sr nr orupu |oruru UOSUNN | oyoRz IeZ -zIIy | woA woA | eye | oyopg | I 10% \rop yroy ende ee L DEZE -1I Soc] -uo) 9 ydwgayy aydungay -a80AM | -a8oAn | "I |_Spnep B1% -Oyeynsoy AAP ATIOgEL APUASSEJUOWWMESNZ LLC A. Leontowitsch: 902 ‘A Tewyduew ‘uoyos nz mS 7 ‘eqyIowsoq U9N9BZ OJLV 9 SF Er 2° pun — — —_ — — — = = =E — —e 6 er de ZH TUISTDANGT AEgqy.19UL gu en = = a er = 34.7 | HISSeLIEE gwung DE BE En EEE EEE EEE VER EEE EEE EREEERE EEE UIOA = — — — — 0% — ar 0 cz ‘+ S- 23 & II6I « 8 [74 « z == = = == == =S bed be z= sl #-'a1t Is ) TI6T 'AON '3 WoA yonsaoy °I zn = = — — — —_ pawgspg 98%F L oL a ine £ WIR — — — — vo| 0 ee = = Sal anal. Dior eye e = = == el ee 9 Ss. al Tel Se ne A => 98 ER | a |. 0ge RE uajramnz | uU9UTOg9S.1O 6 { F0&+ v= aadury-Ageg) wm ZI - {eb zu ‘ u = auroy auroy auroy 340 eu ns Ei U =) ve | o3ung-org m 9 8 = = Sunssardurmg dop E12 3 weuwappımun |ıay sndÄL, zu SndäL uaduny 5 LEO NUR so sd I 2 uemyd 99rZ- 9987Z- ONrZ- en SL EL BERG) m 5 aoneg | aruwagıg N zz Zt el 3 -zIOY ordweay | oydugayy ER -A S opusgosrsqnıon 5 3 "HYEITNSIY U9ISTIUOIS I9P 9]IIARL APusassezuawuesnz HurwsasTTe 9Jund 504 A. Leontowitsch: Bei der Konstruktion dieser Tabelle haben wir uns — ebenso wie bei den vorigen Tabellen — des etwas künstlichen Verfahrens der statistischen Vereinheitlichung des gesamten vorliegenden Materials bedient. Ein Vergleich der auf diese Weise gewonnenen Schluss- folgerungen mit den oben angegebenen Protokollen zeigt jedoch, dass diese Schlussfolgerungen den Ergebnissen jedes einzelnen Protokolles vollständig entsprechen. Dabei lassen sich unserem Modus die Vor- züge der Objektivität nachrühmen, die jedes aus einigen Einzel- beobachtungen berechnete Durchschnittsergebnis besitzt. Schlüsse. Die Zusammenstellung des gewonnenen Materials gibt die Mög- lichkeit, in einigen Richtungen bestimmte Schlüsse zu ziehen. Recht zahlreiche von uns früher ‚angestellte Versuche, über die wir hier nicht berichtet haben, hinterliessen bei uns den Eindruck, dass der gewöhnliche normale Typus des Elektrokardiogramms am besten erhalten bleibt, wenn man die Ringer’sche Lösung mit 6 cem der 5°/oigen CaCl,-Lösung und den übrigen hier oben an- gegebenen Bestandteilen benutzt. Aus diesem Grunde haben wir diese Zusammensetzung — anstatt der von Langendorff emp- fohlenen Lösung mit 9,4 eem — als normale gewählt. Tatsächlich ergibt eine Betrachtung des Myogramms und des Elektrokardio- gramms die Zweckmässigkeit unserer Kombination. Taf. I zeigt, dass von 22 unserer Kurven nur in vier Fällen elektrische Schwankungen zweiter Ordnung vorkamen; die Elektrokardiogramme hatten im Durch- schnitt ?=+ 34. Rh — & a N 2. d.h. sie zeichneten sich — 1 (+1 durch das Fehlen der S-Zacke .oder. — was dasselbe ist — der negativen Phase der R-Zacke aus, die wir als das schwächste Zeichen der Dissoziation der Pulsationen einzelner Ventrikelteile anzusehen geneigt sind. Die Dauer der R-Zacke, d. h. die Länge ihrer Basis ins Zeitmass übertragen — 0,52”. Zugleich wurde kein einziges Mal anormale Herzpulsation (Bigeminie usw.) beobachtet. Die übrigen von uns angewandten Kombinationen der Salze er- gaben aber so mannigfaltige Flektrokardiogramme, dass es kaum eine Übertreibung sein wird, wenn wir behaupten, dass man, ver- möge der Ca-Wirkung, auf das Herz ohne besondere Schwierigkeit alle möglichen Elektrokardioeramme erhalten könne. Man kann daher jedem, der die Varietäten des Elektrokardiogramms kennen Elektrokardiogrammstudien über die Wirkung der Ca-Salze etc. 505 lernen will, dringend raten, die in dieser Arbeit beschriebenen Mani- pulationen vorzunehmen. Von besonderem Werte ist es, dass man durch Veränderung der Ca-Menge die Ausdehnung jedes beliebigen Teiles des Elektrokardiogramms, d. h. richtiger der Zacken P, R, T und $ vergrössern kann, namentlich ist es wichtige, dass die Möglichkeit vorliegt, die 7-Zacke nach Belieben zu verstärken. Man sieht dann, wie die 7-Zacke bei ihrer extremen Vergrösserung in unsere „Schwankung zweiten Grades“, d. h. in die Erscheinung übergeht, die häufig durch ihren Polymorphismus das Elektrokardio- gramm des ausgeschnittenen Herzens in ausserordentlichem Maasse kompliziert. Ebenso wie 7’kann auch D in jedem Teile das Zeichen + oder — führen. Vorläufig halten wir die M-Schwankung für den Ausiruck des „Elektromyogramms“ des Herzens in dem auf S. 473 dieser Arbeit auseinandergesetzten Sinne. Auf diese Weise erhalten die ınehrfach beschriebenen sonderbaren anormalen Elektrokardio- _ gramme ihre Erklärung. M wird auch durch jede Reizung des Herzmuskels bei der Präparation, d. h. durch solche Bedingungen verursacht, unter denen in irgendeinem Teil des Muskels ein De- markationsstrom entstehen kann. Eine interessante Eigentümlichkeit der Ca-Wirkung, auf die — soweit uns bekannt ist — noch niemand hingewiesen hat, ist die Abnahme der Dauer der R-Zacke (bei uns etwa 0,5” bei normaler Ringer’scher Lösung und 0,2” bei Ca-Ringer) ebenso wie die entsprechende Zunahme der Dauer dieser Schwankung (bis zu 1”) beim Fehlen von Ca. Es scheint, dass es in einigen Ausnahmefällen Elektrokardiogramme von scheinbar ganz normal pulsierenden Frosch- herzen auch ohne P- und R-Zacken gibt. Sehr wahrscheinlich ist es, dass dieses Fehlen von P und R sowohl mit einer ausserordent- lichen Geschwindigkeit, die das Galvanometer nicht zu registrieren imstande ist, als auch umgekehrt mit einer zu grossen Langsamkei zusammenhängt, durch die diese Schwankungen von denen des M- Typus nicht auseinanderzuhalten sind. Bei heftigen Störungen der Ernährungsbedingungen des Herzens erhält man ganz atypische elektrische Herzkrämpfe. Sie sind am zweckmässigsten in Krämpfe vom R-Typus und solche vom M-Typus einzuteilen. Auffallend ist jedoch die zuweilen darin zum Vorschein kommende Regelmässigkeit. Die Frage nach der normalen Ringer’schen Lösung für ver- schiedene Tiere bedarf einer Nachprüfung unter Kontrolle der Elektro- kardiographie. 506 A. Leontowitsch: Zuweilen wirkt die Erhöhung der Ca-Menge resulierend auf das Elektrokardiogramm ein. Ein solchen Fall zeigt Fig. 17. Es ist möglich, dass dies in den Fällen geschieht, in denen das Herz durch die Präparation infolge der schwachen Tätigkeit der muskulo- motorischen Herzapparate in. einen Zustand der Dissoziation gerät. Dann führt die Erregung dieser Apparate durch Ca zur besseren Koordination der Herztätigkeit. Als wichtigstes Ergebnis der Arbeit erscheint mir die Feststellung der „Schwankungen zweiter Ordnung“ des ausgeschnittenen Herzens. Wir haben demnach folgende Ergebnisse zu verzeichnen: 1. Die Zusammenstellung der Varietäten der Elektrokardio- eramme unter dem Einflusse der Ca-Wirkung. 2. Die Bestimmung der „normalen“ Zusammensetzung der Ringer’schen Lösung für das Froschherz und die Angabe des Weges, auf dem die Modifikationen dieser Lösung für andere Tiere durch das Elektrokardiogramm geprüft werden können. 3. Die Feststellung einer Gesetzmässiekeit in der Mannig- faltiekeit der an ausgeschnittenen Froschherzen gewonnenen Kurven, die in Zusammenhang mit der anormalen Entwicklung der T-Zacke gebracht wurde. 4. Die Sonderung der 7-Zacke in eine besondere Gruppe der „Schwankungen zweiter Ordnung“. Beschreibung der Kurven der Tafeln VI, VII, VIII und im Text. Alles bezieht sich auf das Froschherz, mit Ausnahme der Fig. 17, wo es sich um ein Schildkrötenherz handelt. An allen Kurven bedeuten die Jaquet- schen Zeitmarken — 1”. Überall von links nach rechts zu lesen. Das obere Myogramm bezieht sich immer auf den Vorhof, das untere auf den Ventrikel. Fig. 1—7. . Aus dem Versuch vom 21. Mai 1911. Fig. 1: normale Ringer’sche Lösung. Fig. 2: Ringer’sche Lösung mit doppelter Ca-Menge. Fig. 3: nächstes Stadium mit demselben Ca-Gehalt. Fig. 4—7: verschiedene Stadien der Wirkung der Ca-freien Ringer’schen Lösung. Alle Kurvenabschnitte Elektrokardiogrammstudien über die Wirkung der Ca-Salze etc. 507 sind einer ununterbrochenen Kurve entnommen. Zwischen den einzelnen Abschnitten sind zirka fünf Kontraktionen ausgelassen (s. S. 477, 478, 489). Schwankungen von A- und B-Typus. Bei Bigeminie (Fig. 3) B-Schwankung ist gemeinsam für beide die Gruppe. Fig.8. Versuch vom 3. Mai 1911. „Krämpfe vom M-Typus nach Absperrung des Zuflusses der Ringer’schen Lösung mit doppelter Ca-Menge. Jede Welle dauerte 12” (s. S. 478). Fig. 9. Elekt'Zsche „Krämpfe vom B-Typus“ nach Absperrung des Zuflusses der Ringer'schen Lösung m it geringem Ca-Gehalt, beim Fehlen jeglichen Druckes. Eine Kurve mit Zittern (s. S. 478.) Fig. 10. Versuch vom 3. Mai 1911. Kurve nach Absperrung des Zuflusses der Ringer’schen Lösung. „Elektrische Krämpfe vom R-Typus“ (s. S. 483). Fig. 11. Versuch vom 283. Oktober 1911. Wirkung der Ringer’schen Lösung mit doppelter Ca-Menge. Anhaltende Bigeminie (Polygeminie). M-Schwankung oft gemeinsam für die Gruppe (s. S. 483 und 495.) Fig. 12. Versuch vom 14. Oktober 1911. „Elektrisches Flimmern“ im Reiz- stadium nach Ringer’scher Lösung mit doppelter Ca-Menge (s. S. 483 und 493). Fig. 13. Zweiter Versuch vom 8. November 1911. Dritte Kurve. Bis zum ersten senkrechten Strich: normale Ringer’sche Lösung, später bis zum zweiten senkrechten Strich: Ringer’sche Lösung mit doppelter Ca-Menge, später Ringer ohne Ca. Recht typische Wirkung von Ca mit einer Reizperiode. Fig. 14. Versuch vom 26. Mai 1911. Jähe Verstärkung der S- (— R?) -Zacke durch KCl: freie Ringer’sche Lösung mit doppelter Ca-Menge (s. S. 481 und 491). Fig. 15. Versuch vom 8. November 1911. Erster Versuch. Dritte Kurve. Ringer- sche Lösung mit 1,5 Ca (9 ccm des 5°oigen CaCl,) nach Stillstand durch Ca-freie Ringer’sche Lösung. Übergangsstadium zu normalen Pulsa- tionen. Interessante Kombination der 7(?)-Zacke mit der R-S-Zacke, in die zwischen den positiven und negativen Teilen von S- die T-Zacke ein- gekeilt ist (s. S. 484). 508 A. Leontowitsch: Elektrokardiogrammstudien etc. Fig. 16. Erster Versuch vom 8. November 1911. Zweite Kurve. Allmählicher Übergang der T-Zacke in Schwankungen zweiter Ordnung (s. S. 485 und 496). Fig. 17. Schildkröte. Versuch vom 4. Mai 1911. Koordinierende Wirkung von Ca 17a: bei normaler Ringer’scher Lösung; 175: bei Ringer’scher Lösung. mit doppelter Ca-Menge; 17c: bei Ca-freier Ringer’scher Lösung. In a doppelte P-Zacke — Dissoziation der Vorhöfe und + R — R-Zacke des Ventrikels. In b Verschwinden der Doppelgestaltigkeit der P-Zacke, in c Wiedererscheinen der früheren Diskoordination (s. S. 480 u. 481). Fig. 18. Zweiter‘ Versuch vom 8. November 1911. Zweite Kurve. Elektro- kardiogramm ohne Schwankungen vom A-Typus (s. 8. 484). Fig. 19. Starke Verlangsamung von R-Zacke durch Ringer ohne (a. g. 3 {ra Tafel VI | | | - RT] Il m | a {ra I il | ul | ‚bil | ih i iM Il 14 logie Bd ı Iı ll I Mn Pflüger: Archiv I. dı ges. Phy | N # j 2 | | = 1 Kat =) : a u | Es: je | Dh A = Hi fi. Fig. 7 Fig. 4 Fig. il Verlag von Martin H löse ng Tafel vil (Aus dem physiologischen Institut der Universität Breslau.) Beschreibung einer Vorrichtung zur optischen Registrierung von Druck und Stromstärke. Von K. Hürthle. (Mit 3 Textfiguren.) Die in der folgenden Abhandlung bearbeitete Aufgabe, welche die Messung der absoluten Werte von Druck und Stromvolum in den kleinsten Zeitteilchen eines Pulsschlages erfordert, stellt be- sonders grosse Anforderungen an die Genauigkeit von Manometer und Stromuhr. Aus diesem Grunde wurde die mechanische Re- gistrierung durch die optische ersetzt; nicht zum wenigsten aus dem Grunde, weil bei der letzteren die zeitlich übereinstimmenden Punkte der beiden Kurven sich viel genauer feststellen lassen als bei der mechanischen. Allerdings hat die optische Reeistrierung, von der Komplikation durch die Dioptrik abgesehen, den Nachteil, dass die Kurven während ihrer Entstehung nicht beobachtet werden können; denn die Möslichkeit, die Bewegungen der registrierenden Licht- linien zu beobachten, ist durchaus kein Ersatz für den Überblick, den die mechanisch registrierte Kurve gewährt. Für den vor- liegenden Zweck war aber die Erzielung einer grösseren Genauigkeit das ausschlaggebende Moment. Die Abhandlung enthält die Beschreibung: I. des Manometers, II. der Stromuhr, III. der optischen Doppelbank und des Kymographions und IV. eine Experimentalkritik der Apparate. I. Das Manometer. Zur Druckmessung diente das schon beschriebene Torsions- . manometer!) mit Revolverhahn, an dem zwei Dämpfungslöcher an- 1) Pflüger’s Arch. Bd. 137 S. 240. 1910. Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd. 147. 35 ol0 2a K. Hürthle: (ION OLD ER Q “ nn „LE EN a ° & NE a 58 tu ne S N III II N = S S S = NLA) mn (UNTTITNTTTTIOTTDD ES IHUINBRNIDOODDBNIINABHUIONANARNN UN ER Ss [se87 MOORODODONN UMIDHBERUININNN: Teasdarab. MW , ANINBTBIORUEEIN! = IS II . ES Beschreibung einer Vorrichtung zur optischen Registrierung etc. 511 gebracht sind. Für die vorliegenden Untersuchungen wurde ein Membrandurchmesser von 5 mm und ein Hebel von 36 mm Länge angewandt, dessen Angriffspunkt 3 mm von der Feder entfernt ist, so dass die mechanische Vergrösserung eine 12fache ist (s. Fig. 1a S. 510). Der am Ende des Hebels angeklebte Glasfaden von etwa 0,05 mm Dieke wurde durch einen Mikroplanar 20 fach vergrössert, woraus sich eine 240fache Gesamtvergrösserung der Bewegungen der Grundplatte ergibt. Die Vergrösserung wurde so bemessen, dass einem Druck von 100 cm Wasser eine registrierte Ordinate von 15 mm Höhe ent- spricht. Bei der Eichung zeigt dieses Instrument eine grosse Konstanz der Ausschläge, sowie Proportionalität zwischen Druck und Ordinatenhöhe innerhalb der Werte von 20 bis 260 cm Wasser, und zwar sind die Ausschläge bei aufsteigender und absteigender Eichung genau übereinstimmend, Eigenschaften, welche für die genaue Be- stimmung des Mitteldrucks sehr wiehtig sind und der geringen Torsion der relativ starken Feder bei den angewandten Drucken zuzuschreiben sein dürften. Zwei gleiche derartige Manometer sind auf einer Grundplatte G @ angebracht, welche vermittels eines Reiters Ar (Fig. 1a S. 510) auf einer optischen Bank (prismatischen Schiene) verschoben werden kann. Jedes der Manometer kann auf der Grundplatte in drei auf- einander senkrechten Ebenen durch Mikrometerschrauben bewest werden, wodurch die zur Abbildung notwendigen genauen Ein- stellungen sich ermöglichen lassen. 1. Das Manometer muss in vertikaler Richtung verstellbar sein, damit die Glasfäden der beiden Strohhebel beim Druck o auf gleiche Höhe gebracht werden können. Zu diesem Zweck ist jedes der beiden Manometer auf ein stählernes Dreikant Pr aufgesetzt, dessen oberes Ende in Fig. 1b sichtbar ist. Das Prisma läuft in einer Führung im Träger 7, in der es durch eine Spiralfeder nach oben gedrückt, durch die Mikrometerschraube $, (Fig. 1a) aber gesenkt wird. Nach erfolgter Einstellung wird das Prisma durch die Klemm- schraube s7 festgestellt. 2. Zur scharfen Abbildung müssen die beiden Glasfäden in dieselbe Objektebene gebracht werden; das ist zwar bei gleicher Höhenlage der Faden nicht möglich, da sie sich ungestört aneinander vorbeibewegen, also in zwei parallelen Ebenen liegen müssen. Nimmt man aber den dem Objektiv fernerliegenden Faden 35 * 512 K. Hürthle: etwas dieker als den näherliegenden, so fallen die zur Abbildung gelangenden Brennlinien der als Zylinderlinsen wirkenden Fäden annähernd in eine Ebene, und die kleine Differenz wird durch die Tiefenzeichnung der Linse ausgeglichen. Die Fäden werden daher einander so weit genähert, dass sie sich ohne Berührung aneinander vorbeibewegen können. Zu diesem Zweck ist der Träger 7 (Fig. 1b) auf einem rechteckigen Schlitten Schl, befestigt, der durch die Schraube S, und den Gegendruck des unter Federkraft stehenden Bolzens 5 parallel zur optischen Achse bewegt wird. Nach erfolgter Einstellung wird der Schlitten durch die Klemmschraube sır (Fig. 1a) festgestellt. 3. Zur Erzielung genau gleicher Ausschläge sind zwar die ein- ander entsprechenden Teile der beiden Manometer möglichst gleich gearbeitet, aber kleine Differenzen lassen sich nicht vollständig ver- meiden. Zu ihrer Ausgleichung kann nun sowohl die Länge und Spannung der Feder als auch die Hebelvergrösserung etwas geändert werden. Letzteres wird dadurch ermöglicht, dass der Schlitten Schl, auf einem zweiten, ihm ähnlichen Schl, sitzt, welcher durch die Schraube S, (Fig. 1a) in horizontaler Ebene senkrecht zur optischen Achse bewegt wird und durch eine, in der Zeichnung nicht sichtbare Klemmschraube festgestellt werden kann. Durch diese Einriehtungen ist es leicht möglich, von beiden Manometern voll- kommen gleiche Ausschläge zu erhalten. Zur Füllung werden die Manometer durch Lüften der Schrauben s, (Fig. 1b) vom Stahlprisma entfernt und in der früher !) beschriebenen Weise gefüllt. Zur Eichung des Apparates werden die Zuleitungsröhren Z, (Fig. 1b) der beiden Manometer durch ein Dreiwegrohr miteinander und mit-dem Eichungsapparat ?) verbunden. Dieser kann während des ganzen Versuchs mit den Manometern verbunden bleiben und so die Konstanz der Ausschläge durch Eichung vor und nach dem Versuch festgestellt werden. Zur Registrierung der Abszisse dient ein besonderer, horizontal in eine Gabel gekitteter Glasfaden, dessen Bild durch einen Kondensor in der Objektebene (der Manometerhebel) entworfen und vom Objektiv abgebildet wird; zur genauen Einstellung des Glas- 1) Pflüger’s Arch. Bd. 137 8.245. 1910. 2) Pflüger’s Arch. Bd. 137 8. 246. 1910. Beschreibung einer Vorrichtung zur optischen Registrierung etc. 513 fadens ist die Gabel auf einem Reiter montiert (N Eig. 3b S. 518) und kann durch je eine Mikrometerschraube vertikal und in der Richtung der optischen Achse bewegt werden. II. Eine Stromuhr mit optischer Registrierung. Die für optische Registrierung eingerichtete Stromuhr ist ein- facher als die für mechanische Registrierung). Sie besteht wie diese aus einem Zylinder (€ Fig. 2a S. 514), in welchem das zu- und abströmende Blut durch einen Kolben Ä getrennt wird, dessen Bewegung optisch vergrössert registriert wird. Untersucht man die Strömung einer durchsichtigen Flüssigkeit (Wasser), so wird ein Hartgummikolben verwendet, dessen Grenzlinie scharf eingestellt wird. Um die Blutbewegung zu registrieren, muss der Kolben aus durchsichtigem Material (Glas) hergestellt werden, da- mit die Grenzlinien zwischen ihm und dem undurchsichtigen Blut abgebildet werden können. Zylinder und Kolben müssen sehr sorg- fältig geschliffen und für Bluttemperatur verpasst sein. Auch die Einrichtung zur Umschaltung der Stromuhr musste gegenüber dem Modell für mechanische Registrierung ge- ändert werden, vor allem deshalb, weil jede elastische Verbindung vermieden werden musste?). Die Stromuhr ist folgendermassen gebaut: Der Glaszylinder € (Fig. 2a S. 514) ist oben. und unten durch Glasplatten D; und D;r verschlossen; diese Teile werden von einem Messinggehäuse G umfasst und durch die Überwurfsmutter Ü zu- sammengehalten. Das Gehäuse hat vorn und hinten einen breiten Spalt für den Durchtritt des Lichtes und ist durch einen Steg mit der Scheibe Sch verbunden, auf welcher auch die Zuleitungsröhren ZZ aufgeschraubt sind. Diese Scheibe ist auf eine zweite gleich- grosse (Q) aufgeschliffen; sie wird durch eine in einer Nut von & laufende Gegenscheibe P (Fig. 2a und b) gegen Q angedrückt ge- halten und ist um den gemeinschaftlichen Mittelpunkt drehbar. Die Scheibe © ist auf dem U-förmigen Träger 77 festgeschraubt, der mittels des Zapfens Zpf auf einem Reiter der optischen Bank be- festigt ist. 1) K. Hürthle, Beschreibung einer registrierenden Stromuhr. Pflüger’s Arch. Bd. 97 S. 193. 1903. 3) Den Grund hierfür findet man in der folgenden Abhandlung: Verwendung der Stromkurve zur Bestimmung der Elastizität der Strombahn. K. Hürthle: 514 Maßstab. SE ee le} SIE 1 il f Ü C Beschreibung einer Vorrichtung zur optischen Registrierung etc, 515 Die Zuleitungsröhren, welche durchweg eine lichte Weite von 7 mm haben, sind in ihren in den Zylinder mündenden Abschnitten ZZ mit der Scheibe Sch, in den zu den Kanülen führenden Teilen Zı und Zır mit der Scheibe @ verbunden; diese Verbindungen sind folgendermassen hergestellt. Die Enden der Zuleitungsröhren ZZ sind in Messingkegel (mm) gekittet, welche in Löcher der Deckel D, und D, verpasst sind. Um die Zuleitungsröhren bequem an- setzen und entfernen zu können, sind sie in der Ebene der Dreh- scheibe Sch abgeschnitten; auf ihre Enden sind Messingmäntel mit Nasen gekittet, welche durch die Überwurfmuttern Ü, und U, auf Vorsprünge der Scheibe Sch aufgeschraubt werden. Zur sicheren und bequemen Entfernung von Luftblasen sind die Zuleitungsröhren mit Hähnen H, und A, versehen. Die Zuleitungsröhren Z, und Z, müssen relativ lang sein, um die Verbindung der auf der optischen Bank unbeweglich angebrachten Stromuhr mit dem Tier zu ermöglichen; sie haben die aus Fig. 2a ersichtliche Form und sind in der Zeichnung durch Gummischläuche G, und G, mit den Eichungskugeln E, und E, verbunden (@. S. 516). Beim Versuch werden an die Röhren Z, und Z, zwei kurze, in die Arterie einzuführende Glaskanülen (Fig. 2d) durch dicken, wenig dehnbaren Gummi so angeschlossen, dass Glas an Glas stösst. - Für Hundeversuche sind fünf Paar Kanülen vorrätig, deren Enddurch- messer in Zwischenstufen von je 0,5 mm von 3 bis 5 mm schwankt. An dem der Stromuhr zugekehrten Ende von Z, und Z; sind Messingkegel aufgekittet, welche in entsprechendem Schliffe der Scheibe © @ passen; sie werden in der Weise an der Scheibe fest- gehalten, dass ein seitlich vorstehender Wulst W (Fig. 2a und 2b) durch einen unbeweglichen Schraubenkopf (Kpf) gegen die Scheibe angedrückt wird; eine kreisförmige Aussparung des Wulstes erlaubt, die Röhre bei entsprechender Stellung einzuführen oder zu entfernen. Zur Umschaltung der Stromuhr wird ein Schlüssel (‚Schlä) auf die an ihrem Gehäuse angebrachte Nase N gesetzt und damit die Drehung um 180° ausgeführt, wodurch die Scheibe Sch mit dem auf ihr befestigten Zylinder samt den Röhren ZZ gedreht wird. Der Schlüssel hat eine Länge von 20 cm, so dass sein Griff über die optische Bank B, (s. Fig. 3b S. 518) hervorragt. Ein un- wesentlicher Nachteil der Stromuhr liegt in der Grösse der gleitenden Flächen der Scheiben @ und Sch, welche eine erhebliche Reibung veranlasst und die Sehnelligkeit der Drehung beeinträchtigt. 