S % h £ NER FEAR N RN I HakteN er aa N A H N IH A A . ER RZ N N IEINRI N IERALLNANE u I RE E) Hr as at, Na PFLÜGER® ARCHIV FÜR DIE GESAMTE PHYSIOLOGIE DES MENSCHEN UND DER TIERE. HERAUSGEGEBEN VON MAX VERWORN PROFESSOR DER PHYSIOLOGIE UND DIREKTOR DES PHYSIOLOGISCHEN INSTITUTS DER UNIVERSITÄT BONN UNTER MITWIRKUNG VON PROF. BERNHARD SCHÖNDORFF IN BONN. BAND HUNDERT UND EINUNDFÜNFZIG. MIT 10 TAFELN UND 161 TEXTFIGUREN. —g BONN, 1913. VERLAG VON MARTIN HAGER. Inhalt. Erstes, zweites und drittes Heft. Ausgegeben am 21. April 1913. Die physiologischen Grundlagen der Elektrokardiographie. Von Dr. med. M. Eiger, Assistenten des Institutes. (Mit 9 Text- figuren und Tafel I-VIL) (Aus dem physiologischen Institut der Jagiellon. Universität zu Krakau) . , Zur Frage des Verhaltens der Amphibien in verschieden kon- zentrierten Lösungen. Bemerkungen zu der im ersten und zweiten Hefte von Pflüger’s Archiv Bd. 150. 1912 veröffent- liehten Mitteilungen von Dr. Bruno Brunacci. Von E. Louis Backman und Carl Gustaf Sundberg. (Aus dem physiologischen Institut der Universität Upsala) je Die Regenerationserscheinungen bei der Verheilung von mo- torischen und rezeptorischen Nervenfasern. Von Prof. Dr. J. Boeke, Direktor des anat. Instituts der Universität Beidenr(Holland) .u2. 2. Über die Wirkung von Morphium, Om ı und ale auf die Bewegungen des Magen - Darm-Tractus des Menschen und des Tieres. Von Nicolai Schapiro. (Mit 21 Text- figuren.) (Aus der chirurgischen Universitätsklinik zu Basel) Vergleichung der bei konstantem und rhythmischem Druck durch die Hinterbeine des Frosches getriebenen Flüssigkeits- mengen. Von Fritz Schaefer, cand. med. (Mit 2 Text- figuren.) (Aus dem physiol. Institut der Universität Breslau) Die Hering’sche Theorie gibt keine Erklärung für den an aus- geschnittenen Herzmuskelstücken hervorgerufenen Pulsus alternans. Von Henri Fredericgq in Lüttich. (Mit 2 Textfiguren.) (Aus dem physiologischen Institut der Universität Lüttich) * Seite 52 57 65 97 106 IV Inhalt. Viertes, fünftes und sechstes Heft. Ausgegeben am 6. Mai 1913. Erklärungsversuch der U-Zacke des Elektrokardiogramms als Elektroangiogramm. Von Prof. H. E. Hering (Prag) Ultramikroskopische Beobachtungen an Muskel- und Geissel- zellen. Von Hans Stübel. (Aus dem physiologischen Institut der Universität Jena) Zur Kenntnis aer Haut- und Tiefensensibilität, untersucht mittels der Abschnürungsmethode. Von Dr. med. H. Fabritius, Helsingfors, Finnland, und E. von Bermann, Demonstrator am obengenannten Institut. (Aus dem Physiolgischen In- stitut der Universität Wien) Versuche über den Richtungssinn beim Menschen. Von Dr. J. S. Szymanski. (Mit 2 Textfiguren.) (Aus dem logischen Institut der Universität Wien) : Zur Kenntnis der spinalen Koordination der rhythmischen Reflexe vom Ortsbewegungstypus. Von’J. 8. Beritoff (St. Peters- burg). (Mit 32 Textfiguren) a; Über die Verschmelzung rhythmischer Wärme- und Kälte- empfindungen. Von Prof. Dr. Adolf Basler, Assistent am physiolog. Institut in Tübingen. (Mit 7 Textfiguren) Experimentelle Untersuchungen über Reizbildung und Reiz- leitung im Atrioventrikularknoten. Von Alfred Zahn. (Mit 16 Textfiguren.) (Aus der medizinischen Poliklinik der Universität Freiburg i. Br.) 5 ö Über die Bedeutung der Reizbildungsstellen (Kardiomeion Zentren) des rechten Vorhofes beim Säugetierherzen. Von Oberarzt Dr. Walter Koch. (Mit 5 Textfiguren.) (Aus der II. medizinischen Universitätsklinik in Berlin) Seite 111 115 125 158 171 226 247 ° 279 Siebentes, achtes, neuntes und zehntes Heft. Ausgegeben am 22. Mai 1913. Versuche zur Ermittlung der stopfenden Bestandteile im Opium (Pantopon). Von O. Hesse und P. Neukirch. (Mit 7 Textfiguren.) (Aus dem pharmakologischen Institut der Reichsuniversität Utrecht) \ Der Einfluss des Tannalbins auf die Verdauungsbewegungen bei experimentell erzeugten Durchfällen. Von Dr. O. Hesse. (Mit 7 Textfiguren.) (Aus dem pharmakologischen Institut der Reichsuniversität Utrecht) .. 309 363 Inhalt. Studien zur vergleichenden Verdauungsphysiologie. VI. Mit- teilung. Über das Schicksal getrunkenen Wassers im Magen und Darm des Pferdes. Von Arthur Scheunert. (Aus dem physiologischen Institute der tierärztl. Hochschule zu Dresden) Beiträge zur Physiologie des überlebenden Dünndarms von Säugetieren. Von Dr. Tullio Gayda, Assistent. (Mit 17 Textfiguren.) (Aus dem physiologischen Institut der k. Universität Turin) . SE Über das Gesetz Bürgi’s von den Arzneikombinationen. Von Dr. B. von lssekutz, Assistent am Institut. (Aus dem pharmakol. Institut der kgl. ung. Universität Kolozsvär) Elftes und zwölftes Heft. Ausgegeben am 3. Juni 1913. Die Verwertung der Energie des Alkohols für die Muskelarbeit. Von Karl Krieger. (Aus dem physiol. Institut der westf. Wilhelms-Universität zu Münster i. W) Die Innervation der Gefässe der Nasenschleimhaut. Experimen- telle Untersuchung von Dr. M. A. Tschalussow. (Mit 10 Textfiguren und Tafel VIII.) (Aus dem physiologischen Laboratorium der kaiserl. Universität Kasan) . Über die Beziehungen des N. depressor zu den vasomotorischen Zentren. Von Privatdozent L.L. Fofanow und Dr. med. M. A. Tschalussow. (Mit 13 Textfiguren und Tafel IX und X.) Aus dem physiologischen Laboratorium der kaiserl. Universität Kasan) . 3 ER Re Über die Wirkung von Giften auf die Gefässe isolierter Fisch- kiemen. Von Prof. N. P. Krawkow. (Mit 11 Text- figuren.) (Aus dem pharmakologischen Laboratorium der kaiserlichen militär-medizinischen Akademie in St. Peters- buro) . . N ae Über die Ursache der Atembewegungen. Von J. Rosenthal. Seite 396 407 456 479 523 543 985 604 EE, (Aus dem physiologischen Institut der Jagiellon. Universität zu Krakau.) Die physiologischen Grundlagen der Elektro- kardiographie!). Von Dr. med. M. Eiger, Assistenten des Institutes. (Mit 9 Textfiguren und Tafel I—-VII.) I. Die Grundform der elektrokardiographischen Kurve und die Erklärung der Entstehung der Zacken. In der vorliegenden Arbeit, welche ausschliesslich die experimen- telle Prüfung der physiologischen Grundlagen der elektrokardio- graphischen Methodik zum Gegenstand hat, kann selbstverständlich nur die Bedeutung des Einthoven’schen Galvanometers auf diesen speziellen Gebiete zur Hervorhebung gelangen; die Bedeutung des genannten Apparates vom allgemeinphysiologischen Standpunkte aus betrachtet wird nur insofern berührt, als dies notwendig sein wird, um zu beweisen, dass die elektrische Phänomene am Herzen sich aufdiebekannten Tatsachen der Elektrophysiologie der Muskeln und der allgemeinen Physiologie des Herzens zurückführen lassen. Diesen Nachweis zu führen, das ist das Hauptziel der vorliegenden Abhandlung. Höchst wertvoll sind gewisse Kurven von Kraus und Nicolai, welche von Patienten aufgenommen sind, die in den elektrokardio- graphischen Kurven Abnormitäten zeisten, welche mit keiner anderen Untersuchungsmethode nachweisbar waren. In einer seiner Arbeiten (Berliner klin. Wochenschr. 9. Jan. 1911) gibt Nicolai ein Elektro- 1) Mitgeteilt den 3. Juli 1911 in der Sitzung der mathematisch - natur- wissenschaftl. Klasse der Akademie der Wissenschaften in Krakau durch H. N. Cybulski. Siehe auch Extrait du Bulletin de l’Acad. des Sciences de Cracovie Serie B. Juillet 1911. Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd. 151. 1 2 M. Eiger: kardiogramm eines Soldaten wieder, welcher über Herzbeschwerden klagte und bei welchem trotz Anwendung aller möglichen Unter- suchungsmethoden erst das Elektrokardiogramm eine Unregel- mässigkeit der Herzaktion entdeckte; der Soldat wurde aus diesem Grunde vom Dienste befreit. Kraus und Nicolai haben die Ergebnisse ihrer Forschungen auf diesem Gebiete in ihrem Werke „Das Elektrokardioeramm des gesunden und kranken Menschen“ (322 S. Leinzig 1910) veröffentlicht, welches in klinischer Hinsicht einen wertvollen Beitrag zur Lehre von der Elektokardiographie darstellt. Sie nennen eine der Zacken, welche in abnormer Form bei Patienten auftritt, bei denen die sonstigen Untersuchungsmethoden keine Abnormität feststellen, die „nervöse“ Zacke lediglich aus dem Grunde, weil sie in dieser Gestalt angeblich am häufiesten bei Neurasthenikern vorzukommen pflegt. Da wir in unserer Abhandlung den Nachweis führen werden, dass die von Kraus und hauptsächlich von Nicolai stammende elektrokardiographische Theorie von gewissen Mängeln behaftet ist, so erscheint uns die Bemerkung nicht un- angebracht, dass die Zeit zur Belegung der einzelnen abnormen Zackenformen mit besonderen klinischen Namen, so wie es die Autoren mit ihrer nervösen Zacke tun, erst dann kommen wird, wenn die Klinik über eine genügende Anzahl solcher Fälle verfügen wird, wo nicht nur die klinische Untersuchung am Lebenden, sondern vor allen Dingen die Autopsie und mikroskopische postmortale Prüfung den Nachweis führen wird, dass weder eine anatomische noch eine pathologisch anatomische Abnormität besteht. Sogar in solchen Fällen einen im Herzen sich abspielenden biochemischen Prozess aus- schliesslich den nervösen Wirkungen zuzuschreiben, ist vom Stand- punkte der modernen Biochemie veraltet und entspricht nicht den Anforderungen der strengen Kritik. Aus der Untersuchung der physiologischen Grundlagen der Elektrokardiographie lässt sich, wie wir uns aus den weiter anzu- führenden Versuchen überzeugen werden, der unumstössliche Schluss ableiten, dass die elektrokardiographische Methode ein Kriterium der sich im Herzen abspielenden Stoffwechselprozesse darstellt; wir können auf Grund der elektrokardiographischen Kurve beurteilen, was für ein Prozess in der betreffenden Funktionsphase des Herzens stattfindet: ist es die Assimilation bzw. der Anabolismus oder die Dissimilation, d. h. der Katabolismus; mit anderen Worten, ob die (Gewebe dem Aufbau oder dem Zerfall anheimfallen (Fano, Gaskell, Die physiologischen Grundlagen der Elektrokardiographie. 3 Cybulski!). Da nun das elektrische Phänomen am Herzen eben- sogut die chemischen Vorgänge begleitet wie z. B. die Wärme- erscheinung, so muss die Theorie von der physiologischen Grundlage der Elektrokardiographie und die Erklärung der Entstehungsweise der einzelnen Zacken der Kurve auf einer allgemeinen elektrophysio- logischen Theorie der Entstehung des elektrischen Phänomens in den Muskeln und in den Nerven fussen. Im Gegensatz zu den Be- obachtungen von du Bois-Reymond herrschte lange Zeit in der Elektrophysiologie fast ausschliesslich die Hermann’sche Theorie. Die Hermann’sche Theorie, welche die Entstehung des Ruhe- stromes ausschliesslich auf eine Schädigung zurückführt, wird als die Alterationstheorie bezeichnet. Der Theorie von Hermann traten sowohl Cybulski?) wie Bernstein®) entgegen. Von all- gemeinen Grundlagen der Elektrophysik und der Elektrochemie aus- sehend, haben sie im Gegensatz zur Auffassung von Hermann den Nachweis geführt, dass sich im unbeschädigten Muskel immer ein Strom feststellen lässt. In einer Reihe von Abhandlungen haben Cybulski und Bernstein die Beweise niedergelegt, auf welchen sich ihre Anschauungen stützen: Die Theorie von Cybulski von der Entstehung der elektrischen Ströme in unbeschädigten aktiven ‘oder ruhenden Muskeln geht aus von der allgemeinen elektro- chemischen Lehre der Flüssigkeitsketten; die Bernstein’sche Membrantheorie ist auf dem Prinzip der Konzentrationsketten ge- gründet. Aus diesen Arbeiten scheint unzweideutig der Schluss zu folgen, dass die Hypothese von Hermann unrichtig ist. — Da Cybulski der erste gewesen ist, welcher seine neuen, die Hypothese von Hermann widerlegenden Ansichten zur Begründung der elektro- kardiographischen Kurve in Anwendung brachte, so müssen wir etwas näher auf seine Theorie auf diesem Gebiete eingehen. 1) N. Cybulski, Über die Beziehung zwischen den Aktionsströmen und dem tätigen Zustand der Muskeln. Bull. de l’Acad. des Sciences de Cracovie. Mars 1910. — N. Cybulski, Gazeta lekarska 1910. 2) N. Cybulski, 1. c., sowie N. Cybulski, Über die Oberflächen- und Aktionsströme der Muskeln. Bull. de l’Acad. des Sciences de Cracovie, und der Vortrag im Physiologenkongress in Wien 1910. — N. Cybulski, Über den so- genannten Willkürversuch von du Bois-Reymond. Wiener med. Wochenschr. 1910 Nr. 39. 3) Bernstein, Lehrb. d. Physiol. 1910. 1 4 M. Eiger: Nach der Ansicht von Cybulski!) bildet jeder Muskel oder eigentlich jede Muskelfibrille eine geschlossene elektrische Kette. Die Stromrichtung in derselben ist aufsteigend und zeugt vom Be- stehen des Anabolismus, der so lange dauert, als der Muskel Jebt. Wird der Muskel tätig, so stellt sich der Katabolismus ein; es ent- steht ein absteigender Strom. Die elektrischen Ströme sind eng mit den Stoffwechselprozessen verknüpft. Die von dieser Anschauung ausgehende Analyse der einzelnen Zacken der elektrokardiographischen Kurve unterscheidet sich prinzipiell von der Erklärungsweise aller anderen Forscher und namentlich von der Theorie von Kraus und Nicolai, welche voll- ständig ausgearbeitet und dadurch am meisten verbreitet ist. Wir müssen nun die wichtigsten von diesen Theorien besprechen. Eint- hoven?) schrieb die Entstehung der Zacke $ der linken und der Zacke R der rechten Kammer zu. Einthoven betrachtet die ganze elektrokardiographische Kurve im Zusammenhange mit der Fort- pflanzung der Kontraktionswelle im Herzmuskel. Nach Einthoven beginnt die Kontraktion gleichzeitig oder fast gleichzeitig an mehreren Stellen; den Ausdruck davon erblickt er in der ersten Hälfte des Kammerelektrokardiogramms im Zackensystem ©, R, 8. In weiterer Entwicklung seiner Ansichten kommt Einthoven zum Schluss, dass die Zacken P, ©, R, S, T nicht immer denselbeu Phasen der Herzperiode entsprechen. („Die gefundenen Unterschiede sind verhältnismässig gross und rechtfertigen die Folgerung, dass besagte Spitzen nicht in identische Phasen der Herzperiode fallen.“) Die eigentliche vollständige und harmonische Theorie der elektro- kardiographischen Kurve haben Kraus und Nicolai gebaut; letzterer suchte namentlich in einer Reihe von eigenen zum Teil unter der Mitwirkung von anderen Forschern (Rehfisch, Simons u. a.) ausgeführten Untersuchungen die Richtigkeit seiner Lehre nachzu- weisen. Nicolai legt sich zunächst die Frage vor, ob im Herzen eine gleichmässige bzw. diffuse oder eine Reizausbreitung auf bestimmten Bahnen stattfindet. Nach den in der heutigen Physiologie all- 1) Über die Oberflächen und Aktionsströme der Muskeln. Vortrag auf dem Physiologenkongress 1910. — N. Cybulski und M. Eiger, Elektrokardio- gramme bei verschiedenen Arten der Narkose. Vortrag in der III. Sitzung des polnischen Chirurgenkongresses in Warschau, auch „Medycyna“ 1910. 2) Pflüger’s Arch. Bd. 122 und Le T&lecardiogramme. Arch. internat. de Physiol. t.4. 1906. Die physiologischen Grundlagen der Elektrokardiographie. 5 gemein angenommenen und auf anatomischen Tatsachen begründeten Lehre (v. Kries, Engelmann u. a.) breitet sich der Reiz über die Kammern und Vorhöfe sowie über eine sozusagen homogene Muskelmasse aus, deren einzelne Partien mittels der von Ludwig und Albrecht beschriebenen Fasern und die einzelne Muskelzelle mittels der von Przewoski beschriebenen Brücken untereinander verbunden sind. Diesem von den meisten Physiologen vertretenen Standpunkte schliesst sich Nieolai nicht an und stellt in der Elektrokardiographie ein anderes Prinzip der Reizausbreitung auf bestimmten Bahnen auf, obwohl er selbst bemerkt, dass diese Vor- stellung merkwürdigerweise iu der Literatur niemals ernstlich dis- kutiert wurde (S. 142). Auf die aufgestellte Frage, ob die das sanze Herz zusammensetzenden Muskelsysteme (die Venenmuskeln, die Vorhofmuskeln, die äusseren Spiralfasern, die Mittel- und die Innenschicht) voneinander völlig isoliert sind, antwortet Nicolai folgendermaassen: „Allerdings bleibt der im gewissen Sinne isolierte Charakter der einzelnen Systeme erhalten, denn die genannten Ver- bindungen sind nur mehr oder weniger schmale Brücken zwischen mächtigen Muskelmassen }).“ Nicolai geht von der Annahme aus, dass die Herzsystole (S. 177) aus der primären peristaltischen Welle entsteht, welche im Herzmuskel von den venösen zu den arteriellen Stämmen verläuft; das folgt aus der embryologischen Auffassung der Herzstruktur; entsprechend den Knickungen, welchen das Herz unter- liegt, beschreibt die Erregung hin- und zurücklaufend einen Bogen (S. 133). Nieolai und Kraus, welche, wie man aus den angeführten Kurvenschemen ersehen kann, alle möglichen Vorhofs- und Kammer- zacken beobachtet haben mit Ausnahme der Vorhofszacke ? und der drei Bulbuszacken (beim Frosche) erblicken im Elektrokardiogramm eine algebraische Summe von verschiedenen Aktionsströmen. Die Kammer, ihrem eigentümlichen Muskelbau und der Richtung der darin nach- weisbaren Muskelfasern gemäss, eibt eine eigenartige elektrokardio- graphische Kurve. Von den Vorhöfen pflanzt sich die Erregung nach einem kurzen Intervall ()), währenddessen sie durch das Bündel von His-Tawara läuft, ohne einen Ausschlag der Saite zu ver- anlassen, auf den basalen Teil des Papillarsystems fort. Von hier geht die Erresung auf die Spitze der Kammer über. („Als Aus- druck hiervon steigt die Kurve im Elektrokardiogramm steil au (I)... l) Das Elektrokardiogramm S. 116, sowie Zentralbl. f. Physiol. 1908 Nr. 20 Dog: 6 M. Eiger: Es folgt daraus, dass die Erregung sich bis zur Spitze fortpflanzt; wenn sie dort anlangt, ist die Kurve wieder bereits abgesunken*, S. 174.) Wenn das Elektrokardiogramm die Zacke @ (Ta) aufweist, so soll das bedeuten, dass die Erregung die Basis „der freien Papillarmuskeln“ erreicht hat; sie muss sich nun von der Basis bis zur Spitze der Muskeln bewegen und sich somit in bezug auf das Herz in der Richtung von der Spitze zur Basis der Kammer fort- pflanzen. Durch den Durchgang der Erregung durch die freien Papillarmuskeln ist die Entstehung der mit der Zacke R (T) re- ziproken Zacke @ (Ta) bedingt. Die Zacke R (I) ist also für die Verfasser der Ausdruck der Fortpflanzung der Erregung in der einen Richtung der Herzspitze zu, während die Zacke © (Za) der Fort- pflanzung der Erregung durch die freien Papillarmuskeln, also in der umgekehrten Richtung, und zwar der Herzbasis zu, entspricht. Dann kommt der Zeitabschnitt, wo sich das Herz als ein gewöhnlicher Hohlmuskel kontrahiert. Sowohl die transversalen Fasern der Mittel- schicht wie die longitudinalen Spiralfasern werden ungefähr zu gleicher Zeit tätig. Die elektrokardiographische Kurve weist eine horizontale Linie auf, da sich in dieser Periode die Ströme vielfach gegenseitig kompensieren. Die gerade Linie, welche das Fehlen von Saitenanschla@ bedeutet, soll nach der Ansicht der Autoren „der Ausdruck eines mehrfachen sich gegenseitig kompensierenden Ge- schehens . . .“ sein (S. 176). Nach dieser Periode folgt nach der Ansicht der Autoren die zweite Gruppe der Kammerausschläge, die sogenannte Finalzacke, von Einthoven mit 7 bezeichnet. Diese Zacke beweist, dass die Erregung abermals nach oben gegen die Herzbasis angestiegen ist. Das soll angeblich darauf hinweisen, dass sich zuletzt die Fasern in der Gegend der Aorta kontrahieren, was mit dem embryologischen Gesichtspunkt der Autoren übereinstimmt, wonach die ganze Kammer- kurve den Ausdruck der Fortpflanzung der Welle durch das gebogene Herz von den venösen zu den arteriellen Stämmen bildet. Die Theorie von Nicolai, welche wesentlich auf dem neuen Prinzip der Ausbreitung der Ströme in der Kammer auf isolierten Bahnen fundiert ist, muss eingehend analysiert werden. Nicolai führt alle Beweise an, welche die Richtigkeit der Theorie von Engelmann bestätigen und seinen neuen Ansichten widersprechen, und kommt zu dem Schluss, „dass hier die Physiologie versagt hat...“ (8. 133). Bei der Betrachtung der elektrokardiographischen Die physiologischen Grundlagen der Elektrokardiographie. 7) Kurve gelangt er zum Schluss, dass die Zacke R auf die Ausbreitung der Erregung gegen die Spitze zu hinweist; daraus folgt weiter, dass sich die Spitze früher kontrahiert als die Basis. Die Versuche einer Reihe von Nicolai angeführten Forschern (S. 132) widersprechen dieser Annahme; da sich nun Nicolai auf Experimente, wo die Kontraktionen der einzelnen Kammerabschnitte mechanisch regi- striert waren, nicht ohne weiteres berufen kann, schlägt er den umgekehrten Weg ein, indem er als Grundlage zur Erklärung der elektrokardiographischen Kurve die elektrische Erscheinung ver- wendet und sagt: „so ist es doch sehr verwunderlich, dass niemand bisher diesen Versuch ernstlich unternommen hat .. .“ (8. 133). In Anlehnung an die Theorie von Gotch von der Ausbreitung der peristaltischen Kontraktionswelle von den venösen zu den arteriellen Gefässen in Übereinstimmung mit den embryologischen Daten, sollte man annehmen, dass sich zuerst der obere Kammer- abschnitt, dann die Spitze und endlich die Umgebung der Aorta kontrahieren müsse. Indessen weist nach Nicolai die elektro- kardiographische Kurve der Kammer darauf hin, dass sich zuerst die Spitze der Kammer kontrahiert. Um den Nachweis zu führen, dass sich nicht der den Venenstämmen am nächsten liegende Teil der Kammer, sondern der mittlere, d. h. die Spitze, zuerst kontra- hiert, bedient sich Nieolai der teleologischen Argumentation, indem er sagt, es wäre unzweckmässig, wenn infolge der Kontraktion der näher zu der Basis gelegenen Herzabschnitte der Blutstrom zu- nächst gegen die Spitze gerichtet wäre, um erst dann von dort zur Aorta zu fliessen. In derselben Zeit (S. 131) stellt Nicolai selbst die Unzulässigkeit der teleologischen Beweisführung im allgemeinen fest. Um nun die Art der Ausbreitung der Erregung zu erklären, bleibt ihm nichts anderes übrig als das Phänomen der elektrokardio- graphischen Kurve. Die Theorie von Nicolai von dem Vorhandensein bestimmter Bahnen im Herzmuskel genügt dem Autor selbst nicht; indem er z. B. die auffällige Tatsache konstatiert, dass die Zacke Ip ($ von Einthoven) oft fehlen kann, sagt er, dass, wenn die Erregung die Spitze erreicht hat, sie sich dann einigermaassen gleichmässig über das ganze Herz zu gleicher Zeit ausbreiten kann (S. 174). Engelmann, Marchand und andere Vertreter der Lehre von der Ausbreitung der Erregung in der ganzen Masse der Kammer- muskulatur haben keinen Unterschied gesehen in der Ausbreitung 8 M. Eiger: der Erregung bei natürlichen, pathologischen und künstlich erzeugten Herzkontraktionen. Das ist leicht zu begreifen. Wenn für die Aus- breitung der Erregung bei natürlichen Kontraktionen gewisse anato- mische Verhältnisse gegeben sind, dann müssen sie auch bei ab- normen und künstlichen Reizen ihre Geltung behalten. Indessen behauptet Nicolai folgendes: „Bei normalen Kontraktionen verläuft die Erregung auf relativ komplizierten, aber ganz bestimmten Bahnen.“ „Bei allen Extrasystolen breitet sich aber die Erregung von der Stelle der primären Reizung gleichmässig nach allen Rich- tungen aus.“ Da sowohl bei den natürlichen wie bei den künstlich erzeugten Kontraktionen, sowie auch bei Extrasystolen dieselben anatomischen Verhältnisse und dieselben Bedingungen der Ausbreitung der Er- recung bestehen sowohl in den Muskeln, in den Ludwig- Albrecht’schen Fasern und in den Brücken von Przewoski, wie in den sonstigen Bestandteilen des Herzmuskels, so scheint es uns viel richtiger zu sein, die alte Lehre Engelmann’s von der gleichmässigen Ausbreitung der Erregung in der ganzen Muskel- masse beizubehalten. Nicolai sagt von der Muskelmasse der Vor- höfe, dass sie aus sich nach allen Richtungen kreuzenden Fasern besteht und wahrscheinlich ohne dass sich darunter irgendwelche bestimmte Richtung hervorhebe. Die mechanische Funktion der Vorhöfe denkt sich der Verfasser äusserst einfach; die elektrischen Phänome aber haben eine so unbestimmte und so sichtlich ver- wischte Gestalt, dass „präzise Schlüsse kaum möglich sind“. Die weiter unten in unserer Abhandlung wiedergegebenen Kurven be- weisen, dass in den Vorhöfen genau dieselben Zacken wie an den Kammern entstehen, dass die Hauptzacke P des Vorhofes vollkommen der Kammerzacke R entspricht, dass die Vorhöfe ganz dieselben _ Bedingungen für die Entstehung der Zacke q und Phase s bieten, dass endlich die Kammerzacke 7 keine für die Kammer der höheren Tiere eigentümliche Erscheinung bildet, sondern ebenfalls am Vorhef, am isolierten pulsierenden Bulbus usw. auftritt. Da es nun schwer anzunehmen wäre, dass in allen einzelnen Herzabschnitten (Bulbus, Sinus, Vorhöfe) dieselben isolierten Fasern von demselben Bau und Verlauf bestehen sollten, wie sie Nicolai in der Herzkammer gefunden haben will, da weiter Nicolai selbst in den Vorhöfen keine isolierten in einer bestimmten Rich- tung verlaufenden Fasern zu unterscheiden vermochte, so muss sich Die physiologischen Grundlagen der Elektrokardiographie. 9 die Überzeugung aufdrängen, dass die ganze Annahme vom angeb- lichen Vorhandensein bestimmter, einigermaassen isolierter Bahnen in der Masse der Kammermuskulatur, welche den Übergang der- selben in den Erregungszustand bedingen, überflüssig ist. Dass zwischen den Vorhöfen und den Kammern, welche jedes für sich ein besonderes muskulöses Ganzes bildet, eine nervo- muskulöse Verbindung in der eigenartigen Gestalt des Bündels von His-Tawara besteht, welches durch den Cireulus callosus geht, steht in keinem Widerspruch mit den allgemein angenommenen anatomischen Ansichten von der Vorhof- und Kammerstruktur; diese Ansichten haben ihren Ausdruck in dem zu Recht bestehenden und bis jetzt keineswegs widerlegten Satz, dass sowohl die Vorhöfe wie die Kammern aus Muskelzellen zusammengesetzt sind, die unter- einander mittelst der Brücken von Przewoski verbunden sind; dafür sprechen sogar die Ergebnisse der embryologischen Forschung). Die einzelnen Mängel der Niecolai’schen Hypothese werden noch bei der Erklärung der Zacken nachgewiesen. In den Versuchen, in denen der Strom von 'herausgeschnittenen Herzpartien abgeleitet wurde, habe ich ein mehr oder weniger typisches Elektrokardiogramm erhalten, wie es das ganze Herz zu geben pflegt, gleichgültig, ob die Ableitung erfolgte von der isolierten und schlagenden rechten oder linken Herzhälfte, oder nach partieller Abtragung der Basis (Vor- hof) oder Kammerspitze, oder endlich, nachdem sowohl der rechte und der linke seitliche Teil wie die unteren und oberen Partien entfernt waren, so dass nur ein Mittelstumpf zurückblieb, aus dem mittleren Teil der Vorhöfe und einer Partie der Kammer bestehend. In allen diesen Versuchen habe ich eine typische Kurve erhalten, durchaus dem Elektrokardiogramm des ganzen Herzeus ähnlich. Selbst Nicolai gibt zu, dass beim Engelmann’schen „Ziekzack- versuch die Reizausbreitung auf nicht gebahnten Wegen erfolgt“ (S. 304). Er nimmt also an, ‘dass die Erregung in diesen Versuchen und bei allen Fxtrasystolen sich gleichmässig von der Reizstelle nach allen Richtungen und nicht auf bestimmten Bahnen ausbreitet; eine Ausnahme bilden nur die natürlichen Kontraktionen. („Somit bleibt nur als wesentliche Tatsache, dass die normale Erregung des Herzens in ganz bestimmten prädisponierten Bahnen verläuft“ S. 305.) 1) E. Godlewski, Über die Entwicklung des quergestreiften muskulösen Gewebes. Bull. de l’Acad. des Sciences de Cracovie 1901 u. f. — Rozwoj tkanki miesne) w miesniach szkieletowych i w sercu zwierzas ssacych. Kraköow 1901. 10 M. Eiger: Bei der Durchsicht der Literatur habe ich in einer Fussnote (1. e. 8.8) eine kurze Angabe von den dureh Nicolai in Neapel an Herzen einiger Wirbellosen (Aplysien, Krebse, Tintenfische usw.) angestellten Versuchen gefunden. „Prinzipiell unterscheiden sich diese Elektrokardiogramme nicht von denen der Wirbeltiere“, stellt Nicolai zum Schluss fest. Soll das etwa bedeuten, dass sich das Herz der Wirbellosen (der Krebse z. B.) in seiner Struktur vom Herzen der höheren Tiere nicht unterscheidet und „prinzipiell“ dieselben bestimmten isolierten Bahnen enthält, welche Nicolai in den Herzkammern des Menschen und der höheren Wirbeltiere findet ? Alle von mir angeführten Gründe führen uns zum Schluss, dass uns das Elektrokardiogramm keine Berechtigung zu einer derartigen Ausnahme gibt. Wenn uns nun die theoretischen Ansichten Nicolai’s nicht genügend begründet erscheinen, so bilden doch die von ihm und von seinen Mitarbeitern ausgeführten Untersuchungen und vor allem das in Gemeinschaft mit Kraus herausgegebene Buch eine wahre Schatzkammer von elektrokardiographischen klinischen Beobachtungen, und diese Eigenschaft wird ihnen in der Zukunft beibehalten bleiben. Zu den schönsten Kapiteln der allgemeinen Diagnostik der Herzkrankheiten gehören diejenigen Abschnitte, welche die dia- gnostische Bedeutung der elektrokardiographischen Methode behandeln und sich namentlich mit der ausführlichen Begründung des Satzes befassen, dass der Kliniker die elektrokardiographische Kurve nicht schematisch betrachten darf, dass angesichts der mannigfachen krankheitserregenden Einflüsse im Verlauf der Herzaffektionen das Elektrokardiogramm von symptomatischer Bedeutung ist usw. Mit der Nieolai’schen Hypothese verwandt ist die Ansicht von Rothberger und Eppinger!), welche im Elektrokardiogramm die Resultate von zweierlei antagonistischen Wirkungen der longitudinalen und der zirkularen Muskelfasern der Herzkammer erblicken. Die longitudinalen Fasern sollen den Anstieg, die transversalen das Sinken der Saite und mit ihm auch der Zackenlinie verursachen. Bei der Analyse der Nicolai’schen Hypothese habe ich nachzuweisen ver- sucht, dass die Richtung der einzelnen Fasern der Kammer keine Wirkung auf den Ausschlag der Saite ausübt, dass sowohl die Vor- höfe wie die Kammern als einheitliche muskulöse Komplexe zu be-' 1) Wiener klin. Wochenschr. Bd. 22 Nr. 31. Die physiologischen Grundlagen der Elektrokardiographie. 11 trachten sind, die mittelst des Bündels von His-Tawara miteinander in Verbindung stehen; ich meine, dass dieselben Argumente aus- reichen dürfen, um zu beweisen, dass die Hypothese von Eppinger und Rothberger unbegründet ist und der experimentellen Basis entbehrt. A. Hoffmann!) kritisiert die Ansichten von Einthoven und Nicolai in seiner Abhandlung „Zur Deutung des Elektrokardio- eramms“. — Mit vollem Recht bemerkt er in der Einleitung, dass das Elektrokardiogramm noch nicht genügend erklärt ist, und dass es heutzutage schwer ist, aus den Abweichungen sowohl der einzelnen Zacken wie der ganzen Kurve Schlüsse vom Bestehen abnormer Bedingungen im Herzen selbst oder in dessen Funktion abzuleiten. Erst wenn das Phänomen der elektrokardiographischen Kurve ge- nügend aufgeklärt sein wird, werden wir von der Elektrokardio- sraphie als von einer klinischen Methode sprechen können. Auf Grund seiner eigenen und von seinem Schüler Grau?) angestellten Versuche stellt er fest, dass das Phänomen der Zackengruppe R kompliziert ist, dass man die erste Hälfte des Kammerelektrokardio- gramms von der zweiten deutlich unterscheiden muss und dass sowohl für den ersten wie für den zweiten Abschnitt eine ausreichende Deutung fehlt. Seine Versuche mit den Ergebnissen von Finthoven und Nicolai zusammenstellend, findet er eine Reihe von Inkonse- quenzen und sich gegenseitig widersprechender Tatsachen. — Die Theorien von Goteh und Nicolai sollen nach Hoffmann viel „Gezwungenes“ an sich haben. Hoffmann erinnert daran, dass uns schon die Gestalt der Zacke 9, R, S einerseits und der Zacke T anderseits auf die Frage bringen muss, ob nicht diese beiden Gruppen von Zacken auf zwei verschiedene Ursachen zurückzuführen sind. Von den Versuchen von Hering und Salzmann ausgehend, nach welehen sich die Papillarmuskeln vor dem Conus arteriosus der rechten Kammer kontrahieren, führt Hoffman aus (S. 538), dass sich die Erregung bei der ersten Kontraktion der Papillarmuskeln in umgekehrter Richtung ausbreiten muss, weil sie in der Papillar- muskulatur an der Basis beziehungsweise am Anheftepunkt beginnt, indem die Papillarmuskeln selbst von unten nach oben verlaufen. 1) Pflüger’s Arch. Bd. 133. 1910. 2) Grau, Über den Einfluss der Herzlage auf die Form des Elektrokardio- gramms. Zeitschr. f. klin. Med. Bd. 69. 1910. 12 M. Eiger: Mit dem Durchgang der Erregung durch die Papillarmuskeln hängt die Entstehung der Zacke Q zusammen, deren geringe Dimensionen durch die Kurve der Papillarmuskeln bedingt sind. Hoffmann teilt das Elektrokardiogramm in zwei Abschnitte ein, in die sogenannte Gruppe 7 und die Gruppe R, und nimmt an, dass letztere sowie die mit ihr analoge Vorhofseruppe P den Ausdruck der Reizung beziehungsweise des Erregungszustandes des Herzens bildet. Das elektrische Phänomen der Gruppe R läuft der Kontraktion voraus. Dann „kommt rasch eine Zeit, in der sich das ganze Herz zwar peristaltisch zusammenzieht, eine Zeit, in der aber wenigstens eine kurze Zeit durch das bestehende isoelektrische Verhalten aller Teile das ganze Herz sich isoelektrisch verhält, d. h. keine Aktionsströme erzeugt. Erst wenn das Herz teilweise zu erschlaffen beginnt, werden die zuletzt aus der Kontraktion erschlaffenden, also noch tätigen Partien gegenüber den schon erschlafften, nicht mehr tätigen wieder zinkartig reagieren, und so kann wieder eine ablenkbare Potential- eifferenz entstehen, falls diese Teile näher der Basis oder näher der Spitze gelegen sind“. (S. 573.) Diese auch von Bayliss und Starling vertretene Ansicht unterstützt Hoffmann mit den Experimenten Hering’s, nach welchen die Kontraktion zuletzt an der Basis der Kammer endist. Auf diese Weise ist es nach Hoffmann möglich, dass am Ende des Elektrokardiogramms jeder einzelnen Herzkontraktion eine neue Welle mit dem die Zacke 7 bedingenden Ausschlag nach oben ent- steht. Das ganze Elektrokardiogsramm ist nach Hoffmann „die Kurve der Erregbarkeit des Herzens plus dem Ende einer Kon- traktionskurve, erklärt also die bisher von früheren Beobachtern nicht recht unterzubringende Zacke T.. .* (S. 574); zugleich fügt er mit vollem Recht zu, dass die Zacke 7 bis jetzt noch von nie- mandem einwandfrei erklärt worden ist, wenn man die Zeit, die Form der Zacke und das späte Auftreten derselben berücksichtigt. Wir sehen also, dass Hoffmann die Einleitung der elektro- kardiographischen ‚Kurve in einzelne durch ganz verschiedene sich im Herzen abspielende Prozesse bedingte Abschnitte für unbedingt notwendig hält. Einerseits bringt er die Gruppe R mit dem Phä- nomen der vorkontraktionellen Aktionsströme in Zusammenhang, was dem wirklichen Tatbestand vollkommen entspricht, andererseits soll die ganze Periode der mechanischen Herzaktion, welche er mit Die physiologischen Grundlagen der Elektrokardiographie. 13 dem Namen der „Kontraktionsperiode“ (d.h. die sogenannte Gruppe 7) belest, nach seiner Ansicht durch den Ablauf der Kontraktionswelle bzw. durch den jeweiligen Kontraktionszustand der einzelnen Kammer- abschnitte bedingt sein. Wenn man auch ohne Einschränkung, wie es scheint, das Prinzip der unbedingt notwendigen Finleitung der elektrokardiographischen Kurve in zwei Abschnitte annehmen muss, . die durch verschiedene aber exakt zu bestimmende Faktoren bedingt sind, wenn man die Hoffmann ’’sche Kritik besonders der klinischen Seite der elektrokardiographischen Methode aufs wärmste jedem Kliniker empfehlen muss, so sind dennoch gewisse Schlüsse dieses Autors auf theoretischem Gebiete mehrfach anfechtbar. Hoffmann, wie das aus seinen eigenen Worten zu ersehen ist, stellt sich vor, dass die Kammerkontraktion aus der Basis, d. h. aus dem Anhefte- punkt der Papillarmuskeln ausseht. Somit soll nach seiner Ansicht der Erregungszustand ebenfalls an der Basis der Papillarmuskeln beginnen, um sich längs derselben nach oben fortzupflanzen in Über- einstimmung mit der anatomischen Lage dieser Gebilde (Zacke ®); „die Erregung schreitet dann rasch zur Basis fort“. Diese Aus- führungen Hoffmann’s sind gewissermaassen von demselben Fehler behaftet, welchen Nicolai beeeht. Wenn wir nämlich als nach- gewiesen annehmen, dass der Erregungszustand von den Vorhöfen in der Weise die Kammer erreicht, dass er zunächst an der Basis der Papillarmuskeln entsteht, so würde es unverständlich und der allgemeinen Prinzipien der Erregungsausbreitung sowie den ana- tomischen Daten widersprechend sein, wenn sich der Erregungs- zustand nun mehr weiter von der Basis der Papillarmuskeln bloss in der Richtung zur Kammerbasis und nicht nach allen beiden Seiten zugleich ausbreiten sollte. Hoffmann hat weder den Nachweis geliefert, warum sich der Erregungszustand von der Basis der Papillarmuskeln nach oben entlang derselben fortpflanzt, um dann „rasch“ die Basis des Herzens zu erreichen, noch den Weg dieser Fortpflanzung angegeben. Weiter unten bei der Besprechung der Entstehung der Zacke © wird der Leser nachgewiesen finden, dass die elektrokardiographische Kurve keine Andeutung dazu gibt, welcher Herzabschnitt zunächst in den Erregungszustand übergeht, ob es die Spitzen der Papillarmuskeln überhaupt sind, wie es Hoffmann haben will, oder nur die Spitzen der freien Papillarmuskeln, wie Nicolai meint, ob es die Spitze oder die Basis der Kammer ist. Denn der Erregungszustand breitet sich im Kammermuskel ohne 14 M. Eiger: Rücksicht darauf, ob er zum Galvanometer abgeleitet wird oder nicht, zu gleicher Zeit sowohl nach oben zur Herzbasis wie nach unten zur Herzspitze aus. Eine von den genannten Autoren verschiedene Ansicht vertritt I. De Meyer!). Die abweichende Gestalt der elektrokardiographischen Kurve, welche De Meyer in seinen abweichenden Herzstromableitungs- bedingungen bekam, berechtigen keineswegs die weitgehenden Schlüsse des Autors von der angeblichen funktionellen Dissoziation zwischen der Aussen- und Innenschicht des Herzmuskels. Ein einfaches Ex- periment widerspricht der Annahme De Meyer’s. Weun wir in einem Vorhof eine kleine Öffnung anbringen und unter allen er- forderlichen Kautelen durch das dabei entstandene Fenster eine Elektrode in die Herzkammer einführen unter Vermeidung jeder Berührung mit der äusseren Muskelschicht, so werden wir das übliche Elektrokardioeramm bekommen, trotzdem dass die obere Elektrode von der Aussenschicht und die untere von der Innenschicht des. Herzmuskels den Strom ableitet. Ich bekam ebenfalls eine gewöhn- liche Kammerkurve, als ich eine abgeschnittene und nicht mehr pulsierende Herzkammer durch mechanische Reizung der Basis zur Kontraktion brachte, während die eine Elektrode mit der äusseren Oberfläche der Kammer verbunden und die andere in das Innere der Kammer eingeführt die innere Muskelschicht berührte. Warum De Meyer bei seinen veränderten Versuchsbedingungen andere Kurven bekam, das wird uns klar werden bei der Besprechung der Ausbreitung der Herzströme im Organismus im allgemeinen und der bei der Ableitung der Ströme zum Galvanometer stattfindenden Bedingungen. Die Ausbreitung im Organismus der im Herzen entstehenden Ströme. Angesichts der zwischen den verschiedenen Erklärungsweisen der Details der elektrokardiographischen Kurve bestehenden prinzi- piellen Differenzen müssen wir auf eine Frage allgemeiner Natur: eingehen und die Ausbreitung der im Herzen entstehenden elek- trischen Ströme über den ganzen Organismus sowie die Abhängigkeit der- Form der elektrokardiographischen Kurve von der Herzlage besprechen. 1) I. De Meyer, Arch. intern. de Physiol. t. 5. 1907, et t. 6. 1908. Die physiologischen Grundlagen der Elektrokardiographie. 15 Waller hat zum ersten Male mit Hilfe des Lippmann’schen Elektrometers gezeigt, dass im menschlichen Herzen elektrische Ströme nachzuweisen sind. Das ist sein unbedingtes und eminentes Verdienst. Die im Herzen entstehenden elektrischen Ströme breiten sich im ganzen Menschen- bzw. Tierorganismus aus, da derselbe aus mehr oder weniger gut leitenden Geweben und Säften zusammen- gesetzt ist. Man kann das Herz als eine Elektrizitätsquelle, gewisser- massen als eine von stromleitenden Organen und Flüssigkeiten umgebene elektrische Kette betrachten. Wir können z. B. die Ex- tremität, die Hand und den Fuss als Elektrodenenden anschauen, und tatsächlich, wenn wir sie entsprechend mit einem Galvanometer verbinden, so werden wir einen Saitenausschlag bekommen. Waller hat ein bekanntes künstliches Schema konstruiert, welches die Stromausbreitung im menschlichen Körper darstellen und den Ver- lauf der isoelektrischen Linien zeigen soll. Waller teilt den Körper in zwei Abschnitte; die untere Körperhälfte soll das Potential der Herzspitze, die obere der Herzbasis aufweisen. Wir sehen (Fig. 1), dass die den Körper teilende Linie nach Waller schräg ungefähr durch die Mitte des Herzens bzw. der Kammern geht. Zum oberen 16 M. Eiger: Absehnitt gehört nach Waller der Kopf, der Hals, die rechte Hand und die rechte obere Stammeshälfte, zum unteren die linke. Hand, der übrige Stamm und beide Beine. Wäre das Waller’sche Sehema der Potentialunterschiede im Körper riehtig, dann müssten beide Beine z. B. isopotentiell sein, so dass man von ihnen weder einen Strom ableiten noch ein Elektrokardiogramm' erhalten könnte. Ebensowenig könnte man eine elektrokardiographische Kurve vom Hypogastrium oder bei der Ableitung vom Mund und von der rechten Hand bekommen usw. Ich habe keine isopotentiellen Stellen an ‘ den vorderen Körperteilen finden können, ebensowenig oben wie unten, obgleich ich z. B. von der Linea alba mit unpolarisierten, voneinander 2—4 em entfernten Elektroden den Strom abgeleitet habe. Es ergibt sich daraus die Notwendigkeit einer Erklärung der Herzstromausbreitung im Organismus. Wir können, wie gesagt, das Herz als eine Elektrizitätsquelle betrachten. Sobald durch irgendeinen Herzabschnitt der Erregungszustand durchgeht, so be- deutet das, dass an dieser Stelle eine elektromotorische Fläche mit einer Doppelschicht von Ionen entsteht: die beweglicheren positiven befinden sich vorne, die trägeren negativen hinten. Der dadurch entstehende Potentialunterschied erzeugt einen Strom, der selbst: verständlich zum Galvanometer abgeleitet werden kann, da sowohl das Herz wie der ganze Körper verschiedene gut leitende Flüssig- keiten und Gewebsteile enthält, die die Schliessung des vom Herzen ausgehenden Stromes ermöglichen. Das Galvanometer wird natür- lich nur einen Teil der Potentialunterschiede aufweisen, welcher der Stromschleife entspricht, die durch die mit ihm verbundenen Körper- teile zieht. Daraus folgt auch die Möglichkeit, dass mitunter sogar kein Strom das Galvanometer erreichen wird sowie dass bei der unmittelbaren Ableitung vom durch Thoraxöffnung freigelesten Hundeherzen z. B. die Ströme viel stärker sein müssen, als wenn die Elektroden den Extremitäten desselben Tieres anliegen. Ich habe mich mehrfach überzeugen können, dass es wirklich so ist. Wir können uns wohl vorstellen, dass, nachdem im Herzen aus irgendwelehem Grunde ein Potentialunterschied zwischen dem posi- tiven und negativen Herzabschnitt entsteht, eine Menge Neben- schliessungen zustande kommt, durch welche der Strom fliesst, und dass wir bei der Stromableitung von der Körperoberfläche oder von zwei Extremitäten nur den Strom einer Nebenschlussschleife ab- fangen. Dass sogar am ausgeschnittenen und pulsierenden Frosch- Die physiologischen Grundlagen .der Elektrokardiographie. 17 herzen Nebenschliessungen vorhanden sind, dafür spricht der Um- stand, dass, wo wir auch die Elektrode anlegen, sei es an den Vor- höfen, sei es an der Kammer oder sogar am Bulbus (Kurve Nr. 16), Fig. 2. Schema der Nebenschlussschleifen oder der Ausbreitungslinien der Ströme im Körper (es ist nur die rechte Kammer dargestellt. 7 Die die Entstehung der Zacke @ bedingenden Schleifen, 2 die Schleifen der Phase S$ (der Zacke ®), 3 die Schleifen der Phase S (der Zacke R), 4 die Schleifen der Zacke R. I wie 4. wir eine vollständige elektrokardiographische Herzkurve, d. h. sowohl eine Vorhofs- wie eine Kammerkurve, bekommen können. Die Form der Schleifen der Nebenschliessung wechselt fortwährend, weil die elektromotorische Fläche mit den zwei Ionenreihen beweglich ist und Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd. 151. 2 18 M. Eiger: in der Kammer wenigstens z. B. aus der Eintrittsstelle des Bündels von Tawara nach der Spitze und nach der Basis übergeht. Aus der angegebenen Fig. 2 ist zu ersehen, dass in der Form der Kurve Veränderungen zu erwarten sind entsprechend der je- wejligen Lage des Herzens. Schon die Möglichkeit, allein ein Elektrokardioeramm zu erzielen, spricht dafür, dass die Lage des. Herzens einen Einfluss ausübt auf die Form und die Grösse der Zacken. Wenn nämlich das Herz symmetrisch im Bezug auf die beiden Körperhälften auf der Längsachse in der Mitte des Körpers zu liegen käme, wenn alle Herzteile vollkommen symmetrisch gebaut wären und wenn das Herz ringsum von einem homogenen, den ganzen Körper bildenden Gewebe umgeben wäre, dann wäre es höchst- wahrscheinlich ganz unmöglich, durch Ableitung von symmetrischen Körperteilen (Hand und Hand, Fuss und Fuss) ein Elektrokardiogramm zu erhalten, weil der vom Herzen als von einer Kette gehende Strom im homogenen Gewebe geschlossen wäre, wodurch der Potential- unterschied ausgeglichen wäre und die Galvanometersaite keinen Ausschlag geben möchte. Da die Längsachse des Herzens schräg zur Längsachse des Körpers liegt, da das Herz unsymmetrisch gebaut und von verschiedenen Organen, Flüssigkeiten und Geweben umgeben ist, so ist das Bestehen von Potentialunterschieden auf der Ober- fläche des Körpers wohl verständlich. Das regelrechte menschliche Elektrokardioeramm enthält nicht, z. B. die Zacke $; es genügt aber eine Verlagerung des Herzens aus physiologischen (z. B. tiefe Inspiration; die Lage der Herzspitze bei Neugeborenen und kleinen Kindern auswärts von der Mammillar- - linie), pathologischen (Hypertrophie des linken Vorhofs, Pleural- erguss, Synechien) oder experimentellen Ursachen oder aber infolge von Entwicklungsanomalien (Dextrokardie), damit die gewöhnliche den Strom von der Spitze ableitende Linie der. Nebenschliessung nicht von der Spitze, sondern von der Mitte des liuken oder des rechten Randes der Kammer ausgehe. Auf der elektrokardiographi- schen Kurve tritt dann eine deutliche Zacke $ hervor. A. Hoff- mann hat zum ersten Male experimentell konstatiert, dass die Gestalt des Elektrokardiogramms bis zu einem gewissen Grade durch den Herzsitus bedingt ist, und sein Schüler Grau!) hat dafür die klinischen Belege geliefert; wertvolles Material in dieser Beziehung l) Gran, ]..c. Die physiologischen Grundlagen der Elektrokardiographie. 19 finden wir bei Einthoven, Kraus!) und Nicolai?) u.a. Meine Versuche an Hunden bestätigen im allgemeinen die Angaben von Hoffmann und von Grau. Es muss dabei bemerkt werden, dass das physiologische Gebiet in dieser Hinsicht ziemlich eingeschränkt ist, während die Klinik viel reichlicheres und manniefaltigeres Material dem Experimentator bietet. Das oben angeführte Verlaufschema der Nebenschliessungslinien erklärt und zeigt die Ausbreitung der Ströme im Körper und den Zusammenhang, der bis zu einem ge- wissen Grade zwischen der elektrokardiographischen Kurve und dem Herzsitus besteht. Diese Betrachtungsweise der Ausbreitung der Ströme im Körper und der Nebenschliessungslinien erklärt uns die Erscheinung, mit welcher De Meyer zu tun hatte, der bekanntlich den Strom von der ganzen Aussenfläche des isolierten Herzens und von ‚A 0] F dem mit defibriniertem Blut und verdünntem Kochsalz gefüllten Inneren desselben ableitete.e Sowohl im Ge- fäss wie im Herzinneren I hatte De Meyer Neben- schliessungslinien vor sich, indem die einzelnen, ver- schiedene Punkte der Aussenfläche untereinander verbindenden Schleifen sich mit Nebenschliessungsschleifen der Innenseite kreuzten. Da die aus verschiedenen Flächen stammenden Schleifen nach ver- schiedenen Richtungen auseinandergehen, so musste De Meyer bei seiner Ableitungsweise eigentlich eine algebraische Summe von Strömen vor sich haben, welche gewissermaassen auf auseinander- gehenden, d. h. nach rechts und nach links ziehenden Neben- schliessungslinien verliefen. Die gewöhnlichen Details, d. h. die einzelnen Zacken, sind auf der Kurve De Meyer’s verwischt und treten infolge der Strom- schliessung in der Flüssigkeit selbst sowie wegen der vielfach vor- kommenden Nebenschliessungen sowohl in der das Herz umgebenden wie in der dessen Inneres ausfüllenden Flüssigkeit nicht hervor. Fig. 3. 1) Kraus und Nicolai, Das Elektrokardiogramm usw. 2) Nicolai, Das Elektrokardiogramm bei Dextrokardie und anderen Lagen- veränderungen des Herzens. Berliner klin. Wochenschr. 1911 Nr. 2. 9* 0 M. Eiger: Eine typische von Einthoven angegebene und durch die Gesamtheit der Forscher angenommene elektrokardiographische Kurve ist allgemein bekannt. An dieser Kurve (Fig. 3) ist eine Reihe von Zacken zu sehen; drei von ihnen (P, R, D) sind nach der einen, zwei (Q und S) nach der anderen Seite gerichtet; der übrige Teil der Kurve setzt sich aus kürzeren und längeren Graden zusammen, welehe beinahe horizontal verlaufen und die Zacken untereinander in ein Ganzes verbinden, das die elektrokardiographische Kurve bzw. das Elektrokardiogramm einer kompletten Herzrevolution darstellt. Einthoven teilte anfänglich sein Elektrokardiogramm in zwei Hauptabschnitte ein, indem er meinte, dass sowohl die Zacke P wie Q durch den Vorhof und die Zacken R, 8, T durch die Kammer bedingt sind; er hat sich aber bald selbst überzeugt, dass die Zacke 0 vom Vorhof unabhängig ist und mit der Kammer in Zusammen- hang gebracht werden muss. Überhaupt müssen wir in bezug auf alle Zacken der Kurve den Umstand hervorheben, dass nur in der Erklärung der Entstehungsweise der Ausschläge P und R eine Übereinstimmung zwischen den Autoren besteht, während über den Ursprung der Zacken Q, S und T lebhafte Kontroverse herrschen. Bevor ich zu meinen eigenen Versuchen übergehe, möchte ich vor allem auf eine Quelle von Fehlern und Begriffsverwirrungen hin- weisen, welche die Folge einer unzweckmässigen Bezeichnungsweise ist. Einthoven und mit ihm fast alle anderen Forscher stellen die elektrokardiographische Kurve in der Weise dar, dass die Zacken P, R und T nach oben und die Zacken © und S nach unten ge- richtet sind. Da bei der Bestimmung der Stromrichtung im Moment der Ent- stehung dieser Zacken die obere Herzhälfte den negativen und die untere den positiven Pol bildet, müssen die Ausschläge P, R und 7 als negativ, @ und $ aber als positiv bezeichnet werden. Im ersten Falle (P, R, T) ist der Strom ab-, im zweiten aufsteigend. Eine solche Kurve bekommen wir, wenn die obere Herzhälfte mit dem unteren, die untere mit dem oberen Ende des Galvanometerfadens bei einer bestimmten Stromrichtung in den Elektromagneten des- selben verbunden wird. Da der von Einthoven mit 7 bezeichnete Ausschlag häufig seine Richtung wechselt bzw. sich auf den ent- sprechenden Kurven nach unten umkehrt, so wird er mitunter irr- tümlieherweise nicht positiv, sondern negativ genannt, was im Wider- spruch mit der Stromrichtung ist. Dieser Irrtum scheint dadurch Die physiologischen Grundlagen der Elektrokardiographie. 9] entstanden zu sein, dass es bekanntlich allgemein üblich ist, in allen graphischen Methoden die positiven Werte über, die negativen unter die horizontalen einzutragen. Einthoven hat im Gegensatz zur allgemein geübten Sitte durch seine Ableitungsweise nach oben ge- richtete Saitenausschläge erhalten und dargestellt, wenn der obere Herzabschnitt negativ und nach unten gerichtet, als derselbe Herz- abschnitt positiv ist. Die späteren Forscher sind dem Vorbilde Einthoven’s gefolgt. Indem sie aber von einer Umkehrung z. B. der Zacke T sprechen, vergessen sie die Stromrichtung. Der allgemeinen Gepflogenheit der Graphik folgend bezeichnen sie ganz willkürlich die Zacke T als negativ, ungeachtet dessen, dass in solchen Fällen der Saitenausschlag auf das Positivwerden des oberen Herzabschnittes hinweist. Um in der Zukunft der- artige Irrtümer zu vermeiden, will ich stets die mit vollem Recht von Professor Cybulski im physiologischen Institut der Jagellonischen Universität in Krakau geübte Ableitungs- weise vom Herzen zum Gal- vanometer anwenden, indem der obere Herzabschnitt mit dem oberen, der untere mit dem unteren Ende des Fadens verbunden wird. Der Strom in den Elektromagneten muss so gerichtet sein, dass die Saitenausschläge mit den Signalen kongruieren, wenn der obere Herzabschnitt negativ ist, d. h. wenn der Strom im Herzmuskel von oben nach unten, d.h. in absteigender Richtung fliesst. Man bekommt dann tatsächlich eine Kurve mit allen von Einthoven erhaltenen Zacken, mit dem einzigen Unter- schiede, dass die negativen Zacken Einthoven’s P, R und T nach unten, @ und S aber nach oben gerichtet sind. Als Beispiel mag die Kurve Fig. 4 dienen. Diese Darstellungsweise der Kurven bietet noch den Vorteil der tatsächlichen Wiedergabe der Stromriehtung im Herzmuskel selbst; wenn auf unseren Bildern die Zacke R z. B. nach unten blickt, so beweist das, dass der Strom im Herzmuskel ebenfalls nach unten, d. h. zur Herzspitze fliesst. Was die Untersuchungsmethode an- betrifft, so muss ich kurz bemerken, dass ich als Grundlage meiner Untersuchungen die elektrischen Phänomene am Froschherzen ge- Fig. 4. 22 M. Eiger: nommen habe; der Strom ist stets unmittelbar vom Herzen selbst abgeleitet: worden, nachdem mit der grössten Vorsicht das Perikard entfernt wurde; die Ableitung geschah mittels der unpolarisierenden Birkenpilzelektroden, welche im Institut ausschliesslich im Gebrauch sind. Da gewisse Erscheinungen einer Nachprüfung an grösseren Tieren bedürften, so muss ich bemerken, dass beim Hunde die Strom- ableitung mittels derselben Elektroden am curarisierten Tier nach Thoraxeröffnung erfolgte. In Fällen, wo der Strom beim Hunde von den Extremitäten abgeleitet werden sollte, habe ich stets von mir speziell für diesen Zweck konstruierte unpolarisierende Elektroden benutzt, die aus einem 25 em langen Stück Auto- oder Fahrrad- gummischlauch bestanden, in welches die Extremität eingeführt wurde; den Boden des Schlauches bildete eine amalgamierte Zinkplatte, die mittels einer Messingschraube mit den zum Galvanometer führenden Drähten verbunden war. Indem man den Schlauch mit konzentrierter Zinksulfatlösung füllt, bekommt man bequeme unpolarisierende Elek- troden, die sich sehr leicht an den Extremitäten des Tieres anbringen lassen, den Strom fast von der ganzen Extremität sammeln und die Oberfläche der Haut fortwährend feucht halten. Bei der Elektro- kardiogrammentnahme beim Menschen wurden die üblichen unpolari- sierenden Elektroden gebraucht, die aus Tongefässen mit kon- zentrierter Zinksulfatlösung bestanden und mittels eines amal- gamierten Zinkblättehens mit den Galvanometerdrähten verbunden waren. Da, wie noch weiter ausführlich zu berichten ist, die Ver- suche nicht nur am ganzen Herzen, sondern auch an ausgeschnittenen Froschherzpartien (z. B. an den Vorhöfen nach totaler Entfernung der Kammer und der Bulbus am Sinus nach totalem Abtragen der Vorhöfe und der Kammer, am pulsierenden Bulbus aortae nach totalem Abtragen desselben von der Kammer und von den Vorhöfen) angestellt wurden, so muss ich bemerken, dass nach dem jeweiligen Anlegen der Elektroden die Möglichkeit der Mitaufnahme irgend- welcher Nebenströme (z. B. des durch die Schädigung verursachten Ruhestromes) dadurch absolut ausgeschlossen wurde, dass wir unter Verwendung der Kompensation vor jeder photographischen Aufnahme die Galvanometersaite derartig in die Nullage brachten, dass weder die Schliessung noch die Öffnung im Galvanometerkreise irgendwelchen Ausschlag verursachte. Die physiologischen Grundlagen der Hlektrokardiographie. 23 Die Vorhofskurve. (Die Zacken g, P und die Phase 5). An den elektrokardiographischen Kurven des Menschen, des Froschherzens usw. bekommen wir am häufigsten eine deutliche, von Einthoven mit P, von Nicolai mit A (Atriumzacke) bezeichnete Zacke. Obwohl Samojloff, Nicolai und Kraus, Hering.u.a. bereits beobachtet hatten, dass die Vorhofskurve aus mehreren Ab- schnitten besteht, ist derselben im allgemeinen nicht die notwendige Aufmerksamkeit geschenkt worden. Da das Kammerelektrokardio- seramm deutlich die Zacke ©, R, $ und T aufweist, so haben alle Autoren auf die Kammerzacken die grösste Aufmerksamkeit gelenkt und ihre Theorie fast ausschliesslich im Sinne der Erklärung der- selben ausgebaut. Hierher gehört z. B. die embryologische Hypothese von Gotch, die Theorie von Kraus und Nicolai und diejenige von Einthoven. Diese mangelhafte Behandlung der Einzelheiten der Vorhofskurve lediglich infolge der geringeren Ausgesprochenheit derselben hat dazu geführt, dass fast alle Autoren die elektrische Erscheinung an der Herzkammer mit den FEigentümlichkeiten im anatomischen Bau derselben in Verbindung zu setzen suchen; sie haben dabei gänzlich die allgemeine Erscheinung ausser acht gelassen, welche sich eleich gut an der Kammer wie an den Vorhöfen des Froschherzens, am isolierten, herausgeschnittenen, spontan schlagenden Bulbus aortae, am gleichfalls isolierten und spontan schlagenden Sinus desselben (nach Entfernung der Vorhöfe und der Kammer), an den schlagenden venösen Ostien und Herzen derjenigen Tiere (Fische, Austern), welche ein einfaches Herz mit einem Vorhof und einer Kammer besitzen, frei von den bei höheren Tieren beobachteten Kniekungen nachweisen lässt. Wenn wir während der Kammersystole am Froschherzen die sogenannte zweite Ligatur von Stannius anlegen und die Kammer sowie den Bulbus ganz abtragen, tritt das Vorhofs- elektrokardiogramm mit grösster Deutlichkeit hervor. Die Kurve weist alle Zacken auf, welche an der Kammer auftreten und als ausschliessliche Kammerzacken beschrieben worden sind (Kurven Nr. 6, 7 sowie die Nr. 1, 3, 5, 11, 12, 17 und 19). An den angeführten mit der genannten Methodik erhaltenen Kurven ist die erste Zacke nach oben gerichtet und der Kammer- zacke © analog; ich werde sie mit g bezeichnen; dann folgt die nach unten gerichtete Zacke P von Einthoven und endlich die 34 M. Eiger: Vorhofszacke t, analog der Zacke 7 von Einthoven. Aus der Kurve Nr. 5 ist zu ersehen, dass man eine Vorhofskurve auch ohne Abtrennung der Kammer erhalten kann [vgl. Straub))]. Die Anlegung der zweiten Ligatur von Stannius und das Ab- trennen der Kammer mit oder ohne Bulbus aortae bietet uns den Vorteil, dass, wenn wir während der Kammersystole dies Herz unter- binden, das ganze Blut in die Vorhöfe übergeht, welche ihren Vorrat zwei- bis dreifach vergrössern und sich mit ungewöhnlicher Stärke kontrahieren. Ebenso stark kontrahiert sich der Sinus und die venösen Ostien, und das Anlegen der Elektroden bietet keine Schwierig- keiten. Der Nachweis, dass die Zacke T von Einthoven (F von Nicolai) keine ausschliessliche Eigentümlichkeit der Kammer bildet. Die angeführten Vorhofskurven stellen fest, dass an den Vor- höfen auch die Zacke t auftritt, entsprechend der Kammerzacke T von Einthoven; dieselbe Zacke t gibt auch der Vorhof des Fisch- herzens. Wenn wir nach dem Vorgehen Engelmanns?), dem es. gelungen ist, eine Kurve der mechanischen Kontraktion des ab- geschnittenen, isolierten Bulbus aortae zu erhalten, den schlagenden Bulbus ganz ausschneiden und ihn auf eine Glasplatte legen, so werden wir neben dem durch den Aktionsstrom bedingten und den Kammerzacken P und A analogen Hauptausschlag noch einen anderen, der Einthoven’schen Zacke 7 entsprechend, erhalten; wir wollen ihn mit £? bezeichnen (Kurven Nr. 13 und Nr. 14). Ein Bulbuselektrokardiogramm kann man auch vom ganzen aus dem Körper entfernten oder in demselben belassenen Froschherzen erhalten. Es genügt dazu, eine oder beide Elektroden dem Bulbus anzulegen, wie das an den Kurven zu sehen ist (Nr. 16 sowie Nr. 15), welche nach der Kammerkontraktion eine deutliche Bulbuskurve zeigen (vgl. Samojloff). In Kontrollversuchen waren auch Kammer und Vorhofsmyogramme registriert. Eine analoge Zacke {‘ finden wir an der Sinuskurve, indem nach Unterbindung des Sinus die Vorhöfe und die Kammern total 1) Sowie Hering (Pflüger’s Arch. 1912) und H. Fredericg (Arch. intern. de Physiol. 1912) u. a. 2) Der Bulbus aortae des Frosches. Pflüger’s Arch. Bd. 29 S. 425. 1882. Die physiologischen Grundlagen der Elektrokardiographie. 235 entfernt worden sind. Die Zacke {‘” bekommen wir auch am ganzen ausgeschnittenen oder nicht ausgeschnittenen Herzen, besonders wenn die Elektroden dem Sinus anliegen (Fig. 18). Wie aus den Kurven Nr. 19, 20, 21 und 22 zu ersehen ist, ist die Zacke T auch am einkammerigen Fischherzen (Karpfen, Hecht usw.) sowie auch am Krebsherzen erhältlich. Die Richtigkeit unserer Be- trachtungsweise der Vorhotszacke t, der Bulbuszacke {? usw. bestätigt schliesslich auch die vonZbyszewski am isolierten Kaninchenherzen erhaltene Kurve !). „Als Beispiel führe ich“, sagt Zbyszewski, „die Kurve 6an, die von einem Herzen stammt, wo sich nur der rechte Vorhof kontrahiert und der Strom von der Mitte der rechten Vorhofs- und der Herzspitze abgeleitet war. Die Kurve besteht aus zwei Zacken: die eine ist niedrig, die andere hoch, entsprechend einem Potential- unterschied von 4—4!/s Millivolt. Obwohl die Kurve so verändert und atypisch ist, dass sie uns die Einzelheiten des normalen Elektro- kardiogramms zu erklären nicht imstande ist, so weist sie doch auf die exquisiten Abwechslungen hin, die infolge der Kontraktion bloss einzelner Herzabschnitte entstehen. Durch weiteres Sammeln des Materials und durch vergleichendes Studium desselben wird es uns wahrscheinlich möglich sein, die für die einzelnen Herzabschnitte typischen Kurven zu unterscheiden.“ „Wenn das angeführte Elektrokardiogramm auch nicht als für den rechten Vorhof charakteristisch betrachtet werden darf, so... usw.“ Es scheint keinem Zweifel zu unterliegen, dass die von Zby- szewski als „atypisch“ bezeichnete Kurve gerade das charakteristische Vorhofselektrokardiogramm darstellt, indem die erste niedrige Zacke dem gewöhnlichen P entspricht, während die zweite langsam an- steigende und allmählich absteigende hohe Zacke die Vorhofszacke t darstellt. Wenn wir uns auf den Standpunkt des Verfassers stellen und nur eine Kontraktion des rechten Vorhofs annehmen, dann werden wir seinen Versuch als am isoliert schlagenden rechten Vorhof an- gestellt betrachten; wenn dazu noch beide Elektroden am Vorhof angelegt wären, dann könnte man fast ohne jeden Vorbehalt die Kurve von Zbyszewski nicht als eine atypische, sondern als eine charakteristische Vorhofskurve betrachten. (Auch Straub beschreibt in Vorhöfen des Froschherzens ein Analogon einer Finalschwankung.) l) L. Zbyszewski, Beobachtungen am Elektrokardiogramm des isolierten Herzens. Polnisch. Lwowski Tyg. Lek. Nr. 7. 1911. 6 M. Eiger: Wir müssen also konstatieren, dass die Zacke 7 von Ein- thoven (die Finalschwankung von Nicolai) nichts ausschliesslich für die Kammer Eigentümliches darstellt, sondern stets die Funktion sowohl der Kammer wie des Vorhofes, des Bulbus aortae wie des Sinus venosus begleitet. Bevor ich zur Erklärung der Entstehung von einzelnen Zacken übergehe, möchte ich an dieser Stelle die Tatsache betonen, dass die Kammerkurve in der Periode zwischen S und 7, wo wir beim gesunden Menschen gewöhnlich eine horizon- tale Gerade im Nullniveau finden (beim Frosch ist sie oft nach oben oder nach unten gerichtet), Ausschläge nach der einen oder nach der anderen Richtung bieten kann, sowie auch die Kurve vom Bulbus, vom Sinus, von der pulsierenden Mündung der Vena cava in derselben Zeitperiode (Nr. 2, 3, 6, 7, 14 und 18). Aus den angeführten Tatsachen ergibt sich schon einiger- massen, dass die von gewissen Autoren mit grosser Mühe und Not konstruierten Hypothesen von der Entstehung der Kammerzacken, auf der Richtung der Muskelfasern der Kammer gestützt, einen Zweifel erwecken müssen, indem sie uns zur Annahme zwingen, dass der Vorhof des Frosch- und Fischherzens, die Herzkammer der Austern, das Herz vom Krebs, der Bulbus aortae und der Sinus venosus, ja sogar die Mündung der Vena cava des Frosches einen ähnlichen Bau haben wie die Herzkammer der höheren Tiere. Die Erklärung der Entstehung der einzelnen Zacken der Vorhofs- und Kammerkurve. Die angeführten Elektrokardiogramme zeigen, dass die Vorhofs- kurve aus den Zacken 1.9, 2. P, 3. Phase s, 4. t und die Kammer- kurve aus 1. ©, 2. R, 3. Phase S$ und 4. T besteht. Sowohl am Vorhof wie an der Kammer finden wir gewöhnlich zwischen dem Ende der Phase $ und dem Anfang der Zacke 7 (beziehungsweise zwischen s und £) eine horizontale Linie, die aber häufig nach oben oder nach unten gewölbt ist; wir wollen sie an den Vorhöfen mit Set, an der Kammer mit 8,7 bezeichnen. Offenbar müssen die analogen Zacken einen analogen Ursprung haben. Wir wollen zu- nächst die Kammerzacken besprechen, die deutlicher auftreten und dadurch zuerst die Aufmerksamkeit der Forscher auf sich gelenkt und die Veranlassung zu verschiedenen Hypothesen gegeben hatten. Am meisten konstant und deutlich ausgesprochen ist die Kammer- zacke R. Sie wird mit vollem Recht von fast allen Forschern mit Die physiologischen Grundlagen der Elektrokardiographie. 97 der Ausbreitung des Erregungszustandes in der Kammer bis zur Herzspitze in Zusammenhang gebracht. In bezug auf die Zacken P und S sind die Meinungen geteilt, und keine von den heutigen Er- klärungen hat sich als ausreichend erwiesen. Einthoven hat anfänglich gedacht, dass die von ihm mit © bezeichnete Zacke noch zu den Vorhofszacken gehört. Kraus und Nicolai haben die Entstehung von ® dem Durchgang des Erregungszustandes durch die freien Papillarmuskeln zugeschrieben (l. e. S. 175), in welchen er sich angeblich in der umgekehrten Richtung ausbreiten soll, d. h. von der Spitze zur Basis des Herzens. Ich muss bemerken, dass diese erste Kammerzacke, welche umgekehrt als die Hauptzacke R (die gleich © folgt) gerichtet ist, im allgemeinen bei der indirekten Ableitung bei Menschen und Tieren ziemlich selten vorkommt, aber bei der direkten Ableitung namentlich am Hundeherz nahezu eine Regel bildet. Die Entstehung der Zacke @ lässt sich folgendermaassen erklären. Cybulski und P. Hoffmann!) sowie Piper und Lee haben bei elektrophysiologischen Versuchen an gewöhnlichen quergestreiften Muskeln die Beobachtung gemacht, dass man an einem Nervmuskel- präparat bei zweckmässiger Elektrodenanlegung des Frosch- gastrocnemius nach einer Nervenreizung nicht nur den üblichen starken Ausschlag nach der einen Seite bekommt, sondern manch- mal noch eine vorauslaufende äusserst geringe Schwankung im um- gekehrten Sinne feststellen kann, die dafür spricht, dass zuerst ein Strom von umgekehrter Richtung die Oberhand gewonnen und den Ausschlag des Galvanometers veranlasst hatte (Fig. 30). Die genannten Forscher haben diese Erscheinung mit der anatomischen Tatsache erklärt, dass der Nerv in den Muskel an der Grenze des oberen Drittels eintritt, d. h. durch die Lokalisation des sogenannten Nervenäquators gedeutet. Somit pflanzt sich der Erregungszustand vom Nerven auf den Muskel gleichzeitig nach zwei Richtungen fort, und zwar vom Nerveneintritt sowohl zur oberen wie zur unteren Sehne. Aus dem hier angeführten Elektrokardiogramm, das dem Vortrag von Cybulski im Wiener Physiologenkongress 1910 ent- nommen ist, können wir uns tatsächlich überzeugen, dass anfangs eine Schwankung auftritt, welche der Ausbreitung des Erregungs- 1) Paul Hoffmann, Über das Elektrokardiogramm des Gastrocnemius des Frosches. Arch. f. Physiol. 1909 H. 4-6. (Rubner.) 38 M. Eiger: zustandes vom Nerven zur oberen Sehne entspricht, und dann ein starker Ausschlag in der umgekehrten Richtung kommt, der Über- tragung der Erregung vom Nerven zur unteren Sehne entsprechend. Ganz ähnlich ist der. Sachverhalt in der Kammer. Bekanntlich sind die Vorhöfe mit den Kammern mittels eines Bündels verbunden, der vorwiegend aus Muskelfasern besteht und in der Literatur das Bündel von His-Tawara genannt ist. Bei den Kaltblütern ist es zum ersten Male von Gaskell im Jahre 1883 beschrieben worden. His (1883) und Kent haben ihn bei Warm- blütern nachgewiesen, und Tawara!) hat von ihm die genaueste Verlaufsbeschreibung gegeben und seine Zusammensetzung vorwiegend aus Muskelfasern festgestellt, obwohl er selbst ausdrücklich den Anteil von Nervenfasern hervorhebt. Alle Autoren stimmen darin überein, dass durch das Bündel von His-Tawara der Erregungs- zustand von den Vorhöfen auf die Kammern übergeht. Da es aber sehr schmal ist und nur einige Quadratmillimeter Querschnitt hat, so zeigt die Galvanometersaite keinen Ausschlag während des Durchganges der Erregung durch das Bündel. Zwischen der letzten Vorhofs- und der ersten Kammerzacke erhalten wir deswegen eine horizontale Gerade, von Nicolai mit h bezeichnet. Nach der Beschreibung von Tawara teilt sich dieses Vorhofs- kammerbündel im Septum ventrieulorum in zwei Schenkel; der eine geht in die linke, der andere in die rechte Kammer, beide ver- zweigen sich unter dem Endokard und verbinden sich mit der Kammermuskulatur. Besonders interessant ist der Umstand (schreibt Tawara), dass die Endzweige nicht so verlaufen, wie es am ein- fachsten denkbar wäre, von oben von der Kammerbasis nach unten, sondern gerade im Gegenteil entgegengesetzt von der Herzspitze und namentlich von den Papillarmuskeln nach allen möglichen Richtungen (also auch in der umgekehrten Richtung zur Kammerbasis). An den der Arbeit von Tawara beiliegenden Bildern ist zu sehen, dass die subendokardialen Verzweigungen des Bündels von His-Tawara tatsächlich nach zwei Richtungen ziehen, die einen nach der Herzbasis, die anderen nach der Spitze. Somit können wir auf Grund der angeführten und allgemein in der Literatur an- erkannten, von Tawara festgestellten anatomischen Tatsachen konstatieren, dass der Erregungszustand, von den Vorhöfen auf die l) Tawara, Reizleitungssystem des Säugetierherzens. Jena 1906. Die physiologischen Grundlagen der Elektrokardiographie. 29 ad Kammer übergehend, sich im Muskel derselben nach zwei Richtungen ausbreitet: gegen die Herzbasis und gegen die Herzspitze. Da die von Mönckeberg und von Ciechanowski (1911) angegebenen Beschreibungen der Endäste von den Angaben Tawara’s abweichen, so muss ich folgendes bemerken: Wenn wir annehmen, dass der Erregungszustand von den Vorhöfen auf die Kammer mittels des Systems von His-Tawara nicht unmittelbar auf die Basis, sondern etwas tiefer von ihr übergeht, dann müssen wir auch die gleichzeitige Ausbreitung des Stromes nach zwei Hauptrichtungen annehmen: gegen die Basis und gegen die Spitze des Herzens. Es findet hier also genau dasselbe Phänomen statt, wie es an gewöhnlichen quergestreiften Muskelfasern neben anderen Autoren Cybulski und P. Hoffmann beobachtet hatten. Ähnlich wie am Froschgastroenemius erfolgt an der Kammer zunächst ein geringer Ausschlag in dem einen Sinne die Zacke ® und dann der Haupt- ausschlag in entgegengesetzter Richtung die Zacke R. h Der folgende Versuch zeugt von der Richtigkeit unserer Be- trachtungsweise der Zacke ©. Wenn wir beim Hund nach Eröff- nung des Thorax und Abnahme des Perikards die obere Elektrode wie gewöhnlich an den Vorhöfen und die untere in der Gegend der Herzspitze anlegen, dann bekommen wir das übliche Elektrokardio- gramm, indem die Zacke ® nach oben und die starke Zacke R nach unten gerichtet wird (Fig. 9 u. 10). Ungefähr dasselbe bekommen wir, wenn beide Elektroden dem unteren Kammerabschnitt anliegen, indem wir offenbar nur die früheren Versuchsbedingungen einbehalten, dass sich die obere Elektrode oben und die untere unten befinden. Die Zacke Q soll nur bedeuten, dass im ersten Moment der vom His’schen Bündel zur Kammerbasis gehende Erregungszustand die Oberhand gewann über den Erregungszustand, der von demselben His’schen Bündel nach unten zog. Nach einer gewissen Zeit aber erhält die Oberhand der zur Herzspitze absteigende Strom, indem er nicht nur den früheren Strom im Galvanometer kompensiert, sondern einen Ausschlag im entgegengesetzten Sinne als @ erzeugt; dieser neue Ausschlag bildet eben die stark ausgesprochene Zacke R. Wenn wir aber die Elektroden der oberen Kammerpartie in derselben Anordnung wie früher anlegen, dann wird offenbar hauptsächlich der Strom von dieser oberen Kammerpartie zur Ableitung gelangen, welche oberhalb der Verzweigungsstelle der subendokardialen Fasern liegt; es muss dann hauptsächlich die Zacke zum Ausdruck ge- 30 M. Eiger: langen, welche der Ausbreitung des Erregungszustandes nach oben entspricht; diese Zacke muss von entgegengesetzter Richtung als A sein. Tatsächlich bekommen wir bei dieser Versuchsanordnung eine starke, nach oben gerichtete Zacke © und eine schwache Zacke R (Fig. 8). Unter solchen Umständen erhält umgekehrt zunächst auf kurze Zeit der Strom der unteren Herzpartie die Oberhand, aber entsprechend dem früheren Fall gewinnt bald darauf das Über- gewicht im Galvanometer der Strom entgegengesetzt der oberen Partie infolge der zweckmässigeren Elektrodenanlegung. Der Um- stand, dass bei der gewöhnlichen Stromableitung die Zacke © früher auftritt als A, berechtigt gar nicht den Schluss, als ob der Erregungs- zustand früher die Basis als die Herzspitze erreichen sollte. Die Erregung pflanzt sich zugleich nach beiden Richtungen fort sowohl im quergestreiften Muskel von der Mündungsstelle des Nerven wie im Kammermuskel von den subendokardialen Verzweigungen von Tawara aus. Die Stelle, wo der positive Ausschlag © in den negativen % übergeht, beweist nur, dass im gegebenen Moment und bei der gegebenen Ableitungsanordnung der zur Herzspitze ab- steigende Strom im Galvanometer die Oberhand gewinnt. Die Zacke ©, welche als Beweis der Ausbreitung des Erregungszustandes. in der Masse des Kammermuskels gegen die Basis gelten kann, tritt früher auf als die Zacke R. Wenn wir also das Elektrokardio- gramm als solches zum Ausgangspunkt unserer Betrachtung wählen, dann konnten wir scheinbar annehmen, dass der Erreeungszustand früher die Basis als die Herzspitze erreicht; dass wir aber auf Grund des Elektrokardiogramms gar nicht, wie das Nicolai tut, zuteilen dürfen, wo der Erregungszustand früher ankommt, das ist aus dem Umstand ersichtlich, dass die Zacke Q früher als R entsteht, trotz- dem dass sich der Erregungszustand und mit ihm auch die Kon- traktionswelle gleichzeitig nach beiden Richtungen, sowohl nach oben wie nach unten, ausbreitet. Die Stelle, wo die Zacke @ in die entgegengesetzt gerichtete Zacke R übergeht, spricht gar nicht dafür, dass der zur Herzbasis ziehende Erregungszustand schon abgeklungen ist, sondern nur, dass der zur Herzspitze gehende Strom in diesem Moment die Oberhand gewann und bei der gegebenen Ableitung nicht nur den früher genannten Strom kompensiert, sondern als stärkerer den Ausschlag des Galvanometers veranlasst hatte. Ob die Erregung früher die Basis oder die Spitze erreichte, wäre nur möglich zu bestimmen durch exakte Messung der Erregung in der Die physiologischen Grundlagen der Elektrokardiographie. 3] Kammer und der Herzbasis bzw. der Herzspitze. Auf Grund der bekannten Ausbreitungsgeschwindiekeit der Erregung im Herzmuskel könnten wir dann berechnen, ob sich die Basis oder die Spitze früher kontrahiert. Solche Messungen sind bis jetzt noch nicht ausgeführt worden. Zum Schluss muss ich noch bemerken, dass sich aus meiner Erklärung der Zacke © noch die Folgerung ergibt, dass das ge- wöhnliche Elektrokardiogramm keineswegs als der graphische Aus- m an er ara ara Fig. 5a. Schema der Richtung des Fig. 5b. Schema der Entstehung Erregungszustandes im Vorhof, ent- der Vorhofszacken q und P, ent- sprechend der Topographie des Sinus sprechend dem Übergang des Er- venosus, in der rechten Kammer ent- regungszustandes vom Sinus veno- sprechend dem Bündel von His- sus und der Kammerzacken © und Tawara. Sowohl im Vorhof wie R entsprechend den Tawara- in der Kammer breitet sich der Er- schen Bündeln. regungszustand gleichzeitig nach zwei Richtungen aus (zur Herzbasis und zur Herzspitze). druck des ganzen in der Kammer sich abspielenden elektrischen Phänomens gelten darf. Die Zacke R z.B. der gewöhnlichen Kurve stellt die algebraische Summe von zwei gleichzeitig verlaufenden, aber entgegengesetzt gerichteten Strömen, der in der oberen und der in der unteren Kammerpartie. In den unteren Kammerpartien, unterhalb der Eintrittsstelle der Tawara’schen Bündel unter dem Kammerendokard, kommen die die Zacke R und Phasen S, ST und 7 (Fig. 9) bedingenden elek- trischen Phänomene zustande; in der oberen Kammerpartie treten BD) M. Eiger: entsprechend den subendokardialen Verzweigungen des Tawara’schen Bündels analoge und fast synchrone Erscheinungen auf, welche die Entstehung der Zacke Q und Phasen S!, ST! und 7" bedingen. Das gewöhnliche Elektrokardiogramm am Galvanometer zeigt verhältnismässig geringe Ausschläge; die Reduktion von R wird durch die Richtung des Phänomens 0 veranlasst, S wird durch das ent- gegengesetzte S! und 7 durch 7 herabgesetzt. Dennoch, wenn wir künstlich den Kammermuske] reizen, z. B. an der Aussenfläche in der Gegend der Basis, breitet sich der Erresungszustand über den ganzen Kammermuskel von der Basis bis zur Spitze aus, und wir bekommen einen viel stärkeren, nach einer Seite gerichteten Ausschlag (% unvermindert); wenn wir die Spitze künstlich reizen, dann bekommen wir auch einen starken Aus- schlag, natürlich nach der entgegengesetzten Richtung (Hering, Nicolaiund Kraus, Rothberger und Winterberg, Kahn u.a.). Es muss endlich noch bemerkt werden, dass Tawara bei der Beschreibung seiner Bündel ausdrücklich betont, dass zusammen mit den Muskelfasern auch Nervenfasern verlaufen, dass ihn die Er- gebnisse seiner anatomischen Untersuchungen weder zum ausschliess- lichen Anhänger der neurogenen noch der myogenen Lehre gemacht hatten. Deswegen können wir, wie das schon Nicolai konstatiert hatte, bei der Erklärung der elektrokardiographischen Kurve den Unterschied zwischen diesen beiden Lehren gänzlich ausser acht lassen. Die hiervon ausgegebene Erklärung der Zacke © bei der ge- wöhnlichen Ableitungsweise muss auch bei den Experimenten be- rücksichtigt werden, wo (Eppinger und Rothberger) das rechte oder das linke Bündel von Tawara durchschnitten und ein charakte- ristisches Elektrokardiogramm erhalten wurde. Die Vorhofszacke g. Es ist bereits oben bemerkt worden, dass die von mir mit q (von Nicolai Aa.) bezeichnete erste Vorhofszacke als das Analogon der Kammerzacke © betrachtet werden soll, während die Zacke P ein Analogon von R darstellt. Wenn es so ist, dann müssen in den Vorhöfen dieselben Entstehungsbedingungen der Zacken gelten wie in den Kammern. Wir wissen nun in der Tat, dass sich in den Vorhöfen der Erregungszustand vom Sinus venosus ausbreitet, deı ungefähr im oberen Drittel des Vorhofs liest. Wir haben also in den Vorhöfen ähnliche Ausbreitungsbedinsungen des Erregungs- Die physiologischen Grundlagen der Elektrokardiographie. 35 zustandes, wie sie P. Hoffmann und Cybulski in den Versuchen an gewöhnlichen quergestreiften Muskeln konstatiert hatten und wie sie bereits für die Herzkammer im Bezug auf das Bündel von His- Tawara beschrieben worden sind. Die Versuche mit der Elektroden- anlegung an verschiedenen Vorhofsabschnitten, die ich anlässlich der Zacke © beschrieben habe, geben ein ähnliches Resultat, wenn die Elektroden nur am Vorhof angelegt sind, je nachdem ob sie sich alle beide über oder unter dem Sinus befinden (Fig. 11 und 12). Mit dem Überwiegen des auf- oder des absteigenden Stromes lässt sich die Tatsache erklären, warum an gewöhnlichen Elektrokardio- srammen entweder nur die Zacke P, oder nur die Zacke g, oder P und g auftreten. Es folet unter anderem aus den Versuchen von Rehfisch?), dass bei den Warmblütern dieselben Entstehungsbedingungen der Zacke q gelten können wie beim Frosch. Hering?) hat ebenfalls festgestellt, dass sich beim Kaninchen die Venae cavae vor den Vorhöfen kontrahieren. Die Kontraktiou der Venenostien lässt sich leicht am nicht ausgeschnittenen Frosch- herzen beobachten ; wir können mit Leichtigkeit Elektrokardiogramme von den pulsierenden Venen bekommen, sowohl amı Herzen in toto wie nach Abtragung der Kammer allein oder der Kammer mit deu Vorhöfen (nach einer Ligatur). Die beigefüsten Kurven können als Beweis dienen (Fig. 15 Era): Die Vorhofszacke P und die Kammerzacke R. Die Vorhofszacke P und die Kammerzacke R bedürfen keiner besonderen Erklärung, da es auf Grund experimenteller Erfahrun; allgemein anerkannt ist, dass sie ihre Entstehung der Ausbreitung des Erregungszustandes von der oberen Herzpartie nach unten zur Spitze verdanken. Die Zacke P weist also auf die Ausbreitung des Erregungszustandes im Vorhof hin von der Stelle, wo der Sinus venosus in den Vorhof übergeht, bis zum unteren Ende desselben, die Zacke R auf den Übergang des Erregungszustandes vom Tawara- schen Bündel zur Herzspitze. Sowohl die Zacke P vom Vorhof 1) E. Rehfisch, Über die Reizung des Herzvagus bei Waımblütern. Arch. f. Physiol. 1906 Suppl. S. 166. 2) Hering, Pflüger’s Arch. Bd. 82. 1900. Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd. 151. 3 34 M. Eiger: wie die Zacke R in der Kammer müssen als der Ausdruck der vorkontraktionellen Phase des Aktionsstromes des Herzmuskels be- trachtet werden. Wie aus den Platten, welche neben dem Elektro- kardiogramm die Kurven der mechanischen Kontraktion der Vorhöfe und der Kammer enthalten, zu ersehen ist, geht sowohl die Zacke P’ wie R der Kontraktion des betreffenden Muskelabschnittes voraus.. Genaue diesbezügliche Zeitmessungen sind von Kraus und Nicolai, Kahn!), Hoffmann und Cybulski u. a. angegeben worden. „Der: Regel entsprechend“, bemerkt richtig der letztgenannte Forscher ’°), „ist die elektrische Veränderung von so kurzer Dauer, dass das. Potential des Gewebes noch vor dem Beginn der Kontraktion zum Anfangszustand zurückkehrt. Es ergibt sich daraus die unbedingte- Notwendigkeit, im Aktionszustand des Muskels und wahrscheinlich jedes anderen Gewebes zwei Phänomene auseinanderzuhalten: einer- seits die elektrische Erscheinung, welche den ersten Vorboten der: kommenden Veränderung im Muskel, eine Vorbereitungsphase der „achfolgenden Phase darstellt und andererseits die nächste Phase selbst — die mechanische Erscheinung.“ Die Kammerzacke R muss also als der Ausdruck des die ganze- Masse des Herzmuskels einnehmenden vorkontraktionellen Aktions- stromes gelten. Dasselbe bezieht sich auf die Zacke P der Vorhöfe- ıdie Zacken © und q bieten natürlich ebenfalls den Ausdruck von. vorkontraktionellen Aktionsströmen). Auf die Zacken © und R der Kammer (bzw. q und P der Vorhöfe) beschränkt sich eigentlich die elektrische Erscheinung des vorkontraktionellen Aktionsstromes. Die Zacke 7, welche, wie aus unseren Versuchen zu ersehen. ist, nicht nur an der Kammer, sondern am Bulbus aortae, am Fisch, am Auster- und Krebsherzen auftritt, kann nicht der Ausdruck des- selben Aktionsstromes wie die Zacke R sein; wir müssten sonst auf (rund der Berechnung annehmen, dass der Erregungszustand die Strecke von den Vorhöfen bis zur Herzspitze in '/sco bis ?/co Sek. durchläuft, was der tatsächlichen Länge der Kammer des Frosch- herzens entspricht, während der entgegengesetzte Weg von der Spitze bis zur Basis von der Erregungswelle mitunter im Laufe fast einer ganzen Sekunde zurückgelegt wird, was einer über 30 mal. I) Kahn, Zeitmessende Versuche am Elektrokardiogramme. Pflüger’s Arch. Bd. 132. 2) Gazeta lekarska 1910. Die physiologischen Grundlagen der Elektrokardiographie. 35 längeren Strecke entspricht. Die Kammerzacke T7 ist eine von der Zacke R vollkommen verschiedene Erscheinung und bedarf einer besonderen Erklärung, die weiter unten gegeben werden soll. Die Phase 8. Einthoven schrieb die Entstehung der Zacke R der rechten und der Zacke $ der linken Kammer zu. Diese Ansicht lässt sich nicht ohne weiteres aufrecht erhalten angesichts der Daten der ver- gleicherden Anatomie und Physiologie. Sowohl das einkammerige Froschherz wie das aus einem Vorhof und einer Kammer bestehende Herz der Fische, der Auster und auch des Krebses zeigten eine deut- lich ausgesprochene Phase $S. Eine ähnliche Phase fanden wir auch an den isolierten Vorhöfen des Frosches und des isolierten Bulbus aortae. Vor allen Dingen müssen wir feststellen, dass die Phase & eine keineswegs konstante Erscheinung bietet. Die Untersuchung des Froschherzens wirft ein Licht auf die Entstehung dieser Zacke. Am Elektrokardiogramm des einkammerigen Froschherzens, er- halten in der Weise, dass eine Elektrode dem Vorhof und die andere der Mitte der Kammer anliegt, tritt die Phase $ mit grosser Deut- lichkeit hervor). Wenn aber die untere Elektrode nicht an der Mitte, sondern an der Spitze der Kammer angelegt wird, dann be- kommen wir eine Kurve ohne $S. Da nun die Phase $ bei einer besonderen Elektrodenanlegung auftritt und bei einer anderen Ab- leitungsweise verschwindet, so wollen wir prüfen, was für einen Einfluss die Verschiebung der unteren Elektrode von der Mitte zur Spitze der Kammer auf die elektrokardiographische Kurve ausübt. Wenn die untere Elektrode an der Herzspitze steht, tritt die Phase 8 nicht auf. Wir haben bereits oben bemerkt, dass die elektrische Erscheinung im Herzmuskel durch den Stoffwechsel und durch die dabei entstehenden Ionen bedingt ist, welche den Potential- unterschied erzeugen; jedes Ion besitzt dabei seine besondere Be- weglichkeit. Wenn sich die Ionen im Herzmuskel bewegen, so er- folet das in der Weise, dass die mit einer grösseren Geschwindigkeit ausgestatteten positiven Ionen vorausgehen, während die negativen hinter ihnen zurückbleiben. Infolgedessen, wenn die Elektroden an der Basis und an der Spitze des Herzens stehen, ist die obere bzw. I)N. Cybulski, Gazeta lekarska, 1. c. — M. Eiger, Przeglad lekarski 1911. 3 * 36 M. Eiger: die hintere Elektrode negativ, die untere — an der Spitze befind- liche — positiv; es tritt dann nur die Zacke R auf (Schemal Fig. 6). Wenn wir die Elektrode von der Spitze gegen die Mitte der Kammer verschieben, dann werden wir zunächst dieselben Bedin- gungen wie bei der früheren Elektrodenstellung von uns haben: die obere Elektrode wird negativ, die an der Mitte der Kammer befind- liche wird positiv sein; wir werden dann ebenfalls die Zacke R bekommen (Schema II, Fig. 7). Wenn sich aber der elektrische Fig. 6. Schema I. Fig. 7. Schema II. Erregungszustand, den wir uns als eine sich fortpflanzende elektro- motorische Fläche mit den positiven Ionen vorne und mit den . negativen hinten zu denken haben, die Strecke zwischen den beiden Elektroden zurückgelest haben wird und die Herzspitze unterhalb der unteren Elektrode erreicht, dann wird die untere Elektrode die negativen sich langsamer bewegenden und hinten zurück- bleibenden Ionen sammeln; sie wird dann negativ und nicht wie in der ersten Periode positiv sein. Bei der ersten Elektrodenstellung erhalten wir die stark aus- gesprochene Zacke R als den Ausdruck der Ausbreitung des Er- regungszustandes über die ganze Kammer. Es ist anzunehmen, dass, nachdem der Erregungszustand durch irgendwelche Herzpartie durch- Die physiologischen Grundlagen der Elektrokardiographie. 37 gegangen ist, der entgegengesetzte Assimilationsprozess eingreift, welcher dem Muskel die Rückkehr zum gewöhnlichen chemischen Gleichgewichtszustande ermöglicht. Von dem Unterschied des chemischen Geschehens im tätigen und ruhenden Muskel zeuset z. B. die saure Reaktion des tätigen und die neutrale Reaktion des ruhenden Muskels. Wenn also ein Teil eines Muskels oder des Herzens, nachdem der Erregungszustand vorübergegangen ist, zur Ruhe zurückkehrt, dann muss offenbar ein entgesengesetzter anabolischer, chemischer Vorgang stattfinden. Im tätigen Muskel entstehen wahrscheinlich Elektrolyte vom: Typus Säure | H, z. B. HSO,|H oder Cl | H; das negative Säure-Ion hat dabei eine Ge- schwindigkeit von 33—67,7 Sek. Das positive H-Ion hat eine grössere Geschwindigkeit |318!)] und geht voran; deswegen ist während des Durchganges des Erregungszustandes die untere Elektrode positiv. Umgekehrt, nachdem der Erregungszustand Fig. 8. Schema II. Schema des Ent- . : stehungsortes und der Richtung des Er- die Strecke zwischen den Elek- regungszustandes im zweikammerigen troden zurückeeleet hat und Herzen, entsprechend dem His-Tawara- SSR schen Bündel. ven Er. dexter vonß. sın. der Muskel zum chemischen Gleichgewicht zurückkehrt, spielt sich schon auf dieser Strecke ein entgegengesetzter Vorgang ab; es entstehen KElektrolyte vom Typus Metall | OH, z. B. NaOH. In der sich bildenden elektromotorischen Fläche mit zwei Reihen von Ionen gehen die OH-Ionen mit ihrer Geschwindigkeit von 174 voran, während umgekehrt die Ionen der Metallgruppe (Geschwindigkeit 65—835) sich näher an der oberen Elektrode befinden, welche infolge- dessen positive Eigenschaften erwirbt. Wenn die obere Elektrode positiv und die untere negativ ist, dann kommt ein im Bezug auf R entgegengesetzter Vorgang zustande; es entsteht dadurch die der 1) Kohlrausch und Holborn, Das Leitvermögen der Elektrolyten S. 200. Leipzig 1898. 38 M. Eiger: Zacke R entgegengesetzte Phase $. Es muss natürlich die Rück- kehr zum chemischen Gleichgewicht dort am ehesten erfolgen, wo der Erreguneszustand am ehesten vorübergegangen ist. Bei der Elektrodenanlegung an der Basis und an der Spitze des Herzens gibt uns das Galvanometer keinen Ausdruck für diesen ent- gegengesetzten Vorgang, weil sich die beiden entgegengesetzten Ströme summieren, indem der erste überwiegt, und tatsächlich dauert in diesem Fall die Zacke R länger, und sie ist gewöhnlich kleiner als im zweiten Fall, wo die Phase $ separat ist und schon nach der Zacke R auftritt. Es genügt aber, die untere Elektrode von der Spitze etwas nach der Mitte des Froschherzens zu verschieben, um neben der Zacke R noch die Phase $ zu bekommen. In diesem Falle ist die Zacke R der Ausdruck obengenannter Ausbreitung des Erregungs- zustandes im Bereich der Kammer in dem Zeitintervall, als er die Strecke zwischen der oberen und der unteren Elektrode zurücklest und die Negativität der oberen und die Positivität der unteren ver- ursacht. Sobald aber der Erregungszustand die ganze Strecke zwischen den Elektroden zurückgelegt hat und in die Herzpartie zwischen der unteren Elektrode und der Herzspitze übergetreten ist, wird die untere Elektrode (entsprechend der oberen bei der ersten Anlegungs- weise) negativ, weil sie negative Ionen sammelt; die obere Elektrode befindet sich dann an einer Stelle, welche der Erreeungszustand schon längst verlassen hatte, wo bereits eine Periode der Rückkehr zum chemischen Gleichgewichtszustande eingetreten ist oder im Ein- treten begriffen ist infolge eines Assimilationsvorganges im Muskel, der zur Ruhe und zum Gleichgewicht zurückkehrt nach dem die Entstehung der Zacke R bedingendem FExplosionsvorgang. Eine Erklärung dieser Erscheinung vom Standpunkte der neuen elektropysiologischen Lehre finden wir bei Cybulski!) und bei Bernstein?). Das Auftreten der Phase $ an der elektrokardio- graphischen Kurve ist also vielfach von der Ableitungsweise der Ströme abhängig. Natürlich wird die chemische Erscheinung, durch welche bei zweckmässiger Stromableitung das Auftreten der Phase $ bedingt ist, immer stattfinden, unabhängig davon, ob die jeweilige I) Cybulski, Über die Oberflächen- und Aktionsströme der Muskeln. Bull. de l’Acad. des Seiences de Cracovie 1910. 2) Bernstein, Lehrb. d. Physiol. 1910. Die physiologischen Grundlagen der Elektrokardiographie. 39 Ableitungsweise die Zacke an der Kurve zum Vorschein bringt oder nieht. Ist unsere Betrachtungsweise der Phase $ richtig, dann muss sie auch an anderen pulsierenden Herzteilen auftreten, wie am Vorhof, am isolierten Bulbus aortae. Tatsächlich finden wir der Froselh- kammerphase 8 analoge Zacken an Vorhofs-, Bulbus- und an anderen Elektrokardiogrammen (Kurven Nr. 6, 7, 13, 14, 17); sie ist mit s ‚am Vorhof, mit s? am Bulbus usw. bezeichnet. Mit der Rückkehr der Phase $ zum Nullniveau beginnt der zweite Teil des Elektrokardiogramms, welchen wir mit dem Namen der die mechanische Herzfunktion begleitenden „biochemischen Periode* belegen möchten. Dieser Abschnitt der elektrokardio- graphischen Kurve hat den Forschern zahlreiche Schwierigkeiten be- reitet, ohne bis jetzt im eigentlichen Sinne des Wortes eine aus- reichende Deutung zu finden. Ich betone, dass man eine Phase $, die in allen einkammerigen schlagenden Gebilden (Fisch- und Froschkammer, Vorhof usw.) sowie ‚auch in gewöhnlichen Muskeln hervortreten kann, und eine Zacke $ (Einthoven), die am zweikammerigen Herzen des Menschen resp. Hundes auftritt, unterscheiden muss. Die Zacke $, deren Entstehungsort die Gegend der Spitze ‚der linken Kammer resp. des Herzens ist, stellt ein vollständiges Analogon der Zacke R dar (umgekehrtes R-Phänomen). Da die Verbindunssstelle des His-Tawara’schen Bündels nicht in einer Höhe sich befindet, sondern in der rechten Kammer fast in der Mitte des Herzens und in der linken Kammer fast am Apex, was Eppinger’s und Rothberger’s Durchschneidungs- versuch beweist, so müssen wir ein normales Kammerelektrokardio- gramm eines zweikammerigen Herzens als eine algebraische Summe der Ströme der beiden Herzkammern betrachten. Die Entstehungsart und die Richtung des Erregungszustandes stellt die Fig. 8, Schema IH dar (Eiger: Vortrag am Ärzte- und Naturforscherkongress in Krakau im Juli 1911; vgl. auch später Selenin). Gewöhnlich leiten wir hauptsächlich zum Galvanometer von der rechten Hälfte des Herzens; es genügt aber eine kleine Veränderung der topographischen Lage des Herzens (Hypertrophie, Dextro- kardie usw.) und eine Veränderung seines Verhältnisses zu den ‚Nachbarorganen (Lungen usw.), damit auch die Ableitung der linken Hälfte günstiger werde und die Zacke & hervortrete. 40 M. Eiger: Das Intervall S,T und die Zacke T. Bis jetzt haben wir die Entstehung der Kammerzacken Q, R und S und der Vorhofszacken g, P und Phase $ zu erklären ver- sucht. Bei gewissen Forschern macht sich die Empfindung geltend, «die elektrokardiographische Kurve in zwei voneinander unabhängige Abschnitte zerlegen zu müssen, im ursächlichen Zusammenhang mit den voneinander verschiedenen Entstehungsbedingungen desselben ; dafür spricht z. B. die Ansicht von Einthoven und A. Hoffmann. Wir müssen uns jetzt somit mit der Entstehung dieses zweiten Ab- schnittes der elektrokardiographischen Kurve befassen. Sowohl beim Menschen wie bei den Tieren, mitunter auch beim Frosch, bekommen wir gewöhnlich in dem mit 5,7 (im Vorhof wird es s,t sein) bezeichneten Zeitintervall eine lange, mehr oder weniger horizontal verlaufende Gerade, welche gegen sein Ende etwas unter das Niveau (in demselben Sinne wie die Zacke R) absinkt, bereits. als die von Einthoven mit 7, von Nicolai mit F bezeichnete- Zacke. Die Platten, welche neben dem Elektrokardiogramm die- Kurve der mechanischen Herzaktion enthalten, weisen darauf hin, (dass auf dieses Intervall der der Systole und dem grössten Teil der einsetzenden Diastole entsprechende Absehnitt des Elektrokardio- gramms entfällt. Die komplette Diastole der Kammer erfolet schon nach der Rückkehr des aufsteigenden, d. h. des zweiten Astes der Zacke T in das Nullniveau. Die Zacke 7 tritt also vor der Phase der kompletten Diastole: auf. Schon Einthoven hat bemerkt, dass die Zacke 7 in ihrer Form verschieden ist sowohl von den Zacken P und R als von allen sonst in der Elektrophysiologie bekannten Kurven der vor- kontraktionellen Aktionsströme, und zwar in der Hinsicht, dass ihre erste Art mehr schräg ist als die zweite und nicht jäh, fast vertikal herabfällt, wie das sonst die Kurven der Aktionsströme aufzuweisen pflegen. Die Zacke 7’ kann nicht durch die Kniekungen, welche das Herz der höheren Tiere erfährt, bedingt sein. Dafür sprechen die von mir an Herzen von Fischen, am Bulbus aortae, an Vorhöfen nach Abtragung der Kammer usw. angestellten Versuche zwecks Erklärung sowohl der Zacke 7 als des Intervalls $,7, dessen inte- gralen und finalen Teil die Zacke 7 bildet. Ich will versuchen, den Nachweis zu führen, dass der Kurvenabschnitt 8,7 einschliesslich der Zacke 7 den Ausdruck von besonderen Vorgängen und Prozessen bildet, welche auf die Zeit der mechanischen Herzaktion entfallen. Die physiologischen Grundlagen der Elektrokardiographie. 41 Es werden bekanntlich die Lebensvorgänge von Stoffwechsel- prozessen begleitet. E. Hering hat in seiner Abhandlung „Zur Theorie der Vor- gänge in der lebendigen Substanz“ (1887) kunstvoll und anschaulich das Phänomen des Stoffwechsels im Herzen zur Darstellung gebracht. Zu den Vertretern der Theorie der Assimilation und Dissimilation oder, um mit den englischen Autoren zu reden, des Anabolismus und des Katabolismus in Anwendung auf die sowohl in Muskeln überhaupt wie speziell im Herzmuskel stattfindenden elektrischen Erscheinungen gehört Cybulski, welcher im bereits erwähnten allgemeinen Abriss der Elektrokardiographie seine Ansichten auf die Entstehungsbedingungen der elektrokardiographischen Kurve formuliert. Seine in einer Reihe von Abhandlungen mit Hilfe von Versuchen und Berechnungen begründete Hauptidee fasst Cybulski im folgenden Satz zusammen: „Die elektrischen Ströme im Muskel sind auf das engste mit dem Problem des Stoffwechsels und somit auch des Lebens verknüpft !).“ Vom Standpunkte dieser Theorie wollen wir nun das Intervall 85T und die Zacke 7 betrachten. Es unterliegt keinem Zweifel, dass während der mechanischen Kontraktion und der Erschlaffung ein Stoffwechselvorgang stattfindet, eine Bildung und Zerfall von chemischen Verbindungen erfolgt, die zum Teil als Elektrolyte der Diffusion und der Osmose unterliegen und dabei ionisiert werden, um in der Gestalt von negativen und positiven Ionen die Entstehung von elektrischen Strömen herbei- zuführen. Chemische Untersuchungen weisen unbedingt auf das Vorhandensein von Elektrolyten im Herzmuskel hin; die Ausschläge der Galvanometersaite und überhaupt die Möglichkeit einer elektro- kardiographischen Methode beweisen, dass während der Kon- traktion des Muskels oder des Herzens Potentialunterschiede ent- stehen; endlich hat uns eine Reihe von Beobachtungen verschiedener Autore über die Sauerstoffabsorption und Kohlensäureausscheidung sowie das Auftreten des sogenannten Ruhestromes des Muskels, dessen Existenz auch an unbeschädigten Muskeln nunmehr nach den Versuchen von Cybulski und Bernstein keinem Zweifel unter- liegen kann, gezeigt, dass im ruhenden Muskel ein reger Stoff- wechselprozess stattfindet und lIonenbildung erfolst. Es erhellt 1) Cybulski, Über die Oberflächen- und Aktionsströme der Muskeln, 1. c. 49 M. Eiger: übrigens aus dem zitierten Werke Hering’s, dass man sich die lebendige Substanz der Muskelfasern keineswegs als eine in inner- licher Ruhe verharrende Masse vorstellen darf, sondern als ein Gebilde, in welchem sowohl die Assimilation wie die Dissimilation nahezu zu gleicher Zeit erfolgt. Wir können somit schon a ‚priori erwarten, dass in der $S,T und 7 entsprechenden Periode sowohl als Richtung wie als Intensität mannigfachste Ströme entsprechend dem kom- plizierter chemischen Geschehen entstehen müssen. Der zweite Teil der Kurve ist total verschieden vom ersten, da die Vorhofszacken P und g und die Kammerzacken R und © den Ausdruck des Durchganges des Erregungszustandes durch das ganze Herz darstellen, indem sie den vorkontraktionellen Aktions- strömen entsprechen. Wenn diese Ströme im Abklingen begriffen sind und sogar wenn sie manchmal total verschwinden, dann setzt die mechanische Kontraktion ein und dauert fort. In diesem Moment tritt ein neuer Vorgang in die Szene, und zwar die Entstehung von Potentialunterschieden entsprechend den die mechanische Herzaktion begleitenden chemischen Vorgängen. Die Ausschläge P und R (sowie natürlich q und Q) sind von kurzer Dauer, und das Potential des Gewebes kehrt nachher zum ursprünglichen Zustand zurück. Dieser Potentialausgleich und die Nullstellung der Saite beweisen, dass der ganze Vorgang bereits abgeklungen und das Gleichgewicht wieder hergestellt ist. Die dabei erhältliche Kurve der anfänglichen me- chanischen Vorwölbung und der späteren Abflachung des den Schreib- hebel bewegenden Herzens beweist, dass sich das Herz allmählich infolge der Systole verwölbt und in diesem Zustand eine Zeitlang verharrt (diese Verharrung entspricht dem toten Intervall der Mechanik); nach der Systole kommt eine allmähliche Diastole (Ex- pansion). In dieser Periode 5,7 bekommen wir gewöhnlich am Elektrokardiogramm eine fast horizontale Gerade, das beweist, dass während der ganzen eigentlichen Systole und der zum Teil be- ginnenden Diastole ein Ausgleich des durch die chemischen Prozesse verursachten Potentialunterschiedes erfolgt. Das ist ohne weiteres verständlich, da die die einzelnen Muskelzellen verbindenden Brücken die anatomische Grundlage einer gegenseitigen Kompensation bieten; es können ausserdem noch die Potentialunterschiede mit Hilfe anderer feuchten Gewebsteile und der sie umspülenden Flüssigkeiten aus- geglichen werden. Diese im ersten Stadium der Kurve relativ kleineren Potentialunterschiede können eventuell zum Galvanometer nicht Die physiologischen Grundlagen der Elektrokardiographie. 43 gelangen. Aber die geringste Störung des chemischen Gleichgewichtes, unter dem Einfluss von entsprechenden Faktoren, erzeugt schon in diesem Zeitabschnitt einen Saitenausschlag. Die unmittelbare Strom- ableitung vom Hunde-, Frosch-, Austerherzen usw. zeigt, dass nicht nur in dem als Zacke 7 bezeichneten Endabschnitt dieser Periode, sondern gleich an dessen Anfang gewisse Potentialunterschiede ent- stehen können, welche ihren Ausdruck in einem entsprechenden Saitenausschlag finden. Wenn diese Betrachtungsweise der Periode S,T und der Zacke T, als der Periode des Biochemismus, richtig ist, dann müssen alle Faktoren, welehe den anabolischen Prozess erzeugen oder verstärken, einen Saitenausschlag von streng definierter Richtung (an unseren Kurven nach oben) und umgekehrt die den Katabolismus begünstigenden Faktoren nach der entgegengesetzten Richtung (nach unten) herbeiführen. Das Experiment bestätigt tat- sächlich vollauf die Richtigkeit dieser Anschauung. Wenn wir z. B. beim Frosch oder beim Hund !), deren Elektrokardiogramm in diesem Zeitabschnitt eine horizontale Gerade oder einen Ausschlag nach oben zeigt, was auf ein Überwiegen des Anabolismus in dieser Zeit hinweist, das Herz mit einem Narkotikum (Chloroform, Äther), welches giftig ist und auf den Anabolismus hemmend wirkt, beeinflussen, dann werden wir während dieser ganzen Zeit einen Ausschlag nach unten bekommen, ein Beweis des überwiegenden Katabolismus (vgl. Einthoven). Der N. vagus begünstigt bekanntlich den anabolischen Prozess; die Vagusreizung (Samojloff u.a.) muss also während der Periode des Biochemismus einen positiven Ausschlag, d. h. nach oben, herbeiführen. Die beigelegten Kurven bestätigen auch in dieser Hin- sicht die Richtigkeit meiner Deutung der Periode 8,7 nnd der Zacke T. Wir sehen an ihnen (Nr. 27 und 28), namentlich nach dem Aussetzen der Hemmung, zu Beeinn der Kurven einen Ana- bolismus (Anstieg von 8.7) und dann eine allmähliche Rückkehr zum normalen bzw. zum Anfangszustand; selbst (Nr. 26) wenn bereits noch vor der Vagusreizung fast die ganze Periode 8,7’ positiv ist, führt die Reizung dieses Nerven einen noch grösseren, noch längeren Ausschlag nach oben. Dieselben Erfahrungen am Vagus und den- selben Einfluss der Vagusreizung auf die Entstehung eines grösseren oder kleineren Ausschlages während dieser ganzen Zeit haben auch 1) N. Cybulski und M. Eiger, l..c. 44 M. Eiger: andere Autoren gefunden. Besonders beim Frosch ist das Positiv- werden des Intervalls 8,7 und der Zacke T von Samojloff!) genau beschrieben worden. Gewisse Versuche von Einthoven, wo die Vagusreizung keine deutliche Wirkung auf die Ausschläge in der Periode 8,7 und 7 ausübte, können nicht als genügend exakt betrachtet werden, da er den Einfluss der Vagusreizung an mitunter tief mit Chloroform narkotisierten Hunden anstellte; die Chloroformnarkose und die Vagusreizung stellen aber antagonistisch wirkende und sich gegenseitig einigermaassen aufhebende Faktoren dar. Bekanntlich beeinflusst die Abkühlung und die Erwärmung in verschiedener Weise die Assimilations- und die Dissimilationsprozesse. Wenn ich nun ein in flüssiges Paraffin getauchtes Herz abkühlte, zeigte die Periode S,7 und 7 einen positiven Ausschlag, d.h. eine Steigerung des Anabolismus, während die Erwärmung einen negativen Ausschlag, d. h. Katabolismus, aufweist (Kurven Nr. 29a, 29b, 29e). Ich habe nicht die Absicht, alle möglichen Ausschlagsformen der Saite in der Periode $,7 im Zusammenhange mit den mannigfachen ehemischen Prozessen zu untersuchen, welche sich in der Muskel- masse unter dem Einfluss von normalen, krankhaften und experimen- tellen Faktoren abspielen; es lag mir nur daran, festzustellen, dass diese chemischen Vorgänge existieren, dass während ihrer Dauer entsprechende Ströme entstehen, und dass es bis zu einem gewissen Grade in der Hand des Forschers liegt, experimentell die gewünschte Richtung des Ausschlages durch Steigerung der Assimilation beziehungs- weise der Dissimilation herbeizuführen. Diese Fragen sollen in einer anderen Abhandlung eine eingehende Auseinandersetzung finden. Die in der Literatur vorliegenden von verschiedenen Forschern erhaltenen Kurven bilden ein wertvolles Beweismaterial, das geeignet ist, die Richtigkeit der von uns vertretenen Ansichten wesentlich zu unterstützen. Ich möchte hier noch drei Beweisgründe prinzipieller Natur dafür anführen, dass tatsächlich der Ausschlag in der ganzen Periode 5.7 und 7 nach oben, nach unten oder endlich nach beiden Richtungen mit den jeweiligen chemischen Vorgängen im Zusammen- hange steht. Wenn die Periode 8,7 mit dem dabei entstehenden Ausschlag einschliesslich der Zacke T wirklich einen Indikator des Stoffwechsels darstellt, dann muss der Ausschlag in der gegebenen l) Samojloff, Pflüger’s Arch. Bd. 136. Die physiologischen Grundlagen der Elektrokardiographie. 45 Zeitperiode nicht allein von der Kammer, sondern von sämtlichen pulsierenden Herzteilen erhältlich sein, so beim Frosch zunächst von den Vorhöfen, dann von pulsierenden Mündungen der Herzvenen nach Unterbindung und Entfernung der Kammer. An einer Reihe von beiliegenden Kurven (Nr. 6, 7, 14, 17, 18) kann man sehen, dass an den Vorhöfen sowohl des ganzen Herzens wie nach kompletter Entfernung der Kammer eine deutlich ausgesprochene Zacke t auf- tritt (als Analogon der Kammerzacke 7), welche schon sicher nicht bedingt sein kann durch den zur Vorhofsbasis zurückgekehrten Er- reeungszustand, wie das gewisse Autoren zur Erklärung der Ent- stehung der entsprechenden Kammerzacke 7’ an der Kammer haben wollen. Das zweite für meine Ansicht eminent wichtige Argument ist in einer der Abhandlungen von Rothberger und Winterberg (Über die Beziehungen der Herznerven zur Form des Elektrokardio- eramms. Pflüger’s Arch. Bd. 135 S. 506) zu entnehmen. Es besteht bekanntlich ein gewisser Antagonismus in der Wirkung einer- seits des N. vagus und anderseits der Nervi accelerantes. Mit Hilfe der Kurven Nr. 26, 27, 28a und 28b suchte ich den Nachweis zu führen, dass die Vagusreizung die Entstehung oder den Ausschlag von S,7 nach oben verursacht, was für einen gesteigerten Anabolismus spricht. Es sollte daher die Acceleransreizung in der Periode 8,7 einen Ausschlag nach unten herbeiführen. Tatsächlich enthält die wertvolle, an anatomischem allgemein-physiologischem und elektrokardiographischem Material sehr reiche Abhandlung von Rothberger und Winterberg eine Bestätigung meiner Ver- mutung. Die Verfasser haben in ihren Experimenten den rechten oder den linken N. accelerans an verschiedenen Stellen oder aber beide gleichzeitig gereizt und haben stark ausgesprochene Zacken gerade in der Periode des Biochemismus erhalten. Am meisten typisch soll nach der Ansicht der Autoren die Formveränderung des Endabschnittes der Kurve (die Form der Nachschwankung) sein. Bei der Beschreibung der nach Reizung des rechten N. accelerans erhaltenen Kurve (Fig. 3) stellen sie fest, dass die Zacke 7 bedeutend vergrössert und nach derselben Seite wie die Zacke A gerichtet, d. h. nach unserer Nomenklatur negativ, ist, was von einem gesteigerten Katabolismus zeugt. Bei der Bezeichnung der Grösse dieser Zacke 7 finden wir bei den Verfassern wiederholt den Aus- druck „mächtig“. In ihren speziellen Experimenten konnten die Verfasser mit Hilfe der Nervenreizung, entsprechend der jeweiligen 46 M. Eiger: Versuchsanordnung, die manniefachsten Ausschlagskombinationen er- halten gerade in der Periode 8,7, die ich als die Periode des Biochemismus bezeichne. Höchst charakteristisch ist die Schluss- folgerung der Autoren. Auf die Theorien von Kraus und Nicolai zurückgreifend, konstatieren sie, dass die Ergebnisse ihrer Versuche geeienet sind, ihnen „Bedenken“ aufzudrängen in Bezug auf die bisher gegebenen Erklärungen der elektrokardiographischen Kurve. Mit grösstem Nachdruck heben sie die Tatsache hervor, dass die Zacke R niemals zusammenfliesst mit dem zweiten Abschnitt der Kurve, den sie als Nachschwankung bezeichnen. Endlich gelangen sie zu folgendem Ergebnis: „Die Gruppen 9, R, 8 und die unter dem Namen 7 zusammengefassten Schwankungen sind offenbar ihrer Genese nach verschieden“. Was aber für einen Ursprung dieser zweite Teil der Kurve hat, darüber äussern sich die Verfasser gar nicht. Eine weitere Tatsache, aus welcher sich die Richtigkeit unserer Betrachtungsweise der ganzen biochemischen Periode S,7 und 7 ereibt, ist den Arbeiten polnischer Forscher entnommen. In seinen Versuchen an isolierten, künstlich durchströmten Herzen, welche die Prüfung und Wirkung von sogenannten dynamischen Nerven Ludwigs (der anabolischen und katabolischen Nerven Gaskell’s) betrafen, hat Popielski!) den Nachweis erbracht, dass bei allmählicher Einschränkung der Flüssig- keitszufuhr die Herzaktion verstärkt wird, während umgekehrt bei reichlicher Durcehströmung die Kontraktionen schwächer werden, und dass ein gewisses, für jedes Herz anderes Maximum der Durch- strömung besteht, bei welcher die Herzkontraktionen sistieren. Zbyszewski (l. ec.) hat solche isolierte Herzen mit der elektro- kardiographischen Methode untersucht und gefunden, dass bei Durch- leitung einer grösseren Flüssigkeitsmenge, d. h. bei Abschwächung der Herztätigkeit, das Elektrokardiogramm insofern modifiziert wird, als die Zacke 7 viel höher zu vergleichen mit den Kurven 9a und 9b, während die Zacken P und R unverändert bleiben. An der Kurve 1Ob von Zbyszewski können wir tatsächlich sehen, dass nicht nur die Zacke 7 grösser, sondern die ganze von mir mit 8,7 bezeichnete Periode aus horizontaler — deutlich negativ, d. h. nach derselben Seite wie die Zacke R, gerichtet worden ist. Ein der- artiger Ausschlag der Periode 8,7 und der Zacke 7 weist eben auf eine Zunahme des Katabolismus hin. l) Popielski, Pflüger’s Arch. Bd. 130 $. 375. Die physiologischen Grundlagen der Elektrokardiographie. 47 „Umgekehrt“, sagt Zbyszewski weiter, „wird bei abnehmender Durchströmung die Zacke 7 immer kleiner und kleiner und kann schliesslich die entgegengesetzte Richtung annehmen.“ Wirklich zeigt uns die Kurve IX E des Autors, dass fast der ganze Abschnitt S,T die entgegengesetzte Richtung als die Zacke AR aufweist, was für Anabolismus spricht. Der Verfasser fügt zu, dass in diesem Fall, obsleich „sich das Herz wegen geringerer Durchströmung stärker kentrahierte, die Zacken $ und A unverändert geblieben sind“. Die Kurven von Zbyszewski sind für mich ein wertvolles Material, das die Richtigkeit der Anschauung bestätigt, dass die Zacken ? und R einerseits, die Periode 8,7 und die Zacke 7 anderseits zwei distinkte und genetisch verschiedene Abschnitte der elektrokardiographischen Kurve bilden, da antagonistisch wirkende Faktoren die Zacken P und R nicht beeinflussen, wohl aber in der „biochemischen Periode“ (8,T samt der Zacke T) diametral entgegengesetzte Wirkung ent- falten. Da die Kammerzacke 7T von Einthoven (sowie die von nr oben beschriebene Vorhofszacke t, Bulbuszacke t? usw.) einen inte- gralen Teil der biochemischen Periode (8,7) bildet, so halte ich sie auch für genügend erklärt. Die Zacke 7 bildet nur den Schluss- akt der biochemischen Periode am gesunden, in normaler Lage be- findlichen Menschenherz. Wenn wir mit Hering und Salzmann annehmen, dass zuletzt die Muskelfasern der Kammerbasis er- schlaffen, dass sie somit noch eine Zeitlang kontrahiert sind, während bereits alle übrigen in den Erschlaffungszustand übergegangen sind, dann dürfte das Auftreten der Zacke 7 allein für den Umstand sprechen, dass in diesen letzten kontrahierenden Muskelfasern, welche dadurch in einem von den sonstigen Muskelfasern differenten physio- logischen Zustand verbleiben, ein differenter chemischer Vorgang einhergeht. Insofern wir nach der Richtung dieser Zacke am normalen Froschelektrokardioeramm urteilen dürfen, überwiegt in ihnen der Katabolismus. Dass diese Zacke nur durch chemische Prozesse und nicht durch den angeblich eigenartigen Bau der Kammer bedingt ist, beweist der Umstand, dass die Zacke 7 gar nicht für die Kammer spezifisch ist, sondern auch an den übrigen spontan pulsierenden Herzteilen auftritt, und dass man in Übereinstimmung mit der Be- obachtung Einthoven’s bei einseitiger Ableitung vom „normalen Herzen“ sowohl eine positive als eine negative Zacke T7ır erhält. 48 M. Eiger: Zusammenfassung der Ergebnisse. Ich will nur in kurzen Worten an der Hand des beiliegenden Schemas den Inhalt der von mir hier vertretenen Ansicht zu- sammenfassen. “> Die ganze der einzelnen Kontraktion des Froschherzens ent- sprechende elektrokardiographische Kurve setzt sich vor allen Dingen aus folgenden Hauptteilen zusammen: der Kurve der Mündungen der Vv. cavae; der Kurve des Sinus venosus; der Kurve der Vorhöfe; der Kurve der Kammer; der Pulskurve des Bulbus aortae. Bier An allen diesen Hauptteilen treten Zacken hervor, welche erstens der Kammerzacke R und Phase $, zweitens der Periode 8,7 analog sind. Die Vorhofskurve setzt sich zusammen erstens aus den vorkontrak- tionellen Zacken qg und p, welche den Ausdruck der Aktionsströme vom Sinus venosus bilden, und aus der Zacke s, welche nur dann auftritt, wenn der Strom zur unteren Elektrode nicht von der unteren, sondern von der mittleren Partie des Vorhofs fliesst; wenn aber zur oberen Elektrode der Strom von der oberen Partie und zur unteren nur von der unteren Grenze des Vorhofs fliesst, dann bleibt die Zacke s aus, und wir bekommen nur die Zacken q und p, als den Ausdruck der Aktionsströme; zweitens aus der Periode s,t, welehe einschliesslich der Zacke t die Periode des Biochemismus bildet. Zwischen der Vorhofs- und der Rammerkurve liegt eine Kurve in fast horizontaler Linie, als Ausdruck der Fortpflanzung des Er- regungszustandes durch das Bündel von Gaskell-His; während dieser Zeit bleibt die Galvanometersaite oft unbeweglich. Dann kommt die Kammerkurve, an welcher wir unterscheiden müssen: 1. die Phänomene @, R, 8; 2. die Periode des Chemismus 8,7 mit der Zacke T. Nach der Kammerkurve folgt wieder eine der Pause zwischen zwei einzelnen Herzkontraktionen entsprechende horizontale Linie, indem die Galvanometersaite unbeweglich steht. Sowohl auf Grund der von mir an ganzen ausgeschnittenen und nicht ausgeschnittenen Froschherzen angestellten Versuche sowie auf Grund von Experimenten, wo nach der Vorhofsunterbindung die Kammer total entfernt wurde oder aber nach Unterbindung des Die physiologischen Grundlagen der Elektrokardiographie. 49 Sinus die ganzen Vorhöfe und die Kammer abgeschnitten waren, habe ich mich überzeugen können, dass sowohl der pulsierende Sinus wie der spontan schlagende Bulbus aortae und die Mündungen der Vv. cavae den Vorhofszacken ganz analoge Ausschläge geben (mit Ausnahme von 9); die Vorhofszacken bieten eine vollkommene Analogie mit den Kammerausschlägen (q, P, s, die Periode s,t und 2). Es lässt sich also an sämtlichen pulsierenden Teilen des Frosch- herzens deutlich ein konstanter, der Zacke R entsprechender Haupt- ausschlag und eine S,7 und der Zacke 7 entsprechende Periode unterscheiden, welche den Ausdruck des Biochemismus während der Systole und Diastole der betreffenden Herzpartie bildet. ‚Sinus venosus Ventriculus » ° a [) « nacava | | = a Atrıum A Fig. 9. Die wirkliche Gestalt der einer einzelnen Kontraktion des ganzen Frosehherzens entsprechenden elektrokardiographischen Kurve ent- spricht auf Grund meiner Experimente dem vorstehenden Schema (Fig. 9). Erklärung der Tafeln ?). Nr.1. Elektrokardiogramm eines Frosches. Die obere Elektrode am rechten Vorhof, die untere am Apex cordis. Deutlich ausgeprägte Vorhofzacken q und P. Die Kammerzacke T negativ. Sin: Die vom Sinus venosus bedingte Saitenablenkung. 1 Elektrokardiogramm, 2 Zeitsignal, a—Db = eine Sekunde. 1) Über die Art der Ableitung und die Darstellung der Elektrokardiogramme sowie über die Begründung der Bezeichnungen „positiv und negativ“ siehe die ausführliche Arbeit in Rozprawy Wydziatu matem.-przyrodn. Akademii Umieje- tnosci Bd. 51 B, Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd. 151. 4 90 Nr. Nr. Nr. Nr. M. Eiger: 9. Elektrokardiogramm eines Frosches. Die obere Elektrode an der Kammer- basis, die untere an dem unteren Drittel der Kammer. Eine deutliche Zacke Q. Die Periode 5.7’ sammt der Zacke T negativ. 3. Elektrokardiogramm eines ausgeschnittenen Froschherzens. Aufstellung der Elektroden wie gewöhnlich (die obere am Vorhofe, die untere in der Mitte der Kammer). B: Eine von der Kontraktion des Bulbus aortae ab- hängige Saitenablenkung. Die ganze Periode S.7 positiv, die Zacke T negativ. .4. Elektrokardiogramm eines Frosches mit positiver Periode 5.7 und mit positiver Zacke T. .5. Elektrokardiogramm eines ausgeschnittenen Froschherzens. In dem Elektro- gramme der Vorhöfe eine deutliche Periode sot mit der Zacke t. .6. Elektrokardiogramm der Vorhöfe eines Frosches. Die Kammer wurde vollständig abgeschnitten. Deutliche Zacke P und s. Die Zacke t ist negativ. .7. Vorhofselektrogramm eines Frosches; die Kammer wurde vollständig ab- getrennt. Vorhofsmyogramm. Eine deutliche Zacke P. '.8. Elektrokardiogramm eines Hundes. Beide Elektroden an dem oberen Teile der rechien Kammer: die obere an dem Sulcus transversus, die untere ungefähr 2 cm tiefer. Der Thorax geöffnet. Der Hund war kurarisiert. .9. Ein anderes Elektrogramm von demselben Hunde. Beide Elektroden an dem unteren Teile der Kammern (die untere Elektrode am Apex cordis, die obere etwas höher), . 10. wie Nr.9. Beide Elektroden an dem mittleren Teile der Kammern. .11. Vorhofselektrogramm eines Frosches. Die Kammer wurde vollständig ab- getrennt. Beide Elektroden oberhalb des Sinus venosus (die obere liegt höher als die untere). 12. Vorhofselektrogramm eines Frosches. Die Kammer war abgeschnitten. Beide Elektroden unterhalb des Sinusgebietes. Deutliche P- und s-Zacken; die Periode s.t positiv, t negativ. 12a. Vorhofselektrogramm eines Frosches nach vollständiger Abtrennung der Kammer. Beide Elektroden in dem mittleren Teile der Vorhöfe. Die Zacke q und die Zacke P gut ausgeprägt. Die Periode s.t negativ. .13. Elektrogramm des Bulbus aortae. Der Bulbus aortae völlig abgetrennt, ausgeschnitten und isoliert. Die obere Elektrode am unteren Teile, die untere an dem oberen Teile des Bulbus. . 14 wie Nr. 13. Der völlig isolierte Bulbus liegt auf einer Glastafel. Die obere Elektrode auf dem oberen Teile, die untere auf dem unteren Teile des Bulbus. Die Periode sot positiv, die Zacke tB negativ. '. 15. Elektrokardiogramm eines Frosches.. Die obere Elektrode an dem Bulbus aortae, die untere auf der Mitte der Kammer. . 16. Elektrokardiogramm eines Frosches. Die obere Elektrode am linken Vorhofe, die untere auf dem Bulbus aortae. . 17. Elektrogramm der Vorhöfe und des Sinus venosus. Die Kammer voll- ständig abgeschnitten. Die obere Elektrode am unteren Teile des Sinus, die untere am obersten Teile des linken Vorhofs. Die biochemische Periode (so?) im Sinus negativ, in den Vorhöfen positiv. ; - RT ee een RR SR EAN BB ER . a en ae en KSNNEN? Bose > ER a NONE BR EN BE RY ER HR DEn N x N a, SEN ER EEE Verlag von Martin Hager, Bon Tafel 1. eK im ge naar Mapa we yrön hehe har nn NSS RT 3° S BER Se II SUISS TERN IN f E OR ER ADS 2 : a nn Ss a \ > < u SPORN $ DM LS . DD u nn NS N > N x Ss SS 8 In os 1a BAR DER ES NE a en : \ SS nn nn. TE so N un. N nn... : ERIAIS .: “ AS \ £ N er ne n* NN nn Le ee na reraree areas u S NS , nr K h > nn > ° Ka 4 ” ae | i , ad Y n 3 R er = h ß By or Ro t & Pflüger’s Archiv f. d. ges. Physiologie. N RER } une innen de en a . SS SER Verlag von Martin Hager, Bonn. BAKERPITNERPENTUN RT ha Ba ae ER ee ERROR FIR EIEDOARKERN SPANERENEE DEN ALS MRDESIEEI SID STERDEREER. se ea Ai ne rm Ana nee ee PREISER RER gi RR % % nah a EN ARE BRNIRTEEERRTEINN ER era ES RMEETSLIRAREN vn Bi H ; h Denn Benin ee ne Nee en Haren een FIR 5 5 IEENEE 2 RZ, N. ä,__ re \ - 2 x a are SER ss wer & a = I RER 2 . % a A ag .—.n z 5 8 ER 3 $ ES x 2% IS nr “> re ee re ru Ne Wer IR N x - < . > nn. a ee en DI RS en ER ıL NA a nn x , > a 2 > 2 % 7 Ne en 4 ES : . > Ss a u en ee in z > a > ee Re Rn N NE 2 Nee Pflüger’s Archiv f. d. ges. Physiologie. 2 nn n S NENNEN. aha ‚ ; Aa : ; N RR R E ; 5 Nana h } A De ae ae en a erlag von Martin rateleii. r Bee Toren a ge ner x PNA re EEISBEIEENEAARR LINE VE ne ne a ran ei _ ER [a 200% ” IE S x ERS BD ED EEE DEN TEE RELT RENTEN 5 : ee we en a a “ I II N ELTERN N —_——— N ES DS & EIN IN x S R RLDISENE BBERNER SAREER TER 8 s > 2 a >> RD a IR x x ee s NS : nn —_— I INS [ = Bere a > 2 > nn N S SS ee ES a IS OSE S rl _ DEI > 2 u , ; > — EI SRARE S II us ex DS - u z I > Sn ne : NS N SS S ds 22 => ie a Dar mare _——— u > N AZ, a EIER x SER >> ES & z ER en x a Se > > WAS era > > EISEN S —n—un u EDS & < : IRRE ee s a Ss A DIIRLN SINN r men meer, s 3 Ra, Pflüger's Archiv f. d. ges. Physiologie. Bd. 151. me ET ea HH" un mn a seyn un rahnm Free run ar kan meh al N u armen rar H Her nm np mh f " ne ehe Te ea ee en a 4 m Hin an) IM ne HE He Kup MI NN Inc HI N Irma h i a a 1 Mn Bla Pa nk FIRE I AURD ne ia N PIRATEN PRL RETURN, VB er nhnae nanlemee Hassan äh nein Hai AH a li PERL NED HR un en r DER RETRO AEGIRRA IR ROSE nn a = NS un —. Ss SS SH SON mm . SS 3 RE IRQ III = SEITEN Sa NEE x ER R So * ee N ES SEELEN TS N IR BR SURUSR x SEN rn ir En en > - ER RD =. EA ET ee ae ae ae SER. TEEN SR Verlag von Martin Hager, Bonn. Tafel IV Dr ITZ;T er ea aan Minh San ana SER ER URBAN. SR BE RER R ee N ee ü Brunner es hen ee nenne (as Sata rn irn N denne ringen m nme ge fassen meh nn rngnasn nen rk nn nn ar aan nnd mern Se ee ale een her ee shi rin mn ann nn gern en nennen ment nn nennen abnrenent PER ANAND, ARE DEREN BER» RR OR RPANARR Sean ERBE ANSTSESSEIEERORURRS SR BER N RE Ra Ma a III RR RS ER I SS \ er Ss Ss . 3% ESEL ER ® nn. 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BIO DANS: ri a a ee Verlag von Martin Hager, Bonn. KON Nr. Die physiologischen Grundlagen der Elektrokardiographie. 51 .18. Elektrogramm der linken Hohlvene und des Sinus venosus nach voll- ständiger Abtrennung der Kammer sammt den Vorhöfen. ‚18a wie Nr. 18. Die obere Elektrode auf der Hohlvene, die untere auf dem Sinus. ‚19. Elektrokardiogramm eines ausgeschnittenen Fischherzens. Die bio- chemische Vorhofsperiode positiv. Die Zacke T negativ. 20 wie Nr. 19. Beide Elektroden an der Kammer; die Elektroden sind in umgekehrter Richtung gemäss der Richtung des Aktionszustandes aufgestellt. . 21. Elektrokardiogramm eines Flusskrebses. Die biochemische Periode mit der t-Zacke negativ. . 22 wie Nr. 21. Die biochemische Periode und die i-Zacke positiv (um- gekehrte Aufstellung der Elektroden). 23 wie Nr. 21 und 22. Die Elektroden wie in Nr. 22. . 24. Elektrokardiogramm eines Austernherzens. In beiden sich kontrahieren- den Teilen des Herzens (dem Vorhof und der Kammer) deutliche, den Phasen R und $ (bzw. P und s) analoge Phasen. . 25. Elektrogramm eines Austernherzens. , 261-22. Elektrokardiogramm eines Frosches. Reizung des N. vagus mit dem Induktionsstrom; die negative Zacke 7 wird kleiner und verschwindet, die ganze biochemische Periode 5.7’ wird vollständig positiv. . 271122 wie Nr. 26. 1. Vor der Reizung: 7 negativ, 2. nach dem Herzens- stillstand wird die ganze Periode 507' stark positiv, die T-Zacke positiv. 28a und 28b wie Nr. 27. a) Vor der Reizung ist die Zacke 7’ negativ bı+2) Nach dem Herzensstillstand wird die Zacke 7 stark positiv und sinkt allmählich wieder. Während der drei ersten Kontraktionen nach dem Herzensstillstand die biochemische Periode in den Vorhöfen gleichfalls stark ausgeprägt und positiv. D: Schluss der Reizung. '. 29a, b, c. Elektrokardiogramm eines Frosches. Die Wirkung der Abkühlung und der Wärmung. Das ausgeschnittene Herz wurde in eine Wanne mit flüssigem Paraffın getaucht. a) Normales Elektrokardiogramm bei Zimmer- temperatur; 2° —= 18. b) Abkühlung; {® — 8. Die negative Phase der T-Zacke verschwindet vollständig. Das positive 7’ stark vergrössert. c) Er- wärmung ; {0 — 28, Die negative Phase der T’-Zacke tritt deutlich wieder auf. . 90. Elektromyogramm eines Froschgastrocnemius. Die obere Elektrode an der oberen Sehne, die untere etwas unterhalb des Nervenäquators. (Das Elektro- myogramm ist der Arbeit des Herrn Prof. Cybulski entnommen.) Schlussbemerkung: Diese Arbeit, die ich der geschätzten Leitung meines Chefs und Lehrers des Herrn Prof. N. Cybulski verdanke, wurde in der deutschen Übersetzung abgekürzt, auch das Kapitel „Zacke U“ wurde vorläufig ganz ausgelassen. Die Literaturangaben wurden auf das Notwendigste beschränkt. Die Fig. 8, Schema III, wurde zur Erklärung beigefügt. 4* 52 E. Louis Backman und Carl Gustaf Sundberg: (Aus dem physiologischen Institut der Universität Upsala.) Zur Frage des Verhaltens der Amphibien in verschieden konzentrierten Lösungen. Bemerkungen zu der im ersten und zweiten Hefte von Pflüger’s Archiv Bd. 150. 1912 veröffentlichten Mitteilung von Dr. Bruno Brunacci. Von E. Louis Backman und Carl Gustaf Sundbers. Motto: Unicuique suum: Brunaececi widmet unseren Untersuchungen über die oben- erwähnte Frage ein so grosses Interesse, dass er einen Prioritäts- streit!) heraufzubeschwören wünscht. Es fragt sich nur, ob es eine Priorität gibt und wovon. Es darf Brunaceci nicht unbekannt sein, dass die Frage des Verhaltens der Amphibien in Salzlösungen schon lange Zeit vor unseren Untersuchungen ein Gegenstand der Arbeiten verschiedener Forscher gewesen ist. Eine vollständige geschichtliche Übersicht von der Erforschung dieser Frage haben wir, unseres Erachtens, in den diesen Gegenstand betreffenden Schriften?) den Interessierten gegeben. Hier glauben wir nur erwähnen zu dürfen, dass die ersten Versuche schon im Jahre 1845 von Matteuci und Cima?°) an- gestellt wurden. Später haben ja eine ganze Reihe von Autoren mehr 1) Br. Brunacci, Zur Frage des Verhaltens der Amphibien in verschieden konzentrierten Lösungen. Bemerkungen zu der im sechsten bis neunten Hefte Pflüger’s Arch. Bd. 148. 1912 veröffentlichten Arbeit von E. L. Backman und C. G. Sundberg. Pflüger’s Arch. f. Physiol. Bd. 150 S. 87. 1913. 2) E. Louis Backman, Über die Entstehung der homoiosmotischen Eigen- schaften. Zentralbl. f. Physiol. Bd. 25. 1911.—E.Louis Backman und Carl Gustaf Sundberg, Om amfibiernas förhällande i olika koncentrerade lösningar. Upsala Läkaref. Förh. vol. 17. 1912. Das Verhalten der Amphibien in verschieden konzentrierten Lösungen. Pflüger’s Arch. f. Physiol. Bd. 148 S. 396. 1912. 8) Ch. Matteuci et A. Cima, Memoire sur ’endosmose. Ann. de Chimie et de Physique t. 13 p. 63. 1845. Zur Frage des Verhaltens der Amphibien in versch. konz. Lösungen. 53 oder weniger gleichartige solche Versuche ausgeführt und veröffentlicht. Als die umfassendsten erwähnen wir diejenigen Ruzi@ka’s!) 1895, Durig’s?) 1901 und Overton’s?) 1904. Overton ist der erste, der /-Untersuchungen am Blute und Harn der Amphibien ausgeführt hat. Nun zeigt es sich aber, dass die Untersuchungen Brunacei’s hauptsächlich in Nachprüfungen vom Verhalten des 4A des Blutes und des Harnes von Rana esculenta in verschieden konzentrierten Lösungen bestehen. Brunacci’s Fragestellung *) dürfte also schwerlich als original angesprochen werden können; durch genaue Beobachtungen einer ganzen Menge anderer Verhält- nisse, der Pigmentierung, der Bildung der Lymphe sowie des Ge- haltes an N und Asche im Serum und in der Lymphe und desgleiehen mehr hat er doch neue und wichtige Ergebnisse bekommen. Des- sleichen kann unsere Untersuchung nicht als im eigentlichen Sinne original angesprochen werden; hinsichtlich unserer Frage- stellung aber steht die Sache ganz anders. Denn da- durch, dass wir die Wirkung verschiedener Salz- und Zucker- lösungen auf das Gewieht und den Volumen der Amphibien sowie auf das / ihres Blutes, Muskeln, Lymphenbildung und dergleichen mehr untersucht haben, suchten wir in erster Linie eine Antwort auf die sehr wichtige Frage zu gewinnen: Sind die Amphibien in Übereinstimmung mit der bisher geläufigen Meinung homoiosmotische Tiere? In sehr origineller Weise plädiert nun Brunacei für die 1) St. Ruzilka, Experimentelle Beiträge zu der Lehre von der Resorp- tion. Wiener med. Blätter Bd. 18 S. 371, 394, 409, 425, 442, 458, 474, 505, 5253. 1895. 2) A. Durig, Wassergehalt und ÖOrganfunktion. Pflüger’s Arch. £. Physiol. Bd. 86 S. 401. 1901. 3) E. Overton, Neununddreissig Thesen über die Wasserökonomie der Amphibien und der osmotischen Eigenschaften der Amphibienhaut. Verhandl. d. physikal.-med. Gesellsch. zu Würzburg Bd. 36 S. 277. 1904. 4) Br. Brunacci, Über die Anpassung der Amphibien an das äussere Flüssigkeitsmilieu durch Regelung des osmotischen Druckes ihrer inneren Säfte. Bedeutung der Lymphsäcke und der Harnblase. Vorläufige zusammenfassende Mitteilung. Zentralbl. f. Physiol. Bd. 25 S. 1167. 1912. — Br. Brunacci, Su Padattamento degli anfibi all’ ambiente liquido esterno mediante la regolazione della pressione osmotica dei loro liquidi interni. Importanza dei sacchi linfatici e della vescica urinaria. Nota riassuntiva preliminare. Atti della R. Accad. dei Fisiocrit. in Siena 1912 Nr. 1-2. 54 E. Louis Backman und Carl Gustaf Sundberg: Priorität seiner Untersuchungen hinsichtlich der unserigen. Die Ver- anlassung dazu hat ein Nachtrag zur Korrektur unserer deutschen Abhandlung!) gegeben. Darin steht nämlich: „Er (Brunacei) hat das Verhalten von Rana eseulenta in destilliertem Wasser und in Ringer’scher Lösung, in verschiedenen Graden verdünnt, unter- sucht und dabei Resultate bekommen, die seiner Meinung nach die Ergebnisse Overton’s und Backman’s und Sundberg’s be- stätiger.“ In seinen Bemerkungen?) verübelt uns nun Brunacei diese unsere Worte, denn aus denselben würde man, wie er ganz riehtig meint, folgern können, dass die von ihm 1912 veröffentlichten Mitteilungen wenigstens teilweise eine Bestätigung derjenigen Ergeb- nisse sind, die wir schon 1911 in Druck gegeben und veröffentlicht hatten. In seiner letzten Mitteilung sagt nun Brunacei: „In der Tat aber ist die Sachlage eine ganz verschiedene.“ Und er gibt an, dass die Hauptergebnisse seiner Untersuchungen zwei italie- nischen Versammlungen, in Turin am 6. Oktober 1911 und in Rom am 16. Oktober 1911, mitgeteilt worden sind, „während die erste diesbezügliche Mitteilung von Baeckman erst am 30. Oktober 1911 der Redaktion des Zentralblattes für Physiologie zuging“. Die Sachlage ist aber in der Tat eine ganz verschiedene. Denn schon am 27. August 1911°) überlieferten wir der Redaktion der Upsala Läkareförenings Förhandlingar das Manuskript zu unserer schwedischen Abhandlung über unsere sämtlichen Ergebnisse. Hieraus geht also hervor, dass sämtliche Ergebnisse unserer Untersuchungen niedergeschrieben und in Druck gegeben waren, schon Monate bevor die Hauptergebnisse der Untersuchungen Brunacci’s mündlich vorgetragen wurden und auch gedruckt wurden, noch längere Zeit bevor seine nur vorläufigen Mitteilungen in Druck vorlagen. So verhält es sich also mit der Prioritätsfrage. Aber es ist uns unverständlich, warum uns Brunacei den Ausdruck: „Er (Brunaecci) hat das Verhalten von Rana eseu- ienta = untersucht und dabei Resultate bekommen, die seiner l) E. Louis Backman und Car] Gustaf Sundberg, Das Verhalten der Amphibien etc. Pflüger’s Arch. Bd. 148 S. 440. 1912. 2) Br. Brunacci, Zur Frage des Verhaltens ete. Pflüger’s Arch. Bd. 150 8. 87. 1913. 9) E. Louis Backman und Carl Gustaf Sundberg, Om amfibiernas förhällande etc. Upsala Läkarf. Förh. t.17. 1912. \ f { h h: x h \ ‘ \ j I N f Li N ' ‚Zur Frage des Verhaltens der Amphibien in versch. konz. Lösungen. 55 Meinung nach die Ergebnisse Overton’s und Backman’s und Sundberg’s!) bestätigen“, übelnimmt. Es sind ja in der Tat seine eigenen Worte, mit vollständiger Genauigkeit aus einer seiner Publikationen angeführt. Er sagt nämlich selbst?): „Infolgedessen scheint mir angezeigt, auch hier meine diesbezüglichen Ergebnisse kurz zusammenzufassen, sowohl in jenem Teile, mit dem ich die Ergebnisse von Overton, Backman und Sundberg bestätigt habe, wie in jenem Teile, mit dem ich weiter gesehen zu haben glaube.“ Brunacei hat also diese vorläufige, zusammenfassende Mitteilung veröffentlicht, in erster Linie um die Richtigkeit unserer eigenen Resultate zu bestätigen, aber desgleichen auch, um einige weitere Beobachtungen mitzuteilen. Es scheint uns, als ob ein Verfasser sich befriedigt fühlen könnte, wenn er mit vollständiger Genauigkeit angeführt wird! Und das ist es eben, was wir getan haben. Übrigens möchten wir hervorheben, dass Brunacei’s Unter- suchungen nur einen Bruchteil von den unserigen be- rühren. Brunacei untersucht das Verhalten des Frosches in Ringer’scher Lösung in verschiedenen Verdünnungen und in destil- liertem Wasser betreffs des / für Blut, Lymphe und Harn und führt Analysen von Serum und Lymphe aus. Wir untersuchten dagegen das Verhalten der Frösche, Kröten und Wassereidechsen in verschieden konzentrierten NaCl- und Rohrzuckerlösungen, in destil- liertem Wasser sowie ferner das Verhalten der genannten, trocken aufbewahrten Tiere hinsichtlich des Gewichtes, Volumens, der Lymphenbildung, des / für Muskeln und Blut. Ausserdem ist — wie schon erwähnt — unsere Fragestellung eine ganz andere und vollständig originale. Endlich wünschen wir hervorzuheben, dass unsere diesbezüglichen Untersuchungen als die logische Fortsetzung einer langen Reihe von solchen anzusprechen sind, die von L. Backman und J. Runnström über das Verhalten des osmotischen Druckes bei dem Froschei vor und nach der Befruchtung und während der früheren Embryogenese®), von uns beiden über den osmotischen 1) E. Louis Backman und Carl Gustaf Sundbersg, 1. c. 1912 S. 440. 2) Br. Brunacci, Über die Anpassung ete. Zentralbl. f. Physiol. Bd. 25 S. 1168 7.22 von oben. 1912. 3) E. Louis Backman und J. Runnström, Physikalisch-chemische Faktoren bei der Embryonalentwicklung. Der osmotische Druck bei der 56 E. Louis Baekman und Carl Gustaf Sundberg: Zur Frage etc. Druck des Frosches während der späteren Embryogenese!) sowie von L. Backman über den osmotischen Druck bei Eiern und Embryonen von Kröten und Wassereidechsen?) und über den osmotischen Druck bei Wasserkäfern ®) und Libellen *) ausgeführt und publiziert worden sind. Wenn auch angenommen werden darf, dass wir gleichzeitig, in Siena resp. in Upsala, gearbeitet haben, kann kein Zweifel bestehen, dass unsere Er- gebnisse früher als diejenigen Brunacei’s bekannt gemacht worden sind. Entwicklung von Rana temporaria. Biochem. Zeitschr. Bd. 22 S. 290. 1909. Compt. rend. de la Soc. de Biol. t 67 p. 415. 1909. — E. Louis Backman und J. Runnström, Der osmotische Druck während der Embryonalentwicklung von Rana temporaria. Upsala Läkarf. Förh. t.16 p. 350. 1911. Pflüger’s Arch. f. Physiol Bd. 144 S. 287. 1912. 1) E. Louis Backman und Carl Gustaf Sundberg, Der osmotische Druck bei Rana temporaria während der Entwicklung nach dem Ausschlüpfen der Embryonen. Upsala Läkarf. Förh. t. 17 p. 101. 1911. Compt. rend. de la Soc. de Biol. t. 71 p.295. 1911. Pflüger’s Arch. f. Physiol. Bd. 146 S.212. 1912. 2) E. Louis Backman, Die Einwirkung der Befruchtung auf den osmo- tischen Druck der Eier von Bufo vulgaris und Triton cristatus. Upsala Läkarf. Förh. t.17 p.215. 1911. Pflüger’s Arch. f. Physiol. Bd. 148 S.141. 1912. — E. Louis Backman, Om osmotiska trycket hos ägg och unga embryoner. Populär Natur-vetenskaplig Revy t. 1 p. 165. 1911. 8) E. Louis Backman, Der osmotische Druck bei einigen Wasserkäfern. Zentralbl. f. Physiol. Bd.25 8.779. 1911. Pflüger’s Arch. f. Physiol. Bd. 149 _ S.93. 1912. 4) E.Louis Backman, Über den osmotischen Druck der Libellen während ihrer Larven- und Imagostadien. Zentralbl. f. Physiol. Bd. 25 S. 835. 1911. u Fe ie nn a7 € I Die Regenerationserscheinungen bei der Verheilung von motorischen und rezeptorischen Nervenfasern. Von Prof. Dr. IS. Boeke, Direktor des anat. Instituts der Universität Leiden (Holland). Ist es möglich, dass bei der Regeneration nach Nervendurch- schneidung motorische Fasern mit sensiblen zur Verwachsung kommen? In seiner „Notiz über die Unfähigkeit motorischer Fasern mit rezeptorischen Fasern zu verheilen* (Pflüger’s Archiv Bd. 116. 1907) fasst Bethe die Resultate seiner Experimente wie folgt zusammen: „Immerhin spricht der Versuch dafür, dass auch unter den für die Vereinigung günstigeren Bedingungen eine funktionelle oder auch nur trophische Verwachsung zwischen rezeptorischen und motorischen Fasern nicht eintritt“ (l. ec. S. 481). Damit ist auch so ungefähr das Resultat aller Untersucher, welche sich seit den ersten Versuchen Schwann’s und Schiff’s aus den vierziger Jahren mit dieser an und für sich so wichtigen Frage beschäftigten, gegeben. Denn obwohl Philipeaux und Vulpian (1863, 1873) nach der Vereinigung des zentralen Lingualis- stumpfes mit dem peripheren Hypoglossusende eine feste Ver- wachsung beider Nervenstücke und ein Wiedermarkhaltigwerden des peripheren Nervenabschnittes feststellen konnten und Bethe selber bei dem umgekehrten Versuch dasselbe konstatierte, wurde von den älteren Untersuchern doch schliesslich aus der physiologischen Erfolelosigkeit der Vereinigung auf eine gänzliche Unfähigkeit zur Verheilung geschlossen, während Bethe unter dem Bann der auto- genen Regeneration von einer Regeneration der Lingualisfasern „unter dem Einfluss derer des Hypoglossus“ sprach und das Einwachsen von Fasern aus dem Hypoglossusstumpfe in die Lingualis verneinte (Bethe, Allgem. Anat. u. Phys. des Nervensystems S. 228), obwohl er eine trophische Zusammenheilung nicht für unmöglich erklärt. Und doch muss die Frage in positivem Sinne beantwortet werden. Man muss rur die Frage von der anatomischen und nicht von der 58 J. Boeke: physiologischen Seite her zu nähern versuchen und, wie es auch von Langley und Anderson (1904), welche ebenso nur die physio- logische Unfähigkeit beweisen, betont wurde, die anatomischen Regenerationserscheinungen, besonders das Verhalten der Nerven- endorgane, untersuchen. | Zu diesem Zwecke wurden bei einer Anzahl erwachsener Igel !) rechts der Hypoglossus und der Lingualis durchschnitten und der zentrale Hypoglossus mit dem peripheren Ende des Lingualis ver- einigt, nachdem vom Hypoglossus das periphere, vom Lingualis das zentrale Ende, soweit erreichbar, exstirpiert war, dieselbe Versuchs- anordnung also wie bei dem Versuch Bethe’s (1905). Im ganzen wurden 20 Tiere operiert. Die Wunden heilten alle per primam. Um ulzerativen Prozessen an der gelähmten und gefühllos gemachten Zungenhälfte vorzubeugen, wurden vorher von sämtlichen Zähnen der rechten Seite die Kronen mittels einer Knochenzange fort- genommen und die Bruchstellen geglättet. Von den Tieren wurde das ganz gut ertragen, und ulzerative Prozesse an der Zunge kamen nicht vor. Nach einigen Wochen bis Monaten wurden die Tiere ge- tötet, nach Ausspülung des Blutgefässsystems mittels Ringer- Locke’scher Lösung, durch Injektion neutraler Formollösung in die Brustaorta die Zunge und Zungenbasis fixiert und nachher die Nerven mittels der Neurofibrillen-Färbungsmethode Bielschowsky’s, welche die Neurofibrillen der Nervenfasern und der Nervenendigungen bis in die feinsten Endverzweigungen vorzüglich färbt?), der histo- logischen Untersuchung zugänglich gemacht. Zuerst wurde bei einer anderen Gruppe von Igeln (im ganzen 14 Tieren) nur der eine Hypoglossus durchschnitten und die Enden wieder vereinigt, um die De- und Regenerationsprozesse, welche sich hierbei in der Zunge abspielen, kennen zu lernen. Weil die Lingualisfasern hier natürlich völlig intakt waren, waren die Prä- parate, welche von den Zungen der Tiere dieser Gruppe angefertigt 1) Es wurden zu allen diesen Versuchen die scheinbar für Operationszwecke so ungünstigen Igel gewählt, weil sie sich ganz vorzüglich mittels Äther- Chloroform narkotisieren lassen, eine grosse Heilkraft der Gewebe und vor allem eine ungemein grosse Regenerationskraft der peripheren Nerven aufweisen, grosse und deutliche histologische Elemente besitzen, kurz, sich für Regenerations- versuche ganz besonders eignen, 2) Näheres hierüber findet man in einer Arbeit über die motorischen Nervenendigungen in der Internat. Monatsschr. f. Anat. u. Physiol. Bd. 28 S. 377. 1911. Die Regenerationserscheinungen bei der Verheilung von Nervenfasern. 59 wurden, ganz vorzüglich dazu geeignet, die gegenseitige Lagerung und die sonstigen Verhältnisse der Lingualis- und Hypoglossusäste innerhalb der Zunge zu studieren, was für die Beurteilung der Resultate der Verheilung von Hypoglossus mit Lingualis von grosser Wichtigkeit war. Erst hierdurch wurde für die Beurteilung der letzt- genannten Experimente die sichere Basis geschaffen. Es ist hier nicht die geeignete Stelle, die anatomischen Er- gebnisse der Untersuchung des Verwachsungsprozesses der beiden Zungennerven ausführlich mitzuteilen. Das ist ohne eine grosse An- zahl von Tafel- und Textfiguren unmöglich. Wer sich dafür inter- essiert, sei auf die anatomischen Zeitschriften, besonders auf die oben erwähnte Internationale Monatschrift, verwiesen. Hier werde ich nur kurz: die für die Physiologie wichtigen Resultate meiner Experimente mitteilen. An erster Stelle sei hervorgehoben, dass die Verwachsung des zentralen Hypoglossusstumpfes mit dem peripheren Lingualisende ganz vorzüglich gelingt. Von den zwanzig operierten Tieren war bei elf Tieren eine feste Verwachsung zustande gekommen. Falls nur genügend lange nach der Operation gewartet worden war (2—3 Monate), war auch der periphere Abschnitt der zusammengeheilten Nerven wieder schön weiss, markhaltig und schliesslich auch die Narben- stelle selber. Die mikroskopische Untersuchung der in lückenlosen Sehnitt- serien zerlegten Narbenstellen ergab dabei als Hauptresultat, dass tatsächlich ein Auswachsen der Hypoglossusfasern in die periphere Lingualisbahn hinein stattgefunden hat. Die Fasern des Hypoglossus- endes liessen sich ununterbrochen in diejenige des peripheren Lingualis verfolgen. Die Narbenstelle zeigte genau dasselbe Bild, das für die Verheilung homogener Nervenabschnitte so ausführlich von Perroncito und Cajal beschrieben wurde. Man findet genau dasselbe Auswachsen der Fasern beim Anfang des Regenerations- prozesses, die Durcheinanderflechtung in der Narbe, das allmähliche Weitervordringen und schliesslich das Einschiessen in die periphere Bahn (in casu der Lingualis), während einige Fasern, welche keinen Anschluss gefunden haben, neben der peripheren Lingualisbahn im perineuralen Bindegewebe weiter auswachsen. Von autogener Regeneration fand sich keine Spur!). Alle im 1) Es wurde allerdings nur mit erwachsenen Tieren experimentiert. 50 J. Boeke: peripheren Abschnitt vorhandene Fasern sind aus dem zentralen Stumpfe ausgewachsen. Als einzigen Unterschied gegenüber den Regenerationsprozessen bei der Verwachsung homogener Faserenden möchte ich noch hervorheben, dass man den Eindruck bekommt, dass die Verwachsung hier etwas schwieriger zustande kommt. Ich fand in meinen Präparaten ein dichteres Gewirr von Fasern an der Narbenstelle, die Fasern scheinen etwas langsamer vorwärts zu dringen, und es werden in grösserer Zahl die sogenannten Spirale von Perroneito gebildet. Das Endresultat ist aber, dass so zahl- reiche Fasern in die periphere Lingualisbahn eindringen, dass diese ganz gefüllt erscheint von auswachsenden regenerierenden Nervenfasern. Untersucht man jetzt Quersehnitte durch die Zunge, dann findet man ein Bild mit diesen Ergebnissen durchaus im Einklang: Die Lingualisäste sind ganz gefüllt von feinen regenerierenden Nerven- fasern, die Hypoglossusäste sind vollkommen leer und zeigen nur die aus den alten degenerierten Fasern entstandenen Bandfasern. Man konnte sich nun fragen, ob die in den Lingualisästen vor- handenen Fasern nun alle wohl wirklich Hypoglossusfasern seien, ob nicht vielleicht aus dem zentralen Lingualisstumpfe regenerierende Nervenfasern ausgewachsen seien, welche durch das sie trennende Bindegewebe hindurch das periphere Lingualisende erreicht haben, darin hineingewachsen sind und die Hypoglossusfasern verdrängt haben. Nach dem, was in den letzten Jahren über die Regeneration bekannt geworden ist, wäre das nicht nur denkbar, sondern sogar wahr- scheinlich. Um diese die Klarheit des Versuches störende Möglich- keit auszuschalten, wurde bei mehreren Tieren, welche vor einigen Monaten in der oben beschriebenen Weise operiert worden waren, die Narbe wieder geöffnet und, nachdem festgestellt worden war, dass Hypoglossus und Lingualis fest miteinander verwachsen waren, der zentrale Lingualisstumpf aufgesucht und mit dem ihn um- gebenden Bindegewebe breit und ausgiebig exstirpiert. Nach 10 Tagen, nachdem man also mit Sicherheit erwarten konnte, dass die eventuell aus dem zentralen Lingualisstumpfe ausgewachsenen Fasern wiederum degeneriert waren, wurde dann schliesslich das Tier getötet und in der oben beschriebenen Weise untersucht. Besonders eines dieser Experimente war ganz vorzüglich gelungen. Das Resultat war dem oben beschriebenen vollkommen analog. Die Untersuchung der in einer Schnittserie zerlegten Narbenstelle lehrte, dass wirklich keine einzige Lingualisfaser in die periphere Lingualisbahn überging. Die Regenerätionserscheinungen bei der Verheilung von Nervenfasern. 6] Lingualis und Hypoglossus waren dagegen fest verwachsen, die Hypo- glossusfasern drangen in dichten Bündeln in die periphere Lingualis- bahn ein. Die Untersuchung der (uerschnitte und Längsschnitte durch die Zunge zeigte die Lingualisäste dieht gefüllt mit regene- rierenden Fasern, welche nichts anderes sein konnten als aus- gewachsene Hypoglossusfasern. Die Hypoglossusäste dagegen waren fast vollkommen leer. Die Zungenschnitte (Quer- und Längsschnitte) lehrten weiter, dass nicht nur die grösseren Lingualisäste, sondern alle Lingualis- äste, auch die feinsten, auch der Nervenplexus im submukösen und mukösen Bindegewebe, dicht mit regenerierenden Nervenfasern ge- füllt waren. Alle Hypoglossusäste dagegen waren leer, und es zeigte sich keine einzige regenerierte motorische Endplatte auf den Muskel- fasern der rechten Zungenhälfte, in schroffem Gegensatz zu dem Be- fund nach einfacher Durchschneidung des Hypoglossus und Verheilung der beiden Enden,wobei man nach ziemlich kurzer Zeit (11/.—2 Monaten) überall die regenerierenden Endplatten auf den Muskelfasern auffindet. Durchaus dasselbe Resultat zeigten auch die anderen gut ge- lungenen Experimente: Die Nervenäste des Hypoglossus waren alle leer oder fast ganz leer!), die Lingualisäste dagegen bis in die feinsten Verzweigungen innerhalb der Mucosa dicht gefüllt mit regene- rierenden Nervenfasern ?), keine einzige regenerierte motorische End- platte auf den Muskelfasern. In diesem Ergebnis liegt nun der Schlüssel zum Verständnis des ganzen Prozesses der Verwachsung heterogener Nervenenden und der physiologischen Erfolglosigkeit der Verheilung motorischer und sensibler Fasern. Wenn regenerierende Nervenfasern einmal in eine bestimmte periphere Nervenbahn eingedrungen sind, ist es ihnen unmöglich, diese Bahn zu verlassen; sie sind gezwungen, in ihr weiter zu wachsen bis ans Ende, sie können nicht hinaus. Diese Regel, weiche sich schon aus den Erscheinungen der homogenen Regeneration (Cajal, Tello) formulieren lässt, wird nirgends so klar bewiesen als hier 1) Bisweilen enthielten sie vereinzelte regenerierte Nervenfasern, welche von im perineuralen Bindegewebe ausgewachsenen Hypoglossusfasern herstammten. Vgi. weiter unten. 2) Oft sind sie noch in der Regeneration begriffen, und findet man die an- geschwollenen Endknospen am Ende noch auswachsender Fasern hier und da in den feineren Nervenästen. 62 J. Boeke: bei der Verwachsung heterogener Nervenenden. Wie es in den Sehnittserien durch die Zunge nach einfacher Degeneration des Hypoglossus, wobei also nur der Lingualis!) übriggeblieben ist, klar zutage tritt, schlängeln die Lingualisäste sich oft in vielen Windungen zwischen die Muskelfaserbündel hindurch, legen dabei einen oft langen Weg zurück, bevor sie die Mucosa erreichen, und ziehen dabei ganz dicht an den Muskelfasern und Muskelfaserbündeln vorüber. Und doch verlässt keine einzige Nervenfaser die Lingualisbahn, sprosst kein einziger Seitenzweig aus den regenerierenden Nerven- fasern hervor, um auf einer Muskelfaser eine motorische Endplatte zu bilden. — Es zuckt, obwohl die Hypoglossusfasern bis in die Zungenspitze hinein regeneriert sind, bei Reizung des zentralen Ab- schnittes des Hypoglossus keine einzige Muskelfaser ?). Am Ende der Lingualisbahn angelangt, bilden die regenerieren- den Hypoglossusfasern sogar Endorgane, nicht nur im Bindegewebe der Mucosa, sondern sogar im Epithel. Man sieht, wie die Fasern sich im Bindegewebe ausbreiten, netzförmige Verbreiterungen des Neurofibrillengerüstes, Verästelungen aufweisen, Endnetzchen bilden und öfters mehr oder weniger weit ins Epithel hineindringen?®). Auf die spezielle Form dieser Endigungen werde ich hier nicht näher eingehen; nur möchte ich zwei Punkte hervorheben, welche für das Verständnis des Regenerationsprozesses von Bedeutung sind. Erstens dringen wohl die regenerierenden Hypoglossusfasern ins Epithel hinein, wie es bei der homogenen Regeneration die Lingualis- fasern tun, aber es scheint doch das Epithelgewebe einen gewissen - Widerstand dem Eindringen der Nervenfaserchen entgegenzusetzen. Man sieht auffallend oft, wie die andringenden auswachsenden Hypoglossusfasern, an der Unterseite des Epithels angelangt, nicht hineindringen, sondern eine Strecke weit an der Unterfläche entlang laufen, um dann schliesslich wieder umzubiegen, wieder in das Bindegewebe hineinzuwachsen, ° woselbst sie dann mittels eines Endknöpfehens oder eines Endnetzchens des Neurofibrillengerüstes ihr Ende finden. 1) In der vorderen Zungenhälfte findet man nur Hypoglossus- und Lingualis- fasern. Nach Durchschneidung dieser beiden Nerven findet man in diesem Be- zirk absolut keine unversehrte Nervenfaser mehr, ausgenommen die perivasalen sympathischen Plexusbildungen. 2) Man vergleiche jedoch das weiter unten Gesagte. 3) Sie drangen sogar in einen sich an der Zungenspitze befindlichen Ge- schmacksbecher ein. Die Regenerationserscheinungen bei der Verheilung von Nervenfasern. 63 Zweitens scheint es mir von Wichtigkeit zu sein für das Ver- ständnis des Regenerationsprozesses, dass die Endverzweigungen, die Endorgane, welche von den Hypoglossusfasern am Ende der Lingualis- bahn gebildet werden, obwohl sie in einem für den Nerven so atypisch erscheinenden Gewebe sich bilden müssen, manchmal eine auffallende Ähnlichkeit aufweisen mit den bei der homogenen Regeneration auf der Oberfläche der Muskelfasern neugebildeten motorischen Endplatten. Manchmal ist der Verzweigungsmodus so indifferent, so unregelmässig, dass man, besonders bei der überaus grossen Verschiedenheit der Form der normalen Endorgane der Lingualis im Bindegewebe der Mucosa der Zunge, die grösste Reserve in acht nehmen muss, wenn man feststellen will, ob eine bestimmte Verästelunes- und Ausbreitungsweise der Endzweige des N. hypo- glossus atypisch ist, d. h. nicht auftreten würde, wenn anstatt Hypoglossusfasern Lingualisfasern in die periphere Lingualisbahn eingewachsen wären und im Bindegewebe der Mucosa ihre End- organe regenerierten. Aber immerhin findet man oft so eigentüm- liche plattenförmige Endausbreitungen an der Unterfläche des Fpithels, dass man die Übereinstimmung mit den sich auf der Ober- fläche der Muskelfasern neubildenden motorischen Endplatten nicht ausser acht lassen kann. So muss man also die alte Behauptung von der Unfähigkeit motorischer Fasern mit rezeptorischen Fasern zu verheilen, fallen lassen. Die motorischen Fasern wachsen ganz vorzüglich in die periphere sensible Bahn hinein. Sie können dann aber ihr spezifisches Endgebiet, die Muskelfasern, nieht erreichen, weil es ihnen unmög- lich ist, die Bahn, in welche sie hineingewachsen sind, zu verlassen. So wachsen sie an die Muskelfaserbündel vorüber, ohne mit ihnen in Kontakt zu kommen, und bilden erst am Ende der Lingualisbahn, im Bindegewebe der Mucosa, im Epithel, ihre Endverzweigungen aus. Daher die physiologische Erfolglosigkeit der Reizung von in die periphere Lingualisbahn eingewachsenen Hypoglossusfasern. Im Anschluss hieran würde es von vornherein durchaus nicht unmöglich sein, dass Lingualisfasern, in die periphere Hypoglossus- bahn eingedrungen, wohl mit den Muskelfasern in Kontakt kommen konnten, und sogar die Reizübertragung ermitteln könnten bei Reizung des zentralen Lingualis nach vollendeter Regeneration, ohne dass man, wie Vulpian es tut, die Chorda tympani dafür verant- 64 J. Boeke: Die Regenerationserscheinungen bei der Verheilung etc. wortlich stellt. Hier liegt noch ein weites Feld für physiologische Experimente, kombiniert mit exakter histologischer Untersuchung der anatomischen Verhältnisse, offen. Ist nun aber bei der Verheilung des zentralen Hypoglossusendes mit dem peripheren Lingualis eine funktionelle Heilung durch- aus ausgeschlossen? Oder ist schliesslich doch noch eine Wieder- herstellung der motorischen Funktion des Hypoglossus denkbar? Das letztere scheint mir nach zwei Richtungen hin das Zutreffende zu sein. Erstens wächst immer eine Anzahl (mehr oder weniger) von Fasern aus dem zentralen Ende des Hypoglossus, welche nicht in die Lingualisbahn eingedrungen sind, im perineuralen Bindegewebe weiter. Diese Fasern erreichen nun, wenn auch erst viel später als diejenigen, welche in der Lingualisbahn weiter wachsen können, eben- falls die Zunge!) und sind dann in den Querschnitten dürch die Zunge als äusserst feine Fädcehen in der Umgebung der grossen Lingualisäste sichtbar. Diese feinen Fädehen, welche nicht in der Lingualisbahn eingeschlossen sind, bilden nun sofort kleine End- plättehen auf den Muskelfasern in der Umgebung der grossen Nervenstämme, und es wäre denkbar, dass, wenn diese Fädchen in genügender Anzahl ausgewachsen sind, bei Reizung des zentralen Hypoglossus schliesslich ein sichtbarer Erfolg durch sie ausgelöst werden kann. Zweitens sah ich bisweilen, dass eine Hypoglossusfaser, am Ende der Lingualisbahn angelangt und sich im Bindegewebe der Mucosa . verästelnd, Anschluss an eine Muskelfaser fand, welche im Binde- gewebe ausstrahlte, eine Strecke weit an der Muskelfaser entlang lief, dem Inneren der Zunge zugewendet, um dann schliesslich eine kleine Endplatte auf der Oberfläche der Muskelfaser zu bilden. Es wäre möglich, dass auf diese Weise ebenfalls, sei es dann auch in recht beschränktem Maasse, sich wieder ein funktioneller Zusammen- hang zwischen Muskelfasern der Zunge und Hypoglossusfasern bilden könne, welcher der Reizung des zentralen Hyposlossusendes einen sichtbaren Erfolg verspräche. l) Gegenüber Bethe (Allgem. Anatomie des Nervensystems $. 228) muss ich betonen, dass, wenigstens beim Igel, solche frei im perineuralen Binde- gewebe auswachsenden Fasern grosse Strecken zurücklegen können und ein mehrere Zentimeter von der Narbenstelle entfernt liegendes Endgebiet er- reichen können, 65 (Aus der chirurgischen Universitätsklinik zu Basel.) Über die Wirkung von Morphium, Opium und Pantopon auf die Bewegungen des Magen- Darm-Tractus des Menschen und des Tieres. Von Nicolai Schapiro. (Mit 21 Textfiguren.) Einleitung. Das Morphium und die ihm verwandten Präparate sind klinisch so wertvolle Mittel, ihre stopfende Wirkung auf den Darm scheint klinisch so festzustehen, dass man glauben könnte, die Experimente auf diesem Gebiete müssten nur zur Bestätigung dieser klinischen Tatsache vorgenommen werden. Dem ist aber nicht so. Obgleich die Forsehungsresultate der zwei letzten Dezennien sich vielfach widersprechen, so scheint doch das eine daraus hervorzugehen, dass der Hauptangriffspunkt dieser Alkaloide der Magen ist und nur ein relativ kleiner Teil dem Darm zukommt. Es sind bisher als Versuchsobjekte fast nur Tiere angewendet worden. .Van den Velden!), Arnsperger?), Stierlin®), Boehm‘), Massini?°), 1) R. van den Velden, Zur Pharmakologie der Magenmotilität. Münchn. med. Wochenschr. 1909 S. 1667. — R. van den Velden, Zur Pharmakologie der Magenmbotilität. Verhandl. d. deutschen Kongr. f. innere Med. Bd. 27. 1910. 2) H. Arnsperger, Die Wirkung des Morphiums auf die motorische Funktion des Magen-Darm-Kanals des Menschen. Verhandl. d. deutschen Kongr. f. innere Med. 1910. 3) Ea. Stierlin, Die Einwirkung des Sennainfuses auf die Verdauungs- bewegung beim Menschen. Münchn. med. Wochenschr. 1910 Nr. 27. — Ed. Stierlin, Über die Obstipation vom Ascendens-Typus. Münchn. med. Wochenschr. 1911 Nr. 36. Sn 4) G. Boehm, Die habituelie Obstipation und ihre Beziehungen zur Anti- peristaltik. Deutsches Arch. f..klin. Med. 1911 S. 102. 5) R. Massini, Wirkungen von Atropin und Pilokarpin bei Erkrankungen des menschlichen Verdauungstractus. Verhandl. d. ‚deutschen Kongr. f. innere Med. 1912. Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bi. 151. b) 66 Nicolai Schapiro: Bloch!) experimentierten allerdings auf dem pharmakologischen Gebiete des Verdauungstractus mit Menschen; aber nur die ersten beiden der genannten Forscher arbeiteten mit Morphium und ähn- lichen Präparaten. Meine eigenen, gemeinsam mit Dr. Stierlin ausgeführten Versuche, welche sich auf 18 Personen (worunter fünf mit Darm- fistel) und einen Fistelhund erstrecken, basieren auf 61 Röntgen- serien mit 277 Plattenaufnahmen ?). Wir kamen dabei zu Resultaten, welche die bisherigen, namentlich bezüglich der Darmwirkung der Opiumderivate, in manchen Punkten modifizieren und ergänzen. Ich möchte bei dieser Gelegenheit die angenehme Pflicht zu erfüllen nicht versäumen, meinen besten Dank Herrn Dr. Stierlin für Rat und Unterstützung auszusprechen. Bisherige Untersuchungen. a) Ohne Röntgenverfahren. Bevor wir aber auf unsere Methoden und Resultate eingehen, möchten wir diejenige der bisherigen wesentlichen experimentellen Forschungen besprechen, wobei es sich, wie schon bemerkt, fast. ausschliesslich um Versuche an Tieren handelt. Nothnagel?) untersuchte die Dünndarmbewegungen bei Kaninchen im Kochsalzbade und fand, dass die NaCl-Kontraktionen bei kleinen Gaben Morphium mur. sich verminderten, bei grossen dagegen und nach Durchschneidung des Mesenteriums sich vermehrten. Aus ersterem zog Nothnagel den Schluss, dass es sich um eine Erregung des Splanchnieus handle, aus letzterem um eine Lähmung desselben. Nun aber bemerkt Nothnagel hierzu, dass die ge- nannten Resultate grosse individuelle Schwankungen zeigen, ja sogar an einem und demselben Tiere nieht immer übereinstimmen. 1) Willy Bloch, Über die Fortbewegung des Darminhaltes im Diekdarme beim Menschen. Fortschr. a. d. Gebiete d. Röntgenstrahlen Bd. 17. 1911. 2) Ed. Stierlin und N. Schapiro, Die Wirkung von Morphium, Opium und Pantopon auf die Bewegungen des Verdauungstractus beim Menschen und beim Tier. Münchn. med. Wochenschr. 1912 Nr. 50. 3) H. Nothnagel, Über die Einwirkung des Morphiums auf den Darm. Beitr. z. Physiol. u. Pathol. d. Darmes. Berlin 1884. Über die Wirkung von Morphium, Opium und Pantopon etc. 67 Pal und Bergrün!) schlossen sich im grossen und ganzen den Befunden Nothnagel’s an. Spitzer?) führte seine Untersuchungen im Kochsalzbade an abgebundenen Darmschlingen des oberen Dünndarmes bei Kaltblütern und Kaninchen aus, machte auch klinische Beobachtungen am Mensehen — und konstatierte eine Verzögerung der Darmentleerung. Diese Stopfwirkung des Morphins schrieb Spitzer zum grösseren Teil der Erregung zentraler Hemmung (also wie Nothnagel) zu und nur zum kleineren Teil der Herabsetzung der Empfindlichkeit des Darmes selbst und der lokalen Wirkung auf die Peristaltik. Spitzer fand ausserdem, dass bei Kaninchen das Mittel per os besser wirkt als subkutan und beim Menschen Opium intensiver als Morphium. Zugleich beobachtete Spitzer, dass unmittelbar nach der Nahrungsaufnahme starke Darmbewegungen zustande kommen. Jacobj°) hielt sich in seinen Experimenten an Nothnagel’s Methode, kam aber (bei Anwendung von grossen Dosen) zu diametral entgegengesetzten Schlüssen. Jacobj stellte den Satz auf, dass Morphium nur eine lokale Wirkung der Darmwand zustande bringe; also eigentlich das, was schon Spitzer (s. o.), aber nur als teil- weise Wirkung, beschrieben hatte. Pohl“) nahm lokale Morphinpinselungen (kleine Dosen) auf den Darm von Kaninchen und Hunden vor und stellte eine Kontraktion des Dünndarmes im ganzen ohne peristaltische Bewegungen und ausserdem peristaltische und antiperistaltische Bewegungen des Magens fest, wobei bei Hunden beim Applizieren des Mittels zuerst Er- brechen und Defäkation eintrat. Pal’) stellte seine Versuche mit Ballonregistrierung, nach Legros und Onymus, bei 70 Tieren an und sah beim gereizten 1) Pal und Bergrün, Über die Wirkung des Opiums auf den Dünndarm. Strickte’s Arbeiten 1890 8. 38. 2) W. Spitzer, Experimentelle Untersuchungen über die Darmwirkung des Opiums und Morphiums. Dissert. Breslau 1891. 3) Jakobj, Beiträge zur physiologischen und pharmakologischen Kenntnis der Darmbewegung usw. Schmiedeberg’s Arch. Bd. 29. 1891. 4) Pohl, Über Darmbewegungen und ihre Beeinflussung durch Gifte. Experim. Pathol. u. Pharmak. Bd. 34. 1894. 5) Pal, Wirksamkeit des Opiums und des Morphiums auf den Darm. Wiener med. Presse 1900 Nr. 45. 5 * 68 Nicolai Schapiro: Dünndarm Verzögerung der Motilität, Verstärkung der Pendel- bewegung und Nachlassen des Tonus des Sphinkter Ani durch Morphium, sowohl subkutan wie per os. Ferner beobachtete Pal eine Mittelstellung der Ring- und Längsmuskeln des Kolons. Hirsch!) war der erste, der eine Verzögerung der Magen- entleerung beim Hunde mit Darmfistel durch Morphium konstatierte. Was die Art der Anwendung des Mittels anbelangt, so fand Hirsch, dass es subkutan besser wirkt als per os. Rodari?) erhielt bei Hunden mit Duodenalfisteln und laparato- mierten Hunden und Kaninchen bei Pantoponeinwirkungen herab- gesetzte Dünn- und Diekdarmperistaltik. Es stellte sich ein Zustand von Mittelstellung mit guterhaltenem Tonus ein, zugleich auch Mittelstellung der Magenmuskulatur und Pylorospasmus. Cohnheim und Modrakowski?) fanden bei Hunden mit seitenständigen Duodenalfisteln, dass Morphium und Opium in Dosen von 0,01 bei einem grossen Hund keine Verlangsamung der Magen- entleerung hervorrufe. Cohnheim und Modrakowski konnten auch keine Beeinflussung des Transportes von festen und flüssigen Speisen durch den Dünndarm feststellen. Die stopfende Wirkung des Morphiums beziehen Cohnheim und Modrakowski daher auf die Veränderung der Flüssigkeitsmenge im Dünndarm. Popper*) studierte die Wirkungsdifferenz des Morphiums, Opiums und Pantopons am ausgeschnittenen überlebenden Darm von Kaninchen, Katze und Hund und kam zur Schlussfolgerung, dass Morphium die Ring- und Längsmuskelschicht des Dünn- und Dick- darmes in gleicher Weise erregt, Opium und insbesondere Pantopon auf die Ringmuskeln allerdings ebenso wie Morphium auf die Längs- muskelschicht dagegen tonusherabsetzend wirkt, ohne die Pendel- bewegung aufzuheben. l) Alfred Hirsch, Zur Kenntnis der Wirkung des Morphiums auf den Magen. . Zentralbl. f. innere Med. 1900, 22. Jan. 2) B. Rodari, Experimentell-biologische Untersuchung über Pantopon. Therap. Monatshefte Bd. 23. 1909. 3) ©. Cohnheim und Gg. Modrakowski, Zur Wirkung von Morphium und Opiumpräparaten (Pantopon) auf den Verdauungskanal. Zeitschr. f. physiol. Chemie Bd. 41. 1911. 4) Erwin Popper, Über einen Unterschied in der Wirkung des Morphiums und Opiums auf den Darm. Deutsche med. Wochenschr. 1912 Nr. 7. { { f | j x N N | . } { i | | f f Über die Wirkung von Morphium, Opium und Pantopon etc. 69 b) Mit Röntgenverfahren. Abgesehen davon, dass bei soleh widersprechenden Befunden und Deutungen wohl kaum die Akten über die Wirkung der Opiate auf den Magen-Darm-Traetus der Tiere als geschlossen anzusehen sind, ist es ja auch nicht ohne weiteres gestattet, von Befunden bei Tieren auf Menschen zu schliessen. So zeigen sich speziell für diese Untersuchungen (s. u.) eine verhältnismässige Konstanz der Befunde beim Tier und eine ausgesprochene Inkonstanz der Ergebnisse beim Menschen. Nun war man aber in der vorröntgenologischen Zeit in Experimenten wohl ausschliesslich auf Tiere angewiesen, und konnten selbst die Tierversuche nur als relativ verwertet werden, denn die bedeutenden Eingriffe werden wohl kaum ohne Einfluss auf den Verdauungskanal der Tiere geblieben sein. Die Röntgentechnik brachte insofern Licht in diese Frage hinein, dass man erstens Tierversuche ohne jegliche Eingriffe vornehmen kann und zweitens, dass sie, was noch wertvoller ist, den Menschen als Versuchsperson zu benutzen gestattet. Somit beginnt in der Geschichte der Erforschung der Opiatwirkung auf den Magen-Darm- Traetus eine neue Ära. Die von Cannon hauptsächlich eingeführte Methode, durch Wismutpräparate die Ingesta am Durchleuchtungs- schirm sichtbar zu machen, wurde von Magnus!) u. a. zu Unter- suchungen über die Wirkung der Stopf- und Abfuhrmittel auf den Verdauungskanal angewendet. Als Versuchsobjekte benutzte Magnus Katzen, teilweise auch Hunde und Kaninchen. Zuerst wiederholte Magnus Nothnagel’s Versuche und fand, dass an der stopfenden Wirkung des Morphiums der Splanchnieus nicht mitbeteiligt ist; der peristaltische Kochsalz- reflex am Dünndarm wird durch kleine Dosen Morphium nicht auf- gehoben. Hierauf brinet Magnus in einer zweiten Mitteilung seine röntgenologischen Untersuchungen, wobei bei Katzen (Inj. 0,02—0,04 Morph.; Bi-Kartoffelbrei 5,0 :25,0) und Hunden dieselben Resultate gefunden wurden. Aus den Experimenten ergibt sich im wesent- lichen folgendes: 1) R. Magnus, Die stopfende Wirkung des Morphiums. ]. Mitt. Pflüger’s Arch. Bd. 115. 1906. — R. Magnus, Die stopfende Wirkung des Morphiums. Pflüger’s Arch. Bd. 122. 1908. — R. Magnus, Der Einfluss des Sennainfuses auf die Verdauungsbewegung. Pflüger’s Arch. Bd. 122. 1908. — R..Magnus, Der Einfluss des Rizinusöls. auf die Verdauungsbewegung. Pflüger’s Arch. Bd. 122. 1908. 70 Nicolai Schapiro: In Übereinstimmung mit Hirsch (8. 0.) wurde eine Verzögerung der Magenentleerung mit Kontraktionen des Sphinkter Antri Pylori und des Pylorus konstatiert. Am Dünndarm fand Magnus keine sichere Einwirkung, weder in bezug auf die Schnelligkeit der Fort- bewegung noch der rhythmischen Segmentierung. Wurde Morphium injiziert, nachdem der grösste Teil des Wismutbreies in den Dünn- darm eingetreten war, so ergab sich in einzelnen Fällen eine vorüber- gehende Hemmung in der Fortbewegung des Dünndarmes.. Am isolierten Dünn- und Diekdarm sind durch entsprechende Morphin- dosen nur Erregungserscheinungen hervorzurufen. Eine Ruhigstellung der Bewegung ist weder am Magen noch am Dünn- und Diekdarm zu beobachten. Magnus fand also, dass Morphium und Opium die Bewegungen des Magens verändern, dagegen kaum die des Dünn- darmes und fast gar nicht die des Dickdarmes. Selbst die einigemal beobachtete Verzögerung des Dünndarmes setzt Magnus meistens auf Rechnung des Magens. Bei Sennainfus!) und Rizinusöl?) sah Magnus nur dann eine stopfende Wirkung von Morphium, wenn bei Darreichung des Alkaloids die Abführmittel sich noch im Magen befanden. Dasselbe beobachtete Padtberg?°) 'bei Bittersalz,; bei Kolo- quintendurchfällen *) dagegen ergab sich eine Stillstellung der er- regten Dünn- und Diekdarmbewegungen durch Morphium und Opium. Schwenter°) führte seine Untersuchungen mit dem Dessauer- schen Blitzapparat durch, welcher eine Expositionszeit von !/ıoo Se- kunde und noch weniger gestattet. Wohl ist solch ein Apparat für Untersuchungen am Menschen nieht unbedingt notwendig, da es vollständig genügt, wenn der Mensch ruhig liegt und seinen Atem anhält, um scharfe Bilder zu bekommen. Bei Tieren ist es aber ein sehr wertvoller technischer Fortschritt, da die Bilder der sich I) R. Magnus, Der Finfluss des Sennainfuses auf die Verdauungs- bewegung. Pflüger’s Arch. Bd. 122. 1908. 2) R. Magnus, Der Einfluss des Rizinusöls auf die Verdauungsbewegung. Pflüger's Arch. Bd. 122. 1908. 3) J. H. Padtberg, Der Einfluss des Magnesiumsulfates auf die Ver- dauungsbewegung. Pflüger’s Arch. Bd. 129. 1909. 4) J. H. Padtberg, Über die Stopfwirkung des Morphiums und Opiums bei Koloquinten-Durchfällen. Arch. f. d. ges. Physiol. Bd.139. 1911. 5) J. Schwenter, Über Verdauungsversuche mit Opium, Morphium, Pantopon und morphinfreiem Pantopon. Fortschr. a. d. Gebiete d. Röntgen- strahlen Bd. 19. 1912. | ' | | 2 ! Über die Wirkung von Morphium, Opium und Pantopon etc. öl bewegenden Katzen und Hunde ebenso scharf ausfallen, als ob sie ruhig liegen würden. Schwenter fütterte Katzen mit Bismut- Griesbrei (4:20) und applizierte Morphium, Opium, Pantopon und morphinfreies Pantopon, konnte aber keinen prinzipiellen Unterschied in der Wirkung der Mittel konstatieren; nur soll morphinfreies Pantopon am schwächsten und Pantopon weniger stark als Morphium wirken. Eine Differenz zwischen Subkutaninjektion und Einverleibung per os machte sich nur in der Magenwirkung geltend, und zwar ist die Wirkung bei Anwendung des Mittels per os stark abgeschwächt, ja sogar ganz aufgehoben. Es ergab sich im Magen im grossen und ganzen eine gleiche Verzögerung, wie es Magnus und Padt- berg gefunden hatten. Am Dünndarm dagegen liess sich eine Ver- langsamung der Entleerung, zum Teil durch Erschlaffung des Darm- rohres bedingt, konstatieren. Ferner sah man pralle Füllung einzelner - Dünndarmteile und Abwechslung von „Breisäulen“ und „Breibändern“. In einem Falle konnte Sehwenter eine Abschnürung des „Brei- bandes“ in kleinsten Partikeln, „Vermehrung der Schüttelbewegung‘“, beobachten. Der Dünndarm war selten segmentiert. Am Diekdarme fand Schwenter am Anfange schwache ringförmige Kontraktions- wellen, später keine mehr. Speziell im distalen Kolonabschnitte war keine „abschnürende ringförmige Peristaltik“ vorhanden; da- gegen war er vollständig erschlafft und etwas erweitert. Selbst die selten zu beobachtenden peristaltischen Kontraktionen waren stets flach. Röntgenologische Untersuchungen über die Wirkung der Opium- derivate auf den Verdauungskanal des Menschen machte bisher nur van den Velden, Dietlen!) und Arnsperger. Van den Velden?) stellte seine meist radioskopische Unter- suchungen am Magen des Menschen an und kam zum Resultate, dass kleine Dosen Morphium die Entleerung eher beschleunige und die Peristaltik steigere, was auch Dietlen°) konstatieren konnte. Eine Differenz zwischen stomachaler und subkutaner Applizierung 1) Hans Dietlen, Beobachtungen über Magenperistaltik. Verhandl. d. deutschen Röntgengesellschaft Bd. 72. 2) R. van den Velden, Zur Pharmakologie der Magenmotilität. Münchn. med. Wochenschr. 1909 S. 1667. — R. van den Velden, Zur Pharmakologie der Magenmotilität. Verhandl. d. deutschen Kongr. f. innere Med. Bd. 27. 1910. 8) Hans Dietlen, Beobachtungen über Magenperistaltik. Verhandl. d. deutschen Röntgengesellschaft Bd. 72. 12 Nicolai Schapiro: des Mittels war nicht vorhanden. Mittlere Dosen schliessen den Sphinkter Antri Pylori; dabei ergeben sich stark erhöhte Peristaltik und Antiperistaltik, gesteigerter Tonus der Magenwand und eine in extremen Fällen bis ums Doppelte verlangsamte Magenentleerung. Ein noch deutlicheres Bild erhält man bei höheren (0,02) Dosen, wobei es auch zur Sprengung des Kardiaverschlusses und zum Er- brechen kam. Einen prinzipiellen Unterschied zwischen Morphium- und Opivmwirkung fand van den Velden nicht. Arnsperger!) ging in seinen Untersuchungen am Menschen weiter als der vorige Autor, indem nieht nur der Magen untersucht wurde, sondern der ganze Verdauungstractus. Nun konnte aber Arnsperger bei Morphinanwendung eine Verzögerung der Magen- entleerung so gut wie gar nicht, ausser auf einige Stunden bei jugendlichen weiblichen Individuen, feststellen. Opium wirkte noch geringer. Auf den Dünndarm liess sich dagegen eine deutliche Ver- zögerung sowohl bei jugendlichen wie bei älteren Individuen er- weisen. Eine sichere Einwirkung auf den Dickdarm konnte nicht ermittelt werden. Unsere Versuche am Tier. Aus allem bisher Gesagten ergibt sich, dass selbst die aus den Röntgenuntersuchungen gezogenen Schlüsse der einzelnen Autoren noch sehr differieren. Es ist von einigen Forschern der Gedanke aus- gesprochen worden, dass die Röntgenuntersuchungen einzig und allein als physiologische Experimentmethode anzusehen ist. Wenn auch die psychische Einwirkung, die jedwede ärztliche Untersuchung mit sieh bringt, wohl kaum in Abrede gestellt werden kann, so liegt es doch auf der Hand, dass die radiologische Methode es am meisten gestattet, die Versuche unter möglichst physiologischen Verhältnissen anzustellen. Die Röntgenoskopie und -graphie haben auch aller- dings die Lösung des Problems zur Wirklichkeit genähert, doch sind noch so manche Fehlerquellen übriggeblieben. Sie ganz auszu- schalten ist beim heutigen Stande der Technik absolut unmöglich; die Zahl der Fehler aber zu vermindern, stellen wir uns zur Auf- gabe. Ein erheblicher Teil der Fehler liegt unseres Erachtens darin, dass man die einzelnen Abschnitte des Magen-Darm-Traetus gesondert l) H. Arnsperger, Die Wirkung des Morphiums auf die motorische Funktion des Magen-Darm-Kanals des Menschen. Verhandl. d. deutschen Kongr. f. innere Med. 1910. Über die Wirkung von Morphium, Opium und Pantopon etc. 1 und unabhängig von den höhergelegenen Abschnitten, wie den Dünn- darm vom Magen, so auch den Diekdarm vom Dünndarm, röntgeno- logisch zu untersuchen nicht imstande ist. Wenn man aber berück- sichtigt, zu welch falschen Deutungen das unter Umständen führen kann, indem man oft in die Lage kommt, die Motilitätsverzögerung des einen Ahschnittes dem andern zuzuschreiben, so wird man leicht einsehen, dass man sich nach einer Methode umsehen musste, die einen Teil des Darmes auszuschalten gestattet, ohne die Ernährung des Tieres zu stören. Die Methode der „Dauerfistel am einseitig ausge- schalteten Dünndarm“, die ich Herrn Dr. Stierlin zu verdanken habe, hat insofern einen Vorzug, dass sie erlaubt, den Dünndarm getrennt vom Magen röntgenologisch zu untersuchen. Der Hund „Heros“ wurde so operiert (Dr. Stierlin, Dr. Fritzsche, Schapiro), dass der Dünndarm ungefähr in der Mitte durch- trennt wurde. Das untere Ende der oberen Fig. 1. Dauerfistel Hälfte a (Fig. 1) wurde in die Coecalwand d ein- San en genäht; das obere Ende der unteren Hälfte c als nach Stierlin. (Schematisch). Fistel in die Haut des Abdomens 5b. Durch diese Anordnung gelang es, die Kontinuität des Inhaltes und der Wand aus- zuschalten. Nachdem die Magen-Darm-Funktion des Tieres wieder Während der Aufnahme nüchtern, Aufnahmezeit Normal Morphium, Pantopon, in Stunden nach 26. Jan. 1912. 16. Febr. 1912. 27. Febr. 1912. Mo 6 Tr. 1/0 ige Lösung + Bi-Brei in die Fistel Einnahme der Kontrastmahlzeit Bi-Griesbrei (20) in die Fistel Nach Y/ı Stunde Dünndarm Dünndarm Pa (0,006) + Bi- Griesbei in die Fistel >, ae Dünnd., Transv.!) | Dünndarm, Coec. | Dünndarm, Kolon- Mitte des Transv. » 2 Stunden | Dünnd., Transv. | Dünndarm, Coee., —_. | Ascend., Transv. oe 3 5 Dünnd., Transv. | Dünnd., Descend. | Dünndarm, Kolon- Sigmoid „On Coec., Ascend., Dünnd., Descend. | Coec., Asc., Sigm. Transv., 1/2 Desc. Sigmoid „6 n Coec., Asc., Sigm. | Coec., Asc., Sigm. Dickdarm 1) Für alle unsere Versuche werden schräg Gedrucktes —= schwacher Schatten, gewöhnlich Gedrucktes — gewöhnlicher Schatten, fett Gedrucktes — sehr intensiver Schatten bedeuten. 74 Nicolai Schapiro: vollständig hergestellt war, begannen wir mit unseren Versuchen. Von den vielen aufgenommenen Serien bringen wir hier die fünf wesentlichsten, um die Resultate unserer Versuche zu demonstrieren. ‘ Während der Aufnahme Nahrung per 08 Morphium, 8. Febr. 1912. Aufnahmezeit in Normal, 1. Febr. 1912. Nahrung per os + Mo(0,003) Ne Kontagmahlze | PrGrehnei per Mit |" Stunde vr, Beim Nach !/s Stunde. . . Dünndarm Dünndarm, Coec., Asc. „ 174 Stunden . . | Dünndarm, Coec., Transv. | Dünnd.,Coec., Kolon-Sigm. dla 8 . . | Dünndarm, Coee., Transv., — Descendens la A ag Dünndarm, Sigmoid Dünndarm, Coec. BR 93ja 5 vÄR, Dünndarm Descendens a 5 ar Dünndarm 7!/a Stunden Descendens Es fällt bei Bi-Injektion durch Fistel mit gleichzeitiger Nahrung per os eine starke Kontraktion sämtlicher sichtbarer Dünndarmschlingen a I Fig. 2. Fistelhund, 1 Stunde nach Fig. 3. Fistelhund 1!/s Stunde nach Injektion von Kontrastbrei mit sechs Injektion von Kontrastbrei in die Tropfen einer 1.°/oigen Morphium- Fiste. Hund erhält während des lösung in die Fistel. Hund erhält Versuches Nahrung. während des Versuches Nahrung. mit Verlangsamung der Dünndarmpassage !) auf. Erster Coecumschatten nach '/s Stunde, nach 31/4 Stunden ist nur noch in der Flex. sigmoid. Schatten da, — also: Durchwandern des Dickdarmes in 2 Stunden. I) Ed. Stierlin, Ergebn. d. inneren Med. u. Kinderheilk. Bd. 10. 1912. Über die Wirkung von Morphinm, Opium und Pantopon etc. 75 Dasselbe Verfahren mit Morphium ergibt schon '/ı Stunde nach Injektion einen tiefen Coecum-Ascendens-Schatten. Also: beschleunigende Wirkung auf den Dünndarm, dessen Schlingen sich im Zustande der maximalen Kontraktion befinden. (Fig.2 u. 3.) Der Dickdarm bildet ein parallelrandiges Band ohne haustrale Einschnürung mit auffallend gleichmässiger Schattenverteilung, wobei die Durchwanderung des grössten Teiles des Dickdarmes in einer Stunde vollendet ist, der ganze Dickdarm aber wohl ein wenig verlangsamt von den Ingesta durchwandert wird. Bei Morphium + Bi-Griesbrei per Fistel ohne Speiseaufnahme während des Versuches ist die Dünndarmpassage etwas verlangsamtund eine zunehmende Kontraktion sämtlicher Schlingen auffallend. (Fig.4u.5)). Fig. 4. Fistelhund, 1 Stunde nach Fig. 5. Fistelhund, 3 Stunden nach Injektion von Kontrastbrei mit Injektion von Kontrastbrei mit sechs Tropfen einer 1 °/o igen sechs Tropfen einer 1 0 igen Morphinlösung in die Fistel. Hund Morphinlösung in die Fistel. Hund während des Versuches nüchtern. während des Versuches nüchtern. Eine Wirkung auf den Dickdarm ist nicht nachweisbar. BeiPantopon + Bi-Griesbrei per Fistel ohne Speiseaufnahme findet man die Dünndarm- schlingen maximal kontrahiert und nach 3 Stunden sozusagen entleert. Den Dickdarm sieht man weit, rohrartig mit wenigen wenig tiefen Einschnürungen; nach 3 Stunden ist der Dickdarm schon fast in seiner ganzen Ausdehnung sichtbar. Man hat den Eindruck einer gleichmässig zunehmenden Dehnung. Bekommt also das Tier Nahrung per os, so wird die Dünn- darmpassage (trotz der Kontinuitätstrennung der Wand und des In- haltes) durch Morphium beschleunigt, die Dünndarmschlingen maximal 1) Schraffur bedeutet wie hier, so auch in den weiteren Figuren Gas. 76 Nicolai Schapiro: kontrahiert; der Dickdarm, weit, mit wenig tiefen Einschnürungen, seine Passage wird etwas verlangsamt, und es lässt sich ein langer Aufenthalt im Coecum sehen. Ein ganz anderes Bild erhält man, sobald das Tier während des Versuches nüchtern bleibt: Die Dünndarmdurchwanderung ist durch Morphium dann etwas verlangsamt, und es ergibt sich keine Wirkung auf den Dickdarm. Unsere Versuche am Menschen. Beim Menschen konnten wir in ausgesprochener Weise röntgeno- logisch feststellen, dass die Rechtslagerung nach der Mahlzeit genügt, um die Entleerung des Magens erheblich zu beschleunigen (s. u.). Diese Tatsache machten wir uns zunutze, um den Einfluss der Magen- motilität bei Untersuchung des Darmes möglichst einzuschränken. Wir stellten unsere Versuche am Menschen auf die verschiedenste Art und Weise an. Es wurden Morphium, Opium und Pantopon subkutan, per os und per Dünn- und Diekdarmfistel appliziert. Es dienten als Versuchspersonen Menschen sowohl mit normal funktio- nierendem Verdauungskanal, als auch mit obstipiertem und gereiztem Darm, jung und alt, Mann und Weib, und hauptsächlich solche, bei denen man aus chirurgischer Indikation einige Monate vor den Versuchen Fisteln angelegt hatte. In letzteren Fällen waren wir im- stande, in den betreffenden Darmabschnitten den Einfluss der nach- rückenden Speise von oben her zu eliminieren. Es ist auch dies der Grund, weshalb diese Versuche (s. u.) an der chirurgischen Klinik ausgeführt wurden, denn sonst müssten wir auf „Fistel- menschen“ verzichten. Wir gaben per os Erwachsenen 30,0 Bismut. carbon. und 300 g Griesbrei oder 150,0 Bariumsulfat + 200,0 Gries- brei, Kindern 20,0 Bi + 300,0 Brei oder 50,0 Barium + 150,0 Brei. Per Fistel wurde 30,0 Bi+ 50,0 Brei oder 20,0 Bi + 100,0 Aqua verabreicht. Bariumsulfataufschwemmungen wurden auch einigemal verwendet. Die Opiate wurden gleichzeitig mit dem Brei, auch früber oder später appliziert, je nachdem ob wir das Verdauungsrohr als Ganzes untersuchen .oder das Speisenachrücken der obengelegenen Abschnitte ausschalten wollten; zu demselben Zwecke wurde der Magen auch einigemal ausgehebert. Morphium wendeten wir (wo nicht besonders bemerkt) in 1/oiger, Pantopon in 2%/oiger Lösung an, Opium als Tinktur. Es wurden bei Vergleichsaufnahmen der Normal- mit Opiatserien oder der Opiatserien untereinander, so eingerichtet, dass die Versuchspersonen in bezug auf Nahrungsaufnahme, auf die Über die Wirkung von Morphium, Opium und Pantopon etc. 77 Zeit nach wieviel Stunden nach Bi-Einnahme sie geröntget - wurden usw., womöglich unter gleichen Verhältnissen sich befanden. Versuch Nr. 1. Anton Pf., 9 Jahre; Magen-Darm-Kanal gesund. rgensse| reisimen, | tan, et, Kontrastmahlzeit 15. August 1910 mit Bi-Griesbrei Nach 1 Stunde... . Magen, Dünndarm Magen, Dünndarm 2r Stunden. Magen, Dünndarm Magen, Dünndarm ale. ae ER Magen, Dünndarm Dünndarm ENTE . » . | Dünndarm, Coec., Ascend. | Dünnd., Coee., Ascend. "10 n RR Coee., Ascend. Coee., Ascend. Bl2r/an,, Ele Transversum Ascend., Transv., Desc. Die Magenentleerung ist also in der Pantoponserie etwas schneller als in der Normalserie.e Die Dünndarmpassagen sind gleich. Für den Dickdarm trifft dasselbe wie für die Magenentleerung zu. Der Pantoponschatten verteilt sich auf dem grössten Teile des Kolons, während der gleichzeitige Normalschatten nur das Kolon Transversum einnimmt. Beim Vergleich beider nach 10 Stunden aufgenommener Bilder zeigen sich im Pantoponbild zahlreiche Einschnürungen, die zum Teil so tief sind wie die im Normalbild. Die Dicke des Colon ascendens ist im Pantoponbilde etwas geringer. ‚Die Pantoponwirkung macht sich also bei diesem Individuum insofern geltend, dass sie die Kolon- und Magenentleerung beschleunigt. Versuch Nr. 2, Elise W,, 11 Jahre; Magen-Darm-Kanal gesund. Aufnahmezeit Pantopon, Opium, 5. Sept. 1910. in Stunden nach | 29. August 1910. Normal Tr. op. 15 gtt. Einnahme der |15gtt. (0,015) gleich- 2. Sept. 1910 gleichzeitig mit Bi- Kontrastmahlzeit | zeitig Bi-Griesbrei Griesbrei Nach 2 Stunden — Magen, Dünnd. — ale... Magen, Duoden. Dünndarm Magen, Dünndarm EA Ri Magen, Dünndarm | Dünndarm, Coeec. _ ERDE N . Magen, Dünndarm _ Dünndarm 6 „ —_ _ Dünnd., Coec., Asc. ol. Magen, Dünndarm — — ET 5 = — Dünnd., Coec., Ase. RS == — Dünndarm, Asc., Flex. hepat. EINE) Magen, Dünndarm — — „10 E — Flex. hepat., _ Flex. sigmoid 1] 5 Dünnd., Coeec., Ase. = IE ls s Coec., Ascend. Zen Ta 3 Descendens, Sigmoid 26 Stunden 24 Stunden 78 Nicolai Schapiro: Nach 5 Stunden ist bei Pantoponanwendung noch alles im Magen, bei Opium dagegen alles im Dünndarm. In der Normalserie wird das Kolon bis zur Flexura sigmoidea (vom Coecum) in 6 Stunden durcheilt, bei Pantopon in etwa 17 Stunden. Die haustralen Ein- schnürungen sind in der Pantoponserie geringer als in der Normalserie. Zusammenfassend kann man den Versuch dahin deuten, dass Opium die Magen- und Dünndarmpassage, Pantopon die Durch- wanderung des ganzen Verdauungskanals verzögert und das Kolon scheinbar ein wenig erschlafft. Versuch Nr. 3. Emil M., 10 Jahre; Verdauungskanal gesund. Aufnahmezeit Opium, Pantopon, in Stunden nach 16. Aug. 1910. Normal, 23. Aug. 1910. Einnahme der 16 Tropfen zusam- | 9, August 1910 | 15 Tropfen (0,015) Kontrastmahlzeit | men m. Bi-Griesbrei zus. m. Bi-Griesbrei Nach 1!/2 Stunden — Magen, Dünndarm — 2 3 Magen, Dünndarm —_ Magen, Dünndarm Data n — Dünndarm — eo 5 Dünndarm 2 Magen, Dünndarm Malle 5 — Unterst. 1/4 V. — - Dünndarm, Coeec. | N Dünndarm —_ Dünndarm nn olje " Unterst. Abschn. v. — Unterster Abschn. v. Dünndarm, Coec. Dünndarm 8 5 Untere Dünndarm- | Coec., Ascend., | Unterste Dünndarm- schlinge, Coec. 1/g Transv. schlinge, Coec. „ uk A Coec., Asc., Transv. — Coec., Asc., Transv. 26 5 Coec., Flex. sigm. 0 — Somit ergibt sich aus Versuch Nr.3: In der Normalserie ist der Magen nach 2!/a Stunden leer; das Pantoponbild enthält nach 3 Stunden noch kleine Reste von PBismutbrei, bei Opium dagegen nach 3 Stunden leer. Erster Dünndarmschatten tritt ins Coecum ein: Normalserie nach 31/g Stunden, Opiumserie nach 5!/g Stunden, Pantoponserie nach S Stunden. Dünndarmschatten: Normalserie — zusammenhängend; Pantoponserie — vereinzelte versprengte Inseln; Opiumserie — des- gleichen, nur befinden sich im unteren Abschnitte zusammenhängende Schlingen. Normal wird das Kolon in 4!/a Stunden bis zur Mitte des Trans- versums passiert, bei Pantopondarreichung in 31/a Stunden das ganze Transversum; derselbe Weg nimmt bei Opium 6 Stunden in Anspruch, auch sind nach 26 Stunden noch bedeutende Reste in der Flexura sigmoidea. Punkto Kontraktionszustand sind keine auffallenden Unter- schiede zu konstatieren. Über die Wirknng von Morphium, Opium und Pantopon etc. 79 Hier bewirkt Opium eine Motilitätsverzögerung des untersten Dünndarmendes, anscheinend mit maximaler Kontraktion, welch beide Wirkungen bei Pantopon noch ausgesprochener sind, wo noch ausser- dem die Magenentleerung verzögert ist. Eigentümlich ist das lange Verharren des Kontrastbreies vor der Ileocoecalklappe. In bezug auf den Dickdarm lässt sich, mit Ausnahme des Coecums, eher eine Beschleunigung des Transportes konstatieren. Versuch Nr. 4 Elisabeth B., 13 Jahre; Gastrointestinaltractus gesund. Aufnahmezeit in : Pantoponserie, Stunden nach Einnahme E Normalserie, 17. Sept. 1910. Pa (0,015) der Kontrastmahlzeit 13. September 1910 1 Stunde vor Bi-Griesbrei ‚ Nach 2 Stunden. . . Magen, Dünndarm Magen, Dünndarm 8 RE Dünndarm Magen, Dünndarm ad EEE Dünndarm, Coee. Magen, Dünndarm MD a RR Dünndarm, Coecum Magen, Dünndarm, Coec. 1) » >. . | Coec., Asc., Transv., Sigm. | Dünnd., Coec., Asc., Transv. Wir bekamen also beı der Pantoponserie einen bedeutend längeren Aufenthalt des Breies im Magen. Die Dünndarmpassage nicht nachweisbar verschieden. Der Dickdarm entleerte sich etwas lang- samer, dagegen fehlen haustrale Einschnürungen im Coecum und Ascendenz. Versuch Nr. 5. Ernst T., 9 Jahre; Magen-Darm-Tractus gesund. ; Pantopon 6 ana A Sa 1910, Normal nun: nahme d Pa (0,008) subkutan : 5. Oktober 1910. innahme der 1!/ Stunden nach | 8. Oktober 1910 Mo (0,004) subkutan Kontrastmahlzeit Bi-Griesbrei Nach 1'/2 Stunden Magen, Dünndarm | Magen, Dünndarm | Magen, Dünndarm [2] rd 5 Dünndarm, Coec. | Magen, Dünndarm | Magen, Dünndarm | 5 Dünndarm, Coec. | Dünndarm, Coec. | Magen, Coec., Asc. WO " Dünndarm Dünndarm Coec., Ascendens | & Dünndarm, Coec. Dünndarm, Coec. | Coec., Ascendens ) ” Coec., Ascendens | = == Hier finden wir in der Normalserie eine langsame Magenent- leerung; nach 1" Stunden ist der grösste Teil noch im Magen, nach 7 Stunden ist erst ein deutlicher Coecumschatten sichtbar. Bei Pantopon entleert sich der Magen rascher als normal, ebenfalls der obere Dünndarm. Die unteren Dünndarmschlingen sind auffallend s0 Nicolai Schapiro: weit, wobei sich ein langes Verharren der Ingesta vor der Tleocoecal- klappe (von 3—5 Stunden) bemerkbar macht. Man erhält nach 7 Stunden einen tiefen Coecumschatten, während in der Normalserie das Coecum zu dieser Zeit nur schwach schattiert ist. Sowohl bei Normal wie bei Pantopon macht sich ein eigentümlicher retrograder Chymustransport zwischen der vierten und siebenten Stunde geltend. In der Morphium- serie finden wir eine Verlangsamung der Magen- und eine Beschleunigung der Dünndarmpassage: nach 4 Stunden ist noch ein beträchtlicher Rest im Magen, während der Dünndarm leer ist, dagegen Coecum und Ascendenz einen tiefen Schatten zeigen. Auch hier ist zwischen der vierten und siebenten Stunde kein Fortschritt des unteren Schatten- endes, sondern ein geringes Zurückweichen wahrzunehmen. Als Resultat dieses Versuches lässt sich also durch Pantopon eine Beschleunigung der Magen- und oberen Dünndarmmbotilität fest- stellen; in den unteren Dünndarmschlingen machen die Ingesta einen Halt vor der Ileocoecalklappe. Morphium verzögert die Magen- und beschleunigt die Dünndarmpassage. Versuch Nr. 6. Hermann K., 11 Jahre; Verdauungstractus gesund. Erste Mahlzeit 43/ı Stunden nach Bi-Griesbrei-Einnahme Aufnahmezeit in Stunden nach Pantopon, Morphium, Einnahme der 17. Oktober 1910. Normal, 1. November 1910. Kontrastmahlzeit | Pa (0,008) subkutan | 12, Oktober 1910 | Mo (0,004) subkutan ET | 5 Std. nach Bi-Brei 2 5 Std. nach Bi-Brei Nach 5 Stunden Dünnd., Coec., Asc. | Dünnd., Coec., Asc. | Coec., Ascendens ES 5 Coec., Ascendens | (oee., Ascendens | Coec., Ascendens = Coec., Ascendens | Coec., Ascendens | Coec., Ascendens ELTA . Coec., Asc., Transv. | Coec., Asc., Transv. | Coec., Ase., Transv. In diesem Falle macht sich punkto Schnelligkeit des Transportes keine wesentliche Differenz zwischen Normal-, Pantopon- und Morphium- serien geltend. Im nach 11 Stunden aufgenommenen Bilde bestehen bei Morphium tiefere haustrale Einschnürungen als Normal. Nach 8 Stunden zeigt das Morphiumbild ein engeres, tiefer eingeschnürtes Colon ascendens als das Normalbild. Die Pantoponbilder verhalten sich nicht wesentlich verschieden von den Normalaufnahmen. Die Morphiumwirkung spricht sich in diesem Versuche dahin aus, dass das Kolon etwas enger ist und die haustralen Einschnürungen tiefer sind; Pantopon besitzt hier dagegen überhaupt keinen Einfluss, weder auf die Motilität noch auf den Kontraktionszustand. Über die Wirkung von Morphium, Opium und Pantopon etc. S1 Versuch Nr. 7. B., 2, 33 Jahre; von jeher obstipiert. Aufnahmezeit . | I in Stunden nach 6 un, Normal, Ren, Einnahme der an, 2 1. März 1912 AR : Kontrastmahlzeit | Mo (0,01) subkutan Pa (0,02) subkutan Nach 3 Stunden — Magen, Dünndarm — Alle 3, Magen, "/s Dünnd.. | Magen, !/s unterer — Coec., Ascendens | Dünndarm, Coec. Bo ei — — Dünndarm 6 x Dünndarm, Coec. | Magen, Üoec., Asc. Dünndarm Melle, 1/a Dünnd., ?/4 Coec. Dünnd.,Coec., Asc. 9 a — Magen, Coeec., Asc. — 12 s Coee.,kl.Dünndarm, Magen, Coee., Asc. Coecum, (Reto- Rest vor der Ileo- coecalklappe grader Transport) Im Vergleiche mit Normal findet in der Morphiumserie eine bedeutende Beschleunigung der Magenentleerung statt. Die Dünn- darmpassage und die des proximalen Dieckdarmes sind dagegen in der Morphiumserie verlangsamt. Der Tonus ist erhöht, und vor dem Coecum findet ein langer Aufenthalt des Chymus statt. Bei Pantopon entleert sich der Dünndarm noch langsamer, und er ist auch stärker kontrahiert. Morphiumserie. Versuch Nr. 8. Br., &; Magen-Darm-Tractus gesund. Das proximale Kolon verhält sich gleich wie in der Aufnahmezeit in Stunden nach Einnahme der Kontrastmahlz 150,0 Barium + 200,0 Brei; 1 Std. Rechtslagerung, dann Ausheberung. Erste Mahlzeit nach der dritten Aufnahme eit Normal, 24. September 1912 Morphium, 27. Sept. 1912. Mo (0,01) subkutan Nach 33/s Stunden. . Bela » Coec., Ascendens, Transv. Coec., Ascendens, Transv., Beginn der Descendens Unteres Dünndarmende, Coec., Ascendens Coec., Asc., !/a Transv. Unt. Dünndarmende, Coec. Unterer Dünndarm, Coec., Ascendens Unt. Dünndarmende, Coec. Unteres Dünndarmende, Coecum, Ascendens Wie schon oben angedeutet, haben wir röntgenologisch fest- gestellt, dass die Rechtslagerung die Magenentleerung stark be- ' schleunigt, und so wendeten wir hier diese Methoden an, um den Chymus schneller nach dem Dünndarm zu transportieren. Um aber Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd. 151. 6 Nicolai Schapiro: 32 -su9puo9sY “unI909 *apuaunepuung SOAOJun “wnıydıon u sorsaq -/SENUOY SOp awyeuum yoeu apung r/;g ‘P “ag *L "SIA "TUNSIHASURLT, 3/; ‘SUSpUs9SsYy “wn990/) ‘saTaaq -4SEUOy Sop omyeuum yoeu opung r/;g ‘Q “iq °9 "SIT 83 Über die Wirkung von Morphium, Opium und Pantopon etc. "wn990) ‘apusw.lepuung SorsJun “umıydıopy yu soroaq -ISeAUoy sOp amyeuumg yoeu uopung g ‘2 “ag "6 "SLA "WNSIOASUBLT, ‘SUSPUHISY “wN9909) !SOTVAq -ISENUOy] Sop amgeuumy yoeu uopung g ‘2 “ag 8 Slg Nicolai Schapiro: 54 ee ng "SU9PUHISY "su9pua9sadl “und90) ‘opusunspuung sorsjun “wnrydıoy Yu soreıq sop uusog wnsIOASU@L], “suapusssy “um9aog ‘SOLaıd -ISENUOY SOp owyeung yoeu vopunyg IT ‘Pig "IT "LI -JSe.4UO)] Sop PWwgeuumm yowu uopunyg IL ‘2 “ag ‘OT "SI Uber die Wirkung von Morphium, Opium und Pantopon etc. 85 den Einfluss des Nachrückens der Speise vom Magen auszuschalten, heberten wir den Untersuchten ca. 1 Stunde nach Barium-Brei- Einnahme (in beiden Fällen: Normal- und Morphiumserie) aus. Bei der Ausheberung erhielten wir in einem Falle keine, im andern nur ein wenig Speisereste; es war also der Magen zu dieser Zeit dank der Rechtslagerung sozusagen leer. Was die Differenz der beiden Serien betrifft, so sehen wir in der Morphiumserie eine starke Motilitätsverzögerung im unteren Dünndarmende; ausserdem war die unterste Schlinge auffallend weit. Die Fig. 6, 7, 8, 9, 10 und 11 demonstrieren das am deutlichsten. Versuch Nr. 9. Emma G., 11 Jahre; nach Erholung von Appendektomie & froid. i Pantopon Pantopon Morphium alnahmeze® | 19. September 1910. | 14. September 1910. | 29. September 1910. m Stunden nach | pa (0,01) subkutan | Pa 15 gtt. (0,015) | Mo(0,005) subkutan Einnahme der 1/4 Stunde vor 1/a Stunde vor } zugleich mit Bi- Kontrastmahlzeit Bi-Einnahme Einnahme | Bi-Einnahme Nach 3 Stunden Magen _ | Magen Alla, Magen, Dünndarm — Magen B6 2 Magen, Dünndarm —_ Magen, Dünndarm Balls, Magen, Dünndarm — Magen, Dünndarm Be.) es — Dünnd., Coec., Asc. _ 12 . Magen, Dünndarm, | Dünndarm, (oec., | Unterste Dünndarm- Coec., Ascendens | Asc., Va Transv. schlinge, Coec. 15 A — Coec., Ase., !/aTransv. — 218 5 E | Coee., Asc., Transv. — sb, — Ganzes Kolon, be- E sonders Descendens Man sieht auf den Morphiumbildern ein Vorhandensein tiefwelliger Konturen des Magens, was man auf den Pantoponbildern (subkutan) vermisst. Dementsprechend entleert sich auch der Magen in der Morphiumserie mit ca. 4 Stunden früher als bei Pantoponeinnahme. Es beginnt bei Morphium die Magenentleerung später, erfolgt aber intensiver. Der Dünndarmtransport geht auf den Morphiumbildern auch rascher vor sich als bei Pantopon. Vergleicht man: Pantopon per os mit Subkutaninjektion, so findet man den Magen beim ersteren nach 9 Stunden leer, indem er beim letzteren nach 12 Stunden noch Bismutreste enthält. Der Dünndarm- schatten zeigt bei Pantopon per os tiefe und totale Einschnürungen, bei Subkutan dagegen starke Anfüllung vor der lleocoecalklappe. Zwischen Coecum und Dünndarm befindet sich eine schattenfreie Zone. 3 Stunden später hat sich ausser dem Coecum noch das Colon ascendens und wieder nach 3 Stunden hat sich mit tiefen Einschnürungen die Hälfte des Colon transversum gefüllt. Nach drei weiteren Stunden 86 : Nicolai Schapiro: sind zwei Drittel' des Colon transversum und nach der doppelten Zeit (36 Stunden) das ganze Kolon (besonders Colon descendens) tief schattiert, mit tiefen zum Teil durchgehenden Einschnürungen, wobei die Flexura sigmoidea fast leer ist. Wir haben also eine verlangsamte Diekdarmpassage mit zunehmender Verlangsamung nach unten vor uns. Versuch Nr. 10. B., &, 27 Jahre; nach Erholung von Appendektomie, von jeher obstipiert. er Morphiumserie Aufnahmezeit Ss Normalserie, 19. Februar 1912. Stunden nach Einnahme 17. Februar 1912 Mo (0,01)subk. nach 11/2Std. der Kontrastmahlzeit 0,006 nach 6 Std. Nach 3!/a Stunden. . Dünndarm Dünndarm 5 A Er Dünndarm Dünndarm ne .618 5 8 Ooec., Ascendens Dünndarm, Coec. NS) N Se Coec., Ascendens Dünndarm, Coec., Asc. Fa? B ... | Coec., Asc., Anf. d. Transv. Coec., Ascendens Die Angabe, dass Patient von jeher obstipiert ist, bestätigt sich auch durch den Befund der Normalserie; die Dünndarmpassage ist verzögert, erster Coecumschatten ist erst nach 6U/a Stunden sichtbar. Mit Morphium ist die Dünndarmpassage deutlich verlangsamt. Obgleich der Coecumschatten nach 6!/s Stunden sichtbar ist, findet man jedoch beim Morphiumbild zu dieser Zeit einen tiefen Dünndarmschatten, der erst nach 12 Stunden verschwindet, während in der Normalserie schon nach 6!/e Stunden mehr kein Dünndarmschatten vorhanden ist. Es befinden sich im Normalbilde die Ingesta schon nach 6'/a Stunden im Colon ascendens, bei Morphium dagegen erst nach 9 Stunden. Der Dünndarmschatten ist bei Morphium etwas weiter und mehr nach dem Coecum zu konzentriert. Versuch Nr, 11. Marie Sch., 31 Jahre; Colitis chronica ulcerosa. Opium, 24. Juni 1911. Aufnahmezeit Vorabend: Opii supp. + 10 gtt. Trae opü in Stunden nach Normal, | ei EN Dan 2 Bit. nn er Einnahme der 23. Juli 1911 6h 15’: en a Kontrastmahlzeit 10h 00’ morgens: 10 gtt. Trae opii 3h 00’: 10 gtt. Trae opii Nach 4 Stunden | Magen, Dünndarm | Magen, Dünndarm, Coec., Asc., Transv. ud 5 Magen, Dünndarm, Magen, Coec., Ascendens, Transv. Coec., Asc., Transv. REEL Magen, Dünndarm, Coec., Ascendens, Transv. Ascendens, Transv. 2 Magen, Dünndarm, Coec., Ascendens Ascendens, Transv. Über die Wirkung von Morphium, Opium und Pantopon etc. 87 Von den fünf Serien, die wir aufnahmen, bringen wir nur die zwei wesentlichsten. Es kommt in der Normalserie kein tiefer Schatten zustande, weder im gesunden noch im kranken Kolonabschnitte. Immerhin beschränkt sich die Wismutansammlung in unregelmässigen Inseln auf den relativ gesunden Teil. In der Opiumserie ist noch nach 10 Stunden eine starke Ansammlung eines tiefen Schattens im Coecum und Kolon Ascendenz auffallend ; dabei ist dieser Darmabschnitt sehr weit und stark gashaltig mit wenig Einschnürungen. Der kranke distale Kolonabschnitt kommt in der Opiumserie nicht zum Vorschein; ja, es macht sich sogar eine retrograde Bewegung coecalwärts sichtbar. Versuch Nr. 12. Robert Br., 32 Jahre; Enteritis. Aufnahmezeit in Normal, N Sm) ns el In > Stunden nach Einnahme 14. Oktober 1912. 15 ott. Opii. 1 Std. vor der Kontrastmahlzeit 80 Ba + 200 Brei Ba- Einnahme 15 gtt. Opiüi _ Nach 2 Stunden. . . | Magenreste, Dünnd., Coec. Magen, Dünndarm »„ S3le „ .» .. .. | Magen, Dünnd., Coee., Asc. Dünndarm, Coee. A) n . .... | Magen, Coec., Ascendens, | Coec., Asc., Transv., Desc. Transv., Descendens, Sigm. | NET | 5 ..... | Coec., Asc., Transv., Desc. | Asc., Transv., Desc., Sigm. Bd 5 ..... | Magen, Coec., Ascendens, Transv., Descendens, Sigm. Transv., Descendens In der Normalserie trat 5%/ı und 7?/a Stunden nach Ba-Einnahme Stuhlgang ein, was auf den Röntgenaufnahmen auch deutlich hervor- Fig. 12. Albert R., 4Y2 Stunde Fig. 13. Albert R., 41/e Stunde nach Einnahme des Kontrastbreies, nach Einnahme des Kontrastbreis Dünndarmreste vor der Ileocoecal- mit Morphium, grosser Dünndarm- klappe, Coecum, Ascendens. rest in der untersten Schlinge, Coecum, Ascendens. 35 Nicolai Schapiro: tritt. In der Opiumserie tritt dagegen während der Aufnahme kein Stuhlgang ein, was in Berücksichtigung der sonst fast gleichen Transportschnelligkeit wohl auf den längeren Aufenthalt des Kotes in der Flexura sigmoidea zu beziehen ist. Das Transversum zeigt in der Normalserie (im gewissen Gegen- satz zur Opiumserie) schmale Haustren mit tiefen Einschnürungen. Der Dünndarm zeigt in der Opiumserie neben kontrahierten auffallend weite Schlingen mit seichten oder ohne Einziehungen. Versuch Nr. 13. Albert R., 8!/a Jahre, Verdauungsrohr gereizt durch Cascara sagr. 2 f 10 Stunden vor Barium-Einnahme 20 Tropfen Extractum Aufnahmezeit gasc. sagr. fluid.; 45 15’: Barium-Griesbrei + 5 Tropfen in Stunden nach Extr. gasc. sagr. fluid. Erste Mahlzeit 9%; Aufstehen 10h Einnahme der Kontrastmahlzeit Y Morphium, 25. Sept. 1912. Normal, 23. Sept. 1912 Mo (0,004) subkutan Nach 4/2 Stunden | Dünndarmreste, Coec., Asc. | Grosser Dünndarmrest in der untersten Schlinge, Coec., Ascendens Dina en Coec., Ascendens Dünndarmrest, Coec., Asc. 10) 2 Coec., Ascendens Dünndarmrest, Coecum, Ascendenz, Transv. n 183!/a nn Appendix, Coec., Ascendens, | Appendix und ganzer Kolon Transv., Sigmoid. ANNUNE / Ns Fig. 14. Albert R., 7Ye Stunde Fig. 15. Albert R., 7 Stunde nach Einnahme des Kontrastbreies, nach Einnahme des Kontrastbreies Coecum, Ascendens. mit .Morphium, Dünndarmrest, Ooecum, Ascendens. Über die Wirkung von Morphium, Opium und Pantopon etc. 89 Der unter der Wirkung von Cascara sagrada stehende Darm zeigt durch Morphium eine ziemlich deutliche Verzögerung der Fort- bewegung in den untersten Dünndarmschlingen. Um dies aber ad oculos darzutun, bringen wir hier beide Serien (Fig. 12—19 inkl.). Auf dem Diekdarm macht sich unabhängig vom Dünndarm keine nennenswerte Differenz bemerkbar. UUUUN et Fig. 16. Albert R., 10 Stunden nach Einnahme des Kontrastbreies, Coecum, Ascendens. \ | Fig. 17. Albert R., 10 Stunden nach Einnahme des Kontrastbreies mit Morphium, Dünndarmirest, Coecum, Ascendens, Transversum. FIaE Fig. 18. Albert R., 13!/a Stunde nach Einnahme des Kontrastbreies, Appendix, Coecum, Ascendens, Transversum, Sigmoideum. Fig. 19. Albert R., 1342 Stunde nach Einnahme des Kontrastbreies mit Morphium, Appendix und ganzes Kolon. 90 Nicolai Schapiro: Versuch Nr. 14. Hermann W., 4!/a Jahre; Coecalfistel. h RR Pantopon, 4. Nov. 1910. Aufnahmezeit in | Nopmalserie, 2. Nov. 1910. | Pa- Tropfen (0,005) zu- Stunden nach Einnahme Bi-Brei in die Fistel sammen mit Bi-Brei in die der Kontrastmahlzeit Fistel Nach 8 Stunden. . . Flexura sigm. Flexura sigm. 24 RR — —= ” ” Eine Differenz in der Schnelligkeit des Breitransportes zwischen Normal- und Pantoponserie machte sich hier also nicht geltend, ob- gieich es sich doch nach der Tiefe des Schattens ein etwas längerer Aufenthalt im Kolon voraussetzen lässt. Versuch Nr. 15. Karl B., 42 Jahre; Coecalfistel. Erste Mahlzeit 6 Stunden nach Injektion Aufnahmezeit in — : Stunden nach Einnahme Opium, 10. Oktober 1912 der Kontrastmahlzeit 2, Oktober 1912 vor Injektion; gleichzeitig mit Injektion 10 gtt. per Fistel Nach 2 Stunden. . . Coecum, Transv. Coecum, Transv. asia, ARE: Coecum, Transv. Coecum, Transv. chen on Coecum, Transv. Coecum, Transv. Auch hier, wie im vorigen Versuche, kann man trotz der grossen Dosis keine Einwirkung, weder auf die Motilität noch auf den Tonus des Diekdarmes, sehen. Versuch Nr. 16a. M., &, 30 Jahre, Dünndarmfistel. Aufnahmezeit in Normal, 21. Okt. 1910. Pantopon, 24. Okt. 1910. Stunden nach Einnahme] 20 Bi + 100 aqua per | Pa 20 gtt. (0,02) + 20 Bi der Kontrastmahlzeit Fistel + 100 Aqua per Fistel Nach 1!/a Stunden. . Dünndarm Dünndarm u 210 s AR Dünndarm, Coec. Dünndarm, Coee. 31/2 " A — Dünndarm, Coec., Asc. „ oa * a Dünndarm, Coec., Asc. | Dünndarm, Coec., Asc. Rohe 4 328 Coec., Ascendens | — PR) a a. — Ascendens-Flex. hepat. „24 55 Ai Coec., Asc., Desc., Sigm. -- Normalserie, ; Op. 20 gtt. per os 3 Stunden. Über die Wirkung von Morphium, Opium und Pantopon etc. 9] Versuch Nr. 16b. Aufnahmezeit Pantopon, Pantopon, Pantopon, inStundenn.| Normal, 31. Oktober 1910.| 19. Dez. 1910. | 30. Januar 1911. Einnahme 27. Oktober | Pa (0,02) subk. | Pa 20 stt. (0,02)| Pa 20 gtt. + der Kontrast- 1910 3/4 Stunde vor +30 Bi-+50 Brei) 30 Bi + 100 Brei mahlzeit Bi-Griesbrei per Fistel per Fistel Nach !/2 Std. — | — Dünndarm — el „ —_ — — Dünnd., Coec., Ascendens „ |-Dünnd., Coec., Dünnd., Coec., — Dünnd., Coec., Ascendens Ascendens Ascendens A NEE Goee., Asc. | Dünnd., Coec., Dünndarm _ Ascendens Alla... == — — Dünnd., Coec. „6 5 — — Dünnd., Coec., — Ascendens „68/27, Coec., Asc. | Dünnd., Coec., —_ — Ascendens | „ 9%a „ | Coec., Asc., | Dünnd., Coec. | — — 1/g 'Transv. Ascendens Bei dieser Versuchsperson wurden neun Serien aufgenommen, von denen sechs Serien vollständig genügen, um einen Beweis für die Mannigfaltigkeit wie der Normal- so auch der Pantoponserien unter sich, die wohl zum Teil von der verschiedenen Art der Applikation herrührt, zu erbringen. Was den Vergleich der Normalbilder vom 21. Oktober mit den Pantoponbildern vom 24. Oktober anbelangt, so wäre folgendes zu bemerken: Im Normalbilde nach 81/s Stunden ist das ganze Colon ascendens gefüllt und zeigt ziemlich tiefe haustrale Einschnürungen; im Pantoponbilde nach 9 Stunden ist quasi dasselbe zu vernehmen, nur ist dieser Kolonabschnitt etwas weiter. Im übrigen sind sich die beiden Serien so ziemlich gleich. Vergleicht man die nächsten beiden Serien vom 27. Oktober (Normal) mit denen vom 31. Oktober (Pantopon subkutan), so er- hält man eine ganz andere Entfaltung der Pantoponwirkung, denn wir sehen normal nach 12/4 Stunden Coecum, Ascendens und Y/a Trans- versum gefüllt; bei Pantopon dagegen noch Dünndarmreste, dann ‚ Coecum und ein wenig Ascendens. Zwischen der 4. und 9°/a. Stunde zeigt der Schatten bei Pantopon im Sinne des Weiterrückens absolut keinen Fortschritt. Hier sahen wir also, dass das Pantopon eine Verlangsamung der Dünndarmentleerung und des Forttransportes im Dickdarm bewerkstellist. Solch ein Kontrast lässt sich in den nächsten Pantoponserien nicht erweisen, obgleich wir in der Pantoponserie vom 19. Dezember allerdings eine langsame Entleerung des Dünndarmes vor uns haben; doch ist nach 6 Stunden das Colon ascendens schon ganz gefüllt, wobei in der Serie vom 31. Oktober nach 9®/a Stunden das Kolon Ascendenz nur ein wenig schattiert ist; auch zeigen die Ingesta der letztgenannten Serie keine Tendenz zum Weiterschreiten. Wenn wir uns die beiden weiteren Pantoponserien vergegenwärtigen, so sehen 09 Nicolai Schapiro: wir, dass in der Serie vom 19. Dezember der Dünndarm zum Teil weit ist und keine oder nur geringe Einschnürungen zeigt. Nach 4 Stunden sieht man eine weite Dünndarmschlinge fast ohne Ein- schnürungen, nach 6 Stunden tiefe Einschnürungen im Coecum und Ascendenz; es füllt sich also innerhalb 2 Stunden das Coecum und Colon ascendens. Die zu allerletzt angeführte Pantoponserie (vom 31. Januar 1911) zeigt deutlich, wenn auch nicht so wie in der Serie mit der Subkutaninjektion, eine verlangsamte Dünndarmentleerung. Man sieht eine runde Dünndarmschlinge ohne jegliche Einschnürung. Es macht sich hier wiederum ein stundenlanges Verharren, ja sogar etwas Rückwärtsgehen des unteren Schattenendes in das proximale Colon ascendens bemerkbar. Zum Schluss dieses Versuches möchten wir noch hinzufügen, dass von allen neun aufgenommenen Serien die vom 31. Januar sich noch der vom 31. Oktober mehr weniger nähert, während alle anderen Serien punkto Transportschnelligkeit sich meilenweit voneinander halten. Versuch Nr. 17. Enten 2, 119° Jahre Meumristel: _ Aufnahmezeit Normal \U 8: Pantopon, in Stunden nach Er Kontrollversuch, | 7. September 1911. Einnahme der 18. März 1911. 20. März 1911 | Bar 22’stt (0029) Kontrastmahlzeit Bi per Fistel Bi per Fistel Nach 1 Stunde Dünndarm Dünndarm Dünndarm „ 2 Stunden == | — Dünndarm ol © — Dünnd., Coee., Asc.| _ BE2l/sat. Dünnd., Coec., Asc. _- _ a — = Dünndarm Sa 3 — | Dünnd., Coec., Asc. _ URDHAE N, Dünndarm, Coec., - _- Ascendens, Transv. EI Syre — _ ' Dünndarm, Coec. ” eo) » EB Far ! Coecum Auch hier ist wie bei allen „Fistelmenschen* die Vis a tergo ausgeschaltet, und so kann man die Pantoponwirkung auf den Dünn- darm regelrecht verfolgen. Es zeigt sich nun eine sehr bedeutende Verlangsamung der Dünndarmpassage, denn nach 8 Stunden ist der Wismutschatten in der Pantoponserie noch nicht soweit wie in der Normalserie nach 2"/s Stunden. Von einer Erschlaffung der funktionellen Dünn- und Dickdarmeinschnürungen ist in den Pantoponbildern nichts zu sehen; sie sind eben so stark ausgesprochen wie auf den Normal- platten. Über die Wirkung von Morphium, Opium und Pantopon etc. 93 Versuch Nr. 18. Therese W., 68 Jahre; Dünndarmfistel. Annahme ; Kontrollversuch. 1 Studer] _ Normal, | Norabium, 1, Bauten, lan Einnahme | 31. Mai 1912. Mi 0.01 bk P Bi 21. Juni 1912. der Kontrast-| Bj per Fistel | (0,01) subk. ar bl |Mo(0,01)subk. + mahlzeit + Bi per Fistel | per Fistel Bi per Fistel Nach !/a Std. Dünndarm Dünndarm Br Dünndarm „ 1V/e „ | Dünnd., Coeec. Dünndarm Dünnd., Coec. — „ 21a „ | Dünnd., Coec., Dünndarm = Ascendens Se 5 — — E= Dünndarm »„ >42 ,„ | Unterste Dünn- | Dünnd., Coec. — = darmschlinge 29 „ | Coee., Ascend., _ —_ — Transy. len, — — — Dünndarm, Coec., | Halt vor Ileo- coecalklappe Fig. 20. Therese W., 5!/g Stunden nach Injektion des Kontrastbreies in die Fistel, unterste Dünndarmschlinge, Coecum, Ascendens, Transversum. Die Morphiumserien zeigen eine starke Verzögerung im Dünn- darm mit teilweisen Kontraktionen und ein Verharren der Ingesta 94 Nicolai Schapiro: vor der Ileocoecalklappe. Wir halten es für nicht unwesentlich, hier ein Normalbild nach 5°/s Stunden (Fig. 20) und ein Morphiumbild nach 8 Stunden (Fig. 21) zum augenscheinlichen Vergleich zu bringen. Auch zeigt das Pantoponbild eine Verlangsamung der Dünndarm- passage, wobei seine Schlingen teils weit, teils kontrahiert sind. Fig. 21. Therese W., 9 Stunden nach Injektion von Morphium in die Fistel, Dünndarm, Coecum, Halt vor der Ileocoecalklappe. Schlussfolgerungen. Überblicken wir die Ergebnisse unserer Beobachtung über die Opiatwirkung auf den Magen-Darm-Traetus, so ergibt sich für den Hund ein Zustandekommen einer maximalen Kontraktion der Dünndarmschlingen und eine starke Erweiterung des ganzen Kolons. Letztere Beobachtungen ähneln sehr den Ergebnissen, die Schwenter!) aus seinen Versuchen an der Katze erhielt. In bezug auf Motilität müssen die Versuche mit nüchternem Hunde von denen, wo das Tier Nahrung per os erhält, getrennt werden. Im ersteren Falle erzielen die Opiumderivate eine etwas verlangsamte Dünndarm- 1) J. Schwenter, Über Verdauungsversuche mit Opium, Morphium, Pantopon und morphinfreiem Pantopon Fortschr. a. d. Gebiete d. Röntgen- strahlen Bd. 19. 1912. Dan Über die Wirkung von Morphium, Opium und Pantopon etc. 95 entleerung und keine Wirkung auf die Schnelligkeit des Dickdarm- transportes. Im zweiten Falle, d. h. bei Darreichung von Nahrung während des Experimentes, lässt sich dagegen keine verzögernde Wirkung auf den Dünndarm und eine, obgleich unbedeutende, Ver- langsamung auf den Diekdarm konstatieren. In betreff der Wirkung der Opiate auf den Verdauungstractus des Menschen macht sich eine Mannigfaltigkeit geltend wie kaum bei irgendwelchen andern in der Richtung untersuchten Arzneimitteln. In der Hälfte aller unserer Untersuchungen am Magen war, namentlich bei jugendlichen Individuen, übereinstimmend mit den Befunden von Magnus an Tieren und mit denen van den Veldens am Menschen, durch Opiumderivate eine starke Verzögerung der Entleerung zu konstatieren. Man sieht gelegentlich, dass bei Pantopon, im Vergleich mit Morphium, die Magenentleerung früher beginnt, aber später aufhört. Es scheint auch, unter Mit- berücksichtigung der von uns beobachteten Differenz der Wellentiefe, dass Morphium in halb so grosser Dosis wie Pantopon (was doch allgemein als entsprechend angenommen wird) konzentrierter wirke. In einem kleineren Teil der Fälle wirkten die Opiate be- schleunigend, wobei in den entsprechenden Normalserien eine auf- fallend langsame Magenentleerung vorhanden war. Wir hatten überhaupt mehrfach den Eindruck, als ob die Wirkung der Opiate auf den Magen bis zu einem gewissen Grade von seinem jeweiligen Motilitätszustande abhänge. Was den Dünndarm anlanget, so wird in den Fällen, bei denen das Mittel auf den Magen gewirkt hat, öfters ein Einfluss auf den Dünndarm vermisst. Dort aber, wo der Magen ausgeschaltet war, sei es durch Ausheberung und Rechtslagerung, oder bei Dünn- darmfistel, macht sich eine deutliche Verzögerung des Trans- portes in den unteren Dünndarmschlingen bis über das Doppelte des Normalen geltend. Die Motilität der oberen Dünndarmschlingen war nicht nachweisbar verändert. Dagegen er- gab sich in über zwei Drittel der Versuche am Dünndarm eine aus- gesprochene Motilitätsverzögerung der unteren Dünndarmschlingen um mehrere Stunden; in einem erheblich kleineren Teil zeigte sich kein Unterschied, und nur in zwei Fällen fanden wir eine Passage- beschleunigung. Wir hatten dabei mehrfach den Eindruck, als ob durch Kon- 96 N.Schapiro: Über die Wirkung von Morphium, Opium und Pantopon etc. traktion des Sphineter ileocoecalis ein Hindernis gebildet werde, welche Vermutung auch Meyer und Gottlieb") aussprechen, aller- dings ohne sich auf Röntgenbefunde stützen zu können. Der Tonus des Dünndarms zeigte gewöhnlich keine deut- liche Veränderung. In mehreren Fällen aber waren auffallend weite Schlingen gleichzeitig mit kontrahierten sichtbar. Auf den Diekdarm hatten Opiate auch in grossen Dosen bezüg- lich des Tonus und der Motilität keine sichtbare Wirkung Weder die Wirkung auf den Magen, noch diejenige auf den Gesamt- darm erklären also in genügender Weise die klinisch feststehenden stopfende Eigenschaften derselben. Es bleibt deshalb nichts anderes übrig, als auf den untersten Abschnitt des Diekdarms zurückzugreifen, entsprechend der uns von Herrn Prof. de Quervain an die Hand gegebenen Auffassung, nach welcher die stopfende Wirkung der Opiate vor allem in einer Abschwächung bzw. zeitweiligen Aus- schaltung des Defäkationsreflexes begründet ist. Diese Auffassung wird durch die am Menschen leicht anzustellende Beobachtung ge- stützt, dass selbst wenn der Kot Breikonsistenz hat, die Entleerung, auch wenn das Bedürfnis sich schon geltend gemacht hat, durch Opium noch stundenlang hinausgeschoben werden kann, unter zeit- weiligem völligem Wegfallen des Entleerungsbedürfnisses.. Die Opiumwirkung setzt also hier unverkennbar schon an dem sensibeln Schenkel des Reflexbogens an. In Übereinstimmung hiermit können wir, wenn auch unsere Untersuchungen der Natur unserer Fälle entsprechend sich mit diesem Abschnitte des Darmes am wenigsten beschäftigten, doch auch unter dem Einfluss von Opiaten eine Verlängerung des Aufenthaltes des Inhaltes im S-Romanum und Rektum nachweisen. Bei chronisch diarrhöischer Enteritis mit starker Hypermotilität des Dünn- und Dickdarmes bewirkte Opium eine leichte Verzögerung der Dünndarmpassage, namentlich in den unteren Sehlingen, während das Kolon bis zum Beginn der Flexura sigmoidea ungefähr gleich rasch durcheilt wurde. Dagegen blieb die Flexur viellänger gefüllt, entsprechend der stark verzögerten Defäkation. Ein Unterschied in der Wirkung der verschiedenen untersuchten Derivate wurde wohl einigemal beobachtet, ist aber so unbedeutend und inkonstant, dass sich darüber keine Regel feststellen lässt. 1) Hans H. Meyer und R. Gottlieb, Experim. Pharmakol. 1911 S. 174. (Aus dem physiologischen Institut der Universität Breslau.) Vergleichung der bei konstantem und rhythmischem Druck durch die Hinterbeine des Frosches getriebenen Flüssigkeitsmengen. Von Fritz Schaefer, cand. med. (Mit 2 Textfiguren.) Die in folgendem mitgeteilten Untersuchungen sind eine Nach- prüfung der G. Hamel’schen Versuche über „Die Bedeutung des Pulses für den Blutstrom“ !). Seine Versuche bestanden in künst- licher Durchströmung der Hinterextremitäten des Frosches und führten Hamel zu dem Schluss, dass die rhythmisch gespeisten Gefässe bei weitem mehr Flüssigkeit durchtreten lassen als die konstant durchströmten, so dass die Stromgeschwindigkeit selbst bis auf das Vierfache wachsen kann. Die Gültigkeit dieses Schlusses ist schon von Hürthle?) be- stritten worden, da Hamel nicht die beiden für die Ausflussmenge (bei konstantem Widerstand) verantwortlichen Faktoren: Druck und Zeit gemessen, sondern die folgende Anordnung benutzt hat. Der durch die Aorta zu leitende Strom wurde aus einer mit Kochsalz- lösung gefüllten. Bürette gespeist, welche mittels einer durch einen Hahn unterbrochenen Schlauchleitung zur Arterie führte. Der Hahn konnte durch eine elektrisch betriebene Pendelvorrichtung rhythmisch geöffnet und geschlossen werden. An diesem System wurde vor der Verbindung mit dem Froschkörper, d. h. bei freier Mündung des Schlauches in die Luft, folgendes festgestellt: 1) Zeitschr. f. Biol. Bd. 25 S. 474. 1889. 2) K. Hürthle, Ist eine aktive Förderung des Blutstromes durch die Arterien erwiesen? Pflüger’s Arch. Bd. 147 S. 582. 1912. Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd. 151. 1 98 Fritz Schaefer: 1. Bei der durch das Pendel ausgeführten Öffnung und Schliessung blieb der Hahn „nahezu den vierten Teil einer Gesamtperiode ge- öffnet“. 2. „Dureh den kontinuierlich geöffneten Hahn floss etwa viermal soviel Wasser als durch den periodisch geöffneten.“ Dieses, wie gesagt, ohne Froschpräparat ermittelte Ergebnis wird nun sonderbarerweise auch auf das mit dem Froschkörper verbundene System übertragen, d. h. es wird angenommen, dass durch die Aorta des Frosches bei kontinuierlich geöffnetem Hahn viermal soviel Kochsalzlösung strömen müsse als bei rhythmisch geöffnetem, wenn am Präparat keine Änderung vor sich gehe. Dieser Sehluss enthält aber einen Fehler, da die Bedingungen der Strömung in dem System durch den Anschluss des Froschpräparates wesentlich geändert werden: Bei freier Mündung des Schlauches nämlich sinken Druck und Strömung nach Schluss des Hahnes plötzlich auf den Wert Null. Nach der Verbindung des Systems mit der Aorta aber ist dies nicht mehr der Fall, weil während der Öffnung des Hahnes die Kapazität der Bahn (infolge der Elastizität und des Widerstandes im Kapillargebiet) zunimmt und nach Schluss des Hahnes die Bahn vermöge ihrer elastischen Spannung sich langsam entleert. Es findet also Strömung nicht allein während eines Viertels der Gesamtperiode statt, sondern, wenn die Pulse sich nicht allzu langsam folgen, während der ganzen Periode. Wie lange das Absinken des Druckes nach Schluss des Hahnes dauert, hängt einerseits von der Volum- elastizität der Bahn, die vom Hahn bis zum Kapillargebiet gerechnet werden muss, und andererseits von ihrem Widerstand ab. Daraus geht hervor, dass die den Versuchen Hamels zugrunde liegenden Voraussetzungen unhaltbar und die Er- gebnisse daher aller Wahrscheinlichkeit nach nicht richtig sind. In meinen eigenen Versuchen wurde ein Strom von Ringer’scher Lösung mit Zusatz von defibriniertem Froschblut abwechselnd unter konstantem und rhythmischem Drucke durch die Hinterbeine des Frosches geleitet, und es wurde in allen Versuchen der einwirkende Druck, das Stromvolumen sowie die Zeit der Durchströmung gemessen. Um die Fehlergrenzen der Methode kennen zu lernen, ! wurden zuerst Versuche an einem in Fig. 1 skizzierten Schema an- gestellt, in dem das Froschpräparat durch eine Glaskapillare ersetzt ist. | | \ | | \ \ } \ Vergleichung der bei konst. und rhythm. Druck durch die Hinterbeine etc. 90 Die mit destilliertem Wasser gefüllte Bürette BD!) wird durch einen mit einer Kurbel versehenen Hahn 7 mit einem T-Rohr 7 verbunden und an dieses wieder mittels eines Gummischlauches @ von angemessener Länge die Kapillare C angeschlossen, die einen unveränderlichen Widerstand bildet. Der Schlauch @ stellt einen Windkessel von bestimmter Volumelastizität dar, der bei rhyth- mischem Zufluss das plötzliche Absinken des Druckes auf Null nach dem Hahnschluss verhindert. Der freie Schenkel des T-Rohres führt zum Federmanometer M. Die Bürette 5 ist mit einer in der Figur nicht gezeichneten grossen Druckflasche- verbunden, in der mit Hilfe einer Fahrradpumpe der Druck auf die gewünschte Höhe (30—50 em Wasser) gebracht wird. Bei den Versuchen wurden nun Druck, Stromvolumen und Zeit gemessen: a) bei dauernd geöffnetem Hahn, b) bei rhythmischer Öffnung und Schliessung des Hahnes. Diese wurde mit der Hand nach dem Rhythmus eines Metronoms ausgeführt. Die Zahl der Pulse schwankte zwischen 50—70 pro Minute. Aus den gemessenen Werten wurde dann das pro Druck- und Zeiteinheit ausgeflossene Stromvolumen bestimmt und die unter a) und b) gewonnenen Werte verglichen. Über die Messungen ist noch folgendes zu sagen: l. Sowohl der konstante wie der rhythmische Druck wurden durch das Federmanometer registriert. Ein Beispiel der ‚erhaltenen Kurven gibt Fig. 2, S. 103. Zur Bestimmung des 1) Der Querschnitt der Bürette war derart, dass der 2 ccm enthaltende Flüssigkeitszylinder eine Höhe von 13 mm hatte. ® 100 Fritz Schaefer: Mitteldruckes bei den rhythmischen Schwankungen wurden Maxima und Minima aller Pulse gemessen und daraus das Mittel gezogen. Dieses wurde noch in der Weise korrigiert, dass an einem einzelnen der sich gleichenden Pulse der Mitteldruck durch Ausmessung zahlreicher Ordinaten möglichst genau bestimmt und mit dem aus Maximum und Minimum berechneten Mittelwert ver- glichen wurde. Der Vergleich ergibt dann die notwendige Korrektur des aus Maxima und Minima der Pulse bestimmten Mittelwertes. 2. Die Zeit wurde durch einen Chronographen auf dem Kymo- graphion unterhalb der Druckkurve in Sekunden registriert. 3. Die Ausflussmengen wurden durch Ablesen an der Bürette bestimmt, und zwar waren sie am Schema je =1 ccm, am Froschpräparat je =2 cem. Tabelle je Die unter konstantem und rhythmischem Druck durch die Kapillare des Schemas strömenden Flüssigkeitsmengen. 1 aaa 6:.| 2, | So A. Druck: konstant B. Druck: rhythmisch Nummer | = = = Be = | der Sol Er 8 |‘ Wear |. «8 S iX E5 aa ae ae | 5:5 5b = 5 n2 28 AS3 = 8 iS SE a == 2 = == 1 2282,90.) 0,48 | 67-223 | 142 | 13,9 0,51 2 94 | .92 | 0,48 | 61-209 | 140 | 14,6 0,49 3 21 93 048 | 59-213 | 186 | 14,6 0,50 4 2199| 95 tı | 04 58-212 | 135 | 152 1 | 0,49 5 214 | 95 0,49 | 57—201 | 129 | 15,5 0,51 6 197 | 10,4 0,49 | 55—197 | 126 | 15,6 0,51 7 194 | 10,6 0,48 | 51-198 | 122 | 16,5.) 0,50 Mittel |28 | — | — | 0,48 = in | om Das Ergebnis eines solchen Versuches ist in Tab. I mitgeteilt. Sie zeigt in Spalte 5 die unter konstantem Druck pro Druck- und Zeiteinheit durch die Kapillare fliessenden Mengen. Zwischen den einzelnen Messungen finden sich Abweichungen von 2°%0; der Mittel- wert beträgt 0,48. | Für rhythmischen Druck sind die entsprechenden Werte in Spalte 10 verzeichnet. Sie zeigt, dass die Schwankungen zwischen den einzelnen Versuchen etwas grösser sind als bei konstantem Vergleichung der bei konst. und rhythm. Druck durch die Hinterbeine etc. 101 Druck, und dass auch der Mittelwert um 4°/o grösser ist. Die Ab- weichung erklärt sich hauptsächlich daraus, dass bei rhythmischem Druck, wo die Dauer der Hahnöffnung überhaupt sehr kurz ist, der Hahnschluss nieht genau in dem Momente erfolgt, in welchem 1 ecem aus der Bürette abgelaufen ist. Der Versuch ergibt also, dass die Fehler der angewandten Methode 4°/o nicht übersteigen‘). Im Tierversuch ist der Fehler keinesfalls grösser, weil als Durchflussmengen in den meisten Fällen nicht 1 cem, sondern 2 cem gewählt wurden; die Ablesungsfehler werden also noch etwas kleiner. Zu den Tierversuchen dienten möglichst grosse Exemplare (ca. 70 g) von Rana esculenta (meist Weibchen), teils Sommer-, teils Winterfrösche. Nach Zerstörung von Gehirn und Rückenmark wurde das Tier exenteriert und in die Bauchaorta etwa 5 mm über ‚der Teilung eine bajonettförmig gebogene Kanüle eingeführt. Häufig wurde noch eine zweite Kanüle in die Bauchvene eingelegt, die den srössten Teil des aus den Beinen stammenden Blutes abführte. Dieses Präparat wurde in das bei den Kapillarversuchen be- schriebene System an die Stelle der Kapillare C (Fig. 1) eingesetzt, indem die eingebundene Kanüle mit dem T-Rohr 7 durch einen etwa 5 cm langen, 3 mm weiten Gummischlauch verbunden wurde. Als Durch- strömungsflüssigkeit diente Ringer’sche Lösung, welcher das vom Tiere gewonnene defibrinierte Blut zugesetzt war. Dann wurde die Bürette B mit der Druckflasche verbunden, in welcher ein Druck von 30—50 em Wasser hergestellt war. Der Rhythmus der künstlichen Pulse wurde wieder vom Metronom geregelt und dessen Schlagzahl so eingestellt, dass der Druck stromabwärts vom Hahn während der Diastole nicht unter 10—20 em Wasser sank; dies war bei etwa 60 Schlägen pro Minute der Fall. In dieser Weise wurden sechs unter sich übereinstimmende Versuchsreihen ausgeführt. Ein Beispiel der Ergebnisse ist in Tab. Il mitgeteilt. In Spalte 5 und 9 sind die pro Druck- und Zeiteinheit ausgeflossenen Volumina verzeichnet bei konstantem bzw. rhythmischem Druck. In beiden Stäben weichen die Einzelmessungen wieder um 1) Dieser Schluss ist allerdings nur unter der Voraussetzung richtig, dass das Poiseuille’sche Gesetz auch für rhythmischen Druck gilt. Das ist aber in hohem Grade wahrscheinlich. Vgl. K. Hürthle, Über die Viskosität des lebenden Blutes. Pflüger’s Arch. f. d. ges. Physiol. Bd. 82 S. 421. 1900. 102 Fritz Schaefer: wenige Prozent voneinander ab. Dagegen besteht ein sehr grosser Unterschied von ca. 35°/o zwischen den Durchflussmengen bei kon- stantem und rhythmischem Druck, und zwar in dem Sinne, dass bei rhythmischem Druck ein Drittel weniger Flüssigkeit dureh das Präparat strömt als bei konstantem. Dieses weit ausserhalb der Fehlergrenzen der Methode liegende Ergebnis wurde, wie gesagt, mit kleinen Abweichungen in allen Versuchen übereinstimmend beobachtet und steht in schroffem Widerspruch zu dem der Hamel’schen Versuche. Tabelle I. Die unter konstantem und rhythmischem Druck durch das Frosch- präparat strömenden Flüssigkeitsmengen. 1 a une 6 1.70 el A. Druck: konstant B. Druck: rhythmisch Nummer = = = ke der SION le „8 Sy EN EN 5 =% Messung | ZU | 33 5355| == SS | 34 E58 == a (==0© z=Z|E Se Sin Were ls en ee Jertesın |@2e = 3 | 1 77 82 3,2 52 20 159 2 13 8,8 1 47 22 1,9 3 68 9,8 9 3,0 38 25,9 2 2,1 4 60 10,3 3,2 33 28 2,1 h) 86 7,9 3,1 50 20,1 2,0 6 75 8,6 3,1 45 20,8 Benz! Mittel 73 — _ 31 44 — —_ 2,0 Einen Anhaltspunkt zur Aufklärung bietet die Betrachtung der in Spalte 2 und 6 verzeichneten Werte des Mitteldruckes: Dieser beträgt im Mittel aus sechs Messungen bei konstantem Druck 73 em, bei rhythmischem aber nur 44 cm Wasser. Diese Differenz kann nun sehr wohl die Ursache des überraschenden Ergebnisses sein, denn die Anwendung des Poiseuille’schen Gesetzes auf Strömungen unter rhythmischem Druck ist natürlich nur für starre Röhren zulässig, nicht aber für elastische, da bei diesen der Wider- stand nicht unveränderlich ist, sondern mit der unter wachsendem ' Druck eintretenden Dehnung der Gefässwand abnimmt. Tatsächlich ist ja schon von Hürthle!) am Blutstrom des lebenden Hundes 1) K. Hürthle, Über die Beziehung von Druck und Geschwindigkeit des Blutes in den Arterien. Pflüger’s Arch. Bd. 147 S. 571. 1912. } N ! \ Vergleichung der bei konst. und rbythm. Druck durch die Hinterbeine etc. 103 nachgewiesen worden, dass die Stromstärke mit sinkendem Druck in rascherem Verhältnis abnimmt als der Druck. Dass die Ungleich- heit des Mitteldruckes wirklich die Ursache der relativ geringeren Stromstärke bei rhythmischem Druck ist, lässt sich dadurch beweisen, dass man den Mitteldruck bei gleichförmiger und rhythmischer Durchströmung annähernd gleich macht. Bei den in Tab. II mit- geteilten Versuchen wurde für konstanten und rhythmischen Strom dieselbe Druckkraft benutzt (die in der Druckflasche eingeschlossene komprimierte Luft). Es ist daher einleuchtend, dass bei der rhyth- mischen Strömung der Mitteldruck ein geringerer sein muss, da die Druckkraft nur während eines Bruchteiles der Durchströmungszeit, nämlich während der Hahnöffnung, einwirkt. Um Gleichheit des Mitteldruckes in beiden Fällen zu erzielen, muss man die bei rhyth- mischer Durchströmung einwirkende Druckkraft gegenüber der bei | N Fig. 2. Druckkurven beim Übergang vom konstanten zum rhythmischen Druck bei annähernd gleichen Werten der Mitteldrucke. der eleichförmigen wirksamen erhöhen. Dies geschah durch An- wendung einer zweiten Druckflasche, die zusammen mit der ersten durch einen Dreiweghahn derart an die Bürette D der Fig. 1 angeschlossen wurde, dass durch Änderung der Hahnstellung abwechselnd die erste oder die zweite Flasche mit der Bürette ver- bunden wurde. In der ersten Flasche wurde ein Druck von ca. 30 cm, in der zweiten von ca. 70 cm Wasser hergestellt und für konstante Strömung der kleinere, für rhythmische der grössere Druck benutzt; die registrierten Druckkurven haben die in Fig. 2 abgebildete Form. Mit dieser Anordnung wurden drei weitere unter sich überein- stimmende Versuche angestellt; das Ergebnis des dritten, in dem die Mitteldrucke am besten übereinstimmten, ist in Tab. III mitgeteilt. Diese zeigt in Spalte 2 und 7, dass die Mittelwerte des Druckes, aus den sieben einzelnen Messungen berechnet, fast genau überein- stimmen und die in Spalte 5 und 10 mitgeteilten Strommengen, auf Druek- und Zeiteinheit berechnet, genau gleich sind. Im Falle der Gleichheit der Mitteldrucke verhält sich also die untersuchte Blut- 104 Fritz Schaefer: bahn des Frosches dem Strom gegenüber wie eine Glaskapillare. Ein fördernder Einfluss des Pulses lässt sich nicht feststellen. Tabelle IN. Die unter konstantem und rhythmischem Druck bei gleichem Mittel- druck durch das Froschpräparat strömenden Flüssigkeitsmengen. 1 ale na 6 |. [sa eo A. Druck: konstant B. Druck: rhythmisch Nummer | | | - @ SD m = der Some EN I »5R | 5 |. u) Si Messung SS S< BER! = SE; SE == B5s = E 85 AT as’| Ee2 | SE3 |=5 AT as E= mo > = = GE (>) Is! © > B- = ai ı == SEE == 1 za 50 | 25-157 | 74 | 56 4,8 2 zes 1 45 [795-1482 690 2631 4,7 3 64 a6 50 |. 25 1382| 600. 08607 4,7 4 60 | 73 Do, 1 93130 2600 a | As 5 BO 148.232 119 | 057 0 80L 4,3 6 5 | 86 4.2 1.90 1060 Doch 5 4,8 7 SIE RELE 2 ER 4,6 Mittel | @&3| — ı — | 46 — 169) — | — | 46 Das Ergebnis der mitgeteilten Versuche lässt sich folgender- maassen zusammenfassen: 1. Die Angabe Hamel’s, „dass die rhythmisch gespeisten (Gefässe bei weitem mehr Flüssigkeit durchtreten lassen als die kontinuierlich durehströmten“, kann nicht bestätigt werden. Das Ergebnis Hamel’s beruht darauf, dass die Voraussetzungen, unter denen die Versuche berechnet wurden, in Wirklichkeit nicht er- füllt sind. 2. Die unter konstantem und rhythmischem Druck durch die (sefässe der Hinterbeine des Frosches getriebenen Flüssigekeitsmengen sind gleich, wenn die in beiden Fällen einwirkenden Mitteldrucke gleieh sind. 3. In der Blutbahn des Frosches besteht keine Proportionalität zwischen Druck und Strömung. Bei sinkendem Druck nimmt die Strömung rascher ab, als dem Druck entspricht. Das Poiseuille’sche Gesetz gilt nicht für den Tierkörper. In einer nach Abschluss der vorliegenden Versuche erschienenen Abhandlung: „Vergleichende Versuche über die Wirkung rhythmischer Vergleichung der bei konst. und rhythm, Druck durch die Hinterbeine etc. 105 und kontinuierlicher Durchspülung“, ist Gerlach!) zu einem über- einstimmenden Ergebnis gekommen: „Bei sämtlichen Versuchen floss während der rhythmischen und kontinuierlichen Durchströmung in der Zeiteinheit die gleiche Flüssigkeitsmenge durch.“ Das Ergebnis ist aber nur ein beiläufiges, und es sind nirgends die angewandten Drucke angegeben, so dass ein weiterer Vergleich mit meinen Fr- gebnissen nicht möglich ist. Schliesslich bemerke ich, dass das unter Punkt 2 mitgeteilte Ergebnis durch Anwendung gefässerregender Mittel wesentlich ab- geändert wird. In diesem Falle zeigt sich eine bedeutende Über- legenheit des rhythmischen Druckes. Die Mitteilung der noch nicht abgeschlossenen Versuche wird in kurzer Zeit erfolgen. Meinem verehrten Lehrer, Herrn Geheimrat Prof. Dr. Hürthle, spreche ich für die Überlassung des Themas und die Förderung bei _ der Arbeit aufrichtigen Dank aus. 1) Paul Gerlach, Pflüger’s Arch. Bd. 147 S. 71. 1912. 106 Henri Fredericg: (Aus dem physiologischen Institut der Universität Lüttich.) Die Hering’sche Theorie gibt keine Erklärung für den an ausgeschnittenen Herzmuskel- stücken hervorgerufenen Pulsus alternans. Von Henri Frederieq in Lüttich. (Mit 2 Textfiguren.) Bekanntlich ist H. E. Hering „auf Grund der die Herz- tätigkeit bestimmenden Gesetze deduktiv zudemEr- sebniss gekommen, dass dem Herzalternans eine periodisch wiederkehrende partielle Asystolie zu- srunde liegt‘). Mit Hilfe der Suspensionsmethode soll er diese bei der kleinen Systole des Pulsus alternans wiederkehrende partielle Muskelruhe an Säugetierherzen auch experimentell nach- gewiesen haben. „Warum spricht ein Teil der Muskelfasern hier aufden Leitungsreiz nichtan? Weilersichnochinderrefrak- tären Phase befindet,“ antwortet Hering, d.h. „mit anderen Worten, weil dieser Teil der Muskelfasern eine längere refraktäre Phase besitzt als andere Muskelfasern, die auf den Leitungsreiz ansprechen?).“ 1) H.E. Hering, Experimentelle Studien an Säugetieren über das Elektro- | kardiogramm. Zeitschr. f. exper. Pathol. u. Therapie Bd. 7 S. 363. 1909. 2)H. E. Hering, Die Erklärung des Herzalternans und seine Beziehung zu den extrakardialen Herznerven. Zeitschr. f. exper. Pathol. u. Therapie Bd. 10 S. 17. | Die Herin g’sche Theorie gibt keine Erklärung etc. 107 In einer vor kurzem erschienenen Mitteilung!) bespricht H. E. Hering meine Versuche über die alternierenden Zuckungen, die man an ausgeschnittenen, noch lebendigen Herzstückchen durch rhythmische Einzelreize hervorrufen kann — Versuche, die meiner Meinung nach, gegen die Hering’sche Theorie des Herzalternans durch partielle Asystolie wegen Verlängerung der refraktären Phase sprechen °). „Dass auch solche Stücke im Alternans schlagen können, ist mir sehr wohlbekannt,“ sagt H. E. Hering!) (S. 326), „neu ist mir nur, dass diese Tatsache zu meiner Auffassung nicht passen soll“ und!) S. 327: „Die Meinung von Henri Fredericq, dass irgendwelche in seiner Mitteilung veröffentlichten Versuche zu meiner An- schauung über den Herzalternans nieht passen würde, trifft in keiner Hinsicht zu.“ Wenn H. E. Hering sagt, dass er den Alternans von aus- geschnittenen Herzläppehen vor der Veröffentlichung meiner Ver- suche sehr wohl kannte, so kann das nur so gedeutet werden, dass diese Hering’sche Behauptung sich auf die 1906 publizierten ähnlichen Weekers’schen Versuche bezieht?): Denn es ist wohl nicht denkbar, dass Hering auf Grund eigener, noch nicht publi- zierter Versuche für sich selbst die Priorität dieser Entdeckung be- ansprucht. Auch werde ich mich sowohl auf die Weekers’schen als auch auf meine eigenen Versuche berufen, um H. E. Hering „begreif- lich zu machen, warum diese Versuche seiner Auf- fassung nicht passen“ |[Hering!) S. 325]. Die elektro- graphischen Kurven werde ich beiseite lassen, da Hering nur von Elektrokardiogrammen hören will, die mit dem grossen Modell des Einthoven’schen Apparates gewonnen sind. 1) H. E. Hering, Zur Erklärung des Herzalternans (zugleich eine Kritik der einschlägigen Arbeiten von L,&on und Henri Fredericg). Zeitschr. f. exper. Pathol. u. Therapie Bd. 12 S. 325—327. 1913. 2) Henri Fredericg, La contraction alternante du myocarde et son electrogramme. Arch. intern. Physiol. t. 12 p. 96. 1912. 3) L. Weekers, Proprietes du muscle cardiaque isol& du chien. Arch. intern. Physiol. t. 4 p. 76—86, 14 Fig. 1906. 108 Henri Fredericg: 1. Die durch die H. E. Hering’sche Theorie postulierte par- tielle Asystolie ist bei sorgfältigster Beobachtung selbst an den kleinsten, bisweilen nur 1 mm dicken (z. B. aus der rechten Vor- kammer stammenden) Herzmuskelstückehen mit blossem Auge nicht zu konstatieren. Der Lappen kontrahiert sieh augenscheinlich gleich- mässig in seiner ganzen Masse, das eine Mal stark, das andere Mal schwach !). | Um die Hering’sche Hypothese hier zu retten, müsste man annehmen, entweder dass der bei der schwachen Systole nicht mit- zuckende Teil in allen Versuchen zufällig immer im Zentrum des Muskelstückcehens verborgen liegt, oder dass zuckende und nicht- zuekende Teile mikroskopisch so innig verflochten seien, dass sie sich der direkten Beobachtung entziehen. Diese beiden Annahmen sind übrigens mit den Hering’schen Beobachtungen im Widerspruch. „Mit anderen Worten,“ schreibt H. E. Hering?), „handelt es sich beim Alternans zur Zeit der kleinen Systole um einen par- tiellen Systolenausfall, d. h. ein Teil der Muskulatur reagiert, auf die ankommende Erregung nicht; dieser Teil wird mit der Zu- nahme des Alternans immer grösser und grösser und damit die kleinere Systole immer kleiner und kleiner, bis sie schliesslich eventuell ganz verschwinden kann. Dann ist zwar die ganze Mus- kulatur des betreffenden Herzabschnittes in jene Zustandsänderung gelangt; es besteht aber kein Alternans mehr, sondern totaler Systolenausfall.“ 2. Die sinnreiche Erklärung der periodischen Asystolie durch Verlängerung der refraktären Phase macht dem Schöpfungsgeist Hering’s grosse Ehre, ist aber mit der Tatsache im Widerspruch, dass man das Intervall zwischen der schwachen und der voran- gehenden starken Systole beliebig verlängern kann, ohne den Alternans zum Verschwinden zu bringen (s. Fig. 1). Erst wenn dieses Intervalleinen 1) L’examen attentif du lambeau musculaire montre que cette alternance reside bien dans une difference d’energie de contraction de la fibre cardiaque et non dans le fait que deux groupes de fibres se contracteraient alternativement. Weekers p. 3. 2) H. E. Hering, Das Wesen des Herzalternans. Münchener medizin. Wochenschr. Nr. 27, 7. Juli 1908, S. 1417—1421 (S. 1420), 5 Fig. Die Hering’sche Theorie gibt keine Erklärung etc. 109 sehr hohen Wert überschreitet, bekommt man aufeinanderfolgende, sleichmässige Zusammenziehungen. Endlich sei noch hervorgehoben, dass die Zuekungen der ausge- schnittenen Herzmuskelstücken noch andere Formen der Periodizität als den einfachen Alternans aufweisen können. Fig. 2 (aus der Weekers- schen Arbeit entnommen) zeigt uns z. B. Gruppen von zuerst auf-, 5 Sek. H: 7 Sek. 1: 10 Sek. @: Die vier aufgeschriebenen Pulsreihen folgen beinahe 3 Sek. F: 4 Sek. Die Zeit- und Reizmarken (R) sind nur für die letzte Pulsreihe angegeben. (Auf !/e reduziert.) D: A Sck. E: Fig. 2. 3 Sek. us dem linken Ventrikel ausgeschnittenen Muskelstückchen (durch einzelne elek- ans nicht zum Verschwinden zu bringen. erlängerung und Variierung des Zeitintervalls zwischen zwei aufeinanderfolgenden Reizen (Gruppe A: 1 Sek. B: 2 Sek. 0: K: 15 Sek.) ist der Altern dann absteigenden Zuckungen, und zwischen je zwei Gruppen ist eine starke Systole eingeschaltet. Hier trifft wiederum die Erklärung der partiellen Asystolie nicht zu. Ich erkenne gern an, dass weder Hering noch seine Schüler die Existenz eines Vorhofalternans seleugnet haben, wie ich es irr- Fig. 1. Hund, 4 kg. Myogramme eines a trische Momentanreize ausgelöst). Trotz V unmittelbar aufeinander. 110 Henri Fredericq: Die Hering’sche Theorie etc. tümlich angegeben hatte. Aber die anderen Vorwürfe, die Hering mir macht, nämlich die Widersprüche, die er in meiner Arbeit zu finden glaubt, muss ich zurückweisen. Auf diese polemischen: Er- örterungen werde ich nicht eingehen, da sie kein wissenschaftliches Interesse darbieten. Nur will ich noch bemerken, dass meine Versuche über in alternierender Weise schlagende Herzmuskelstückchen an Hunde-, nicht an Kaninchenherzen angestellt worden sind. Die Lautähnlichkeit von chien, esp&ce ecanine und Kaninchen ist wahrscheinlich Schuld an diesem übrigens unbedeutendem Irrtum Hering’s. 111 Erklärungsversuch der U-Zacke des Elektrokardiogramms als Elektroangiogramm. Von Prof. H. E. Hering (Prag). Im Jahre 1906 beschrieb W. Einthoven!) die U-Zacke mit folgenden Worten auf S. 149: „Ce sommet, que nous indiquerons par U, n'est egalise que 0,5 sec. & peu pres apres le commencement de la systole; ce qui prouve que dans ce cas pathologique la systole elle-möme dure au moins 0,5 sec., et est done caracterisee non Seulement par une eontraction irreguliere, mois encore par une duree extraordinaire- ment longue“. Die Fig. 23, welche diese U-Zacke zeigt, stammt angeblich von einem Fall mit Myodegeneratio cordis. Durch diese klinische An- sabe ist Einthoven vermutlich mit bestimmt worden, in der in Fig. 23 abgebildeten U-Zacke einen Beweis für die ausserordentlich lange Dauer der Systole in diesem pathologischen Fall zu erblicken. Kürzlich ist W. Einthoven?) etwas näher auf die U-Zacke eingegangen, nachdem schon vorher Th. Lewis und M. D. D. Gilder?) sich ausführlicher mit dieser Zacke beschäftigt hatten. Auch in seiner letzten Mittheilung bezieht Einthoven die U-Zacke auf die Kammereontraection, indem er S. 80 sagt: „Ein bedeutender Theil des Herzens kann schon in den Erschlaffungszustand über- gegangen sein, so dass der Druck in den Kammerhöhlen so gut wie ganz verloren gegangen ist, während doch noch einige Fasern sich im Contraetionszustande befinden. Erst wenn diese letzteren voll- ständig erschlafft sind, hat die U-Zacke ihr Ende erreicht.“ Lewis und Gilder enthalten sich einer Erklärung, gaben aber von der U-Zacke folgendes an: 1) Arch. intern. de Physiol. t. 4 fasc. 2. September 1906. 2) Pflüger’s Arch. Bd. 149 S. 78. November 1912. 3) Philosoph. Transact. of the Royal Soc. of London B vol. 202 p. 351. Juni 1912. Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd. 151. 8 112 H. E. Hering: „It follows the elosure of the seminular valves and streteches into diastole for a variable distance. The whole of the diastolie portion of the eurve may le slightly bowed or, on the other hand, a prominent summit may be found in the early part of diastole. It is most prominent and is of most frequent occurence in lead II.“ Da mir die Auffassung von Einthoven nicht mehr!) zutreffend erschien, weil die U-Zacke auch bei Herzgesunden zu beobachten ist und nach meinen experimentellen Curven die Dauer des Elektro- kardiogramms mit der Dauer des nach der Suspensionseurve auf- genommenen mechanischen Kardiogramms übereinstimmt (wenn man die U-Zaecke nicht dazu rechnet), überlegte ich mir, wie diese Zacke zu erklären sei. Zunächst dachte ich daran, ob sie vielleicht der Ausdruck des hypothetischen „Herzmuskeltonus“ sein könnte. Verschiedene Um- stände, auf die ich hier nicht näher eingehen will, bestimmten mich, diese Annahme fallen zu lassen. Das späte Erscheinen der U-Zacke, ihr noch späteres und allmähliges Abklingen und der Umstand, dass sie der mechanisch aufgenommenen Kamnneraetion nachfolgt, liessen mich dann daran denken, dass die U-Zacke vielleicht der elektrische Ausdruck einer Action der Arterien Sei. Mit dieser Vermutung hervorzutreten, schien mir so lange etwas gewagt, als noch nichts über einen solehen elektrischen Ausdruck einer Action der Gefässe bekannt war, den ich als Unterstützung hätte anführen können. Auch eine Anfang dieses Jahres erfolgte kurze Mittheilung über „Das Elektroangiogramm bei Menschen und Thieren“ von A. Bittorf?) konnten mich zur Veröffentlichung meiner Vermutung noch nicht bestimmen. Jetzt ist aber eine Mittheilung von K. Hürthle®) „Über “pulsatorische elektrische Erscheinungen an Arterien“ erschienen, in denen Hürthle experimentelle Beobachtungen mittheilt, die geeignet zu sein scheinen, meine Vermutung zu stützen. Unter dem Einfluss einer raschen Dehnung der Arterien des l) Es sei bemerkt, dass ich im Jahre 1909 (Pflüger’s Arch. Bd. 127) unter dem Einflusse der citirten Angabe von Einthoven aus dem Jahre 1906 an die Zugehörigkeit der U-Zacke zur Kammerthätigkeit noch glaubte, bald darauf aber an der Auffassung Einthoven’s zweifelhaft wurde. 2) Zentralbl. f. innere Med. 1913 Nr. 4. 5) Skandin. Arch. f. Physiol. Bd. 29 S. 100. 1913. | | | f | Erklärungsversuch der U-Zacke des Elektrokardiogramms etc. 113 Hundes beobachtete Hürthle eine electrische Schwankung, die etwa 0,02 bis 0,04 Sekunden nach Beginn der mechanischen Druck- schwankung auftrat. Da die U-Zacke des Elektrokardiogramms dem Beginn des Carotispulses viel später nachfolet, könnte man im ersten Augenblick darin einen Einwand gegen die Annahme sehen, dass die U-Zacke _ der elektrische Ausdruck einer Action der Arterien sei. Dieser Ein- wand wird aber hinfällig, da der absteigende Schenkel des von Hürthle abgebildeten monophasischen Aetionsstromes sehr lang ist. Darnach wäre anzunehmen, dass das Elektroangiogramm schon viel früher beginnt als zur Zeit der U-Zacke, aber durch die T-Zacke verdeckt wird und erst nach dem Ende der T7-Zacke als jene U-Zacke zum Vorschein kommt. Sehr gut passt zu meiner Auf- fassung das allmähliche Abklingen der U-Zacke. Gegen meine Auffassung lässt sich nicht einwenden, dass die U-Zacke nach Einthoven zu den inconstanten Zacken zu rechnen sei. Soweit meine Erfahrung reicht, ist mir aufgefallen, dass sie besonders bei Ableitung II deutlich ist, und dies haben, wie erwähnt, schon Lewis und Gilder angegeben, und zwar fanden sie die U-Zacke bei Ableitung II 44mal bei 49 Menschen; sie war also nur fünfmal nicht nachweisbar. Wenn man nun bedenkt, wie wenig prominent die U-Zacke oft ist, dass sie in die Zeit des abfallenden Schenkels des angenommenen Elektroangiogramms fällt und durch die 7-Zacke zum Theil verdeckt wird, ist es leicht verständlich, dass sie selbst bei Ableitung II zuweilen schwer nachweisbar ist. Dass die U-Zacke bei Ableitung I 32 mal bei 49 Menschen, bei Ableitung III l4mal bei 30 Menschen von Lewis und Gilder beobachtet wurde, dürfte nach den Ergebnissen der Ableitung II wohl mit von der Art der Ableitung abhängen. Mit meiner Vermutung liesse sich vielleicht auch die von Einthoven S. 84 hervorgehobene Thatsache erklären, dass, wie in seiner Fie. 7, so auch sonst oft die Kurve während der Diastole höher steht als zwischen P und der QRS-Gruppe. Es sei darauf hingewiesen, dass in meinen vom Hund stammenden Elektrokardiogrammen in der eitirten Mittheilung vom Jahre 1909 in verschiedenen Curven, z. B. in Fig. 2 U, zu sehen ist, dass jedoch mit Bezug auf den Niveauunterschied der Streeke zwischen P und der QRS-Gruppe einerseits und der Strecke nach 7’ anderer- seits z. B. die Fig. 5 meiner Mittheilung zeigen, dass auch bei isolirter Contraetion der Vorhöfe das Ende von P tieferstehen kann SEE 114 H. E. Hering: Erklärungsversuch der U-Zacke etc. als sein Beginn, wohl als Ausdruck einer Zweiphasigkeit des Actions- stromes der Vorhöfe. Falls nach meiner Annahme der Anfang des Elektroangiogramms von der T-Zacke verdeckt wird, ist auch die Beeinflussung der letzteren durch das Elektroangeioeramm in Zukunft zu beachten. Da Einthoven!) in seiner Mittheilung vom Jahre 1908. auf S. 579 mit Bezug auf Fig. 37 von einer eigenthümlichen Verdoppelung der Spitze 77, spricht, die zweite aber als U auffasst, sei bemerkt, dass in meinen experimentell gewonnenen Öurven aus dem Jahre 1909 sich es wirklich um Verdoppelungen (Spaltung, Zweizackiekeit) der Zacke T handelt, denn mit Einrechnung der zweiten Spitze 7 ist das Kammerelektrogramım hier so lang als das gleichzeitig mit auf- genommene mechanische Kardiogramm, und in Fig. 13 tritt die Zweizackiekeit von 7 gerade dann auf, wenn die kleinere Kammer- eontraetion in der Carotiseurve keinen Puls hervorruft. Experimentell gedenke ich die U-Zacke noch weiter zu studiren; es sei nur noch erwähnt, dass ich im Jahre 1911 bei einer Katze bei Ableitung II Elektrokardiogramme aufgenommen habe, nachdem ch die Kammern an der Atrioventriculargrenze zuerst abgebunden, bei späteren Aufnahmen abgeschnitten hatte, die Kammern aber in der Lage liegen liess, wie sie vor der Abschneidung lagen. Hier war von einer U-Zacke gar nichts zu bemerken, während vorher die Curve nach dem Ende der T7-Zacke bis zur nächsten Vorhofzacke deutlich anstieg. Nur an einer Stelle war am Ende der T-Zacke noch eine Erhebung; doch rührte diese von den dissociirt von den Kammern schlagenden Vorhöfen her. Es ist klar, dass die U-Zacke nur bei nicht zu rascher Schlag- folge zu sehen ist; denn wenn sich P direkt an 7 anschliesst, wird sie auch von P verdeckt. Beim Menschensieht man U bei Ableitung II in der That bei etwas seltenerer Schlagfolge (so um 60 herum) oft am deutlichsten ausgeprägt. Inwieweit die U-Zacke, falls sie mit der pulsatorischen Gefässdehnung zusammenhängt, in ihrer Grösse durch die Grösse des pulsatorischen Druckzuwachses mit bestimmt wird, darüber, wie über verschiedene andere Fragen jetzt etwas zu sagen, wäre verfrüht, solange mein Erklärungsversuch nicht noch weiter gestützt ist. 1) Pflüger’s Arch. Bd. 122. 1908. 2) Zeitschr. f..exper. Path. u. Therapie Bd. 7 S. 363. 1909. 115 (Aus dem physiologischen Institut der Universität Jena.) Ultramikroskopische Beobachtungen an Muskel- und Geisselzellen. Von Hans Stübel. Eine Reihe physiologischer und physikalisch-chemischer Er- scheinungen haben Höber!) dahin geführt, die Hypothese auszu- _ sprechen, dass im Erregungsvorgang als Komponente ein Kolloid- vorgang, eine Veränderung des kolloidalen Zustandes der erregbaren Substanz, enthalten ist. Auf Grund dieser Hypothese hat Höber:) versucht, direkt einen derartigen Kolloidvorgang im Nerven zu be- obachten und zwar mit Hilfe der Dunkelfeldbeleuchtung oder, besser gesagt, der Ultramikroskopie. Er beobachtete zu diesem Zwecke verschiedene Nerven (N. ischiadieus des Frosches, N. olfactorius des Hechtes) bei Beleuchtung mit dem Paraboloidkondensor, während sie mit dem Induktionsstrom gereizt wurden. Früher hatte bereits L. Auerbach?) den markhaltigen Nerven mit Hilfe des Ultra- mikroskopes untersucht. Höber konnte nur über negative Versuchs- ergebnisse berichten. Der markhaltige Nerv scheint für eine derartige Untersuchung auch nicht gerade geeignet zu sein. Einmal sind die markhaltigen Nervenfasern verhältnismässig dick und schon daher der ultramikroskopischen Methode schwer zugänglich, und ausserdem werden noch durch die stark lichtbrechende Markscheide ungünstige Beobachtungsbedingungen geschaffen. Dazu kommt, dass es immerhin mit Schwierigkeiten verbunden ist, einen Nerven so zu zerzupfen, dass er einerseits der ultramikroskopischen Beobachtung zugänglich l) Höber, Die physikalisch - chemischen Vorgänge bei der Erregung. Zeitschr. f. allgem. Physiol. Bd. 10 8. 173. 1910. 2) Höber, Untersuchung erregbarer Nerven bei Dunkelfeldbeleuchtung. Ptlüger’s Arch. Bd. 133 S. 254. 1910. — Höber, Physikalische Chemie der Zelle und der Gewebe, 2. Aufl., S.419. 1911. 3) L. Auerbach, Neurol. Zentralbl. 1908 S.994. Pflüger’s Arch. Bd. 143 S. 574. 1911. 116 Hans Stübel: ist, andererseits aber seine normale Funktionsfähigkeit behält. Un- günstig scheinen mir für den markhaltigen Nerven die Verhältnisse auch deshalb zu liegen, weil ja hier der Erregungsvorgang mit einer ausserordentlich grossen Geschwindigkeit abläuft. Aus diesem Grunde ist es sehr wohl denkbar, dass eine während der Erregung auftretende Veränderung des Brechungsexponenten, auch wenn sie vorhanden wäre, sich subjektiv überhaupt nicht an diesem Objekte beobachten lässt. Ebensowenig wie der markhaltige Nerv ist nach Höber der marklose Hechtolfaetorius zur Beobachtung mit dem Ultramikroskop geeignet. Dieselbe Erfahrung habe ich mit den Nervenfasern des Bauchstranges und seiner Seitenäste vom Blutegel gemacht. Hier ist eine fibrilläre Struktur bei Dunkelfeldbeleuchtung nicht oder nur andeutungsweise zu sehen; sie wird vielmehr durch unzählige, stark lichtbrechende Körnchen fast völlig verdeckt. Bei der Bedeutung derartiger Untersuchungen für unsere Auf- fassung von der Natur des Frregungsvorganges ersehien es mir trotz dieser negativen Ergebnisse von Interesse, abgesehen vom Nerven auch andere erregbare Gewebselemente mit Hilfe des Ultramikro- skopes während ihrer Tätigkeit zu beobachten. Auch hier hatte die Untersuchung stets ein negatives Resultat in dem Sinne. dass niemals eine durch den Ablauf des Erresungsvorganges bedingte Helligkeitsveränderung bei Dunkelfeldbeleuchtung wahrgenommen werden konnte. Ich will daher hier nur ganz kurz über meine ultramikroskopischen Beobachtungen an glatten Muskelzellen, an den Myoidfäden von Infusorien sowie an Geissel- und Flimmerzellen berichten. Glatte Muskelzellen schienen mir aus verschiedenen Gründen geeignete Objekte zu sein. Einmal ist hier der Erregungsablauf ein sehr langsamer, und es ist verhältnismässig einfach, geeignete und ausdauernde Präparate herzustellen. Vor allem aber lässt sich an manchen glattmuskeligen Organen eine Erscheinung feststellen, die geradezu darauf hinweist, dass hier der Kontraktionsvorgang mit der Ausfällung eines Kolloides einhergeht, indem nämlich die jeweils kontrahierte Muskelpartie ein trübes, weissliches oder bläu- liches Aussehen erhält. Über derartige Erscheinungen hat Bieder- mann!) bereits früher Beobachtungen angestellt und hat dabei an 1) Biedermann, Studien zur vergleichenden Physiologie der peristaltischen 3ewegungen. II. Die lokomotorischen Wellen der Schneckensohle. Pflüger’s Arch. Bd. 107 S. 15. 1905. Ultramikroskopische Beobachtungen an Muskel- und Geisselzellen. 117 die Möglichkeit einer Kolloidfällung gedacht. So sind z. B. die peristaltischen Bewegungen der Schneckensohle (Helix) besonders deswegen gut zu verfolgen, weil hier mit dem Fortschreiten einer Kontraktionswelle stets eine Trübung und weissliche Verfärbuns der kontrahierten Partie des Sohlenmuskels einhergeht. Bleibt eine der- artige Kontraktionswelle stehen, d. h. verharrt eine Muskelpartie in Dauerkontraktion, so behält diese Stelle die weissliche Verfärbung bis zum Wiedereintritt der Erschlaffung bei. Besonders schön lässt sich diese Trübung und Verfärbung an den glatten Muskeln mancher niederen Meerestiere beobachten, z. B. an den Laternenmuskeln des Seeigels. Diese Muskeln sind in erschlafftem Zustande fast glashell und durchsichtig; kontrahierte Stellen dagegen sind undurchsichtig und haben eine blauweisse Färbung. Wenn auch bei der Beobachtung dieser Erscheinungen der Ge- danke der nächstliegende ist, dass hierbei die Ausfällung eines kolloidalen Körpers vonstatten geht, so darf doch nicht unerwähnt bleiben, dass auch eine andere Deutung dieser Trübungen möglich ist, worauf erst in Jüngster Zeit W. Pauli!) aufmerksam gemacht hat. Nach Pauli können nämlich ganz analoge Erscheinungen durch reversible Wasserverschiebungen in Leimgallerten entstehen. Ebenso könnten nach Pauli auch „reversible Wasserverschiebungen zwischen Muskelplasma und Fibrille“ zu Brechungsunterschieden führen. Die Deutung der Trübung in diesem Sinne lässt sich in Einklang mit der von Pauli aufgestellten Kontraktionstheorie bringen. Mag man jedoch die beschriebenen Erscheinungen auffassen wie man will, so bleibt ein Studium derselben mit dem Ultra- mikroskop doch von Interesse. Bei den ultramikroskopischen Beobachtungen glattmuskeliger Organe bediente ich mich des Siedentopf’schen Paraboloid- kondensors. Dieser wird zwar von dem Kardioidkondensor, den wir gleichfalls Siedentopf verdanken, an Lichtstärke noch über- troffen , ist aber für unsere Zwecke geeigneter, da er eine grössere Sehtiefe und ein weiteres Gesichtsfeld ermöglicht. Als Unter- suchungsobjekt diente mir zuerst die Harnblase desFrosches, welche sich so dünn ausspannen lässt, dass sie bequem bei Dunkel- 1) W. Pauli, Kolloidchemie der Muskelkontraktion. Über den Zusammen- hang von elektrischen, mechanischen und chemischen Vorgängen im Muskel. Dresden und Leipzig 1912. 1318 Hans Stübel: feldbeleuehtung zu betrachten ist. Ein derartiges Präparat gewährt bei Dunkelfeldbeleuchtung eine vorzügliche Übersicht über sämtliche Gewebsbestandteile der Harnblase, die Bündel glatter Muskelzellen, Blutgefässe, diekere Nervenstämme und Epithelzellen, so dass es sich auch zu Demonstrationszwecken gut eignen dürfte. Abgesehen davon, dass es schwierig und mehr oder weniger vom Zufalle abhäneig ist, durch irgendwelche Reize an diesem Präparate die Muskulatur zur Kontraktion zu hringen, ohne gleichzeitig die Exaktheit der Dunkelfeldbeleuchtung zu beeinträchtigen, ist die Beobachtung einer in den Muskelzellen während der Kontraktion eventuell auftretenden Helliekeitsveränderung deswegen erschwert, weil hier auch im er- schlafften Zustande die einzelnen Muskelzellen im Dunkelfeld nicht optisch leer sind, sondern ziemlich helleuchtend erscheinen. Diese letztere Schwierigkeit machte sich auch bei dem zweiten Objekt, welches mir zur Untersuchung diente, dem Museulus retraetor penis der Weinbergschnecke (Helix pomatia), geltend. Dieser Muskel erschien mir deswegen gut geeignet, weil er erstens parallelfaserig ist und zweitens, weil er sich ganz ausserordentlich lang ausdehnen lässt, wobei er sehr dünn wird. Um den Muskel in gedehntem Zustande zu fixieren, wird er am besten mit seinen beiden Ansatz- punkten (Schale und Penis) mit Hilfe von Deckglaskitt auf dem trockenen Objektträger festgeklebt, während der Bauch des Muskels in Schneckenblut unter dem Deckgiase liegt. Selbstverständlich darf aber ein derartiges Präparat nicht maximal gedehnt sein, wenn man an ihm noch Kontraktionserscheinungen wahrnehmen will. Um eine einzelne Stelle des Muskels zur Kontraktion zu bringen, durchströmt man den Muskel mit dem konstanten Strom. Man erhält dann an der Kathode eine Dauerkontraktion, wie das Biedermann!) früher an verschieden glattmuskeligen Organen festgestellt hat. Aber auch an diesem Muskel stellten sich ähnliche Schwierigkeiten wie an der Muskulatur der Harnblase heraus: Die Muskelzellen sind auch im Ruhezustande nicht optisch leer, sondern trübe und noch dazu mit stark liehtbrechenden Körnchen erfüllt. Daher wären an diesem Präparate nur sehr erhebliche Heiligkeitsunterschiede zwischen kon- trahierten und erschlafften Partien bemerkbar geworden; es waren jedoch überhaupt keine derartigen Unterschiede zu sehen. l) Biedermann, Zur Physiologie der glatten Muskeln. Pflüger’s Arch. Bd. 46 S. 398. 1889. Ultramikroskopische Beobachtungen an Muskel- und Geisselzellen. 119 Das günstigste elattmuskelige Organ, welches ich benutzte, waren die Laternenmuskeln der Seeizgel, und zwar nahm ich die Muskeln von kleineren Exemplaren von Strongylocentrotus lividus (aus Triest, Schalendurchmesser bis 5 em). Am besten eieneten sich die Schliessmuskeln der Zähne!). Der Muskel wurde mit den beiden Knochenstücken, an denen er ansetzt, heraus- senommen. die Knochenstücke wurden auf dem Objektträger mit Decksglaskitt fixiert, und der in Seewasser liegende Muskel wurde mit einem Deckglassplitter bedeckt. Da der Muskel sofort in einen tonischen Kontraktionszustand gerät, wenn er entspannt wird, muss man ihn bereits während der Präparation durch vorsichtiges An- hängen eines kleinen Gewichtes ausdehnen. An die Knochenstücke wurden dann unpolarisierbare Pinselelektroden angelegt und der Muskel mit konstantem Strom durchströmt. Die Muskelzellen der Laternenmuskeln haben den Vorzug, dass sie bei Dunkelfeldbeleuchtung optisch fast leer sind und infolgedessen hellkonturiert, aber im Inneren dunkel erscheinen. Jedoch liess sich auch hier an einer kontrahierten Stelle (Kathode) keine Veränderung der optischen Eigenschaften des Zellinhaltes erkennen. Ein viel günstigeres Objekt zum Studium des Kontraktions- vorganges bei Dunkelfeldbeleuchtung als die glatte Muskelzelle ist der Stielmuskel der Vorticellen. Sowohl die Scheide des Stielmuskels als dieser selbst sind optisch fast vollkommen leer, nur auf dem Muskelfaden und in demselben zeigen sich ganz vereinzelt und in unregelmässigen Abständen runde, leuchtende Körper, welche die Beobachtung in keiner Weise stören. Während der Kontraktion des Stielmuskels lässt sich niemals eine Veränderung in seinem Inneren beobachten. Eine Aufhellung könnte höchstens einmal durch eine Übereinanderlagerung einzelner Teile des spiralig aufgewundenen Stieles vorgetäuscht werden. Während also bei allen bis jetzt angeführten Objekten niemals eine Veränderung des Brechungsexponenten der erregbaren Substanz während ihrer Tätigkeit nachweisbar war, liess sich dies bei der Beobachtung mancher Geissel- und Flimmerzellen viel schwerer entscheiden. Da man Geissel- und Flimmerzellen auch noch in sehr dünner Schicht (2—4 u) zwischen Objektträger und 1) Vgl. Lang, Lehrbuch der vergleichenden Anatomie der wirbellosen Tiere S. 992. Jena 1894. 120 Hans Stübel: [2 Deckglas bringen kann, und da es sich hier um die Bewegung einfach gebauter, linearer Objekte handelt, so liegen die Bedingungen für die ultramikroskopische Untersuchung besonders günstig. Man kann mit Vorteil sowohl starke Lichtquellen als starke Vergrösserungen anwenden. Als Lichtquelle diente eine Handregulierbogenlampe, vor welche zur Absorption der Wärmestrahlen eine Küvette mit 1/g0/oiger Kupfersulfatlösung gestellt wurde. Ferner wurde zur Dunkelfeldbeleuchtung der Siedentopf’sche Kardioidkondensor angewendet, der bekanntlich die beste Strahlenvereinigung und somit auch die intensivste Beleuchtung ermöglicht. Der Kardioidkondensor hat für die Untersuchung lebender Objekte auch noch den Vorteil, dass er nur eine sehr kleine, punktförmige Stelle des Präparates beleuchtet, und diese Stelle allein wird der immerhin oft schädlichen Wirkung des intensiven Lichtes ausgesetzt, während das ganze übrige Präparat unversehrt bleibt. Als Objektiv wurde meist Zeiss’ Apo- chromat, 3 mm Brennweite, als Okular dabei Kompensationsokular 12 (Vergrösserung 1000) oder Kompensationsokular 18 (Vergrösserung 1500) benutzt. Zur Beobachtung der Geisselbewegung dienten mir hauptsächlich die Spermatozoen des Frosches (Rana esculenta, seltener R. temporaria), welche den Vorzug haben, dass hier die Geissel- bewegung langsam und sehr regelmässig vonstatten geht. In einem Tröpfehen Hodensubstanz, welches in physiologischer Kochsalzlösung verteilt wird, finden sich neben vielen unbeweglichen auch zahlreiche bewegliche Spermatozoen, so dass in einem solchen Präparat stets reichlich Untersuchungsmaterial vorhanden ist. Am meisten eignen sich solehe Spermatozoen zur Beobachtung, deren Kopf ruhig liegt, während die Geissel sich noch bewest und das Spermatozoon also keine Ortsbewegung mehr ausführt. Der Kopf des Spermatozoons ist optisch leer; sein ultramikroskopisches Bild entspricht also dem der meisten Zellkerne. Der Geisselfaden zeigt sich in Ruhe als ein gleichmässig heller Lichtstreifen, beim Frosch ohne doppelte Kontur. An den Spermatozoen des Frosches sieht man nun unter diesen Umständen eine Erscheinung, die sich auf den ersten Blick in dem Sinne deuten liesse, dass mit der Bewegung der Geissel eine ultra- mikroskopisch sichtbare Veränderung der optischen Eigenschaften ihrer Substanz, nämlich eine Veränderung des Brechungsexponenten, einhergeht. Bei jeder Schwingung der Geissel wandert ein heller Lichtschein von dem Kopf des Spermatozoons aus über die ganze Ultramikroskopische Beobachtungen an Muskel- und Geisselzellen. 