516 “ K. Hürthle: Fülllung und Eichung der Stromuhr. Nach Verbindung mit den geeigneten Kanülen wird die Strom- uhr mit Ringer’scher Lösung von 45° C. in ähnlicher Weise gefüllt, wie es für die Stromuhr mit mechanischer Registrierung beschrieben worden ist!); die luftfreie Füllung ist bei der neuen Uhr durch die beiden Hähne 4, und H, (Fig. 2a) erleichtert, durch welche Luft- blasen entfernt werden können; ebenso durch die in der Zuleitungs- röhre Z, angebrachte Öffnung Ö, welche durch einen gut passenden Korken verschlossen wird, durch diese können beim Einführen der Kanüle eindringende Luftblasen beseitigt werden. An der Röhre Z, ist eine solche Öffnung überflüssig, weil die Luftblase durch den Hahn H, entfernt werden kann. Zur Eichung der Stromuhr wurden zwei Kugeln #, und E, (Fig. 2a) von 10 ceem Inhalt zwischen zwei Marken angewendet. Bei der in der Figur gezeichneten Stellung der beiden Kugeln wird die Stellung des Kolbens an einem in der Filmsebene befindlichen Massstab abgelesen oder photographiert; darauf wird die obere Marke der Kugel E, auf das Niveau N, gesenkt, während EZ, um ebensoviel gehoben wird. Nun wird die Stellung des Kolbens zum zweiten Mal abgelesen oder photographiert. Bei allen Versuchen wurde die Stromuhr durch einen Protar von 205 mm Brennweite etwa zweimal optisch vergrössert, so dass ein Zustrom von 10 ccm durch eine Ordinate von 50 mm dargestellt wird. Mit der Arterie wird die Stromuhr in der Weise verbunden, dass Z, in das zentrale, Z, in das periphere Ende der Arterie ein- gefügt wird; der Kolben bewegt sich dann in allen Fällen von oben nach unten; im photographischen Bilde umgekehrt. Zur Verbindung mit dem Manometer ist an Z, ein Seitenrohr SR (Fig. 2a) von 2 em Länge und 7 mm lichter Weite angesetzt, das mit der Manometerröhre von gleichem Durchmesser und 18 em Länge (s. Fig. 3b S. 518) verschraubt wird. Der Druck wird also stets stromabwärts vom Kolben gemessen, so dass ein durch den Kolben veranlasster Druckverlust bei der Berechnung des Widerstandes im peripheren Stromgebiet nicht in Betracht kommt. Für die Tierversuche wird zur Verzögerung der Gerinnung die 1) Pflüger’s Arch. Bd. 97 S. 201. Beschreibung einer Vorrichtung zur optischen Registrierung etc. 517 innere Oberfläche der Zuleitungsröhren von der Stromuhr bis zu den Kanülen mit einer dünnen Schicht von reinem Paraffın überzogen ; diese Massnahme hat sich sehr gut bewährt; am Schlusse aller Versuche, deren Dauer sich allerdings nicht über 5, meist nicht über 3 Minuten erstreckte, war der Inhalt der Stromuhr noch voll- kommen flüssig. Hirudin wurde nur bei den ersten Versuchen an- gewendet. Nach der Verbindung der Stromuhr mit der Arterie wird mit dem Abnehmen der die Arterie verschliessenden Klemmen die Ringer’sche Lösung aus der Stromuhr entfernt, indem die Hähne H, und H, geöffnet werden. Auch durch das periphere Ende der Arterie, das zuerst geöffnet wird, dringt Blut, selbst in der Arteria Cruralis, in die Zuleitungsröhre ein. Damit die Apparate von der ausströmenden Flüssigkeit nicht bespritzt werden, wird die aus dem oberen Hahn abströmende Flüssigkeit durch einen aufgesetzten Gummischlauch in ein Gläschen geleitet, während die aus AH, ab- strömende in einen am Apparat angebrachten Blechteller 7 (Fig. 2a und e) und von diesem durch ein Röhrchen r in eine untergestellte Schale abfliesst. Der Kolben wird bei Beginn des Versuchs an das obere Ende der Stromuhr gestellt; sobald das Blut bis zu ihm vor- gedrungen ist, wird H, geschlossen, H, aber erst, wenn der Kolben durch das Blut an das untere Ende getrieben worden ist. III. Die Verbindung von Manometer und Stromuhr und die optische Registrierung. Bei der Aufstellung der Apparate zum Zwecke der optischen Abbildung sind folgende Gesichtspunkte massgebend: 1. Durch die dioptrische Einrichtung müssen die Ausschläge der beiden Instrumente gleichzeitig registriert werden; es muss also der Manometerhebel und Stromuhrkolben auf demselben Spalt abgebildet werden. 2. Stromuhr und Manometer müssen möglichst nahe beisammen liegen, damit das Verbindungsrohr möglichst kurz sei. Zur Erreichung dieses Ziels sind Manometer und Stromuhr auf zwei parallelen optischen Bänken so angeordnet, dass sie dicht nebeneinander liegen (s. Fig. 3b). Jedes der beiden Instrumente wird mit einer eigenen Lampe (Zp, und ZLp;) beleuchtet und durch besondere Linsen (Z,, Ls, L;) abgebildet. Zur Vereinigung der 516 ° K. Hürthle: Fülllung und Eichung der Stromunhr. Nach Verbindung mit den geeigneten Kanülen wird die Strom- uhr mit Ringer’scher Lösung von 45° C. in ähnlicher Weise gefüllt, wie es für die Stromuhr mit mechanischer Registrierung beschrieben worden ist!); die luftfreie Füllung ist bei der neuen Uhr durch die beiden Hähne H, und H, (Fig. 2a) erleichtert, durch welche Luft- blasen entfernt werden können; ebenso durch die in der Zuleitunes- röhre Z, angebrachte Öffnung Ö, welche durch einen gut passenden Korken verschlossen wird, durch diese können beim Einführen der Kanüle eindringende Luftblasen beseitigt werden. An der Röhre Z, ist eine solche Öffnung überflüssig, weil die Luftblase durch den Hahn H, entfernt werden kann. Zur Eiehung der Stromuhr wurden zwei Kugeln E, und E, (Fig. 2a) von 10 cem Inhalt zwischen zwei Marken angewendet. Bei der in der Figur gezeichneten Stellung der beiden Kugeln wird die Stellung des Kolbens an einem in der Filmsebene befindlichen Massstab abgelesen oder photographiert; darauf wird die obere Marke der Kugel E, auf das Niveau N, gesenkt, während F£, um ebensoviel gehoben wird. Nun wird die Stellung des Kolbens zum‘ zweiten Mal abgelesen oder photographiert. Bei allen Versuchen wurde die Stromuhr durch einen Protar von 205 mm Brennweite etwa zweimal optisch vergrössert, so dass ein Zustrom von 10 ccm durch eine Ordinate von 50 mm dargestellt wird. Mit der Arterie wird die Stromuhr in der Weise verbunden, dass Z, in das zentrale, Z, in das periphere Ende der Arterie ein- gefügt wird; der Kolben bewegt sich dann in allen Fällen von oben nach unten; im photographischen Bilde umgekehrt. Zur Verbindung mit dem Manometer ist an Z, ein Seitenrohr SR (Fig. 2a) von 2 em Länge und 7 mm lichter Weite angesetzt, das mit der Manometerröhre von gleichem Durchmesser und 18 em Länge (s. Fig. 3b S. 518) verschraubt wird. Der Druck wird also stets strromabwärts vom Kolben gemessen, so dass ein durch den Kolben veranlasster Druckverlust bei der Berechnung des Widerstandes im peripheren Stromgebiet nicht in Betracht kommt. Für die Tierversuche wird zur Verzögerung der Gerinnung die 1) Pflüger’s Arch. Bd. 97 S. 201. Beschreibung einer Vorrichtung zur optischen Registrierung etc. Sal innere Oberfläche der Zuleitungsröhren von der Stromuhr bis zu den Kanülen mit einer dünnen Schicht von reinem Paraffın überzogen; diese Massnahme hat sich sehr gut bewährt; am Schlusse aller Versuche, deren Dauer sich allerdings nicht über 5, meist nicht über 3 Minuten erstreckte, war der Inhalt der Stromuhr noch voll- kommen flüssig. Hirudin wurde nur bei den ersten Versuchen an- gewendet. Nach der Verbindung der Stromuhr mit der Arterie wird mit dem Abnehmen der die Arterie verschliessenden Klemmen die Ringer’sche Lösung aus der Stromuhr entfernt, indem die Hähne H, und H, geöffnet werden. Auch durch das periphere Ende der Arterie, das zuerst geöffnet wird, dringt Blut, selbst in der Arteria Cruralis, in die Zuleitungsröhre ein. Damit die Apparate von der ausströmenden Flüssigkeit nicht bespritzt werden, wird die aus dem oberen Hahn abströmende Flüssigkeit durch einen aufgesetzten Gummischlauch in ein Gläschen geleitet, während die aus A, ab- strömende in einen am Apparat angebrachten Blechteller 7 (Fig. 2a und €) und von diesem durch ein Röhrchen r in eine untergestellte Schale abfliesst. Der Kolben wird bei Beginn des Versuchs an das obere Ende der Stromuhr gestellt; sobald das Blut bis zu ihm vor- gedrungen ist, wird A, geschlossen, A, aber erst, wenn der Kolben durch das Blut an das untere Ende getrieben worden ist. III. Die Verbindung von Manometer und Stromuhr und die optische Registrierung. Bei der Aufstellung der Apparate zum Zwecke der optischen Abbildung sind folgende Gesichtspunkte massgebend: 1. Durch die dioptrische Einrichtung müssen die Ausschläge der beiden Instrumente oleichzeitig registriert werden; es muss also der Manometerhebel und Stromuhrkolben auf demselben Spalt abgebildet werden. 2. Stromuhr und Manometer müssen möglichst nahe beisammen liegen, damit das Verbindungsrohr möglichst kurz sei. Zur Erreichung dieses Ziels sind Manometer und Stromuhr auf zwei parallelen optischen Bänken so angeordnet, dass sie dicht nebeneinander liegen (s. Fig. 3b). Jedes der beiden Instrumente wird mit einer eigenen Lampe (Zp, und Zps) beleuchtet und durch besondere Linsen (Z,, ZL,, ZL,;) abgebildet. Zur Vereinigung der 50 K. Hürthle: ” Stromuhr 6 em über den Hebeln der Manometer. Diese sind so gestellt, dass sie bei einem mittleren Druck von etwa 80 em Wasser horizontal in der optischen Achse der Bank liegen. Das Kymographion steht auf einem besonderen Tisch, getrennt von der optischen Bank und unterscheidet sich von den schon be- kannten, für photographische Registrierung eingerichteten Apparaten nieht wesentlich. Ein Uhrwerk treibt eine Trommel, welche den Film durch Reibung mitnimmt; er wird von einer Spule, die bei Tageslicht eingesetzt werden kann, abgewickelt und durch die Trommel einer Rolle zugeführt, auf welche er aufgewickelt wird; diese wird: gleichfalls vom Uhrwerk gedreht. Damit aber die Be- wegung des Films ausschliesslieh der Trommel und nicht der Auf- wickelrolle zufällt, ist diese auf einem Zapfen mit solcher Reibung drehbar, dass sie sich zwar beständig in der Richtung des bewegten Films dreht, aber doch keinen so starken Zug auf den Film ausüben kann, dass dieser sich schneller als die Trommel selbst bewegt. Zur Beobachtung der Länge desabgelaufenen Bandes wird die Drehung der Trommel durch eine in die Trommelachse gesteckte Spindel, welche den Deckel des lichtdichten Kastens durch- setzt, auf die mit einer Teilung versehenen Scheibe X übertragen; die Teilung ist so bemessen, dass die Länge des abgelaufenen Films in Zentimetern abgelesen werden kann. Eine zweite mit ihr ge- koppelte Scheibe gestattet, die Länge des abgelaufenen Bandes in Metern abzulesen. An der vorderen Wand des Gehäuses befindet sich der in Schienen verschiebbare Kasten D, weicher vorn einen zwischen 0,01 und 0,5 mm verstellbaren Spalt und etwa in der Mitte eine Zylinder- linse zur Abbildung des Spaltes trägt. Vor dem Spalt schwingt ein elektromagnetisch betriebenes Pendel Pd, das nach unten in einen dünnen Aluminiumrahmen von der Länge des Spaltes übergeht. In der Mitte des Rahmens ist ein Draht von 0,5 mm Dicke ausgespannt, der beim Schwingen des Pendels den Spalt rhythmisch verdeckt und freigibt. Das Pendel ist auf fünf ganze Schwingungen pro Sekunde abgestimmt, so dass man zehn Verdunkelungen pro Sekunde erhält. Zur Kontrolle des Pendels wurde meist noch ein zuvor geprüftes und reguliertes graphisches Chronometer in der Weise aufgestellt, dass der Schatten seines Hebels durch den Kondensor (N Fig. 3b) Beschreibung einer Vorrichtung zur optischen Registrierung etc. Dal in die Ebene des Manometerhebels geworfen wurde; die Markierungen beider Apparate zeigten stets sehr genaue Übereinstimmung. Die Versuche nahmen folgenden Verlauf: Etwa 1 Stunde vor der Präparation des Tieres werden Manometer und Stromuhr sorg- fältig gefüllt und miteinander verbunden; darauf wird das Mano- meter geeicht und so justiert, dass ein Druckunterschied von 100 em Wasser durch eine Ordinate von 15 mm Höhe dargestellt wird; dabei werden Manometerhebel und Stromuhrkolben scharf eingestellt und schliesslich alle Schrauben festgezogsen. Nun erst wird der Film eingesetzt. Das Tier wird auf einem schmalen für diesen Zweck angefertigten Brett befestigt, das mittels Schraube gehoben und gesenkt werden kann. Das Tierbrett wird ganz nahe an die optische Bank heran- geschoben und so gedreht, dass die zu benützende Arterie in der Riehtung der Stromuhrkanülen liegt. IV. Experimentalkritik der Apparate. Zur Kritik der beiden Apparate sei folgendes bemerkt: Von diesen Instrumenten wird eine qualitativ und quantitativ richtige Darstellung des Druckes und Stromvolums im Laufe des Pulsschlages gefordert. An der Möglichkeit, mit Hilfe dieses Manometers, die in der Karotis und Cruralis vorkommenden Schwankungen des Seitendruckes qualitativ richtig darzustellen, ist nicht zu zweifeln. Es besitzt mit der Verbindungsröhre eine Schwingungszahl von rund 100 und nach der experimentellen Prüfung seiner Leistungsfähigkeit mit künstlichen Druckschwankungen!) ist es für weit raschere Druckschwankungen ausreichend. Schwieriger ist es, die quantitativen Angaben zu prüfen, da ein Mittel zur einwandfreien Feststellung der absoluten Werte der einwirkenden Druckschwankungen nicht bekannt ist. Es wird aber die ausreichende Genauigkeit des Manometers auch in dieser Hinsicht durch die folgenden Versuche erwiesen: Erstens sind die Aussehläge des Manometers bei der Eichung sowie innerhalb langer Versuchsreihen kon- stant. Sowohl bei aufsteigender und absteigender, als auch bei 1) Pflüger’s Arch. Bd. 137 S. 225. 922 K. Hürthle: statischer und dynamischer Eichung!) mit dem neuen Eichungs- apparat?) zeigt das Manometer jedesmal bei gieichem Druck die gleiche Ordinate; und zwar ist diese in den Grenzen von 20 bis 260 em Wasser dem Druck proportional. Ferner ergab die häufig ausgeführte Eichung vor und nach einem Tierversuch gleichfalls übereinstimmende Werte. Zweitens habe ich eine Methode zur Prüfung der quanti- tativen Angaben benützt, die wenigstens auf indirektem Wege die Angabe des Mitteldrucks mit grosser Genauigkeit zu prüfen ge- stattet. Sie besteht darin, dass eine Strömung durch einen künstlichen Widerstand von unveränderlichem Werte, in welchem Druck und Strömung nachweislich proportional sind, ab- wechselnd unter konstantem und rhythmischem Druck unterhalten wird. Der konstante Druck wird durch die Höhe einer Wassersäule gemessen, der rhythmische durch das Manometer registriert. Wird nun die pro Druck- und Zeiteinheit ausfliessende Wasser- menge festgestellt, so ist die Grösse der Abweichung der bei kon- stantem und rhythmischem Druck erhaltenen Werte der Massstab für die Genauigkeit der Bestimmung des Mitteldruckes durch das Federmanometer?), da Ausflussmenge und Druck- höhe bei konstantem Druck mit fast beliebiger Genauigkeit gemessen werden können. Diese Versuche werden im Abschnitt C der folgenden Abhandlung S. 547 eingehend besprochen werden, da sie noch in anderer Hinsicht zur Prüfung der Methode dienen. Es sei aber schon hier bemerkt, dass der Fehler in keinem Falle 6 °/o übersteigt und im Mittel weniger als 1°/o beträgt, wobei noch in Betracht zu ziehen ist, dass die Messung bei konstantem Druck sich jeweils über 5 Minuten erstreckt, die bei rhythmischem Druck sich auf die Zeit eines Pulsschlages d. i. etwa einer Sekunde beschränkt, und dass am Fehler nieht das Manometer allein, sondern auch die Stromuhr mitbeteiligt ist. Bei der Stromuhr sind wir nicht im Zweifel, dass ihre quanti- tativen Angaben über die mittlere Stromstärke richtig sind — ab- 1) Siehe J. A. Tschuewsky, Pflüger’s Arch. Bd. 72 S. 588. 2) K. Hürthle, Pflüger’s Arch. Bd. 137 S. 246. 3) Unter der Voraussetzung, dass das Poiseuille’sche Gesetz auch für rhythmischen Druck gilt. (Siehe S. 548 der folgenden Abhandlung.) Beschreibung einer Vorrichtung zur optischen Registrierung ete. 593 gesehen von dem Druckverlust durch Reibung, dessen Fehler bei den folgenden Versuchen ausgeschaltet ist; dagegen kann man von vornherein nicht sagen, ob auch die Änderungen der Stromstärke vom Instrument mit genügender Treue registriert und nicht durch die Reibung des Kolbens entstellt werden und ferner, ob sie nicht infolge der durch die Einfügung. der Stromuhr bedingten Vergrösserung des Querschnitts der Bahn der Messung entgehen. Den letzteren Punkt wollen wir an einem Beispiel beantworten: Nehmen wir an, eine sekundäre Welle gehe mit einer Druck- schwankung von. 10 cm Wasser einher und vollziehe sich in Y/ıo Se- kunde, so macht sie an der Druckkurve einen deutlichen Ausschlag von 1,5 mm Höhe. Nehmen wir ferner an, die mittlere Strömung betrage 4 ccm pro Sekunde bei 100 cm Wasserdruck, wie sie in der Karotis eines mittleren Hundes vorkommt, die Phase des steigenden - Druckes daure !/so Sekunde und gehe mit einer dem Druck ent- sprechenden Änderung der Strömung einher, so würde diese an der Kurve der benützten Stromuhr eine Ordinatenänderung von weniger als 0,02 mm zur Folge haben, eine Grösse, deren Feststellung inner- halb der Grenzen der Messungsfehler liest. Wir können also nicht erwarten, die Stromuhr zu Untersuchungen zu verwenden, in welchen Strömungsveränderungen von der genannten Grösse wesentlich sind, wie bei Untersuchungen über die Natur der sekundären Wellen der Pulskurve. Es fragt sich daher, ob die Empfindlichkeit der Strom- uhr zur Feststellung der Beziehung von Druck und Geschwindigkeit innerhalb eines Pulsschlages ausreicht, wenn Druck und Stromvolum in Abständen von !/ıo Sekunde gemessen werden sollen. Nehmen wir wieder an, das Stromvolum betrage 4 ecm/Sec beim Druck von 100 em Wasser, die Strömung sei dem Druck direkt proportional und dieser sinke gleichförmig im Verlauf von 0,4 Sekunden vom Werte 120 auf 60 em, so beträgt die mittlere Strömung beim Druck 100, 80 und 60 cm in je Y/ıo Sekunde 0,4, 0,32 und 0,24 eem entsprechend 2,0, 1,6 und 1,2 mm Ordinate, also Werte, deren Grösse und deren Differenz wohl messbar ist, vorausgesetzt, das eine Störung durch eine Ungleichförmigkeit der Reibung des Kolbens in der Stromuhr nicht vorhanden ist. Diese Voraussetzung wurde gleichfalls experimentell in der Weise geprüft, dass bei einer pulsatorischen Strömung, für welche das Poiseuille’sche Gesetz gilt im Stadium des sinkenden Druckes Druck und Stromvolum in Abständen von Yıo Sekunden 524 K. Hürthle: Beschreibung einer Vorrichtung etc. Stromvolum Druck der bei fehlerfreier Messung konstant ist, im allgemeinen um + 4°/o und nur einmal um 13°/o vom mittleren Wert abwich (s. d. Tab. VII der folgenden Abhandlung S. 556). Da in diesem Fehler zugleich derjenige des Manometers enthalten ist, glaube ich, dass die Angaben der Stromuhr von ausreichender Genauigkeit sind. Manometer, Stromuhr und optische Bank (mit Ausnahme der Linsen und Prismen) sind mit Unterstützung des Elizabeth Thompson Science Found hergestellt, für deren Gewährung ich dem Kuratorium meinen verbindlichen Dank ausspreche. gemessen wurden, mit dem Ergebnis, dass der Quotient 925 (Aus dem physiologischen Institut der Universität Breslau. Mit Unterstützung. aus dem Elizabeth Thompson Science Found.) Über die Beziehung zwischen Druck und Geschwindigkeit des Blutes in den Arterien. Von K. Hürthle. (Mit 8 Textfiguren und Tafel IX.) Inhaltsübersicht. Se ‚A. Die Aufgabe und die Versuche zu ihrer Lösung . .... VE ADD PepAnalyserdessBulsschlagesin nn 2 02.00 ne een 333 OehlienVersuche am.Schemas a... 0.0 0 ee a, EEE 539 la berstellung und Biehung.des Schemas . . .......... 539 II. Prüfung von Manometer und Stromuhr . . ........n. 547 1. hinsichtlich der Angabe des Mitteldruckes und der mittleren SSERÖHTUN EU SHE NE Re ae EL EI AN e 547 2. hinsichtlich der Bestimmung von Druck und Stromvolum in kleinsten®Zeitteilchen des Bulsschlags 4.2. 22.2... 598 3. Systolische und diastolische Stromstärke . . . 2...» 596 Ir eRrıtikades; Verfahrens der Pulsanalyse- . .. . 2... 2... 598 Delierversuche an 2.0 a ee er 96l I. Die Anwendbarkeit der Methode auf den Blutstreom ...... 