121 Geissel weg, in dem Sinne, dass die jeweils am meisten gekrümmte Strecke des Fadens den übrigen Faden an Helliekeit bedeutend übertrifft. Diese Lichterscheinung kann durch Ursachen von zweierlei Art bedingt sein: erstens kann die Erscheinung durch äussere Ur- sachen hervorgerufen werden, die durch die Art der Beleuchtung entstehen, und zweitens können, wie soeben angeführt, Veränderungen der kontraktilen Substanz des Geisselfadens, nämlich Veränderungen des Brechungsexponenten und mithin auch der physikalisch-chemischen Beschaffenheit, also innere Ursachen, in Betracht kommen. Von den äusseren, durch die Beleuchtung gegebenen Ursachen, die derartige Lichterscheinungen bedingen können, ist zuerst ein Fehler zu nennen, der bei Dunkelfeldbeleuchtune sehr leicht zu Täuschungen führen kann, nämlich eine nicht ganz genau allseitige Beleuchtung. Schon eine minimale Drehung des Spiegels genügt, ‚um bei Anwendung des Kardioidkondensors die Beleuchtung völlig ungleichmässig zu machen, indem einerseits dann nur an bestimmten | Stellen Licht abgebeugt wird, während andere Stellen desselben Objektes überhaupt nicht beleuchtet und damit nicht abgebildet werden können. Es ist daher unbedingt notwendig, sich stets vor- erst mit Hilfe einer schwächeren Vergrösserung zu vergewissern, dass die Beleuchtung vollkommen zentrisch ist. Um ganz sicher eine allseitige, gleichmässige Beleuchtung zu erhalten, ist es vorteil- haft, zwischen Spiegel und Kondensor noch eine blaue Mattglasscheibe einzuschalten, welche allerdings die Intensität der Beleuchtung herab- setzt. Es lässt sich nun auch bei vollkommen zentrischer Be- obachtung und bei Zwischenschaltung einer Mattglasscheibe der er- wähnte wandernde Lichtschein beobachten ; jedoch kommt andererseits dieser Lichtschein bei nicht ganz zentrischer Beleuchtung unter Umständen stärker zum Ausdruck, was immerhin schon zu Bedenken "Anlass gibt. Auf eine weitere äussere Ursache, durch die die Veränderung der Helligkeit bei der Bewegung des Geisselfadens der Frosch- spermatozoen hervorgerufen werden könnte, hat neuerdings Sieden- topf!) hingewiesen. Siedentopf hat vor allem an Spirochäten ganz ähnliche Beobachtungen gemacht. Bei der Bewegung einer Spirechäte kann unter Umständen ein ebensoleher wandernder Licht- 1) Siedentopf, Über ultramikroskopische Abbildung linearer Objekte. Zeitschr. f. wissensch. Mikroskopie Bd. 29 S.1. 1912. 122 Hans Stübel: schein auftreten wie bei der Bewegung eines Geisselfadens; anderer- seits kann die Spirochäte während ihrer Bewegung gleichmässig hell erscheinen, oder drittens kann, besonders bei Spirochäten mit steilen Windungen, ein sehr häufiges Vorkommnis, in allen Windungen der Spirochäte ganz gleichmässig eine bestimmte Strecke hell, der übrige Teil der Windung dunkler oder völlig unsichtbar sein. Zwischen diesen verschiedenen Bildern lassen sich alle Übergänge beobachten. Siedentopf konnte nun zeigen, dass hier der wandernde Lichtschein, beziehentlich das abwechselnde Hell- und Dunkelwerden mit Sicher- heit auf äussere Ursachen zurückgeführt werden muss; er fand nämlich, dass ein bei Dunkelfeldbeleuchtung abgebildetes lineares Objekt seine Helligkeit vermindern und schliesslich ganz unsichtbar werden kann, wenn es gegen die Ebene des Mikroskoptisches geneigt ist, bzw. wenn der Winkel, unter dem es gegen die Tischebene geneigt ist, eine bestimmte Grenze überschreitet. Die Länge eines Samenfadens des Frosches war im Verhältnis zu der Dicke des Präparates eine sehr grosse, so dass es nicht möglich ist, dass hier der Samenfaden als ganzes eine Neigung gegen die Tischebene des Mikroskopes annimmt, welche bereits zu Veränderungen der Helligkeit führt. Es wäre aber andererseits möglich, dass bei der immerhin rasch ablaufenden und eine erhebliche Krümmung hervorrufenden Bewegung eine kleine Strecke der Geissel sich so stark gegen die Tischebene neigen könnte, dass dadurch die Erscheinung des wandernden Lichtscheines bedingt würde. Die Möglichkeit, die an den Geisselfäden der Froschspermatozoen bei der Bewegung wahrnehmbare Helliekeitsveränderung lediglich dureh äussere, durch die Beleuchtung bedingte Ursachen zu er- klären, ist somit gegeben. Es erscheint diese Erklärung um so an- nehmbarer, als bei der Bewegung anderer Geisselfäden ähnliche Er- scheinungen nicht beobachtet werden können, oder, wenn ein wandernder Lichtschein auftritt, dieser sich dann ohne weiteres darauf zurückführen lässt, dass die betreffenden Objekte bei ihrer Bewegung eine grössere Neigung zur Ebene des Mikroskoptisches annehmen. Hierüber seien noch kurz einige Beobachtungen mitgeteilt. Die Spermatozoenschwänze der Säugetiere (Maus, Ratte) sind bei Dunkelfeldbeleuchtung von denen des Frosches vor allem dadurch unterschieden, dass der Schwanz nicht einfach, sondern, abgesehen von der Pars terminalis, doppelt konturiert ist. Das Innere des Schwanzes (zwischen den beiden hellen Konturen) ist gleichmässig Ultramikroskopische Beobachtungen an Muskel- und Geisselzellen. 123 dunkel und optisch leer. An den Schwänzen der Säugetierspermatozoen lässt sich ein wandernder Lichtschein nicht beobachten. Das ist um so bemerkenswerter, als hier die Möglichkeit der Entstehung einer stärkeren Neigung zwischen Schwanz und Ebene des Mikroskop- tisches geringer ist als bei den Froschspermatozoen, denn die Spermatozoen der Säugetiere, speziell diejenigen der Maus und Ratte, sind erheblich länger als die des Frosches. Es liesse sich aber einwenden, dass auch die Geschwindigkeit der Bewegung bei den Säugetierspermatozoeu eine viel grössere ist, und dass infolge- dessen etwa bei der Bewegung auftretende Helligkeitsveränderungen der Geisselsubstanz zu rasch ablaufen, als dass sie noch subjektiv beobachtet werden könnten. Um eine so rasch ablaufende Er- scheinung eventuell doch noch wahrnehmbar zu machen, wurde im mikroskopischen Laboratorium der Firma Carl Zeiss unter Leitung ‚von Herrn Dr. Siedentopf eine kinematographische Aufnahme der Bewegung von Mäusespermatozoen angefertigt. Aber auch bei ver- lanssamter Projektion des Films liess sich an den Geisselfäden nirgends eine Helligkeitsveränderung beobachten, die auf eine Ver- änderung des Brechungsexponenten der Substanz der Geissel bezogen werden könnte. Im Gegensatz zu den Säugetierspermatozoen liess sich an den gleichfalls sehr langen Schwänzen der Spermatozoen von Urodelen (Salamandra, Triton) der wandernde Lichtschein mit aller nur wünschenswerten Deutlichkeit beobachten. Hier ist seine Entstehung sicher so zu erklären, dass bestimmte Teile des Schwanzes bei der Bewegung eine starke Neigung zur Tischebene annehmen. Be- kanntlich besitzen diese Spermatozoen eine undulierende Membran, welche in steilen Windungen um den Achsenfaden zieht, und in deren äusserem Saum der sogenannte Randfaden liegt. Die Änderungen der Helligkeit an den natürlich ebenso steilen Windungen dieses Fadens waren nun ganz dieselben wie diejenigen, welche oben an Spirochäten beschrieben wurden; auch hier kam es bis zu einem abwechselnden Aufleuchten und Dunkelwerden. — Beiläufig sei bemerkt, dass die Spermatozoen der geschwänzten Amphibien ein besonders sehönes Objekt zum Studium bei Dunkelfeldbeleuchtung sind. Ganz analoge Erscheinungen wie an Geisselzellen waren schliess- lich am Flimmerepithel (Gaumen des Frosches, Kiemen der Flussmuschel) wahrnehmbar. Betrachtet man Flimmerepithelzellen, deren Cilien ihre Bewegung in der Ebene des Mikroskoptisches aus- 124 Hans Stübel: Ultramikr. Beobachtungen an Muskel- u. Geisselzellen. führen, so treten bei der Bewegung keine deutlichen Helligkeits- veränderungen auf. Die Erscheinung ändert sich sofort, wenn die Ebene, in welcher die Cilien schwingen, zur Tischebene geneigt ist; dann tritt je nach dem Grade dieser Neigung mit mehr oder weniger grosser Deutlichkeit das Phänomen des wandernden Lichtscheines auf; ja, es kann sogar bei sehr starker Neigung zu einem rhythmischen Verschwinden und Aufleuchten der Cilien kommen. Es liessen sich also bis jetzt weder an glatten Muskelzellen, noch an den Myoidfäden der Protozoen, noch an Geissel- und Flimmerzellen wahrnehmbare Änderungen des Brechungsexponenten der kontraktilen Substanz bei ihrer Tätigkeit nachweisen. 125 (Aus dem physiologischen Institut der Universität Wien.) Zur Kenntnis der Haut- und Tiefensensibilität, untersucht mittels der Abschnürungsmethode. Von Dr. med. MH, Fabritius, und E. von Bermann, Helsingfors, Finnland Demonstrator am oben- genannten Institut. Der eine von uns (Fabritius) hat vor einigen Monaten im Ersänzungsheft des XXXI. Bandes der Monatsschrift für Psychiatrie und Neurologie über „das Verhalten der Sensibilität in der Blut- leere“ berichtet. Die Blutleere wurde durch die Umschnürung eines oder mehrerer Finger oder der ganzen Hand mittels einer elastischen Gummibinde für 60—80 Minuten hervorgerufen. Die Sensibilität erlosch dabei allmählich, und zwar so, dass die verschiedenen Quali- täten derselben zu verschiedenen Zeiten aufgehoben wurden. Dadurch konnten eine Reihe von Beobachtungen gemacht werden, die sonst nicht möglich sind. ; Leider mussten aber aus äusseren Gründen diese Untersuchungen teilweise unabgeschlossen bleiben, und vor allem konnten keine zahlenmässigen Angaben über gewisse Erscheinungen geliefert werden. Im folgenden wird dieses nun nachgeholt und einiges ergänzt. Die Versuche wurden so ausgeführt, dass wechselweise der eine von uns Versuchsperson, der andere Versuchsleiter war. Zunächst wurde immer der Normalzustand für eine gewisse Untersuchungs- methode festgestellt, d. h. der Zustand bei intakter Hautsensibilität, danach die Veränderungen während einer 60—70 Minuten dauernden Abschnürung, verfolet. Untersucht wurde immer in den Vormittags- stunden (11—1 Uhr), um möglichst ähnliche Versuchsbedingungen zu erzielen. Die Untersuchung ist im Physiologischen Institut der Universität Wien ausgeführt. Dem Vorstand desselben, Herrn Prof. Dr. Sig- mund Exner, der uns in zuvorkommendster Weise alles zu den 126 H. Fabritius und E. von Bermann: Versuchen Nötige zur Verfügung stellte und mit freundlichem Interesse an unserer Arbeit teilnahm, bitten wir unseren wärmsten Dank aus- sprechen zu dürfen. Auch Herrn Prof. Dr. J. Karplus, der uns in mehrfacher Hinsicht unterstützte, sind wir zu warmem Dank ver- pflichtet. I. Untersuehung der simultanen Raumschwelle. Zunächst wurden mittels eines Ästhesiometers!) die Tastkreise an der Volarseite der Mittel- und Endphalanx des rechten Zeige- fingers festgestellt. Die Bestimmungen wurden nur in der Längs- und Querrichtung gemacht, weil es ja bei unseren Versuchen nicht darauf ankam, eine Kenntnis der Raumschwelle an unseren Fingern nach versehiedenen Richtungen zu gewinnen, sondern ein möglichst genaues Bild ihres Verhaltens auf einem bestimmten Hautgebiet zu erhalten, welches während der beschränkten Zeit der Absehnürung, soweit möglich, in derselben Weise untersucht werden konnte. In dieser Weise wurden die zuverlässigsten Vergleichswerte der Sensibilität bei intakter und bei durch die Umschnürung veränderter Haut erreicht, was ja Hauptziel unserer Untersuchung war. Zunächst kamen nur stumpfe Spitzen des Ästhesiometers zur Verwendung. Die Bestimmungen wurden teils in der ursprünglichen Weber’schen Weise gemacht, d. h. von einer beliebig grossen Ent- fernung der Ästhesiometerspitzen als Ausgangswert wurde herab- gestiegen bis zu einer solchen, bei der beide Spitzen als eine emp- funden wurden und vice versa, teils aber wurden unregelmässig wechselnde Abstände der Ästhesiometerspitzen nacheinander an- gewendet. Die Resultate der einzelnen Bestimmungen haben wir in fol- gender Weise verwertet. Einerseits wurde der kleinste Abstand der Ästhesiometerspitzen aufgesucht, bei dem immer noch zwei Spitzen empfunden wurden (2), andererseits der höchste Wert, bei dem nur eine Spitze enıpfunden wurde (e). Zwischen diesen Grenzen liegen Werte, bei denen unsichere und schwankende Angaben geliefert waren. 1) Bestehend aus einer mit Nonius versehenen Schiebleere, deren scharfe Spitzen nach Bedürfnis durch stumpfe ersetzt werden können. (Wilh. Petzold’s Katalog 1907 S. 77.) Zur Kenntnis der Haut- und Tiefensensibilität etc. 127 Die Resultate sind folgende: Versuchsperson F(abritius): Volarfläche der Nagelphalanx (rechter Zeigefinger): € z Schwelle in der Längsrichtung . . . 2,1—2,4 mm, a >». » Querrichtung. .-.'. 17-20, Volarfläche der Mittelphalanx (rechter Zeigefinger): Schwelle in der Längsrichtung . . . 3,7—4,0 mm, 3 „2 Querkchtung- . 4655 , Versucehsperson B(ermann): Volarfläche der Nagelphalanx (rechter Zeigefinger): Schwelle in der Längsrichtung . . . 18—-2,1 mm, h 2 Querrichtunes 0.2.2.7. 1.6 2.0.3, Volarfläche der Mittelphalanx (rechter Zeigefinger): Schwelle in der Längsrichtung . . . 4,0—4,4 mm, 2 2 Querrichtuneg. 721.95 Aa, Die erhaltenen Zahlen stimmen einigermaassen mit den von anderen Beobachtern erzielten überein. Auffallend gross und schwankend sind die Schweilenwerte in der Querrichtung an der Mittelphalanx der Versuchsperson F. Auch bei anderen Messungen trat diese Inkonstanz in den Angaben bei derselben Versuchsperson hervor, was vielleicht mit einem etwas nervösen Temperament zu- sammenhängt, jedenfalls aber in diesem Falle als „physiologisch“ angesehen werden muss. Bei der Abschnürung wurden ausser dem Verhalten der Tast- kreise auch einige andere Umstände berücksichtigt. Vor allem die Stereognose. Auf Grund der früheren Erfahrungen von Fabritius (über die in der anfangs erwähnten Schrift berichtet ist) konnte nämlich erwartet werden, dass ein enger Zusammenhang zwischen der Grösse der Tastkreise und der Stereognose zum Vorschein kommen würde. Wenn die Hand oder ein Finger eine gewisse Zeit umschnürt gewesen war, so verschwindet das Vermögen, Gegenstände durch Ab- . tasten mit diesen Teilen zu erkennen. Fast gleichzeitig wird es aber auch unmöglich, zwei gereizte Punkte im Bewusstsein auseinander- zuhalten; man hat nur die Empfindung eines einzigen gereizten Punktes. Der Bestimmung der Tastkreise haben wir deshalb ein stetiges Kontrollieren der Stereognose parallel gehen lassen. Endlich Pflüger’ s Archiv für Physiologie. Bd. 151. 9 128 H. Fabritius und E. von Bermann: wurde einigen Begleiterscheinungen der Umschnürung (Parästhesie u. del.) die Aufmerksamkeit gewidmet, um einen eventuellen Einfluss ihrerseits auf die erhaltenen Resultate beurteilen zu können. Die Absehnürung des Fingers geschah mit einer weichen elastischen Gummibinde, die an der Basis des Fingers distal vom Metacarpo- phalangealgelenk angelegt wurde. a Die Versuchsprotokolle sind im folgenden in extenso wieder- gegeben. In der ersten Vertikalreihe finden sich die Angaben der Zeit, in der zweiten die der untersuchten Phalangen !) (abgeschnürt wurden dieselben Finger, an denen die Tastkreise oben bestimmt wurden), in der dritten Kolumne die jeweiligen Abstände zwischen den Ästhesiometerspitzen in Millimetern, in der vierten sind die Antworten der Versuchsperson verzeichnet, wobei die Zahlen I und II bedeuten, ob die Versuchsperson ein oder zwei Spitzen fühlte. In der fünften Kolumne finden sich Bemerkungen. Versuch I. Versuchsperson F. Abschnürung des rechten Zeigefingers um 11h 30". Abstand d. ä Ästhesio- Be Zeit Phalanx meter- Bemerkungen spitzen in Versuchs- 8 mm person 11h 45’ III 10 II Anhauchen des Fingers schwach gefühlt, II 5 II Holzfaserung des Tisches!) gefühlt, III 4 1I leichtes subjektives Kältegefühl. II 3 Il III 2 I 11h 47' Il 2,5 I III 2,6 I II 2,7 II III 2,1 II 11h 49’ III 2,5 I 11h 50’ I 2,5 I Leichtes Kribbeln im Finger, Holzfaserung II 4,0 II sehr undeutlich, Stereognose intakt. II a) II (Ein Stück eines Gummischlauches wird II 2,7 I durch Abtasten sofort erkannt.) 11h 59’ III B) I II 4 1I III 3,9 11 II 3,4 II II 3,3 I 11 3,2 I 11h 57’ II 4,0 II II 3,9 I II 4,0 I = 1) Wir verstehen unter Phalanx II die Mittelphalanx, unter Phalanx III die Endphalanx. 2) Wir arbeiteten an einem ungestrichenen Tisch aus weichem Holz. Zur Kenntnis der Haut- und Tiefensensibilität etc. 129 Abgestorbensein im Finger, Anblasen nicht gefühlt, Holzfaserung fast nicht sofort gespürt und richtig lokalisiert. Versuchleiters) deutlich, aber stark verspätet als Wärme gespürt (einige Stück wird für ein Plessimeter ge- halten; mit dem Nachbarfinger sofort erkannt. Die Platte des Stethoskops wird als runde Scheibe erkannt, von dem Loch in der Mitte nichts gefühlt, obwohl der Finger mehrmals darüber punkt lokalisiert; bei sukzessiver Be- rührung derselben Stellen wird aber sowohl der proximale wie der distale Punkt gefünlt und einigermaassen Buena] on Zeit | Phalanx Bemerkungen mm person 12h 00’ II 4,5 I Sehr starkes Kältegefühl, Gefühl von gespürt, Stereognose etwas erschwert. 12h 05’ III 8 I III 7 II II 6 II 12h 07’ III 5 I Stereognose etwas erschwert, Berührung III 4 1 III 3,9 II II 38 I III 3,7 I 12h 10’ Il 5) 8 11 4,5 101 Il 4,3 II 11 4,1 II II 4,0 I II 3,9 I 19h 15’ — — — Wärme (Berührung mit dem Finger des Sekunden verzögert). 12h 19’ — _ — Stereognose erloschen. Ein 2-Kronen- glitt. Schlüssel nicht erkannt. 19h 29’ III 9 I Die Berührung wird am proximalen Reiz- 1001 15 I III 20 I richtig lokalisiert. ar a \ _ — — |Innerhalb der nächsten 8 Minuten wurde zu wiederholten Malen die Schwelle zu ermitteln gesucht, immer aber mit negativem Resultat, d. h. wenn auch der Abstand zwischen den Ästhesio- meterspitzen so gross als möglich ge- macht wurde, kam nie mehr als eine einzige Empfindung zum Be- wusstsein, welche fast immer in der Nähe des proximalen Reizpunktes lokalisiert wurde. Auch beim Anlegen der einen Asthesiometerspitze auf der zweiten Phalanx, der zweiten Spitze auf der Endphalanx wurde nur eine einzige Berührung empfunden und wie oben lokalisiert. Während dieser Zeit subjektiv Spannungs- und Kältegefühl, kein Kribbeln. 9* 130 H. Fabritius und E. von Bermann: L—————————— Abstand d. : Ästhesio- Ball der i Phalanx | meter- { a spitzen in Versuchs- R mm person eh ne nr Bemerkungen 12h a un — — |Da die Berührung mit den stumpfen 12h 40 Spitzen von .jetzt an kaum oder gar nicht mehr als Berührung empfunden, und nur mehr bei ganz starkem Auf- drücken als Schmerz gefühlt wurde, griffen wir zu den scharfen Asthesio- meterspitzen. Beim Applizieren der- selben wurde ein zwar verzögerter, aber ziemlich heftig brennender Schmerz empfunden, aber auch jetzt immer nur an einem Punkt, auch bei grösstmöglichem Spitzenabstand. Die Lokalisierung wie früher meistens am proximalen Reizpunkt, ab und zu aber auch zwischen den beiden Reizpunkten. Beim Applizieren von Wärme- reizen (lauwarmes Wasser von etwa 40—45° C. in einem Reagenzglas) wird zunächst bemerkt, dass diese 12h 40’ 2 —_ — stark verzögert (3—4 Sekunden) emp- funden werden. Die dann eintretende Wärmeempfindung ist aber sehr deut- lich und wird gut lokalisiert. Werden zwei Reagenzgläschen mit dem Finger in Berührung gebracht, tritt dennoch nur eine einzige Empfindung ein, die etwas schwer zu lokalisieren ist; die Empfindungen haben eine Tendenz ineinander überzufliessen, so dass man eine warme Fläche zwischen den Reiz- punkten zu fühlen glaubt, nie aber die Empfindung von zwei getrennten Wärmereizen hat. Das eine Reagenz- glas wird dorsal, das andere volar an der Mittelphalanx appliziert, esscheint, als ob die Phalanx in ihrer Mitte innerlich erwärmt würde. Schluss des Versuches. Versuch II. Versuchsperson B. Abschnürung des rechten Zeigefingers um 11h 25”. Abstand d. Urteil Asthesio- Zeit Phalanx | meter- | dA" Bemerkungen spitzen in | V ersuchs- mm person 1a a III I II 11h 34’ III 4 II II 525) ll 117357 III 3,9 1I II 3,5 I II 3,9 II Zur Kenntnis der Haut- und Tiefenintensität etc. 131 Abstend d. : Asthesio- Ural Zeit Phalanx| meter |, dr Bemerkungen spitzen in ersuchs- mm person 11h 36’ II 3,0 I 11h 37' 1001 3,0 II Holzfaserung deutlich gefühlt, Finger cyanotisch, subjektives Kältegefühl, keine nennenswerten Parästhesien. An- hauchen deutlich schwächer gespürt als in den anderen Fingern. 11h 39’ II 3,0 IIuh) Il 31 II 11b 40' Il 2,5 I 11h 41’ II 2,6 II II 2,6 II 11h 42’ II 4,0 181 11h 43’ U 3,5 II I 3,9 108 11h 44’ 11 3,4 Il II 3,3 II « 11h 45’ Il 32 I Stereognose intakt. Holzfaserung noch deutlich gespürt, Anblasen nicht i gespürt. 11h 48' II 32 II III 3,2 Iu 11h 50’ Il 3,0 Il Il 3,0 I 11h 51’ III 2,9 I 11h 52’ III 3,0 Iu II 3,0 I 11h 53’ II 3,2 I Subjektives Wärmegefühl im Finger. Holzfaserung noch gespürt. Stereo- gnose intakt. Kribbeln namentlich bei Berührung. 12h 00’ II 5,0 II (deutlich) III 4,5 II II 4,0 II 12b 01’ II 4,0 I UI 3,9 I 12h 02’ III 3,9 I 12h 04’ I 5,0 Iu II 5,0 I II 6,0 II u 5,9 Il 12h 06’ E= —_ — [|Gegenstand (das Endstück eines Gummi- schlauchs) nicht mehr erkannt. 12h 07’ = = Korkzieher nicht erkannt. 12h 08’ II 10 I Von dieser Prüfung an ist die Raum- schwelle völlig aufgehoben; nie werden zwei getrennte Reizpunkte als zwei aufgefasst, sondern immer als einer; die Lokalisation geschieht meistens in der Nähe des proximalen Punktes. Schmerz und thermische Reize ver- halten sich ebenso. Bei Reizung eines Punktes am Ende der dritten Phalanx l) Der Buchstabe « bedeutet, dass die Versuchspersonen selbst ihr Urteil als unsicher bezeichnet. 132 H. Fabritius und E. von Bermann: Abstand d. Inka: Ästhesio- we Zeit Phalanx | meter- a der Bemerkungen spitzen in Versuchs- mm person ne an, wird der Reiz deutlich gefühlt und richtig lokalisiert, ebenso bei Reizen irgendeines Punktes an der zweiten Phalanx. Bei gleichzeitiger Reizung dieser Punkte wird dagegen immer nur eine einzige Empfindung ausgelöst. Bei der Anwendung von Schmerz- reizen (Stichen) braucht man dabei nicht stärker als unter normalen Ver- hältnissen aufzudrücken; die Emp- findung ist ausserordentlich intensiv und von sehr „spitzem“ Charakter. Bei Wärmereizen (Reagenzgläser mit lauwarmem Wasser) dauert es einige Sekunden, ehe die Empfindung eintritt, sie ist aber deutlich. 12h 20’ == — — Schluss des Versuches. Fassen wir die obigen Versuche zusammen, so ist zunächst hervorzuheben, dass die Resultate nicht nur untereinander, sondern auch mit den von Fabritius an sieh und anderen Versuchs- personen früher erzielten übereinstimmen, und dass wir es folglich‘ in den vorliegenden Ergebnissen nicht mit irgendwelcher individuellen oder zufälligen, sondern mit gesetzmässigen Erscheinungen zu tun haben. Zunächst wird eine Abnahme der Reizbarkeit des abgeschnürten Fingers bemerkt. Die Empfindlichkeit für leichtes Anblasen (mit möglichster Vermeidung von Kälte- und Wärmeempfindung) leidet am frühesten; fast im selben Maasse werden normalerweise eben wahrnehmbare Berührungsreize unwirksam. Das Empfinden der Holzfaserung des Tisches unterrichtet uns gleichfalls recht gut über die Abnahme der Erregbarkeit. In dem Maasse, wie die Störung stärker wird, nimmt auch der Druck zu, den man gegen den Tisch ausüben muss, um noch die Unebenheiten desselben zu fühlen. Dabei ist jedoch zu bemerken, dass diese Herabsetzung der Empfindlichkeit während eines einstündigen Versuches ver- hältnismässig lange keinen besonders hohen Grad erreicht, d. h. man bemerkt, dass nach etwa 10—15—20 Minuten die Empfind- lichkeit für allerleichteste Berührungen (Wattebausch) auf- gehoben wird, eine leichte Berührung dagegen (z. B. mit der Finger- spitze) wird noch gut empfunden. Ungefähr auf dieser Stufe bleibt dann die Sensibilität etwa 20—30 Minuten, so. dass noch ungefähr Zur Kenntnis der Haut- und Tiefensensibilität etc. 133 45—50 Minuten nach der: Abscehnürung verhältnismässig leichte Berührungen gespürt werden. Dann beginnt die Empfindlichkeit schnell und stark zu sinken. Bald nachher muss ein starker Druck angewandt werden, um eine Empfindung auszulösen. Diese behält anfangs noch den deutlichen Druckcharakter, der jedoch später verschwindet; und ungefähr 1 Stunde!) nach der Ab- schnürung löst der nun erforderliche Druck sowie ein Nadelstich eine stark schmerzhafte Empfindung aus, die sich durch ihren Charakter als „haarfeine“, äusserst scharfe auszeichnet. Gehen wir nun zum Verhalten der Tastkreise über. Sämtliche obigen Bestimmungen sind in der Längsrichtung gemacht, weil während des Versuches keine Zeit zu zahlreichen und umfassenden Untersuchungen zu Gebote steht.: Es zeigt sich, dass im Laufe der ersten 40 Minuten nach der Umschnürung die Tastkreise allmählich grösser werden, der Zuwachs ist aber ein geringer. Dies wird am besten und übersichtlichsten durch eine Tabelle veranschaulicht. Ehe wir dieselbe liefern, wollen wir kurz die Resultate noch eines dritten Versuches mit der Versuchsperson B. besprechen. Abge- schnürt wurde der linke Ringfinger (nicht der rechte Zeigefinger wie in den vorigen Versuchen); die Tastkreise wurden nur an der Volarseite der dritten Phalanx und in der Längsrichtung bestimmt. Die Antworten der Versuchsperson sind auch hier mit I und II be- zeichnet worden, je nachdem die Empfindung von einer oder zwei Spitzen hervorgerufen wurde. Die Ästhesiometerspitzendistanz ist wie früher in Millimetern angegeben. Versuch III. Abschnürung um 11h 30’. Abstand d. Urteil Abstand d. Urteil an Asthesio- ale: x Asthesio- a Zeit Phalanx | meter- Zeit Phalanx | meter- spitzen in | Versuchs- spitzen in | Versuchs- mm person mm person 11h 50’ III 4,5 11 12h 00’ II 4,0 I 3,0 II 3,9 II 2,9 1I 3,0 Iu 2.8 II 3.0 N 2,7 II 3,0 I 25 II 32 1 2,0 I 39 Iu 2,2 IIu | 12h 05’ III 4,0 II 3,0 II 3,8 II 28 1 35 Iu l) Bei stärkerer Abschnürung etwas früher. 134 H. Babes und E. von Bermann: Suchen wir aus diesen Zahlen diejenigen Werte aus, bei denen zwei Spitzen nur eine einzige Empfindung hervorriefen, so finden wir, dass 20—25 Minuten nach der Umschnürung die Schwelle etwa bei 2—2,2 mm liegt, 30 Minuten nach der Umschnürung ist sie auf 3—3,2 mm verschoben, und noch 5 Minuten später werden zwei Spitzen in einem Abstand von 39,5 mm einfach empfunden. Stellen wir nun diese Resultate mit den in Versuch I und II erzielten zusammen und vergleichen dieselben mit den früher fest- gestellten Normalwerten, d. h. den Werten bei intakter Haut- sensibilität, so erhalten wir folgende Tabelle. Schwelle in der Längsrichtung an der Volarseite. Versuch Phalanx III | Phalanx IT Versuchsperson F. Normalwerter sc. ans 2,1—2,4 3,7—4,0 15—20 Min. nach der Umschnürung . . . 2,6 3,9 I 25—30 ” » ” ” SERSR LAT 3,8 5% 37—45 , Sl 4 BERN 3,8 — Versuchsperson B. Normalwertean ch re a 1,8— 2,1 4,0—4,4 15—20 Min. rach der Umschnürung . . . 2,9 32 II 25 » 2) ) ” ee 2,9 RE) 28 ” » ” » 32 VERE 87 ” ” ” ” 3,9 5 20 » ” » B] 2,2 Dos III 30 e a 5 32 —_ 35 » ” » ” 3,d er Die Tabelle zeigt uns ziemlich unzweideutig, dass die Tastkreise — wie bereits oben gesagt wurde — im Laufe der ersten 30 bis: 45 Minuten der Umschnürung eine Vergrösserung erfahren, die etwa 60—80 °/o des Normalwertes beträgt. An der zweiten Phalanx tritt dieselbe allerdings nicht deutlich hervor, ja, in Versuch II ist die Schwelle anfänglich an dieser Stelle während der Umschnürung so- gar etwas kleiner gefunden worden als bei intakter Haut. Zu be- merken ist. jedoch, dass die Zahl der an diesem Ort gemachten Bestimmungen eine sehr geringe ist, weil die Hauptaufmerksamkeit der dritten Phalanx gewidmet wurde. Mit der Erklärung dieser Vergrösserung der Tastkreise wollen wir uns hier nicht weiter aufhalten, sondern erwähnen nur, dass auch von anderen ähnliche Beobachtungen gemacht worden sind. So von Rumpf (über Transfert, 1879) und Klinkenberg Zur Kenntnis der Haut- und Tiefensensibilität etc. 135 (Dissertation, Bonn 1883), welche die Tastkreise bei „verminderter“ Blutzufuhr untersuchten (Kompression der zuführenden Arterie einer Extremität vermittelst eines Tourniquets). Ihre Werte sind hier von einem gewissen Interesse. So fand Rumpf, dass die Tastkreise am Arm in der erwähnten Weise von 33 auf 55 mm vergrössert werden können. Klinkenberg fand am Oberschenkel eine Ver- grösserung von 42 auf 60 mm, am Unterschenkel von 32 auf 57 mm, bei einer anderen Versuchsperson von 40 auf 58 mm. Prozentuell schwanken die Veränderungen der Raumschwelle somit zwischen 50 und 80° der Normalwerte, stimmen also recht gut mit den bei uns beobachteten Werten überein. Auch durch verschiedene andere Mittel können die Tastkreise verändert werden. So durch Abkühlung der Haut, die ebenfalls eine Vergrösserung desselben zur Folge haben soll (Eulenburg, 'Stolnikow u. a.). Durch Frottieren der Haut erzielte Klinken- berg dagegen eine recht beträchtliche Verminderung der Raun- schwelle; an der Mittelfingerspitze sanken die Tastkreise von 3 auf l mm, in der Vola manus sogar von 6 auf 1,5 und 1,4 mm. Durch Aufstreuen von Juckpulver!) auf den Finger fanden wir hingegen, dass die Tastkreise eine Vergrösserung erfahren. So stieg für die Versuchsperson F. die Raumschwelle an der Volarseite des End- gliedes des rechten Zeigefingers von 2,4 auf 3,5 mm; für die Ver- suchsperson B. von 2,1 auf 2,3 mm. Die hervorgerufenen Juck- empfindungen waren sehr stark und lästig. RE Allen diesen Veränderungen der Raumschwelle, die ja bereits seit langem mehr oder weniger bekannt sind, ist doch eins gemeinsam: sie bewegen sich innerhalb verhältnismässig enger Grenzen, die Tast- kreise werden um einige Zehntel oder höchstens um einige ganze Millimeter grösser oder kleiner. Sie stellen eine Abstumpfung oder eine Verfeinerung des Raumsinnes dar, bilden aber keine gewaltige und von grossen praktischen Folgen begleitete Veränderung desselben. Durchgreifende Veränderungen der Raumschwelle traten erst im weiteren Verlauf eines Abschnürungsversuches hervor. Im Versuch I (Versuchsperson F.) wurden die letzten oben referierten Tastzirkelbestimmungen 37-45 Min. nach der I) Wir verwendeten ein Pulver aus den steifhaarigen Schliessfrüchten der Hagebutten, wie es in den meisten Drogerien und Scherzartikelhandlungen er- hältlich ist. 136 H. Fabritius und E. von Bermann: Abschnürung gemacht, und die Schwelle erwies sich, wie gesagt wurde, etwas erhöht. Als aber 7 Min. nach den letzten von diesen Bestimmungen, also etwa 52 Min. nach der Abschnürung, mit dem Ästhesiometer geprüft wurde, waren die Tastkreise überhaupt nicht mehr nachzuweisen. Auch bei grösstmöglichem Abstand der Ästhesio- meterspitzen (50 mm) wurde die Berührung am Finger immer einfach empfunden. Hatten wir dagegen den proximalen Punkt allein gereizt, so entstand sofort eine Berührungs- oder eine leichte Druck- empfindung, die ziemlich genau lokalisiert werden konute, und das- selbe trat auch ein, wenn der distale Punkt (die Fingerspitze) allein eereizt wurde. Bei gleichzeitigem Applizieren der beiden Spitzen auf die Haut wurde aber immer und ganz deutlich nur eine einzige Berührung empfunden, die meistens in der Nähe des proximalen Reizpunktes lokalisiert wurde, ab und zu aber auch etwa in der Mitte zwischen den beiden Ästhesiometerspitzen. Dasselbe wurde nun in den Versuchen II und III beobachtet (Versuchsperson B.). In beiden wurden Tastzirkelbestimmungen 35—40 Min. nach der Umschnürung gemacht, und die Kreise zeigten sich etwas grösser als unter normalen Bedingungen. Als aber 44 Min. nach der Abschnürung im Versuch II, 42 Min. im Ver- such III, die Kreise wieder bestimmt werden sollten, wurde durch die beiden gleichzeitig applizierten Spitzen immer nur eine einzige Berührungsempfindung hervorgerufen, die meistens in der | Nähe des proximalen Reizpunktes lokalisiert wurde. Bei zeitlich getrennter Reizung der Puukte entstand dagegen immer eine Emp- findung, die am annäherungsweise riehtigen Ort lokalisiert wurde. Dieser eigenartige Zustand der Berührungsdrucksensibilität blieb etwa 5—10 Min. bestehen, dann verschwand die Druckempfindlichkeit völlig; starker Druck mit den (stumpfen) Spitzen rief nur eine Schmerzempfindung von derselben Qualität wie ein Nadelstich hervor. Wir werden hierauf zurückkommen. Zunächst müssen wir bei einer anderen Erscheinung verweilen, die gleichzeitig mit der Veränderung der Tastkreise auftrat. In Versuch I wurde 37 Min. nach der Abschnürung die Stereognose geprüft; sie war erhalten, aber etwas „erschwert“, ' d. h. die Versuchsperson (F.) musste den Gegenstand (mit dem ab- geschnürten Finger) verhältnismässig lange betasten und stark um- fassen, ehe es gelang, ihn zu erkennen. (Die Tastkreise waren zu | dieser Zeit etwa um 60°/o grösser als unter normalen Umständen, Zur Kenntnis der Haut- und Tiefensensibilität etc. 137 3,8 mm, anstatt 2,4 mm.) 49 Min. nach Umschnürung wurde dem abgeschnürten Finger wieder ein Gegenstand dargeboten; die Stereognose war nun aufgehoben. Als jetzt die Tastkreise (52 Min. nach der Abschnürung) bestimmt werden sollten, so waren sie am Finger nicht mehr nachzuweisen. Auch bei 50 ım Ästhesiometer- abstand wurde die Empfindung nur einer einzigen Spitze wach- gerufen. In Versuch II war die Stereognose 28 Min. nach der Abschnürung intakt, als aber 13 Min. später geprüft wurde, war sie aufgehoben, und die nach weiteren 2 Min. versuchte Bestimmung der Tastkreise ergab dasselbe Resultat wie in Versuch I: sie konnten am Finger nicht nachgewiesen werden. Der teilweise bereits mitgeteilte Versuch III war besonders lehr- reich und wurde hauptsächlich gemacht, um die eben erörterten Er- scheinungen genau zu verfolgen. 11 Uhr 30 Min. Abschnürung des linken Ringfingers. 12 Uhr 5 Min. Raumschwelle 3,5 mm (zu Beginn des Versuches 2,5 mm). 12 Uhr 7 Min. Stereognose erhalten. 12 Uhr 8 Min. Raumschwelle 4,5—5 mm. 12 Uhr 11 Min. Eine Sicherheitsnadel, deren Branchen 1 cm voneinander entfernt sind, wird mit dem abgeschnürten Finger (linker Ringfinger) abgetastet. Zunächst nicht erkannt. Nach etwas stärkerem Andrücken sagt die Versuchsperson B. „Es hat in der Mitte eine Vertiefung; ist es eine Sicherheitsnadel ?* 12 Uhr 13 Min. Tastzirkelbestimmung; 7 mm Ästhesiometer- abstand wird nur als einheitlicher Eindruck empfunden. 12 Uhr 15 Min. Stereognose völlig aufgehoben; Tastkreise nicht festzustellen. Der Versuch zeigt uns: 1. wie die Tastkreise trotz einer Abschnürung des Fingers, die 35 Min. gedauert hatte, anfangs um 1,2 mm gewachsen sind (von 2,5 auf 3,5 mm); 2. dass im Laufe der jetzt folgenden 8—9 Min. eine sehr starke Vergrösserung derselben eintritt, die mit ihrer völligen Vernichtung (am Finger) endet; 3. dass gleichzeitig, d. h. im Laufe dieser selben S—9 Min., eine gewaltige Veränderung der Stereognose stattfindet; sie wird anfangs deutlich erschwert und geht dann völlig verloren. 138 H. Fabritius und E. von:Bermann: Aus diesen Feststellungen geht, wenn wir uns nur rein deskriptiv an die Erscheinungen halten, hervor, dass wir im Bereiche unseres Berührungsdrucksinnes zwei verschiedene Gruppen, Systeme, Kategorien, einerlei, welchen Namen man. ge- braucht, von Sensibilität trennen müssen. Das eine System ist durch eine verhältnismässig sehr kleine simultane Raumschwelle und dureh die Fähigkeit der Stereognose ausgezeichnet, dem zweiten System fehlt die letzte Leistung, die Tastkreise, die infolge des kleinen uns zur Verfügung stehenden Untersuchungsgebietes (Finger) nicht genau festgestellt werden konnten, sind jedenfalls wenigstens um das 20fache grösser als im ersten System; die Druckempfindungen dieses Systems sind aber auch lokalisierbar. Hinzugefügt sei, dass wir nichts über die anatomische Grundlage dieser Systeme aussagen wollen, ob das erste, oben beschriebene System mit dem epikritischen System Heads, das letztere mit seinem tiefen Drucksinn identisch sei, mag dahingestellt bleiben. Die obige Schilderung ist, wie gesagt, nichts als eine Beschreibung der Er- scheinungen, wie sie sich im Experiment darboten. \ Oben haben wir uns mit dem Tast- und Berührungsdrucksinn beschäftigt. Inu den Absehnürungsversuchen widmeten wir aber auch dem Temperatur- und Schmerzsinn einige Aufmerksamkeit, und zwar vor allem nach dem durch die Abschnürung hervorgerufenen Ver- sehwinden des fein lokalisierten Drucksinnes. Wie verhalten sich jetzt zwei am Finger gleichzeitig applizierte Temperatur- bzw Schmerzreize? Werden sie als zwei getrennte Reize aufgefasst, oder verhalten sie sich wie Druckreize des „zweiten“ obigen Systems, sO dass auch bei grösstmöglichem Abstand der Reize nur eine einzige Empfindung wachgerufen wird? Oben wurde gesagt, dass durchschnittlich 45—50 Min. nach der Abschnürung die Stereognose verschwindet und die Tastkreise eine so grosse Erweiterung erfahren, dass sie am Finger nieht mehr nachzuweisen sind, wenn man die beiden (stumpfen) Tastzirkelspitzen möglichst eleichmässig auf die Haut appliziert. Wendet man statt der stumpfen die scharfen Ästhesiometerspitzen an, so zeigt sich dieselbe Erscheinung. Wenn man die eine Spitze in die Haut an der Volarseite der zweiten Phalanx (an deren Basis) sticht, so fühlt man einen höchst lebhaften stechenden Schmerz und lokalisiert ihn richtig; führt man den Stich am Ende der Nagelphalanx aus, SO spürt man auch sofort den Stichschmerz am richtigen Ort. Werden Zur Kenntnis der Haut- und Tiefensensibilität etc. 139 aber die beiden Spitzen gleichzeitig auf die Haut appliziert, so fühlt man nur einen einzigen schmerzenden Punkt, und zwar meistens in der Nähe des proximalen Reizpunktes. Bei Verwendung von Wärme- und Kältereizen wurde dasselbe beobachtet. Die Versuche wurden so angestellt, dass zwei mit auf ca. 40° C. erwärmtem Wasser gefüllte Reagenzgläser auf die Haut appliziert wurden. Es entstand immer die Empfindung einer einzigen Fläche, die recht ausgedehnt schien. Wurde das eine Glas auf die Volar-, das andere auf die Dorsalseite des Fingers appliziert, ent- stand eine Wärmeempfindung, die etwa aus der Mitte der Ver- bindungslinie zwischen den beiden Gläsern, also etwa aus dem Inneren des Fingers zu stammen schien. Die Versuche zeigen somit, dass im Abschnürungsversuch auf dem Gebiete der Temperatur- und Schmerzempfindungen ähnliche Erscheinungen wie auf dem Gebiete des Drucksinnes hervortreten. Es kann durch die Abschnürung ein Zustand hervorgerufen werden, in dem zwei am Finger gleichzeitig applizierte Schmerz- oder Temperaturreize auch bei grösstmöglichem Abstand der gereizten Punkte nicht getrennt wahrgenommen werden. Dabei ist zu be- merken, dass es sich nicht um undeutliche und unklare Empfindungen handelt. Die erweckten Schmerzempfindungen sind ausserordentlich intensiv und stark, so dass man über ihr Vorhandensein in gar keinem Zweifel sein kann. Die Temperaturempfindungen sind gleich- falls in ihrer Qualität sehr deutlich, sie treten aber, wenn man kalte oder warme Eprouvetten als Reizmittel an- wendet, ziemlich stark — um mehrere Sekunden — verspätet auf. Man könnte aus diesem Umstande vielleicht schliessen, dass die Temperaturempfindlichkeit schwer gelitten hätte. Dieser Schluss- folgerung widerspricht aber das Resultat einer Temperatursinnprüfung mittels einer anderen Methode. Wenn man nämlich den abgeschnürten Finger in warmes oder kaltes Wasser taucht, so tritt eine sehr hohe Unterschiedsempfindlichkeit für Temperaturreize hervor. So wurde in einem Versuche (Versuchsperson F.) 56 Min. nach der Ab- schnürung die Temperatur des Wassers 24,2%, 25,0° und 25,8° C. immer richtig unterschieden. Der Indifferenzpunkt der Haut lag dabei bei 22° C. In einem zweiten Versuch (Versuchsperson B.) ' zeigte sich aber, dass die Unterschiede noch viel geringer genommen “werden können. 55 Min. nach der Abschnürung wurden 26,4° und '26.0%C, prompt und immer richtie unterschieden (beide natürlich 140 H. Fabritius und E. von Bermann: als warm von verschiedenen Graden empfunden); ja, als zwei Gläser mit Wasser von 27,0° und 27,2° C. herangezogen wurden, wurde auch jetzt der Unterschied noch richtig erkannt. Die Unterschiedsempfindlichkeit für Temperaturreize bleibt somit in einem Abschnürungsversuch verhältnismässig lange eine sehr hohe. Wir können infolgedessen wohl auch nicht die oben referierte Erscheinung, dass zwei am abgeschnürten Finger gleich- zeitig applizierte Temperatur- und Schmerzreize im Bewusstsein nieht auseinander gehalten werden können, durch eine „allgemeine Herabsetzung“ der Temperatur- und Schmerzempfindlichkeit erklären. Es müssen irgendwelche andere Umstände mit im ‚Spiele sein. Vielleicht gibt es auch zwei verschiedene „Systeme“ von Schmerz- und Temperaturempfindungen, von denen das eine — ebenso wie es auf dem Gebiete des Drucksinnes der Fall ist — durch eine sehr feine Raumschwelle ausgezeichnet ist, das andere nicht. Für die Temperaturempfindliehkeit will ja bekanntlich Head ein epikritisches und ein protopathisches System bestehen lassen; für die Schmerz- empfindlichkeit dagegen nicht. Die Frage ist offenbar jetzt noch nicht zu lösen. Genauere Bestimmungen der Raumschwelle für Temperatur- und Schmerzreize bei intakter Haut — aber selbst- verständlich mit Ausschluss der Berührungsdruckempfindlichkeit — sind nötig. Bis jetzt liegen aber solche nur in geringer Zahl (Goldscheider, Rauber) vor. Zum Schluss noch einige allerdings sehr wichtige Bemerkungen zu den obigen Beobachtungen über das Verhalten der Tastkreise während der Abschnürunge. Die Erfahrungen bei unseren Versuchen hatten uns folgendes gezeigt. Wenn ein Punkt, sagen wir an der Basis der zweiten Phalanx des abgeschnürten Fingers berührt wird, so empfindet man die Berührung sofort und lokalisiert sie richtig. Wird dann ein zweiter Punkt an der Spitze des Fingers berührt, empfindet und lokalisiert man auch diesen Reiz richtige. Werden aber die beiden fraglichen Punkte gleichzeitig gereizt, so spürt man nur eine einzige Berührung meistens in der Nähe des proximalen Reizpunktes. Wir fragten uns nun, ob es nicht doch gelänge, die beiden Punkte auch bei gleichzeitiger Berührung im Bewusstsein auseinander- zuhalten. Dies ist unter gewissen Bedingungen tatsächlich der Fall. Wenn man bei grosser, 30—50 em Entfernung die Spitzen ungleichzeitig | Zur Kenntnis der Haut- und Tiefensensibilität etc. 141 auf die Haut aufsetzt, so fühlt man zwei distinkte Spitzen, und auch beim Andauern des Drucks kann man ab und zu die beiden ge- reizten Punkte getrennt empfinden, wobei die Aufmerksamkeit so- zusagen vom einen zum anderen Punkt wandert; auch bei lange anhaltendem, starkem und wechselweise unregelmässigem Druck mit den beiden Spitzen tritt der Eindruck von zwei gleichzeitig ge- reizten Punkten auf. Wenn man aber bei der Untersuchung so vorgeht, wie bei der Bestimmung der Tastkreise vorzugehen ist, so kann die Versuchsperson fast nie richtig angeben, wann mit einer, wann mit zwei Spitzen gereizt wurde. Zusammenfassend könnte man den Unterschied zwischen derjenigen taktilen Lokalisation, die ‘durch die normalen kleinen Tastkreise gegeben ist, und der, die nur unter den genannten besonderen Bedingungen auftritt, folgender- maassen formulieren: Im ersteren Falle ist bei gleichzeitiger Reizung von zwei Punkten der Haut die geweckte Doppelempfindung ein unmittelbares Erlebnis, im zweiten ist sie — wenn sie über- haupt hervorzurufen ist — das Resultat der Reflexion, eines. Schlusses. Diese Formulierung erlaubt die oben referierten stereo- enostischen Versuche noch näher zu charakterisieren, z. B. den Versuch II, in dem der Versuchsperson B. ein Korkzieher geboten wurde. (Die Versuchsperson wusste natürlich vorher nichts vom Vorhandensein desselben.) Sie strich mit dem abgeschnürten rechten Zeigefinger wiederholt über den Korkzieher hin und her, kam mehr- mals auf die scharfe Spitze, die ihr den Ausruf: „Au, das tut weh“, entlockte, gab aber schliesslich die Sache auf. Der Gegenstand wurde nun dem linken Zeigefinger geboten; die Versuchsperson sagte fast sofort: „Das dürfte ein Stoppelzieher sein“. Wenn wir mit einem intakten Finger diesen Gegenstand durch Abtasten zu er- kennen versuchen, so stossen wir zuerst auf zwei benachbarte Schraubenwindungen; es tritt sofort in uns die Vorstellung von zwei in einer gewissen Entfernung voneinander gelegenen Kanten auf; dann gleiten wir mit dem tastenden Finger eine Strecke längs der "Windungen, dabei tritt — ausser den durch die Bewegungen er- weckten Lage- und Bewegungsempfindungen — ununterbrochen der ' Eindruck der unveränderten Distanz zwischen den gereizten Druck- ı punkten oder besser Drucklinien auf; fäbrt man schliesslich noch ı mit dem Finger in der Längsrichtung des fraglichen Gegenstandes. und stösst dabei auf die Spitze, so sind sicher genügend Kriterien. | 142 ‘ H. Fabritius und E. von Bermann: zur Identifizierung vorhanden: Wir erkennen den Gegenstand als Korkzieher. Ist die Sensibilität derart verändert worden, dass die Tastkreise eliminiert sind, so: arbeiten wir ungefähr, als ob wir eine Kappe aus Metall oder einem anderen harten Material auf dem Finger hätten. Wir fühlen zunächst, dass ein bestimmter Punkt am Finger gereizt wird, weiter aber nichts; gleiten wir jetzt längs der Schraube, so würden wir höchstens die Empfindung haben, dass in regelmässigen Intervallen Vertiefungen vorhanden sind. Dieses Urteil wird aber nicht durch Druckempfindungen entstanden sein, sondern durch Lageempfindungen, die dadurch erweckt wären, dass der Finger regelmässig zwischen zwei Schraubenwindungen einsinkt. Dies würde aber nicht zu einer Erkennung des Gegenstandes führen, da die Druckempfindungen gleichzeitig immer nur den Eindruck eines einzigen gereizten Punktes liefern. Sogar wenn die Schrauben- windungen sehr weit auseinanderliegen würden, könnten die Druck- empfindungen vielleicht ab und zu die Aufklärung geben, dass zwei in gewissem Abstand voneinander gelegene Punkte am fraglichen Gegenstand vorhanden wären; damit wären wir aber nicht weiter gekommen. Unsere Versuche lehren also, dass eine mit geringer Raumschwelle ausgestattete Drucksensibilität vorhanden sein muss, wenn die Betastung der von uns benutzten Gegenstände zum Er- kennen derselben führen soll. II. Untersuchung der sogenannten Muskelempfindungen. Fabritius fand in seinen früheren Versuchen, dass, wenn die Hand oder ein Finger abgeschnürt und verschiedene Gewichte darauf gelegt und gehoben wurden, nach Eintritt der Sensibilitätsstörung ein Taxieren des aufgelegten Gewichtes in hohem Grade erschwert war, obwohl die Muskeln, die die Bewegungen ausführten, proximal von der Abschnürung lagen und somit nicht geschädigt sein konnten. Auf Grund dieser Tatsachen schloss er, dass unsere Schätzung der (sewichtsgrösse von der Muskelsensibilität wenig beeinflusst wird. Diese Versuche haben wir nun in exakter Weise messend fortgesetzt. Die Gewichte wurden immer mit demselben, und zwar mit dem | rechten Mittelfinger gehoben. Die ganze Hand konnte für diesen | Zwecke nicht in Frage kommen, denn die Abschnürung derselben ist, wie die Versuche zeigten, die Fabritius an sich anstellte, | mit gewissen Schwierigkeiten verbunden und vielleicht nicht ganz Zur Kenntnis der Haut- und Tiefensensibilität etc. 143 oefahrlos. Es wurde somit zunächst die Unterschiedsempfindlichkeit für das Heben von Gewichten mit dem fraglichen Finger bei intakter Hautsensibilität, dann bei infolge der Umschnürung veränderter Sensibilität bestimmt. Die Anordnung der Versuche war folgende: Der rechte Unterarm wurde in stark supinierter Stellung auf einen Tisch gelegt, so dass das Gelenk zwischen der ersten und zweiten Phalanx des Mittelfingers am Tischrand zu liegen kam. Die Grundphalanx des Fingers wurde mittels eines Riemens am Tische derart befestigt, dass keine Bewegungen im Metakarpophalangealgelenk möglich waren. Auf der Volarseite der Endphalanx, welche also frei über den Tischrand vorragte, ruhte ein kleiner leichter Holz- bügel, von dessen Enden zwei feine Drähte herabhingen und mittels eines weiteren Drahtes einen Haken trugen, an den die zu Schätzen- ‘den Gewichte gehängt wurden. Damit beim Heben keine störenden Schwingungen eintraten, war der ca. 15 em lange Draht durch ein dünnes Glasrohr geführt, das von einem Stativ festgehalten war. Schliesslich befand sich noch am Draht, und zwar dem oberen Ende des Glasrohres entsprechend, ein Knoten, der den Draht hinderte, über ein gewisses Maass durch das Rohr herunterzugleiten. Er diente also als Arretierungsvorriehtung, die das Wechseln der Ge- wichte erlaubte, ohne dass die Versuchsperson währenddessen die Gewichte tragen musste. Natürlich war zwischen Versuchsleiter und Versuchsperson ein undurchsiehtiger Schirm angebracht, welcher ver- hinderte, dass die Versuchsperson die Gewichte sehen konnte. | | | Bei der Ausführung der Versuche sind wir in folgender Weise ' vorgegangen. Es wurde ein gewisses Ausgangsgewicht — z. B. 20 g — der Versuchsperson dargeboten. Diese hob es mit dem Mittel- finger so oft, bis sie ein deutliches Erinnerungsbild von demselben erworben zu haben angab. Dann wurde so schnell wie möglich — gewöhnlich im Laufe von 1 Sekunde — das Gewicht verändert, ‚ und die Versuchsperson hatte jetzt das Urteil abzugeben, ob das zweite Gewicht leichter, gleich oder schwerer als das erste sei. \ Anfangs wechselten wir das Vergleichsgewicht ganz unregelmässig, nahmen es also teils leichter, teils schwerer als das Ausgangsgewicht. ı In dieser Weise stellten wir z. B. fest, dass für die Versuchsperson B. bei einem Ausgangsgewicht von 20 g ein Vergleichsgewicht von " 22 meistens richtig als schwerer aufgefasst wurde, es kamen aber doch Fehler vor; bei 23 g Vergleichsgewicht waren die Antworten Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd. 151. 10 144 H. Fabritius und E. von Bermann: schon in der überaus grossen Mehrzahl von Fällen richtig, bei 24 g immer, Die Schwelle für den Fall des Ausganesgewichtes von 20 g und bei grösserem Vergleichsgewicht lag somit zwischen 22 und 23 g. Wurde aber das Vergleichsgewieht kleiner als das Ausgangs- gewicht genommen, so erwies sich die Schwelle — wie es auch andere gefunden haben — grösser. Sie lag bei 15—-16 g. Diese Methode war jedoch äusserst zeitraubend und konnte für unsere Zwecke gar nicht in Frage kommen. In einem Abschnürungs- versuch erlischt ja, wie oben gesagt wurde, die Sensibilität für Druck erst 50—55 Minuten nach der Abschnürung, und man kann ja den Versuch dann kaum noch länger als 15—20 Minuten fort- setzen, eine Zeit, die, wenn sie in der obigen Weise verwendet würde, völlig unzureichend wäre. Aus diesem Grunde konnte auch die Fechner’sche Methode der richtigen und falschen Fälle nicht in Betracht kommen. Wir entschlossen uns daher für folgendes Verfahren. | Es wurden immer, von einem gewissen Gewicht ausgehend, steigende Gewichte aufgelegt, bis die Versuchsperson angab, einen | Unterschied zwischen dem Ausgangs- und dem Vergleichsgewieht zu merken. Vor jeder Hebung des Vergleichsgewichtes wurde der Ver- suchsperson nochmals das Ausgangsgewicht geboten. Natürlich wurden | zeitweiligVexierversuche eingeschoben, in denen statt des vergrösserten ' Vergleichsgewichtes das Ausgangsgewicht geboten wurde. Die Ver- suchsreihen bekamen demnach das folgende Aussehen: i Ausgangsgewicht : 50 8. | Vergleichsgewichte: 50-51, 50-52, 50-50, 50-53, 50-54, 50-50, 50-55, 50-56. = £ $ - & - 8 | D. h. bei 51, 52... .. 55 und gleichfalls bei 50 g wurde kein ! Unterschied zwischen Ausgangs- und Vergleiehsgewieht bemerkt. Erst” bei 56 g gab die Versuchsperson die Antwort: Ja, es ist schwerer. Nachdem wir so zehn Zahlen für den Schwellenwert bestimmt ! N hatten, nahmen wir aus ihnen das arithmetische Mittel als die ge-" suchte Schwelle. Ebenso verfuhren wir unter Zugrundelegung. anderer Ausgangsgewichte. Wir werden auch hier nicht sämtliche Zahlen mitteilen, sondern nur die Zahlen, aus denen der Mittelwert berechnet wurde. 1) $ bedeutet, dass die Versuchsperson keinen Unterschied zwischen Aus- gangs- und Vergleichsgewicht bemerken konnte, r bedeutet, dass sie das Ver- gleichsgewicht richtig als schwerer erkannte. ( Kl I Zur Kenntnis der Haut- und Tiefensensibilität ete. 145 Versuche bei intakter Sensibilität des Fingers. Versuch I. (Versuchsperson F.) Ausgangsgewicht . . . . . . - 20 2. Schwellenwerte . ...... 2 ee ee er A INDIttelWertl nr 0 ker 22,6 g. Versuch II. (Versuchsperson B.) Ausgangsgewicht . . . . . . - 30 8. Schwellenwerte ....... 32, 31, 34, 33, 33, 33, 33. 34, 33, 34. INittelwerte.n. nn nn. 33,0 8. Versuch III. (Versuchsperson F.) Ausgangsgewicht . . . . . . .- 50 8. Schwellenwerte ....... a ER Mittelwerte. se nee. 54,3 8. Versuch IV. (Versuchsperson F.) Ausgangsgewicht . . . . . . - 100 g. Schwellenwerte ....... 108, 110, 109, 112, 111, 112, 109, 109, 108, 107. Niittelwert . =... 2. 2.2... 109,5 @. Versuch V. (Versuchsperson B.) Ausgangsgewicht . » » . . . - 300 8. Schwellenwerte ....... 327, 327, 329, 330, 328, 328, 327, 327, 326, 325. Mittelwert ws. „en. 0.020. 327,4 8. Zu den obigen Werten ist noch folgendes zu bemerken. Die Bestimmungen wurden in zehn verschiedenen Sitzungen gemacht, da wir beobachteten, dass .bereits ein etwa halbstündiges Arbeiten Ermüdung hervorrief. Trotzdem stimmen die Werte mit- einander gut überein. Auch kann angeführt werden, dass, obwohl zahlreiche Vexierversuche zur Verwendung kamen, es dennoch nur dreimal passierte, dass hierbei falsche Angaben geliefert wurden, d, h. dass das Ausgangsgewicht selbst als schwerer be- zeichnet wurde. Auch in einer anderen Weise wurde die Aufmerk- samkeit der Versuchspersonen kontrolliert. Es wurden Werte ein- geschoben, die etwas über der gefundenen Schwelle lagen. Nachdem z. B. bei einem Ausgangsgewicht von 30 g gefunden worden war, dass 35 & höchstwahrscheinlich über der Schwelle lag, wurde dieses Gewicht in die Versuchsreihe, und oft bereits sofort im Anfang derselben eingeschoben. Auch diese Probe bestanden die Versuchs- personen fast immer gut. Die erhaltenen Werte dürfen somit als recht zuverlässig angesehen werden. 10 146 H. Fabritius und E. von Bermann: Vergleicht man dieselben mit den von anderen Autoren ge- fundenen Werten, so differieren sie allerdings sehr stark von den so oft zitierten Weber’schen Werten, denen zufolge eine Zulage von nur "ao — 2" %o des Ausgangsgewichts genügen soll. In unseren Versuchen beträgt der eben merkliche Unterschied für 20g—13%; für 30 g — 100; 50.8 — 8,60; 100 g — 9,5 lo und für 300 g — 9,13. In den Weber’schen Versuchen geschah jedoch die Hebung mit der ganzen Hand, die im gewöhnlichen Leben zu diesem Zwecke nicht allzuselten benutzt wird, so dass wir für solehe Schätzungen eingeübt sind; in unseren Versuchen wurde dlagegen nur der rechte Mittelfinger benutzt, der ausserdem in etwas ungünstiger Lage (starke Supinationsstellung des Unterarms) gehalten werden musste. Die Weber’schen Zahlen stellen schliesslich extrem günstige Werte dar. Neuere Gewichtsversuche z. B. von Jacoby (Arch. f. experim. Pathol. u. Pharmakol. Bd. 32 8. 49. 1893) und von Wreschner (Schriften d. Ges. f. psychol. Forschung | Heft 11. 1898) ergaben, dass eine Zulage von !ıo (Jacoby) resp. !/; (Wreschner) des jeweilig einwirkenden Gewichtes eben wahr- | genommen wurden. Diese Zahlen stimmen mit den unserigen recht gut überein. | Hier spielt aber die Grösse der Zahlen selbst eine untergeordnete | Rolle. Hauptsache ist, dass sie für die bestimmten Personen und ' unter den genannten Umständen die Schwellenwerte darstellen. Nach der Feststellung derselben wurden die gleichen Versuche nach Abschnürung des Fingers durchgeführt. Natürlich konnten hierbei | nicht ebenso zahlreiche Bestimmungen wie früher gemacht werden. Die erhaltenen Werte sind aber alle eindeutig und erlauben bezüg- | lich unserer Empfindlichkeit für Muskelkontraktionen recht sichere Schlüsse. | Diese Versuchsprotokolle mögen vollständig mitgeteilt werden, da sie einen Einblick in den Verlauf der Erscheinungen gewähren. | Versuche mit abgeschnürtem Finger. Versuch I. (Versuchsperson F.) Ausgangsgewicht: 20 g. Abschnürung um 11h 30". ab 12h 00’: 21—20— 22—20—23—20—24--20 — 25. 0, 0, 0, 0, % Leichte Berührungen werden nicht gespürt, etwas stärkere dagegen prompt. Zur Kenntnis der Haut- und Tiefensensibilität etc. 147 VeR051): 2526,27, 28, 29. Ol al OR. ER Deutliches Kältegefühl. Parästhesien. 12h 10': 29, 30, 40, 50. (E00: Die Sensibilität schwer gestört. Kneifen mit einer Pinzette gefühlt, aber nicht als Kneifen erkannt. 12h 15’: 30, 40, 45, 50. 00 Nur starker Druck wird empfunden und ruft schmerzhaftes Stechen hervor. 12h 20’: 45, 50, 02 Vorsichtig ausgeführte passive Bewegungen mit dem abge- schnürten Finger zeigen, dass die Beurteilung der Stellung des Fingers im Raume sehr schwer geschädigt ist. 12h 30’: Es werden einige Versuche mit einem Ausgangsgewicht von 50 g ausgeführt. Jede Berührungs- und Drucksensibilität ist aufge- hoben. Ausgangsgewicht: 50 g. 70, 80, 90. Velmrr 90, 100. 0, r. Warm und kalt wird noch gespürt. Versuch II. (Versuchsperson B.) Ausgangsgewicht: 30 g. Abschnürung um 11h 30”. ab 11h 50': 35, 40. 35, 35, 40. 0, 7 00, Leichte Berührungen werden noch gespürt, aber schwächer als in den intakten Fingern. Das Gewicht kommt der Versuchsperson ausserordentlich leicht vor, ja sie gibt an, überhaupt nicht sagen zu können, ob ein Gewicht am Finger hängt oder nicht. 12h 00’ bis 12h 02’: 35, 37, 38. Velen 12h 03’: Leichte Berührungen werden noch an der Fingerspitze gespürt. 12h 05’ bis 12h 06’: 35, 38, 40. 01-0: 12h 07’: Leichte (nicht leichteste) Berührungen werden noch an der Mittel- und Endphalanx gespürt, obwohl sehr schwach. 1247107 pis 12619": 35, 39, 40, 45, 45, 50, 50. 0907:805.0822105.1.05°° 7: 1) Die jedesmalige Hebung des Ausgangsgewichtes zwischen den Hebungen der erhöhten Gewichte ist hier und in den späteren Tabellen nicht verzeichnet. 148 H. Fabritius und E: von Bermann: 12h 15’: Leichter und auch mittelstarker Druck wird nicht mehr an der End- phalanx, dagegen aber noch an der Mittelphalanx gefühlt. (Leichter Druck hier nicht gespürt.) 12h 20’ bis 12h 21’: 45, 50. 0m 12h 22’: Nur sehr starker Druck an der Endphalanx Be DIN, Kein Kribbeln, aber Lähmungsgefühl. 12h 24’ bis 12h 27’: 45, 50, 55, 59. 12h 28’ bis 12h 31’: 50, 59. 50, 59. 01 277: (err 12h 31’: Nur Stichschmerz ist noch vorhanden. Druckempfindung nicht aus- zulösen. 12h 32’: Die Abschnürung wird beendet. Nach dem Schluss des. Versuches werden wieder einige Prüfungen gemacht. 12h 35': 35 — „vielleicht etwas schwerer“. 12h 37': 40 — „deutlich schwerer“. 12h 371/a’: 832, 34. Or, 12h 39’: 35 — „sicher schwerer“. 12h 40’ bis 12h 41’: 32, 33. 0, r („es ist schwerer, etwas“). 12h 42’: 30, 835. 0, r („ja, es ist schwerer“). Versuch III. (Versuchsperson F.) Ausgangsgewicht: 50 g. Abschnürung um 11h 27”. 12h 00’ bis 12h 13’: 53, 54, 55, 56, 57, 58, 59, 60. 0,2202 0,0270220,0202,0 007 Um 12h 13’, als die letzte Bestimmung eben gemacht worden war (mit 60 g), wurde die Sensibilität geprüft. Die Berührungs- sensibilität war sehr stark herabgesetzt, Druck wurde dagegen empfunden. 12h 20’ bis 12h 30': 54, 55, 57, 60, 61, 63, 65, 67, 69. 9,20, 22.0,..07.0.0,22.0:0, 0200 12h 30: Schluss. Versuch IV. (Versuchsperson B.) Ausgangsgewicht: 300 g. Abschnürung 11h 50’. 12h 30’: Holzfaserung noch gefühlt. 12h 35’ bis 12h 40': 320, 330, 330, 335, 320, 330, 335, 340, 340, 345, 350. 9,0, 0,72 .09520, ,0, 702 70 12h 40’: Leichte Berührungen werden nicht gefühlt, Druck dagegen recht deutlich. 12h 46' bis 12h 50’: 340, 350, 360, 365, 370, 380, 350, 390. 05, 230,700 0 Zur Kenntnis der Haut- und Tiefensensibilität etc. 149 12h 50’: An der zweiten Phalanx wird Druck noch gefühlt, an der dritten nicht. 12h 51’ bis 12h 53’: 8360, 370, 330, 380, 390, 370, 380, 380. RE 12h 53': Schluss. Sofort nach dem Versuch, d. h. nach der Entfernung der Binde, werden zwei Bestimmungen gemacht. Bei 370 g sagt die Versuchs- person: „Sehr deutlich schwerer“, dann bei 340 g auch sofort richtig. Dabei bestehen Parästhesien (Stiche und Kribbeln). Es wurde oben bereits bemerkt, dass die früheren Versuche von Fabritius eine deutliche Abnahme der Unterschiedsempfindlichkeit bei Gewichtshebungen ergaben, wenn der hebende Finger durch Ab- schnürung nahezu unempfindlich gemacht worden war, wenn also die Schätzungen voraussichtlich nur auf Muskelempfindungen angewiesen waren. Gegen diese Resultate oder — richtiger — gegen die von Fabritius gelieferte Deutung derselben machte Lothmar (in Zeitschr. f. d. gesamte Psych. und Neurol., Dept. 1912) den Ein- wand, dass vielleicht die Parästhesien bei der Abschnürung an dieser Herabsetzung schuld trügen. Diesen Einwand hat Fabritius auch sich selbst anfangs ge- macht, aber bereits in seiner fraglichen Arbeit aus mehreren Gründen zurückweisen müssen. Wir sind nun auch dieser Sache experimentell nähergetreten, und zwar in der Weise, dass wir durch Behandlung des intakten Fingers mit Juckpulver ganz ungemein lästige Par- ‚ästhesien an Hand und Finger hervorriefen. Es war uns vor „Kratz- zwang“ kaum möglich, zu arbeiten; der eine von uns (B.) bekam während des Versuches eine starke Urticaria. Trotzdem hatte dies einen sehr geringen Einfluss auf die Schwelle bei den Gewichts- hebungen. Gehoben wurden wieder dieselben Gewichte wie früher und mit demselben Finger (rechten Mittelfinger). Für jedes Ge- wicht wurden nur fünf Schwellenwerte (oder richtiger fünf Reihen von Schwellenwerten) bestimmt, teils weil die Zahlen so nahe mit den für normale Verhältnisse gültigen übereinstimmten, teils weil es äusserst unangenehm war, bei dem Jucken zu arbeiten. Gewichtsversuche bei gleichzeitigen starken Juckempfindungen. Versuch I. (Versuchsperson F.) Ausgangsgewicht . . . . . 20 9. Schwellenwerte. . . ... 23, 24, 22, 24, 21. Mittelwerte. 2.2. 2 200%. 22,8 8. 150 H. Fabritius und E. von Bermann: Versuch II. (Versuchsperson B.) Ausgangsgewicht . . . . . 30 2. Schwellenwerte. .... . 84, 34, 34, 35, 33. Mittelwert... 0.0 2... 34 Q. Versuch III. (Versuchsperson F.) Ausgangsgewicht . . . . . 0 g. Schwellenwerte. ... . . - 54, 6, 56, 55, 57. Mittelwert . . -. .. 2.2.5996 8: Versuch IV. (Versuchsperson B.) Ausgangsgewicht . . . . . 300 2. Schwellenwerte. . . . . - a a ein a Mittelwert. .».....,°.. 2.0. 328,2 g. . Vergleichen wir diese Werte mit den oben S. 145 für die Ge- wichtshebungen bei intakter Hautsensibilität gefundenen Schwellen- werten, so erkennen wir tatsächlich durchgehend eine Erhöhung der Schwelle; aber sie ist verhältnismässig gering. Hierzu kommt nun noch ein Umstand. Wir sehen aus den Ab- sehnürungsversuchen ganz deutlich, dass die Schwelle bei Gewichts- hebungen in demselben Maasse wie die Sensibilitätsstörung am Finger wächst. Die Parästhesien dagegen, die, wie Fabritius be- reits mehrmals in seiner oben zitierten Arbeit erwähnt hat, bei der Abschnürung nur eines Fingers sehr unbedeutend sind, treten höchst unregelmässig auf. Manchmal erscheinen sie bereits im Beginne eines Versuches recht plötzlich, verschwinden aber dann wieder, um wiederum aufzuleben usw. Einen störenden Einfluss auf die Be- obachtungen üben sie dabei aber kaum aus. Davon kann sich übrigens ein jeder leicht selbst überzeugen, denn eine einstündige Umsehnürung eines Fingers ist ja eine gefahrlose Sache. Hat doch Fabritius z. B. seinen rechten Mittelfinger bereits zehnmal für eine Zeit von 50—80 Minuten abgeschnürt, ohne die geringste schäd- liche Folge bemerkt zu haben. Die auf S. 151 befindliche Zusammenstellung gibt eine Über- sieht der gewonnenen Resultate. Ein Blick auf die Tabelle wird besser als weitlänfige Kommen- tare das Wachsen der Schwelle bei zunehmender Sensibilitätsstörung des Fingers zeigen. Das Verhältnis zwischen der Empfindlichkeit | bei intakter und bei aufgehobener Sensibilität des Fingers in Prozenten zu berechnen, können wir uns ersparen. Erstens nämlich sind die Bestimmungen bei gestörter bzw. aufgehobener Sensibilität verhältnis- I / Zur Kenntnis der Haut- und Tiefensensibilität etc. 151 Schwellenwerte bei Gewichtshebungen mit dem rechten Mittelfinger. Eben merkliche Zulagen in Gramm bei Ausgangs- er gewicht intakter | Aufstreuen | Abschnürung Sensibilität von Juck- | (die Zeitangaben geben die Minuten nach g desFingers pulver der Abschnürung an) nach 30’ | nach 35’ | nach 45’ 20 2,6 Be: ı aa) en : e nach 32’ | nach 36’ | nach 49’ nach 54’ 30 30 10 20 | 20-85 nach 46’ | nach 53’ | nach 60’ 50 4,3 5,6 { 10 19 40-50 \ ar ' nach 50’ | nach 60’ | nach 63’ mässig spärlich, zweitens ist die Feststellung der eben merklichen Zu- lage im einzelnen Fall recht unsicher. Besonders macht sich dies bei geringen Gewichten störend bemerkbar. Wir machten beide, ebenso wie bereits früher Fabritius und seine anderen Versuchspersonen, die Beobachtung, dass man bei schwer gestörter Sensibilität des Fingers kaum oder gar nicht mehr zu sagen imstande ist, ob über- haupt ein Gewicht gehoben wird, wenn dies weniger als ca. 30 g beträgt; bei 50 g fühlt man aber doch schon deutlich, dass etwas am Finger hängt. Dazu kommt, dass die Kontraktion der Muskeln bei gleichzeitig aufgehobener Sensibilität des Fingers ein sozusagen schwer fassbares Bewusstseinsobjekt darstellt. Man hat keinen klaren Bewusstseinsinhalt, auf Grund dessen die Schätzung des Ausgangs- wie des Vergleichsgewichtes mit Sicherheit geschehen könnte. Soviel geht jedoch, man kann wohl sagen, mit voller Deutlich- keit aus den Versuchsreihen hervor, dass die taktile Empfindlich- keit des Fingers und die Genauigkeit der Schätzung eines von dem- selben gehobenen Gewichtes gleichzeitig ab- oder zunimmt. Hieraus müssen wir aber schliessen, dass die Muskelempfindungen bei der Abschätzung eines gehobenen Gewichtes zum mindesten eine unter- geordnete Rolle spielen. Dieser Schluss scheint uns auch bei möglichst genauer Be- rücksichtigung der Versuchsbedingungen und eventueller Fehlerquellen ' zwingend zu sein. Wir haben gefunden, dass, wenn man mit dem | N { intakten rechten Mittelfinger verschiedene Gewichte hebt, sich eine gewisse Unterschiedsempfindlichkeit herausstellt, die für ein und das- selbe Gewicht ziemlich konstant ist und die bei verschiedenen Ge- 152 ; H. Fabritius und E. von Bermann: wiehten dem Weber’schen Gesetz einigermaassen gut entspricht. So variierte dieselbe in unseren Versuchen zwischen 8,6 und 13%o des Anfangsgewichtes. Wurde nun der Finger mit einer elastischen Gummibinde an seiner Basis abgeschnürt, so trat in der ersten Zeit nach der Umschnürung keine Veränderung dieser Empfindlichkeit hervor. Wurde aber die umschnürende Binde längere Zeit, etwa eine Stunde, am Finger belassen, so trat ein Sinken der Unter- ‘schiedsempfindlichkeit bei den Gewichtshebungen ein. Wurde aber dann die Gummibinde entfernt, so erwies sich die Unterschieds- schwelle wieder klein. Der Abschnürungsversuch II ist in dieser Hinsicht besonders lehrreich. Eine Stunde nach der Abschnürung wurde bei einem Ausgangsgewicht von 30 g eine Zulage von 20 © nieht gemerkt; erst bei 25 g Zulage, also bei 55 g, hatte die Yan suchsperson den Eindruck der gesteigerten Schwere. 2—3 Min. später — etwa 62—63 Min. nach der Abschnürung — wurde die Gummibinde entfernt und, nachdem der Finger wieder warm und rot geworden war, zur Gewichtsprüfung geschritten, wobei sich das oben erwähnte Resultat ergab. (Vergleiche Protokoll S. 148.) Die Gewichtsprüfung ergab fast dasselbe wie vor der Abschnürung. Die Unterschiedsempfindlichkeit sinkt somit unzweifelhaft ‚infolge der Abschnürung. Diese ruft aber zweierlei Wirkungen hervor: Erstens und vor allem setzt sie die Sensibilität des Fingers herab, zweitens ruft sie — obwohl sehr schwache — Parästhesien hervor. Auf die bei der Bewegung beteiligten Muskeln übt die Umscehnürung- aber keinen Einfluss aus. Dass die Parästhesien nicht die Ursache der Störung .der Ge- wichtsschätzung sind, haben wir zeigen können, indem wir die künst- lichen Parästhesien hervorriefen. Es folgt daraus, dass die Störung der Gewichtsschätzung hauptsächlich auf die Sensibilitätsstörung im Finger zurückzuführen ist. Die Schädigung sensorischer Organe des Fingers sind nun die Ursache der gestörten Unterschiedsempfindlichkeit für Gewichte. Wir können mit den Hautsinnesapparaten — vor allem den Berührungs-Druckapparaten — rechnen oder mit den empändiieheiil Teilen der Gelenke, der Muskelsehnen oder schliesslich mit einigen | von ihnen oder allen zusammen. Wir wollen die Möglichkeiten hier nicht näher auseinander- | setzen. Die Sache kann jedenfalls auf Grund der obigen Versuche Zur Kenntnis der Haut- und Tiefensensibilität etc. 153 noch nicht entschieden werden. In einem Umschnürungsversuch sinkt nämlich die Empfindlichkeit aller dieser Komponenten schliess- lich fast bis auf Null. Dass die Druckempfindlichkeit völlig verloren geht, ist oben mehrfach erwähnt worden. Hierbei muss wohl an- genommen werden, dass auch die Empfindlichkeit der Sehnen auf- gehoben worden ist. Dass auch die Gelenkempfindungen aufgehoben oder jedenfalls schwer geschädigt sind, lässt sich nachweisen, Es zeigt sich nämlich, dass die Versuchsperson sehr schlecht oder fast gar nicht über die Lage des abgeschnürten Gliedes orien- tiert ist, und besonders trifft dies zu, wenn die Muskeln des Fingers möglichst schlaff gehalten werden. Zweitens zeigen einige kleine Erscheinungen ataktischer Natur, die im Abschnürungsversuch schön hervortreten, dass die Gelenk- empfindlichkeit schwer geschädigt ist. Die Versuchsanordnung war, wie oben S. 143 geschildert wurde, eine solche, dass mit der End- phalanx der kleine Holzbügel gehoben wurde, an dem die Gewichte hingen. Der Bügel ruhte frei auf der Volarfläche der Endphalange nahe der Fingerspitze. Bei, intakter Sensibilität geschahen die Hebungen prompt und ohne weitere Komplikationen. Sobald aber die Sensibilitätsstörungen sich zu entfalten begannen, trat die Er- scheinung ein, dass der Holzbügel vom Finger abglitt. Bei ge- steigerter Aufmerksamkeit konnte die Versuchsperson dies anfangs verhindern, später aber glitt der Bügel trotz aller Vorsätze schon nach den ersten Hebungen vom Finger. Wir waren deshalb in den Absehnürungsversuchen gezwungen, den Bügel an den Finger mit ‘einem Bindfaden zu fixieren. (Dies hatte natürlich keinen Einfluss ‚auf die Resultate der Gewichtshebungen, denn bei der schweren Störung der Sensibilität werden die Bindfäden bedeutungslos.) Die Gelenkempfindungen sind somit, ebenso wie die Druck- empfindungen, sicher schwer gestört oder vielleicht bei fort- geschrittener Abschnürung völlig aufgehoben. Ob die Störung der- ‚selben oder ob die der Druckempfindungen oder ob beide die ‚schwere Schädigung der Gewichtsschätzung bei der Abschnürung verursachen, lässt sich deshalb nicht sicher entscheiden. Die Ver- suchsanordnung muss etwas verändert werden, um diesen Punkt auf- ızuklären. Wir werden aber hier die Frage nicht weiter verfolgen. ‘Sicher erlauben die Versuche nur den Schluss, dass die Unter- schiedsempfindlichkeit unserer Muskelkontraktionen reine verhältnismässig geringe ist. 154 H. Fabritius und E. von Bermann: Dass dies in schroffem Widerspruch zu den geläufigen Vor- ein Buch finden, in dem die in Frage stehenden Erscheinungen be- stellungen steht, wird wohl allgemein bekannt sein. Man kann kaum r handelt werden, das nicht die Ansicht von der hohen Feinheit der Muskelempfindungen vertreten würde Thunberg, der in Nagel’s Handbuch der Physiologie die Hautsinnesempfindungen behandelt, schreibt (Bd. III S. 664) z. B.: „Es ist um so wichtiger, dass bei der Prüfung der Druckempfindungen, die Muskelempfindungen aus- geschlossen sind, weil sie eine ausserordentlich feine Unterschieds- empfindlichkeit besitzen“ usw. In Wundt’s „Grundzüge der Physio- logischen Psychologie“ treffen wir auf Schritt und Tritt diese Auf- fassung usw. Fragt man sich aber, worauf sich diese Annahme eigentlich stützt, so wird man keine befriedigende Antwort erhalten. Man‘ Zen scheint sich offenbar auf die uralten Weber’schen Versuche zu stützen und deutet sie falsch. Wenn wir auf die ruhende Hand ein (sewicht legen und es dann, ohne die Hand zu bewegen, mit einem anderen neu aufgelegten Gewicht vergleichen wollen, so ist die Unter- schiedsempfindlichkeit eine sehr schlechte. Werden aber die frag- lichen Gewichte gehoben, so finden wir eine sehr hohe Unterschieds- empfindlichkeit. Dies wird nun so gedeutet: Im vorigen Falle standen der Versuchsperson nur Druckempfindungen zur Verfügung, ai letzteren Falle aber ausser Druck- auch Muskel- und Gelenkemp-‘ findungen oder, um Wundt’s Terminologie zu benutzen, ausser! äusseren auch innere Tastempfindungen. Es müssen folglich, so. sagt man, diese letzteren, vor allem die Muskelempfindungen, ge-' wesen sein, die die verhältnismässig hohe Untersehieplseumiunuir BEE bedingen. Abgesehen davon, dass verschiedene Muskeln und verschiedene Muskelgruppen möglicherweise eine sehr ungleiche Sensibilität be-' sitzen dürften, ist man zu diesem Schluss so lange nicht berechtigt, solange es noch andere Auffassungsweisen, die nicht ohne weiteres! zurückgewiesen werden können, gibt. Wir wollen hier nicht ein-. zehend die Sache behandeln, sondern nur kurz auf eine solche mög- liche Auffassung hinweisen. | Bei der Schätzung eines Gewichtes einerseits mittels des Druckes, den es bei ruhiger Haltung der Hand auf dieselbe ausübt, anderer- seits mittels „taxierender* Bewegungen müssen wir vor allem noch en ns men « > Sale man nn ne ee Zur Kenntnis der Haut- und Tiefensensibilität etc. 155 mit dem Faktor rechnen, dass ein Gewicht, auf die Hand oder den Finger gelegt, eine gewisse Deformation der Haut hervorruft, dieser Vorgang aber alsbald zum Stillstehen kommt. Wird aber das Gewicht gehoben, so wird ihm die lebendige Kraft mv? 2 erteilt. Den Anstoss hierzu bekommt das Gewicht aber vom Finger, der folelich einen entsprechenden Gegendruck erfährt, und dieser wechselt bei jeder Geschwindigkeitsänderung des Fingers. Das Gewicht übt somit bei taxierenden Bewegungen des schätzenden Körperteiles nicht einen konstanten Druck auf die unterliegenden Teile aus, sondern der Druck wechselt und ist dabei jedesmal ein Maass für die Grösse des Gewichtes. Bei ruhiger Haltung des. untersuchenden Teiles verblasst aber der Eindruck sehr bald nach der einmal ein- ‘getretenen Deformation der Haut, und da weiter keine Änderung in dieser Hinsicht eintritt, wird die Auffassung des Vorgangs eine verhältnismässig unvollkommene bleiben: Wir schätzen daher das konstant drückende Gewicht mit geringerer Genauigkeit als das, welches uns während längeren Hebens und Senkens zahlreiche, von seiner Grösse abhängige Empfindungen verursacht. Hierin liest unseres Erachtens vielleicht die Aufklärung des scheinbaren Widerspruches zwischen den obigen Resultaten und jenen der Weber’schen und Fechner’schen Versuche. Die Frage bedarf jedoch einer weiteren experimentellen Bearbeitung. Zusammenfassung. J. Wenn man einen Finger an seiner Basis mit einer Gummi- binde abschnürt und dann während einer Stunde die Veränderungen der Tastkreise (simultanen Raumschwellen) und das Verhalten der sogenannten Stereognose verfolgt, so stellt sich folgendes heraus: Innerhalb von 35—45 Minuten — bei kräftiger Zuziehung der ' Binde etwas früher — tritt eine geringe Erweiterung der Tastkreise ein, die aber nicht grösser als jene Veränderung derselben ist, welche man seit langem infolge von verschiedenen Eingriffen beobachtet hat. Die Stereognose bleibt während dieser Zeit gut erhalten. Nach dieser Zeit beginnt eine gewaltige Veränderung der Tast- kreise. Sie werden rasch grösser, und nach etwa 5—7 Minuten sind ı sie am Finger überhaupt nicht mehr vorhanden, d. h. wenn man 156 H. Fabritius und E. von Bermann: auch die beiden Ästhesiometerspitzen möglichst weit voneinander entfernt — etwa 50 mm — ruft das gleichzeitige und möglichst gleich- mässige Applizieren derselben auf die Haut nur eine einzige Emp- findung hervor, die meistens in der Nähe des proximalen Reizpunktes | lokalisiert wird. Bei zeitlich getrennter Reizung der beiden frag- lichen Reizpunkte lässt sich dagegen (mit den stumpfen Ästhesio- meterspitzen) am jedem Ort eine Berührungs-Druckempfindung her- } vorrufen, die richtig lokalisiert wird. Zugleich mit dieser Ver- änderung der Tastkreise verschwindet die Stereognose; es wird in ’ der überaus grossen Mehrzahl der Fälle unmöglich sein, einen Gegen- stand durch abtastende Bewegungen mit dem abgeschnürten Finger zu erkennen, wogegen dies mit einem intakten Finger meistens prompt gelingt. | Nach dem Eintritt dieser Sensibilitätsstörung bleibt von der Hautsensibilität noch Berührungs-Druckempfindlichkeit mit guter | Lokalisation bei Einzelreizen und erhöhter Reizschwelle, Schmerz- | und Kälte- sowie Wärmeempfindlichkeit zurück. Ziemlich bald aber — etwa nach 5—10 Minuten — verschwindet hi auch der letzte Rest von Druckempfindlichkeit, und nur Temperatur und Schmerzempfindungen sind auslösbar. Diese zeigen dabei völlig dieselben Eigenschaften wie der zuletzt verschwundene Teil der Be- rührungs-Druckempfindlichkeit. Sie können nämlich lokalisiert werden, besitzen aber keine Raumschwelle. Wenn man 2. BD. mit den scharfen Spitzen des Asthesiometers einen Punkt an der Spitze des abgeschnürten u Fingers sticht, fühlt man einen scharfen starken Stichschmerz, den \ man richtig lokalisiert; dasselbe trifft auch zu, wenn ein Punkt 2. D. in der Nähe der abschnürenden Gummibinde, also etwa an der Basis der zweiten Phalanz, gestochen wird. Werden aber die beiden fraglichen Punkte gleichzeitig mit den scharfen Spitzen gereizt, so fühlt man nur einen Schmerz, und zwar meistens in der { Nähe des proximalen Punktes. — Bei Temperaturreizen beobachte man ähnliche Erscheinungen. II. Wenn man — durch eine passende Versuchsanordnung — mit einem Finger Gewichte hebt, die Unterschiedsempfindlichkeit fün die Gewichte bestimmt und dann diese Versuche in der gleichen Weise wiederholt, aber eine Gummibinde um die Basis des Fingers | angelegt hat, so zeigt sich, dass die Unterschiedsempfindlichkeü mittels taxierender Bewegungen desto geringer ist, je mehr die taktil« Zur Kenntnis der Haut- und Tiefensensibilität etc. 157 Empfindlichkeit des Fingers durch die Umschnürung gelitten hat. Bei aufgehobener Sensibilität des Fingers ist schliesslich das Gewicht- schätzungsvermögen des taxierenden Fingers minimal. Hieraus müssen wir den Schluss ziehen, dass diese Muskelempfindungen mit einer sehr niedrigen Unterschiedsempfindlichkeit ausgestattet sind und des- halb bei der Schätzung von Gewichten durch Hebung eine unter- geordnete Rolle spielen. 158 J. S. Szymanski: (Aus dem physiologischen Institut der Universität Wien.) Versuche | über den Richtungssinn beim Menschen. Von Dr. 5. S. Szymanski. (Mit 2 Textfiguren.) Einleitung. Das Problem des Orientierungsvermögens des Menschen wurde von zwei Seiten in Angriff genommen. Eine Reihe der Forscher untersuchte Empfindungen, die die verschiedenen Körperstellungen im Raum begleiten, deren Illusionen und Mechanismus. Die Ver- treter dieser Riehtung — Delage!), Mach?), Breuer?), Aubert!), Kreidl*), Cyon°) und andere — haben die Otolithen- theorie aufgebaut. Die andere Reihe der Forscher bemühte sich, die Frage zu be- antworten, ob es einen besonderen Richtungssinn gäbe? Mit anderen Worten, ob der Mensch bei progressiver Bewegung imstande sei, eine bestimmte Richtung einzuhalten? Die Selbstbeobachtung und die Beobachtungen an Vertretern der weissen und farbigen Rassen lieferten hier die Argumente. 1) H. Aubert, Physiologische Studien über die Orientierung unter Zugrunde- legung von Y. Delage, Etudes experimentales ete. 1888. 2) E. Mach, Grundlinien der Lehre von den Bewegungsempfindungen. 1875. 3) J. Breuer, Über die Funktion der Otolithenapparate. Pflüger’s Arch. Bd. 48 S. 195. 1891. 4) A. Kreidl, Beiträge zur Physiologie des Ohrlabyrinths auf Grund von Versuchen an Taubstummen. Pflüger’s Arch. Bd. 51 S. 119. 1892. 5) E. v. Cyon, Gott und Wissenschaft Bd. 2. Neue Grundlage einer wissenschaftlichen Psychologie. Leipzig 1912. (Zusammenfassende Darstellung sämtlicher diesbezüglicher Versuche des Verfassers und deren theoretische Aus- legung.) Versuche über den Richtungssinn beim Menschen. 159 So konnte Prof. S. Exner!) das Vorhandensein des „Richtungs- bewusstseins“ feststellen, das in dunklen Wahrnehmungen und Er- innerungen von Stellung und Stellungsänderung der Medianebene unseres Körpers besteht, Dieses Richtungsbewusstsein scheint bei verschiedenen Menschen sehr verschieden ausgebildet zu sein. „Die Anlage zu diesem Orts- und Richtungsbewusstsein kann man wohl eine tierische nennen, denn offenbar haben sie viele Tiere in weit höherem Grade als der Mensch. Die Nützlichkeit derselben zur Orientierung in Terrain liegt auf der Hand“ (S. 235—237). Wrangel, Bartle, Fr&ve und de Stoutz?) konnten wieder- holt die staunenswerte Leichtigkeit beobachten, mit der die Vertreter aussereuropäischer Völker (Samojeden, Jäger von Indien, Neger, Dayaken auf Borneo) in weglosen Wäldern, Gebirgen usw. ihren Weg zu finden verstehen. Pechuel-Loesche?) stellte bei der Bevölkerung von Loango (Franz.-Kongo) Richtungsgefühl, Ortssinn und Ortsgedächtnis fest. Besonders wichtige und ausgedehnte Beobachtungen hat V. Cor- netz*) während seiner Erforschungen der Tunesischen Sahara in den Jahren 1891—1894 an deren Bewohnern gemacht. Da diese Beobachtungen einigermaassen als Ausgangspunkt für meine Versuche dienten, möchte ich Cornetz’s Schlussfolgerungen wörtlich wieder- geben. Nachdem der letzgenannte Forscher viele sehr interessante und genau (mit Hilfe der Bussole) nachgeprüfte Äusserungen des Richtungssinnes beschrieben hat, zieht er als Hauptergebnis seiner Untersuchungen folgende Schlüsse: Le fait capitale sur lequel j’insiste est que Klemme ne trouve pas le feu (seines Lagers in der stockfinsteren Nacht), mais qu’il le retrouve. Le saharien ne peut aller & ce feu que parce qu’i) en est venu tout ä ’heure. Notre homme a done enregistr6 inconseiemment 1) S. Exner, Entwurf zu einer physiologischen Erklärung der psychischen ‚ Erscheinungen. 1894... 2) Ed. Clapare&de, La faculte d’orientation lointaine. Arch. de Psych. t.2. 1903. — Vgl. auch P. Bonnier, L’orientation p. 75—86. 1900. ° 8) Zitiert nach A. van Gennep. 4) V. Cornetz, Observations sur le sens de la direction chez l’homme. \ Rev. des Idees du 15 Juillet 1909. — V. Cornetz, Note complementaire aux ‚ observations sur le sens- de la direction chez l’homme. Rev. des Idees du »15 Octobre 1909. — V. Cornetz, Trajets de Fourmis et Retours au. nid. ‘ Memoire de l’Institut general psychologique no..2. 1910. Appendice Note 1,2, 3. Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd. 151. 11 160 J. S. Szymanski: le parcours, il le possede sans s’en rendre compte comme moi je l’aurais eonseiemment sur ma feuille; il ne lui est point necessaire de repasser par oü il est venu, sa direetion de retour re&sulte automatiquement des angles et distances de l’aller qui ont impres- sione chez lui une sensibilite d’un genre partieulier. On peut appeler cette sensibilite et son fonetionnement „instinet de direction“ ou bien, moins simplement „enregistrement ineonscient des angles et distances avec sentiment de l’azimut de retour“ (Observations etc. p. 64)... . Les sensations des deplacements lineaires et angu- laires du corps dans l’espace peuvent ötre percues sans la vue, temoins les aveugles qui sentent et enregistrent tres bien les „& droite“ et les „a gauche“ qu’ils ont faits (Note ete. p. 302) ..... La faculte de direction eree des documents int6rieurs chez ’homme sans que la necessit€ de l’aide d’un des eing sens s’impose (Note etc. p. 320)... En resumant, voiei ma conelusion: La faculte de direction, d’orientation, chez l’homme repose sur la mesure et l’estime de mouvements accomplis par le corps dans l’espace, sur l’enregistrement plus ou moins eonseient des dites mesures et estimes | et sur me deduetion mental plus ou moins eonscient elle aussi de l’organe central, de cerveau. ... Je pense que la facult6 en question sera plus ou moins developp6 suivant le degr6 de subeonseience. 14 Ce degre, s’il est eleve, indique un emploi frequement, ancestral, 13 un besoin vital, une habitute, done un instinet!). Le d&veloppement de la dite facult& depend du milieu et de P’individu (Note ete. | p. 305—308). Durch die Arbeit von Cornetz angeregt, hat A. van Gennep?) in einer Abhandlung seinen stark entwickelten Richtungssinn der genauen Analyse unterworfen; er kommt zum Schlusse, dass „cette ! *# Wi h bi faeult& A me retrouver tenait d’abord A une aceumulation considerable ' d’observations inconseientes. ... L’artiele de M. Cornetz m’a fait | comprendre & quoi s’appliquait exactement cette sensation confuse: | il s’agit de la sensation d’un angle (p. 35). . . C’est bien & cette ' 1) Wie stark die unbewusste Gewohnheit die Bewegungsrichtung be- ' einflussen kann, haben meine früheren Experimente mit Kindern gezeigt. Pflüger’s Arch. Bd. 143 8. 5868. | 2) Du sens d’orientations chez l’homme in A. van Gennep, Religions, | Moeurs et Legendes III® Ser. IIIe Ed. Paris 1911. — Vgl. auch A. van Gennep, Du sens d’orientation chez ’homme. Rev. des Idees du 15 Octobre 1909. M e { a Ta nn nn Versuche über den Richtungssinn beim Menschen. 161 sensation «(’un angle que se ramene en definitive le sens d’orienta- tion (p. 37). In derselben Abhandlung kommt van Gennep auf Grund der Ergebnisse der Rundfrage über den gleichen Gegenstand, welche er an die ausserhalb Europas wohnenden Forscher geschickt hat, zum Sehluss, dass „en tout cas, en supposant que le „sens d’orientation“ se ramene, chez l’homme, dans la plupart des cas, & une accumula- tion des petites observations, rien n’empeche de penser qu’il existe bien chez certains individus (soit qu’ils le developpent par profession, soit qu’ils preferent certains professions & cause pre6eisement de leur plus grande facilit6 ä& se „retrouver“) un sens partieulier de la direction (p. 61). Im Gegensatz zu den Meinungen sämtlicher bisher zitierten Forscher erklärt G. Bonnier!) knapp, dass „le sens de la direction n’existe pas chez l’homme“. Auch Amundsen?) hat anlässlich seiner Südpolfahrt Be- obachtungen gemacht, welche darauf hinzuweisen scheinen, dass der Richtungssinn bei Europäern fehlt. „Es ist nämlich nicht leicht, auf einem Gelände, das gar keine Landmarken bietet, ganz gerade- aus zu gehen. Denkt euch, ihr sollet bei dichtem Nebel in gerader Linie über eine breite endlose Ebene hinschreiten! Ganz windstill ist es überdies auch, der Schnee dehnt sich wie eine weisse Decke ohne Schneewehen bis ins Unendliche aus. Wie würde es euch sehen? Ein Eskimo kann es leisten, von uns aber keiner. Wir werden nach rechts und links abbiegen“ .... (S. 310). Ich möchte noch eine Stelle aus Amundsen’s Buch anführen, weil die dort beschriebene Erscheinung Regel zu sein scheint. Er ‚saet von der Wanderung auf der Schneeebene: „Keinem gelang es, eine ganz gerade Linie einzuhalten, wenn er sich nicht nach irgend- ‚einem Merkzeichen richten konnte. Aber bei Bjaaland war es ‚&anz anders, er war ein auszemachter Rechtsläufer. Ich sehe ihn ‚noch vor mir: Hanssen hat auf dem Kompass die Richtung einge- stellt, der er zu folgen hat, und Bjaaland dreht sich nun, stellt die Schneeschuhe in der aufgegebenen Richtung und beginnt energisch den Marsch. Man sieht seinen Bewegungen deutlich an, dass er 1) Zitiert nach Cornetz. - 2)R. Amundsen, Die Eroberung des Südpols. Übers. von Klaiber. München 1912. al 162 J. S. Szymanski: Te die Absicht hat, auf Leben und Tod, koste es, was es wolle, die Richtung einzuhalten. Er schlägt energisch mit den Schneeschuhen aus, dass der Schnee hoch aufstiebt, und sieht starr geradeaus. Aber das Ergebnis war schliesslich immer dasselbe. Hätte Hanssen den guten Bjaaland weiter machen lassen, okue ihn zu warnen, würde er wohl einen äusserst hübschen Kreis gemacht und sich nach \ Ablauf einer Stunde wieder auf seinem Ausgangspunkt befunden ' haben. | Vielleicht war es aber, wenn man alles mit in Betracht zieht, schliesslich doch kein Fehler, denn wir wussten dadurch immer mit \ unfehlbarer Sicherheit, dass wir uns, wenn wir aus der Warten- reihe herausgekommen waren, rechts davon befanden und also westwärts danach zu suchen hätten. Dies war uns wirklich mehrere Male von grossem Nutzen; und wir wurden allmählich ganz vertraut mit Bjaaland’s rechtsseitigen Neigungen“ (Bd.2 S. 656—697). Amundsen’s Beobachtungen stimmen mit den spärlichen " experimentellen Angaben über den Orientierungssinn überein. So machte Y. Delage!) folgenden Versuch: „Lässt man die Versuchs- ' person (mit verbundenen Augen) sich nach A hin (geradeaus) be- , wegen, so tut sie dies ganz richtig und gelangt trotz des Stockens, welches eine instinktive Furcht ihrem Gange mitteilt, nahezu am Ziele an. Im allgemeinen wird in diesen Versuchen ein kleiner \ Fehler gemacht, aber er beträgt kaum 3—4° bald in dem einen, bald in dem anderen Sinne. Manche Personen machen einen konstanten Mi Fehler, welcher grösser sein kann und immer in ein und demselben \ Sinne gemacht wird; das ist ‚der persönliche Fehler‘“ (S. 18). Auch! berichtet Prof. Kreidl2), dass „von 17 Taubstummen 11 beim normalen Gang, wenn ihnen die Möglichkeit genommen wird, sich" durch die Augen zu orientieren, in heftiges Schwanken geraten, auch“ beim Versuche, gerade vorwärts zu gehen, unvergleichlich stärker‘ R von der Richtung abkommen als irgendwelche normale Menschen“ (S. 150). H Aus dieser kurzen Literaturübersicht lassen sich folgende Schluss- folgerungen ziehen: 1) Y. Delage, Versuche über die statischen und dynamischen Täuschungen in der Richtung zur Bestimmung der Funktion der halbzirkelförmigen Kanäle | des inneren Ohres. Übersetzt von Aubert in Physiologischen Studien usw. A) 6 (8 Versuche über den Richtungssinn veim Menschen. 163 1. Der Richtungssinn scheint bei den aussereuropäischen Völkern stärker als bei Europäern entwickelt zu sein. 2. Es gibt grosse individuelle Verschiedenheiten. 3. Der Rückweg steht in gewisser Abhängigkeit von dem Hin- weg (nach V. Cornetz). Um diese drei Punkte nachzuprüfen, ist es notwendig, die Ver- treter der europäischen und aussereuropäischen Rassen unter Zu- erundelegen der gleichen quantitativen Methode experimentell zu untersuchen. Die Methode muss möglichst einfach sein, um die Versuche überall und unter den unsünstigsten Bedingungen ausführen zu können. Ich möchte das unten beschriebene Verfahren vorschlagen, das ich anlässlich meiner Experimente mit Kindern ausgearbeitet habe. Indem ich über die Experimente selbst und deren Ergebnisse berichte, wird das Verfahren von selbst klar. An dieser Stelle ergreife ich die Gelegenheit, dem Herrn. Professor Sigm. Exner für seine wertvolle Kritik meiner Versuche den besten Dank auszusprechen. Versuche mit Kindern !). Erste Versuchsreihe, Als Versuchspersonen dienten mir Kinder im Alter von 13 bis 15 Jahren; als Versuchsraum benutzte ich einen grossen, 18,5 m langen und 12 m breiten Schulsaal. Auf dem Fussboden wurde ein Rechteck FG ED (Fig. 1) mit Kreide gezeichnet; die Dimensionen desselben waren: DE 10 m und DF 15 m. Das Viereck wurde ‚durch ca. 2 em breite Kreidestriche in weitere nährungsweise 1x 1,5 m grosse Vierecke geteilt. Nachdem jedes Kind gefragt wurde, ob es normales Gehör ı besässe und ob es nie an Ohrenkrankheiten gelitten hätte, liess ich, falls positive Antwort auf die erste und negative Antwort auf die ‚zweite Frage erfolste, das Kind die Ohren mit Watte verstopfen ‚und weiche Pantoffeln über die Schuhe ziehen. Diese Maassregel | sollte jede Möglichkeit, sich nach akzessorischen Lauten zu orientieren, ‚ausschliessen. Darauf wurde das Kind auf M (Fig. 1), den Mittel- | 1) Meine Experimente habe ich an den Zöglingen der Fabrikschule der "A.-G. „Zawiercie“ in Polen angestellt. Ich möchte an dieser Stelle der Verwal- tung der Fabrik, ebenso wie den Herren Lehrern meinen besten Dank für die Unterstützung meiner Versuche aussprechen. 164 J. S. Szymanski: punkt der Linie DE, derart gestellt, dass die Mittellinie MO in der sagittalen Körperebene des Kindes lag. Jedem Kinde erklärte ich genau, es solle geradeaus in der Linie MO bis zum Punkte O vorwärtsgehen, in O umkehren und in der Linie MO zum Ausgangs- punkt, also nach M, zurückkehren. Als ein Zeichen, dass der Punkt pi : O bzw. die Linie F@ r erreicht worden ist, sollte di | dem Versuchskinde die | ‘ Berührung mit einer zwischen F und @G ca. 1 m über dem Fuss- boden straffgespannten / Schnur dienen. Nach dieser Er- - | | klärung wurden die ji | | Augen des Versuchs- (dal $ 0 fl = kindes lichtdicht ver- | bunden und die Körper- ebene nochmals geprüft. | Nachdem ich mich hinter — | das Kind zurückgezogen ' a hatte, setzte sich das- a mw selbe auf das Kommando ' „ vorwärts“in Bewegung. Zum Schluss des Ver- D = m 76 suches, nachdem das j Fig, Kind auf dem Rückwege | den Punkt M bzw. die Linie DE erreicht hatte, blieb es auf mein lautes „Halt“ stehen, legte die Augenbinde ab und wurde entlassen. Während des Versuches blieb ich hinter dem Punkt M etwas erhöht über dem Fussboden stehen; vor mir lag ein Stück Papier gleich kariert wie der Fussboden, so dass jedes Viereck auf dem Papier einem Viereck am Fussboden entsprach. Während das Ver- suchskind vorwärtsschritt, markierte ich seinen Weg auf dem Papier; ausserdem bestimmte ich die Dauer des Versuches von „Vorwärts“ bis „Halt“ mit der Stoppuhr. Während des Versuches blieben im Versuchsraume ausser dem Kinde und mir nur noch zwei Burschen, die bei F bzw. G vollkommen bewegungs- und lautlos sassen und Versuche über den Richtungssinn beim Menschen. 165 die Schnur straffhielten. Die übrigen Kinder, die an die Reihe kommen sollten, waren einen Stock tiefer untergebracht; es wurde ihnen befohlen, sich ganz ruhig zu verhalten. Da ich überdies die Versuche in der Ferienzeit ausgeführt habe, herrschte vollkommene Stille im grossen Gebäude. Die Idee, die ich meinen Messungen zugrunde gelest habe, be- stand im folgenden. Vorausgesetzt, dass die Linie MA (Fig. 1) den Hinweg und die Linie AB den Rückweg darstellt, wollte ich die Winkel @ und %, d. h. den Abweichungswinkel von der Mittellinie MO auf dem Hinwege (X «) und den Abweichungswinkel von der vermuteten Mittellinie AM, nämlich MAB (X £), unter dem das Versuchskind zurückkehrte, bestimmen. Da ich für jedes Kind, wie schon oben erwähnt, die Punkte A und D genau markiert hatte, konnte ich nun die beiden Winkel « und % berechnen, wobei allerdings die Abweichungen von der Ge- raden vernachlässigt wurden. Die Werte für diese Winkel gebe ich in der Tabelle 1 an. Um in derselben zum Ausdruck zu bringen, nach welcher Seite das Kind abgekommen war, bezeichne ich den jeweiligen Winkel, den sein Weg auf dem Hingang mit der Linie MO einschliesst, wenn er rechts von der genannten Linie liegt, mit dem Zeichen +, wenn er links liegt, mit dem Zeichen —; ebenso den Winkel, den der Rückweg mit dem Hinweg einschliesst, falls er in der Richtung des Schreitens rechts vom Hinwege liegt, mit +, im _ anderen Falle mit —. Ausser der Grösse der beiden Winkel ist in der Tabelle die Geschwindigkeit jedes Kindes eingetragen. Dieselbe _ konnte ich berechnen, da ich, wie früher erwähnt, den Weg jedes ‘ einzelnen Kindes auf Papier markiert und die Dauer jedes Versuches ‘ mit der Stoppuhr bestimmt hatte. Die Tabelle 1 (S. 166) zeigt die Messungsergebnisse von 40 Kindern. Aus der Tabelle ergeben sich folgende Resultate: I. Die Grösse des Winkels «@, abgesehen von seinem +- oder —-Vorzeichen, ist im Durchschnitt 7,9°, die des Winkels 8 15,3°, d. h. der Abweichungswinkel auf dem Rückwege ist zweimal so gross als der Abweichungswinkel aut dem Hinwege. II. Es gibt grosse individuelle Verschiedenheiten; während die \ Versuchskinder in einigen Fällen (vier Kinder) sowohl auf dem Hin- \ wege wie auch auf dem Rückwege von der Mittellinie nieht merk- | lich abgekommen sind (@ = 8 —= 0), so betrugen die Winkel « und 166 J. S. Szymanski: Tabelle I. Nummer .| Geschwindig- : ! des Geschlecht Alter keit > = = Korde in Metern | Winkelgrad | Winkelgrad 1 M 14 0,56 0 0 2 K 15 0,50 (0) 0 B K. 14 0,81 0 0 4 M. 14 0,60 0 0 5 M. 3 0,62 0 + 4 6 M 14 1,00 0 +6: 7 M. 3 0,52 0 + 2 8 K. ılz 0,96 0 — 9 K. 16 1,10 0 IL dl 10 Kur, 14 0,46 0 + 4 11 K. 15 0,76 0 +16 12 K. 15 0,53 0 +18 13 M. 14 0,62 — 1 r% 14 M. 14 0,57 > ® + 38 15 M. 3 0,46 + 4 — 6 16 KG 13 0,47 — 4 +12 17 K. 15 0,47 + 4 — 4 18 1, 15 0,66 a + 28 19 RRLG 15 0,66 + 8 +11 20 1 16 0,42 +5 —&® 21 K. 13 0,38 — 6 —11 22 K. = 0,46 +6 — 6 3 K 3 0,47 + 6 + 45 24 M 14 0,57 r 8 22,5 25 K 15 1,00 — 1% + 7 26 M 16 0,46 + 5 — 35 27 M 14 0,47 1) — 21 28 K 14 0,43 —11 +17 29 K 15 0,36 —11 + 745 30 M 12 0,37 — 11 + 29 al M. 3 0,73 — 12 —=15 32 K. 15 0,53 -— 14,5 + 22,5 33 K. 14 0,80 — 14,5 — 22 34 M. 3 0,37 +18 1880 35 M. 14 0,43 + 18 +18 3 M. 3 0,28 + 20,5 + 67 3 M. 14 0,38 + 20,5 + 58 38 K. 1 0,54 +22 +47 3 M. 14 0,37 + 29 +61 40 M. 3 0,37 + 48 +42 % in annähernd ebenso vielen Fällen (fünf Kinder) über 20°. Die überwiegende Mehrzahl der Fälle lag zwischen diesen beiden Extremen. III. Es gibt geschlechtliche Verschiedenheiten. Wenn wir die Grössen für die Winkel @« und £ separat für Knaben und Mädchen berechnen, so ereibt sich, dass der Winkel « für Knaben im Dureh- schnitt 5,7°, für Mädchen 10,8° ist; die entsprechenden Werte für £ sind 11,9% und 18°. Versuche über den Richtungssinn beim Menschen. 167 IV. Zwischen der Grösse der Abweichungswinkel und der Ge- schwindigkeit scheint eine Beziehung zu bestehen: Die Geschwindig- keit betrug in den Fällen, in denen der Winkel « kleiner als 20° war (Nr. 1 bis inkl. 35), im Durchschnitt 0,53 m in 1 Sekunde; in den Fällen, in denen der Winkel « sich über 20 ° erhöhte (Nr. 36 bis 40), war dieselbe 0,55 m in 1 Sekunde. V. Die Versuche haben ferner gezeigt, dass die Abweichung vom richtigen Wege, sowohl auf dem Hinweg wie auf dem Rückwege, doppelt so oft nach rechts als nach links erfolgte: Meine Versuchs- kinder sind 44mal nach rechts und nur 20mal nach links ab- gekommen. Auch geschah die Umdrehung um 180° bei A (Fig. 1) viermal so oft von rechts nach links als umgekehrt (31:3). Diese Erscheinung lässt sich wohl durch die bessere motorische Ausbildung der rechten Körperhälfte bzw. der linken Hemisphäre deuten, denn die Bewegung des „Rechtsum“ geschieht in erster Linie durch den Stoss des rechten Fusses gegen den Boden, während das linke Bein als Drehungsachse dient. Zweite Versuchsreihe. Die Idee der zweiten Versuchsreihe bestand in folgendem. Wenn jemand bei geschlossenen Augen einem Ziele zustrebt und durch ein Hindernis zeitweilig seitwärts, und zwar um 45°, abgelenkt wird, wäre festzustellen, wie er trotzdem sein Ziel _ erreicht. Die Anordnung des Versuches war folgende. Auf dem in oben erwähnter Weise markierten Fussboden wurde vor dem Punkte M ‘an drei in P, X und Z befestigten Stäben eine Schnur einen Meter über dem Fussboden gespannt (Fig. 2). Der Winkel, den die Schnurschenkel (XP bzw. PL) mit der ‚ Mittellinie M O einschlossen, betrug 45°. Die Länge der Linie XP bzw. PL war 3,42 m. Das Kind wurde in M so gestellt, dass OM in seiner Medianebene lag, und angewiesen, den Punkt O zu er- reichen. Dabei sollte es bis P geradeaus gehen, dann dem Hinder- | nis so ausweichen, dass es mit ausgestreckten Händen den mittleren \Stab bei P betastet, dann beliebig die eine oder die andere Hälfte der Schnur (PX bzw. PL) mit der Hand erfasst und, die Schnur ' in der Hand, bis zum Punkte X bzw. Z geht; an einem der letzt- »genannten Punkte angelangt, sollte das Kind die Schnur loslassen und dem Punkte O zustreben. 168 | J. S. Szymanski: Nach dieser Erklärung wurden den Kindern die Augen verbunden, und unter Beobachtung aller anlässlich der vorhergehenden Versuchs- reihe beschriebenen Vorsichtsmaassregeln hatten sie auf das Kommando „Vorwärts“ zu gehen. 20 Kinder wurden auf solche Weise untersucht. Während jedes Versuches befand ich mich hinter dem Punkte M, und wie | früher zeichnete ich den Weg des Kindes und die Dauer desselben auf, vom Anfang bis zu dem Mo- mente, in dem das Kind die zwischen 7 und @ (Fig. 2) gespannte Schnur berührt hatte. Um die Resultate der Versuche übersichtlich machen zu können, be- | stimmte ich den Winkel > (Fig. 2). Weıun die punk- tierte Linie X O in der Fig. 2 deu Weg bezeichnet, den das Kind von X aus einschlagen sollte, so be- deutet XT event. XT, die Fehler, welche die | Kinder dabei gemacht | haben. Der Winkel 3 ist also der Abweichungs- winkel von dem riehtigen Wege KO; wenn er rechts von dem richtigen Wege liegt, so | bezeichne ich ihn wieder mit +, im entgegengesetzten Fall mit —; | unb. bedeutet, dass das Kind den Punkt P überhaupt nicht er- reicht und keine der beiden Schnüre berührt hat, sondern gleich beim Punkte M sehr stark von der Mittellinie MO ab- gekommen war. Auch die Geschwindigkeit wurde wieder in der Tabelle angegeben. Für diese Versuche sind die Kinder der ersten Versuchsreihe nicht wieder verwendet worden. Fig, 2. Versuche über den Richtungssinn beim Menschen. 169 Tabelle 2. Nummer Geschwindigkeit der maximalen Kontraktion am Triceps. Selbstverständlich hängt seine Grösse von der Intensität der einen oder der anderen Reizung ab: z. B. wird sie um so grösser, je stärker die erregende Reizung und je schwächer die hemmende ist. Bei einer gleichzeitigen Vergiftung des 9. und 10. Segmentes kann man das Eintreten des einphasischen Reflexes an Stelle des Some y ae Fig. 21. Rückenmarksfrosch. Myogramm A zeigt die Effekte eines Abwisch- reflexes und Myogramm 2 diejenigen eines Beugungsreflexes. Myogramm € illustriert die Effekte bei einer Kombination der Reizungen, die zu diesen beiden Reflexen führen; hier ist die Kontraktion des Semitendinosus bedeutend schwächer als auf dem Myogramm B und behauptet sich nur bis zum Moment der maximalen Kontraktion des Triceps. zweiphasischen auch infolge von verhältnismässig schwachen Reizungen beobachten, während stärkere die gewöhnlichen zweiphasischen Reak- tionen hervorrufen werden. Und zwar im Fall der Durehscehneidung der hinteren Wurzeln, d. h. wenn die Entladung der Zentren nur von der primären Reizung abhängt, bei schwachen und kurzen Reizungen ‚der IX. oder X. hinteren Wurzel, können die reflektorischen Reaktionen -einphasisch sein. Das tritt gewöhnlich vor oder nach der maximalen Entwicklung der reflektorischen Tätigkeit ein. Nach den Effekten ‚am Semitendinosus und Triceps zu urteilen, weisen diese einphasischen Zur Kenntnis der spinalen Koordination der rhythmischen Reflexe etc. 207 Reaktionen entweder einen rein flexorischen und extensorischen Charakter auf, oder aber sie stellen nichts Bestimmtes dar: Beide Muskeln zeigen eine bedeutende Kontraktion (Fig. 22 und 23). Es unterliegt keinem Zweifel, dass, im Fall eines einphasischen Reflexes: {A E | I 14.40. 2 (L0)M5- Fig. 22. Rückenmarksfrosch. Vergiftung des 9. und 10. Segmentes an der linken Seite. Die IX., X. und XI. hintere Wurzel sind an: dieser Seite durch- schnitten. Auf dem Myogramm A bei einer schwachen Reizung der X. hinteren Wurzel tritt ein langandauernder Beugungsreflex ein. Vor der Vergiftung rief solch eine Reizung ebensolch einen Effekt hervor. Auf dem Myogramm B, das gleich nach A aufgezeichnet wurde, sind bei einer stärkeren Reizung gewöhnlich zweiphasische Reaktionen abgebildet. Fig. 23. Rückenmarksfrosch. Die linke Seite des 9. und 10. Segmentes ist ver- giftet. Die IX., X. und XI. hintere Wurzel an dieser Seite sind durchschnitten. Auf dem Myogramm A sind bei Reizung der X. hinteren Wurzel durch einen Induktionsschlag bedeutende Kontraktionen an beiden Muskeln bemerkbar; allein, es ist auch ein Hinweis auf einen Antagonismus zwischen ihnen ganz am Anfang der Reaktionen vorhanden. Auf dem Myogramm B erscheinen die Effekte bei einer tetanischen Reizung zweiphasisch. einer Flexion oder Extension, wir es mit einer lokalen Erregung einer Beugungs- oder Streekungsinnervation zu tun haben, wogegen Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd. 151. 14 208 J. S. Beritoff: im anderen Fall, bei einer gleichzeitigen Kontraktion beider Muskeln, eine Erregung beider Innervationen erfolgt. Aber diese Innervationen sind -so schwach, dass sie einander nicht vollständig hemmen können oder nur eine sehr geringe Hemmung ganz am Anfang der Reaktion äussern, wie das Fig. 23 zeigt. Wenn aber bei stärkeren und längeren Reizungen der Reflex zweiphasisch mit: einer extensorischen Phase am Anfang erscheint, so muss man annehmen, dass unter den gegebenen Versuchsbedingungen die extensorische Innervation, sowohl mit ihrer erregenden als auch hemmenden Hälfte, intensiver ist als die ihr gleichzeitige flexorische. Wir haben oben die Frage über die Lokalisation der Koordi- nationsapparate vom nichtgekreuzten Beugungs- und Streckungsreflex betrachtet. Die gleiche Frage hinsichtlich der gekreuzten Reflexe habe ich nicht näher untersucht. Allein auf Grund einiger Be- obachtungen kann man auch auf diese Frage mehr oder weniger be- stimmt antworten. Erstens, wie schon oben gezeist, erwiesen sich die gekreuzten Innervationen sowohl bei einer einseitigen Versiftung nur des 9. oder 10. Segmentes als auch beider zusammen stets streng übereinstimmend in ihrem Verlanf mit den nichtgekreuzten. Zweitens, wie das im folgenden Kapitel ausführlich bewiesen wird, nehmen an der Entstehung der gekreuzten Innervation die Koordi- nationsapparate der entgegengesetzten Seite, wo sie auf den efferenten Apparat übergehen, gar keinen Anteil. Daraus muss man folgern, dass in jeder der gegebenen Phasen des rhythmischen Reflexes so- wohl die gekreuzte als auch die nichtgekreuzte Reaktion von der Tätigkeit der vergifteten Hälfte der gegebenen Segmente bedingt werden. Man kann also annehmen, dass z. B. bei einer einseitigen Vergiftung nur des 10. Segmentes die Koordination der gekreuzten reflektorischen Reaktion in der ersten Phase des rhythmischen Reflexes im Inneren der vergifteten Hälfte des 10. Segmentes vor sich geht, d. h. dort, wo auch die Koordination der mit ihr verbundenen nichtgekreuzten extensorischen Reaktion erfolet. Ich halte es für geboten, zu bemerken, dass eine strenge Scheidung der Funktionen zwischen den Koordinationsapparaten des 9. und 10. Segmentes nicht zulässig ist. Wenn ich den Ursprung der Beugungs- oder Streckungsinnervation in das eine oder andere Segment lokalisiere, habe ich nur die Anfangsphasen der rhythmischen Reflexe und zudem nur die Mehrzahl der Fälle im Sinne. Selbstverständlich wird dadurch nicht in Abrede gestellt, dass in jedem von diesen . >. Be ae u a. A Mn Ann Ze Zur Kenntnis der spinalen Koordination der rhythmischen Reflexe etc. 209 Segmenten diese beiden Innervationen stattfinden können. Wie schon oben gezeigt, können auch bei einer lokalen Steigerung der Erreg- ‚barkeit nur im 10. Segment rhythmische Reflexe mit einer grossen Anzahl sich ablösender Beugungs- und Streckungsphasen beobachtet werden. Ausserdem kann kein Zweifel darüber bestehen, dass beim gewöhnlichen Verlauf der rhythmischen Reflexe beide Segmente als ein Ganzes wirken. Das muss man daraus schliessen, dass 1. die peripherischen Impulse sekundären Ursprungs von seiten der Hinter- extremität sowohl zum 9. als auch zum 10. Segment führen müssen ; dass 2. bei einer Giftapplikation auf ein Segment die gesteigerten Effekte, welche ihre Entstehung dem Stryehnin verdanken, sowohl durch die entsprechende hintere als auch durch die andere Wurzel hervorgerufen werden. Der von uns eingenommene Standpunkt, hinsichtlich der ‚ Beusunes- und Streekungsinnervation in der ersten, extensorischen Phase des rhythmischen Reflexes bei einer Vergiftung des 9. und 10. Segmentes gibt uns ein wichtiges Moment für das Verständnis der auf myographischem Wege aufgezeichneten zweiphasischen Reflexe an der zu reizenden Seite an die Hand. Auf Grund der demonstrierten Myogramme in der vorhergehenden Darstellung mussten wir uns überzeugen, dass an dieser Seite die extensorische Reaktion gewöhn- lieh sehr kurz ist, und dass umgekehrt die flexorische sehr lange währt. Das eine wie das andere ist gleich wertvoll wie für die einphasischen, so auch für die zweiphasischen Reflexe. Daraus folgt, dass unter der Bedingung des gleichzeitigen Auftretens der Beugungs- und Streekungsinnervation der Reflex sich als zweiphasisch heraus- stellen muss, denn die extensorische Innervation wird früher auf- hören als die flexorische. Und in der Tat, solch eine Erklärung des Ursprungs der zweiphasigen Reaktionen drängt sich einem selbst auf, z. B. durch die Aufzeichnungen von Fig. 20, wo nach der Er- müdung der extensorischen Innervation die anfängliche Kontraktion am Semitendinosus in der extensorischen Reaktion anwächst und sich mit der folgenden Kontraktion aus der flexorischen Reaktion vereinigt. Auf dasselbe weisen auch die Aufzeichnungen von Fig. 22 hin, wo bei einer schwachen Reizung eine langandauernde Flexion als zweite Phase des zweiphasischen Reflexes auftritt. Dasselbe besagt auch Fig. 23, in welcher bei einer momentanen Reizung beide Muskeln ı bedeutende Köntraktionen aufweisen, aber mit einem schwachen ) Antasonismus am Anfang. Die Kontraktionskurve des Semitendinosus 14 * 310 I S. Beritoff: id zeigt eine leichte Hemmung in ihrem Anstieg, und dieser Moment fällt mit der stärksten Kontraktion am Triceps zusammen, was un- bedingt darauf hinweist, dass sich am Anfang die- flexorische Inner- vation unter dem hemmenden Einfluss der extensorischen befindet. Bei einer grösseren Intensität der letzten Innervation würde sich diese Hemmung der Kontraktion am Semitendinosus natürlich noch stärker äussern, und dadureh erschiene der peripherische Effekt dieser zweifachen Innervatiee als zweiphasisch, was auch das Myo- sramm B derselben Fig. 23 zeigt. Man kann also zugeben, dass die bei einer gleichzeitigen Vergiftung des 9. und 10. Segmentes nichtgekreuzten zweiphasischen Reaktionen ihre Entstehung den drei folgenden Bedingungen verdanken: 1. der gleich- zeitigen Erregung der Beugungs- und Streckungsinner- vation; 2. der längeren Dauer der ersten Innervation im Vergleich mit der zweiten und 9. der grösseren Intensität der letzteren, der extensorischen Inner- vation im Vergleich zur ersten, derflexorischen. Folg- lich können die besprochenen zweiphasischen Reaktionen in der Haupt- sache nicht nach dem Prinzip der sogenannten sukzessiven spinalen Induktion entstehen, welche nach Sherrington darin besteht, dass während jedes gegebenen Reflexes sich die Bedingungen für das Ein- treten des anderen entgegengesetzten Reflexes vorbereiten und darauf der erste Reflex unmittelbar in diesen letzteren übergeht; oder es kann die Kontraktion am Semitendinosus nach der Hemmung nicht als unbedingtes Resultat eines unmittelbaren Wechsels der zentralen Hemmungsprozesse mit den Erresungsprozessen betrachtet werden, d. h. als „rebound contraction“ oder als „postinhibitory exaltation“ von Sherrington. Gleichzeitig kann aber nieht daran gezweifelt werden, dass an der Entstehung der zweiten flexorischen Phase auch die sukzessive Induktion im Sinne von Sherrington sich beteiligen könnte. Das ist unter anderem aus der Tatsache ersichtlich, dass bei einer einseitigen Vergiftung nur des 10. Segmentes eine reine einphasische extensorische Reaktion als Antwort auf eine kurze oder schwache Reizung beobachtet wird, aber bei starken oder lane- andauernden Reizungen reine zweiphasische Reaktionen mit einer | Streckungsphase am Anfang auftreten. Da bei dieser Versuchs- | bedingung während der extensorischen Phase die Beugungsinnervation sehr oft gar nicht erscheint, so kann man annehmen, dass die —e ee ei —e ee core a —n rd Zur Kenntnis der spinalen Koordination der rhythmischen Reflexe etc. 2]] zweite, flexorische Phase infolge der sukzessiven Induktion eintritt. Wenn aber die sukzessive Induktion bei der Vergiftung nur des 10. Segmentes vor sich geht, muss sie selbstredend auch bei einer oleichzeitigen Vereiftung des 9. und 10. Sezmentes stattfinden. Wahrscheinlich wird auch bei dieser Vergiftung infolge der sukzessiven Induktion die Streckungsinnervation des 10. Segmentes von einer Beugungsinnervation abgelöst; allein letztere summiert sich in ihrem äusseren Ausdruck mit der Fortsetzung der anfänglich hervorgerufenen Beugungsinnervation vom 9. Segment. Auf diese Weise kann die Beteiligung der spinalen sukzessiven Induktion in den gegebenen phasischen Reaktionen nicht in Abrede gestellt werden; sie kann aber andererseits hier auch nicht dem Wesen nach als unentbehrlich be- zeichnet werden. "IV. Über den interzentralen Einfluss auf die eine Hälfte der Koordinationsapparate der rhythmischen Reflexe vom Orts- bewegungstypus seitens der anderen symmetrischen Hälfte und auch seitens ebensoleher Apparate anderer Reflexe. Oben haben wir uns mit solehen Tatsachen bekannt gemacht, die darauf hinweisen, dass sowohl die gekreuzten als auch die nicht- sekreuzten Impulse, welche aus anderen Teilen des Rückenmarkes in den efferenten Apparat der gegebenen symmetrischen Hälfte des 9, und 10. Segmentes führen, nieht imstande sind, hier den koordi- nierenden Teil des Markes zu erregen; dabei findet dieses sogar un- geachtet einer starken Steigerung der Erregbarkeit dieses koordi- nierenden Teils unter der Wirkung des Strychnins statt. So wird beim Fehlen der peripherischen Sensibilität im Ausbreitungsgebiet ' der IX. und X. hinteren Wurzel der vergifteten Segmente der Ab- ' wischreflex an den Hinterextremitäten mit beinahe einem gleichen lokalen Charakter und mit gleicher Intensität hervorgerufen wie an | einem normalen Präparat. Dabei ist weder ein Sinken der Reiz- schwellen noch sonst irgendeine vom Strychnin bedingte Veränderung | zu beobachten. Sogar umgekehrt, im Laufe der Zeit heben sich die | Schwellen , die Intensität der Reaktionen fällt, der Verlauf der N Muskelkontraktionen verlangsamt sich bedeutend; alles das sind die N gewöhnlichen Merkmale der Frschöpfung der entsprechenden ‘ Koordinationsapparate. Zur Illustration ist Fig. 24 angeführt. Hier ' wird der Abwischreflex aus dem 8. Segment bei Reizung des N. eut. 212 J. S. Beritoff: femoralis lateralis kervorgerufen. Durch die VIII. hintere Wurzel gelangen die Fasern dieses Nervs in das Rückenmark. Dasselbe muss man überhaupt von den Reaktionen der sensibel gelähmten Hinterextremität der gegebenen vergifteten Seite sagen, welche bei einer Reizung der anderen, nicht vergifteten Seite auf- treten. Diese gekreuzten Reaktionen zeigen gleichfalls keine Steigerung der Intensität oder ein Sinken der Reizschwelle oder überhaupt irgendwelche vom Strychnin bedingte Veränderungen. Fig. 24. Rückenmarksfrosch. Es sind beide Seiten des 9. und 10. Segmentes vergiftet. Alle hinteren Wurzeln der Pars lumbalis mit Ausnahme der VII. dex. sind durchschnitten. Gegeben sind die Effekte des Abwischreflexes bei Reizung N. cut. femoralis later. dex. Das Myogramm A ist 30’, das Myogramm 5 53" nach der Vergiftung aufgezeichnet worden. Die Intensität der Reaktion am Triceps ist in 3 bedeutend schwächer als in A, obgleich im ersten Fall die Reizungsstärke sogar etwas grösser war. Im Stadium der Aufzeichnung des Myogramms 5 ergab die Reizung der X. oder XI. hinteren Wurzel derselben Seite starke zweiphasische Effekte. Fig. 27 z. B. zeigt solch einen zweiphasischen Effekt vom selben Präparat 2’ nach diesem Myogramm. Es fragt sich nun, ob diese Unfähiekeit, eine Erregung der vergifteten Koordinationsapparate durch Impulse zentralen Ursprungs hervorzurufen, nicht von der geringen Intensität der letzteren ab- hängt? Würde dasselbe vor sich gehen, wenn diese Impulse aus den gleichfalls vergifteten Apparaten des Rückenmarks ausgingen? Mit anderen Worten, existiert, wenn auch unter dieser Bedingung, irgendeine Möglichkeit interzentraler Einflüsse einerseits zwischen Zur Kenntnis der spinalen Koordination der rhythmischen Reflexe etc, 213 den symmetrischen Hälften der Koordinationsapparate der rhyth- mischen Reflexe vom Ortsbewegungstypus und andererseits zwischen diesen Apparaten und anderen, welche ausserhalb des Gebiets des 9, und 10. Segmentes liegen, d. h. solchen, welche zum Typus anderer Reflexe gehören ? Wollen wir zuerst bei der Frage nach dem interzentralen Ein- fluss zwischen den symmetrischen Hälften der Koordinationsapparate unter der Bedingung ihrer gleichzeitigen Strychninvergiftung stehen bleiben. Es erweist sich, dass es ganz unwahrscheinlich ist, dass sogar in diesem Fall die gekreuzten Impulse imstande wären, die Koordinationsapparate derjenigen Hälfte der gegebenen Segmente, wo sie auf den motorischen Apparat übergehen, zu erregen. Das ergibt sich aus folgenden Beobachtungen: A. Wie uns bereits bekannt ist, kann, im Fall einer Durch- schneidung der hinteren Wurzeln der gegebenen vergifteten Segmente, die Reizung des zentralen Abschnittes der einen von diesen Wurzeln beiderseitige zweiphasische Reaktionen vom Gehtypus hervorrufen; dabei verbindet sich die erste, die extensorische Phase der gereizten Seite mit der Flexion der anderen usw. Wenn man bedenkt, dass in dem entwickelten Stadium der Vereiftung jede Hälfte des 9. und 10. Segmentes auf jede beliebige wirksame Reizung mit gleichseitiger extensorischer Reaktion zu Beeinn antwortet, so wäre es höchst merkwürdig, eine Erregung dieser Hälfte durch gekreuzte Impulse zuzulassen, wenn die Anfangsphase des gekreuzten Reflexes immer eine flexorische ist. Wir haben zwar im vorhergehenden Kapitel auf die Möglichkeit eines Hervorrufens einer flexorischen Reaktion bei einer unmittelbaren Erregung der vergifteten Hälfte mittels schwacher Reizungen hingewiesen, aber diese Reaktion ist ja stets ' einphasisch, während die gekreuzte flexorische durch die extensorische abgelöst werden kann. Ausserdem kann die letzte Reaktion über eine grosse Amplitude verfügen, was bei der ersten nicht vorkommt. Diese Tatsachen weisen auf den verschiedenen Ursprung der einen und der anderen flexorischen Innervation hin. B. Im Fall der Durchschneidung der IX. und X. hinteren \ Wurzel sind die nichtgekreuzten Reaktionen an jeder Extremität | | N bei einer Reizung eines zentralen Wurzelabschnittes immer intensiver | als die gekreuzten bei einer gleichstarken Reizung des gleichnamigen Absehnittes der anderen Seite (s. Fie. 25). Auch die Versuche 214 J. S. Beritoff: x8.512045 Fig. 25. Von ein und demselben Präparat aufgezeichnet wie die vorhergehende Figur, aber nur von der linken Seite. Ein entwickeltes Stadium der Vergiftung. Myogramm A zeigt starke, zweiphasische, nichtgekreuzte Reaktionen mit einer Streckungsphase am Anfang und Myosramm BD einen schwachen, gekreuzten Beugungsreflex bei ebensolch einer Reizung an der rechten Seite. RAM. Fig. 26. Aufgezeichnet von der linken Seite desselben Präparates.. Während der Reizung der X. Wurzel auf der rechten Seite, welche die flexorische Reaktion | hervorruft, wird die Reizung für kurze Zeit auf die linke X. Wurzel appliziert. Die flexorische Reaktion wird sofort unterbrochen und von einer extensorischen | ersetzt. Nach Aufhören der letzten Reizung tritt von neuem eine Flexion ein; diesmal aber ist sie bedeutend stärker, da jetzt die gekreuzte Flexion sich mit der zweiten, der flexorischen Phase des nichtgekreuzten Reflexes summiert. Jedoch nach Aufhören der entgegengesetzten Reizung wird die Flexion wiederum von einer Extension abgelöst, welche als zweite Phase des gekreuzten Reflexes erscheint. Ze — . baren Erregung erwarten. Zur Kenntnis der spinalen Koordination der rhythmischen Reflexe etc. 215 mit einer Kombination der Reizungen zeigen, dass die gekreuzten Innervationen stets ihren Platz den nichtgekreuzten abtreten. Das ist z. B. aus Fig. 26 leicht ersichtlich. Diese Verschiedenheit in der Intensität des gekreuzten und nichtgekreuzten Reflexes müsste nicht bestehen, wenn bei der «ekreuzten Innervation auch die Koordinationsapparate erregt würden, auf deren Seite sie in den motorischen Apparat übergehen. Da bei einer gut entwickelten Strychninvergiftung die Fähigkeit zur Gradation der Intensität der Effekte in bedeutendem Maass abgeschwächt ist, so könnte man bei einer Erregung dieser Koordinationsapparate durch gekreuzte Impulse das Auftreten ebenso intensiver Reaktionen als wie bei ihrer unmittel- C. Endlich, unter denselben Ver- suchsbedingungen weisen die nichtge- kreuzten reziproken Reaktionen an der einen und der anderen Hinterextremität gewisse individuelle Züge auf. Das ist z. B. aus einem Vergleich des Myo- eramms A in Fig. 25 mit Fig. 27 er- sichtlich. Letzteres ist von demselben Präparat aufgezeichnet wie auch die erste Figur, jedoch von der rechten Seite. Andererseits äussern die nichtge- kreuzten Reaktionen der einen Seite bei Fig. 27. Die Aufzeichnung ist von der rechten Seite einige Minuten nach Fig. 25 gemacht. Oharak- teristische Züge dieser Reak- Dasselbe Präparat. tionen: eine schwach aus- geprägte reziproke Verbindung in der zweiten Phase und eine klonische Kontraktion am Semitendinosus beim Eintritt dieser Phase. ein und derselben Reizung eine grosse Übereinstimmung in ihrem Verlauf mit den gekreuzten Reaktionen der anderen Seite. Das ersieht man z. B. mit Leichtiekeit aus Fig. 28 und 29, welche nacheinander zuerst von den Muskeln der einen Seite (Fig. 25) und darauf von den gleichnamigen Muskeln der anderen Seite (Fig. 29) aufgezeichnet wurden. Wenn die von der einen Seite des 9. und 10. Segmentes auf die andere hinübergehenden Impulse dort die Koordinationsapparate erregen würden, so könnten die nichtge- kreuzten Reaktionen der einen Seite nicht die bezeichnete strenge Übereinstimmung in ihrem Verlauf mit den gekreuzten der anderen Seite aufweisen. Die letzteren müssten auf irgendeine Weise die Tätigkeit dieser Koordinationsapparate ausdrücken. 216 J. S. Beritoft: XR.2B060. Fig. 28. Lendenmarksfrosch. Vergiftung des 9. und 10. Segmentes von beiden dorsolateralen Seiten. Alle hinteren Wurzeln der Pars lumbalis sind durch- schnitten. Das Myogramm zeigt nichtgekreuzte Reaktionen auf der linken Seite. XR.s.80)60. Fig. 29. Das Präparat der vorher- gehenden Figur. Gekreuzte Reaktionen auf der rechten Seite bei derselben Reizung. Die zusammengesetzten Reak- tionen dieser beiden Figuren zeigen eine grosse Ähnlichkeit; z. B. in der zweiten Phase weist der Triceps der gereizten Seite und der Semitendinosus der anderen eine gleiche klonische Kontraktion auf, die zwei anderen Muskeln aber zeigen umgekehrt eine tetanische Kontraktion. So müssen wir also auf Grund der gegebenen Beobach- tungen den Schluss ziehen, dass die gekreuzten Innerva- tionen, welche der einen Hälfte der Koordinations- apparate derrhythmischen Reflexe vom Ortsbewe- gungstypus entspringen, die andere, diesymmetri- sche Hälfte dieser Appa- rate nicht erregen, und folglich können sie beim Übergang auf den motori- schen Apparat keine Ver- änderungen unter dem Einfluss der letzten Hälfte der Koordinationsapparate erleiden. Daraus folgt, dass jede der symmetrischen Hälften der Koordinations- apparate der gegebenen Reflexe vollkommen selb- ständig funktioniert und durch ihre Tätigkeit sowohl Zur Kenntnis der spinalen K dination der rhythmischen Reflexe etc. 217 den Charakter der niehtgekreuzten Reaktionen (an der entsprechenden Hinterextremität) als auch die mit ihnen verbundenen gekreuzten (an der entgegen- sesetzten Hinterextremität) bedingen kann. Es kann also jede der symmetrischen Hälften dieser Koordinationsapparate rhythmisehe Reaktionen vom Gehtypus ganz unabhängig von der anderen Hälfte hervorrufen. Wollen wir jetzt zur Frage nach der gegenseitigen Einwirkung zwischen den gegebenen Koordinationsapparaten der rhythmischen Reflexe und denselben Apparaten anderer Reflexe übergehen. Vor allem ist es nötig, zu bemerken, dass bei einer normalen . Erregbarkeit der Koordinationsapparate dieser anderen Reflexe die Möeliehkeit irgendwelcher interzentraler Einflüsse, die fördernd auf den Verlauf der gegebenen rhythmischen Reflexe einwirken würden, 1 ’ \ } N! night zugelassen werden kann. Wenn man z. B. Versuche mit einer Vergiftung des 9. und 10. Segmentes an lumbalen Präparaten mit einem in der Höhe des 7. Segmentes durchsehnittenen Rückenmark (däbei wird das 8. Segment mechanisch lädiert, wodurch der Ab- wischreflex aufhört durch die VIII. hintere Wurzel hervorgerufen zu werden) vornimmt, so kann sowohl die uns bekannte Entwicklung der rhythmischen Reflexe vom Geh- und Springtypus bei vorhandener peripherischer Sensibilität an den Hinterextremitäten als auch das Auftreten zweiphasischer Reaktionen vom Gehtypus nach der Durch- schneidung aller hinteren Wurzeln stattfinden (s. z. B. Fig. 28 und 29). Folglich wenn wir bei einer Kombination der Reizungen im Rezeptivfeld des Beugungs- und Abwischreflexes dennoch eine Ablösung des Beugungs- durch den Abwischreflex oder umgekehrt beobachten, so muss man das nicht der Wechselwirkung der Koordinationsapparate des einen und der des anderen Reflexes zu- schreiben, sondern dem Übergewicht der charakteristischen Inner- ‘ vationen des einen Reflexes über die Innervationen des anderen in ihrem Kollisionsort am Anfang der efferenten Bahn. Bei den gegebenen Beobachtungen haben wir es mit einer normalen Erregbarkeit der Koordinationsapparate des Abwischreflexes zu tun. Es fragt sich nun, welcher Art wären die Beziehungen zwischen den Apparaten des gegebenen und des rhythmischen Reflexes, wenn alle diese Apparate einer Strychninvergiftung ausgesetzt würden ? Experimente zeieen, dass, wenn einerseits das 9. und 10. Seg- 218 J.. 8. Beritoff: ment und andererseits irgendein Abschnitt im Gebiet des 3.—8. Seg- mentes gleichzeitig vergiftet werden, die Reizung des Nervs, welcher einem vergifteten Abschnitt entspricht, nieht nur die Koordinations- apparate des gegebenen Abschnittes, sondern auch die anderen vergifteten erregen kann. Je distaler dabei der vergiftete Abschnitt im Gebiet des 3.—8. Segmentes ist, desto deutlicher tritt diese Er- scheinung hervor. Es ist ein sehr sensibles Präparat erforderlich, um dieses bei einer Vergiftung der Pars brachialis zu beobachten. Am ausgeprägtesten tritt es bei einer Vergiftung des 8. Segmentes hervor. Im letzten Fall, beim Fehlen der peripherischen Sensibilität sowohl an den Hinterextremitäten als auch am ganzen Körper (Durchschneidung der V.—XI. hinteren Wurzel), fängt die Reizung des zentralen Abschnittes der VII. oder der IX. und X. Wurzel einige Zeit nach der Vereiftung an, ein und dieselben kombinierten Effekte des Abwisch- und der rhythmischen Reflexe hervorzurufen. Bei einer jeden solehen Reizung treten an den Hinterextremitäten rhythmische Beugungs- und Streckungsreaktionen ein, mit für den Abwischreflex typischen Bewegungen der Zehen. Ein sehr inter- essantes Bild der Reaktionen bieten unter diesen Versuchsbedingungen die zu beobachtenden Muskeln. Ich werde hier eine Reihe von Aufzeichnungen (Fig. 30, 31 und 32) von ein und demselben Präparat anführen, bei welchem nur das 8. und 9. Segment vergiftet und alle hinteren Wurzeln der Partes lumbalis und thoracalis durch- schnitten waren. Bei solch einer Vergiftung steigert sich gleichzeitig die Erregbarkeit der Koordinationsapparate sowohl des Abwisch- im S. Segment als auch des Beugungsretlexes im 9. Segment. Am Anfang der Vergiftung tritt bei einer Reizung der VIII. hinteren Wurzel ein Abwischreflex ein. Er erfolgt nach dem Aufhören der Reizung. Während der Reizung jedoch zeigte sich eine allgemeine Hemmung der Muskeln (Myogramm A in Fig. 30). Über den Fall, dass ein Abwischreflex nach der allgemeinen Hemmung der Muskeln hervorgerufen wurde, ist viel und ausführlich in einer der vorher- | gehenden Arbeiten!) berichtet worden. Bei der Weiterentwicklung | der Vergiftung fängt derselbe Reflex an, auch während der Reizung | { aufzutreten (Myogramm B in Fig. 30). Bald jedoch ruft die Reizung | ü derselben Wurzel nicht den gewöhnlichen Abwischreflex, sondern ein 1) Beritoff, Über die Innervation einiger Muskeln usw. Arch. f.(Anat.u) | Physiol. 1912 S. 296. 1 i Zur Kenntnis der spinalen Koordination der rhythmischen Reflexe etc. 219 sehr kompliziertes Bild der Reaktionen hervor. Jetzt erzeugen tetanische Reizungen und nach einer gewissen Ruhepause auch einzelne Induktionsschlägee am Semitendinosus eine Kontraktion. Diese ist während der Kontraktion des Trieeps mehr oder weniger stark gehemmt; in Verbindung aber mit der Abschwächung des /\ Fıe. 30. Rückenmarksfrosch. Alle hinteren Wurzeln der Partes lumbalis und thoracalis sind durchschnitten. Vergiftet sind das 8. und 9. Segment auf der linken Seite. Myogramm A ist 5’ nach der Vergiftung aufgezeichnet und Myo- gramm D 3’ nach A. Ss. Ay | Bu Ts. yırR.s.[Qo45. : Fig. 31. Präparat der vorhergehenden Figur. Die Myogramme sind eins nach dem anderen 15’ nach der Vergiftung aufsezeichnet. letzteren nimmt sie bedeutend zu (Myogramm A in Fig. 31 und Fig. 32). Auf diese Weise kommt ein eigenartiger zweiphasischer Effekt zustande, welcher seinen Ursprung zweifellos folgenden drei Bedingungen ver- dankt: 1. der gleichzeitigen Erregung der reziproken Innervation des Abwisch- und Beugungsreflexes, 2. dem Übergewicht der ersten Innervation über die zweite im Kollisionsort beim efferenten Apparat, 3. der längeren Dauer der Beugungsinnervation im Vergleich zur 220 J. S. Beritoff: Abwischinnervation. Diese Überzeugung gründet sich auf folgende Tatsachen: 1. die Hemmung des Semitendinosus im Abwischreflex zeigt nicht die Tendenz, sich durch eine Erregung ablösen zu lassen, d. h. eine „rebound contraction“ zu vollführen, wie das bei einer Hemmung in Beugungs- und Streckungsreflexen !) üblich ist. Folglich kann die Verstärkung der Kontraktion am Semitendinosus in Ver- bindung mit der Erschlaffung am Triceps nicht als „rebound con- traetion*“ von der vorhergesangenen Hemmung im Abwischreflex betrachtet werden; 2. der Charakter der Kontraktion am Semitendi- nosus ist in der zweiten Phase derart, dass er die Möglichkeit, diese vma.s. 45. u 5% Fig. 32. Präparat von Fig. 30 und 3l. Das Myogramm ist 25’ nach der Vergiftung nach einer langwährenden Ruhepause aufgezeichnet. für eine „rebound contraction* zu halten, überhaupt ausschliesst, und zwar steigt sie sehr langsam, bedeutend langsamer als in den Fällen, wenn sie ganz am Anfang der Reaktionen entsteht (siehe Myogramm A in Fig. 31 und Fig. 32). Ausserdem verfügt diese Kontraktion am Semitendinosus in der zweiten Phase über eine geringere Amplitude als in den einphasischen Reaktionen vom Beugungs- charakter, welche bei schwachen und kurzen Reizungen ohne hinläng- liche Ruhepause nach den vorhergegangenen zweiphasischen Effekten hervorgerufen werden (Fig. 32 und Myogramm B in Fig. 31). Alles das zeugt davon, dass die zweite Phase sich unter dem Einfluss einer andauernden Hemmung befindet. Diese Jangwährende Hemmung ' 1) Beritoff, Über die Innervation einiger Muskeln usw. Arch. f. (Anat. u.) Physiol. 1912 S. 296. Zur Kenntnis der spinalen Koordination der rhythmischen Reflexe etc. 221 muss stattgefunden haben, denn, wie ich in einer Arbeit!) bewiesen habe, zeigt die Hemmung am Semitendinosus im Abwischreflex eine ebenso langandauernde Nachwirkung wie auch die mit ihr verbundene Erregung des Trieeps. Selbstverständlich könnte eine Hemmung soleher Art nicht bei einer sukzessiven spinalen Induktion stattfinden, wo sie, wie bekannt, vollkommen von einer Erregung abgelöst wird, infolge davon sowohl ein schnelles Ansteigen „rebound contraction* als auch eine Vergrösserung dieser Kontraktion mit einer Verstärkung der vorhergegangenen Hemmung vor sich geht. Die zweiphasischen Fffekte des beschriebenen Typus wurden am gegebenen Präparat bei der Vergiftung des 8. und 9. Segmentes auch durch eine Reizung der X. hinteren Wurzel hervorgerufen. Diese Reizung bewirkte vor der Vergiftung nur einen Beugungsreflex. Bei der gegebenen Reizung trat die Periode der kombinierten ‚ Beugungs- und Abwischreflexe etwas später als bei der Reizung der VIII. Wurzel ein. Bei der Betrachtung der zweiphasischen Reaktionen nach der Vergiftung des 9. und 10. Segmentes haben wir auch die Möglichkeit ihrer Entstehung unabhängig von der sukzessiven spinalen Induktion festgestellt, und zwar dank der gleichzeitigen Erregung der an- dauernden Beugungsinnervation seitens des 9. Segmentes und der kurzen Streckungsinnervation seitens des 10. Segmentes. Wir haben aber auch gesehen, dass sich die sukzessive Induktion an der Ent- stehung dieser zweiphasigen Reaktionen doch beteiligen kann. Im Fall der zweiphasischen Reaktionen auf den eben demonstrierten Figuren bei einer Vergiftung des 8. und 9. Segmentes könnten diese auch seitens des 9. Segmentes stattfinden. Im Stadium aber der gegebenen Myogramme hat die Vergiftung des letzteren augenschein- lich nicht den Höhepunkt erreicht, wodurch seine Tätigkeit sich jedesmal auf eine andauernde einphasische Innervation vom Beugungs- charakter beschränkte. Dieses ist um so wahrscheinlicher, als am gegebenen Präparat die Vereiftung mittels eines Anlegens an die Insertionsstelle der VIII. Hinterwurzel bewirkt wurde, folglich das S. Segment ganz zuerst und am stärksten der Vergiftung ausgesetzt war und darauf erst das benachbarte 9. Segment. Und so weisen uns denn die gegebenen Beobachtungen darauf l) Beritoff, Über die reflektorische Nachwirkung der Skelettmuskeln ı des Rückenmarksfrosches. Arch. f. (Anat. u.) Physiol. 