561 II. Vergleich der systolischen und diastolischen Stromstärke . . . . 564 III. Allgemeine Bemerkungen über die Tierversuche . . ...... 567 IV. Die Beziehung zwischen Druck und Stromstärke in der Karotis UndeCruralisen tn. ne Aeneon eat Ne 567 Zusammenfassung, der Broebnisse, . ... . 2 were eu. 2 lee 579 A. Die Aufgabe und die Versuche zu ihrer Lösung. Es ist bekanntlich nieht möglich, die Abhängigkeit der Stärke des Blutstromes von den einzelnen Faktoren in entsprechender Weise quantitativ zu bestimmen, wie sie im Poiseuille’schen Gesetz für einzelne Röhren festgestellt ist. Die Schwierigkeit, welche sich der Lösung dieser Aufgabe entzezenstellt, beruht weniger darauf, dass Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd. 147. 36 596 K. Hürthle: wir in der Blutbahn ein kompliziertes System verschiedener Röhren vor uns haben, als vielmehr in den Eigenschaften der Gefässwand, nämlich in der Veränderlichkeit ihres Querschnittes unter dem Ein- fluss des Druckes und vor allem der Innervation. ‘Denn die ex- perimentelle Prüfung der Wirkung der einzelnen Faktoren (der Länge und des Durchmessers der Röhren, des Druckes und der Viskosität der Flüssigkeit) auf die Strömung kann nur so erfolgen, dass ein Faktor variiert wird, während die anderen konstant gehalten werden. Dies ist aber bei der Blutbahn innerhalb eines für Strömungsversuche erforderlichen Zeitraumes nicht möglich; denn es gibt zwar Mittel, die Gefässlumina experimentell zu beeinflussen, nicht aber solche, um sie konstant zu halten; der Wechsel der Gefässquerschnitte unter dem Einfluss der Innervation erfolet in unberechenbarer und quan- titativ unkontrollierbarer Weise. Bei dieser Sachlage müssen Untersuchungen über die Ab- hängigkeit des Stromes von den Dimensionen der Bahn als aussichts- los angesehen werden; dagegen ist die Möglichkeit nicht ausgeschlossen, die Abhängigkeit der Stromstärke vom Druck und von der Viskosität der Flüssigkeit zu bestimmen, falls es gelingt, entweder die Wider- stände während der zum Strömungsversuch notwendigen Dauer konstant zu halten oder die letztere so weit herabzudrücken, dass der durch die Veränderlichkeit der Blutgefässe veranlasste Fehler ver- nachlässigt werden kann. Dies soll im folgenden versucht werden, doch beschränkt sich die vorliegende Veröffentlichung auf die Be- stimmung der Abhängigkeit der Strömung vom Druck, da der Unter- suchung des Einflusses der Viskosität wieder besondere Schwierig- keiten entgegenstehen, die in einer späteren Abhandlung noch zur Sprache kommen werden. Der Besprechung des Versuchsplanes sollen dieinder Literatur vorliegenden Untersuchungen vorangestellt werden: Die kleine Zahl der Versuche (zur Bestimmung der Abhäneiekeit der Strömung vom Druck und von der Viskosität der Flüssiekeit) fällt teils in die Periode vor, teils in die nach der Entdeckung der Gefässmuskeln und -nerven. Der ersteren gehören die Versuche von Poiseuille und Volkmann, der letzteren die von Heubner sowie von du Bois-Reymond, Brodie und Müller an. Poiseuille!), der die Blutbahn als unveränderlich angesehen 1) Poiseuille, Recherches sur l’&coulement des liquides, considere dans les capillaires vivants. Compt. rend. de l’Acad. d. Scienc. t. 16. p. 60. 1848. Über die Beziehung zwischen Druck und Geschwindigkeit des Blutes etc. 597 zu haben scheint, legte sich die Frage vor, ob der Blutstrom durch Zusatz von gewissen Substanzen, durch welche die Viskosität des Blutes in .nachweisbarem Grade verändert wird, in gleicher Weise beeinflusst werde, wie die Strömung durch Glaskapillaren und be- . antwortete sie durch drei Versuchsreihen, die er an Glaskapillaren, an Organen getöteter Tiere mit künstlicher Durchströmung, sowie am lebenden Tier mit Hilfe der Hering’schen Methode zur Be- stimmung der Umlaufszeit ausführte. Aus dem Ergebnis dieser Versuche zog Poiseuille den Schluss, dass die Viskosität auf die Strömung des Blutes im Tierkörper von gleichem Einfluss sei wie auf die Strömung durch Glas- kapillaren. Dieser Schluss hat sich aber nicht als gerechtfertigt erwiesen. In einer eingehenden Kritik ist zuerst von Heubner'), dann von du Bois-Reymond und seinen Mitarbeitern ?) gezeigt worden, dass sich in den Versuchen Poiseuille’s die Strömung unter dem Einfluss der zugesetzten Substanzen in der Blutbahn, wenn auch eleichsinnig, so doch in ganz anderem Verhältnis geändert hat als in den Glaskapillaren. Bei der Änderung des Blutstromes muss also ausser der Viskosität noch ein anderer Faktor mitgewirkt haben, den wir im veränderten Tonus der Blutbahn zu suchen haben werden. Die ersten Versuche zur Messung der Abhängigkeit der Strömung vom arteriellen Blutdruck finden wir in Volk- mann’s Hämodynamik®). Das achte Kapitel handelt „von dem gesetzlichen Verhältnisse des Blutdrucks zu der Geschwindigkeit der Blutbewegung“. Die mitgeteilten Versuche zerfallen in solche, in welchen spontane Schwankungen des Druckes zur Feststellung der gesuchten Beziehung benutzt, und andere, in welehen Änderungen des Druckes durch experimentelle Eingriffe herbeigeführt wurden. Zur Bestimmung der Geschwindigkeit des Stromes verwendete Volkmann sein Hämodromometer, in dessen Mitte ein Seitenrohr zur Messung des Druckes eingesetzt war. Die erste Versuchsreihe enthält drei Beobachtungen über Druck und Geschwindigkeit in der Te N. 2 / j & 1) Heubner, Die „Viskosität“ des Blutes. Arch. f. exper. Path. u. Pharm. Bd. 53 S. 280. 1905. 2)R. du Bois-Reymond, T. G. Brodie und Franz Müller, Der Einfluss der Viskosität auf die Blutströmung und das Poiseuille’sche Gesetz. Arch. f. (Anat. u.) Physiol. 1907 Suppl. S. 37. 3) A. W. Volkmann, Die Hämodynamik nach Versuchen. Leipzig 1850. 528 K. Hürthle: Karotis eines Schafes. „Indem nun die bereebneten und beobachteten Werte sehr gut zusammenstimmen, bestätigt sich die Vermutung, dass Widerstand und Stromscehnelle auch im Blutkreislaufe durch feste Gesetze geregelt werden.“ Ähnliche Beobachtungen — mit Benutzung der natürlichen Schwankungen des Blutdruckes — stellte Volkmann auch an einem Pferde und am Hunde an. Da aber die Gesetzmässigkeiten sich um so deutlicher zeigen müssen, je ver- schiedener die Werte des Druckes und der Geschwindigkeit in den einzelnen Beobachtungen sind, und da diese in den vorher- gehenden Versuchen sich nur wenig unterschieden, suchte Volkmann „durch wiederholte Aderlässe die nötigen Diffe- renzen künstlich herbeizuführen“. Nunmehr zeigte sich aber, dass die beobachteten Werte mit den berechneten nicht mehr überein- stimmten. „Der Grund“, sagt Volkmann S. 227 und 232, „scheint dieser: Infolge der Aderlässe kontrahiert sich die Gefässhöhle und setzt der Bewegung des Blutes einen erösseren Widerstand ent- gegen.“ — „Von einer Beständiekeit der Widerstandskoeffizienten kann nur so lange die Rede sein, als die Bedingungen, welche den Widerstand veranlassen, unverändert bleiben. Offenbar sind aber mehrere Faktoren des Widerstandes, z. B. die Weite der Gefässhöhle und die Zähigkeit des Blutes, nicht unbeträchtlichen Schwankungen unterworfen.“ Volkmann’s Versuche sind also an der uns heute seläufigen Veränderlichkeit der Widerstände gescheitert. Es ist bemerkenswert, dass Volkmann aus seinen Versuchen den Schluss auf Kontrak- tilität der Gefässhöhle zu einer Zeit gezogen hat, in welcher von der Innervation der Gefässe noch niehts bekannt war. Nach der Entdeckung der Gefässmuskulatur durch Henle (1840), ihrer Innervation durch Cl. Bernard (1851) und ihrer Bedeutung für den Blutstrom dureh Ludwig und Dogiel (1367) musste der Versuch, die Abhängiekeit der Strömung vom Druck und von der Viskosität zu bestimmen, zunächst aussichtslos erscheinen, da jene Entdeckungen zu dem Ergebnis führten, dass der Tonus der Blut- bahn einem beständigen Wechsel unterliegt; dieser ist zwar qualitativ mit verschiedenen Methoden nachzuweisen, nieht aber quantitativ zu bestimmen. Ungeachtet dieser Schwierigkeit ist seit jener Zeit noch zweimal der Versuch gemacht worden, den Einfluss des Druckes bzw. der Viskosität auf den Blutstrom festzustellen. Von der Ansicht ausgehend, dass die äussere Reibung (Adhäsion) Über die Beziehung zwischen Druck und Geschwindigkeit des Blutes etc, 529 des Blutes im Blutgefässsystem und in Glaskapillaren eine ver- schiedene sei, hat Heubner!) die Strömung von drei verschiedenen Flüssiekeiten, deckfarbenem und lackfarbenem Blutgemisch und Läwen’scher Lösung, durch Glaskapillaren und durch die Gefässe der Hinterbeine eines Frosches untersucht und gefunden, dass das Verhältnis der Strömunesgeschwindiekeit der drei Flüssigkeiten in Glaskapillaren und Froschgefässen ein ganz verschiedenes ist. In- dessen hat Heubner, abgesehen davon, dass das Resultat auf einem Versuch beruht, keinen bindenden Schluss aus dem Ergebnis gezogen, sondern sagt: „Diese Zahlen würden eine absolute In- kongruenz des Fliessens in den zwei verschiedenen Röhrenarten dartun, wenn nicht immer der Zweifel an der Unveränderlichkeit der Weite bei den überlebenden Gefässen bestehen bliebe.“ Doch sucht er den Befund, dass das lackfarbene Blutgemisch durch Glaskapillaren lang- samer fliesst als das deckfarbene, während an den Froschkapillaren das umgekehrte Verhalten beobachtet wird, aus der Reibung der Blutkörperchen an den Wänden der Blutkapillaren zu erklären. Im Gegensatz zu Heubner, der den störenden Einfluss der veränderlichen Gefässweite anerkannte, glauben duBois-Reymond, Brodie und Fr. Müller?), dass ihre Versuche unter dieser Fehler- quelle nicht gelitten haben. Sie untersuchten sowohl den Einfluss des Druckes wie auch den der Viskosität auf die Strömung und zogen aus ihren Versuchen den Schluss, dass die Stromstärke dem Druck direkt und der Viskosität der Flüssigkeit umgekehrt proportional sei. Über den Einfluss des Druckes auf die Durchströmung werden nur „einige nebenbei beobachtete Beispiele“ mitgeteilt. Im ersten Beispiel wurden Lungen getöteter Tiere unter wechselndem Druck (mit defibriniertem Blut ?) durch- strömt. In den erhaltenen Werten „tritt keine Proportionalität zwischen Druck und Durchflussmenge hervor. Sie ist dagegen sehr deutlich in den folgenden Zahlen, die bei der Messung der natürlichen Stromgeschwindigkeit°) im Dünndarm erhalten sind.“ Der Unterschied zwischen den Lungen- und Dünn- darmversuchen „dürfte darauf zurückzuführen sein, dass die im ersten Fall in Betracht kommenden Gefässe der Lunge viel leichter dehnbar sind als die Ge- fässe des Darms, auf die sich die zweite Versuchsserie bezieht, so dass bei den Versuchen an der Lunge mit jeder Druckzunahme eine merkliche Zunahme der Gefässweite verbunden ist“. Eine Beurteilung der Versuche wird durch die Kürze der Beschreibung 1) Heubner, |. c. 2) R. du Bois-Reymond, Brodie und Müller, l.c. 3) Mif Hilfe des Brodie’schen Onkometerverfahrens. 530 K. Hürthle: erschwert. Im ersten Beispiel vermisst man die. Angabe der Zahl der Individuen, die zu den Versuchen dienten. Ich nehme daher an, dass die Reihen 1—3 und 3—6 der Tabelle III, welche durch eine Spalte voneinander getrennt sind, von je einem Versuchstier stammen. Unter dieser Voraussetzung strömten beim gleichen Druck (30 mm Hg) sehr verschiedene Mengen durch dieselbe Lunge, nämlich 27,4—8,2 und 12 ccm; es müssen also die Widerstände im Laufe des Versuchs sich erheblich geändert haben. Sollte aber meine Annahme unrichtig sein, und für jede Reihe der Tabelle III eine besondere Lunge gedient haben, so wird der Nachweis des unveränderten Widerstands innerhalb der Versuchs- dauer vermisst; dieser hätte in der Weise erbracht werden müssen, dass den Messungen der Strömung bei zwei verschiedenen Druckwerten wenigstens eine dritte bei Wiederherstellung des ersten Druckwertes folgte. Wäre nun die Strom- stärke bei der ersten und letzten Messung dieselbe geblieben, dann wäre eine Änderung des Widerstands im Laufe der drei Messungen wenigstens nicht wahr- scheinlich gewesen. Die Verfasser geben zwar die folgende Begründung für die Annahme, dass Tonusschwankungen nicht mitgewirkt haben: „Aktive Änderungen der Gefässweite können wohl kaum im Spiel sein, da die Gefässmuskulatur nach Bayliss gerade im entgegengesetzten Sinne auf Druckschwankungen reagiert, indem sie sich bei Druckerhöhung zusammenzieht und bei Druckverminderung erschlafft.“ Allein die Versuchsergebnisse scheinen mir diese Annahme nicht zu recht- fertigen; denn wenn z. B. eine Drucksenkung von 50/0 (von 30 auf 20 mm Hg) eine Verlangsamung des Stromes um 272°/o zur Folge hat (Reihe 2 der Tabelle IID), so ist mir höchst unwahrscheinlich, dass die Verlangsamung ausschliesslich durch Änderang der Querschnitte unter dem Einfluss der Elastizität zustande kam, und dass eine physiologische Reaktion der Gefässwand ausblieb. Die unverhältnis- mässig starke Abnahme des Stromes stimmt vielmehr recht gut zur Beobachtung von Bayliss. Dass die Autoren selbst auf Zeichen von Tonusschwankungen ge- stossen sind, schliesse ich aus der im technischen Teil stehenden Bemerkung: „Besonders sorgfältig ist darauf zu achten, dass der Druck dauernd genau kon- stant bleibe. Schon kleine Schwankungen des Druckes bringen sehr erhebliche Änderungen in der Durchströmung hervor.“ Das heisst doch, dass schon bei geringen Schwankungen des Druckes die Proportionalität zwischen Druck und Geschwindigkeit vermisst wird, eine Erscheinung, welche eben auf eine Änderung des Tonus der Gefässe hinweist. Auch der Wert der bei Messung der natürlichen Stromgeschwindig- keit im Dünndarm erhaltenen Zahlen lässt sich schwer beurteilen, weil wich- tige Anhaltspunkte fehlen; so ist z. B. nicht angegeben, wie die Schwankungen des mittleren Blutdrucks, die über 60 °o betragen, zustande kamen. Auch ist nicht gesagt, wieviel Tiere zu den Versuchen der Tabelle IV dienten. Nimmt man an, dass die Reihen IVa und IV b von demselben Tiere stammen, so trifft man beim gleichen Druck (160 mm Hg) recht verschiedene Stromvolumina, näm- lich 127,7 und 180,1 ccm, die doch nur durch einen Wechsel des Tonus zu er- klären sind; stammen diese Reihen aber von verschiedenen Tieren, so vermisst man den oben besprochenen Kontrollversuch, durch welche die Konstanz der Widerstände oder ihre Änderung hätte wahrscheinlich gemacht werden können. Es ist daher nicht erwiesen, dass die beobachteten Änderungen der Ge- m en De Da 2 22 Über die Beziehung zwischen Druck und Geschwindigkeit des Blutes etc. 531 schwindigkeit des Blutstromes ausschliesslich unter der Wirkung des veränderten Druckes zustande gekommen und nicht teilweise durch Änderungen des Tonus der Blutgefässe veranlasst sind. Dieselben Bedenken erheben sich gegen die Versuche über den Einfluss “der inneren Reibung auf den Blutstrom. In der ersten Reihe wurde die Durchflusszeit der Durchblutungsflüssigkeit durch überlebende Organe unter konstantem Druck gemessen, nachdem die Viskosität bestimmt war; darauf wurde diese durch Zusatz von Serum oder von Blutkörperchenbrei abgeändert, durch das Viskosimeter von neuem bestimmt und der Durchströmungsversuch beim gleichen Druck wiederholt. Hat die Viskosität auf die Strömung durch die ‚Blutbahn den gleichen Einfluss wie in Glaskapillaren, so müssen die Änderungen der Durchflusszeiten in beiden Fällen dieselben sein, vorausgesetzt, dass im Tonus der Blutbahn keine Änderungen eingetreten sind. Bei den Durchströmungs- versuchen an überlebenden Organen änderten sich nun zwar die Durchflusszeiten bei der Variierung der Viskosität immer in gleichem Sinne wie bei Glasröhren, ‚allein nur ausnahmsweise im gleichen Verhältnis, vielmehr betrugen die Abweichungen 2 bis 48, im Mittel 14,3%. Dabei sind die mitgeteilten Zahlen „immer Durchschnittswerte von einer grossen Zahl Einzelbestimmungen“, die also noch grössere Abweichungen enthalten haben müssen. Die Verfasser meinen nun, dass die Abweichungen „durch schwer vermeidbare Versuchsfehler hervor- gerufen sind“. Dagegen spricht aber das Eirgebnis der Tabelle I, nach welcher die Fehler der Druck- und Strömmessung 6°/o nicht erreichen, und zwar in Einzelmessungen; der mittlere Fehler ist also noch kleiner. Aus dieser Tabelle muss man schliessen, dass bei allen Abweichungen über 60 noch ein anderer Fehler ausser dem technischen beteiligt ist; diesen wird man in erster Linie in der Labilität des Gefässtonus suchen. Nun kann man allerdings die weitere, wenn auch nicht gerade wahrscheinliche Annahme machen, dass der Tonus durch eine bestimmte Änderung der Viskosität nicht einseitig beeinflusst werde, sondern nach beiden Richtungen hin schwanke, und dass im Mittel aus einer grossen Reihe von Einzelbestimmungen die beiden Fehler, der technische und der physio- logische, sich aufheben. Diese Annahıe würde aber anerkennen, dass der ein- zelne Versuch durch unberechenbare Fehler gestört wird und in keinem Falle zur Feststellung der gesuchten Beziehung benutzt werden kann. Ob in dem aus den wenig zahlreichen Einzelversuchen gezogenen Mittelwert die Fehler wirklich ausgeglichen sind, kann niemand entscheiden. Noch weniger überzeugend sind die am lebenden Tier angestellten Ver- suche, in welchen die Viskosität durch Infusion von Salzlösungen herabgesetzt und der dadurch erhöhte Blutdruck durch eine Blutentziehung etwa auf den Ausgangswert gebracht wurde, selbst wenn man nur die Versuche an entpervten Organen (Darm und Niere) in Betracht zieht und es als erlaubt ansieht, die Durchflussmengen unter der Voraussetzung umzurechnen, dass Proportionalität .zwischen Druck und Stromvolum bestehe. Die hier verzeichneten Einzelmessungen zeigen so starke Abweichungen von den durch die Änderung der Viskosität ge- forderten, dass aus ihnen auf Änderungen der Gefässlumina mit Notwendigkeit geschlossen werden muss. Beispielsweise betrug im Versuch III die Änderung der Durchflusszeit infolge der Änderung der Viskosität für die Glasröhre — 15,6 %o 532 K. Hürthle: während am entnervten Dünndarm in zwei Serien — 93,3 und — 2,9% (als Mittelwerte!) gefunden wurden. Man überlässt es aber dem Zufall, ob man zu einem richtigen Ergebnis gelangt, wenn man mit so starken Fehlern behaftete Einzelbeobachtungen zu Mittelwerten verwendet, ohne die Zahl der Beobachtungen auf das von der Wahrscheinlichkeitsrechnung vorgeschriebene Mass zu bringen. Das ist aber im vorliegenden Fall nicht geschehen: Am entnervten Dünndarm sind nur vier Versuche, an der entnervten Niere ist nur einer angestellt. Man kann daher nicht zugeben, dass es du Bois-Reymond, Brodie und Müller geglückt sei, den störenden Einfluss der Schwankungen im Tonus der Blutgefässe bei ihren Versuchen aus- zuschalten und wird nicht überzeugt, dass im lebenden Körper die Stromstärke dem Druck direkt und der Viskosität des Blutes um- gekehrt proportional sei. Da nun allen bisher angestellten Versuchen, die im folgenden kurz als Mittelwertverfahren bezeichnet werden, eine lange, sich über Viertelstunden erstreckende Dauer gemeinschaftlich ist, und da der störende Einfluss der Tonusschwankungen mit der zur Durch- führung des Versuches notwendigen Zeit abnimmt, wird eine Lösung des Problems nur von einer Methode zu erwarten sein, welche die notwendige Beobachtungszeit so weit kürzt, dass eine Änderung der Gefässlumina während dieser Zeit als ausgeschlossen oder unwesentlich gelten kann. Die Grenze, bis zu welcher diese Kürzung vorgenommen werden kann, ist einerseits von der Genauigkeit der druck- und strommessenden Apparate abhängig, andererseits — wenigstens beim Einfluss des Druckes — vom Auftreten ausreichender Druckunter- schiede während der Beobachtungsdauer. Nun kommen im Verlaufe eines Pulsschlages beim Hunde Druckschwankungen von wenigstens 30, in besonderen Fällen bis 100 mm ‘Hg vor, die sich wieder auf verschiedene Druckminima aufsetzen können. Man kann daher auf die Feststellung von Druck- und Stromstärke im Laufe eines Puls- schlages in einer Arterie ein Verfahren zur Beantwortung der schwebenden Frage gründen für den Fall, dass die pulsatorischen Schwankungen mit solcher Genauigkeit registriert werden, dass die Ermittlung der beiden Werte in kleinsten Zeitteilchen des Puls- schlages die gesuchte Beziehung ergibt. Die am Schema der arte- riellen Bahn angestellten, im Abschnitt C mitgeteilten Versuche zeigen, dass diese Forderung tatsächlich zu erfüllen ist. Dass der Tonus der Blutgefässe im Verlaufe eines Pulsschlages als unverändert Über die Beziehung zwischen Druck und Geschwindigkeit des Blutes ete. 533 angesehen werden darf, wenn keine besonderen vasomotorischen Eingriffe vorgenommen werden, ist bei der relativen Langsamkeit der Tonusschwankungen wahrscheinlich, und ich betrachte diese An- nahme als erwiesen, wenn die Beziehung von Druck und Geschwindig- keit in zwei aufeinanderfolgenden Pulsen unverändert bleibt. B. Analyse des Pulsschlags'). Die Feststellung der Abhängiekeit des Blutstromes vom Druck aus einem Pulsschlage ist wesentlich verwickelter als das Mittelwert- verfahren, und zwar durch den Einfluss eines Faktors auf die Strömung, welcher bei dem letzteren Verfahren nicht notwendig be- rücksichtigt werden muss, nämlich der Elastizität des Gefäss- systems. Ihre Wirkung zeigt sich in auffälliger Weise in der ‚Erscheinung, dass die Beziehung zwischen Druck und Geschwindigkeit im Verlaufe der arteriellen Bahn keine gleichbleibende, sondern eine von Querschnitt zu Querschnitt wechselnde ist. Am Anfang, un- mittelbar über den Aortenklappen, besteht eine Strömung nur während der Systole; während der Diastole bleibt das Blut in Ruhe. In einiger Entfernung von den Klappen aber haben wir sowohl systo- lische als. diastolische Strömung, und zwar nimmt der Anteil der letzteren mit der Entfernung von den Klappen relativ zu bis zu den Kapillaren, wo die Strömung gleichförmig wird. Dieser Vorgang ist 1) Die folgenden Überlegungen habe ich schon im Jahre 1891 angestellt, um das Schlagvolum des Herzens aus der Kurve des Aortendrucks und der durch Eichung festgestellten Volumelastizität der Aorta zu berechnen. Das Ergebnis eines Teils der Elastizitätsbestimmungen habe ich auf dem X. internat. med. Kongress, Berlin 1891, mitgeteilt (Bd. 2, Physiol. S. 65), von einer ausführ- lichen Veröffentlichung aber bisher Abstand genommen, weil die Berechnung des Schlagvolums bei experimenteller Änderung der Stromstärke (Splanchnicus- durchschneidung und -Reizung) zu unwahrscheinlichen Werten führte, welche gegen die Brauchbarkeit der Methode sprachen. Da das Ergebnis trotzdem in mancher Hinsicht (Versuche zur Bestimmung des Schlagvolums beim Menschen aus der arteriellen Druckschwankung) lehrreich ist, werde ich die Veröftent- lichung nachholen. Im Jahre 1899 hat O. Frank (Die Grundform des arteriellen Pulses. Zeitschr. f. Biol. Bd. 37 S. 483) Differentialgleichungen für die rhyth- mische Strömung in schematischen elastischen Bahnen aufgestellt. Für den vor- liegenden Zweck halte ich aber meine elementaren Betrachtungen für ausreichend. Auch von Recklinghausen (Was wir durch die Pulsäruckkurve und die Puls- druckamplitude über den grossen Kreislauf erfahren. Arch. f. exper. Path. u. Pharm. Bd. 56 S. 1. 