1. Heft 1913. 222 J. S. Beritoff: hin, dass bei einer grossen Erregbarkeit der Koordi- nationsapparate des rhythmischen Reflexes vom Orts- bewegungstypus und des Abwischreflexes eine Reizung welcher dem Rezeptivfeld eines dieser des Nervs, sowohl die einen als auch die Reflexe entspricht, anderen Apparate erregen kann. Es fragt sich jetzt, ist diese Erscheinung durch die Wechsel- wirkung dieser Apparate untereinander bedingt, d. h. verdankt sie ihren Ursprung der Einwirkung der primär erregten Koordinations- apparate des einen Reflexes auf dieselben Apparate des anderen, oder werden die einen und die anderen Apparate primär mittels der gereizten hinteren Wurzelfasern erregt? Wenn man davon ausgeht, dass bei der Vergiftung irgendeines Segmentes die Bedingung seiner Erregung durch Wurzelfasern der anderen Sesmente un- verändert bleibt, ob diese Segmente auch vergiftet werden oder nicht, so muss man den Schluss ziehen, dass im Fall einer gleichzeitigen Steigerung der Erregbarkeit der Ko- ordinationsapparate der beiden Reflexe die bei einer reflektorischen Reizung beobachtete Erregung dieser Apparate, infolge eines unmittelbaren Einflusses primär erregter Koordinationsapparate auf andere, vor sieh gehen muss. Auf Grund der angeführten Tatsachen über die Wechselwirkung der Koordinationsapparate komme ich zur Schlussfolgerung, die mit einer gesteigerten Erregbarkeit versehenen Koordinationsapparate des rhythmischen Reflexes vom Ortsbewegungstypus vollkommen getrennt funktio- nieren können, jedoch nur unter der Bedingung, dass die Erregbarkeit derselben Apparate der anderen Re- flexe normal ist. Wenn aber die Erregbarkeit sowohl dass | ee a N Fe | der einen als aueh der anderen Apparate gesteigert/ ist, so tritt eine Wechselwirkung zwischen ihnen ein, welche vor allem von dem Erregbarkeitsgrad und darauf von ihrer anatomischen Nachbarschaft bestimmt‘ wird. Zu demselben Schluss bin ich schon früher bei der Er-| forschung der Koordinationsapparate des Abwischreflexes!) gekommen. | 1) Beritoff, Über die reziproke Innervation der Skelettmuskeln usw. I. Mitt. 1909— 1910. N Zur Kenntnis der spinalen Koordination der rhythmischen Reflexe etc. 223 V. Eine Untersuchung der sukzessiven Koordination der einzelnen Phasen der Beugungs- und Streekungsinnervation im rhythmischen Reflex vom Geh- und Springtypus. Die Bedingungen, unter welchen der rhythmische Reflex vom Gebtypus an den Hinterextremitäten beobachtet werden kann, sind schon aus den vorhergegangenen Darlegungen bekannt. Jede von den symmetrischen Hälften der Koordinationsapparate des 9. und 10. Segmentes ist imstande, diesen Reflex hervorzurufen. Beim Fehlen der peripherischen Sensibilität an den Hinterextremitäten kann letzterer, als Antwort auf eine kurze Reizung, nicht mehr als aus zwei Phasen bestehen. Bei ihrem Vorhandensein aber ruft die- selbe kurze Reizung einen rhythmischen Reflex mit einer grossen Anzahl von Phasen hervor. Selbstverständlich wird dieser Unter- schied in der Quantität der Phasen bei ein und denselben kurzen Reizungen von dem Umstand bedingt, dass bei der peripherischen Sensibilität die Tätigkeit der Koordinationsapparate auf lange Zeit durch sekundäre peripherische Impulse unterstützt wird. Anderer- seits ist beim Vorhandensein der peripherischen Sensibilität die Zahl der Phasen im Reflex bedeutend grösser, wenn die Erregbarkeit an beiden Hälften der gegebenen Apparate gesteigert ist, und dieser verläuft dann mit einer geleichartigeren Intensität an den beiden Extremitäten. Daraus folgt, dass bei einer beiderseitigen Vergiftung der Reflex vom Gehtypus durch die Tätigkeit beider Hälften der Koordinationsapparate bedingt wird. Wollen wir nun betrachten, wie wir uns den Verlauf dieses Reflexes vom Gehtypus bei einer Mitwirkung der beiden Hälften \ der Koordinationsapparate vorstellen müssen. Wir nehmen z. B. ' den Fall, wenn die Reizung auf der rechten Seite appliziert wird. Infolge der Tätigkeit der primär erregten rechten Hälfte dieser ‘ Apparate wird die entsprechende Fxtremität zuerst mit einer Streckung | und darauf mit einer Beugung antworten; an der entgegengesetzten | Seite, der linken, wird umgekehrt zuerst eine Flexion und darauf ' eine Extension beobachtet. Die einen sowohl als auch die anderen Reaktionen würden auch beim Fehlen der peripherischen Impulse , sekundären Ursprungs stattfinden. Unter den gegebenen Bedingungen | aber müssen diese Impulse vorhanden sein, und deshalb können die ! an der linken Seite entstandenen sekundären Impulse die entsprechende \ Hälfte der Koordinationsapparate erregen. Als Resultat gehen aus Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd. 151. 15 2924 J. S. Beritoff: dieser Hälfte auch zweiphasische Innervationen zu den beiden Hinter- extremitäten über, wobei die erste Phase dieser Innervationen der Zeit nach mit der zweiten Phase der Innervationen aus der rechteu Hälfte zusammenfällt. Da aber diese Phasen für jede Extremität | gleichartig erscheinen, so wird an der rechten Seite eine Summierung: | | der nichtgekreuzten flexorischen Innervation mit der gekreuzten und an der linken eine Summierung der gekreuzten extensorischen Innervation mit der nichtgekreuzten vor sich gehen. Ferner, wenn \ eine Erregung der linken Hälfte erfolgte und die erste Phase ihrer \ Innervationen mit der zweiten Phase der Innervationen der rechten | Seite zusammenfiel, so musste also mit dem Eintritt der zweiten Phase von der linken Seite der Reflex in die dritte Phase übergehen. Die rechte Extremität wird während dieser Zeit eine extensorische | Reaktion gekreuzten Ursprunges zeigen. Da aber an dieser Seite N während der vorhergehenden flexorischen Phase die Bedingungen für die Erregung neuer zweiphasischer Innervationen seitens der ent- | sprechenden Hälfte der Koordinationsapparate vorhanden waren, so |! kann folglich an jeder Seite eine Summierung der ersten Phase dieser Innervationen mit einer eleichartigen, zweiten Phase von der ' linken Seite stattfinden. Mit dem Eintreten der zweiten Phase " der neuen Innervationen der rechten Hälfte geht der Reflex in die vierte Phase über. Auf demselben Wege werden auch die anderen Phasen des Reflexes erfolgen, bis beide Hälften der Koordinations- apparate soweit ermüdet sind, dass sie auf sekundäre Impulse nicht mehr reflektorisch werden reagieren können. " Wollen wir uns nun zur Frage über die sukzessive Koordination N des rhythmischen Reflexes vom Springtypus wenden. Die Bedingungen, unter denen dieser Reflex beobachtet wird, sind auch oben dargelest. Es wurde hingewiesen, dass dieser Reflex nur bei einer beiderseitigen Vergiftung des 9. und 10. Segmentes an Präparaten mit freibeweg- lichen Extremitäten und mit peripherischer Sensibilität an den letzteren IE eintritt. Dabei ist es notwendig, dass die primäre Reizung auf beide Extremitäten gleichzeitig appliziert würde. Dieser Reflex kann je- | doch auch bei einer Reizung der einen Extremität hervorgerufen werden, wenn diese zu einem Sprungreflex führt, z. B. bei Appli- \q kation der Reizung auf die Haut über der Achillessehne. Mit anderen Worten, für die Entwicklung des rhythmischen Springreflexes' | ist es erforderlich, dass beide Hälften der Koordinationsapparate sekundär erregt werden könnten, und dass die primären Reaktionen ——— u een en u — Zur Kenntnis der spinalen Koordination der rhythmischen Reflexe etc. 925 beider Extremitäten gleichartig wären. Und in der Tat, wenn die Möglichkeit der Erregbarkeit beider Hälften durch sekundäre peri- pherische Impulse ausgeschlossen ist, z. B. wenn man die IX. und X. hintere Wurzel an einer Seite durcbschneidet, so wird der Reflex vom Springtypus durch Reizung einer sensiblen Extremität keines- falls hervorgerufen werden können. Jetzt tritt sogar nach dem von dieser Extremität hervorgerufenen Sprungreflex nur ein rhythmischer Reflex vom Gehtypus ein. Den Verlauf des Reflexes vom Springtypus stelle ich mir folgendermaassen vor. Der Charakter der Innervationen der einen und der anderen Hälfte der Koordinationsapparate ist jetzt der gleiche wie auch beim Reflex vom Gehtypus. Jede von ihnen ruft unter dem Einfluss sekundärer peripherischer Impulse eine nach der anderen zweiphasische Innervationen hervor, die nach diesem Typus ‘ verbunden sind. Jetzt aber fällt jede Phase der einen Hälfte mit der gleichen Phase der anderen zusammen. Da aber in jedem ge- gebenen Moment die gekreuzte Innervation in bezug auf die nicht- gekreuzte antagonistisch erscheint, so kann die erste natürlich nicht zur Verstärkung der letzteren dienen. Sie kann aber auch die letztere am Erscheinen nicht hindern, da, wie oben gezeigt, die ge- kreuzte Innervation über eine bedeutend geringere Intensität ver- fügt als die nichtgekreuzte, und deshalb tritt in ihrem Kollisionsort beim Bewegungsapparat erstere ihren Platz stets der letzteren ab. 15* 226 Adolf Basler: Über die Verschmelzung rhythmischer Wärme- und Kälteempfindungen. Von Prof. Dr. Adolf Basler, Assistent am physiologischen Institut in Tübingen. (Mit 7 Textfiguren.) Alle unsere Empfindungen überdauern bekanntlich die sie aus- lösenden äusseren Ursachen, so dass nach Aufhören des Reizes eine allmähliche, mehr oder weniger stetige Abnahme beginnt, die als „Abklingen“ bezeichnet wird. Daher kommt es, dass rhythmische, in gleichen Zwischenräumen erfolgende Reize von einer bestimmten Frequenz an nicht mehr als gesondert erkannt werden können, sondern eine einheitliche Empfindung hervorbringen. Die vorliegende Untersuchung bezweckt, festzustellen, unter welchen Bedingungen Wärmereize einerseits und Kältereize anderer- seits, welche die gleiche Stelle der Haut treffen, verschmelzen. Es handelt sich dabei um eine Frage, die für Lichtreize ja schon längst eingehend beantwortet ist. Versuchsanordnung. Zur Ausführung solcher Untersuehungen konstruierte ich einen einfachen Apparat. Derselbe bestand aus weiter nichts als aus einem 1 grossen Kork a, in den vier solide Messingstäbe b, ec, d und e (Fig. 1 und 2) von 16 mm Durchmesser und 8 cm Länge in genau passende Löcher eingesteckt werden konnten, so dass sie mit dem einen Ende fest im Kork steekten, während das Übrige frei herausragte, wie aus N der Skizze Fie. 1 ersichtlich. Der Kork « wurde in seinem Zentrum an eine Achse f gesteckt und liess sich mit dieser wie ein Mühlrad IF drehen. Der ganze Apparat soll in Zukunft der Einfachheit halber als „thermische Reizmühle“ oder kurz als „Reizmühle Hi \ seiner Stelle war, sondern Über die Verschmelzung rhythm. Wärme- und Kälteempfindungen. 297 bezeichnet werden. Wurde während der Drehung der Reizmühle ein Körperteil, etwa der Arm, tangential an die Stäbe gehalten, wie es in Fig. 2 angedeutet ist, dann wurde eine Hautstelle nacheinander von allen vier Stäben berührt, wobei die Zahl der Berührungen in der Sekunde natürlich abhängig war von der Umdrehungsgeschwindig- keit der Reizmühle. Die Geschwindigkeit wurde be- stimmt, indem die Anzahl der Drehungen in 15 Sek. abgezählt wurde. Es ist selbstverständ- lich, dass nach dem Pas- sieren des einen Stabes nicht sofort der nächste an - Fig. 1. Die thermische Reizmühle von der Seite gesehen. es verstrich inzwischen eine gewisse Zeit, die nach meinen Beobachtungen den dritten Teil der- jenigen Zeit dauerte, während der jeder einzelne Stab der Haut anlag. Fig. 2. Die thermische Reizmühle von der Stirnseite gesehen. Der Pfeil bedeutet die Drehrichtung. Zum Treiben des ganzen Apparates waren die üblichen Kymo- graphionuhrwerke zu schwach, so dass ein Elektromotor verwendet werden musste; die gewünschten Geschwindigkeiten wurden durch verschiedene Übertragungen hergestellt. Bei dieser Anordnung be- wegte sich die Reizmühle mit solcher Kraft, dass sie kaum mit den Händen angehalten werden konnte. 328 Adolf Basler: Versuche über die Verschmelzung von Wärmeempfindungen. Zunächst seien die Versuche besprochen, die sich auf Ver- schmelzung von Wärmereizen beziehen. Zu dieser Untersuchung wurden zwei einander gegenüberliegende Stäbe, etwa 5b und d, über einer Spirituslampe so lange erwärmt, bis sie an der Volarseite des Unterarmes einen bestimmten Grad der Empfindung, etwa das Gefühl „sehr warm“, auslösten. Die beiden anderen Stäbe ce und e wurden nur so lange über die Flamme gehalten, bis sie weder warm noch kalt erschienen, bis also die Temperatur der Stäbe für den jeweiligen Adaptationszustand des Armes „indifferent“ wurde. | Setzte man jetzt die Reizmühle in Gang und legte den Arm in der beschriebenen Weise darüber, dann fanden während jeder Um- drehung abwechselnd zwei Berührungen des Armes mit indifferenten und zwei mit warmen Stäben statt. Dass die Beobachtungen gerade an der Volarseite des Unter- armes begonnen wurden, hat seinen Grund darin, dass dieser Körperteil eine dünne Hautschicht besitzt, was für die vorliegenden Untersuchungen von vornherein am zweckmässigsten schien. Zu den meisten Versuchen dienten die mittleren Partien der Vorlarseite des linken Unterarmes. - Ergebnisse der Versuche am Arm. Mit der beschriebenen Anordnung liess sich, wie zu erwarten war, leicht beobachten, dass unter einer bestimmten Drehungs- geschwindigkeit die einzelnen Wärmereize als getrennt erkannt werden. Man fühlt dann deutlich, dass zu einer bestimmten Zeit keine Temperaturempfindung vorhanden ist; kurz nachher tritt Wärmegefühl auf, aber zuerst sehr schwach. Die kaum merkliche Empfindung wird stärker, bis zu einem Maximum. Von da aus erfolst h wieder eine Abnahme, bis die Empfindung ganz verschwunden ist. | Nach Ablauf einer bestimmten Zeit beginnt das Spiel von neuem. Das reizfreie Intervall ist stets dann vorhanden, wenn der indifferente | Stab die Haut berührt, die Wärmeempfindung tritt auf, so oft der | warme Stab im Vorübergleiten die Haut streift. F Wird die Umdrehung schneller, dann verschmelzen von einer bestimmten Geschwindigkeit an die Wärmeempfindungen zu einer | einzigen; von einem reizfreien Intervall ist dann nichts mehr zu spüren. | Von den zahlreichen an mir vorgenommenen Versuchen sei einer mitgeteilt. Über die Verschmelzung rhythm. Wärme- und Kälteempfindungen. 229 Versuch vom Dienstag, den 17. Dezember 1912, nachmittags. Zimmertemperatur 21°C. Versuchsperson B. Volarseite des linken Unter- armes. £ . Empfindung Zahl der 2 nndens die von warmen Empfindung Drehungen , dauer Stäben allein aus- bei@Rotation in 15 Sek. in Sekunden gelöst wird 4 1,88 heiss ungleichmässig 4 1,88 ” ” 3lla 2,30 warn Slla 2,30 Wärmeschmerz ungleichmässig. (Schmerz) 7 1,07 5 gleichmässig (Schmerz) 1,50 heiss gleichmässig alla 2,14 warm ungleichmässig le: 1,00 5 gleichmässig 6) 1,50 5 | vielleicht ungleichmässig Die Periodendauer besteht in unserem Falle aus der Zeit, während welcher der warme Stab die Haut streifte, und der Be- rührungsdauer des indifferenten Stabes, wozu, streng genommen, noch die kurzen Zeiten hinzukommen, während denen überhaupt kein Stab an die Haut stiess. Damit gar kein Zweifel besteht über die von mir im Laufe der Arbeit gebrauchten Begriffe, seien dieselben an der Hand einer Skizze genau definiert. In Fig. 3 soll die horizontale Strecke «5b 1 Sek. bedeuten, die einander gleichen Rechtecke 1—5 die gesetzten Reize, die so häufig erfolgen, dass gerade eine gleichmässige Empfindung „Anararırır, Fig. 3. ‘eintritt. Mit den römischen Ziffern 7—-V sind die zwischen den Reizen liegenden Pausen bezeichnet. Jeder Reiz und jedes reizfreie ‚Intervall dauert in dem angenommenen Falle genau "/ıo Sek. Unter ' Periodendauer soll fortan verstanden werden die Zeit, welche ver- ‘streicht während des Reizes und des darauffolgenden Intervalles, also \ die Zeit ac. Sie beträgt in dem skizzierten Falle !/s Sek. | Bezeichnet man, wie es v. Kries!) für optische Reize tut, als Br" etaunestreanenz! die Anzahl der in 1 Sek. ablaufenden ı ) J. von Kries, Die Gesichtsempfindungen. Nagel’s Handb. d. Physiol. \Ba. ; i 109 (230). 1905. 230 Adolf Basler: ganzen Perioden, die erforderlich ist, um eine ganz gleichmässige Empfindung hervorzubringen, so muss sie in dem skizzierten Falle durch die Zahl 5 ausgedrückt werden; sie stellt den reziproken Wert der Periodendauer dar. Bei dem mitgeteilten Versuch hatte man bei vier Umdrehungen in 15 Sek. (d. h. bei einer Periode von !?/s = 1,88 Sek.) eine dis- kontinuierliche Empfindung; bei 1,5 Sek. Periodendauer wurde sie gleichmässig. Die Verschmelzungsfrequenz beträgt also 0,66 (näm- lich Yı5). Bei anderen Versuchen ergaben sich im grossen und ganzen Zahlen, wie sie aus folgendem Versuchsprotokoll zu ersehen sind: Versuch vom Donnerstag, den 19. Dezember 1912, vormittags. Zimmertemperatur 23°C. Versuchsperson W. Volarseite des linken Unter- armes. { - Ki Empfindung, R = aa a die von warmen Empfindung Stäben allein aus- i i in 15 Sek. in Sekunden lee dl 2 er Woman 5 1,50 warm ungleichmässig 4 1,80 5 a 2 3,70- % 2 7 1,07 sehr heiss kleine Schwankungen ? 7 1,07 warm gleichmässig 6) 0,94 E, = Hier trat die Verschmelzung, wie man sieht, bei einer Periode von 1,07 Sek. ein. Die Verschmelzungsfrequenz betrug somit 1,09. Bei einer weiteren Versuchsperson waren jedoch die Ergebnisse ziemlich abweichend. Versuch vom Donnerstag, den 12. Dezember 1912, nachmittags. Zimmertemperatur 17° C. Versuchsperson A. (weiblich). Volarseite des linken Unterarmes. Zahl der Perioden- a ancuns, Emof Drehungen dauer Stäh von ee mpfindung S äben allein aus- ; at in 15 Sek. in Sekunden gelöst wird bei Rotation 21a 3,00 sehr warm ungleichmässig 6 1,25 Rn, ' 6 1,25 heiss S 15 0,50 i { geringe Schwankungen ganz heiss 24 0,31 5 gleichmässig Über die Verschmelzung rhythm. Wärme- und Kälteempfindungen. 231 Wenn sich bei diesem Versuch auch eine grosse Übereinstimmung in der Empfindung zeigt, so unterscheidet er sich dadurch, dass die Verschmelzung erst bei 15 Umdrehungen in 15 Sek., also bei einer Periodendauer von 0,5 Sek. eintrat. Da es sich um eine weibliche Versuchsperson handelt, liegt die Annahme nahe, dass die Ver- schiedenheit lediglich durch die dünnere Epidermis bedingt ist. Als Gesamtergebnis der verschiedenen Unter- suchungen lässt sich sagen, dass die Periodendauer, bei der eine Verschmelzung stattfand, für rhythmisch erfolgende Wärmereize 0,5—1,38 Sek. betrug. Die Dauer des reizfreien Intervalls lag zwischen 0,25 und 0,94 Sek. Dabei muss allerdings berücksichtigt werden, dass die Pause immer länger und der Reiz entsprechend kürzer ist, als durch Be- rechnung gefunden wird, weil die Zeit nicht berücksichtigt wurde, die zwischen den Berührungen der vier Stäbe liegt. Versuche an der Hand. Da die Sinnesorgane für Wärme in der Haut liegen und infolge- dessen vom Reiz nur mittelbar beeinflusst werden können, ist es ziemlich selbstverständlich, dass die geringe Verschmelzungsfrequenz niebt lediglich durch eine besondere Trägheit der Wärme empfindenden Apparate bedingt ist, sondern vor allem kommt der Einfluss der Haut in Betracht, deren Temperatur sich bei schnellem Wechsel ‚ allmählich auf einen mittleren Wert einstellt. So wäre es auch denkbar, dass beim weiblichen Geschlecht, wo die Epidermis im ‚ allgemeinen dünner ist als beim Mann, die Verschmelzungsfrequenz grösser ist. Denn je dieker die Schicht ist, die sich zwischen die ‚ erregenden Metallstäbe und die Sinnesapparate einschaltet, um so mehr müssen die Temperaturschwankungen ausgeglichen werden. Um den Einfluss der Hautdicke bei einer und derselben Versuchs- person feststellen zu können, führte ich die beschriebenen Versuche ‚auch an der Hohlhand aus, wo die Epidermis bekanntlich eine viel " mächtigere Schicht darstellt als am Arm. Es liess sich deshalb annehmen, dass an der Hand die diskontinuierliche Empfindung erst bei einer grösseren Periodendauer eintritt. | Die Versuche wurden in der gleichen Weise ausgeführt. Ich ‚legte statt des Armes die linke Hohlhand auf die Stäbe und stellte 232 Adolf Basler: fest, wie schnell sich die Mühle drehen musste, damit eine Ver- schmelzung auftrat. Als Beispiel sei ein Protokoll mitgeteilt. Versuch vom Dienstag, den 17. Dezember 1912, nachmittags. Zimmertemperatur 21° C. Versuchsperson B. Linke Hohlhand. i Empfindung, Ze Halorar- die von a Empfindung Drehungen | dauer Stäben allein aus- ber Balaton in 15 Sek. | in Sekunden gelöst wird 1,88 warm gleichmässig 31a 2,30 sehr wenig warm ungleichmässig alla 2,30 Wärmeschmerz deutlich alternierend 7 1,07 5 eichnassıe 5 zuerst vielleicht altermierend, 5 1,50 Man { dann gleichmässig 3l/a 2,14 e ungleichmässig Ta 1,00 mässig warm gleichmässig T!/a 1,00 A 5 a Mit der Hand fühlte man auch bei ziemlich schneller Drehung der Reizmühle ganz deutlich, wie die einzelnen Stäbe über die Haut hingleiten, eine Beobachtung, die sich mit dem Arme nicht machen | lässt, weil dazu am Arm der Berührungssinn zu schlecht entwickelt ist. So fühlt die tastende Hand z.B. bei 11 Drehungen in 15 Sek. f die Stäbe deutlich getrennt, aber sie erscheinen alle gleich warm. \ Die Hauptaufgabe des Versuches war es, festzustellen, wie schnell Y die Mühle gehen musste, damit die Stäbe eben gleich warm er- \ I | hi ! schienen, und da muss man sagen, dass der Unterschied gegenüber der Armbaut nicht so gross war, wie ich erwartet hatte. Bei vier Umdrehungen in 15 Sek., also bei einer Periodendauer von 1,885 Sek. und somit einem reizfreien Intervall Ei nahezu 0,94 Sek., war allerdings im Gegensatz zum Arm) die Einen une noch gleiehmässig; aber schon bei drei- undeinhalb Umdrehungen der Reizmühle, also einer Periodendauer" f von 2,14 Sek. und einem reizfreien Intervall von 1,07 Sek., war die alternierende Empfindung vorhanden. N Auch bei der Versuchsperson W. war bei vier Umdrehungen in | j 15 Sek. eine gleichmässige Empfindung vorhanden. ı Die verwendeten Reize. \ Bei Ausführung der Versuche wurde stets so verfahren, dası die Stäbe der Reizmühle so lange erwärmt wurden, bis eine bestimmte Empfindung auftrat. Ich machte z. B. für eine Beobachtung die Stäbe sı Über die Verschmelzung rhythm. Wärme- und Kälteempfindungen. 233 warm, dass sie am Arm die Empfindung „heiss“ auslösten. Es wurde also stets das Gefühl ermittelt, welches ein Stab, mit dem Arm in Berührung gebracht, verursachte. Ich hielt es jedoch nicht für nötig, die Temperatur des Stabes zu bestimmen. Man könnte deshalb auf den ersten Blick geneigt sein, die Methode für unwissenschaftlich zu halten. Doch scheint es mir bei den mitgeteilten Versuchen nicht allzu “wichtig, genau die Temperatur der Stäbe zu kennen. Die Hauptsache ‚ ist vielmehr, dass bei dem jeweiligen Adaptationszustand der Haut eine bestimmte Empfindung ausgelöst wird. Wollte man die Reizmühle ‚so einrichten, dass man die Temperaturgrade, etwa von strömendem Wasser, angeben kann, was ja natürlich in mancher Beziehung ' wünschenswert wäre, so hätte diese Anordnung eine wesentliche ' Komplikation des Apparates bedingt. Um übrigens von den Grössen der angewendeten Reize einigermaassen unterrichtet zu sein, habe ‘ich mehrere Versuche angestellt, bei denen die durch die Stäbe ‚hervorgerufenen Empfindungen direkt verglichen wurden mit den Empfindungen von bekannten Reizen. In einem Tiegel wurde Quecksilber so lange erwärmt, bis es 'gerade so warm erschien wie die verwendeten Stäbe. Dabei ergab ‚sich, dass z. B. einmal bei einer Zimmertemperatur von 21°C. Queck- ‚silber von 45 ° C. die gleiche Empfindung hervorrief wie der erwärmte (Messingstab. Die indifferenten Stäbe entsprachen Quecksilber von 33°C. Kältereize. Um Versuche über Kältereize anstellen zu können, wurden zwei ‚einander gesenüberliegende Stäbe so lange erwärmt, bis sie gerade indifferent erschienen; die beiden anderen blieben kalt. Messingstäbe 'von Zimmertemperatur fühlen sich stets genügend kalt an. Versuche am Arm. Auch die Versuche mit Kältereizen nahm ich zuerst an der Volarseite des linken Unterarmes vor. Inbezug auf die Ausführung ‚dieser Untersuchungen ist weiter nichts zu sagen, da sie genau in ‚der gleichen Weise vorgenommen wurden wie die Versuche über 'Wärmereize. | Das Ergebnis sei gleich von vornherein mitgeteilt. Damit eine ‚Verschmelzung eintrat, mussten in 15 Sek. etwa zwölf Drehungen ‘erfolgen. Als Beispiel seien zwei Tabellen mitgeteilt. 234 Adolf Basler: Versuch vom Montag, den 16. Dezember 1912, vormittags. Zimmertemperatur 18° C. Versuchsperson B. Volarseite des linken Unter- armes. : Empfindung, Zahl der Perioden- die en an Empfindung bei Drehungen | dauer Stäben allein aus- Rotation in 15 Sek. in Sekunden gelöst wird ; 61/2 1,15 kalt deutlich ungleichmässig 12 0,62 { anfangs Schwankungen, später ; 2 gleichmässig 12 0,62 & ” ebenso 12 0,62 k ebenso, an Grenze 9 0,83 % deutlich ungleichmässig 20 0,37 5 gleichmässig 15 0,50 » ” Versuch vom Montag, den 16. Dezember 1912, nachmittags. Zimmertemperatur 15° 0. Versuchsperson B. Volarseite des linken Unter- armes. : - \ Empfindung nl Z a die von kalten Empfindung bei > Stäben allei - i in 15 Sek. | in Sekunden | gelöst wird ln 16 0,47 kalt gleichmässig 7 1,07 5 deutlich abwechselnd 1 1,07 ” ” ” d 1,50 ” » » 5) 1,50 5 5 N 8 0,94 ” ” ” Ö 0,94 ” » » 61/a 1,15 5 a 5 7 1,07 ” » E 00) 14 0,53 5 gleichmässig 10 0,75 gleichmässig, vielleicht Spur " ; 2 von Schwankung J 10 0.75 zum Vergleich rechter Arm, } } deutlich abwechselnd 14 0,53 n gleichmässig bei zwölf Umdrehungen, also einer Periode von 0,62 Sek., noch nicht ganz konstant. Bei dem zweiten trat die gleiche Empfindung bei ungefähr zehn Umdrehungen (— 0,75 Sek. Periode) auf. Au \ dem zweiten Versuch lässt sich gleichzeitig ersehen, welch grosser Einfluss der Zustand der Haut auf die Verschmelzung hat. Nachden! mehrere Beobachtungen vorangegangen, war, wie schon erwähnt, be zehn Umdrehungen die Empfindung ziemlich gleichmässie für dei linken Arm. Jetzt wurde derselbe Versuch am rechten Arm vor Über die Verschmelzung rhythm. Wärme- und Kälteempfindungen. 235 genommen, und sofort fühlte man den Wechsel in den Empfindungen ganz deutlich. Beirhythmisch erfolgenden Kälteeinwirkungen auf die Volarseite des Unterarmes trat die Verschmelzung ‚im allgemeinen bei einer Periodendauer von 0,53 Sek. und einer Pause von 0,26 Sek. auf, also bei einer viel grösseren Frequenz als bei Wärmereizung. Diese Verschiedenheit kann natürlich viele Ursachen haben; eine davon ist sicher darin ' zu erblicken, dass die Kälteorgane oberflächlicher liegen als die Organe für Wärme. Für eine solche Annahme sprechen verschiedene Tatsachen, So ‚ist die Reaktionszeit für Wärmereize länger als die für Kältereize!). 'v. Frey?) hebt hervor, dass die Wärmepunkte viel schwerer ab- ' zugrenzen sind als die Kältepunkte. Bei chemischer Reizung der ‘ Haut tritt, wie Alrutz?°) feststellte, zuerst Kälte- und dann Wärme- ' empfindung auf. Thunberg), der die vorher erwärmte Haut mit verschieden dicken Silberlamellen reizte, welehe auf eine bestimmte, ' ziemlich hohe Temperatur gebracht waren, fand, dass die vorwiegend ‚ oberflächliche Schichten der Haut treffende Reizung hauptsächlich ' Kälteempfindung, die tiefe Hautschichten treffende dagegen Wärme- empfindung auslöste. Er sagt dann wörtlich: „Da man bei einer vorwiegend die oberflächlichen Hautschichten treffenden Reizung vor allem eine ‚ Kälteempfindung, bei tieferer Reizung dagegen kräftige Wärme- ‚empfindungen erhält, so ist der natürliche Schluss der, dass die ‚ Kältenerven oberflächlicher als die Wärmenerven endigen.“ Liegen aber die Organe für Kälte und Wärme in verschiedenen ‚Schichten der Haut, dann ist es leicht zu verstehen, dass die in den l) Tanzi, Riv. di fren. lib.16 p. 385, zitiert nach M. Dessoir, Über ‚den Hautsinn. Arch. f. (Anat. u.) Physiol. 1892 8.173 (317), dort auch die übrige ‚Literatur über die Reaktionszeit erwähnt. 2) M. von Frey, Beiträge zur eh siclosie der Haut. III. Mitteilung. ‚Verhandl. d. sächsischen Gesellsch. d. Wissensch. , mathem.-phys. Klasse Bd 47 8.166 (183). 1895. 3) S. Alrutz, Studien aus dem Gebiete der Temperatursinne. Skandinav. ‘Arch. Bd. 7 S. 321 (335). 1897. 4) T. Thunberg, Untersuchungen über die relative Tiefenlage der kälte-, Iwärme- und schmerzperzipierenden Nervenenden in der Haut und über das "Verhältnis der Kältenervenenden gegenüber Wärmereizen. Skandinav. Arch. „Bd. 11 S. 382 (402). 1901. | nn u I — 2336 Adolf Basler: | | tiefen Teilen zustandekommenden Wärmeempfindungen bei geringerer | Frequenz verschmelzen. Die Erwärmungen und Abkühlungen müssen | von der Epidermisoberfläche aus erst durch Leitung ganz allmählich | zu den Sinnesapparaten gelangen, und je dicker die Hautlage ist, um so weniger leicht wird sich am Ende des Weges der Wechsel fühlbar machen. ep | Jedenfalls lassen sich die Tatsachen aus der verschiedenen Lage der Nervenendieungen vollständig erklären. Ob ausserdem noch | eine spezifische Verschiedenheit für die Organe selbst vorliegt, wie ' sie Goldscheider annimmt, darüber lässt sich aus den vorliegenden | Untersuchungen nichts entnehmen. Verschmelzung von Kälteempfindungen an der Hohlhand. \ Wie bei der Wärmereizung, so suchte ich auch bei den Ver- N suchen über Kälteempfindung festzustellen, ob an der Hohlhand die Ergebnisse wesentlich anders werden als am Arm. Bei diesen 2 Untersuchungen fand ich nun, dass hier tatsächlich schon, bei einer beträchtlich kleineren Drehungszahl eine Verschmelzung erfolgte als an der Haut des Vorder- armes. $ Zwei Versuche (s. auch S. 237) mögen als Beispiel dienen. ei be Ben 79 f | \ Versuch vom Freitag, den 15. Dezember 1912, nachmittags. | - N | | } Zimmertemperatur 12° C. Versuchsperson B. Linke Hohlhand. 2 Empfindung, Zahl’ der Tesioden, die von kalten Empfindung bei Drehungen | dauer Stäben allein aus- Botaton ( in 15 Sek. in Sekunden gelöst wird N 41/a | 1,66 | mässig kalt deutlich wechselnd m ) 0,83 > n gleichmässig Y ) 0,94 7 ” pl i dla 1,36 = 5 abwechselnd | Sue 1,36 ; : B - 1.07 { gleichmässig, vielleicht ange) 2 % 2 deutete Schwankungen Wie aus den mitgeteilten Tabellen hervorgeht, und wie siel 4 auch bei den übrigen Versuchen übereinstimmend feststellen liess war die Empfindung bei sechs Umdrehungen in 15 Sek deutlich wechselnd, wurde jedoch bei sieben Rota tionen gleichmässig. Letztere Drehungszahl ent Über die Verschmelzung rhythm. Wärme- und Kälteempfindungen. 237 Versuch vom Montag, den 16. Dezember 1912, vormittags. Zimmertemperatur 18,5° C. Versuchsperson B. Linke Hohlhand. ; Empfindung, Zahl der Perioden- die aan Kalten? Empfindung bei Drehungen ‚ dauer Stäben allein aus- Potahion in 15 Sek. in Sekunden gelöst wird 16 0,47 mässig kalt gleichmässig 7 1,07 ” ” ” 7 1,07 ” ” ”„ b) 1,50 e 2 ungleichmässig 5 1,50 5 5 » 8 0,94 n 5 gleichmässig VE 1,15 \ n ungleichmässig 7 1,07 n 5 gleichmässig 7 1,07 » » » 14 0,59 ” ” ” 10 0,75 spricht aber einer Periodendauer von 1,07 Sek. Die Verschmelzungsfrequenz betrug demnach ungefähr 1. Für den Arm ergibt sich aus meinen Versuchen 2 als Verschmelzungsfrequenz. Daraus geht hervor, dass die Kältereize am Arm ungefähr doppelt so schnell aufeinander folgen mussten als an der Hohlhand, wenn eine vollständige Verschmelzung stattfinden sollte. Dass der Unterschied zwischen Arm und Hand bei Kältereizen viel ausgesprochener zutage tritt als bei Wärmereizung, dürfte so zu erklären sein, dass eben die Wärmeorgane tiefer unter der Haut- oberfläche liegen als die Apparate für Kälte (vgl. S. 235). Für Gebilde, die ziemlich oberflächlich liegen, muss aber ein Unterschied in der Dieke der Epidermis, wie er z. B. zwischen Unterarm und Hohlhand vorhanden ist, viel mehr ins Gewicht fallen als für tiefliegende Organe. So bilden diese Ergebnisse einen weiteren Beweis für die relativ tiefe Lage der Wärmeapparate. Bei allen hier mitgeteilten Versuchen handelte es sich um ‚ rhythmische, in gleichen Zwischenräumen erfolgende Reize. Es ist dies eine Art der Erregung, die bei anderer Gelegenheit als Serien- reizung bezeichnet wurde !). Ob bei nur zwei nacheinander folgenden Reizen (Doppelreizen) die Verhältnisse die gleichen sind, darüber wurden keine Versuche angestellt. | Zwischen der rechten und linken Körperhälfte konnte kein Unterschied festgestellt werden; auch die Zimmertemperatur resp. Be 1) A. Basler, Über die Verschmelzung zweier nacheinander erfolgender \ Tastreize. Pflüger’s Arch. Bd. 143 S. 230 (232). 1911. 238 Adolf Basler: der Adaptationszustand der Haut scheint keinen Einfluss auf die Verschmelzbarkeit auszuüben. Deshalb wurden als Beispiele auch Versuche ausgewählt, die bei den verschiedensten Zimmertemperaturen angestellt waren. Zusammenstellung der bisherigen . Ergebnisse, Die Ergebnisse meiner Versuche wurden der besseren Übersicht halber in eine Tabelle gebracht. Dabei wurden nur die an mir selbst vorgenommenen Beobachtungen berücksichtigt. ET u ee gl U _ Wärmereize Kältereize Arm Hand Arm Hand mh Zahl der Umdrehungen in 15 Sek., bei der Y5 4 14 7 i die Verschmelzung erfolgt... . ... . N Periodendauer in Sekunden... ..... 1,5 1,88 0,53 | 1,07 em Reizfreies Intervall in Sekunden. ..... 0,75 0,94 0,26 0,53. 7 Verschmelzungsfrequenz (vgl. 8.229). . . . 0,66 0,53 1,88 0,93 5 f Es dürfte kaum nötig sein, zu dieser Tabelle eine nähere Er- klärung zu geben. Doch wird eine graphische Darstellung noch anschaulicher wirken. Auf den untenstehenden Skizzen repräsentiert I die horizontale Linie den Zeitraum von 10 Sek. Die auf ihr stehenden Rechtecke sind Wärmereize, die so häufig erfolgen, dass sie gerade N verschmelzen, und zwar handelt es sich bei den engschraffierten um h solche Reize für den Arm, die punktiert umrandeten und weit- schraffierten beziehen sich auf die Hohlhand. | SS N N N N N \ Gr A 7 ZZ TE Fig. 4 Eben verschmelzende Wärmereize. Die langen Reize beziehen sich v auf die Hand, die kurzen auf den Arm. Die ganze Strecke entspricht einem Zeitraum von 10 Sek. I Die andere Fieur stellt im gleichen Maassstab die eben ver-' schmelzenden Kältereize dar. N 3 3 = — Fig. 5. Eben verschmelzende ‚Kältereize. Die langen Reize beziehen sich auf) die Hand, die kurzen auf den Arm. Auch hier entspricht die ganze Länge der Figur einem Zeitraum von 10 Sek. Über die Verschmelzung rhythm. Wärme- und Kälteempfindungen. 239 Zusammenstellung ‘der Verschmelzbarkeit anderer Empfindungen. Es dürfte nicht ohne Interesse sein, die bisher bekannten Ver- schmelzungsfrequenzen für die verschiedenen Empfindungen an dieser Stelle zusammenzustellen. Im Gebiete der physiologischen Akustik tritt nach Mayer!) für den Ton e’ (— 256 Schwingungen) eine Ver- schmelzung ein, wenn das reizfreie Intervall "44 Sek. beträgt, Für tiefere Töne. muss das Intervall länger ‚sein, während es für hohe Töne nur eines kürzeren Intervalls bedarf, . Für Lichtreize gibt Helmholtz?) eine Tone von 24—30 an. Nach Baader?) ist dieselbe sehr abhängig von der Intensität der alternierenden Lichter. Ä - Für mechanische Tastreize, die auf den Arm wirken, rl eine Verschmelzungsfrequenz von ungefähr 300—600 angegeben ?). Demnach tritt die Verschmelzung von Wärme- und Kältereizen unter allen Empfindungen bei der kleinsten Frequenz ein. Was ist das für die Verschmelzung maassgebende Moment? Wenn eine Serie von rhythmischen Lichtreizen das Auge trifft, dann findet bei einer bestimmten Periodenzahl in der Sekunde eine Verschmelzung statt. Dabei kommt es einzig und allein auf die Periode an, nicht auf die Zeitdauer des reizfreien Intervalls resp. _ des Reizes. In der untenstehenden Skizze (Fig. 6) seien die Licht- reize, die gerade zu einem einheitlichen Eindruck verschmelzen, als Rechtecke (27—10) wiedergegeben. Die Strecke ab, auf der sie aufstehen, repräsentiert den Zeitraum von !/s Sek. | 1) Mayer, Americ. Journ. of Science (3) vol. 47 p. 1 und 283. 1894, zitiert nach Schaefer, Der Gehörsinn. Nagel’s Handb. d. Physiol. Bd. 3 S. 476 (506). 2) H. von Helmholtz, Handb. d. physiol. Optik, 2. Aufl., S. 489. 1896, 3. Aufl., Bd. 2 S. 179. | 3) E. G. Baader, Über die Empfindlichkeit des Auges: für Lichtwechsel. \ı Dissertation. Freiburg 1891. | 4) R. Schwaner, Die Prüfung der Hautsensibilität vermittelst Stimmgabeln bei Gesunden und Kranken. Inauguraldissertation. Marburg 1890. _ Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd. 151. 16 340 Adolf Basler: Die Verschmelzung findet aber auch statt, wenn die Art der Erregung sich durch die folgende Zeichnung darstellen lässt. S a Fig. 7. . t Obwohl im zweiten Falle die zwischen den Reizen liegende Pause viel grösser ist als im ersten, kommt die einheitliche Empfindung bei der gleichen Anzahl von Reizen in der Sekunde zustande, d. h. die Verschmelzunesfrequenz ist dieselbe. Diese Tatsache wurde schon von Plateau beobachtet). So ergibt sich auch für thermische Reize die Frage, ob die Verschmelzung lediglich von der Grösse der aus Reiz und reizfreiem Intervall bestehenden Periode abhängig ist, oder ob es dabei auf die Pause ankommt. Aus den bisherigen Untersuchungen liess sich darüber nichts entnehmen, denn bei ihnen war das reizfreie Intervall wie auch der Reiz immer halb so lang wie die ganze Periode, so dass beide Grössen stets in demselben Verhältnis wuchsen oder kleiner wurden. Deshalb musste zur Beantwortung obiger Frage eine besondere Versuchsreihe vorgenommen werden. Dabei wurden zu einer Anzahl von Beobachtungen drei Stäbe der Reizmühle, also etwa d,c undd der Fig. 1 und 2 (S. 227), so lange erwärmt, bis sie dem Arm deutlich } warm erschienen. Der vierte Stab (e) wurde auf indifferente Tempe- ! ratur gebracht. Ein anderes Mal wurde mit nur einem warmen Stab gearbeitet, während sich die übrigen indifferent verhielten. Das Ergebnis mag aus folgender Tabelle hervorgehen. Versuch vom Montag, den 30. Dezember 1912, vormittags. Zimmertemperatur 9° ©. Versuchsperson B. Volarseite des linken Unterarmes. ! u Blanc | ee | Dreh- warmen indiffer. dauer Bau Bug Audun ungen | Stäben allein Stäbe nase in Sek. bei Rotation in 15 Sek. | ausgelöst wird 91/g heiss 1 1,58 0,39 gleichmässig 6!/a warm 1 2,30 0,58 5 41/g heiss 1 3,92 0,83 alternierend la warm 1 2,0 0,50 gleichmässig | 5l/a A 1 2,73 0,68 wenig alternierend ' 3 heiss > | 1,88 1,41 alternierend 6) a 3 1,88 1,41 & I) Vgl. H. v. Helmholtz, Handb. d. physiol. Optik, 3. Aufl., Bd. 2 S. 179. en EEEEEPWE?VWEREBEESEEEE Über die Verschmelzung rhythm. Wärme- und Kälteempfindungen. 2 ad 41 ÖOrdnet man die Angaben einzelner Beobachtungen nach der Grösse der Periodendauer, 1,58 1,88 2,00 2,30 2,73 3,32 dann erhält man die Reihe: gleichmässig, alternierend, . gleichmässig, ” etwas alternierend, alternierend. Man sieht sofort, dass keine Beziehungen zwischen der Grösse der Periodendauer und der Empfindung festgestellt werden kann. Anders ist es jedoch, wenn man sie nach der Grösse des reizfreien Intervalls ordnet. 0,325 9,5 0,579 0,68 0,83 1,910 gleichmässig, » » wenig alternierend, alternierend, ” Diese Versuche zeigen, dass die Verschmelzung von Wärme- reizen wesentlich mit den zwischen den Reizen liegenden Pausen zusammenhängt und nicht durch die Länge der ganzen Perioden bedingt wird, wie dies beim Wechsel von Hell und Dunkel der - Fall ist. Zu dem gleichen Ergebnis führten die Versuche mit Kältereizen, wofür folgende Tabelle ein Beispiel liefert: Versuch vom Mittwoch, den 8. Januar 1913, vormittags. Ziminertemperatur 14° C. Versuchsperson B. Volarseite des linken Unter- ı arımes. Zahl der | Empfindung, Perioden- die von den Zahl der Pause x ! En. kalten indiffer. in u ne ber | B\ ı ” U ' 15 Sek. en Stäbe Sekunden Sekunden 22/4 kalt 1 1,8 5,45 | deutl. alternierend 4 1 1,23 3,15 alternierend | D A 1 0a 124 gleichmässig 12 ö 2 (gegonüberliegend) 03 1 0,62 alternierend ? 12 5 3 0,93 1,24 | deutl. alternierend 13 3 3 0,86 1,15 „ Ey 15 3 0,75 1,0 alternierend 16. 240 Adolf Basler: Die Verschmelzung findet aber auch statt, wenn die Art der Erregung sich durch die folgende Zeichnung darstellen lässt. S A Fig. 7. T Obwohl im zweiten Falle die zwischen den Reizen liegende Pause viel grösser ist als im ersten, kommt die einheitliche Empfindung bei der gleichen Anzahl von Reizen in der Sekunde zustande, d. h. die Verschmelzungsfrequenz ist dieselbe. Diese Tatsache wurde schon von Plateau beobachtet). So ergibt sich auch für thermische Reize die Frage, ob die Verschmelzung lediglich von der Grösse der aus Reiz und reizfreiem Intervall bestehenden Periode abhängig ist, oder ob es dabei auf die Pause ankommt. Aus den bisherigen Untersuchungen liess sich darüber nichts entnehmen, denn bei ihnen war das reizfreie Intervall wie auch der Reiz immer halb so lang wie die ganze Periode, so dass beide Grössen stets in demselben Verhältnis wuchsen oder kleiner wurden. Deshalb musste zur Beantwortung obiger Frage eine besondere Versuchsreihe vorgenommen werden. Dabei wurden zu einer Anzahl von Beobachtungen drei Stäbe der Reizmühle, also etwa d, c undd der Fig. 1 und 2 (S. 227), so lange erwärmt, bis sie dem Arm deutlich warm erschienen. Der vierte Stab (e) wurde auf indifferente Tempe- ratur gebracht. Ein anderes Mal wurde mit nur einem warmen | Stab gearbeitet, während sich die übrigen indifferent verhielten. Das Ergebnis mag aus folgender Tabelle hervorgehen. Versuch vom Montag, den 30. Dezember 1912, vormittags. Zimmertemperatur 9° ©. Versuchsperson B. Volarseite des linken Unterarmes. Zahl Empfindung, | | der die von den | Zahl der | Perioden- Dreh- warmen indiffer. dauer ‚Pause Empfindung ungen | Stäben allein | Stäbe in Sek. in Sek. bei Rotation in 15 Sek. | ausgelöst wird Q1/a heiss 1 1,58 0,39 gleichmässig 6!/a warm 1 2,30 0,58 » 41/a heiss 1 3,92 0,83 alternierend 7/e warm 1 2,0 0,50 gleichmässig 5l/a „ 1 2,13 0,68 wenig alternierend 8 heiss 3 1,88 1,41 alternierend 8 3 1,88 1,41 ” ” l) Vgl. H. v. Helmholtz, Handb. d. physiol. Optik, 3. Aufl., Bd. 2 S. 179. Über die Verschmelzung rhythm. Wärme- und Kälteempfindungen. 24] ÖOrdnet man die Angaben einzelner Beobachtungen nach der Grösse der Periodendauer, dann erhält man die Reihe: 1,58 gleichmässig, 1,58 alternierend, . 2,00 gleichmässig, 2,30 5 2,73 etwas alternierend, 3,92 alternierend. Man sieht sofort, dass keine Beziehungen zwischen der Grösse der Periodendauer und der Empfindung festgestellt werden kann. Anders ist es jedoch, wenn man sie nach der Grösse des reizfreien Intervalls ordnet. 0,325 gleichmässig, 9,5 5 0,579 y 0,68 wenig alternierend, 0,83 alternierend, 1,910 E Diese Versuche zeigen, dass die Verschmelzung von Wärme- reizen wesentlich mit den zwischen den Reizen liegenden Pausen zusammenhängt und nicht durch die Länge der ganzen Perioden bedingt wird, wie dies beim Wechsel von Hell und Dunkel der Fall ist. Zu dem gleichen Ergebnis führten die Versuche mit Kältereizen, wofür folgende Tabelle ein Beispiel liefert: Versuch vom Mittwoch, den S. Januar 1913, vormittags. Ziminertemperatur 14° C. Versuchsperson B. Volarseite des linken Unter- ı armes. Zahl der Empfindung, Perioden- die von den Zahl der Pause ! | Rn. kalten indiffer. le | ne Stäben allei ; El apselöstwird| oe, [Sekunden [sekunden 22/4 kalt 1 1,8 5,45 | deutl. alternierend 4 5 1 1,23 3,175 alternierend 2 0 | 124 | steichnase j , Ä gleichmässig 12 i 2 (gogenüberliegend)| 0,31 0.62 alternierend ? 12 s 3 0,93 1,24 | deutl. alternierend 13 2 3 0,86 1,15 5 a 15 3 0,75 1,0 alternierend 16 * 249 : Adolf Basler: Gewissermaassen die Fortsetzung bildet ein Versuch vom Freitag, den 10. Januar 1913, vormittags. Zimmertemperatur 15° C. Versuchsperson B. Volarseite des linken Unter- armes. Zahl der | Are ’von den | Zahl der | Panse | Peristen- ren- kalten Stäben | indiffer. in dauer in en ungen | allein aus- | Stäbe | Sekunden | Sekunden el ao in15 Sek. | gelöst wird Empfindung 19 kalt 3 0,59 0,79 deutlich alternierend 28 ns, 3 0,40 0,53 . gleichmässig 19 “ 3 . 0,59 0,79 . alternierend 28 “ 8 0,40 0,53 gleichmässig 13 5 3 0,86 1,15 deutlich alternierend 21 * 3 0,52 0,71 gleichmässig 18 a 3 0,62 0,83 alternierend 20 H 3 0,56 0,75. gleichmässig Man sieht ohne weiteres, dass bei zwölf Umdrehungen in 15 Sek. der Erfolg durchaus verschieden ist, je nachdem ein kalter Stab verwendet wird oder drei. War nur einer der vier Stäbe abgekühlt, dann fühlte der über die Reizmühle geleste Arm in bestimmtem Rhythmus Kälte auftreten. Waren aber drei kalte Stäbe vorhanden, trat bei der gleichen Drehungsgeschwindiekeit ein kontinuierliches Gefühl auf. Im ersten Falle war eben die Pause dreimal so lang wie im zweiten. Auch bei diesen Versuchen wurden wie bei der Reizung mit Wärme die Aussagen einmal nach der Grösse der Periodendauer, das andere Mal nach der Länge des reizfreien Intervalls geordnet. Periodendauer: Aussage: 0,53 gleichmässig Dora 5 0,75 5 0,79 deutlich alternierend 0,83 alternierend 0,62 e ? 1,01 A 1,15 deutlich alternierend ri 1,24 gleichmässig, deutlich alternierend (je nach der Dauer der Pause) 2,00 alternierend 3,75 s 9,45 deutlich alternierend. een > se = Über die Verschmelzung rhythm. Wärme- und Kälteempfindungen. 243 Pause:. Aussage: 0,31 eleichmässig 0,39 5 0,40 Bar 0,52 5 0,56 2 0,59 alternierend 0,62 0,66 0,78 5 0,79 deutlich .alternierend 0,86 AU; 5 0,93 % 5 1,23 - alternierend 1,79 Der Zusatz „deutlich“ bei manchen Aussagen wurde stets spontan gegeben und dürfte für die Beurteilung der Antwort nur von untergeordneter Bedeutung sein, doch wollte ich in den mitgeteilten Protokollen diesen Zusatz nicht einfach weglassen. Auch aus diesen Reihen lässt sich eine direkte Abhängigkeit der Verschmelzung von der Länge der Pausen ganz ungezwungen feststellen, dagegen nicht eine solche von der Periodendauer. Als Gesamtergebnis der. zuletzt miteeteilten Versuche lässt sich der Satz aufstellen, dass die Verschmelzung von Wärme- und Kältereizen nicht einzig und allein von der Perioden- dauer abhängigist, wie bei Liehtreizen, sondern dass die Länge der Pausen resp. die Länge des Reizes eine gewisse Rolle spielt. ‘ Die nächstliegende Frage ist nun die, welchen Einfluss die Dauer des Reizes und welchen die Dauer der Pause hat. Zu ihrer Beantwortung wäre es notwendig, bei gleicher Reizdauer die Pausen verschieden lang zu machen und andererseits bei gleichen Pausen verschieden lange Reize zu setzen. Solche Versuchsbedingungen ' liessen sich aber mit meiner Anordnung nicht herstellen, und ausserdem sind dazu sicher auch ausgedehnte Untersuchungen notwendige. Des- ) halb entschloss ich mich, meine bisherigen Resultate der Öffentlich- keit zu übergeben, wenn sie auch noch nicht ganz erschöpfend sind. | Dass die Verschmelzbarkeit nicht ausschliesslich von der Pause a abhängen kann, geht aus der Tatsache hervor, dass bei der gleichen ” 244 Adolf Basler: Versuchsperson je nach der Anordnung der Stäbe die Verschmelzung bei verschiedenen Pausen eintrat, wie aus einem Vergleich der Ver- suche S. 234 mit dem auf S. 242 hervorgeht.- Diese Verschiedenheit hängt wohl damit zusammen, dass in jedem der beiden Fälle der Reiz eine andere Dauer hatte. Verschmelzung von abwechselnd erfolgenden Wärme- und Kältereizen. Zum Sehlusse suchte ich noch festzustellen, in welcher Art Wärme- und Kältereize, die abwechselnd die gleiche Stelle der Haut treffen, miteinander verschmelzen. Zu diesem Zwecke erwärmte ich zwei gegenüberliegende Stäbe der Reizmühle so lange, bis sie Wärmeempfindung hervorriefen ; die anderen erschienen deutlich kalt. Im übrigen war das Verfahren genau das gleiche wie bei den bisherigen Versuchen. Während der Drehung des Apparates wurde die Volarseite des linken Unterarmes tangential auf die Stäbe gelegt. Auch von diesen Untersuchungen seien zwei Tabellen mitgeteilt. Versuch vom Dienstag, den 10. Dezember 1912, nachmittags. Zimmertemperatur 14—15° C. Versuchsperson B. Volarseite des linken Unterarmes. Zahl der | Perioden- Empfindung, Dreh- dauer ee ai N Empfindung bei ; : ie von war ie von kalten : en Stäben allein | Stäben allein Rotation > ausgelöst wird | ausgelöst wird 24 0,31 warm | kalt gleichmässig warm 24 0,31 schon abgekühlt | Rn 5 „ 21/a 3,00 warm | N einmal warm, einmal kalt 11 0,68 Y | 5 gleichmässig warm 11 0,68 sehr warm 5 “ 7 1,0 5 n | 3 nicht ganz kontinuierlich I Im Anfang der Berührung war häufig das Gefühl von Kälte vorherrschend, welches nach einiger Zeit in solches von Wärme übereing. Ubrigens unterschieden sich auch mitunter die Misch- empfindungen je nach der gereizten Stelle. War z. B. an einem Bezirk des Armes bei genügender Drehungsgeschwindigkeit die Empfindung kalt vorherrschend und man verschob den Arm ein | wenig, dann fühlte man unter Umständen deutlich Wärme. Diese Erscheinung hängt offenbar damit zusammen, dass man das eine Über die Verschmelzung rhythm. Wärme- und Kälteempfindungen. 245 Versuch vom Dienstag, den 14. Januar 1913, nachmittags, Zimmertemperatur 15,5% C. Versuchsperson B, Volarseite des linken Unterarmes. Zahl der | Perioden- Empfindung, Dreh- dauer ee en Empfindung bei ; ievon warmen die von n > A ee S a Stäben allein | Stäben allein Rofatıon n.® ; ausgelöst wird |ausgelöst wird 13 0,42 sehr warm kalt gleichmässig kalt J - intermittierend, aber nur i 3 0,94 warm 5 { Kalt aan 0) 0,94 heiss n gleichmässig 6 0.25 alternierend zwischen warm Be 2 2 und kalt, aber nur wenig 5 1,50 deutlich warm und kalt alter- ” e ” nierend, später gleichmässig 6 195 anfangs heiss und kalt, später } 2 2 gleichmässig Mal zufällig eine Gegend des Armes trifft, an der viele Kältepunkte und keine oder nur wenig Wärmepunkte vorhanden sind, das andere Mal dagegen eine an Wärmepunkten relativ reiche Stelle. Wie man aus den Tabellen ersieht, trat die Ver- schmelzung bei acht Drehungen in 15 Sek. ein; die Verschmelzungsfrequenz betrug demnach etwa 1 (= ®/ıs). Dieses Ergebnis, wonach Wärme- und Kältereize bei einer kleineren Frequenz verschmelzen als Kältereize allein, überraschte mich einigermaässen, denn ich hatte vermutet, dass Kälteeinwirkungen, _ die durch Empfindungen einer anderen Modalität getrennt sind, bei grösserer Frequenz voneinander unterschieden werden können als einfache Kältereize. Aber es kann über die Richtigkeit dieser Be- ‚ obachtung kein Zweifel bestehen, denn diese Versuche wurden mehr- ‘fach nachkontrolliert, wobei ich immer wieder das gleiche feststellen konnte. Wenn man genauer zusieht, so ist dieses scheinbar wunderbare Ergebnis doch nicht so unverständlich, wie es auf den ersten Blick ‚aussieht. Es sei nochmals daran erinnert, dass, wie schon mehr- fach erwähnt, die Verschmelzbarkeit nicht nur von den Wärme- resp. Kälteapparaten selbst abhängt, sondern hauptsächlich von ‘ den bedeckenden Hautschiehten. Bei Anwendung von Wärme- und | 'Kältereizen wird die äusserste Hautschicht immer wieder erwärmt, deshalb braucht die Kälte läuger zum Eindringen, so dass der Reiz, bis er zu den Sinnesorganen gelangt ist, langsamer verläuft als sonst. 346 Adolf Basler: Über die Verschmelzung etc. Auf diese Weise ist eine Erklärung der beobächteten Tatsache möglich; ob sie aber die richtige ist und ob es sieh dabei um die einzige Ursache der beschriebenen Erscheinung handelt, mag dahingestellt bleiben. Zusammenfassung der Versuchsergebnisse. 1. Wärmereize, welche in gleichen zeitlichen Abständen auf die Volarseite des Unterarmes einwirkten, verursachten eine gleichmässige Wärmeempfindung, wenn die Periodendauer 1,5 Sek. lang war. 2. Der Reiz dauerte bei diesen Versuchen die gleiche Zeit wie das reizfreie Intervall, mithin brauchten beide 0,75 Sek. zu ihrem Verlauf. 3. An der Vola manus trat die erste Verschmelzung bei einer Periodendauer von 1,88 Sek., also einer Pause von 0,94 Sek., ein. 4. Kälteempfindungen verschmolzen unter den gleichen Be- dingungen am Arm bei einer Periodendauer von 0,55 Sek. und einer Pause von 0,26 Sek. 5. An der Hohlhand betrug die Länge des Reizes und der Pause, bei welcher Verschmelzung eintrat, 0,53 Sek. 6. Als das für die Verschmelzung von Wärme- und Kältereizen maassgebende Moment erwies sich im Gegensatz zum Auge die Länge der einzelnen Reize und der dazwischenliegenden Pausen, nicht bloss die Länge der Perioden. 7. Alternierend einwirkende Wärme- und Kältereize verschmelzen | bei einer kleineren Frequenz, also längerer Periodendauer als Kälte- reize allein. (Aus der medizinischen Poliklinik der Universität Freiburg 14Br) Experimentelle Untersuchungen über Reizbildung und Reiz- leitung im Atrioventrikularknoten. Von Alfred Zahn. (Mit 16 Textfiguren.) Inhaltsübersicht. Seite Ras ninle1kungae a N ER a 247 Mes Versuchsanordnung.: ee as ae N 248 eeNıkroskopische Untersuchung... wu. 2. an neo 253 „IV. Mitteilung der eigenen Versuche mit Kurven . . 2... 2 me 2... 254 B)BSV/OLVERSUCHER Eee Er Nas 254 eb) Versucheran Hunden. . ...... I ES ES RER 259 O\iersuchesan Katzen. ann ee ec, 261 Aleiviersuchezan® Kaninchen sr... aa 263 V. Ergebnisse der vorstehenden Versuchsreihen. . . . ».: 2 2.2... 269 Blseltheoretisches nu. rc. ea ae. DEE SEE RR NZT. 273 7 sammenfassungs.. er. eisernen vchae Bra he en RR ehe reset 277 I. Einleitung. ‘ Für das Säugetierherz hat zuerst A. Lohmann!) nachgewiesen, "dass nach Ausschaltung der normalen Reizbildungsstätte im rechten ' Vorhofe die Herzreize in der Atrioventrikulargrenze entstehen. Lohmann war es auch, der als erster darauf aufmerksam machte, ‚dass bei atrioventrikulärem Rhythmus das As.-Vs.-Intervall keines- "wegs immer gleich Null ist, sondern dass es auch positive und ‚negative Werte annehmen kann. Diese Befunde führten ihn, in Übereinstimmung mit E ngelmann’s Erfahrungen am Froschherzen, zu der Annahme, dass die Erregung innerhalb der „Brückenfasern“ 1) ohmann; Engelmann’s Arch. 1904 8.431. 48 Alfred Zahn: bald in deren oberem, bald im mittleren, bald im unteren Abschnitte stattfinden kann. Inzwischen sind durch die Untersuchungen von Aschoff)), Tawara, Retzer, Cohn, Koch u. a. unsere Kenntnisse über den Aufbau des atrioventrikulären Reizleitungssystems bedeutend bereichert worden. Die wichtigsten Ergebnisse der anatomischen Forschungen über den „Atrioventrikularknoten“ (im weitesten | Sinne) bestehen in der genauen Feststellung seiner Ausdehnung und vor allem seiner Gliederung: die spezifischen Muskelfasern beginnen, fächerartie gelagert, im Gebiete des Sinus coronarius und vereinigen sich in netzförmiger Anordnung zum eigentlichen Knoten, der sich in einen feinfaserigen, meist glykogenarmen Vorhofsabschnitt ' und einen breitfaserigen, meist glykogenreichen Kammerabsehnitt trennen lässt (Aschoff). Der Kammerabschnitt geht ohne scharfe | Grenze in das His’sche Bündel über, indem die spezifischen Fasern | \ | allmählich eine parallele Lagerung annehmen. Im Septum membrana- | ceum teilt sich bekanntlich das Bündel in die beiden Hauptäste, die ' ihrerseits in dem Verzweigurgssystem der Purkinje’schen Fasern endigen. Die Kenntnis dieser anatomischen Verhältnisse bedeutet eine wesentliche Erweiterung der Fragestellung auf dem Gebiete der Reizbildung und Reizleitung im Atrioventrikularknoten, sie bietet andererseits aber auch eine exakte Grundlage und bestimmte Richtung für das physiologische Experiment. Mit anderen Worten, es ergibt sich nunmehr die Aufgabe, die Funktion der einzelnen Ab- schnitte des Atrioventrikularknotens experimentell zu prüfen, wobei zunächst die Reizbildungsfähigkeit der einzelnen Teile von Interesse | sein dürfte, sodann, was im engsten Zusammenhang mit der Reiz- \ leitung steht, ihre Beziehung zu den wechselnden Werten des As.- Vs.-Intervalls bei atrioventrikulärem Rhythmus. Eine mikroskopische | Untersuchung der physiologisch ausgezeichneten Stellen ist dabei zur E sicheren Beurteilung der experimentellen Ergebnisse unerlässlich. | ne II. Versuchsanordnung. Die vorliegenden Versuche, die eine isolierte Prüfung der ein- ' zelnen Abschnitte des Atrioventrikularknotens zum Ziele hatten, N l | 1) Aschoff, Verhandl. d. deutsch. pathol. Gesellsch. 1910. Dort weitere Literatur über die Anatomie und Histologie des Atrioventrikularknotens. Experim. Untersuchungen über Reizbildung und Reizleitung ete. 249 wurden an Hunden, Katzen und Kaninchen angestellt, teils am Herzen in situ, teils am ausgeschnittenen, künstlich durchbluteten Herzen. Der atrioventrikuläre Rhythmus wurde durch sichere, definitive Zerstörung des Sinusknotens erzeugt. Die Methode der lokalisierten Abkühlung und Erwärmung, die sich in früheren Versuchen am spezifischen Muskelgewebe'!) des Herzens bewährt hatte, war auch hier die gegebene. Sie gestattet bekanntlich, die zu untersuchenden Gebiete nicht nur beliebig oft völlig reizlos ein- und auszuschalten, sondern dieselben auch in ihrer Tätigkeit zu fördern. Die gleichzeitige Benützung zweier Thermoden bietet eine weitere Möglichkeit, die Versuchsbedingungen zu variieren. Demgegenüber kamen andere Untersuchungsverfahren, wie Durch- schneidungen, Abklemmen, Verschorfen innerhalb des Atrioventrikular- knotens, um so weniger in Betracht, als die dabei gesetzten Eingriffe irreparabel und zudem nie frei von unkontrollierbaren Reizwirkungen sind; vor allem aber bedingt die damit verknüpfte Schädigung der Gefässe eine nachhaltige Störung der normalen Ernährungsbedingungen. Nun ist es ja hinlänglich bekannt, wie unerlässlich notwendig normale Ernährungsverhältnisse gerade zur riehtigen Beurteilung der Wertig- keit eines Automatiezentrums sind. Auf Grund dieser Tatsache wurden auch die vorliegenden Ver- ‚suche nicht an überlebenden, mit Ringerlösung gespeisten Herzen ‚ausgeführt, sondern am Herzen in situ und, wo dies nicht anging, ‚am ausgeschnittenen, künstlich durchbluteten Herzen. Ich bediente mich dabei des Verfahrens von Heymans und Kochmann?), bei ‘dem das isolierte Herz von der Karotis eines zweiten Tieres aus ‘ernährt wird. Das abfliessende Blut wird in die Jugularis des Blut- 'spenders zurückgeleitet. Das treibende Tier war mit Urethan nar- ‘kotisiert und erhielt stets Hirudin. Nur in einem einzigen Versuch ‚wurde das ausgeschnittene Herz an einem Durchspülungsapparat mit ‚Hirudinblut gespeist. Am isolierten Herzen (Kaninchen) wurde der Sinusknoten mit Sicherheit durch Abtragen der rechten Vorhofswand einschliess- | l) Ganter und Zahn, Pflüger’s Arch. Bd. 145 S. 335. — Ganter ‚und Zahn, Deutsche med. Wochenschr. 1912 Nr. 25. Sitzungsber. d. Freiburger ‚ned. Gesellsch. 2) Heymans und Kochmann, Arch. intern. de pharm. dynam. t. 13 p. 379. 230 un: Alfred Zahn: lich der Hohlvenen sowie des Herzohres entfernt, sodass ausser dem Septum nur noch der von der Ventrikelwand überdeckte Teil des Vorhofstriehters stehenblieb. Die Temperaturapplikation erfolgte mit den von Ganter und Zahn!) benutzten Thermoden, die mit einer Fläche von 2 bzw. 3 mm Durchmesser auf die zu prüfenden Stellen aufgesetzt wurden. Um am lebenden Tiere am Herzen in situ die Sitzen ‚Ab- sehnitte des Atrioventrikularknotens isoliert unter Kontrolle. des A Fig. 1. Herzendoskopthermode. 4A Abfluss, Z Zufluss, E elektrisches Lämpchen, 5 Stromzuleitung. Auges untersuchen zu können, wurde die von Ganter und Zahn verwendete Herzohrthermode mit einer Vorrichtung zur Endoskopie versehen. Diese Herzendoskopthermode (Fig. 1) besteht aus einem exzentrisch ausgebohrten Tubus von gebeiztem Elfenbein, der an beiden Seiten durch dünne Glasfenster abgeschlossen ist. In dem diekeren Teile der Wand ist dicht über dem unteren Glasfensten ein elektrisches Lämpchen eingelassen. Die Stromzuleitung erfolei innerhalb der Tubuswand. Die unterhalb des oberen Glasfenster! —— angebrachten Metallröhren Z und A dienen zur Durchspülung dei l) Ganter und Zahn, |. c. Experim. Untersuchungen über Reizbildung und Reizleitung etc. 251 Thermode mit verschieden temperiertem Wasser. Die Länge des Tubus beträgt 45 mm, der Durchmesser des unteren Glasfensters (Gesichtsfeldes) 7” mm. (Die Herzendoskopthermode wurde von Fein- mechaniker Elbs, Freiburg, hergestellt.) Die Technik der Herzendoskopie am lebenden Tiere gestaltet sich folgendermaassen: Nach Eröffnung des Thorax in der Median- linie wird ein Teil der rechten Brustwand reseziert und die Thermode in das rechte Herzohr eingebunden. Dann wird der Zeigefinger der rechten Hand zwischen Ven. cava inf. und hinterer Kammerwand in den Suleus eoronarius eingelegt. Dieser Finger führt nun von links her das Vorhofseptum dem Endoskop entgegen, bis das Blut zwischen Septum und unterem Glasfenster weggedrückt ist. Alle Einzelheiten des eingestellten Gebietes. sind mit überraschender Deutlichkeit zu erkennen. So kann man sich ohne Schwierigkeit die Einmündungs- stelle der Coronarvene mit ihrer charakteristischen sichelförmigen Umrandung einstellen. Lässt man jetzt etwas mit dem Drucke nach, so sieht man deutlich, wie mit jeder Kammerkontraktion Blut aus der Venenmündune austritt. Setzt man bei bestehendem Sinus- knotenrhythmus die gekühlte Thermode so auf den oberen Abschnitt des Knotens auf, dass der untere Rand des Coronarsinus eben noch im oberen Teile des Gesichtsfeldes liegt, so kann man bei dem jetzt eintretenden Block an den Bewegungen des Coronarsinusrandes die Frequenz des Vorhofs zählen, während der unter der Kammer liegende Zeigefinger die selteneren Kontraktionen der Ventrikel wahrnimmt. Weiterhin kann man sich leicht die Trabekel des Herzohres sichtbar machen, die Umrandung der Fossa ovalis lässt sich unschwer ver- folgen. Das mediale Segel der Trikuspidalis fällt durch seine helle Farbe und streifige Struktur auf, der Ansatz des Segels hebt sich durch diese helle Farbe scharf gegen das gleichmässige Rot des 'Septums ab. An der Klappe kann man sich ferner das vordere Ende, ihre Einkerbungen und Zipfel mit den daransitzenden Sehnen- ‚fäden einstellen. Schiebt man das Endoskop kammerwärts vor, So werden die Papillarmuskeln und die Buchten und Wülste der Kammerwand sichtbar. Um nun das Gebiet des Atrioventrikularknotens unter die ‚Thermode zu bekommen, stellt man zunächst den Sinus coronarius ‚ein und führt die Thermode dem Ansatze des medialen Segels der ı Trikuspidalisklappe entlang. Auf diese Weise kann man oberen "mittleren und unteren Abschnitt des Knotens trennen. 354 Alfred Zahn: IV. Mitteilung der eigenen Versuche mit Kurven. er Er air Erklärung der gebrauchten Abkürzungen: W. — Wärme (50—60° 0.). K. = Kälte (0—5° C.). N. — Normal, d. h. nicht beeinflusst. es Co — Gegend des Sinusknotens. — Gegend des Sinus coronarius. Co. — die Thermode ist unmittelbar auf dem Septum in oder dicht vor dem Sinus coronarius aufgesetzt. Co.. — die Thermode ist an der Aussenwand des Herzens im Suleus coronarius an der Einmündungsstelle der Vena coronaria aufgesetzt (vel. S. 252). T. = (Tawara) Gegend des eigentlichen, durch Me netzförmige Anordnung seiner Fasern charakterisierten Knotens (vgl. S. 253). T.. = (unterer Abschnitt des atrioventrikulären Systems). Die Thermode ist vor dem vorderen Ende des medialen Segels der Trikuspidalklappe oder dicht unterhalb dieser Stelle | aufgesetzt (vgl. S. 253). | Die Kurven sind alle von rechts nach links zu lesen; wo nichts Besonderes vermerkt ist, ist die obere Kurve diejenige des linken ‚ Vorhofs, die untere diejenige der Kammer (Spitze). Die Zeit ist in | Sekunden registriert. i | a) Vorversuche. Es wurden zunächst einige Vorversuche an Kaninchen (2) und { Katzen (4) angestellt, um die Experimente Brandenburg’s und 1 Hoffmann’s!) am ausgeschnittenen Herzen (Ringer) über \ die Wirkung der nicht reizlosen Ausschaltung des Sinusknotens | am Herzen in situ zu wiederholen und dabei die von den genannten iR Autoren aufgestellte Theorie einer multiplen Reizentstehung zu | F prüfen (vgl. theoretischer Teil S. 273 u. 274). Versuchsanordnung: Zu- I nächst wurde der Sinusknoten mehrmals durch Kälte ausgeschaltet; es resultierte stets Frequenzverminderung und synchrones Schlagen von Vorhof und Kammer. Dann wurde der Sinusknoten durch Formalin oder Verschorfen zerstört; die Frequenz war dabei ebenfalls geringer, | 1) Brandenburger und Hoffmann, Mediz. Klinik 1912 Nr. 1. | Experim. Untersuchungen über Reizbildung und Reizleitung etc. 355 ad das As.-Vs.-Intervall aber zeigte dauernd oder vorwiegend positive Werte, während Nullintervalle nur vorübergehend beobachtet wurden. — In allen Stadien des Versuches wurden an beiden Herz- ohren durch Verschorfung, Verätzung oder durch Quetschen Läsionen von oft erheblichem Umfang gesetzt. Diese Eingriffe blieben jedoch sowohl nach Ausschaltung des Sinusknotens durch Kälte (As.-Vs.- Intervall = 0) wie nach seiner Zerstörung ohne jeden Effekt auf Frequenz und Schlagfolge.e Ebenso zeigten Erwärmung und Ab- kühlung sowie mechanische Reize weder im Gebiete des zerstörten Sinusknotens noch an den übrigen Läsionsstellen irgendwelchen Einfluss. Die beiden folgenden Auszüge zweier Protokolle geben ein Bild der Frequenzwerte nach Ausschaltung des Sinusknotens durch Kälte bzw. durch Verätzung: Katze. 5. Februar 1912. Frequenz As.-Vs.-Intervall SN. 225 0,072 SW. 246 _ SK. 170 0,00 Sinusknoten durch Formalin verätzt: N. 175—186 0,068—0,080 SW., SK. ohne Einfluss. Katze. 6. Februar 1912. Frequenz As.-Vs.-Intervall SN. 270 0,076 SW. 300 0,076 SK. 210 0,00 Sinusknoten durch Formalin verätzt: N. 195—228 _ 0,08 Gelegentlich Nullintervalle: N. 160—210 0,00 b) Versuche an Hunden. Die Versuche wurden alle in situ ausgeführt. Narkose: Morphium- / Urethan, künstliche Atmung mit dem Ganter’schen!) Respirations- l) Ganter und Zahn, |. c. Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd. 151. 17 256 Alfred Zahn: apparat. — Herzendoskopthermode, zur Erwärmung der Gegend des Sinus ceoronarius von aussen dienten Thermoden mit einer Fläche von 3—o mm Durchmesser. Versuch I. 4. Juli 1912. Nach Einbindung der Endoskopthermode: Frequenz As.-Vs.-Intervall >N. 135 + 0,075 Der Sinusknoten wird durch Formalin ausgeschaltet. Hierauf: N. 60—70 0,0 bis 0,01 gelegentlich 80 + 0,09 TW. 110 — 0,022 bis — 0,03 (Fig. 2) TW.. 130—1658 — 0,06 bis — 0,07. Bei TW,. schlug wiederholt die Kammer doppelt so rasch wie der Vorhof Fig. 3 was auch in anderen Versuchen gelegentlich be- obachtet wurde. Versuch 2. 12. Juli 1912. Nach Einbinden der Endoskopthermode wird der Sinusknoten durch Formalin ausgeschaltet: Frequenz As.-Vs.-Intervall N. 115 + 0,100 TıW. 174 — 0,076 T.W. 180 — 0,039 N. 96 + 0,070 Experim. Untersuchungen über Reizbildung und Reizleitung etc. 257 "A N I UN \ IN Kax NN SN Fig. 3 Bei T.W. schlägt wiederholt die Kammer doppelt so häufig wie der Vorhof. Frequenz As.-Vs.-Intervall TW. 140 + 0,032 N. 100 + 0,08 zirka Versuch 3. 16. Juli 1912. Frequenz As.-Vs.-Intervall SEN. C; 160 + 0,07 Der Sinusknoten wird durch Verschorfen ausgeschaltet und die Endoskopthermode eingebunden, hierauf: N. 90 + 0,05 TıW. 160—180 —.0,06 bis — 0,64 TK. Halbrhythmus — CoW. 0) 138 0,0 Bei erneutem Aufsetzen der Thermode, so dass ein Teil der ‚Coronarvenenmündung von ihr überdeckt war, tritt hochgradige ‚Tachykardie mit Halbrhythmus ein: | CoW. 330 Halbrhythmus. Nach Entfernung der Thermode bleiben Tachykardie und Über- ‚leitungsstörung bestehen. Es wurde nun versucht, die reizbildende Stelle durch Kühlung u ermitteln, indem die Thermode von T. nach Co. hin verschoben Naunde: zunächst tritt eine Verstärkung der Überleitungsstörung ein: 17° 258 Alfred Zahn: (Auf °/ı verkleinert.) Fig. 4. (4:1), dann plötzlich eine be- deutende Frequenzabnahme in Vorhof und Kammer mit posi- tivem As.- Vs.-Intervall, die Überleitungsstörung ist auf- gehoben (Fig. 4). Während es in diesem Versuche nur schwer gelang, durch Erwärmung der Coronar- sinusgegend von innen her (ver- mutlich wegen der relativ grossen Fläche der Endoskop- thermode) eine Beschleunigung mit positivem As.-Vs.-Intervall zu erhalten, konnte dieser Effekt durch Erwärmung der Ein- mündungsstelle der Coronar- vene von aussen regelmässig obne Schwierigkeit erzielt werden: Frequenz As.-Vs.-Interv. N. 84 + 0,073 CO,W. 150 + 0,075 (fig.5). | Frequenzsteigerung und positives As.-Vs.-Intervall blie- | ben allerdings, besonders gegen ' Ende des Versuches, nur relativ ' kurze Zeit bestehen (10—12 Se- kunden), dann trat nach weiterer ı Erwärmung wieder Frequenz- | abnahme mit kleinerem As.-Vs.- | Intervall ein (+ 0,042 —0,0). Versuch 4. 18. Juli 1912. Frequenz As.-Vs.-Interv. SN.. 100 om Der Sinusknoten wird durch Verschorfen ausgeschaltet, hier- auf: | N. 70—80 +0,03 bis 0,06 Experim. Untersuchungen über Reizbildung und Reizleitung etc. 359 Erwärmung der Coronarveneneinmündungsstelle von aussen (fünfmal): Frequenz As.-Vs.-Intervall CO,W. 96—170 +0,05 bis + 0,06 ne! ns GW Fig. 5. 1 NS N ) | 260 Alfred Zahn: Versuch 5. 29. August 1912, Frequenz As.-Vs.-Intervall SN. 130 + 0,095 Der Sinusknoten wird durch Abklemmen ausgeschaltet, hierauf: N. 95—105 0,06 bis 0,08 Co,W. von aussen (fünfmal) (Fig. 6). 120—135 0,05 bis 0,08 Vermittels der Endoskopthermode wird der Tawara’sche Knoten gekühlt: CON, TK. Halbrhythmus CON. As.-Vs.-positiv SKlumne. Fig. 6. Versuch 6. 9 Dezember 1912. Frequenz . As.-Vs.-Intervall SN. 150 0,14 Nach Abklemmen der Sinusknotengegend: N. 95—105 0,16 CO,W. 120 0,10 Die Registrierung beider Vorhöfe ergab, dass der rechte Vorhof sich 0,024—0,03 Sekunden vor dem linken kontrahierte (Fig. 7). Experim. Untersuchungen über Reizbildung und Reizleitung etc. 261 ec) Versuche an Katzen. Alle Versuche wurden am Herzen in situ angestellt. Narkose: Urethan, künstliche Atmung mit dem Ganter’schen Respirations- apparat, zur Erwärmung der Gegend des Sinus coronarius von 7.Verh. aussen dienten Thermoden mit einer Fläche von 2 bzw. 3 mm Durchmesser. Versuch 1. 29. Juli 1912, Der Sinusknoten wird durch Verschorfung ausge- schaltet, hierauf: Frequenz As.-Vs.-I. N. 120—140 0,0 Es wird in diesem Ver- such 15 mal die Gegend der Coronarveneneinmündungs- stelle von aussen erwärmt; dabei wird ausnahmslos die Frequenz beträchtlich erhöht, und das As.-Vs.- Intervall nimmt positive Werte an (Fig. 8). 262 | Alfred Zahn: Frequenz : ; As.-Vs.-Intervall Co.W. - 200-270. . +.0,06 bis +.0,09 | ern. 30. August 1912. a Frequenz As.-Vs. ‚Intersal = ON: 160; m 0,07% Der. Sinusknoten wird durch Abklemmen ausgeschaltet. Nach Dun der Klemme bleiben SW. und SK. ohne Wirkung. N: 7902 95. (00) 0,0 bezw. + 0,05 bis 0,07 | Erwärmung der Coronarveneneinmündungsstelle (achtmal) hat regelmässig Frequenzsteigerung und positives As.-Vs.-Intervall zur Folge. - C0,W. 130—145 (160) + 0,05 bis 0,07 Versuch 3. 11. Dezember 1912, Frequenz As.-Vs.-Intervall N. 110—140 + 0,078 bis 0,092 SW. 215 + 0,074 Es wird hierauf mehrere Male bei intaktem Sinusknoten die Gegend der Coronarveneneinmündungsstelle von aussen erwärmt, was stets eine Frequenzsteigerung mit positivem As.-Vs.-Intervall zur Folge hat. SN. 145 + 0,077 SN., C0,W 220—260 +0,11 Dann wird der Sinusknoten durch Abklemmen ausgeschaltet und nach einiger Zeit die Klemme wieder entfernt : N. 170 ı_ SW. 170 + Co,W. 230 + Die Registrierung beider Vorhöfe ergibt, dass bei N. und C.W die Vorhöfe synchron schlagen (Fig. 9). Co,W. führt stets zu Beschleunigung mit positivem As.-Vs.- Intervall. N. 160 0,087 Co,W. 205 0,082 Versuch 4 und 5. 13. und 14. Januar 1913. In zwei weiteren Versuchen, die noch zu Untersuchungen anderer Art dienten, wurde in erster Linie auf die Schlagfolge beider Experim. Untersuchungen über Reizbildung und Reizleitung etc. 203 N Nr Anm WvVwV Dar Vu VRR 2 N Neem Fig. 9. Vorhöfe nach Zerstörung des Sinusknotens geachtet: beide Vorhöfe schlugen synchron. Co,W. hatte stets Frequenzzunahme mit positivem As.- Vs.- Intervall zur Folge. Als Beispiel diene Fig. 10. Bei CoN. war As.-Vs.-Intervall positiv. r van N m a RR a MN ae NR le 4 uni Mm Fig. 10. d) Versuche an Kaninchen. Alle Versuche wurden am ausgeschnittenen, künstlich durch- bluteten Herzen durchgeführt (vgl. S. 249). 264 Alfred Zahn: Durchmesser der Thermode 2 mm; bei Benützung zweier Ther- moden diente eine Thermode von 3 mm Durchmesser zur Aus- sehaltung des T-Gebietes. Versuch 1. 13. Juli 1912. Herz nach Heymans und Kochmann durchblutet. Der Sinusknoten wird durch Abtragen der rechten Vorhofswand entfernt. Frequenz As.-Vs-Intervall N. 138 + 0,052 Co;W. 198 + 0,052 N. 144 + 0,03 Co;W. 198 + 0,08 N. 84 + 0,04 Nach wiederholtem Erwärmen von Co. traten vorübergehend spontan Änderungen von Frequenz und As.-Vs.-Intervall ein. Dann stellt sich das Herz wieder ein auf: N. 150 + 0,068 bis 0,08. CoK. bewirkt Frequenzabnahme bei positivem As.-Vs.-Intervall (Fig. 11). CoK. . 84 + 0,04, dann + 0,07. Bei bestehendem Co.-Rhythmus bewirkt TK. Halbrhythmus. Fig. 11. (Auf ?/s verkleinert.) Versuch 2. 15. Juli 1912. Herz nach Heymans und Kochmann durchblutet. Der Sinusknoten wird durch Abtragen der rechten Vorhofswand entfernt. Zunächst: Experim. Untersuchungen über Reizbildung und Reizleitung etc. 9265 Frequenz As.-Vs.-Intervall N. 50 + 0,08 TW. 81 0,0 Dann stellt sich spontan synehrones Schlagen von Vorhof und Kammer ein, das durch TW. beschleunigt wird. (N. 33, TW 60.) Im weiteren Verlaufe des Versuches bildet sich ebenfalls spontan eine Überleitungsstörung aus: der Vorhof schlägt doppelt so häufig wie die Kammer. TK.: Die Überleitungsstörung wird verstärkt (Vorhof : Kammer 7:1) bei einer Vorhofsfrequenz von 22. CoK.: Die Vorhofsfrequenz sinkt auf 18, dabei schlagen Vorhof und Kammer vorübergehend (drei Kontraktionen) synchron, dann wird bei einer Frequenz von 20 As.-Vs.-I. + 0,25. CoW.: Die Vorhofsfrequenz steigt auf 102, wobei Vorhof und Kammer im Verhältnis von 6:1 schlagen. TW.: Die bei N. bestehende Überleitungsstörung (Halbrhythmus) wird aufgehoben; Vorhof und Kammer beschleunigt. Frequenz As.-Vs.-Intervall N. 70 Halbrhythmus TW. 80 0,03 bis — 0,07 In weiteren Versuchen nimmt As.-Vs.-I. je nach dem Sitz der Thermode bei T,W. Werte bis — 0,12 an. TW. 100 0,0 Versuch 3. 21. August 1912. Herz nach Heymans und Kochmann .durchblutet. Der Sinusknoten wird durch Abtragen der rechten Vorhofswand entfernt. Um am ausgeschnittenen Herzen möglichst reine Vorhofskurven zu erhalten, ist es zweckmässig, die Atrioventrikulargrenze zu fixieren. Dies wurde dadurch erreicht, dass das Herz in der Weise in einer Glasgabel festgehalten wurde, dass die Zinken der Gabel in die Atrioventrikulargrenze zu liegen kommen. Die Befestigung erfolgte durch mehrere Ligaturen, die dicht unterhalb der Atrioventrikular- furche in der Muskulatur der Ventrikel angebracht wurden. Vorhof und Kammer schlugen in diesem Versuch bei N. fast dauernd synchron. N: 90—100 0,0 Zunächst wurden die unteren Abschnitte des Atrioventrikular- knotens (Tu.) untersucht (Thermode auf der Kreuzungsstelle des 266 Alfred Zahn: Knotens mit dem Ansatz des medialen Trikuspidalsegels sowie dicht unterhalb des Segels). Frequenz As.-Vs.-Intervall N. 8s0—90 0,0 We 100—110 — 0,1 | Als Beispiel diene Fig. 12, die in einem späteren Stadium des Versuchs erhalten wurde. Kan men % =” I\j ; Ar ee Be Er N \ Br | B \ N Fig. 12. (Auf ?/« verkleinert.) TıW. 80 — (1 N. 65 0,0 Erwärmung von T. führt zu Frequenzbeschleunigung mit As.- Vs.-I. = 0,0. N. 60 0,0 TW. 120 0,0 Erwärmung von Co. hat stets Beschleunigung mit positivem As.-Vs.-I. zur Folge (sechsmal), Fig. 13. N. 60—70 0,0 Co;W. 95—150 0,09 Gw Fig. 13. (Auf '/s verkleinert.) Experim. Untersuchungen über Reizbildung und Reizleitung ete. 267 Bei TK. tritt vollkommener Block ein, bei N. Rückkehr zu normaler Schlagfolge mit positivem As.-Vs.-I. Nach einiger Zeit stellt sich wieder synchrones Schlagen von Vorhof und Kammer ein. Fig. 14 zeigt, dass bei TK. der Vorhof unter der Führung des oberen (nicht gekühlten) Abschnittes des Atrioventri- kularknotens steht: Co:W. stei- gert die Vorhofsfrequenz auf 132 bzw. Versuch 4. 21. Juli 1912. Herz nach Heymans und Kochmann durchblutet. Sinus- knoten durch Abtragen der rechten Vorhofswand entfernt. Da der linke Vorhof stillsteht, lässt sich dieser Versuch nur dazu benutzen, die Wertigkeit der einzelnen Abschnitte des Atrioventrikularknotens aus der durch ihre Erwärmung erzielten Kammerfrequenz zu ermitteln. (Auf ?/a verkleinert.) Frequenz & N: 100 . Co:W. 160—180 F T. 180 — 240 Ta. 130—180 Versuch 5. 12. Dezember 1912. Ausgeschnittenes Herz, an ‚einem Herzdurchspülungsappa- rat mit Hirudinblut ernährt. Frequenz As.-Vs.-Interv. SN. 130 0,118 SN., Co, W.165 0,079 Der Sinusknoten wird durch Abtragen der rechten Vorhofs- > wand entfernt. Hierauf: 368 Alfred Zahn: Frequenz As.-Vs.-Intervall N. 46 0,098 CoW. 140 0,110 Fig. 15. Bei CoK. steht der Vorhof still, die Kammer schlägt verlangsamt weiter. Nach Entfernung von CoK. beschleunigt sich (Auf ?/s verkleinert.) Fig. 15. die Frequenz der Kammer, es erscheinen wieder Vorhofskontraktionen zunächst noch abhängig von der Kammer, dann bildet sich mit zu- nebmender Vorhofsfrequenz ein Stadium des Wettstreites beider Zentren (Co. und T.) aus, bis schliesslich der obere Abschnitt des Knotens wieder definitiv die Führung übernommen hat. (Auf ®/a verkleinert.) Fig, 16. Experim. Untersuchungen über Reizbildung und Reizleitung etc. 369 In Fig. 16 steht der Vorhof unter der Nachwirkung von CoK. still, die Kammer schlägt verlangsamt und regelmässig, bei Co; W. setzen die Vorhofskontraktionen’ plötzlich mit hoher Frequenz wieder ein, die Kammer folgt zunächst im Halbrhythmus, dann mit zu- nehmendem positiven As.-Vs.-L, so dass es beim 15. Vorhofsschlage nochmals zu einem Kammersystolenausfall kommt. Nach Entfernung von CoW. nimmt die Frequenz wieder ab; der obere Abschnitt des Knotens behält jedoch die Führung bei. V. Ergebnisse der vorstehenden Versuchsreihen. Die direkte Beeinflussung der einzelnen Teile des Atrioventrikular- knotens vermittels der Methode der lokalisierten Erwärmung und Abkühlung führte am Herzen in situ wie am ausgeschnittenen, künstlich durchbluteten Herzen im wesentlichen zu denselben Er- gebnissen. Nach Ausschalten des Sinusknotens durch Verätzen, Verschorfen, Abklemmen bzw. Ausschneiden schlug das Herz in regelmässigem Rhythmus, aber stets mit verminderter Frequenz ‚weiter. Das As.-Vs.-Intervall zeigte dabei weitaus am häufigsten positive Werte; wesentlich seltener kam es vor, dass Vorhof und Kammer synchron schlugen oder dass die Kammer sich vor den Vor- höfen kontrahierte. Gelegentlich wurde auch ein Schwanken der Intervalle beobachtet. Die Änderung erfolgte meist sprungweise, seltener allmählich. Die Erwärmung irgendeiner Stelle im Bereich des Atrio- ventrikularknotens hatte stets eine Beschleunigung der Frequenz zur Folge. Grösse und Vorzeichen des As.-Vs.-Intervalls hingen dabei jeweils von dem Sitze der Thermode ab. Wurde die Thermode im oberen Abschnitte des: Knotens in unmittelbarer Nähe des Sinus eoronarius aufgesetzt, so zeigte das As.-Vs.-Intervall stets einen positiven Wert, dessen absolute Grösse vollkommen oder annähernd gleich war derjenigen des „normalen“ bei Sinusknotenrhythmus bestehenden Intervalls. Kam dagegen die Thermode im unteren Abschnitt (etwas vor dem vorderen Ende des medialen Trikuspidalissegels) zur Einwirkung, so war das As.-Vs.-Intervall dem normalen an Grösse ebenfalls an- nähernd gleich, jedoch stets negativ. Innerhalb dieser beiden Punkte führte Wärmeapplikation zu Frequenzsteigerung mit einem As.-Vs.-Intervall, das kleiner war als 270 Alfred Zahn: das normale; das Intervall konnte positiv, gleich Null oder negativ sein, und zwar kam es den oben fixierten Grenzwerten um so näher, je kleiner die Entfernung zwischen der Thermode und gu Sinus coronarius bzw. dem oberen Ende des Segels war. Während der mittlere und untere Abschnitt des Ktrioventnlanen knotens nur vom Innern des Vorhofs einer direkten Untersuchung zugänglich waren, liess sich der obere Abschnitt in der Gegend des Sinus coronarius auch von aussen her isoliert beeinflussen. Wurde nämlich an der Hinterfläche des Herzens im Suleus coronarius die Gegend der Einmündungsstelle der Vena coronaria erwärmt, so trat regelmässig Frequenzsteigerung mit positivem As.-Vs.-Intervall ein, und zwar nicht nur dann, wenn der Sinusknoten ausgeschaltet war, sondern auch bei erhaltenem Sinusknotenrhythmus. Es konnte also die Reizbildungsfähigkeit dieser Gegend durch Erwärmen somit ge- fördert werden, dass sie diejenige des Sinusknotens übertraf. Die Abkühlung der einzelnen Knotenteile ergab folgende Resultate: Nach Zerstörung des Sinusknotens trat bei Ab- kühlung im Gebiete des Sinus coronarius Frequenzverlangsamung ein; das As.-Vs.-Intervall blieb, wenn der Vorhof sich vor der Kammer kontrahiert hatte, entweder positiv, wobei es meist etwas verlängert war, oder es wurde gleich Null. Wurde zur Kühlung eine relativ grosse Thermode benützt, so kam der Vorhof zum Still- stand (ausgeschnittenes Herz), die Kammer schlug in verlangsamter Frequenz weiter. In diesem Falle waren demnach in dem gekühlten Bezirke Reizbildung und Reizleitung vollkommen aufgehoben. Im mittleren und unteren Abschnitte des Knotens, die sich durch eine wesentlich geringere Flächenausbreitung ihrer Fasern von dem oberen unterscheiden, führte Abkühlung stets zu den Er- scheinungen des Blocks, und zwar kamen je nach Dauer und Intensität der Kühlung alle Grade und Formen der Überleitungsstörung in derselben Weise zur Beobachtung, wie sie bei bestehendem Sinus- knotenrhythmus durch Kälteeinwirkung auf den Atrioventrikular- knoten zu erzeugen sind. Bei diesen Formen des Blocks (nach Zerstörung Alec Sinus- knotens) wird der Vorhof von dem oberen Abschnitte des Atrio- ventrikularknotens (Sinus coronarius) aus erregt. Dies geht mit Sicherheit daraus hervor, dass seine Frequenz durch Erwärmung dieses Gebietes beschleunigt, durch Abkühlung eventuell bis zum Experim. Untersuchungen über Reizbildung und Reizleitung etc. 71 völligen Stillstand verlangsamt wird, und dass eine ähnliche Wirkung an keiner anderen Stelle des Vorhofs zu erzielen ist. Die Erscheinung des „umgekehrten Blocks“, wobei die Kammer häufiger schlägt als der Vorhof, kam nicht selten bei Hunden zur Beobachtung, wenn der untere Abschnitt des Atrioventrikularknotens (Bündelgegend) erwärmt wurde. Besonderes Interesse verdient die Beobachtung, dass die Um- gebung des Sinus coronarius der Entstehungsort hochgradiger Tachykardien sein kann. Im Versuch 3 (16. Juli) am Hunde stellte sich nach Erwärmung dieser Gegend eine Tachykardie von 330 Kontraktionen pro Minute ein. Dass diese hohe Reizfrequenz tatsächlich im Bereiche des Sinus coronarius ihren Ursprung hatte, liess sich dadurch einwandsfrei beweisen, dass sie von derselben Stelle aus durch Abkühlung wieder beseitigt werden konnte. Bei Versuchen über den Koronarkreislauf in situ, die Herr Prof. Mora- witz!) und ich anstellten, hatten wir mehrfach Gelegenheit, ähnliche Tachykardien an Katzenherzen zu beobachten. Beim Einführen einer Kanüle in den Sinus coronarius trat nicht selten eine hochgradige Tachykardie ein, die vom Sinusknoten aus in keiner Weise zu be- einflussen war. Sie konnte dagegen regelmässig mit Sicherheit durch Abkühlung der Koronarveneneinmündungsstelle (von aussen) unter- drückt werden. Aus den vorstehenden Versuchen geht weiterhin hervor, dass alle Teile des Atrioventrikularknotens nicht nur die Fähigkeit besitzen, Reize zu leiten, sondern auch selbst rhythmische Reize zu bilden. Ihre Automatie bleibt jedoch normalerweise hinter derjenigen des Sinusknoten zurück. Eine genauere vergleichende Bewertung der den einzelnen Ab- schnitten eigenen Reizbildungsfähigkeit begegnet gewissen Schwierig- keiten. Man könnte daran denken, die bei verschiedenen As.-Vs.- Intervallen auftretenden Frequenzen als Maass der Automatie zu benützen. Selbstverständlich sind nur solche Zahlen verwertbar, die unter möglichst denselben äusseren Bedingungen, demnach in der Regel nur in einem beschränkten Stadium des Versuches erhalten sind. Eine sichere Beurteilung wird freilich nicht selten dadurch erschwert, dass Schwankungen der Frequenz bei gleichbleibendem As.-Vs.-Intervall vorkommen. Immerhin lässt sich im allgemeinen 1) Morawitz und Zahn, Zentralbl. f. Physiol. Bd. 26 Nr. 11. 1912. Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd. 131. 15 202 Alfred Zahn: feststellen, dass nach der Zerstörung des Sinusknotens die oberen Abschnitte des Atrioventrikularknotens höhere Frequenzen liefern als die unteren, ferner, dass die Schlagzahl der oberen Abschnitte (Sinus coronarius) den Nullintervallfrequenzen viel näher steht als der normalen Sinusfrequenz. Eine weitere Möglichkeit, die Wertigkeit der einzelnen Knoten- teile zu prüfen, ist theoretisch darin gegeben, die Maximalfrequenz zu ermitteln, die sich an den einzelnen Abschnitten durch Erwärmung erzielen lässt. Es ergibt sich dabei, im Gegensatz zu den Normal- frequenzwerten, die zunächst auffallende Tatsache, dass die unteren Knotenteile nicht nur relativ hohe Frequenzen aufweisen, sondern nicht selten: scheinbar die höchste Reizbildunssfähiekeit besitzen. Diese Befunde dürften wohl in der verschiedenen Anordnung der spezifischen Fasern innerhalb der einzelnen Gebiete des Atrio- ventrikularknotens ihre Erklärung finden (Aschoff). Man wird nämlich in den kompakten unteren Abschnitten, wo die spezifischen Fasern dicht nebeneinanderliegen, mit derselben Thermode viel mehr reizbildungsfähige Elemente beeinflussen als in den oberen, wo die Fasern in dünner Schicht sich flächenhaft ausbreiten. Ein Versuch, die Wertiekeit der einzelnen Knotenteile zu fixieren, hat indessen nur dann Sinn, wenn die Automatieverhältnisse inner- halb des Knotens immer dieselben bleiben, ganz unabhängig davon, in welcher Weise der atrioventrikuläre Rhythmus zustande gekommen ist. Diese Voraussetzung trifft jedoch nicht zu. Es ergibt sich nämlich aus meinen Versuchen, dass nach Zerstörung der normalen Reizbildungsstelle durch Verschorfen, Ausschneiden und dergleichen fast regelmässig der obere Abschnitt des Knotens (Sinus coronarius) die Führung des Herzens übernimmt (Koronarsinusrhythmus). Nach Ausschaltung des Sinusknotens durch Kälte dagegen tritt bekanntlich der mittlere Teil des Knotens ein (Nullintervall), und zwar merk- würdigerweise mit einer Frequenz, die in der Regel niedriger ist als die bei Koronarsinusrhythmus beobachtete Schlagzahl. Es folgt hieraus, dass die Automatieverhältnisse innerhalb des Atrioventrikular- knotens verschieden sind, je nach der Art und Weise, in der die normale Reizbildungsstätte ausgeschaltet wird. Die obigen Angaben über die Wertiekeit der einzelnen Knotenteile gelten somit nur für den speziellen Fall, dass der Sinusknoten durch die genannten Methoden zerstört wird. Die theoretische Bedeutung dieser Befunde soll im folgenden Abschnitte näher erörtert werden. Experim. Untersuchungen über Reizbildung und Reizleitung etc. 9273 Theoretisches. Die Ergebnisse der vorliegenden Untersuchungen am Atrio- ventrikularknoten bestätigen von neuem die Annahme, dass rhyth- mische Reizbildung und spezifisches Muskelgewebe des Herzens aufs engste verknüpft sind. Denn nach Zerstörung des Sinusknotens konnte die Tätigkeit des Herzens nur von den Stellen aus be- schleunigt oder verlangsamt werden, an denen die anatomischen Untersuchungen spezifisches Muskelgewebe nachgewiesen haben. Es hat sich weiterhin gezeigt, dass die Differenzen in der histo- logischen Struktur der einzelnen Kuotenteile funktionell weniger in ihrer Fähigkeit der Reizbildung ihren Ausdruck findet als vielmehr in ihrem Verhalten zur Reizleitung. So besitzen zwar, wie oben näher ausgeführt wurde, die einzelnen Abschnitte verschiedene Automatie; ihr Verhalten gegenüber der Erregunesleitung zeigt jedoch viel markantere Unterschiede, die überdies keine gesetz- mässige Beziehung zu den Differenzen in der Reizbildungsfähigkeit erkennen lassen. Der obere und untere Abschnitt des Knotens liefern nämlich As.-Vs.-Intervalle, die dem normalen an Grösse an- nähernd gleichkommen, sich untereinander aber durch entgegen- gesetztes Vorzeichen unterscheiden. Die kleineren positiven und negativen sowie die Nullintervalle entstehen in dem mittleren Abschnitte. Hieraus folet, dass die Verzögerung der Reizleitung hauptsächlich in diesem mittleren Teile des Knotens zustande kommt, der durch die netzartige innige Verflechtung seiner Fasern charakterisiert ist, während der ‚obere und untere Abschnitt, die beide einen mehr gestreckten Fasernverlauf aufweisen, an dieser Hemmung nicht nennenswert beteiligt sind. Diese Beobach- tungen stehen in Übereinstimmung mit den Befunden Hering’s!), der durch Ermittlung der Latenzzeiten der Kammer- bzw. Vorhofs- kontraktion auf künstliche Einzelreize, die dicht oberhalb und unterhalb des Tawara’schen Knotens gegeben wurden, nach- weisen konnte, dass die Verzögerung der Reizleitung im „Knoten“ erfolgt. Von besonderem theoretischen Interesse ist, wie bereits erwähnt wurde, die Abhängiekeit der Automatieverhältnisse innerhalb des Atrioventrikularknotens von der Art der Ausschaltung der normalen Reizbildungsstätte Es ist das Verdienst von Brandenburg und 1) H. E. Hering, Pflüger’s Arch. Bd. 131 S. 572. 1910. 182 374 Alfred Zahn: Hoffmann!), zuerst darauf hingewiesen zu haben, dass es nicht gleichgültig ist, in welcher Weise der Sinusknoten ausser Tätigkeit gesetzt wird, dass es vielmehr für die Schlagfolge von Bedeutung ist, ob seine Ausschaltung reizlos (durch Kälte) oder nicht reizlos (durch Quetschen, Ausschneiden und dergleichen) erfolgt. Sie fanden nämlich am ausgeschnittenen Herzen, dass im ersten Falle Vorhof und Kammer stets synchron schlugen, im zweiten Falle dagegen die Vorhöfe sich fast immer vor den Kammern kontrahierten. Da Brandenburg und Hoffmann nach Zerstörung des Sinus- knotens den neuen Ursprungsort der Herzreize nicht lokalisieren konnten, so machten sie die Annahme, dass durch diese Läsionen (Quetschen, Ausschneiden und dergleichen) in der Vorkammerwand neue Reizstellen geschaffen worden sind, die der Ausgangspunkt von Bewegungsreizen werden. Diese Hypothese trifft indessen nicht zu. Denn es gelingt nicht, nach Ausschaltung des Sinusknotens durch Kälte selbst durch ausgedehnte Verletzungen, z. B. im Gebiete der Herzohren (vgl. die Vorversuche), das synehrone Schlagen von Vorbof und Kammer zu beseitigen, was doch wohl nach der obigen Theorie zu erwarten wäre. Vor allem aber lässt sich nachweisen, dass nach nieht reizloser Ausschaltung des Sinusknotens bei positivem As.-Vs.- Intervall die Herzreize an einer umschriebenen Stelle entstehen, nämlich in der spezifischen Muskulatur im Gebiete des Sinus coronarius. Warum nun unter ganz bestimmten äusseren Bedingungen der obere Abschnitt des Atrioventrikularknotens die Führung des Herzens übernimmt, unter anderen jedoch der mittlere Teil, darüber lassen sich vorerst wohl nur Vermutungen aufstellen, die indessen einer experimentellen Prüfung zugänglich sein dürften. Die Beobachtung, dass nach reizloser Ausschaltung des Sinusknotens der eigentliche Tawara’sche Knoten einspringt, berechtigt wohl zu dem Schlusse, dass normalerweise eben diesem Gebiete die höchste Automatie innerhalb des atrioventrikulären Systems zukommt. Das wesentliche Moment für das Eintreten des Koronarsinusrhythmus besteht dagegen darin, dass in dem Gebiete des zerstörten Sinusknotens oder seiner Umgebung ein Reizzustand vorhanden ist. Zieht man nun in Erwägung, dass sich sowohl im Sinusknoten wie auch im Atrioventrikularknoten, ganz besonders im Bereiche des Sinus coro- l) Brandenburg und Hoffmann, Med. Klin. 1912 Nr. 1. Experim. Untersuchungen über Reizbildung und Reizleitung et. 9275 narius, reichlich nervöse Elemente (Ganglienzellen und Nervenfasern) finden, zwischen denen wohl direkte oder indirekte Verbindungen bestehen dürften, so liegt es nahe, anzunehmen, dass die Um- stimmung der Automatieverhältnisse innerhalb des Atrioventrikular- knotens auf nervösem Wege ausgelöst wird. Der Mechanismus einer solchen reflektorischen Umschaltung könnte nun sowohl in einer Förderung der Reizbildungsfähigkeit der oberen wie in einer Hemmung der Automatie der mittleren und unteren Knotenabschnitte bestehen. Im Sinne einer Förderung der oberen Abschnitte liesse sich die Beobachtung verwerten, dass die Frequenz bei Nullintervall stets niedriger ist als die Koronarsinusfrequenz, und zwar nicht nur dann, wenn das synchrone Schlagen von Vorhof und Kammer nach Zerstörung des Sinusknotens nur vorübergehend zur Beobachtung kommt, sondern auch wenn es durch Abkühlung des Sinusknotens hervorgerufen ist. Was nun die Schlagfolge beider Vorhöfe bei Koronarsinusrhythmus anlangt, so fanden sich sowohl Vorausschlagen des rechten Vorhofs (Hund, Versuch 6) als auch synchrones Schlagen beider Atrien (Katze, Versuch 3, 4, 5). Diese Befunde werden verständlich, wenn man sich vergegenwärtigt, dass die spezifischen Muskelfasern sowohl nach rechts zum annulären Teil des Vorhofs, zum Koronarvenen- trichter, und zur rechten Hälfte des Vorhofsseptums verlaufen als auch durch besondere Muskelbrücken nach der linken Seite der Vorhofsscheidewand. Es wäre wohl zu erwarten gewesen, dass bei einer grösseren Anzahl von Versuchen gelegentlich ein Voraus- schlagen des linken Vorhofs zur Beobachtung gekommen wäre. Ich möchte in diesem Zusammenhange auf die Experimente von Roth- berger und Winterberg!) hinweisen, die bei Reizung des linken Aceelerans relativ häufig im Elektrokardiogramm (Ableitung, Öso- phagus-Anus) eine negative P-Zacke fanden. Bei negativer Vorhofs- zacke kontrahierten sich nun beide Vorhöfe gleichzeitig, oder aber der linke Vorhof ging dem rechten etwas voraus. Rothberger und Winterberg verlegen für diese Fälle den Entstehungsort der Herzreize in den linken Vorhof. Die Ergebnisse der vorliegenden Versuche machen es indessen meines Erachtens wahrscheinlich, dass die negative Vorhofsschwankung auf eine Reizbildung im Gebiete des Sinus coronarius zu beziehen l) Rothberger und Winterberg, Pflüger’s Arch. Bd. 135 S. 559. 1910. 276 Alfred Zahn: ist. Denn bei bestehendem Koronarsinusrhythmus muss trotz positiven 'As.-Vs.-Intervalls der Verlauf der Erregung innerhalb des Vorhofs in entgegengesetztem Sinne erfolgen wie beim Sinusknotenrhythmus. Bei künstlichen Einzelreizen am Sinus coronarius hat nun Lewis!) tatsächlich negative Vorhofszacken erhalten. Diese Befunde machen es im Verein mit der experimentellen Feststellung, dass bei manchen Tierarten die Gegend des Sinus eoronarius zur Entwicklung von Tachykardien disponiert zu sein scheint, wahrscheinlich, dass auch die beim Menschen beobachteten Fälle von hochgradiger Vorhofstachykardie, wie sie von Rihl?) und besonders von Lewis?) beschrieben worden sind, in diesem Gebiete ihren Ursprung haben. Dass die Gegend des Sinus coronarius unter Umständen eine relativ hohe Automatie besitzt, wurde experimentell zuerst von Erlanger und Blackmann‘) nachgewiesen. Sie konnten näm- licb nach Zerstörung des Sinusknotengebietes am künstlich ernährten Herzen durch Ausschneiden des Sinus coronarius die Frequenz des Herzens merklich verlangsamen. Gestützt auf diese Ergebnisse von Erlanger und Blackmann und auf Grund theoretischer Erwägungen hat vor einiger Zeit Edens?°) eine Theorie des Koronarrhythmus aufgestellt. Er nimmt an, dass in denjenigen Fällen von vorübergehender oder dauernder Arhythmie, die mit Pulsbeschleunigung und synchronem Schlagen von Vorhof und Kammer einhergehen, die Herzreize im Bereiche des Sinus coronarius ihren Ursprung haben. Aber gerade dieses synchrone Schlagen beider Herzabschnitte spricht gegen eine Reizentstehung in diesem Gebiete, da eine solche, wie oben gezeigt wurde, stets ein positives As.-Vs.-Intervall zur Folge hat, was ja auch schon nach Hering’s Feststellungen über die Leitungsverzögerungim Tawara- schen Knoten zu erwarten ist. In dem spezifischen Muskelgewebe des Atrioventrikularknotens und in seiner unmittelbaren Nachbarschaft liegen bekanntlich (be- 1) Lewis, Heart vol. 2 p. 23—46. 1910. 2) Rihl, Zeitschr. f. exper. Pathol. und Ther. Bd. 11 Heft 2 S. 277. 1911. 3) Lewis, Der Mechanismus der Herzaktion S. 182—193. Wien und Leipzig 1912. 4) Erlanger und Blackmann, Americ. Journ. of Physiol. vol. 19 p. 125. 1907. 5) Edens, Deutsch. Arch. f. klin. Med. Bd. 100 S. 221. Experim. Untersuchungen über Reizbildung und Reizleitung etc. 277 sonders in den oberen Abschnitten) reichlich Ganglienzellen. Es ist ohne weiteres zuzugeben, dass in den vorliegenden Versuchen bei der direkten Beeinflussung der einzelnen Knotenteile auch diese nervösen Elemente mit betroffen wurden. In welchem Grade und in welcher Weise aber die Nervenzellen an dem Gesamteffekt be- teiligt sind, darüber lassen sich vorerst keine sicheren Angaben machen. Es sei hier nur ein Punkt hervorgehoben. Die Erwärmung der verschiedenen Knotenabschnitte hatte stets eine Frequenzsteigerung zur Folge, niemals aber kam eine Erscheinung zur Beobachtung, die sich im Sinne einer Erregung hemmender Apparate hätte deuten lassen. Eine weitere Erörterung dieser Frage kann hier unterbleiben, da sie zu sehr in das Gebiet der Hypothese führen würde. Zusammenfassung. In den vorstehenden Untersuchungen wurde die Funktion der einzelnen Abschnitte des Atrioventrikularknotens vermittels der Methode der lokalisierten Abkühlung und Erwärmung geprüft. Die Versuche wurden an Hunden, Katzen und Kaninchen angestellt, und zwar sowohl am Herzen in situ, zum Teil mit Hilfe der Methode der Herzendoskopie, wie auch am ausgeschnittenen, künstlich durch- bluteten Herzen. Nach Zerstörung des Sinusknotens vermögen alle Teile des Atrioventrikularknotens rhythmische Reize zu bilden. Ihre Automatie bleibt jedoch normalerweise hinter derjenigen des Sinus- knotens zurück. Erwärmung der einzelnen Teile des Atrioventrikularknotens führt stets zu Steigerung der Frequenz. Grösse und Vorzeichen des As.-Vs.-Intervalles sind dabei von dem jeweiligen Sitze der Thermode abhängig. Der obere Abschnitt des Atrioventrikularknotens („obere Ausläufer“) liefert positive As.-Vs.-Intervalle, die dem normalen, bei Sinusknotenrhythmus bestehenden Intervall annähernd gleich kommen ; der untere Abschnitt (Bündelgegend) dagegen liefert dem normalen ebenfalls annähernd gleiche, aber negative Intervalle. Die kleineren positiven und negativen Intervalle sowie die Nullintervalle entstehen in dem mittleren Teile des Atrioventrikularknotens, der durch die netzartige Verflechtung seiner Fasern charakterisiert ist. In diesem Gebiete findet demnach hauptsächlich die Verzögerung der Reiz- leitung statt. 275 Alfred Zahn: Experim. Untersuchungen über Reizbildung etc. Nach Zerstörung des Sinusknotens führt Abkühlung des oberen Abschnittes des Atrioventrikularknotens zu Verminderung der Frequenz (As.-Vs.-Intervall positiv oder null); Abkühlung des mittleren oder unteren Abschnittes ruft dagegen eine Überleitungsstörung zwischen Vorhof und Kammer hervor. Während bei Ausschaltung des Sinusknotens durch Kälte der mittlere Abschnitt des Atrioventrikularknotens die Herzreize bildet, tritt dieses Gebiet nach nicht reizloser Zerstörung des Sinusknotens in der Regel nicht oder nur vorübergehend ein. An seiner Stelle übernimmt vielmehr der obere Abschnitt des Atrioventrikularknotens (Sinus coronarius) die Führung des Herzens. Die Gegend des Sinus coronarius ist bei manchen Tierarten zur Entwicklung hochgradiger Tachykardien disponiert. Die vorliegenden Versuche bestätigen von neuem die innigen Beziehungen zwischen spezifischer Muskulatur und rhythmischer Reizbildung. Herrn Professor Morawitz spreche ich für das rege Interesse, das er meinen Untersuchungen entgegenbrachte, und die vielfache Unterstützung, die er mir zuteil werden liess, meinen aufrichtigsten Dank aus. Desgleichen bin ich Herrn Geheimrat Aschoff für seine freundliche Auskunft und Beratung in anatomischen Fragen sehr zu Dank verpflichtet. Anmerkung. Eine vorläufige Mitteilung mit den wesentlichsten Befunden vorstehender Untersuchungen und der Beschreibung der Technik der Herz- endoskopie erschien im Zentralblatt für Physiologie Bd. 26 Nr. 12 S. 495. 1912. 279 (Aus der II. medizin. Universitätsklinik in Berlin.) Über die Bedeutung der Reizbildungsstellen (kardiomotorischen Zentren) des rechten Vorhofies beim Säugetierherzen. Von Oberarzt Dr. Walter Koch. (Mit 5 Textfiguren.) Das Streben der Physiologen, für das automatisch-rhythmisch schlagende Herz die Bildungsstätten der Ursprungsreize zu finden und möglichst präzise zu lokalisieren, ist seit der Entdeckung der spezifischen Muskelsysteme, des His’schen Bündels bzw. Reiz- leitungssystem und des Sinusknotens, insofern von Erfolg gewesen, als wir nunmehr in diesen histologisch differenzierten Muskelsystemen den Ort der Entstehung der Herzreize mit ziemlicher Sicherheit vermuten können. Ich lasse von vornherein die vorläufig nicht zu diskutierende Frage offen, ob der eigentliche Reizbildner die spezi- fischen Muskelfasern oder die zwischen und unmittelbar neben ihnen liegenden Ganglien sind, da meines Erachtens noch keine Möglich- keit besteht, im physiologischen Versuch diese beiden Systeme zu trennen und die Funktion des einen ohne Schädigung des anderen auszuschalten. Dass jedoch die Reizbildungsstätten mit der anato- mischen Ausbreitung der spezifischen Muskelsysteme im wesentlichen zusammenfallen, das haben die Versuche von Hering, Wybauw, Lewis, Trendelenburg und Cohn, Ganter und Zahn, Brandenburg und Hoffmann, Rothberger und Winter- berg, Flack u.a. zur Genüge bewiesen, und diese Tatsache werden auch die „Neurogeniker“ nicht von der Hand weisen. Ich habe deshalb nach einem älteren Vorschlage von Aschoff für die spezi- fischen Muskelsysteme, wie ich glaube, mit Recht den Ausdruck „intrakardiale motorische Zentren“ wieder aufgenommen. Wenn wir nun auch für den normalen Herzablauf die Reiz- bildungsstätten in den Sinusknoten bzw. das Reizleitungssystem ver- 380 Walter Koch: legen, so ist doch noch die Frage zu beantworten, ob nicht auch andere Abschnitte des Herzens, besonders der Vorhöfe, imstande sind, ÜUrsprungsreize zu entwickeln. Das muss, soweit Extrareize in Betracht kommen, ohne weiteres zugestanden werden; das lehrt nicht nur das einfachste physiologische Experiment, sondern die tägliche klinische Beobachtung. Wie aber verhält es sich mit den automatisch-rhythmischen Reizen beim normalen wie beim patho- logischen Kontraktionsablauf? Die Frage kann nur der Physiologe beantworten; doch ist es wohl verständlich, dass der Anatom, der dem Physiologen die Anhaltspunkte für das Experiment gibt und eventuell dessen Versuche durch histologische Nachprüfung zu er- gänzen oder zu bestätigen sucht, sich selbst auf Grund seiner mikro- skopischen Befunde ein Urteil darüber zu bilden versucht, wie seine Ergebnisse mit dem physiologischen Geschehen in Einklang zu bringen sind, ja, ob nicht besondere histologische Tatsachen auch besondere physiologische Vorgänge vermuten lassen. Dieses Hand in Hand Arbeiten hat besonders bei der Erkenntnis des Herzens schöne Resultate im Gefolge gehabt, und wie der Physiologe durch neuentdeckte anatomische Substrate (ich erinnere an das His’sche Bündel, an Keith’s Entdeckung des Sinusknotens) zu neuen Ver- suchen, zu neuen Theorien angerest wurde, so haben andererseits die Physiologen auf immer eingehendere anatomische Untersuchungen befruchtend eingewirkt. Wenn ich in einer früheren Arbeit !) auf Grund der anatomischen Ausbreitung der spezifischen Muskelsysteme innerhalb des Herzens und auf Grund der von den Physiologen mitgeteilten Beobachtungen zu dem Resultat gekommen bin, dass die Bildungsstätten der auto- matisch-rhythmischen Herzreize sowohl unter normalen wie patho- logischen Verhältnissen an die intrakardialen motorischen Herzzentren gebunden sind, so war ich nicht zum wenigsten dazu durch die Tatsache veranlasst, dass ich selbst Gelegenheit hatte, Herzen histo- logisch zu untersuchen, an denen experimentell die Reizbildungs- stätten möglichst lokalisiert worden waren. Es zeigte sich bei zwei mir von Herrn Prof. Hering gütigst zur Untersuchung überlassenen Herzen, dass in der Tat die automatisch schlagenden Vorhofspartien 1) W. Koch, Zur Anatomie und Physiologie der intrakardialen motorischen Zentren des Herzens. Med. Klinik Bd. 3 S. 1. 1912. Über die Bedeutung der Reizbildungsstellen des rechten Vorhofes etc. 381 mit spezifischem Gewebe, dem Sinusknoten, in anatomischer Ver- bindung waren. Da Hering!) die von mir auf Grund meiner histologischen Befunde erhobene Deutung dieser Experimente als unzutreffend ansieht, möchte ich in Kürze noch einmal auf die beiden Herzen zurückkommen. Wie Hering schon hervorgehoben hat, waren mir die Einzelheiten des Experimentprotokolls nicht bekannt, so dass ich daher irrtümlich annahm, dass bei seinem Versuch am überlebenden Menschenherzen (22. März 1910) das seitliche Vorhofslappenstück der einzigste Teil des Vorhofes war, der rhythmisch tätig blieb. Wie aus dem jetzt veröffentlichten Protokoll hervorgeht, schlugen aber auch noch die obere Hohlvene und das Herzohr dissoziiert von dem Lappen. Leider steht mir das Herz nieht mehr zur Verfügung, (da es zur mikroskopischen Untersuchung verwendet worden ist. Ein Blick auf die nach der Natur gezeichnete Abbildung des betreffenden Herzens (s. Fig. 1 „Med. Klin.“ Bd.3 8.8. 1912) aber gibt nicht nur eine ausreichende Erklärung für die von Hering erwähnte Tatsache, sondern bestätigt auch in schönster Weise meine Vermutung, dass mit automatisch-rhythmisch scehlagenden Herzteilen auch Elemente der spezifischen Muskelsysteme in Verbindung sein müssen. Die Zeichnung beweist, dass am Herzohr-Cavawinkel im Bereiche der mit abgebildeten (etwas zu tief gezeichneten) Sinusknotenarterie noch ein Teil des Sinusknotens, und zwar ein Stück des Kopfteiles und der obere Ausläufer, stehengeblieben sind, so dass sich daraus sowohl das Schlagen der Vene als auch des Herzohres erklärt. Da ich diese experimentelle Tatsache nicht kannte, habe ich die spezielle ‚Untersuchung dieses Teiles ausser acht gelassen, kann aber auf Grund der Abbildung mein Urteil, wie geschehen, berichtigen. Da- durch wird die Tatsache nicht berührt, dass die Hauptmasse des Sinusknotens in dem pendelnden, am rhythmisch schlagenden Vorhofs- lappen hängenden Stücke enthalten war. Die Dissoziation erklärt sich durch die Trennung der beiden Sinusknotenabschnitte un- gezwungen. Was die Funktion der schmalen Brücke zwischen dem schlagenden Vorhofswandstück und dem nicht schlagenden, den Sinusknoten enthaltenden Stücke anbetrifft, so kann ich den Beweis l) H. E. Hering, Die Reizbildungsstellen der supraventrikulären Ab- schnitte des Säugetierherzens und des menschlichen Herzens. Pflüger’s Arch. ‚Bd. 148 S. 169. 1912. 3823 Walter Koch: für ihre Funktion nicht erbringen wie auch die Physiologen nicht. Zu erwägen ist aber, dass gerade diese Mm. pectinati, die in der Brücke unversehrt enthalten waren, diejenigen Elemente sind, in welche wir die Ausbreitung der Reize des Sinusknotens verlegen müssen, um seinen Zusammenhang mit dem Aschoff-Tawara’schen Knoten möglich erscheinen zu lassen. Ausserdem handelt es sich um eine Brücke in unmittelbarer Nähe des Sinusknotens, wo vielleicht die Leitung ganz anders verläuft als in der gewöhnlichen übrigen Muskulatur. Dass selbst schmale Brücken funktionieren können, erwähnen Brandenburg und Hoffmann), wie ich in meiner vorerwähnten Arbeit bereits bemerkte. Nach ihren Angaben war die Brücke ca. 5 mm breit, während ich die an dem Hering’schen Versuchsherzen auf ca. 3 mm Muskulatur schätze. Die von den vorerwähnten Autoren beschriebene Brücke lag ausserdem ebenfalls im CGavawurzelgebiet, wo auch die Brücke des Hering’schen Versuchsherzens sich vorfand. Warum das pendelnde Stück selbst nicht mehr schlug, vermag ich nicht zu sagen. Aber Kontraktion und Reizentstehung sind ja auch verschiedene Dinge, und es kann das letztere bestanden haben, das erstere nicht, was sich vielleicht auf elektrokardiographischem Wege noch hätte beweisen lassen. Dem Einwand, dass das pendelnde Stück nicht mehr durchblutet wurde, kann entgegengehalten werden, dass auch das schlagende Stück keine wesentliche Blutzufuhr mehr erhielt, da die seitlichen Schnitte neben dem pulsierenden Stück bis in die Ventrikel hinein, also durch die Coronararterie, geführt wurden. Worauf es mir ankam, war, zu beweisen, dass das schlagende Vorhofsstück anatomisch mit dem Sinusknoten in Verbindung stand. Das hat sich als tatsächlich er- geben und kann jetzt auch für die dissoziiert pulsierende Vene und das Herzohr mit Sicherheit behauptet werden, so dass diese Tat- sachen auch durch Hering’s Behauptung nicht entkräftet werden. Die von Hering herangezogene Aschoff’sche Diskussionsbemerkung: „Ich habe selbst bemerkt, dass auch die übrige Muskulatur Automatie besitzen kann“, ist gesprochen anders zu bewerten, als es geschrieben den Eindruck machen könnte, da Aschoff, soweit ich mich ent- sinne, den Nachdruck auf das Wort „kann“ legte und nur die 1) Brandenburg und Hoffmann, Wo entstehen die normalen Be- wegungsreize im Warmblüterherzen, und welche Folgen für die Schlagfolge hat ihre reizlose Ausschaltung? Med. Klinik Bd.1 8.16. 1912. Über die Bedeutung der Reizbildungsstellen des rechten Vorhofes ete. 283 Möglichkeit damals zugab. Im übrigen aber ist gerade von Aschoff zur Diskussion gesprochen worden, um Hering an seinen eigenen Experimenten zu zeigen, dass ein einwandsfreier Beweis für Automatie ausserhalb der spezifischen Muskelsysteme nicht erbracht sei. Betreffs' des zweiten Versuchsherzens (Hundeherz, Versuch vom 9, Februar 1910) sei auf Hering’s Einwände folgendes bemerkt. Ob bei diesem Herzen an dem schlagenden Vorhofslappenstück viel oder wenig vom Sinusknoten stehengeblieben ist, kommt nicht so sehr in Betracht als der Umstand, dass sich überhaupt wohl charakterisierte Sinusknotenreste vorfanden und dass also das schlagende Vorhofswandstück tatsächlich mit spezifischem Muskel- gewebe in Verbindung war. Dass es für Untersucher, die sich nicht zufällig wit der Topographie der Muskelsysteme selbst eingehendst histologisch beschäftigt haben, oft recht schwer ist, sich ein Bild davon zu machen, wie weit sie mit Schnitten die Zentren ausgeschaltet haben, ist klar, und gerade da soll ja die histologische Kontrolle eingreifen. Ich habe mich deshalb auch bemüht, nicht nur beim Menschen, sondern auch bei den gebräuchlichsten Versuchs- tieren (Hund, Kaninchen) Anhaltspunkte für die Topographie des - Sinusknotens zu geben, soweit man das bei den allmählichen Über- gängen desselben in die gewöhnliche Vorhofsmuskulatur überhaupt kann, habe aber immer noch auf die individuellen Variationen hin- gewiesen. Betrefis der Länge des Sinusknotens beim Hundeherzen hat Hering meine Maasse verkehrt verstanden. Ich habe für die Längenausdehnung des Sinusknotens beim Hunde 13 mm im ganzen (vom Herzohr-Cavawinkel an gerechnet) angegeben. Das Miss- verständnis ist wohl darauf zurückzuführen, dass Hering die Worte „im ganzen“ falsch verstanden hat, während ich glaubte, dass sie aus den vorhergehenden Maassangaben, die auch vom Herzohr- Cavawinkel an gerechnet waren, verständlich sein müssten. Daraus, dass ich die Maasse des Sinusknotens nach neueren Untersuehungen korrigiert und länger angegeben habe, wird man mir keinen Vorwurf machen können. Auch das His’sche Bündel hat sich allmählich zu dem bedeutend längeren Reizleitungssystem „entwickelt“. Es wird auch weiter mein Bestreben sein, die ab- soluten Maasse möglichst sicher festzulegen. Betreffs des Vergleiches der Länge des Sinusknotens von Mensch und Tier ist zu sagen, dass der Sinusknoten beim Tier im Verhältnis 284. Walter Koch: grösser ist und bei niederen Tieren wieder verhältnismässig grösser als beim höher entwickelten, z. B. beim Kaninchen relativ länzer: als beim Hunde. Dass die von mir als Ausläufer bezeichneten Endausbreitungen. des Sinusknotens sowie seine Übergänge in die gewöhnliche Musku- latur für den Physiologen (wie für den Anatomen) eine wenig an- senehme Zugabe sind, ist richtig; aber wir müssen mit ihnen rechnen wie mit den Endausläufern des Reizleitungssystems, bei denen auch die Übergangsstelle von der spezifischen in die gewöhnliche Muskel- faser nicht bestimmt zu lokalisieren ist. Ich muss deshalb auf Grund des mir bis jetzt zugänglich ge- wordenen Materials an meiner Behauptung festhalten, dass bis jetzt kein einwandsfrei nachgeprüfter Fall vorliegt, welcher die rhythmische: Automatie eines Vorhofsabschnittes beweist, der nicht irgendwie mit den spezifischen Muskelsystemen noch in räumlicher Beziehung stand, werde aber gern dazu bereit sein, solehe Automatie anderer Vorhofs-. stellen ausserhalb der spezifischen Muskelsysteme anzuerkennen, so- bald histologische Untersuchung neuen Materials solche Automatie. sicherstellt, denn „neue Beweise stürzen alte Lehren“. Die Angaben von Brandenburg und Hoffmann, dass nach nicht reizloser Ausschaltung des Sinusknotens die danach aufeetretene: atrioventrikuläre Automatie wieder in gewöhnliche Schlagfolge mit normalem A.-V.-Intervall übergehen kann, musste allerdings dafür sprechen, dass wenigstens im Experiment (wobei natürlich ganz andere Verhältnisse vorliegen als beim physiologischen und selbst pathologischen Herzschlag des lebenden Herzens) auch andere Stellen des Vorhofes ausserhalb. der spezifischen Muskelsysteme die Führung übernehmen konnten. Eine Isolierung dieser supponierten „Führungs- stellen“ gelang nicht. Dagegen konnte Zahn!), der die gleichen. Beobachtungen machte, ein Zentrum von relativ hoher Automatie: enger umerenzen, von welchem aus der nach Ausschaltung des Sinusknotens wieder normal gewordene Rhythmus insofern beeinflusst werden konnte, als Erwärmung dieses Zentrums Frequenzsteigerung bei gleichbleibendem Intervall, Abkühlung Frequenzverminderung bei gleichbleibendem oder etwas kürzerem A.-V.-Intervall bewirkte. Dieses Zentrum liest an der Einmündungsstelle der Coronarvene in 1) A. Zahn, Experimentelle Untersuchungen über Reizbildung im Atrio- ventrikularknoten und Sinus coronarius. Zentralbl. f. Physiol. Bd.26 S.12. 1912. Über die Bedeutung der Reizbildungsstellen des rechten Vorhofes etc. 285 den rechten Vorhof und kann auch von aussen an. der Einmündungs- stelle der Vene beeinflusst werden. Dieser Befund ist für uns die Veranlassung gewesen, diesem Gebiet erneute Aufmerksamkeit zuzuwenden, wenn auch schon frühere Untersuchungen uns oft genug Schnitte aus dieser Gegend vor Augen führten und wir spezifisches Muskelgewebe ausser dem bekannten dort nicht bemerkt hatten. Dass die Coronarvene bzw. Vena cava sup. sin. als aus dem Sinus hervorgegangen eventuell auch noch eigene Reste spezifischer Muskulatur beherbergen könnte, ist nicht ohne weiteres von der Hand zu weisen. Auch an die Thorel’schen Fasern könnte man denken, die bis jetzt allerdings noch von keinem Nachuntersucher bestätigt sind, abgesehen davon, dass Thorel fast überall im rechten Vorhof und zum Teil auch im linken „Purkinje’sche Fasern“ gefunden hat. Des weiteren berichtet Aschoff in seinem Erlanger Referat über glatte Muskelfasern am Boden und der hinteren Wand des Coronarvenensinus, die bis zur unteren Um- randung der Fossa ovalis ausstrahlten und nach vorn bis neben die Vorhofsfasern des Aschoff-Tawara’schen Knotens, mit dem sie aber nicht in Verbindung traten. Es war mir daher sehr willkommen, dass ich Gelegenheit erhielt, die Herzen der Versuchstiere, an denen Zahn das neue Zentrum im Coronarvenensinus isoliert hatte, histologisch zu kontrollieren. Es handelt sich um fünf Herzen, ein Hunde-, ein Katzenherz und drei Kaninchenherzen, bei welchen gleich nach Beendigung des physiologischen Experimentes die betreffenden Zentren bzw. die Stellen, von denen aus sie beeinflusst werden konnten, mit Tusche bezeichnet und die dann sofort lebenswarm fixiert wurden. Der wirksame Coronarrhythmuspunkt, von dem aus sich nach Ausschaltung des Sinusknotens bei gleichbleibendem normalem (wieder- gekehrten) A.-V.-Intervall die Frequenz dieses Rhythmus beeinflussen liess, lag bei den Kaninchenherzen an der septalen Wand der Mündung der V. cava sup. sin., und zwar im vordersten Abschnitt: unmittelbar vor dem Übergang in den annulären Vorhofsabschnitt. Da dieser Punkt anatomisch umgrenzt ist, wurde er bei den Kaninchenherzen nicht markiert, sondern nur die Stelle des Aschoff- Tawara’schen Knotens, von welcher aus Block resultierte. Bei ' Hund und Katze war die Einmündungsstelle der Coronarvene aussen | | im Suleus coronarius mit Tusche bezeichnet, und zwar dort, wo das | Vorhofsseptum die innere Venenwand erreicht. Diese Stelle ent- 286 Walter Koch: spricht, wie sich im mikroskopischen Präparate zeist, wenn man die Aussenwand der Vene gegen die Innenwand drückt, ebenfalls ungefähr der Mündung der Coronarvene in den Vorhof oder liegt doch nur um ein geringes weiter nach hinten. Die Stelle, welche dem Zentrum im Coronarvenentrichter ent- sprach, wurde von Zahn mit P,, das Blockzentrum im Bereiche des Aschoff-Tawara’schen Knotens mit P, bezeichnet, was ich deshalb erwähne, da ich der Kürze halber dieselben Benennungen benützen werde. Die Herzen wurden in der Weise untersucht, dass ein Block parallel der Ansatzlinie des medialen Tricuspidalissegels herausgeschnitten wurde, welcher oberhalb der Einmündungsstelle der Cava inf. (un- gefähr durch die Mitte der Fossa ovalis reichend) begann ‘und noch ein grösseres Stück des oberen Ventrikelabschnittes in sich :fasste. Nach vorn reichte der Block bis über die Pars membr. hinaus bis in den Conus pulmonalis. Die Schnitte wurden parallel zum Suleus coronarius gelegt, eine Schnittrichtung, die ich für das Studium des Aschoff-Tawara’schen Knotens als die beste empfehlen kann, da man auf sagittalen Schnitten durch das Septum keine guten Übersichts- bilder über den Zusammenhang der einzelnen Abschnitte des Reiz- leitungssystems erhält und es ausserdem fast unmöglich ist, .die Aus- läufer des Knotens im Vorhof mit Sicherheit überall zu erkennen. Im folgenden gebe ich die gekürzten Protokolle der Serien- une uch ul Herz 121 (Kanlüchinhörn; Versuch vom 13. Juli 1912. Es fehlt die Hauptmasse des rechten Vorhofes mit Vena cava sup., vorderer. Wand der Vena cava inf., und Herzohr. Stehengeblieben: Scheidewand der Vorhöfe mit Fossa ovalis, annulärer Teil des rechten Vorhofes mit Coronarvenensinus und medialer Wand der Vena cava inf. Objektträger: 5. Vorhofsseptum mit medialer Wand der Cava inf. getroffen. Links vom hinteren Ende des Septums kzw. der Cava inf. liegt die Cava sup. sin. im Schrägschnitt. 7. Die” Cava sup. sin. schiebt sich an das Septum an der Grenze von Cava inf. und Septum. Entsprechend dieser Stelle trichterförmige Einziehung des Septums mit zwei nach innen sich neigenden klappen- artigen Vorsprüngen. Keine spezifische Muskulatur in diesen Schnitten. 8. Cava sup. sin. eingebrochen. Der Trichter hat sich abgeflacht; die klappenartigen Vorsprünge nach vorn und hinten zurückgezogen. 10. Tusche am Endokard des rechten Vorhofes, und zwar an der Grenze von Vorhof und Cava sup. sn. 15. Der Tuschefleck schiebt sich weiter nach vorn zur Pars membr. 16. Unter dem Tuschefleck treten Knotenfasern auf. Der Knoten (Kammerteil) entspricht dem vorderen Ende des Tuschefleckes. 17. Stamm, Knoten mit Vorhofsteil sehr deutlich. Ausläufer reichen weit nach hinten bis zur Grenze von Vorhof und Cava sup. Über die Bedeutung der Reizbildungsstellen des rechten Vorhofes etc. 987 sin. Tuschefleck reicht ebensoweit nach hinten, nach vorn bis zur Grenze von Knoten und Stamm. 18. Knoten nimmt schon wieder ab, desgleichen die hinteren Aus- läufer. Stamm lang getroffen. 19. Reste des rechten Vorhofes haben sich schon vor den rechten Ventrikel geschoben. Kammerknoten nicht mehr sicher zu differen- zieren. Tuschefleck nimmt ab. Ergebnis: Der Tuschefleck entspricht dem ganzen Aschoff- Tawara’schen Knoten, P, (Mitte des Tuschefleckes) etwa der Grenze von Vorhofs- und Kammerknoten, P, den Ausläufern des Vorhofsknotens an der Grenze von Septum und oe ae sup. sin. [Fig. 1%).] Fig. 1. Kaninchenherz 121. Objekttr. 16. a—b Ausläufer des Vorhofsknotens; b—c Vorhofsknoten; ce—d Kammerknoten; d—e Ausläufer des Kammerknotens (Stamm); & Grenze der Cava sup. sin.; P, Vorhofszentrum; P, Blockzentrum. Herz 123 (Kaninchenherz). Versuch vom 21. August 1912. Vorhof zum grössten Teil fortgeschnitten, stehengeblieben im wesentlichen nur die Vorhofsscheidewand und die septale Wand der Cava inf. Die Cava sup. sin. aufgeschnitten, Rest des stehenge- bliebenen Vorhofwandstückes am Sulkus coronarius nach aussen um- geklappt, liegt auf der Kammer. -Diffus schwarz gefärbt die Ein- mündung der Cava sup. sin. und der untere Abschnitt der Cava inf. l) Die Mikrophotogramme sind in der photographischen Abteilung der II. mediz. Klinik angefertigt worden. Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd. 151. 19 2388 a Walter Koch: Blasser schwarzer Fleck auf der Pars membr. septi dort, wo die Aortenwurzel liegt. Objektträger: 1. Subperikardiale Blutung am hinteren Ende der Vorhofsscheidewand. 3. Auch in der Muskulatur der Vorhofsscheidewand, und zwar vorwiegend in der hinteren Hälfte an der Seite des linken Vorhofes, stärkere interstitielle (traumatische ?) Blutungen. 7. Die Blutung in der Muskulatur findet sich in Höhe der Cava. inf. An der linken Seite des hinteren Septumendes sieht man die aufgeschnittene Cava sup. sin. 11. Tuschefleck am Endokard der Einmündungsstelle der Cava inf. 13. Cava inf. hört auf. Unmittelbar vor ihrer Mündung Tusche. bis etwa auf ein Drittel der Länge des Vorhofsseptums. Endokard unter der Tusche mit dünner Fibrinschicht belegt. Links hinter dem Rest der Cava inf. sieht man die aufgeschnittene Cava sup. sin. heran- kommen. Auch auf ihrer Intima beginnender Tuschefleck. 15. Die Tuscheflecke am Endokard der Cava inf. und Cava sup. sin. haben sich vereinigt. 18. Cava inf. hat aufgehört. Tuschefleck schiebt sich weiter nach vorn. Keine spezifischen Fasern im Bereiche des Fleckes. 20.. Unter dem Tuschefleck, welcher der Einmündungsstelle der \ Cava sup. sin, entspricht, wird das Bindegewebe reichlicher. 22. Das unter dem Tuschefleck liegende Bindegewebe zieht sich schräg durch das Septum zur Pars membranacea.; es ist sehr locker gebaut. 23. Die Pars membr. bildet einen in das Septum nach hinten. vorspringenden Sporn. An der Spitze dieses Spornes treten schmale, dunkel sich färbende, kernreiche Muskelfasern vom Typus der Knoten- fasern auf. Sie entsprechen in ihrer Lage der Mitte des Tusche- fleckes, der sich nach vorn aut die Pars membr. ausgebreitet hat. 24. Dort, wo das Bindegewebe unter der Tusche am Endokard des rechten Vorhofes endigt, sieht man einen kleinen klappenartigen. Vorsprung, in welchem ebenfalls spezifische Muskelfasern zu sehen sind, die auf die Pars membr. hinziehen und bindegewebsreich sind. Diese Stelle entspricht dem hinteren Ende des Tuschefleckes. In der Mitte der Pars membr. treten längsgetroffene spezifische Stamm- fasern auf. 25. Die Knotenfasern werden reichlicher. Sie reichen von dem klappenartigen Vorsprung bis zur Pars membr. Dort, wo sie diese erreichen, liegt ein ziemlich starker Nerv. Sowohl rechts vorn von diesen Fasern wie aber besonders links liegen gewöhnliche Muskel- fasern. Das Muskelbündel in der Pars membr. ist schnell stärker ge- worden. Der Tuschefleck reicht vom Beginn der Vena cava sup. sin. bis zur Mitte der Pars membr. 26. Am Winkel zwischen Pars membr. und oberflächlichster Muskelschicht des rechten Vorhofes verdicken sich die spezifischen Fasern zum Kammerknotengeflecht. In den folgenden Schnitten Knoten. und Stamm vereinigt. Starke Blutung in der Pars membr., besonders zwischen die Fasern des locker gebauten Stammes. Die verschiedenen Abschnitte, Vorhofsknoten, Kammerknoten, Stamm sind gut zu über- I Über die Bedeutung der Reizbildungsstellen des rechten Vorhofes etc. 989 sehen, Tuschefleck im Bereich der beiden Knoten und des Stammes bis zur Hälfte. 27. Knoten (Kammerteil) teilweise durch Fettgewebe gegen die Vorhofsmuskulatur isoliert. Knoten schiebt sich ein Stück weit in die Pars membr. 28. Vorhofsteil wird schnell kleiner. 29. Vorhofsteil hat aufgehört. Stamm resp. Kammerknoten in der Pars membr. von Fettgewebe aufgesplitter. Es macht den Eindruck, als ob einzelne Muskelbündel am Septum inserierten. Tusche nur noch in Spuren am Stamm. 30. Keine sicheren Knotenfasern mehr. Stamm noch deutlich im Schrägschnitt. Tusche hat aufgehört. Fig. 2. Kaninchenherz 123. Objekttr. 26. a—b Ausläufer des Vorhofsknotens; b—e Vorhofsknoten; c—d Kammerknoten; d—e Ausläufer des Kammerknotens (Stamm); x Grenze der Cava sup. sin.; P, Vorhofszentrum; P, Blockzentrum. Ergebnis: Starke traumatische Blutung im Vorhofsseptum bis zwischen die Muskelbündel des Vorhofsknotens. Auch in der Stamm- muskulatur starke Blutung. Der Tuschefleck P, entspricht dem Vor- hofs-, dem Kammerknoten und dem Stamm bis zur Mitte. P, fällt zusammen mit den Endausläufern des Vorhofsknotens, welche in einen klappenartigen Vorsprung an der Mündung der Vena cava sup. sin. einstrahlen. Nerven im Bereiche des Kammerknotens. (Fig. 2.) Herz 125 (Kaninchenherz). Versuch vom 31. Juli 1912. Rechter Vorhof mit Herzohr und Cavae bis auf den vorwiegend septalen bzw. annulären Abschnitt fortgeschnitten. Cava sup. sin. er- 192 2390 Walter Koch: halten. Tuschefleck am vorderen Septumende am hinteren Rande der Pars membr. Objektträger: 5. Ganglienzellhaufen am hinteren Ende des Vorhofs- septums hinter der Ausflussbahn der Cava inf. Vena cava sup. sin. im Querschnitt getroffen. 6. Der Ganglienzellhaufen lässt sich schätzungsweise über einen Bezirk von etwa 1,5 mm Höhe verfolgen. 8. Blutung im Vorhofsseptum im hinteren Drittel. Kleine Nerven- äste strahlen von den hinteren Ganglien ins Septum. 9. Neue kleine Ganglienzellgruppe. Blutung wird stärker. Keine spezifischen Fasern. 11. Am vorderen, der Aorta anliegenden Ende des Yorhofsseptums rechts kleiner ihrnhelhr. \ 13. Artefizielle Durchtrennung des Septums in der Mitte. Die Blutung entspricht diesem Bezirk. 14. Die Cava sup. sin. schiebt sich an das hintere Ende des Septums. Am vorderen Ende Tuschesaum. Blutung im Gewebe des Septums sehr stark. 20. Der Tuschefleck am vorderen Septumende wird grösser. 22. Die Cava sup. sin. ist in den Vorhof eingebrochen. An der Mündung kleiner Tuschefleck, nur in wenigen Schnitten sichtbar. 23. Tuschefleck am vorderen Septumende nimmt wieder an Grösse ab. Bisher nirgends sichere spezifische Fasern. 24. Am Aortenwinkel treten zierliche Muskelfasern auf, die dem Vorhofsteil des Knotens zuzurechnen sind. Diese Fasern liegen im Bereiche des hinteren Endes des Tuschefleckes. 25. Auch weiter nach der Tricuspidalis zu schmale spezifische Muskelfasern. 26. Die spezifischen Fasern bilden jetzt einen zusammenhängenden Strang von der Pars membr. abwärts bis unterhalb des Ansatzes der Trieuspidalis. Der Tuschefleck fast verschwunden. Die letzten Reste liegen in der Höhe der Pars membr., entsprechend dem obersten Ende des spezifischen Faserstammes. Noch keine Verbindung mit dem Vor- hofsknoten; Kammerknoten noch nicht ausgebildet. 27. Sarnen mit Vorhofsknotenfasern durch ein rundliches Geflecht spezifischer Fasern (Kammerknoten) verbunden. Der Kammer- knoten liegt genau am Anfang der Pars membr. septi. Die Vorhofs- knotenfasern reichen rückwärts bis zum Anfang der Cava sup. sin. 28. Vorhofsknoten, Kammerknoten und Stamm bis zum Ansatz der Trieuspidalis sichtbar. Keine Tusche mehr. Cava sup. sin. be- ginnt wieder sich zu schliessen. Die Vorhofsknotenfasern hören mit ihren Ausläufern am Rande der Cava sup. sin. auf. 29. Vorhofsknotenfasern werden kürzer. Kammerknoten sehr schön ausgebildet. : 30. Nur noch Reste des Vorhofsknotens. Der Kammerknoten wird lockerer und zeigt schon mehr parallelfaserige Muskelbündel. Blutung in den Kammerknoten. 32. Kammerknoten hat sich in den Stamm aufgelöst. 54. Kurzer Teil des Stammes noch sichtbar. | Über die Bedeutung der Reizbildungsstellen des rechten Vorhofes etc. 291] Ergebnis: Starke traumatische Blutung im Vorhofsseptum, geringe im Kammerknoten. Der Tuschefleck trifft nur im hinteren unteren Abschnitt mit den Fasern des Stammes des Reizleitungs- systems an der Grenze des Kammerknotens zusammen. Der Tusche- fleck liegt dicht über dem Kammerknoten. P} entspricht dem Vorhofs- tel des Aschoff-Tawara’schen Knotens. Reichlich Nerven- und Ganglienzellen am hinteren Ende des Vorhofsseptums, etwas oberhalb der Stelle ?P, (Fig. 3.) Fig. 3. Kaninchenherz 125. Objekttr. 28. a—b Ausläufer des Vorhofsknotens;; b—c Vorhofsknoten; c—d Kammerknoten; d—e Ausläufer des Kammerknotens (Stamm); & Grenze der Cava sup. sin.; P, Vorhofszentrum; P, Blockzentrum. Herz 124 (Hundeherz). Versuch vom 16. Juli 1912. Gegend des Sinusknotens bis zur Mitte des trabekulären Vorhof- teiles braun verfärbt mit schwarzen, verschorft aussehenden Partien Unter der hochgeschlagenen Vena cava inf., dort, wo die Vena coro naria einmündet, Tuschefleck, der sich noch etwas nach beiden Seiten im Sulcus coronarius ausbreitet. Herzohrspitze abgeschnitten. Im Herzohr und an der septalen Wand des Vorhofes, besonders im Be- reiche des Aortenwinkels, bis auf die Pars membr. und die Gegend des A.-V.-Knotens reichend fibrinöse speckige Beläge. Objektträger: 6. Tusche am Perikard am Ende der septalen Scheidewand. Ödem der Muskulatur, besonders in den hinteren septalen Abschnitten. 7. Ganglien in den Nerven unter dem Tuschefleck in der hinteren Coronarfurche. 292: Walter Koch: 9, Fibrinniederschlag am vorderen Ende des Septums rechts. 11. Ganglien ins Septum sich einschiebend. Ödem des ganzen Septums. Keine spezifische Muskulatur. 13. Starker Ganglienzellhaufen. 14. Vena coronaria schiebt sich von links zum Septum vor. 15. Ganglien perikardialwärts von der Vena coronaria.. Tusche- fleck wird grösser. 17. Bindegewebiger Sporn schiebt sich von der hinteren Coronar- furche ins Septum. 20. Der bindegewebige Sporn von der hinteren Coronarfurche ' geht jetzt durch das ganze Septum bis zum Aortenwinkel. Das Septum zeigt später in dem Bindegewebsstrang dort eine Lücke, wo die Vena coronaria durchbricht. 21. Reichlich Nerven und Ganglien im Septum in der Nähe des : Aortenwinkels. Durchbruch der Vena coronaria in den rechten Vorhof. Tusche- ' fleck wird etwas kleiner. 23. Die Mitte des Septum atriorum zeigt auffallend geschlängelte Muskelfasern mit reichlich nervösen Elementen. Muskelfasern in der . Nähe des Aortenwinkels vom Typus der Knotenfasern. . 25. Vorhofsknotenausläufer werden deutlicher. Ausläufer reichen fast bis zur Mündung der Vena coronaria. Differenzierung von der übrigen Herzmuskulatur wegen des starken Ödems sehr erschwert. 26. Kammerteil des Knotens wird deutlich. Er liegt im Winkel an der Pars membr. unter einer Schicht gewöhnlicher Vorhofsmuskulatur. 27. Der Vorhofsknoten strahlt mit seinen Ausläufern in einzelnen gewellten Fasern auf den klappenartigen Vorsprung zu, den die Vena coronaria an ihrer Mündung bildet. 283. Knoten sehr deutlich, ödematös und mit Blutungen durchsetzt. 29. Kammerknoten bricht ins Septum ein. 30. Nerven im Zuge der Ausläufer des Vorhofsknotens am Boden der Vena coronaria. 32. Tusche hört allmählich auf. Mündung der Vena coronaria beginnt sich zu schliessen. Die mit Fibrin belegte Stelle am rechten Vorhof entspricht dem Stamm bzw. dem Kammerteil des Knotens. 34. Vena coronaria wieder geschlossen. Nervenfasern in den Ausläufern des Vorhofsknotens. 35. Ganglien im Vorhofsteil. Teilung des Bündels. 36. Die Vorhofsausläufer des Knotens haben sich nochmals wieder verdickt, sind histologisch sehr deutlich, sind von der Vorhofsmuskulatur durch lockeres Zellgewebe, von der Scheidewand nach links durch Bindegewebe getrennt. 38. Reste des Knotens immer noch nachweisbar. 39. Verbindung von Knotenrest und Stamm unterbrochen. 41. Immer noch vereinzelte, von Ödem umgebene Knotenausläufer- fasern am Boden des rechten Vorhofes unter einer Schicht gewöhnlicher Muskulatur. Linker Schenkel stark bindegewebig septiert. 45. Rechter Schenkel bricht nach rechts unter der Tricuspidalis hervor. Keine Knotenelemente mehr. Über die Bedeutung der Reizbildungsstellen des rechten Vorhofes etc. 293 Ergebnis: Keine neuen Zentrumsfasern im Sinus coronarius. Die Ausläufer des Aschoff-Tawara’schen Knotens lassen sich bis zum Boden des Üoronarvenentrichters, zum mindesten bis zur Mündung, welche an einem Endokardvorsprung zu erkennen ist, verfolgen. Da der Tuschefleck an der Mündung der Vena coronaria aussen nur eine indirekte Ortsbestimmung ist, entspricht P, dem Beginn dieser Aus- läufer. Im Bereiche der grössten Tuscheausdehnung Nerven und vor allem auch Ganglien, welche auf den Aschoff-Tawara’schen Knoten zulaufen, in ihn eindringen und bis zur Pars membr. zu ver- folgen sind. Der Punkt P, entspricht dem Übergang von Vorhofsteil Fig. 4 Hundeherz 124. Objekttr. 28. a—b Ausläufer des Vorhofsknotens; b—c Vorhofsknoten; c—d Kammerknoten; d—e Ausläufer des Kammerknotens (Stamm); V.c. Vena coronaria; P, Vorhofszentrum; P, Blockzentrum. und Kammerteil des Knotens. Die Fibrinauflagerungen am Endokard des rechten Vorhofes entsprechen nur Kammerelementen des Knotens bzw. Stammes. Starke ödematöse Durchtränkung mit Blutung im Vorhofsseptum und Knoten. (Fig. 4.) Herz 122 (Katzenherz). Versuch vom 29. Juli 1912, Kleines Katzenherz. Gegend des Sinusknotens bis zur Einmündung der Coronarvene zeigt rauhe Beschaffenheit des Perikards mit leicht bräunlicher Verfärbung. Dort, wo der Suleus longitudin. post. auf die Kranzfurche und Vena coronaria trifft, Tuschefleck. Objektträger: 3. Epikard des rechten Vorhofes an der vorderen bzw. seitlichen Wand homogenisiert, getrübt, geschrumpft; darunter- 294 Walter Koch: liegende Muskulatur nicht oder nicht wesentlich beteiligt. Dicke Nervenbündel und Ganglienzellhaufen dort, wo die seitliche trabekuläre Vorhofswand in die Scheidewand übergeht. 6. Die Verschorfung bzw. Homogenisierung des Vorhofsepikards hat auch eine grosse Arterie mitbetroffen, desgleichen die oberfläch- lichsten Muskelfasern. 7. Die Vena coronaria schiebt sich von hinten her auf den rechten Vorhof zu. 9. In dem Winkel, welchen die seitliche Vorhofswand mit dem Septum bildet, ragt von der Vorhofswand ein klappenartiger Sporn hervor, welcher der Valvula Thebesii entsprechen könnte. In diesem Sporn zierliche Muskelbürdelchen vom Typus derjenigen des Vorhofs- teiles des A.-V.-Knotens. 10. Ganglien schieben sich immer weiter von der Coronarfurche in das Septum nach der Stelle, wo später der A.-V.-Knoten auftritt. 11. Tuschefleck am Perikard an der Grenze von rechtem und linkem Vorhof. Direkt unter dem Tuschefleck Nerven und Ganglien. 13. Im Septum fibrosum treten netzartig zerstreute spezifische Muskelfasern auf. Die Nerven und Ganglien am hinteren Ende des Vorhofsseptums liegen dicht unter dem Tuschefleck, werden aber weniger. 14. Die Stammfasern im Septum fibrosum werden reichlicher. Auch weiter ventrikelwärts treten im Septum membr. spezifische Fasern auf, die sich als Stamm des Reizleitungssystems und rechter Schenkel herausbilden. Die Coronarvene hat hinter dem Tuschefleck an der Stelle den rechten Vorhof erreicht, wo der klappenartige Sporn liegt. Diesem gegenüber hat sich an der septalen Wand ein zweiter Klappen- vorsprung entwickelt, in welchen Vorhofsknotenfasern einstrahlen. 15. Der Stamm wird schnell sehr dick; dem Vorhof zunächst. zeigen die Fasern immer noch einen auffallend lockeren netzförmigen Bau. Sie liegen sehr weitmaschig im fibrösen Septum, dessen ganze Breite sie fast einnehmen. Der rechte Schenkel hat das Endokard erreicht. Der Aschoff-Tawara’sche Knoten ist deutlich zu sehen. Der mit dem locker gebauten Stamm zusammenhängende Teil bildet ein kompaktes Muskelgeflecht, welches noch gerade in die Pars. membr. hineinreicht. Die bindegewebsreichen Vorhofsteilfasern des Knotens reichen bis zur Vena coronaria, und zwar bis zum Beginn ihrer Mündung, die durch die erwähnten zwei Klappen ausgezeichnet ist. In diesem Bereich noch Tusche. Der Einbruch der Vene in den Vorhof ist vollständig. 16. Knoten, Stamm und Schenkel bis zur Teilung in einem Schnitt. Der zersplitterte Aufbau des Stammes ist weiterhin sehr deutlich. Die letzten Ausläufer des Vorhofsteiles des Knotens reichen noch ein Stück weit bis unter den Boden (septale Wand) der Vena coronaria. Der Tuschefleck entspricht dem letzten Drittel des Vorhofsabschnittes des Knotens. Kammerteil des Knotens kompakt, enthält relativ wenig, Vorhofsteil reichlich Bindegewebe. 18. Stamm und Knoten getrennt. Stamm etwas homogener. Rechter Schenkel subendokardial, getrennt vom Stamm. - Ganglienzell- komplex am Ende der Ausläufer des Knotens. Der Vorhofsteil des Über die Bedeutung der Reizbildungsstellen des rechten Vorhofes etc. 295 Knotens ausserordentlich bindegewebsreich. Der Tuschefleck wird kleiner, liegt noch in Höhe der Endausläufer, welche bis in die Nähe des Ansatzpunktes der Coronarvenenklappe ausstrahlen. 19. Kammerknoten hat. aufgehört. Die Coronarvene schliesst sich wieder. Klappen verschwunden. 20. Vorhofsknoten reicht mit seinen Ausläufern nicht mehr ganz bis zum Tuschefleck. 21. Vorhofsteil des Knotens mit starker Vergrösserung immer noch gut zu differenzieren. Tuschefleck nimmt schnell ab. 23. Vorhofsknoten nur noch in wenigen Resten am Ansatzpunkte der Tricuspidalis sichtbar. Fig. 5. Katzenherz 122. Objekttr. 16. a—b Ausläufer des Vorhofsknotens; b—c Vorhofsknoten; c—d Kammerknoten; d—e—f Ausläufer des Kammerknotens (Stamm und linker Schenkel ; V. c. Vena coronaria; P, Vorhofszentrum ; P, Blockzentrum. Ergebnis: Bei der Katze reicht der Aschoff-Tawara’sche Knoten mit seinem Vorhofsteil bis in den Bereich der Vena coronaria, d. h. bis mindestens eben noch hinter die Stelle, welche mit kleinen Klappen die eigentliche Mündung der Vene bezeichnet. In diesem Bereiche liegt der Tuschefleck, welcher die wirksame Zone von P, andeutet. In demselben Bezirk finden. sich reichlich Nerven und Ganglienzellhaufen, welche in Begleitung der Vena coronaria bzw. an ihrer septalen Wand in der Richtung auf den Knoten zulaufen und in seine Ausläufer eindringen. Die kleinen Klappen der Vena coronaria zeigen zierliche Muskel- bündel, welche an der septalen Seite mit den Ausläufern des Vorhofs- 296 Walter Koch: knotens in Verbindung zu treten scheinen bzw. aus Ausläufern gebildet werden. Der Stamm des Reizleitungssystems, und zwar besonders die dem Knoten benachbarte Hälfte, ist auffallend locker gebaut, diffus mit grossen Zwischenräumen im Septum membr. verstreut und hat Ausläufer in den Ansatz der Mitralis.. (Fig. 5.) Welche Schlussfolgerungen lassen sich nunmehr aus der histo- logischen Untersuchung dieser fünf Herzen ziehen? Vor allem wohl die, dass wir kein neues anatomisches Substrat aus spezifischen Muskelelementen im Coronarsinus vor uns haben, sondern dass die histologische Nachprüfung so gut wie sicher dartut, dass das von Zahn isolierte Zentrum mit dem Vorhofsteil des Aschoff- ' Tawara’schen Knotens identisch ist. Damit ist aber vor allen Dingen die von Aschoff schon seit Jahren und zuletzt besonders auf der Erlanger Tagung der Deutschen pathologischen Gesellschaft betonte differente Zusammensetzung des A.-V.-Knotens, auf die auch von mir in einer früheren Publikation !) besonders hingewiesen wurde, auch experimentell erwiesen, trotzdem noch viele strittige Punkte über die funktionelle Bedeutung der einzelnen Abschnitte dieses Muskelkomplexes der weiteren Aufklärung harren. Wenn wir die histologischen Untersuchungsergebnisse der ver- schiedenen Experimente kritisch beleuchten, so sehen wir, dass beim Kaninchen der Vorhofsteil des A.-V.-Knotens mit seinen Ausläufern im allgemeinen bis an die Mündung der Vena cava sup. sin. reicht, und zwar ungefähr bis zu einer Stelle, welche an der Mündung als kleiner Buckel vorspringt und welche man als Grenzzone zwischen Vene und Vorhofsseptum auffassen kann. Beim Kaninchen liegt der Gesamtknoten teils als erste Muskelschicht, nur durch Fett- und : Zellgewebe getrennt, dieht unter dem Endokard; manchmal schiebt sich noch eine dünne Muskelschicht gewöhnlicher Vorhofsmuskulatur von der Pars membr. septi her dazwischen. Die Muskulatur der Cava sup. sin. hört an dem vorerwähnten Buckel, an ihrer charakte- ristischen Anordnung gut erkennbar, auf. Der Kammerknoten liegt gewöhnlich im Bereiche des hinteren Randes der Pars membr., der von der Vorhofsmuskulatur nach vorn stets noch etwas überdeckt wird. Meistens ragt er ein kurzes Stück in den annulären Teil des Vorhofes hinein, und aus seinem hinteren Pol strahlen die Fasern des Vorhofsteiles dieses Knotens, der am Anfang auch noch geflecht- artig ist, ins Septum nach hinten bis zur Mündung der Cava sup. Sin. Ile: EEE | Über die Bedeutung der Reizbildungsstellen des rechten Vorhofes etc. 297 Beim Kaninchenherzen 121 findet man den Tuschefleck (P,) im Bereiche des Kammer- und Vorhofsknotens. Die Mitte des Fleckes entspricht etwa der Übergangsstelle zwischen beiden Ab- schnitten. Nach der Versuchsanordnung, bei welcher die Thermode zur Beeinflussung des Zentrums im Coronarvenensinus in der Mündung der Cava sup. sin. aufgesetzt wurde, hat sie die Ausläufer des Vorhofsteiles des Aschoff-Tawara’schen Knotens getroffen (P,). Es ist also in diesem Falle das Coronarsinuszentrum (bzw. beim Kaninchen: Zentrum der Cava sup. sin.) identisch mit dem Vorhofs- knoten. In den oberen Abschnitten des Knotens, unterhalb der Fossa ovalis, hat die Thermode sicher auch nervöse Elemente be- einflusst, welche an dieser Stelle in Gestalt von Ganglienzellen und Nerven, die in den Vorhofsknoten hineinziehen, gefunden wurden. Neue, bisher noch nicht beschriebene spezifische Muskelelemente fanden sich nicht. Ganz ähnlich ist das Verhältnis beim Kaninchenherzen 123. Hier finden wir den P, entsprechenden Tuschefleck in seiner grössten Ausdehnung im Bereiche des Vorhofsteiles und des Kammerteiles .des Knotens bis zur Mitte des Stammes reichend. Die Mitte des Tuschefleckes entspricht wiederum etwa dem Grenzbezirk zwischen Vorhofs- und Kammerknoten. Die Ausläufer des Vorhofsknotens strahlen in einen klappenartigen Vorsprung, welcher der Mündung der Cava sup. sin. und damit dem wirksamen Coronarsinuspunkt ?, entspricht, so dass man auch hier die Endausbreitungen des Vorhofs- knotens als das von Zahn erwartete Zentrum ansprechen muss. | Beim Kaninchenherzen 125 findet sich eine stärkere trau- matische Blutung vorwiegend im hinteren Abschnitt des Vorhofs- septums, aber auch kleinere Blutungen im Kammerknoten. Der Tuschefleck P, trifft nicht ganz mit der spezifischen Muskulatur zusammen, sondern liegt dicht oberhalb derselben, und zwar so, dass die Mitte des Tuschefleckes dem Kammerknoten entsprechen würde. Nach hinten findet man Vorhofsknotenfasern noch im Bereiche des hinteren Endes des Tuschefleckes. Die Endausläufer des Vorhofs- knotens reichen wiederum bis zur Mündung der Vena cava sup. Sin., also bis in die wirksame Zone von P,. Die reichlichen Ganglien und Nerven am hinteren Ende des Septums, welche sich auf das Wurzelgebiet des Vorhofsknotens zu erstrecken, sind in diesem Falle weniger von Thermode P, betroffen, da sie oberhalb der eigentlichen Stelle P, liegen. 298 . Walter Koch: Das Hundeherz 124 bot insofern Schwieriekeiten für die histologische Beurteilung, als die gesamte Septummuskulatur mit Blutungen und vor allem mit Ödem durechtränkt war, wodurch die schon an und für sich schwierige Differenzierung der spezifischen und der gewöhnlichen Vorhofsmuskulatur sich noch mühseliger ge- staltete. Trotzdem liessen sich die Gesamtverhältnisse gut beurteilen. Es war bei diesem Herzen das Zentrum im Coronarsinus von aussen, von der Mündung der Vena coronaria her beeinflusst und hinterher mit Tusche markiert worden. Die mikroskopischen Schnitte zeigten den Tuschefleck in grösster Ausdehnung an der Aussenwand der Coronarvene gegenüber dem hinteren Ende des. Vorhofsseptums. Denkt man sich die Aussenwand, die selbst nur die Coronarvenen- muskulatur und ganz vereinzelte nervöse Elemente enthält, gegen die Innenwand gedrückt, so fanden sich gegenüber dem Tuschefleck grössere und kleinere Ganglienzellhaufen und Nerven, welche mit der Vena coronaria in die Mitte des Septums einstrahlten. Ent- sprechend der unteren Hälfte des Tuschefleckes (P,) sieht man die Endausläufer des Vorhofsknotens bis zur Coronarvenenmündung, und zwar zum Teil in eine buckelige Vorwölbung einstrahlen, welche die Grenze zwischen Coronarvene und Vorhof bilde. Auch im Vorhofsknoten einige Ganglien und Nerven. Andere spezifische Muskelfasern ausser dem Aschoff-Tawara’schen Knoten waren nicht zu sehen. Der Punkt P, entspricht dem Stamm des His’schen Bündels und dem Kammerknoten, wie sich aus Fibrinniederschlägen an diesen Stellen vermuten lässt. Besonderes Interesse verdient das Katzenherz 122. Auch hier ist die Markierung des Zentrums im Coronarvenensinus (P}) aussen an der Mündung der Coronarvene durch Tusche erfolgt. Die histologisch -topographischen Verhältnisse sind durch zufällig sehr günstige Schnittrichtung ausserordentlich klar zu übersehen, zumal die Vena coron. an ihrer Mündung zwei ausgesprochene Klappen besitzt, welche die Grenze zum Vorhof scharf andeuten. Im Bezirk dieser Klappen sieht man aussen am Epikard den Tuschefleck und entsprechend auf der anderen Seite der Coronarvenenmündung, noch über die Mündung hinaus nach hinten strahlend, die bindegewebs- reichen Fasern des Vorhofsknotens. Vor der Vena coron. schieben sich Ganglienzellhaufen und Nerven vom hinteren Sulcus coronarius ins Vorhofsseptum bis in den Vorhofsknoten hinein. Die im Protokoll erwähnten feinen Muskelbündelehen in den Coronarvenenklappen, LEE Über die Bedeutung der Reizbildungsstellen des rechten Vorhofes etc. 299 welche, soweit die van Gieson-Färbung erkennen lässt, an spezi- fische Fasern erinnern, scheinen mit den Ausläufern des Vorhofs- knotens in direkter Verbindung zu stehen, eine bemerkenswerte Tatsache, die weiterer histologischer Nachprüfung bedarf. Ausserdem bietet der Stamm des Reizleitungssystems einen auffallenden Befund. Fr ist in feinste, weit auseinanderliegende einzelne Muskelfäserchen aufgesplittert, welche in das fibröse Gewebe der Pars membr. bzw. in die Wand der Aortenwurzel eingewebt sind, und nur am Kammer- knoten und an der Teilungsstelle im rechten und linken Schenkel sammelt er sich zu einem kompakten Bündel, das dann aber nur noch ein Drittel der vorherigen Breite besitzt, da der locker gebaute Stammteil die ganze Dicke der Pars membr. einnimmt. Auch bei diesem Herzen sind keine neuen spezifischen Muskelfasern ausser den bekannten zu finden. P, entspricht, wie gesagt, nach seiner Lage dem Vorhofsknoten. Die Zahn’schen physiologischen Befunde und die Ergebnisse _ der histologischen Untersuchung seiner Versuchsherzen sind in zwei- facher Hinsicht von grossem Interesse für die Beurteilung der einzelnen Abschnitte der spezifischen Muskelsysteme. Finmal haben sie, wie erwähnt, die Aschoff’sche Anschauung von dem ver- schiedenen Bau des Atrioventrikularknotens aufs neue gestützt und zum Teil erklärt. Wenn schon Tawara auf die differente Zu- sammensetzung des Knotens hinwies, so konnte Aschoff doch besonders augenfällig die beiden Abschnitte am Glykogenpräparat aus dem Kalbsherzen demonstrieren, wo der Kammerteil, in seiner Muskulatur dicht mit Glykogen beladen, in scharfer Grenze gegen den Vorhofsteil aufhört. Allerdings muss man gerade bei der Be- wertung von Glykogenfärbungen in der Deutung sehr vorsichtig sein, da nichts unbeständiger und unzuverlässiger ist als das Glykogen. Da wir aber von verschiedenen Herzen genau dieselben Bilder erhielten (s. Taf. I u. I, S. 36/37 d. Verhandl. d. Deutsch. pathol. Gesellsch. Erlangen 1910), so kann man wohl mit Recht auf diesem eigen- ‚artigen Befunde seine Schlüsse aufbauen. Diese Schlüsse sind aber noch weitgehender. Nach den neuesten entwicklungsgeschichtlichen Untersuchungen von Fr. Mall!) müssen wir annehmen, dass das 1) Fr. Mall, On the Development of the human Heart. Americ. Journ. of Anat. vol. 13 p.3. 1912. 300 Walter Koch: Reizleitungssystem nicht, wie Retzer!) es vermutet und von Tandler?) noch für wahrscheinlicher gehalten wird, durch sekun- däres Einwachsen vom Vorhof in die Ventrikel entsteht, sondern dass wir es bei den spezifischen Muskelsystemen mit von vornherein angelesten Gebilden zu tun haben, welche bei niederen Tieren noch einen mehr oder weniger geschlossenen Ring um die Einmündungs- stellen der primitiven Herzabschnitte bilden, bei den höheren Tieren und beim Menschen sich aber zu den bekannten Muskelsystemen zurückgebildet haben. Die Zweiteilung des Atrioventrikularknotens erklärt sich aber nach Aschoff’s Ansicht am besten dadurch, dass wir an der Übergangsstelle von Vorhofs- und Kammerknoten die ursprüngliche Grenze des embryonalen Herzens zu suchen haben. Während nämlieh Vorhof und Ventrikel sich durch Ausstülpung der Ventrikelschleifen, durch Vorwachsen der Endothelkissen, Bildung des Klappenapparates und sekundäres Einstülpen der Vorhöfe in die Kammern gegeneinander in ihren Begrenzungen verschoben haben, wobei die Vorhöfe ventrikelwärts herabgezogen wurden, hat das Reizleitungssystem als konservativer embryonaler Bestandteil des Herzens wegen seiner gespannten Lage diese Verschiebung nicht mitgemacht, sondern seine ursprüngliche Anordnung beibehalten. Dadurch erklärt sich die Lage des Aschoff-Tawara’schen Knotens am oberen Eude des Kammerseptums im Bereiche des rechten Vorhofes, zu welchem aber nur der Vorhofsteil genetisch zuzurechnen ist, während der Kammerknoten auch als aus der Ventrikelmuskulatur hervorgegangen anzusehen ist. Noch wichtiger als diese Tatsache erscheinen mir aber die Be- ziehungen der spezifischen Muskelsysteme zu deu venösen Klappen des Herzens, die sich nicht nur an den Herzen der niederen Tiere, sondern auch noch am Menschenherzen nachweisen lassen, wie ich kürzlich?) näher ausgeführt habe. Wie bei allen Fragen, die sich mit der anatomischen Zugehörickeit einzelner Herzabschnitte befassen, gibt auch hierbei ein Blick auf die Entwicklungsgeschichte des 1) Retzer, Some results of recent investigations on the mammalian heart. The anat. Record vol. 2. 1908. 2) Tandler, Handbuch der Entwicklungsgeschichte des Menschen von Keibel und Mall Bd.2. 1911. 8) W. Koch, Zur Entwicklung und Topographie der spezifischen Muskel- systeme im Säugetierherzen. Physiol. Ges. vom 6. Dezember 1912 s. Med. Klinik Bd. 2. 1913. Über die Bedeutung der Reizbildungsstellen des rechten Vorhofes ete. 301 Herzens und auf die vergleichende Anatomie mit den Herzen niederer Tiere am besten Auskunft. So sehen wir am Fisch- und Schild- krötenherzen den Sinusknoten im Bereiche der Sinusklappen liegen. Dem entspricht seine Lage beim Menschenherzen, wo er im Bereiche der oberen Hälfte der rechten Sinusklappe erhalten geblieben ist. Der Kammerknoten und seine Ausläufer, das Reizleitungssystem, stehen mit den Papillarmuskeln zuerst in Verbindung, durch welche sie die venösen Vorhofskammerklappen beherrschen. Wie sollen wir nun aber den Vorhofsknoten, wenn wir ihn als selbständigen Teil auffassen, bewerten? Es sind da zwei Möglichkeiten ins Auge zu fassen. Wir sehen bei niederen Tieren, dass der Sinusknoten mit den dem Reizleitungssystem analogen Ventrikelfasern durch die sogenannte Basalwand des Vorhofes in direkter Beziehung steht, und an manchen Herzen lassen sich auch gewisse histologische Unter- schiede zwischen Basalwand- und spezifischer Ventrikelmuskulatur erkennen, wie ich an entsprechenden Präparaten, die mir freundlichst von Herrn Dr. Ivy Mackenzie, Glasgow, zur Verfügung gestellt wurden, ersehen konnte. Es lieet nahe, den Vorhofsknoten des Säugetierherzens als aus dieser Basalwand hervorgegangen anzusehen. Dass er. nicht mehr mit dem Sinusknoten in direkter Verbindung steht, wäre unschwer durch den grossen Umbau, den das Säugetier- herz gegenüber dem primitiven Wirbeltierherzen erfahren hat, durch Reduktionsvorgänge und vor allem durch den Einbruch der Coronar- vene zu erklären. Man würde aisdann den Vorhofsknoten zum Klappenapparat der Coronarvene in Beziehung bringen. In der Tat konnte ich auch bei den letzthin untersuchten Herzen, besonders bei der Katze, gewisse örtliche direkte Beziehungen zur Coronarvenen- klappe feststellen. Gegen diese Auffassung lassen sich aber Bedenken erheben, so vor allem die, dass die Coronarvene als sekundäres Gebilde für den ursprünglichen Aufbau des Herzschlauches nur von nebensäch- licher Bedeutung ist und man folgerichtig den Vorhofsknoten als integrierenden Bestandteil nur des Säugetierherzens auffassen müsste. Weiterhin hat man entwicklungsgeschichtlich die Valvula Thebesii (wie auch die Valvula Eustachii) als Reste der rechten Sinusklappe aufzufassen. Wenn aber der Vorhofsknoten zur Valvula Thebesii ‘ Beziehung haben soll, muss er aus diesem Grunde auch als ein Rest ' der Sinusklappenwinkelmuskulatur aufgefasst werden, da die Basal- ı wand nicht für die Sinusklappen in Betracht kommt. Wir müssen 302,3 _ Walter Koch: also in diesem Falle mit zwei Resten des Sinusklappenringes rechnen: mit dem Sinusknoten am oberen Winkel, mit dem Vorhofsknoten am unteren Winkel der ursprünglichen Sinusklappen. Dem Sinus- knoten käme dabei die (ursprüngliche) Klappenversorgung der Vena cava sup., dem Vorhofsknoten die Versorgung der Valvula Eustachii für die Cava inf. und der Valvula Thebesii für die Vena coronaria zu. Diese letztere Auffassung hat sicher viel für sich, zumal der Vorhofsknoten in dem Winkel liegt, welcher von der Valvula Thebesii “ und dem Ausläufer der Valvula Eustachii in dem seinerzeit von mir beschriebenen Sinusstreifen gebildet wird. Dass keine Verbindung mehr zwischen Sinusknoten und Vorhofsknoten besteht, ist nicht nur histologisch nachzuweisen, sondern auch aus den schon vorher er- wähnten Gründen (Einbruch der Coronarvene, Rückbildung der | Klappen usw.) wohl verständlich. Ausserdem muss man aber berück- ' sichtigen, dass diese Reste spezifischer Muskulatur im rechten Vorhof | kaum noch wirkliche Klappen zu bedienen haben, sondern nur noch als kardiomotorische Zentren ihre Wirkung ausüben. Dass ausser- | dem der Vorhofsknoten die grösste Ähnlichkeit mit dem Sinusknoten hat, sei nebenbei bemerkt. & I Bei alledem bleibt uns aber noch die Erklärung übrig, warum der Sinusknoten nicht nur anatomisch sehr viel mächtiger entwickelt, i) sondern auch funktionell dem Vorhofsknoten überlegen ist. ‘Ich " glaube, eine gewisse Deutung insofern geben zu können, als man " nach dem ganzen anatomischen Aufbau und der Lage des Vorhofs- " knotens im annulären Vorhofsabsehnitt annehmen kann, dass dieser | im Coronarvenengebiet liegende Teil des ursprünglichen Sinusgebietes ! sich zum Vorhofsabschnitt umgebildet hat. Ich glaube ferner, dass ! die Aufgabe, die die spezifische Muskulatur der Sinusklappenwinkel an embryonalen und den Herzen niederer Tiere zu verrichten hat, 1 nämlich für rechtzeitigen Klappenschluss zu sorgen, für den Vorhof des Säugetierherzens so gut wie fortgefallen ist, und dass ihr nur h noch die Aufgabe der Reizbildung zusteht. Daher die Reduktion | an Masse gegenüber dem ventrikulären Reizleitungssystem, welches h noch Klappen zu versorgen hat; daher das Überwiegen des Sinus- H knotens, der den Beginn der Herzaktion als hauptsächlichstes Zentrum | einleitet, über den Vorhofsknoten, welcher im wesentlichen, wie sein " anatomischer Aufbau zeigt, als Reizsammeltrichter für die vom | Sinusknoten durch die gewöhnliche Vorhofsmuskulatur verlaufenden } Impulse angesehen werden kann und nur unter besonderen Be- | Über die Bedeutung der Reizbildungsstellen des rechten Vorhofes etc. 303 | dingungen seine alten Zentrumsfunktionen, die ihm seine Beziehungen zur Cava inf. und Vena coron. zuerkennen, wieder aufnimmt. ‘ Wir sehen also bei allen drei Herzzentren, die aus: spezifischer Muskulatur gebildet sind, die Beziehungen zu venösen Klappen des Herzens. Da aber der venöse Klappenapparat durch aktive Be- tätigung (im Gegensatz zu den passiv tätigen arteriellen Klappen) den Blutstrom in geeignete Bahnen lenkt und jeder Herzphase jedes Herzabschnittes die richtige Klappenstellung vorangehen muss, die unter dem Einfluss der spezifischen zugehörigen Muskulatur steht, ist die den Herzrhythmus beherrschende Stellung dieser Muskel- elemente wohl verständlich, selbst wenn, wie im rechten Vorhof, die Klappen zurückgebildet sind und den spezifischen Muskelsystemen nicht mehr die Beeinflussung des Klappenapparates, sondern nur noch die Reizbildung, die kardiomotorische Funktion, geblieben ist. Durch die von Aschoff und mir stets betonte, nunmehr auch experimentell-physiologisch festgelegte Zweiteilung des A.-V.-Knotens bedarf unsere Anschauung vom Herzablauf wiederum einer erneuten Prüfung, wie sie Aschoff auf Grund unserer Befunde bereits in Erlangen anzubahnen versucht hat. Hier aber eine festgeschlossene Theorie aufstellen zu wollen, wäre ein gewagtes Unterfangen, und man kann, zumal als Morphologe, nur von Hypothesen sprechen, wenn man auf Grund der neuen Tatsachen eine Deutung des Reiz- ablaufes versucht. Dass der Sinusknoten das dominierende Zentrum ist, ist nicht nur experimentell erwiesen, sondern auch aus seiner entwicklungs- geschichtlichen Bedeutung und Lage am Beginne des Herzschlauches wahrscheinlich. Wenn nun die physiologischen Experimente erwiesen haben, dass nach reizloser Ausschaltung des Sinusknotens der A.-V.- Knoten als führender einspringt (mit verkürztem bzw. aufgehobenem A.-V.-Intervall), so verlegen wir in dieses kardiomotorische Zentrum _ mit gutem Recht die nächste Reizbildungsetappe. Die Versuche von Brandenburg und Hoffmann wie die von Zahn haben aber ‚ gezeigt, dass nach Ausschalten des Sinusknotens durch Ausbrennen, Fortschneiden, durch Formolfixierung usw., also nach einer Aus- schaltune, die mit Reiz verbunden ist, normaler oder annähernd ‘normaler Rhythmus sich wieder einstellen kann, dass also keine atrioventrikuläre Automatie sich entwickelt, sondern das Herz an- nähernd in gleicher Weise wie unter der Führung des Sinusknotens weiterschlägt. Es muss daher ein anderes Zentrum in Tätigkeit Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd. 151. 20 304 . Walter Koch: getreten sein, welches imstande ist, denselben oder nahezu denselben Rhythmus anzugeben wie der Sinusknoten, welches aber nur bei Setzung von Reizen in Funktion tritt. Wo liegt nun dieses Zentrum ? Brandenburg und Hoffmann konnten keine bestimmte Vorhofs- stelle in diesem Sinne lokalisieren, sondern vermuteten, dass die Reizbildung von mehreren Stellen der Vorhofswand ausgehen und die am schnellsten schlagende das Tempo angeben könne. Gegen diese letzte Auffassung, die auch Hering vertritt, habe ich mich gewandt und vorläufig die Bedingung für automatisch-rhythmisches Schlagen an die Anwesenheit von spezifischer Muskulatur geknüpft. Zahn ist es, wie-erwähnt, gelungen, die neue Ausgangsstelle der unter diesen Bedingungen auftretenden Herzbewegung enger zu um- grenzen und die Einmündungsstelle der Vena coronaria als die neu in Aktion tretende Zentrumsgegend zu bezeichnen. Wenn nun, wie ich mit meinen Untersuchungsergebnissen seiner Versuchsherzen fest- gelegt zu haben glaube, der Vorhofsteil des Aschoff-Tawara’schen Knotens bzw. seine Ausläufer mit dem Zentrum identisch sind, so bietet die Tatsache, dass nach reizloser Ausschaltung des Sinusknotens gleich der Kammerteil des A.-V.-Knotens mit kleinerem A.-V.-Intervall, nach Ausschalten des Sinusknotens mit Reiz der Vorhofsteil des A.-V.-Knotens mit gleiehbleibendem A.-V.-Intervall in Tätigkeit tritt, der Deutung dieser Vorgänge grosse Schwierigkeiten. Man kann die Erklärung darin suchen, dass der Vorhofsknoten (denn als Vorhofszentrum, nicht als Coronarsinuszentrum möchte ich diesen Abschnitt des A.-V.-Knotens sowohl nach seiner Lage wie auch aus Rücksicht auf die ursprüngliche Benennung durch Aschoff und Tawara bezeichnen) für gewöhnlich schlummert oder doch so geringe Automatie besitzt, dass er nicht in Funktion tritt. Dafür sprechen auch einige anatomische Herzbefunde. Die Vor- höfe des Säugetierherzens, vor allem der basale Abschnitt, sind ohne Frage in Rückbildung begriffene und immer mehr zurücktretende @ Herzabsehnitte, deren Funktion für das gesunde Herz weniger in aktiver Tätigkeit besteht, als dass sie ein Füllunesreservoir darstellen und in kompensatorisch-regulatorischer Weise dem Blutstrom die ge- schlossene Einheit und Richtung geben. Selbstverständlich spreche ich ihnen nicht aktive Beteiligung bei der Herzrevolution ab, die ja #: für den trabekulären Teil ausser Frage steht, sondern will nur die im Schwinden begriffene grobe Kraft gegenüber der immer mehr 4 zunehmenden der Ventrikel hervorheben. Wieweit bei pathologischer Über die Bedeutung der Reizbıldungsstellen des rechten Vorhofes etc. 305 Herztätigkeit, bei Klappenfehlern und Störungen im kleinen Kreis- lauf die Vorhöfe zu wieder mehr aktiver Tätigkeit veranlasst werden, bedarf noch weiterer Aufklärung. Wenn aber der Vorhof als solcher nur eine untergeordnete Bedeutung im normalen Säugetierherzen hat, wäre es nicht unwahrscheinlich, dass auch der Vorhofsknoten normaler- weise nur eine sekundäre Bedeutune für den Herzschlag besitzt. In diesem Zusammenhange möchte ich auf eine histologische Eigentümlichkeit hinweisen, die man am Huftierberzen erheben kann, bei dem der Vorhof im Verhältnis zu den Kammern besonders klein ist. Während der Kammerknoten reichlich Glykogen enthält und auch der Sinusknoten, ist der Vorhofsknoten, soweit ich es beobachten konnte, stets frei davon oder enthält doch nur geringe Spuren. Man könnte nun diesen differenten Glykogengehalt mit der funktionellen Tätigkeit der spezifischen Muskelsysteme in Zusammenhang bringen, da eine andere einleuchtende Erklärung für die Bedeutung des Gly- kogens in diesen Systemen noch aussteht. Doch ist ein diesbezüglicher Analogieschluss nur mit allem Vorbehalt zu machen, zumal die Unter- suchungen von Berblinger!) gezeigt haben, dass oft die träge arbeitenden Muskeln mehr Glykogen enthalten als die flinken. Während also im gewöhnlichen Reizablauf der Sinusknoten durch die gewöhnliche trabekuläre Muskulatur seine Reizimpulse dem Kammerknoten übermittelt und. dieser nach reizloser Aus- schaltung des Sinusknotens mit verkürztem A.-V.-Intervall das Herz in rhythmische Tätigkeit versetzt, bewirkt Ausschaltung des Sinus- knotens mit Reiz ein Wiederaufleben des Vorhofsknotens, wobei die Herztätigkeit einen ebenfalls annähernd normalen Rhythmus mit positivem A.-V.-Intervall zeigt. Die dabei auftretende Frequenz- vermehrung liesse sich durch den Reizzustand des Vorhofsknotens wohl erklären, während das A.-V.-Intervall bestehen bleiben muss, da ja der ‘Ort der Leitungsverzögerung, der von Aschoff und Hering?) in den Atrioventrikularknoten verlegt wird und den ich speziell im Kammerknoten mit seinem wirren Geflecht oder an seinem Übergang in den Vorhofsknoten suchen möchte, noch zwischengeschaltet und 1) W. Berblinger, Das Glykogen im menschlichen Herzen. Ziegler’s Beiträge Bd. 53 8. 3. 1912. 2) In einer unlängst aus dem Hering’schen Institute erschienenen Arbeit von Ken Kure (Zeitschr. f. exper. Path. u. Therapie Bd. 12 S. 435. 1913) ver- legt Verfasser den Ort der Überleitungsverzögerung in den Vorhofsabschnitt des Atrioventrikularknotens. 20 * 2 306 Walter Koch: nicht selbständiges Zentrum ist. Da allerdings anzunehmen wäre, dass solcher Reiz schnell abklingen wird, muss man zu der Hilfs- hypothese seine Zuflucht nehmen, dass dieses durch Reiz auf reflek- torischem (nervösem ?) Wege in Funktion gesetzte Vorhofszentrum die Fähigkeit besitzt, dauernd einen frequenteren Rhythmus einzuhalten. Wieweit bei der nicht reizlosen Ausschaltung des Sinusknotens Reflexe auf nervösen Bahnen in Betracht kommen, entzieht sich bei unserer heutigen, noch so unvollkommenen Kenntnis der anatomischen Verhältnisse der nervösen Apparate des Herzens, besonders auch der etwaigen nervösen Verbindungen von Sinusknoten und A.-V.-Knoten, meiner Beurteilung. In den Protokollen habe ich die Anwesenheit von Ganglien und Nerven erwähnt, wo es mir von Bedeutung er- schien, und nach der Lage der nervösen Elemente war Beeinflussung derselben durch die Thermoden zum Teil ebensowohl möglich wie die direkte Beeinflussung der spezifischen Muskulatur. Eine Er- klärung für alle Vorgänge, so unvollkommen sie auch nach Lage der Dinge noch sein muss, erscheint mir aber an der Hand der spezi- fischen Muskulatur immer noch bedeutend einfacher als mit Hilfe des Herznervensystems, zumal wir mit unseren gewöhnlichen Färbungen nur einen Bruchteil desselben zu sehen bekommen und weiterhin von keiner Ganglienzelle, von keinem Nerven sagen können, ob sie dem Vagus, dem Accelerans zuzurechnen sind oder selbständige Ge- bilde darstellen. Die Abtrennung des neuen Zentrums, des Aschoff’schen Vor- hofsknotens, aus dem Atrioventrikularknoten ist zurzeit anatomisch und experimentell-physiologisch begründet, und gerade das physio- logische Experiment zeigt, dass die zurzeit von mir gemachten Be- obachtungen über das Ultimum moriens des menschlichen Herzens!) wohl begründet waren, wenn auch die Deutung der Befunde in einer Zeit, wo der Keith’sche Knoten noch nicht bekannt war, nur zum Teil richtig waren ?). 1) W. Koch, Uber das Ultimum moriens des menschlichen Herzens. Ein Beitrag zur Frage des Sinusgebietes. Ziegler’s Beiträge Bd. 42 S. 203. 1907. 2) Im Februarheft der Jahreskurse für ärztliche Fortbildung 1913 erwähnt A. Hoffmann die seinerzeit von mir in der vorerwähnten Arbeit niedergelegten Beobachtungen am absterbenden Herzen. Anatomisch falsch sind aber seine Be- zeichnungen der Herzzentren, da Hoffmann den Keith’schen Knoten und den Sinuskroten als zwei verschiedene Gebilde auffasst und den Sinusknoten in den Coronarsinus verlegt. Der von mir als Sinusknoten bezeichnete spezifische / Über die Bedeutung der Reizbildungsstellen des rechten Vorhofes etc. 307 So gibt das Herz, wo man es auch angreift, immer neue Pro- bleme. Neue Befunde, die noch nicht einwandsfrei zu deuten sind, scheinen oft eben in geregelte Bahnen gebrachte Erklärungen des physiologischen Geschehens wieder zu verwirren. Wir können aber nicht achtlos an ihnen vorübergehen. Sind unsere Schlüsse Trug- schlüsse, so werden neue Untersuchungen, neue Beobachtungen das erweisen. Wir können immer nur mit dem Gegenwärtigen arbeiten, und selbst Vorstellungen und Definitionen, die eine spätere Korrektur erfahren, haben ihren Wert, wenn sie auf weiteres Eindringen in die Materie befruchtend einwirken. Zusammenfassung. 1. Hering’s Auffassung, dass Vorhofsabschnitte, die anatomisch nicht mit den spezifischen Muskelsystemen in Zusammenhang stehen, unter gewissen Umständen automatisch-rhythmische Zentren bilden können, ist nicht sicher bewiesen und überhaupt unwahrscheinlich. 2. Der Aschoff-Tawara’sche Knoten besteht aus zwei, anatomisch und physiologisch trennbaren Abschnitten. -3. Die Grenze zwischen den beiden Atrioventrikularknoten- abschnitten ist die ursprüngliche Vorhofskammergrenze. 4. Das von Zahn im Coronarvenentrichter isolierte selbständige Zentrum entspricht dem Vorhnofsabschnitt des Aschoff-Tawara’schen Knotens und seiner Ausläufer in den Coronarvenensinus. 5. Die spezifischen Muskelsysteme stehen in Beziehung zum venösen Klappenapparat des Herzens, der Sinusknoten und seine Ausläufer zu den Sinusklappen (Vena cava sup.), der Kammerknoten und seine Ausläufer (Reizleitungssystem) zu den Atrioventrikular- klappen. 6. Der Vorhofsknoten und seine Ausläufer zum Coronarvenen- triehter sind vielleicht ebenfalls als Rest der Sinusklappenwinkel- muskulatur anzusehen und stehen als soleher in Beziehung zur Vena cava inf. bzw. Vena coronaria. Muskelkomplex an der Mündung der Vena cava sup. ist aber mit dem von Keith zuerst beschriebenen „sino-auricular node“ identisch, und das Coronar- sinuszentrum entspricht dem Aschoff-Tawara’schen Knoten, dessen Ausläufer, wie schon früher von Aschoff, Tawara und mir stets behauptet, bis in den Coronarsinus auslaufen und von welchem, wie in dieser Arbeit beschrieben, sich der Vorhofsknoten noch anatomisch (und physiologisch) abtrennen lässt. 308 Walter Koch: Über die Bedeutung der Reizbildungsstellen etc. 7. Die Zahn’schen Ergebnisse, dass nur bei Ausschaltung des Sinusknotens mit Reiz der Vorhofsknoten in Funktion tritt, lassen sich möglicherweise dadurch erklären, dass der Vorhofsknoten für gewöhnlich schlummert und nur unter besonderen Bedingungen seine Tätiekeit wieder aufnimmt, und zwar dann in ähnlicher Form wie der Sinusknoten, mit dem er entwicklungsgeschichtlich verwandt ist. 8. Die unter gewöhnlichen Umständen zurücktretende Wertiekeit des Vorhofsknotens erklärt sich vielleicht daraus, dass auch der Vorhof, besonders in seinen basalen Abschnitten, ein in Rückbildung begriffener Herzabschnitt ist. 309 (Aus dem pharmakologischen Institut der Reichsuniversität Utrecht.) Versuche zur Ermittlung der stopfenden Bestandteile im Opium (Pantopon)!). Von ©. Hesse und P. Neukirch. (Mit 7 Textfiguren.) Die stopfende Wirkung des Morphins auf den Milchdurchfall der Katzen wurde von Magnus?) nachgewiesen; er zeigte ferner mit Hilfe des Röntgenverfahrens an Katzen mit Kartoffelbrei-Wismut- Fütterung, dass die stopfende Wirkung hauptsächlich durch lang- dauernde Kontraktion der Magenmitte und des Pylorus bedingt wird. Eine direkte Darmwirkang des Morphins trat dem gegenüber völlig zurück. In Fortsetzung dieser Versuche im hiesigen Institut be- obachtete Padtberg?), dass dagegen bei dem Koloquintendurch- fall der Katzen die beschleunigte Bewegung des Darmes durch Morphin und Opium aufgehoben wird. Die durch diese Darm- stopfung ermöglichte starke Resorption von Kolocynthin führte, wenn das Morphin zur Zeit der grössten Dünndarmfüllung injiziert war, regelmässig zum Tode der Tiere unter charakteristischen Er- scheinungen. Die gleiche Wirkung wie mit Morphin konnten Magnus und Padtberg auch mit dem Opium erzielen. Nur erwies sich dieses letztere, besonders was die Wirkung auf den Darm betrifft, als deut- 1) Die Versuche wurden im Februar 1911 begonnen und erstrecken sich über ca. 2 Jahre. 2) R. Magnus, Die stopfende Wirkung des Morphins. I. Mitt. Pflüger’s | Arch. Bd. 115 S. 320. 1906. 3) J. H. Padtberg, Über die Stopfwirkung von Morphin und Opium bei I Koloquintendurchfällen. Pflüger’s Arch. Bd. 139 S. 318. 1911. Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd. 151. 2i \ 310 OÖ. Hesse und P. Neukirch: lich wirksamer. Das stimmt mit den klinischen Erfahrungen am Menschen überein. Es ist daher zu vermuten, dass das Opium ausser dem Morphin noch andere stopfende Bestandteile enthält. In der Tat haben Gottlieb und v.d. Eeckhout!) schon gezeigt, dass die morphinfreie Opiumtinktur imstande ist, den Milchdurch- fall der Katzen zu stopfen. Diese Wirkung ist schwächer als die des morphinhaltigen Opiums. Andere Arbeiten über die Wirkung der einzelnen Opiumalkaloide, für sich allein und im Kombination mit Morphin, so vonv.Schröder?), Faust?), Straub), Cohnheim undModrakowski°), Winternitz‘), Caesar’), Zeelen?®)u.a., enthalten nur zum Teil Angaben über den stopfenden Einfluss der- selben bei Menschen und Tieren, so dass dies Problem zurzeit noch nicht gelöst ist. Die Resultate dieser Autoren werden an geeigneter Stelle herangezogen werden. Es erschien daher aussichtsreich, mit den gleichen Methoden wie Magnus und Fadtberg zu versuchen, die anderen stopfen- den Bestandteile des Opiums aufzufinden. Die Untersuchungen gingen vom morphinfreien Pantopon aus (vel. Winternitz‘), von welchem wir durch die herstellende Fabrik wenigstens einige Teilpräparate erhalten konnten. Das Pantopon hat den Vorteil der Wasserlöslichkeit und enthält die Alkaloide des Opiums in Form ihrer Chloride. Nicht dagegen enthält es die Mekonsäure und andere Säuren des Opiums und ebenfalls nicht die 1) R. Gottlieb und A. v. d. Eeckhout, Ein Beitrag zum Vergleich der Opium- und Morphiumwirkung. Arch. f. exper. Path. u. Pharmak., Suppl. 1908. 2) W. v. Schröder, Untersuchungen über die pharmakol. Gruppe des Morphins. Arch. f. exper. Path. u. Pharmak. Bd. 17 S. 96. 1883. 3) E. S. Faust, Über kombinierte Wirkung einiger Opiumalkaloide. Münchn. med. Wochenschr. 1912 Nr. 46 S. 2489. 4) W. Straub, Die pharmakodynamische Wirkung des Narkotins im Opium. Biochem. Zeitschr. Bd. 41 S.419. 1912. 5) ©. Cohnheim und G. Modrakowski, Zur Wirkung des Morphins und Opiums auf den Magen-Darm-Kanal. Münchener med. Wochenschr. 1911 Nr. 54 8. 764. 6) H. Winternitz, Über morphinfreies Pantopon und die Wirkung der Nebenalkaloide- beim Menschen. Münchener med. Wochenschr. 1912 Nr. 16 S. 858. 7) H. Caesar, Quantitative Untersuchung der Toxizitätsänderung des Morphins bei Kombination mit anderen Opiumalkaloiden. Biochem. Zeitschr. Bd. 42 S. 316. 1912. 8) V. Zeelen, Über die Wirkung kombinierter Opiumalkaloide. Zeitschr. f, exper. Path, u. Therapie Bd. 8 8.586. 1911. ee EEE | | | | | Versuche zur Ermittlung der stopfenden Bestandteile im Opium. 311 übrigen sogenannten Ballaststoffe desselben. Unsere Versuche sagen daher nur etwas aus über die Stopfwirkung der Opiumalkaloide, aber nichts über die der Mekonsäure !) und der Ballaststoffe. Ausser den erwähnten Teilpräparaten wurden von den einzelnen Alkaloiden nur die ihrer Menge nach am stärksten beteiligten untersucht. Die Versuche ergaben, dass die Beobachtung der Wirkung auf den Milchdurchfall keine eindeutigen Schlüsse zuliess, während der Einfluss auf den Koloquintendurehfall zu klaren Resultaten führte. Methodik. Von der Firma Hoffmann-La Roche & Co. wurden uns folgende Präparate überlassen bzw. auf unsere Veranlassung hergestellt: Morphinfreies Pantopon, morphinfreies kodeinarmes Pantopon , die Chloride der wichtigsten einzelnen Alkaloide des morphinfreien Pantopons, nämlich von Kodein, Narkotin, Papaverin, Thebain, Narcein; endlich ein Gemenge der Chlorhydrate der noch übrigen Alkaloide nach Aus- schluss von Morphin, Kodein, Narkotin, Papaverin, Thebain, Narcein _ (im folgenden als „Restalkaloide“ angeführt). Die qualitative Prüfung des morphinfreien Pantopons auf Morphin ergab, dass das Präparat höchstens minimale Spuren von Morphin enthielt. Nach Mitteilung der Fabrik ist das Prozentverhältnis der Alkaloide im Pantopon folgendes: Morphin 0.02 ca. 52%/0 Kodein „23° (2,5 '/o gerechnet) Narkotin . 18 Bapayerin. 2... 25-8320 (2,50 gerechnet) Thebain N Une Narceinkere rs. 0lo Restalkaloide lo Kristallwasser 0... , 80 Salzsäure. . . 90 Im morphinfreien Pentopon fehlt das Morphin, das Prozentverhältnis der übrigen Alkaloide ist dagegen unverändert gelassen. Über die Zusammensetzung des „morphinfreien-kodeinarmen Pantopons“ vgl. unten S. 816. ! Zur Prüfung der Stopfwirkung wurden die Präparate in Wasser- Glycerin 2:1 (resp. 3:1) gelöst und den Katzen subkutan injiziert. Für die Untersuchung einer Stopfwirkung ist die Anwendung der betreffenden Substanzen an gesunden Menschen oder Versuchstieren am wenigsten geeignet. Es ist nötig, den Einfluss auf verschiedene Arten experimentell erzeugten Durchfalles zu beobachten. Diese Durch- 1) Dass die Mekonsäure nicht von jeder physiologischen Wirkung entblösst ist, ergibt sich aus den Versuchen von O. Barth, Ein Beitrag zur Wirkung der Opiumalkaloide unter besonderer Berücksichtigung des Pantopons. Arch. f, : exper, Path. u. Pharmak. Bd. 70 8.258, 1912. 21* 312 OÖ. Hesse und P. Neukirch: fälle müssen, sofern nicht gestopft wird, vollständig regelmässig auf- treten und nach Möglichkeit in ihrem verschiedenen Mechanismus bekannt sein. Der für die vorliegende Untersuchung benutzte Milch- durchfall wurde in der von Magnus!) beschriebenen Weise erzielt: Die Katzen kamen nicht eher in den Versuch, als bis etwa 7 Tage lang vorher regelmässig zwei- oder mehrmals täglich flüssige oder breiige Entleerungen auftraten. Nur in ganz vereinzelten Fällen musste ein Tier wegen unregelmässiger Nahrungsaufnahme und dadurch be- dingter Störung der Entleerung ausgeschaltet werden. Während des Versuchs wurde, wenn nötig, die zweimal täglich gegebene Milch mit der Schlundsonde eingeführt. Dass spontan oder nach Sondenfütterung gelegentlich Erbrechen vorkommt, ist ebensowenig zu vermeiden wie, zumal im Winter, Erkrankungen der Tiere an Bronchitis und Pneumonie. Die mit diesen Katzen begonnenen Versuche wurden ausgesetzt. Die Beobachtung an den Katzen mit Milchdurchfall erstreckte sich auf Beschaffenheit und Zahl der Entleerungen. Da bei reiner Milch- fütterung mindestens zweimal täglich Durchfall verzeichnet werden konnte, wurde positive Stopfwirkung angenommen, wenn 16 Stunden und später nach der Injektion keine Defäkation statthatte. Ferner wurde das motorische Verhalten der Tiere vermerkt und in einer Zahl der Fälle der Sektionsbefund. Zur Röntgenuntersuchung eignet sich der Milchdurchfall nicht, weil das Wismut fast ausschliesslich im Ge- rinnsel des Magens zurückgehalten wird, während die Molke ohne genügende Beimengung schattengebender Substanz allein den Magen- Darm-Kanal passiert; Best und Öohnheim?) haben diese Verhältnisse am Fistelhund bei verschiedenen Nahrungsmitteln experimentell auf- geklärt. Schädigenden Einfluss, wie er bei Bismutum subnitricum und Milchfütterung der Katzen von Magnus?°) gesehen wurde, hat eine Mischung von Wismuthydrat mit Milch nicht. Der Koloquintendurchfall ist von Padtberg*) mit Hilfe der Röntgendurchleuchtung an Katzen untersucht. Die von ihm angewandte Technik wurde auch bei Beobachtung der Opiumalkaloidwirkung auf 4 den Koloquintendurchfall benutzt. Das Dekokt wurde nach Angabe der Pharmakopöe täglich frisch aus entkernten Früchten bereitet und seine gute Wirksamkeit jedesmal an Tieren ohne Alkaloidinjektion kontrolliert. Die Menge des mit der Schlundsonde eingeführten De- koktes ist in den Protokollen angegeben, ebenso der Zeitraum zwischen der Kartoffelbrei-Wismut- (25:5 g) und der Dekoktfütterung. Das zu untersuchende Alkaloidpräparat ist durchweg nach Röntgen- kontrolle injiziert, wenn der Magen ganz oder grossenteils entleert, der Dünndarm maximal gefüllt war, weil ja zu dieser Zeit auch die eigenartige Wirkung des Morphins zu beobachten ist. In einem Teil l) Magnus, I. c. 2) F. Best und ©. Cohnheim, Zur Röntgenuntersuchung des Verdauungs- kanals. Münchener med. Wochenschr. 1911 Nr. 51 S. 2732. 3) R. Magnus, Die stopfende Wirkung des Morphins. II. Mitt. Pflüger’s Arch. Bd. 122 S. 243. 1908. . 4) J. H. Padtberg, Der Einfluss des Koloquintendekoktes auf die Ver- dauungsbewegungen. Pflüger’s Arch. Bd. 134 S. 627. 1910. Versuche zur Ermittlung der stopfenden Bestandteile im Opium. 313 der Versuche (Kodein, morphinfreies kodeinarmes Pantopon, Kontroll- tiere) wurde die Röntgenuntersuchung vollständig durchgeführt, so dass das Gesamtbild der Dünndarm- und Dickdarmpassage vorliegt. In den übrigen Fällen wurden von jedem Tier nur als Stichproben einige Durchleuchtungen vorgenommen, besonders zur Zeit der Injektion des Alkaloids und gegen Ende der Beobachtung. — Im übrigen ist Zahl und Konsistenz der Entleerungen, das motorische Verhalten der Tiere protokolliert und eine grosse Reihe von Sektionsbefunden erhoben. Während die Tiere mit Milchdurchfall zum Teil 8—10 Tage nach einem Versuch wieder zu einem zweiten benutzt werden konnten, wurden für die Koloquintenversuche durchweg neue Tiere genommen, damit die Ergebnisse nicht durch Summation der bei grossen Kolo- quintendosen manchmal beträchtlichen Schädigungen gestört wurden. Auch Erbrechen tritt bald nach der Koloquintenfütterung noch häufiger ein als nach Milchfütterung, so dass eine grössere Zahl von Tieren ausgeschaltet werden musste. Das mehrere Stunden nach Koloquinten und oft im Anschluss an die Alkaloidinjektion vorkommende Erbrechen bei fast leerem Magen stört dagegen die Versuche nicht. 1. Einfluss der Opiumalkaloide auf Katzen mit Milchdurchfall. 1. Morphinfreies Pantopon. Es musste zunächst die Dosis festgestellt werden, die, ohne schon tödlich zu sein, ausgesprochenen Erfolg erzielt. Wie die Tabelle Il zeigt, liegt diese Dosis für Katzen um 0,08—0,1 g morphinfreien Pantopons. Um einen Anhalt zu geben, ist in dieser und allen folgenden Tabellen angegeben, wie gross die der zugeführten Alkaloidmenge ent- sprechende Dosis von morphinhaltigem Pantopon, also dem von Sahli!) eingeführten, jetzt in der Praxis viel benutzten Pantopon ist. Die Menge morphinhaltigen Pantopons, die 0,08—0,1 g morphinfreies Pantopon enthalten würde, lässt sich leicht aus dem von der Fabrik angegebenen Prozentverhältnis der Alkaloide im Pantopon berechnen. Diese Berechnung kann nicht bis ins kleinste genau ausfallen, weil eine so exakte chemische Analyse des Pantopons zurzeit noch nicht vorliegt. Für die prozentuale Umrechnung sind die 17° Kristall- wasser und Salzsäure des Pantopons auf die einzelner Alkaloide im Verhältnis ihrer Mengenbeteiligung am Pantopon angerechnet; auch dies ist zwar nicht völlig, doch ausreichend genau. Danach enthalten 100 g Pantopon an Chlorhydraten der einzelnen Alkaloide: 1) H. Sahli, Über Pantopon, ein die Gesamtalkaloide des Opiums in leicht löslicher und auch zu subkutaner Injektion geeigneter Form enthaltendes Opiumpräparat. Therapeut. Monatsh. 1909 Nr. 1 S. 1. — Münchener med. Wochenschr. 1910 Nr. 25 S. 1326. 314 O. Hesse und P. Neukirch: Morphin 2 2: 200 20, Kodensere 22.22 2. 900 200, Narkotine2 2. 127% 0. eealeren, Papaverin. ee: 3.02: Ihebainea an... nee a2 da Narceinwae are or: 1208 Restalkaloide. Bee 0.) oder: In 100 g Pantopon sind 62,7 g Morphin. mur. und 37,3 g andere Alkaloide zu rechnen. 0,1 g morphinfreien Pantopons wären also in ca. 0,27 g morphinhaltigen Pantopons vorhanden, 0,08 g morphinfreien Pantopons in ca. 0,21 g morphinhaltigen Pantopons. Wenn auch absolut diese angenommenen Werte nicht völlig exakt sind, müssen sie doch aufgestellt werden, weil man für die genaue Um- rechnung der einzelnen Alkaloide genauer relativer Zahlen bedarf. In einer zweiten Kolumne der Tabellen ist ferner angeführt, wie gross die Dosis der einzelnen Alkaloide war, die in einem injizierten Alkaloidgemisch enthalten ist. (Tabelle Il siehe auf S. 315.) Aus den Versuchsprotokollen ist hervorzuheben: Durchweg, auch bei kleinen, nichtstopfenden Dosen, fiel nach der Injektion die Weite der Pupillen und ein starker Speichelfluss auf. Mehrfach leckten die Tiere anhaltend ihre Schnauze, wie man es vor dem Brechen oft sieht. Zwei Tiere erbrachen etwas geronnene Milch, und zwar 3 und 17 Stunden resp. 4 Stunden nach der Injektion. Zweimal fand sich der erste Durchfall schon !/a—!/sg Stunde post inject. Nach der Injektion tranken die Tiere nicht spontan ihre Milch und mussten an diesem Tage mit der Schlundsonde gefüttert werden. In den meisten Fällen nahmen die Katzen 1—2 Tage nach dem Versuch wieder spontan zweimal täglich Milch zu sich. In allen Fällen, auch den unterdosierten, war eine deutliche Veränderung des Verhaltens der Tiere zu beobachten: Sie zeigten Angst, verkrochen sich in die Ecken, waren teils erregt, teils benommen und spontan zeitweise auffallend still, gehemmt, bei gesteigerter Reflexerregbarkeit. Diese Veränderungen traten einige Minuten nach der Einspritzung auf und nahmen 2—4 Stunden später allmählich ab. Am folgenden Tage waren sie immer verschwunden. Auch anfangs sehr wilde Tiere wurden im Laufe des Versuches be- nommen-ruhlig. Gottlieb und v. d. Eeckhout beobachteten bei morphinfreier Opiumtinktur hauptsächlich erregende Wirkung auf die Katzen. Zwei Tiere starben nach wiederholten klonischen Krämpfen mehrere Stunden nach der Injektion, ohne charakteristischen Sektions- befund. Die zu je zwei Versuchen benutzten drei Tiere verhielten sich annähernd beidemal gleich, entweder mehr ängstlich-errest oder mehr benommen-gehemmt, auch bei verschiedener Dosierung. Die motorische Erregung erreichte in keinem Falle den Grad, wie er nach Injektion von 0,03—0,04 g Morphin. mur. an Katzen zu beobachten ist. Es war also nach Tabelle Il unter zehn Fällen richtiger Do- sierung achtmal eine Stopfwirkung festzustellen, die in verzögerter Entleerung, einigemal auch in Eindieckung des Kotes bestand. Nur 315 Versuche zur Ermittlung der stopfenden Bestandteile im Opium. "uuey] UOPIOM JOUY99195 AoydIs Jysıu Hoduom AaFunes nz UM UONEYRFOCT 9819 Ip Ssep “usmapaq uogqesueuapgez J[oddoq (I 419IsopAaqn 49] > eu poL| Sıssnguunp (1 &r ei Atısod wRnAgleg 86 awugeusny |[ySIT > ydeu poL = = [14 = SıssaH Fr ‘(122 —_ Aısod WTNSISSHF 3/,7% ougeusny ATyedau ydrangfey II == > yorom 12 — z rey 08 < == S yoram 319 Be anısod gyromgeg | 2/88 _ ANISsod y9emy9s S #/681 : { : gT> Kr 3 x 3 yaram sI> J191S0P.A9Jun Ayedau SISSHE-WRA| SI> many nn a ssjjgszenreerzuzkuchhnnn nn uapunyg sogonsIg‘ so ed ussunydowag N a 94819 19p Jonep SIOJIH "rd AV 374078 9800 030°0 910°0 9700 9T0°0 700 &T0°0 8100 g10°0 8100 g10°0 600°0 200°0 L00°0 900°0 7000 £00°0 &00°0 £00°0 800°0 800'0 8000 800°0 £00°0 £00°0 300°0 1000 1000 nu OpIofenfeIsay7 N "Inu ’ulyIyı1e 010°0 | 2100 | #600 | 2100 E70 9T‘o #1 2000 | 6000 | 120°0 | 600'0 380 310 el 9000 | 8000 | 6600 | 8000 L3'0 To al 9000 | 8000 | 6800 |-800°0 130 To II 9000 8000 | 6600 | 800'0 130 To oL <00°0 | 2000 | €20'0 | 2000 70 60°0 6 000 | 9000 | 2700 | 900°0 830 S0°0 8 000 | 9000 | 2700 | 9000 230 800 L 000 9000 | 2700 | 9000 230 80‘0 9 c00°0 | 9000 . 2700 | 900°0 330 800 g <00'0 | 900°0 2700 | 9000 al 80°0 r F00°0 | <00°0 | 8 oO 5 -urydıaour ul so19AF S 5: 5’ B uoyey -urgd.rou r Asse -Ju9 9IBM WUWRAD UT IEUJU9 SISOT SYaaızılur 9Iq 95UuaN SL ysı yuorzı[u] "TI O1I94eL 316 O. Hesse und P. Neukirch: ein Fall war negativ: ein Tier starb im Versuch. Derartige Aus- nahmen dürften bei dieser Methodik niemals ganz zu vermeiden sein, weil je nach Alter, Ernährung, Gesundheitszustand der Tiere die gleiche Alkaloiddosis nicht in jedem Falle ganz dasselbe be- deutet. — Demnach wird der Milchdurchfall der Katzen durch 0,08—-0,1 g morphinfreien Pantopons gestopft. Das stimmt mit der Beobachtung von Gottlieb und v. d. Beckhout überein (morphinfreie Opiumtinktur). 2. Morphinfreies kodeinarmes Pantopon. Dieses Präparat wurde auf unsere Bitte in der Fabrik aus Pantopon direkt hergestellt und nicht durch Synthese der Einzel- alkaloide gewonnen. Es enthält Spuren von Morphin und ca. 0,8% Codein. mur. im Gegensatz zu ca. 6°o Kodein im morphinfreien Pantopon. Ein ganz morphin- und kodeinfreies Pantopon herzustellen, war technisch nicht möglich. Die Benutzung dieses Präparates war nötig, weil die Synthese eines morphin- und kodeinfreien Pantopons aus den uns gelieferten Einzelalkaloiden möglicherweise andere Eigenschaften hätte ergehen können als dieser durch Subtraktion des (meisten) Kodeins entstandene Stoff, Verhältnisse, die erst nach Anstellung des Versuches Nr. 8 (s. u. S. 320) hervortraten. = Injiziert ist mor- | 0,08] 0,085 | 0,23 |< 0,001 | 0,050 | 0,007. 0,005 | 0,003 | | | Tabelle 12. 8 “3 | S et as 25 Die Dosis enthält in Gramm oo. = En Sa | a nn R ia q R | a RTV Sim . \,8 B= s 8 ! . ©, -E| a |: 8 = = 2 I. Stopfwirkung Go RS = oO - © 5 SH vH ı mn - = een wege SEE De=| = kit | ei Bere e 38 sel 8° s.|S$ Says 2 — | 4 8 g BE je = | rs 0,08 | 0,085 | 0,23 |< 0,001 0,050 | 0,007 0,005 0,003 0,014 Durchfall vermehrt | negatı 0,08 | 0,085 | 0,23 |< 0,001 | 0,050 | 0,007 | 0,005 | 0,003 0,014 | Durchfall unverän- | negati dert, zweimal täglich | (dreimal am Tage) 0,08 | 0,085 | 0,23 |< 0,001 | 0,050 | 0,007 0,005 0,003 0,014 | tot 21/z Stunden nach [unsich! | der Injektion | ändert, flüssig Dass nicht unterdosiert war, geht aus dem Vergleich mit der Dosie- rung in Versuch 1 hervor. Der Sektionsbefund des toten Tieres war un- charakteristisch; Pneumonie oder ähnliches bestand nicht. Am Tage der Injektion mussten die Tiere die zweite Milchfütterung mit der | \ 0,03 | 0,085 | 0,23 |< 0,001 0,050 | 0,007 | 0,005 | 0,003 | 0,014 | Durchfall vermehrt | negati j 0,014] Durchfall unver- | negati Versuche zur Ermittlung der stopfenden Bestandteile im Opium. 317 Schlundsonde bekommen, waren sonst aber erheblich weniger alteriert als die mit morphinfreiem Pantopon behandelten Katzen. Sie erschienen nur leicht benommen, ruhig; zwei von ihnen zeigten anfangs geringe Erregung und Speichelfluss. Morphinfreies kodeinarmes Pantopon stopft dem- nach den Milchdurchfall der Katzen nicht. 3. Kodein. Vier Katzen mit Milehdurchfall bekamen je 0,05 g Codein. phosphor.!) subkutan, entsprechend ca. 0,027 g Codein. mur. Es ist dies im Vergleich zu den angewandten Dosen von morphinfreiem Pantopon eine beträchtliche Menge. 0,027 & Codein. mur. wären enthalten in 0,336 g morphinfreiem Pantopon oder in 0,9 g morphin- haltigem Pantopon. In keinem Falle wurde der Milchdurchfall deut- lich gestopft; der Versuch verlief negativ. Die Tiere nahmen auch nach der Injektion spontan ihre Nahrung, hatten weite Pupillen und motorische Unruhe. Dass es sich um eine in anderer Weise noch durchaus wirksame Kodeindosis handelte, wird durch die Kodeinversuche an normalen Tieren und an Katzen mit Koloquintendurchfall (s. unten S. 335 f) bewiesen, 4. Sämtliche Opiumalkaloide nach Ausschluss des Morphins und der Restalkaloide. Dieses Präparat wurde aus den von der Fabrik gelieferten Einzelpräparaten von uns zusammengesetzt in dem von der Firma angegebenen Prozentverhältnis, das denselben Stoffen im Pantopon zukommt. Es wurden also gemischt: Codein. mur. . . . 0,3 8 Narkotin. mur. . . 2,08 Papaverin. mur. . . 0,25 8 Thebain. mur.. . . Mao Narcein. mur. . . . Ol ner Wasser-Glycerin . . 100 8. (Die geringen Abweichungen von der eingangs berechneten Zusammensetzung sind ohne Belang.) 1) Dieser Versuch wurde nicht zur Zeit der übrigen Versuchsserien ge- macht; es wurde Codein. phosphor. Böhringer benutzt. OÖ. Hesse und P. Neukirch: >18 Aorsopaaqn = = 30} 000 T10°0 | FI0'0 0010 | FIO'O Fo Ad) #10 2 I E s 3< '9T > | 700'0 | 2000 |600°0 0200 0100 sE0 2T‘0 To ei — x = 9< '08> | F00'0 | 2000 6000 0200 | 0100 380 31'0 1'0 1 — 5 5 3< ‘9T > | 8000 | 900‘0 | 8000 0900 | 6000 L30 To 9800 TE = x 5 9 > £00°0 | 900‘0 8000 0900 6000 130 To 9800 oL — S A > £00‘0 | 900°0 |, 8000 0900 | 6000 120 To 980°0 6 = Ayesau “ <> 8000 900°0 | 8000 |090°0 600°0 130 To 980°0 8 u E yaram 8 &00°0 | 900°0 800°0 090'0 | 600°0 13'0 To 980°0 L = A1y180d 3807 07 200°0 | <00‘0 |L00°0 0800 | 800'0 820 980°0 3.00 9 = Alyegou U EIEH"N (3<) ‘LT > | 800'0 | <00‘0 |L00‘0 ,0<0°0 | 8000 830 9800 3100 G = A1ry1Sod | yoıom 'n 7507 Ya 200°0 <00°0 | 2000 0600 | 8000 830 980°0 2.00 F Jaoısopaoyun 5 5 9 > 300°0 7000 | <000 | 070‘0 | 900°0 st‘o 890°0 LE00 & HOLILISHDEITEN E a > 200°0 7000 <00%0 | 0F0‘0 | 900°0 sT‘o 8900 L0'0 3 „alsopaayum Ayedau yorom | @ |6000°0 100'0 1000 | 0100 TOO | godoyuen wıo1oAF -Is9yoauyol, uosunydowag SIOJIH aaneprdoIg = : uasujeg a uodonue IN SUN E E = = 5 a | Blenüe var 1} : SE | = Se = LEERE I an -urydıou Er ee IBM 9IS wwein ur Jeyguo sıso(] 9A duo Sal st 3a91Z1lu] FI oTI9qaeL Versuche zur Ermittlung der stopfenden Bestandteile im Opium. 319 Nr. 14 muss als überdosiert, Nr. 1 als sicher, Nr. 2 und 3 als wahrscheinlich unterdosiert angesehen werden. Dies ergibt sich nicht nur aus dem Erfolg des Versuches, sondern auch aus der der an- gewandten Dosis entsprechenden Menge von morphinfreiem Pantopon (Kolumne 3), das in Mengen von 0,08—0,12 g als richtig dosiert an- zusehen ist, — Das Verhalten der Katzen nach der Injektion zeigte im Gegensatz zu Versuchsreihe I 1 nur geringe Abweichungen von der Norm: Nur bei fünf von 13 Fällen war eine leichte Erregung zu be- obachten; ein Tier brach nach der Sondenfütterung, die bei allen Katzen am Abend des Injektionstages nötig war. Doch kommt dies auch bei gesunden Katzen nach Sondenfütterung gelegentlich vor. Es waren also unter zehn richtig dosierten Versuchen drei positiv und sieben negativ; d. h. wenn auch der Milchdurchfall der Katzen durch morphinfreies Pantopon ohne Restalkaloide nicht regel- mässig gestopft wird, so ist doch bei 30% positiven Fällen immerhin eine gewisse, wenn auch mässige Wirksamkeit des Präparates in dieser Hinsicht anzuerkennen. 5. Restalkaloide. Tabelle I5. lee, Ne. E28] 2222|.°28 2280 BEsslsass Stopf- Art der Ba Ne Se 3 5 es Ei dauer ersten Resultat a E37 aErr 2se häce kungen & Re & Std. 1 0,004 | 0,025 | 0,06 <16 vielund weich | negativ unterdosiert 2 | 0,01 0,06 0,16 18 weich negativ | unterdosiert ? 3 | 0,02 0,12 0,33 <17 weich negativ — 4 | 0,04 0,25 0,66 <16 flüssig, weich | negativ _ 5 | 0,08 0,50 1,33 <18 weich negativ — 6 | 0,10 0,62 1,66 | tot nach 1 — _ überdosiert 7 | 0,16 1,00 2,65 | tot nach 2 == — überdosiert Die beiden zum Exitus kommenden Tiere zeigten weite Pupillen, starke motorische Unruhe, gesteigerte Reflexerregbarkeit, Erbrechen und starben unter den Zeichen höchster Dyspnöe an Atemlähmung. Der Versuch hatte also bezüglich jeder Art von Stopfwirkung vollständig negatives Resultat, obwohl die verabfolgten, auch die noch nicht tödlichen Dosen sehr hoch waren. Das ergibt sich aus dem Vergleich mit den Mengen von morphinfreiem Pantopon (Kol. 3) und morphinhaltigem Pantopon (Kol. 4), die nötig sein würden, in ihnen die gleiche Dosis von Restalkaloiden einzuführen, und die geradezu gewaltige Werte erreichten. 320 O0. Hesse und P. Neukirch: 6. Pantopon ohne Morphin, ohne Narkotin, ohne Restalkaloide. In einer Versuchsreibe musste gerade Narkotin ausgeschaltet werden, weil es nächst Morphin quantitativ den grössten Anteil an den Alkaloiden des Opiums hat. Auch dies Präparat wurde aus den Einzelstoffen in dem angegebenen Verhältnis von uns zu- sammengesetzt. Tabelle I6. Ssosale =: Die Dosis enthält in Gramm een |n age | se el rer EN = RR Art sen ecahease lass Sale S =) T Besea ls ||, 5 5, 8 [Stopf-| der Nr.| 23 287 [2338 | 238 > : ! Resultat Easse | .EE8 | & SE ESS des Bemer- Ds lsası = | © = © = ,8= | dauer ‚jhersten)| ya | Kunpe Es |255 = 8 & = = mei Fäces ei ungen =3 Sk- S = A i | x suches 8 ca. E Std. 1 0,07 | 0,19 10,006 0,041 0,006 | 0,004 | 0,002 0,011 | 3 10,07 | 0,19 [0,006 | 0,041 0,006 0,004 | 0,002 0,011] <16 3 < ScEU 4 10,085| 0,23 [0,007 | 0,050 | 0,007 , 0,005 | 0,003 , 0,013] > 20 " positiv — > [0,0851 0,23 [0,007 | 0,050 | 0,007 0,005 | 0,003 0,013] <16 a negativ — 6 10,105) 0,28 | 0,009 | 0,060 | 0,009 | 0,006 0,003 | 0,017| << 16 E IE — 7 [0,105 0,28 | 0,069 0,060 | 0,009 | 0,006 0,003 0,0171 <16 ® n —_ Das Verhalten der Versuchstiere zeigte die gleiche Erregung in Verbindung mit Benommenheit, wie in der. Versuchsreihe I1 bei In- jektion des originalen morphinfreien Pantopons beschrieben ist. Nur wurde kein starker Speichelfluss beobachtet. Eine Stopfwirkung wurde demnach nur in einem von sieben Fällen sicher beobachtet (einmal möglicherweise). Doch besteht im Vergleich mit Versuchsreihe I1 die Wahrscheinlichkeit, dass Fall 1—3 unter- dosiert waren. Dann verliefen also von vier Fällen drei negativ, einer positiv. Diese Versuchsserie war nur als Kontrolle zu den vorhandenen gedacht, und es wurde volle Übereinstimmung zwischen der Wirkung des originalen und des von uns rekonstruierten morphinfreien Pantopons erwartet. Um so überraschender war das Resultat, dass ersteres den Milchdurchfall meistens stopfte, letzteres nicht. Freilich kann betont werden, dass Versuchsreihe 8 nicht völlig negativ verlief (3:1). Eine Erklärung für dies unterschiedliche Verhalten der beiden Präparate kann nicht gegeben werden. Man muss an- nehmen, dass bei der Zerleeung des Pantopons kleinste Mengen verloren gehen, die im Zusammenhang aller Opiumalkaloide zur Wirkung nötig sind. Oder aber es wäre daran zu denken, dass die minimalen Spuren von Morphin in dem originalen morphinfreien Pantopon noch wirk- sam sind. Die gleichen Spuren finden sich in dem Präparat der Versuchsreihe I2 (morphinfreies kodeinarmes Pantopon), ohne dass dieses den Milchdurchfall stopft. Es müsste also in diesem Fall die Spur Morphin nur in Kombination mit reichlich Kodein wirksam sein, was wenig wahrscheinlich ist. 322 OÖ. Hesse und P. Neukirch: ad Da diese Punkte unentschieden bleiben, kann daher der (fehlende) Einfluss der synthetisch gewonnenen Alkaloidgemische auf den Milch- durchfall von Katzen nicht zu klaren Schlussfolgerungen benutzt werden; zur Aufklärung bedarf es anderer Methoden. — Die an Katzen mit Milchdurchfall gewonnenen Resultate sind zusammen- gestellt in Tabelle 19. Tabelle I9. Der Milchdurchfall der Katzen wird gestopft durch: 1. morphinfreies Pantopon 0,08—0,1&...... meistens, fast immer 2. morphinfreies kodeinarmes Pantopon in gleicher PDOSISE NET ee hen: nicht Dosis a HN 2 a SIE RE an nicht 4. Opiumalkaloide ausser Morphin und Restalkaloide in entsprechend gleicher Dosis wie Nr. 1 und 2 (synthetisch) an a ee a We in der Minderzahl der Fälle 5. Restalkaloide in entsprechend gleicher und weit höherer: Dosis. 2.7 n SR OR nicht 6. Opiumalkaloide obne Morphin, Narkotin und Restalkaloide in entsprechend gleicher und höherer Dosis (synthetisch)e ee nicht 7. Narkotin in entsprechend gleicher und höherer MOsIs ee a a MN Re een nicht 8. künstlich zusammengesetztes morphinfreies Pan- topon=Dosissswie Nr 1 na... Bene in der Minderzahl der Fälle. ll. Einfluss der Opiumalkaloide auf Katzen mit Koloquintendurchfall. Die Technik wurde eingangs S. 312 beschrieben. Es sind nur die Versuche angeführt, bei denen durch Kontrolle an Tieren ohne Alkaloidinjektion die Wirksamkeit des Dekoktes erwiesen war. Wo nieht anders mitgeteilt, wurden je 10 cem des frischen 10 °/oigen Koloquintendekoktes gegeben. Die Zahlenangaben aller Tabellen bedeuten die Stunden, die nach der Fütterung mit 25 g Kartoffelbrei und 5 g Wismut verflossen waren. 1. Morphinfreies Pantopon. (Tabelle II1 siehe auf S. 324 und 325.) Das in der letzten Kolumne angegebene Erbrechen, das unter zwölf Fällen sechsmal beobachtet wurde‘, und zwar sowohl bei Tieren mit wie ohne Injektion von morphinfreiem Pantopon, beeinträchtigt Be ng IC / | E | Versuche zur Ermittlung der stopfenden Bestandteile im Opium. 393 die Versuche nicht, weil es bei fast leerem Magen auftrat; in zwei Fällen schloss es sich an die Koloquintenzufuhr, die danach wiederholt werden musste. Als charakteristischer Sektionsbefund (s. Tabelle) sei nur ein Beispiel, das des Versuches Nr. 1, angeführt; alle anderen entsprachen diesem, sofern nicht in der Tabelle anders vermerkt ist: Erhebliche Totenstarre Herz gut kontrahiert. Lungen, Leber, Milz,(Uterus), Blasemakroskopisch ohne Besonderheit. Eindeutige Veränderungen der Magen- schleimhaut sind nicht festzustellen. DerDünndarm ent- hältkleinste Mengen dünnflüssigen, galligen Kotes, der stellenweiseanderteilsblassen, teilsleicht, diffusund fleckig geröteten Schleimhaut adhärent ist (der Befund der DünndarmhyperämieistindenverschiedenenFällen verschieden). Einige Dünndarmschlingen sind auch auf der Serosaseite leicht. gerötet. Fast der ganze Dünn- darm ist fest kontrahiert. Dagegen lässt das ganze Kolon und Rectum (von Fall zu Fall verschieden, bald ganz diffus, baldan einzelnen Stellenmehr und weniger) eine deutliche Injektion der Serosaseite erkennen, Die Mucosa ist tiefrot gefärbt; auf der Höhe der Falten liegen ziemlich festadhärente, graue, schmierige Mem- - branen, die nur an wenigen Stellen Ekchymosen und kleine Erosionen unter sich haben und sich meistens abziehen lassen. — Die Nieren sind ausgesprochen hyperämisch, zumal im Mark. Ihre Rinde zeigt Trübung und Schwellung. Die Intensität der Nierenalteration geht bei makroskopischer Betrachtung nicht völlig der Intensität der Darmstörungen parallel. Alles in allem ist der pathologische Befund qualitativ der gleiche, wie ihn Padtberg!) an Morphin- und Opium-Koloquinten-Katzen erhob, quantitativ aber in allen Fällen geringer. Die Sektion einer Kontrollkatze, die Kolo- quintendekokt, aber kein morphinfreies Pantopon bekommen hatte, ergab ausser einer geringen Dünndarmreizung nichts Auffallendes, — Das motorische Verhalten der mit morphinfreiem Pantopon behandelten Tiere entsprach dem bei Milchdurchfallkatzen mit morphinfreiem Pantopon geschilderten, Die Zusammenfassung der Tabelle II1 ergibt also: Zwischen den Koloquintentieren ohne morphinfreies Pantopon und den Ver- suchstieren mit Alkaloidinjektion bestand in allen Fällen der gleiche, deutliche Unterschied. Die acht Versuchstiere starben sämtlich unter den Zeichen der Kolocynthinvergiftung innerhalb 6!/s2 bis R 23 Stunden nach der Kartoffel-Wismut-Fütterung; die vier Kontroll- tiere blieben am Leben. Es war also die benutzte Dosis von Koloquintendekokt an sich nicht tödlich. Auch die benutzte Dosis 1) Padtberg, |. c. 324 O. Hesse und P. Neukirch: Tabelle IIl. = Die Dosis enthält in Gra Is a (Mind > ie 2 © a in an 3 E Sol En | 3 = morphin- kalten in = = ER = = | S a Magen- Nr. | freien a = x = ” = 2. = IE ent- 1a e . >) - =' a | = = ©) Pantopons a sa | 3 = = 2 5 | leerung ee g & Sız a 2 oe 1 0,08 0,22 | 0,007 0,048 0,007 0,004 0,00210,013 | 2"/3h | 3'/sh | 2!/h leer | (15 8) 2 0,08 0,22 |0,007 0,048! 0,007 0,004 |0,002!0,013 | 43/44 | 5 [4"4hnoch | (15 g) gefüllt, | S!/ah leer | B\ En Den REN] — [5feh| — |bis 7I/ah (15 #) gefüllt 2 Fre | 33/4h,| — |4h gefüllt, | 4!/sh 8'/ah leer 15+10g | | | (rep.) 5 0,08 0,22 | 0,007 0,048 0,007 0,004 0,002 ,0,013 | 43/sh | 6V/eh | bis 6'/oh | | | (10 9) gefüllt 6 0,1 0,27 0,009 0,057 0,009 | 0,006 0,003 0,016 | 21/sh | 3/sh | 3h noch | ein kleiner | | Rest 7 0,1 0,27 10,009|0,057 0,009 0,006 0,003 0,016 | 2Y/eh | 3Veh | 2h leer 8 0,1 0,27 | 0,009 0,957 0,009 0,006 0,003 0,016 | 42/sh | 5Veh | bis 6h 9 0,1 0,27 0,009 0,057 0,009 0,006 0,003 0,016 | 21/sh | 2%4h | 22/4h leer | 10 0,1 0,27 10,009/0,057 0,009 0,006 0,003 0,016 | 5?/ah | 6'/eh | bis 6'/2h | | | | gefüllt, | Ti/gh ]eer 11 — — 3lah| — 5h noch | gefüllt, | &h leer De 2 Ba elle] ec | 22 | oem) a pe | gefüllt, 6°/sh leer Versuche zur Ermittlung der stopfenden Bestandteile im Opium. 395 Tabelle IIl. Gesant- 23 |>8 länge der N ,„.|83|®#s5 gefüllten Dick- |Art und Zeit 5 5, g = Dünn- darm- | der ersten | 23 | 23 | Exitus Sektion ‚Bemerkungen darm- N va| 5 schlingen | Passage] Fäces SalhsE —— 32 Se Zeit | cm sale 2l/sh| 36 | 2 bis S1/ah ca.6h|ca.5h| zwischen | charakte- positiv 3l/sh | 34 [> 81/ah| gelb-weiss, 81/au. 25h ristisch 43/4h | 26 | gefüllt halbfest (Atem- 7h | leer lähmung) 2!4h| 38 | 2 bis | 5% alt, fest, | 1. unmittelbar dar- do. do. 4?/4 und 5h l/h | 29 |>8t/ehlohneWismut,| auf (ungültig), erbrochen 41/,4h | 29 | gefüllt |zwischen 8 u. }2. zwisch.]2. zwisch. (Kol.-Zufuhr l/h | 12! 23h halbfest |4-19h | 31/a wiederholt) bis 19 h positiv 2h ı 35 8h [8hschleimige] 21/,h | — = _ Kontrolle 3l/eh| 28 | alles |und alteieste zuNr.1u.2 4l/eh | 32 leer Fäces ' Sl/eh | 15 7!/ah | ca. leer 2h | 32 | 31/oh do. ca.Ahı — E— — 41/ıh etwas 3l/eh | 33 | gefüllt, erbrochen, 4h | 27 |8halles Kontrolle 85h | leer | leer zu Nr.lu. 2 3h | 34 [43/4-9h — —_ — g9h Reizung fast positiv l/h | 34 | gefüllt allein im 43h | 27 Dünndarm, Sl/eh, 25 hier aber 6l/eh| 233 sehr aus- 8l/ah | 29! gesprochen gi za! 2l/sh | 32 85h 13h weich- | 10h | 9h | zwischen | charakte- |3h etwaserbr. 93h 26 | gefüllt | schleimig 13 u. 24h ristisch dh „ > 8h | 22! positiv l/h 18 1 2-4l/oh | Al/ah schlei- [23h] 1-—-2h| 61/eh do. positiv 3l/ah | leer | gefüllt, | mige Fäces, 5l/ehleer| 5Vah do. 2h 43 | bis ca. = —_ _ ca. 12h nicht 6!/eh etwas 5h 45 12h charakte- erbrochen, 6h | 310 | gefüllt ristisch positiv 8l/ah | 18! 2h 63 [3-8Uah | 10h etwas &h 7h | ca. 14h | charakterist.,! 2%/ah bricht 3h | 44 | gefüllt, | Durchfall, | 12h | 11h Darm leicht, etwas, Slah | 58!| 14h |ca.14hreich- Nieren schwer positiv 14h | leer | leer [lich Durchfall geschädigt 2l/ah 834 |5hleer, — — _ ca. 10h nicht 7h bricht 5h | 40 [61/,-10h charakte- etwas, 6!/eh | 32 | gefüllt ristisch positiv sh 72317 10h | 28! 2l/eh 34 | Shleer | 7V/eh reichl,. | 5h — _ — Kontrolle 43/4h | 29 Durchf., spät. zu Nr. 5—10 &h | leer mehrfach wiederholt 23h 52 35h 6°/ab reich- | 4h = E _ 3h etwaserbr. 6°/ah | leer | gefüllt, | lich flüssiger Kontrolle 6%/ah ler] Durchfall zu Nr. 5—10 Pflüger’s Archiv für Physiologie, Bd, 151. 22 396 0. Hesse und P. Neukirch: von morphinfreiem Pantopon war an sich nicht tödlich. Das geht aus den Versuchen an .Milchdurchfallkatzen hervor, ferner aus acht Vorversuchen an Katzen, die kein resp. versehentlich ein unwirk- sames Koloquintendekokt bekommen hatten. Die tödliche Wirkung der 1—2 Stunden nach der Koloquintenzufuhr injizierten, an sich nicht tödlichen Menge von morphinfreiem Pantopon erklärt sich wie der gleiche Einfluss des Morphins auf den koloquinthengefüllten Darm der Katze: Durch Störung der Darmbewegungen wird das schädliche Dekokt nieht schnell genug transportiert, so dass eine tödliche Menge von Koloeynthin resorbiert wird. Diese stopfende Wirkung des morphinfreien Pantopons auf den Darm konnte bei allen acht Versuchstieren mit Hilfe der Röntgen- durchleuchtung in irgendeiner, aber nicht immer der gleichen Weise beohachtet werden. Ein Urteil darüber, von welchen Darmstrecken hauptsächlich die schädlichen Bestandteile des Dekoktes im einzelnen Falle resorbiert wurden, liess sich dabei nicht erheben, weil das 1?/a—5 Stunden nach der Wismutfütterung eingeführte Dekokt ohne Wismutbeimengung, also auf seiner Passage durch den Intestinal- traktus nicht zu verfolgen war. Tödlich wirkte es auch, wenn es verfüttert wurde zu einer Zeit, zu der schon aller wismuthaltende Darminhalt im Dickdarm angelangt war (Versuch Nr. 6). Die in allen Fällen erkennbare Störung der Darmpassage äusserte sich in folgender Weise: Nur bei drei von acht Katzen, und zwar bei denen, die besonders früh starben (9, 10 und 12 Stunden p. c., 21/2, 6'/s und 3/2 Stunden nach der Alkaloidinjektion), wurde die drastische Koloquintenwirkung ganz aufgehoben, und es kam nicht zu einer Darmentleerung. Die übrigen fünf hatten Durchfall, der aber in zwei Fällen halbfest war und, mit Ausnahme von einem (oder zwei) Versuchen, um einige Stunden später auftrat als nach einfacher Koloquintenfütterung. Ebenfalls war die im Laufe des gleichen und folgenden Tages beobachtete Zahl der Entleerungen bei den Ver- suchstieren geringer als bei den Kontrolltieren. Der pathologische Sektionsbefund der acht Versuchstiere war fünfmal charakteristisch, einmal vorwiegend auf den Dünndarm beschränkt, zweimal un- charakteristisch (obwohl auch diese beiden Tiere spontan zum Exitus kamen). Man kann also auch bei fehlendem Sektionsbefund nicht mit Sicherheit die Stopfwirkung des Alkaloids ausschliessen. Andererseits kamen nämlich leiehtere makroskopisch erkennbare Enteritiden auch bei Koloquintenkatzen ohne Alkaloidinjektion so- Versuche zur Ermittlung der stopfenden Bestandteile im Opium. 337 wohl in dieser Versuchsreihe wie auch bei dem in Versuch II2 und II3 benutzten Dekokt vor. (Für diese Feststellung wurden einige 60 50 40 D oO Gesamtlänge der Dünndarmschatten in Zentimetern. 10 2 \ 1 2 3 4 5 6 7 8 Stunden. Fig. 1a. Diagramm der Verdauungsbewegungen von: zwei Katzen mit Kartoffel- brei-Wismut-Fütterung, die 2—4!/a Stunden nach der Mahlzeit Koloquintendekokt per os bekamen und !/„—2 Stunden später 0,08—0,10 g morphinfreies Pantopon subkutan. v Koloquintendarreichung. % morphinfreies Pantopon injiziert. Gesamtlänge der Dünndarmschatten in Zentimetern. 1 2 3 4 5 6 7 8 9 Stunden. Fig. 1b. Diagramm der Verdauungsbewegungen von zwei Katzen mit Kartoffel- brei-Wismut-Fütterung, die 2—4 Stunden nach der Mahlzeit Koloquintendekokt per os, aber kein mrphfr. Pantopon bekamen, v Koloquintendarreichung. 22 * 398 OÖ. Hesse und P. Neukirch: der-Kontrolltiere getötet und seziert.) Der wichtigste Unterschied liegt also darin, dass die Tiere mit morphinfreiem Pantopon starben. Weil die Alkaloidinjektion nach Entleerung des Magens gemacht wurde, kann über den Finfluss des morphinfreien Pantopons auf die Magenaustreibungszeit nichts gesagt werden. Je zwei Beispiele des Verlaufs der Dünndarm passage von Versuchs- und Kontrolltieren sind in Fig. la und b wiedergegeben. (Es wurde nach Cannon!) die Gesamtlänge der gefüllten Dünndarmschlingen in Zentimetern gemessen und für die verschiedenen Zeitabstände nach der Wismut- fütterung graphisch aufgetragen; die Originalzahlen aller Versuche sind in Tabelle II 1 mitgeteilt.) Entsprechend den von Padtberg?) mitgeteilten Kurven war bei den Kontrolltieren der Dünndarm nach der Darreichung des Dekoktes schnell entleert: 7—8 Stunden nach der Mahlzeit. Dagegen wird die Entleerung des Dünndarms durch Injektion von morphinfreiem Pantopon einige Zeit nach der Dekokt- einführung verzögert; der Darm bleibt bis zu 9 Stunden nach der Mahlzeit etwa in gleicher Ausdehnung gefüllt, wie er es zur Zeit der Injektion war. Dies Verhalten war in allen Versuchen deutlich, soweit rechtzeitige Röntgendurchleuchtungen gemacht wurden und die Koloquinten- und morphinfreie Pantoponzufuhr bei noch aus- reichender Dünndarmfüllung vorgenommen ist. Weil dies indessen nicht in jedem Fall geschah, weil nur einzelne Durchleuchtungen gemacht sind und die Zeit der Koloquinten- und Alkaloidzufuhr von Fall zu Fall wechselte, ist es nicht möglich, aus den erhaltenen, an sich eindeutigen Werten der Dünndarmfüllungen die Durch- schnittskurve zu zeichnen. Der Diekdarm war bei den Koloquinten - Kontrollkatzen spätestens 6°/a—8 Stunden p. ce. leer, blieb dagegen bei sieben von acht Versuchstieren S—14 Stunden und mehr p. e. (nicht bis zu Ende verfolgt, Exitus) gefüllt und war nur in einem Fall (Versuch Nr. 6) schon 5!/s Stunden p. ce. leer; dies war ein Tier, das von An- fang an eine auffallend schnelle Darmpassage hatte und zu spät die Injektion bekam. DurehInjektion von morphinfreiem Pantopon werden Katzen, die eine abführende, aber an sich nicht töd- liche Dosis Koloquintendekoktbekommen haben, unter 1) W. B. Cannon, The mechanical factors of digestion E. Arnold, London 1911. Weitere Literatur siehe dort. 2) J. H. Padtberg, |. c. Fe we Versuche zur Ermittlung der stopfenden Bestandteile im Opium. 39€ dem BildederKoloeynthinvergifiungundmitcharakte- ristischem Sektionsbefund getötet. Als Ursache hierfür fand sich eine deutliche Verzögerung der Dünndarmpassage durch das morphin- freie Pantopon, während die Diekdarmpassage weniger beeinflusst wird. 2. Morphinfreies, kodeinarmes Pantopon. (Tabelle II2 siehe auf 8. 330, 331, 332 und 333.) Die Tabelle bedarf folgender Ergänzungen: Das in zwei Fällen, und zwar nur bei Kontrolltieren, beobachtete Erbrechen trat so spät ein, dass es auf die Inhaltspassage im Magen-Darm-Kanal keinen Ein- fluss hatte, Die täglich frischbereiteten Koloquintendekokte (jedes Versuchspaar Nr. 1 und 2, Nr. 3 und 4 usw. bekam das gleiche Dekokt) waren, wie die Kontrollen beweisen, stark wirksam, so dass in der verabreichten Menge im Laufe der Versuche von 10 g auf ca. 5—6 g zurückgegangen wurde in der Absicht, eine möglichst geringe Reizung des Darmes der Kontrolltiere zu erzielen bei noch gut drastischer Wirkung. Wie die Sektionsbefunde der Kontrolltiere zeigen, ist das nicht vollständig gelungen. — Die Sektionen der Katzen, die das Pantoponpräparat bekommen hatten und getötet wurden (nicht spontan starben), ergaben qualitativ die gleichen Veränderungen wie in der Versuchsreihe II 1, quantitativ wesentlich geringere. Flächenhafte Rötung der Dünndarmschleimhaut mit Schwellung der blasseren Plaques und eingestreuten Hyperämien ist als D.D. + + bezeichnet; D.D. + zeigt geringere, D.D. } noch stellenweise soeben erkennbare patho- logische Reizung an; am Dickdarm wurde als ++ + das den Er- gebnissen von Il 1 gleichkommende Bild starker dunkelroter Hyperämie mit adhärenten Membranen, mit Petechien und Erosionen bezeichnet, mit „Dickd. + +“ eine mehr glatte, weniger desquamative, hellrote diffuse Entzündung, mit + eine einfache Rötung; an den Nieren kam stärkste Hyperämie mit mässiger trüber Schwellung (N. + +) neben leichtester geröteter Trübung (FH) vor. Die Tabelle lässt sich in folgender Weise zusammenfassen: Der Koloquintendurchfall wurde durch eine nach Ent- leerung des Magens aufder Höhe der Dünndarmfüllung (1—2!/e Stundenp.e.) vorgenommenelnjektion von 0,088 morphinfreiem, kodeinarmem Pantoponnichtgestopft. Diese Dosis entspricht einer in allen Fällen dünndarm - stopfenden Menge von morphinfreiem Pantopon. Die Konsistenz der Entleerungen wurde im Vergleich zu den Kontrolltieren in keiner Weise, die Zahl der Durchfälle nicht deutlich nachweisbar verändert. Die anato- mischen Störungen im Darm und an den Nieren unterscheiden sich bei den Versuchstieren (mit morphinfreiem, kodeinarmem Pantopon) und den Kontrolltieren (ohne Alkaloid) nicht und müssen auf alleinige Wirkung des sehr kräftigen Drastikums bezogen werden. Sie waren 330 O0. Hesse und P. Neukirch: Tabelle II2. Dre el Die Dosis enthält in Gramm e = zesalsss 3 = saä2|3532 ars ee 2 |& Besser 2 ıE : | 2 22 elelz Nr.| Dosis| ® 3“ © sel = earees 2 |3 ent- a a SEE): Eee se2|l3s8| © = | = )2|S5| 3 | | leerung = 2" ‘D = 3 B= see S = S mer Ebern ano: g g g ) z Baer 1 1 | 0,08 [ca.0,085| 0,23 |< 0,001) 0,050| 0,007 0,005 0,003.0,014 | Ysh | 2h |5h noch 10 8 gefüllt, 6& leer 2| — = = -—\1-|- | - | | — | Yah | — [4hgefüllt, 10 g 5h leer 3 | 0,08 [ca.0,085] 0,23 |< 0,001| 0,050| 0,007 0,005| 0,00310,014| 14h | 2h | 2—-7h 10 g noch geringe Füllung 7] WR dr en —-i—|I|—- | -—- | -— | -— | !h | — |2hgefüllt, 10 g 2l/ah leer 5 | 0,08 [ca.0,085| 0,23 |< 0,001| 0,050 0,007| 0,005, 0,003/0,014| !Jah | 2h |2hgefüllt, 10 g O1/ah leer 61 — _ — — jr | — — | — | — [| Yıh | — |Shgefüllt, 10 8 4\/a h Jeer 7 | 0,08 [ca.0,085| 0,23 |< 0,001 0,050] 0,007| 0,005 0,003/0,014 | ah [21/3 h|3h gefüllt, 12 g 3l/ah leer salz a ar, — 2 0. ana loherulie: 12 g 7h leer Versuche zur Ermittlung der stopfenden Bestandteile im Opium. Tabelle II2.‘ Gesant- 28 [33 länge der | _. Pa reein gefüllten Dick- | Art u. Zeit = z, = 8 Dünn- darm- | der ersten | @ = 2“E| Exitus Sektion Gau. assage Fäces 5 |5 = =; schlingen | P © Lea En =3 [== Zeit| cm S#alss 12/sh | 33 | 2a bis 2l/ıh %h | Yah — jur an | en 43/4 h 23/ah Sl/sh 50 | gefüllt | schleimiger 4!/oh | 50 Wismut- 5l/sh | 30 Durchfall 7h 8 34h 19 [313 bis 5a Bye — = 13/ah | 38 | > 6h | schleimiger 3h | 43 | gefüllt Wismut- 4h 23 Durchfall 5h 7 6h | leer 1l/ah 50 | 2%a bis 64h 53/ah| Ah - 4 2h 48 [> 7V/sh| schleimiger 3°/ah 46 | gefüllt | Koloquinten- 5h 58 Durchfall 6!/ah | 26 7Y/sh | 10 1!/ah | 28 ]|2-41/2h ah 2uh| — — ee 2h | 44 | gefüllt, 4l/g h 32/3h 5 15% leer schleimig- Sl/sh | leer blutiger Durchfall 2h | 45 | 14a-5h l/h sh | 1Yah — er 32/3h | 17 | gefüllt, Sl/yh 5h F 3l/ah 5h | leer| 5Vah charakte- leer ristisch 12ah| 3 21/2 bis 11/4h Ih — —_ — sh | 24 | 7lah DEIVaN 2l/gh 5h | 30 | gefüllt blutig- bi 222 schleimig 7/ah | 16 1!/ah | 49 | 21/5 bis 92/3 h 2!/ah | 1/;h | spontan Dünnd.? 2h | 50 | 3%4h S1/yh 3h lb |>8 und | Dickd. +} 21/3h | 47 | gefüllt, | charakte- < 20h | Niere Spur + 33/4h | leer | 4h leer ristisch 1b | leer | 21/2 bis Zl/ah 3h — — — 2h 22 | ca. 6h,| charakte- 3h 31 |nach 6h ristisch 41/joh | 23 Ifastleer 6h | leer Bemerkungen negativ Kontrolle zul verzögerte Dünndarm- passage, sonst negativ Kontrollezu3 negativ Kontrollezu5 unsicher, tot, aber nicht gestopft Kontrolle zu? 332 O0. Hesse und P. Neukirch: Tabelle II2 (Fortsetzung). 2,o|I=2,3 Die Dosis enthält in Gramm = = Eee => = | Se Se ds 2 9 ö ee ee: ee ‚| Dosis| SH | 2224| 3 : ; = ES 2 |I3 ent- ee, >> Sses|lasS| = 8Iı5|48 |=8| 3 | | leerung > © es a 2 S = = S S & 7 2 2, 2,3, 38 g £ g S\ z & = z | M u) = 0,08 [ca.0,085] 0,23 |< 0,001 0,050) 0,007 0,005| 0,003 0,014] 1/h |21/4h| Ah gefüllt, 10 g 5h ziem- lich leer = = = — | — | —- | —-|-— | — | 4b | — | mehr als 10 g Th gefüllt 0,08 |ca0,085| 0,23 |< 0,001) 0,050) 0,007 | 0,005 0,003 0,014] 1/4h | 2h [25 gefüllt, 21/gh leer RT Be 1/4h — I[1!/ah gef., 10 g 2h leer 0,08 |ca.0,085 0,23 |<0,001| 0,050) 0,007] 0,005 0,003] 0,014| "sh | Ih [Ihgefüllt, 2h leer ae a en a | uns ee | 10 g 51/ah leer 0,08 |ca.0,085| 0,23 |< 0,001| 0,050 0,007 0,0051 0,003] 0,014| !/ah [1'/sh| 21/4h Jeer I 8 an zu = — | !/ah | — | 23/46 Jeer 98 0,08 [ca.0,085| 0,23 |< 0,001 0,050! 0,007 0,005 0,003 0,014] Y/ah |1"/sh| 11/ah leer | — — = -—|—-|-|-|-—- | -— [bh | — | bis 6h 68 I gefüllt Versuche zur Ermittlung der stopfenden Bestandteile im Opium. 3385 Tabelle II2 (Fortsetzung). Gesamt- 385 |2 = länge der f ee gefüllten | Pick- | Art u. Zeit 8 5, 8 =5 auun darm- | der ersten | & <= 2 < & Exitus Sektion | Bemerkungen rm- ß = R>0- hlingen | passage Fäces 5) 5058 schlingen E E E a Zeit | cm SE Se: I!/eh | 33 | 2Vs bis 3l/ah 3h Ih getötet D.D.? negativ 2lah| 832 |>7llah 43/4 h 4l/eh | 91/oh sh Dickd. ++ + Selah | 25 charakte- N.+ Sllah | 20 ristisch 61/sh | 12 Muab| 2 ah 5 | 1 bis 1/2 h Ilahıı — — — Kontrolle 12/ab | 15 | > Th 2l/s h 2h zu Nr. 9 2h | 22 3l/ah S1/ah 33/ah | 16 charakte- ah | 12 - ristisch 6h 6 7h | leer 1b | 20 [24/s-4Ah,| ah alt Yahb?| 1/sh — _ negativ 24 | 19 | dann [2!/s3h charak-| 2!/ah 4h 6 leer teristisch I!/ah | 60 |1?/4-4h, 2h 14h] — getötet D.D.— Kontrolle -1%/ah | 42 | 4llah 3/ah >h Th Dickd..++ | zu Nr. 11 21/ah | 33 [ziemlich] charakte- N. —? 23/4 h 8 leer ristisch, 3h | leer blutig ih | 52 I1—4h, 3h 23h] 2h getötet D.D. — negativ 2h 19 |4h leer 5h 43/4h| 4h 6°/sh Dickd. + 3Ugh | leer charakterist. N. Spur H l!ab | 40 | 2 bis 31/yh 3h For getötet DED2E Kontrolle 2lah 30 | >6h 5l/ah 5h 62/3h | Dickd. ++ | zu Nr. 15, 4h | 28 | gefüllt N. + 5l/ah etwas en 2 gebrochen 2 {3} 1!ah 78 | 2--5h 4/yh 4h | 23/sh | getötet D.D. + negativ 2!/ah 70 | gefüllt, 5l/sh 5h 4h 7'/eh | Dickd. ++ 4h | leer [5V/shleer| charakterist. N. + ah | 38 |21/e-5h| 314,4, 5h| 36 _ getötet D. D. — Kontrolle 2lah 32 | gefüllt, | charakte- 4h Th Dickd.fast—| zu Nr. 15, 4h leer (5'/ahleer| ristisch 5h — 4h gebrochen 1Y/ah | 53 [Ahziem-| 11/eh alte | 1YYan | 11h | getötet D=D— negativ 2b 8 |lichleer| Fäces und 6°/sh | Dickd. fast— 3l/ah | leer Durchfall N. fast — 1a. | 115 6h 1!/ah ih E— getötet | D.D. ++ Kontrolle 2 ne Reste N 2l/ah 6°/sh Died ++] zu Nr. 17 o eer charakte- SP 59h 7 ristisch 6b | leer 334 O0. Hesse und P. Neukirch: immer schwächer als bei den Tieren der Versuchsreihe II1. Unter neun Versuchstieren kam nur eines spontan zum Exitus, von den Kontrolltieren keines. Die Dünndarmentleerung erfolgte bei den neun Versuchstieren manchmal langsamer, manchmal aber sogar schneller als bei den neun Kontrollkatzen. Sie war im Mittel nicht oder doch nur ganz unbedeutend verlangsamt, wie aus den in Fig. 2 gezeichneten 69 50 40 30 D =) Gesamtlänge der Dünndarmschatten in Zentimetern. 10 1 2 3 4 5 6 7 8 Stunden. Fig. 2. Diagramm der Verdauungsbewegungen von Katzen mit Kartoffelbrei- Wismut-Fütterung, die unmittelbar nach der Mahlzeit Koloquintendekokt per os bekamen. Ausgezogene Linie: Tiere ohne Opiumalkaloid (Durchschnitt aus neun Versuchen). Punktierte Linie: Durchschnitt aus neun Versuchen an Tieren, denen 2—3 Stunden nach der Mahlzeit 0,08 g morphinfreies, kodeinarmes i Pantopon injiziert ist. |, erste Kolonfüllung. Durchsehnittskurven der .beiden Versuchsgruppen deutlich hervorgeht. Ebensowenig ist ein durchgreifender Unterschied bezüglich der Dauer der Diekdarmfüllung bei Versuchs- und Kontrolltieren zu verzeichnen. Doch wurde diese nieht immer bis zu Ende verfolgt, weil die Mehr- zahl der Tiere zwecks Sektion getötet wurde. Der einzige in allen neun Versuchen deutlich, wenn auch ver- schieden stark ausgeprägte Unterschied bestand in dem motorischen Verhalten der Katzen: Die mit morphinfreiem, kodeinarmem Pantopon- Versuche zur Ermittlung der stopfenden Bestandteile im Opium. 335 behandelten Tiere waren, zumal 2—4 Stunden post injeet., manch- mal nach anfänelicher ängstlicher Erregung ähnlich den Tieren mit ınorphinfreiem Pantopon der Versuchsreihe II 1, sämtlich ruhiger als die Kontrollkatzen, apathisch, in leichtester Narkose; z. B. liessen sich eingangs sehr wilde, renitente Tiere im Laufe des Versuches ruhig auf den Rücken legen und, ohne gehalten zu werden, Pfote für Pfote festbinden. Auch beschmutzten sie sich häufiger mit ihrem Kot, was sonst gesunde Durchfallkatzen im allgemeinen vermeiden. 3. Kodein. (Tabelle II 3a siehe auf S. 336 und 337.) Die Versuche der. Tab. II 3a wurden an den gleichen Tagen an- gestellt wie die der Tab. II2. Die Kontrolltiere sind die gleichen, und zwar gehören sie in der Weise zu den neun Versuchstieren der Tab. II 3a, wie wenn man die Kodeintiere an Stelle der Tiere mit morphin- freiem, kodeinarmem Pantopon einsetzte, welche die gleiche Nummer tragen. Eine weitere Beschreibung der Versuchsanordnung erübrigt sich damit. Im Gegensatz zu dem ungestörten Verhalten der Kontrolltiere und der vorwiegend narkotischen Beeinflussung der Katzen mit morphinfreiem, kodeinarmem Pantopon bei geringer Erregung zeigten alle Kodein- katzen motorische Erregung in verschiedener Stärke, manchmal un- motiviertes Schreien, auch bis zu Jaktationen gesteigerten Bewegungs- drang. Sie beschmutzten sich viel mit den Fäces, waren aber nicht bösartig, eher euphorisch (Schnurren). Erst gegen Ende des Versuches, ca. 4 Stunden nach der Injektion, wurden auch sie schläfrig-gehemmt, leicht narkotisch. Keines- der Kodeintiere hat erbrochen. Die Tabelle II3a lässt sich so zusammenfassen: Der charakte- ristische schleimige, manchmal blutige Koloquintendurchfall wurde durch eine nach hauptsächlicher Magenentleerung vor- genommene Injektion von 0,038 Cod. phosph. nicht aufgehoben. Die Konsistenz der Entleerungen änderte sich nieht. Auch wirkte die Injektion nicht, wieMorphin, tödlich. Inallenanderen Punkten unterscheiden sich die Kodeintiere sowohl vondenKontrollkatzen wievondenTieren mit morphin- freiem kodeinarmem Pantopon: Die innerhalb der Beobach- tungszeit von 8 Stunden nach der Mahlzeit festgestellte Zahl der De- fäkationen betrug in Versuchsreihe 3a (Kodein) meistens eine, selten zwei, .im Mittel 1Y/s, während die Kontrollkatzen durchschnittlich zwei und mehr Durchfälle hatten. Die bei der Sektion der am Schluss des Versuchs getöteten Tiere makroskopisch beobachteten Veränderungen des Darmes und der Nieren waren unter sechs Parallelversuchen {ep} os O0. Hesse und P. Neukirch: Tabelle II 3a. : Wäreent-| Wäreent- 3 Dosis | "osgsın [halten in | halten in en Kodein-| agen- | Codein morphin- | morphin- injek | “[mur. ge | freiem | halt. zufuhr : entleerung phosph.| rechnet Pantopon en namtopon Faniepon]| = 7 220 2 1Sloes (on j \ 0,08 | 0,027 | 0,336 0,9 Yyyh 2h | bis 5% gefüllt, f (10 8) dann fast leer | 0,08 | 0,027 | 0,336 0,9 Y/yh %h | bis 3%ah stark | (10 9)- gefüllt, dann abnehmend bis $h IN 0,08 | 0,027 | 0,336 0,9 1/yh Yn bis >8h I (12 g) gefüllt \ 0,03 0,027 0,336 0,9 1/yh 13/4h | bis 3V/eh ge- | (10 g) füllt, dann leer ; 0,03 0,027 0,336 0,9 1/yh 21/3 bis > 7U/eh ık (10 8) gefüllt ! | 0,03 0,027 0,336 0,9 1/yh Ih bis 3h ge- füllt, 4h ziem- lich leer \ 0,03 0,027 0,336 0,9 1/yh 3/4h >6h gefüllt (10 g) N 0,038 | 0,027 | 0,336 0,9 14h | 1Vaı | 6% gefüllt, 7h 63) fast leer M | 0,03 0,027 0,336 0,9 l/h 1!/sh 2!/ah leer | (6 g) | N Versuche zur Ermittlung der stopfenden Bestandteile im Opium. 337 Tabelle II3a. Gesamtlänge Mi Bee en Dick- Art und |Erste Fäces nach Dinndasme darm- Zeit der Exitus Sektion ER füllung Fäces Kolo- | xodein Zeit cm quinten Ih 25 | 23/ah bis 9h ca, on 3h = — 2h 49 | > eh blutiger 3/ah 15 Durchfall 4'/4h 45 5'/ah 49 6l/ah 49 eh 44 / Ih 45 3h bis 3'/ah Sl/ah 1!/,h — — 2h 56 >sh Durchfall 3l/gh 65 schleimig 43/4 h 50 6h 58 T7l/ah 92 sh 25 2h 30 |12ahbis| 35, 5h |ca.3h | ca.Ih — = 3/eh 15 ? (7\/eh | Durchfall 5h sh 5l/ah 0 Magen | schleimig 6'/sh 0 noch T/eh 3 voll) 1!/4h 70 1 13/ah bis 2h ca. 2b | I1/eh ge- D.D. + 2ljah | 50 > 6!/ah charak- en Dickd. ++ HF 3!/geh 45 teristisch Tllah N. Spur + 5h 36 | 61/2 h (0) 11/2 h 17 ca. 2h | 21/ah, 43/4h ah ZU- 732/a h D.D. ++ 32/3 h 40 bis Durchfall | 4j/eh | gleich, | getötet | Dickd. ++ + 5l/sh 53 | >7!jah | charak- 21/2 h N. 6!/a h 38 gefüllt | teristisch Tllah 15 1h 35 | 13/ah bis 3h 23/4 h 1h Ti/eh D.D. + 2h 32 | >6Vsh | Durchfall getötet Dickd. + 3%/4 b 50 charak- N.+ Sl/ah 13 teristisch 6!/ah 10 3/4 h 59 1 1?/ah bis j/ech 2llah | 1%/ah 6h DaD.- 1?/ıh 35 >6h viel, getötet | Dickd. +++ Sl/ash 15 charak- N. Spur + 43/4 h 18 teristisch 6h 22 1!/4h 13 ca. or oh 5h 4h 7!/ah D.D. + Zul | 72 bis charak- getötet | Dickd. +++ 32/4 h 74 | >6?/ah | teristisch N. + 5l/sh 42 6° h 28 Sl/ah 42 2h bis | 4V/ab, 5lyah | Ah, 5h 3h 7h D.D. Spur + Ib | 72 | >6'4uh | charak- 4h | getötet | Dickd. +++ 1?ıh | 69 teristisch N. + 3h 66 42/4 h 63 6!/ah 35 338 - OÖ. Hesse und P. Neukirch: fünfmal bei den Kodein-Koloquinten-Tieren (zumal am Diekdarm) am stärksten, ohne doch die Intensität wie bei Morphin-Koloquintenkatzen zu erreichen. In dem sechsten Versuch war zwar der Diekdarm des Kodeintieres nicht ganz so stark betroffen wie der des Kontroll- tieres, dafür aber Dünndarm und Nieren stärker. Die Dünndarmpassage war bei den Kodeinkatzen in allen Fällen erheblich verlangsamt. Fig. 3a stellt die v0 40 30 ER. 10 Gesamtlänge der Dünndarmschatten in Zentimetern. = = ee a “ 2 Br 1 2 3 4 5 6 7 Stunden. Fig. 3a. Diagramm der Verdauungsbewegungen von Katzen mit Kartoffelbrei- Wismut-Fütterung und unmittelbar danach vorgenommener Koloquintendekokt- zufuhr per 05. Ausgezogene Linie: Durchschnitt aus neun Versuchen ohne Kodein. Punktierte Linie: Durchschnitt aus neun Versuchen, in. denen 2 bis 3 Stunden nach der Mahlzeit, 0,03 g Codein. phosphor. injiziert ist. |, erste Kolonfüllung. Magenentleerung im Durchschnitt unter der Abszisse abgetragen. nach Cannon gezeichnete Dünndarmkurve dar im Vergleich mit der Kurve der Kontrolltiere (s. auch Fig. 2) im Durchschnittswert aus neun Versuchen. Fig. 3b zeigt je eine besonders charakteristische Dünndarmkurve eines Kodein-Koloquinten- und eines: Kontrolltieres nebeneinander. Auch das Aussehen der gefüllten Dünndarmschlingen am Röntgenschirm war ausgesprochen verschieden, besonders 2 Stunden nach der Injektion und später: Die Koloquintenkatzen hatten die bekannten breiten, verwaschenen, oft unregelmässig durchbrochenen Dünndarmbänder. Bei den Kodeintieren dagegen waren die Dünn- Versuche zur Ermittlung der stopfenden Bestandteile im Öpium. 339 darmschlingen scharfrandig, schmal, von intensivem Schatten, in ihrer Kontinuität über weite Dünndarmstrecken zu verfolgen. Der Dick- darm war in allen Fällen von Kodeinversuchen bis zum Schluss des Versuches noch reichlich gefüllt, was bei den Katzen der Versuchs- reihe mit morphinfreiem, kodeinarmem Pantopon nur in etwa der Hälfte der Fälle beobachtet wurde. Die Zeit der ersten Darm- entleerung ergab jedoch keinen deutlichen Unterschied. Gesamtlänge der Dünndarmschatten in Zentimetern. 1 2 3 4 5 6 7 8 9 Stdn. Fig. 3b. Diagramm der Verdauungsbewegungen von Katzen mit Kartoffelbrei- Wismut-Fütterung und unmittelbar danach vorgenommener Koloquintendekokt- zufuhr per os. Ausgezogene Linie: Beispiel eines Tieres ohne Kodein. Punk- tierte Linie: 2 Stunden nach der Mahlzeit und Koloquintendekokt 0,03 g Codein. phosphor. subkutan (Beispiel eines Tieres). |; erste Kolonfüllung. D Durch- fall. 2y Kodeininjektion. 3b. Eine weitere Kodeinserie wurde mit anderer Dosierung durchgeführt; hierbei ist Codein. mur. benutzt. (Tabelle II 3b siehe auf S. 340.) Diese Versuchsserie ergibt in allen wesentlichen Punkten das- selbe wie Tabelle II3a: Die schleimigen Koloquintenentleerungen wurden auch durch grösste Kodeingaben nicht verhindert, der Sektionsbefund war auch hier charakteristisch, die Dünndarmpassage im Vergleich mit den Kontrolltieren, die das gleiche Dekokt bekamen, soweit beobachtet, deutlich verzögert. Hinzu kommt aber, dass in OÖ. Hesse und P. Neukirch: 340 h 1tergdmq 90] y] 100] | enguyuz = =: — n3rgg| ul arg | ea az ups ur | — [url — ee ıpegqdang N y3/19 199] 3/19 aSzPU0>T arg | sFeL umpue| “ısop | 1801 y3/19 ımyod en = — | 43/49 | pun y6 ‘72 |Pougrnemmgdygrng| wre | — Juan| — a ee a) yımyo3 u9q9T ug ng pw | pYyqdego | [IL wunz 190] = — [we gqropq | ‘SG 9 |ue “up | 36 ap [Da appru | ypou yr/,9 | 98% y& | ur | ud) 990 | 6!/ah gefüllt, | (maximale gefüllt | 6!/ah leer Füllung) 6h leer 21 0,02 0,31 0,83 !/ah 3h |3h Rest- | 3h maxiınal nicht füllung gefüllt beobacht. 3 | 0,01 0,15 0,41 1/4h 3l/eh | 67h | 2l/eh| 36 61/ah noch 61/eh | 27! | noch leer gefüllt 4 = — —_ !/ah —_ nicht 3l/eh 6h gefüllt, beobacht.| fast leer Ih leer b) Papaverin. >| 0,04 0,5 1,33 1/gh S3'/eh 3l/oh 3U/geh 3l/ah leer maximale |noch leer,, Füllung 7h wieder leer 6 | 0,08 0,37 1,0 I/gh 3!/eh 3l/oh 3l/ah 3l/gh fast leer | maximale |noch leer,, Füllung 6!/ah wieder leer c) Narcein. 7| 0,03 0,93 2,9 l/gh 3h [3% gefüllt,]3h maximale 3h Th leer Füllung, |noch leer, Th leer 7h gefüllt 8| 0,03 0,93 2,5 l/gh 3l/sh | 31/3h Jeer 31/3h 3l/sh maximale |noch leer, Füllung T/eh gefüllt g — — _ 1/gh Sl/ah | 3/ah gefüllt,| 34ah gefüllt, 6!/eh leer |noch leer, 61/2 h Jeer 61/gh gefüllt 10 == — = 1/ah — [3!/ah leer | 3V2h gefüllt, | 7h leer m TG ne SE GE a Ze Versuche zur Ermittlung der stopfenden Bestandteile im Opium. 343 Tabelle II4. Erste Fäces Art R und Zeit = a8 der ersten]| © 3 = Sg Fäces ao & ng 4h fest, | 4, 6, 9h 6h Durchf., 9h do. sh ca. Sh Durchfall 7b, 9 | 7, 9h Durchfall Th 61/2 h 5l/ah 55 9h Sl/ah u. später wiederholt Durchfall 9h, ca.8!/eh später wiederholt Durchfall 7, 9h 6!/oh u.anderen| &1/ah Tags Durchfall 61/a, Th | 6,6'/oh Durchfall nach dem Alkaloid 1,3,6h 4lle h 3l/ah 9h 6h ca. 6h Exitus | Sektion | Bemerkungen Resuitat a) Thebain, — — i. allgemeinen negativ Verhalten des Tieres nichts Auffallendes 33/ah tot un- — fraglich, Tod an charakte- Krämpfen, Atem- ristisch lähmung, keine Stopfung nach- gewiesen — == wie Nr. 1 | verzögerte Dünn- darm- u. Magen- entleerung; keine Kolonstopfung = en — Kontrolle zu Nr. 1—3 b) Papaverin, —_ —_ wie Nr. 1 negativ — — wie Nr. 1 negativ c) Narcein. \ —_ — wie Nr. 1 ]|keine Dünndarm- verzögerung, Dickdarm- entleerung leicht behindert (?) — — wie Nr. 1 |keine Dünndarm- verzögerung, Dickdarm- entleerung leicht behindert (?) — Kontrolle zu Nr. 5—8 — Kontrolle zu Nr. 5—8 23 * O. Hesse und P. Neukirch: 344 1-9 'ıN IImjyypanaq 289 u6: 190] 497I%8g0 UZEUOM TE 7 Te — u6Ww2| u6 a2 93 y9 | 35% g3/g | a ya) — [ur] Be Re) Od) gandg "N my yoz| wo ge +++ PAOIA 10519 199] Sunyndg aısod I — aa [ps | 4g [19 wo [ıregpanq yg| woou ug | eu ug [mpsug| we |u8r) 990 co (7000| 2 negypanq y9| 199 y9 180] y9 uF |u3g | ‘SOORg are | yo | Tewixeu un 6 ayedou RB a — {w7hlı we qrlıe ars [SUr/Z | OT Ar/S| u [u®sl| 990 | Szo |F00| 9 199] ISeJ 199] yG | 109] yG EN 1opoımM gg | “Sunpmg | Punymy 9][O1JUOy — E — — |yc ed |regydanq gs Fa9opypouyg| "Xewyg [-I9yY yE| — |urı G zdweay yorıq “uag9aag “3941 ug asod | -ıy 99sYaeys | yasmysıa 199] SunmA ‘411798 ostoazter | .+T9TSopaaqn |-o7Tereypsun) ur — | ug |SORTONEyE| you ye/sg | eu gez] ur [ug lu] 88 co [800] F uagoaıg ‘aydueayy yydııq EIER U BISESR ER ug aıısod | -a S9sQ1eJs | yosıysıı 0793 INJ9° ‘193 9sroMfto? | AOISopaaqn [-IgNerepun| yr SER 77 4919] yE/zg | KEU yE/s | U8laG 8 [u’r| 997 290 | Vol Yaano JR q/ıy ur sıq 910793 ws 74 epgppanp mgydanq | YOU yac | UDOU yPjel, Arısod -UOJIAT 'S) JOQIIP9IM 199] Zunmd IE || ERLEBEN za — IN] urlı, | PU yrje) you yp | eu up | Aal ur [ur [ud] 99 90 | To| wepy>2Id ug :y) pun -uung “wu 88 ur 3ungoy | yFZ wn} jfepgpanqg | 100] yzg | “una Z IN nz 9Is9}q>19] [7990793 wor | moyaapsıa NIS, <| Hfewıxewu O7]o1JUOY Se SO SSUEH. GR | ne — | 42 |[pun yoL w2 [mmpSwenE| Use Er urhke||) = uhr Ze = De Es 3 S d 3 N 2 2 < 2 Sale Soon. Sunymy 9desse unıga] el © e- s “säleo uasuny ou nen ut nn lerls23|ls3:|s°25[|=32|. yeynsoyy a uoyy9S | sayıxq Bi 85 u99S19 A9P -ULIEP ad SEM Bu E' Ei a E: Es s|2# IN En | N A er Motor s=|” © E SE E EB 5 SIR, 1 948ıJ i =B E [ | "SIE oTI9A®L Versuche zur Ermittlung der stopfenden Bestandteile im Opium. 345 nachweisen, ohne dass sie mit der gleichen Regelmässiekeit vor- kamen. Während nämlich 0,1 g auch nach Koloquintenzufuhr nieht in allen Fällen tödlich ist, kann schon durch 0,04 g in Ver- bindung mit Koloquinten der Exitus verursacht werden. Dieser ist mit Wahrscheinlichkeit nicht allein auf Rechnung der Restalkaloide an sich, sondern zum Teil auch auf Rechnung einer durch stopfende Wirkung der Restalkaloide bedingten tödlichen Koloeynthinresorption zu Setzen. Diese stopfende han war am Dünndarm der überlebenden Versuchstiere in zwei von drei Fällen deutlich. Sie äusserte sich in einer Verzögerung der Inhaltspassage, wie sie bei reinem Koloquinten- durchfall ohne Alkaloid nie beobachtet wird (Versuch 2). Daher genügen schon diese wenigen Fälle als Beweis. In den gleichen Versuchen war auch der Dickdarm erheblich länger gefüllt als bei den Kontrolltieren. Dies kann auf die verlangsamte sukzessive Nach- füllung vom Dünndarm aus bezogen werden und beweist nicht mit Sicher- heit eine direkte Diekdarmstopfung. Auch der Sektionsbefund war charakteristisch (Versuch 7). — Eine auf bestimmte Punkte beschränkte und nicht regelmässig auftretende Wirkung bei Koloquintendurchfall muss demnach den Rest- alkaloiden in grösseren Dosen, als den im Opium ent- haltenen Mengen entsprechen, zugestanden werden. 6. Brumslkaloii unter Ausschluss von Morphin, Narkotin und Restalkaloiden. (Tabelle II6 siehe auf S. 346 und 347.) Unter acht Versuchen verliefen vier rein positiv, d. h. eine an sich nicht tödliche Dosis des Alkaloidgemisches (s. auch Milchdurchfall) tötete die Tiere, die vorher eine an sich nicht tödliche Menge von Koloquintendekokt bekommen hatten. Die Tiere starben unter den Zeichen der Kolocynthinvergiftung; die Sektion ergab die für diese charakteristische Kolitis und Nephritis. In drei von vier Fällen kam es im Anschluss an die Injektion zu heftiger Erregung der Tiere. Insofern freilich waren auch diese Versuche negativ, als die diar- rhoische Diekdarmentleerung nicht durch die Injektion verhindert oder nach Konsistenz und Zeit des Auftretens wesentlich verändert wurde. — Eine ausgesprochene Verzögerung der Dünndarm passage konnte in nur drei von acht Fällen (zwei davon kamen zum Exitus) röntgenoskopisch festgestellt werden. Dazu muss indessen noch ge- 346 O0. Hesse und P. Neukirch: Tabelle I16. 4=&e|+$:.| Die Dosis enthält in Gramm Das Seas 1 | 4 | Keloı Ss Nr. | Dosis [2255 2255| 8. 23 |. | $% [auinten-[ „01° | Magen- ee ee | aa | SE fuhr | 9° | ent- BE“ Ser ne ea tion | | g g g (>) 2 = zZ eerung 1 — — — — — 2 — Y4h — 21/ah gefüllt, la h leer 2| 0,043 | 0,17 | 0,45 | 0,014 | 0,013 | 0,011 | 0,005 | Ysb 23/ah | 2h Jeer 31 0,054 | 0,21 | 0,56 | 0,018 | 0,016 | 0,014 | 0,006 14h oh 22/4 h leer 4 | 0,054 | 0,21 | 0,56 | 0,018 | 0,016 | 0,014 | 0,006 1/4h 3h 3h leer 5 | 0,054 | 0,21 | 0,56 | 0,018 | 0,016 | 0,014 | 0,006 | !/ah 23/4 h 23/4 h leer 6 | 0,054 | 0,21 | 0,56 | 0,018 | 0,016 0,014 | 0,006 | I/sh 3h 3h leer 71 0,043 | 0,17 | 0,45 | 0,014 | 0,013 | 0,011 | 0,005 ah 3l/ah | 3h leer le na u || onen leer 9 — = = — | sofort _ 2l/gh (12ccm leer 50/0) 10 | 0,048 | 0,17 | 0,45 | 0,014 | 0,013 | 0,011 | 0,005 | Yen | 22h | 2% gefüllt, 61/2 h Rest 11 | 0,043 | 0,17 | 0,45 | 0,014 | 0,013 , 0,011 | 0,005 ah 22/3, h 22/3 & gefüllt, 6/4h Spur Versuche zur Ermittlung der stopfenden Bestandteile im Opium. Tabelle II 6. Verlauf der Dünn- darm- passage 2llah maximal gefüllt 5l/ah fast leer 2h maxi- male Fül- lung22cm 6h 21cm 23/4 h maximale Füllung 28 cm 3h 38 cm Th leer Pla maximale Füllung 3h45cm 5h 30cm 3b 30 cm 7h 28cm, ca.10h 20cm 31/ah maximale Füllung 38 cm 7h6cm oh gefüllt, 4h leer 22/3 h 35 cm, 61/a h leer 22/3h 36 cm, 61/4 h leer Dick- darm- füllung 2!/ah gefüllt 5l/oh fast leer 2h gefüllt — 62/5 1) eilt 93/a h ge- füllt, 6?/sh gefüllt 23h Reste im Rect. 3h gefüllt 94h noch gefüllt! D3/ah leer 3h leer 3b gefüllt >7—10h gefüllt S1/oh gefüllt >7h gefüllt 22h leer 2l/gh gefüllt 4h Jeer 22/3 h noch leer 61/ah wieder leer 22/3 h gefüllt 6!/ah Rest Art und Zeit der ersten Fäces Sl/ah Durchfall, wieder- holt 4l/ah Durchfall 5l/ah Durch- fall, bis 23 h wieder- holt 4h Durch- fall, zwi- schen 12 und 24h wieder- holt,auch bis 48h 3h 8°/3 h 4!/sh Spur alt, 12 h Durchfall 7h, 10h und wieder- holt Durchfall 4h 4Voh 4h, 11h Zeitderersten Fäces nach El All Exitus De ee] loiden 5h pa Re 4h ih ex 5h | 24h — ca.4h | Ih — 3h 14h | 5l/ah spontan Slgh | 2/3h | 5l/eh spontan 4h, 1h, | zwisch. 12 h 9h 112u.21h spontan Th, — | getötet 10h 24h und mehr A 4h |ca.2h| 23h 4h, Ih, Ber. 11h sh Sektion D.D + Dickd. +++ N.+ ID, By Dickd. ++ N.+ D.D.? Dickd.+++ N.+ o.B.,leich- teste Rö- tung im Dünn- u. Dickd. D. D + Dickd.+++ N. +4 Blutungen im Darm! Bemer- kungen sehr err., Dyspnöe bis 120 Respir.(6°/sh) 4l/4h et- was er- brochen, 62/3 h höchste Erregung wie Nr. 2 ste Erre- gung 4h heftig- | 10h bricht. 4!/oh nicht erregt! 3l/ah leichteste Erre- gung 347 Er- gebnis Kontrolle zu Nr. 2 und 3 positiv ? positiv ? negativ positiv positiv positiv Kontrolle zu Nr.4—-7 Kontrolle zu Nr. 10 und 11 positiv unsicher 348 O. Hesse und P. Neukirch: rechnet werden, dass ein Tier schon 5 Stunden p. c. starb, also für diese Betrachtung nicht in Betracht kommt, und dass in zwei Fällen eine deutliche Verlangsamung der restlichen Magenentleerung, Ver- zögerung bis zu mehr als 6 Stunden p. c., beobachtet ist. Bei ge- nauer Durchsicht wiesen daher von acht Versuchstieren nur eines oder zwei eine ganz ungestörte, den drei Kontrollkatzen mit Koloquinten gleichende Magendarm- entleerung auf. 7. Narkotin. (Tabelle II7 siehe auf S. 349.) Zur Beurteilung eignen sich besonders Versuch Nr. 7—10, während _ die Gruppe 1—6 durch ein anscheinend zu starkes oder schlechtes Koloquintendekokt mit folgendem Brechen gestört ist. Dagegen ver- liefen die vier letzten Versuche fast schematisch gleich. Durch grosse Dosen Narkotin wird der Koloquintendurchfall nicht gestopft, die Tiere starben nicht, zeigten keine Erregung oder Narkose; es trat keine Verlangsamung der Dünndarm- und Diekdarm- passage im Vergleich zu den Kontrollkatzen hervor. Dass, wie im Fall sieben bis neun, gelegentlich noch 6 Stunden p. c. dünne Rest- schlieren im Dünndarm waren, kann auch bei Kontrolltieren vor- kommen und genügt jedenfalls nicht zur Annahme einer Stopfung. Die Versuchsreihe war rein negativ. 8. Synthetisches morphinfreies Pantopon (aus den uns gelieferten Einzelbestandteillen im angegebenen Verhältnis zusammengesetzt). (Tabelle II8 siehe auf S. 350 und 351.) Demnach zeigt bei Katzen mit Koloquintendurchfall das von uns zusammengesetzte morphinfreie Pantopon prinzipiell die gleiche Wirkung wie das fertiggelieferte: Die drastische Entleerung wird nicht aufgehoben. Von fünf Tieren sterben vier unter den Erscheinungen der Kolocynthinvergiftung und haben den erwähnten charakteristischen Sektionsbefund, während das fünfte Tier nur schwer erkrankt, sich aber erholt. Die Dünndarm- stopfung, die in Versuch II1 röntgenoskopisch deutlich war, trat auch hier in vier von fünf Versuchen zutage. Eine Verzögerung der Dick- darmentleerung, schon in den Versuchen mit dem originalen morphin- freien Pantopon nicht ganz regelmässig, fand sich bei dem morphin- freien synthetischen Pantopon nur in zwei von fünf Fällen. Die 349 Versuche zur Ermittlung der stopfenden Bestandteile im Opium. 6—L N doyeds Sun, Ay 190] nz 9[[013uoy] SE — | U ug | aayeds n ae | 970793 43/15 | XeW ya/ıg |988F 43/1 yrlı == nl! | 91917495 yelL> aayeds | aoyeds| opperqodanıg [-wnYpay yFz | usandg y9 aeaou = nu nup| une ur [Tag RA u8/1Z | Ww8z 8/1 [00T we/ıd yP/ı "7208.1.7.021.6 189] yYG (msL>) aoyeds aoyeds]| oypezyapanq | Yımyad 49 | usandg y9 ayesou SE nu "url upaehh | NOS y8hz | Ww8E 18/18 |W9T u3/1z ur LTo | To | 8 199] yFZ |ugl> 891 aoyeds |aorgds| areygyaama | 91093 qr/,9 |-usandg 49 | 1MJ93 Ayegou 5= nyus Ayuy| wurd 109] yr/ıg | WOIE:UrNG| ur/ıa y®ı DEORITEOSIE) U9YD0AAIO aoyeds zoygds| regypang [usands.anuyyjands.muy)| 1097 u, AıyeSou SEMIOF UT, nus Mur|ureel ur| 00T yr/s | we :gr/,s [arg yPı LTo | To | 9 199] 199] ‘op yF NN J9poIM yE/7L MOPaIM yE/;2fuspeig gE/ız, oEE OESHTEIN: aoyeds| areryaınd 199] ‘a99] ISeJ | ‘ımyod u OL nz 9][044uoy = — | 'Oyrf|aoyeds 'n yF | You yr/Z | yD0U yr/Z |AQOS yr/eZ ur — — |< U9SAMOO JULRIY uago9ag 199] 38eJ .Q I9I] S®p quo f & 2 N IR ‘stugesug a G END SunupseM wos s 9 E IT IN | -sq ouo wo SleFq>And 199] u) ps | 198 99 QT nz 9][JOUOY | -yog your uuomn — (49-F lager] VNWaz y2 [3tuom yr/Z|1y9s yr/7Z y8ı FE FE AU 106 | u86 199] u 96 88 349 | 48 olegpınma | mp3 yL 199] y yIpn795 u OT Aanedau = 131 | u3hır | urs u6 ug | ao pon gay az uRlız y®ı 2:02 1502 |B€ u y&/ıl 9/0 O1 IE TAN reuu “yshg um O7 nz opjoyuoy | -I9Mz Iyarıq — us Oma ug] A909 yL) 199] yL ayaug ydlı a zeulEe A LUERO Une) 093 68 < P/o8/ı8 U9TI0.1ALO jeggydanq | you yoT—S| “Sun 199] u OL Aayedou send y9 48-9 u6=2| 401-8 "209 PU yr/ıg | XeWm gr/ıa [IS yr/ıZ [url Urs iz Lo | To] ı zer s 3 3 3 So © Zunıa9 a S EB BE soon odessed En I Bene Se: 2 = 5 set|ı en 3unjjny -ULIBP I Seles |988|T5 8 = yeypnsoy wosunyaawag [uonyag| 2: = 32 | u998s19 Aop wen ITKE|S2e8lES55 1536 |572 IN Se -urepyporq | Ua pl m |s2]Es|s88[383|32 sooR, 7 uagsıo | #97 Pun MV PEOA | mepoa | a as = 38R|5” 10p 9107 Sense "1 2Il94®,L 350 O. Hesse und P. Neukirch: Tabelle IIS. | | | 0,009) 0,060) 0,009] 0,0061 0,003 0,017] Y/eh | 2'/eh | 21/4h leer, 0,28 bricht & = Die Dosis enthält in Gramm > 5:0 = = = | ae < 5 Ss S®8 S i E 5 = Verlauf EN, sa 0 a S R - = 5 der Nele eseh 2 ee Eee 58 = Es S = E = = E = = Magen- i7 5 lee SERIE Sg S |entleerung {=} >| & DEN — — =) ea le. = SS - ea © - | 177) =) Ss & = S © g g &) A = = a == 1 | 0,105] 0,28 [0,009 0,060 0,009 0,006 0,003 0,017] !/eh | 23ah| 24h | fast leer, 33/ah bricht, | 4h leer 2| — _ —-—ı-|1-|1-| -—- | — | Yah — [4l/eh leer sa |; Se le 2l/yh | fast leer 4 | 0,105 füllung, | 32h noch | gefüllt! 5 | 0,085 | 0,23 [0,007 0,050 0,007) 0,005 0,003 0,013] Yeh | 21/sh | 21h i | fast leer een | on — [2% gefüllt, : 3l/ah leer el — [?/at Spur, gebrochen 9 | 0,085] 0,23 | 0,007) 0,050 0,007| 0,005| 0,003) 0,013] %/sh | 3V/sh | 2iıh gefüllt, 5h Rest- füllung, ' | Th leer —|-|—- | —- | — |. — [| !Ah — | 31/eh leer, 2l/ıh Brechen 1| — — | 0,23 - 0,060) 0,009) 0,006 0,008 0,017) Yah | 21/4h | 2h Rest- Versuche zur Ermittlung der stopfenden Bestandteile im Opium. 351 Tabelle IS. Zeit der ran? ersten Fäces der Dick- | Art u. Zeit va Dünndarm- | darm- | der ersten | -= 3 Exitus| Sektion | Bemerkungen Z' & passage | füllung Fäces S = I E-| o o Zeit | cm Ss = /ahgefüllt,| 4”/sh — _ 62/3h | charakt., | bricht 3°/ah, 42/3h noch | gefüllt, D. D. — |schreit 4!/ah, 35 cm, 61/2 h Dickd. benommen, 6Y/ah leer | gefüllt Sea unruhig, N.+ positiv 4l/gh Jeer | 4V/ah |4Ah Durchfall] ca4h| — — — Kontrolle zu leer Nr. 1, 5, 6 2l/ah gefüllt| 4'/ah 6°/4h 6h — —_ — Kontrolle zu gefüllt, ] Durchfall Nr21,9,6 28 cm 2h gefüllt, 4h Sl/ah, nicht | 54 3h [8% schwer krank, | 22hauffallend 4h | 28 | gefüllt,| wiederholt, doch wieder er- still, 7h | 20 [32bnoch]| Durchfall holt. positiv 23h | 8! | gefüllt! Al/ahgefüllt,| 64 |6% Durchfall | 5'/eh | 32/3 | 8-10h] D.D. — positiv 4h |ca.40| gefüllt, Dickd. 7h | 46! dann Sud leer- N. (+) bleibend 2ljahgefüllt,| 2/ah 4l/ıh 4h 2h 12727 D2D2 positiv 7—10h leer, Durchfall ickd. Restspuren | 4'/4h ++ gefüllt, N.+ + 7—10h Reste 2h |ca.30|5h& leer |4!/eh Durch-| 4h — — — Kontrolle zu 3!/eh | ca.20 fall, vorher Nr. 7 u. 10 oh leer Brechen 4l/ah Jeer | 4/ah [4'/eh Durch-| Ah — —_ == Kontrolle zu leer fall, vorher Nr. 7 u. 10 Brechen 2!/ah| 20 | 34ah 62/3 h 6b | 3'1/sh]| 12h | charakt., positiv Sllah| 25 leer, Durchfall, 4h 1!/sh Dickd. oh | 14 5h 4?/sh FH 7b | 14!]| gefüllt, | Durchfall u. N. 7h leer| Brechen 3'/eh leer | 3V/eh 3l/ah 3h en — — Kontrolle zu leer Durchfall Nr. 7 u. 10 352 OÖ. Hesse und P. Neukirch: Resultate dieser Versuchsreihe sind demnach nur wenig inkonstanter als die mit dem fertigen morphin- freien Pantopon gewonnenen. Die wichtigsten Resultate des Teils II der vorliegenden Arbeit sind zusammengefasst zu Tabelle II9. Bei Katzen mit Koloquintendurchfall ergibt die nach hauptsächlicher Magen- entleerung vorgenommene subkutane Injektion von Narkotn See ee keine Stopfung Papayerins or ne Pe keine Stopfung IRhebainauter sehe keine Stopfung Nareeiner.. vn . keine Stopfung Restalkaleidene re. me in der Mehrzahl der Fälle irgendwelche, aber inkonstante Zeichen der Stopfung (Tod durch Kolocynthinvergiftung, charakter. Sektions- befund, verzögerte Dünndarmpassage) Kodein:, zer. ner immer deutliche Zeichen der Stopfung, jedoch anders als bei den Restalkaloiden: deutlich verzögerte Dünndarmentleerung, charakter. Sektionsbefund der getöteten Tiere, keinen spontanen Exitus an Kolocynthinvergiftung morphinfreiem Pantopon ohne Narkotin, ohne Restalkaloide (synthetisch), Sr res Hälfte der Fälle keine Stopfung, Hälfte: Kolo- cynthintod, charakter. Sektionsbefund, ver- zögerte Dünndarmentleerung morphinfreiem, kodeinarmem Pan- topon (nicht synthetisch) . . . keine Stopfung morphinfreiem Pantopon (origin.) immer Stopfung: Kolocynthintod, charakter. | Sektionsbefund, verzögerte Dünndarm- entleerung, manchmal verzögerte Dickdarm- entleerung morphinfreiem Patonpon (synth.) gleiches Resultat wie das vorige Präparat, nur nicht ganz so konstant. Die drastische Dickdarmentleerung wurde in keinem Falle auf- gehoben, Auch bei den Alkaloiden, für die in dieser Tabelle negatives Resultat angegeben ist, kamen leichte Abweichungen von dem Verhalten der Kontrolltiere vor, die indessen zu gering und inkonstant waren, um als Ausdruck einer stopfenden Wirkung angesehen zu werden. Als charakte- ristische Sektionsbefunde sind nur die Darm- und Nierenentzündungen angeführt, die deutlich stärker waren, als sie bei kräftigsten Kolo- quintendekokten auch wohl ohne Anwendung eines Stopfmittels ge- legentlich vorkommen, Versuche zur Ermittlung der stopfenden Bestandteile im Opium. 358 Bei Beobachtung der Opiumalkaloide in ihrer Wirkung auf den Milchdurchfall hatte sich ein Unterschied zwischen dem originalen morphinfreienPantopon und dem synthetisch wiedergewonnenen morphin- freien Pantopen ergeben. Bei dem Koloquintendurchfall erwies sich die Wirkung beider Präparate im Prinzip als die gleiche, zumal auch in den Ergebnissen der Röntgenuntersuchung. Nur wirkte das rekonstruierte morphinfreie Pantopon etwas weniger konstant. Es kam also auch hier eine geringe Schwächung des Pantopons durch die chemische Auflösung zur Geltung, die aber in den Hintergrund tritt, Auch ein anderes synthetisch hergestelltes kodeinhaltiges Alkaloidgemisch wirkte wenigstens in der Hälfte der Fälle stopfend (morphinfreies Pantopon ohne Narkotin und ohne Restalkaloide). Der negative Ausfall derVersuche mit Narkotin, Papaverin, Thebain, Narcein ist insofern von Bedeutung, als auch bezüglich der narko- tischen Wirkung und des Einflusses auf das Atemzentrum Narkotin, Papaverin und Narcein für sich allein als fast unwirksam gelten dürfen [v. Schröder!), Straub?) u. a.]. Ferner stellten, nach Mitteilung von Faust°®), Alvens und Rauth auch am Menschen fest, dass Narkotin, Papaverin und Narcein allein und in Kombi- nation auf Tonus und Entleerung des Magens keinen Einfluss haben. Dagegen bewirkte das Thebain beim Menschen unangenehme Magen- erscheinungen. Die Wirkung des morphinfreien Pantopons wurde von Winter- nitz*) am Menschen untersucht; er fand bei Dosen von 0,5—1,0 g keinen stopfenden Einfluss. Es sind indessen die Versuchsbedingungen am Menschen und bei einem speziellen Durchfall der Katzen so verschiedene, dass ein direkter Vergleich, zumal negativer Resultate, nicht von grossem Wert sein kann. Von grösster Bedeutung für die Kenntnis des Opiums und den Vorzug seiner Wirkung vor der des Morphins ist die Tatsache, dass die einzelnen Alkaloide nicht nur im quantitativen Verhältnis ihres Vorkommens im Opium wirken, sondern sich gegenseitig, in ihrer Kombination, beeinflussen und verstärken. Derartige „Potenzierungen“ sind besonders von Bürgi und seinen Schülern untersucht worden. Für die Opiumalkaloide stellte Straub fest, dass die narkotische 1) v. Schröder, l. c. 2) W. Straub, l. c. 3) ES. Faust, 1. c. 4) H. Winternitz, |. c. 354 O. Hesse und P. Neukirch: Wirkung des Morphins an Katzen durch das an sich unwirksame Narkotin erheblich gesteigert wird, ebenso die toxische Wirkung bei der weissen Maus, während der Morphineinfluss auf das Atemzentrum (Kaninchen) dureh Narkotinkombination verringert wird. Faust stellte eine grosse Zahl von Kombinationen der wichtigsten Opium- alkaloide her, die er auf narkotische Wirkung, Schmerzstillung, Atmungsbeeinflussung und Wirkung auf den Magen-Darm-Kanal am Menschen prüfen liess. Er kam auf diese Weise zu quantitativ be- stimmten Gemischen von Morphin mit den fünf auch unserer Unter- suchung zugrunde liegenden Hauptalkaloiden, welche einen besonders günstigen Kombinationseffekt haben sollen. Sehmidt!) arbeitete mit den in Wasser unlöslichen Anteilen des Opiums, mit einer Substanz, die neben Spuren von Morphin und etwas mehr Narkotin der Haupt- menge nach aus Harz-, Kautschuk- und gummiartigen Stoffen besteht. Dies Präparat stopfte den Pferdefleischdurchfall der Hunde und formte den vorher breiigen Kot von Menschen. Es besteht die Möglichkeit, dass hier schon die Spuren von Morphin und Narkotin mit den anderen genannten Bestandteilen des Opiums einen stopfenden Kombinationseffekt erzielten. Vielleicht wahrscheinlicher ist freilich die andere Möglichkeit, die Schmidt in den Vordergrund stellt, dass den meist als nichtstopfend angesehenen Harz-, Kautschuk- und gummiartigen Bestandteilen des Opiums allein schon eine geringe Stopf- wirkung zukommt. Um auch das vorliegende Material für diese ausserordentlich komplizierte Frage des Kombinationseffektes der Opiumalkaloide nutzbar zu machen, wurden in jeder Tabelle die im Alkaloidgemisch enthaltenen absoluten Mengen der Einzelstoffe angeführt. Die Zu- sammenstellung der Resultate bei Koloquintendurchfall in Tabelle II9 kann als Ausgangspunkt für diese Betrachtung dienen. Von den einzeln untersuchten Alkaloiden war stopfende Wirkung auf den Koloquintendurchfall nur bei Kodein zu beobachten, ferner bei dem Gemisch der Restalkaloide. Da nun morphinfreies Pantopon stopfte, morphinfreies, kodeinarmes Pantopon nicht stopfte, so ergibt sich, dass Kodein ein wichtiger, wenn nicht der wichtigste Faktor inder Stopfwirkung des morphinfreien Pantopons ist. Und zwar wirkten stopfend von: 1) H. Schmidt, Zur Opiumwirkung. Münchener med. Wochenschr. 1912 Nr. 28 S. 1546. Versuche zur Ermittlung der stopfenden Bestandteile im Opium. 355 Morphinfreiem Pantopon Codein. mur. Restalkaloiden — 0,02 & (Minimaldosis) — 0,04g(wahrsch. Minimaldosis) 0,08 g, mit einem Gehalt von 0,007 g 0,013 g Die Werte von Kodein und den Restalkaloiden, die im morphin- freien Pantopon stopfend wirken, sind also geringer, aber nur wenig geringer, als nach der minimalen stopfenden Dosis der isolierten Stoffe zu erwarten wäre. Aus dem morphinfreien Pantopon würde sich theoretisch als stopfende Dosis des Kodeins allein 0,014 & (gegenüber 0,02 g tatsächlich bestimmt), der Restalkaloide allein 0,026 g (gegenüber 0,04 g tatsächlich bestimmt) ergeben. Da zudem die minimale stopfende Menge des Kodeins allein und der Rest- alkaloide allein nicht mit voller Sicherheit festgelegt ist und auch nur schwierig zu bestimmen sein dürfte, so ist eine erhebliche Potenzierung ihrer Wirkung durch die Kombination mit den anderen Alkaloiden oder gegenseitig miteinander aus diesen Zahlen nicht zu foleern. Folgendes Beispiel ergibt das gleiche: Morphinfreies Pantopon ohne Narkotin und ohne Restalkaloide stopfte bei einem Gehalt von 0,014 g Codein. mur.; auch dieser Wert, derselbe, der sich rechnerisch im ersten Ansatz ergab, ist nicht beträchtlich geringer als die minimale stopfende Dosis des Kodeins allein (0,02). Nun ist aber in diesen beiden Aufstellungerf nur die röntgeno- skopisch festgestellte verzögerte Darmpassage als Stopfung verwertet. Etwas anders sind die Verhältnisse, wenn man den durch die Alkaloidinjektion bedingten Kolocynthintod der Katzen betrachtet. Dieser wurde, wenigstens in der Hälfte der Versuche, erzielt durch morphinfreies Pantopon ohne Narkotin und ohne Restalkaloide bei einem Kodeingehalt von 0,014 g. Kodein allein führte in Dosen von 0,027 g dagegen nicht zum Exitus der Tiere. Hier war also das Kodein in Kombination mit Papaverin, Narcein und Thebain fast doppelt so wirksam wie Kodein allein. Für die Restalkaloide ereibt sich auch bei diesem Ansatz kein Unterschied gegenüber der ersten Berechnung, weil sie allein in Dosen von 0,04 g auch zum Kolocynthintod führen konnten. — Die wesentliche Bedeutung des Kodeins bei der stopfenden Wirkung des morphinfreien Pantopons er- 356 O. Hesse und P. Neukirch: gab sich aus den Milehdurchfallversuchen nur mög- licherweise; sie ist durch die Beobachtung bei Koloquintendurchfall sichergestellt. III. Die stopfende Wirkung des Kodeins. Aus dem Ergebnis des zweiten Teils dieser Arbeit ging die neue Aufgabe hervor, den Mechanismus der Kodeinstopfung auch an Tieren unter einfachen Versuchsbedingungen zu untersuchen, in der gleichen Weise, wie die stopfende Wirkung des Morphins von Magnus!) mit Hilfe der Röntgendurchleuchtung beobachtet wurde. Es wurden zu diesem Zwecke 15 Röntgenversuche ausgeführt. Sie sollen nur dazu dienen, eine Übersicht über die Wirkungsweise des Kodeins zu geben, ohne auf alle in Frage kommenden Punkte ein- zugehen, Benutzt wurden gesunde Kaizen, die nach 24 stündigem Hungern 25 g Kartoffeln und 5 g Wismuthydrat bekamen. Zur Orientierung über die normalen Verhältnisse des Magen-Darm-Kanals der Tiere wurden sieben Beobachtungen an Katzen ohne Kodein ausgeführt. Sie ergaben in Übereinstimmung mit den Normalbestimmungen von Cannon, Magnus, Padtberg Magenentleerung 2—3 Stunden nach der Mahl- zeit, erste Kolonfüllung ca. 3 Stunden p. c. und eine Dünndarmkurve (Cannon), wie sie in Fig. 6 gezeichnet ist, Die Katzen bekamen 0,03—0,04 g Codein. phosphor. (— ca. 0,027 bis 0,036 & Codein mur.) subkutan. Das motorische Verhalten der Tiere nach der Injektion ist, wie bei den Versuchen an Milchdurchfall und Koloquintendurchfall, am besten als eine Mischung von Erregung, Angst und Hemmung zu beschreiben. Diese Störungen, weniger heftig als nach Morphininjektion, erreichten ca. 2—4 Stunden nach der Ein- spritzung ihren Höhepunkt. Sie waren bei den einzelnen Tieren sehr verschieden stark ausgeprägt; es kam vor, dass ein Tier fast keine Abweichungen von der Norm aufwies, 1. Wirkung des Kodeins auf die Magenbewegungen. Bei den sechs Tieren, die unmittelbar nach der Fütterung mit Kartoffelbrei-Wismut Kodein injiziert bekamen, zeigte die sofort da- nach” vorgenommene Röntgendurchleuchtung drei verschiedene Typen der Magenform. Diese sind in Fig. 4 nach den Schirmpausen gezeichnet. Entweder waren Fundus- und Pylorusteil wie bei normalen Tieren gleichmässig gefüllt; oder beide waren gefüllt, es bestand aber eine Kontraktion der Magenmitte, des Sphineter antri, und der Schatten des Pylorusteils war weniger intensiv als der des Fundus; oder es war allein der Fundusteil gefüllt, der Pylorusteil leer. l) R. Magnus,]. c. Versuche zur Ermittlung der stopfenden Bestandteile im Opium. 957 Die peristaltischen Wellen des Pylorusteils waren in den meisten Fällen, auch bei lichter Füllung des Antrumteils und Kontraktion des Sphineter antri, zeitweise zu erkennen, solange die Tiere nicht durch das Aufbinden wesentlich erregt waren. Tiefe, Zahl und Geschwindigkeit dieser Wellen ergaben nichts von der Norm Abweichendes. Kodein hebt also die Magenbewegungen nicht auf. S Fig. 4 Magenform von drei Katzen Fig. 5. Magenform von vier Katzen nach Kartoffelbrei - Wismut - Fütterung (25:5 8), die unmittelbar nach der Mahlzeit je 0,03 g Codein. phosphor. nach Kaitoffelbrei - Wismut - Fütterung (25:5 g), die unmittelbar (bzw. 2 Stun- den) nach der Mahlzeit 0,03—0,04 g subkutan bekamen. Röntgenpausen, Codein. phosphor. subkutan bekommen ca. 10 Minuten nach der Mahlzeit und hatten. Röntgenpausen, 5—8 Stunden der Kodeininjektion aufgenommen. nach der Mahlzeit gezeichnet. Ver- a Fundus und Antrum gefüllt. Peri- staltische Wellen. b Antrumteil leer. ce Kontraktion der Magenmitte. Ver- kleinerung !/a. kleinerung wie auf Fig. 4 (!/4). a und b mehr oder weniger vollständige Kon- traktion des Antrumteils, Restfüllung des Fundus. ce und d Sekret und Gas im Magen erkennbar, bei Restfüllung des Fundus. Während bei unvergifteten Tieren die Magenentleerung meistens !/ Stunde p. c. beginnt, kamen bei den Kodeintieren geringe Ver- zögerungen, aber niemals über 1 Stunde p. ce. hinaus vor. Weil indessen dies auch bei gesunden, aber aufgeregten Katzen gelegent- lich zu beobachten ist, kann auf diesen Befund kein grosser Wert gelegt werden. Sicher ist, dass der Verschluss des Sphincter antri und des Pylorus weder lange andauerte noch kontinuierlich bestand. Es waren 1—2 Stunden p. c. in allen Versuchen schon beträchtliche Teile des Dünndarms mit schattengebender Substanz gefüllt. Dabei behielt während der ganzen Zeit der Magenfüllung in einigen Fällen, nieht regelmässig, der Magen die charakteristische, durch partielle oder totale Kontraktion der Magenmitte entstandene Gestalt bei. Fig. 5 bringt einige Schirmpausen von Magenformen, die mehrere Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd. 151. 24 358 0. Hesse und P. Neukirch: Stunden nach der Fütterung aufgenommen sind, in gleicher Ver- kleinerung wie die der Fig. 4. : Die Gesamtentleerung des Magens war Pessrüber den. Hormalent Vergleichstieren in allen Fällen verzögert: Die Entleerung war nie früher als 5 Stunden p. ec, beendet, gegenüber 2—3 Stunden der Norm; unter sechs Versuchen betrug die Entleerungszeit zweimal 5—6, viermal mehr als 8 Stunden. In der Minderzahl der Beobachtungen zeigte der Magen neben dem Wismutbrei Ansammlung von hellem Sekret und Gas, mehr, als bei gesunden Tieren, aber weniger, als bei Tieren nach Morphin- injektion zu beobachten ist. Die für das Morphin so charakteristische kräftige und lang- anhaltende Kontraktion von Sphincter antri und Pylorus, die in erster Linie die Morpbinstopfung bei Gesunden bedingt, ist also auch beim Kodein vorhanden, aber erheblich weniger kräftig und konstant. 2. Einfluss des Kodeins auf den Dünndarm. Die Untersuchung bei Koloquintendurchfall der Katzen ergab, dass die Dünndarmpassage durch Kodein verzögert wird, und dass sich die Form der Darmschlingen unter Kodeinwirkung verändert. Die Versuche an gesunden Katzen liessen dagegen die Dünndarm- wirkung gegenüber dem Einfluss auf den Magen durchaus in den Hintergrund treten, Freilich ergibt die nach Cannon gezeichnete durchschnittliche Dünndarmkurve von den Tieren, die sofort nach der Fütterung Kodein bekamen, gegenüber der Normalkurve eine deutliche Verzögerung der Dünndarmfüllung (Fig. 6). Diese wird jedoch durch die verzögerte Magenentleerung hinreichend erklärt und braucht nicht auf einer direkten Dünndarmwirkung zu beruhen. Die durchschnittliche Dünndarmentleerung unterscheidet sich nicht erheblich von normalen Verhältnissen. Als Folge davon war auch keine Verzögerung des ersten Auftretens von Wismut im Kolon zu verzeichnen: im Mittel 2,6 Stunden p. c., wie bei gesunden Tieren. — Auch in sechs weiteren Versuchen, bei denen die Katzen erst nach hauptsächlicher Magenentleerung, also 2—3 Stunden p. c., Kodein bekamen, ist eine Dünndarmstopfung nicht deutlich geworden. Die Durehschnittskurve (Fig. 6) zeigt 6—8 Stunden p. c. eine mässig verzögerte Entleerung gegenüber der Norm; doch erreichte sie 2 bis 3 Stunden p. c. (vor der Kodeininjektion) schon nicht die volle Höhe der Normalkurve. (Die Tiere waren frisch und noch nicht an das Laboratorium gewöhnt.) Das Resultat der Durchschnittskurve bleibt Versuche zur Ermittlung der stopfenden Bestandteile im Opium. 359 also unsicher. Die Verhältnisse werden hier aber durch die Be- rechnung der Durchsehnittskurve verwischt. Die einzelnen Versuche zeisten einmal eine ausgesprochen verzögerte Dünndarmpassage (Fig, 7), zweimal leichte Verzögerungen und dreimal dauernd geringe gleichzeitige Darmfüllungen, also eine beständig flache Kurve. Gesamtlänge der Dünndarmschatten in Zentimetern. 1 2 3 4 5 6 7 8 Stunden. Fig. 6. Diagramm der Verdauungsbewegungen von Katzen mit Kartoffelbrei- Wismut-Fütterung. Ausgezogene Kurve: Durchschnittswert von normalen Tieren ohne Kodein. ——- — Durchschnittswert von Tieren, die unmittelbar nach der Mahlzeit 0,03 g Codein. phospor. subkutan bekamen. ----- Durchschnittswert ‚von Tieren, die 2—3 Stunden nach der Mahlzeit 0,03 g Codein. phosphor. bekamen. Jı an Injektion des Kodeins. Man kann zusammenfassen : Eine stopfende Wirkung des Kodeins auf den Dünndarm tritt bei normalen Katzen inkonstant hervor und steht hinter der Magenwirkung zurück. Sie ist etwa in der gleichen Weise angedeutet wie dieDünndarmwirkung des Morphins bei gesunden Katzen; erst bei Tieren mit Koloquintendurchfall wird sie deutlich, bleibt aber geringer als der Morphineinfluss. Schwenter!) bestätigte mit Hilfe von Moment-Röntgenaufnahmen die Beobachtungen von Magnus über den Mechanismus der Morphin- stopfung bei normalen Katzen. Jedoch glaubt er, dass gleichzeitig mit der Magenwirkung eine Erschlaffung des Dünndarms, namentlich 1) J. Schwenter, Über Verdauungsversuche mit Opium, Morphium, Pantopon und morphinfreiem Pantopon. Fortschr. a. d. Geb. d. Röntgenstrahlen Bd. 19. 1912. 24* 360 O. Hesse und P. Neukirch: aber des Diekdarms, zu erkennen ist. Die Röntgendurchleuchtungen der Kodeintiere liessen eine solche Darmwirkung nicht mit Sicher- heit erkennen. Gesamtlänge der Dünndarmschatten in Zentimetern. 1 2 3 4 5 6 7 8 9 Stunden. Fig. 7. Diagramm des Verlaufs der Verdauungsbewegungen bei einer Katze (ohne Durchfall) nach Fütterung von 25 g Kartoffelbrei und 5 g Wismuthydrat, nach Injektion von 0,04 g Codein. phosphor. bei y. Erstes Sichtbarwerden eines Schattens im Kolon bei v. Abnehmende Magenfüllung unter der Abszisse eingetragen. 3. Einfluss des Kodeins auf den Diekdarm. Drei Tiere bekamen die Kodeininjektion 14 Stunden nach der Kartoffel-Wismut-Fütterung, also zu einer Zeit, wo sämtlicher Wismut- brei im Kolon lag. Weder aus diesen noch aus den zwölf vorher mitgeteilten Versuchen ergab sich eine nachweisbare Kodeinwirkung auf den Diekdarm gesunder Katzen. Weil die Kolonentleerung in der Norm sich manchmal über 2—3 Tage hinziehen kann, ist es nicht verwertbar, dass von den zwölf ersten Versuchstieren neun erst 32—48 Stunden nach der Wismutfütterung ein wismutfreies Kolon hatten. Die drei Tiere mit Kodeininjektion zur Zeit der Kolon- füllung defäzierten im Laufe von 4—8 Stunden nach der Injektion. Ob ein Einfluss auf die Antiperistaltik des proximalen Diekdarm- abschnittes besteht, soll an Hand der wenigen Beobachtungen nicht sicher entschieden werden, weil diese auch bei normalen Tieren nur Versuche zur Ermittlung der stopfenden Bestandteile im Opium, 361 I in einem Teil der Durchleuchtungen sichtbar ist. — Dies negative Resultat entspricht dem mit Morphin gewonnenen. — Kodein hat eine deutliche Wirkung auf die Ver- dauungsbewegungen normaler Katzen. Diese setztin erster Linie am Magen an, ist am Dünndarm nurin- konstant, am Diekdarm nichtsicher nachzuweisen. Ihr Mechanismus ist der gleiche wie beim Morphin, aber in allen Teilen weniger energisch. Aus dem Befund, dass (mit Ausschluss des Morphins) ein Haupt- teil der stopfenden Wirkung des Opiums dem Kodein zuzuschreiben ist, ergeben sich eine Reihe neuer Fragen. Ob es gelingt, durch geeignete Kombination von Morphin und Kodein (eventuell mit den Restalkaloiden) ein stark stopfendes, aber weniger narkotisch wirkendes Präparat herzustellen, bedarf weiterer quantitativer Untersuchung. Resultate. I1. 