1906) hat ähnliche Überlegungen angestellt. 994 K. Hürthle: zwar am lebenden Tier noch nicht experimentell demonstriert worden, folet aber mit Notwendigkeit aus der rhythmischen Entleerung des Herzens und der Elastizität der Aortenbahn und lässt sich leicht an einem Schema nachweisen. Ein solches besteht aus einem elastischen Schlauch, in dessen Anfang Wasser rhythmisch eingepumpt wird, während es am Ende durch ein Bündel von Glaskapillaren abfliesst, für welche das Poiseuille’sche Gesetz gilt (Wı W»s W; Fig. 2 pP | | | | [ER REUn BR EI 10 el DELE UIRLE N are ae Nee a] 3 [2] e- Fig. 1. Druck- und Stromkurven vom Anfang (a), Mitte (m) und Ende (e) der elastischen Bahn des Schemas. Vs,n und Va, systolische und diastolische Stromstärke in der Mitte der Bahn. 5. 540). Die Kapillaren stellen den Hauptwiderstand der Bahn dar, gegen welchen der des Schlauches vernachlässigt werden kann. Das Schema repräsentiert die arterielle Bahn samt den Kapillaren, die venöse Bahn ist für die folgende Betrachtung unwesentlich, Werden nun Druck und Stromvolum der Reihe nach am Anfang, am Ende und n der Mitte des elastischen Schlauches registriert, so erhält man die Über die Beziehung zwischen Druck und Geschwindigkeit des Blutes etc. 535 in Fig. 1 gezeichneten schematisierten Kurvenbilder: der Druck », Ps Pı ist auf allen Querschnitten der Bahn im wesentlichen der gleiche, während die Stromkurve !) die mit a, m und e bezeichneten Formen zeist: | Die am Ende der elastischen Bahn aufgenommene Kurve e zeigt in allen Phasen des Pulsschlages Proportionalität zwischen Druck und Strömung; die vom Anfang stammende Kurve a zeigt nur im Stadium des steigendes Druckes [Systole?)] eine Strömung, während im Stadium des sinkenden Druckes (Diastole) die Strömung gleich Null ist. In der mittleren Kurve (in) endlich ist die systolische Strömung (V...) relativ stärker als die diastolische (V,.). Das Verhältnis der Stromstärke zum Druck ist also auf den einzelnen Querschnitten der elastischen Bahn ein ganz verschiedenes. Vergleicht man die systolische und diastolische Stromstärke mit- einander, indem man beide auf die Druck- und Zeiteinheit bezieht, also den Quotienten systolisches Stromvolum/Druck X Zeit: diastolisches Stromvolum/Druck X Zeit bildet, so ist dieser am Anfang des Systems unendlich gross, weil die diastolische Stromstärke gleich Null ist, am Ende des Schlauches gleich 1, weil hier Proportionalität zwischen Druck und Stromstärke besteht. Im Verlauf des Schlauches zeigt der Quotient Werte, die von Unendlich auf eins abnehmen). Daraus entnehmen wir: An den einzelnen Querschnitten der elastischen Bahn ist der mittlere Gesamtstrom während des Pulsschlages derselbe, aber die Verteilung auf Systole und Diastole oder das Verhältnis von Stromvolum und Druck in den einzelnen Zeitteilchen ein wechselndes. Bei dem in Angriff genommenen Problem soll nun aber nicht die Abhängigkeit der Stromstärke von der Elastizität untersucht werden, deren Einfluss von Querschnitt zu Querschnitt wechselt, 1) Die Kurven sind die der registrierenden Stromuhr: der horizontale Ver- lauf zeigt an, dass der Kolben in Ruhe, die Strömung gleich Null ist; mit der Steilheit der Kurve nimmt die Stromstärke zu. 2) In der ganzen Abhandlung wird der Kürze halber, wenn auch nicht ganz korrekt, als systolischer Teil der aufsteigende, als diastolischer der absteigende Schenkel der Druckkurve bezeichnet. 3) Die experimentelle Bestätigung folgt im Abschnitt © II,3 S. 556. 536 K. Hürthle: sondern die Abhängigkeit der Stromstärke vom Druck und von dem (unveränderlichen) Widerstand. Der Einfluss der Elastizität ist also auszuschalten. Dies geschieht beim Mittelwertverfahren durch Re- gistrierung von Druck und Stromvolum während einer langen Reihe von Pulsen, da der Einfluss der Elastizität während jedes einzelnen Scehlages sich ausgleicht. Will man aber die gesuchte Beziehung während des einzelnen Pulses ermitteln, so muss entweder die Messung von Druck und Stromvolum am Ende der elastischen Bahn erfolgen, deren Widerstand, wie gesagt, gegen den der Kapillaren vernachlässigt werden kann, oder wenn die Messung innerhalb der elastischen Bahn erfolgt, so muss deren Einfluss experimentell oder rechnerisch festgestellt werden. Im gegebenen Schema sind beide Wege möglich; der zweite gründet sich auf folgende Überlegung: Werden Druck und Stromstärke im Verlaufe der elastischen Bahn registriert, derart, dass ein Teil des Schlauches (#, in Fig. 2 S. 540) sich zwischen Stromuhr und Kapillarbündel befindet, so wird dessen Volumelastizität bei pulsatorischer Strömung im Stadium der Systole (0—1 Fig. 1) um ebensoviel in einer Richtung beansprucht, als im Stadium der Diastole Ge) in entgegengesetzter; das systolische Stromvolum wird also durch die Zunahme der Kapazität der Bahn um ebensoviel vermehrt, als das diastolische durch ihre Abnahme vermindert. Das während der Systole registrierte Stromvolum setzt sich daher aus zwei Teilen zusammen: 1. dem durch die Kapillaren abfliessenden, 2. dem zur Volumzunahme des Schlauches dienenden Anteil. Umgekehrt ist die während der Diastole von der Stromuhr re- sistrierte Menge kleiner als die durch die Kapillaren abfliessende, weil ein Teil der letzteren durch die Volumabnahme der Bahn Ey gedeckt wird. Der Anteil der beiden Faktoren an der Strömung lässt sich aus der Strom- und Druckkurve quantitativ in einfacher Weise berechnen, wenn wir die vereinfachende Voraussetzung machen, dass nieht allein die Strömung durch die Kapillaren, sondern auch die Volumänderung des Schlauches dem Druck proportional erfolge, und dass reflektierte Wellen nicht vorhanden oder von unwesentlichem Einfluss auf die Strömung sind. Bezeiehnet man nämlich mit Y, das im Stadium der Systole registrierte Stromvolum, mit » die unter dem Druck 1 während der Zeit 1 durch die Kapillaren abfliessende Wassermenge Über die Beziehung zwischen Druck und Geschwindigkeit des Blutes etc. 537 und mit e die unter der Druckdifferenz 1 erfolgende Kapazitäts- änderung!) der elastischen Strecke E,, so ist V 02,00 (o De 2 2 0 (I) wenn 2, den Mitteldruck während der Dauer 0—1 = ft, und Ps —pı die. Grösse der Druckschwankung (Fig. 1 S. 534) bezeichnet. Ferner ist das im Stadium des sinkenden Druckes 1—2 — t, durch die Stromuhr registrierte Volum Va Pmavla— (PB—dı)e .- -» » ». (MW Wenn Pm,avta wieder die durch die Kapillaren abfliessende Menge darstellt; die durch die Stromuhr laufende Menge V, ist aus dem genannten Grunde um den Betrag (p—p,)e kleiner als die durch die Kapillaren abfliessende. In den Gleichungen I und II können die Werte V,, Va, Pin, Ps, Pı, t; und 4. durch Ausmessung der Strom-, Druck- und Zeitkurven ermittelt werden, und es bleiben nur die beiden Unbekannten v und e übrig, welche durch Auflösung der Gleichungen gefunden werden. Untersucht man einen Pulsschlag, in welchem der Druck am Ende der Diastole auf das systolische Minimum zurückgeht, wo also 9:—pı in den Gleichungen I und II denselben Wert hat, so fallen bei der Addition der Gleichungen die vom elastischen Faktor (e) abhängigen Glieder weg, und wir erhalten den Wert für das auf die Druck- einheit entfallende Stromvolum. Der Wert v ist also von der Elastizität der Bahn unabhängig; diese beeinflusst nur die Verteilung der Strömung im Zeitraum des Pulsschlages, nicht aber die mittlere Stärke des Stromes, welche nur vom Mitteldruck und von den Widerständen abhängt. Bei den im Schema gezeichneten Grenzfällen: Reeistrierung von Druck und Stromvolum am Anfang und am Ende der elastischen Bahn (Kurve a und e Fig. 1 S. 534), ändern sich die Werte in folgender Weise: Wird der Strom am Anfang des elastischen Schlauchstückes untersucht, so ist das diastolische Stromvolum F, —(, d. h. der ganze während der Diastole durch die Kapillaren fliessende Strom Pmvta wird aus der Kapazitätsabnahme des Schlauches 1) Dieser Wert kann als unabhängig von der Zeit angenommen werden, wenn die Länge der Gefässpahn im Verhältnis zur Dauer und zur Fortpflanzungs- geschwindigkeit der systolischen Druckschwankung gering ist; wir machen dann einen nur geringen Fehler durch die Annahme, dass sich alle Punkte der Bahn in gleicher Phase, also unter gleichem Druck befinden (vgl. die Kritik C III S. 558). 538 | K. Hürthle: (Pps—pı)e gedeckt. Bei der Registrierung von Druck und Stromvolum am Ende der elastischen Bahn wird e = 0; die Faktoren (p—pı)e fallen also in beiden Gleichungen weg; das registrierte Stromvolum ist jeweils = dem durch die Kapillaren fliessenden. Für die mathematische Betrachtung ist ferner nicht unwesentlich zu bemerken, dass die Gleichungen I und II unter den gemachten Voraussetzungen nicht nur für den auf- und absteigenden Schenkel der Druckkurve im ganzen gelten, sondern auch für jeden kleinsten Zeitteil: Bezeichnen wir diesen mit f, den Endpunkt der Systole mit t; und den der Diastole mit t,, so ist im systolischen Teil t—=0 r Br) im diastolischen , ) = 0 6° | EI-6ST | SET | #79 | SIT | ecı-2 | ero = 0 69 | LIZZ2ST | 6LL | 959 | al | 2cI—ıı | 290 0 u Elze INT |e68G 051. | 29121 | 970 0 SL Tg ee 9 1912| 60 0 862 Err=slr <1e TS | Sal | 821-8 | cH0 0 68 | 9EZrsT | are | Lei 91 | F8I-0 | co u) "SSEM JOSSB AA "Y99 wu) "SSBEM TOSSEM "498 u) un um u) umJoA sany wnfoA Suny Ynıp | _ JONvI y>naıp doned -TI0O1 = UBMUIS je 5 2 -UBMUIS IS [op -JOnICL = 2 m -onad 9]09seIq 9104sÄg &) = == = mar 2 GAT 9IL9ARL — — zo -+| EEE BIER EINE) ES ER NN Er | Ben En ez +| Be ee Velen ee Te ee ee SE ar, PHIN 2 0 10000| 80 + | 80r00 |60or0.0| 1 | 0* oaı sl = 0 1000°0| 0° + | 8070°0 |9170°0| III | 0 | 081 Ai = 0 <00000| 1,5 +| 1800 |282000| 11 | 0 01 91 Z 0 soooooles+| 182000 sszoo| 11 | 0 | oa gl e= 0 | 8000019 + | »810°0 |sstoo| I 0 | 081 i21 == 0 12000001 5‘F +1 FETo'o |T91001 1 0 oaIv I el ee] | Kenn 018 | 900.0 25000167 —| S|"GOTUIS| "SSB AA | AOSSE AA og [a>ıyos -qOIJIS| 'SSE AM. 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Dieser stellt dann das »v der Glei- chungen I und II (v,), und seine Differenz gegen das durch Eichung unter konstantem Druck bestimmte », den Fehler der beiden Re- gistrierinstrumente dar. In den Tab. IV u. V S. 550 u. 551 sind die Messungsergebnisse an einer grösseren Zahl von Einzelpulsen bei Variation der Blastizität und der Widerstände mitgeteilt. Da die- selben Pulse auch zur Kritik der Methode (Abschnitt C IID) dienen, sind zur Vermeidung von Wiederholungen schon hier die sämtlichen gemessenen und berechneten Werte angegeben. Zum Verständnis der Tabellen sei folgendes bemerkt: Die Elastizitätsbestimmungen der verwendeten Gummischläuche sind oben mitgeteilt, und zwar gilt für die Schläuche der Tab. IV die Eichung der Tab. I a—e S. 544; für die Schläuche der Tab. V die Eichung der Tab. II S. 545. Tab. IV enthält die älteren, V die neueren Versuche. In Spalte 3 (Stromstärke) ist die Zahl der eingeschalteten Kapillarbündel ( W der Fig. 2 S. 540) angegeben. In den Tab. IVb u. Vb sind die durch Ausmessung der Kurven direkt bestimmten Strom-, Druck- und Zeit- werte mitgeteilt, aus welchen die v- und e-Werte der Tabellen a mit Hilfe der Gleichungen I und II berechnet sind. Die e-Werte (Spalte 7—9) bleiben bei der vorliegenden Betrachtung unberück- sichtigt und kommen erst im Abschnitt III zur Erörterung. Für die Leistung der Apparate sind die v-Werte massgebend, nämlich der Vergleich des aus dem Pulse berechneten (Spalte 4) Wertes mit dem dureh Eichung ermittelten (Spalte 5). Dieser Vergleich ergibt, dass schon bei den älteren Versuchen die Abweichungen nicht gross sind und im höchsten Falle beim Einzelpulse 7,8 im Mittel in einer Versuchsreihe weniger als 5°o betragen. Dabei ist in einem Teil der Versuche die Abweichung dadurch bedingt, dass der Wider- stand sich geändert hat, dass also die Eichungswerte nicht ganz richtig sind. Tab. V, bei deren Versuchen dieser Fehler vermieden ist, zeigt eine wesentlich geringere Abweichung zwischen beiden Werten; das Maximum ist 6° (Puls 15); der mittlere Fehler beträgt in den einzelnen Versuchsreihen weniger als 4°; im Mittel aus allen Versuchen nur 0,05°o, d. h. also: Dureh Auswertung der Strom- und Drucekkurve sind wir imstande, den Über die Beziehung zwischen Druck und Geschwindigkeit des Blutes etc. 553 Mitteldruck und die Stromvolumina während eines Pulsscehlages, d. i. in der Zeit von 1—2 Sekunden, fast ebenso genau festzustellen wie bei Versuchen mit Messung des konstanten Druckes mit Hilfe einer Wassersäule und Wägung der währendeiner Dauer von 5—6 Minuten ausfliessenden Mengen; der mittlere Fehler einer Reihe von nur drei Pulsen beträgt weniger als 4°o und verteilt sich auf zwei Instrumente: Manometer und Stromuhr; der auf den einzelnen Apparat entfallende Fehler muss also noch geringer sein !); denn die Annahme, dass die Fehler des einzelnen Apparates grösser seien als die Messungen ergeben, die Fehler der beiden aber sich bis zu einem gewissen Grade kompensieren, hat keine Wahrscheinlich- keit für sich. Die am Schema angestellten Versuche geben uns also die Gewähr, dass die Angaben des Manometers und der Stromuhr den für den vorliegenden Zweck ausreichenden Grad von Genauigkeit besitzen. 2. Prüfung der Apparate hinsichtlich der Bestimmung von Stromvolum und Druck in kleinsten Zeitteilchen eines Pulsschlages. Da es denkbar ist, dass die Apparate zwar die mittleren Werte yon Druck und Stromvolum richtig angeben, in den Zeitdifferentialen aber wesentliche Fehler machen — etwa wegen Ungleichförmigkeit der Reibung des Stromuhrkolbens —, so ist eine Prüfung der Leistungen auch in dieser Hinsicht erforderlich. Eine solche wurde nach zwei Methoden vorgenommen: Bei der ersten wurden die Schlaucheichungen mit Hilfe der Stromuhr (vgl. S. 543) bei stetig wachsendem Druck zur Untersuchung der Kolbenbewegung in folgender Weise benützt: Bildet man die Quotienten Dip in kurzen Zeit- abschnitten im Verlauf der Eichung, so wird man schon aus einer Konstanz oder gesetzmässigen Änderung derselben auf eine ver- lässliche Registrierung schliessen dürfen. Zu einem später mitzu- 1) Das sind die Versuche, deren Mitteilung ich kürzlich (Pflüger’s Arch. Bd. 141 S. 404/405) in Aussicht gestellt, und deren Ergebnis ich schon verwendet habe, um die unbegründete Behauptung Frank’s zurückzuweisen, dass das Torsionsmanometer „zur Aufzeichnung jeder — langsamen oder schnellen — Druckschwankung praktisch unbrauchbar“ sei. 554 K. Hürthle: teilenden Zweck wurde die Schlauchelastizität aber in einzelnen Ver- suchen (gleichzeitig mit der Volumregistrierung durch die Stromuhr) noch auf andere Weise bestimmt, nämlich durch einen Plethysmo- graphen. Zu diesem Zweck war das zu untersuchende Schlauchstück luftdicht in eine Glasröhre (Vol, Fig. 2 S. 540) eingeschlossen, von der ein Seitenrohr zu einem Piston-Rekorder P—-R führte; der Hebel dieses Instrumentes beweete sich in einem Schlitz des Kastens D des Kymographions X (Fig. 3a S. 518) etwa 1 em vom Film entfernt in der Höhe des Stromuhrbildes; der Schatten des Hebels wurde so auf dem empfindlichen Papier fortlaufend abgebildet, aus- genommen in den Zeitpunkten, in welchen er durch den Schatten des Stromuhrkolbens verdeckt war (s. Fig. 1 Taf. IX); der Plethysmograph wurde ebenso wie die Stromuhr geeicht. Drückt man dann die Ördinaten der beiden Kurven in gleichem Massstab (Kubikzentimeter) aus, so müssen die an den einzelnen Punkten der beiden Kurven gemessenen Quotienten = übereinstimmen, falls beide Instrumente fehlerfrei arbeiten; wie weit dies der Fall ist, zeigt die Tab. VI. Tabelle VI. A Die Quotienten a der Stremuhr- und Plethysmographen-Eichung des Schlauches von 33 cm Länge und 7,3 mm Durchmesser bei gleichförmig steigendem Druck. 1 2 3 4 5 6 Druck- Strom- Piston- Quotient der Spalten Differenz zuwachs che Rekorder- : der cm m Zuwachs 2 & Quotienten Wasser ccm ccm 1 1 5—4 20— 40 | 0,00—0,06 |0,000-—0,062 | 0,00300 0,00310 — 0,00010 40— 60 | 0,06—0,17 10,062—0,180| 0,00550 0,00590 — 0,00040 60— 80 | 0,17—0,31 [0,180—0,311 | 0,00700 0,00655 + 0,00045 80—100 | 0,31—0,49 |0,311—0,455 1 0,00750 0,00720 + 0,00030 100—120 | 0,49—0,64 | 0,455—0,612| 0,00750 0,00785 — 0,00035 120—140 | 0,64—0,80 | 0,612—0,776 | 0,00800 0,00820 — 0,00020 140—160 | 0,80—0,97 |0,776—0,943 | 0,00850 0,00835 + 0,00015 160—180 | 0,97—1,14 |0,943—1,110| 0,00850 0,00835 + 0,00015 180—200 | 1,14—1,33 | 1,110—1,284 | 0,00869 0,00870 — 0,00001 Wie man sieht, liegen die Differenzen der aus der Stromuhr- und Plethysmographenkurve berechneten Quotienten erst in der vierten Dezimale; wir dürfen daher die Übereinstimmung als eine recht befriedigende und als Beweis für die ausreichende Beweglichkeit des Stromuhrkolbens ansehen. i Über die Beziehung zwischen Druck und Geschwindigkeit des Blutes etc. 555 Übrigens soll nicht unerwähnt bleiben, dass die erste Volum- eichung dieser Art zu einem abweichenden Ergebnis führte, insofern die Stromuhrwerte durchweg grösser waren als die plethysmo- graphischen. Es stellte sich aber heraus, dass dieses Ergebnis einem Fehler des ohne Flüssigkeitsdichtung arbeitenden Piston-Rekorders zuzuschreiben war, der bei langsamen und gleichförmigen Volum- änderungen etwas Luft zwischen Kolben und Zylinder durchtreten lässt. Bei der Dichtung des Kolbens durch Petroleum verschwand die Abweichung. Als zweites Verfahren zur Untersuchung der Beweglichkeit des Stromuhrkolbens wurde die Bestimmung der Quotienten Stromvolum/ Druck während eines Pulsschlages in Abständen von 0,1 Sekunden benützt und zwar bei denjenigen Pulsen, bei welchen zwischen Strom- uhr und Widerstand das elastische Schlauchstück (E, der Fig. 2 S. 540) fehlt, das sind die Pulse Nr. 13—18 der Tab. IV S. 550. In diesen ist Proportionalität zwischen Druck und Stromstärke in jedem kleinsten Zeitteilchen zu erwarten !), während in den anderen Ver- suchen die einfache Beziehung durch die Elastizität des Schlauches gestört wird. Der Quotient Stromvolum/Druck X Zeit muss daher bei den erstgenannten einen unveränderlichen Wert haben. Je ge- nauer die Apparate arbeiten, um so kleiner können wir die Zeit- teilchen wählen, in denen der Quotient bestimmt werden soll. Da der Zeitraum von 0,1 Sekunde für die am Arterienpulse zu treffende Entscheidung ausreichend ist, wurde dieser auch für die vorliegende Untersuchung gewählt. Die folgende Tab. VII enthält das Ergebnis der Ausmessung eines Pulses vom Typus derjenigen der Tab. IV Nr. 13—18. Vergleicht man die in Spalte 5 der Tabelle verzeichneten Quo- tienten mit dem mittleren, während des ganzen Pulses gefundenen — 0,0158, so zeigt sich, dass zwar in allen Zeitteilchen Abweichungen vorhanden sind, dass diese sich aber nicht in einer bestimmten Richtung bewegen, sondern bald positiv, bald negativ sind. Bei der Beurteilung der Apparate auf Grund dieser Abweichungen ist zu be- 1) Vorausgesetzt, dass die Proportionalität nicht durch reflektierte Wellen gestört wird; solche waren im Schema mit der benutzten Methode nicht nach- weisbar; die unerwartete Beobachtung wird weiter verfolgt werden. — Zur Vorsicht kann man die Betrachtung auf den von sekundären Wellen freien Teil des absteigenden Schenkels der Druckkurve, d. i. auf die Werte 105 — 35 cm Wasser (Tab. VII) beschränken. 556 K. Hürthle: Tabelle VII. Die Quotienten Stromvolum / Druck Zeit eines Pulsschlages mit den Werten v —= 0,0158; e= 0 in Abständen von 0,1 Sekunden. Ab- Druck- | Mittel- | strom- weichungen Dauer | schwan- druck et Stromvolum | vom mittl. Bemörkun een muog a Druck >< Zeit | © = on 158 Sek. Wasser | Wasseı cem oo fsteigender 0,1 32—200 | 116 0,19 0,0164 a ae 0.06 | 200-209 | 2045 | 019 0.0155 = n ee 0,1 | 209-119 | 164 0,97 0,0165 Ba 0,1. | 119-146 | 132,5 0,20 0.0151 N 0,1 146 — 109 127,5 0,19 0,0149 — 9,1 0,1 109—105 107 0,17. 0,0159 + 0,6 0,1 105—103 104 0,16 0,0154 — 29 0,1 103 — 87 95 0,16 0,0168 + 6,3 0,1 7—-3| 85 0,13 0,0153 ve n30 0,1 83— 77 s0 0,12 0,0150 — 5,1 absteigender 0,1 77— 69 73 0,12 0,0164 + 38 Schenkel der 0,1 69— 64 66,5 0,11 0,0165 + 44 i Druckkurve 0 ee 59 615 0,09 0,0146 an 0,1 59— 53 56 0,10 0,0179 + 13,3 01. |:053 50155145 0.08 0.0155 2.19 0,1 50— 46 48 0,08 0,0167 + 51 0,1 46— 42 44 0,07 0,0159 + 0,6 os | 202502 405 0,07 0,0173 + 95 0,1 39— 35 37 0,06 0,0162 + 2,5 J denken, dass bei der Stromkurve ein Messungsfehler von 0,1 mm einen Fehler von 12°% des v-Wertes darstellt. Nun kommt aller- dings einmal eine Abweichung vom mittleren v-Wert von 13°/o vor, die vielleicht nicht ausschliesslich als Messungsfehler betrachtet werden darf, sondern den Apparaten zur Last gelegt werden muss; in allen anderen Messungen aber halten sich die Abweichungen in solchen Grenzen, dass wir aie Konstanz der Quotienten während des Pulsschlages als bestätigt und die Leistungen der Apparate als aus- reichend betrachten dürfen, um die Beziehung zwischen Druck und Stromstärke im Laufe eines Pulsschlages festzustellen. 3. Systolische und diastolische Stromstärke. In diesem Zusammenhang soll noch der Nachweis für die Richtigkeit der im Abschnitt B (8. 548) angestellten Überlegungen geführt werden, nach welchen die Verteilung des Stromes auf Systole und Diastole wesentlich von der Elastizität des Systems und von der Lage des untersuchten Quersehnittes innerhalb der Bahn abhängt. 997 sI ea] LI BAT IB ea] S BZAT yı enI sl eal S eIA 5 BIA I ea 6 un G eN I en G eAl ; SEN] I el JowumN | ofleqeL sosng sap Sunugqd1lazag dawwmN S 1) © ot Ge! ‘ | aonS = R 2 EL cd e1700 | 86800 II 0 600.0 07 081 | Ss el £0°T #1700 | Ler00 II 0 9T70°0 0.| 081 = EL 10‘T 1850'0 0630°0 I 0 2800°0 0 | 081 2 EL 80T 1800 96800 N 0 8820°0 0, 081 S &L yLl 96100 | 62100 I 0 SETOO 0 | 081 | = EL so 19100 9100 I 0 19100 0 | 08x E ee so rr£0'0 6980°0 II 621000 8F&0°0 087 06 S &$ gl 6720'0 9080.0 u zL100°0 0980°0 08 | 06 = &$ scT 3810°0 6020°0 I 0L700'0 E710°0 08 | 06x E OL sFr 17600 08070 IH 9.000 36700 Et ce ® 0L “cr I aa 8680.0 I 91800°0 9650°0 se Se >= 0% 79 2800°0 66°0°0 I 678.00°0 LE10°0 es | Er r 3 0% © 0 00110 IH 08200 0:70.09 sel T 0 = OL » 0 SFor‘o II 0830'0 88600 se | 0] = 0% @ 0 SOoT‘o I 0820'0 TL100 st | 0x 2) s E (wu) lasareı dJEISLIq 9[078Äg (Zunyorqaop) 2 AUNUoAS 2 gganelyas o[ogsäg = 9y1eIs 3 I9p LOA S I19p : 1107 > PPNappopIW. -wong _ [A 0 „ our] e A9SSIWUNIANG yu91J0nd) wnJoAwong UOA JIOMJON IN -yonejyss © ——— — Ze rn = een _ Ö ‘HpurgsIopiM op pun = yenzusejy Aap Zunge Toq ‘Moyurapoz pun -yonıq Jne U930zaq ‘“Oyayıswmorg uayasıjoserp pun uoyası[oJsäs Aop YLas1oA as) 8 INA 2T194®r = is Bd, 14 lüger’s Archiv für Physiolosie. f 12 558 K. Hürthle: Wir bilden also die Quotierten aus dem systolischen und diastolischen Stromvolum, bezogen auf Druck- und Zeiteinheit in einer Anzahl von Pulsen, in welchen Druck und Stromvolum am Anfang, am Ende oder in der Mitte der elastischen Bahn #£, E, (Fig. 2 S. 540) untersucht wurde. Tab. VIII enthält diese Quotienten in der vorletzten Spalte: Bei den Pulsen 1—3 liegt die elastische Bahn im ganzen stromabwärts von der Stromuhr. Das diastolische Stromvolum ist — 0, der Quotient = & (vgl. Fig. 1 S. 534). Bei den Pulsen 4—6 be- findet sich mehr als ein Drittel der elastischen Bahn zwischen Strom- uhr und Widerstand, der Quotient übersteigt den Wert 6; ausserdem zeigen diese Pulse, dass auch die Stromstärke von Einfluss auf den Quotienten ist in dem Sinne, dass er mit wachsender Stärke kleiner wird (Nr. 5 und 6), eine Erscheinung, welche sich aus den Gleichungen I und II durch Variierung von ® bei unverändertem e ableiten lässt. Dasselbe zeigt sich bei den Pulsen Nr. ”—9; nur sind hier die Quotienten wesentlich kleiner als bei den vorher- gehenden, weil das e des Schlauches kleiner ist (Schlauch von 3,3 mm Durchmesser). Bei den Pulsen Nr. 10—15 endlich, bei welchen eine elastische Strecke zwischen Stromuhr und Widerstand fehlt, ist theoretisch der Quotient 1 zu erwarten; tatsächlich finden wir Werte, die von 1 wenig verschieden sind; die bei Puls 11 auftretende etwas stärkere Abweichung darf man wohl einem Versuchs- oder Messungs- fehler zuschreiben. Somit kommt man auch durch diese Art der Pulsanalyse zu einer durchaus befriedigeenden Übereinstimmung zwischen Theorie und Versuch und darf erwarten, dass auch beim Arterienpuls schon durch diese einfache Analyse der Kurven ein Ein- blick in die Elastizitätsverhältnisse der Bahn gewonnen werden kann. Ill. Kritik der Methode. Die im vorhergehenden angestellten Prüfungen haben zwar zu einem sehr günstigen Urteil über die Leistungen der angewandten Apparate geführt, bringen aber noch keine Bestätigung der im Ab- schnitt B mitgeteilten theoretischen Überlegungen. Der schwache Punkt der letzteren liegt darin, dass der den Einfluss der Schlauch- elastizität darstellende Faktor der Gleichungen I und II (ps—p})e, zunächst nur für statische Verhältnisse gilt; die Berechtigung, ihn auf eine strömende Flüssigkeit anzuwenden, muss daher erst erwiesen werden. Zum Nachweis kann die Feststellung dienen, ob die aus den Pulsen berechneten Elastizitätswerte (e,) den wirklich vorhandenen Über die Beziehung zwischen Druck und Geschwindigkeit des Blutes ete. 559 entsprechen. Welches sind nun die wirklich vorhandenen? In den Tab. IV und V S. 550—551 sind die durch Volumeichung der Schläuche ermittelten (e.-)Werte zunächst als die wirklichen angenommen und mit den e,-Werten verglichen worden; in Spalte 9 sind die prozen- tischen Abweichungen verzeichnet; sie sind 1. erheblich grösser als die Fehler der v-Werte bei denselben Pulsen; 2. zeigt sich in sehr deutlicher Weise ein Einfluss der Stromstärke in dem Sinne, dass die Abweichungen mit wachsender Stromstärke zunehmen und 3. liegen die Abweichungen ausnahmslos in der Richtung, dass die e»-Werte kleiner sind als die e.-Werte. Das Letztere muss von vorn- herein erwartet werden, weil die Beanspruchung der Elasti- zität desSchlauches bei der Eichung in verschiedener Hin- sicht eine andere ist als beim Pulse: Erstens sind die zeit- lichen Verhältnisse verschieden, insofern die Dehnung beim Pulse rascher erfolgt als bei der Eichung, beim Pulse nämjich etwa in 0,1 Sekunden für eine Druckschwankung, zu deren Ausgleich bei der Eichung etwa eine halbe Minute verwandt wird; es ist daher zu erwarten, dass die e,-Werte infolge der Nachdehnung grösser sind als die e,-Werte. Ein zweiter Unterschied besteht darin, dass bei der Eichung alle Punkte des Schlauches sich jeweils unter gleichem Druck befinden, bei den Pulsen aber nicht. Wenn auch wegen der Kürze der benutzten Schlauchstreeken und der Grösse der Fort- pflanzungsgeschwindigkeit der Wellen (20 m experimentell bestimmt) die Druckunterschiede längs des Schlauches gering sind, liegt doch der durch die Gleichsetzung des Druckes entstehende Fehler in gleicher Richtung wie der vorhergehende. Aus diesen Gründen müssen die e,-Werte grösser sein als die e,-Werte, wie es in den Tab. IV’—V tatsächlich der Fall ist. Dabei ist noch davon abgesehen, dass beide Werte Mittelwerte darstellen, welche unter der Voraus- setzung berechnet sind, dass die Kapazität der Schläuche dem Druck proportional sei, eine Voraussetzung, die in Wirklichkeit gleichfalls nicht erfüllt ist. Um nun festzustellen, inwieweit diese Fehler der Elastizitäts- bestimmung die Analyse des Pulses im ganzen beeinträchtigen, wurde eine Reihe von Stromkurven auf Grund der Druckkurven und der aus der Strom- und Druckkurve ermittelten v- und e-Werte be- rechnet und mit der tatsächlich reeistrierten verglichen und der Grad der Übereinstimmung der beiden Kurven als Mass für die Brauchbarkeit der Methode betrachtet. Um den Vergleich anschaulich 38 * 560 K. Hürthle: zu machen, wurden die registrierten Strom- und Druckkurven, deren Punkte in Abständen von 0,02 Sekunden ausgemessen worden waren, in vergrössertem Massstab auf Koordinatenpapier übertragen und die berechneten Kurven in dasselbe System eingetragen; Fie. 4, die eine Verkleinerung des Originals darstellt, gibt ein Beispiel einer solchen Berechnung. Die ausgezogenen Linien stellen die registrierte Strom- und Druckkurve dar; die Ordinaten der vestrichelten Linie als] DEREN EEE ee ii IT es 1 = | Fig. 4 Künstlicher Puls am Schema. Stromstärke I. » = 0,0153; e = 0,0072. Schlauch von 7,3 mm Durchm. Schlauchlängen # 48,5, v 33 cm; unten Druck-, oben Stromkurve. (v-Kurve) sind die Produkte 9,:-©-t der Gleichungen Ia und IIa (S. 538), die Ordinaten der punktierten Linie (e-Kurve) die Produkte (Ps—pı)e; diese Kurve ist derart gezeichnet, dass die systolischen Werte über, die diastolischen unter einer gemeinschaftlichen Abszisse aufgetragen sind. Durch algebraische Summierung der v- und e-Kurve erhält man die berechnete Stromkurve (—- — - —..— Linie). Der Vergleich der letzteren mit der registrierten Kurve ergibt nun eine sehr befriedigende Übereinstimmune. Nur im Anfang des Stadiums des steigenden Druckes bleibt die registrierte Stronikurve ausnahmslos gegen die berechnete zurück, eine Erscheinung, welche Über die Beziehung zwischen Druck und Geschwindigkeit des Blutes etc. 561 wahrscheinlich auf die sehr viel geringere Empfindlichkeit der Strom- uhr im Vergleich zum Manometer zurückzuführen ist. Bei der Ausmessung der Pulse fällt nämlich die bisher nicht erwähnte Erscheinung auf, dass die Strompulse eine Verspätung gegen die Druckpulse zeigen (s. Taf. IX), obgleich die Über- tragung des Druckes auf das Manometer Zeit erfordert und strom- abwärts vom Kolben, dessen Bewegung registriert wird, erfolgt. Die Differenz beträgt etwa 0,02 Sekunden. Da bei dieser Anordnung das Manometer keinen Ausschlag ohne vorhergehende Beweeung des Stromuhrkolbens geben kann, muss eine wirkliche Verspätung als unmöglich angesehen und die Erscheinung auf die verschiedene statische Empfindlichkeit der beiden Instrumente zurückgeführt werden. Bei gleicher Flüssigkeitsverschiebung ist die Grösse des Ausschlages direkt proportional der angewandten Ver- erösserung und umgekehrt dem Querschnitt, wenn beide Apparate sich in einer geschlossenen Bahn befinden. Danach ist die Empfind- lichkeit des Manometers (Vergrösserung 250; Querschnitt 20 qmm) etwa 3000 mal grösser als die der Stromuhr (Vergrösserung zweifach; Querschnitt 500 qmm). Man kann daher nicht zweifeln, dass die Ver- spätung der Stromuhr auf einer technischen Unvollkommenheit beruht. Im weiteren Verlauf folgt die berechnete Stromkurve der regi- strierten so genau, und die Abweichungen zwischen beiden sind so gering, dass die Inkonstanz der Elastizität und die Fehler in der Be- stimmung des e-Wertes nicht von wesentlicher Bedeutung sein können!). Eine Übereinstimmung der Art und Grösse, wie sie das vorliegende Beispiel zeigt, wurde bei alien Vergleichen (zehn Pulse mit ver- schiedenen v- und e-Werten) gefunden. Die in Abschnitt B geschilderte Analyse der Druck- und Stromkurve darf daher als eine dem vor- liegenden Zweck genüsende angesehen werden. D. Die Tierversuche. I. Die Anwendbarkeit der Methode auf den Blutstrom. Die Frage, ob die im Vorhergehenden angestellte Analyse des Pulsschlages auf den Arterienpuls übertragen werden darf, hängt in erster Linie davon ab, ob die wesentlichen Eigenschaften der Blut- 1) Dass die Abweichung trotz der Ungenauigkeit der e-Bestimmung gering ist, erklärt sich daraus, dass der mittlere Wert von e wesentlich kleiner ist als v und dass die Abweichungen vom mittleren Wert innerhalb der vorkommenden Druckschwankungen auch relativ klein sind. 962 K. Hürthle: bahn in dem gebrauchten Schema verwirklicht sind. Auf diese Frage lässt sich aber eine bestimmte Antwort nicht geben, weil die Eigen- schaften der Blutbahn nicht ausreichend bekannt sind. Als wesentlich erscheint mir in dieser Hinsicht die Frage nach dem Gefälle der arteriellen Blutbahn: Bilden die Kapillaren im histologischen Sinne den Hauptwiderstand der Bahn, demgegenüber der Widerstand des präkapillaren Gebietes verschwindet oder nicht? Und ferner: Ist der Hauptwiderstand unveränderlich ? Was die letztere Frage betrifft, so liest die Möglichkeit vor, dass der Widerstand im Laufe eines Pulsschlages aus physikalischen und physiologischen Ursachen eine Änderung erfährt. Eine physi- kalische Wirkung könnte in Form einer Dehnung durch die pulsatorische Drucksehwankung zustande kommen; letztere wird aber schon im präkapillaren Gebiet infolge der Reibung und der Zunahme des Gesamtquerschnittes sehr gering und verschwindet in den eigent- lichen Kapillaren vollständig, wie aus der Gleichförmigkeit der Strömung in letzteren geschlossen werden kann. In den Kapillaren selbst ist also eine Änderung des Widerstandes durch elastische Dehnung unter gewöhnlichen Bedingungen nicht anzunehmen; für das präkapillare Gebiet bleibt dies fraglich. Ferner liegt die Mög- liehkeit einer Änderung des Tonus im Laufe eines Pulsschlages für das ganze Gefässgebiet vor. Wegen der relativen Langsamkeit der Tonusschwankungen darf man aber annehmen, dass der Wider- stand im Laufe eines Pulsschlages in den Fällen konstant sei, in welchen keine die Vasomotoren treffenden Eingriffe vorgenommen werden, und mit Sicherheit kann man auf das Gleichbleiben der Widerstände schliessen, wenn das Verhältnis von Druck und Strom- volum in zwei aufeinanderfolgenden Pulsen unverändert geblieben ist. Dieselbe Überlegung gilt auch für die Konstanz der Viskosität im Verlaufe eines Pulsschlages. Wesentlich unsicherer lautet die Antwort auf die andere Frage, ob das Gebiet der eigentlichen Kapillaren den Hauptwiderstand der Bahn darstellt oder nieht. Nach älteren Beobachtungen ist der Druck- verlust von der Aorta bis in das präkapillare Gebiet ein sehr geringer '), 1) Volkmann, Hämodynamik S. 168. — v. Schult&n, Experim. Unter- suchungen über die Zirkulationsverhältaisse des Auges und über den Zusammen- hang zwischen den Zirkulationsverhältnissen des Auges und des Gehirns. Arch. f. Ophthalm. Bd. 30 S. 30. 1884. — Roy and Brown, The Blood-Pressure and its variations in the arterioles, cavillaries and smaller veins. Journ. of Physiol. vol.2 p. 323. 1879. Über die Beziehung zwischen Druck und Geschwindigkeit des Blutes ete. 563 und Ad. Fiek!) hat sogar den Hauptdruckverlust in den Über- gang der Kapillaren in die Venen verlest. Diesen Angaben stehen andere gegenüber, nach welchen der Druckverbrauch auf der arteriellen Seite ein recht erheblicher ist. Nach den Untersuchungen v. Kries’?) beträgt der Druck in deu Kapillaren der menschlichen, in der Höhe des Herzens gehaltenen Hand etwa ein Drittel des arteriellen, und die neueren bei mikroskopischer Beobachtung der Kapillaren ausgeführten Untersuchungen von Lombard?) bestätigen die Angabe. Ferner berechnet B. Lewy*), dass nur etwa der vier- zehnte Teil des ganzen Blutdruckes für die eigentlichen Kapillaren verbraucht werde, und nach Bogomolez°), der den Druck durch Einstechen feiner Hohlnadeln in kleine Arterien mass, „beträgt das Sinken des Blutdruckes ‚auf der Strecke von der Arterie carotis communis bis zum Arcus der Arterie auricularis media 119 mm He, was 89,5 °/o des Druckes ausmacht, der vom Herzen entfaltet wird“. Ich bin jedoch, namentlich mit Rücksicht auf die Angabe vou Schulten’s über den Blutdruck in der Arteria ophthalmica, nicht über- zeugt, dass dieser Druckverlust der normale Wert ist, sondern halte es für möglich, dass er durch eine Kontraktion der kleinen Gefässe veranlasst ist, welche durch das Einstossen der Kanüle ausgelöst wird; ich habe nämlich gelegentlich beobachtet, dass nach dem Einlegen einer Kanüle in die Radialarterie des Hundes das mit der Kanüle verbundene Manometer keinen Puls zeigt, ja, dass die Arterie, wenn sie unterbunden und zentral von der Ligatur angeschnitten wird, überhaupt nicht blutet. Aus diesem Grunde kann ich den Versuchen von Bogomolez eine entscheidende Bedeutung nicht beimessen und betrachte die Frage nach dem Gefälle des Blutstromes in der arteriellen Bahn als eine ungelöste. 1) Ad. Fick, Über den Druck in den Blutkapillaren. Pflüger’s Arch. Bd. 42 S. 482. 1888. 2) N. v. Kries, Über den Druck in den Blutkapillaren der menschlichen Hand. Ber. d. kgl. sächs. Gesellsch. d. Wissensch., math.-physik. Klasse, 16. Juni 1875. x 3) Warren Plimpton Lombard, The blood-pressure in the arterioles, capillaries and small veins of the human skin. The Americ. Journ. of Phys. vol. 29 p. 335. 1912. 4) Benno Lewy, Die Reibung des Blutes. Pflüger’s Arch. Bd. 65 S. 447. 1897. 5) A. Bogomolez, Über den Blutdruck in den kleinen Arterien und Venen usw. Pflüger’s Arch. Bd. 141 S. 118. 1911. 564 K. Hürthle: Man kann also nicht sagen, ob das gebrauchte Schema die für den vorliegenden Zweck wesentlichen Eigenschaften der Blutbahn enthält, und darf die theoretischen Überlegungen nur mit Vorsicht auf den Arterienpuls übertragen. II. Vergleich der systolischen und diastolischen Stromstärke. Eine Analogie der Blutbahn mit der Einriehtung des Schemas lässt sich aber doch durch den Vergleich der systolischen und dia- stolischen Stromstärke feststellen. Nach den früheren Auseinander- setzungen (s. S. 535) ist zu erwarten, dass das Verhältnis der diastolischen zur systolischen Stromstärke), beide auf Druck- und Zeiteinheit bezogen, in den Arterien grösser als 1 ist, wenn die untersuchte Bahn ein elastisches System darstellt, an dessen Ende sich ein Widerstand befindet; von der Elastizität dieser Bahn hängt die Verteilung der Stromstärke auf Systole und Diastole ab. Re- sistriert man z. B. Druck und Stromstärke in Karotis oder Cruralis, so stellt die Aorta den Hauptwindkessel dar (entsprechend dem Schlauch E, des Schemas S. 540), während das peripher von der Stromuhr gelegene Gefässgebiet dem zweiten elastischen Faktor E, entspricht. Mit der Dehnbarkeit des letzteren wächst die systolische Stromstärke im Vergleich zur diastolischen. Tabelle IXa und b (8. 565) enthält die notwendigen Angaben zum Vergleich der systolischen und diastolischen Stromstärke in Karotis und Cruralis verschiedener Hunde ?). In Spalte 5 sind die gemessenen Stromvolumina ohne weiteres miteinander verglichen; man sieht, dass der Quotient gewöhnlich kleiner als 1 ist, aber auch grösser werden kann. Das hängt von der Dauer der Systole und Diastole ab; je kleiner die letztere im Vergleich zur ersteren ist, desto srösser wird dieser Quotient. Bezieht man aber das registrierte Stromvolum auf Druck- und Zeiteinheit (Spalte 6 und 7) und bildet dann den Quotienten aus beiden (Spalte 8), so ist dieser ausnahmslos grösser als 1. Dieses Verhalten zeigt, dass die Strömung in den Arterien von der Elastizistät der Bahn in gleicher Weise beeinflusst wird wie im Schema und berechtigt dazu, die am Schema durch- geführte Analyse des Pulsschlages auch auf den Blutstrom anzuwenden. 1) Wie schon früher wird im Folgenden der Kürze halber, allerdings nicht ganz genau, mit systolischer und diastolischer Stromstärke die im Stadium des aufsteigenden bzw. des absteigenden Schenkels der Druck- kurve gemessene bezeichnet. 2) Über die Versuchsanordnung siehe den folgenden Abschnitt. Ne) ‘Sp wur (T te) = 60 1 6830°0 1920°0 = S 586 “720 dgl { 2 981.2 12100 5 86.0 10 eG Bee = 9a | 98200 some | 6rro 0 1900 | Gun a0 500 a a 08ET | Zee | Fr80i0 ee‘ aıL ine | 810 LrL gE°0 o0' A| te tea Sa | 612000 7 18a0: 608,0 0ET 2 | 10 2 || ae m © = a 0.0 26T ne &91 0,0 rAahlı) er ee 3 zur | so | 100 | sro le a 00 | ser-cor | tor mes S, e9L I 82100 0800 1201 an O 670 3<1 Te0 200 er ua Aue = &60 680 F91 co Io o OT6T "20 "TG = opunp 1ouopaıyosıoa sıpeanag aap ur (q 95T N OI6T mp '% 2 an aa ae | en ar | © a 3910 STE0°0 96, | N : I 280) i Re ee 2 0er | 000 | «zo | z8co m 90 |, 080 | we |orer ma ae! £L000 88100 2970 ann e ‘ 98700 08500 79F0 ‘ | 50 SI | 0 70 ge) “ SI = IcET | 068100 0820'0 gar‘ SIT E90 u ’ st =9€ | O0T61 62 ‘ 3 | 07 0 ‘ | vgl 160 —66 : Rn en | ee 050 81-0 | 0161 rung 6 5 0297] ?12.000 91100 ge ( GIT 0 830 GLl 9E0 020 ar: I61 k f 68 E 1 1c0 090 I Gyel 080 len, OTGL Aa 92 je opunp APu9p9Iy9asA9A SITIOABY a9p ur (e 6061 'Suy 'e N . 