0,08—0,1 g morphinfreien Pantopons, subkutan injiziert, ist eine für Katzen stark wirksame, aber nicht tödliche Dosis, die den Milchdurchfall regelmässig verzögert, ohne die Konsistenz der Entleerungen wesentlich zu verändern. Sie bewirkt ferner Speichel- fluss, charakteristische psychomotorische Störungen, manchmal Er- brechen, Behinderung der spontanen Nahrungsaufnahme und anderes mehr. I2. Dagegen wurde der Milchdurchfall der Katzen nicht ge- stopft durch morphinfreies, kodeinarmes Pantopon, Kodein, „Restalkaloide“, morphinfreies Pantopon mit Ausschluss von Restalkaloiden und Narkotin, Narkotin, nicht regelmässig oder selten gestopft durch morphinfreies Pantopon ohne Restalkaloide, synthetisch rekonstruiertes morphinfreies Pantopon, bei Anwendung aller Stoffe in Dosen, die 0,08—0,1 g morphin- freiem oder 0,23—0,27 g morphinhaltigem Pantopon entsprachen oder weit höher lagen. Die Differenz in der Wirkung des originalen und des synthetisch wiedergewonnenen morphinfreien Pantopons brachte es mit sich, dass die Untersuchung am Milchdurchfall nicht 362 -0. Hesse und P. Neukirch: Versuche zur Ermittlung etc. in allen Punkten .zu Schlussfolgerungen verwertbar ist. Eine Er- klärung für diese Differenz ist nicht gegeben. F - M1. Injiziert man Katzen, die eine an sich nicht oder wenig schädliche Menge Koloquintendekokt per os bekamen, nach Magen- entleerung (Röntgendurchleuchtung) eine an sich nicht tödliche Dosis von morphinfreiem Pantopon, so sterben sie unter den charakte- ristischen Zeichen des Kolocynthintodes. Die drastische Wirkung auf den Diekdarm wird nicht aufgehoben, jedoch die Dünndarmentleerung verzögert. II2. Die stopfende Wirkung auf Koloquintenkatzen war nich festzustellen bei Narkotin, Papaverin, ° Thebain, Narcein, morphinfreiem, kodeinarmem Pantopon, war dagegen, mindestens in einigen Faktoren, vorhanden bei morphinfreiem Pantopon mit Ausschluss von Narkotin und Rest- “alkaloiden (inkonstant), Restalkaloiden (inkonstant), Kodein (konstant), und war bei synthetisch wiederhergestelltem morphinfreien Pantopon nur wenig schwächer als bei dem originalen Präparat. II3. Neben dem Gemisch der Restalkaloide ist Kodein Haupt- träger der stopfenden Wirkung des morphinfreien Pantopons. Es wirkt in der Kombination mit den anderen Alkaloiden stärker, als nach der quantitativen Beteiligung zu erwarten wäre. Die aus unseren Versuchen hervorgehende Potenzierung ist aber eine nicht sehr grosse. — Die stopfende Wirkung des Kodeins auf den Kolo- quintendurchfall ist (unter unseren Versuchsbedingungen) am Dünn- darm am deutlichsten zu erkennen. III. Bei gesunden Katzen ohne Durchfall zeigt sich die stopfende Wirkung des Kodeins vorwiegend in verzögerter Magenentleerung, nur inkonstant in einem Einfluss auf den Dünndarm und ist am . Diekdarm nicht zu erkennen. Sowohl bei normalen wie bei Koloquinten- katzen war die Kodeiustopfung qualitativ die gleiche, aber quantitativ deutlich schwächer als die Morphinstopfung; darin liegt die Erklärung, dass Morphin den Milchdurehfall der Katzen stopft, Kodein nicht. 303 (Aus dem pharmakologischen Institut der Reichsuniversität Utrecht.) | Der Einfluss des Tannalbins auf die Verdauungsbewegungen bei experi- mentell erzeugten Durchfällen. Von Dr. ©. Hesse, (Mit 7 Textfiguren.) Über die manniefache Wirkungsweise der gebräuchlichsten Ab- führmittel haben die Röntgenuntersuchungen von Magnus!) und seinem Assistenten Padtberg?) an Katzen Aufschluss gegeben. Die Resultate wurden am Menschen von Meyer-Betz und Gebhardt?) im wesentlichen bestätigt. Dass sich auch noch manche andere, bisher nicht röntgenologisch beobachtete Möglichkeiten des Mecha- nismus der Durchfälle verwirklicht finden, ist wahrscheinlich. Aus diesen Ergebnissen geht die weitere Aufgabe hervor, auch die ohne Frage nicht minder mannigfaltige Wirkungsweise der Stopfmittel zu untersuchen und hierzu die gleiche Methode, das Röntgen- verfahren, anzuwenden. Röntgenuntersuchungen über den Einfluss von Stopfmitteln liegen bisher nur wenige vor. Die stopfende Wirkung des Morphins ist 1) R. Magnus, Der Einfluss des Sennainfuses auf die Verdauungs- bewegungen. Pflüger’s Arch. Bad. 122. S. 251. 1908. — R. Magnus, Der Einfluss des Ricinusöles auf die Verdauungsbewegungen. Pflüger’s Arch. Bd. 122 S. 261. 1908. ' 2) J. H. Padtberg, Der Einfluss des Magnesiumsulfates auf die Ver- dauungsbewegungen. Pflüger’s Arch. Bd. 129 S. 476. 1909. — J. H. Padt- berg, Der Einfluss des Koloquintendekokts auf die Verdauungsbewegungen. Pflüger’s Arch. Bd. 134 S. 627. 1910. 3) F. Meyer-Betz und T. Gebhardt, Röntgenuntersuchungen über den Einfluss der Abführmittel auf die Darmbewegungen des gesunden Menschen. Münchener mediz. Wochenschr. 1912 S. 1793. 964 O. Hesse: von Magnus!) aufgeklärt. Padtberg?) beschrieb die eigenartige Morphinwirkung auf Katzen mit Koloquintendurchfall. Von Neukirch und mir?) wurde eine Reihe anderer Opiumalkaloide in ihrer Wirkung auf den Milchdurchfall und den Koloquintendurchfall der Katzen, einzeln und in Kombination, untersucht und die nächst Morphin wich- tige Rolle des Kodeins bei der Stopfwirkung des Opiums festgestellt. Was die Metalladstringentien betrifft, so liegen über die stopfende Wirkung von Wismutpräparaten einige Röntgenerfahrungen vor [Rieder®), Best und Gohnheim?)]; doch sind diese Verhältnisse noch nicht abschliessend aufgeklärt (vgl. S. 385 ff.). Für die weitere Röntgenuntersuchung des Einflusses der Stopf- mittel bleibt also ein weites Feld. Die im folgenden mitgeteilten Versuche sind mit Tanninpräparaten vorgenommen. Benutzt wurde Tannalbin, das uns die Firma Knoll & Co. zur Verfügung stellte. Die Darreichung von reiner Gerbsäure per os eignet sich nicht, eine stopfende Wirkung auf den Darm zu erzielen. Es schädigt den Magen und kommt im Darm, zumal in seinen unteren Abschnitten, nicht mehr zur Geltung. H. Meyer‘) führte 1894 das Diacetyltannin unter dem Namen Tannigen ein, das sich im sauren Magensaft nicht löst. Klinische Untersuchungen von Fr. Müller’) ergaben, dass Tannigen bei subakuten und chronischen Durchfällen gut wirksam ist, bei akuten Diarrhöen weniger, und keine Schädigungen verursacht. Rost°®) konnte bei Katzen, die Tannigen per os bekamen, noch un- 1) R. Magnus, Die stopfende Wirkung des Morphins. II. Mitt. Pflüger’s Arch. Bd. 122 S. 210. 1908. 2) J. H. Padtberg, Über die Stopfwirkung von Morphin und Opium bei Koloquinten-Durchfällen. Pflüger’s Arch. Bd. 139 S. 318. 1911. 3) O0. Hesse und P. Neukirch, Versuche zur Ermittlung der stopfenden Bestandteile im Opium (Pantopon). Pflüger’s Arch. Bd. 151 S. 309. 1913. 4) H. Rieder, Beiträge zur Topographie des Magen-Darm-Kanals beim lebenden Menschen nebst Untersuchungen über den zeitlichen Ablauf der Ver- dauung. Fortschr. a. d. Geb. d. Röntgenstrahlen Bd. 8S.1. 1904. — H.Rieder, Über die physiologische Diekdarmbewegung beim Menschen. Fortschr. a. d. Geb. d. Röntgenstrahlen Bd. 13 S. 85. 1911. 5) F. Best und O0. Cohnheim, Zur Röntgenuntersuchung des Verdauungs- kanals.. Münchener med. Wochenschr. 1911 S. 2732. 6) H. Meyer, Tannigen, ein neues Adstringens für den Darm. Deutsche med. Wochenschr. 1894 S. 626. 7) Fr. Müller, Die Wirkung des Tannigens. Deutsche med. Wochenschr. 1894 S. 627. 8) E. Rost, Über die Ausscheidung der Gerbsäure und einiger Gerbsäure- präparate aus dem tierischen Organismus. Arch. f. exper. Path. u. Pharm. Bd. 33 S. 346. 1897. 6 Der Einfluss des Tannalbins auf die Verdauungsbewegungen etc. 365 zersetztes Tannigen in den Fäces feststellen ; es ist daher wahrscheinlich, dass es auch nech im Kolon wirkt. Schon 1881 wurde von Lewin!) mitgeteilt, dass Tannin-Eiweiss- verbindungen den Magen schonen. Doch hob Gottlieb?) hervor, dass die Magenwirkung auch dieser Zusammenstellung noch zu stark ist. Er stellte 1896 durch mehrstündige trockene Erhitzung auf 110—120° ein 50°o Gerbsäure haltendes Tanninalbuminat her. Dies Tannalbin wurde zuerst von v. Engel?°®), dann von Vierordt*) klinisch geprüft und erwies sich wie Tannigen bei subakuten und chronischen Durchfällen gut wirksam. Der Einfluss auf leichte akute Diarrhöen konnte weniger sicher festgestellt werden, weil diese durch Diät spontan schnell zurückgehen. Die Anwendung bei schweren akuten Durchfällen (infektiöser Enteritis, Dysenterie, Cholera nostras) wurde widerraten. Dagegen stopfte es auch Typhusdiarrhöen. Die Geschmacklosigkeit und Unschädlichkeit selbst bei Dauerverordnung grosser Dosen (Kinder bis zu 10 g pro die) wurden hervorgehoben. Dass es, wie Gottlieb vermutete, auch in den untersten Darm- abschnitten wirksam ist, wurde von Vierordt*) als wahrscheinlich angesehen, weil die Fäces an Schleimgehalt abnehmen und konsistent werden. Auch stellte Rost fest, dass nach Tannalbinverfütterung an Katzen Gerbsäure und unzersetztes Tannalbin im Kot zu finden sind. Es stopft nach Vierordt bei darmgesunden Menschen nicht oder nur ganz unwesentlich. Dagegen beobachtete Frey?°) an einem ge- sunden Hunde mit vorher regelmässiger Darmentleerung nach 1 g Tannalbin verzögerte Defäkation. Auf die sehr ausgedehnte klinische Literatur über Gerbsäurepräparate kann an dieser Stelle nicht ein- gegangen werden. Methodik. Die folgenden Versuche wurden an Katzen vorgenommen. Zu- nächst musste an normalen Tieren ohne Durchfall festgestellt werden, ob und wie Tannalbin wirkt. Von grösserer Bedeutung erschien es jedoch schon a priori, den Einfluss auf verschiedene bekannte Arten von Durchfällen zu untersuchen. Dazu war es nötig, Durchfälle experi- mentell herzustellen, die bezüglich ihrer Beschaffenheit und der Zeit der Darmentleerung, solange nicht gestopft wird, regelmässig ver- laufen und einigermaassen bestimmbar sind. Sind doch normale Katzen 1) L. Lewin, Zur Pharmakologie des Tannins und seiner Anwendungs- formen. Deutsche med. Wochenschr. 1904 S. 803. 2) R. Gottlieb, Über ein neues Tanninpräparat zur Adstringierung des Darmes. Deutsche med. Wochenschr. 1896 S. 163. 3) R. v. Engel, Therapeutische Erfahrungen über die Anwendung des Tannalbins als Darmadstringens. Deutsche med. Wochenschr. 1896 S. 163. 4) ©. Vierordt, Über den klinischen Wert des Tannalbins (Tannin- albuminat Gottlieb). Deutsche med. Wochenschr. 1896 3. 389. 5) E. Frey, Die Wirkung des Tannins auf Resorption und Sekretion des Dünndarms. Pflüger’s Arch. Bd. 123 S. 491. 1908. 366 oe auch deshalb wenig für derartige Untersuchungen geeisuen, weil die Defäkation an sich sehr unregelmässig erfolgt. In Vorversuchen wurde jedesmal Art und Häufigkeit der Diarrhöen festgestellt und durch einige Tannalbingaben versucht, eine allgemeine Orientierung über Stopfung und Nicht-Stopfung zu gewinnen. Die Röntgendurchleuchtungen der Hauptversuche wurden in der von Cannon!), Magnus?) u. a. beschriebenen Weise vorgenommen: Die Beobachtung erstreckte sich hauptsächlich auf Magenbewesung und -entleerung, auf die Geschwindigkeit der Dünndarmpassage, die durch Messung der gefüllten Darmstrecken zu verschiedenen Zeiten graphisch dargestellt ist, auf Bewegung, Entleerung des Kolons und die Konsistenz seines Inhalts. Gearbeitet ist an Katzen mit Milchdurchfall, mit Rieinusöl-, Kolo- quinten-, Magnesiumsulfat- und Sennainfusdurchfall, endlich mit einem durch Verfütterung von rohen Pferdeorganen entstehenden Durchfall, auf den wir durch die Mitteilungen von Pflüger®), Bachem), |s. auch Schmidt?°)] aufmerksam wurden. Um möglichst deutliche Aus- schläge zu erzielen, wurden Dosen von je 1 oder 2 g Tannalbin ver- wandt, also im Vergleich zu den bei Menschen üblichen therapeutischen Dosen beträchtliche Mengen. 1. Katzen mit Milcehdurehfall. Die Tiere bekamen morgens und abends als ausschliessliche Nahrung Milch. Wurde diese nicht spontan getrunken, was nach Tannalbin nur in seltenen Fällen vorkam, so ist sie mit der Schlund- sonde zugeführt. Die Katzen bleiben dabei gesund und haben täglich zweimal oder öfter eine breiweiche, hellgelbliche, manchmal bräun- liche Entleerung, die auch wohl flüssig sein kann. Die Diarrhöen waren bei allen Versuchstieren etwa 7 Tage nach Beginn dieser Diät durchaus regelmässig. Zur Röntgenuntersuchung eignet sich, auch bei Benutzung des unschädlichen Wismuthydrats, diese Art von Durchfall nicht, weil die schattengebende Substanz im Ge- rinnsel des Magens festgehalten wird und über den Durchgang der Molke durch Magen und Darmstrecken keine Auskunft gibt. Man 1) W. B. Cannon, The mechanical factors of digestion.e E. Arnold, London 1911. Literatur s. dort. 2) R. Magnus, |. c. 3) E. Pflüger, Über die Gesundheitsschädigungen, welche durch den Ge- nuss von Pferdefleisch verursacht werden. Pflüger’s Arch. Bd. 80 S. 111. 1900. 4) C. Bachem, Über Uzara, ein neues Antidiarrhoikum. Berl. klin. Wochenschr. 1911 Nr. 33. 5) H. Schmidt, Zur Opiumwirkung. Münchener med. Wochenschr. 1912 Nr. 28. Der Einfluss des Tannalbins auf die Verdauungsbewegungen etc. 367 würde also nicht von dem Ablauf des Milchdurchfalls Kenntnis be- kommen, sondern nur von der Magendarmpassage einer bestimmten Wismutmenge bei Milchnahrung. Auch diese Feststellung kann in grösseren Vergleichsreihen von Bedeutung sein, war aber für den vorliegenden Zweck nicht geeignet. Bei drei Tieren wurde morgens nach der spontanen Milch- aufnahme je 1 2 Tannalbin in etwas Milch mit der Schlundsonde eingegossen. Es erfolgte, wie gewöhnlich bei Milchdurchfallkatzen, im Laufe der ersten Stunden danach eine diarrhorische Entleerung, eine gleiche im Laufe des Abends oder der Nacht (nach der Abend- fütterung ohne Tannalbin). Die Wiederholung desselben Versuches am folgenden Tage hatte ebenfalls negatives Ergebnis; ein Tier be- kam sogar dreimal am Tage Diarrhöe, die schaumig war. Ebenso verliefen sechs weitere Versuche an Katzen, von denen zwei morgens und abends nach der Mahlzeit je 1 g, eine morgens und abends je 2 g Tannalbin bekamen. Auch sie verliefen negativ insofern, als keine Verzögerung der Darmentleerung zu beobachten war und die Defäkation weich blieb. Beimengungen geringer fester Partikel zu dem flüssigen und weichen Kot wurde dabei noch nicht als positive Stopfung angesehen, um eine scharfe Grenze beizubehalten. Es scheint, dass durch diesen Punkt der Unterschied gegenüber einer Mitteilung von Frey bedingt wird. Frey fand an einer Katze mit Milchdurchfall in einem Falle bei regelmässiger, guter Nahrungsaufnahme nach je !/a g Tannigen morgens und abends am folgenden Tage geformte Fäces. In zwei weiteren Versuchen am gleichen Tier waren auch, und zwar nach 1 g resp. zweimal täglich 1 g Tannigen, geformte Stücke dem Kot beigemischt. Aber in diesen beiden Fällen hatte die Katze an den Versuchstagen die zweite Milchportion nicht getrunken und auch nicht zugeführt be- kommen. Frey spricht sich trotzdem auch hier für Stopfung aus, weil in einem Gegenversuch ohne Tannalbin das Tier auch nach Dar- reichung der halben Milchmenge Milchdurchfall hatte. Immerhin werden diese beider Versuche dadurch weniger eindeutig. — Wenn Frey also zum Resultat kommt, dass Tannigen den Milchdurchfall der Katzen stopft, während in unseren zwölf Versuchen Tannalbin ihn nicht stopfte, so kann man doch noch nicht daraus auf einen sicheren und wesentlichen Unterschied zwischen Tannigen und Tannalbin schliessen. Es scheint, dass die Abweichung zum Teil auf verschiedene Definition der Stopfung zurückzuführen ist. Aufhebung oder deutliche Verzögerung der Defäkation geht auch aus der Mitteilung von Frey nicht hervor. Die Andeutung der Stopfung des Milchdurchfalls, die in unserer Versuchsanordnung immerhin möglich war, kann nicht als sicher positives Resultat gerechnet werden. 368 O. Hesse: Die genannten Versuche wurden mit drei Katzen an 4 auf- einanderfolgenden Tagen ausgeführt. Bei darmkranken Menschen tritt die Tannalbinwirkung im allgemeinen nicht später als 2—3 Tage nach dem Beginn der täglich wiederholten Darreichung ein (v. Engel). Weitere Fortsetzung schien daher nicht aussichtsreich. Die Darmentleerungen von Milcehdurchfallkatzen wurden also dureh Tannalbin nicht verzögert und nicht deutlich eingedickt. 2. Normalkatzen ohne Durchfall. Nach den Röntgenuntersuchungen von Cannon, Magnus, Padtberg ist der Maeen von gesunden Katzen, die mit 25 Kartoffelbrei und 5 g Wismut gefüttert sind, 2—3 Stunden nach der Mahlzeit entleert, die in bestimmten Zeitabständen gemessenen und als Kurve aufgezeichneten Gesamtlängen der gefüllten Dünn- darmschlingen ergeben eine Durchschnittskurve, welche in allen Versuchsreihen gleich ausfiel, der erste Wismutschatten im proximalen Kolon ist durchschnittlich 3 Stunden nach der Mahlzeit zu erkennen; der weitere Kottransport durch das Kolon und nach aussen unter- liegt grossen Schwankungen. Zur Kontrolle der eigenen Technik wurden sieben Versuche an Katzen ohne Durchfall und ohne Tannalbin ausgeführt, deren Resultate mit denen der Voruntersucher übereinstimmten. Die durchschnittliche Dünndarmkurve ist in Fig. 1 abgebildet. Zum Vergleich sind sämt- liche Maximal- und Minimalwerte (also nicht die des gleichen Ver- suches) eingetragen, um die Grösse der normalen Schwankungen deut- lich zu machen. In den ersten Versuchen wurden jedesmal doppelte Dünndarmausmessungen, mit Abstand von wenigen Minuten, vor- genommen, die meistens nur um wenige Zentimeter voneinander ver- schiedene Werte ergaben. Die kleinen Abweichungen erklären sich dadurch, dass es oft nötig ist, die sich überlagernden und die senk- recht zum Röntgenleuchtschirm verlaufenden Dünndarmschlingen durch leichten Druck auf das Abdomen des Tieres auszubreiten; dies kann bei mehr oder weniger starkem Druck die Dünndarmfüllung etwas kürzer oder länger erscheinen lassen. Auch Peristaltik und Pendel- bewegungen bedingen kleine Abweichungen. Weil aber in allen Fällen allein Mittelwerte aus einer grösseren Zahl von Bestimmungen benutzt wurden, haben auf der Höhe der Dünndarmfüllung gemessene Diffe- renzen um 10 cm und mehr auf das Gesamtresultat keinen deutlichen Einfluss. In zehn Versuchen wurde dem Kartoffel-Wismut-Brei je lg Tannalbin zugesetzt. Danach fand sich als Mittelwert der Magen- Der Einfluss des Tannalbins auf die Verdauungsbewegungen etc. 369 entleerungszeit etwa 5!/a Stunden nach der Mahlzeit, maximal über 8, minimal 2°/ı Stunden. Die mittlere Kurve der Dünndarmfüllung Gesamtlänge der Dünndarmsehatten in Zentimetern. 9 Stunden. Fig. 1. Diagramm der Verdauungsbewegungen von Katzen mit Kartoffelbrei- Wismut-Fütterung (25:5 g). Normale Tiere (ohne Tannalbin). Ausgezogene Kurve: Durchschnittswert. Punktierte Kurven: Verbindungslinien sämtlicher in allen Versuchen überhaupt gemessenen maximalen (bzw. minimalen) Werte. 80 5 Oz N FARBaSER SEA 8 Stunden. Gesamtlänge der Dünndarmschatten in: Zentimetern. Fig. 2. Diagramm der Verdauungsbewegungen von Katzen nach Fütterung mit Kartoffel-Wismut-Brei (25:5 g), dem Tannalbin beigemengt war. Ausgezogene Kurve: durchschnittlicher Wert. Punktierte Kurven: Verbindungslinie sämtlicher ‚überhaupt in allen Versuchen gemessenen maximalen (bzw. minimalen) Werte. am > 0. Hesse: ist in Fig. 2. gezeichnet. Auch hier sind, um Mitteilung aller einzeluen,, beobachteten Zahlenwerte zu vermeiden, sämtliche maxi- malen und minimalen Zahlen in je einer Nebenkurve wiedergegeben. Die erste Kolonfüllung trat im Mittel fast 4 (3,9) Stunden nach der Mahlzeit auf, frühestens 2°/s und spätestens 5!/ Stunden nach der Mahlzeit. Die Magenentleerung war also bei Tannalbinzusatz zu dem Wismutbrei verzögert. Kleinste Restschlieren, die an der faltigen Schleimhaut des kontrahierten Magens haften bleiben können, sind dabei in den angegebenen Zahlen nicht einmal mitgerechnet. Dennoch kann daraus nicht mit voller Sicherheit auf eine direkte Einwirkung des Tannalbins auf den Magen geschlossen werden. Ist doch auch ° klinisch am Menschen niemals ein Einfluss auf diesen, auch bei Däauerverordnung grosser Dosen, festgestellt. Es ist nämlich ganz allgemein, dass die Magenentleerung der Normaltiere (ohne Tann- albin), wenn sie nach 24stündigem Hungern den Brei spontan fressen, schneller erfolgt, als wenn er ihnen bissenweise in den Pharynx geschoben werden muss. Letzteres war bei den untersuchten Normal- katzen nur in etwa der Hälfte der Fälle nötig, während das Tann- albinfutter trotz der Geschmacklosiekeit des Tannalbins nur selten spontan gefressen ist. Die Verzögerung der Magenentleerung kann daher entweder durch den fehlenden Appetit entstanden sein und nur für eine indirekte Tannalbinwirkung sprechen oder beruht auf einer geringen direkten Beeinflussung des Magens. Auch vom Darme aus könnte das Tannalbin die Magenentleerung hemmen. Der die Magenentleerung oft hemmende Einfluss häufigeren Aufbindens der Tiere zum Zwecke der Röntgendurchleuchtung kommt für den ge- fundenen Unterschied nicht in Betracht, weil die Tiere mit und ohne Tannalbin etwa gleich oft durchleuchtet wurden. Wohl aber muss man daran denken, dass auch das mit dem Tannalbin eingeführte Eiweiss die Austreibung des Kartoffelbreies aus dem Magen hemmt. Hat doch Cannon nachgewiesen, dass Kohlehydrate schneller in den Dünndarm übertreten als Eiweiss. Immerhin scheint die ein- geführte Eiweissmenge von ca. "2 g zu gering, um die Verlangsamung der Magenentleerung für sich allein zu erklären. Die auf den Kurven sichtbare geringe Verlangsamung der Dünn- darmpassage, die etwa 4 Stunden nach der Mahlzeit in Erscheinung tritt, erklärt sich aus der langsameren Nachfüllung vom Magen aus bei den Katzen mit Tannalbin. Sie ist übrigens so wenig aus- gesprochen und fällt noch in das Bereich normaler Schwankungen, Der Einfluss des Tannalbins auf die. Verdauungsbewegungen etc. 371 dass von einem röntgenologisch nachweisbaren Einfluss des Tannalbins auf den Dünndarm gesunder Katzen nicht die Rede ist. Der sehr geringe Unterschied in der Zeit der ersten Kolonfüllung bei Normal- und Tannalbintieren muss ebenfalls auf die verzögerte Magen- entleerung bezogen werden. Ebenfalls trat in den Diekdarmbewe- gungen, der Diekdarmpassage und der Defäkation keine deutliche Abweichung zwischen beiden Tiergruppen zutage: Es kam bei beiden vor, dass Wismutreste bis zu 2 Tagen nach der Wismutmahlzeit in den festen Fäces enthalten waren. Die Beobachtung der proximalen und distalen Kolonhälfte ergab nichts Auffallendes. Dieser Befund entspricht dem von Vierordt an darmgesunden Menschen er- hobenen. Tannalbin hat, abgesehen von leichter Verzögerung der Magenentleerung, auf gesunde Katzen ohne Durch- fall keinen wesentlichen Einfluss. 3. Katzen mit Rieinusöldurchfall. Mit Rieinusöl wurden im ganzen 47 Versuche angestellt. Davon kommen sechs in Abzug, bei denen die Tiere bald nach der Ein- führung des Öles per os gebrochen haben. Dies ist auch bei Be- nutzung einwandfreien Öles und auch, wenn man zur Emulgierung höchstens zwei Tropfen dünner Sodalösung zusetzt, nicht völlig zu vermeiden. Ein manchmal erst im Laufe einiger Stunden, besonders um die Zeit des ersten Durchfalls, vorkommendes Erbrechen von Restfüllungen des Magens dürfte dagegen das Resultat der Versuche nicht stören. Bei den übrigen 41 Versuchen wurde in 25 Fällen die Röntgen- beobachtung vorgenommen. Die erste Versuchsreihe diente zu dem Zweck, die kleinste Menge Rieinusöles festzustellen, die bei Katzen mit Kartoffel- Wismut- Fütterung noch regelmässig Durchfall erzielt, und seinen Mechanismus zu beobachten. Es war wünschenswert, an einem zwar noch sicher auftretenden, doch milden Durchfall zu arbeiten, um etwa vorhandene Stopfwirkungen deutlich erkennen zu können. Magnus!) hatte zum Studium des Einflusses des Rieinusöles auf die Verdauungs- bewegungen von Katzen mit regelmässigem Erfolg 25 resp. 12,5 cem I) R. Magsnus,|. c. 372 O. Hesse: Öl benutzt. Nach H. Meyer!) wirken 2 eem nicht mehr sicher, während 2,5 und 5 cem nach 4—5 Stunden Diarrhöe erzielten. Aus zehn Versuchen, bei denen 2—2!/a Stunden nach der Wismutbreifütterung die Rieinusölemulsion mit der Schlundsonde eingeführt wurde, ergibt sich, dass Dosen von 7,5, 6 und 5 cem auch bei unseren Katzen noch regelmässig wirksam waren. Es kam im Durehschnitt 31/a (zwischen 1!/c und mehr als 7) Stunden nach der Öldarreichung zum Durchfall. Weil in zwei Fällen dieser aut Gesamtlänge der Dünndarmschatten in Zentimetern, 0 1 2 3 4 5 6 7 8 Stunden. Fig. 3. Diagramm des Verlaufs der Verdauungsbewegungen von Katzen, die ca. 2 Stunden nach einer Kartoffelbrei-Wismut-Fütterung Ricinusöl per os bekamen. Kurve 7, punktierte Linie: ein solcher Versuch als charakteristisches Beispiel. Kurve 2, ausgezogene Linie: Durchschnittskurve. v==erste Kolonfüllung. 5 ccm erst 6 bzw. mehr als 7 Stunden nach dem Öl erfolgte, wurden 5 cem als Minimaldosis angesehen, wenn auch 2,5 cem noch in einem Fall wirksam waren (das Tier erbrach im Verlauf). Von diesen zehn Tieren wurden sechs mit Röntgenstrahlen beobachtet. Die von Magnus bei gleicher Versuchsanordnung, aber an Tieren mit 12,5 bis 25 eem Öl gefundene Dünndarmkurve fand sich auch nach Ein- führung von nur 5 cem. Fig. 3 zeigt in Kurve 7 ein Beispiel der 1) H. Meyer, Über die wirksamen Bestandteile des Ricinusöles. I. Mitt. Arch. f. exper. Path. u. Pharmak. Bd. 28 8.150. 1891. Der Einfluss des Tannalbins auf die Verdauungsbewegungen etc. 373 rapiden Dünndarmentleerung nach Rieinusöl. Nicht in allen Fällen war die Wirkung so kräftig. Wenn nämlich bei Einführung des Öles 2—3 Stunden nach der Mahlzeit der Magen noch nicht ganz leer ist, kann die vollständige Entleerung durch den Einfluss des Fettes gehemmt werden (bis zu 7 Stunden nach der Mahlzeit und mehr), und die Nachfüllung in den Dünndarm ist verlangsamt. Doch war der Mechanismus der Ölwirkung überail der gleiche, so dass in der Durchschnittskurve der Fig. 3 (Kurve 2) im Vergleich zur Normalkurve ohne Rieinusöl (Fig. 1) die Beschleunigung der Dünn- darmentleerung durch das Öl hinreichend deutlich ist. Ebenfalls 60 Ss 3 2 5 E=| 2 25 80 = 38 Se 8 P-| >>} SN ni 20 = 23 = = 10 >} (de) 0 1 2 3 4 3 6 7 Stunden. Fig. 4 Diagramm des Verlaufs der Verdauungsbewegungen von Katzen mit Kartoffelbrei-Wismut-Fütterung, dem Ricinusöl beigesetzt war. a) Punktierte Linie: Durchschnitt der Dünndarmentleerung ohne Tannalbin. b) Ausgezogene Linie: Durch- schnitt bei gleicher Versuchsanordnung, wenn jedoch dem Riecinus-Wismut-Brei Tannalbin zugesetzt ist. fand sich auch mit diesen kleinen Riecinusmengen eine beschleunigte Dünndarmpassage, wenn das Öl sofort mit dem Wismutbrei zusammen verfüttert ist; der Kurvenausschnitt von Fig. 4 (Kurve «a) lässt die Beschleunigung im Vergleich zur Normalkurve der Fig. 1 erkennen (Durchschnitt aus sieben Rieinusversuchen ohne Tannalbin). Auch die von Magnus beschriebene charakteristische Erregung der Pendelbewegungen und Peristaltik des Dünndarmes war, wenn auch vielleicht nicht ganz so auffallend, bei kleinen Rieinusdosen sichtbar. Mit den so festgestellten Minimaldosen von 5—7!/a eem Rieinusöl wurden elf Versuche mit und, zur Kontrolle, 17 Versuche ohne Tannalbin vorgenommen zur Beobachtung, ob ein Einfluss des Tannalbins auf die Zeit der Defäkation und die Konsistenz der Fäces nachweisbar ist. Die Verhältnisse der Darmentleerung werden durch Tab. 1 ver- anschaulicht. Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd. 151 DD ST 374 j OÖ. Hesse: Tabelle 1. Dem Wismutbrei waren beigemischt Kontrollen DBE Lg ohne Tannalbin Tannalbin | Tannalbin Durchfall trat auf | 3 41/g 3 iR) 3 ı 2 (und 3'/e) 5 2lle 6 B) Rieinusöl nach I >6 11) 5 de: hauptsächlicher = e Magenentleerung Re = 5 gegeben Ir ex 6 | Stunden nach ee — 3 or Einführung L _ — | 3 (und 6) | des Rieinusöles N 5 | 3 5 Ricinusöl gleich- re 10 2 (und 5) zeitig mit dem 2 2]a und= 10 ; a N Wismutbrei ge- ar — 51/2 geben — — 41/a = _ 6 Während also bei den Kontrolltieren (Wismutbrei ohne Tannalbin) regelmässig 1Y/—6 Stunden nach dem Öl Durchfall auftrat, war bei den Tieren, die Wismutbrei mit Tannalbin bekamen, unter elf Fällen zweimal eine sichere (> 6#, 10%) und einmal eine wahr- scheinliche Verzögerung (/« und 10h) festzustellen, also in weniger als einem Viertel der Beobachtungen. Die Konsistenz der Fäces war in beiden Versuchsreihen die gleiche: ein Gemisch von altem, hartem Kot mit schleimig-flüssigen Bestandteilen. Rein negativ verliefen Versuche, in denen abends der Wismutbrei verfüttert und am folgenden Morgen, als alles Wismut im Diekdarm war, 5 ecem Öl gegeben wurden: Tiere mit und ohne 1 resp. 2 Tannalbin im Wismutbrei hatten 4—6!/s Stunden nach dem Öl Entleerungen von gleicher Beschaffenheit (vier Versuche; ein Tier brach). Wenn trotz dieses vorwiegend negativen Resultates in sache Versuchen mit Tannalbin und 13 Kontrollproben ohne Tannalbin die Röntgenuntersuchung ganz oder zum Teil durchgeführt wurde, so war das nötie, um zu ermitteln, ob nicht doch in den Einzelheiten der Magen- und Darmbewegungen ein Tannalbineinfluss deutlich wird. Es zeigte sich, dass die charakteristische Erregung der Dünn- Der Einfluss des Tannalbins auf die Verdauungsbewegungen etc. 375 darmbewegungen, das eigentümliche Hin- und Herhuschen kleiner Schatten auf dem KRöntgenschirm, durch Tannalbin nicht oder meistens nicht aufgehoben wird. Die Geschwindigkeit der Dünndarmpassage zeigte sehr ver- schiedene Werte. Im Vergleich zu der in Fig. 3 Nr. 2 mitgeteilten Durehsehnittskurve bei Einführung des Rieinusöles 2—3 Stunden nach der Mahlzeit, wurde alles in allem zweimal eine verlangsamte Dünndarmpassage gesehen; die Dünndarmkurve blieb bis 7 Stunden nach der Mahlzeit in einer Höhe von 25—40 em (nachdem in der Zwischenzeit in dem einen dieser Fälle der Dünndarm schon leer gewesen war). Dieses waren die zwei Tiere, die, wie erwähnt, auch eine Verzögerung der Dickdarmentleerung aufwiesen. Doch ist die Verlangsamung der Dünndarmpassage nicht so stark, um auch die im Dickdarm allein durch verzögerte Nachfüllung zu erklären. Dies sind indessen die beiden einzigen Beobachtungen, welche die Mös- lichkeit einer Dünndarm- und Diekdarmwirkung des Tannalbins bei Rieinusdurchfall ergaben. Die Durchsehnittskurven der Katzen, die Wismutbrei und Ricinusöl gleichzeitig bekamen, unterscheiden sich, wie der Kurvenausschnitt von Fig. 4 zeigt, bezüglich Entleerung des Dünndarms nicht deutlich; zufällig kam es sogar bei den Tieren mit Tannalbin zu etwas schnellerer mittlerer Dünndarmpassage. Die grossen Schwankungen, die für Katzen mit Rieinuszufuhr 2—5 Stunden nach der Tannalbin-Wismut-Fütterung eine charakte- ristische und von der in Fig. 3 abgebildeten Kurve der Kontrolltiere deutlich abweichende Durchschnittskurve nicht zu zeichnen erlauben, ergeben sich aus folgender Tabelle der in Zentimetern gemessenen Dünndarmlängen einiger Beispiele. Tabelle 2. Dünndarmfüliung in Zentimetern. Stunden nach der Einführung der Wismut- mahlzeit. 2 Std. | 3 Std 4 Std. 5 Std. 6 Std. 7 Std. | Resultat 59 cm 72 cm 73 cm 53 cm 44 cm 42 cm positiv Su 40 „ 220, Om 104; 23, positiv? 52 „ 43 „ 22, 0.5 0, 0% negativ 21.25.29, 23, 18, 1, 0% unsicher Da, 362, 129%; 0.85 055 DER negativ I DI 13 02, 0% 0:5, negativ 25 * 376 O. Hesse: Die schon bei Rieinustieren ohne Tannalbin sehr wechselnden Werte für die Zeit der Magenentleerung, der ersten Kolonfüllung, ergaben bei den Katzen mit Tannalbin keinen durchgreifenden Unterschied. Man kann zusammenfassen: Grosse Dosen Tannalbin ändern bei dem durch geringe Riecinusdosen erzielten Durchfall vonKatzendie Konsistenz der Entleerungen nicht, verzögern dieDünndarm- und Diekdarmpassage in weniger als einem Viertel der Fälle und scheinen im übrigen wirkungslos. 4. Katzen mit Koloquintendurchfall. Das Koloquintendekokt wurde täglich nach den Vorschriften der Pharmakopöe frisch aus entkernten Früchten bereitet, in gleicher Weise wie von Padtberg angegeben, dessen Untersuchung dieses Durchfalls an Katzen als Ausgangspunkt diente. Es sind im ganzen 57 Versuche angestellt, 25 mit, 32 zur Kontrolle ohne Tannalbin. Unter diesen waren 33 Röntgenuntersuchungen. Bei jedem Tannalbinversuch wurde die Wirksamkeit des Dekoktes an Katzen ohne Tannalbin kontrolliert. Eine Reihe von Versuchstieren musste wegen frühzeitigen Erbrechens nach Einführung des Dekoktes mit der Schlundsonde ausgeschaltet werden und ist in den genannten Zahlen nicht enthalten. Ebenfalls musste dreimal wegen Krankheit der Tiere der Versuch abgebrochen werden; diese Katzen erlagen der vereinigten Wirkung des ziemlich heftigen Koloquinteneingriffes und einer Bronchopneumonie; die Sektion zeigte, dass das benutzte Dekokt, wenn es vom Darm asthenischer Tiere nicht schnell genug befördert wurde, im unteren Ileum, vor- wiegend aber im Kolon, starke hämorrhagische Entzündung machen kann. — Die Entleerungen der Kontrollkatzen nach Koloquinten- dekokt hatten das charakteristische schleimige, glasige, manchmal blutige Aussehen und waren fast nie auf eine einzige Defäkation be- schränkt. Einen wirklich milden Durchfall zu erzielen, war unmöglich. Wie die Bestimmung der minimalen, sicher wirkenden Dosis an den Kontrolltieren zeigte, lag diese bei 3 cem des 10 °/oigen Dekokts [Padtberg!) benutzte 10 ccm gleicher Konzentration]. — Es wurden meistens frische Tiere benutzt. Nur am Anfang kamen dieselben Katzen gelegentlich zweimal in den Versuch, im Abstand von mehr als einer Woche, so dass sie sich inzwischen erholt hatten. Wie beim Rieinusöldurchfall wurden verschiedene Darreichungs- modi durchprobiert. Das Tannalbin ist immer dem Wismutbrei beigemenst worden. a) Das Dekokt wird unmittelbar nach der Wismutbreifütterung eingegossen. Dosis anfangs 6—7!/e cem, später 4—5 ccm. 19. H. Badtberg, I.c: Der Einfluss des Tannalbins auf die Verdauungsbewegungen etc. 377 Tabelle 3. Es traten Entleerungen auf Stunden nach der Mahlzeit bei sechs Tieren ohne Tannalbin . . 8 (und 5Y/e), 3, 2 (und 31/2, 6), 4/a (und 5), 61/2, 21/2 (und 3a, 5) bei drei Tieren mit 2 g Tannalbin . . 4 (und 5l/e), 21/2 (und 33/4), 2/2 bei einem Tier mit 1 g Tannalbin . . 1!/a (und 2) Diese Fäces waren also durch Tannalbin nicht verzögert und in allen Fällen diarrhöisch zu nennen. Jedoch unterschieden sie sich bei den Tieren mit Tannalbin von den Kontrollkatzen deutlich durch eine mehr breiig-pastenartige, weniger schleimige Konsistenz, waren trockner, enthielten geformte Bestandteile und so gut wie niemals Blut. (Sie zeigten in allen folgenden Versuchen dies gleiche Ver- halten.) Bei der Röntgenuntersuchung zeigten Magenentleerung, Dünn- darmpassage, Kolonfüllung und -entleerung keinen erkennbaren Unter- schied zwischen den beiden Versuchsreihen (sechs Fälle). Die Dünn- darmkurven entsprachen im Prinzip den von Padtberg mitgeteilten. b) Das Dekokt wird nach hauptsächlicher Entleerung des Magens in den Dünndarm, etwa 2 Stunden nach der Mahlzeit ge- geben. Dosis 3 cem. Tabelle 4. Es traten Entleerungen auf Stunden nach der Mahlzeit bei drei Tieren ohne Tannalbin. . . . | 5Y/e (und 6/4), 41/e (und 6, 8), 5 (und später) bei drei Tieren mit je 2 g Tannalbin . | 5°%4, 3 (und 4Y/e, noch dreimal wieder- holt), >7 (fest) Bei dieser Versuchsanordnung bestanden in beiden Gruppen die ersten Fäces vorwiegend aus festem, altem Kot, die folgenden waren schleimig diarrhöisch. Der Unterschied der Konsistenz nach Tann- albinverfütterung trat wie bei a) auch hier zutage. Ein Versuch mit Tannalbin ergab geringe Verzögerung der Entleerung, die beiüen anderen sind, abgesehen von der mässigen Konsistenzänderung, negativ. Röntgenuntersuchung wurde nicht vorgenommen. ec) Das Dekokt wird morgens gegeben, nachdem am Abend vorher die Wismutbreifütterung gemacht war, so dass am Morgen nur das Kolon Füllung zeigte. Dosis 3 cem Dekokt. 378 0. Hesse: Tabelle 5. Es traten Entleerungen auf Stunden nach der Koloquintenzufuhr bei zwei Tieren ohne Tannalbin . . . 2°/4 (und später), 11/4 (3 und 3%e) bei zwei Tieren mit je 2 g Tannalbin 7 (und 8, halbfest), 3 (und später, Du: chfall) In einem Fall war also durch Tannalbin die Koloquinten- entleerung um einige Stunden verzögert; der andere verlief negativ. Kein Röntgenversuch. Bei diesen inkonstanten und nicht ausreichend deutlichen Er- sebnissen war es nicht ratsam, mit diesen Methoden eine grössere Reihe von Versuchen fortzuführen. Da es sich zeigte, dass die Katzen meistens auch an dem der Koloquintendarreichung folgenden Tage noch Durchfall hatten, so wurde nun versucht, diesen Nach- durchfall zu stopfen. Diese Versuchsanordnung entspricht wohl am meisten den Verhältnissen der Praxis, in denen Tanninpräparate benutzt werden können, wenn nach Reizung des Maeendarmkanals und mehrmaliger Entleerung desselben die Diarrhöen unerwünscht lange fortbestehen. Gleichzeitig lag hier eine relativ milde Art von Durchfall vor. d) Koloquintendekokt 14—16 Stunden vor der Wismutfütterung (die das Tannalbin enthielt). Dosen anfangs 6—8, später bis zu 20 ecm ansteigend. Weil Tannalbin- und Kontrollversuche jedesmal mit der gleichen Menge desselben Dekoktes ausgeführt wurden, ist „ das Resultat trotz der ansteigenden Dosen direkt vergleichbar. Die Tiere hatten sämtlich im Laufe der Nacht, zwischen der Koloquinten- eingabe und der Wismutfütterung, einmal oder öfter charakteristische Koloquintenfäces entleert. Nach Ausschaltung der Katzen mit Erbrechen und der kranken Tiere bleiben 37 Versuche; 27 von diesen wurden mit Röntgen- durchleuchtung angestellt. — Bei den starken individuellen Unter- schieden, welche die Darmentleerung von Katzen aufweist, ist es nicht auffallend, dass bei experimenteller Herstellung eines möglichst leichten Durchfalls,_ eines Nachdurchfalls (nach Drastikum), einige Katzen nicht mehr innerhalb der Beobachtungszeit nach Wismut- fütterung diarrhöische Fäces entleerten. Dies war bei den Kontroll- tieren (ohne Tannalbin) unter 21 Fällen siebenmal zu beobachten; d. h. der Nachdurchfall war in 66°o der Versuche vorhanden. Es würde das zu wenig erscheinen, um damit zu arbeiten, wenn nicht Der Einfluss des Tannalbins auf die Verdauungsbewegungen etc. 379 der Unterschied gegenüber den mit Tannalbin gefütterten Tieren erheblich wäre. Bei diesen trat unter 16 Beobachtungen nur dreimal, also in nur 18°o der Versuche, Nachdurchfall ein, während elfmal sichere, zweimal sehr wahrscheinliche stopfende Wirkung gesehen wurde. Die Verhältnisse gehen aus Tabelle 6 am klarsten hervor. Tabelle 6. Die Tiere bekamen 14—16 Stunden vor der Wismutmahlzeit das Koloquinten- dekokt. Die Entleerung erfolgte — Stunden nach der Wismutfütterung. 1. Bei Tieren mit Tannalbin im 2. Bei Tieren ohne Tannalbin im Kartoffel-Wismut-Brei Kartoffel-Wismut-Brei 26 > 24 31/2 (und mehrf. später) > 10 (2 spurweise); 26 >24 2 (und 6, 26) 6 la >24 6 4(6 und mehrf. später) 6 > 24 4 (und mehrf. später) 7 > 24 1 (6) >8 (<24) > 24 >11 (<24M 61/2 > 24 1 (7 und mehrf. später) > o (< 24) alle, 24 >24 21a >11 (<24 6 Te >10 (< 24) > 24 >24 >24 (1 spurweise) > 10 (< 24) 7 Als verzögerte Entleerung ist hierbei gerechnet, wenn innerhalb von > 3 Stunden nach der Wismut-(Tannalbin-)Fütterung keine Fäces kamen. Im allgemeinen war die Konsistenz des Kotes schleimig- weich bei den frühen, ganz oder teilweise geformt bei den späteren Entleerungen , d. h. bei den mit Tannalbin behandelten Tieren in der Mehrzahl der Fälle fest, bei denen ohne Tannalbin in zwei Drittel der Fälle diarrhöisch. Es bestand nun die Frage, welchem Abschnitt des Magen-Darm- Kanals diese Wirkung des Tannalbins zuzuschreiben ist. Zur Be- antwortung wurden 27 Röntgenversuche mit folgendem Resultat aus- geführt. Die Magenbewesung und die Zeit der Magenentleerung ergaben keinen bestimmten Unterschied. Letztere schwankte um 3—6 Stunden bei beiden Versuchsgruppen;, der bei gesunden Tieren ohne Durchfall beobachtete verzögernde Einfluss des Tannalbins auf die Austreibung des Mageninhalts war hier nicht so deutlich. Die Dünndarmpassage ergibt sich aus den in Fig. 5 abgebildeten Kurven, den Durchschnittskurven von 17 Versuchen ohne und zehn mit Tannalbin. Der Unterschied zwischen beiden ist so gering, dass von einer eindeutigen Tannalbinwirkung auf die Dünndarmentleerung £ S0 O. Hesse: (db) nicht die Rede sein kann. Ferner ist bemerkenswert, dass sich beide Kurven nur unwesentlich von dem Verlauf der Dünndarmkurve normaler Tiere (ohne Durchfall, ohne Tannalbin; Fig. 1) unter- scheiden. Daraus ergibt sich, dass Magen und Dünndarm der Katzen mit Nachdurchfall anscheinend ziemlich normal waren, während die nachhaltige Wirkung des Koloquintendekokts in erster Linie als Diekdarmerkrankung anzusehen ist. Die Sektionsbefunde bestätigen diesen Schluss. Auch die Beobachtungen Padtberg’s führten zu dem gleichen Resultat, dass die Diekdarmreizung durch Koloquinten 60 or >) 40 in Zentimetern. NS) co S S 1 [e>) Gesamtlänge der Dünndarmschatten 0 1 2 3 4 5 6 4 8 Stunden. Fig. 5. Diagramm der Verdauungsbewegungen von Katzen mit Kartoffel-Wismut- Brei am Tage nach einer Koloquintenfütterung (Nachdurchfall. Punktierte Linie: Durchschnitt aus 17 Versuchen ohne Tannalbin. Ausgezogene Linie: Durchschnitt aus zehn Versuchen mit Tannalbin. die Dünndarmreizung deutlich überwiegt: Er injizierte am lebenden Tier in Narkose in etwa gleichlange Strecken von abgebundenem Dünn- und Dickdarm Koloquintendekokt und sah im Dünndarm nach Injektion von 2 cem 10 °%/oigem Dekokt 9 cem Sekret auftreten (Mittel aus 22 Darmschlingen), im Dickdarm nach Injektion von 2 cem 2/2 /oigem Dekokt dagegen (im Mittel aus zwölf Bestimmungen) 34,5 cem Sekret entstehen. Die einzelnen Dünndarmkurven dagegen zeigten unter sich die allergrössten Verschiedenheiten: bald maximale Füllung schon 1—2 Stunden nach der Mahlzeit und völlige Entleerung nach 4 Stunden, bald noch 3—5 Stunden nach der Mahlzeit nur kleine Strecken gefüllt und erst 6 Stunden nach der Mahlzeit maximale Füllung, bald während der ganzen Zeit der Dünndarmpassage gleich- zeitig immer nur Füllung kleiner Strecken, bei langsamer Magen- entleerung. Es erübrigt sich bei diesen, weder für Versuche mit Der Einfluss des Tannalbins auf die Verdauungsbewegungen etc. 381 noch ohne Tannalbin spezifischen, grossen Differenzen die Zahlen- tabelle in extenso mitzuteilen. Däss es sich hier um keine oder doch keine deutliche Beein- flussung des Dünndarms durch Tannalbin handelt, geht auch aus der Zeit der ersten Kolonfüllung hervor; sie lag bei den Tieren mit Tannalbin nicht später als bei den Kontrollen. Zufällig waren die Verhältnisse sogar umgekehrt, als man erwarten mochte: Im Mittel aus 17 Bestimmungen füllte sich das proximale Kolon bei den Kontroll- tieren 3,3 Stunden (2—6!/s Stunden) nach der Fütterung, bei den zehn Tannalbinversuchen 2,4 (1—6) Stunden nach der Mahlzeit. Die Frage, ob das ganze Kolon gleichmässig oder ob einzelne Abschnitte von ihm besonders geeignet sind zur Stopfwirkung, ist nicht einfach zu entscheiden. Die Protokolle ergeben über die während der Durchleuchtungen vorgefundene Lagerung des Wismut- kotes folgendes: Bei den Kontrollkatzen war in keinem der 24 Stunden nach der Mahlzeit untersuchten Fälle das Coecum um diese Zeit noch gefüllt, während es bei den Tannalbintieren in drei von zehn Fällen noch voll Inhalt war. Wenn man ferner das Kolon der Katzen mit Cannon in zwei Abschnitte teilt, die sich wenigstens funktionell deutlich unterscheiden, so war die Zeit des ersten Eintritts von Wismutkot aus dem proximalen in das distale Kolon in beiden Ver- suchsreihen ziemlich gleich: Bei 17 Kontrollkatzen war das distale Kolon 8 Stunden nach der Mahlzeit 14mal gefüllt (bzw. gefüllt gewesen), dreimal noch nicht gefüllt; unter zehn Tannalbintieren war es neunmal gefüllt, einmal nicht gefüllt. Etwas anders ist der Befund, wenn man den ersten Eintritt des Kotes in das untere Deszendens und obere Reectum (wo er auch bei Katzen sehr lange liegen kann) ins Auge fasst: Unter 16 Kontrollen war das obere Rectum 8 Stunden nach der Mahlzeit in zwölf Fällen, also 75 /o, gefüllt, in vier Fällen noch nicht gefüllt oder gefüllt gewesen. Unter zehn Tannalbintieren war es 8 Stunden nach der Mahlzeit nur in fünf Fällen, also 500, gefüllt, in vier Fällen sicher nicht und in einem Fall (Grenzfall) noch nicht deutlich gefüllt. — Danach lässt sich indessen eine erhebliche Bevorzugung eines einzelnen Kolonabschnittes durch das Tannalbin nicht sicher feststellen. Die bei der Sektion von Koloquintenkatzen oft makreskopisch erkennbare Colitis (hämor- rhagica) macht es verständlich, dass hier das Tannalbin mehr Ge- legenheit zum Angreifen hat als an dem durchweg fast intakten Dünndarm. 382 O. Hesse: Man kann zusammenfassen: Der Koloquintendurchfall der Katzen wird durch einmalige Tannalbingaben nieht gestopft; nur die Konsistenz der Fäces erleidet eine geringe Veränderung. — Der in zwei Drittel.der Fälle noch am Tage nach Koloquintenzufuhr bleibende Nachdurchfall wird durch Tannalbin häufig gestopft. Diese Wirkung setzt am Kolon an. Damit ist der Beweis geführt, dass Tannalbin auch in den untersten Darmabschnitten der Katze noch wirksam ist. Es handelt sich in vorwiegendem Grade um eine adstringierende Wirkung auf die entzündete Schleimhaut mit Veränderung von Resorption und Sekretion; dagegen tritt der Einfluss des Tannalbins auf die Motilität in den Hintergrund. Der in vielen Punkten ausbleibende Einfluss des Tannalbins auf Rieinusöl- und Koloquintendurehfall entsprieht dem klinischen Befund, dass Tannalbin auf akute Diarrhöen des Menschen nicht so regel- mässig, jedenfalls nicht so sicher nachweisbar wirkt wie auf subakute und chronische. 5. Katzen mit Sennadurchfall. Nach den Feststellungen von Magnus!) beeinflussen 20 cem eines 10°/oigen Sennainfuses bei fleischgefütterten Katzen die Be- wegungen des Magens und Dünndarmes nicht, veranlassen jedoch bei ihrer Ankunft im Diekdarm Kolonbewegsungen, die zur Aus- stossung zuerst fester, dann halbweicher, weicher, selten auch flüssiger Fäces führen. Die Antiperistaltik des proximalen Kolons ist auf- gehoben. Unter 20 Tieren blieb bei vier die Wirkung aus. Die erste Entleerung erfolgte im Mittel nach 6! Stunden; in einigen Fällen wurde sie erst am folgenden Morgen im Käfig gefunden. Zur Prüfung des Effektes des Tannalbins gegenüber der Senna- wirkung wurden acht Katzen zunächst 5 Tage lang auf Fleischkost (zweimal täglich 75 & gehacktes Fleisch) gesetzt, worauf feste Ent- leerungen in Zwischenpausen von 1—4 Tagen erfolgten. Darauf erhielten sechs von diesen acht Katzen 2 Tage lang täglich zweimal je 2g Tannalbin mit dem Futter, ebenso am Morgen des Versuchs- tages. Jedes Tier bekam also 10 g Tannalbin in 2!/e Tagen. Am Versuchstage erhielten die Tiere 20 cem 10 %/oigen Sennainfuses mit 1) R. Magnus, Der Einfluss des Sennainfuses auf die Verdauungs- bewegungen. Pflüger’s Arch. Bd. 122 S. 251. 1908. Der Einfluss des Tannalbins auf die Verdauungsbewegungen etc. 383 der Schlundsonde und vor- und nachher gehacktes Fleisch. Die Wirksamkeit des Sennainfuses ergab sich an den beiden Kontroll- tieren, von denen eines nach 3/2 und 7 Stunden weiche Entleerung, das andere nach 3!/a Stunden feste und weiche, nach 6!/s Stunden weiche Entleerung hatte. Der Erfolg bei den sechs mit Tannalbin behandelten Katzen war: Katze Nr. 1 N Ne En 5. | Nee Entleerung keine nach 7 Std. am anderen nach nach 7'/a Stdn.) nach 5 Stdn. Entleerung , fest+ weich, | Morgen fest | 31/a Stdn. | fest + weich, | fest+ weich nach 9'/2 Stdn. + halbweich fest am anderen weich | Morgen weich Bei einer Katze blieb die Wirkung aus. Bei den anderen er- folgte nach ähnlichen Zeiten, wie sie Magnus beobachtete, zuerst feste Entleerung, an die sich bei vier Tieren weiche oder halbweiche Stühle anschlossen. Demnach hat Tannalbin selbst in grossen Dosen und bei mehrtägiger Vorbehandlung das Zustande- kommen der Sennawirkung nicht verhindert. 6. Katzen mit MgSO,-Durchfall. Über die Beeinflussung des Bittersalzdurchfalls durch Tannalbin habe ich leider keine ausgedehnten Erfahrungen sammeln können, da fast alle mit Tannalbin vorbehandelten Tiere auf Einführung einer hypertonischen MgSO,-Lösung in den Magen mit Erbrechen reagierten. Dass aber auch nach ausgiebiger Anwendung von Tannalbin durch Magnesiumsulfat Durchfall hervorgerufen werden kann. lehrt folgender Versuch: Katze hat bei Fleischnahrung innerhalb 6 Tagen drei feste Stuhl- entleerungen. Sie erhält 2 Tage lang mit dem Futter 2xX2 g Tannalbin und ebenso am Morgen des Versuchstages 2 g Tannalbin (im ganzen 10 g Tannalbin in 2!/s Tagen. Am Morgen des Ver- suchstages bekommt sie 25 g Kartoffelbrei und danach 50 ccm 5 °/o MgSO,!) mit der Schlundsonde. Nach 11 Stunden hat sie reichliche diarrhöische Stuhlentleerung. Am anderen Mittag wird halbweicher und weicher Stuhl entleert. 1) Sicher abführende Dosis von MgSO, nach J. H. Padtberg, Der Einfluss des Magnesiumsulfats auf die Verdauungsbewegungen. Pflüger’s Arch. Bd. 129 S. 476. 1909. 384 Ö. Hesse: Jedenfalls sind weitere Experimente erforderlich, um ein end- gültiges Urteil über die Stopfwirkung des Tannalbins gegenüber dem Bittersalzdurchfall zu gewinnen. 7. Katzen mit Durchfall bei Verfütterung von Pferdemilz und -leber. Um einen deutlicheren Fffekt des Tannalbins beobachten zu können, war es nötig, bei Katzen eine andere Form von Diarrhöen, einen milden, chronischen Durchfall herzustellen. Pflüger!) hat gefunden, dass Hunde bei ausschliesslicher Er- nährung mit Pferdefleisch regelmässig dünnflüssige Entleerungen haben ; sie können dabei, wenn auch nicht ganz ohne Schädigung, mehrere Monate am Leben bleiben. An Katzen zeigte sich der Durchfall nicht so regelmässig. Bachem?) benutzte diese Beobachtung, ebenso wie Schmidt?), zur pharmakologischen Untersuchung; sie fütterten Hunde mit Pferdefleisch unter Zusatz von Milz bzw. nur mit Pferdeorganen (Milz, Nieren, Hirn). Bei den von uns verwandten Katzen gelang es regelmässig, durch Ernährung mit roher Milz und Leber von Pferden dünnbreiige Ent- leerungen im Laufe von 3—5 Tagen zu erzielen, die innerhalb von 24 Stunden ein- bis dreimal erfolgten. Nur pflegte. wie auch Pflüger an Hunden beobachtete, die zuerst entleerte Portion der Fäces ge- formte Bestandteile zu enthalten oder ganz geformt zu sein. Auch waren die Tiere individuell verschieden geeignet. Oft wurden die Durchfälle bei unveränderter Ernährung nach wenigen Tagen unregel- mässig, die Entleerungen ganz oder grossenteils fest. Eine Versuchs- reihe, in der drei Katzen während 16 Tagen mit 100 g Pferdemilz und -leber pro die gefüttert wurden, ergab, dass die für vorliegenden Zweck nötige Regelmässigkeit der Diarrhöe nicht erreicht werden konnte. Eine bei den gleichen Tieren angeschlossene Ernährung mit roher Pferdemilz allein (4 Tage) führte ebenfalls nicht zu dem ge- wünschten Resultat. Es ergab keinen Unterschied, ob die Organe feingehackt oder in Stücken verfüttert wurden. Die Tiere verweigerten die Nahrungsaufnahme in keinem Falle. Ein regelmässiger breiweicher oder halbflüssiger Durchfall bei ge- eigneten Tieren wurde erst erzielt, wenn der gehackten rohen Pferde- milz und -leber Brot beigemengt war. Die Entleerungen erfolgten zwei- bis dreimal innerhalb 24 Stunden; nur die erste Portion enthielt auch jetzt oft geformte Bestandteile in meist geringer Menge. Nach mehrfachem Hin- und Herprobieren erwies es sich am geeignetsten, täglich zweimal je 50 g Milz, 50 g Leber und 50 g Brot, gehackt und gemischt, zu geben, dabei Wasser nach Belieben. Die Katzen 1) E. Pflüger, I. c. 2) 0. Bachem, I]. c S)EHL.=Scchmidt, rc. ee NN Der Einfluss des Tannalbins auf die Verdauungsbewegungen etc. 385 bekamen morgens gegen 10h und abends um 6h das Fressen. Die Hauptentleerungen erfolgten nach der Abendfütterung und in der Nacht, eine, aber nicht regelmässig, nach der Morgenfütterung. Die genauen Entleerungszeiten konnten daher nicht regelmässig beobachtet werden. Die über 2 Monate lang bei dieser Diät gehaltenen Katzen blieben gesund, frassen immer spontan und gierig und nahmen stark an Ge- wicht zu. Die am Schluss aller Versuche vorgenommene Sektion von drei Katzen bei bestehendem Durchfall ergab hauchige Rötung der Schleimhaut einzelner Kolonstellen bei den drei, gleiche Rötung auch im unteren Ileum bei einem Tier. Es bestand also möglicherweise leichte Reizung, aber kein ausgesprochen pathologischer Befund. Zur Untersuchung des Tannalbineinflusses auf den Pferdefleisch- Brot-Durchfall der Katzen war es nötig, mit Hilfe der Röntgen- durchleuchtung zunächst den Mechanismus der ungestopften Diarrhöen zu beobachten. Dies war nur dann angängig, wenn die Beimenguug von Wismuthydrat nicht schon an sich den Durchfall stopft. Die deswegen angestellten Vorversuche ergeben also einen Beitrag zur Frage der stopfenden Wirkung des Wismuts [Rieder'), Best und Cohnheim?)]; zum Vergleich sind einige Versuche mit der anderen röntgenoloeisch am meisten benutzten schattengebenden Substanz, dem Bariumsulfat, angeschlossen. Schon die ersten Beobachtungen mit Wismuthydrat zeigten nun, dass die schon erwähnte Beimengung fester Bestandteile zur ersten Kotportion häufiger wurde, bei im übrigen fortbestehendem Durchfall. Dadurch wurde die exakte Be- urteilung erschwert, und es war nötig, als positive Stopfung nur die Fälle anzuerkennen, in denen die ganze oder doch fast die ganze Menge der Fäces geformt war. (Tabelle 7 siehe auf S. 386.) Zwischen den einzelnen angeführten Versuchen an gleichen Tieren lagen jedesmal einige Tage Pause, bis der anfängliche Durchfall wieder regelmässig notiert war. Die Substanzen wurden dem Brot -Milz- Leber-Brei beigemischt und störten niemals in der spontanen Nahrungs- aufnahme, die regelmässig erfolgte. Zum Vergleich wurde noch eine dritte Versuchsreihe mit Bolus alba angefügt. Die Tabelle ergibt, dass in fünf von 13 Versuchen mit Wismuthydrat eine sichere Stopfwirkung vorlag. Diese bestand dreimal allein in Zunahme der Konsistenz des Kotes, einmal in Konsistenzvermehrung und deutlich verzögerter Entleerung, einmal allein in verzögerter Dee nireder ic: 2) F. Best und ©. Cohnheim, |. c. 386 O. Hesse: Tabelle 7. Dosis und Zeiten Dauer en der ER Resultat Nr. : (am folgenden Morgen der Eingabe des Versuches vorgefunden) des Versuches a) Wismuthydrat. 1 | morg. u. abds. jedg 1 Tag breiig-füssig und fest | unsicher, negativ 2 do. do. do. do. 3 do. 2 Tage nacheinander | breiig-flüssig, weich- negativ breiig 4 do. do. 1. Tag: weichbreiig unsicher, negativ 2. Tag: fest und weich- breiig 5 do. 4 Tage nacheinander | 3 Tage fest und breiig- positiv weich 4. Tag: alles geformt 6 do. do. immer vorwiegendbreiig- negativ flüssig 7 do. do. 3 Tage fest und breiig- positiv weich 4. Tag: alles geformt 8 do. do. immer vorwiegendbreiig- negativ flüssig &) do. 6 Tage nacheinander | 4 Tage mehr und weniger positiv fest, dabei breiig und weich 5. Tag: alles geformt 10 do. do. am 2. Tag keine Fäces, positiv sonst immer breiig- weich, wenig Festes 11 do. 7 Tage nacheinander | 2. Tag: verzögerte Ent- positiv leerung 4. Tag: alles geformt, sonst stets fest und breiig-weich 12 ! morg.u.abds.jel5g | 2 Tage nacheinander | immer fest und breiig- | unsicher, negativ weich 13 do. 4 Tage nacheinander do. do. b) Bariumsulfat. 1 | morg. u. abds.je5 g| 6 Tage nacheinander | immer vorwiegend negativ Durchfall 2 do. do. immer Durchfall, einige do. Tage schaumig-flüss. 3 | morg.u.abds.jel5g 1 Tag breiig-flüssig mit etwas | unsicher, negativ Festem 4 do. 3 Tage nacheinander | reichlich flüssig-breiig, negativ wenig Festes 5 do. 4 Tage nacheinander | breiig-weich mit wech- | unsicher, negativ selnd reichlichen festen Beimengungen c) Bolus alba. 1 | morg. u. abends 5 g | 6 Tage nacheinander | immer reichlich Durch- negativ fall und wenig Festes 2 | morg.u.abends 15g | 3 Tage nacheinander | immer weich-breiig und | unsicher, negativ (einmal 10 g) geformte Stücke 3 |morg.u.abds.jel5g|4 Tage nacheinander | weich-breiig mit weniger do. festen Beimengungen Der Einfluss des Tannalbins auf die Verdauungsbewegungen etc. 387 Entleerung. Auch bei über 4 Tage und länger fortgesetzten Versuchen bestand diese Stopfung indessen jedesmal nur an einem, höchstens 2 Tagen; danach trat trotz Wismut wieder vorwiegend oder zur Hälfte diarrhöische Entleerung ein. Am ersten Morgen nach dem Tage der Wismutzufuhr fand sich niemals deutliche Stopfwirkung. Grosse Dosen (2x 15 g pro die) wirkten nicht stärker als kleine Dosen von 2X 5 g. Dagegen ist bei Verwendung von Bariumsulfat in gleichen Dosen und gleicher Versuchsdauer niemals eine deutliche stopfende Wirkung beobachtet; einmal waren die Entleerungen sogar schaumig-flüssig. Es wurde ein chemisch einwandfreies, auch für Menschen in wieder- holten Dosen von 150 g unschädliches Präparat der Firma Merck benutzt, dessen Reinheit kontrolliert wurde. Weil auch Bolus alba keinen klaren Erfolg ergab, muss die den Fleisch-Brot-Durchfall von Katzen manchmal stopfende Wirkung des Wismuts als chemisch- spezifisch für Wismut angesehen werden. Als Bestätigung dieses Ergebnisses kann eine Versuchsreihe an- geführt werden, die seit mehreren Jahren im Utrechter pharmako- logischen Laboratorium durchgeführt ist. Diese wurde von dem früheren Assistenten Herrn E. H. van Hasselt begonnen und von Herrn Dr. P. Klee fortgeführt!). Katzen, die intraperitoneal einmal resp. im Abstand von 8 Tagen zweimal je 1 ccm Dysenterietoxin [Spronck?)] bekommen hatten, zeigten zum Teil bei Ernährung mit Pferdefleisch und Wasser (zweimal täglich gefüttert) Durchfälle, die zwar nicht regelmässig auftraten, doch oft mehrere Tage hintereinander bestanden und in den ersten Wochen nach der Injektion die Zahl der festen Entleerungen überwogen. (Tabelle 8 siehe auf S. 333 und 389.) Die Tabelle ergibt: Bei einem unregelmässigen Durchfall von Katzen wurde, wenn im Anschluss an 3—5 Tage nacheinander vor- handene Diarrhöen ein- oder zweimal täglich (in einzelnen Fällen am nächsten Tag wiederholt) 5 g Wismuthydrat gegeben ist, unter zehn Versuchen sechsmal sichere, dreimal wahrscheinliche Stopfung beobachtet, ein Fall war unentschieden. Diese bestand in über 24 Stunden ver- zögerter Entleerung und Eindickung der Fäces. Es darf als gerecht- fertigt angesehen werden, die Resultate zu verwerten, weil der gleiche Erfolg mit so grosser Regelmässigkeit auftrat. Dass diese Versuchs- reihe mehr positive Ergebnisse zählte als die an Katzen mit Pferde- fleisch - Brot- Durchfällen, ist verständlich, weil es sich hier um die 1) Vorläufig mitgeteilt vonR. Magnus, Verhandl. des 29. deutschen Kongresses für innere Medizin S. 44. Wiesbaden 1912, i 2) Das Dysenterietoxin wurde von Herrn Prof. Spronck-Utrecht freund- lichst zur Verfügung gestellt. O. Hesse 388 -OJUISLIOLIOA SIR] UOFUOSIWIF 70 UP Ur ZU9NsIsuoy aypfem ‘wopypeu of “usgqasosue HpınMm [feFgang 19po 7891 (T Ifepypanq :SeL 'Z 08U9ga SUASLOUL 3597 (8) IE], 1OPU9S[oF wu (IfeJgPanq [ewIz 's99®, A pun jfegyang [olA :SeL "I ‘JnwusıM 9uray [eu EZ 9S9J TeuLST a9yoısun IfeJypanq pun 3807 (e 3 G [ewur SU9s.ToUL ‘op u9se], z9 Afeqaauur ‘9 IJydanq :3e] 94 Yugın nz 3897 :3eL, F—'E fefydandq FunzJ9sJ10, 7) ‘op sg] 9uwy :SeL, 'c— "1 ‘op dapuurayoeu 956], F FIN 'S de SO9B, T SU :SGL 'P (g SOYInSIO A (SunIsojJur] 9919902194) Iegpanq :SeL € regypandq sap 'SI10,J) Ayısod SIR T 9UL9y :Se]L 'S— IL ‘op Jopuvuraygdeu 9SeL £ CEEINES ‘7 SB, T JuLoy (Sunydıpu [eggdanq :SeL 1 —"S Se], WU [ewyougun ‘SundopJum 9)1980Z.19A) 389} :5eL 7— 8 yanwusıM IeJyaanaq ‘S99%, 7 UATISIOqLIEIP "N Aısod yarjurmydsayem SORT UN :SeL 'g—T | C Tewure suosaou | aopuwuroyaeu OSB], g U9JS9] UOA [OSYI9M sE GL I) 4897 : Se] 7 —"% ynwsim 36 3897q[ey (yd1LSB)) IIeF “op SORT 9uroy : Se, 'T | Spuogqe pun suodıow | dopueuropoeu He], g | -Yand spe 4897 dodyney 2 3597 :3eL 'C eppanq :SeL 78 SIR] SUN :SeL '& (3eL D uunpaqfeq u9q9895 YOSIaLT (ya1]0%9) (SunasopJumg vI1980Z19A) | 4sayqpey uurp “19902 um JnwsIM 9 € jleJqydaudq 7897} pum yostoyı amısod yoruroyosagem | -194 puaqy wnz sıq :Se] '[ | spuage pun sussıow | 1opueursgseu 988], y -ABIP SISSBWwfoF9.1uN = Tr ———————————————————————————————————— nn EEE EEE en uod%], uaJsyoru uop ur pun YONSI9A WIP A0A UIUI0 A UOPUIYISLHLLIOA sorpnsto \ SOp FEMSOT | uaSıom uopuagfor ue s% 2504 OSCT, U9J2J9] A9P S99® ; A9p SndAISUONEYLIJOC JSULTETIN IN U9Pu9.0]0F ‚ L I 19p H [% 1eJ9q 3 o11l9q%L 389 Der Einfluss des Tannalbins auf die Verdauungsbewegungen etc. "OISLIITIOA SHIRT UOFTOSTUD 770 UHP UL ZUOISISUON Hyafom ‘wopypeu of “uagosadue 9pınM [feygypang 10po 980,4 (I GING Te Ig syjqydru [eu 98 3597 Jewog :uuep ppanq :3eL 7—E 7897 pun Jfegypang :SeL 'Z 3807 :SeL I ‘op SsIIB,T HUN (% pujosqdaM :S%], 'EI— "GC syqdıu :oeL F 3897 :SeL "7 syyaru :Se], ‘I op 789] (® IeJqdang] : oe] °G jfeyydanq pun 4897 :Se], ‘Fr 489] :SeL sau] 9Uroy :S%]L, 'Z 7so7qfey : SL 'T ‘op SORT HUHN (8 gang :S%], ‘9 SO9R J SUN :SB]L, 'G Smoagq :Se]L Fr 389] :SeL 'g IfeJypanq pun 3897 :Se]L 'Z 389] :S@L I SHIRT HUN (E (HPIPIZULI N 1980Z.19A) Atyısod uU9SBL, USISy9gu uap ur pun el U9SIOTN UAPU9SLOF UIR SIIET ‘op osuagd (8) Se]L 19PU95]07 ‘nusım 3 cf spusage pun su9sdoUl °op osuUag9 SU9S.TOL (e)3eL u9pu9s]or us “INWSTMA 3 G Jewur su9dıow SISOT (woIsI ] SEMJ9 yıuı euruto) JeIJqdAnCH A9PULUIHUITU SB], F eJydand A9pueuloygdeU 988], € Ifegypanq 96], SOART AuULHNy Su], Sıoagq SELL, Iergdand] 98%], Henn Ierydanc] daopurulogdeu 98%], € yansı9aA WOPp A0A 99%], UOJZI9] A9P SO9R 6 N 'S (LIEF jew 0% ‘s09u. 1 AulaN [UL PZ ‘1897 [EU 6Z uosr], £, qfey.ıouuı ans 9 an 'S u9T90 A U9PUIYOD.IIU.IOA A9p SndAIsuoNegejoqg -(3unzJos}104) 8 o]TOqeL (6 IN uz FUNZIoSIIOT) “OL („IN nz SUnZzI9S}10 ]) 8 (9 'aN nz Sunz49sJ10 ]) L J9WLWUNN So au Bd. 151. Pflüger’s Archiv für Physiologie. 390 0. Hesse: allermildeste (unregelmässige) Diarrhöe handelt. Damit stimmt überein, dass BaSO, auch bei diesen milden Durchfällen eine Stopfwirkung äussert, während, wie oben gezeigt wurde, der Pferdefleisch - Brot- Durchfall durch BaSO, unbeeinflusst bleibt. Tabelle 7 ergab den Beweis, dass es möglich ist, den Pferde- fleisch-Brot-Durchfall mit Wismut röntgenologisch zu untersuchen !), weil er am ersten Tage noch nicht nachweisbar durch Wismut ge- stopft wird. Es war indessen nicht ratsam, zur Röntgenuntersuchung ebenfalls 150 g Nahrung zu verfüttern wie in den Vorversuchen, weil danach die Magenentleerung und Dünndarmpassage über 12 Stunden in Anspruch nehmen kann. Die Tiere wurden daher am Morgen der Röntgenuntersuchung mit nur 50 g Substanz ge- füttert, der 6 g Wismut beigesetzt waren, blieben sonst aber, sowohl vor wie nach dem Versuch, bei zweimal täglich 150 g. Dabei hatten sie während des Versuchs resp. in der folgenden Nacht breiige Entleerungen ohne viele geformte Bestandteile. Zur Kontrolle’ ist jedoch in einigen weiteren Vorversuchen noch festgelegt, dass auch bei Verfütterung von nur 2 X 100 bis 2% 50 g Substanz während 2—3 Tage weiche, wenig geformte Fäces auftreten. Die Röntgenbeobachtung stiess dennoch auf Schwierigkeiten, weil bei der Verdauungsauflösung des Fleisches das Wismut im Darm un- regelmässiger verteilt lag und die wirkliche Füllung des Darmes nicht ganz so genau angab wie bei Kartoffel-Wismut-Fütterung. Doch heben sich die vornehmlich bei der Dünndarmbeobachtung entstehenden Fehler durch Aufstellung von Mittelwerten einer grösseren Versuchsreihe auf. Es darf schon hier betont werden, dass dieser Fehler den Vergleich mit der entsprechenden Tannalbinprüfung nicht beeinträchtigt, weil er in beiden Versuchsreihen in gleicher Weise mitwirkt. Wie schon Cannon feststellte, beginnt die röntgenologisch sichtbare Magenentleerung bei Fleischfütterung später als bei Kohle- hydratnahrung. Dies ergab sich auch aus den zehn in geschilderter Weise vorgenommenen Versuchen. Ein genauer Mittelwert der be- sinnenden Magenentleerung soll nicht angegeben werden, weil ein Teil der Tiere erregt war, wodurch schon an sich Verzögerungen entstehen. Die Peristaltik des Antrums war gut zu erkennen. 1 Stunde nach der Mahlzeit waren nur in einigen Fällen schon wesentliche Wismutschatten im Dünndarm, wohl aber 2 Stunden 1) Was nach den Ausführungen von Magnus (l. c.) bei dem Dysenterie- toxin-Pferdefleisch-Durchfall der Katzen, ohne Brotfütterung, nicht möglich ist. Der Einfluss des Tannalbins auf die Verdauungsbewegungen etc. 391 nach der Mahlzeit in acht von zehn Fällen. Die Magenentleerung war zweimal 5—6, zweimal ca. 7 Stunden nach der Mahlzeit be- endet und zog sich sechsmal über 8 Stunden hin. Auch Pflüger betonte, dass bei Pferdefleischfütterung der Hunde die Magenfüllung bis zum Tage nach der Mahlzeit andauern kann. Ferner kann an die Befunde von Külbs!) erinnert werden: Bei (freilich 24 stündiger) Fütterung von Katzen mit ca. 150—220 g Fleisch fand sich nach :2—15 Stunden noch 5—15 °%o im Magen. Die nach Cannon gezeichnete Dünndarmkurve ist, als Durch- schnitt aus zehn Versuchen, in Fig. 6 (S. 31) abgebildet, stimmt mit Cannon’s Beobachtung von Katzen nach Fleischfütterung überein und unterscheidet sich in ausgesprochen charakteristischer Weise von der Durchschnittskurve bei Kartoffelbrei-Wismut-Fütterung (25:5 g) in Fig. 1. Die maximale Füllung wurde erst 5 Stunden nach der Mahlzeit erreicht; die Dünndarmentleerung ging ebenfalls langsam vor sich, zumal in den Fällen, wo noch 5—8 Stunden nach der Mahlzeit vom Magen her nachgefüllt wird. So kommt auch die erste Kolonfüllung erst ca. 4 Stunden (2 bis spätestens 7Y/a Stunden) nach der Mahlzeit zu Gesicht. Besonders auffallend ist das Bild des Diekdarmes. Er ist nur an wenigen Stellen und selten von einem kompakten Wismutschatten gefüllt, sondern meistens, sowohl im proximalen wie im distalen Abschnitt und im Reetum, gescheckt, oder die Wismutschatten ziehen sich allein an der Wand hin. Man bekommt durch Inspektion wie durch Palpation den Eindruck einer weichbreiigen Kolonfüllung. Die ungeformte, breiige Defäkation erfolgte in der Mehrzahl der Fälle erst später als 3 Stunden nach der Mahlzeit; doch waren die 24 Stunden danach vorgefundenen Wismutreste im Kolon nur gering oder fehlten ganz. Zur Untersuchung der Wirkung des Tannalbins auf den Pferde- fleisch-Brot-Durchfall der Katzen wurde den 150 g Substanzgemisch 2 g Tannalbin beigemengt. Die Katzen frassen in allen Fällen spontan und unverändert gierig. Vier Vorversuche ergaben, dass der Durchfall durch eine einmalige Zufuhr von 2 g Tannalbin nicht gestopft wird; wenn zweimal täglich 2 g eingeführt wurden, so waren bei den Fäces, die in der Nacht entleert wurden, wechselnd 1) Külbs, Physiologische Beiträge zur Funktion des Magens. Zeitschr. f, klin. Med. Bd. 73 S.47. 1911. 26* 393 OÖ. Hesse: reichliche geformte Bestandteile. Dagegen selang es mit Sicherheit, bei fortgesetzter Tannalbinzufuhr (zweimal täglich 2 g) am dritten und vierten Tage geformten, harten Kot zu erzielen. In diesen Versuchen wurde kein Wismut gegeben. Es handelt sich also nicht um eine Summation der Wirkung. Der Kot war in Form und Aussehen von den breiigen, aber auch den weichen, geformten Anfangs- entleerungen der nichtgestopften Tiere durchaus verschieden, so dass das Resultat eindeutig ist. Eine Verzögerung der Ent- leerung ist dagegen nicht mit Sicherheit nachgewiesen. Es erfolgten täglich, zumeist nach der Abendmahlzeit oder im Laufe der Nacht, eine oder zwei Defäkationen wie bei den Tieren ohne Tannalbin. Es ist wahrscheinlich, dass die Verzögerung wegen der sehr reich- lichen Ernährung ausblieb. Bei über 4 oder 5 Tage fortgesetzter Tannalbinverfütterung wurde mehrfach das Wiederauftreten von Durchfällen beobachtet. Diese hatten ohne Wismut eine eigentümliche schiefergraue Farbe. Die Röntgenuntersuchung wurde in sieben Fällen durchgeführt mit drei Katzen an verschiedenen Tagen. Nach dem Ergebnis der Vorversuche war es aussichtslos, mit einmaliger Tannalbindosis zu arbeiten. Es wurden daher die Katzen erst in den Versuch genommen, nachdem sie schon 2—3 Tage lang zweimal 2 g Tannalbin pro die bekommen hatten. Die Ernährung blieb, abgesehen vom Morgen des Versuches (50 g Substanzgemisch), unverändert. Der Beginn der Magenentleerung, die peristaltischen Bewegungen des Magens unter- schieden sich nicht von denen der zehn Normalversuche ohne Tann- albin. War bei diesen die Magenentleerung in vier von zehn Fällen innerhalb 7!/g Stunden nach der Mahlzeit beendet, so fand sich das in den Tannalbinversuchen nur in zwei von sieben Fällen. Ein- mal zeigte der Magen sogar noch 24 Stunden nach der Mahlzeit Wismutreste. Die aus sieben Versuchen berechnete mittlere Dünndarmkurve ist auf Fie. 6 abgebildet. Die maximale Dünndarmfüllung wurde noch später erreicht als bei den Tieren ohne Tannalbin; die Ent- leerung erfolgte noch etwas langsamer. Der Unterschied geht aus Fig. 7 noch deutlicher hervor, welche die Vergleichskurven von je drei Versuchen mit und ohne Tannalbin an dem gleichen, für Röntgen- untersuchungen gutgeeigneten Tier abbildet. Auch so ist aber die Differenz nicht erheblich. Dem entspricht, dass die erste Kolon- füllung, etwa wie bei den Katzen ohne Tannalbin, im Mittel Der Einfluss des Tannalbins auf die Verdauungsbewegungen etc. 393 4 Stunden nach der Mahlzeit gesehen wurde, zwischen 1" und > S!/a Stunden. Der Einfluss des Tannalbins auf den Dickdarm konnte häufig direkt am Röntgenschirm gesehen werden insofern, als das soeben 60 50 —_ 8 = | © un a, 20 Een 38 32 3 35 A: = Bi a) &0: [>] 3 10 2} 3 E ee . — — _ _ _- .— — -..—._— 0 1 2 3 4 5 6 7 8 Stunden. Fig. 6. Diagramm der Verdauungsbewegungen von Katzen mit Pferdefleisch- Brot-Fütterung. Ausgezogene Linie: Durchschnittskurve aus sieben Versuchen mit Tannalbin (seit 2—3 Tagen). Punktierte Linie: Durchschnittskurve aus zehn Versuchen an Tieren ohne Tannalbin, mit Pferdefleisch - Brot - Durchfall (zweimal täglich 150 g Futter; nur am Morgen des Versuches 50 g mit 6 g Wismut). v==erste Kolonfüllung. Zee een 6 Ne 0,2 ER 2 RE erer |). u: 6 7 8 Stunden. Gesamtlänge der Dünndarmschatten in Zentimetern. Fig. 7. Diagramm der Verdauungsbewegungen der gleichen Katze in sechs Ver- suchen nach Fütterung mit 50 g Pferdemilz-Leber-Brot und 6g Wismut. Nach- dem seit 2—3 Tagen vor dem Versuch morgens und abends zu je 150 g gleichen Futters (ohne Wismut)»je 2 g Tannalbin zugesetzt waren und auch im Versuch 2 g Tannalbin gegeben sind, ergibt sich im Durchschnitt aus drei Versuchen die ausgezogene Kurve. Punktierte Kurve: Durchschnitt aus drei Versuchen des- selben, aber tannalbinfreien Tieres. 394 O. Hesse: beschriebene scheckige Kolonbild der Tiere ohne Tannalbin, das bei diesen unter zehn Fällen nur einmal nicht deutlich vorlag, bei den Katzen mit Tannalbin unter sechs Beobachtungen nur zweimal bestand, aber auch wenig. ausgesprochen. Durchweg lagen kompakte Wismut- schatten im Diekdarm, oder dieser zeigte lichte, aber kontinuierliche Wismutschleier. | Auch in der Beförderung des Darminhalts waren, wenn auch nur geringe Unterschiede zwischen den beiden Versuchsreihen vor- handen. Bei den Katzen ohne Tannalbin füllte sich das distale Kolon vom proximalen aus im Mittel 3Y/a Stunden nach der ersten Kolonfüllung, bei denen mit Tannalbin 4"/s Stunden danach; das erste Auftreten von Wismutkot im oberen Rectum fand sich bei Tieren ohne Tannalbin 3,6, bei denen mit Tannalbin >5 Stunden nach der ersten Kolonfüllung. Dass ein Unterschied der Ent- leerungszeit nicht zu bestimmen war, ist schon betont. 24 Stunden nach der Mahlzeit war auch das Kolon der Tannalbintiere leer oder fast leer. Man kann zusammenfassen: Dureh Fütterung mit roher Pferdemilz und -leber und Brot lässt sich bei Katzen ein regelmässiger, milder, unschädlicher Durchfall erzielen. 2—4 Tage fortgesetzte Tannalbinbeimengung ohne Wismut stopft diesen Durchfall mit Sicherheit, d.h. die Entleerungen werden fest, aber nicht sicher verzögert. Dabei lässt sich röntgenologisch eine Wirkung des Tannalbins auf das Kolon (Eindickung, verzögerte Inhaltsverschiebung) bestimmt, auf den Dünndarm nur unsicher nachweisen. Auch hier tritt der Einfluss des Tannalbins auf die Motilität des Verdauungskanals in den Hintergrund gegenüber der adstringierenden Wirkung, dem Einfluss auf Resorption und Sekretion. Nebenbefund: An zwei Arten von mildem Durchfall der Katze liess sich die stopfende Wirkung von Wismuthydrat feststellen. Zusammenfassung. Versuche über die Verdauungsbewegungen bei Katzen ergaben: 1. Auf Tiere ohne Durchfall hat Tannalbin keinen wesent- lichen Einfluss (leicht verzögerte Magenentleerung). 2. Der Milehdurchfall wird durch Tannalbin nicht gestopft: Die Entleerungen sind nicht verzögert und nicht deutlich eingedickt. Der Einfluss des Tannalbins auf die Verdauungsbewegungen etc. 395 3. Der Rieinusöldurchfall wird nicht oder nur in seltensten Fällen gestopft (Andeutung verzögerter Kotentleerung). 4. Bei Koloquintendurchfällen bewirkt Tannalbin eine geringe Konsistenzveränderung der Fäces, verzögert die Entleerung aber nur in der Minderzahl der Fälle. — Der Nachdurchfall nach Koloquinten wird durch Tannalbin in der Mehrzahl der Fälle gestopft (verzögerte Entleerung, Eindiekung). Der Angriffs- punkt der Koloquintenwirkung und der Angriffspunkt der Stopf- wirkung des Tannalbins liegen in diesem Falle beide im Dickdarm. 5. Das Zustandekommen der Sennawirkung wird durch Tannalbin nicht verhindert. 6. Der Durchfall nach Fütterung mit Brot und Pferdeorganen wird durch fortgesetzte Tannalbingaben gestopft, d. h. die Entleerungen werden fest, aber nicht sicher verzögert. Auch hier greift Tannalbin hauptsächlich am Kolon an. 7. Bei der Stopfwirkung des Tannalbins auf den Koloquinten- und Pferdeorgan-Brot-Durchfall lässt sich im Röntgenversuch nur eine auffallend geringe Veränderung im Ablauf der Verdauungs- bewegungen feststellen. Der Wirkungsmechanismus des Tann- albins wird daher, wie von vornherein wahrscheinlich ist, auf der Beeinflussung der Schleimhaut (Entzündung, Resorption, Sekretion) durch das Adstringens beruhen. 8. Die stopfende Wirkung des Wismuts liess sich an milden Durchfällen (Dysenterietoxin, Pferdefleisch, Pferdeorgane) nachweisen. 396 Arthur Scheunert: (Aus dem physiologischen Institute der tierärztl. Hochschule zu Dresden.) Studien zur vergleichenden Verdauungsphysiologie. VI. Mitteilung. Über das Schicksal getrunkenen Wassers im Magen und Darm des Pferdes. Von Arthur Scheunert. Gelegentlich einer früheren Arbeit über den Magenmechanismus des Pferdes bei der Getränkaufnahme!) war gezeigt worden, dass auch beim Pferde, also einem Herbivoren mit einhöhligem Magen, getrunkenes Wasser den Magen rasch durcheilt, indem es dabei den Inhalt ganz oder teilweise umspült. Ferner hatte sich ergeben, dass das Wasser bei gutgefülltem Magen nur: wenig in den Inhalt ein- dringt. Weitere Beobachtungen führten uns zu der Anschauung, dass die Dicke der oberflächlichen Inhaltsschicht, die vom Wasser durchdrungen wird, in Beziehung zur Füllung des Magens steht, so dass bei geringerer Füllung das Wasser tiefer in den Inhalt eindrinst. Durch Tränken von Pferden, deren Magen nur mässig gefüllt war, konnten wir eine völlige Durchmischung des Inhaltes mit gefärbtem Wasser erzielen. Es ist nun klar, dass eine Ver- mischung des Inhaltes mit Tränkwasser, auch wenn sie sich nur auf die oberflächlichen Teile des Inhaltes erstreckt, eine Erhöhung des Wassergehaltes dieser Teile nach sich zieht. Es ist dann weiter sehr wahrscheinlich, dass das so im Mageninhalt verteilte Tränk- wasser einer raschen Entleerung entzogen wird. Wir hatten nun in der Tat schon früher festgestellt, dass noch einige Zeit nach dem Tränken der Wassergehalt des Mageninhaltes erhöht bleibt, woraus 1) A. Scheunert, Über den Magenmechanismus des Pferdes bei der Ge- tränkaufnahme. Pflüger’s Arch. Bd. 144 S. 411. 1912. Studien zur vergleichenden Verdauungsphysiologie. VI. 397 zu folgern war, dass nicht das gesamte getrunkene Wasser sofort im Anschluss an das Tränken entleert werden konnte. Infolge dieser Beobachtungen werfen sich verschiedene Fragen auf, die sowohl für die Physiologie der Verdauung von Bedeutung als auch für die Fütterungspraxis nicht ohne Wichtigkeit sind. Wäre nämlich der im Magen verbleibende, nicht sofort entleerte Wasserrest sehr beträchtlich, so würde eine erhebliche Verdünnung des Mageninhaltes und damit eine Störung der Verdauungsvorgänge die Folge sein können. Es musste also festgestellt werden, wie gross der Teil desim Magen zurückbleibenden Tränk- wassers in der Regel ist und wie lange er daselbst verbleibt. Im Anschluss hieran war es von Interesse, festzustellen, ob die Er- höhung des Wassergehaltes sich auf den ganzen Mageninhalt oder nur auf bestimmte Teile desselben (z. B. Inhalt des Antrum, der Vormagenabteilung usw.) erstreckt. Ferner war noch zu ermitteln, wie sichderausdem Magenentleerte Anteil des Wassers im Darme weiterhin verhält. Nach der bisherigen Anschauung, die sich auf sehr weit zurückliegende Befunde älterer Autoren ') stützt, sollte das getrunkene Wasser schon nach wenigen Minuten bis ins Caecum gelangen. Es müsste also von ihm in kürzester Zeit der beim Pferd 15—22 m lange Dünndarm durchlaufen werden, ein Vorgang, der sicher eine Fort- spülung wenigstens eines Teiles des Dünndarminhaltes hätte bewirken müssen. Im Hinblick auf die Bedeutung der Dünndarmverdauung wäre ein soleher Vorgang aber sicher gleichbedeutend mit einer Schädigung gewesen. Bei einer grossen Versuchsreihe, die wir zum Studium der Ver- dauung des Pferdes bei regelrecht fortlaufender Fütterung durch- führten, haben wir die in vorstehendem aufgeworfenen Fragen zu be- antworten versucht. Die Tiere wurden mehrere Tage vor dem eigentlichen Versuchstage im Institutsstalle regelmässig in üblicher, dem militärischen Brauche entsprechender Weise gefüttert. Sie erhielten dabei als Morgenmahl- zeit 1500 g Hafer und 200 g Häcksel. Eine Stunde nach Beginn dieser Mahlzeit wurde in beliebiger Menge Tränkwasser verabreicht, eine weitere Stunde später erhielten sie 750 g Heu. In den folgenden 1) Gurlt, Lehrbuch der vergleichenden Physiologie der Haussäugetiere, 2. Aufl., S. 141. Berlin 1847. — Colin, Traite de physiologie comparde des animaux t. 1 p. 821. Paris 1886. 398 Arthur Scheunert: 6 Stunden mussten sie während einiger Zeit eine geringe Arbeit an der Longe leisten und erhielten darauf die Mittagsmahlzeit von 2000 g Hafer und 200 g Häcksel, der sich wiederum in denselben Zeitabschnitten wie nach der Frühmahlzeit Tränken und Heugabe anschloss. 10 Stunden vor der nächsten Frühmahlzeit wurden als Abendration 2000 g Hafer und 200 g Häcksel gereicht, denen in den üblichen Zeitabschnitten das Tränken und die Heugabe folgten. Nachdem sich die Tiere an die regelmässige Fütterung gewöhnt hatten, wurde zum eigentlichen Versuch geschritten, bei dem die Tiere in bestimmten Zeitabschnitten nach der ersten Frühmahlzeit, der Ge- tränkaufnahme, der Heuration und der Mittagsmahlzeit durch Schuss und Verbluten getötet wurden. Der Magen wurde dann rasch exente- riert, gewogen und durch Ligaturen die drei durch ihre Schleimhaut charakterisierten Portionen abgeschnürt. Der Inhalt der Portionen wurde für sich gewogen, in in Eis gekühlte Gefässe entleert, sorgfältig gemischt und zur Trockensubstanzbestimmung verwandt. Bei den Versuchen, die das Vordringen des Tränkwassers in den Darm darlegen sollten, wurden den Versuchstieren kürzere oder längere Zeit nach einer aus Hafer und Heu bestehenden Mahlzeit mit Malachit- grün gefärbtes Wasser in verschiedener Menge verabreicht und die Tiere in verschieden langen Zeitabständen nachher getötet. Hierauf wurde der Magen zu anderen Zwecken verwendet, der Dünndarm aber in situ in meterlangen Abständen unterbunden und exenteriert. Er wurde dann entleert und seine Länge sowie die Länge des grüngefärbten Inhalt enthaltenden Darmstückes ermittelt. Ausserdem fand eine Besichtigung der Enddarmabschnitte statt. Wassergehalt und Entleerung des Mageninhaltes nach dem Tränken. (Mitbearbeitet von A. Schattke.) Über den Wassergehalt des Inhaltes des Pferdemagens liegen zahlreiche ältere Angaben aus unserem Institut von Ellenberger und Hofmeister), Goldsehmidt?), Tangl?), Scheunert‘), 1) Ellenberger und Hofmeister, Über die Verdauungssäfte und die Verdauung des Pferdes. Arch. für wissenschaftl. und praktische Tierheilkunde Bd. 8 Heft 6. 1882. 2) H. Goldschmidt, Die Magenverdauung des Pferdes. Zeitschr. f. physiol. Chemie Bd. 10 S. 361. 1886. 3) Tangl, Über den Einfluss der Körperbewegung auf die Magenverdauung. Pflüger’s Arch. Bd. 63 S. 545. 1896. 4) A. Scheunert, Über den Einfluss der Körperbewegung auf die Ver- dauung und die Nährstoffabsorption des Pferdes. Pflüger’s Arch. Bd. 109 S. 145. 1905. — A. Scheunert und W. Grimmer, Über die Verdauung des Pferdes ei Maisfütterung. Zeitschr. f. physiol. Chemie Bd. 47 8.88 u. f. 1906. Nummer 20 Studien zur vergleichenden Verdauungsphysiologie. VI. 399 Tabelle Tl. Beginn der Versuche in allen Fällen 45 morgens. End a® a © Prozentgehalt des a = er Mageninhalt = = s Wassers suches 5 = SS 5 3: 3 a|lag@ BO|&,. Zeit der 8 = SE 2 32 a 5 & 2 Ei ES Tötung |ze| & |2E| & [Es mals: 238° la ram = | 7050 | 2343 , 4707 | er | Re | 61,6 | 69,9 | 75,0 | 66,8 4b Morgenmahlzeit: 1500 g Hafer + 200 g Häcksel. 4h 45’ — 6690 | 2166 | 4524| — — | 64,9 | 67,8 | 74,5 | 67,6 5h 00’ — [13730 | 4418| 9312| — | — [65,8 | 67,8 | 79,9 | 67,8 5h 00’ En 8660 | 2531 | 6129| — — | 66,6 |, 71,5 | 79,8 | 70,8 510’ | — 9780 | 2879 | 6901| — | 65,8 | 70,8 , 75,0 | 70,6 5b Getränkaufnahme. 1) 2 11850 | 2243 | 9607 | 5234 | 4373 | 78,5 | 81,6 | 78,4 | 81,07 55 00’ | 3500 | 8810 | 2136 | 6674 | 4934 | 1690 | 83,5 | 63,5 | 69,7 | 75,8 5h 00’ | 3000 | 10600 | 2494 | 8106 | 5819 | 2287 | 75,5 | 77,1 78,5 | 76,5 5h 10’ | 3500 | 12150 | 3574 | 8576 | 8338 | 238 | 66,6 | 71,8 | 76,8 | 70,6 5h 10’ | 5500 | 9900 | 2184 | 7716 | 5095 | 2621 | 71,2 81,8 | 81,9 | 77,9 5h 20’ | 6000 | 4750 | 1123 | 3627 | 2620 | 1007 | 73,6 | 77,1 | 80,3 | 76,4 5h 20’ | 6250 | 14500 | 3657 | 10843 | 8533 | 2310 | 69,8 | 79,1 | 82,5 74,8 5h 30’ | 4000 | 9820 2554 | 7266 | 5958 | 1308 | 66,2 | 76,6 | 82,2 | 74,0 5h 45’ ? 9180 1836 | 7344 | 4233 | 3061 | 76,2 80,9 | 81,3 | S0,0 5h 45’ | 6000 | 6910 1420, 5496| 33 | 1838| — — | — 795 5h 45’ | 5000 | 12450 2949 | 9501 | 6880 | 2621 | 72,1 | 80,0 | 80,8 | 76,3 65 00’ I 3750 | 6010 1892 | 4118 [4414| — |65,6 68,5 | 77,2 | 68,5 65h 00’ | 3000 | 9360 | 2397 | 6963 | 5592 | 1371 | 63,6 71,3 | 78,7 74,4 65 00’ [12500 | 15550 | 3051 | 12499 | 7118 | 5381 | 76,6 | 81,1 | 85,3 | S0,4 6h Heuration: 750 g Heu. 6h 45’ | 2500 | 5930 | 1661 | 4269| — | — | 68,0 | 73,0 | 79,0 | 72,0 65 45’ | 2250 | 6705 1804 | 4901| — | — 169,4 | 74,0 | 79,0 | 73,1 75h 00’ | 3000 | 10200 | 3328 | 6972| — — | 64,2 | 71,4 | 75,3 68,4 94 00’ [10000 | 7280 | 1843| 5437 | — — 175,9 | 69,9 | 79,3 | 74,7 9h 00’ | 7000 | 9330 | 2886 ı 6444| — | — | 65,6 70,9 | 77,7 69,1 11b 00’ | 8000 | 4075 | 1879 | 2916| — | — | 64,0 | 74,0 77,4 171,5 15 00’2)| 4500 | 4480 | 1253 | 3227| — | — |68,4 | 73,3 | 78,5 | 72,0 15 00'2)| 6000 | 2270 | 660 | 1610| — | — 164,3 | 77,2 | 77,4 70,9 12h Mittagsmahlzeit: 2000 g Hafer + 200 g Häcksel. | 1 00’ I 2500 | 8620 | 2601 | 6019] — | — 163,4 | 70,4 | 75,1 | 69,8 Grimmer?) und Rosenfeld*) vor. Danach beträgt er bei mit Hafer oder Mais gefütterten Pferden, die nach der Mahlzeit geruht haben, sonderer Berücksichtigung der Fiweissverdauung. 1) Pferd 4 wurde 45’ nach der Morgenmahlzeit getränkt und sofort getötet. 2) Pferd 15 und 19 wurden um 12h nicht gefüttert. 8) W. Grimmer, Ein Beitrag zur Kenntnis der Verdauung unter be- Biochem. Zeitschr. S. 118. 1907. 4) E. Rosenfeld, Über die Eiweissverdauung im Magen des Pferdes. Inaug.-Dissertation. Leipzig. 1908. Bd. 2 400 Arthur Scheunert: etwa 60—70 0. Bei Bewegung steigt der Wassergehalt auf 70—80 !/o. Bei Heufütterung weist der Mageninhalt auch bei ruhenden Tieren einen Wassergehalt von 75—80 °o auf. Die bei unserer neuen sich auf den Verbleib des Wassers im Magen erstreckende Versuchsserie erhaltenen Resultate sind in Tab. 1 (S. 399) geordnet. Der Wassergehalt beträst «danach bei Pferd 16 nach zehnstündiger Verdauung 66,80; er entspricht also gut dem oben angegebenen Mittelwert. Ebenso haben die Pferde 1, 2, 3, 17, die sofort und kurze Zeit nach der ersten aus Hafer und Häcksel bestehenden Morgenmahlzeit getötet wurden, einen Wassergehalt von 67,6—70,8 Jo im Mageninhalt. Er entspricht zwar den bei Haferfütterung üblichen Mittelwerten, überschreitet aber bei den Pferden 3 und 17 die oberste Grenze doch um ein geringes. Wir glauben nicht, dass hier ein Zufall vorliegt, sondern sind der Meinung, dass der Wasser- gehalt bei allen vier Tieren infolge der innegehaltenen Fütterung tatsächlich etwas höher ist als die Mittelzahlen angeben. Ausser in der Anwesenheit wasserreicher älterer Inhaltsanteile, die zum Teil aus Heu, was an sich schon einen wasserreicheren Inhalt bedingt, bestehen mögen, ist die Ursache hierfür auch darin zu suchen, dass die Mahlzeit in unserer Versuchsreihe neben Hafer aus Häcksel bestand, einer Futtermischung, die infolge ihrer grösseren Rauhigkeit und Trockenheit auch eine grössere Speichelabsonderung zur Folge hat, als sie bei alleiniger Haferfütterung beobachtet wird). Besonderes Interesse beanspruchen die Pferde, welche nach der Getränkaufnahme und vor der Heufütterung getötet worden sind. Es zeigt sich, dass die Mehrzahl dieser Tiere eine Erhöhung des Wassergehaltes im Mageninhalte aufweist, die in einigen Fällen bis zu 10°/o beträgt, meist aber 5—7°/o nicht überschreitet. Bei zwei Tieren (23 und 8) ist der Wassergehalt normal. Bei ihnen muss also eine sehr rasche und ziemlich vollständige Entleerung des Tränk- wassers stattgefunden haben. Wir können hieraus schliessen, dass in der Tat bei der Mehr- zahl der Tiere ein Teil des Tränkwassers zurückbleibt, doch erhalten wir keinen Anhalt für die Grösse dieses Restes. Durch eine einfache Berechnung ist dies aber möglich, sofern wir die Voraussetzung machen, dass die im Magen enthaltene l) Scheunert und Illing, Ein Beitrag zur Kenntnis der Grösse der Speichelsekretion und ihrer Abhängigkeit von der physikalischen Beschaffenheit der Nahrungsmittel. Ztrbl. f. Physiol. Bd. 19 Heft 6. 1906. Studien zur vergleichenden Verdauungsphysiologie. VI. 401 Trockensubstanzmenge vor und nach dem Tränken dieselbe ist. Auf Grund der früher veröffentlichten Versuche über den Transport des Wassers durch den Magen sind wir zu diesem Schlusse zweifellos berechtigt, denn diese Versuche ergaben keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass durch das Tränken eine Ausschwemmung von Magen- inhalt stattfindet. Nehmen wir weiter an, dass bei allen Tieren der Wassergehalt im Mageninhalt vor dem Tränken, wie bei den Pferden 2, 3 und 17, ca. 70°o betragen habe, so lässt sich unter Zuhilfenahme des zur Zeit der Tötung vorgefundenen Trocken- substanzgehaltes die Wassermenge leicht berechnen, die man im Magen ohne die Aufnahme von Wasser hätte erwarten müssen. Diese Berechnung ist ausgeführt worden, und ihre Ergebnisse finden sich in der Tabelle (Stab 7 u. 3 von links). Wir sehen daraus, dass im Mageninhalt der getränkten Pferde fast durchgängig mehr Wasser enthalten ist, als nach einer völligen Entleerung des Tränkwassers vorhanden sein sollte. Aber man sieht auch weiter, dass niemals etwa die ganze Menge des Tränkwassers im Magen verblieben ist; selbst bei den sofort nach dem letzten Schluck getöteten Tieren ist dies nicht der Fall. Bezüglich der Geschwindigkeit der Entleerung scheinen sich die Pferde verschieden zu verhalten, indem wahrscheinlich nach der individuellen Eigenart bei dem einen länger als bei dem anderen Reste des Tränkwassers im Magen verbleiben. Sehr deutlich tritt dies bei den drei eine Stunde nach der Wasseraufnahme getöteten Tieren hervor. Bei Pferd 8 ist der Wassergehalt zur Norm zurück- gekehrt, bei Pferd 9 besteht noch eine geringe Erhöhung, bei Pferd 28 ist die im Magen zurückgebliebene Wassermenge noch sehr beträchtlich. Andererseits hat sich bei Pferd 23 schon 10 Mi- nuten nach dem Tränken der als normal anzusehende Wassergehalt des Mageninhaltes wiederhergestellt. Sieht man von den drei sofort nach dem letzten Schluck getöteten Tieren ab, so kann man an- nehmen, dass meist wenigstens die Hälfte desgetrunkenen Wassers den Magen in kürzester Zeit verlässt. Die Ver- suche an sofort nach dem letzten Schluck getöteten Pferden zeigen ferner, dass schon während des Trinkens ein Teil des setrunkenen Wassers den Magen verlässt, der sogar recht erheblich sein kann (Pferd 2]). Während der eine Stunde nach dem Tränken erfolgenden Heu- mahlzeit dürfte der normale Wassergehalt wieder erreicht werden. 402 Arthur Scheunert: Vjelleicht wird das auch dadurch begünstigt, dass die eintretende voluminöse Heumenge einen Übertritt des mehr oder weniger wasser- reichen Inhaltes befördert. Der Wassergehalt von 68,4— 74,7 °/o, den - wir nach der Heumahlzeit fanden, dürfte der Norm entsprechen, besonders auch, wenn man berücksichtigt, dass Ellenberger und Hofmeister nach Heumahlzeiten 70—80°/o Wasser im Magen fanden, und dass in diese Zeit die in körperlicher Bewegung bestehende Arbeitsleistung der Tiere fällt, die ebenfalls eine Erhöhung des Wassergehaltes bewirkt. Wir glauben also nicht, dass nach der Heumahlzeit noch nennenswerte Mengen des von der Getränkaufnahme herrührenden Wassers im Magen unserer Versuchspferde zugegen gewesen sind. Nach der Mittagsmahlzeit (Pferd 20) finden wir einen der Norm nach Haferfütterung entsprechenden Wassergehalt von 68,9 Yo. Für die Beurteilung des Ablaufes der Magenverdauung ist es wichtig, zu wissen, ob die zweifellos während einiger Zeit durch das Tränken verursachte Erhöhung des Wassergehaltes des Mageninhaltes eine Störung des Chemismus veranlassen könnte. Es könnte dies nur dann der Fall sein, wenn die durch das Zurückbleiben von Tränkwasser veranlasste Verdünnung sehr be- trächtlich wäre, da eine Verdünnung von Verdauungsgemischen, in denen sich auch reichliche Verdauungsprodukte gelöst befinden, eher die Fermentwirkungen begünstigt als schädigt. Die nach den vorliegenden Versuchen und Berechnungen be- stehende Vermehrung des Wassergehaltes darf nun keineswegs als beträchtlich angesehen werden. Man darf sich dabei durch die gewiss grossen Zahlen nicht beirren lassen; tatsächlich ist eine Er- höhung des Wassergehaltes um 10°o beim Pferde nichts Absonder- liches. Sie kann, wie früher gezeigt wurde, durch langsame körperliche Bewegung des Tieres veranlasst werden, und alle damals gemachten Beobachtungen deuteten auf eine günstige Beeinflussung der Ver- dauungsvorgänge unter diesen Verhältnissen hin!. Weiter aber finden wir nach Ellenberger und Hofmeister den Wassergehalt von 70—80°/o als Regel im Gefolge von Heugaben. Es liest danach kein Grund vor, auf eine ungünstige Beein- flussung des Chemismus der Magenverdauung aus einer Fr- 1) A. Scheunert, Über den Einfluss der Körperbewegung auf die Ver- dauung und Nährstoffabsorption des Pferdes. Pflüger’s Arch. Bd. 109 S.168. 1905. Studien zur vergleichenden Verdauungsphysiologie. VI. 403 höhung des Wassergehaltes des Mageninhaltes um 10° zu schliessen. Übrigens zeigen dies auch ausführliche Untersuchungen, die sich auf die Verdauungsvorgänge selbst erstrecken und deren Veröffentlichung bevorsteht. Es würde nun noch die Frage zu beantworten sein, ob das im Magen zurückgehaltene Wassersichetwaan bestimmten Stellendes Magensansammle!). Schon die mehrfach zitierten Untersuchungen über die Mechanik des Getränktransportes lassen dies unwahrscheinlich erscheinen. Wir konnten diese Frage in ein- facher Weise dadurch lösen, dass wir die Wassergehalte der den drei Magenregionen entsprechenden Inhaltsportionen bestimmten. Frühere Untersuchungen hatten ergeben, dass der Wassergehalt des Mageninhaltes keineswegs gleichmässig ist, sondern von der Vor- magenabteilung über die Fundus- zur Pylorusportion ansteigt; ich verweise dazu auf die früher hierüber gegebene Tabelle?). Die bei der vorliegenden Versuchsreihe erhaltenen Ergebnisse stimmen, wie Tab. 1 zeigt, hiermit überein. Wir finden bei den vor dem Tränken getöteten Tieren das Ansteigen des Wassergehaltes im Mageninhalt von „links nach rechts“, also in der Richtung Ösophagus—Pylorus, deutlich ausgeprägt. Abweichungen unter den getränkten Pferden zeigen (ausser Pferd 13) nur die sofort nach dem letzten Schluck getöteten Tiere 4 und 21. Bei ihnen ist offenbar Wasser, welches in kürzester Zeit entleert worden wäre, infolge der Tötung im Magen verblieben und hat sich dem Inhalte beigemischt. Bei Pferd 21 befand sich davon die Hauptmenge im linksseitigen Magendrittel, bei Pferd 4 in den linken zwei Dritteln. Auch diese beiden Ver- suche zeigen, ebenso wie die sämtlichen anderen, dass eine Lokali- sierung des zurückgehaltenen Wassers im Magen nicht besteht; es I) Um nicht missverstanden zu werden, sei bemerkt, dass infolge der ober- flächlichen Umspülung des Mageninhaltes nur seine oberflächlichen Schichten eine Erhöhung des Wassergehaltes aufweisen können. Nur in den seltenen Fällen, in denen das getrunkene Wasser den gesamten Mageninhalt durchdringt, wird auch der Wassergehalt an allen Stellen des Inhaltes erhöht sein. Die aufgeworfene Frage soll sich hiermit nicht befassen, sondern soll Aufklärung darüber geben, ob etwa das im Magen verbleibende Wasser sich an einer bestimmten Stelle (Antrum, Vormagenabteilung oder dergleichen) vorzugsweise ansammle und von dort aus entleert werde. 2) A. Scheunert, Einfluss der Körperbewegung etc. Pflüger’s Arch. Bd. 109 S. 160, 404 Arthur Scheunert: verteilt sieh vielmehr im Magen, indemesden Wasser- gehalt des Inhalts sowohl ösophagus- als auch pylorusseitig erhöht, ohne dabei die üblichen Unterschiede zu verwischen. Transport des Wassers durch den Darm. (Mitbearbeitet von A. Schattke und R. Otto.) Eine weitere Versuchsreihe sollte in Ergänzung der vorstehend mitgeteilten Ergebnisse darüber Aufschluss geben, wie weit das aus dem Magen entleerte Tränkwasser in den Darm vordrinst. Wir verabreichten dazu den Versuchstieren grüngefärbtes Wasser. Tabelle 2. A : Länge des La (0 an le ntinuten nach | Getrunkene |vom Tränkwasser| ges Versuchs- dem letzten | Wassermenge bezug Dünn-| Dünndarms tieres Schluck BRD ES = ccm m m 3 0 1250 0,9 — 22 0 3000 7,0 —: 3 0 5000 5,4 16,0 29 0 9500 .14,5 19,5 33 1 1000 5,7 15,2 3 5 350 0,25 — 35 5 1250 5,0 — 23 10 3500 8,0 — 24 10 3900 7,5 | — 30 20 5000 10—11 16,0 25 S0 4000 11,0 16,0 37 s0 12000 14,0 17,0 3 40 6250 10,0 en 19, 26 45 6000 = total (Caeı rei) B\ > ie letzten ‚aecum y 60 5500 4 m total gefärbt Dünndarm und Caecum total, im 23 60 12500 Kolonanfangsteil vereinzelte Körner gefärbt. Dünndarm und Caecum total, 38 120 5000 in der ventralen Kolonlage einzelne Körner gefärbt. Man sieht aus der Zusammenstellung der betreffenden Befunde (Tab. 2), dass schon während des Trinkens Wasser in den Darm eintritt, und dass offenbar die übertretende Wassermenge wesentlich von der Menge des Tränkwassers abhängt. Bei Pferd 36, welches nur 1250 ccm trank und sofort. getötet wurde, finden wir daher nur eine ganz kurze Strecke des Darminhaltes: grün gefärbt, während bei dem ebenfalls sofort nach dem Tränken ge- Studien zur vergleichenden Verdauungsphysiologie. VI. 405 töteten Pferd 29, welches 9500 eem getrunken hatte, schon zirka drei Viertel des Dünndarmes die grüne Farbe des Tränkwassers aufwiesen. Auch bei den einige Zeit nach dem Tränken getöteten Tieren zeigt sich, dass das Tränkwasser nur bei sehr kleinen Ge- tränkmengen eine kurze Strecke in den Darm vorgedrunsen ist. Sobald aber Mengen, die etwa dem normalen Bedarf des Tieres ent- sprechen, aufgenommen werden, findet sich das Tränkwasser im grössten Teile des Dünndarmes vor. Es ist von Interesse, dass der aus dem Magen schnell entleerte Anteil auch innerhalb sehr kurzer Zeit fast bis an das Ende des Dünndarms gelangen kann, dass aber eine Entleerung aus dem Dünndarm erst nach längerer Zeit stattfindet. Die älteren Beobachtungen und Anschauungen von Gurlt, Colin u. a. nach denen getrunkenes Wasser schon kurze Zeit, ja sogar wenige Minuten nach dem Tränken in das Caecum gelangt sein sollte, sind demnach nicht zutreffend. Nach unseren Untersuchungen findet ein Übertritt in den Enddarm erst ®/«—1l Stunde nach dem Tränken statt. Die getrunkene Menge ist offenbar nur insofern von Bedeutung, als bei grösseren Mengen eine raschere Ausbreitung im Dünndarme stattfindet; eine frühzeitigere Entleerung aus diesem wird aber nicht bewirkt. Es will uns scheinen, als ob die Ursache hiervon in der Re- sorption seitens des Dünndarmes zu erblicken sei. Das Tier trinkt soviel als es braucht, d. h. bis sein Durst gestillt ist. Die von seinem Organismus benötigte Flüssigkeitsmenge wird also in Be- ziehung zu der Getränkmenge stehen. Die beim Trinken bewirkte plötzliche erhebliche Vermehrung und Verdünnung des Dünndarım- jnhaltes ist nur vorüberzehend; ihr wird durch die Aufsaugung energisch entgegengearbeitet, so dass schon nach kurzer Zeit der normale Füllungsgrad und Wassergehalt wiederhergestellt ist und ein durch die stärkere Füllung angerester und zu ihrer Behebung nötiger, schleuniger Abtransport des Inhaltes durch vermehrte Dünn- darmperistaltik in das Caecum nicht stattzufinden braucht. Hierin dürfte eine sehr wichtige Schutzvorrichtung zu erblicken sein, welche verhindert, dass die grossen, beim Trinken gewöhnlich auf- genommenen und rasch in den Dünndarm gelangenden Wassermengen «diesen durchspülen und dabei mitgerissenen, noch nicht ausgenutzten Inhalt in das Caecum entführen. Wir glauben ferner, dass die Deckung des Wasserbedarfs des Organismus aus dem Tränk- Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd. 151. 27 406 Arthur Scheunert: Studien z. vergleichenden Verdauungsphysiologie. VI. wasser in erster Linie durch die Aufsaugung im Dünndarm erfolgt und schon beendet ist, ehe ein Übertritt von mit dem Tränkwasser in Berührung gekommenen Inhalt in das Caecum stattfindet. "Je srösser die Getränkmenge, also auch der Wasserbedarf ist, um so weiter dringt die getrunkene Flüssigkeit im Dünndarm vor, um so grösser muss die resorbierende Fläche sein, die die Aufsaugung bewerkstelligt. Sehlussbetrachtung. Überblieken wir die Ergebnisse unserer Studien über das Ver- halten des Tränkwassers in Magen und Dünndarm des Pferdes, so deuten alle Befunde darauf hin, dass durch die Aufnahme von Tränk- wasser der normale Ablauf der Verdauung kaum sehr verändert, keinesfalls aber störend beeinflusst wird. In äusserst zweckmässiger Weise sorgt der Organismus dafür, dass die grossen, dem natürlichen Bedarf der Herbivoren entsprechenden Wassermengen bewältigt und nutzbar gemacht werden. Ein grosser Teil, oft mehraals die Hälfte, der getrunkenen Wassermenge wird rasch aus dem Magen, dessen Inhalt dabei meist nur oberflächlich umspült wird, entleert. Der zurückbleibende Rest erhöht den Wassergehalt des Mageninhaltes für einige Zeit um höchstens 10%. Diese Erhöhung ist nichts aussergewöhnliches und nicht derart, dass die chemischen Vorgänge im Mageninhalt gestört werden könnten. Hier schützen also mechanische Momente durch raschen Abtransport des Wassers die Magenverdauung, indem sie den Magen- inhalt vor einer allzu grossen Verdünnung oder gar Ausschwemmung bewahren. Im Darm hingegen ist es die Resorption, die einem durch starke Füllung veranlassten zu raschen Durcheilen des Dünn- darmes und einer damit verbundenen Gefahr der Ausspülung wert- vollen Inhaltes vorbeugt. Je nach der Menge des in den Darm ein- tretenden Wassers gelangt dieses mit einer mehr oder weniger langen Strecke der Darmschleimhaut in kürzester Zeit in Berührung. Aber erst 2/«—1 Stunde nach dem Trinken finden sich die ersten Spuren von mit Tränkwasser in Berührung gekommenen Inhalt im Enddarm. 407 (Aus dem physiologischen Institut der k. Universität Turin.) Beiträge zur Physiologie des überlebenden Dünndarms von Säugetieren. Von Dr. Tullio Gayda, Assistent. (Mit 17 Textfiguren.) I. Einleitung und Technik. Die beim Studium der Bewegungen des überlebenden Dünn- darms von Säugetieren am häufigsten verwendete Methode ist die von Magnus). Wie bekannt, beruht sie auf der Tatsache, dass ein bei Körpertemperatur in Locke’sche Flüssigkeit eintauchendes Darmstück mehrere Stunden lang seine Bewegungen unverändert beibehält, wenn man dafür Sorge trägt, dass fortwährend Sauerstoff durch die Flüssigkeit durchperlt. Vermittels einer sehr einfachen Vorriehtung können die Bewegungen der Längs- und der Ring- muskelfasern getrennt reeistriert werden. Mit dieser Methode konnte Magnus die Bewegungen des Darms von Katzen, Kaninchen und Hunden im normalen Zustand und unter verschiedenen experi- mentellen Bedingungen studieren. Dieselbe Methode wurde dann von vielen anderen Autoren sowohl bei physiologischen als pharma- kologischen Untersuchungen verwendet. Ferner gelang es Magnus, im Katzendarm die Darmwand in ihre einzelnen Schichten zu zer- legen und auf diese Weise die Eigenschaften der glatten Muskulatur und der Nervenzentren ?) zu studieren. 1) R. Magnus, Versuche am überlebenden Dünndarm von Säugetieren. I. Mitt. Pflüger’s Arch. Bd. 102 S. 123. 1904. 2) R. Magnus, Versuche am überlebenden Dünndarm von Säugetieren. II. Mitt. Die Beziehungen des Darmnervensystems zur automatischen Darm- bewegung. Pflüger’s Arch. Bd. 102 S. 349. 1904. — III. Mitt. Die Erregungs- leitung. Pflüger’s Arch. Bd. 103 S. 515. 1904. — IV. Mitt. Rhythmizität und 2Ur 408 Tullio Gayda: Die Methode von Magnus kann jedoch nicht vollständig bei allen Untersuchungen angewendet werden, weil das Darmsegment während des Experimentes an den beiden Enden offen bleibt und dieselbe Flüssigkeit, welche die Peritonealfläche des Darms bespült, auch die Fläche der Mucosa bespült. Deshalb werden die der Nähr- flüssigkeit zugesetzten Stoffe, deren Wirkung auf den Darm man untersuchen will, gleichzeitig auf die Mucosa und 'auf die Serosa einwirken, weshalb es nicht möglich sein wird, eventuell ein ver- schiedenes Verhalten des Darms gegenüber Reizen, die eher von der einen als von der anderen seiner Flächen zu ihm gelangen, zu unterscheiden. Nun ist aber ein solches verschiedenes Verhalten a priori auch im isolierten Darm anzunehmen, wenn man an den grösseren Widerstand denkt, den die Darmschleimhaut schon unter normalen Verhältnissen beim unverletzten Tiere den chemischen und infektiven Einwirkungen, im Vereleich zum Peritoneum, ent- gegensetzen muss. Zu dem Zwecke, die Einwirkung. von Stoffen auf die Innenfläche des Darms von der auf die Aussenfläche zu unterscheiden, habe ich eine besondere Vorrichtung zum Studium des überlebenden Darms ersonnen, mit der es möglich ist, fernerhin gleichzeitig die Veränderungen der Länge des Darmstückes und die seines Innen- volumens zu registrieren. Diese Vorrichtung ist in Fig. 1 schematisch dargestellt. Das Darmsegment taucht während des Experimentes in die im zylinder- förmigen Glasgefäss a enthaltene Locke’sche Flüssigkeit, die mittels des grossen Wasserbades b bei Körpertemperatur erhalten wird. Letzteres besteht aus einem Glaskästehen, damit man den Darm leichter beobachten kann; das Gefäss a wird darin so fest- gehalten, dass es auch unten vom Wasser umgeben ist. Die Tem- peratur des Wasserbades wird konstant erhalten vermittels einer besonderen Vorrichtung, die in der Folge beschrieben wird. Das Gefäss a ist oben durch einen Pfropfen geschlossen, durch den ein Rohr c geht, das dazu dient, den Sauerstoff aus einer Bombe zu führen und ihn durch die Locke’sche Flüssigkeit zu leiten. Um eine gründliche Verteilung der Gasblasen zu erhalten, ist das untere Ende des Rohres c durch einen Baumwollpfropfen geschlossen. refraktäre Periode. Pflüger’s Arch. Bd. 103 8. 525. 1904. — V.Mitt. Wirkungs- weise und Angriffspunkt einiger Gifte am Katzendarm. Pflüger’s Arch. Bd. 108 8.1. 1905. — V]. Mitt. Pflüger’s Arch. Bd. 111 S. 152. 1906. Beiträge zur Physiologie des überlebenden Dünndarms von Säugetieren. 409 Das dem Experiment unterzogene Darmsegment wird vertikal cehalten; in seine untere Mündung wird das etwas verstärkte untere - Ende des Rohres d eingeführt und auf diesem wird der Darm fest- gebunden. Das Rohr d geht, sich nach oben biegend, durch den Pfropfen des Gefässes a und steht mittels eines Gummischlauches mit dem Glasgefäss e in Verbindung, das zwei Verjüngungen zeigt, eine obere und eine untere, die mit einem kreisförmigen Zeichen versehen sind. Der Gummischlauch ist unmittelbar unter dem Ge- = N, Fig. 1. fäss e durch einen Quetschhahn f geschlossen. In die obere Mündung des Darmsegmentes wird in analoger Weise, wie es in der unteren geschieht, das etwas verstärkte untere Ende des Rohres g eingeführt und auf diesem der Darm festgebunden. Das Rohr g geht durch den Pfropfen des Gefässes a, und zwar durch eine sehr weite Öffnung, die ihm gestattet, sich frei zu bewegen; es ist im oberen Teile rechtwinklig gebogen und steht mittels eines sehr leichten, biegsamen Gummischlauches mit der Glaskugel » in Verbindung, die vermittels eines Halters in der in der Figur angegebenen Lage festgehalten wird. An der Biegung des Rohres g befindet sich ein 410 Tullio Gayda: Glashaken, der mittels eines Fadens mit einem auf eine berusste Trommel schreibenden isotonischen Hebel erster Art verbunden wird; an derselben Stelle befindet sich ein Glasstäbchen, das dem Gewicht des am Rohr g befestigten Gummischlauches das Gegen- gewicht hält und ersteren in vertikaler Lage hält. Von der Kugel h gehen drei Rohre aus, zwei unten und eins oben. Von den beiden unteren steht das eine vermittels des dünnen Gummischlauches mit dem Rohr g9 in Verbindung; das andere kommt, indem es sich S-förmig krümmt, aus dem Wasserbad und endet in einem kurzen Gummischlauch, der durch den Quetschhahn : geschlossen ist. Unter diesem Rohr befindet sich ein Gefäss /, das eine mit einem kreis- förmigen Zeichen versehene Verjüngung zeigt. Das Volum des Gefässes 7 bis zum Zeichen ist vollkommen gleich dem des Gefässes e zwischen den beiden Zeichen. Das obere Rohr ist vermittels eines Gummischlauches mit einem Maas’schen Volumschreiber verbunden, dessen Feder auf dieselbe berusste Trommel schreibt, auf die der isotonische Hebel schreibt. Das Gefäss e dient dazu, die Flüssigkeit zu enthalten, die man in die Darmhöhle einführen will; es wird gewöhnlich in das Wasser- bad db getaucht gehalten, damit die zum Fxperiment dienende Flüssigkeit dieselbe Temperatur wie der Darm hat; nur wenn man diese Flüssigkeit in den Darm einführen will, hebt man das Gefäss e in die Höhe und öffnet den Quetschhahn f. Um ein Experiment auszuführen, füllt man zuerst das Gefäss e mit einer indifferenten, z. B. mit Locke’scher Flüssigkeit und füllt dann, indem man die Quetschhähne f und Öffnet, mit dieser Flüssigkeit nacheinander den ganzen Gummischlauch, das Rohr d, das Darmstück, das Rohr 9, den dünnen Gummischlauch, die beiden unteren Rohre der Kugel h und die untere Hälfte dieser Kugel h; ihre obere Hälfte und die Rohre bis zum Volumschreiber lässt man mit Luft gefüllt. Man muss mehrmals Locke’sche Flüssigkeit durch den Darm hindurch- leiten, um seinen Inhalt zu entfernen und alle Luft aus den Rohren zu vertreiben. Diese Abspülflüssigkeit darf natürlich nicht im Ge- fäss ! sich sammeln. Wenn nun die Quetschhähne f und © ge- schlossen sind und das Gefäss ins Wasserbad getaucht wird, ist alles zum Experiment bereit. Da das Niveau der Flüssigkeit in der Kugel A höher ist als im Gefäss a, wird das Darmstück in seinem Innern dem Druck einer Flüssigkeitssäule ausgesetzt sein, die an Höhe dem Unterschied Beiträge zur Physiologie des überlebenden Dünndarms von Säugetieren. A411 zwischen den beiden Niveaus gleich ist, und sich mithin in einem Zustand mässiger Spannung befinden. Da die Quetschhähne f und i geschlossen sind, ist es natürlich, dass der Darm, wenn er sich kontrahiert, die Flüssigkeit, die er enthält, in die Kugel % treiben wird, indem er die Luft der letzteren gegen den Volumschreiber hin schiebt, dessen Feder in die Höhe geht; das Umgekehrte wird ein- treten, wenn der Darm erschlafft. Die Kugel % funktioniert also als Reservoir der Flüssigkeit, die durch den Darm mit seinen Kon- traktionen verdrängt oder aspiriert wird. Sie hat eine etwas ab- geplattete, breite Gestalt, damit das Niveau der in ihr enthaltenen Flüssigkeit infolge der Darmkontraktionen nicht sehr variiert und also auch der Druck im Innern des Darmes nicht variiert. Der Volumschreiber ist durch das Fehlen jeder Spannung oder Reibung und durch das geringe Gewicht der sich bewegenden Masse sehr empfindlich und ist imstande, auch die kleinsten und schnellsten Veränderungen des Innenvolums des Darmstückes proportional zu registrieren. Die Bewegungen, die letzteres in der Längsrichtung ausführen kann, werden dagegen durch den isotonischen Hebel registriert. Da der das Rohr g mit der Kugel h verbindende Gummischlauch sehr leicht und biegsam ist, wird er die Über- tragung der Darmbewegungen auf den Hebel gar nicht hindern. Anderseits wird das Gewicht der in der Kugel % enthaltenen Flüssigkeit, das fortwährend infolge der Darmkontraktionen variiert, das Gleichgewicht des Hebels nicht beeinflussen können, weil die Kugel befestigt ist, wie es auch das Gewicht der Flüssigkeit, die im Rohr 9 und in dem damit verbundenen Gummischlauch enthalten ist, nicht beeinflussen kann, weil es nicht variiert, da die Rohre konstant mit Flüssigkeit gefüllt sind. Verfolgt man mittels direkter Beobachtung die Bewegungen des Darmes während des Experimentes, so bemerkt man sofort, dass die Veränderungen des Innenvolums des Darmes, die durch den Volum- schreiber registriert werden, fast ausschliesslich Bewegungen der Ringmuskelfasern entsprechen. Wenn diese fehlen und nur die Be- wegungen der Längsmuskelfasern vorhanden sind, macht der Volum- schreiber nur minimale Schwankungen, wie man bei Fig. 2 beobachten kann. Diese Erscheinung lässt sich übrigens künstlich auch in einem Gummischlauch hervorbringen: Das Innenvolum des letzteren nimmt viel mehr ab infolge Quetschung eines kleinen Segmentes desselben 412 Tullio Gayda: als infolge einer starken Zerrung des sanzen Gummischlauches in der Längsrichtung. Es ist also festgestellt, dass die Bewegungen der Ringmuskel- fasern durch den Volumsehreiber und die der Längsinuskelfasern durch den isotonischen Hebel registriert werden. Es lässt sich je- doch nicht ausschliessen, aber auch nicht beweisen, dass die Be- wegungen der Ringimuskelfasern einen gewissen Einfluss auf die Länge des Darmstückes und mithin auf die Kurve des isotonischen Hebels ausüben. Will man eine neue Flüssigkeit in die Darmhöhle einführen, so wird man vorher das Gefäss e bis zum oberen Zeichen füllen und es bis zu konstanter Temperatur ins Wasserbad eineetaucht lassen. Noch besser wird es sein, wenn man schon von Anfang an die Flüssiekeiten, mit | RT denen man experimentieren Fig. 2. (Natürliche Grösse.) Bewegungen will, in kleinen im Wasserbad en ae Rum Sich befindenen Kolben hält; fasern. Bei dieser wie bei allen folgenden auf diese Weise kann man Kiguen bedeutet die obere Linie die Kur hezüglich der Temperatur isotonischen Hebels, die untere die Zeit sicherer sein und rascher in 2 Sekunden. operieren. Auf jeden Fall wird man nach Höherheben des Gefässes e die Quetschhähne f und 2 Öffnen; die im Gefäss e enthaltene Flüssigkeit wird die in den Rohren und im Darm enthaltene Flüssigkeit verschieben, indem sie bewirkt, dass sie aus © austritt und in das Gefäss / herab- fällt. Man vermeide es, das Gefäss e übermässig zu heben, um (die Darmwand nicht zu sehr auszudehnen; ferner wird es ratsam sein, es stets bis zur selben Höhe zu heben, um miteinauder vergleichbare Daten zu erhalten. Da ja, wie schon bemerkt wurde, das Volum des Gefässes 7 bis zum Zeichen vollkommen dem (des Gefässes e zwischen den beiden Zeichen gleich ist, so wird man, wenn man dafür Sorge trägst, den Quetschhahn f zu schliessen, wenn aus dem Gefäss e genau das zwischen den beiden Zeichen befindliche Flüssig- Beiträge zur Physiologie des überlebenden Dünndarms von Säugetieren. 413 keitsvolum ausgetreten ist, und den Quetschhahn zu schliessen, wenn das Niveau der Flüssigkeit im Gefäss ! genau das Zeichen erreicht hat, sicher sein können, dass man das Volum der in dem sanzen System, das zwischen den Quetschhähnen f und ; liegt, ent- haltenen Flüssigkeit nicht geändert hat und mithin die vom Volun- schreiber registrierte Kurve nicht ändert. Die Gefässe e und | müssen, den Zeichen entsprechend, natürlich so enge sein, dass der Fehler, den man begehen kann, wenn man das Niveau der Flüssig- keit mit jenen Zeichen zusammentreffen lässt, nicht vom Volum- schreiber registriert wird. Dieses Volum muss ferner derart sein, dass die Flüssigkeit des Gefässes e sicher die ganze Flüssigkeit, die in dem zwischen den Quetschhähnen f und 2 liegenden System ent- halten ist, verdrängt. Will man daun die Wirkung eines Stoffes auf die Aussenfläche prüfen, so kann man ihn in Lösung vermittels einer Pipette der im Gefäss a enthaltenen Flüssigkeit, deren Volum man vorher gemessen hat, zusetzen. Es ist nötig, dass die zugesetzte Lösung ein geringes Volum hat und deshalb konzentriert ist, damit sie das Niveau der Flüssiekeit im Gefäss «a und folglich den Druck auf den Darm nicht zu sehr ändert. Um die Temperatur des Wasserbades db konstant zu erhalten, habe ich eine besondere Vorrichtung ersonnen, die jedesmal ver- wendet werden kann, wenn man, wie in meinem Falle, die Tempe- ratur einer Flüssigkeit in einem Glasgefäss, das dem Feuer nicht widersteht, konstant erhalten will. Diese Vorrichtung ist schematisch in Fig. 3 dargestellt. Wenn a das in Frage kommende Wasserbad ist, so taucht man einen besonderen Wärmeregulator 5 ein, der seine Aufgabe erfüllt, indem er einen Strom heissen Wassers reguliert, das vermittels eines Hebers aus einem Metallgefäss ce nach dem Wasserbad a geleitet wird. Dieser Wärmeregulator ist in seinen unteren Teile ein ge- wöhnlicher Toluol-Wärmeregulator; dagegen ist in seinem oberen Teile die das Quecksilber enthaltende Röhre nicht kapillarförmig eingeengt, sondern geht in eine Y-förmige Röhre über, deren beide Sehenkel durch Gummischläuche mit den beiden Schenkeln des Hebers verbunden werden. Die Art, wie dieser Wärmeregulator funktioniert, ist also klar: Erwärmt sich das Wasser im Gefäss a über eine gewisse Grenze hinaus, so schliesst das Quecksilber den Durchgang in der Y-förmigen Röhre, um ihn wieder zu öffnen, wenn 414 er Tullio Gayda: das Wasser sich abkühlt. Gewöhnlich wird ein Gleichgewichtszustand eintreten, infolgedessen das Quecksilber sich so anordnet, dass es einen andauernden Strom von heissem Wasser gestattet, der so be- schaffen ist, dass er die Temperatur im Gefäss a konstant erhält. Das Niveau des Wassers im Gefäss e darf nur wenig, d. h. ungefähr 2 cm, höher als das des Wassers im Gefäss a sein, denn sonst reisst die in der Y-förmigen Röhre eintretende SESEESEU DENE das Queck- silber mit sich fort. Ferner ist es nötig, wie man leicht verstehen wird, damit die Temperatur im Gefäss a sich konstant erhält, dass der Unterschied des Wasserniveaus in den beiden Gefässen sich eben- falls konstant erhält. Dies er- reicht man, wenn ınan das Wasser- —_ niveau im Gefäss ce vermittels der srossen Mariotte’schen Flasche d und im Gefäss a mittels der Vor- 13 SIE ee ee een | keiele | = _ | —— — 2 Kenn — = richtung e, deren Funktionieren ein einfacher Blick auf Fig. 3 ver- ständlich macht, konstant erhält. Erforderlich ist, dass der Schenkel des Hebers, der in das Gefäss a taucht, bis zum Boden dieses Ge- fässes reicht; auf diese Weise wird das dorthin geleitete heisse Wasser, da es die Tendenz hat, nach oben zu steigen, die ganze Flüssigkeitsmasse erwärmen. Mit dieser Vorrichtung ist es mir gelungen, die Temperatur des Wasserbades auch mehrere Stunden hindurch praktisch konstant zu erhalten. Beiträge zur Physiologie des überlebenden Dünndarms von Säugetieren. 415 Die Versuche, die ich am überlebenden Darm anstellte, ver- folgten den Zweck, zu untersuchen, auf welche Weise der Darm auf Veränderungen des osmotischen Druckes und der Reaktion der Flüssigkeiten, die seine Innen- oder Aussenfläche bespülen, reagiert. Zu diesen Untersuchungen veranlasste mich auch der Umstand, dass, wenigstens soweit es mir bekannt ist, die Untersuchungen über den Einfluss des osmotischen Druckes und der Reaktion auf den über- lebenden Darm sehr spärlich und fragmentarisch sind. Bei meinen Experimenten verwendete ich ausschliesslich den Dünndarm des Igels (Erinaceus europaeus), weil die Organe dieses Tieres sich lange Zeit hindurch überlebend erhalten lassen, wie ich selbst!) schon bei Untersuchungen an den isolierten Muskeln beobachten konnte. Die Tiere wurden mir in ziemlicher Menge im Zustande des Wachens während des Frühjahres und Sommers 1912 geliefert. Das Tier wurde durch Verblutung getötet. Unmittelbar nachher wurde die Bauchhöle geöffnet, das Duodenum mit zwei Fingern gefasst und mit der Schere vom Pylorus getrennt; indem ich dann das Duodenum immer in der Nähe des Schnittes hielt und einen leichten Zug darauf ausübte, löste ich vermittels der Schere vom Mesenterium den ganzen Dünndarm bis zum Blinddarm los und trennte ihn durch einen Schnitt mit der Schere davon ab. Diese Operation wurde sehr rasch ausgeführt, worauf der Darm sofort in ein Gefäss gebracht wurde, das Locke’sche Flüssigkeit bei Zimmer- temperatur enthielt und durch welches Sauerstoff durcehperlte. Auf diese Weise wurde der Darm bei niedriger Temperatur erhalten, damit er seine Reizbarkeit länger beibehielte. Um dann das Experiment auszuführen, wurde vom Darm ein Segment vorzugsweise im oberen Teil, jedoch mit Ausnahme des Duodenums, abgeschnitten. Hierauf wurde das Darmsegment in den weiter oben beschriebenen Apparat so eingesetzt, dass das Magen- ende sich unten befand. Dann wurde der Darm mit Locke’scher Flüssigkeit abgewaschen und die Luft aus den Rohren vertrieben. Nach kurzer Zeit begann der Darm Bewegungen auszuführen, die allmählich lebhafter wurden. Ehe ich mit der graphischen Registrie- rung anfıng, wurde jedoch der Darm nochmals mit Locke’scher 1) T. Gayda, Influenza della temperatura sulla funzionalitä dei muscoli isolati di riccio (Erinaceus europaeus). Arch. di Fisiol. vol. 11 p.1. 1912. 416 Tullio Gayda: Flüssiekeit abgewaschen, um ihn vom Schleim und auch von den Schleimhautfetzen zu befreien, die sich infolge der ersten Kontrak- tionen des Darmes ablösten. Bei allen von mir ausgeführten Experimenten wurden einize Bedingungen konstant aufrechterhalten: Die Temperatur des Wasser- bades betrug stets 30°, weil dies ungefähr die Rectaltemperatur des Igels im wachen Zustande ist. Das Darmsegment hatte eine Länge von 6—7 em und wurde in seinem Innern einem Druck von 4—5 cm Flüssigkeit ausgesetzt. Der Volumschreiber vollführte Schwankungen von 1 cm Höhe infolge von Volumveränderungen von 1 cem. Der isotonische Hebel vergrösserte 5,3mal die Längsbewegungen des Darms; die tatsächliche Belastung des Darms betrug 2 @. II. Normale Bewegungen des Darms. Die Bewegungen des Dünndarms unter normalen Bedingungen wurden studiert von Bayliss und Starling!), von Cannon?) und von Magnus?°), welche Autoren ganz verschiedene Methoden befolgten. Bayliss und Starling eröffneten die Bauchhöhle von Hunden, Kaninchen oder Katzen in Narkose, tauchten das ganze Tier, mit Ausnahme des Kopfes, in ein bis zur Körpertemperatur erwärmtes Bad von physiologischer NaCl-Lösung und registrierten die Darm- bewegungen vermittels eines mit Luft gefüllten, in das Darmlumen eingeführten dünnen Gummiballons oder vermittels des Entero- sraphen, der die Bewegungen der Längs- oder der Ringmuskelfasern oder der beiden gleichzeitig auf einen Pistonrekorder übertrug, ohne dass es nötig war, das Darmlumen zu Öffnen. Cannon reichte Katzen eine Nahrung dar, die mit Wismutsub- nitrat vermischt war, und beobachtete mit Hilfe der Röntgenstrahlen die Bewegungen, die der Darminhalt infolge der Darmkontraktionen ausführte. 1) W. M. Bayliss and E. H. Starling, The movements and inner- vation of the small intestine. Journ. of Physiol. vol. 24 p. 99. 1899, and vol. 26 p. 125: 1901. 2) W. B. Cannon, The movements of intestines studied by means of the Röntgen rays. Americ. Journ. of Physiol. vol. 6 p. 251. 1902. 38) R. Magnus, Versuche am überlebenden Dünndarm von Säugetieren. I. Mitt. Pflüger’s Arch. Bd. 102 S. 123. 1904. Beiträge zur Physiologie des überlebenden Dünndarms von Säugetieren. 417 Magnus hingegen experimentierte am isolierten Darm nach der weiter oben beschriebenen Methode. Mit einer jeden dieser Methoden wurden zwei Arten von Darm- bewegungen beobachtet: Pendelbewezungen und peristaltische Be- wegungen. Die Pendelbewegungen werden veranlasst durch rhyth- mische Kontraktionen und Erschlaffungen sowohl der Längs- als der Ringmuskelfasern. Die Peudelbewegungen rufen die Erscheinung der „rhythmischen Segmentation“ hervor, die von Cannon mittels der Röntgenstrahlen beobachtet wurde. Bei dieser Erscheinung wird der Darminhalt in so und so viele regelmässige Segmente ge- teilt durch ringförmige Kontraktionen des Darms, die gleichzeitig an voneinander gleichweit entfernten Stellen erfolgen. Sobald diese Einsehnürungen sich gebildet haben, erscheinen, namentlich in der Mitte der einzelnen Sesmente, neue ringförmige Kontraktionen, die allmählich sich vertiefen, während die ersteren erschlaffen und in- folge des Zusammenfliessens zweier Teile von benachbarten Seg- menten neue Segmente bilden. Durch die Einwirkung der Pendel- bewegungen wird der Chymus innig mit den Verdauungssäften ver- mischt und nach und nach in Kontakt mit der resorbierenden Schleimhaut gebracht. Die peristaltischen Bewegungen erfolgen nach lokalen Reizen, narnentlich mechanischen, wie die Berührung der Mucosa mit festen Körpern; sie bestehen in einer rineförmigen Kontraktion in den magenwärts vom Reizort zelegenen Darm- abschnitten und in einer Hemmung bzw. Erschlaffung in den after- wärts gelegenen; infolge des Fortschreitens der ringförmigen Kon- traktion wird der Darminhalt gegen den Dickdarm hin geschoben. Die normalen Bewegungen des Igeldarms, wie sie mit der von mir verwendeten Vorrichtung graphisch registriert werden können, sind in den Fig. 4 und 5 dargestellt. Bei diesen Figuren beobachtet man vor allem, sowohl in der vom Volumschreiber gezeichneten Kurve — der, wie schon bemerkt, die Bewegungen der Ringmuskelfasern registriert — wie auch in der vom isotonischen Hebel verzeichneten — der die Bewegungen der Längsmuskelfasern registriert —, eine Reihe von kleinen Kurven, die auf einem System von grösseren Kurven eingeschrieben sind. Die ersteren entsprechen den Pendelbewegungen und verhalten sich genau wie bei den Experimenten von Magnus an Katzen, d. h. sie haben eine Dauer von 5—7 Sekunden bei Körpertemperatur und erhalten sich mit grosser Regelmässigkeit während der ganzen 418 Tullio Gayda: Dauer des Experimentes. Die zweiten entsprechen denjenigen Kontraktionswellen, die Magnus mit dem Namen „Tonusschwan- kungen“ bezeichnet; wie diese haben sie eine Dauer, die viel grösseren Schwankungen unterworfen ist als diejenigen, welche bei den Pendel- bewegungen angetroffen werden. So dauern, während bei Fig. 4 derartige Tonusschwankungen im Durchschnitt 30—40 Sekunden Fig. 4. (Auf !/g verkleinert.) Normale Bewegungen des in Locke’sche Flüssig- keit eingetauchten und mit derselben Flüssigkeit gefüllten Igeldarms. dauern, die in Fig. 5 dargestellten ungefähr 5 Minuten. Kurz, man bemerkt eine grosse Analogie zwischen den Bewegungen des Igel- darms und den von Magnus bei der Katze beobachteten. Dies ist nicht ohne Bedeutung, weil es beweist, dass auch der Igeldarm, nicht nur der Katzendarm, zum Zwecke des Experimentes dem Darm anderer Tiere vorgezogen werden kann als derjenige, welcher vollständigere Bewegungen aufweist. Nach Magnus sind nämlich im Kaninchendarm nur Pendelbewegungen vorhanden, während die Tonusschwankungen vollständig fehlen, und im Hundedarm sind die Pendelbewegungen viel weniger entwickelt als bei Katzen und Kanin- chen, während augenfällige Tonusschwankungen beobachtet werden. Beiträge zur Physiologie des überlebenden Dünndarms von Säugetieren. 419 Von nun an werde ich die Magnus’schen „Tonusschwankungen“® mit dem Namen „Magnus’sche Schwankungen“ bezeichnen, um nichts über ihre Bedeutung aussagen zu wollen und sie von anderen grösseren Schwankungen zu unterscheiden, die, wie wir in der Folge (Auf !/e verkleinert.) Normale Bewegungen des in Locke’sche Flüssigkeit eingetauchten und mit derselben Flüssigkeit gefüllten Igeldarms, Fig. 5. pp = en besser sehen werden, unter bestimmten Bedingungen hervorgebracht werden können, sich langsamer als die ersteren bilden, eine gewisse Zahl von ihnen umfassen und gewiss Tonusschwankungen sind. Wenn man nun, indem man zu einer genaueren Prüfung der Figuren schreitet, die von den Ringmuskelfasern ausgeführten Be- 420 Tullio Gayda: _ wegungen mit den von den Längsmuskelfasern ausgeführten ver- gleicht, so bemerkt man, dass, während bei den Pendelbewegungen die beiden Arten von Muskelfasern gleichzeitig sich kontrahieren ünd erschlaffen, bei den Magnus’schen Schwankungen die Ringmuskel- fasern sich kontrahieren, wenn die Längsmuskelfasern erschlaffen, und umgekehrt. Und dass es sich wirklich so verhält, davon kann man sieh auch überzeugen, wenn man direkt die Bewegungen des Darmstückes während des Experimentes beobachtet. Aus dieser Beobachtung ereibt sich, dass die Magnus’schen Schwankungen euergischen Kontraktionen der Ringmuskelfasern entsprechen, die tiefgehende lokalisierte Einschnürungen des Darms und bisweilen auch eine Verminderung des Durchmessers des ganzen Darmstückes verursachen; gleichzeitig verlängern sich die Längsmuskelfasern, und zwar um so mehr, je stärker die Ringmuskelfasern sich kontrahieren ; nur wenn diese erschlaffen, kehrt der Darm zur ursprünglichen Länge zurück. In dieser Hinsicht ist namentlich die Fig. 5 beweis- kräftig. In dieser kontrahierten sieh die Ringmuskelfasern während der Magnus’schen Schwankungen so kräftig, dass sie das Darmrohr in einen dünnen Strang verwandelten, und dementsprechend ver- längerten sich die Längsmuskelfasern enorm. Dieses entgerengesetzte Verhalten der beiden Muskelschichten des Darms, was die Magnus’schen Schwankungen betrifft, ist nicht nur absolut konstant, sondern die Grösse der Bewegungen ist auch proportional in den beiden Arten von Muskelfasern. Bedenkt man ferner, dass bisweilen die Magnus’schen Schwankungen der Längsmuskelfasern einige Sekunden später als die der Ringmuskel- fasern beginnen, so kann man denken, dass die ersteren vielleicht auf irgendeine Weise von den letzteren abhängig sein können, d. h. dass die Ausdehnung der Längsmuskelfasern, die der Kontraktion der Ringmuskelfasern entspricht, durch letztere nur passiv bedingt ist. Nach Bayliss und Starling kontrahieren sich und erschlaffen die Ringmuskeifasern und «die Längsmuskelfasern stets gleichzeitig, sowohl bei den normalen Pendelbewegungen und bei den lokalen Reflexen als auch infolge Reizung des Vagus und des Sympathiecus. Magnus jedoch versichert, dass diese funktionelle Verkoppelung der beiden Muskelschichten an einer bestimmten Stelle der Darm- wand keine feste und undurchbrechbare ist, weil es Einwirkungen gibt, bei denen die beiden Muskelschichten sich auch gegensätzlich verhalten können; bei der Erstickung des Darms nimmt nämlich, Beiträge zur Physiologie des überlebenden Dünndarms von Säugetieren. 421 wie Magnus nachgewiesen hat, der Tonus der Ringmuskelfasern allmählich zu, während der der Längsmuskelfasern allmählich immer mehr abnimmt. Zu bemerken ist jedoch, dass Bayliss und Star- ling bei ihren Untersuchungen niemals Magnus’sche Schwan- kungen beobachteten und Magnus bei Befolgung seiner Methode nie gleichzeitig die Bewegungen der Ring- und die der Längsmuskel- fasern registrieren konnte ‘und mithin das entgegengesetzte Verhalten der beiden Arten von Muskelfasern bei den von ihm „Tonusschwan- kungen“ genannten Schwankungen wahrgenommen hat. Resümieren wir also: An den Pendelbewegungen beteiligen sich unter normalen: Verhältnissen, wie man durch direkte Beobachtung kontrollieren kann, synergisch die Längs- und die Ringmuskelfasern. Die Magnus’schen Schwankungen bestehen konstant aus einer Kon- traktion der Ringmuskelfasern, die gleichzeitig mit Erschlaffung der Längsmuskelfasern eintritt, oder umgekehrt. Endlich ist noch zu bemerken, dass die Dauer der Pendel- bewegungen, wie die der-Magnus’schen Schwankungen, dieselbe beim Igel ist wie bei der Katze, obwohl der Darm dieser beiden Tiere bei. verschiedener Temperatur gehalten wurde, nämlich 30° bei ersterem und 37,5° bei letzterem Tiere. Dies bedeutet hinsichtlich der glatten Muskeln nur eine Bestätigung dessen, was ich!) schon bei den quergestreiften Muskeln beobachtet habe, dass nämlich, bei der Körpertemperatur beobachtet, die ‚Dauer der Muskelzuckung bei allen Wirbeltieren annähernd die gleiche ist. Ehe man untersucht, wie der Darm auf die Veränderungen des osmotischen Druckes und der Reaktion der seine Innen- und Aussen- fläche bespülenden Flüssigkeiten reagiert, ist, da ja bei diesen Ver- suchen die im Darmsegment enthaltene Flüssigkeit durch eine neue ersetzt oder diese der Aussenflüssigkeit zugesetzt werden muss, die Frage zu: beantworten, ob unabhängig von der Zusammensetzung der ersetzten oder zugesetzten Flüssiekeit Bewegungen des Darms sich nicht infolge der einfachen Ersetzung oder Zusetzung von Flüssigkeit ändern. Nun bewiesen aber zahlreiche Kontrollexperimente, dass, vorausgesetzt, dass die Zusammensetzung der Flüssigkeit sich nicht ändert, auf die einfache Ersetzung der im Darm enthaltenen Flüssig- keit keine merkliche Änderung der Darmbewegungen folet. Dasselbe geschieht nach Zusatz von Flüssigkeit zu der den Darm umgebenden 1) T. Gayda, loc. cit. S. 18. Pflüger’s Archiv für Physiologie. Ba. 151. 28 422 2 Tullio Gayda: Flüssigkeit, wenn man Sorge dafür trägt, dass die Menge der zu- gesetzten Flüssigkeit nicht derart ist, dass sie das Niveau der Flüssig- keit, in die der Darm eintaucht, sehr ändert, III. Einfluss des osmotischen Druckes der im Darm enthaltenen Flüssigkeit. Um das Verhalten der Darmbewegungen den Veränderungen des osmotischen Druckes der im Darm enthaltenen Flüssigkeit gegen- über zu studieren, hielt ich das Darmstück in Lock e’sche Flüssigkeit eingetaucht und führte in sein Inneres eine dem Blutserum isotonische Lösung eines Elektrolyten oder Nicht-Elektrolyten ein; hierauf ersetzte ich die isotonische Lösung dureh Lösungen, die nach und nach mehr konzentriert oder mehr verdünnt waren. Als Elektrolyten wählte ich das Natriumchlorid und als Nicht-Elektrolyten den Traubenzucker. Die Schleimhautoberfläche des Darms ist den Veränderungen des osmotischen Druckes gegenüber sehr widerstandsfähig, da ja, wenn im Darm eine isotonische Natriumchlorid- oder Traubenzuckerlösung vorhanden ist, die osmotische Konzentration dieser Lösung mindestens- verdoppelt werden muss, um eine deutliche Wirkung auf die Darm- bewegungen zu erhalten; anderseits kann man die isotonische Lösung; durch reines Wasser ersetzen, ohne eine merkliche Änderung dieser Bewegungen zu erhalten. Die Fig. 6 und 7 zeigen, wie die Darmbewegungen variieren, wenn eine im Darm enthaltene isotonische Natriumchlorid- bzw. Traubenzuckerlösung durch eine Lösung derselben Stoffe ersetzt wird, die eine doppelt so grosse osmotische Konzentration als die erstere hat. Bei beiden Figuren beobachtet man, dass auf die Zunahme des. osmotischen Druckes der im Darm enthaltenen Flüssigkeit sofort eine: rasche Zunahme des Tonus der Längsmuskelfasern folgt, die zu einem beträchtlichen Verkürzungsgrade des Darmstückes führt; diese: Steigerung des Tonus dauert auch in der Folge noch an, schreitet. aber allmählich immer langsamer fort; auch der Tonus der Ring- muskelfasern nimmt anfangs bedeutend zu, wie man bei direkter: Beobachtung des Darmstückes wahrnehmen kann, und wie es auch der Volumschreiber klar zeigt. Die Magnus’schen Schwankungen. werden häufiger, grösser und regelmässiger. Die Pendelbewegungen. sind noch ganz deutlich; bei den Experimenten mit Natriumchlorid. werden sie jedoch maskiert durch die Tendenz, welche die Ring- Beiträge zur Physiologie des überlebenden Dünndarms von Säugetieern. 