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Zum anschaulichen Vergleich sei bemerkt, dass ein gewöhnlicher Gummischlauch von 3 mm Lumen, 0,7 mm Wandstärke und etwa 35 cm Länge den Wert e — 0,002 hat. Genau vergleichbar sind die e-Werte von Karotis und Cruralis übrigens nicht, da sie nicht in allen Fällen vom gleichen Tiere stammen und auch der Ort der Einsetzung der Stromuhr bei der Karotis (mehr oder weniger vom Thoraxeingang entfernt) von Einfluss auf den Wert ist. Schliesslich ist zu bemerken, dass wir bei der e-Berechnung aus Strom- und Druckpuls mit der Möglichkeit eines Fehlers bis zu 20 °/o rechnen müssen (s. III S. 558). Für die theoretische Berechnung der Stromkurve fällt dieser Fehler nicht sehr ins Gewicht. weil die e-Werte im Vergleich zu den v-Werten klein sind. Tabelle X. Die Werte von v und ein der Arterie Karotis und Cruralis verschiedener Hunde aus je einem Pulsschlag bestimmt. a) Karotis Körper- ; Durchmesser Nummer gewicht u © e der Arterie kg cm Wasser im Lichten 3 18 | 178 0,020 0,0140 — 4 20 124 0,045 0,0047 3,2 5 10 107 0,020 0,0028 32 7 20 126 0,033 0,0025 4 6) 12 116 0,020 0,0040 32 9 10,5 135 0,027 0,002 3 10 15 156 0,020 0,0050 3,8 11 12,5 128 0,024 0,0027 — 13 24 120 0,027 0,0038 —= Mittel |] — | ur | 770.026 PT] 0.0047] = b) Cruralis. 4 20 | 146 0,024 ji 0,0082 3,6 8 12 121 0,028 0,0013 B) 10,5 143 0,022 0,0006 — 16 17 109 0,027 0,0019 2,7 13 24 135 0,024 0,0024 = 14 21 143 0,013 0,0014 3,94— 3,44 le: 16 3 0,024 0,0003 4 me NT Par raene = Uber die Beziehung zwischen Druck und Geschwindigkeit des Blutes etc. 567 III. Allgemeine Bemerkungen über die Tierversuche. Sämtliche Tierversuche sind an Hunden in Morphium- und Äther- narkose angestellt und auf die Untersuchung des Blutstromes in Karotis und Cruralis beschränkt. In einer Anzahl von Versuchen wurde der Herzschlag während der Reeistrierung der Pulse durch Vagusreizungen verlangsamt. Bei manchen Cruralisversuchen wurde die Stromuhr auf beiden Seiten eingesetzt, auf einer nach Durch- schneidung der Nerven der hinteren Extremität, auf der anderen bei unversehrten Nerven. Über die Verbindung der Arterien mit der Stromuhr ist in der technischen Abhandlung (S. 516) das Nötige gesagt. Beispiele der registrierten Kurven sind in den Fig. 2—4 Taf. IX mitgeteilt (Erklärung S. 581). Die fertigen Kurven wurden unter dem Koordinatensmesser in Abständen von 0,02 Sekundeu gemessen, daraus Druckschwankung (P—P,), Mitteldruck (Pp.), Dauer (£) und Stromvolum () für Systole und Diastole berechnet und die Werte von v und e aus den Glei- chungen I und II (S. 537) unter der Voraussetzung berechnet, dass die !ehnbarkeit der peripheren Bahn eine gleichförmige und die Stromstärke im Kapillargebiet dem Druck proportional sei. Zur Ausmessung wurden teils normale, teils Vaguspulse benutzt. Unter den normalen wurden solche ausgewählt, bei welchen das diastolische Minimum auf die Höhe des systolischen oder tiefer sank. Bei den Vaguspulsen wurden die v- und e-Werte nicht aus dem ganzen Pulse berechnet, sondern nur aus dem über dem systolischen Minimum liegenden Abschnitt. Einige Beispiele der Messungsergebnisse sind in der Tabelle XI (S. 563) zusammengestellt. Die in Spalte 3 und 4 verzeichneten v- und e-Werte sind aus den in den Spalten I und II mitgeteilten, durch Ausmessung der Kurven erhaltenen Werten berechnet: » ist der mittlere Wert der Stromstärke pro Druck- und Zeiteinheit (Zentimeter Wasser, Se- kunden), e der mittlere Wert der kubischen Dehnbarkeit der Bahn für die Druckdifferenz von 1 cm Wasser. 1V. Die Beziehung zwischen Druck und Stromstärke in der Karotis und Cruralis. Um die im Laufe der pulsatorischen Druckschwankung vorhandene Beziehung zwischen Druck und Stromstärke festzustellen, wurde an einer grossen Zahl von Karotis- und Cruralispulsen die Stromkurve K. Hürthle 568 n el 9 re een 0 | 0502 91T 71892901012 1000:02 [2 250,0 I Se eo 86I | 20T | 18 —a9l | Er0 8370 | 8El | 91-82 800 | 20000 | zr0‘o IL Dal Er Bel ee 77,02 77,002 TEL eelzzar 780,021 1000,02 1-2 170,0 ji wi | 07 | % en £ 9fogsäg "I r & 3 I 9704SeIq] "II -UHAINFJWOLS PUN -NONICT UOA HNO MA UOPULI9IIN pun uauassames dop afordstag IX SHIT IE LE Über die Beziehung zwischen Druck und Geschwindigkeit des Blutes etc. 569 aus der registrierten Druckkurve und den durch Auflösung der Gleichungen I und II ermittelten v»- und e-Werte in derselben Weise berechnet und konstruiert, wie es im Abschnitt €. III. S. 558 für die künstlichen Pulse beschrieben worden ist. Fig. 5 stellt einen in dieser Weise rekonstruierten normalen Karotis-, Fig. 6 S. 570 einen normalen Oruralispuls dar. In Fig. 7 ist ein Cruralispuls mit einer durch Vagusreizung verlängerten Diastole dargestellt. In den Fig. 5—7 stellen die ausgezogenen Linien die durch Manometer und Stromuhr registrierten Kurven, die gestrichelten die v-Kurven!), die | — Fig. 5. Druck- und Stromkurve der Karotis eines Hundes von 10 kg. v = 0,0059. e = 0,004. punktierten die e-Kurven?) und die aus Punkten und Striehen zu- sammengesetzten die algebraischen Summen der »- und e-Kurven, d. i. die berechneten Stromkurven dar. Der Vergleich der berechneten mit den registrierten Stromkurven zeigt nun bei den normalen und bei den Vaguspulsen regelmässig wiederkehrende, typische Abweichungen folgender Art: 1) Die v-Kurve stellt den Verlauf des Stromvolums dar unter der Voraus setzung, dass die Stromstärke dem registrierten Druck proportional und die Strombahn starr ist. 2) Die e-Kurve stellt die Kapazitätszu- bzw. -abnahme der zwischen Strom- uhr und Kapillaren gelegenen Bahn unter der Wirkung des registrierten Druckes dar unter der Voraussetzung der Proportionalität zwischen Druck und Kapazität. 570 K. Hürthle: | 440 m Sn | | — T ins | | ! wo. Ser Fig. 6. Versuch vom 8. Juli 1911. Hund 24 kg. Rechte Cruralis, äusserer em Wasser x ” S Durchmesser 4 mm. Nerv. ischiad. und crur. durchschnitten. — — — v-Kurve. 000000 e-Kurvre.e 0—0—0o v- +e-Kurvee. ——— registrierte Kurve. een] : Sam — ea Sr 3 -— Ben < OD -. T = =— Dem — = I! ? 2] E um so 3 a = nrananoTo Sp | a ee ER {1 | 40 —— (pvaaı [0a (mama Te [Eamılyapeı tra Tune TogsaTamprl =] 4140 H— 4 | 4 A | Seil es IEEEEMDSE 4100 == ud! 80 4 [el= } | = yo | | IEIER Zt A 3 —Lol — a HH so [2 5 1 Sch. 2 Sch. Fig. 7. Versuch vom 29. Juli 1911. Hund.16 kg. Cruralis dext. Nerv. .ischiad. und crur. durchschnitten. Vagusreizung. © —= 0,0170. e= 0,0032. — — — v-Kurve. 000000 eKurve. 0—0— 0 ü- + e-Kurvre. ——— registrierte Kurve. Über die Beziehung zwischen Druck und Geschwindigkeit des Blutes etc. 571 1. Im Stadium des wachsenden Druckes bleibt die registrierte Stromstärke gegen die berechnete in ähnlicher Weise zurück, wie wir es bei den künstlichen Pulsen gesehen haben (Fig. 4 S. 560). 2. Eine entgegengesetzt gerichtete Abweichung zeigen dienor- malen Pulse am Beginn der Drucksenkung; hier wird die reci- strierte Stromstärke grösser als die berechnete. Diese Erscheinung wurde bei den Karotispulsen mit wenigen Ausnahmen und bei allen Cruralispulsen beobachtet, bei ersteren meist weniger ausgesprochen als bei letzteren. 3. Eine dritte ganz regelmässige Abweichung zeigt sich bei den Vaguspulsen und ist derart, dass im späteren Abschnitt der dia- stolischen Drucksenkung die registrierte Stromkurve erheblich hinter der berechneten zurückbleibt (s. Fig. 7). Mit Rücksicht auf diese Abweichungen der berechneten von der registrierten Stromstärke unterscheide ich der Kürze halber am Puls- schlag im folgenden drei Stadien: a) Stadium des steigenden Druckes, b) Stadium des sinkenden Druckes bis zur der Höhe des systo- lischen Minimums, e) Stadium des sinkenden Druckes vom systolischen Minimum abwärts. | Was ist die Ursache dieser Abweichungen ? Bei dieser Frage beschränken wir uns auf die unter 2. und 3. genannten Punkte, da die erste auch bei den künstlichen Pulsen beobachtete Abweichung schon im Abschnitt C. III. S. 561 besprochen worden ist, und man annehmen darf, dass die Ursache der Abweichung die gleiche ist wie bei den künstlichen Pulsen, und dass keine für den Blutstrom charakteristische Erscheinung vorliegt, wie wir sie für die folgenden annehmen müssen. Ad 3. Was die bei den Vaguspulsen beobachtete Abweichung betrifft, so sei zunächst daran erinnert, dass zur Berechnung der v- und e-Werte nicht die ganze Kurve benutzt wurde, sondern nur die über dem. systolischen Minimum liegende Druck- schwankung (in Fig. 7 der über dem Druck von 100 em Wasser liegende Teil), dass aber die so ermittelten v- und e-Werte auch für die Berechnung des unter dem systolischen Minimum liegenden Ab- schnittes (des dritten Stadiums) der Druckkurve benutzt wurden. Es wurde also angenommen, dass Elastizität und Widerstand der 572 K. Hürthle: Bahn während des ganzen Pulsschlages konstant geblieben sei. Diese für das Schema zulässige Annahme erweist sich aber für die Blutbahn als nieht zutreffend. Unter den für die Erklärung der Abweichung in Betracht kommenden Ursachen ist in erster Linie der Venendruck zu nennen. Unter gewöhnlichen Umständen kann dieser nach allen vorliesenden Beobachtungen im Laufe eines Pulsschlages als konstant betrachtet werden. Allein bei Verlangsamung oder Stillstellung des Herzschlages steigt der Druck im Stadium der Diastole und bewirkt dadurch eine relative Abnahme des Gefälles zwischen Arterien und Venen, die mit einer Abnahme der Stromstärke einhergehen muss; es fragt sich daher, ob die Steigerung des Venendruckes gross genug ist, um die in Rede stehende Differenz zu erklären. Zur Beant- wortung dieser Frage wurde in zwei Versuchen der Venendruck gleichzeitig mit der Strom- und Druckkurve durch ein Federmano- meter registriert und in einen weiteren Versuche der Druck in der Cruralvene während der Vagusreizung an einem Flüssiekeitsmanometer beobachtet. Bei der ersten Registrierung war die Stromuhr in die rechte Cruralarterie eingesetzt, während die endständige Venenkanüle in einen oberflächlichen Seitenast der linken Cruralvene in der Mitte des Oberschenkels eingebunden war, da der Raum auf der rechten Seite durch die Stromuhr in Anspruch genommen war. Bei der Vagusreizung war der Venendruck, der am Beginn des Pulses 3 em Wasser betrug, am Ende der zweiten Sekunde nur um ] em Wasser gestiegen (Mittel aus zwei wenig differierenden Messungen). Ein ähnliches Ergebnis hatte der zweite an der linken Karotis ausgeführte Versuch, bei welchem die Venenkanüle in einem Seitenast der Vena max. ext. derselben Seite lag. In einem dritten Versuch wurde eine Kanüle durch die Crural- vene bis zum Eingang in die Bauchhöhle vorgeschoben und mit einem Flüssigkeitsmanometer verbunden. Bei den 2—3 Sekunden dauernden Herzstillständen stieg der Druck von etwa 5 auf 12—15 mm einer 10 ”/oigen Maenesiumsulfatlösung. Alle Messungen sind bei horizontaler Lagerung des Tieres vorgenommen und zeigen überein- stimmend, dass die bei kurzdauerndem Herzstillstand eintretende Steigerung des Venendruckes weniger als 2 cm Wasser beträgt. Die bei den Vaguspulsen auftretende Differenz zwischen der berechneten und der registrierten Stromstärke setzt aber schon etwa eine halbe Sekunde nach dem Beginn des Pulses ein und ist so bedeutend, dass, Über die Beziehung zwischen Druck und Geschwindigkeit des Blutes etc. 573 wenn sie aus einer Änderung des Gefälles erklärt werden sollte, eine Steigerung des Venendruckes wenigstens um das 10—20 fache nn ‚ der gemessenen Beträge nachgewiesen werden müsste; die Abnahme der- Stromstärke im diastolischen Teil der Vaguspulse wird also durch das Verhalten des Venendruckes nieht erklärt. ‘Von den zur Erklärung anzuziehenden Eigenschaften der Gefässbahn kommen die Elastizität und der Widerstand in Be- tracht. Die Wirkung der Elastizität kann man sich in zwei- facher Art vorstellen, nämlich 1., insofern sie die Kapazität der strom- abwärts von der Uhr gelegenen Bahn, also den e-Wert der Pulse beeinflusst, 2. in der schon oben (S. 562) als möglich bezeichneten Weise, dass sie den Widerstand der Bahn, also die v-Werte verändert. Will man die fragliche Abweichung auf eine Kapazitätsänderung der Bahn zurückführen, so muss man annehmen, dass der e-Wert (das der Bahn) innerhalb der physiologischen Grenzen des Blut- druckes sehr starken Änderungen unterliegt und mit sinkendem Druck ganz erheblich (um das Zwei- bis Dreifache) grösser wird. In diesem Falle würden die Ordinaten der e-Kurve in Fig. 7 mit sinkendem Druck wesentlich grösser werden und die durch die Kapillaren ab- fliessende Menge mehr und mehr aus der Kapazitätsabnahme der zwischen Stromuhr und Kapillaren liegenden Bahn gedeckt werden. Eine solehe Annahme lässt sich aber mit den Erfahrungen über die Elastizität der Blutgefässe nicht vereinigen. Nach den Angaben mancher Autoren, z. B. von Marey, wird zwar die Dehnbarkeit mit abnehmendem Druck grösser, doch ist die Änderung der Elastizität _ sehr viel geringer, als zur Erklärung der vorliegenden Abweichung erforderlich wäre. Eine Zurückführung der beobachteten Differenz auf eine Änderung der Kapazität der Gefässbahn ist daher ebenso- wenige möglich wie eine Zurückführung auf das Verhalten des Venen- druckes. Somit bleibt zur Erklärung der Abnahme der Stromstärke nur die Annahme übrige, dass der v-Wert im Verlaufe des Pulsschlages nieht konstant bleibt, sondern im diastolischen. Abschnitt kleiner, d. h. dass der Widerstand mit sinkendem Druck grösser wird. Diese Annahme hat von vornherein nichts Unwahrscheinliches, sondern lässt sich auf die Elastizität der Bahn zurückführen, deren Querschnitt unter dem Einfluss des Druckes sich derart ändert, dass er mit sinkendem Druck abnimmt. Der grundsätzlichen Erklärung der Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd. 147. 39 ">74 K. Hürthle: Änderung des Widerstandes unter dem Einfluss des Druckes steht also nichts im Wege; es erheben sich aber Schwierigkeiten, wenn man fragt, welcher Teil der Bahn den Widerstand darstellt, der einem pulsatorischen Wechsel unterliegt; in die eigentlichen Kapillaren kann man ihn kaum verlegen, weil Strom und Druck in diesen als konstant betrachtet werden, allerdings nur unter normalen Ver- hältnissen und nicht bei Vaguspulsen, bei denen der Strom und somit auch der Druck rhythmisch wird. Weahrscheinlicher ist aber, dass im präkapillaren Gebiet, in welchem‘ ja schon bei normalem Herzschlag erhebliche Schwankungen des Druckes und der Ge- sehwindigkeit vorkommen, die Änderung des Widerstandes vor sich seht. Eine Entscheidung zwischen diesen Möglichkeiten ist übrigens für den vorliegenden Zweck nicht von Belang, denn man ist unter allen Umständen zu der Annahme berechtigt, dass bei Vaguspulsen in der arteriellen Bahn, vielleicht einschliesslich der Kapillaren, Sehwankungen des Druckes und Gefässquerschnittes vorkommen, die eine Änderung des Widerstandes zur Folge haben. Damit kommen wir zur quantitativen Seite der Frage: Lässt sich die Grösse der Querschnittsänderung aus den registrierten Kurven ermitteln ? Der zur Erklärung der Widerstandsänderung erforderliche Wechsel des Querschnittes lässt sich unter gewissen Voraussetzungen aus den registrierten Kurven in relativ einfacher Weise bestimmen. Dazu sind folgende Annahmen nötig: 1. die Stromstärke wäre in den verschiedenen Zuständen der arteriellen Bahn jeweils dem Druck proportional, wenn die Bahn starr wäre; 2. die Kapazität der arte- riellen Bahn ist innerhalb der physiologischen Grenzen dem Druck proportional; 3. die Stromstärke wächst, wie im Poiseuille’schen Gesetz, proportional der vierten Potenz des Röhrenradius. Es sei nun der Inhalt der arteriellen Bahn, die wir uns durch eine gerade, zylindrische Röhre vom Radius x und der Länge / dar- gestellt denken können, beim Druck0O JA=r®rzl=]1 der Radius = r, 1 V 1 2 ee ——— — E ee 1(14,) — a ne IE, » » p Ina (1+2) la so ist die Ausflussmenge beim Druck p: Über die Beziehung zwischen Druck und Geschwindigkeit des Blutes etc. 575° 23 Un (! +2) t SP PARAT) 2 — ( +2) Di: (« = ei Der Wert von » lässt sich nun aus den registrierten Kurven be- rechnen: Bestimmt man an zwei verschiedenen Stellen des dia- stolischen Kurvenverlaufes die Zeiten ?, und t, und die zugehörigen Mitteldrucke p, und p,, in denen gleiche Strommengen V,, und Ion den untersuchten Querschnitt passieren, so ist Po\? P), = @Par0“ (\ ar be) tg BR 4 Pı 2 V,, = apıra. \1l+ FT ti, und da Va — pa 2 2 Pareo“ (1 +2) bg = Pro“ (\ +2) tı a pıVYrtı — Pa Vps ts — a (VD) Vp; tg — Vp tı Vier auf diese Weise berechnete »-Werte ergaben für die Karotis 150 und 172, für Cruralis 190 und 260, d. h. also, die fragliche diastolische Abnahme der Stromstärke erklärt sich unter der An- nahme, dass bei der Senkung des Druckes um 1 cm Wasser der jeweilige Inhalt der Bahn um !/ıso—!/eco abnimmt. Mit Hilfe des n-Wertes wurde nun an einem Karotis- und einem Cruralispulse der Verlauf der Stromstärke nach der Formel III berechnet; in beiden Fällen ergab sich eine gute Übereinstimmung mit der reeistrierten Kurve (abgesehen von der gleich zu besprechenden Abweichung im Stadium II des Pulses). Der berechnete Cruralispuls ist in der oben angegebenen Weise rekonstruiert und in Fig. 8 (auf folgender Seite) abgebildet. Diese bringt anschaulich zum Ausdruck, dass man sich durch die Hypothese der Zunahme des Widerstandes mit sinkendem Druck die Abnahme der Stromstärke im diastolischen Teil der Vagus- pulse in ganz befriedigender Weise erklären kann. Konsequenterweise muss man natürlich auch für die gewöhnlichen Pulse eine Abhängigkeit des Widerstandes vom Druck annehmen, und wir haben im Folgenden zu untersuchen, ob etwa die im 39 * 576 K. Hürthle: zweiten Stadium des Pulses beobachtete Abweichung davon herrührt. Da sich zeigen wird, dass dies nicht der Fall ist, muss man zugeben, dass die fragliche Beziehung bei den gewöhnlichen Pulsen nicht festzustellen ist. Das erklärt sich aber daraus, dass bei der relativ kleinen Druckschwankung in der kurzen diastolischen Phase der Normalpulse die Widerstandsänderung nicht, gross genug ist, um in der Stromkurve deutlich hervorzutreten. x \ v er as ee all en Warner Ss El Fee 18] l 2 0,5 10 Sch. 45 Fig. 8. Druck- und Stromkurve von der Art. cruralis eines Hundes von 11 kg. Vagusreizung. ® — 0,019. e = 0,0012. die registrierten Kurven. — — — — die nach Formel III berechnete »-Kurve. 000000 e-Kurve. 0—0—0 v- + e-Kurve. Ad 2. Die mit Beginn der Drucksenkung auftretende Abweichung besteht in einem Anschwellen der Strom- stärke über den berechneten Wert hinaus (Stadium 1—2 der Fig. 5—8). Die Unterschiede zwischen dem mittleren v-Wert des Pulses und dem registrierten gehen bei den Karotispulsen bis 20°/o, bei den Cruralispulsen bis 50 %o. Man wird zunächst wieder fragen, ob diese Erscheinung aus den Eigenschaften der Bahn erklärt werden kann und in erster Linie an die im Vorhergehenden besprochene Abhängigkeit des Über die Beziehung zwischen Druck und Geschwindigkeit des Blutes ete. 577 Widerstandes vom Druck denken; denn die fragliche Abweichung hat sich ja bei der Voraussetzung ergeben, dass der Widerstand während des Pulsschlages konstant sei; es ist daher möglich, dass sie verschwindet, wenn man den Widerstand mit steigendem Druck abnehmen lässt. Zur Prüfung dieser Möglichkeit wurde an zwei Vaguspulsen die v-Kurve nach der Hypothese berechnet, dass der Widerstand der Bahn in der durch die Formel III S. 575 aus- gedrückten Weise vom Druck abhängt. Die etwas umständliche Berechnung ergibt, dass auch unter dieser Annahme die registrierte Stromstärke am Anfang der Diastole noch wesentlich (bis 40 %o) grösser ist als die berechnete, wie aus Fig. 8 hervorgeht, in welcher das Ergebnis der Berechnung bei einem der Cruralispulse graphisch dargestellt ist. Auch diese Differenz ist noch grösser, als dass sie einem Fehler der Registrierung oder Messung zugeschrieben werden dürfte; wir können die relative Zunahme der Stromstärke daher nicht auf eine durch die HRlastizität der Bahn bedingte Änderung des Widerstandes zurückführen. Die Elastizität der Bahn könnte aber noch in anderer Weise die beobachtete Abweichung herbeiführen, nämlich dadurch, dass die Volumelastizität (der e-Wert) inkonstant ist. Um die Abweichung damit zu erklären, müsste man annehmen, dass der e-Wert mit Beginn des Druckabfalles verschwindend gering wird; dann würde ein verschwindend geringer Teil der durch die Kapillaren abströmen- den Menge aus der Kapazitätsabnahme der Bahn gedeckt, die Haupt- masse durch die Stromuhr zugeführt werden. Nun würde aber bei der Mehrzahl der Pulse selbst die Annahme, dass e—=( wird, zur Erklärung nicht ausreichen, und man müsste e negativ werden lassen, d. h. mit Beginn der Drucksenkung eine weitere Volumzunahme der Bahn eintreten lassen, um die Erscheinung zu erklären. Nimmt man hinzu, dass man in diesem Falle den e-Wert im zweiten und dritten Stadium des Pulses sich in entgegengesetztem Sinne ändern lassen müsste, so ist es ganz unwahrscheinlich, dass die Zu- nahme der Stromstärke auf einer Änderung der Kapazität der Bahn beruht. Schliesslich könnte man die fragliche Abweichung Fehlern der Registrierapparate zuschreiben. Das wäre aber aus dem Grunde willkürlich, weil dieselben Apparate bei der Registrierung der künst- lichen Pulse zu einer ganz befriedigenden Übereinstimmung der berechneten mit den registrierten Kurven geführt haben, in denen 578 Hürthle: insbesondere das Anschwellen der Stromstärke im Beginn der Druck- senkung nicht vorkommt (vgl. Fig. 4 S. 560). Wenn es aber nicht gelingt, die fragliche Abweichung auf die physikalischen Eigenschaften der Bahn oder auf Beobachtungsfehler zurückzuführen, muss man an die Möglichkeit einer physio- logischen Ursache denken. Nun wird von mancher, namentlich von klinischer Seite!) neuerdings mit grosser Bestimmtheit den Arterien eine aktive Einwirkung auf die Bewegung des Blutes zu- geschrieben, die man sich meist als peristaltische durch die Druck- schwankung ausgelöste Welle vorstellt. In der Tat könnte das Anschwellen der diastolischen Stromstärke in bequemer Weise aus einer solehen Tätigkeit erklärt werden, man müsste nur annehmen, dass stromabwärts vom untersuchten Quer- schnitt eine neue Kraft in Form einer peristaltischen Welle auftritt, welche zu der des registrierten Druckes hinzukommt. Es fragt sich nur, ob die Hypothese so ausreichend begründet ist, dass sie zur Erklärung einer zwar deutlichen, aber doch durch ein verwickeltes Verfahren festgestellten Abweichung zwischen Theorie und Be- obachtung benutzt werden kann. Aus diesem Anlass habe ich die vorliegenden Angaben über eine aktive Beteiligung der Arterien am Blutstrom einer kritischen Prüfung unterzogen, deren Ergebnis, um den Zusammenhang nicht zu stören, in der folgenden Abhandlung niedergelegt ist. Es lässt sich dahin zusammenfassen, dass von den zur Stütze der Hypothese angeführten Erscheinungen keine einzige einen wirklichen Beweis darstellt, ja, dass einige der Hauptargumente auf unsicheren oder gar unrichtigen Beobachtungen zu beruhen scheinen. Die Annahme einer aktiven Betätigung der Arterien am Blutstrom ist daher vor- läufig eine unbewiesene Hypothese, durch die allerdings einige un- aufgeklärte Erscheinungen des Blutstromes in bequemer Weise be- greiflich gemacht werden können. Die Schwierigkeit einer Entscheidung für oder gegen die Hypothese liegt im Mangel einer geeigneten Untersuchungsmethode. Die Feststellung der Beziehung zwischen Druck und Stromstärke im Verlauf des Pulsschlages scheint mir nun zwar diesen Zweck zu erfüllen, nicht allein in qualitativer, sondern auch in quantitativer Beziehung. Fraibt der Versuch, dass im Ver- lauf des Pulsschlages die Stromstärke nicht durchweg dem Druck 1) Siehe die folgende Abhandlung. Über die Beziehung zwischen Druck und Geschwindigkeit des Blutes etc. 579 entspricht, so müssen sich entweder physikalische Gründe für die Abweichung finden lassen oder, wenn das nicht der Fall und die Stromstärke grösser ist, als dem Druck entspricht, muss auf eine aktive Mitwirkung der Blutgefässe geschlossen werden. Obgleich sich nun eine solehe Abweichung im Beginn der Senkung der arteriellen Druckkurve zeigt, für welche eine nhysikalische Erklärung nicht gegeben werden konnte, möchte ich doch bei der Kompli- ziertheit des Verfahrens nicht so weit gehen und behaupten, dass eine physikalische Erklärung ausgeschlossen sei!). Ich möchte zunächst noch das Ergebnis weiterer in dieser Richtung geplanter Unter- suchungen abwarten, die unter anderem auf den Vergleich der Stromkurve mit dem Tachogramm?) v. Kries, auf Lähmung und Erregung der Gefässmuskulatur gerichtet sein sollen, und ziehe daher vor, die Frage nach der Ursache des mit Beginn der Drucksenkung auftretenden Anschwellens der Stromstärke bis auf weiteres un- entschieden zu lassen. Zusammenfassung der Ergebnisse. 1. Es wird eine Methode zur Prüfung angegeben, ob das Feder- manometer bei rhythmischen Druckschwankungen den Mittelwert richtig anzeigt. 2. Wenn man Druck und Stromstärke gleichzeitig in einem Querschnitt der arteriellen Bahn mit Instrumenten registriert, welche den Verlauf dieser Vorgänge während des einzelnen Pulsschlages richtig darstellen, so kann man nicht allein den Mittelwert des Druckes, der Stromstärke und des Widerstandes innerhalb des ein- zelnen Pulsschlags bestimmen, sondern man ist durch eine relativ einfache Analyse der beiden Kurven in den Stand gesetzt, die Volumelastizität des zwischen Stromuhr und Kapillaren gelegenen 1) z. B. ist noch die Frage zu prüfen, ob die Viskosität des Blutes in der Blutbahn einen unveränderlichen Wert hat (vgl. W. Hess, Pflüger’s Archiv Bd. 140 S. 354. 1911). 2) Die relative Zunahme der Stromstärke mit Beginn der Drucksenkung scheint in Widerspruch mit dem Ergebnis der tachographischen Untersuchungen zu stehen, nach welchen der systolischen Beschleunigung eine allerdings kurz- dauernde Abnahme der Stromstärke folgt, die nach der Ansicht v. Kries’ durch eine reflektierte Welle bedingt ist; letztere kann aber der Registrierung durch die Stromuhr wegen deren geringer Empfindlichkeit (s. S. 523 der vorhergehenden Abhandlung) entgehen. 580 K. Hürthle: Abschnitts der Bahn sowie deren Einfluss auf die Stromstärke in den kleinsten Zeitteilchen des Pulsschlags zu berechnen. Die den untersuchten Querschnitt passierende Strommenge kann dadurch theoretisch in zwei Teile zerlegt werden, deren einer durch Druck und Widerstand, deren anderer durch Druck und Volumelastizität der Bahn bestimmt ist. Damit lässt sich dann weiterhin feststellen, ob die Stromstärke (soweit sie vom Widerstand und nicht von der Elastizität der Bahn abhängt) dem Druck direkt proportional ist oder nieht. Durch die kurze Dauer des Verfahrens wird die auf dem Wechsel des Tonus beruhende, unberechenbare Veränderlichkeit des Widerstandes ausgeschlossen, welche die Ergebnisse der früheren Versuche zur Beantwortung der Frage, ob das Poiseuille’sche Gesetz im Tierkörper gelte, unsicher machte. 3. An künstlichen Pulsen, welehe in einem die wesentlichen Eigenschaften der arteriellen Bahn enthaltenden Schema erzeust wurden, liess sich feststellen, dass der Mitteldruck und die mittlere Stromstärke während des einzelnen Pulsschlages von etwa 1 Sekunde Dauer fast ebenso genau bestimmt werden können, wie in Strömungs- versuchen unter konstantem Druck von etwa 5 Minuten Dauer; die Abweichung beträgt beim Einzelpulse höchstens 7°. Weniger genau lässt sich die Elastizität der Bahn aus einem Pulsschlag be- rechnen; der hierbei auftretende Fehler kann bis zu 20 °/o betragen. 4. Die in der Karotis und Cruralis des lebenden Tieres nach dieser Methode angestellten Untersuchungen führten zu folgendem Ergebnis: Proportionalität zwischen Druck und Stromstärke wurde nur ausnahmsweise in der Karotis beobachtet. Die tatsächlich vor- handene Beziehung zwischen Druck und Stromstärke ist sehr ver- wickelt. Bei der Mehrzahl der Karotis- und bei allen Cruralispulsen kommen im absteigenden Schenkel der Druckkurve die folgenden Abweichungen zwischen der beobachteten und der theoretisch, d. h. unter der Annahme der Proportionalität zwischen Druck und Strom- stärke berechneten Kurve vor: Teilt man den absteigenden Schenkel der Druckkurve in zwei Abschnitte, von welchen der erste über, der zweite unterhalb des systolischen Minimums liegt, so ist im ersten Abschnitt, d. h. mit Beginn der Drucksenkung, die registrierte Stromstärke grösser als die berechnete. Diese Abweichung auf mechanische Ursachen zurückzuführen ist nicht gelungen; es wurde daher die Möglichkeit in Erwägung gezogen, dass sie durch einen physiologischen Vorgang (durch eine aktive Kontraktion der Pflüger: Archiv f. d. ges. Physiologie Ba. 147. Fig. 1. Druck und Siromstärke in einem am Schema, Fig. 2, ausgeführten Versuch. Unten: Abscisse mit Druckkurven; oben: Kurve des Stromuhrkolbens und des Piston-Rekorders. Fig. 2. Druck (unten) und- Stromstärke (oben) in der Karotis eines Hundes von 11 kg. Verlag von Martin Hager, Bonn. Fig. 3. Nv. Fig. 4. Druck und Stromstärke in der Cruralis eines Hundes von 24 kg. ischiad. und ceruralis durchschnitten. Druck und Stromstärke in der Karotis eines Hundes von 12!/, kg. Vagusreizung. Tafel Über die Beziehung zwischen Druck und Geschwindigkeit des Blutes etc. 581 Arterien) hervorgerufen werde. Zur Prüfung dieser Möglichkeit werden weitere Untersuchungen in Aussicht gestellt. Im zweiten Abschnitt der Diastole, der hauptsächlich bei Vaguspulsen untersucht wurde, ist die registrierte Stromstärke wesentlich kleiner als die berechnete. Diese Abweichung lässt sich quantitativ auf eine Zu- nahme der Widerstände zurückführen, welche durch eine Verminderung der Querschnitte der elastischen Gefässe unter dem Einfluss des abnehmenden Druckes veranlasst wird. Erklärung der Abbildungen auf Tafel IX. Die Originalkurven sind in natürlicher Grösse wiedergegeben und in der Schriftrichtung zu lesen. Die Abstände der scharf gezeichneten vertikalen Koordi- naten entsprechen !/; Sek. Von unten nach oben folgen: die Abszisse der Druck- kurve (15 mm Ordinate = 100 cm Wasser), die arterielle Druckkurve, die Strom- stärke in der Arterie (Kurve des Stromuhrkolbens) — bzw. im Gummischlauch. Nr. 1. Druck und Stromstärke in einem Versuch am Schema Fig. 2 S. 540, Kurve des Manometerhebels unten, oben Kurve des Stromuhrkolbens sowie des Hebels des Piston-Rekorders, welcher die Volumschwankungen des. Gummischlauches Z, Fig. 2 5. 540, registriert; seine Kurve ist teilweise durch den Stromuhrkolben verdeckt. Länge des Gummischlauches aufwärts von der Stromuhr 50, abwärts 33 cm. Durchmesser 7,3 mm. Stromstärke I. Be 000000 0L1D. Nr. 2. Druck und Stromstärke in der Karotis eines Hundes von 11 kg Körper- gewicht; kein Eingrifl. v = 0,014, e —= 0,004. Nr. 3. Druck und Stromstärke in der Cruralis eines Hundes von 24 kg Körper- gewicht. Nerv. ischiad. und cruralis durchschnitten. » — 0,024, e — 0,002, Nr. 4, Druck und Stromkurve in der Karotis eines Hundes von 12'/2 kg. Vagusreizung. ® = 0,031, e = 0,0012. 589 K. Hürthble: (Aus dem physiologischen Institut der Universität Breslau.) Ist eine aktive Förderung des Blutstroms durch die Arterien erwiesen’? Von K. Hürthle. Ein auffallendes Ergebnis der vorhergehenden Abhandlung über die Beziehung zwischen Druck und Geschwindigkeit des Blutes in den Arterien (S. 578) gab mir Veranlassung, die Beobachtungen und Versuche einer kritischen Prüfung zu unterziehen, durch welche bewiesen werden soll, dass die Arterienwand durch eine besondere Tätigkeit ihrer Muskulatur aktiv an der Fortbewegung des Blutes be- teiligt sei. Diese sehr alte Vorstellung ist zwar schon von Volk- mann!) mit guten Gründen widerlegt worden, aber immer wieder auf- getaucht und neuerdings von klinischer Seite mit besonderem Nachdruck verfochten und als notwendig zur Erklärung gewisser pathologischer Erscheinungen hingestellt worden. Eine bestimmtere Fassung. der Hypothese findet man bei Legros und Onimus?), welche an der Kontraktion der Arterien eine spastische und eine peristaltische Form unterscheiden. Erstere führe zu einer Verlangsamung des Blutstromes; es sei aber unrichtig, anzunehmen, der einzige Zweck der Gefässmuskulatur sei der, den Blutstrom zu hemmen. Von der peristaltischen Kontraktion geben die Autoren folgende Schilderung: Dureh die Dehnung, welche die Arterienwand durch die nach den Kapillaren zu fortschreitende Pulswelle erfährt, wird eine Kontraktion der muskulösen Elemente der Wand ausgelöst, welehe das Blut nach dem Orte des geringeren Widerstandes treibt; die Kontraktion wird als Reflex von den sensiblen auf die motorischen Fasern des Sym- 1) Volkmann, Die Hämodynamik. Kapitel XII: Von den Kräften, welche das Blut bewegen. $ 156. Leipzig 1850. 2) Legros et Onimus, Recherches experimentales sur la circulation et specialement sur la contractilit& arterielle. Journ. de l’Anat. et de la Physiol. t.5 p. 362 et p. 479. 1868. Ist eine aktive Förderung des Blutstroms durch die Arterien erwiesen? 583 pathicus aufgefasst. Diese peristaltische Kontraktion soll bei gewissen Tieren und selbst beim Menschen zu beobachten sein, nämlich in der Schwimmhaut des Frosches nach dem Abbinden der zuführenden Arterie, beim Menschen nach Embolie der Art. centralis retinae mit Hilfe des Augenspiegels. Die Erscheinungen, welche in der Schwimmhaut des Frosches nach Verschluss der Aorta zu beobachten sind, bestehen darin, dass nach dem Aufhören der normalen Strömung das Blut in den Arterien sich ruckweise, bald in normaler, bald in umgekehrter Richtung bewegt. Diese „Oszillationen“ der Blutsäule sind es, welche als Beweis für die Peristaltik der Gefässe angesehen werden. Die Beweiskraft dieser schon von früheren Autoren ge- schilderten Erscheinungen ist aber schon von Volkmann!) mit folgenden Gründen in Abrede gestellt worden: „Obgleich diese Be- wegungen unabhängig vom Herzen zustandekommen, so ist doch kein Grund vorhanden, sie von Kräften abzuleiten, welche den Herz- stoss beim normalen Kreislauf unterstützten oder gar entbehrlich machten. Offenbar beruhen diese Oszillationen auf Bedineungen, welche im gesunden Leben weder vorkommen noch vorkommen dürfen, und in diesem Bezuge ist es wenig wichtige, den Ursachen derselben weiter nachzuforschen.“ Den Worten Volkmann’s habe . ich nur hinzuzufügen, dass die Übertragung jener Oszillationen auf den normalen Blutstrom in Widerspruch mit der von Legros und Onimus aufgestellten Hypothese steht, nach welcher die Gefäss- peristaltik reflektorisch durch die pulsatorische Dehnung der Gefäss- wand ausgelöst wird, da diese nach dem Aufhören des Herzschlags weefällt.e. Man kann die angeführten Beobachtungen also unmöglich als Beweis für eine physiologische Peristaltik gelten lassen. Ebenso- wenig sind die an warmblütigen Tieren von Legros und Onimus angestellten Versuche beweisend: mit welchem Recht kann auf eine aktive Mitwirkung der Gefässe geschlossen werden aus der Be- obachtung, dass am lebenden Tier nach dem Abbinden der Bauch- aorta gefärbte Flüssigkeit in das periphere Ende schon unter einem Druck von 2 dm Wasser einfliesst ? Weitere Versuchsreihen verfolgen den Zweck, die sympathischen Gefässnerven indirekt (durch Abschwächung der Herztätigkeit durch Chloroform) oder direkt (durch konstante Ströme) derart zu reizen, dass die Gefässe in peristaltische, nicht in spastische Kontraktion 1) Volkmann, 1. c. S. 333. 584 K. Hürthle: geraten. Die bei den Eingriffen (mit Hilfe von Temperaturmessungen) beobachtete Verstärkung des Blutstromes wird durch eine peristaltische Tätigkeit der Blutgefässe erklärt und das Vorkommen aktiver Gefäss- erweiterung grundsätzlich in Abrede gestellt. Nachdem aber die Wirkung der gefässerweiternden Nerven festgestellt worden ist, können auch die von Legros und Onimus beobachteten Verstärkungen des Stromes nicht mehr als Beweis für eine aktive Tätigkeit der Blutgefässe angesehen werden. v. Bezold und Gscheidlen!), deren Versuchen von Grützner eine besondere Beweiskraft beigelegt wird, kommen zu der ähnlichen „Hypothese, dass die Zusammenziehung der kleinen Gefässe in einer gewissen Ordnung von den grossen gegen die kleinen Arterien und von den Arterien gegen die Venen fortschreitet und auf diese Weise entweder alles in denselben vorher enthaltene Blut oder doch wenigstens den überwiegend grössten Teil desselben in die grossen Venen hineindrückt“. Die Versuche, zu deren Erklärung ihnen diese Hypothese notwendig erscheint, bestehen in der Messung des arteriellen und venösen Blutdruckes nach Ausschaltung des Herzens bei Warmblütern; dabei ergaben sich Unterschiede in der Zeit, welche zum Ausgleich der Druckdifferenz zwischen Arterien und Venen erforderlich ist, je nachdem das Rückenmark erhalten oder vor der Abbindung des Herzens durchtrennt war; im letzteren Falle vergeht längere Zeit bis zum Ausgleich. „Diese Tatsache — meinen die Verfasser — kann nur damit erklärt werden, dass nach Lähmung des Herzens durch die letzte Tätigkeit des Gehirns noch eine lokomotorische Kraft entfaltet wird, welche Blut aus den arteriellen Gefässräumen hinüberpumpt ins venöse System.“ So wenig nun daran zu zweifeln ist, dass durch die Durchtrennung des Rückenmarks eine Abnahme des Widerstandes der Blutbahn herbei- geführt wird, vermöge dessen das Blut aus den Arterien rascher in die Venen fliesst als bei erhaltenem Rückenmark, so sicher ist es, dass auch durch den Verschluss einer Arterie bei erhaltenem Nerven- system eine sehr starke Hyperämie herbeigeführt wird. Die schönsten natürlichen Injektionen kann man auf diese Weise erhalten. Ich halte es daher durchaus nicht für unwahrscheinlich, dass durch die 1) A. v. Bezold und R. Gscheidlen, Von der Lokomotion des Blutes durch die glatten Muskeln der Gefässe. Unters. a. d. physiol. Laborat. in Würzburg H. 2 S. 347. 1867. Ist eine aktive Förderung des Blutstrums durch die Arterien erwiesen? 585 Abbindung des Herzens bei erhaltenem Nervensystem die Gefässe der Aortenbahn reflektorisch stärker erweitert werden als durch die Durchtrennung des Rückenmarkes, und sehe in den Versuchen von v. Bezold und Gsebeidlen eine Stütze für diese Ansicht; der raschere Ausgleich der Druckdifferenz zwischen Arterien und Venen erklärt sich durch die stärkere reflektorische Erweiterung der Blut- gefässe bei Erhaltung des Rückenmarkes. In weiteren Versuchen soll durch Reizung des Rückenmarks nach Abbindung des Herzens gezeigt werden, „dass mindestens ein sehr beträchtlicher Teil der bei der Zusammenziehung der kleinen Gefässe verwandten Muskelkraft zum Vorwärtsschieben des Blutes in der Richtung der normalen Blutbewegung verwandt wird“. Die - Versuche fallen aber verschieden aus, je nachdem das durchschnittene oder undurchscehnittene Rückenmark gereizt wird. „Während die Reizung des unversehrten Rückenmarkes bald ein schwaches Steigen, bald ein schwaches Fallen der Venenspannung zur Folge hatte, brachte eine Erregung, von gleicher Stärke auf das durchschnittene Halsmark wirkend, in jedem unserer Versuche, bei denen wir nicht zu stark!) vergiftet hatten, eine Erhöhung des Blutdruckes im Venensystem hervor, welche im Minimum 30, im Maximum 100 °/o, im Mittel aus sechs genau angestellten Versuchen 55,7°/o des vor- her beobachteten Wertes betrug.“ Eine Erklärung für diesen Unter- schied wird nicht gegeben, ‚sondern es werden nur die Versuche mit durchschnittenem Mark für die Schlussfolgerungen verwertet. Da in diesen Versuchen die Reizung des Halsmarkes auch von einem mehr oder weniger raschen Absinken des arteriellen Druckes begleitet war, schliessen Verfasser, dass die Blutbewegung nach den Venen durch die Kraft der kleinen Gefässe zustande komme. Dieser Schluss scheint berechtigt, solange man nur die Zahlen der Tabelle V betrachtet, in welcher das Resultat der Versuche zusammengestellt ist. In dieser Tabelle sind nämlich nicht die absoluten Werte des Druckes in Arterie und Vene, sondern ausschliesslich ihre Änderungen angegeben; diese sind der Art, dass der arterielle Druck während der Reizung des Rückenmarkes sinkt, der venöse steigt. Stellt man sich aber aus den am Schluss der Abhandlung mitgeteilten Protokollen die absoluten Zahlen zusammen, so zeigt sich, dass unter 14 Ver- suchen mit Reizung des durchschnittenen Rückenmarkes elfmal eine 1) Mit Kurare. 586 K. Hürthle: Druckdifferenz von 11—40 mm Wasser zugunsten der Aorta besteht und nur dreimal der Druck in der Vene höher ist). Es zeigt sich also, dass das „Überpumpen“ des Blutes in die Venen durchaus nicht die Regel, sondern die Ausnahme ist, und dass auch die positiven Fälle nur einen kleinen, im Bereich der Beobachtungsfehler liegenden Drucküberschuss zugunsten der Venen enthalten. Die Versuche können daher nicht als Beweis für eine Pumpwirkung der Arterien angeführt werden. Schliesslich erwähne ich noch die Möglichkeit einer Fehlerquelle, welche von Fuchs?) (Tompson gegenüber) angeführt worden ist. „erner wird auch nicht angegeben, wie sich der Autor von der zureichenden Kurarisierung des Tieres überzeugt hat. Es ist eine bekannte Erfahrung, dass trotz des vollständigen Fehlens spontaner Bewegungen nach Kurarevergiftung die Muskeln noch eine längere Zeit hindurch auf elektrische Reizung des Nerven reagieren. Dieses Verhalten bietet eine bedenkliche Fehlerquelle bei allen Versuchen an kurarisierten Tieren, da für gewöhnlich eine Prüfung der Muskel- reaktionen nach dieser Richtung hin unterbleibt.“ Dass diese Fehler- quelle bei den Versuchen von v. Bezold und Gscheidlen nicht durchweg vermieden worden ist, darf man aus der zur Begründung einer arteriellen Drucksteigerung in Tabelle V angeführten Be- merkung entnehmen: „Das Steigen war hier ein plötzliches, durch Kontraktion einiger Halsmuskeln erzeugtes.“ Eine der Hauptstützen der Hypothese bildet für dieneueren Autoren die Arbeit von Hamel?), welcher durch die Hinterbeine des Frosches 1) Im ersten der positiven Fälle (XIV) war der Druck in der Vene schon vor der Rückenmarksreizung höher, während letztere „keine Veränderungen mehr hervorbringt“. Im zweiten Fall (XI) fehlen Angaben über den Manometerstand in Karotis bis auf die letzte Beobachtung (zweite Reizung des Halsmarks), wo der Venendruck auf 47, der der Karotis auf 30—40 angegeben wird. „Mano- meterstand im Arteriensystem auffallend niedrig, sich während des Versuches nicht verändernd.