493 *,S# ,0L = AL pun JJI uayasımz ‚9 = IL pun II uogosımz ‘87T ‚7 —=]I pun I uayosımz jfeaasyunmoz 72J0819 AOPaIM 9199819 9Ip y>ınp ZunsorT 9199249] aIp pam p sıq 9 UOA 107 dop UT 7230819 "U ZFE‘0 9U9J0S Hua Y9anp HunsojpLiopyoummmen "u 99T‘ Suayeyyuo u 1p UJ "usdundomaqure] Hp ne NONSISSNLT uOUSEegJus wie] WI dopf soyanIg UoyosNoWso sap ssnugurmg (A9UTOTNI9A 8/,; AV) 9 SI] "Al 008 u d ur 9uo Pam qQ SIG DO U0A JOZ au Tullio Gayda 424 . "ST ‚ST = II pun J uay9sımz [feAaayumoZ "1279819 A9P9IM 9189819 HI yaınp Funsg’] 9197Z19] 9Ip pam p sıq 9 UOA 197 A9P UT 7298819 "u 009‘0 Py9JoS aurd gaanp Zunsofisyonzuaqnerz, ‘u 0080 JUsegua wre] wt au pam q SIq » uoA 1aZ 19p UT "uodunsomaqueg Ip JUe MNONSISSOLT UAUSNEyJU9 We] wı dop sospont] uayosyowso sap Ssngumg (OUlop.IoA 8/5; Jay) *), "SLT De I Beiträge zur Physiologie des überlebenden Dünndarms von Säugetieren. 495 muskelfasern haben, in einem Kontrakturzustand zu verharren; tat- sächlich haben in Fig. 6 die vom Volumschreiber registrierten Magnus’schen Schwankungen einen ziemlich abgeplatteten Gipfel. Während bei den Experimenten mit Traubenzucker dieser Zustand grösserer Tätigkeit sich sehr lange erhält, nehmen bei denen mit Natriumehlorid die Magnus’schen Schwankungen bald an Frequenz, Grösse und Regelmässigkeit ab und es bestehen nur noch die Pendel- bewegungen, die zuweilen beträchtlich an Grösse abnehmen. Wird nun von neuem die konzentrierte Natriumchlorid- resp. Trauben- zuckerlösung durch die isotonische Lösung ersetzt, so nimmt der Topus der Längsmuskelfasern wieder allmählich ab, um langsam zum ursprünglichen Zustand zurückzukehren. Die Magnus’schen Schwankungen kehren auch bei den Experimenten mit Traubenzucker zu dem normalen Zustand zurück; bei denen mit Natriumchlorid dagegen, bei denen sie geradezu verschwunden waren, erscheinen sie nur mehr in sehr rudimentärer Form und in sehr langen, un- regelmässigen Intervallen; die Pendelbewegungen erlangen wieder die normale Grösse. Resümieren wir also: Die Zunahme des osmotischen Druckes der im Darm enthaltenen Flüssigkeit, genauer gesagt der Ersatz isotonischer durch hypertonische Lösungen, verursacht als konstante Erscheinung eine Zunahme des Tonus der Längs-, zum Teil auch der Ringmuskelfasern und eine Zunahme der Magnus’schen Schwankungen an Frequenz, Grösse und Regelmässigkeit. Die verschiedenen Resultate, die mit dem Natriumchlorid und dem Traubenzucker erhalten werden, sind auf eine spezifische Wirkung dieser beiden Stoffe zurückzuführen. Die reizende Wirkung des Natriumchlorides ist bekannt nach der alten Beobachtung Nothnagels!), derzufolge das Auflegen eines Kochsalzkristalles auf die Aussenfläche des Kaninchen- und Katzendarmes eine Kontraktion hervorruft, die nicht auf die Be- rührungsstelle beschränkt bleibt, sondern sich mehrere Zentimeter weit verbreitet, und zwar stets oberhalb dieser Stelle gegen den Pylorus hin. Auch Injektion von 2—4 cem einer konzentrierten NaCl-Lösung ins Darmlumen veranlasst mächtige peristaltische und antiperistaltische Kontraktionen. l) H. Nothnageil, Beiträge zur Physiologie und Pathologie des Darmes S. 21 und 53. Berlin 1884. 426 Tullio Gayda: Was dagegen den Traubenzucker betrifft, stimmen die Daten nicht miteinander überein. Zu bemerken ist jedoch, dass der grösste Teil der diesbezüglichen Untersuchungen mit der Magnus’schen Methode ausgeführt wurde, indem man nämlich den Darm während des Experimentes an beiden Enden offen liess, weshalb die Wirkung des Traubenzuckers auf die Mucosaoberfläche durch die Wirkung auf die Serosaoberfläche kompliziert wurde. Nach Conheim!) hören die Bewegungen sofort auf, wenn man ein in Blut oder in einer NaCl-Lösung sich lebhaft bewegendes Darmstück in eine dem Blutserum isotonische Traubenzucker- oder Rohrzuckerlösung bringt, um in kurzer Zeit wieder zu erscheinen, wenn der Darm wieder in die ursprüngliche Flüssigkeit zurückgebracht wird. Auch ein Zusatz von mehr als 1°/oo Traubenzucker zur NaCl-Lösung genügt, um in kurzer Zeit die Darmbewegungen aufhören zu lassen Magnus?) erhielt nie mit einer derartigen Konzentration einen andauernden Stillstand der Darmbewegungen, diese wurden schwächer, unregelmässig und von Pausen unterbrochen; am häufigsten ver- schwanden die „Tonusschwankungen“, und es blieben nur die Pendel- bewegungen. Roger?) fand dagegen, dass, wenn ein Segment vom Kaninchen- darm, das noch seine Gefässverbindungen beibehielt, mit physiologischer NaCl-Lösung gefüllt wurde, dieses Segment nach einigen Kontraktionen unbeweglich blieb, während bei Verwendung von Traubenzucker- lösungen energische Kontraktionen verursacht wurden, die längere Zeit andauerten. Auch nach Rona und Neukirch‘) begünstigt der Trauben- .1) 0.Conheim, Versuche am isolierten überlebenden Dünndarm. Zeitschr. f. Biol. Bd. 35 S. 432. 1899. 2) R. Magnus, Versuche am überlebenden Dünndarm von SAUgeNeL N I. Mitt. Pflüger’s Arch. Bd. 102 S. 131. 1904. 3) H. Roger, Note sur les mouvements intestinaux A l’etat normal. Compt. Rend. de la Soc. de Biol. t. 57 (2) p. 311. 1905. — H. Roger, Les mouvements de l’intestin a l’&tat normal et dans l’occlusion experimentale. Journ. de Physiol. et de Path. gen. t. 8 p. 56. 1906. 4) P. Rona, Experimentelle Beiträge zur Physiologie des Darmes (nach gemeinsam mit P. Neukirch ausgeführten Untersuchungen). Verhandl. d. Physiol. Gesellsch. zu Berlin. Sitzung vom 16. Febr. 1912. Zentralbl. f. Physiol. Bd. 26 S. 711. 1912. — P. Rona und P. Neukirch, Experimentelle Beiträge zur Physiologie des Darmes. I. Mitt. Pflüger’s Arch. Bd. 144 S. 555. 1912. — Il. Mitt. Pflüger’s Arch. Bd. 146 8. 371. 1912. — Ill. Mitt. Pflüger’s Arch. Bd. 148 S. 273. 1912. Beiträge zur Physiologie des überlebenden Dünndarms von Säugetieren. 497 zucker die Darmbewegungen. Wenn die normalen Bewegungen des isolierten Kaninchendarmes in Tyrode’scher Flüssigkeit ohne Traubenzucker registriert werden, wird nach 1—2 Stunden der Tonus der Muskelfasern des Darmes erniedrigt, und die Bewegungen werden schwach. Setzt man dann unter diesen Bedingungen der Nähr- flüssigkeit Traubenzucker bis zur Konzentration 1°/oo zu, so nimmt der Tonus fast augenblicklich zu, die Bewegungen werden grösser; anfangs sind sie unregelmässig, aber nach einigen Minuten werden sie regelmässig; bisweilen nehmen sie progressiv zu, so dass sie in einem Zeitraum von 7—8 Stunden zwei oder dreimal grösser als anfanes werden. Schon bei einer Konzentration von 0,2—0,4 °/oo ist die Wirkung des Traubenzuckers ganz augenfällig. Auch die Mannose in einer Konzentration von 1°/oo wirkt wie der Traubenzucker, während die Lävulose und die Galaktose, ebenfalls in einer Konzentration von 1/oo, inaktiv sind. Bei den Zuckerarten, die die motorischen Funktionen des Darmes begünstigen, ist stets eine Verminderung während des Experimentes deutlich nachweisbar ; der Darm verbraucht dennoch auch andere nicht aktive Zuckerarten wie die Galaktose. Ersetzt man die Traubenzucker enthaltende Nährflüssigkeit durch eine keinen Traubenzucker enthaltende, so hört die günstige Wirkung auf, um bei Zusatz von Traubenzucker wieder zu erscheinen. Auf den Katzendarm übt der Traubenzucker keine günstige Wirkung aus; nur in einzelnen Fällen und andeutungsweise wurde die von Conheim und Magnus beschriebene direkte Hemmung beobachtet. Rona und Neukirch versuchten auch bei einigen organischen Stoffen (Arabinose, Rohrzucker, Laktose, Glykokoll, d-l-Alanin, Harnstoff, Pepton Witte, glykolsaures Natrium, schleim- saures Natrium, Glycerin), die der Tyrode- Lösung zugesetzt wurden, eine Konzentration bis zu 0,5—1°/o, ohne irgendeine Wirkung zu erhalten, während der nachträgliche Zusatz von 0,5 P/oo Traubenzucker stets eine starke Verbesserung der Bewegungen verursachte Zu bemerken ist jedoch, dass, da es sich um organische Stoffe handelt, eine Konzentration von 0,5—1°/oo den osmotischen Druck der Lösung nicht sehr erhöht, der auf jeden Fall weit unterhalb des von mir erprobten bleibt. 428 Tullio Gayda: IV. Einfluss des ‘osmotischen Druckes der um den Darm - ‚stehenden Flüssigkeit. Ganz anders verhalten sich die Darmbewegungen, wenn die Veränderungen des osmotischen Druckes nicht in der im Darm enthaltenen, sondern in der ihn umgebenden Flüssigkeit eintreten. Bei diesen Experimenten wurde das Darmstück wieder in Locke’sche Flüssigkeit eingetaucht gehalten, und auch in sein Inneres wurde konstant Locke’sche Flüssigkeit eingeführt. Die Zunahme des osmotischen Druckes der an der Aussenseite des Darmes befindlichen Flüssigkeit wurde erhalten durch Zusatz. von kleinen Mengen sehr konzentrierter Natriumehlorid- und Traubenzucker- lösungen, um, wie wir schon sagten, das Niveau der erwähnten Flüssigkeit nieht in merklicher Weise zu ändern. Bezüglich der Wirkung der Verminderung des osmotischen Druckes wurden keine Versuche gemacht. | Die Fig. 8 und 9 zeigen das Verhalten der Darmbewegungen nach dem Zusatz von konzentrierter Natriumchlorid- bzw. Trauben- zuckerlösung zur Aussenflüssigkeit in einer solchen Menge, dass die osmotische Konzentration der letzteren um -0,15 Mol. erhöht. wird. Unmittelbar nach der Zunahme des osmotischen Druckes der um den Darm stehenden Flüssigkeit erfolgt eine Zunahme des Tonus der Ringmuskelfasern; mit Traubenzucker erhalten sich noch die Pendelbewegungen, mit Natriumchlorid verschwinden. sie . beinahe vollständig, und der Darm zieht sich stark zusammen. Der Tonus der Längsmuskelfasern nimmt dagegen sofort oder nach einem kurzen Erhöhungsstadium immer mehr ab; die Magnus’schen Schwankungen sind sehr wenig deutlich,.es bleiben die Pendelbewegungen, die mit dem Natriumchlorid jedoch nicht sehr ‘gross sind. Die Abnahme des Tonus der Längsmuskelfasern dauert noch immer fort, während die Ringmuskelfasern in tonischer Kontraktion verharren. Nach einer mehr oder minder langen Zeit und beinahe plötzlich entstehen sehr grosse Bewegungen der. Ring- und Längsmuskelfasern, die rasch immer regelmässiger und in den beiden Arten von Muskelfasern synehronisch werden. Man bemerkt alsdann, dass das Darmstück sich sowohl rhythmiseh verkürzt und verengert als auch rhythmisch verlängert und erweitert. Die Erscheinung dauert lange Zeit hin- durch mit überraschender Regelmässigkeit. “Welches die Bedeutung dieser Bewegungen ist, lässt sich nicht leicht erklären. _ Da die 429 darms von Säugetieren. Beiträge zur Physiologie des überlebenden Dünn "„9T ‚gg — UI pun I uoydsımz [rAdsjuglaZ 32798992 day] oad (Bunsor -pmojyoumtayen "u Zr au Um9 05 °q 'P) PLIOTTIWNLIEN AJOpy F80‘0 NONSISSNIHY UOQIS,9490T uopuayeys u Ar op wn Anz UaPIOM "u9dunsomaqunel] IP Ne NOYZISEn]g Uopuoya)s wıeg Up wn Top SayonAl uayasyowWso sap SSugumgy (OU NA9A &ı/, JUY) EIN | nn » 9: "ıgE ‚85 — ]I pun I uoygosımz [fearsyumeoz 7zj9s0°nz Aayıry o1d (Sunsoplayonzusqnei], "U G‘z A9ura 99 09 'q 'p) AOonzuaqueı], Ho GT‘O HONSISSUT UOY9S,9790T uapuoyags une] uop um anz uopıoM » 1997 'uodundomaquumeer dp Zne JIONSISSN]T UOpuoyajs wie] Up um Aop SONAMALT UONOSNOWSO SAP SSngumm (N1OUroNaoA 2/; Jay) 6 St I Gayda 10 —_— —_ - = T Beiträge zur Physiologie des überlebenden Dünndarms von Säugetieren. 431 Dauer einer jeden von ihnen im Durchschnitt 20 Sekunden beträgt, können diese Schwankungen den Magnus’schen Schwankungen entsprechen; bei einigen derselben lassen sich nämlich den Pendel- bewegungen vergleichbare kleine Schwankungen unterscheiden, aber die Magnus’schen Schwankungen des normalen Darmes bestehen, wie schon bemerkt wurde, aus einer Kontraktion der Ringmuskel- fasern,' die gleichzeitig mit Erschlaffung der Länesmuskelfasern ein- tritt oder umgekehrt, während in unserem Falle eine gleichzeitige Kontraktion und ein gleichzeitiges Erschlaffen der beiden Muskel- faserarten eintritt, wie es eher bei den Pendelbewegungen der Fall ist. Auf jeden Fall ist die verschiedene Art bemerkenswert, wie der Darm auf die Zunahme des osmotischen Druckes der Flüssigkeit reagiert, die seine Serosaoberfläche bespült, oder derjenigen, welche seine Schleimhautoberfiäche bespült. Während im ersteren Falle der Tonus der Längsmukelfasern allmählich zunimmt, tritt im letzteren das Gegenteil ein. Der Tonus der Ringmuskelfasern dagegen nimmt in beiden Fällen zu, im zweiten jedoch in höherem Grade. Verschieden ist ferner das Aussehen der Magnus’schen Schwankungen und charakteristisch das vorhin beschriebene Verhalten der Be- wegungen der beiden Arten von Muskelfasern, wenn die Zunahme des osmotischen Druckes seit einer gewissen Zeit auf der Serosa- oberfläche erfolgt. Endiich ist der Darm viel empfindlicher und reagiert viel lebhafter auf die Veränderungen des osmotischen Druckes, die auf die Serosaoberfläche einwirken, als auf die auf die Schleim- hautoberfläche einwirkenden. V. Einfluss der Reaktion der im Darm enthaltenen Flüssigkeit. Mit diesem Thema haben sich in letzter Zeit Carnot und Glenard!) beschäftigt. Diese Autoren durchströmten durch die Blutbahn mit Locke’scher Flüssigkeit eine Darmschlinge eines Kaninchens, die sie in Locke’scher Flüssigkeit bei 39° eingetaucht 1) P.Carnot et G.Glenard, Sur la technique de la perfusion intesti- nale.e. Compt. Rend. de la Soc. de Biol. t. 72 p. 496. 1912. — P. Carnot et G. Glenard, Facteurs mecaniques influengant la vitesse de la perfusion intesti- nale. Compt. Rend. de la Soc. de Biol. t. 72 p. 661. 1912, — P. Carnot et G. Glenard, Actions vasomotrices et perfusion intestinale. : Compt. Rend. de la Soc. de Biol. t. 72 p. 754. 1912. — P. Carnot et G. Glenard, Actions de diverses substances sur la motrieite intestinale.. Compt. Rend. de la Soc..de Biol. t. 72 p. 922. 1912. ; 432 Tullio Gayda: hielten. Als sie die Wirkung einiger Stoffe auf die Darmbewegungen studierten, fanden sie, dass die Einführung einer Säurelösung (1 ecm 0,1 n. HCl) ins Duodenum eine Übertreibung der Bewegungen, Spas- mus des Pylorus,. energische Kontraktionen des Duodenums mit Tendenz zum Spasmus, Kontrakturringe hervorruft; auch in den anderen Darmsegmenten ruft sie eine spastische Übertreibung der Bewegungen mit Kontrakturringen hervor. Die Einführung einer alkalischen Lösung (NaHCO,) ruft dagegen sowohl im Duodenum als im Dünndarm mächtige, weite, regelmässige und wirksame peristal- tische Kontraktionen ohne Kontrakturringe hervor. Nur sehr alka- lische, ätzende Lösungen verursachen spastische Kontraktionen und Kontrakturringe. Rona und Neukirch!) behandelten ebenfalls, als sie unter- suchten, welche Faktoren die Tyrode’sche Flüssigkeit geeigneter als die Locke’sche für den überlebenden Darm machen, die Frage nach dem Einfluss der Reaktion dieser physiologischen Lösungen auf die Darmbewegungen. Sie sagen, dass, während die mit der Magnus- schen Suspensionsmethode registrierten Bewegungen des überlebenden Kaninchendarms, wenn man die Locke'sche Flüssigkeit verwendet, unregelmässig und nicht analysierbar sind, sie sich, wenn man hin- gegen die Tyrode’sche Flüssigkeit verwendet, vor allem durch die erstaunlich grosse Regelmässiekeit der einzelnen Ausschläge und durch den regelmässigen Rhythmus des Verlaufes der Längsmuskel- kontraktionen auszeichnen. Nach Rona und Neukireh ist, während die Konzentration der H+-Ionen in der Tyrode’schen Flüssigkeit (ea. 0,2 > 10°) ungefähr der im Blutserum entspricht, die Locke- sche Flüssigkeit ausgesprochen saurer (Konzentration der H+-Ionen ea. 0,2 >< 10°); immerhin muss die Ursache der Unregelmässigkeit der Bewegungen nicht dieser ungeeieneten Konzentration der H+- Ionen in der Locke’schen Flüssigkeit zugeschrieben werden. Setzt man einer Locke’schen oder einer modifizierten Tyrode’schen Lösung (ohne Phosphat und Bikarbonat) eine Menge Natrium- bikarbonat zu, die der in der Tyrode’schen Flüssiekeit enthaltenen (100) entspricht, so beobachtet man, dass beinahe sofort oder nach 1) P. Rona, Zur Physiologie der Darmbewegungen (nach in Gemeinschaft mit P. Neukirch ausgeführten Untersuchungen). Verhandl. d. physiol. Gesellsch. zu Berlin. Sitzung vom 21. Juni 1912. Zentralbl. f. Physiol. Bd. 26 S. 733. 1912. — P. Rona und P. Neukirch, Experimentelle Beiträge zur Physiologie des Darmes. III. Mitt. Pflüger’s Arch. Bd. 148 S. 273. 1912. en De Te an en Beiträge zur Physiologie des überlebenden Dünndarms von Säugetieren. 433 einer einige Minuten dauernden Periode unregelmässiger Kontraktionen die Bewegungen ganz regelmässig und rhythmisch werden und den der Tyrode’schen Flüssigkeit eigentümlichen Typus erlangen. Rona und Neukirch schliessen daraus, dass das Karbonation der Träger des den Rhythmus reeulierenden Einflusses ist. Um den Einfluss der alkalischen Reaktion des Bikarbonates auszuschliessen, kann man diesem Salzsäure zusetzen, bis man eine Konzentration von H*-Ionen erhält, die der des Serums gleich ist: ein solches Gemisch von NaHCO, und H,;CO; übt denselben den Rhythmus _re- gulierenden Einfluss aus wie zuerst das NaHCO, allein; die günstige Wirkung muss also dem HCO,--Ion und wahrscheinlich auch dem nieht dissoziierten H,CO, zugeschrieben werden. Eine Wirkung von H*+-Ionen der Kohlensäure ist jedoch bei den Experimenten von Rona und Neukirch ausgeschlossen, weil die Salzlösung, in der sich zuerst der Darm befand, und die Bikarbonatlösung isohydrisch waren. Auch mit anderen Anionen, namentlich mit dem Acetation, dem Phosphation und dem Buttersäureion erhält man eine augen- fällige Besserung des Rhythmus, doch ist die Wirkung unbeständiger. Rona- und Neukireh beobachteten ferner, dass für das Zustande- kommen der Darmbewegungen eine gewisse optimale Konzentration der H*-Ionen erforderlich ist. Bei einer höheren H+-Ionenkonzen- tration als 0,25 x 10”? hören die Bewegungen auf, und schon bei einer Konzentration von 0,5 xX 10? werden sie deutlich schlechter. Die optimale H+-Ionenkonzentration ist ungefähr 0,5 x 107", sie liegt also etwas nach der alkalischen Seite. Bei diesen Untersuchungen behaupten jedoch Rona und Neu- kirch, die Locke’sche Lösung sei ausgesprochen sauer: die H+- Ionenkonzentration ist nach ihnen ungefähr 0,2 x 10%. Nun lässt sich dies aber nieht anders erklären, als wenn man annimmt, dass das von Rona und Neukirch verwendete destillierte Wasser viel Kohlensäure enthielt, so dass es der Flüssiekeit eine saure Reaktion mitteilte, denn von den in der Locke’schen Flüssigkeit enthaltenen Salzen hat keines saure Reaktion, sondern neutrale. Einige Be- stimmungen der Konzentration der H+-Ionen, die ich mittels der Konzentrationsketten an Locke’scher Flüssiekeit, durch die ich Sauerstoff geleitet hatte, ausführte, bewiesen, dass sie im Durch- schnitt bei 30° eine H*-Ionenkonzentration von 1,29 107, eine OH--Ionenkonzentration von 1,12 x 10" und mithin eine aktuelle Reaktion hat, die der Neutralität sehr nahe kommt, da ja die Kon- 434 Tullio Gayda: zentration in H+-Ionen bzw. OH--Ionen des Wassers bei 30° 1,20 > 107 ist. Und dass einem abnormen Gehalt an Kohlensäure in dem von Rona und Neukirch verwendeten destillierten Wasser die saure Reaktion der Locke’schen Flüssigkeit zugeschrieben werden muss, ist angedeutet durch einige Sätze der Arbeit selbst von Rona und Neukirch, wie!): „Die (Locke’sche) Lösung nimmt nach längerer Zeit in öfter gelüfteten Flaschen aufbewahrt wie auch im Versuch während der Sauerstoffdurchleitung - infolge CO,-Abgabe eine alkalische Reaktion an“, oder wie?): „. ... beim Darm in der mit dem destillierten Wasser des Laboratoriums be- reiteten physiologischen Kochsalzlösung, die mit KCl und CaCl, in entsprechenden Mengen versetzt ist, tritt nur dann eine Bewegung auf, wenn die schwach saure Reaktion der Flüssigkeit mit ein bis zwei Tropfen Natronlauge auf die passende H-Ionenkonzen- tration gebracht worden ist.“ | Wenn die von Rona und Neukirch verwendete Locke’sche Lösung sauer war, so versteht man, dass in ihr die Darmbewegungen sehr unregelmässig waren. In einer Locke’schen Lösung, die mit an Kohlensäure nicht reichem destilliertem Wasser und mit ganz reinen Salzen bereitet wurde, konnte ich die normalen Bewegungen des Igeldarmes lange Zeit unverändert erhalten. Bei den Experimenten, die ich ausführte, um den Einfluss der Reaktion der im Darm enthaltenen Flüssigkeit auf die Darm- bewegungen zu studieren, hielt ich wieder das Darmstück in Locke- sche Flüssigkeit eingetaucht, führte aber in sein Inneres eine iso- tonische Traubenzuckerlösung ein, da diese einen sehr günstigen Einfluss auf die Erhaltung der Darmbewegungen ausgeübt hatte. Dann ersetzte ich die: isotonische Lösung durch andere Lösungen, die Alkalien oder Säuren in verschiedener Konzentration enthielten und durch passenden Zusatz von Traubenzucker isotonisch gemacht worden waren. Auf diese Weise konnte ich die Komplikation des Einflusses des osmotischen Druckes ausschliessen. Als Alkalien wählte ich ein starkes, das Natriumhydrat, und ein schwächeres, .das Natriumkarbonat, als Säuren ebenfalls eine starke, die Salzsäure, und eine schwache, die Milchsäure. 1) P. Rona und P. Neukirch, Experimentelle Beiträge zur Physiologie des Darmes. III. Mitt. Pflüger’s Arch. Bd. 148 S. 274. 1912. 2) P. Rona und P. Neukirch, loc. eit. S. 278. Beiträge zur Physiologie des überlebenden Dünndarms von Säugetieren. 435 a m ® ne Fig. 10. (Auf 5/s verkleinert.) Einfluss der Reaktion der im Darm enthaltenen Flüssigkeit auf die Darmbewegungen. In der Zeit von a bis b wird eine im Darm sich befindende 0,300 n. Traubenzuckerlösung durch eine Lösung ersetzt, die 0,02 Mole Natriumhydrat + 0,262 Mole Traubenzucker pro Liter enthält. In der Zeit von ce bis d wird die letztere Lösung durch die erstere wieder ersetzt. Zeitintervall zwischen I und I = 15'. 436 Tullio Gayda: _ Prüfen wir vor allem die mit den Alkalien erhaltenen Resultate. Fig. 10 zeiet die Veränderungen der Darmbewegungen, die auf die Ersetzung der im Darım enthaltenen isotonischen Traubenzuckerlösung durch eine 0,02 n. Natriumhydratlösung folgen, die durch ent- sprechenden Zusatz von Traubenzucker isotonisch gemacht worden ist. Es handelt sich um einen Darm, in welchem die Magnus’schen Schwankungen verhältnismässig selten waren, während die Pendel- bewegungen vorherrschten. Sobald die im Darm enthaltene Flüssig- keit alkalisch wird, werden die Magnus’schen Schwankungen häufiger und regelmässiger; sie folgen einauder ohne Unterbrechung und nehmen eine charakteristische Form an insofern, ‘als Verkürzung und Erschlaffung sich in einer Reihe von kleinen Ftappen vollziehen, die dureh zeitweilige, den Pendelbewegungen entsprechende Kon- trakturen dargestellt sind. Diese Kontrakturen beobachtet man namentlich in den Ringmuskelfasern, während sie in «len Länes- muskelfasern durch normale Pendelbewecungen ersetzt werden. Die Magnus’schen Schwankungen treten auf die gewöhnliche Weise ein, d. h. wenn die Ringmuskelfasern sich kontrahieren, erschlaffen die Längsmuskelfasern und umgekehrt. Ausser den Magnus’schen Schwankungen beohachtet man keine andere Änderung des Tonus, weder in den Ring- noch in den Längsmuskelfasern. Nach einer gewissen Zeit erlangen jedoch die Magnus’schen Schwankungen allmählich ihr ursprüngliches Aussehen wieder; diese Erscheinung wird beschleunigt, weun man die alkalische Lösung durch die iso- tonische Traubenzuckerlösung ersetzt. Mit konzentrierteren Lösungen, wie z. B. mit 0,05 n. Natrium- hydrat, erhält man dasselbe Aussehen der Magnus’schen Schwan- kungen, nur sind die Kontrakturen gesteigerter; zuweilen kann auch eine temporäre Zunahme des Tonus der Längsmuskelfasern ein- treten; sehr bald nehmen jedoch die Darınbewegungen allmählich an Grösse ab, die Magnus’schen Schwankungen verschwinden, und es bleiben nur die Pendelbewegungen, die allmählich immer kleiner werden. Die Ersetzung der alkalischen Lösung durch die isotonische Traubenzuckerlösung verbessert die Darmbewegzungen nicht sehr. Während es bezüglich des Natriumhydrates genügt, eine 0,02 n. Lösung zu verwenden, um schon augenfällige Veränderungen der Darmbewegungen zu erhalten, muss man bezüglich des Natrium- karbonats mindestens eine dem Blutserum isotonische Lösung ver- wenden. Fig. 11 gibt gerade das Verhalten der Darmbewegungen Beiträge zur Physiologie des überlebenden Dünndarms von Säugetieren, 437 oz Jap uf "AI "66 ‚0I = AI pun JJI uoyosinz ‘,Ig ,G — II puu II uagdsımnz °,9 ‚9 — II pun I uayasımz [feaasjummez 'I279819.19PdIM 9.197519 HP Yaınp SUnsorT 94197299] aIp PAIM pP SIQ 2 UOA Oz 19p u] 729819 Sunsopeuoqieyumugen "u gp]‘0 Ur gaanp SunsoLioyanzusgqneLL "u 0080 PPaapuyaq yaıs wIe(f wi 9Uulo PAIM q SIQ » U0A (IA9UT9JMI9A. 8/L IV) -u9dundomaqunel] ap Fe Jloydissupg uauseyus wie] wi dp wonyeoy op sSsngum a0 a 1 "II 314 29 Bd. 151. Pflüger’s Archiv für Physiologie. 438 Tullio Gayda: infolge der Ersetzung einer isotonischen Traubenzuckerlösung durch eine ebenfalls isotonische Natriumkarbonatlösung an. Auch hier, wie beim Natriumhydrat, werden die vor Einwirkung des Natriumkarbonats ziemlich seltenen Magnus’schen Schwan- kungen unter dem Einfluss des letzteren häufiger, erlangen aber nicht die beim Natriumhydrat beobachtete Regelmässigkeit. So- gleich nach Ersetzung der Traubenzuckerlösung durch die Natrium- karbonatlösung bemerkt man ferner eine Zunahme des Tonus in den Längsmuskelfasern, die in der Folge allmählich schwindet wie bei den konzentrierteren Natriumhydratlösungen. Dauert die Wirkung des Natriumkarbonats längere Zeit fort, so nehmen die Darm- bewegungen allmählich an Grösse ab. Ersetzt man das Natrium- karbonat wieder durch Traubenzucker, so zeigt sich nicht sofort eine Änderung; erst nach einer gewissen Zeit lässt sich eine leichte Besserung der Bewegungen mit Zunahme des Tonus der Längs- muskelfasern beobachten. Die gemeinsame Wirkung, die das Natriumhydrat und das Natriumkarbonat im Darminnern ausüben, besteht also darin, dass sie die Magnus’schen Schwankungen der beiden Arten von Muskel- fasern häufiger und regelmässiger machen und ausserdem den Tonus der Muskelfasern erhöhen oder ihn unverändert lassen. Diese Wirkung muss zu der Alkaleszenz der Lösungen dieser beiden Stoffe, d. h. zum Gehalt der beiden Lösungen an OH---Ionen, in Beziehung gebracht werden; tatsächlich ist sie viel augenfälliger bei einer 0,02 n. Natriumhydratlösung, die eine OH--Ionenkonzentration von 0,018 hat, als bei einer 0,146 n. Natriumkarbonatlösung, deren ver- mittelst der Konzentrationsketten bestimmte Alkaleszenz einem Ge- halt an OH--Ionen von 0,00236 bei 30° entspricht. Die anderen bei der Art des Einwirkens des Natriumhydrats und -karbonats beobachteten Unterschiede lassen sich, ausser auf die nicht dissoziierten Moleküle, auf die eventuelle Anwesenheit des CO,--Ions und des HCO,-Ions zurückführen. Was die Säuren anbetrifft, so ist ihre Wirkung auf die Darnm- bewegungen nicht günstig. Fig. 12 zeigt, wie die Darmbewegungen sich verhalten, wenn die im Darm enthaltene isotonische Trauben- zuckerlösung durch eine 0,05 n. Salzsäurelösung, die durch einen entsprechenden Zusatz von Traubenzucker isotonisch gemacht wurde, ersetzt wird. Eine vollkommen ähnliche Figur erhält man mit 0,2 n. Milchsäure. Beiträge zur Physiologie des überlebenden Dünndarms von Säugetieren. 439 ol Da ] UOyoSsImz [feAIsJuNIoZ "729819 AHP9IM 9199519 IIP y9anp Zunsor] 9109270] ap PAIM pP SIq 9 UOA 197 AEp up "Ieyyus9 ao oad aoyonzuaquezy, Som 8030 + YAngszjeg 9Jom g0‘0 SLp ‘249819 Sunsg"T aus y9ınp Sunsof1oyonzusgqneL]L "u 0080 Ppuapuyaq yoIs une] wı aurs pam q sıq » u0A NoZ A9p uU] "uodundomaqwieg] 91p Jae NOYSISSULT UOUseyus wel] WI dop uoNNeay aap SSngumg (’MOUTONIOA 03/, JuV) "ZI 'S14 = * "II I 29 440 Tullio Gayda: Sofort nach Ersetzung der Traubenzuckerlösung durch die Säure- lösung tritt eine Zunahme des Tonus der Längsmuskelfasern ein, die in der Folge noch weiter fortschreiten kann, wenn auch langsamer. Die Darmwand erhält ein undurchsichtiges Aussehen. Die Magnus- schen Schwankungen und die Pendelbewegungen der beiden Arten von Muskelfasern erfahren keine merklichen Veränderungen, nehmen jedoch in der Folge allmählich an Grösse ab. Alsdann erlangen die Darmbewegungen, auch wenn die Säurelösung wieder durch die Traubenzuckerlösung ersetzt wird, nicht mehr die ursprüngliche Grösse, vielmehr verschwinden die Magnus’schen Schwankungen, und es bleiben nur mehr die Pendelbewegungen, die jedoch wenig akzentuiert sind. Mit konzentrierteren Lösungen, wie 0,1 n. Salzsäure oder 0,3 n. Milehsäure, ist die Zunahme des Tonus der Längs- muskelfasern noch augenfälliger. Die Darmbewegungen schwinden jedoch allmählich immer mehr und kommen endlich ganz zum Stillstand. Die durch die Salzsäure und die Milchsäure in den Darm- bewegungen verursachten Veränderungen sind jedoch nicht ganz der Azidität der verwendeten Lösungen, d. h. ihrem Gehalt an H*- Ionen, proportional. Tatsächlich haben Lösungen, die ungefähr mit der- selben Intensität einwirken wie die 0,05 n. Lösung von Salzsäure und die 0,2 n. Lösung von Milchsäure, einen verschiedenen Gehalt an H+-Ionen; genauer gesagt, die erstere hat eine H+-Ionen- konzentration von 0,047, während die letztere eine solche von nur 0,0052 hat. Zugleich mit den H*-Ionen üben also auch die Anionen oder die nicht dissoziierten Moleküle wahrscheinlich ihre Wirkung aus. Auf jeden Fall ist die H*-Ionenkonzentration, welche die Darm- schleimhaut noch ertragen kann, viel grösser als die, welche Rona und Neukirch schon als sehr schädlich für den überlebenden Darm bei der Magnus’schen Methode erkannten, d. h., wenn er sowohl innen als aussen von derselben Flüssigkeit bespült wird. VI. Einfluss der Reaktion der um den Darm stehenden Flüssigkeit. Bei diesen Experimenten wie bei den analogen über den Ein- fluss des osmotischen Druckes wurde das Darmstück in Locke’sche Flüssigkeit eingetaucht erhalten, und auch in sein Inneres wurde konstant Locke’sche Flüssigkeit eingeführt. Der Einfluss der Reaktion der Aussenflüssigkeit des Darmes auf die Bewesungen des Beiträge zur Physiologie des überlebenden Dünndarms von Säugetieren. 441 -nz day o1d (Zumsopexpägumnen ol ‘ ‚61 = ]I pun I usyosımz [feAasJumIazZ "320808 0 1Pum WII CZ ‘ 9 °yp) yeapfyunugen [ON T00°0 NONSISSHLT UOyOS,9NI0TT uEPuUayoIS une] uop un ınz pam 9 [9 uUodungomaqunie(] 9ıp NE NONSISSUNT UNPURU9IS une] up mn op uoNNeoT aop ssngumg (ouoyaoa 6/,; Juy) "ET ALM “II I 442 Tullio Gayda: letzteren wurde erprobt, indem der Locke’schen Flüssigkeit Alkali- oder Säurelösungen zugesetzt wurden, die eine solche Konzentration hatten, dass sie den osmotischen Druck der Locke’schen Flüssigkeit nicht merklich änderten. Als Alkali verwendete ich nur das Natrium- hydrat und schloss das Natriumkarbonat aus, weil der Zusatz dieses Salzes zur Locke’schen Flüssigkeit das Caleium der letzteren fällt; als Säuren verwendete ich die Salzsäure und die Milchsäure. Fig. 13 zeigt, wie die Darmbewegungen variieren infolge Zusatzes von Natriumhydrat zur Aussenflüssigkeit in einer solchen Menge, dass das Natriumhydrat sich darin in einer Konzentration 0,001 n. befindet. Wie sich aus der Figur ereibt, reagiert der Darm genau auf dieselbe Weise auf das Natriumhydrat, sowohl, wenn dieses seine Wirkung auf die Schleimhautfläche ausübt, als auch, wenn es sie auf die Peritonealfläche ausübt; der Darm zeigt sich nur viel empfind- licher, wenn der Reiz von der letzteren aus zu ihm gelangt; er reagiert nämlich lebhafter auf eine 0,001 n. Natriumhydratlösung (OH--Ionenkonzentration 0,000 95), die seine Serosa bespült, als auf eine 0,02 n. Lösung (OH=-Ionenkonzentration 0,018), die seine Mucosa bespült. Sofort nach dem Zusatz des Natriumhydrats zur Locke’schen Flüssigkeit, in die der Darm eintaucht, neigen die Magnus’schen Schwankungen dazu, regelmässig zu werden; man bemerkt ferner eine Zunahme des Tonus der Längsmuskelfasern, die fehlte, als das Natriumhydrat auf die Mucosa einwirkte; doch folet auf diese Zu- nahme nach einer gewissen Zeit eine langsame Abnahme. Die Magnus’schen Schwankungen werden nach und nach immer regel- mässiger und grösser und nehmen allmählich das charakteristische Aussehen an, das schon beobachtet wurde, als das Natriumhydrat ins Darmlumen eingeführt wurde. Die Pendelbewegungen sind auch ganz augenfällig bei den beiden Muskelfaserarten. Diese günstige Einwirkung des Natriumhydrats dauert lange. Ganz andere Resultate erhält man mit konzentrierteren Lösungen; wird das Natriumhydrat der Aussenflüssiekeit so zugesetzt, dass in dieser eine Konzentration 0,002 n. eintritt, so hören die Darm- bewegungen sofort auf, bisweilen jedoch erst nach einer oder zwei Magnus’schen Schwankungen, wie in Fig. 14; auf jeden Fall ver- schwinden die Magnus’schen Schwankungen und die Pendel- bewegungen vollständig, der .Darm erfährt eine hochgradige Verkürzung infolge Zunahme des Tonus der Längsmuskelfasern, die ‘2J9s9dnZ Aayıry O1d (SunsopyeipÄqumtayen "u 9]‘0 A9ur0 u) CZ] 'y 'p) Yeıpkywnımen So Z00°0 NONSISSUL] UAUIS,9N9OT uUEPpUayaIS weg uop um ımz uHpI9M © 19T ‚'uEdundomaquneT 9Ip ne ONSISSHLT UEPUay2Js une] uUop wn Jap uONNeoy op ssngumg (OULS[NIOA 01/, my) FL IT Or = + = jeb} ii © ‘3 {eb} on =) :8 [0 9) Ss oO > 2 5) = S Re) Ss = 3 — = o I = © = eb) - S e=) a KB} (rS) > on oO < = an > „= Au - S {eb} &0 Pe} © = +44 Tullio Gayda: fortwährend, obwohl immer langsamer, fortschreitet. Dies alles bestätigt nur die grössere Empfindlichkeit der Peritonealfläche im Vergleich zur Schleimhautfläche. Der Zusatz von Säuren zur Locke’schen Flüssigkeit, in die der Darm eintaucht, verursacht keine merklichen Änderungen in den Darmbewegungen, solange nicht die ganze potentielle Alkaleszenz des in der Flüssigkeit enthaltenen Natriumbikarbonats neutralisiert wird. Da dieses Salz sich in der Locke’schen Flüssigkeit in der Konzentration 0,0018 n. befindet, muss auch die zugesetzte Salzsäure resp. Milehsäure eine Konzentration von 0,0018 n. haben. Auf diese Weise wird eine nicht nur aktuell, sondern auch potentiell vollkommen neutrale Lösung erhalten. In den Fig. 15 und 16 sind die Ver- änderungen der Darmbewegungen dargestellt, die auf die Neutrali- sierung der um den Darm stehenden Locke’schen Flüssigkeit mittels der Salzsäure bzw. Milchsäure folgen. Nach einem mehr oder minder langen Zeitintervall seit der Neutralisierung, mag diese nun mit der einen oder anderen der beiden Säuren ausgeführt worden sein, hören plötzlich sowohl die Magnus’schen Schwankungen als auch die Pendelbewegungen auf. Der Darm bleibt eine Zeitlang in Ruhe, und während dieser Ruhe nimmt der Tonus der Längsmuskelfasern zu; er beginnt dann plötz- lich wieder sich mit derselben Intensität wie zuerst zu bewegen, während der Tonus der Längsmuskelfasern von neuem bis zum ursprünglichen Werte sinkt. Diese Bewegungen dauern jedoch nicht lange, denn sehr bald folet darauf eine neue Ruheperiode und auf letztere wieder eine neue Bewegungsperiode usw. Auf diese Weise wechseln mehreremal Ruheperioden mit Bewegungsperioden ab; die ersteren werden immer kürzer, während die zweiten länger werden, bis der Darm sich wieder wie unter normalen Verhältnissen bewegt, ohne mehr innezuhalten, nur sind die Pendelbewegungen zuweilen etwas weniger ausgesprochen. Setzen wir aber, statt uns auf die Neutralisierung der Locke’schen Flüssigkeit, in die der Darm eintaucht, zu beschränken, so viel Salz- säure zu, dass diese nach der Neutralisierung nun eine Konzentration 0,001 n. hat, so hören fast augenblicklich die Darmbewegungen auf, während der Tonus der Längsmuskelfasern rasch sinkt, um nach einer gewissen Zeit nur wenig zu steigen. Diese Erscheinung ist in der Fig. 17 dargestellt. Setzt man nun der Aussenflüssiekeit des Darmes so viel Natriumhydrat zu, dass dieses die zuerst zugesetzte Beiträge zur Physiologie des überlebenden Dünndarms von Säugetieren. 445 -nz Jar od (Sunsoja.ineszeg uap.Iam v9 19T "U9dundamaquLieq ap "II 19 ‘ ‘,S] = II pun J uayosımz [feAIsIuNdZ 7239898 0 TUT UM) & U °P) 9AmMBszie S SIOM SITO0‘0 NONFISSUNT uoyas I: 6 9Y90’T uapuayoy s weg uap wn .mz FUE NONSISSU] UOPU9TOIS w.arl] uop um a9p uomNeay Aop ssugumg (’OWOTNA9A or/, UY) °C] Si] Tullio Gayda: 446 ‚7 =]I pun | uoyosımz [jeArsgummoz 2J0s9dnz aayıry od (Sunsofppanesyatm "u 9‘ Aaul® 99 E 'y ‘p) aunesyd uapIoM m 1a "uadunsamaqune] aıp Fne Aoysıssn] 7 uopuayey "I IIM SION SI0O0°0 NONSISSU]y Uay9s,oy9orT uapuayals une] uop S une] uap um op uoNNeoy Aap SSnyum (OUTO]N.19A 01/,; Juy) l wn nz ‘IL SA Beiträge zur Physiologie des überlebenden Dünndarms von Säugetieren. 447 "98,9 — AI pun III uogosımz °,6T OT — III, pun II uayasınz ‘,g,g — JI pun [ uaydsımz [feArsyummez Iz2J0s0dnZ aayıry o1d (Bunsor yeıpäyummmen "u ze‘o A9urs 99 C3‘9 'y 'p) yeapfyumımen ooM 3000 NONSISSH]g uopuogeJs ware] uop um anz uapIem q To 7298898uZ day] oad (Sunsopsingszges "u gu J9ul WI GY‘g ‘y 'p) aungszjeg 9[oM 8Z00°0 MOnsıssung uay9s,9790T uapuayaJs une] up um ınz uopIoM » Tag "uOSundomaqwieg] Hp NE JONSISSHLT USPuogaIs une] uop um Adop UONNLOY dop ssugumg (1oura]p1aa &/, MV) 278107 "Al "II I EI 448 - Tullio Gayda: Salzsäure neutralisiert, und fährt man mit dem Zusatz des Natrium- hydrats fort, bis dieses eine Konzentration 0,001 n. hat, so erscheinen in kurzer Zeit die Darmbewegungen wieder. Sie sind zuerst sehr unvollkommen, erholen sich aber in der Folge ein wenig; der Tonus der Längsmuskelfasern nimmt zu, um in der Folge abzunehmen. Alle diese Resultate beweisen vor allem, dass der Darm viel empfindlicher gegen die Veränderungen der Reaktion der seine Serosaoberfläcke bespülenden Flüssigkeit ist und viel lebhafter darauf reagiert als auf die Veränderungen der im Darm enthaltenen Flüssig- keit. Während nämlich die Darmbewegungen noch fortdauern können, wenn die im Darm enthaltene Flüssigkeit sauer ist, werden sie schon gehindert, wenn die Aussenflüssiekeit potentielle und aktuelle neutrale Reaktion hat, und fehlen vollständig, wenn die Flüssigkeit saure Reaktion hat. Während ferner die saure Reaktion der im Darm ent- haltenen Flüssigkeit eine Zunahme des Tonus der Längsmuskelfasern verursacht, veranlasst die der Aussenflüssigkeit eine Herabsetzung des Tonus dieser Muskelfasern. Die angeführten Resultate beweisen ferner, dass zur Hervor- bringung der Darmbewegungen erforderlich ist, dass die Flüssiekeit, in die der Darm eintaucht, wenigstens potentiell alkalisch ist. Der- artige Bedingungen würden günstig sein, weil das potentielle Alkali die Säuren neutralisieren könnte, die infolge der Kontraktionen der Muskelfasern entstehen und für die Darmbewegungen schädlich sind. Von diesem Gesichtspunkte wären diese Resultate ähnlich denen, die Borrino und Viale!) am isolierten Kaäaninchenherzen er- halten haben. Der Darm kann sich aber auch in einer Flüssigkeit bewegen, die neutrale Reaktion hat, obwohl er anfangs, sobald die potentielle Alkaleszenz der Locke’schen Flüssigkeit neutralisiert wird, Perioden des Stillstandes in seinen Bewegungen zeigt. Diese Perioden des Stillstandes zeigen offenbar an, dass die neutrale Reaktion kein günstiges Medium für die Hervorbringung der Bewegungen ist; wenn aber der Darm sich noch allmählich so weit erholen kann, dass er seine Beweglichkeit vollkommen, wie vor der Neutralisierung, wieder- erlangt, kann man denken, dass entweder die den Darm umstehende 1) A. Borrino e G. Viale, Sui liquidi atti a conservare la funzione dei tessuti sopravviventi. Nota settima: L’azione dell’ alcalinitA su la funzione del cuore. Arch. di Fisiol. vol. 10 p. 537. 1912. Beiträge zur Physiologie des überlebenden Dünndarms von Säugetieren. 449 Flüssigkeit auf irgendeine Weise ihre potentielle Alkalivität wieder- erlangt oder neue, der Hervorbringung der Bewegungen günstige Faktoren eintreten. Nun lässt sich aber gewiss nicht annehmen, dass die neutralisierte Flüssigkeit infolge Dialyse des Natriumbikar- bonats der im Darm enthaltenen Locke’schen Flüssigkeit wieder einen Grad potentieller Alkaleszenz erreichen kann, der zur Er- zeugung der Darmbewegungen genügt, weil die in Frage stehende Menge von Natriumbikarbonat im Verhältnis zur Masse der Aussen- flüssigkeit zu klein ist. Deshalb muss man annehmen, dass die potentielle alkalische Reaktion der den Darm umstehenden Flüssig- keit nicht absolut unerlässlich für das Zustandekommen der Darm- bewegungen ist, aber andere Faktoren dafür genügen können. Bedenkt man, eine wie wichtige Rolle die Kohlensäure bei der Regulierung der automatischen Nervenzentren spielt, wie noch in jüngster Zeit Untersuchungen von Laqueur und Verzär!) und von Herlitzka?) für das Atemzentrum nachgewiesen haben, so lässt sich vielleicht in der Wirkung der Kohlensäure die Erklärung der beobachteten Er- scheinungen finden. Nach Laqueur und Verzär ist die gemeinsame Ursache der Wirkung der Kohlensäure und anderer Säuren auf das Atemzentrum nieht das H+-Ion, wie Winterstein®) annimmt, sondern, wenn diese verschiedenen Stoffe in ihrer Wirkung eine gemeinsame Ursache haben, so ist diese in dem Umstand zu suchen, dass CO,, H,CO, bzw. HCO,- in einer die Norm überschreitenden Menge in den Geweben freigemacht wird; die Kohlensäure übt auf jeden Fall auf das Atemzentrum eine spezifische erregende Wirkung aus auch in neutraler oder schwach alkalischer Reaktion. Herlitzka nahm auch in einer fast gleichzeitig mit der von Laqueur und Verzär ausgeführten Arbeit an, dass die Kohlensäure nicht infolge der An- wesenheit des H+-Ions, nicht insofern, als sie dissoziiert ist, sondern 1) E.Laqueur und F. Verzär, Über die spezifische Wirkung der Kohlen- säure auf das Atemzentrum. Ptlüger’s Arch. Bd. 143 S. 395. 1911. 2) A. Herlitzka, Sui liquidi atti a conservare la funzione dei tessuti sopravviventi. Nota sesta: Sulla conservazione della funzione del sistema nervoso centrale, irrorato da soluzioni saline, nei mammiferi di specie ibernanti e sulle condizioni per la conservazione della funzione dei centri respiratori. Arch. di Fisiol. vol. 10 p. 261. 1912. 3) H. Winterstein, Die Regulierung der Atmung durch das Blut. Pflüger’s Arch. Bd. 138 S. 167. 1911. 450 Tullio Gayda: infolge ihres nicht dissoziierten Moleküls und vielleicht infolge des nicht hydratierten Teiles des aufgelösten Kohlensäureanhydrids (CO,) einwirkt. Da auch das Äthylurethan, das ein neutraler, lipoidolytischer Stoff ist, wie das Kohlensäureanhydrid das Eintreten von spontanen Atembewegungen veranlasst, und da auch das Kohlensäureanhydrid lipoidolytisch ist, führt Herlitzka hinsichtlich der Wirkung beider Stoffe dieselbe Ursache an, nämlich ihre Löslichkeit in den Zell- lipoiden. Diese Wirkung des Koblensäureanhydrids und des Äthyl- urethans auf die Atemzentren repräsentiert nur einen besonderen Fall des allgemeineren Gesetzes, das Herlitzka!) schon vorber auf Grund zahlreicher und mannigfacher Experimente aufgestellt hatte, nach welchem die in den Lipoiden löslichen Stoffe, indem sie die Bedingungen der Fällbarkeit und Löslichkeit der Zellkolloide durch die Ionen ändern, wenn sie in kleiner Konzentration sind, eine grössere Erregbarkeit der Zellen und speziell der Nervenzellen herbeiführen. Derartige Stoffe sind nicht als direkte Erregungsmittel zu betrachten, sondern als Agentien, die die Erregung begünstigen, d. h. die Erregbarkeit der Zentren steigern, während der Reiz in verschiedenen Reihen von Ionen zu suchen ist. Wenn man, wie Magnus will, das Zentrum aller Darm- bewegungen in den Auerbach’schen Plexus verlegt, kann man auf Grund von Herlitzka’s Lehre annehmen, dass für die Funktionsfähigkeit dieses Nervenzentrums, d.h. für die Hervorrufung der Darınbewegungen die Anwesenheit von lipoidolytischen Stoffen erforderlich ist. Diese Stoffe würden fortwährend durch die Muskel- elemente des Darmes wie auch durch die anderen Zellelemente erzeugt, und zwar sowohl während ihres normalen Funktionierens als auch im Ruhezustand. Von diesen lipoidolytischen Stoffen wäre der wichtigste die Kohlensäure, deren regulierende Wirkung auf die Darmbewegungen, zugleich mit der des HCO,--Ions, wie wir gesehen haben, durch Rona und Neukirch zur Evidenz nach- 1) A. Herlitzka, Sui liquidi atti a conservare la funzione dei tessuti soprav- viventi. Nota prima: La sopravvivenza del sistema nervoso nelle rane. Arch. di Fisiol. vol. 6 p. 369. 1909. — Nota seconda: La tensione superficiale di tali liquidi. Arch. di Fisiol. vol. 8 p. 249. 1910. — Nota terza di G. Viale: Azione di aleuni solventi dei lipoidi su la sopravvivenza del sistema nervoso nelle rane. Arch. di Fisiol. vol. 8 p. 537. 1910. — Nota quarta: In appendice alla Nota precedente. Arch. di Fisiol. vol. 8 p. 571. 1910. —- Nota quinta: Sulle modi- ficazioni del liquido Ringer-Locke circolante nel cuore. Arch. di Fisiol. vol. 10 p. 221. 1912. Beiträge zur Physiologie des überlebenden Dünndarms von Säugetieren. 45] gewiesen wurde. Nun können aber alle diese Erscheinungen dazu dienen, uns zu erklären, durch welchen Mechanismus bei meinen Experimenten der Darm in der neutralisierten Locke’schen Flüssig- keit seine Bewegungen einstellt und erst nach einer gewissen Zeit wieder anfängt, sich zu bewegen. Der Stilistand der Bewegungen kann auf die Verdrängung der Kohlensäure des Natriumbikarbonats durch die zugesetzte Salzsäure zurückgeführt werden. Er tritt ein nach einer gewissen Zeit seit der Neutralisierung, nämlich, wenn die ganze Kohlensäure aus der Flüssigkeit durch den hindurchperlenden Sauerstoff entfernt worden ist. Unter diesen Bedingungen können die Nervenzentren des Darmes nicht mehr funktionieren, weil infolge des Mangels an Kohlensäure ihre Erregbarkeit abnimmt. Während der Ruhepause der Darınbewegungen fahren jedoch alle Zellelemente fort, Kohlensäure und andere Jipoidolytische Stoffe katabolischen Ursprungs zu produzieren; wenn sich eine gewisse Menge aller dieser Stoffe angehäuft hat — die man sich jedoch stets als sehr klein vorstellen muss —, kann diese ihre Wirkung auf die Nervenzentren ausüben und die Darmbewegungen erscheinen wieder. Nachdem jedoch die Reserve an Kohlensäure und anderen lipoidolytischen Stoffen erschöpft ist, nimmt die Erregbarkeit der Nervenzentren wieder ab, und es tritt eine neue Periode des Stillstandes der Darm- bewegungen ein, in der sich von neuem Kohlensäure und andere lipoidolytische Stoffe anhäufen und die schon beschriebene Erscheinung sich wiederholt. Aber die Ruheperioden werden allmählich immer kürzer, während die Bewegungsperioden immer länger werden, gerade wenn die Bedingungen sich viel mehr verschlimmern sollten, weil die infolge der Muskelkontraktionen sich bildenden Säuren sich in immer grösserer Menge anhäufen. Man muss deshalb annehmen, dass die Nervenzentren des Darmes allmählich erresbarer werden, d. h. mit immer geringeren Mengen von Kohlensäure und anderen lipoidoly- tischen Stoffen funktionieren können, und dass sie ausserdem sich auf irgendeine Weise dem sauren Medium anpassen können. In dieser letzteren Hinsicht ist jedoch zu hemerken, dass die Experimente nicht so lange fortgesetzt wurden, dass die Menge der durch die Muskelkontraktionen erzeugten Säuren eine Säurevergiftung ver- ursachen konnte. Wir sahen ferner, dass, wenn die Darmbewegungen in mit Salzsäure bis zu einer Konzentration 0,001 n. angesäuerter Locke’scher Flüssiekeit vollständig aufgehört haben, ein Zusatz von Natriumhydrat zu dieser Flüssigkeit in einer solchen Menge, 452 Tullio Gayda: dass die Flüssigkeit schwach alkalisch wird (0,001 n. Natriumhydrat), die Bewegungen wieder erscheinen lässt, aber unvollkommen. Dies muss höchstwahrscheinlich, ausser durch die vorher durch die Säure ausgeübte schädliche Wirkung, auch durch das Fehlen von Natrium- bikarbonat und mithin von Kohlensäure erklärt werden, da eine richtige Locke’sche Flüssigkeit, die Natriumhydrat in einer Kon- zentration 0,001 n. enthält, eine sehr günstige Wirkung auf die Darmbewegungen ausübt. Demzufolge ist also zur Hervorbringung guter Darmbewegungen nötig, dass die Flüssigkeit, in die der Darm eintaucht, nicht nur alkalische Reaktion, sondern auch eine solche Zusammensetzung hat, dass sie den Nervenzentren des Darmes kleine Mengen Kohlensäure liefern kann. Eine jede dieser beiden Be- dingungen kann jedoch, in bestimniten Fällen, allein zur Erzeugung der Darmbewegungen genügen. VII. Zusammenfassung. Ich resümiere hier in Kürze die Resultate dieser meiner Unter- suchungen: 1. Es ist möglich, wenn man über eine besondere Vorrichtung verfügt, die Bewegungen des überlebenden Säugetierdarmes zu studieren, der dem Einfluss von Stoffen ausgesetzt ist, die ihre Wirkung getrennt auf seine Schleimhaut- oder Serosaoberfläche aus- üben. Mittels der erwähnten Vorrichtung kann man gleichzeitig die Veränderungen der Länge des Darmes und die seines Innen- volums registrieren. Die letzteren werden, wie die direkte Be- obachtung ergibt, fast ausschliesslich durch die Bewegungen der Ringmuskelfasern verursacht. | 2. Die normalen Bewegungen des in sauerstoffgesättigter Locke’scher Flüssigkeit bei Körpertemperatur eingetauchten und mit derselben Flüssigkeit gefüllten Igeldarms bestehen aus Pendel- bewegungen, an denen synergisch die Längs- und die Ringmuskel- fasern sich beteiligen, und aus Tonusschwankungen, im Sinne von Magnus, die sich konstant ergeben aus einer Kontraktion der Ringmuskelfasern, die gleichzeitig mit Erschlaffung der Längsmuskel- fasern erfolgt und umgekehrt. Es ist ratsamer, diese Tonus- schwankungen mit dem Namen „Magnus’sche Schwankungen“ zu bezeichnen, um nichts über ihre Bedeutung aussagen zu wollen und sie von anderen, grösseren zu unterscheiden, die unter bestimmten Bedingungen hervorgerufen werden können, sich langsamer als die Beiträge zur Physiologie des überlebenden Dünndarms von Säugetieren. 453 ersteren bilden, eine gewisse Zahl von ihnen umfassen und gewiss Tonusschwankungen sind. 3. Die Zunahme des osmotischen Druckes der im Darm ent- haltenen Flüssigkeit, genauer gesagt der Ersatz von (dem Blutserum) isotonischen Natriumchlorid- oder Traubenzuckerlösungen, durch Lösungen dieser beiden Stoffe, die einen doppelten osmotischen Druck im Vergleich zu den ersteren haben, verursacht als konstante Erscheinung eine Zunahme des Tonus der Längsmuskelfasern, zum Teil auch der Ringmuskelfasern, und eine Zunahme der Magnus’schen Schwankungen an Frequenz, Grösse und Regelmässigkeit. Die Ersetzung von isotonischen Lösungen durch Wasser ist ohne Wirkung auf die Darmbewegungen, 4, Die Zunahme des osmotischen Druckes der um den .Darm stehenden Flüssigkeit, die durch Zusatz von Natriumchlorid oder Traubenzucker zu der auf der Aussenseite des Darms befindlichen Locke’schen Flüssigkeit erhalten wird, so dass ihre osmotische Konzentration um 0,15 Mol erhöht wird, verursacht eine Tonus- zunahme in den Ring- und eine Tonusabnahme in den Längsmuskel- fasern. Der Tonus der letzteren nimmt stets fortwährend ab, während die ersteren in tonischer Kontraktion verharren. In einem weiteren Stadium erscheinen sehr grosse, rhythmische Bewegungen der Ring- und der Längsmuskelfasern, die bei beiden Muskelfaser- arten synchronisch sind. 5. Die Ersetzung einer im Darm enthaltenen isotonischen Traubenzuckerlösung durch eine 0,02 n. Natriumhydratlösung oder eine 0,146 n. Natriumkarbonatlösung macht die Magnus’schen Schwankungen der beiden Muskelfaserarten häufiger und regel- mässiger. Die Magnus’schen Schwankungen der Ringmuskelfasern erfolgen ausserdem in einer Reihe von kleinen Etappen, die durch zeitweilige Kontrakturen dargestellt werden, welehe den Pendel- bewegungen entsprechen. Zuweilen, namentlich mit den alkalischeren Lösungen, beobachtet man auch eine zeitweilige Zunahme des Tonus der Längsmuskelfasern. Die Ersetzung der im Darm enthaltenen isotonischen Trauben- zuckerlösung durch eine 0,05 n. Salzsäurelösung oder eine 0,2 n. Milchsäurelösung ist nicht günstig für die Darmbewegungen. Es wird eine Zunahme des Tonus der Längsmuskelfasern bewirkt, die auch in der Folge fortschreitet; die Magnus’schen Schwankungen und die Pendelbewegungen der beiden Muskelfaserarten nehmen Pfläger’s Archiv für Physiologie. Bd. 151. 30 454 - Tullio Gayda: allmählich an Grösse ab, und zwar um so schneller, Je saurer die Lösung ist. Die Intensität der Wirkung der Alkalien und der Säuren auf die Darmbewegungen wächst mit ihrer Stärke, ohne dass eine Proportionalität zwischen der Wirkung selbst und der Konzentration der OH-- resp. der H*+-Ionen vorhanden ist. 6. Der Zusatz von Natriumhydrat zu der den Darm umstelten den Locke’schen Lösung, so dass das Natriumhydrat sich darin in einer Konzentration 0,001 n. befindet, bringt die gleichen Wirkungen hervor, wie sie beobachtet werden, wenn das Natriumhydrat auf die Schleimhaut einwirkt; nur ist die Tonuszunahme in den Längs- muskelfasern konstanter. Mit konzentrierteren Natriumhydratlösungen, wie z. B. 0,002 n., kommen die Darmbewegungen vollständig zum Stillstand, während der Tonus der Längsmuskelfasern beträchtlich zunimmt. Die Neutralisierung der potentiellen Alkaleszenz des Natrium- bikarbonats der den Darm umstehenden Locke’schen Flüssiekeit, die durch Salzsäure oder Milchsäure erhalten wird, verursacht nach einer mehr oder minder langen Zeit Ruheperioden aller Darm- bewegungen, welche Perioden jedoch in der Folge verschwinden. Wird die Locke'’sche Flüssigkeit mit Salzsäure sauer gemacht, bis letztere darin eine Konzentration 0,001 n. hat, so hören die Darmbewegungen augenblicklich auf, während der Tonus der Längs- ınuskelfasern rasch sinkt. Wird die Locke’sche Lösung mit Natrium- hydrat wieder alkalisch gemacht, bis letzteres darin eine Konzen- tration 0,001 n. erreicht, so erscheinen die Darmbewegungen wieder, wenn auch unvollkommener; der Tonus der Längsmuskelfasern nimmt zu, um in der Folge abzunehmen. 7. Der überlebende Darm zeigt sich viel empfindlicher und reagiert viel lebhafter den Veränderungen des osmotischen Druckes und der Reaktion der seine Serosaoberfläche bespülenden Flüssigkeit gegenüber, als den Veränderungen der im Darm enthaltenen Flüssig- keit gegenüber. 8. Zur Hervorbringung der Darmbewegungen ist es nötig, dass die Flüssigkeit, in die der Darm eintaucht, wenigstens potentiell alkalisch ist und ferner eine solche Zusammensetzung hat, dass sie den Nervenzentren des Darms kleine Mengen Kohlensäure liefern kann. 9. Die verschiedene Resistenz und die verschiedene Art, wie der Darm auf Veränderungen der physikalisch-chemischen Zusammen- Beiträge zur Physiologie des überlebenden Diünndarms von Säugetieren. 455 setzung der seine Serosa- oder Schleimhautoberfläche bespülenden Flüssigkeit reagiert, kann vor allem dadurch erklärt werden, dass dıe Flüssigkeit, in die der Darm eintaucht, das neue „Innenmedium“ für die Nerven- und Muskelelemente des Darms darstellt und als solches keine Veränderungen, auch nicht die kleinsten, in ihrer Zusammensetzung erfahren kann, ohne dass sie von jenen funktionellen Elementen empfunden werden, während die im Darm enthaltene Flüssigkeit nur einen Reiz, in Anbetracht ihrer Zusammensetzung, darstellen kann, der auf dem Wege der Mucosa den Auerbach- schen Plexus erregt, der nach Magnus das Zentrum aller Darm- bewegungen ist. Anderseits ist es aber denkbar, dass Veränderungen der physikalisch-chemischen Zusammensetzung der Umgebungsflüssig- keit ebenfalls als Reize auf dem Wege der Serosa auf den Auer- bach’schen Plexus einwirken, und dass ferner die Erregbarkeit des letzteren grösser ist für die Reize, die auf dem Wege der Serosa zu ihm gelangen, als für die auf dem Wege der Mucosa zu ihm gelangenden; auch in diesem Falle würde die motorische Funktion des Darms mehr von der physikalisch-chemischen Zusammensetzung der Flüssigkeit abhängen, die seine Serosaoberfläche bespült, als von der der Flüssigkeit, die seine Mucosaoberfläche bespült. 30* 456 B. von Issekutz: (Aus dem pharmakol. Institut der kgl. ung. Universität Kolozsvär.) Über das Gesetz Bürgi’s von den Arzneikombinationen. Von Dr. B, von IssekKutz, Assistent am Institut. In Pflüger’s Archiv (Bd. 145 S. 415) erschien von mir eine Arbeit, in weleher ich — gegenüber den Experimenten V. Zeelen’s!), Bürgi’s Schülerin — nachwies, dass die Opiumalkaloide ihre Wirkung gegenseitig potenziereu und dass nur zwischen Morphin und dessen Ätherhomologen (Codein, Dionin, Heroin, Thebain) keine Potenzierung besteht. Deshalb schrieb ich: „Jene Lehre Bürgi’s, dass die in ein und dieselbe pharmako- logische Gruppe gehörenden Arzneien ihre Wirkung gegenseitig nicht potenzieren, konnte hinsichtlich der Opiumalkaloide nicht nach- gewiesen werden.“ Nach einigen Monaten antwortete Prof. Bürgi in einer kurzen Mitteilung auf meine Arbeit ?), in welcher er behauptet, dass ich seine Theorie missverstanden hätte, denn meine Experimente bestätigen dieselbe. Diese Äusserung ist um so erstaunlicher, da er sich öfters über die Opiumalkaloide so klar äusserte, dass ein Missverständnis aus- geschlossen ist. - Bis jetzt formulierte er seine Lehre auf dreierlei Weisen, deren Bedeutungen ziemlich verschieden sind, und wenn nach der neueren Formel klar wird, dass die Lehre für eine Gruppe von Medikamenten unbrauchbar ist, so beruft er sich auf die ältere Formel. Daher ist es nötig, dass wir jede besonders untersuchen, inwiefern die neuen Resultate der Experimente dieselben feststellen. — In seinen ersten Mitteilungen?) schreibt er folgendes: 1) Zeelen, Zeitschr. f. experim. Pathol. u. Therapie Bd. 8 S. 586. 1911. 2) Pflüger’s Arch. Bd. 147 S. 275. 3) Bürgi, Deutsche med. Wochenschr. 1910 Nr.1 u. 2. Über das Gesetz Bürgi’s von den Arzneikombinationen. 457 „Zwei gleichzeitig oder kurz nacheinander in den Organismus eingeführte Narkotika wirken im allgemeinen bedeutend stärker, als man einer einfachen Addition der zwei Einzeleffekte nach erwarten wird. Diese Verstärkung ist am bedeutendsten dann, wenn die zwei Medikamente mit verschiedenen Substanzen des Organismus chemisch verwandt sind, d. h. wenn sie verschiedene Zellrezeptoren haben ... Die Wirkungen verschiedener Narkotika der Fettreihe unter sich dagegen addieren sich im allgemeinen glatt, da diese Medikamente alle den eleichen Zellrezeptor haben.“ Er spricht hier von Zellrezeptoren, stellt sich also die Sache so vor, dass die zwei in ihrer Wirkung gegenseitig sich potenzieren- den Gifte auf dieselbe Zelle, nur auf andere Teile des Protoplasmas, wirken. Dieses sehen wir auch aus folgendem: „Aus zwei verschiedenen Medikamenten kann die Zelle in der Zeiteinheit mehr aufnehmen, weil sie für jedes Medikament einen eigenen Rezeptor hat!).“ Die Wirkung der indifferenten Narkotika besteht darin, dass sie durch Auflösung in den Zellipoiden in denselben eine Ver- änderung hervorrufen, welche wahrscheinlich (nach Mansfeld) auf eine verminderte O,-Absorption zurückzuführen ist. Die Alkaloide da- gegen treten wahrscheinlich, ausserdem dass sie sich in den Lipoiden lösen, mit dem Protopiasma in chemische Verbindung (obwohl viele ihre Wirkung auch nur mit der Lösung in Lipoiden erklären). Wir können also, wenn wir ein indifferentes Narkotikum und ein Alkaloid zusammengeben, denken, dass diese auf die verschiedenen Teile der Zelle wirken. Daraus aber folgt unbedingt, dass dies der Grund des Synergismus ist? Wir wissen nur soviel, dass die indifferenten Narkotika und die Alkaloide auf verschiedene Teile der Zelle wirken und dass die beiden Medikamente sich in ihrer Wirkung gegenseitig verstärken; es folgt aber daraus nicht unbedingt der ursächliche Zu- sammenhang der beiden Tatsachen. Noch weniger folgt hieraus, dass immer, wenn Potenzierung vorhanden ist, die beiden Medikamente auf die verschiedenen Teile der Zelle wirken und umgekehrt, wenn - sich die Wirkungen nur addieren, die beiden Medikamente gemein- same Zellrezeptore haben. — Wir wissen überhaupt nicht, mit welchem Teile des Protoplasmas die Alkaloide in Verbindung treten. Das also zu beweisen, welche zum Beispiel von Morphin, Papaverin, 1) Bürgi, Deutsche med. Wochenschr. 1910 Nr. 1 u. 2. 458 B. von Issekutz: Narkotin, Scopolamin, Codein, Thebain auf dieselben Teile des Protoplasmas und welche auf die verschiedenen Teile des Proto- plasmas wirken, ist überhaupt unmöglich. Wenn Bürgi im Sinne der obigen Lehre aufstellt, dass das Morphin, Papaverin, Narkotin auf die verschiedenen Teile der Zelle wirken, dagegen das Morphin, Codein, Dionin, Heroin, Thebain auf denselben Teil der Zelle), so stellt er eine Hypothese auf (und nicht ein Gesetz, wie er mit Vorliebe seine Theorien nennt), die man glauben oder nicht glauben, aber konkret beweisen oder bestreiten nicht kann; man könnte höchstens über die Möglichkeit der Hypothese streiten. Bürgi widersetzt sich wiederholt dem, dass man die Versuche bei einzelligen Organismen, bei denen die Einheit oder Verschieden- heit der Zellrezeptoren zweier Gifte festzustellen am ehesten möglich sei, als Angriff. seiner Hypothese anwende. Die bei einzelligen Organismen durchgeführten Versuche beweisen fast ohne Ausnahme ?) die Unrichtigkeit der Theorie Bürgi’s: B. Zehl?) untersuchte die Wirkung verschiedener organischer und anorganischer Verbindungen auf Schimmelpilze in vielen Kombi- nationen. Meistens erfuhr er eine Schwächung oder eine Addition, und nur in einzelnen Fällen sah er eine verstärkte Wirkung. Er fand aber keine Gesetzmässigkeit. Ich habe die Entwieklungshemmung der Bakterien von Phenol, Resorein, Salizylsäure, Kairin, Chinolin, Chinin, Formaldehyd, Chloralhydrat, Sublimat in 20 Kombinationen untersucht, eine ver- stärkte Wirkung aber in keinem einzigen Falle gefunden, obwohl es unzweifelhaft ist, dass von den geprüften Antiseptika einige auf ver- schiedene Art den Körper der Bakterien angreifen. A. Breslauer und G. Woker‘) untersuchten die Kombinationen der Narkotika an dem Colpidium colpida und fanden — mit dem Resultate Bürgi’s übereinstimmend — in der Mischung Urethan-Sceopolamin eine potenzierte Wirkung, in den Kombinationen Paraldehyd-Chloral- hydrat-Urethan eine Addition; aber es gelang ihnen, auch zwischen indifferenten Narkotika eine Potenzierung nachzuweisen, so zwischen 1) Da sich diese fünf Alkaloide vor allem nur in Seitenketten, also in der verankernden Gruppe, unterscheiden, so sehe ich nicht ein, warum, da jedes andere Alkaloid einen eigenen Zellrezeptor besitzt, eben diese fünf einen ge- meinsamen haben sollen. 2) Tsuzuki, Zeitschr. f. Hygiene u. Infekt. Bd. 68 S. 364. 8) Zehl, Dissertation. Leipzig 1907. 4) Breslauer und Woker, Zeitschr. f. allgem. Physiol. Bd. 13 8.282. 1912. Über das Gesetz Bürgi’s von den Arzneikombinationen. 459 Methyl-, Äthyl-, Propylurethan, zwischen Methyl-, Äthyl-, Propylal- kohol und weiter zwischen den Urethanen und Alkoholen. Bürgi’s!) Entgeenung ist folgende: „Lässt man niedere Lebewesen eine beliebig lange Zeit in einer Flüssigkeit mit bestimmter Giftkonzentration liegen und sucht die Grenzkonzentrationen, die eben noch abtötend und entwicklungs- hemmend wirken, dann hat man ganz andere Verhältnisse vor sich. Jedenfalls müsste man bei dieser Versuchsanordnung auch noch das zeitliche Eintreten der Wirkung berücksichtigen.“ Denn bei diesen Versuchen kommen die Zellen mit dem Medikament lange Zeit hindurch in Berührung, „und dann müssen die doppelte Menge x und die doppelte Menge y schliesslich, jede für sich allein gegeben, gleich stark wirken wie Ye + }/ey, und man wird nur einen Unterschied in der Schnelligkeit, mit der die Wirkung eintritt, bemerken können“. Auf diese Art indessen könnte man nur das Ausbleiben der verstärkten Wirkung begründen und nicht das Auftreten der Poten- zierung zwischen zwei indifferenten Narkotika. Aber auch diese Erklärung widerlegen die Versuche von Fühner und Greb°). Diese untersuchten 17 Hämolytika, die die Blutkörperchen unzweifelhaft an verschiedenen Stellen angreifen (Narkotika, Alkohole, Alkaloide, Saponine usw.), fanden unter diesen nur zwischen Chloralhydrat-Alkohol , Chloralhydrat-Urethan, Chloralhydrat-Chinin eine Potenzierung; also unter drei Synergismen wirkten in zweien die Hämolytika auf dieselbe Weise (durch Lipoid- lösung). Bei ihren Versuchen achteten sie — mit Rücksicht auf die Forderung Bürgi’s — binnen kurzer Zeit auf den Vorgang der Hämolysis; aber auch so gelangten sie zu keinem anderen Resultat: Auch in der ersten Stunde der Hämolysis konnten sie keine poten- zierte Wirkung nachweisen. Deshalb schreiben sie: „Allgemein gültige Gesetzmässigkeiten für die kombinierte Wirkung der Hämolytika, wie sie von Bürgi über die Wirkung von Arzneikombinationen postuliert, lassen sich aus unseren Ver- suchen nicht ableiten.“ Im Juni des Jahres 1911 gibt Bürgi seinem Gesetz eine andere Form?): 1) Bürgi, Zeitschr. f. allgem. Physiol. Bd. 14 S. 52.. 1912. 2) Fühner und Greb, Arch. f. experim. Pathol. u. Pharmakol. Bd. 69 S. 348. 1912. 8) Bürgi, Zeitschr. f. experim. Pathol. u. Therapie Bd. 8 S. 523. 1911 460 B. von Issekutz: „Eine Mehrheit von im grossen und ganzen gleichartig wirken- den Arzneien löst im tierischen Organismus nur dann einen ungewöhn- lich hohen, über dem Additionsergebnis der Einzeleffekte liegenden Gesamteffekt aus, wenn die einzelnen Glieder der Medikament- mischung unter sich verschiedene pharmakologische Angriffspunkte haben; Arzneien mit gleichem Angriffspunkt zeigen bei gleich- zeitiger Einfuhr in den Tierleib eine glatte Addition ihrer Einzel- wirkungen.“ | Er gibt also den Streit darüber auf, dass die Gifte auf die verschiedenen Teile des Protoplasmas wirken, weil er für den Be- griff „Zellrezeptor“ den Begriff „pharmakologischer Angriffspunkt“ setzt. Unter diesem verstehen wir aber allgemein jene Zellengruppe, Ganglion, Nervenendigung usw. eines Organs, auf die wir die Wirkung des Giftes lokalisieren können. In diesem Sinne gebrauchen Gott- lieb und Meyer in ihrem bekannten Buche diesen Ausdruck: „Die Analyse der pharmakologischen Beeinflussung des zentralen Nervensystems wird nach dem Gesagten im wesentlichen eine Fest- stellung des Aneriffspunktes sein“ (S. 12). „Diese Schaltneurone dürften die Angriffspunkte für das Strychnin bilden (S. 15).* Aber so gebraucht es auch Bürgi): „Die verschiedenen Angriffspunkte können nun natürlich — und ich dachte mir das zuerst auch in der Hauptsache so — in der gleichen Zelle liegen. Immer mehr bin ich aber zu der Überzeugung ge- kommen, dass sie meistens räumlich sogar sehr getrennt sind.“ „Das Gehirn ist bekanntlich ein sehr umfangreiches Organ ..... im Anfang (der Narkose) werden verschiedene Narkotika ganz sicher durchaus verschiedene räumlich getrennte Bezirke befallen.“ Den pharmakologischen Angriffspunkt können wir mit mehr oder weniger Sicherheit bestimmen, und darum wissen wir in den meisten Fällen, ob zwei Arzneimittel denselben Angriffspunkt haben oder nicht. Bürgi erwähnt an mehreren Orten seiner Arbeiten, dass die Opiumalkaloide einen und denselben Angriffspunkt haben. „Alle Narkotika mit gleichem Angriffspunkte, also z. B. die Narkotika der Fettreihe einerseits und die Opiumalkaloide anderseits, zeigten... Addition!).“ „Kombiniert man also Opiumalkaloide unter sich, so kombiniert man identisch wirkende Narkotika, ebenso wenn man 1) Bürgi, Zeitschr. f. exper. Pathol. u. Therapie Bd. 8 S. 523. 1911. Über das Gesetz Bürgi’s von den Arzneikombinationen. 461 Narkotika der Fettreihe unter sich vereinigt!).“ Deshalb schreibt V. Zeelen?), Bürgi’s Schülerin, folgendes: „Unsere Untersuchungen haben also ergeben, dass der narkotische Gesamteffekt, den zwei oder mehr gleichzeitig in den Organismus eingeführte Opiumalkaloide ausüben, der algebraischen Summe ihrer Einzelwirkungen entspricht. Damit haben wir dem von Bürgi ge- fundenen Gesetz über die Verstärkungen der Arzneimittelgemische eine neue Stütze gegeben.“ Ichhaltealso, mich aufdieAnsiehtBürgi’sstützend, die Opiumalkaloide für Verbindungen mit gemein- samen Angriffspunkten; auch kann ich dies um so eher tun, weil keinerlei Daten von Versuchen das Entgegengesetzte beweisen. Bürgi’s Aufgabe, als er meine Ansicht angriff, wäre es gewesen, dass er entweder die Unzulässigkeit der Resultate meiner Versuche nachweise — was er indessen nicht konnte, weil auch Straub?) und Caesar), durch an anderen Tieren auf verschiedene Weise ausgeführte Versuche, auf gleichlautende Resultate stiessen —, oder er hätte den Grund anführen müssen, warum er plötzlich den Opiumalkaloiden, seiner bisherigen Behauptung ganz entgegen- setzt, verschiedene Angriffspunkte zuschreibt (namentlich dem Papaverin und Narkotin, zwischen denen die Potenzierung am grössten ist). Welche sind jene Untersuchungsergebnisse, die diese rechtfertigen ? [Oder vielleicht schliesst er deshalb, weil zwischen den Opiumalkaloiden Synergismus ist, einfach auf verschiedene Angriffspunkte ? Schon Heubner bemerkte (zitiert nach Bürgi°): „Herr Bürgi hat nämlich aus der Art, wie sich die Kombinationen in ihrer Wirkungsweise verhalten, auf den Angriffspunkt der einzelnen Gifte geschlossen.“ ] An Stelle dessen stellt er folgendes auf: 1. Ich hätte seine Lehre falsch verstanden. — Dies habe ich um so weniger tun können, weil er selbst seine Meinung über Opiumalkaloide ganz klar ausdrückte. l) Bürgi, Zeitschr. f. Balneol. 3. Jahrg. Nr. 14. 2) Zeelen, Zeitschr. f. exper. Pathol. u. Therapie Bd. 5 S. 586. 1911. 3) Straub, Biochem. Zeitschr. Bd. 41. 1912. 4) Caesar, Biochem. Zeitschr. Bd. 42 8. 318. 1912. ö 5) Bürgi, Zeitschr, f. allgem. Physiol. Bd. 14. 1912. 462 B. von Issekutz: 2. Weist er darauf hin, dass die verschiedenen Angrifispunkte der Opiumalkaloide auch in einer Zelle vorhanden sein könnten. — Wie wir aber gesehen haben, beweist nichts die Wahrscheinlichkeit dieser Hypothese, viele Versuche sprechen eben dagegen. 3. Schliesslich gibt er seinem Gesetz die folgende neue Definition }): „Zwei gleichzeitig in den Organismus eingeführte Arzneien derselben Hauptgruppe führen immer dann zu einer Wirkung, die über dem Additionsergebnis der zwei Einzelwirkuugen steht, wenn ihre zwei Komponenten zu zwei verschieden wirkenden Untergruppen gehören.“ Diese Definition ist indessen von sehr weitem Begriff, weil jeder nach Gefallen die „Hauptgruppe“ bestimmen und die in diese hinein- gehörigen Medikamente nach Willkür in Untergruppen teilen kann 2). Als Illustration dessen, wie willkürlich Bürgi in seiner Gruppierung vorgeht, führe ich die Hauptgruppe Narkotika an, die er am eründlichsten untersucht hat: Vor der Veröffentlichung meiner Arbeit müsste er — im Inter- esse der Richtiekeit seines Gesetzes — die Narkotika in die folgenden fünf Gruppen teilen: 1. Indifferente Narkotika (Chloroform, Äther, Urethan, Paral- dehyd usw.) und Antipyretika (Antipyrin, Pyramidon, Phenacetin, Lactophenin). 2. Opiumalkaloide. 3. Scopolamin. 4. Brom. 5. Magnesiumsulfat °). „Ich mache auf die Ungleichheit der Narkosen aufmerksam, die wir mit den Mitteln der verschiedenen Gruppen erhalten, Unter- schiede, die namentlich bei geringgradigen narkotischen Zuständen deutlich wahrzunehmen sind #)“. „Wenn die Narkosen so weit fortgeschritten sind, dass eine ab- solute Bewusstlosigkeit eingetreten ist, dann mögen sie sich freilich 1) Bürgi, Zeitschr. f. allgem. Physiol. Bd. 14. 1912. 2) Bürgi gibt in bezug auf diesen in seiner Lehre wichtigsten Umstand nur in folgendem Satz eine Aufklärung (Zeitschr. f. allgem. Physiol. Bd. 14. 1912): „Durch was unterschieden sich denn diese ‚verschiedenartigen Unter- gruppen‘ einer grossen Arzneigruppe, wenn nicht durch ihre pharmakologische Wirkungsweise ?“* 3) Meltzer, Berliner klin. Wochenschr. 1906 Nr. 3. 4) Bürgi, Zeitschr. f. exper. Pathol. u. Therapie Bd. 8 S. 523. 1911. Über das Gesetz Bürgi’s von den Arzneikombinationen. 4683 alle sehr ähnlich sehen; im Anfang aber werden von den verschiedenen Narkotika ganz sicher durchaus verschiedene räumlich getrennte Be- zirke befallen.“ Das Scopolamin wirkt namentlich auf die motorischen Zentren, das „Morphin resp. die Opiumalkaloide“ dagegen auf die sensiblen Zentren. So begründete er — ganz richtig — die Ein- teilung des Scopolamins und der Opiumalkaloide in zwei ver- schiedene Untergruppen. Aber aus demselben Grunde muss man die erste Untergruppe in zwei Teile teilen, weil die indifferenten Narkotika aller Wahr- scheinlichkeit nach auf andere Teile des Grosshirns wirken wie die Antipyretika. Kraepelin hat nachgewiesen, dass die Ver- schlechterung in der Auffassung äusserer Reize ein charakteristisches Merkmal der Schlafmittel darstellt. Diese vermindern die Er- regbarkeitgewissersensorischer Grosshirnfunktionen. Eben wegen dieser Eigentümlichkeiten gebrauchen wir sie dann, wenn die Übererreebarkeit des Grosshirns das Einschlafen verzögert (gegen neurasthenische Schlaflosigkeit); wir geben sie aber nicht solchen Kranken, die infolge ihrer Schmerzen nicht schlafen können. Bei diesen muss man die Schmerzen stillen; das letztere aber erreichen wir nur durch Morphin oder durch Antipyretika. „Das Zusammentreffen der antipyretischen und sedativen Wirkung bei allen Mitteln dieser Gruppe (Antipyretika) ist kein Zufall. Beide Eigenschaften sind der Ausdruck einer schwachen Grosshirnnarkose, als deren elektive Angriffspunkte wir einerseits, ähnlich wie bei Morphin, die schmerz- empfindendenZentren der Grosshirnrinde und anderseits die im Fieber übererresten wärmeregulierenden Zentren anzusehen haben“ }). Also stehen die A ntipyretika nach den Erscheinungen deı Narkose viel näher dem Morphin als den Hypnotika. Bürei stellt sie mit dem letzteren nur darum in eine Untergruppe, weil er zwischen dem Antipyretika und dem Hypnotika keine Poten- zierung gefunden hat. Diese sehr freiwillig getroffene Einteilung begründet er — in- dem er seine erste Theorie mit den Zellrezeptoren erneuert — da- mit, dass nach O verton die Antipyretika auch indifferente Narkotika sind, die im Verhältnis ihrer Verteilungskoeifizienten die Narkose verursachten. Dieser Beweggrund bezieht sich aber nur auf das Phenacetin und Lactophenin, weil das Antipyrin (noch mehr aber 1) Gottlieb u. Meyer, Pharmakologie, 2. Aufl., S. 417. 464 B. von Issekutz: das Pyramidon) eine schwach alkalische Verbindung ist, die Over- ton zwischen den basischen Narkotika erwähnt; er bemerkt aber, dass mit ihr bei der Kaulquappe überhaupt keine Narkose zu er- zielen ist. „Das Antipyrin ist im Gegensatze zu Acetanilid kein eigentliches Narkotikum. In Y4°/oigen Antipyrin — 1,13 g Molekül bleiben Kaul- quappen 24 Stunden lang gut beweglich; es ist eine gewisse Tendenz zu schwachen zitterartigen Krämpfen vorhanden. Nach 36 Stunden werden die Kaulquappen träge und ihre Bewegungen schlecht koordi- niert; am zweiten oder dritten Tage pflegt der Tod einzutreten“ !). Das Phenacetin hingegen führt in einer Lösung von 1:2000 = 0,0028 g Molekül innerhalb 10—15 Minuten die Narkose herbei, die bis zu 24 Stunden anhält, ohne dass die Kaulquappe dabei zugrunde ging. Es unterscheidet sich also die Wirkung des Antipyrins und Pyramidons unbedingt von der Wirkung der Hypnotika, und so müsste nach der Lehre Bürgi’s z. B. zwischen Antipyrin (oder Pyramidon) und Urethan eine Potenzierung sein, und wenn der Schüler Bürgi’s — Lomonsoff?) — zwischen diesen keine Poten- zierung gefunden hat, so spricht auch das gegen die Richtigkeit des Gesetzes Bürgi’s. Noch willkürlicher und unbegründeter — als die Einteilung der Antipyretika und der Hypnotika in eine Untergruppe — ist die Teilung der Opiumalkaloide in drei Gruppen, nämlich: a) Morphin, Codein, Dionin, Heroin, Thebain; b) Papaverin. ec) Narkotin. Bürgi ist aber gezwungen, dies zu tun, wenn er die Gültig- keit seines Gesetzes auch für die Opiumalkaloide aufrechterhalten will. Diese Teilung der Opiumalkaloide ist bei Bürgi um so ausser- ordentlicher und unerwarteter, als er noch bis 15. Mai 1912 folgender- massen schreibt): „Die Narkotika der Fettreihe haben bis ins kleinste überein- stimmende zentrale Wirkungen, ebenso wirken die Opiumalkaloide, wie wir namentlich aus den grundlegenden Versuchen v. Schroeder’s wissen, alle analog.“ 1) Overton, Studien über die Narkose S. 166. 2) Lomonsoff, Zeitschr. f. exper. Pathol. u. Therapie Bd. 8 S. 566. 1911. 3) Bürgi, Berliner klin. Wochenschr. 1912 S. 879. Über das Gesetz Bürgi’s von den Arzneikombinationen. 465 „Ausser im Ort“ — schreibt v. Schroeder!) — „der Wirkung stimmen das Narkotin, Codein, Papaverin und Thebain auch in der Art derselben bis zu einem gewissen Grade mit dem Morphin überein. Die durch genannte Alkaloide hervorgerufene Vereiftung lässt ebenso wie die durch Morphin verursachte ein narkotisches, durch Lähmung des Gehirns bewirktes und ein darauffolgendes tetanisches, durch abnorm erhöhte Erreebarkeit des Rückenmarkes bedingtes Stadium wahrnehmen. Diese Übereinstimmung würde uns berechtigen, ge- nannte Alkaloide mit dem Morphin in eine Gruppe zu vereinigen. Trotz der qualitativen Übereinstimmung in der Wirkung des Morphins einerseits, des Narkotins, Codeins, Papaverins und Thebains anderseits finden bedeutende quantitative Unterschiede in der Aus- bildung und Dauer der beiden Stadien statt... Dies wird uns ver- anlassen, die Gruppe der Opiumalkaloide in zwei weitere Gruppen zu zerlegen, deren erste, die ich als „Morphingruppe“ bezeichne, durch das in den Vordergrund-Treten des narkotischen Stadiums sich charakterisiert, während in der anderen, welche „Codeingruppe“ ge- nannt werden kann, das tetanische Stadium der Wirkungsweise den Charakter aufdrückt und die Narkose ganz in den Hintergrund tritt. In den folgenden Reihen sind die Alkoloide derart geordnet, dass jedes tieferstehende schwächere narkotische in der Codeingruppe gleichzeitig stärkererregenrde Wirkung besitzt: Morphingruppe: Codeingruppe: Morphin Papaverin Codein Narkotin Oxydimorphin. Thebain.“ Diese Einteilung hat man allgemein angenommen; in jedem Lehrbuch können wir sie finden. Wenn also die Ansicht Bürgi’s richtig wäre, dann muss die Codeingruppe (also auch das Codein und Thebain) die Wirkung des Morphins potenzieren: hingegen dürfte zwischen den Gliedern der Codeingruppe (also auch zwischen Papa- verin und Narkotin nicht) keine Potenzierune sein. Das Narkotin potenziert die Wirkung des Papaverins stark; doch ist der Unterschied zwischen den Wirkungen dieser Alkaloide nicht einmal so gross, wie z. B. zwischen Morphin und Codein. Wenn wir die Opiumalkaloide nicht nach ihrer Wirkung, sondern nach ihrer chemischen Struktur einteilen, se können wir die zwei folgenden Gruppen aufstellen: 1) Schroeder, Arch. f. exper: Path. u. Pharm.- Bd. 17 S. 96. 1883. 466 B. von Issekutz: I. Benzyl-Isochinolin-Gruppe: II. Pyridin-Phenantren-Gruppe: Papaverin Morphin ° Narkotin Codein Narcein usw. Dionin Heroin Thebain usw. Diese Einteilung rechtfertigt die Ansicht Bürgi’s auch nur scheinbar, weil er nirgends den Zusammenhang zwischen der chemischen Struktur und dem Synergismus suchte und weil er in keiner einzigen seiner Theorien behauptet, dass die chemische Struktur auch einen Einfluss auf den Synereismus habe, sondern er schreibt gerade in entgegengesetzter Richtung !): „Zwei Substanzen mit chemisch ganz verschiedenen wirksamen Gruppen können im Organismus den gleichen Angriffspunkt haben...“ „Aus einer chemischen Verschiedenheit der wirksamen Gruppe auf eine Verschiedenheit der pharmakologischen Angriffspunkte zu schliessen, ist aber falsch.“ Endlich kommen auch bei derchemischen Einteilung das Papaverin und Narkotinin eine Gruppe, weil sie auch in Bezug auf ihre chemische Struktur nahe Ver- wandte sind und sich — sozusagen — nur in den Seitenketten voneinander unterscheiden: - CH CH CH CH; NEN NL CH,—0—C C CH 0—C C CH; Ber ug... CH, —0—C C N 0—C C N—CH; NIINIL SEN CH C CH,—0—C CH | | CH; CH | a C 00 a Ir CH CH C | n C CH,-0—C6 CH 7 7 C CH ne eo N cn Papaverin 3 Sy CH,—0—C Narkotin 1) Bürgi, Zeitschr. f. allgem. Physiol. Bd. 14. 1912. Über das Gesetz Bürgi’s von den Arzneikombinationen. 467 Auf welche Weise wir auch immer das Gesetz Bürgi’s erklären, machen die Opiumalkaloide von diesem immer eine Ausnahme. Ausser den Opiumalkaloiden kennen wir noch einige Arznei- kombinationen, deren Glieder allem Anscheine nach gleiche Angriffs- punkte haben, zu einer und derselben pharmakologischen Untergruppe gehören und ihre Wirkung gegenseitig potenzieren. Diese sind: Methyl-, Äthyl-, Propylurethan [Breslauer und Woker!)], Methyl-, Äthyl-, Propylalkohol a f 3 Alkohol, Urethan, Äther A 3 \ Chloralhydrat und andere indifferente Narkotika [Fühner bei Kaulquappen ?)], Chloralhydrat-Urethan-Alkohol [Fühner und Greb bei Hämo- lysis®)], Paraldehyd-Urethan [Saradschian s. unten ®)], Paraldehyd-Chloralhydrat „ 5 Novoeain-Eucain; Cocain-Antipyrin [v. Issekutz?°)], Sämtliche Lokalanästhetika [Schoff°)]. Noch weniger ist das Gesetz Bürgi’s allgemein gültig in dem Sinne, dass zwei ähnlich wirkende, aber verschiedenen pharmako- logischen Untergruppen angehörende Gifte immer ihre Wirkung ver- stärken. Wenn wir auch von den schon oben erwähnten, auf einzellige Organismen gemachten zahlreichen Versuche absehen, in welchen zwischen sehr verschiedenen Giften eine Potenzierung nicht gefunden wurde (Zehl, Fühner und Greb, v. Issekutz), bleiben doch noch einige Versuchsserien, die eine Ausnahme von Bürgi’s Gesetz bilden: 1. Antipyrin und Pyramidon steigern nach Lomonsoff”) die Wirkung des Urethan hingegen nicht, aber doch sahen wir, dass 1) Breslauer und Woker, Zeitschr. f. allgem. Physiol. Bd. 13 S. 282. 1912. 2) Fühner, Münchner med. Wochenschr. 1910 S. 179. 3) Fühner u. Greb, Arch. f. exper. Path. u. Pharmak. Bd. 69 S. 29. 1912. 4) Saradschian, Zeitschr. f. exper. Pathol. u. Therapie Bd.8. 1911. 5) v. Issekutz, Pflüger’s Arch. f. d. ges. Physiol. Bd. 145 8.448. 1912. 6) Schoff, Verhandl. d. Gesellsch. russ. Ärzte zu St. Petersburg 1910 S. 77. Referat im Zentralbl. f. Biochemie u. Biophysik Bd. 12 S. 621. 1912. 7) Lomonsoff, Zeitschr. f. exper. Pathol. u. Therapie Bd. 3 S. 566. 1911. 468 B. von Issekutz: die beiden Stoffe unbedingt in verschiedene Untergruppen einzu- reihen sind. 2. Das Chinin und das salizylsaure Natrium wird gewiss niemand in eine pharmakologische Untergruppe einreihen, und doch summiert sich beim Frosch nur genau die Wirkung der beiden Verbindungen. Wie wir auf der beigegebenen Tafel wahrnehmen, ist die tödliche Dosis des Chinins beim Frosch (R. esceulenta) 0,28 mg pro Gramm Körpergewicht und vom salizylsauren Natrium 1,2 mg pro Gramm. Beim Zusammengeben der beiden Stoffe brauchte man von beiden mindestens eine 50 %/o + 50 %/o = 100 °/o der Dosis letalis zum Töten des Frosches; wenn aber die Summe der tödlichen Dosen 82,4 bis 87,6% war, blieben die Tiere am Leben. 3. Wenn wir sämtliche Krampfgifte in eine pharmakologische Hauptgruppe einteilen, ebenso wie sämtliche Narkotika, dann müssen wir das Strychnin und Pikrotoxin bestimmt in verschiedene Unter- gruppen ordnen. Das Strychnin steigert die Reflexerregbarkeit des Rückenmarkes, dagegen reizt das Pikrotoxin direkt die Krampfzentren; es besitzt neben seinem Hauptangriffspunkte oberhalb des Rückenmarkes auch krampferregende Wirkungen an den Rückenmarkszentren. „Im Strychninkrampf werden alle, auch die antagonistischen Muskeln gleichzeitig in Kontraktion versetzt, woraus der Starrkrampf resultiert. Diese gleichzeitige Kontraktion der gesamten Muskelarten erklärt sich durch die ungetrennte Ausbreitung jener sensiblen Erregung auf alle afferenten Nebenbahnen; dadurch entsteht eine gleichmässige und gleichzeitige Erregung aller, auch der antagonistischen, motori- schen Zentren. Dagegen bleibt die Hemmung der Antagonisten bei der Wirkung anderer Krampfeifte bestehen, so dass es zu Zwangs- bewegungen kommt, welche geordneten normalen Bewegungskombina- tionen entsprechen. Charakteristisch für diese klonischen Krämpfe ist ihr anscheinend spontanes, durch Summation innerer Reize be- dingtes Auftreten“ "). Bei einer kleinen Dosis Pikrotoxin (0,003—0,004 mg pro Gramm) nimmt der Frosch eine eigentümliche sogenannte Pikrotoxinstellung ein: Das Tier stützt sich nicht mehr auf seine Vorderbeine und hält die Hinterbeine vorwiegend in Beugestellung. Zugleich beobachtet man eine Dehnung der Schwimmhäute. Der Thorax ist gebläht. Die Stellung wird auf Reizung des Tieres mehr ausgeprägt. Eine 1) Meyer und Gottlieb, Pharmakologie, 2. Aufl., S. 22. 469 Über das Gesetz Bürgi’s von den Arzneikombinationen. ‘ « “ou te Ä « 0 BR ‘ nuc = « u“ ER CE o: a * « BR Be nn Gen 0/00'98 > “ BG RT « oh 0er + « « «“ « EL on 0'e VIER = f DR a 0ITC+ « “oo ı“ Ba 0 FE 09,8 = « “o% SB YoERE + « Ce te OLG 0/00 — 'SIÄZIIES 'P SO 'IP9} A9P UOA 0/,0G + SuLury/) "p 'SOCL "IP9I I9P UOA 0/, 06 SwnLıyeN-olnesjÄzıeS SHOP SISOT IyDı[po? 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Aus der beigegebenen Tafel kann man ersehen, dass 0,001 mg pro Gramm Strychnin die kleinste Dosis war, die immer Tetanus ver- ursachte (Versuch Nr. 1—6);, schon bei 0,0008 mg pro Gramm trat grösstenteils nur eine Steigerung der Reflexerregbarkeit ein; einen Tetanus habe ich nur in einem Falle gesehen: (Versuch Nr. 9). 0,006 mg pro Gramm Pikrotoxin verursachte immer Krämpfe (Versuch Nr. 17—20); 0,004—0,005 mg ergab, dass unter sechs Versuchen in dreien (Versuch Nr. 23—25) das Tier ebenfalls Krämpfe bekam, in dreien (Versuch Nr. 21, 22, 26) aber zeigte es nur die charakte- ristische Pikrotoxinstellung. Wenn ich Pikrotoxin und Strychnin zusammen gab, bemerkte ich, dass die Wirkung der beiden Stoffe sich nieht addierte, da einer die Wirkung des anderen kaum beförderte, sondern die Mischung beinahe so wirkte, wie wenn ich das in grösserer Menge vorhandeneGift alleingegeben hätte. Wenn ich nämlich 0,0008 mg pro Gramm Strychnin und 0,002 mg pro Gramm Pikrotoxin gab, so sah ich von vier Versuchen nur in zwei Fällen (Versuch Nr. 27 und 28) Strychnintetanus, aber in zwei Fällen (Versuch Nr. 29 und 30) trat nur erhöhte Reflexerregbarkeit und Pikrotoxinstellung auf. Wenn das Tier 0,0006 mg pro Gramm Strychnin + 0,003 mg pro Gramm Pikrotoxin bekam, so bemerkte ich bei zwei Versuchen (Versuch Nr. 32 und 34) nur die Pikrotoxinstellung, bei einem (Versuch Nr. 31) klonische Krämpfe, bei einem (Versuch Nr. 33) Strychnintetanus. Schliesslich war die Wirkung von 0,0004 mg pro Gramm Strychnin + 0,004 mg pro Gramm Pikrotoxin (Versuch Nr. 35—39) nicht stärker, als wenn das Tier nur 0,004 mg pro Gramm Pikrotoxin allein bekommen hätte (Versuch Nr. 23—206). Es gibt also schon nach beiden Richtungen viele Ausnahmen von dem Gesetz Bürgi’s: Auch zwischen den in ein und dieselbe pharmakologische Untergruppe gehörigen Medikamenten ist poten- zierter Synergismus möglich; hingegen addiert sich bisweilen nur die Wirkung der in verschiedene Untergruppen gehörenden Gifte. Über das Gesetz Bürgi’s von den Arzneikombinationen. 471 Strychnin. nitr. + Pikrotoxin. x = | Dosis pro welh.e = = |Gramm Körper- 33|aS@l| 2 gewicht =a|3 gs a Bemerkungen selnasias|a >= Be a| = jeg| SE | == 5 es || &2 iS 1 0,045 | — [0,001 Nach 2 Stunden Tetanus 2 0,035 | — 10,001 — 2 » & 3 0,033 | — 10,001 u 1/7 Stundeser, 4 0,037 — 10,001 — dl 5 10 Minuten Tetanus 5) 0,04 0,001 _ at 5 20 = 5 6 0,033 | — 10,001 En SL R 50 7 0,04 — :10,0008 | — Nur gesteigerte Reflexerregbarkeit 8 0,032 | — 10,0008 | — n 9 0,035 | — [0,0008 | — Nach 2 Stunden einige” "Tetanusanfälle, später nur gesteigerte Reflexerregbar- keit 0,023 | — 10,0008 | — Gesteigerte Reflexe 0,03 — 10,0007 | — 5 ” — 0,853. 2.9.01 Nach 1 Stundecharakt. Pikrotoxinkrämpfe TE 0,35 Zr8 0,01 ” 1 ” ” ” TI 0,25 Dr 0,008 ” 1a ” ” ” zur 0,26 IE 0,008 5 1 ” ” b) 77 0,28 an 0,008 ” 1 ” ” — 0,28| -- [0,006 n Pikrotoxinstellung an nach 2 Stunden Krämpfe == 0,17 | -— 0,006 | Nach 1Ve Stunde charakt. Pikrotoxin- stellung und nach 2 Stunden Krämpfe — 0,16] — 10,006 | Nach 1 Stunde charakt. Pikrotoxin- | | stellung und nach 2 Stunden Krämpfe — 0,25 — /0,006 | Nach 1 Stunde charakt. Pikrotoxin- stellung und nach 1/4 Stunde Krämpfe — 0,151 — 0,0053] Nach 1Y/s Stunde charakt. Pikrotoxin- stellung, Krämpfe sind nicht vorhanden 2 0231 — 0,005 | Nach 1 Stunde charakt. Pikrotoxin- stellung, Krämpfe sind nicht vorhanden = 0151 — 0,004 | Nach 1V/z Stunde Krämpfe = 0,13 | -— 0,004 „ 2 Stunden ® — 0,1 — /0,004 1!/4 Stunde 5 — 1015| — 0,04 | Nach 1 Stunde Pikrotoxinstellung, Krämpfe sind nicht vorhanden 0,04 | 0,1 }0,0008 0,002 | Nach 1 Stunde Strychnintetanus 0,03 | 0,07 1 0,0008 | 0,002 el 5 5 0,033 | 0,08 | 0,0008 | 0,002 „ 1/e „ nur Pikrotoxinstellung 0,033 | 0,08 [| 0,0008 | 0,002 27 Stundens, 0,032 | 0,16 | 0,0006 | 0,003 „ 1 Stunde Pikrotoxinstellung, nach 2 Stunden Krämpfe 0,028 | 0,14 [0,0006 0,003 | Nach 1 Stunde nur Pikrotoxinstellung 0,024 | 0,12 0,0006 0,003 el 3 Strychnintetanus 0,020 | 0,10 0,0006 0.003 „ 2 Stunden Pikrotoxinstellung 0,013 | 0,13 0.0004 0.004 „ a Stunde Pikrotoxinkrämpfe 0,012 | 0,12 1 0,0004 | 0,004 1l „ hur Pikrotoxinstellung, "keine Krämpfe 0,017 | 0,17 [0,0004 0,004 | Nach ?/4 Sande Pikrotoxinkrämpfe 0,019 | 0,19 | 0,0004 | 0,004 „ 1'/a Stunde Pikrotoxinstellung u. klonische Krämpfe 0,017 | 0,17 [0,0004 0,004 | Nach 1!/sz Stunde Pikrotoxinstellung u. klonische Krämpfe al 472 B. von Issekutz: Diese Ausnahmen haben ihren Ursprung daher, dass die Ursache der Potenzierung sehr verschieden sein kann, und dass dessen Ent- wieklung verschiedene Umstände fördern, andere dagegen verhindern. Solche sind: 1. Bürgi und inascheniize) machten die Erfahrung, dass man die Wirkung eines Medikamentes (z. B. Urethan) einfach da- durch steigern kann, dass man es nicht in einer Dosis, sondern in zwei bis drei Teile geteilt in Zeitabschnitten von 5—15 Minuten eingibt. 2. In vielen Fällen ist zum Auftreten der Potenzierung das Verhältnis der Dosis der beiden Medikamente zueinander von aus- schlaggebendem Einfluss. Caesar?) z. B. hat nachgewiesen, dass die Toxizität des Morphins durch wachsende Beimengungen von Narkotin nach einer Kurve mit drei Wendepunkten beeinflusst wird. Das Optimum der Kombination liegt einmal bei 1 Morphin + 0,2 Nar- kotin. zweitens bei 1 Morphin + 1 Narkotin, das Pessimum bei 1 Morphin + 0,5 Narkotin, wo die Mischung so wirkt, als ob über- haupt kein Narkotin vorhanden wäre. Nach Moldovän?) hängt die Wirkung der Mischungen von Chinin mit Saponin, Methylenblau, Neutralrot, Strychnin, Curare, Atropin, Trypanrot usw. auf das Colpidium colpida hauptsächlich von der gebrauchten Konzentration ab: Durch die entsprechende Veränderung der Konzentration einer Verbindung kann man die Wirkung des anderen Giftes nach Belieben steigern, schwächen oder überhaupt nicht beeinflussen, z. B.: Eine Saponinlösung von 1:20000 verstärkt die Wirkung einer Chininlösung von . . 1: 10000 eine Saponinlösung von 1:20 000 mach! die Wirkung einer Chininlösung von . . . 1: 60000 eine Saponinlösung von 1:20000 ah. Dicht ie Wirkung einer Chininlösung von . . . 1: 30000; eine 1:10000 Methylenblaulösung verstärkt die Wirkune einer Chininlösung von . . 1: 20000 eine 1:20000000 Methylenblaulsune hebt die Ynkuns einer Chininlösune von ... 2... 2.2 20 282.250872000% vollständig auf. 1) Beinaschewitz, Therap. Monatshefte. 1910. 2) Caesar, Biochem. Zeitschr. Bd. 14 S. 318. 1912. 3) Moldovän, Biochem. Zeitschr. Bd. 17 S. 432. 1912. Über das Gesetz Bürgi’s von den Arzneikombinationen. 475 Saradschian!) (Bürgi’s Schüler) gibt diesbezüglich vielleicht das beste Beispiel: Er bekam zwischen zwei indifferenten Narkotika, dem Paraldehyd-Urethan und Paraldehyd-Chloralhydrat, wie wir dies aus den beifolgenden Tabellen ersehen können, eine Addition oder auch eine Potenzierung, je nachdem er die Dosis des Paraldehyds erösser oder um vieles kleiner nahm. Tabelle 8. Dosis pro Kilogramm Dauer Nummer Körpergewicht der Wirkung Paraldehyd Urethan Minuten 16 0,2 0,25 58 29 0,1 0,25 40 30 0,05 0,25 15 3l 0,0475 0,25 14 32 0,045 0,25 58 33 0,04 0,25 120 34 0,035 0,25 235 35 0,03 0,25 über 210 36 0,025 0,25 129 37 0,025 0,25 127 38 0,025 0,25 131 39 0,0125 0,25 68 40 0,00625 0,25 50 41 0,003125 0,25 ca. 99 42 0,003125 0,25 34 43 0,003125 0,25 3 44 0,0015625 0,25 32 45 0,00078125 0,25 75 46 = 0,25 — 1 — 0,5 39 Nabeill®®. Tabelle 7. Dosis pro Kilogramm Körpergewicht Dauer Paraldehyd Dauer der Nummer der Wirkung Nummer| Dosis pro | wirk Poraldehrd Chloral- Minuten Kilogramm ee I iydıal 47 0,05 0,1 74 22 0,6 195 48 0,025 0,1 109 13 0,4 50 49 0,0125 0,1 52 24 0,3 68 50 0,00625 0,1 3 25 0,25 63 51 0,003125 don 63 26 0,2 108 18 — 0,3 sofort. Tod Da. 0,1 —_ 2 = 0,2 20 28 0,05 — Wenn er also mit 0,25 & Urethan 0,0475—0,2 g Paraldehyd gab, so summierte sich nur die Wirkung der beiden; wenn er aber 1) Saradschian, Zeitschr. f. exper. Pathol. u. Therapie Bd. 8. 1911. 474 B. von Issekutz: die Dosis des Paraldehyds stufenweise verkleinerte, so konnte er eine sehr grosse Steigerung nachweisen; dieses Optimum erreichte er bei 0,03 g Paraldehyd, aber man konnte auch nach 0,00078 g (!) mit der an und für sich wirkungslosen Dosis Urethan eine Wirkung von 75 Minuten erhalten. 3. Das Auftreten der Potenzierung kann bisweilen ein ganz unscheinbarer Umstand verhindern: So ist nach Fühner und Greb!) in der ‚hämolytischen Wirkung einer Saponin-Ammoniakmischung nur dann eine Potenzierung, wenn man die Blutkörperchen zuerst mit 0,6°/oigem NaCl-Wasser wäscht; dagegen schwächen die beiden Mittel sich gegenseitig, wenn man den Versuch bei ungewaschenen Blutkörperchen vornimmt. 4. Das Zustandekommen einer Potenzierung hängt auch von der Tierart ab: So z. B. steigert das Narkotin die Wirkung des Morphins, wenn wir den Versuch an Katzen, an Mäusen oder an Fröschen machen; hingegen ist dies beim Kaninchen nicht der Fall, ja hier schwächt es sogar die Wirkung des Morphins auf das Atmungs- zentrum. Bei Colpidium colpida ist die Wirkung zwischen Methyl-, Äthyl-, Propylurethan eine gesteigerte, beim Kaninchen nicht (Bürg;i). 5. Auf den Synergismus hat auch die Versuchsanordnung einen Einfluss, da Zorn, zitiert nach Kochmann?), als er die Wirkung der Lokalanästhetikamischungen an dem N. ischiadieus untersuchte, nur eine Addition fand. Ich!) untersuchte die Wirkung dieser Mischungen an der Haut des Frosches und fand bei einigen (Kokain-Antipyrin, Eukain B- Novokain) eine Potenzierung, bei anderen (Kokain-Novokain, Kokain- Eukain B) nur eine Addition; schliesslich weist Schoff?) in jeder Kombination eine potenzierte Wirkung nach. Der Grund zu diesen entgegengesetzten Resultaten kann der sein, dass bei den verschiedenen Untersuchungsmethoden gewiss Lösungen verschiedener Konzentrationen verwendet wurden, in denen die Alkaloide ihre Hydrolyse, ihren Verteilungskoeffizient gegenseitig in verschiedenem Masse verändern konnten. 6. Die Ursache des Synergismus kann einfach die sein, dass der eine Stoff der Verteilungskoeffizienten den anderen vergrössert: MENT G: -2) Deutsche med. Wochenschr. 1912 S. 158. 3) Die Arbeit Schoff’s erschien in russischer Sprache; in dem deutschen Referat ist die Anordnung der Versuche nicht erwähnt. Uber das Gesetz Bürgi’s von den Arzneikombinationen. 475 So steigern viele anorganische Salze (NaCl) die bakterizide Wirkung des Phenol und seiner verwandten Verbindungen dadurch, dass sie ihre Verteilungskoeffizienten vergrössern. Nach Fühner!) ist nur deshalb bei den Kaulquappen eine kleine Potenzierung zwischen den indifferenten Narkotika vorhanden, weil die Narkotika in den sehr ver- dünnten Mischungen ihre Verteilungskoeffizienten gegenseitig nur wenig vergrössern; wenn er aber an einem solchen Objekt (Blutkörperchen) den Versuch machte, bei denen er konzentrierte Mischungen benutzt hatte, in welchen daher auch die Verteilungskoeffizienten sich stärker vergrössern, hatte er eine grössere Potenzierung aufgewiesen. 6. Synergismus kann sich auch dann zeigen, wenn das eine Mittel die Resorption des anderen fördert; daher steigert das Glycerin die Wirkung des Methylviolett [Fühner?)], das Chloroform die Wirkung des Strophantins [Poh]?)]. Ausser diesem Grunde gibt es gewiss noch viele andere zum Zustandekommen der Potenzierung; noch uns unbekannte Umstände können von grosser Wirkung sein. Eben deshalb ist es schwer, vielleicht unmöglich, ein allgemein gültiges Gesetz aufzustellen. Es scheint eanz geheimnisvoll und kaum erklärbar, wenn sich ganz nahe ver- wandte Verbindungen verschieden verhalten: Was kann z. B. die Ursache dessen sein, dass nach Zorn’s Versuch [zitiert nach Koch- mann*)] das Kaliumsulfat die Wirkung des Kokains und Novokains, das Kaliumehlorat nur die des Novokains steigert, das Kaliumnitrat indessen überhaupt die Wirkung keines von beiden. Dieses Beispiel zeigt, wie wenig man vor dem Ver- such sagen kann, ob sich zwei Medikamente in ihrer Wirkung steigern oder nieht. Anmerkung bei der Korrektur. Inzwischen erschien Zorn’s Arbeit über „Kombination der Lokalanästhetika“ ®) mit den Versuchstabellen. Aus den letzteren sehe ich aber, dass Zorn in vielen Fällen starke Potenzierung fand. 1) Fühner und Greb, Arch. f. exper. Path. u. Pharm. Bd. 69 S. 348. 1912. 2) Fühner, Arch. f. exper. Path. u. Pharm. Bd. 69 S. 29. 1912. 3) Pohl, Therapeutische Monatshefte 1909 S. 110. 4) F. Kochmann, Deutsche med. Wochenschr. 1912 S. 158. 5) Zeitsch. f. exper. Path. u. Therap. Bd. 12 S. 529. 1913. 476 B. von Issekutz: Diese nahm er nur darum nicht wahr, weil er die Berechnung unrichtig machte Er nahm nämlich zur Berechnung als Grenz- konzentration die grösste wirkungslose Konzentration, obgleich bisher jeder Autor als solche die kleinste wirkungsvolle Konzentration nahm. Wenn wir die letztere als Basis der Berechnung nehmen, so ist nach seinen Untersuchungen in folgenden Kombinationen Poten- zierung: Novokain 0,125 %/o = 25,0 °/o von 0,50 diese sind die minimalen wir- + Eukain 1,50 /'o —=46,15 °/0 „ 3,25 [ kungsvollen Konzentrationen Zusammen . . . 71,15 °/o nach 30 Min. bewirkte Anästhesie. Folglich ist 28,85 °/o Potenzierung zwischen Novokain und Eukain; ich beobachtete 32,5 °/o. Kokain . ... . 0,125 00 —=25°/ovon 0,5 | diese sind die minimalen wir- + Tropakokain 0,125 o—25°b „ 0,5 f kungsvollen Konzentrationen Zusammen . . 2.2500 nach 20—25 Min. bewirkte Anästhesie. Eukain ... .1,50 Po = 46,15% von 3,25 | diesesind dieminimalen +Tropakokain 0,125 0/o = 25,0 %o „ 0,5 [ wirkungsvoll. Konzentr. Zusammen . . . .... 71,15°o nach 25 Min. bewirkte Anästhesie. Stovain . 0,125 9/0 — 25,00 °/o von 0,50 | diese sind die minimale wir- +Eukain 1,50 %0 —= 46,15 0/o „ 3,25 | kungsvollen Konzentrationen Zusammen . . . 71,15°/o nach 30 Min. bewirkte Anästhesie. Ich bemerke noch, dass 0,5 %/o Tropakokain wahrscheinlich grösser ist als die Grenzkonzentration, weil noch 0,250 unter drei Versuchen einmal Anästhesie bewirkte; aber wenn wir diese letztere Konzentration als Basis der Berechnung nehmen, dann können wir auch 25°/o Potenzierung nachweisen. — Auch Zorn wollte erst, so wie ich, die anästhetische Wirkung der Kokainkombinationen auf die Froschhäute vergleichen, und dies unterliess er nur darum, weil man nach seiner Meinung in den Türck’schen Versuchen nicht genau die Grenzkonzentration fest- stellen kann. Ich bekam in solchen Versuchen sehr übereinstimmende Resultate, und ich kann Zorn’s schlechte Resultate nur dadurch erklären, dass er den Froschfuss nur 10 Min. in Kokainlösung badete, ich aber 30 Min. Innerhalb 10 Min. kann nämlich das Kokain meistens nicht gehörig in die Haut eindringen, und darum anästhesierte meistens eine 5—S °/oige Lösung auch nicht; aber ausnahmsweise wird. das Kokain von der Haut manches Frosches leichter resorbiert, Uber das Gesetz Bürgi's von den Arzneikombinationen. 477 und so anästhesierte zuweilen schon 3,25 °/o ice Lösung. Ja sogar wenn wir den Nerv. ischiad. direkt in eine Kokainlösung eintauchen, auch dann braucht man meistens 22—25 Min., bis dieser leitunesunfähig wird. Darum muss man in dem Türck ’schen Versuch den Froschfuss wenigstens 30 Min. in der Kokainlösuneg baden, damit das Kokain Zeit genug zur Wirkungsausübung haben kann. So verursacht dann eine 3 /oige Kokainlösung in jedem Falle völlige Anästhesie, eine 2%oige ist selbst nach einstündigem Baden wirkungslos, die 2,5 %/o ige Lösung hingegen wirkt oft, manchmal jedoch nicht, diese kann man daher als Grenzkonzentration ansehen. Literatur. 1) Arrhenius, Biochem. Zeitschr. Bd. 11 S. 168. 1908. 2) Beckmann, Zentralbl. f. Bakteriol. Bd. 20. 1896. 3) Breslauer und Woker, Zeitschr. f. allgem. Physiol. Bd. 13 S. 282. 1912. 4) Bürgi, Korrespondenzblatt f. Schweizer Ärzte. 1909 u. 1910. 5) Bürgi, Deutsche med. Wochenschr. 1910 Nr. 1 u. 2. 6) Bürgi, Zeitschr. f. exper. Pathol. u. Therapie Bd. 8 S. 523. 1911. 7) Bürgi, Zeitschr. f. Balneol. 3. Jahrg. Nr. 14. 8) Bürgi, Berliner klin. Wochenschr. 1911 Nr. 20, 9) Bürgi, Berliner klin. Wochenschr. 1912 S. 379. 10) Bürgi, Verhandl. d. deutschen Kongresses f. innere Medizin. 1911. 11) Bürgi, Zeitschr. f. allgem. Physiol. Bd. 14. 1912. 12) Caesar, Biochem. Zeitschr. Bd. 42 8. 316. 1912. 13) Fröhlich und Loewi, Arch. f. experim. Pathol. u. Pharmakol. Bd. 62 5. 160. 1910. 14) Fühner, Münchner med. Wochenschr. 1910 S. 179. 15) Fühner, Arch. f. exper, Pathol. u. Pharmakol. Bd. 69 S. 29. 1912. 16) Fühner und Greb, Arch. f. exper. Pathol. u. Pharmakol. Bd. 69 >. 348. 1912. 17) Hammerschmidt, Zeitschr. f. exper. Pathol. u. Therapie Bd. 3 S. 374. 1911. 18) Haucold, Zeitschr. f. exper. Pathol. u. Therapie Bd. 7 S. 743. 1909. 19) Herzenberg, Zeitschr. f. exper. Pathol. u. Therapie Bd.8 S. 576. 1911. 20) Honigmann, Arch. f. klin. Chirurgie Bd. 58. 1899, 21) v. Issekutz, Pflüger’s Arch, f. d. ges. Physiol. Bd. 145 S. 415. 1912. 22) v. Issekutz, Pflüger’s Arch. f. d. ges. Physiol. Bd. 145 S. 448. 1912. 23) Katzenehsen, Zeitschr. f. exper. Pathol. u. Therapie Bd. 8 8.555. 1911. 24) Kepinow, Arch. f. exper. Pathol. u. Pharmakol. Bd. 67. 1912, 25) Knell, Dissertation. Giessen 1907. 26) F. Kochmann, Deutsche med. Wochenschr. 1912 8. 158. 478 B.v.Issekutz: Über das Gesetz Bürgi’s von den Arzneikombinationen. 27) Lindemann, Zeitschr. f. exper. Pathol. u. Therapie Bd. 7 S. 725. 1909. 28) Lomonsoff, Zeitschr. f. exper. Pathol. u. Therapie Bd. 8 S. 566. 1911. 29) Madelung, Arch. f. exper. Pathol. u. Pharmakol. Bd. 62 S. 409. 1910. 30) Meltzer, Berliner klin. Wochenschr. 1906 Nr. 3. 31) Moldovän, Biochem. Zeitschr. Bd. 17 S. 432. 1912. 32) Overton, Studien über die Narkose. 1901. 33) Paul und Krönig, Arch. f. Hygiene Bd. 25. 34) Pohl, Therapeutische Monatshefte 1909 5. 110. 35) Saradschian, Zeitschr. f. exper. Pathol. u. Theraj;ie Bd.8. 1911. 36) Schoff, Verhandl. d. Gesellsch. russ. Ärzte zu Petersburg 1910 8. 77. Referat im Zentralbl. f. Biochemie und Biophysik Bd. 12 S. 621. 1912. 37) Spiro und Bruns, Arch. f. exper. Pathol. u. Pharmakol. Bd. 41. 38) Straub, Biochem. Zeitschr. Bd. 41. 1912. 39) Tsuzuki, Zeitschr. f. Hygiene u. Infektion Bd. 65 S. 364. 40) Zeelen, Zeitschr. f. exper. Pathol. u. Therapie Bd. 8 S. 586. 1911. 41) Zehl, Dissertation. Leipzig. 1907. 479 (Aus dem physiol. Institut der westf. Wilhelms-Universität zu Münster i. W.) Die Verwertung der Energie des Alkohols für die Muskelarbeit. Von Karl Krieger. Die Frage nach dem Verhalten des Alkohols im Stoffwechsel kann in den wesentlichen Punkten als geklärt angesehen werden. Zunächst steht fest, dass der Alkohol im Körper zur Verbrennung gelangt. Schon älteren Untersuchern, wie Bodländer!) und Strassmann?°), war es bekannt, dass die Hauptmenge des ein- geführten Alkohols verbrennt, und dass nur ein kleiner Teil un- verändert durch den Harn und die Atmung ausgeschieden wird. Wie eross die Menge des ausgenutzten und des unverändert aus- geschiedenen Alkohols ist, wurde in neuerer Zeit von Atwater und Benedikt?) und namentlich sehr eingehend unter den verschiedensten Bedingungen von Völtz und Baudrexel*) untersucht. In den Tabellen I und II sind die bei diesen Untersuchungen gefundenen Zahlen mitgeteilt. Völtz und Baudrexel konnten auch folgende Beziehungen der Ausnutzung des Alkohols zur Muskelarbeit und zur Füllung des Verdauungstraktus nachweisen: 1. Die Zahl der Atemzüge ist annähernd proportional der aus- geschiedenen Alkoholmenge. 1) Guido Bodländer, Die Ausscheidung aufgenommenen Weingeistes aus dem Körper. Pflüger’s Arch. f. Physiol. Bd. 32 S. 398. 1883. 2) Fritz Strassmann, Untersuchungen über den Nährwert und die Aus- scheidung des Alkohols. Pflüger’s Arch. f. Physiol. Bd. 49 S. 315. 1891. 3) Atwater und Benedikt, An experimental inquiry of the nutritive value of alcohol. Memoirs of the National Academy of sciences vol. 8 memoir VI p. 235. 1902. 4) W. Völtz und A. Baudrexel, Über die vom tierischen Organismus unter verschiedenen Bedingungen ausgeschiedenen Alkoholmengen. Pflüger’s Arch. Bd. 138 S. 85. 1911, Bd. 142 S. 47. 1911, Bd. 145 S. 210. 1912. % 32 Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd. 151. 480 Karl Krieger: 2. Die durch Muskelarbeit gesteigerte Atemfrequenz steigert die Alkoholausscheidung auch dann, wenn die Arbeit erst 3 bis 6 Stunden später beginnt. 3. Die Alkoholausscheidung im Harn ist ebenfalls bei Arbeit um 60—70°]o erhöht gegenüber der Ausscheidung bei Ruhe. 4. Trotzdem wird auch beim arbeitenden Organismus die bei weitem grösste Menge des eingeführten Alkohols verwertet, nämlich ungünstigstenfalls 90,5 °/o. 5. Bei gefülltem Verdauungstraktus ist die Ausnutzung erheblich besser als nüchtern, nämlich 98,4°/o gegenüber 95,8 %o. Unter allen Umständen wird also die weitaus überwiegende Menge des Alkohols im Körper verbrannt. Verbrennen bedeutet Freiwerden von Energie. Fraglich könnte es nun erscheinen, ob der Körper für seine Zwecke chemische Energie aus beliebiger Quelle verwerten kann. Es wäre etwa der Fall denkbar, dass der Körper nur die aus der Verbrennung von Eiweiss, Fett und Kohlehydraten, nieht aber die aus der Verbrennung eines so heterogenen Stoffes, wie es der Alkohol ist, gewonnene Energie ausnutzen könnte. Dann müsste der Körper bei Alkoholzufuhr ebensoviel Eiweiss, Fett und Kohlehydrate verbrennen wie sonst, während er den Alkohol noch nebenbei nutzlos oxydieren würde, etwa bloss, um dieses Protoplasmagift zu zerstören. In diesem Falle würde erstens die Kohlensäureabgabe sowie die Sauerstoffaufnahme um ebensoviel steigen, als der Verbrennung des Alkohols entsprechen würde. Zweitens müsste die Energiemenge des Alkohols zu der Energiemenge der ohne Alkoholzugabe verbrennerden Stoffe sich hinzuaddieren, die Energieabgabe also auch um ebensoviel steigen, als der Alkohol- energie entsprechen würde. Nach den älteren Untersuchungen von Zuntz!) und Geppert?) und den neueren von Bjerre?°), Clopatt®), I) N. Zuntz, Beitrag zur Kenntnis der Einwirkung des Weingeistes auf den Respirationsprozess des Menschen. Fortschr. d. Medizin Bd. 5 S. 1. 1887; ferner Verhandl. d. physiol. Gesellsch. zu Berlin, 10. Dez. 1386; ferner Arch. f. Anat. u. Physiol. 1837 S. 178. 2) Geppert, Die Einwirkung des Alkohols auf den Gaswechsel des Menschen. Arch. f. exper. Pathol. Bd. 22 S. 367. 1887. 3) Poul Bjerre, Über den Nährwert des Alkohols. Skandinav. Arch. f. Physiol. Bd. 9 S. 323. 1900. 4) A. Olopatt, Über die Einwirkung des Alkohols auf den Stoffwechsel des Menschen. Skandinav. Arch. f. Physiol. Bd. 9 S. 354. 1901. Die Verwertung der Energie des Alkohols für die Muskelarbeit. 481 Atwater und Benedikt!) (Tabellen III und IV) wird aber die Kohlensäureausscheidung und die Energieabgabe nieht wesentlich und in einem Sinne verändert. Die bei der Verbrennung des Alkohols frei gewordene Energie muss also vom Körper ausgenutzt worden sein. Ohne Alkoholzugabe wäre diese Energie geliefert worden von anderen Stoffen, die dann hätten verbrannt werden müssen. Durch den Alkohol sind diese vertreten und vor der Verbrennung geschützt, also gespart worden. Die Sparwirkung des Alkohols könnte sich nun erstrecken auf Eiweiss, Fett und Kohlehydrate. Bezüglich der Fette haben die Untersuchungen von Strassmann und von Atwater und Benedikt eine Sparwirkung des Alkohols erwiesen. Fine Alkoholzulage zu einer unzureichenden, zu Fettverlusten führenden Kost hebt den Fettverlust je nach der Menge des zugeführten Alkohols ganz oder zum Teil auf. Eine Alkoholzulage zu einer eben ausreichenden Kost ruft einen Fettansatz hervor, der der Alkohol- menge ungefähr kalorisch gleichwertig ist. Die Fettsparung ist ebenso gross, als wenn man statt des Alkohols eine kalorisch gleichwertige Menge Zucker einführt. Während die Sparwirkung des Alkohols für Fett und Kohlehydrate nicht mehr zweifelhaft sein konnte, war es dagegen lange Zeit strittig, ob der Alkohol auch ein Eiweissparer sei. Die älteren Untersucher, wie Mogilianski, Stammreich, Miura, Strom, Schmidt, Schöneseiffen kamen zu dem Schluss, dass Alkohol nicht eiweissparend, sondern zuweilen sogar eiweisschädigend wirke?). Die späteren Versuche von Atwater und Benedikt, Bjerre, Clopatt, Neumann, Offer, Rose- mann zeigten jedoch, dass dieses Resultat bedingt war durch zu kurze Versuchsdauer; bei genügend langer Fortsetzung des Versuchs tritt stets die Sparwirkung ein?). Die Energie des Alkohols kann also für Kohlehydrate, Fett und Eiweiss eintreten. Fraglich bleibt es nun noch, ob die Energie des Alkohols für alle Zwecke des Körpers verwertet werden kann. Für die Wärme- produktion kommt sie sicher zur Verwendung, denn jeder Stoff liefert bei der Oxydation Wärme. Liefert der Alkohol nun aber auch Arbeitsenergie, Muskelkraft? Ist der Muskel eine thermodynamische l)) 16€: 2) R. Rosemann, Der Einfluss des Alkohols auf den Eiweissstoffwechsel. Pflüger’s Arch. f. Physiol. Bd. 86 S. 307. 1901, Bd. 94 8. 557. 190°. - 30 4832 Karl Krieger: Maschine, wird in ihm chemische Energie in Wärme, und diese erst in Arbeitsenergie übergeführt, so muss der Alkohol eine vollwertige Arbeitsenergiequelle sein, wie die anderen Nahrungsmittel. Aus welcher Quelle die Wärme stammt,. sollte dann für ihre Umsetzung in Arbeit gleichgültig sein. Gewichtige Gründe machen es jedoch sehr unwahrscheinlich, dass die Muskelmaschine thermodynamisch arbeitet. Wahrscheinlich ist, dass die mechanische Energie der Muskelkontraktion direkt aus der chemischen Energie der ver- brennenden Stoffe ohne den Umweg über die Wärme stammt. Dann ist der Fall denkbar, dass der Alkohol zwar Eiweiss, Fett und Kohle- hydrate als Wärmequellen vertreten und dadurch diese Stoffe zur Lieferung von Muskelkraft freimachen kann, dass aber seine chemische Energie nicht im Muskel direkt in Arbeitsenergie übergeführt werden kann. Ob der Alkohol auch eine direkte Quelle der Muskelkraft ist, liesse sich nur dann einwandfrei experimentell untersuchen, wenn es gelänge, den Körper nur mit dem unentbehrlichen Eiweiss und mit Alkohol zu ernähren. Würde sich bei einer solchen Versuchs- anordnung ergeben, dass die Versuchsperson auf Grund dieser Er- nährung ceıhebliche Arbeit geleistet hätte, so könnte diese Arbeit eben nur auf Grund der Alkoholenergie geleistet worden sein. Eine derartige Versuchsanordnung ist aber wegen der toxischen Wirkung des Alkohols ausgeschlossen. Auf einen derartig strengen Nachweis werden wir daher für immer verzichten müssen. Versuche mit Alkoholdiät bei Muskelarbeit liegen bisher vor von Chauveau!) und von Atwater und Benedikt?). Die Ver- suche von Chauveau sind am Hunde angestellt. Sie sind mit den übrigen Versuchen, die am Menschen angestellt worden sind, nicht wohl vergleichbar und mögen daher hier unberücksichtigt bleiben. Von Atwater und Benedikt liegen drei Versuchsreihen®?) vor mit ausserordentlich genauen Bilanzen des gesamten Stoff- und Kraft- wechsels (Tabelle V). Die Versuchsdauer betrug in der ersten Versuchsreihe je vier Tage, in den beiden folgenden Reihen je drei Tage. Die Arbeit wurde am Ergometerzweirad ausgeführt und war zu leisten in den Versuchen mit Alkoholdiät sowohl als auch in den Versuchen mit alkoholfreier Diät, ebenso in den viertägigen Vor- 1) Comptes rendus t. 132 p. 65—70, 110—114. 2,1. 8) l. ec. "Versuche Nr. 11—12, 29—31, 32—34. Die Verwertung der Energie des Alkohols für die Muskelarbeit. 483 perioden. Sie war täglich der Zeit nach gleich, nicht der Menge nach; die Versuchspersonen arbeiteten eben den einen Tag intensiver als den anderen. Die Arbeitsdauer betrug 4 Stunden vormittags und 4 Stunden nachmittags. Die Kost war von mittlerem Eiweissgehalt und lieferte täglich 52—55 Cal. pro Kilogramm Körpergewicht; sie war für die zu leistende Arbeit nicht ganz ausreichend, denn sie führte zu Stickstofi- und Fettverlust. Ein Teil des Fettes oder der Kohlehydrate der alkoholfreien Periode wurde in der Alkoholperiode durch eine äquivalente Menge Alkohol (in sämtlichen Versuchen ca 72 g täglich) ersetzt, in Versuch 12 durch Alkohol und Fett. Die Fettverluste werden durch diesen Ersatz nicht wesentlich beeinflusst sie steigen und fallen bei Alkoholdiät wie bei alkoholfreier Diät mit dem Fehlbetrag an eingeführter Energie. Ebenso verhält es sich in Versuch 11 und 12 mit dem N-Verlust. Ganz anders aber, und zwar für den Alkohol ungünstig stellt sich die N-Bilanz in den beiden anderen Versuchsreihen dar; hier steist sogar der N-Verlust auch bei geringerem Energiefehlbetrag. Die Versuchsperson der ersten Versuchsreihe war an mässigen Alkoholgenuss gewöhnt, die der beiden anderen Versuchsreihen total abstinent. Wir haben wohl auch hier an den Einfluss der Gewöhnung zu denken, der, wie oben schon betont worden ist, sich aus Rosemann’s Versuchen ergab. Nach Rosemann’s Versuchen wäre zu erwarten gewesen, dass sich in den beiden letzten Versuchen bei längerer Versuchsdauer ebenfalls die N-Bilanz günstiger gestaltet haben würde. Man hätte so viel- leicht einen zweiten Abschnitt der Alkoholperiode erhalten können, der auch in der N-Bilanz der alkoholfreien Periode entsprochen hätte. Von Interesse wäre es auch gewesen, zu erfahren, wie sich die ge- saınte Bilanz in einer Arbeitsperiode gestaltet haben würde, in der man den Alkohol ohne Ersatz aus der Nahrung fortgelassen hätte. Die Alkoholdosis von 72 g täglich entsprach nicht an allen Tagen der am Ergometerzweirad zu leistenden Arbeit. Wenn man nämlich aus der am Ergometer gemessenen Arbeit durch Multiplikation mit drei die Zahl der dafür ungefähr erforderlichen Nahrungskalorien berechnet, so findet man, dass an den meisten Tagen der Energie- bedarf der Ergometerarbeit ausser durch Alkohol auch noch durch andere Nahrungsstoffe gedeckt werden musste. Aus Atwater’s und Benedikt’s Versuchen folst, dass der Körper die Enereie des Alkohols auch bei starker Muskelarbeit für seine Zwecke ausnutzt. allerdings nicht überall vollwertig dem 484 Camel IGreram@ıyg Kaloriengehalt entsprechend. Über die Frage, ob die Alkoholmenge nun gerade für die Muskelarbeit benutzbar ist, äussern sich Atwater und Benedikt folgendermaassen: „Dass der Alkohol seinen Enersie- vorrat für Muskelarbeit verwendet, ist eine natürliche Hypothese und sehr wahrscheinlich, aber nicht absolut bewiesen. Die Hypothese dass die Alkoholenergie nicht so benutzt worden sei, kann aus einer in diesen Experimenten beobachteten Tatsache nicht gefolgert werden.“ Auf Veranlassung von Professor Rosemann habe ich an mir selbst einen Versuch ausgeführt, bei dem besonders auf eine längere Beobachtung der N-Bilanz Wert gelegt werden sollte. Mein Ver- suchsplan war folgender. Eine Grundkost reicht bei gewissem auszuprobierenden Kaloriengehalt knapp aus für die gewöhnliche, leichte Tätigkeit. Bei Erhöhung der täglichen Arbeit um ein gleichbleibendes beträchtliches Maass, und zwar ohne gleichzeitige Erhöhung dertäglichen Nahrung, wird nun ein täglicher Verlust an Körpermaterial, also auch ein N-Verlust ein- treten. Wie wird sich die N-Bilanz einstellen, wenn zu der Grund- kost eine der Arbeitsvermehrung möglichst genau entsprechende Alkoholdosis gegeben wird. Wenn durch eine berechnete, ge- rade zur Zeit der Arbeit zur Verfügung stehende Alkoholzulage der durch die Arbeitszulage verursachte Energiemehr- bedarf gedeckt wird, so dass keine Abgabe von Körpermaterial, also auch kein N-Verlust eintritt, so gewinnt dadurch die Annahme Atwater’s und Benedikt’s sehr an Wahrscheinlichkeit, dass die Alkoholenergie für die Muskelarbeit Verwendung findet. Da ich vor dem Versuch lange Zeit keinen Alkohol genossen hatte, war viel- leicht zunächst eine verhältnismässig für den Alkohol ungünstige N-Bilanz zu erwarten, wie in den Versuchen Atwater’s und Benedikt’s an dem: Abstinenten; durch längere Versuchsdauer konnte dann vielleicht die N-Bilanz zugunsten des Alkohols um- schlagen und dadurch bewiesen werden, dass der Grund der ein- ander widersprechenden Ergebnisse der N-Bilanzen bei Atwater und Benedikt in der vorhandenen oder fehlenden Gewöhnung an den Alkohol zu suchen war. Die Alkoholperiode sollte dem- nach über eine bedeutend längere Zeit ausgedehnt werden. Eine Bilanz des gesamten Stoff- und Energiewechsels aufzustellen, war mit den mir zur Verfügung stehenden Mitteln nicht möglich ; ich habe mich daher mit einer möglichst exakten, während längerer Zeit beobachteten N-Bilanz begnügt. Da mit jedem Ansatz von Die Verwertung der Energie des Alkohols für die Muskelarbeit. 485 Körpermaterial auch ein Ansatz von Stickstoff, mit jeder Einschmelzung von Material eine Abgabe von Stickstoff verbunden ist, so konnte schon die Stickstoffbilanz über die Stoffwechselvorgänge für unseren Zweck genügenden Aufschluss geben. Es waren aus mehreren Gründen Vorversuche notwendig: 1. Die passende Nahrungsmenge sollte festgestellt werden. Die Nahrung sollte für die gewöhnliche Tätigkeit gerade eben ausreichend oder sogar ein wenig zu gering sein, so dass bei Steigerung der Arheit sofort ein erheblicher Stickstoffverlust eintreten musste. Die Grösse der bei gewöhnlicher Laboratoriumstätickeit geleisteten Arbeit lässt sich aber nicht so genau taxieren, dass man die erforderliche Nahrungsmenge nach den bekannten Standardwerten schätzen könnte, abgesehen von der individuellen Verschiedenheit der Energieanforderung. 2. Es sollte weiter ausprobiert werden, in welcher Weise die Arbeit am besten zu leisten wäre. Meine Absicht war, eine recht beträchtliche Arbeitszulage zu der täglienen gewöhnlichen Arbeits- leistung hinzuzufügen. Die Arbeit sollte auch wenigstens annähernd ihrer Grösse nach zu schätzen sein. Jedenfalls sollte die Wirkung der Arbeit ein deutlicher Stickstoffverlust sein. Tabellen. I. Ausnutzung des Alkohols nach Atwater und Benedikt. (Mittel aus 135 Versuchen.) Eingeführter Alkohol in 24 Stunden. . . . 12,8 Destillierbare oxydierbare Substanz in den Ausscheidungen: a) beisden Alkoholversuchkena nr 2 2.2 2. 2.20.0202 2:16 b)zohner Alkoholzugabe nme nenn 3 AnsoeschiedenenAlkoholes. er re une anee Ümeesetzte alkohol ee ee ee td ÜUmgesepzteneAälkohol 2. ae nn. 2.0 98,200. II. Ausnutzung des Alkohols nach Völtz und Baudrexel. 1 Dosis pro Tag u. Konzentration Zeit der Nicht ausgenutzter Kilogr. Körpergew. der Lösung Gewöhnung Alkohol 3 cem | 9,84 %/o | — | 10—12 %0 Dre 9,84 %o 10—12 Tage 8,93 °/o 3 50.0 _ 4,0 %o 3 80° %o ? 2,700 - 0,75—1, 15 cem 9,84% — 2,6—4,3 %o 0,2 —1,l5 „ 9,84 %/0 3 Wochen 0,7 %0 II. Tägliche C-Ausscheidung in der Atmung. | Nach Bjerre Nach Clopatt Oboe Ale a0 0. 204,39 | 198,69 Mit Alkohol 212,61 | 206.92 486 Karl Krieger: IV. Kohlenstoffausscheidung in der Atmung und : ee Tägliche Versuch Alkohol? Zaaleher Energieabgabe Nr. Respirations-O cal. 9 ohne 223,6 2309 10 mit . 214,9 2283 11 ohne 372,6 3932 12 mit 344,7 3927 24 ohne 230,9 2212 22 mit 207,8 2258 Tabelle V. Atwarter Va. Versuche Nr. 11 und 12. Nin Fett | Ko | Ede u N : hydrat in : N- Fett- r. der | in der | ;„, der der Nah-| gabeim Bil bil Nahrung Nahrung Nahrung rung!) | Harn N 22.—23. März | 19,8 1291 | 4846 | — 17,5. | + 01207 73195 23.—24. „ 19,3 129,1 ı 446 — 171 +05 | —414 } 24.—25. „ 19,8 129,1 | 484,6 E= 18,3 | —0,7 | — 50,5 | 22-26. „ 198 | 129,1 | 484,6 ee le = insgesamt. . — | == =. — 1,9 |—- 159,1 pro die. . — = = — — 0 a [ 12.—13. April | 19,3 158,5 |, 296,1 72,4 | 179 2000 12 13.—14. „ 19,3 158,5 | 296,1 72,4 213 |, —32 | — 39,0 \ 14.—15. „ 19,3 158,5 996,1 72,4 15,9 | +2,1 | — 32,9 | 15.—16. „ 19,3 158,5 | 296,1 | 72,4 17,7 1 +04 | — 184 insgesamt . . | — _ — — 98 pro die. .- a = —.| — —0,15 | — 32,2 Vb. Versuche Nr. 29--31. sö]| 16.—17. März | 16,0 106,0 | 470,7 _ 154 | —0,8 | — 30,5 17.—18. „ 16,0 106,0 , 470,7 — 16,3 | —10 |, — 80 18.—19. „ 16,0 106,0 | 4707 | — 162 | —1L1 | — 323,9 insgesamt. . — me | — — —24 —114 prordiese. — — — — —0,8 | — 23,8 19.—20. März | 15,9 104,2 | 340,9 72,0 16,8 | —16 | — 26,4 3041| 20.—21. „ 15,9 194,2 | 340,9 72,0 180 | —2,8 | — 9,6 21.—22. „ | 15,9 1042 | 340,9 72,0 171 | —19 | — 15,1 | insgesamt. . — — — — = | 5l,l pro die. — — — — 2,1 — 17,0 22.—23. März | 16,1 160,8 | 342,7 —_ 16,3 | —10 | — 101 3ll| 23.—24. „ 16,1 160,8 | 342,7 Z— 154 | —02 | — 173 24.—25. „ 16,1 160,3 | 342,7 — | 15,2 +01 17201 insgesamt. . — ._ — — u — 1,1 — 47,5 piondier > E — -— —— — — 0,3 | 15,9 1) Alkoholmischung: Alkohols. 72!/g g Alkohol, 50 g Zucker, 8071/2 g Kafteeaufguss. 3) Arbeit in allen Versuchen 4 Stunden vormittags und 4 Stunden Die Verwertung der Energie des Alkohols für die Muskelarbeit. Energieabgabe nach Atwater und Benedikt. 487 Versuch | Alkohol? Nr. 96 ohne 98 ohne 97 mit 29 ohne 5 ohne 30 mit 39 ohne 34 ohne 98 mit und Benedikt’s Versuche. Va. Versuche Nr. 11 und 12. Täglicher Respirations-C | 196,1 210,7 198,3 334,9 315,8 316,5 325,6 345,4 | Tägliche | Energieabgabe cal. 2085 2079 2123 3589 3420 3470 3969 3978 3632 Energie- einnahme Cal.?) 3502 3501 3525 s5ll Energie- ausgabe Cal. 3473 3911 4054 4288 Gemes- sene Arbeit Cal.?) 158 171 - 174 243 746 187 204 211 193 193 801 200 vb. 270 239 256 165 255 243 252 252 147 249 260 250 237 Energie- bilanz Cal. + 29 — 410 | — 529 — 177 — 1687 — 42 — 331 — 494 — 234 — 194 — 1253 — 313 Bemerkungen Alkohol ersetzt Versuch Nr. 29-31. — 409 — 170 — 409 — 988 — 929 — 370 — 202 — 213 — 185 — 262 — 157 —.192 — 141 — 435 — 145 Grundkost + Alkohol Grundkost + Fett Versuchsperson J. F. S., 64/2 kg Versuchsperson E. O., 71 ke Nahrung ca. 55 Cal. pro Kilogr. Gewicht Kohlehydrate erniedrigt, durch Fett und Grundkost (16 g N, 106 g Fett, 340 g Kohlehydrate) + Kohlehydrate 52,5 Cal. Nahrung pro Kilogr. Gewicht 2) Cal. der Nahrung minus Cal. der Fäces, des Urins und des eliminierten nachmittags am Ergometerzweirad. 488 Karl Krieger: Vc. Versuche Nr. 32—34. ; Kohle- 5 2 5 N in Fett hydrat Alkohol N-Aus- N- Fett- Nr. der in der | in der | in der |gabeim Bil Nahrung Nahrung Nahrung Nahrung) Harn nanz man 20.1. Apeil | 61 | 1506 3539| Es er 3241 21.—22. „ 161 | 191,6.7353,9 1 15,3 —0,3 | — 42,3 | 22-23. » 16,1 (91.62 29593.90 20 15,6.) insgesamt . . er — | = Zend | AT prordien se — | —- — — —0(,8 | — 34,9 | 23.—24. April | 16,0 99,3 255,0 12,0 16,7 — 1,9 | — 33,8 330] 24.—25. „ 16,0 | 993 335,0 | 72,0 17,6 — 2,8 | — 31,5 25.—26. „ 16,0 99,3 355,0 72,0 7 —2,9 | — 43,9 | insgesamt . — _ — — — 1,6 | —115,2 pro die. — | 0 — —_— | — — 2,3 | — 38,4 f 26.— 27. April 16,0 993 | 9 _ 17,4 — 2,6 | — 23,7 3441 27.—28. , 16,0 ee | Zur) — 163 —15 | —43,2 | 28.—29. „ - 16,0 99,3 477,9 — | .164 — 16 — 38,0 insgesamt . — —_ | 5,7 104,9 pro die. — — = — — ra Eigene Versuche. Kontrolle der Stickstoffeinnahme und -ausgabe. Schieres Ochsenfleisch und Wurst bildeten den weitaus grössten Teil der Eiweissnahrung. Das Ochsenfleisch wurde stets in grösserer Menge ein- gekauft, von Sehnen, Fett, Bindegewebe usw. befreit und zweimal dureh eine Fleischhackmaschine getrieben, dann nochmals gemischt, so dass ein durchaus gleichmässiger Fleischbrei resultierte. Diesem Fleischbrei wurden sofort an verschiedenen Stellen Proben eut- nommen, in vorher gewogene Stanniolblätter gewickelt, gewogen und zur Untersuchung verwandt. Der Fleischbrei wurde auf einer feinen Wage in Portionen zu je 300 & in gläserne, mit Gummiringen und Glasdeckel verschliessbare Büchsen gewogen und sterilisiert. Das Fleisch hielt sich so selbst während der heissen Jahreszeit aus- gezeichnet. Wie die Einzelbestimmungen zeigen, war die Zusammen- setzung sehr gleichmässig.. Die grösste Abweichung vom Mittel betrug nur 0,037°/o N, beim Hauptversuch nur 0,017 °/o N. Die Tagesportion wurde mittags der Büchse quantitativ entnommen, mit 2 & Kochsalz versetzt und erwärmt. Dann wurde, mit Ausnahme des ersten Versuchs, Suppenwürze zugesetzt. Dieses Fleischgericht Die Verwertung der Energie des Alkohols für die Muskelarbeit. 489 Vc. Versuche Nr. 32 TS; Enersie- | Energie- Geue; Energie- ; | SEE Be ) 3B einnahme ausgabe | bilanz Bemerkungen a ca N a ca. 3216 3253 127 | — 3 Grundkost (16 & N, 99 & Fett, ) 3233 | 8ool 13 | —313 399 8 le En "Fett 3229 3889 2 001660 | 5 = — — |.5887 | — 1015 "= — — 196 — 338 an 323 3609 169 — 378 | Grundkost + Alkohol Zen 3227 624 203 | — 39 ER 3223 3664 220 — 441 <> Ä _—— | = _ — 2.020992 — 1216 a5 — — 2 1977|, 20405 = | | o2R 3236 | 3568 236 ' —332 | Grundkost + Kohlehydrate IE 323 | 3632 |- 255 | —389 = 3244 Se el | = = zB 750 | —1037 | Versuchsperson J. F. S., 66,5 kg | — — 250 — 346 | Nahrung: ca. 52 Cal. pro Kilo- | gramm Körpergewicht wurde selbst nach 30 Versuchstagen noch ohne Widerwillen ge- gessen. Die Wurst war aus ganz fein zerkleinertem Fleisch bestehende Zervelatwurst, stets von demselben Lieferanten bezogen. Die Proben zur Analyse wurden an verschiedenen Stellen der Wurst entnommen. Die grösste Abweichung vom Mittel betrug 0,075°0 N, beim Haupt- versuch nur 0,040 °/o N. Von Brot kam, mit Ausnahme von zwei Broten (VIII und XI . des Hauptversuchs), stets dieselbe Brotsorte zur Verwendung. Die Proben zur Analyse, an verschiedenen Stellen dem Brot entnommen, gaben bei demselben .Brot gut übereinstimmende Resultate. Die grösste vorgekommene Abweichung vom Mittel betrug 0,015 %0 N. Die Kruste des Brotes wurde vor dem Gebrauch und vor der Analyse entfernt. Die Butter war, mit einer Ausnahme, Butter von derselben Molkerei. Die grösste Abweichung vom Mittel betrug nur 5 mg N für die Tagesdosis. Der Kakao war in den beiden Vorversuchen der gleiche. Im Hauptversuch wurde eine 500-g Büchse Stollwerks Adlerkakao ge- braucht. Die Abweichung der Einzelbestimmungen vom Mittel betrug 490 Karl Krieger: höchstens 0,015 °/0 N. Die Tagesmenge von 20 g resp. 15 g wurde morgens mit der gleichen Menge Zucker und 250 g Wasser genossen. Der Tee war für alle Versuche der gleiche. Die Tagesmenge von 5 g wurde abends mit "/s Liter vorher zum Sieden erhitztem Wasser 2 Minuten lang ausgezogen. Die Analyse der Teerückstände ergab, dass bei dieser Bereitungsweise eine ziemlich konstante Menge N in den Auszug überging, und zwar nur ein sehr: kleiner Teil des Gesamtstiekstoffs der Blätter. Die grösste Abweichung vom Mittel, die jedoch nur in einem Falle von zehn sich in dieser Höhe zeigte, machte 0,014 g N pro die aus und betrug in allen übrigen Be- stimmungen nicht mehr als die Hälfte. Die Suppenwürze war in allen Versuchen dieselbe Ein Teil des Vorrats befand sich in einem Patenttropfglas und kam aus diesem zur Verwendung. Die Einzelbestimmungen weichen nur ganz minimal voneinander ab. | Der Zucker kann als stiekstofffrei angesehen werden. An Wasser wurde pro Tag 1!/s Liter verbraucht einschliesslich des Wassers für Tee und Kakao, bei Vorversuch II 1?/s Liter. Während der Weinperiode des Hauptversuchs wurden 500 eem Wasser weniger aufgenommen. Der Wein des Hauptversuchs war Rüdesheimer. Bei den einzelnen Stickstoftbestimmungen zeigte sich keine Abweichung. Der Harn wurde von 7 Uhr morgens des einen Tages bis 7 Uhr morgens des folgenden Tages gesammelt, beim Hauptversuch von S—8 Uhr. Gerade vor 7 resp. 8 Uhr wurde nochmals die Blase möglichst vollständig entleert. Die grösste Abweichung der Bestimmung vom Mittel betrug 0,055 g N pro die. Die Fäces wurden vom ganzen Versuch oder von den einzelnen Perioden gesammelt, getrocknet, möglichst fein gepulvert und in dem Pulver der Stickstoffzehalt festgestellt. Der Gesamtstiekstoff wurde dann auf die einzelnen Tage verteilt. Die Trennung der Fäces der einzelnen Perioden mit gepulverter Pflanzenkohle, die im Vorversuch II versuchsweise angewandt wurde, war durchaus scharf und wurde im Hauptversuch beibehalten. Die grösste Ab- weichung der Einzelbestimmungen vom Mittel betrug 0,0570 N. Die Defäkation erfolgte regelmässig alle 11/’.—2 Tage. Der höchstens anzunehmende Fehler der N-Bilanz, der jedoch nur dann eintreten könnte, wenn sich sämtliche Abweichungen nach einer Richtung hin, der positiven oder negativen, summierten, Die Verwertung der Energie des Alkohols für die Muskelarbeit. 491 ist für jeden Versuch aus der letzten Tabelle der zugehörigen ana- Iytischen Belege ersichtlich und beträgt für Vorversuche [E22 0233882. N prordie, & ee Brei Blaupwversuch ge ae Da diese Fehlererenze auf Grund der grössten vorgekoinmenen Abweichungen berechnet ist, und da ausserdem die Fehler sich zum Teil gegenseitig kompensieren, so dürfte wohl der tatsächliche Fehler äusserst minimal sein. Die Versuche. Vorversuch I. Vom 19.—30. Mai 1911. Körpergewicht 52 kg nach Abzug des Gewichtes der Kleidung, nüchtern und nach möglichster Entleerung des Darmes und der Blase. Die tägliche Nahrung bestand aus: Morgens| Mittags | Abends Pro die N Bett . Pole: | | | hydrat SS g 8 g 8 8 | Hleischh 20.200: — | 300 = 300 10,8 = — Wurst 2... En 40 40 1,6 20 Brote %.5r208, 100 100 100 300 4,0 — 150 Butter ar 30 30 30 % 0,1 75 — Tucker 20 n= 20 40 — — 40 eo e er. _ —_ | | 5 02 | — — Kakao ea 20 = le 0,6 -| 5 3 | 173 g N=ca. 108 g Eiweiss | 1° | 190° | 198 Bei diesem wie in den folgenden Versuchen sind die eingesetzten Werte für Stickstoff Mittelwerte der selbst ausgeführten Analysen, die Werte für Fett und Kohlehydrate Mittelwerte nach König'). Der Kaloriengehalt wurde nach folgenden Standardwerten berechnet: 100 & Eiweiss (N, 10025. Kohlehydrater »2°°. — 4102, Kalorien der Nahrung demnach: 108 g Eiweiss . . . 4483 00 Bett .5....,95072164. 193 „ Kohlehydrate . 791 Auf 1 kg Körpergewicht entfallen 41,6 Cal. 1) J. König, Chemie der menschlichen Nahrungs- und Genussmittel, 4. Aufl., Bd. 2. Berlin 1904. 492 Karl Krieger: Die gewöhnliche Beschäftigung bestand aus leichter Laboratoriums- tätigkeit.. Am 25. Mai, dem siebenten Versuchstag, wurde eine be- sondere Arbeit eingeschaltet. Sie bestand aus einer Radtour von 65 km. Die Tour wurde begonnen um 10 Uhr vormittags und be- endet um 4 Uhr nachmittags. Mittags um 1 Uhr wurde 1 Stunde Pause gemacht zur Einnahme des Mittagbrotes. Am Ende der Tour war ziemlich starke Ermüdung eingetreten. In allen Versuchen wurde die Arbeit so ausgeführt, dass keine merkliche Atemnot eintrat, weil dadurch eventuell Störungen des Versuchs hätten herbeigeführt werden können. N-Bilanz von Vorversuch I. Dat N in der |Harn-| N im Kotmenge N im | N-Aus- N- Be- am Nahrung naso2e Harn (trocken) | Kot gabe Bilanz | merkungen | | 19. Mai. . . | 17,224 | 755 | 12,397 | 29,545 | 1,682) 14,029) + 3,125 202 Main 2 21 10,2242129257 2215,125 | 29,545 | 1,682 , 16,807 | + 0,417 21. Mai... . | 17,154 | 865 | 15,250 | 29,545 | 1,682 | 16,932 | + 0,222 22. Mai. . ..| 17,014 | 825 | 14,360 | 29,545 | 1,682 | 16,042 I + 0,972 Mittel 23. Mai. ...| 17,014 | 940 | 15,818 | 29,545 1,682 | 17,500 | — 0,486 + 0,242 24. Mai. . .| 17,018 | 950 | 15,002 | 29,545 | 1,682 | 16,684 | -t 0,334 254 Maier 21 21,02421277802 224,109 | 29,545 | 1,682 | 15,791 | + 1,233 | Arbeitstag 26. Mai. . ..| 17,024 | 615 | 14,925.| 29,545 | 1,652 | 16,605 | + 0,419 27. Mai. . . | 17,090 | 730 | 15,044 | 29,545 1,652 | 16,726 | + 0,364 28. Mai. . . | 17,090 | 750 | 15,869 ı 29,545 | 1,682 | 17,551 | — 0,461 Mittel 29. Mai. .. . | 140907} 840 3,877 | 29,545 | 1,682 | 17,559 | + 1,431 + 0,485 Summe vom | b | on Ir 7 0. Mai an \170,742 | — 149,377 Et 16,520 | 166,197 | + 4,545 Der erste Versuchstag, der noch ganz unter dem Einfluss der früheren Nahrung stand, muss bei der Besprechung ausscheiden, Die Zahlen vom 22.—23. Mai und vom 28.—29. Mai sind auffallend, indem an einem Tage die N-Ausscheidung auffallend niedrig ist, scheinbar einem N-Ansatz entsprechend, am nächsten Tage dasegen erhöht, scheinbar einen N-Verlust anzeigend, oder in umgekehrter Folge. Auch in meinen späteren Versuchen tritt gelegentlich die gleiche Erscheinung auf; sie ist auch von anderen, so besonders von Atwater und Benedikt beobachtet worden. Sicherlich handelt es sich dabei nicht wirklich um N-Ansatz und N-Verlust, sondern um Retentions- und Auslaugungserscheinungen. Vielleicht sind diese durch psychische Momente mit bedingt. Die Mittelbestimmung aus solchen Tagen erscheint berechtigt, um so mehr, da der Mittelwert sich in beiden Fällen gut mit den Werten der angrenzenden Tage Die Verwertung der Energie des Alkohols für die Muskelarbeit. 