“ Da wird doch wohl etwas nicht in Ordnung gewesen sein? Im dritten Fall (XXIV) fiel der Aortendruck während der Rückenmarksreizung von 125 auf 35, während er in der Jugularis von 70 auf 90 stieg; nach dem Aufhören der Reizung aber trat wieder eine Umkehr ein. Jugularis 60, Aorta 75! 2) Fuchs, Zur Physiologie und Weachstumsmechanik des Blutgefäss- systemes. Zeitschr. f. allgem. Physiol. Bd. 2 S. 15. 1903. 3) Gust. Hamel, Die Bedeutung des Pulses für den Blutstrom. Zeitschr. f. Biol. Bd. 25 S. 474. 1889. LU LU a Te Ist eine aktive Förderung des Blutstroms durch die Arterien erwiesen? 587 einen künstlichen Strom leitete und die bei konstantem und rhyth- mischem Druck durehfliessende Flüssigkeitsmenge verglich; dabei kam er zu dem Ergebnis, „dass die rhythmisch gespeisten Gefässe bei weitem mehr Flüssigkeit durchtreten lassen als die kontinuierlich durch- strömten. Es kann die Stromgeschwindigkeit selbst auf das Vier- fache wachsen“. In der Tat könnte ein solcher Unterschied in der Wirkung der konstanten und rhythmischen Triebkraft wohl kaum anders gedeutet werden als durch die Annahme einer aktiven pulsatorischen Mitwirkung der Gefässe!). Allein es müssen starke Zweifel an der Riehtigkeit der Beobachtung erhoben werden. Man sollte nämlich erwarten, dass jeweils die beiden Faktoren, von welehen das Durchlaufen einer bestimmten Flüssigkeitsmenge durch die Gefässe der Hinterbeine unter der Voraussetzung eines un- veränderlichen Widerstandes abhängt, nämlich Mitteldruck und Zeit, experimentell bestimmt worden wären. Statt dessen wurden die Versuche folgendermassen ausgeführt: Die treibende Kraft war in beiden Reihen dieselbe, nämlich eine nach Art einer Mariotte- schen Flasche eingerichtete, meist mit Kochsalzlösung gefüllte Bürette, von welcher eine durch einen Hahn unterbrochene Leitung zur Aorta abdominalis des Froschpräparats führte; über die (elastischen) Eigenschaften dieser Leitung ist nichts gesagt; sie bestand vermutlich aus zwei Gummischläuchen, von denen der eine den Hahn mit der Aortenkanüle, der andere mit der Bürette verband, wie aus Fig. 1 hervorzugehen scheint. Der Hahn konnte durch ein elektrisch be- triebenes Pendel rhythmisch geöffnet und geschlossen werden, und es wurde festgestellt, dass er dabei „nahezu den vierten Teil einer Gesamtperiode geöffnet war“. Ferner war der Apparat (ohne Froschpräparat) derart „graduiert“ worden, dass die Zeit gemessen wurde, während deren eine bestimmte Flüssigkeitsmenge durch den andauernd und den rhythmisch geöffneten Hahn floss; dabei ergab sich, dass „durch den kontinuierlich geöffneten Hahn etwa viermal so viel Wasser floss als durch den periodisch geöffneten“. In der Tabelle IV, welehe das Ergebnis der Durehströmung des Frosch- präparats enthält, sind nun „die Durchflussmengen bei kontinuierlichem Flusse einfach entsprechend den am Masszylinder abgelesenen Werten angegeben, bei diskontinuierlichem dagegen die erhaltenen (Quanten 1) Hamel selbst hat übrigens seinen Versuchen eine andere Deutung ge- geben (l. c, S. 491/495). 588 K. Hürthle: um das Vierfache vergrössert aufgeführt, entsprechend der gevierteilten Durchflusszeit. Hamel scheint also als selbst- verständlich anzunehmen, dass die „Graduierung“ des Apparates mit und ohne angesetztes Froschpräparat dieselbe sei. Zwischen beiden Fällen ist aber ein sehr grosser Unterschied. Am Apparat allein findet stromabwärts vom Hahn Strömung nur während der Öffnung statt; nach Schluss des Hahnes hört die Strömung plötzlich auf, und der Druck sinkt auf Null, weil der Widerstand der Hahn- röhre bzw. des angesetzten Schlauches verschwindend gering ist. Anders nach Anfügung des Froschpräparates: Nach Schluss des Hahnes hört die Strömune nicht auf, und der Druck sinkt nicht auf Null, weil der Entleerung der Bahn ein Widerstand entgegensteht und der Inhalt sowohl des zwischen Hahn und Aortenkanüle be- findlichen Schlauches als auch der der arteriellen Bahn des Frosch- präparates während der Hahnöffnung durch elastische Dehnung zu- genommen hatte. Der Druck sinkt um so langsamer von seinem Maximum ab, je grösser die Dehnbarkeit des Schlauches und der Arterien ist. Bei geeignetem Verhältnis von Widerstand und Elastizität der Bahn kann es daher vorkommen, dass der wittlere Druck stromabwärts vom Hahn bei rhythmischer Strömung nicht !) oder nur unbedeutend geringer ist als bei dauernder Öffnung des Hahnes. Da aber der mittlere Druck für die in der Zeiteinheit abfliessenden Mengen entscheidend ist, so begeht man einen Fehler, wenn man nur die Dauer der Hahnöffnung berücksichtigt und den Mitteldruck nicht experimentell bestimmt. Aus diesem Grunde er- lauben die Versuche von Hamel gar keinen Schluss über den Unterschied der Strömung bei konstantem und rhythmischem Druck’). Grützner?°) hat sich sehr entschieden für eine Förderung des Blutstromes durch aktive Tätigkeit der Arterien, die er akzessorische Herzen nennt, ausgesprochen und zunächst indirekte Gründe dafür . 1) Zu berücksichtigen ist, dass bei rhythmischer Strömung das Druck- maximum höher liegt als bei kontinuierlicher (s. S. 542 der vorhergehenden Ab- handlung; Fussnote 2). 2) Eine Nachprüfung der Versuche wird zurzeit im hiesigen Institut vor- genommen. 3) P. Grützner, Betrachtungen über die Bedeutung der Gefässmuskeln und ihrer Nerven. Deutsches Arch. f. klin. Med. Bd. 89 S. 132. 1906. Ist eine aktive Förderung des Blutstroms durch die Arterien erwiesen? 589 angeführt, z. B. die Unzweckmässiekeit einer Belastung des Herzens durch die tonische Kontraktion der Arterien. Dagegen hat aber schon Strasburger!) geltend gemacht, dass sich „ebensogut die gegenteilige Auffassung vertreten lässt“. Da ich mich mit der Dar- legung Strasburger’s einverstanden erklären kann, und da andere Gründe Grützner’s, wie die Blutverteilung in der Leiche schon von Volkmann?) als nicht beweisend erwiesen worden, andere endlich (Versuche von Legros und Onimus) schon oben von mir behandelt sind, kann ich mich auf die folgenden von Grützner beigebrachten Gründe beschränken: 1. Nach der Beobachtung von Heidenhain und Grützner?) steigt der arterielle Blutdruck bei Reizung sensibler Nerven auch nach Abbindung der Aorta über die Coeliaca und der Vena cava über den Nierenvenen. Da nach Heidenhain’s Versuchen die Hautgefässe durch Reizung sensibler Nerven reflektorisch erweitert werden und eine Verengerung der Muskelgefässe im vorliegenden Falle auch nicht nachweisbar war, bleibt die Drucksteigerung rätsel- haft*). Abgesehen davon, dass man unaufgeklärte Versuche doch nicht als Beweis für eine Hypothese gelten lassen kann, scheint mir der fragliche Versuch durchaus nicht für eine aktive Tätigkeit der Arterien im Sinne Grützner’s zu sprechen; denn wenn diese in einer „Art Pumpwirkung“ besteht, durch welche das Blut vorwärts getrieben wird, so kann die Wirkung nur nach den Kapillaren zu in einer Drucksteigerung bestehen, in den grossen Arterienstämmen aber in einer relativen Senkung des Druckes. Der Versuch scheint mir also mehr gegen denn für die von Grützner verteidigte Hypothese zu sprechen. 2. In einer ganz kurzen Mitteilung berichtet Grützner°), dass in Versuchen mit künstlicher Durchströmung der Arterien des Nabel- stranges „die lebenden Arterien vielfach besser in ihrer natürlichen als in entgegengesetzter Richtung durchströmt werden“, und führt diesen Unterschied auf eine aktive Tätigkeit der Arterienwand zurück. Die angekündigte ausführliche Abhandlung ist aber bis jetzt 1) J. Strasburger, Über den Anteil der Blutgefässe an der Bewegung des Blutes. Münchener med. Wochenschr. 1910 Nr. 47. 2) Volkmann, ]. c. S. 297. 3) R. Heidenhain u. P. Grützner, Pflüger’s Arch. Bd. 16 S. 47. 4) Nicht untersucht wurde das Verhalten der Lungenbahn. 5) P. Grützner, Münchener med. Wochenschr. 1907 S. 1802. Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd. 147. 40 590 K. Hürthle: nieht erschienen, und in einigen im hiesigen Institut angestellten Versuchen ist es vorläufig nicht gelungen, eine regelmässige Strömung durch die Arterien des frischen Nabelstranges herzustellen. Ich kann daher die Grützner’schen Versuche nicht als Beweis für die fragliche Hypothese ansehen. In einer grösseren Zahl von Abhandlungen hat K. Hasebroek die aktive Beteiligung der Arterien am Blutstrom verfochten. Er betrachtet diese Tätigkeit als eine Reaktion der Muskeln auf die pulsatorische Dehnung und stützt diese Vorstellung durch die auch von Grützner angezogenen Versuche von Bayliss!). Nach diesen antwortet die Gefässwand auf Erhöhung des Innendruckes mit Kon- traktion, auf Herabsetzung mit Frschlaffung, und zwar unabhängig vom Nervensystem. Die Versuche von Bayliss stellen aber durch- aus keinen Beweis für eine pulsatorische Reaktion der Gefäss- wand dar, weil die von ihm beobachteten Bewegungen einen un- vergleichlich trägeren Verlauf nehmen, als er den pulsatorischen Reaktionen zugeschrieben werden müsste. Bayliss macht zwar im Text keine Angaben über den zeitlichen Verlauf seiner Reaktionen, aus seinen Figuren geht aber unzweifelhaft hervor, dass sich diese auf Zeiträume von wenigstens 10 Sekunden oder auf solche von einer oder einigen Minuten ausdehnen. Es handelt sich also durch- aus nicht um Kontraktionen, die im Verlauf eines Pulsschlages ihre Wirkung entfalten, und Bayliss selbst schreibt ihnen keinen aktiven Einfluss auf die Strömung zu, sondern sieht ihre Bedeutung in einer automatischen Regulierung der Gefässweite. Bei der Erörterung der weiteren von Hasebroek geltend gemachten Gründe beschränke ich mich im wesentlichen auf seine letzte Abhandlung, da in dieser experimentelle Belege für die Hypothese beigebracht und auch die früher angegebenen Gründe wiederholt werden. Nur das sei aus frükeren Arbeiten hervorgehoben, dass Hasebroek ausser der peristaltischen Tätigkeit der Arterien „eine Ansaugung von seiten des Organes resp. der Kapillaren“ zur Erklärung des Blutstromes für notwendig hält. Begründet wird diese Annahme damit, dass sonst der Blutstrom durch die Leber unter dem geringen Pfortaderdruck unverständlich wäre. „Also ein zweites 1) Bayliss, On the local reactions of the arterial wall to changes of internal pressure. Journ. of Physiol. vol. 28 p. 220. 1902. Ist eine aktive Förderung des Blutstroms durch die Arterien erwiesen? 59] Kapillargebiet wird ebensogut noch durchlaufen wie das erste, trotz- dem der Druck vor dem zweiten !/;s des Druckes vor dem ersten beträgt! Man hilft sich sehr einfach damit, dass man sagt: Der Widerstand in den Leberkapillaren ist äusserst gering! Hat denn nun plötzlich ein Kapillargebiet einen äusserst geringen Widerstand, während man sonst doch mit Vorliebe betont, dass die Triebkraft des Herzens erst an der Grenze des Kapillargebietes den Widerstand findet, der sie völlig verzehrt? Das ist ein Widerspruch ')!“ Zu einem solchen Schluss kann man aber nur kommen, wenn man mit dem Begriff des Widerstandes keine klare Vorstellung verbindet. Der Widerstand ist keine „Phrase“, sondern eine in Zahlen aus- drückbare Grösse. Bei der Bewertung des Widerstandes der Leber übersieht Hasebroek, dass der Widerstand nicht allein von den Dimensionen, sondern auch von der Anzahl der Kapillaren eines Systems abhängt. Dass die Leber tatsächlich einen besonders geringen, durch Zahl und Dimensionen der Blutgefässe und nicht durch vitale Eigenschaften derselben bedingten Widerstand hat, lässt sich dadurch beweisen, dass dieses Organ auch nach dem Tode und nach Vergiftung der Gefässe sich bezüglich seines Widerstandes in gleicher Weise von den übrigen Organen unterscheidet, wie im lebenden Körper ?). Für die aktive Einwirkung der Arterien auf den Blutstrom werden in der neuesten Abhandlung?) zunächst zwei Versuchsreihen an elastischen Schläuchen angeführt. Durch die erste soll Auf- klärung darüber gewonnen werden, ob die „klinische Blutdruck- steigerung“, die durch Senkung des Druckminimums und Erhöhung des Maximums, also Vergrösserung der Druckschwankung charakteri- siert ist, sich aus einer primären „Arterienüberspannung“ erklären lässt. Da diese Versuchsreihe zur vorliegenden Hypothese nur in sehr losem Zusammenhang steht, übergehe ich sie. In der zweiten Versuchsreihe werden Änderungen der Druckschwankungen „mit dem 1) Hasebroek, Versuch einer gymnastischen Therapie der Zirkulations- strömungen auf Grund einer neuen Darstellung des Kreislaufs. Deutsches Arch. f. klin. Med. Bd. 77 S. 354. 1903. 2) Im übrigen verweise ich bezüglich der schon sehr alten „Attraktions- theorie“ auf die Kritik in Volkmann’s Hämodynamik S. 312 u. 334 u. fl. 3) K. Hasebroek, Physikalisch-experimentelle Einwände gegen die sogen. arterielle Hypertension; zugleich ein Beitrag zur Frage der aktiven Arterien- bewegung. Arch. f. d. ges. Physiol. Bd. 143 S. 519. 1912. 40 * 593 K. Hürthle: Charakter der klinischen Blutdrucksteiserung“ in folgender Weise experimentell erzeugt: Eine Strecke eines 2 m langen Schlauches, in welchem rhythmische Strömungen durch einen rotierenden Hahn erzeugt werden, ist in ein 20 em langes Mantelrohr eingeschlossen. In diesem werden — gleichzeitig mit der Öffnung des rotierenden Hahnes — künstliche Drucksehwankungen erzeugt, so dass der Schlauch innerhalb des Mantelrohres gleichzeitig mit der im Innern auftretenden Druckwelle von aussen komprimiert wird. Der Einfluss des Mantelrohrdruckes auf die Druckschwankungen im Innern des Schlauches, deren Grösse an einer Wassersäule (!) abgelesen wird, zeigt sich nun darin, dass bei Anwendung des Aussendruckes die Minima kleiner, die Maxima aber höher werden, so dass die Grösse der Drucksehwankung zunimmt wie bei der „klinischen Blutdruck- steigerung“. Aus diesen Versuchen soll hervorgehen, dass die klinische Blutdrucksteigerung durch eine in der Arterienwand sitzende Kraft erzeugt wird, die im Experiment durch einen Aussendruck nachgeahmt ist. Zu dieser Beweisführung ist folgendes zu sagen: Dass die Grösse einer Schlauchwelle durch einen von aussen im geeigneten Zeitpunkt einwirkenden Druck beeinflusst werden kann, ist nicht zu bezweifeln und braucht durch ein Experiment kaum erwiesen zu werden. Unaufgeklärt in den mitgeteilten Versuchen ist das Sinken des Minimums, das durchaus keine notwendige Folge der von aussen einwirkenden Druckschwankung ist; ob es durch einen im Mantel- rohr in einem Zeitmoment auftretenden negativen Druck, ob es durch eine Eigenschwingung der Wassersäule oder auf andere Art entsteht, lässt sich aus den vorliegenden Angaben nicht entscheiden. Die Hauptsache aber, ob die „klinische Blutdrucksteigerung“ tat- sächlich durch eine Arterienkontraktion veranlasst wird oder auf andere Weise entsteht, wird durch die vorliegenden Versuche in keiner Weise entschieden. Die Möglichkeit, dass durch Arterien- kontraktion eine Erhöhung der Druckschwankung (Amplitude) zu- stande kommen kann, ist auch ohne die Versuche nicht zu be- streiten, dass sie tatsächlich stattfindet, wird durch sie nicht fest- gestellt. Von weiteren Gründen für aktive Arterienkontraktion werden angeführt: die Tatsache, dass die Druckschwankung in der Art. Cruralis grösser ist als in der Karotis bei annähernd sleichem Druckminimum in beiden Arterien. Eine analoge Er- Ist eine aktive Förderung des Blutstroms durch die Arterien erwiesen? 593 scheinung wird von Hasebroek am Gummischlauch experimentell erzeugt, indem etwa 40 cm stromabwärts vom Schlauchanfang ein „Druckmantelrohr“ und unterhalb desselben ein zweites Steigrohr an- gebracht wird. Durch diesen Versuch wird aber aus den schon genannten Gründen ebensowenig bewiesen wie durch den vorher- gehenden. Gar nicht erwähnt wird. in dieser Versuchsreihe, dass der Unterschied im Karotis- und Cruralispulse von ınanchen Autoren!) durch Wellenreflexion erklärt wird. Ein weiterer Grund Hasebroek’s ist die Adrenalin- wirkung; diese soll nach Untersuchungen van den Velden’s in einer Senkung des Minimums, Erhöhung des Maximums, also Ver- srösserung der pulsatorischen Druckschwankung bestehen; sie „ist geradezu ein klassischer Beweis dafür, dass die Drucksteigerung im Organismus unter Umständen genau so sich abspielt wie in meinem Schlauchsystem mit hinzugefügten pressorischen Drücken. Nie und nimmer könnte ein solcher Druckablauf eingetreten sein, wenn es sich nur um die allgemeine Beziehung zwischen Herzkraft schlecht- hin und Gefässüberspannung cder -kontraktion handelte. Ich sehe in dieser Adrenalintabelle eine physikalische Bestätigung meiner bereits früher aus klinischen Tatsachen gezogenen Schlüsse auf die . Natur der aktiven Arterienmitarbeit unter Adrenalinwirkung“. Aber auch diesen Versuch kann man nicht als Beweis für die aktive Arterienkontraktion gelten lassen. Erstens beobachtet man im Tier- versuch als Adrenalinwirkung keine Senkung, sondern eine Erhöhung der Druckminima, wie aus zwei nicht für den vorliegenden Zweck von mir angestellten Versuchen hervorgeht; in diesen wurde der Seiten- druck in der Art. Cruralis mit einem Federmanometer registriert. Die gemessenen Werte sind in folgender Tabelle verzeichnet. Schwankung des Seitendruckes in cm Wasser vor der Injektion | Adrenalin-Wirkung Versuch I. 97--185 | 117—220 97—172 | 107—220 92—171 112—217 90—170 100—199 87—162 110— 215 112—219 110—213 127— 257 150—283 1) v. Kries, Studien zur Pulslehre. Freiburg i. B. 1892. 594 K. Hürthle: Schwankung des Seitendruckes in cm Wasser vor der Injektion Adrenalin-Wirkung Versuch II. 83— 157 160— 283 85—161 137—283 94—168 93—227 101—237 In beiden Versuchen zeigt sich also eine Erhöhung sowohl der Maxima als auch der Minima, und ohne weitere Untersuchungen lässt sich unmöglich angeben, wieviel von dieser Wirkung dem er- höhten Tonus der Blutgefässe, wieviel dem Herzen zuzuschreiben ist. Ob die Adrenalinwirkung am kranken Menschen nach sub- kutaner Einverleibung grundsätzlich verschieden von der am Tier beobachteten ist, kann ich nicht entscheiden; nicht ausgeschlossen scheint ein Fehler in der Druckmessung, die am Menschen mit dem von Recklinghausen’schen Tonometer vorgenommen wurde; denn es unterliegt keinem Zeifel, dass bei dieser indirekten Druck- messung erhebliche Fehler vorkommen. Zweitens wird gar nicht erörtert, ob und inwieweit das Herz und die Elastizität des Gefäss- systems an der vergrösserten Druckschwankung beteiligt ist; denn die nächstliegende Erklärung für eine solche ist eine Vergrösserung des Sehlagvolums des Herzens; eine solche ist aber bei der Adrenalin- wirkung nicht allein möglich, sondern im vorliegenden Falle sogar wahrscheinlich, und zwar wegen des Verhaltens des Venendruckes, der von Hasebroek nicht erwähnt, aber von van den Velden in der Armvene durch Einstechen einer Kanüle gemessen worden ist und von 5,6 auf 10,5 em stieg. „Die Untersuchung des Venen- druckes ergab in diesen Fällen parallel dem Anstieg im arteriellen Gebiete auch eine deutliche Erhöhung des Druckes im rechten Vor- hof um mehrere Zentimeter.“ Diese Angabe enthält doch gewiss eine vollkommen ausreichende Erklärung der vergrösserten Amplitude durch vergrössertes Schlagvolum. Aber selbst, wenn sich in einer experimentellen Untersuchung herausstellen sollte, dass das Schlag- volum unter der Adrenalinwirkung nicht vergrössert oder gar ver- kleinert ist, dürfte die vergrösserte Druckschwankung nicht ohne weiteres einer sekundären in den Arterien auftretenden Kraft zu- geschrieben werden; es müsste erst festgestellt werden, ob sie nicht von einer Änderung der Elastizität der Aortenbahn, nämlich einer Ist eine aktive Förderung des Blutstroms durch die Arterien erwiesen? 595 Verminderung der Dehnbarkeit, herrührt, die sehr wahrscheinlich unter der Adrenalinwirkung entsteht und zu einer Vergrösserung der Druckschwankung führen muss. Erst wenn der Nachweis er- bracht würde, dass die Adrenalinwirkung weder durch eine Ver- grösserung des Schlagvolums, noch durch eine Änderung der Elastizität der Blutgefässe veranlasst ist, wäre das Suchen nach einer sekundären Kraft gerechtfertigt. Die aus klinischen Beobachtungen (Tabes und Nephritis) entnommenen Gründe Hasebroek’s für die aktive Tätigkeit der Arterien auf ihre Stichhaltigkeit zu prüfen, will ich Klinikern überlassen und verweise auf die gegensätzliche Auffassung Strasburger’s in der zitierten Abhandlung S. 2455. Fasst man das Ergebnis der vorstehenden Betrachtungen zu- sammen, so besteht es darin, dass keine einzige der angeführten Beobachtungen oder Überlegungen einen Beweis für eine aktive Förderung des Blutstromes durch die Blutgefässe enthält. Bei einigen musste die Richtigkeit der Beobachtung in Zweifel gezogen werden, bei anderen ist der beobachtete Vorgang unklar, die Mehrzahl aber lässt sich auf andere, und zwar meist einfachere Weise erklären. Die Annahme einer aktiven Einwirkung der Gefässe auf die Be- wegung des Blutes ist daher eine unbewiesene Hypothese. Altenburg Pierersche Hofbuchdruckerei Stephan Geibel & Co. Ge IE AS BL WHOI Library - Serials IN 137: 5 WHSE 0