493 deckt. Im übrigen zeigt die Bilanz eine gleichmässige schwach positive Tendenz. Es wäre demnach, da die Nahrung offenbar zu reichlich war, nicht zu verwundern gewesen, wenn der Arbeitstag keinen Stickstoffverlust gebracht hätte. Auffällig ist es jedoch, dass an dem Arbeitstage sogar ein recht erheblicher Stickstoffansatz statt- findet. Vielleicht ist der Ansatz zum Teil nur ein scheinbarer. An dem Tage herrschte eine grosse Hitze. Es wurde nun zwar darauf geachtet, bei mässig schneller Fahrt das Schwitzen möglichst zu verhindern, doch gelang das nicht vollständig. So dürfte wohl an diesem Tage eine erheblichere Menge Stickstoff durch die Haut in Form von Schweiss ausgeschieden und der Berechnung entzogen worden sein. Von der etwa möglichen Grösse dieses Anteils kann man sich ein Bild machen nach den Ergebnissen der Versuche von Argutinsky!), über die Stiekstoffausscheidung im Schweiss. Er fand an Stickstoff im Schweiss: 1. bei einem siebenstündigen Spaziergang bei 1000 m Steigarbeit und bei ziemlich starkem Schwitzen 0,759 g N; 2. bei einem siebenstündigen Spaziergang bei 1300 m Steigarbeit und bei mässigem Schwitzen 0,753 g N; 3. bei einem siebenstündigen Spaziergang bei geringem Schwitzen und bei 1600 m Steigarbeit 0,375 g N; 4. bei einem vierstündigen Spaziergang bei 1300 m Steigarbeit und bei geringem Schwitzen 0,219 e N. Die N-Menge des ersten Argutinsky’schen Versuches kann bei meiner nur fünfstündigen Tour und bei nur sehr mässigem Schweiss kaum erreicht worden sein. Es muss demnach am Arbeits- tage immer noch ein Stickstoffansatz von mehr als 0,5 g, also etwas höher als an den vorhergehenden und an den nachfolgenden Tagen, stattgefunden haben. Der Grund des Ansatzes dürfte wohl in einer Arbeitszunahme der Muskeln zu suchen sein. Die Muskulatur war nicht mehr an die Arbeit gewöhnt und wurde plötzlich stark in Anspruch genommen. Dabei kann die hypertrophierende Muskulatur trotz Verlustes von Fett und Kohlehydraten vom Körper noch N angesetzt haben. Die N-Bilanz dieses Versuches zeigt, dass die Nahrung verringert werden muss. Es war also ein neuer Vorversuch notwendig. 1) P. Argutinsky, Versuche über die Stickstoffausscheidung durch den Schweiss bei gesteigerter Schweissabsonderung. Pflüger’s Arch. f. Physiol. Bd. 46 S. 594. 1890. 494 Karl Krieger: Vorversuch Il. Vom 15.—26. Juni 1911. Körpergewicht 52 kg, nüchtern, nach Abzug der Kleidung und mögliehster Entleerung des Darmes und der Blase. Die Nahrung pro Tag bestand bei diesem Versuch aus: Morgens! Mittags | Abends Prodel N | Fett | Kohle, | | hydrate g 8 ga B g g © Bleische = 500 m 300 | 10,8 = Wurst. Men. == — | 50 90 2,0 25 — Brot a. 100°, 100 ı 100 300 4,0 — 150 Butter 20 201 290 60 0,05 50 — Zucker. 30, 100 020 Ei) 25 = _ 25 Bee ze ln 5 0,2 = Kakao: wı | = 15 0,45 4 2 Suppenwürze. . . | — _4Tr. | — |4Tr.| 006 | — — 17,5gN= ca. 100 g Eiweiss | 17,5 79 177 Kalonienzahken 22 02 447 135 126 Kalorien inseesamrea a7: rn 1908 pro Kilogramm Körpergewicht ca... 36,7 ” Die Fäces wurden nach 4 Tagen versuchsweise mit Pflanzen- kohle abgegrenzt; es ergab sich, dass die Pflanzenkohle eine durchaus scharfe Abgrenzung bewirkt. Die Arbeitsleistung des Körpers wurde an 2 Tagen erhöht, nämlich am 20. und 21. Juni. Sie bestand am ersten Tage ausser der gewöhnlichen Laboratoriumstätigkeit in zwei je einstündigen, möglichst anhaltend fortgesetzten Freiübungen (Beugen und Strecken der Arme, der Beine und des Rumpfes), und zwar nachmittags und abends, am zweiten Tage in einstündigen Freiübungen am Morgen und in einer nachmittags um 3 Uhr begonnenen, um 81/2 Uhr be- endeten Radtour von 65 km. Während der Tour wurde !/e Stunde Pause gemacht. Bei den Freiübungen wurde darauf geachtet, mög- lichst an beiden Tagen in gleichgrossen Zeitabschnitten gleich viele und gleichartige Übungen vorzunehmen. Diese Übungen waren ausserordentlich ermüdend und führten auch in Verbindung mit der Radtour einen deutlichen Stickstoffverlust herbei. Beim Haupt- versuch wurden sie jedoch fallen gelassen, weil die Grösse der dabei geleisteten Arbeit auch nicht annähernd zu schätzen war. Die Rad- tour des zweiten Versuches war beschwerlicher als die des ersten, weil sie bei Gegenwind ausgeführt wurde. Um den Einfluss des Die Verwertung der Energie des Alkohols für die Muskelarbeit.e. 495 Windes mögliehst aufzuheben, wurden die Touren späterhin auf dem- selben Wege hin und zurück gemacht. Stickstoffbilanz von Vorversuch II. T Harn- N im Kotmenge N im | N-Aus- Datum N in der | "N- - Be- Nahrung |menge | Harn |(trocken)| Kot gabe Bilanz | merkungen 15. Juni. . . |; 17,318 | 1480 | 18,551 27,5 1,768 20,319 = 3,001 Mittel 16. Juni. . .| 17,318 | 1130 | 15,462 27,5 1,768 17,230 | + 0,088 \ — 1,457 7. Juni. . .| 17,266 890 | 16,522 27,5 1,768 18,290 | — 1,024 18. Juni. . .| 17,162 | 1110 | 16,348 27,9 1,763 18,116 | — 0,954 19, Juni. . .| 17162 | 1140 | 16,205 26,0 1,947 18,152 | — 0,990 eoeguni. . „|. 17,288 1120| 16,251 26,071 1,947 18,198 | — 0,910 | Arbeit 21. Juni... .| 17,351 | 1620 16,087 26,0 | 1,947 18,034 | — 0,683 | Arbeit 22 Juni. . .ı 1n,3ol 835 | 17,161 26,0 1,947 19,108 | — 1,757 23. Juni. . .| 17,558 | 1400 | 16,712 26,0 1,947 18,659 | — 1,101 94. Juni. . .| 17,58 | 1300 | 16,635 26,0 1,947 18,582 | — 1,024 25. Juni. . .| 17558 [| 1145 | 16,393 26,0 | 1,947 15,340 | — 0,782 Summe vom = | c en N | | = a —. | 165,479 | — 9,225 Am ersten Tage dieses Versuchs ist der starke Stickstoffansatz, wie er sich am ersten Tage des ersten Vorversuchs und ebenso des Hauptversuchs bemerkbar macht, scheinbar ausgeblieben. Dazu ist jedoch zu bemerken, dass beim zweiten Vorversuch die Versuchskost schon einen Tag eingenommen worden war, bevor mit der Kontrolle des Versuchs begonnen wurde. In der Bilanz sind die beiden ersten Tage offenbar zusammengehörig. Weiter bleibt die Bilanz mit etwa — 0,1 g N pro die negativ. An den beiden Arbeitstagen tritt eine kleine Verminderung des N-Verlustes ein, dafür aber am folgenden Ruhetage eine sehr erhebliche Steigerung. Im ganzen ist jedoch der N-Verlust als Folge der Arbeit noch verhältnismässig klein; deshalb wurde die Nahrung im Hauptversuch noch etwas kalorien- ärmer gemacht und vor allen Dingen die Arbeit auf einen längeren Zeitraum ausgedehnt. An den drei letzten Versuchstagen geht der N-Verlust allmählich auf das gewöhnliche Mass zurück. Hauptversuch. Vom 20. November bis 21. Dezember 1911. Körpergewicht 53 kg, nüchtern, nach Abzug der Kleidung und nach möglichster Entleerung des Darmes und der Blase. Die Nahrung pro Tag bestand aus: Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd. 181. 9: > I) 496 Karl Krieger: Morgens Mittags | Abends | Pro die N’ Fett a 8 8 g se g g Bleischer a: _ 300 — 300 10,8 — —_ Murstas een 40 40 1,6 20 — Brote rar 100 100 100 300 4,0 — 150 Butter... 2. 20 20 20 60 0,05 90 — Zuckener ee 15 —_ 10 25 —_ — 25 Tees an er — — 5 5 0,2 — — Kakao & 15 _ — 15 0,5 4 2 Suppenwürze — 60T. | — 60Tr. 0,1 — —_ 17,2g N= 107,5 g Eiweiss 17,2 74 177 Kalorienzahl ca... ... - 441 688 726 Kalorien insgesamt ca. . . . ae 1005 ei pro Kilogramm Körpergewicht ea. BB) Der Versuch wurde in fünf Perioden eingeteilt: 1. Vorperiode, 5 Tage, Einstellung des Körpers auf die Versuchs- kost, leichte Arbeit; 2. Arbeitsperiode ohne Alkohol, 9 Tage, Versuchskost wie vorher, Arbeitsleistung um 50 km Radtour täglich vermehrt; 3. Zwischenperiode, 4 mes, Kost und Arbeitsleistung wie in der Vorperiode; 4. Arbeitsperiode mit Alkohol, 9 Tage, Arbeitsleistung wie in der zweiten Periode, Kost um 1600 eem Wein täglich vermehrt; 5. Nachperiode, Kost und Arbeitsleistung wie in der Vorperiode. Die Radtour der Arbeitsperiode, 50 km pro die, wurde auf demselben Wege hin und zurück ausgeführt, um etwaige wesentliche Änderungen der Arbeitsleistung durch Gegenwind oder geringe Steigungen zu verhindern. Das Gelände war fast völlig eben. Es wurde darauf geachtet, die Atemtätigkeit durchaus nicht zu forcieren. In der Arbeitsperiode mit Alkohol sollte die für die Mehrarbeit der Radtour erforderliche Energie durch Alkohol aufgebracht werden. Nach L. Zuntz!) verbraucht der Radfahrer pro Kilogramm Körper- gewicht und pro Kilometer Weg bei mittlerer Geschwindigkeit halb soviel Energie wie der Fussgänger. Nach N. Zuntz?) müssen 1) L. Zuntz, Untersuchungen über den Gaswechsel und den Energie- umsatz des Radfahrers. Pflüger’s Arch. f. Physiol. Bd. 70 S. 346. 1898. 2) N. Zuntz, Zeitschr. f. diätet. und physik. Therapie Bd. 5 S. 101. 1902. Die Verwertung der Energie des Alkohols für die Muskelarbeite 497 dem Fussgänger bei mittlerer Geschwindigkeit pro Kilogramm Körper- gewicht und pro Kilometer Weg 0,55 Kal. zugeführt werden; für Radfahren wären also 0,275 Kal. in Rechnung zu setzen. Die er- forderliche Energie würde demnach für 50 km Tour und für 53. kg Körpergewicht 50 X 53 X 0,275 — 728,8 Kal. betragen. Da 100 g Alkohol 700 Kal. liefern, so würde diese Energie durch 104,1 g Alkohol aufgebracht werden. Der Wein enthielt 6,56 °o, das Tages- quantum, 1600 eem, also 104,96 g Alkohol. Um 8 Uhr morgens wurde die erste Mahlzeit eingenommen. 2 Stunden später wurde die Tour begonnen zugleich mit dem Alkoholgenuss. In knapp 1!/e Stunden wurden 20 km Weg zurückgelegt und 500 eem Wein getrunken. Nach Einnahme der Mittagsmahlzeit um 1 Uhr wurden Arbeit und Alkoholeinnahme in derselben Weise fortgesetzt. Der Rest der Tour, 10 km, wurde abends nach der um 8 Uhr ein- genommenen Mahlzeit unter Zugabe von 250 cem Wein zurückgelegt. Nach der Tour wurde der Rest des Weines, 350 ecm, genossen. Das Alkoholquantum wurde absichtlich über den ganzen Tag verteilt. Die ziemlich beträchtliche Alkoholmenge würde sonst sicher Rausch hervorgerufen haben. Ausserdem wäre, da der Alkohol im Körper ziemlich schnell verbrennt, die Alkoholenergie nicht gleichmässig, sondern stossweise zur Entfaltung gekommen. Wegen der schnellen Verbrennung wurde der Alkohol auch gerade während der Arbeit aufgenommen, um so seine Energie während der Arbeit zur Wirkung kommen zu lassen. Das Allgemeinbefinden während der Alkohol- periode war, abgesehen von geringen, durch die Säure des Weines verursachten Magenbeschwerden in den ersten Tagen, recht gut. Das subjektive Befinden war bedeutend besser als in den alkohol- freien Arbeitstagen; eine grössere Munterkeit und ein stärkerer Trieb zu körperlicher Betätigung waren die Folge des Weingenusses. Das Gefühl der Ermüdung trat weder schneller noch stärker ein als an den Arbeitstagen ohne Alkohol. Irgendwelche Rauscherscheinungen wurden nicht beobachtet. Die Fäces der einzelnen Perioden wurden mit Kohle abgegrenzt. 33 * 498 Karl Krieger: N-Bilanz des Hauptversuchs. N | Kot- Harn- N im e N N-Aus- | N- Be- Datum ad MEET Re im Kot abe Bilan erkunge nge, Ha ilanz | mer n Nahrung 5 > (trocken) = n DD. Novbr. 16,245 | 680 | 9,634 Alle 1,404 11,038] + 5,207 |) Einfluss der al 16,245 | 850 | 17,541 | 27,2 1,404 18,945 | — 2,700 früheren 22.00, 16,212] 860 | 16,864 | 27,2 1,404 | 18,268 | — 2,056 Nahrung BB 5, 16,212 | 860 | 15,580 | 27,2 1,404 16,984 | — 0,772 Mittel 24. , 15,431 | 920 | 15,842 | 21,2 1,404 | 17,246 | — 0,815 — 0,793 Summe der O4 n= | oa a \ s1345| — | za0ı| — | 7020 | s2ası] 1,186 | 0272... 25. Novbr. 16,431 1450 | 18,676 | 26,111 | 1,591 20,267 | — 3,836 26. . 16,677 | 1050 , 17,208 | 26,111 | 1,591 18,799 | — 2,122 2a. : 16,677 | 920 | 17,053 | 26,111 | 1,591 18,644 | — 1,967 DOREES 16,308I1 920 | 17,620 | 26,111 | 1,591 19,211 | — 2,903 \ Mittel DIT 16,308] 760 | 15,641 | 26,111 | 1,591 17,232 | — 0,924 — 1,913 DOSE: 16,257 | 785 | 16,639 | 26,111 | 1,591 18,230 1 — 1,973 1. Dezbr. 16,257 | 1000 - 16,109 | 26,111 | 1,591 17,700 | — 1,443 2: 16,149 | 1120 | 15,504 | 26,111 | 1,591 16,895 | — 0, 746 5% 16,149| 1020 | 15,375 | 26,111 | 1,591 16,966 | — 0,817 Summe der | | | Arbeitsperiode hunans — | 149,625 — 14,419 | 163,944 | — 16,731 | — 1,859 p. d. ohne Alkohol | 4. Dezbr. 15,096 | 850 | 14,908 | 25,0 1,656 16,564 | — 1,468 Mittel 25 15,096 | 840 | 12,975 | 25,0 1,656 14,631 | + 0,465 — 0,901 6:32 15,547 | 900 | 15, 254 25,0 1,656 16,910 | — 1,063 Mittel Use 15,709 | 900 13.961 25,0 1,656 15,617 | — 0,092 | — 0,485 Summe | | | | der Zwischen- } 61,7485| — 57,098 — 6,624 | 63,722 | — 1,974 | — 0,493 p.d. periode ) 8. Dezbr. 16,697 | 3020 | 16,602 | 30,0 1,929 18,531 | — 1,834 I 16,697 | 1790 | 15,888 |, 30,0 1,929 17,817 | — 1,120 OR 17,700 | 1640 16, 792 | 30,0 1,929 18,721 | — 1,021 1153 17,700 | 1350 18,545 30,0 1,929 15,474 | + 2,226 Mittel 12.5 17,010 | 1560 | 15,521 | 30,0 1,929 | 17,450 | — 0,440 + 0,893 19.25 17,010 | 1780 | 12,560 , 30,0 1,929 | 14,489 | + 2,521 \ Mittel ee 16,979 | 3330 | 15,851 | 30,0 1,929 | 17,780] — u 801 + 0,860 15.005 16,979 | 1340 | 12,694 | 30,0 1,929 14, 623| +2 356 Mittel IOe L 16,988 | 2400 |ı 15,859 | 30,0 1,929 17. ‚188 | — 0. 800 \ + 0,778 Summe der Arbeitsperiode Ys3, 760] — |135,312 — 17,361 | 152,673] + 1,087 | + 0,121 p.d. mit Alkohol f | 17. Dezbr 16,044] 600 | 14,246 | 26,5 1,657 ı 15,903] + 0,141 18.205 16,044] 715 | 14,728 | 26,5 1,657 16,385 | — 0,341 19. 16,230 | 760 ı 15,017 | 26,5 1,657 16,674 | — 0,444 20: | 16,230] 935 15,717 | 26,5 1,657 17,374 | — 1,144 Summe der \ Nachnesiede \ 64,548 | — 59,708 — 6,628 66,336 | — 1,788 | — 0,447 p.d Die Verwertung der Energie des Alkohols für die Muskelarbeit. 499 Die drei ersten Tage können bei der Besprechung der N-Bilanz ausscheiden, da sie noch unter dem Einfluss der früheren Nahrung stehen; sie sind offenbar zusammengehörig. Die beiden letzten Tage der Vorperiode zeigen einen Stickstoffverlust von rund 0,3 & täglich. Die Vermehrung der Arbeit verursacht sofort einen ganz be- deutend grösseren N-Verlust, der aber, wie bei jeder Unterernährung, allmählich geringer wird. Wir finden am ersten Tage der Arbeits- periode ohne Alkohol 3,3 g N-Verlust, am letzten Tage 0,8 g. Der Körper hat offenbar das Bestreben, die Eiweisssubstanz zu schonen und an ihrer Stelle mehr und mehr das Fett und die Kohlehydrate herzugeben. Das N-Defizit der Zwischenperiode beträgt ca. 0,5 g pro die, bewegt sich also ungefähr in der Höhe, die dem Defizit der Vor- periode gemäss zu erwarten war. Die nun folgende Arbeitsperiode mit Alkohol lässt sich auf den ersten Blick in zwei Teile teilen: den negativen Abschnitt der N-Bilanz, die ersten 3 Tage umfassend, und den positiven Abschnitt, zu dem die folgenden 6 Tage gehören. Beachtenswert ist die starke Diurese während der ganzen Alkoholperiode. Es ist nicht unwahr- scheinlich, dass infolge dieser starken Diurese im negativen Abschnitt der N-Bilanz von früher her im Körper liegengebliebene Stickstoff- reste mit herausgeschwemmt worden sind, so dass sich der wirkliche N-Verlust dieses Abschnittes noch etwas niedriger stellen könnte. Am ersten Tage zeigt die Bilanz 1,3 g, am dritten Tage 1 g N- Verlust an. "Im folgenden positiven Abschnitt macht die starke Diurese den Einwand hinfällig, dass es sich bei dem N-Ansatz lediglich um Retentionserscheinungen handele. In diesem Abschnitt tritt die auch von anderen Autoren beobachtete Erscheinung auf, -dass die Stick- stoffbilanz oft Unregelmässigkeiten zeigt, derart, dass immer mehrere Tage als zusammengehörig zu betrachten sind. Bei Berechnung der Mittelzahlen von je 2 Tagen ergibt sich, dass die N-Bilanz konstant die Höhe von etwa + 0,8 g N zeiet. In der Nachperiode haben wir wieder einen N-Verlust von ca. 0,5 g N pro die im Mittel, ‚also der Zwischenperiode entsprechend. Ein Vergleich der ‚Arbeiisperiode mit Alkohol mit der'Arbeits- periode ohne Alkohol beweist im zweiten Abschnitt ohne weiteres die volle Ausnutzung des Alkohols. Die der Arbeitszulage ent- sprechende Alkoholzulage hat aus einer deutlich negativen eine 500 Karl Krieger: deutlich positive Bilanz gemacht. Im ersten Teile der Alkoholperiode ist die Bilanz negativ geblieben, aber bei weitem nicht so stark negativ wie im ersten Teile der Arbeitsperiode ohne Alkohol. Der Energiewert des Alkohols ist hier nur teilweise zur Geltung ge- kommen. Aus meinem Versuch ergibt sich: 1. Die Energie des Alkohols ist vom Körper verwertet worden. Kassowitz!) behauptet, dass der Alkohol nutzlos verbrennt, dass also der Körper die bei der Verbrennung des Alkohols freiwerdende Energie nicht verwerten könnte. Die Möglichkeit der Erhaltung des Stoffwechselgleichgewichts bei Ersatz anderer Nahrungsmittel durch Alkohol erklärt Kassowitz durch die Hypothese, dass der Alkohol infolge seiner lähmenden Wirkung den Energiebedarf des Körpers herabsetze. 3 Darauf ist zu erwidern: a) Es wäre sonderbar, wenn diese Verminderung des Energiebedarfs - immer etwa der zugeführten Alkoholenergie entspräche. 'b) Eine so starke Lähmung, wie sie angenommen werden müsste, um mein Versuchsresultat nach der Kasso witz’schen Theorie zu. erklären, ist ausgeschlossen. Diese Lähmung müsste eine so. grosse Arbeitsleistung, wie sie in meinem Versuche vollbracht worden ist, unmöglich gemacht haben. Die Mehrarbeit wurde aber in der Alkoholperiode genau so geleistet wie in der Arbeits- periode ohne Alkohol. 2. Nach eingetretener Gewöhnung an den Alkohol ist der Energie- bedarf einer Muskelarbeitsvermehrung durch eine berechnete Alkohol- zulage: völlig gedeckt worden. Die Deckung war jedoch in den ersten > Tagen der Alkoholdarreichung nicht vollständig, dem Kaloriengehalt des Alkohols entsprechend. Damit ist als Ursache der ungünstigen Eiweissbilanz, wie sie uns in den kurzen Alkoholperioden der Ver- suche von Atwater und Benedikt begegnet, die fehlende Ge- wöhnung an den Alkohol erwiesen. 3. Ein strikter Beweis für die direkte Umsetzung der Energie des Alkohols in Muskelarbeit. konnte natürlich nicht erbracht werden, wie Schon in der Einleitung ausgeführt wurde. Es wäre immer noch l) Kassowitz, Nahrung "und Gift. Pflüger’s Arch. f. Physiol. Bd. 90 S. 421. 1902. Die Verwertung der Energie des Alkohols für die Muskelarbet, 501 denkbar, dass die Alkoholenergie nicht ebenso wie die Energie anderer Nahrungsstoffe Wärme- und Energiequelle, sondern nur Wärmequelle gewesen sei, und dass nun die für die Wärmeproduktion gesparten Fette und Kohlehydrate als Quellen der Arbeitsenergie gedient hätten. In diesem Falle wäre der Alkohol nur eine indirekte Quelle der Muskelarbeit gewesen. Dann aber hätte man wohl er- warten dürfen, dass diese Minderwertiekeit des Alkohols auch in der N-Bilanz zum Ausdruck gekommen wäre. Die ausserordentlich günstige Gestaltung der N-Bilanz während der Arbeitsperiode mit Alkohol scheint mir sehr für die Wahrscheinlichkeit zu sprechen, dass die Muskulatur von der Alkoholenereie genau so Gebrauch gemacht hat wie von der Energie der Fette und Kohlehydrate. Es ergibt sich also aus meinem Versuch mit grosser Wahr- scheinlichkeit, dass der Alkohol als direkte Quelle der Muskelarbeit dienen kann.. Ich lege aber grossen Wert darauf, besonders zu be- tonen, dass diese Feststellung nur eine theoretische Bedeutung hat. Für die praktische Verwertung des Alkohols oder alkoholischer Ge- tränke bei Muskelarbeit kommen in erster Linie nicht die ener- getisehen, sondern die stofflichen Wirkungen des Alkohols in Betracht. Eine grosse Zahl von Untersuchungen hat aber übereinstimmend ergeben, dass der Einfluss des Alkohols besonders auf das Zentral- nervensystem die Arbeitsleistung in hohem Masse. ungünstig be- einflusst. Diese Tatsache ist für die praktische Anwendung alkoholischer Getränke bei Muskelarbeit ausschlaggebend. Trotz der Möglichkeit der Verwendung der Alkoholenergie durch die Muskulatur ist der Genuss alkoholischer Getränke während der Arbeitsleistung vom praktischen Standpunkte nach wie vor durchaus zu verwerfen. Analytische Belege. Vorversuch I. Fleisch. Zur Analyse N Abweichung verwandt N geinnller 0/9 | vom Mittel 3,1406 0,11284 3,593 — 0,005 3,9240 0,12614 3,579 — 0,019 3,1320 0,11368 3,629 +: 0,031 3,2855 0,11774 3,983 — 0,015 2,9584 0,10698 3,616 + 0,018 3,4620 | 0,12418 3,987 — 0,007 Summe. .... — 21,987 — Mittels ar. _ 3,998 _ 502 ‚Karl Krieger: Wurst. Zur Analyse 2 N Abweichung verwandt | A u 0/9 | vom Mittel 1,3422 0,05362 3,995 — 0,019 1,2250 0,04984 4,006 — 0,008 1,1934 0,04834 4,057 + 0,043 1,3607 0,05488 4,003 —.0,011 1,3137 0,05250 3,996 — 0,018 1,0782 0,04340 ie 4,025 + 0,011 Summer — 24,032 ._ Nittel ee — 4,014 — Brot. Zur Analyse N N | Mittel N Abweichung verwandt gefunden 0/9 0/9 vom Mittel 2,4390 0,03304 1,355 + 0,003 Brose 2,6080 0,03514 1,347 | 1,352 — 0,005 2,6430 0,03584 1,356 + 0,004 1,9188 0,02464 1,284 + 0,002 elle? 1,7268 0,02212 1,281 1,282 — 0,001 1,6354 0,02100 1,284 + 0,002 2,5122 0,03234 1,288 + 0,000 soll 2032. 2,4943 0,03220 129 1,288 + 0,002 1,9827 0,02548 1,285 — 0,003 1,9568 0,02548 1,302 | — 0,008 VL: | 3,1150 Baal | 1,310 + 0,001 | 1,8604 - 0,02450 1,317 | -+ 0,007 Butter. Zur Analyse N | N Mittel N | Abweichung verwandt gefunden 0/9 0/9 vom Mittel 2,0250 0,00308 0,152 — 0,001 Buttersls er 1,7607 0,00280 0,159 | 0,153 + 0,006 1,5206 0,00224 0,147 — 0,006 1,5008 0,00210 0,140 — 0,004 el Tarstr 1,9643 0,00280 0,143 0,144 — 0,001 1,5025 0,00224 0,149 + 0,005 Kakao. Zur Analyse N Abweichung verwandt | Negeinulen 0/9 | vom Mittel 1,6588 0,04970 9,989 —_ 0,018 1,7824 0,05348 3,000 — 0,002 1,5058 0,04544 ee 3,017 + 0,015 Summe .-: ... — 9,006 | — Mittele san —_ 3,002 —_ Die Verwertung der Energie des Alkohols für die Muskelarbeit. 503 Tee. Zur Analyse N Abweichung verwandt | A galunlan 0/9 vom Mittel 2,0254 0,08050 3,979 — 0,012 2,0152 0,08022 3,960 — 0,031 2,4158 0,09758 4,035 + 0,044 Summen: — 11,974 | BE Nittel. = 3,991 | en Extrahierte Teerückstände. ° N Abweichung N gefunden 0% | vom Mittel‘ si 0,17584 | 3,517 + 0,115 0,16618 3,334 — 0,068 0,16842 3,368 — 0,034 .0,16408 3,281 — 0,121 0,17192 3,438 + 0,036 0,17108 3,421 + 0,019 0,16702 83,340 — 0,062 0,16520 3,304 — 0,098 0,18228 3,646 — 0,244 0,16842 3,368 — 0,034 Summe 2... 77732017 — Mittel 2... 20. | 3,402 — Gesamtstickstoff . 2002. 39910, grösste Abweichung vom Mittel 0,044 %/0. Unlöslicher Stickstoff . . . . 3,402%%, „ 5 „ „0,244. In den Auszug übergegangen 0,5890, grösste Abweichung vom Mittel 0,288°/o Harn. N in der Abweichung Datum Harn- B N Tages- ı Mittel Be- vom Mittel menge ind cem menge | Pro die | merkungen | pro die 0,08190 | 12,367 —. 0,030 19. Mai | 755 0,08204 | 12,458 | 12,397 + 0,061 0,08190 | 12,367 — 0,030 0,08190 | 15,151 + 0,026 or, 995 0,08176 | 15,125 | 15,195 + 0,000 || 0,08160 | 15,100 0,025 0,08848 | 15,307 |] + 0,057 a, 865 -0,08792 | 15,210 |% 15,250 — 0,040 008806 | 15,234 |] — 0,016 '; 0,08680. | 14,322 — 0,038 Do 825 0,08708 | 14,368 | $ 14,360 + 0,008 0,08722 | 14,391 littele + 0,031 0,08428 | 15,844 . 15,089 + 0,026 Da 940 0,08400 | 15,792 | 15,818 —.0,026 0,08414 | 15,818 + 0,000 904 Karl Krieger: N in der . Abweichung Datum Harn- 5 N Tages- Mittel Be- vom Mittel menge | in 5 ccm | menge | Pro die | merkungen pro die 0,07896 15,002 + 0,000 24. Mai 950 0,07896 15,002 15,002 — + 0,000 0,07896 15,002 + 0,000 0,09044 14,109 | + 0,000 2 780 0,09058 14,131 14,109 — + 0,022 0,09030 14,087 — 0,022 0,12166 14,964 + 0,041 A 5 . 615 0,12110 14,883 14,923 _ — 0,040 0,12138 14,923 + 0,000 0,10318 15,023 —0,019 AA BESTE 730 0,10304 15,044 15,044 -- + 0,000 0,10290 15,064 + 0,020 0,10612 15,918 | + 0,049 DO 750 0,10556 15,834 | 715,869 — 0,035 0,10570 15,855 | Mittel — 0,014 0,08260 | 13,877 14,873 + 0,000 2I. 5 840 0,08260 13,877 | 213,877 + 0,000 0,08260 13,877 + 0,000 Fäces. Fäces von 11 Tagen unter Zusatz von verdünnter Schwefelsäure | auf dem Wasserbad getrocknet —= 325 g, pro die 29,545 g. Zur Analyse : N Abweichung verwandt | A gelman 0/g vom Mittel 1,4104 0,08181 9,148 + 0,032 1,1706 0,06748 9,165 + 0,049 1,5352 0,08736 5,690 — 0,026 1,5898 0,07868 9,661 — 0,055 SUNINe es — 22,864 — Mittela mer 2 5,716 — Napropdieg- az: — 1,682 E= Grösste Abweichungen vom Mittel. | %/o | Pro die | Fleisch... .. 0,031 0,093 | Wurst. ee 0,043 0,017 Brot eo 0,008 0,024 | Butter. .2 2.2 2% 0,006 0,005 | Kakao 00a 2> 0,015 0,003 | Deere sm ae 0,288 0,014 | Harman... 0,008 0,061 ; l Kot. a8 0,055 0,016 Grösstmöglicher Fehler der N-Bilanz 0,233 Die Verwertung der Energie des Alkohols für die Muskelarbeit. 505 N-Gehalt der Nahrung an den einzelnen Versuchstagen. Datum Nahrungsmittel Menge N g %o 300 10,794 40 1,606 300 4,056 90 0,138 20 0,600 5 0,030 — 17,224 300 10,794 40 1,606 300 4,056 90 0,138 20 0,600 5 0,030 — 17,224 300 10,794 40 1,606 200 2,704 100 1,282 90 0,138 20 0,600 5 0,030 — 17,154 300 10,794 40 1,606 300 3,846 90 0,138 20 0,600 5 0,030 — 17,014 Bleiseiv. Sn. 300 10,794 au EN a El 40 1,606 : 5 Tot Nee u 300 3,846 23. Mai en ee ons Kakao 20 0,600 Tee LER N en are b) 0,030 _ 17,014 Bleisch.: + way 300 10,794 Wurstae et 40 1,606 Brot IS oe Nee 100 1,282 24. Mai DD ee a ee 200 2,576 Butter IE = sms een 90 0,130 Kakaok a a ve ne 20 0,600 Beinen 2 b) 0,030 — 17,918 Bleiscr 208. a ae 300 10,794 VUIStEeS N a a es 40 Don j i BroteIa na ae ee 300 ‚864 zen Bremen 9 0.130 Kakao Asse erde 20 0,600 EN ER Er 5 0,030 | — 17094 506 Karl Krieger: Datum Nahrungsmittel Menge N g 90 Hleischwn ss en nee: 300 10,794 AMURStRAS Se ee A 40 1,606 6 . Brot Ne 300 3,864 26. Mai Butterbles ee 90 0. 130 Kakao a 20 0, 600 DEREN BEN DE | 5 0, ‚030 — 17,024 Bleischmya ser se 300 10,794 en GERNE ER REN RER 2 1,606 R : ob alVeE ee 300 3 930 27. Mai Büren en a 90 0.130 Kakao as; Bere 230 % 600 RUE SR RN TE DEALS. 5 0, 030 — 17,090 Bleische re an: - 800 10,794 Wurstwaren a 1,606 3 Brot TV N ren 00 3.930 28. Mai Butter a See 90 0.130 Kakaoıne ma wre 20 0,600 U ER ee 5 0,030 — 17,090 leischun a u ee 300 10,794 VINEStERR Se 40 1,606 i Brote 300 3,930 29. Mai Birterue So 90 0.130 Kakao nme ee 20 0,600 EEE 5 0, ‚030 | | — 17,090 Vorversuch 1. Fleisch. Zur Analyse Abweichung verwandt | 1,7608 0,0633 1,9625 0,0706 1,5968 0,0574 9,0866 0,0756 1,6870 0,0648 1,7100 0,0623 | Summer — 2 Mittelu. 2 4.2... — | 3,606 N gefunden | 3,994 3, 596 3,595 3, 623 3,586 a 643 1,637 vom Mittel — 0,012 —. 0,010 — 0,011 + 0,017 — 0,020 + 0,037 Die Verwertung der Energie des Alkohols für die Muskelarbeit. 507 Wurst. Zur Analyse N Abweichung verwandt 2 geiler % | vom Mittel 1,0243 0,0399 3,895 — 0,036 0,8220 0,0318 3,866 — 0,065 1,0356 0,0403 3,893 — 0,038 1,2372 0,0496 4,006 + 0,075 0,9358 0,0374 ne 3,994 + 0,063 Summen — 19,654 == Mittel 0. 22, — 3,931 _ Suppenwürze. Zur Analyse verwandt: Tagesdosis — 40 Tropfen, aus einem Patenttropfglas getropft. N gefunden: 0,06496 0,06426 7 Mittel: 0,06435. 0,06384 Brot. 7 Zur Analyse N ‚ Mittel N | Abweichung verwandt N getmiar 0% 0/9 vom Mittel 1,930 | 0,09534 1,312 1 + 0,005 Brot I DA20TE 710:02772 1,310 1,307 + 0,003 1,7193 0,02240 1,500 | f — 0,007 f 1,3459 |. 0,02310 1,251 — 0,004 HT 1,7857 002254 1,263: | 1,255 + 0,008 U 16804 0.032114 1059 | —_. 0.003 1,5393 0,02030 1,319 + 0,001 0 1,5517 0,02044 ae 1,318 — 0,001 1,8676 0,02464 1,319 + 0,001 1,2616 0,01750 1,395 + 0,007 So IV 1,0806 0,01484 1,3108. | 1,387 — 0,012 1,0460 0,01456 1,392 | + 0,005 Butter. Zur Analyse N Abweichung verwandt | N aaimeen %g | vom Mittel 1,9254 | 0,00224 0,116 + 0,002 1,4825 0,00168 0,113 — 0,001. 1,9650 0,00224 0,114 + 0,000 Summense 2 — 0,343 — Mitteleer. 322.» — | 0,114 — Tee und Kakao (siehe Vorversuch ]). 508 Karl Krieger: Harn. e Ab nn Han- | N N Mittel-N | Bemer- | weichung menge in 5 ccm pro die | pro die kungen vom Mittel 0,06272 | 18,565 10,014 15. Juni 1480 I | 0.06244 | 18,482 | \ 18,551 _0071 0.06286 | 18,607 Mittel + 0.056 [| 906860. | 15,504 17,007 (| 20042 I 1130. 2 0.06804 | 15,504 | N 15,462 + 0.042 U 0.068680 | 15,377 — 0,085 | 0,09295 | 16,547 -+.0,025 N 890 2 | 0.0981 | 16,592 | V 16,522 = + 0.000 0.099267 | 16,497 0,095 j 907364 | 16,348 + 0,000 a, 1110 3 | 0.072364 | 16,348 | N 16,348 = + 0.000 U 0007364 | 16,348 + 0.000 j gone | 16,216 + 0,011 ee: 1140 3 | 0.7112 | 16216 N 16.205 A + 0,011 U 0.07096 | 16,183 0.092 [| 007238 | 16.236 0,015 20. „ 1120 3 | 0.07252 | 16280 | \ 16351 Ze + 0.029 | | 0,07238 | 16,236 —.0,015 j | 9:04956 | 16,057 —. 0,030 DR 620 2 | 004956 | 16.057 | N 16,087 = —.0.030 || 0.04984 | 16.148 + 0.061 0,10304 | 17,208 + 0,047 a 835 2 | 0.,10276 | 17.161 17,161 2% + 0,000 0.10248 | 17.115 0.046 0,05978 | 16,738 + 0,026 23, 1400 3 | 0.05978 | 16,738 | N 16,712 Eu, + 0,026 0.05950 | 16,660 | 0.052 j | 006398 | 16,635 + 0,000 4, 1300 3 | 0.06398 | 16.635 16,635 u + 0.000 U 0.086398 | 16,635 + 0.000 0,07140 | 16,351 —. 0,042 25. , 1145 I | 007168 | 16,415 | \ 16,393 as + 0.092 | 0.071168 | 16.415 +.0.092 Fäces. Zur | N Mi Abwei-| N | ttel- Aaalye ger | 3 Chan | pro wandt | den 7 0% | Mittel | die Fäcesvom 15.,16.,17.,18. Juni, || Y’g417 0/10612 8'464 8 getrocknet — 110 g LET | ool2 | BR62 | Neaagl| EM] res ae De | 1.4896 | 0.09492 , 6.372 (© 00: | 1.0940 | 0.07028 | 6.424 |} —.0.005|) Häces vom 19. 96° Jun, 1,1074 | 0,08288 | 7,484 —_.0,005 onen 1,9725 | 0,07308 7,515 (>) 1+ 0,026[ ("> p 8. 1,1341 | 0,08498 | 7,498 + 0,004 Die Verwertung der Energie des Alkohols für die Muskelarbeit. Grösste Abweichungen vom Mittel. 0% Bleischee ns nn 0,037 WVurStEg en en ae 0,075 Brote ee 0,012 Butter 3 0a 0,002 Kakaora ner Se 0,015 AN Fe NN EN 0,288 WÜRZEN ee ee — Harn mer Bann 0,008 Nacess er Far Se net 0,057 Grösstmöglicher Fehler der N-Bilanz. . Pro die 0,111 0,038 0,036 0,001 0,002 0,014 0.085 0.016 0,303 N-6Gehalt der Nahrung an den einzelnen Versuchstagen. 909 Datum Nahrungsmittel Menge ” N g lo Hleische en. ee ern 300 10,818 NMUrSt EN na: 90 1,966 Brot cr Re 300 3,921 15. Juni Butter ra en 60 0,069 : Kakao... ne ar er 15 0,450 Meer N a ee 5 0,030 MWürzeien ren en 40 Tropfen 0,064 — 17,318 Hleisch aan en ers ualatre 300 10,818 NVUESUE N eat, 50 1,966 Brotsle. See 300 3,921 16. Juni Butter Yon a er 60 0,069 Kakao a are 15 0,450 Tees era 5 0,030 WÜrZe Eee nee 40 Tropfen 0,064 — 17,318 BleiIschti a a rl: 300 10,818 Wurst aaa en 0 1,966 BOT es 200 2,614 \ I RE 100 1,255 17. Juni Bee ee. 60 0,069 Kakaoa. ae a. 15 0,450 LE er RE 5 0,030 NVURZED een 40 Tropfen 0,064 — 17,266 Bleischh Ren ne, 300 10,818 AV UStON Ge ee A 50 1,966 IBrotI0 na ern sis 300 3,765 18. Juni Butter u San es 60 0,069 Kakaoma one 15 0,450 er RE SE b) 0,030 AVÜNZER ne. ee 40 Tropfen 0,064 17,162 510 Karl Krieger: Datum Nahrungsmittel Menze N g 0/o | Bleischs 2 nee 300 10,818 IMIUESt Ne 50 1,966 Brot ag ne a 300 3,169 19. Juni Butter me Sauer We: 60. 0,069 EEE a ES 15 0,450 RO ehe 5° 0,030 NVUTZEI Ere kr RR 40 Tropfen 0,064 | _ 17,162 IMEzlMleisch er wre ent 300 10,818 IVVEStER Re ee 50 1,966 Brote 100 1,255 2 3 Brot 225, 200 2,636 20 uni de 60 0.069 Kakao ee lest 15 0,450 Tees en. ee 5 0,030 [ | VNOLZe | 40 Tropfen 0,064 _- 17,288 Bleischk Sen een 300 10,818 ae Se EEE 50 1,966 Brot le See ee 300 3,954 21. Juni Bütteren a u % 60 0,069 Kakao. m 15 0,450 N a ER 5 0,030 Wilrzeunnss ern 40 Tropfen 0,064 _ 17,351 Rleisch 0 ara r 300 10,818 VVUESte Eee 50 1,966 BrotsiNe ar 2 ee 300 3,954 22. Juni Butter nee 60 0,069 Kakao. Bra ee BOLAR 15 0,450 ee er ee b) 0,030 MÜTZE Re 40 Tropfen 0,064 —_ 17,351 Dleisches an ee 300 10,818 VUEStW ee ee ee 50 1,966 BroteiVS a ar rn ee 300 4,161 23. Juni Butter een an 60 0,069 Kakao Kae ee 15 0,450 N TE d 0,030 WULZeE ONE er er see 40 Tropfen 0,064 — 17,558 Bleisch 300 10,813 NVurstg ne 50 1,966 BrotulV a Sn 300 4,161 24. Juni Butter os per a 60 0,069 Kakao. mc SET 15 0,450 Bee. Re Dr B) 0,030 | NVOLZE N ENTER | 40 Tropfen 0,064 | 17,558 Die Verwertung der Energie des Alkohols für die Muskelarbeit. 511 Datum Nahrungsmittel Menge N ENARIERES g | g Bleischra ee ee 300 10,818 NMURSERIE Deren en ee 50 1,966 Brot alv; nen: Sr a, a 300 4,161 25. Juni Butter ale es aeg: 60 | 0,069 Kakao ara ala em 15 0,450 Tees ae ee: 5 | 0,030 NV Z ee 40 Tropfen 0,064 | | - 17,558 Hauptversuch. Fleisch. Zur Analyse N gefunden N Mittel N Abweichung verwandt 0/9 0/0 vom Mittel 2,8605 0,10094 3,929 + 0,013 2,6666 0,09422 3,933 | + 0,017 6 2,9756 0,10416 3,500 G — 0,016 Fleisch I 2.9494 0.10332 3,503 3016 0.013 2,9560 0,10430 3,528 + 0,012 3,0025 0,10528 3,506 — 0,010 3,5154 0,12264 3,439 — 0,002 2,8626 0,10010 773497 + 0,006 u 3,1440 0,10990 | - 3,495 9.491 + 0,004 2 2,7218 0.095207 728.198 | 9 + 0,007 3,0646 0,10654 | — 0,015 2,3908 0,08344 3490 | — 0,001 Wurst. Zur Analyse Ne runden N Mittel Abweichung verwandt 0/9 0, vom Mittel 1,2800 0,04130 3,227 \ + 0,011 Wurst I 1,3242 0,04228 3,193 3,216 — 0,023 1.2450 0,04018 Er | + 0.012 1,2032 0,03430 2,851 — 0,020 Soll 1,0599 0,03108 2,852 2,871 — 0,019 1,2408 0,03612 2,911 — 0,040 1,4598 0,04830 3.309 \ . — 0,025 Fer PIT 1,4041 0,04676 3,330 3,994 — 0,004 1.2400 0.04200 33 |] + 0,031 Suppenwürze (siehe Vorversuch II). Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd. 15l. 912 Karl Krieger: Brot. Zur Analyse | x gefunden N Mittel N Abweichung verwandt 0/9 0/9 vom Mittel f 1,9721 0,02422 1,228 -+ 0,005 Brot I 1,9007 0,02310 1,216 1,123 — 0,007 amı 0.02730 1.226 + 0.003 ‚atl 0,01624 1,215 + 0,003 at 2,0827 0,02520 1,210 1,212 — 0,002 1,3426 0,01624 1,210 — 0,002 2,3900 0,03080 1,255 + 0,000 0m 1,7536 0,02254 1,285 1,285 + 0,000 2,0700 0,02660 1,285 + 0,000 1,8584 0,02534 1,364 — 0,003 5 IV 2,1694 0,02968 1,368 1,367 + 0,001 1,7968 0,02450 1,369 + 0,002 1,7944 0,02254 1,256 + 0,004 N 1,9457 0,02436 1,252 1,252 + 0,000 1,7625 0,02198 1,248 — 0,004 2,0615 0,02548 1,236 + 0,001 Al 1,6977 0,02072 1,210 1,235 — 0,015 1,9256 0,02408 1,251 + 0,016 1,5300 0,01834 1,199 + 0,000 „vH 1,7585 0,02114 1a 15199 + 0,003 1,8618 0,02226 1,196 — 0,003 1,7961 0,01568 0,873 + 0,000 „N 1,9000 0,01666 0,877 0,873 + 0,004 2,0632 0,01792 0,869 — 0,004 2,4310 0,02716 1,117 — 0,009 ALOE 2,1953 0,02464 1,122 1,126 — 0,004 2,1505 0,02450 1,139 + 0,013 2,0748 0,02436 1,174 + 0,000 SER 1,6150 0,01890 1,170 1,174 — 0,004 1,7232 0,02030 1,177 + 0,003 1,3832 0,02058 1,488 + 0,013 | 1,2474 0,01834 1,470 1,475 — 0,005 1,2888 0,01890 1,466 — 0,009 1,9492 - 0,02422 1,243 — 0,002 Sl 1,9678 0,02438 1,238 1,245 — 0,007 1,3290 0,02296 1,255 + 0,010 1,7002 0,02100 1,235 + 0,007 „Al 1,5398 0,01890 1,227 1,228 — 0,001 1,5108 0,01848 1,223 — 0,005 1,2842 0,01596 1,242 + 0,011 UV, 1,2118 0,01484 1,225 1,231 — 0,006 1,1757 0,01442 1,226 — 0,005 Die Verwertung der Energie des Alkohols für die Muskelarbeit. 513, Butter. Zur Analyse N gefunden N Mittel N Abweichung verwandt 0/0 | 0/g vom Mittel 2,2005 0,00336 0,153. | + 0,001 Butter I 1,7482 0,00266 0,152 0,152 + 0,000 1,9595 0,00294 0, 150 — 0,002 2,0676 0,00233 DE + 0,003 h 1,7808 0,00196 DLO we 0,112 — 0,002 1,8750 0,00210 0,112 + 0,000 2,0206 0,00196 0,097 | — 0,002 N 2,1428 0,00210 0,098 0,099 — 0,001 1,6455 0,00168 0,102 + 0,003 1,5645 0,00210 0,134 + 0,003 Ri 1,2342 0,00154 0,125 0,131 — 0,006 1,3668 0,00182 0,133 + 0,002 Kakao. Zur Analyse | N Abweichung verwandt | N sohnden % | vom Mittel 0,8206 0,02884 3,514 | + 0,013 0,8505 0,02963 3,490 — 0,011 0,6042 0,02114 3,499 —— 0,002 Summe ar — 10,503 —_ Nittel... 22. _ 3,501 — Tee (siehe Vorversuch ]). Wein, N-Gehalt. Zur Analyse Y verwandt N gefunden N Mittel N ccm %/o 0/0 b) 0,00294 0,059 b) 0,00294 0,059 0,059 5 0,00294 0 ‚059 Zuckergehalt. Wein wurde mit verschiedenen Mengen Fehling’scher Lösung- in Reagenzgläsern zu gleicher Zeit im Wasserbade gekocht und die Farbe der überstehenden Flüssigkeit beobachtet. Der Wein war. zuvor mit Tierkohle entfärbt und alkalisch gemacht. 5 cem Wein + 5 cem Fehling, Farbe blau, B) D) ” 12 » ” » grünlich, Dr el ® „. gelb. Zuckergehalt 0,05—0,1/o. 514 20. November 21. 22. 23. 24. 25. 26. 27, 28. 29. 1. Dezember 100 eem Destillat aus 200 , Datum 2 ” ” Harnmenge ccm 860 920 700 185 1000 Jul un um) ma u‘ Vom um Cum em’ Vom mm Vom m‘ Yon, un Sn, umum/\mun em’ sem \mm, em‘ Sms Karl Krieger: Alkoholgehalt. Wein wurde mit dem doppelten Volum Wasser versetzt, alkalische gemacht und überdestilliert. 50 cem Wein, spez. Gewicht —= 0,9941 — 0,9940 Alkoholgehalt 6,50 %/o resp. 6,62°% (Windisch’s Tabelle), Mittel 6,56 lo. IE Harn. N ind ccm 0,07098 0,07098 0,07056 0,10318 0,1032 0,10304 0,09786 0,09814 0,09814 0,09072 0.09072 0,09030 0,08610 0,08610 0,086 10 0,06440 0,06440 0,06440 0,08204 0,08190 0,08190 0,09254 0,09282 0,09268 0,09576 0,09576 0,09576 0,10290 0,10304 0,10276 0,10584 0,10598 0,10612 0,08050 0,08050 0,08064 » N pro die 9,653 9,653 9,596 17,541 17,564 17,517 16,832 16.880 16,880 15,604 15,604 15,532 15,842 15,842 15,842 18,676 18,676 18,676 17,228 17,199 17,199 17,028 17,079 17,053 17,620 17,620 17,620 15,641 15,662 15,620 16,617 16,639 16,661 16,100 16,100 16,128 \umn zum Von je‘ Vom jume \omem jume/ \omm zum \ommen m‘ \ommen mm \ommem zum \omeem zum men zu om zum mn u $)] Mittel N pro die 9,634 17,541 16,864 15,580 15,842 18,676 17,208 17,053 17,620 15,641 16,639 16,109 | | | | | | | | | | | Abweichung vom Mittel + 0,019 + 0,019 — 0,038 + 0,000 + 0,023 — 0,024 — 0,032, + 0,016 + 0,016. + 0,024 + 0,000: Die Verwertung der Energie des Alkohols für die Muskelarbeit. 515 2. Dezember 10. al: 12. 14. 15. 16. 7% Datum ” ccm 1120 1020 850 840 900 900 3020 1790 1640 1350 1560 1780 3330 1340 2400 600, Harnmenge 0,06832 0,06832 0,06832 0,07546 0,07532 0,07532 0,08764 0,08764 0,08792 0,07728 0,07714 0,07728 0,08456 0,08498 0,08470 0,07770 0,07756 0,07742 0,02758 0,02744 0,02744 0,04438 0,04438 0,04438 0,05110 0,05124 0,05124 0,05012 0,05026 0,05012 0,04956 0,04984 0,04984 0,03528 0,03528 0,03528 0,02380 0,02380 0,02380 0,04746 0,04732 0,04732 0,03304 0,03304 0,03304 0,11872 0,11886 0,11858 N pro die 15,304 15,304 15,304 15,394 15,365 15,365 14,899 14,899 14,926 12,983 12.960 12,983 15,221 15,296 15,246 13,986 13,961 13,936 16,658 16,574 16,574 15,888 15,888 15,888 16,761 16,807 16,807 13,532 13,570 13,532 15,463 15,550 15,550 12,560 12,560 12,560 15,851 15,851 15,851 12,719 12,682 12,682 15,859 15,859 15,859 14,246 14,263 14,230 Mittel N pro die jet oa. [2% [e>) B 15,375 14,908 12,975 15,254 13,961 16,602 15,888 16,792 13,545 15,521 19,560 15,851 12,694 15,859 14,246 Abweichung vom Mittel 516 Karl Krieger: Datım Harnmenge N N Mittel N | Abweichung ccm in d ccm pro die pro die vom Mittel f 0,10304 14,735 + 0,007 18. Dezember 715 0,10304 14,735 14,728 + 0,007 \| 010290 14,715 — 0,013 0,09856 14,981 f — 0,036 19. u; 760 0,09884 15,024 15,017 + 0,007 0.098598 15,045 Sl one 0,08400 15,708 \ — 0,009 20. 3 935 0,083400 15,708 15,717 — 0,009 0.08414 15732 \J + 0,017 Fäces. Zur N Ni Abwei- Analyse N a chung N < ge- Mittel 2 ver- vom | pro die wandt | funden | 0/o %' | Mittel Vorperiode = 5 Tage; 1,0270 | 0,05768 | 5,616 + 0,001 Fäces trocken — 136 g, 0,8970 | 0,05054 | 5,635 , 15,615% | + 0,020] 7 1,404 pro die = 27,200 g 1,5516 | 0,08630 | 5,594 — 0,02 Arbeitsperiode ohne Alkohol f | 0,7968 | 0,04858 | 6,097 + 0,003 —= 9 Tage; Fäces trocken 4 | 1,2494 | 0,07616 | 6,096 6,094 + 0,002] 71,591 — 235g, pro die=26,111g | 1,2095 | 0,07350 | 6,088 — 0,006 Zwischenperiode = 4 Tage; ( | 0,9170 | 0,06104 6,656 + 0,033 Fäces trocken —= 100 g, 1,4070 | 0,09296 | 6,607 | 16,6232 |— 0,016] 7 1,656 pro die = 25,000 g 1,2418 | 0,08204 | 6,607 — 0,016 Arbeitsperiode mit Alkohol j) 1,4582 | 0,09366 | 6,423 — 0,008 — 9 Tage; Fäces trocken | 1,4548 | 0,09324 | 6,409 | 16,431% |— 0,022] 7 1,92% —= 270g, prodie—=30,000 8 | 1,1614 | 0,07504 | 6,461 + 0,030 Nachperiode = 4 Tage; 1,2354 | 0,07728 | 6,255 + 0,002 Fäces trocken — 106 g, 1,1008 | 0,06902 | 6,270 | 76,253 su 0,017| 7 1,657 pro die = 26,500 g 0,9680 | 0,06034 | 6,233 ‚020 N-Gehalt der Nahrung an den einzelnen Versuchstagen. Datum Nahrungsmittel | Menge N g lo Rleischa wem. „na 300 10,548 Wurstaleeeae er er 40 1,286 Brotil:, re 300 3,669 20. November Butter Vorneaear. ee: 60 0,091 Kakao se 2 Alm: 15 0,525 Meet ee ee 5 0,030 AMUrZeE Ra Re: 60 Tropfen 0,096 = 16,245 Hleisch. 1 - ers. Au. Beet 300 10,548 Wurst Al... Beer... ar 40 1,286 Brot IEt nee. 2 eek 300 3,669 21. November Butter Ian... 0 20. na 60 0,091 Kakao acer see 15 0,525 MeetH a ee 5 0,030 Würze Re 60 Tropfen 0,096 | | = 16,245 Die Verwertung der Energie des Alkohols für die Muskelarbeit. 517 Datum Nahrungsmittel Menge N g %o BleISchal a a Hr en 300 10,548 INVUTSORTE 40 1,286 BrotyIa fc ee 300 3,636 22. November Butter ee ee 60 0,091 Kakao. Bere: 15 0,525 RE N re b) 0,030 VVIOTZe N 60 Tropfen 0,096 En 16,212 Bleischolgg&. m. a. EN 300 10,548 Wurstele nes re en: 40 1,286 Brote sn ee 300 3,636 23. November Butter 20. 05 Kr 60 0,091 Kakao re ee. 15 0,525 N a N Sn a a 5 0,030 Würze N 60 Tropfen 0,096 — 16,212 Bleischal nee rer 300 10,548 NMUESETe He 40 1,286 Brot sn dr 300 3,859 24. November Butter 1 2. ran 60 0,091 Kakao Ser Pet 15 0,525 Deo ae ee 5) 0,030 \Würzeui ar 60 Tropfen 0,096 — 16,431 Bleischült.sa.nr res erer 300 10,548 Wursteleaszs nee 40 1,286 IBrOtSHEN 300 3,855 25. November Butter an. a2 60 0,091 Kakaoaaı een 15 0,525 Reel er ne at 5 0,030 MULZE a 60 Tropfen 0,096 u 16,431 Hleisch@lr 3. een. 300 10,548 MWurstele un ern: 40 1,286 BrEotaEV ee 300 4,101 26. November Butter er er en 60 0,091 Kakao ver ern ar 15 0,525 I oe NR ee 5 0,030 NMUrZe 60 Tropfen 0,096 E 16,677 Hleischyls +: 22.2.#.:°.0.22. 7, 300 10,548 Wurst een 40 1,286 BrotalVam rn 3 ar re. 300 4,101 27. November Butteral are: 60 0,091 Kakaper m ae 15 0,525 er Ne a DEE 5 0,030 WUrZE Seen 60 Tropfen 0,096 16,677 518 Karl’Krierer: Datum | Nahrungsmittel Menge 5 g {) Fleisch@ls x sun er es 300 10,548 Wurst se So. 40 1,286 Brotsv a EB .e 300 3,196 28. November Butterolle 2. ern 60 0,067 Kakao a ne Rs 15 0,525 IE Sn 5 0,030 WÜrZE ee 60 Tropfen 0,096 = 16,308 Bleischala ats an en: 300 10,548 Wurst sr seen: 40 1,286 BrotsVi 2 ae: 300 3,156 29. November ButtersIb-r me ae 60 0,067 Kakaoanı 7 1: ae 15 0,525 Teen. nen B) 0,030 WÜrZerER Ren 60 Tropfen 0,096 — 16,303 Bleischzleer 7.2 ra u en 300 10,548 \Vurstele tee 40 1,286 BrotsVg. N ee 300 3,705 30. November Butteralase 2 ne re 60 0,067 Kakao a er 15 0,525 Bee re ee 5 0,030 Mürzeie a oe 60 Tropfen 0,096 —_ 16,257 Bleischaler., ven kenne: 300 10,548 Wurst... er: 40 1,286 BrotaVIe, ea ee 300 3,105 1. Dezember Butter Me er en. ea 60 0,067 Kakaora ers mer 15 0,525 IE RE ALS E0R 0,030 Wurzel erg 60 Tropfen 0,096 - 16,257 Bleische le wre 300 10,548 Vest N ee 40 1,286 Brot. 2 30. 0% Br 300 3,597 2. Dezember Butter u 22). ee 60 0,067 Kakaorteinıı Sees 15 0,525 NR or 5 | 0,030 WÜrZE N ehe 60 Tropfen | 0,096 = 16,149 Bleischala en re. 1 300 10,548 Est N 40 1,286 BrotiV.]r ea 300 3,597 3. Dezember Butter I 2 ws een 60 0,067 Kakao. ee er 15 0,525 Teen. 0 ee 5 0,030 Würzes ee en a ri 60 Tropfen 0,096 _ 16,149 Die Verwertung der Energie des Alkohols für die Muskelarbeit. Datum Nahrungsmittel Menge N g %o Hleisch@lle.aeo. 2... 300 10,473 NVUrStRIEe ee 40 1,286 Brotaviinen ame 300 2,619 . Dezember Brutter Aller. ser 60 0,067 Kakao 15 0,525 Tee 5 0,030 NMURZE Eee re elanents 60 Tropfen 0,096 —_ 15,096 Eleischoller er 300 10,473 NW UrStales eu re a 40 1,286 BrEobSVN ee a 300 2,619 . Dezember Buütterolla an... wo uer.n 60 0,067 Kakao a Me le an a 15 0,525 SR bi} 0,030 NVÜrZeR a 60 Tropfen 0,096 — 15,096 Dleischyillas mn en. 300 10,473 WUrStHT Se area 40 1,286 ’ Brot. Be were, 300 3,378 . Dezember Butter DIE en ee 60 0,059 Kakaoı. mean, 15 0,525 1 en EEE b) 0,030 WOrZe ee 60 Tropfen 0,096 —_ 15,847 Bleischellg 20. 2 0% 300 10,473 Würsteileo ne 2er 40 1,148 Brote 800 3,378 Dezember | Butter III 2 Se: 60 0,059 BE NER UNE 15 0,525 ee a 5 0,030 DS ER RR 60 Tropfen 0,096 —_ 15,709 Bleischellana a ee 300 10,473 Murstallee na an 40 | 1,148 Brote ne 300 3,422 . Dezember wi 0; 0525 BO ER N RE NEN 5 0,030 EN ER Re 60 Tropfen | 0,096 A N EN ERS 1600 cem 0,944 — 16,697 RT 23 300 10,473 en ee 40 1,148 Sn I EEE 300 3,422 . Dezember ea 01525 een lee un ehunine 5 0,030 SVUrZe ee 60 Tropfen 0,096 Menke | 1600 cem | 0.944 | — 16,697 520 Karl Krieeer: Datum Nahrungsmittel Nlenye " g %o Hleisch: U 1 rss ante | 300 10,473 Worstalle 2 2er 40 1,148 Brotx Ta: us a 300 Butternla 0 ee: 60 059 I Dean I nen. onen. 15 0,525 IK N as 5 0,030 Würze on Te 60 Tropfen 0,096 VVeInR N HA ee 1600 ccm 0,944 — 17,700 Hleischll ss a 300 10,473 Wurst II 28.2 are 40 1,148 Brot XI arena 300 4,425 2a) 1 Butter ille ne re 2 ee 60 0,059 II. Dezembers | ao 15 0,525 Teen on ee. 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Dezember ButterylV. 2 See 60. 0,079 Kakao ea 15 0,525 AN RE Re rent | 5) 0,030 IV Ze ee ER: 60 Tropfen 0,096 | | 2 Grösste Abweichungen vom Mittel. %o Pro die Bleischeyes, 0,017 | 0,051 Wurst Nee. 0,040 0,016 Brot. Zr Re 0,015 0,045 Butter 0,006 | 0,004 Kakao. ı cc 0,013 | 0,002 Teer Nr 0,288 | 0,014 \Mürzerseea ae: — — Weine men — — Harn ana 2002: 0,004 0,059 Häcesur nl 0,033 0,008 Grösstmöglicher Fehler der Bilanz . 0,199 Vorliegende Arbeit wurde im physiologischen Institut der Uni- versität Münster ausgeführt auf Anregung und unter Leitung des Direktors des Instituts, Herrn Professor Dr. Rosemann, dem ich an dieser Stelle für die liebenswürdige Unterstützung, die er mir während der Anfertigung derselben jederzeit zuteil werden liess, meinen tiefgefühlten Dank ausspreche. (Aus dem physiologischen Laboratorium der kaiserl. Universität Kasan.) Die Innervation der Gefässe der Nasenschleimhaut. Experimentelle Untersuchung. Von Dr. M. A. Tschalussow. (Mit 10 Textfiguren und Tafel VII.) Die Innervation der Gefässe der Nasenschleimhaut ist iu der Physiologie wenig erforscht, und infolgedessen fand ich in den Literaturquellen, die sich mit den Fragen der Innervation der Ge- fässgegenden befassen, nur gerivge Hinweise auf Veränderungen des Lumens der Gefässe der Nasenhaut unter dem Einflusse ver- schiedener Verhältnisse. Die gegenwärtige experimentelle Unter- suchung bezweckt nun, diese Lücke auszufüllen. Meine Experimente machte ich hauptsächlich an Hunden und teilweise an Katzen. Die Gesamtzahl der Experimente beträgt 24. Bevor ich aber die Resultate meiner Experimente wiedergebe, glaube ich, einen kurzen Hinweis auf die Innervation der Nasenschleimhaut im allgemeinen vorausschicken zu müssen. Die Schleimhaut der Nasenhöhle des Hundes wird von Ästen des N. trigeminus versorgt. Von seinem ersten Ast versorgt der N. ethmoidalis einen Teil der Schleimhaut der Nasenscheidewand, der oberen Muschel und des Bodens der Nasenhöhle. Vom zweiten Ast des N. trigeminus sondert der N. sphenopalatinus einen Stamm, nämlich den N. nasalis posterior ab, der die Schleimhaut des übrigen Teiles der Nasenhöhle versorgt. Auf dem Wege des N. ethmoidalis liest das Ganelion eiliare, auf dem Wege des N. nasalis posterior das Ganglion sphenopalatinum s. nasale, von dem von vorn nach hinten der N. vidianus abgeht, der aus dem N. petrosus superficialis maior. vom N. facialis und aus dem N. petrosus profundus vom N. sympathieus besteht. Ohne sich in eine eingehende Erörterung der 524 M. A. Tschalussow: Details der Verteilung der erwähnten Nerven und deren Nomenklatur einzulassen, muss man im wesentlichen anerkennen, dass es zwischen der IJunervation der Nasenschleimhaut beim Hunde und beim Menschen einen prinzipiellen Unterschied nicht gibt: Dieselben Nerven besorgen, indem sie fast dieselben Beziehungen zu den oben erwähnten Ganglien behalten, dieselben Gebiete der Nasenschleimhaut )). Methodik. Die von mir zur Beobachtung der Veränderung des Lumens der Nasenschleimhautgefässe ausgearbeitete Methode ist ausser- ordentlich einfach und subtil. Ich benutzte bei meinen Unter- suchungen das Prinzip, welches Prof. N. A. Mislawski der von ihm ausgearbeiteten Methode der Registration der Volumveränderung der Organe zugrunde gelegt hat, mit dem Unterschiede jedoch, dass ich mich der Luftübertragung der Veränderungen des Gefässlumens und nicht der Wasserübertragung bediente. In meinem Objekt gibt die Natur sehr vorteilhafte Bedingungen: Die Nasenhöhle ist an den lateralen Seiten von unnachgiebigen Knochenwandungen umgeben, so dass man sie nur von hinten hermetisch zu schliessen braucht, um zu erreichen, dass eine Kommunikation mit der Aussenwelt nur durch die Nasenlöcher möglich ist. Infolgedessen tamponiere ich die Nasenhöhle von seiten der Choanen mit vaselindurchtränkter Watte. Indem ich dem narkotisierten oder kurarisierten Versuchs- tiere das Maul weit öffne, führe ich mit dem Zeigefinger ohne be- sondere Schwierigkeiten in den Nasenrachenraum ein entsprechendes vaselindurchtränktes Wattestück ein und verpfropfe mit demselben die Nasenlöcher fest von hinten. In die vorderen Nasenöffnungen werden 11/’.—2!/s em weit 10—12 cm lange Glasröhrchen eingeführt. Um die Röhrchen herum wird vorsichtig vaselindurchtränkte Watte gewickelt; auf die freien Enden der Röhrchen werden 25 cm lange Gummiröhrehen aufgesetzt. Die freien Enden der Gummiröhrchen werden auf die Enden eines gabelartig verzweigten Glasröhrehens gesteckt, dessen solitärer Schenkel mittels eines Gummiröhrchens mit der aufzeichnenden kleinen Marey’schen Kapsel (Durchmesser 3,5 em) in Verbindung gebracht wird. Um nachzuprüfen, ob der Verschluss tatsächlich hermetisch ist, braucht man nur durch das 1) Ellenberger und Baum, Anatomie des Hundes. — Sernow, Ana- tomie des Menschen. Die Innervation der Gefässe der Nasenschleimhaut. 595 - freie Ende des letzten Gummiröhrchens hineinzublasen, wobei, falls der Abschluss wirklich hermetisch ist, nirgends Luft durchdringt. Bei starkem Blasen macht sich ein Abfluss von Luft dureh die schmalen Öffnungen des harten Gaumens an den Schneidezähnen (Foramina ineisiva) bemerkbar. Man kann sie mit Watte verschliessen oder auch frei lassen: Auf die Resultate des Experiments bleibt dies ohne jeglichen Einfluss. Bei der soeben beschriebenen Methode ist die Schleimhaut der Nasenhöhle somit weder einem Trauma noch einer Reizung aus- gesetzt. Sie bleibt mit einem Wort unter fast normalen Verhält- nissen. Es versteht sich von selbst, dass man bei verschieden grossen Tieren auch Röhrchen von verschiedenen Durchmessern zur Ein- führung in die Nase verwenden muss. Die Erweiterung der Nasen- gefässe kennzeichnet sich durch Steigung des Schreibhebels der Kapsel, also durch aufsteigende Kurve; die Kontraktion der Nasen- gefässe bzw. die. Verkleinerung ihres Lumens äussert sich durch Senkung des Schreibhebels, durch absteigende Kurve. Die Operation zur Freilegung und Vorbereitung der Nn. ethmoi- dalis, nasalis posterior und vidianus machte ich nach der Methode von Claude Bernard (Enukleation des Ganglion ciliare), die in der Dissertation von Dr. Elinson!) mit den für meine Zwecke erforderlichen Veränderungen beschrieben ist. Bei Rückenlage des Hundes wird der Kopf des Tieres in lateraler Stellung fixiert, der Hautschnitt wird vom äusseren Winkel der Orbita bis zur Ohrmuschel geführt und der ganze Arcus zygomaticus samt den Knorpelteilen an der Orbita reseziert. Der Processus zygomaticus wird möglichst entfernt. In derselben Richtung werden zwischen Klemmpinzetten der M. tempo- ralis und der M. masseter Schicht für Schicht durchschnitten. Der Processus coronarius des Unterkiefers wird möglichst in der Nähe des Kiefers reseziert. Der Augapfel wird an den Rändern der Orbita vorsichtig abgelöst, damit er frei wird. Am äusseren Rande des ganzen Augensackes wird das Bindegewebe auf stumpfem Wege vorsichtig gespalten. Unmittelbar auf dem Boden der Fossa sphenopalatina liegt, den M. ptergoideus kreuzend, der N. infraor- bitalis in Form von zwei Stämmen, den N. sphenopalatinus bedeckend. Nachdem man den N. infraorbitalis vorsichtig abgelöst hat, ist es 1) A. Elinson, Über die vasomotorischen Nerven der Netzhaut. Russisch. Dissertation. S. 27—28. 526 M. A. Tschalussow: [1 besser, ihn in der Nähe der Peripherie zu durchschneiden und das zentrale Ende seitwärts zu schlagen. Der N. sphenopalatinus be- steht aus drei kleinen Stämmen: sphenopalatinus maior und minor, welche zu der Nase in keiner Beziehung stehen, und nasalis posterior, der weiter als die beiden vorigen bis zur Peripherie fortschreitet und durch die Nasenöffnung in die Nasenhöhle eintritt‘). Fast in der Mitte der Fossa, dem N. nasalis posterior eng anliegend, liegt ein etwas graues, längliches Gebilde. Das ist das Ganglion spheno- palatinum s. nasale. Während dieser subtilen Operationen, die darauf abzielen, das Ganglion nasale nicht zu quetschen und die hier ziemlich zahlreich vorhandenen Gefässe nicht zu zerreissen, wird der Augapfel nach innen abgedrängt. Vom Ganglion nasale laufen nach allen Seiten Ästehen aus, die so fein sind wie Spinngewebe; hinten ist ein ziemlich diekes Ästehen, der N. vidianus, zu sehen. Nachdem man den Augapfel nach aussen zurückgedrängt und das hier lockere Periost der Orbita vom Knochen vorsichtig abgelöst hat, kann man ein bis zwei kleine Nervenstämme sehen, die in die Foramina ethmoidalia eintreten. Es handelt sich um den N. ethmoi- dalis, der weiter oben zwischen dem M. obliquus superior und M. reetus oculi verläuft. Vor seiner Passage zwischen den bezeichneten Muskeln und von der Eintrittsstelle in die Knochenöffnungen ge- rechnet wird ein Stückchen abpräpariert, welches zur Anlegung der Elektrode während der Reizung des Nerven vollkommen aus- reichend ist. Aus vorstehenden Ausführungen geht hervor, dass die be- schriebene Operation ziemlich kompliziert ist und wegen der topo- graphischen Eigentümlichkeiten mit starker Blutung einhergehen muss. Durch vorsichtiges Operieren, durch Anlegung von Ligaturen und Klemmpinzetten kann man jedoch ein blutfreies Feld und ein anschauliches interessantes Experiment sichern. 1) Bei Ellenberger und Baum (Systematische und topographische Ana- tomie des Hundes S. 512. 1891) sind auf der Abbildung 181 der N. palatinus maior und der N. nasalis posterior beide mit dem Buchstaben p bezeichnet und treten in ein und dieselbe Öffnung ein. Bei der Präparierung wird dies nicht beobachtet: Der N. palatinus maior tritt früher in das Foramen palatinum ein und geht durch den Canalis palatinus nach der Mundhöhle, der N. nasalis posterior geht weiter nach der Peripherie und tritt durch das Foramen sphenopalatinum in die Nasenhöhle ein. Die Entfernung zwischen den beiden erwähnten Punkten beträgt ca. 3 mm Die Innervation der Gefässe der Nasenschleimhaut. . 527 10—20 Minuten vor Beginn des Experiments wird dem Tiere in die V. femoralis eine Lösung von Morphium muriaticum, und zwar ungefähr 0,003 pro Kilogramm Körpergewicht des Tieres, eingeführt. Gleichzeitig mit. der Registrierung des Gefässbettes der Nasen- schleimhaut wurde mittels Sphygmoskops durch eine Kanüle, welche in eine der Karotiden eingeführt wurde, der allgemeine Blutdruck aufgezeichnet. Einfluss der Veränderungen im Blutstrom auf die Gefässe der Nasenschleimhaut. -Die Kompression der Aorta abdominalis bewerkstelligte ich mit dem Finger durch einen kleinen Schnitt in die Bauchwand. Die unmittelbar nach der Kompression der Aorta eintretende Steigerung des Blutdrucks bewirkt eine passive Erweiterung der Gefässe der Nasenschleimhaut. Letzteres dauert genau solange wie die Kom- pression. Nach Entfernung des komprimierenden Fingers sinkt der Blutdruck und kehrt rasch zum früheren Niveau wieder zurück. Die Kurve der Gefässe der Nasenschleimhaut macht denselben Zyklus durch; während aber der allgemeine Blutdruck zur Norm zurück- kehrt und weiter keine Veränderungen erfährt, zeigen die Nasen- gefässe energische Kontraktion. Die Kurve sinkt viel tiefer unter das ursprüngliche Niveau [Kurve Nr. 1), Taf. VIII. Die be- schriebene Erscheinung an den Nasengefässen habe ich in verschiedenem Entwieklungsgrade bei allen Experimenten sowohl bei intakten als auch bei durchschnittenen Nn. vagosympathiei beobachtet. Sie be- gleitet nur Änderungen im allgemeinen Blutstrom, wodurch diese auch bedingt sein mögen. Bei Reizung der einzelnen Nerven, welche die Nasenschleimhaut versorgen, wird diese Erscheinung nicht be- obachtet, falls der allgemeine Blutdruck unverändert bleibt. Dies wird an den nachfolgenden Kurven deutlich zu sehen sein. Bei Reizung des peripherischen Endes des einen der durch- schnittenen Nn. vagi kopiert die Kurve der Nasenschleimhaut genau die Kurve des Blutstromes; auch hier werden die Nasengefässe, während nach Unterbrechung der Reizung die Herztätigkeit sich 1) Sämtliche Kurven sind von links nach rechts zu lesen. Der erste Strich unten ist Zeitangabe in Sekunden, der zweite Strich zeigt die Kompression oder die Reizung an, der dritte den Blutdruck, der vierte die Kurve der Veränderungen der Nasenschleimhautgefässe. Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd. 151. 35 538 M. A. Tschalussow: wiederherstellt und der Blutdruck zu seinem früheren Niveau zurück- kehrt, passiv gedehnt. Der Gefässmuskel kontrahiert sich unter dem Einflusse dieser mechanischen Reizung sofort stark: Die Kurve der Nasenschleimhaut sinkt weit tiefer unter ihr ursprüngliches Niveau. Dann kehren die Nasengefässe ziemlich langsam zu ihrem ursprüng- lichen Zustande zurück. Schwache Reizung des zentralen Endes des durchschnittenen N. ischiadicus bei durchschnittenen Nn. vagosympathiei bewirkt nur eine ge- ringe Steigerung des allgemeinen Blutdruckes, der baldzu seinem früheren Niveau zurückkehrt, während die Nasengefässe eine kolossale Kontrak- tion aufweisen: Die Senkung der Kurve erreicht die Maximalgrenze. In der Kurve Nr. 2 (Taf. VIII) wird der N. ischiadicus bei einem Rollen- abstand von 300 mm gereizt. Bei einem Rollenabstand von 250 mm stemmt sich der Schreibhebel gegen den Rand der Kapsel. Wir nehmen also in den Kurven Nr. 1 und 2 (Taf. VIII) eine besondere Empfindlichkeit der Gefässe der Nasenschleimhaut gegen Veränderungen im Zustande des Blutstromes wahr. Gesteigerte Blutzufuhr zu den Gefässen dieses Gebietes bewirkt zunächst eine Dehnung derselben; aber dies Moment dient auch als Erreger der glatten Muskelfasern: Sie kontrahieren sich fast spastisch und kehren nur langsam erschlaffend zu ihrem ursprünglichen Zustand zurück, während der allgemeine Blutdruck weit früher zu seinem ursprüng- lichen Niveau voll und ganz zurückgekehrt ist. Die entgegengesetzte Erscheinung, nämlich dass der Gefässmuskel, nachdem er sich bis zu einer gewissen Grenze kontrahiert hat, bei seiner Rückkehr resp. Erschlaffung bis zum ursprünglichen Zustand bei sich nicht ver- änderndem Blutdruck mehr erschlaffte, bzw. dass seine Kurve über das ursprüngliche Niveau hinaus stieg, habe ich nicht beobachtet. Hat aber aus irgendeinem Grunde die Blutzufuhr zu demselben zu- senommen, so dehnt er sich sehr stark, um sich sofort wieder zu kontrahieren. Augenscheinlich besteht eine gewisse Gesetzmässigkeit zwischen den Erscheinungen der passiven Erweiterung und Ver- engerung der Gefässwand: Je grösser die Blutzufuhr zum Gefässe ist, desto stärker kontrahiert es sich später. Eine ähnliche Er- scheinung beobachtete Bayliss!) an entnervten Gefässen der Extremitäten, des Darmes und der Niere bei raschen Änderungen der Höhe des Blutdruckes und sogar an ausgeschnittenen Gefässen, 1) Bayliss, Journ. of Physiol., V, vol. 23 p. 220—231. - Die Innervation der Gefässe der Nasenschleimhaut. 529 die in geeignete Bedingungen gebracht waren. Diese Reaktion der Muskelwand des Gefässes betrachtet Bayliss als eine für den Organismus sehr nützliche Vorrichtung: Ein ausserordentlicher Ab- fluss von Blut nach irgendeinem Gebiet des Organismus hätte die übrigen, besonders das Gehirn, entblutet. Aber die gedehnte Ge- fässwand kontrahiert sich unabhängig von den zentralen Nerven- impulsen und jagt das Blut aus dem überschwemmten Territorium hinaus. Infolgedessen sind die Antagonisten, also die Vasokonstrik- toren und Vasodilatatoren, seiner Meinung nach berufen, diese Fähigkeit des glatten Muskels zu regulieren. Die soeben be- schriebene Reaktion des glatten Muskels auf gesteigerte Blutzufuhr hat D. W. Polumordwinow!) am M. retraetor penis studiert. ‚ Auch an diesem Objekt beobachtete er Kontraktion des Muskels unmittelbar nach der Steigerung der Blutzufuhr resp. bei gesteigertem Blutdruck. Der M. retraetor ist ein linearer Muskel und keine Röhre. Infolgedessen äussert sich die gesteigerte Blutzufuhr hier nicht durch eine vorangehende Erschlaffung, sondern durch eine latente Periode sichtbarer Ruhe des Muskels, auf die ebenso wie im Gefässe unmittelbar eine Kontraktionsperiode folgt. Reflexe. Bei intakten Nn. vagosympathici ruft Reizung des zentralen Endes des durchschnittenen M. ischiadieus energische Kontraktion der Schleimhautgefässe hervor. In der Kurve Nr. 3 (Taf. VIII) (das zentrale Ende des N. ischiadieus wurde bei einem Rollenabstand von 350 mm gereizt, der Blutdruck stieg um einige Millimeter) zeigen die Nasengefässe eine sehr stark ausgeprägte Kontraktion. Nach beiderseitiger Durchschneidung des N. vagosympathieus am Halse beim Hunde bzw. des N. sympathicus bei der Katze fällt bei Reizung des zentralen Endes des N. ischiadieus die reflektorische Kontrak- tion der Gefässe aus. Die Gefässe werden unter dem Einflusse der gesteigerten Blutzufuhr passiv gedehnt, um sich unmittelbar darauf rasch zu kontrahieren (Kurve Nr. 2, Taf. VIII). Die Vasokonstriktoren der Nasenschleimhaut gelangen hierher also aus dem grossen sym- pathischen Nerven, und infolgedessen fällt der Reflex nach Durch- schneidung desselben am Halse aus. Es muss darauf hingewiesen werden, dass die Gefässe der Nasenschleimhaut gegen die von den 1) D.W. Polumordwinow, Die glatten Muskeln und der Blutkreislauf. 1908. 35 330 M. A. Tschalussow: sensiblen Nerven ausgehenden Reflexe ausserordentlich empfindlich sind. Dies ist auch an der Kurve Nr. 3 (Taf. VIII) zu sehen, wo der Strom bei einem Rollenabstand von 350 mm ausserordentlich gering, dagegen der reflektorische Effekt sehr gross ist. Einen depressorischen Fffekt an den Gefässen der Nasenschleim- haut zu erzielen, ist weit schwieriger. In der Tat habe ich schon darauf hingewiesen, wie empfindlich die Gefässe der Nasenschleimhaut gegen Veränderungen im Blutdruck sind: Sie kollabieren leicht und rasch Hand in Hand mit dem Sinken des Blutdruckes und werden passiv noch mehr gedehnt, wenn der allgemeine Blutdruck steigt. Due BR N f N nf eh NA A AN ar Nase PEEIITTEEN Kurve Nr. 4. Versuch vom 9. Februar 1909. Katze. Beide Nn. sympathiei sind durchschnitten. Die Reizung des N. vagodepressorius sin. bei 90 mm R.-A. Dies findet auch bei der Reizung des N. depressor statt: Der Blut- druck sinkt Hand in Hand mit der Reizung des Nerven und kehrt zum früheren Niveau wieder zurück, sobald die Reizung aufhört, was natürlich die Gewinnung einer demonstrativen Kurve in sehr hohem Grade erschwert. Trotz dieser Hindernisse gelingt es jedoch auch hier, vollkommen überzeugend zu beweisen, dass bei Reizung des Depressor die Nasengefässe sich aktiv erweitern. In der Kurve Nr. 4 wird das zentrale Ende des N. vagus bei einem Rollenabstand von 90 mm gereizt. Der allgemeine Blutdruck sinkt von 140 auf 110 mm Hg, die Nasengefässe erweitern sich. Der nach der Reizung des Depressor zu seinem früheren Niveau zurückkehrende allgemeine Blutdruck bewirkt obendrein eine passive Erweiterung der Naseu- Die Innervation der Gefässe der Nasenschleimhaut. 531 gefässe, so dass die Kurve der Erweiterung der Nasenschleimhaut- gefässe ihren hohen Kamm weit länger behält, als der Effekt der 2 Ran a rare Y Nr) : o Nase [RT TTRLNER Kurve Nr.5. Versuch vom 2. Februar 1909. Hund. Nase Blut- druck Kurve Nr. 6. Versuch vom 29. April 1909. Beide Ganglien supremi der Nn. sympathici sind am 25. April 1909 exstirpiert. Reizung des Depressors sich im allgemeinen Blutdruck noch geltend macht. Die Kurve Nr. 5 ist von einem Tiere aufgenommen, bei 532 M. A. Tschalussow: dem einige Tage vor dem Experiment beide Gangl. cerv. suprem. nervi sympathiei exstirpiert worden waren. Hier wurde das zentrale Ende des N. vagus bei einem Rollenabstand von 115 mm gereizt und eine bedeutende Erweiterung der Nasengefässe konstatiert, während der allgemeine Blutdruck von 120 auf SO mm Hg sank. In der Kurve Nr. 6 ist der depressorische Effekt sehr stark ausgeprägt. Somit behält auch für dies Gefässgebiet die allgemeine These ihre Kraft, wonach die Reizung des Depressors eine aktive Erweiterung der Gefässe des ganzen Organismus hervorruft). Die Bahnen der Vasokonstriktoren und der Vasodilatoren der Nasenschleimhaut und deren Beziehung zum Ganglion nasale. Ich habe oben bereits darauf hingewiesen, dass die Vasokonstrik- toren für die Nasenschleimhaut durch den N. sympathieus ihren Weg nehmen. Tatsächlich hat die Reizung des Kopfendes des Nase | en VI AAMUNANAAMAANAAANAANANVV LBRTIETHE VI TN TEN BT RATE LIT HATT 3 N W ÄNIETELTEITERN HATT IR SATBR LATEIN BRTRLHNEN LRTRNESE IR IRTETER NN au N ylunn Kurve Nr. 7. Versuch vom 15. Januar 1909. Hund. Die Reizung des N. sym- pathicus bei 100 mm R.-A. N. sympathieus bei der Katze bzw. des N. vagosympathicus beim Hunde bei intaktem oder bei an beliebiger Stelle des Halses unter dem Ganglion durchschnittenem N. vagus nur einen Effekt zur Folge, 1) L.Fofanow, Zur Physiologie des N. depressor. Dissertation. Kasan 1908. (Russisch.) — W. Tschalussow, Zur Frage der Beziehung des N. depressor zu den vasokonstriktorischen und vasodilatatorischen Zentren. Dissertation. Kasan 1908. (Russisch.) Die Innervation der Gefässe der Nasenschleimhaut. 533 und zwar energische Kontraktion der Nasengefäse. Die Kurve Nr. 7 zeigt {das Resultat der Reizung des Kopfendes des N. vago- sympathieus bei einem Rollenabstand von 100 mm. Die Gefässe der Nasenschleimhaut kontrahieren sich, und die Kurve sinkt tief. Nach der oben beschriebenen 'Eröffnung der Fossa sphenopalatina und nach Freilegung der Nerven reizen wir den ganzen freigelesten Plexus, d. h. den N. infraorbitalis und den N. sphenopalatinus und erhalten stets und unveränderlich Kontraktion der Nasenschleimhautgefässe, genau so wie bei Reizung des N, sympathicus am Halse. Die Reizung des N. infraorbitalis bleibt bei jeder Stromstärke resultatlos; somit verlaufen die Vasokonstriktoren im N, sphenopalatinus. In der Kurve Nr, 8 (Taf. VIII) wurde zunächst der Gesamtplexus bei einem Rollenabstand von 80 mm gereizt. Die Nasengefässe kontrahieren sich energisch, Die zweite Reizung bei derselben Stromstärke bezieht Blut- a, EN, ANA druck Nase Kurve Nr. 9.. Versuch vom 11. Februar 1909. Die Nn. vagosympathici sind durchschnitten. Die Reizung des N. nasalis poster. sin. bei 120 mm R.-A. sieh auf den N. infraorbitalis und ist von gar keinem Effekt be- gleitet. Nach sorgfältiger Ablösung des N. sphenopalatinus maior und minor nehmen wir den N. nasalis posterior auf eine Ligatur. Die Reizung dieses Nerven hat bei jeder Stromstärke nur den einen Effekt zur Folge, nämlich Kontraktion der Gefässe der Nasenschleim- haut. In der Kurve Nr. 9 ist das Resultat der Reizung des Blut- druck Nase 534 M. A. Tschalussow: N. nasalis posterior bei einem Rollenabstand von 120 mm dargestellt: Die Gefässe zeigen hier dieselbe Kontraktion wie bei der Reizung des N. sympathieus. Reizung des N. nasalis posterior durch einzelne Induktionsschläge, Einwirkung von Wärme bei 52, 53 und 54° C. nach Grützner bleiben im Sinne einer Gefässerweiterung ohne jeden Effekt. Daraus geht klar hervor, dass der N. nasalis posterior nur Vasokonstriktoren für die Nasenschleimhaut enthält. ham W & alas ER Ar ar | N, BR ELER " var es Mr a a re Te, ern NY An SL MaLrercHeen ng nnannannananenaan ann nn nn nern ennenneen- nitoın nen Kurve Nr. 10. Hund. Beide Nn. vagosympathici sind durchschnitten. Die Reizung des N. vidianus bei 120 mm R.-A. Nach sorgfältiger Ablösung eines kleinen Astes des N. vidianus hinter dem Ganglion nasale nehme ich denselben auf eine Ligatur. Die Reizung seines peripherischen Endes bewirkt bei jeder Stromstärke nur einen Effekt, und zwar deutlich ausgeprägte aktive Erweiterung der Nasenschleimhautgefässe, während der allgemeine Blutdruck sich in keiner Weise verändert. Die Kurve Nr. 10 zeigt das Resultat Die Inneryation der Gefässe der Nasenschleimhaut. 535 der Reizung des N. vidianus bei einem Rollenabstand von 120 mm: Die Kurve der Nasenschleimhaut geht stark in die Höhe, und man nimmt an ihrem aufsteigenden Schenkel eine Übertragung des Pulses wahr, während der Blutdruck sich nicht verändert. Somit haben die Vasodilatatoren der Nasenschleimhaut Bahnen in den Nn. “ vidiani. Die Erscheinungen von Kontraktion der Nasenschleimhaut- gefässe bei Reizung des N. nasalis posterior und von Erweiterung bei Reizung des N. vidianus sind so konstant, so plastisch und so anschaulich, andererseits ist die Registriermethode dieser Ver- änderungen so einfach und so subtil, dass dieses Körpergebiet in der Tat ein dankbares ist und die Aufmerksamkeit der Physiologen in vollem Maasse verdient. Somit ist es uns gelungen, den in der Physiologie bereits be- kannten Vasodilatatoren einen neuen hinzuzufügen, den N. vidianus, an dem sich anschauliche und überzeugende Experimente anstellen lassen. Bei der Untersuchung des N. ethmoidalis erzielte ich nur einen vasokonstriktorischen Effekt, wobei der Maassstab der Konstriktion im Vergleich zu demjenigen der Kontraktion der Gefässe bei Reizung des N, nasalis posterior sehr klein ist. Die Kurve 11 zeigt Reizung des N. ethmoidalis bei einem Rollenabstand von 100 mm: Die Nasengefässe verengern sich ein wenig. Wärmereize bei 52, 53, 54, 55°C. sowie Zupfen des N. ethmoidalis haben eine Gefässerweiterung der Nasenschleimhaut nicht zuwege gebracht. Nachdem ich auf diese Weise den Verlauf der Vasokonstriktoren und Vasodilatatoren der Nasenschleimhaut festgestellt hatte, wollte ich Antwort auf die Frage finden, welches Verhältnis zwischen dem N. nasalis posterior nnd dem N. vidianus einerseits und dem auf ihrem Wege liegenden Ganglion nasale andererseits besteht. Zur Lösung dieser Frage benutze ich die Methode der Degeneration und der Nikotinisation.e Bei zwei Katzen wurden beide Gangl. cervical. suprem. n. sympathiei entfernt. Die eine Katze ging 7 Tage nach der Operation an beiderseitiger eitriger Pleuritis zugrunde. Die Operationswunde war per primam verheilt. Sowohl der linke als der rechte N. nasalis posterior wurde für die Dauer von 24 Stunden in Y/a°/oige Lösung von Osmiumsäure gelegt, dann wurden die zer- zupften Präparate unter dem Mikroskop untersucht. Deutlich aus- geprägte Spuren von Degeneration konnten in den Nervenfasern nicht nachgewiesen werden. Bei der anderen Katze wurden gleich- 536 M. A. Tschalussow: falls beide oberen Ganglien des N. sympathicus entfernt. Am 23. Tage wurde das Experiment mit Reizung des N. vagodepressor, des N. sympathicus usw. vorgenommen. Nach dem Experiment wurde der N. nasalis posterior sinister wie im ersten Falle bearbeitet. Die unter dem Mikroskop untersuchten zerzupften Präparate enthielten keine degenerierten Fasern. Bei einem jungen Hündchen wurde das rechte obere Ganglion cervicale des N. sympathiei am 3. März enukleiert. Am 24. April wurden der rechte N. ethmoidalis und der rechte N. nasalis posterior in derselben Weise bearbeitet: Degenerierte Fasern fanden sich nicht vor. Bei diesem Tiere reizte Nase Blut- $ druck Kurve Nr. 11. Versuch vom 13. April 1909. Die Reizung des N. ethmoid. sin. bei 100 mm R.-A. ich während des Experiments den N. nasalis posterior mit starkem Induktionsstroın bei einem Rollenabstand von 60—50 mm und er- zielte Verengerung der Nasengefässe. .Einem anderen Hunde wurden am 11. März beide oberen cervicalen Ganglien des N. sympathicus exzidiertt und am 28. März der N. nasalis posterior und der N. ethmoidalis beiderseits untersucht, ohne dass degenerierte Fasern sich vorfanden. Mit der Nikotinisation wurden zwei Experimente angestellt: Im ersten Experiment wurde das Ganglion nasale mit 1°/oiger Nikotin- lösung bestrichen, unmittelbar darauf mit warmer Locke’scher Flüssigkeit abgespült. 3 Minuten später begann ich hintereinander den N. nasalis posterior, dann den N. vidianus mit einer Pause von ungefähr 3—5 Minuten zu reizen. 27 Minuten lang blieben sämt- liche Reizungen der beiden Nerven bei einem Rollenabstand von nasale mit einer "/2 /oigen Die Innervation der Gefässe der Nasenschleimhaut. 537 100, 120, 150, 135, 155 mm ohne jede Wirkung auf die Nasen- gefässe. Die Reizung des N. nasalis posterior begann sich in der 27. Minute durch Verengerung der Nasengefässe zu äussern. Die Reizung des N. vidianus be- gann erst in der 38. Minute, einen vasodilatatorischen Effekt zu geben. Beim anderen Experiment wurde die Nikotinisation des Gang]. nasale zweimal ausgeführt. Zunächst wurde das Gangl. Nikotinlösung bestrichen. In- dem ich nun den N. nasalis posterior nach 5, 7, 9 usw. Kurve Nr. 12. Versuch vom 28. Mai 1909. Minuten reizte, erhielt ich DieReiung dest nes past bi 150mm RA. stets deutliche Verengerung der Nasengefässe, wenn auch in geringerem Grade als ohne Nikotinisation. Die Reizung des N. vidianus blieb nach 6, 8, 11, 14 usw. Nase Blut- druck Minuten ohne jeglichen Er- weiterungseffekt. Im Gegen- teil, man konnte Verengerung der Nasengefässe beobachten. Erst nach 25 Minuten gab der N. vidianus Erweiterung der y AR Gefässe der Nasenschleimhaut. NDIBDRD ADMIN NE >14 Minuten nach der ersten Pinselung wurde die zweite Pinselung mit 1%oiger Nikotin- lösung gemacht. Auch diesmal äusserte sich die Reizung des N. nasalis posterior durch Ver- Kurve Nr. 13. Versuch vom 28. Mai 1909. engerung; desgleichen ging die Die Reizung des N. vidianus bei 150 mm ; SR £ R.-A. 10 Minuten nach der Nikotinisation. Reizung des N. vidianus bei gleicher Stromstärke mit Kon- traktion der Nasengefässe einher, während der vasodilatatorische Effekt vom N. vidianus sich nach 37 Minuten einstellte.e. In der Kurve Nr. 12 wurde der N. nasalis posterior 8 Minuten nach der Pinselung mit 1°/oiger Nikotinlösung, der N. vidianus (Kurve Nr. 13) Blut- druck 538 M. A. Tschalussow: 10 Minuten nach derselben gereizt. Beide Reize wurden von Kon- traktion der Gefässe der Nasenschleimhaut begleitet. Der: Rollen- abstand betrug in beiden Fällen 150 mm. In diesen beiden Experimenten mit Nikotinisation des Ganglion müssen folgende drei Momente besonders hervorgehoben werden: 1. voliständige Unter- brechung der Leitfähigkeit sowohl bei Reizung des N. nasalis posterior als auch bei Reizung des N. vidianus im ersten Experiment; 2. vollständige Unterbrechung der Leitfähigkeit bei Reizung des N. vidianus und nur quantitative Verringerung derselben bei Reizung des N. nasalis posterior; 3. Kontraktion der Nasengefässe bei Reizung des N. vidianus nach Nikotinisation des Ganglion im zweiten Experiment. Die Experimente mit Degeneration nach vollständiger Entfernung des oberen Cervicalganglion des N. sympathicus lehren, dass es in diesem Ganglion eine Unterbrechung für die Vaso- konstriktoren der Nasenschleimhaut nicht gibt, und dass man diese infolgedessen weiter in der Richtung zur Peripherie suchen muss. Allerdings kann man gegen diese Experimente den Einwand erheben, dass Langley, der sich mit der kreuzweisen Zusammennähung des N. sympathieus und des N. vagus am Halse befasste, mehr als ein- mal das erwähnte obere Ganglion enukleierte und bei der Unter- suchung des am Knochen verbliebenen Stumpfes bisweilen zurück- gebliebene Gruppen von Nervenzellen fand. Ich habe derartige Untersuchungen nicht ausgeführt, glaube aber, dass die Enukleation des Ganglion, besonders bei Katzen, bei denen dasselbe leicht zu- gängig ist, eine genügend vollständige war. Das erste Experiment mit der Nikotinisation weist deutlich darauf hin, dass man die Existenz einer Unterbrechung der vasokonstriktorischen und vaso- dilatatorischen Fasern auch hier im Ganglion nasale zugeben muss, weil sonst die Nikotinisation des Ganglion eine so vollständige und andauernde Unterbrechung der Leitfähigkeit nicht gegeben hätte. Was die negative bzw. eher die unvollständige Wirkung des Nikotins im zweiten Experiment betrifft, so kann man diese Erscheinung dadurch erklären, dass am Ganglion eine grosse Schicht Bindegewebe ver- blieben ist, und dass die entsprechenden Zellen im Ganglion eine tiefere Lage einnehmen. Von der Annahme ausgehend, dass es im Ganglion nasale eine Unterbrechung für die einen sowohl wie für die anderen Fasern gibt, reizte ich den N. nasalis posterior und den N. vidianus oberhalb des Ganglion sowie die vor dem Ganglion liegenden Fasern. Es Die Innervation der Gefässe der Nasenschleimhaut. 539 bot sich sehr günstige Gelegenheit, nachzuforschen, was die Fasern darstellen, die aus dem Ganglion zur Peripherie laufen, nämlich ob es nur Vasokonstriktoren, motorische Fasern, sind oder ob hier auch Vasodilatatoren, d. h. hemmende Fasern, verlaufen. Im Experiment vom 10. Mai 1909 am Hunde nahm ich eine Reihe von Reizungen des N. nasalis posterior und des N. vidianus bei verschiedener Strom- stärke mit sich stets gleichbleibendem Resultat einer Verengerung der Nasengefässe im ersten Falle bzw. einer Erweiterung im zweiten Falle vor. Dann wurde hinter dem Ganglion vor der Eintrittsstelle des N. nasalis posterior in das Foramen nasale der Nerv sorgfältig abpräpariert, und hierbei ergab es sich, dass der kleine Stamm leicht in drei kleine Stämmchen zerfällt, von denen das eine, mit Strömen von verschiedener Stärke gereizt, kein Resultat erzeugte, während das andere bei Reizungen Verengerung der Nasengefässe ergab. In der Kurve Nr. 14 (Taf. VIII) ist die Reizung dieses Stämmechens bei einem Rollenabstand von 90 mm mit sehr stark ausgeprägtem Effekt fixiert. Das dritte Stämmchen erzeugte bei Reizung mit starken Strömen kein Resultat, bei Reizung mit schwachen Strömen Erweiterung. In der Kurve Nr. 15 (Taf. VIII) ist das Resultat der Reizurg bei einem Rollenabstand von 120 mm dargestellt und der Erweiterungseffekt fixiert. Es ist klar, dass es unter den Fasern, die aus dem Ganglion zur Peripherie laufen, auch hemmende Fasern gibt, d. h. in vorliegendem Falle behalten sowohl die Fasern vor dem Ganglion als auch diejenigen hinter dem Ganglion ihren Charakter, und zwar die einen als motorische, die anderen als hemmende Nerven. Ich schlug in der Anatomie (Ellenberger und Baum) nach, präparierte an Hunden, fand aber keine Anhalts- punakte für das Vorhandensein von Ganglien, die zwischen dem Ganglion nasale und der terminalen Verästelung der erwähnten Nerven liegen, und so muss man das Ganglion nasale mit seinen Bahnen als das letzte Neuron betrachten. In unserem Falle muss somit der motorische und hemmende Mechanismus weiter zur Peripherie liegen. Indem ich vorstehende Ausführungen resümiere, glaube- ich, folgende Schlüsse ziehen zu können: 1. Die Vasodilatatoren zur Nasenschleimhaut gehen durch den N. vidianus. 2. Die Vasokonstriktoren der Nasenschleimhaut gehen haupt- sächlich durch den N. nasalis posterior und nur teilweise durch den 540 M. A. Tschalussow: N. vidianus. Aus vorstehendem geht klar hervor, dass die Vaso- dilatatoren im N. vidianus zahlreicher vertreten sind als die Vaso- konstriktoren, so dass die Reizung des N. vidianus oberhalb des Ganglion mit Strömen von verschiedener Stärke auf der Nasen- schleimhaut nur und ausschliesslich einen vasodilatatorischen Effekt erzeugt. 3. Die’ Vasokonstriktoren werden im Ganglion sphenopalatinum unterbrochen, die Vasodilatatoren auch in demselben eine Unter- hrechung erfahren. | 4. Die hinter dem Ganglion liegenden Fasern behalten ihren früheren Charakter, d. h. als Vasokonstriktoren und Vasodilatatoren. 5. Reflex vom. Depressor wird auch in diesem Gefässgebiet beobachtet. 6. Der Reflex von den sensiblen Nerven zeichnet sich durch grosse Lebhaftigkeit aus. Vorstehende Ausführungen geben uns den Schlüssel zum Ver- ständnis der normalen und pathologischen Erscheinungen, die in der Nase, diesem oberen Abschnitt der Luftwege, der für die Gesundheit des Menschen von so grosser Bedeutung ist, beobachtet werden. Die Beobachtungen lehren, dass bei den psychischen Zuständen der Freude, des Schmerzes und des Zornes der Zustand der Nasen- schleimhaut sich verändert: Die Nase wird bald so verlegt, dass die Atmung erschwert ist, bald ist die Nasenatmung vollkommen frei. Man muss annehmen, dass wir es hier mit Reflexen von der Rinde zu tun haben. Bei Lungen- und Herzerkrankungen beobachtet man sehr häufig durch Hyperämie hervorgerufene Schwellung der Nasen- schleimhaut, durch welche die Nasenatmung erschwert ist. Bei akuter Rhinitis tritt Gefässstörung in den Vordergrund: starke Hyperämie der Schleimhaut mit unangenehmen, lästigen Empfindungen, worauf gesteigerte Sekretion folst. Darf man aber die am Hunde erzielten Resultate auf den Menschen übertragen? Um diese Frage, natürlich in bezug auf die Reflexe von den sensiblen Nerven, beantworten zu können, experi- mentierte ich an mir selbst. Die hintere Tamponade der Nase machte mir der Kollege Dr. Zypkin, in die vorderen Nasen- öffnungen wurden Oliven eingeführt, die mittels Gummiröhrchens mit einer kleinen Marey’schen Kapsel verbunden waren. Ich be- fand mich in sitzender Stellung. Darauf folgte: Die Innervation der Gefässe der Nasenschleimhaut. 541 1. Versenkung der Beine bis zur Hälfte des Unterscheukels in Wasser von 18° C., 2. Versenkung in Wasser von 40-—41° C., 3. Reizung mit elektrischem Strom bei einem Rollenabstand von 70—75 mm (die Elektroden, welche an die Haut der unteren Extremitäten angelegt wurden, waren vollkommen fühlbar), 4. Nadel- stiche, 5. Kratzen der Haut der unteren Extremitäten mit irgend- einem Gegenstand. Alle diese Reizungen ergaben im wesentlichen einen Effekt, und zwar Kontraktion der Nasengefässe. Die grösste Beständigkeit und Anschaulichkeit des Effektes zeigte das kalte Wasser. Anbei die Kurve Nr. 16, die von meiner Nase unter dem Kurve Nr. 16. Versuch vom 13. Oktober 1909. Versenkung der Beine bis zur Hälfte des Unterschenkels in Wasser von 18° ©. Einflusse von Wasser bei 13° C. aufgenommen wurde. Man sieht auf derselben, dass unmittelbar nach der Versenkung der Beine in das kalte Wasser die Nasengefässe sich verengen. Das an mir selbst angestellte Experiment veranlasst mich, mich dahin zu äussern, dass wir im vorliegenden Falle die am Hunde gewonnenen Resultate auch mit vollem Recht auf den Menschen übertragen können. Es ist nicht meine Aufgabe, die Therapie des akuten und subakuten Katarrhs der Nasenschleimhaut vom Standpunkte der von mir auf experimentellem Wege festgestellten Reaktionen der Nasen- schleimhautgefässe zu erörtern. Im grossen und ganzen sind sämt- liche Maassnahmen bei dieser Erkrankung erstens auf eine Ver- ringerung der Hyperämie, d. h. auf die Gefässe, und zweitens auf die Desinfektion der Nasenhöhle gerichtet. Ausser der unmittelbaren Beeinflussung der Nasenhöhle durch solche Dinge wie Kokain, Adrenalin usw. benutzte man nicht selten und benutzt man auch jetzt noch Maassnahmen wie Versenkung der Beine in kaltes Wasser '), 1) Dr. Popow, Russkaja Medizina 1884 Nr. 10. 549 M. A. Tschalussow: Die Innervation der Gefässe der Nasenschleimhaut. Rlektrisierung usw. Alle diese letzteren Maassnahmen verdanken ihren Einfluss voll und ganz den Reflexen, die zweifellos die Ge- fässe tonisieren können. Auch Pinselung der Schleimhaut, Einblasen von pulverförmigen und dampfartigen Substanzen üben, von der chemischen Wirkung abgesehen, vor allem einen reflektorischen Einfluss auf das Zentrum der Vasokonstriktoren aus. Dieser reflek- torische Einfluss ist, wie die von mir wiedergegebenen Kurven zeigen, mächtig und konstant. Zum Schlusse ist es mir eine angenehme Pflicht, Herrn Prof. N. A. Mislawski für die Genehmigung, in seinem Laboratorium zu arbeiten, sowie für die mir hierbei in liebenswürdiger Weise er- teilten Ratschläge an dieser Stelle meinen aufrichtigen Dank zu sagen. Tafelerklärung. Kurve Nr. 1. Versuch vom 2. Januar 1909. Hund. Die Aorta abdomin. ist komprimiert. Die Nn. vagosympath. sind durchschnitten. Kurve Nr. 2. Versuch vom 15. Januar 1909. Hund. Die Nn. vagosympath. sind durchschnitten. Die Reizung des N. ischiad. sin. bei 300 mm R.-A. Kurve Nr. 3. Versuch vom 15. Januar 1909. Hund. Die Nn. vagosympath. sind intakt. Die Reizung des N. ischiad. sin. bei 350 mm R.-A. Kurve Nr. 8. Versuch vom 11. November 1909. Links ist die Reizung der Nn. infraorbit. und sphenopalat. zusammen, rechts die Reizung des N. infra- orbitalis. Kurve Nr. 14. Versuch vom 10. Mai 1909. Die Reizung eines Stämmchens hinter Ganglion nasale. Kurve Nr. 15. Die Reizung eines anderen Stämmchens hinter dem Ganglion nasale bei 120 mm R.-A. Blutdruck Blutdruck ut ÜÄANÄNLAARANNKLDLLHNN Hua By “ Se (Aus dem physiologischen Laboratorium der kaiserl. Universität Kasan.) Über die Beziehungen des N. depressor zu den vasomotorischen Zentren. Von Privatdozent L. L. Fofanow und Dr. med. M. A. Tschalussow., (Mit 13 Textfiguren und Tafel IX und X.) Die Veröffentlichung unserer Arbeit ist durch die auffällige Meinungsverschiedenheit der Physiologen in der Frage der Rolle des Depressors in der Herabsetzung des Blutdruckes, des Einflusses des N. depressor auf das eine oder das andere vasomotorische Zentrum bedingt. Bekanntlich erklärt die Mehrzahl der Physiologen, mit Cyon an der Spitze, die bei Reizung des N. depressor eintretende Herabsetzung des Blutäruckes durch Depression des Zentrums der Vasokonstriktoren. Eine andere Gruppe von Autoren (Östroumow, Laffont, Rose-Bradfordt, Johansson, Pal, Tschirwinski, Cavazzani und Manca, Francois Franck und Hallion, Biedl, Bunch u.a.) ist im Gegenteil der Ansicht, dass das Sinken des Blutdruckes bei Reizung des N. depressor eine Erscheinung aktiver Erweiterung der Gefässe unter dem Einflusse einer Erregung des Zentrums der Dilatatoren ist, welches Impulse von diesem sensiblen Nerven erhält. Schliesslich besteht eine dritte Ansicht, die von Bayliss vertreten wird, und die dahin geht, dass bei Reizung des N. depressor beide vasomotorischen Zentren gleichzeitig beeinflusst werden, wobei bei Erregung des. vasodilatatorischen Zentrums gleichzeitig eine Depression seines Antagonisten statt- findet, d. h. es besteht volle Analogie mit den Beobachtungen von Sherrington, Sherrington und Hering über die Innervation der Skelettmuskulatur und von Prof. N. A. Mislawski über die Innervation der Bewegungen der Pupille. Wir möchten uns in eine Erörterung der anatomischen und physiologischen Grundeigenschaften des N. depressor, die unter Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd. 151. : 36 944 ° — L. L. Fofanow und M. A. Tschalussow: Anteilnahme zahlreicher Autoren (Cyon und Ludwig, Stelling, Bernhardt, Roever, Prof. Aubert, Schneider, Prof. Kowalewski und Adamjuk, Langenbacher, Kreidmann, Dreschfeld, Finkelstein, Viti, Kasem-Beck, Haskell und Gadow, D. Wesley Mills, Prof. Kronecker, Tschir- winski, Wooldridg, Prof. Smirnow, Latschenberger und Deahna, Ostroumow, Dastre und Morat, Hürthle, Nagel, Arendt, Charbin und Gley, S. Fuchs, Spalitta und Consiglio, Porter und Beyer, Winkler, Koster und Tschermack, Hirsch und Stadler, Asher, Bayliss u. v. a.) gründlich erforscht sind, nicht weiter einlassen, sondern lediglich auf eine der Schlussfolgerungen hinweisen, die sich aus diesen Arbeiten ereibt, nämlich, dass kein Grund vorliegt, den N. depressor als aus rein depressorischen Fasern bestehend aufzufassen. Der N. depressor ist ein vom N. vagus bisweilen (bei manchen Tieren, so z. B. bei Kaninchen, besonders häufig) sich abspaltender Ast und enthält als solcher sowohl depressorische als auch pressorische Fasern. Ein Massenverlauf von Fasern der ersteren Art befindet sich im Stamme des N. vagus. Auf diesen Umstand hat Dreschfeld als erster die Aufmerksamkeit gelenkt, dann finden wir bezügliche Hinweise in der Arbeit von Latschenberger und Deahna und namentlich in der Arbeit von Bayliss. Letzterer Autor gelangt nach einer sorgfältigen Analyse der vom N. vagus ausgehenden Depressionen zu der festen Überzeugung, dass es einen Unterschied zwischen den depressorischen Fasern des N. vagus und dem wirklichen Depressor nicht gibt. Für ihn besteht der ganze Unterschied zwischen den depressorischen Effekten, die vom N. vagus ausgehen, und denjenigen, die vom wirklichen N. depressor ausgehen, darin, dass bei der vom N. vagus ausgehenden Depression der Blutdruck häufig noch während der Reizung zur Norm zurückzukehren beginnt, während bei der De- pression, die vom reinen Depressor ausgeht, der Blutdruck, nachdem er bis auf ein gewisses Niveau gesunken ist, auf demselben während der ganzen Dauer der Reizung bisweilen sogar eine gewisse Zeit über dieselbe hinaus verbleibt. Wir deuten diesen Umstand in der Weise, dass die noch während der Reizung des zentralen Endes des N. vagus eintretende Rückkehr des Blutdruckes zum früheren Niveau durch gleichzeitige Erregung der pressorischen Fasern bewerkstelligt wird, d. h., dass nieht die Stromstärke gewählt war, auf deren Reiz lediglich oder hauptsächlich die depressorischen Fasern des N. vagus Über die Beziehungen des N. depressor zu den vasomotor. Zentren. 545 reagierten. Ist aber für die Reizung des Nerven Strom von voll- kommen entsprechender Stärke gewählt, so wird selbst bei sehr langen Reizungen des zentralen Endes des N. vagus, wie dies die Kurve Nr. 1 (Tafel IX) anschaulich demonstriert, nur Depression beobachtet. Da wir an Tieren experimentierten, bei denen isolierter Depressor nicht häufig beobachtet wird (Katzen, Hunde), so haben wir bei unseren Experimenten stets das zentrale Ende des N. vagus sinister oder richtiger des N. vagodepressor sinister genommen. Natürlich wurde der Depressor in allen Fällen, wo er isoliert war, unter- sucht. Bei Lösung der Aufgabe, die wir uns gesteckt hatten, gingen wir nach folgendem Plane vor: Wir suchten reflektorische Erweiterung der Gefässe an der Peripherie als das Resultat einer Reizung des Depressors zu erzielen und trachteten dann, nachdem wir den Einfluss der Vasokonstriktoren auf das Gebiet des Experiments durch Durch- schneidung derselben ausgeschaltet hatten, wiederum Erweiterung der Gefässe herbeizuführen. Das positive Resultat der Experimente spricht für sich selbst. Vor allem machten wir eine Reihe von Experimenten an der Zunge der Katze. Bei der Wahl dieses Organs für unsere Experimente gingen wir fast ausschliesslich von den Er- wägungen aus, dass die Gefässinnervation der Zunge eine gesonderte ist, dass die Zunge spezielle Vasodilatatoren und Vasokonstriktoren in Form von einzelnen Nervenstämmen besitzt (V ulpian, Ostroumow, Kendal und Luchsinger, Dzedzul, Luchsinger, Anrep und Cybulski, Isergin), so dass wir imstande sind, auf Wunsch den Einfluss des einen oder des anderen Nervenstammes auf die Blutfüllung der Zunge nach Belieben auszuschalten. Ein weiterer Umstand, der uns veranlasst hat, unsere Untersuchungen gerade mit diesem Organ zu beginnen, war derjenige, dass Bayliss bei Reizung des zentralen Endes des N. vagus nur Andeutung auf Erweiterung der Zungengefässe beobachtet hat. Dies gab Cyon Veranlassung, zu glauben, dass Bayliss bei Reizung des Depressors einen vaso- dilatatorischen Effekt an der Zunge nicht beobachtet hat. Zur Registrierung der in der Blutfüllung des Organs zur Beobachtung gelangenden Veränderungen bedienten wir uns des in der Arbeit von Dr. Bystrenin beschriebenen Onkometers mit Wasser- übertragung, mit dessen weiterer Beschreibung wir uns nicht weiter befassen möchten. 36 * 546 L. L. Fofanow und M. A. Tschalussow: Die Luftübertragung des Apparates von Anrep und Cybulski, dessen sich auch Bayliss bediente, erwies sich für unsere Experi- mente als ungeeignet. Sämtliche Experimente haben wir an Katzen und Hunden aus- geführt. Die Gesamtzahl der diesem Teile der Arbeit. zugrunde liegenden Experimente beträgt ca. 40. Narkose wurde nur bei der Operation an- gewendet; für die Dauer des Experi- ments wurde das Tier durch Ein- führung von Curarelösung in die V. femoralis immobilisiert. Gleich- zeitig mit den onkometrischen Be- funden wurde auch der Blutdruck mittels eines Sphygmomanometers aufgezeichnet, welches entweder mit der A. carotis oder mit der A. eru- ralis in Verbindung stand. Am Halse wurden nach vorangehender Tracheo- tomie die beiden Nn. vagi abprä- pariert, durchschnitten und das zen- trale Ende des N. vagus sinister auf eine Ligatur genommen. Die Nn. sympathici wurden eine Zeitlang in- takt belassen. Wurde ein isolierter Depressor angetroffen, so wurde der- selbe durchschnitten und das zentrale Ende desselben gleichfalls auf eine Ligatur genommen. Bisweilen wurde BEE SETEREREIRFEIER BE est M nt Na re" irre heehsitann {) SWK. Vegi din p:C: /20 9 Lunar I Musossannuussnnnensonnnensnansonnnanlanan nannte 1 Zunge, 2 Blutdruck in der Art. car. crur., 3 die Zeitmessung der Reizung, 4 Deprez, die Reizung der Nn. vagi sin. bei 120 mm R.-A. ments der eine oder beide Nn. lin- guales abpräpariert. Die Reizung der ‘ Nerven wurde von einem Depre&z- schen Signal notiert. Während der ganzen Dauer des Experiments wurde mittels eines Blasebalges mit elektrischem Antrieb künstliche Atınung unterhalten. Bei der beschriebenen Versuchsanordnung ging die Reizung des zentralen Endes des N. vagus sinister fast stets mit einer Ver- änderung des Volums der Zunge, und zwar mit einer Vergrösserung arten Eee a TE nn en ae S » 5 L r Torre, Kurve Nr. 2. m au or) je nach den Bedingungen des Experi-. Über die Beziehungen des N. depressor zu den vasomotor. Zentren. 547 der Blutfüllung derselben einher, was durch Steigung der onko- metrischen Kurve klar erwiesen wird; die Kurve des Blutdruckes geht aber zu gleicher Zeit deutlich herunter, d. h. der Blutdruck sinkt. Die Kurven Nr. 2 und 3 demonstrieren anschaulich diesen Effekt. Bisweilen wird bei Reizung des zentralen Endes des N. vagodepressor sinister eine Steigung der onkometrischen Kurve nicht beobachtet. In solchen Fällen findet jedoch erstens eine sK-Vagpl Sin p-< 80 Kurve Nr. 3. Versuch vom 30. November 1907. Hund. Beide Nn, vagi und Nn. sympathici sin. sind durchschnitten. Oben ist die plethysmographische Kurve der Zunge, weiter die Kurve des Blutdruckes (Sphygmoskop in aer Art. cruralis), die Zeitmessung der Reizung und die Zeitmessung Depre6z. Die Zeit wird jede Sekunde notiert. Reizung des zentralen Endes der Nn. vagi sin. bei 80 mm R.-A. Lesen von links nach rechts. Senkung der onkometrischen Kurve nicht statt, und zweitens kann man an der Kurve stets eine Zunahme der Übertragung der Re- spirations- und der Pulswellen beobachten, wie dies an der Kurve Nr. 4 deutlich zu sehen ist (Kurve Nr. 4). Die Zunahme der Übertragung der Respirations- und Pulswellen in der Kurve des Onkometers spricht unbedingt für Erweiterung der Gefässe: Abgesehen davon, dass die mehr erschlaffte Gefässwand Schwankungen mit grösserer Amplitude vollzieht, trifft unbedingt die Erklärung von Bayliss zu, dass das Blut in erweiterte Gefässe bedeutend leichter und in grösserem Umfang hineingetrieben wird. Was das Fehlen des hauptsächlichsten Symptoms der Gefässerweiterung, nämlich der Steigung der onko- 548 L. L. Fofanow und M. A. Tschalussow: metrischen Kurve resp. der Zunahme des Zungenumfanges, betrifft, so liegt die Ursache dieser Erscheinung in dem gewaltigen Abfluss des Blutes in die Gefässe der Bauchhöhle, worauf Cyon und dann Bayliss hingewiesen haben. Nach den Beobachtungen des letzteren Autors verdunkelt dieser Blutabfluss nach der Bauchhöhle häufig in hohem Maasse den vasodilatatorischen Fffekt der. Reizung des De- pressors a.ı der Peripherie. Würde bei der Reizung des zentralen Endes des N. vasodepressor sinister nur ein Blutabfluss nach der Bauchhöhle stattfinden, und würden sich die Gefässe an der Peripherie H UK. Vagld p:c-80 kKhkhrhhfihh Kurve Nr. 4. Versuch vom 30. November 1907. Beide Nn. vagi und Nn. sym- pathici sin. durchschnitten. Die Bezeichnungen sind die früheren. Reizung des zentralen Endes der Nn. vagi sin. bei SO mm R.-A. Lesen von links nach rechts. nieht ;erweitern, so würden sie auf diesen Blutabfluss rein passiv reagieren müssen, d. h. die onkometrische Kurve würde sinken, die Übertragung der Respirations- und Pulswellen fehlen oder sehr ge- schwächt sein müssen. Die Reizung des zentralen Endes des Depressors bewirkt somit reflektorische Erweiterung der peripheren Gefässe. Nun wollen wir zur Lösung der Frage übergehen, wodurch dies bedingt ist. Zu diesem Zwecke schalten wir aus der Innervation der Zunge die Vasokonstriktoren durch Durchschneidung des Hals- teiles des N. sympathicus aus, der seine vasokonstriktorischen Fasern in den N. hypoglossus schiekt (Vulpian, Isergin). Der Einfluss der Durchschneidung des N. sympathieus auf die Blutfüllung der Zunge äussert sich durch Vergrösserung des Umfanges der letzteren; dementsprechend geht die onkometrische Kurve in die Höhe, und Über die Beziehungen des N. depressor zu den vasomotor. Zentren. 549 es treten an derselben gesteigerte Übertragung der Respirations- und Pulswellen auf (vgl. Kurve Nr. 5 auf Tafel IX). Diese Zunahme der Blutfüllung des Organs ist das Resultat des Nachlassens des Gefäss- tonus infolge der Ausschaltung des Einflusses der Vasokonstriktoren. Würde die Erweiterung der Gefässe bei Reizung des Depressors aus- schliesslich durch Depression des Zentrums der Konstriktoren bedingt sein (Cyon und seine Schule), so würde nach der Durchschneidung des Halsteiles des N. sympathieus die Reizung des Depressors an der Zunge ohne Effekt bleiben müssen; das Experiment ergibt jedoch up ur Vagi.Stn.p.c.[id NERRNN NN OR NN NLNNNRNNÄNNUUN NÄNNRÄNÄNNANDNNNNNENDANANN ÄNÄNNNÄNÄNNNRANAAÄNNNAD ADD UNN NOAIDTÄNSRÄRRNTDNL DEE NDDDDADNUSSNDEL TEN Kurve Nr. 6. Versuch vom 3. Dez. 1907. Hund. Beide Nn. vagi und Nn. sym- pathici sind durchschnitten. Oben ist die Zungenkurve, weiter die Kurve des Blutdruckes. Der Zeitmesser der Reizung (Depre&z) und die Zeitmessung in Sekunden. Reizung des zentralen Endes des N. vagodepressor sin. bei 110 mm R.-A. Lesen von links nach rechts. ganz etwas anderes: An der Kurve Nr. 6 sehen wir starken vasodilata- torischen Effekt auf der Zunge infolge von Reizung des Depressors nach erfolgter Durchschneidung des Halsteiles des N. sympathieus. An dieser Kurve ist zu vermerken, dass die starke Erweiterung der Zungengefässe bei Reizung des Depressors mit einem Sinken des allgemeinen Blutdruckes nicht einherging. Dieser ausserordentlich interessante Umstand ist augenscheinlich durch die exquisite Erregbar- keit der Vasodilatatoren der Zunge bei dem betreffenden Tiere bedingt, wodurch dieselben auf die Reizung des Zentrums eher reagieren, als die Erregung des Zentrums auf den allgemeinen Blut- druck zu wirken und diesen zum Sinken zu bringen vermag. Man sieht hierbei an der onkometrischen Kurve eine Reihe von Wellen, / 550 L. L. Fofanow und M. A. Tschalussow: die auf rhythmische oder periodische Tätigkeit des Zentrums hinweisen. In diesem Experiment wurden, nachdem die obenerwähnte Kurve Nr.'6 aufgezeichnet worden war, die beiden Nn. linguales durehschnitten. Bei der darauffolgenden Reizung des zentralen Endes des N. vagus sinister stellte sich ein Defekt an der Zunge nicht ein: Die Gefässe derselben reagierten nicht auf Reizung des N. vagus (vgl. Kurve Nr. 7). Hieraus ergibt sich der Schluss, dass der vasodilatatorische Reflex an der Zunge in dieselbe auf dem Wege der cerebralen Nerven gelangt, und ausserdem bestätigt diese Beobachtung die Schlüsse von Isergin, un Vagi Sın..p-<:120 Kurve Nr. 7. Versuch vom 3. Dezember 1907. Hund. Beide Nn. vagi, Nn. sym- pathici und Nn. linguales sind durchschnitten. Reizung des zentralen Endes der Nn. vagi sin. bei 120 mm R.-A. Lesen von links nach rechts. dass die Nn. linguales zum sympathischen Nervensystem in gar keiner Beziehung stehen. In diesem Experiment blieben die Nn. glossopharyngei undurchschnitten, und so konnte der vasodilatatorische Reflex seinen Weg eben durch diese Nerven genommen haben. Beim Experiment wurde dies jedoch nicht beobachtet, da wegen der bedeutenden Grösse der Zunge beim Hunde in das Onkometer nur das vordere Drittel der Zunge hineingebracht werden konnte, welches ausschliesslich vom N. linguales innerviert wird. Reizten wir das peripherische Ende des N. vagus zur Herbei- führung von Stillstand des Herzens und demzufolge eines Sinkens des Blutdruckes, so wurde nach der Unterbrechung der Reizung eine sehr interessante Erscheinung beobachtet: Etwas später als das Niveau des Blutdruckes seine frühere Höhe erreichte, trat an der onkometrischen Kurve der Zunge eine ganze Reihe von ziemlich hohen Wellen auf, die jedesmal mit Zunahme der Übertragung der Über die Beziehungen des N. depressor zu den vasomotor. Zentren. 551 Respirations- und der Pulswellen einherging. Diese Erscheinung dauerte jedesmal ca. 3 Minuten. Eine Reihe genau solcher Wellen entstand an der onkometrischen Kurve der Zunge bei Reizung des zentralen Endes des N. vagus sinister mit sehr schwachen Strömen. Ohne uns einstweilen über den Charakter dieser Wellen endeültig aussprechen zu wollen, glauben wir nichtsdestoweniger darauf hin- weisen zu müssen, dass es auf keinen Fall statthaft ist, dieselben auf Rechnung des Spielens der Gefässwandungen zu setzen. Diese Wellen sind unbedingt zentralen Ursprungs; ihr Auftreten beweist deutlich, dass das Zentrum der Vasodilatatoren augenscheinlich die empfangene Erregung relativ lange behält, und dass die Tätigkeit desselben gleichsam rhythmischer Natur ist. Das zweite Gebiet, welches wir zum Gegenstand unserer Experi- mente machten, war die Nasenhöhle. Die Methode zur Beobachtung der Veränderungen des Lumens der Nasenschleimhautgefässe war ausserordentlich einfach und subtil: Wir tamponierten die Nasenhöhle von seiten der Choanen mit vaselindurchtränkter Watte und führten in die. vorderen Nasenlöcher 1,5—2 em weit 10—12 em lange Glas- röhrcehen ein. Der Raum zwischen dem Röhrchen und den Wandungen des Nasenloches wurde vorsichtig mit vaselindurchtränkter Watte vollgestopft. Mittels eines Y-förmigen Glasröhrchens und Kautschuk- röhrehens wurden die beiden Nasenhöhlen mit einem solitären Schenkel vereinigt, der mit der Marey’schen Schreibkapsel kom- munizierte. Bei dieser Versuchsanordnung erzielt man eine voll- kommen hermetische Verstopfung der Nasenhöhle, so dass sämtliche Schwankungen des Luftvolums in derselben unverzüglich und genau von der Kapsel registriert werden. Allerdings kann ein Teil der Luft durch die engen Foramina ineisiva an den Schneidezähnen entweichen. Aber diese Entweichung ist so gering, dass sie den Verlauf des Experiments in keiner Weise beeinflusst. Bei der An- wendung der soeben beschriebenen Methode ist die Nasenschleimhaut weder einem Trauma noch einer Reizung ausgesetzt; sie bleibt mit einem Wort unter fast normalen Verhältnissen. Bevor wir die Resultate unserer Experimente wiedergeben, glauben wir einen kurzen Hinweis auf die Innervation der Nasenschleimhaut vorausschicken zu müssen. Die Schleimhaut der Nasenhöhle wird vom Aste des N. trigeminus versorgt. Von seinem ersten Ast versorgt der N. ethmo- idalis einen Teil der Nasenscheidewand, der oberen Muschel und des Bodens der Nasenhöhle.. Vom zweiten Ast des N. trigeminus 552 L. L. Fofanow und M. A. Tschalussow: sondert der N. sphenopalatinus einen Stamm, nämlich den N. nasalis posterior, ab, der die Schleimhaut der übrigen Teile der Nasenhöhle versorgt. Auf dem Wege des N. ethmoidalis liegt das Ganglion eiliare, auf dem Wege des N. nasalis posterior das Gangl. spheno- palatinum s. nasale, von dem von vorn nach hinten der N. vidianus abgeht, der aus dem N. petrosus superfieialis major vom N. facialis und aus dem N. petrosus profundus vom N. sympathicus besteht. Ohne sich in eine eingehende Erörterung der Details der Verteilung der erwähnten Nerven und deren Nomenklatur einzulassen, muss man im wesentlichen anerkennen, dass es zwischen der Innervation der Nasenschleimhaut beim Hunde und beim Menschen einen prin- zipiellen Unterschied nicht gibt: Dieselben Nerven versorgen, indem sie fast dieselben Beziehungen zwischen den obenerwähnten Knoten behalten, dieselben Gebiete der Nasenschleimhaut. Wir möchten davon Abstand nehmen, die physiologische Rolle dieser Nervenstämme in der Blutversorgung der Nasenschleimhaut eingehend zu erörtern (dies ist seitens Dr. M. A. Tschalussow’s?) in einer Spezialarbeit geschehen) und nur darauf hinweisen, dass die Nn. ethmoidales und die Nn. nasales posteriores reine Vaso- konstriktoren sind, während der N. vidianus hauptsächlich vaso- dilatatorische Fasern und: nur eine geringfügige Anzahl von vaso- konstriktorischen Fasern trägt. Die Vasokonstriktoren unterbrechen sich im Gangl. nasale, die Vasodilatatoren unterbrechen sich auch, wobei die Fasern hinter dem Ganglion ihren früheren Charakter, d. h. denjenigen von Vasokonstriktoren und Vasodilatatoren, be- halten. | Wir wollen uns nun der Frage des depressorischen Effekts auf die Nasenschleimhaut zuwenden. Die Vorbereitung des Versuchs- tieres und die Präparierung der Halsnerven war die übliche. Der vasodilatatorische Effekt auf die Nasenschleimhaut infolge von Reizung des Depressors lässt sich schwer erzielen. Die Gefässe der Nasenschleimhaut sind in hohem Grade empfindlich gegen Ver- änderungen im Blutdruck, sie kollabieren leicht und rasch parallel dem Sinken des Blutdruckes und dehnen sich noch mehr passiv, wenn der letztere steigt; nichtsdestoweniger ist es uns gelungen, überzeugend nachzuweisen, dass bei Reizung des Depressors die Nasengefässe sich aktiv erweitern. Auf den Kurven Nr. 8, 9 und 10 1) Pflüger’s Arch. Bd. 151 S. 523. 1913. Über die Beziehungen des N. depressor zu den vasomotor. Zentren. 553 kommt die Vasodilatation bei Herabsetzung des allgemeinen Blut- drucks in hohem Grade demonstrativ zur Geltung, wobei die Nn. sympathici in dem einen Falle durchsehnitten, in zwei anderen Fällen einige Tage vor dem Experiment sogar beide Gangl. cervia. suprem. des N. sympathieus exzidiert wurden. Blut- ruck Ai NN ö \ druck t MAN, „nf ANTÜRN ALLG RT, ui Nase RITTER Luna Mm Kurve Nr. 8. Versuch vom 9. Februar 1909. Reizung des N. vagodepressor sin. bei 90 mm R.-A. Beide Nn. sympathiei sind durchschnitten. Lesen von links nach rechts. Experiment vom 9. Februar 1909. Das zentrale Ende des N. vagodepressor sinister wird bei einem Rollenabstand von 90 mm Hg gereizt. Der allgemeine Blutdruck fiel von 140 mm Hg auf 110 mm Hg. Die Nasengefässe erweitern sich in auffälliger Weise. (Kurve Nr. 8.) Experiment vom 2. Februar 1909. Dem Tiere wurden einige Tage vor dem Experiment beide Gangl. cervie. suprem. des N. sympathicus exstirpiert. Reizung des zentralen Endes des N. vagus sinister bei einem Rollenabstand von 115 mm. Der Blutdruck sinkt von 120 mm auf 80 mm Hg. Hoch- gradige Erweiterung der Nasengefässe. (Kurve Nr. 9.) Experiment vom 29. April 1909. Beide Gangl. cervic. suprem. des N. sympathieus sind 4 Tage vor dem Experiment entfernt worden. Reizung des zentralen Endes des N. vagus sinister bei einem Rollenabstand von 110 mm. Blutdruck sinkt. Nasengefässe erweitern sich auffallend stark. (Kurve Nr. 10.) 554 L. L. Fofanow und M. A. Tschalussow: Somit behält auch für dieses Gefässgebiet die allgemeine These ihre Kraft, dass Reizung des Depressors eine aktive Erweiterung der Blut- druck Nase Kurve Nr. 9. Versuch vom 2. Februar 1909. Hund. Reizung des zentralen Endes der Nn. vagi sin. bei 115 mm R.-A. Der Druck sinkt von 120 auf 80 mm Hg. Lesen von links nach rechts. ANAND Kurve Nr. 10. Versuch vom 29. April 1909. Beide Gangl. suprem. des Nn. sym- pathici sind exstirpiert am 25. April 1909. Reizung des zentralen Endes der Nn. vagi sin. bei 110 mm R.-A. Lesen von links nach rechts. Über die Beziehungen des N. depressor zu den vasomotor. Zentren. 555 Gefässe des ganzen Organismus hervorruft, und dass der vaso- dilatatorische Effekt nieht ausschliesslich durch Kompression der Konstriktoren, sondern auch durch direkte Erregung des Zentrums der Dilatatoren zustande kommt. Indem wir nun zum Studium der Frage des vasodilatatorischen Reflexes an der hinteren Extremität übergehen, müssen wir sagen, dass am Studium der Innervation der letzteren zahlreiche Autoren (Goetz, Putzey, Tarehanow, Böthling, Kendal, Luch- singer, Ostroumow, Lepine, Bernstein, Masius und Vanlair, S. W. Lewaschew, Gumilewski, Karlin, Bowditch und Warren, Maximowitsch, Sjawzillo, Shiff, Bernard, Stricker, Gotty, Vulpian, Bonuzzi, Kühl- wetter, Puelma, Dsziedszül, Laffont, Gärtner, Bornezzi, Morat, Morat und Bonne, Hasterlink und Biedl, Wersilow, Bayliss, Bystrenin, Max Joseph u.a.) teil- genommen haben, aus deren Arbeiten hervorgeht, dass die Gefässe der hinteren Extremität sich unter dem Einflusse. der vasokonstrik- torischen und vasodilatatorischen Nerven befinden, wobei die ersteren durch den N. sympathieus abdominalis in den N. ischiadieus über- gehen, die Vasodilatatcren desgleichen nur einen Weg aus dem Rückenmark durch die hinteren Wurzeln des Plexus lumbo-sacralis zum N. ischiadieus haben. Beim Studium des vasodilatatorischen Effekts an der hinteren Extremität bei Reizung des Depressors: be- obachteten wir erstens depressorischen Effekt bei Störung der Innervation der. Extremität, zweitens denselben Effekt bei durch- schnittenem oder exstirpiertem N. sympathicus abdominalis und bei intakten hinteren Wurzeln, drittens depressorischen Fffekt an den Gefässen der hinteren Extremität bei durchschnittenen hinteren Wurzeln und bei intaktem N. sympathieus abdominalis und viertens an der entnervten Extremität, d. h. nach Duürchschneidung des N. sympathieus abdominalis und der hinteren Wurzeln des Plexus lumbo-saeralis. Bei den Experimenten dieses Teiles der Arbeit ver- wendeten wir nach zahlreichen Proben verschiedener Übertragungen ebenso wie bei den Experimenten an der Zunge den Plethysmo- graphen, jedoch nur mit Luft- und nicht Wasserübertragung. Diese Übertragung gab uns die besten Resultate. Die Haare am Ober- schenkel des Versuchstieres rasierten wir nach dem Vorschlag von Bayliss nicht ab. Die hintere Extremität muss während des 556 L. L. Fofanow und M. A. Tschalussow: Experiments sorgfältig gelagert sein, um einer Kniekung der Arterie oder einem Herunterrutschen des Schlauches vom Oberschenkel vor- zubeugen. Zur Registrierung des Blutdruckes wurde die A. carotis communis mit dem Finger-Sphygmoskop von Chauveau verbunden, welches die Schwankungen des Blutdruckes einer Marey’schen Kapsel übermittelte. Gleichzeitig wurden die Angaben des Queck- silbermanometers notiert. Die Halsnerven wurden in der üblichen Weise freigelegt. Tracheotomie. Künstliche Atmung, 20—24 Ein- blasungen in der Minute mittels Blasebalges, der durch einen Elektro- motor angetrieben wurde. Vor dem Experiment bekam das Tier Morphium muriatieum ungefähr 0,003 pro Kilogramm seines Körper- gewichts. Die Operation wurde gewöhnlich in mittels einer Mischung von Alkohol, Chloroform und Aether sulfur. (Acae) bewerkstelligter Narkose ausgeführt. Für die Dauer des Experiments wurue das Tier mittels Curare immobilisiert, welche von Zeit zu Zeit in die V. femoralis eingeführt wurde. Bei dieser Versuchsanordnung erhielten wir bei Reizung des zentralen Endes des N. vagus sinister stets deutlichen vasodilata- torischen Effekt an der hinteren Extremität bei ungestörter Inner- vation derselben. Die Kurve Nr. 11 (Tafel IX) ist eine anschauliche Bestätigung dafür. | Experiment vom 11. Februar 1908. Reizung des zentralen Endes des N. vagus sinister bei einem -Rollenabstand von 150 mm. Sinken des Biutdrucks von 180 mm Hg auf 130 mm Hg. Starke Vergrösserung des Umfanges der Extremität mit deutlich ausgesprochenen respiratorischen Wellen auf der Kurve des Plethysmographen. (Kurve Nr. 11 [Tafel IX].) Somit hat Reizung des Depressors Erweiterung der Gefässe der Extremität zur Folge. Ferner exzidierten wir den N. sympathieus abdominalis oberhalb der Bifurkationsstelle der Aorta abdominalis. Ostroumow durchschnitt bei seinen Experimenten behufs Reizung den N. sympathieus, Bystrenin tat dies in der Höhe des 5.—6. Lumbalwirbels. Die Untersuchungen von Langley, Bayliss und Bradford stellen fest, dass ein vasokonstriktorischer Effekt an den Gefässen der hinteren Extremität bei Reizung der 12. und 13. Rücken- sowie der 1., 2., teilweise 3. Lumbalwurzel erzielt wird. Von hier gelangen die Vasokonstriktoren in den N. ischiadieus an einem Ästchen des N. sympathieus vom 4. Lumbalwirbel. Darunter hahen die Autoren Über die Beziehungen des N. depressor zu den vasomotor. Zentren. 557 bei Reizung derselben einen vasokonstriktorischen Effekt an der hinteren Extremität nieht beobachten können. In Anbetracht dieses Umstandes durchschnitten wir den N. sympathicus abdominalis an zwei Stellen (vom 4. bis zum 6. Ganglion einschliesslich) und entfernten das exzidierte Stück vollkommen. Diejenigen Erscheinungen, die sich unter diesen Verhältnissen an den Gefässen der hinteren Extremität während der Reizung der zentralen Endes des N. vagodepressor sinister entwickeln, demonstrieren wir an den Kurven Nr. 12, 13 und 14. A uf yeleh An LUFT f SM Id lan N) N ERTEERUNN Kurve Nr. 12. Versuch vom 15. März 1908. Der Bauchsympathicus ist durch- schnitten. Die hinteren Wurzeln sind intakt. Das zentrale Ende der Nn. vagi sin. wird gereizt bei 75 mm R.-A. Der Druck in der Art. carot. comm, dextra sinkt von 120 auf 100 mm Hg herab. Experiment vom 15. März 1908. Bei dem Tiere wurde der N. sympathieus abdominalis 3 Tage vor dem Experiment (12. März) durchschnitten. Während des Experiments (Reizung des zentralen Endes des N. vagodepressor sinister bei einem Rollenabstand von 75 mm) sinkt der Druck an der A. carotis von 120 mm Hg auf 110 mm Hg. Die Kurve des Plethysmographen steigt stark nach oben. (Kurve Nr. 12.) Experiment vom 26. März 1908. Am 3. März wurden dem Tiere die 5. und 7. hintere Lumbal- und die 1. hintere Sakralwurzel durchschnitten. Das Tier hat die Operation vorzüglich überstanden. Während des Experiments wurde der N. sympathicus abdominalis vom 4. bis zum 7. Lumbalganglion einschliesslich exstirpiert. Hierauf sank bei Reizung des zentralen 558 L. L. Fofanow und M. A. Tschalussow: Endes des N. vagus sinister bei einem Rollenabstand von 75 mm der Blutdruck in der A. carotis commun. von 180 mm Hg auf 100 mm He. Die Kurve des Plethysmographen macht eine gewaltige Steigung. Es ist klar, dass die 6. hintere Wurzel eine grosse Anzahl von Vasodilatatoren enthält. (Kurve Nr. 13 [Tafel IX].) Experiment vom 27. Februar 1908. Dem Tiere wurde vor 5/2 Monaten die 4. hintere Lumbalwurzel durchschnitten. Während des Experiments wurde der linke N. sym- pathieus abdominalis oberhalb des 4. und unterhalb des 7. Lumbal- ganglions durchschnitten. Erste Reizung des zentralen Endes des N. vagus sinister bei einem Rollenabstand von 150 mm. Der Druck sank von 120 auf 100 mm Hg. Dementsprechend zeigt die Kurve. des Plethysmographen Erweiterung der Gefässe der Extremität an. - Unmittelbar nach dieser Reizung sehen wir an der Kurve des Plethysmographen eine Reihe von Wellen, die ohne vorangehende Reizung entstehen. Nach 3 Minuten reizen wir wieder das zentrale Ende des N. vagus sinister bei einem Rollenabstand von 140 mm und erzielen ein Sinken des allgemeinen Blutdruckes von 120 auf 100 mm Hg, was mit einer bedeutenden Steigung der Kurve des Plethysmographen einhergeht. Die nächstfolgende Reizung des zentralen Endes des N. vagus sinister bei einem Rollenabstand von 160 mm ergibt genau denselben Fffekt. Somit lehrt uns das Experi- ment, dass bei Entfernung des N. sympathicus abdominalis aus der Einflusssphäre auf die Gefässe der Extremität der vasodilatatorische Impuls bei Reizung des Depressors durch die hinteren Wurzeln geht und eine aktive Erweiterung der Gefässe der hinteren Extremität hervorruft. (Kurve Nr. 14 |Tafel IX].) Behufs Durchschneidung der hinteren Wurzeln entfernten wir in toto den Bogen von einem oder von zwei Lumbalwirbeln, durch- schnitten in Längsrichtung die Dura mater und die hinteren Wurzeln eine nach der anderen oder mehrere Stücke auf einmal. Nach Be- endigung des Experiments prüften wir durch sorgfältige Präparierung die durchschnittenen Wurzeln und besichtigten den Zustand der einzelnen Teile. Die Experimente von Bayliss sowie von Bystrenin ergaben, dass man bei direkter Reizung der hinteren Wurzeln einen Effekt von der 6. und 7. Wurzel erhält. Wir aber waren in unseren Experimenten bemüht, möglichst viele Wurzeln zu nehmen, um jeden Zweifel am Fehlen von nicht durchschnittenen Vasodilatatoren zu m I m m un on irn nn Über die Beziehungen des N: depressor zu den vasomotor. Zentren. 559 beseitigen. Indem wir nun das zentrale Ende des N. vagodepressor sinister unter den soeben erwähnten Verhältnissen reizten, beobachteten wir eine vollkommen deutliche Zunahme des Umfanges der Extremität, d. h. eine Erweiterung der Gefässe derselben, wie dies auf der hier wiedergegebenen Kurve Nr. 15 zu sehen ist. Experiment vom 13. September 1907. Durchschneidung der 5., 6., 7. hinteren Lumbal- und der 1. hinteren Sakralwurzel. Das zentrale Ende des N. vagus sinister wird bei einem Rollenabstand von 120 mm gereizt. Der Blutdruck er Da RR uerrpreenase Kurve Nr. 15. Versuch vom 13. September 1907. sinkt in der A. carotis von 110 auf 90 mm Hg. Die Kurve des Plethysmographen macht eine bemerkbare Steigung. Wir möchten davon Abstand nehmen, die weiteren Kurven, welche die soeben erwähnte Tatsache bestätigen, wiederzugeben, da sie sämtlich identisch sind. (Kurve Nr. 15.) Durch die Durchschneidung der hinteren Wurzeln des Plexus lumbosacralis und des N. sympathieus abdominalis unterbrechen wir jede Verbindung zwischen den vasomotorischen Zentren und den Nervenendungen in den Gefässen der hinteren Extremität. Die Blutgefässe bleiben somit unter diesen Bedingungen lediglich unter dem Einflusse der Blutzirkulation und desjenigen Nervenapparates, der in den Gefässwandungen liest. Die Erscheinungen, welche an solchen entnervten Extremitätengefässen beobachtet werden, demon- striert in anschaulicher Weise die Kurve Nr. 16. Experiment vom 6. März 1908. Hier wurden die 4., 5. und 6. hintere Lumbalwurzel und der. N. sympathieus abdominalis durchschnitten. Reizung des zentralen Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd. 151. | 37 560 L. L. Fofanow und M. A. Tschalussow: Endes des N. vagus sinister bei einem Rollenabstand von 75 mm. Der Blutdruck steigt bald während der Reizung, bald sinkt er, und zwar durchaus willkür- E2& lich. Die Kurve des 34 Plethysmographen geht 8 derjenigen des Blut- _ drucks vollkommen par- 5 allel. (Kurve Nr. 16.) = Wir sehen somit, = dass die Gefässwand, deren Verbindung mit dem Zentrum unter- brochen ist, beim Steigen des allgemeinen Blut- druckes durch das zu- strömende Blut gedehnt wird. Beim Sinken des Blutdruckeskontrahieren sich die Gefässe infolge des Blutabflusses. Bay- liss studierte die so- eben beschriebenen ähn- lichen Erscheinungen an der Gefässwand, die in analoge Verhältnisse ge- bracht war. Er be- obachtete ähnliche Er- scheinungen an der aus- geschnittenen Karotis von einem Tiere, welches vor3StundenanAsphyxie zugrunde gegangen war. An einem solchen Ge- fässe fand Bayliss, dass die gedehnte Ge- fässwand auf weitere Dehnung mit einer Kontraktion reagiert und umgekehrt. Nach der Meinung von Bayliss spricht dieses Verhalten der Gefässe für myo- genen Charakter der Reaktion. Indem er weiter die Gesamtheit der —160—140 mm Hg. Lesen von links nach rechts. entralen Endes der Nn. vagi sin. bei 75 mm R. Versuch vom 6. März 1908. Der Bauchsympathicus ist ‘durchschnitten. Reizung des z LAN ? M M Druck in der Art. carot. communis sinkt von 140—120—140 der 6. hinteren Wurzel auch durchschnitten. Kurve Nr. 16. Über die Beziehungen des N. depressor zu den vasomotor. Zentren. 561 Erscheinungen an den im Organismus noch liegenden entnervten Ge- fässen analysiert, sagt Bayliss, dass der Effekt der Steigung des all- gemeinen Blutdruckes mässigen Grades, der beispielsweise durch Kon- traktion der Gefässe im Gebiet des N. splanchniceus hervorgerufen ist, die Ursache einer automatischen Kontraktion sämtlicher Arterien aller übrigen Körperteile gewesen wäre und folglich eine weitere Steigung des allgemeinen Blutdruckes hervorgerufen hätte, wenn die vasodilata- torischen Impulse zu den Gefässen nicht vom Zentralnervensystem gelangen würden. Durch diese Erwägungen hebt Bayliss die Be- deutung der zentralen Innervation der Gefässe für die Regulierung der Blutzirkulation mit Nachdruck hervor. Es ist nicht unsere Aufgabe, die Frage zu erörtern, ob es in den Gefässwandungen einen automatischen Ganglienapparat oder irgendeine andere ähnliche Vorriehtung gibt oder nicht (Eugling), und man muss die Reaktion des entnervten Gefässes auf den Blutdruck unter den gegebenen Verhältnissen als Eigenschaft der glatten Muskelfasern betrachten. Infolgedessen beschränken wir uns lediglich auf die Bemerkung, dass die Gefässwandungen in unseren Experimenten nach Unterbrechung ihrer Verbindung mit dem Zentralnervensystem stets den Schwankungen des allgemeinen Blutdruckes folgten. Wenn wir sämtliche oben wiedergegebenen Kurven, die durch Registrierung des Umfanges der Zunge, der Nasenschleimhaut und der hinteren Extremität bei Reizung des N. depressor gewonnen waren, analysieren, konstatieren wir auf allen diesen Kurven Zu- nahme des Umfanges der untersuchten Gegend, d. h. Erweiterung ihrer Blutgefässe. In bezug auf die Zunge können wir sagen, dass der vasodilatatorische Effekt an derselben in bedeutendem Grade zutage tritt, so dass die Erklärung Cyon’s, ein vasodilatatorischer Effekt werde an der Zunge nicht beobachtet, den Tatsachen absolut widerspricht. Es wäre in hohem Grade sonderbar, wenn zur Zeit, wo die Gefässe der gesamten Peripherie bei Reizung der depressorischen Fasern des N. vagus sich erweitern, nur die Zunge allein der Einfluss- sphäre dieser Fasern entzogen bliebe, wobei man noch im Auge behalten muss, dass dieses Organ ein gut entwickeltes Gefässsystem hat und bei Tieren, die, wie beispielsweise der Hund, keine Hautschweiss- drüsen haben, eine bedeutende Rolle in der Wärmeregulierung spielen. Schon a priori musste man eine bedeutende Beteiligung dieses Organs an der Erweiterung der peripherischen Gefässe voraus- setzen, und diese Voraussetzung hat sich, wie wir feststellen konnten, SU 5062 L. L. Fofanow und M. A. Tschalussow: als richtig erwiesen. Ferner stimmen wir mit Bayliss darin voll- kommen überein, dass das Gesetz von Dastre und Moratin bezug auf den Antagonismus zwischen der abdominalen und kutanen Blut- füllung während der Reizung des Depressors unhaltbar ist, und zwar nicht nur für das Kaninchen, wie dies Bayliss annimmt, sondern augenscheinlich für sämtliche Tiere. Die Ansicht von Stelling, dass der Kopf, der Hals und die vorderen Extremitäten dem Einflusse des Depressors nicht unterliegen, ist nach unseren Experimenten sowie nach denjenigen von Bayliss unbedingt hinfällig. Dass die Vasodilatatorenin der Regulierung der Blutzirkulation eine wichtige Rolle spielen, ist an der 5. und 15. Kurve deutlich zu sehen. An der ersten dieser Kurven sieht man, dass die Durchschneidung der Vasokonstriktoren zur Vergrösserung des Zungenvolums, d. h. zur Erweiterung der Zungengefässe führt. Die zweite Kurve zeigt, dass bei durchsehnittenen Vasokonstriktoren die Reizung des Depressors Erweiterung der Gefässe der hinteren Extremität hervorruft, und zwar ausschliesslich infolge von Nachlassen des Tonus der Vasokonstriktoren. Unsere weiteren Experimente liefern einen klaren Beweis dafür, dass die Gefässerweiterung während der Reizung des Depressors nicht ausschliesslich durch Depression der Vasokonstriktoren, sondern durch gleichzeitige Erregung der Vasodilatatoren bedingt ist. Vollständige Ausschaltung der Vasokonstriktoren aus der Innervation des zu untersuchenden Gebietes schwächt den vasodilatatorischen Effekt in demselben, der durch aktive Erregung der Vasodilatatoren zustande- kommt, in keiner Weise. Wir sehen dies deutlich an den Kurven der Zunge nach der Durchschneidung des N. sympathicus, an den Kurven der Nasenschleimhaut nach Entfernung des Gangl. cervicale superior des N. sympathicus und an den Kurven der. Extremität nach Durchschneiden des N. sympathieus abdominalis. | Wir müssen somit auf Grund unserer Experimente uns der Ansicht der Autoren anschliessen, welche eine direkte Erregung des vasodilatatorischen Zentrums bei Reizung des Depressors (Ostroumow, Laffont u.a.) annehmen und sich der Ansicht Cyon’s und seiner Schule gegenüber, wonach die depressorische Reizung des vaso- konstriktorischen Zentrums lediglich unterdrückt wird, negativ ver- halten. Cyon geht bedeutend weiter. Er stellt an einer ganzen Reihe von Aufsätzen nicht nur das Vorhandensein eines vasodilata- torischen Zentrums im Gehirn, sondern auch im Rückenmark in Abrede und bezeichnet sie als „illusorische Zentren“ („Die Annahme eines besonderen Zentralorgans für gefässerweiternde Nervenfasern Über die Beziehungen des N. depressor zu den vasomotor. Zentren. 563 ist geradezn illusorisch.“ Beiträge zur Physiologie der Schilddrüse und des Herzens. Pflüger’s Arch. Bd. 70 S. 228. 1898), während er jede Gefässerweiterung entweder als die Folge einer temporären Paralyse des vasokonstriktorischen Zentrums oder als eine kollaterale Erscheinung betrachtet, die durch die Gefässkontraktion hervorgerufen wird, welche in dem dem Gebiet der Vasodilatation benachbarten Gebiet entsteht. Würde man die Ansicht Cyon’s akzeptieren, so würde es, wenn man von der Frage des vasodilatatorischen Reflexes absieht, schwer fallen, das Vorhandensein solcher motorischer vaso- dilatatorischer Nerven im Organismus zu erklären, wie beispielsweise des N. lingualis, des N. glossopharyngeus, des N. erigens und des N. vidianus. Gestützt auf unsere Beobachtungen, hauptsächlich auf die- jenigen über die Gefässerweiterung an der hinteren Extremität während der Reizung des Depressors nach Ausschaltung bald der Vasokonstrik- toren, bald der Vasodilatatoren aus der Innervation der Extremität, müssen wir zu dem Schlusse gelangen, dass während der Reizung des Depressors ein doppelter Effekt beobachtet wird, und zwar Depression der Vasokonstriktoren und Erregung der Vasodilatatoren. Die Voraussetzung von Bayliss, dass man das bulbäre Zentrum als paariges, aus Vasodilatatoren und Vasokonstriktoren bestehendes betrachten muss, scheint vollkommen zutreffend zu sein. Ferner können wir auf Grund unserer Beobachtungen die Tatsache mit Sicherheit feststellen, dass das Zentrum der Vasodilatatoren seinen eigenen Tonus besitzt. Vor unseren Experimenten blieb diese Frage ganz offen. Allerdings beobachteten einige Autoren nach Durchschneidung der Depressoren eine gewisse Drucksteigerung (Latschenberger und Deahna, Sewall und Steiner, Hirsch und Stadler, Pawlow). Ihre Beobachtungen geben jedoch nur das Recht, diesen Tonus zu vermuten, ohne ihn tatsächlich zu er- weisen. Andererseits haben so ernste Forscher wie Cyon und Bayliss nach Durchschneidung der Depressoren Drucksteigerung nicht beobachtet. Auf der ersten, von der Zunge gewonnenen Kurve sehen wir eine ganze Reihe von ziemlich hohen Wellen, die nach und nach auf Null hinuntergehen. Das Auftreten dieser Wellen steht mit der Reizung des Vagodepressors, folglich mit dem Zentrum der Vasodilatatoren im Zusammenhang. Die gleiche Wellenreihe sehen wir auf der Kurve Nr. 14. Wenn wir diese Wellen analysieren, so müssen wir, abgesehen von der Annahme, dass das Zentrum der Vasodilatatoren seinen eigenen Tonus besitzt, noch wissen, dass die Funktion desselben periodischen Charakters ist, wie Hirsch 564 L. L. Fofanow und M. A. Tschalussow: und Stadler schon in bezug auf deu N. depressor angenommen haben. Diese rhythmische Tätigkeit des Zentrums der Vasodilatatoren ist auf der Kurve Nr. 17 (Tafel X) besonders deutlich zu sehen. Experiment vom 10. März 1908. Hintere Wurzeln sind intakt. N. sympathieus abdominalis vom 3. bis zum 7. Lumbalganglion exstirpiert. Keine Reizuug. Auf der Kurve des Plethysmographen ist eine Reihe von Wellen zu sehen, die dem Sinken des Blutdruckes entsprechen. (Kurve Nr. 17 [Tafel X].) Auf Grund dieser Beobachtungen können wir uns teilweise für den Antagonismus der vasomotorischen Zentren aussprechen, d.h. dafür, dass bei Erregung- des einen die Erregung und der Tonus des anderen herabgesetzt werden. Ausführlicher und eingehender werden wir aber auf die Frage des Antagonismus der Zentren etwas später im folgenden Kapitel eingehen. Aus sämtlichen vorstehenden Ausführungen geht hervor, dass der Blutdruck während der Reizung des Depressors sinkt infolge der gleichzeitigen Erregung des Zentrums der Vasodilatatoren bei Depression des Zentrums der Vasokonstriktoren. Ferner steckten wir uns zum Ziel, die Wechselbeziehungen zwischen den Zentren der Vasodilatatoren und der Vasokonstriktoren bei verschiedenen Kombinationen der gleichzeitigen Erregung derselben zu erforschen. Zu diesem Zwecke studierten wir die Veränderungen, die der Blut- druck bei gleichzeitiger Reizung der sensiblen Nerven und des N. depressor erfährt, die sich zueinander wie Antagonisten verhalten: Die Reizung des zentralen Endes des N. ischiadiecus bewirkt nämlich Verengerung der Gefässe und Steigerung des Blutdruckes, während die Reizung des zentralen Endes des N. depressor Sinken des Blut- druckes und Erweiterung der Gefässe nach sich zieht. Unseres Wissens gibt es Arbeiten, die der uns in diesem Augenblick inter- essierenden Frage direkt gewidmet sind, nicht. In irgendeiner Weise angeschnitten wird diese Frage in den Arbeiten von Latschen- berger und Deahna, Asher und Bayliss. Latschenberger und Deahna hatten bei ihren Experimenten mit gleichzeitiger Reizung des zentralen Endes des N. depressor und des zentralen Endes des N, ischiadieus lediglich das Studium der Form der Blutdruckkurve bei dieser Reizungskombination im Auge. Die Autoren nehmen an, dass der N. vagus vornehmlich einen Über die Beziehungen des N. depressor zu den vasomotor. Zentren. 565 pressorischen Effekt gibt, wenn auch auf ihren Kurven die Reizung des zentralen Endes des N. vagus fast überall mit depressorischem Effekt einhergeht. Die Beobachtungen Jder Autoren weisen eine wertvolle, aber wenig gedeutete Tatsache auf, nämlich dass bei Ent- artung der Wirkung des N. ischiadieus — bei Reizung des zentralen Endes desselben (wo statt einer Steigerung eine Herabsetzung des Blutdruckes eintritt) — die Hinzufügung einer Reizung des zentralen Endes des N. depressor ein weiteres Sinken des Blutdruckes hervor- ruft. Entartung der Wirkung der vasokonstriktorischen Nerven kann nur bei vollständiger Erschöpfung oder sogar Paralyse des Zentrums der Vasokonstriktoren beobachtet werden. Latschenberger und Deahna haben folglich die Wirkung des Depressors eben bei Paralyse des vasokonstriktorischen Zentrums beobachtet, was wir als starkes Argument dafür betrachten, dass der Depressor bei seiner Reizung Erregung der Vasodilatatoren hervorruft. Auf diesen Umstand hat Tsehirwinski als erster aufmerksam gemacht, nach dessen Be- obachtungen das Zentrum der Vasodilatatoren seine Beziehung zur Reizung des Depressors gerade bei Paralyse des Antagonisten, des Zentrums der Vasokonstriktoren besonders deutlich zur Geltung bringst. Nach Bayliss macht sich bei gleichzeitiger Reizung des zentralen Endes des Depressors und des N. pressor, N. eruralis anterior am Blutdruck der Effekt des Nerven bemerkbar, der mit stärkerem Strom gereizt wird. Nach Unterbrechung der Reizung kommt der Effekt des anderen Nerven von selbst zur Geltung. Er gibt die Kurve eines Experimentes wieder, wo die Reizung des Depressors bedeutend stärker war als diejenige des anderen Nerven und der Blutdruck dementsprechend sank, aber nicht so stark, wie es bei Reizung des Depressors allein der Fall gewesen wäre. An der anderen Kurve von Bayliss ist zu sehen, dass bei gleichzeitiger Reizung beider Nerven die Reizungsstärken so gelungen gewählt waren, dass der Blutdruck normal blieb. Aus Anlass dieser Be- obachtungen sagt Bayliss, dass es einen wahren Antagonismus gibt, dass er aber sich nicht entschliesst, zu behaupten, wie dieser Effekt zustande kommt: ob beide Nerven in entgegengesetzter Riehtung auf ein und dasselbe Zentrum oder auf verschiedene Teile des Zentrums wirken, oder ob sie in ihrem Totaleffekt am Blut- druck einander die Wage halten. Indem Bayliss beobachtete, wie sich das vasomotorische Zentrum während der Asphyxie der depressorischen Reizung gegenüber verhält, fand er, dass, wenn man 566 L. L. Fofanow und M. A. Tschalussow: den N. depressor während des Aufstieges des Blutdruckes infolge der durch Unterbrechung der künstlichen Atmung hervorzerufenen Asphyxie des kurarisierten Tieres reizt, der Effekt der Reizung des N. depressor desto geringer ist, je höher der Blutdruck steigt, so dass man auf den Kulminationspunkt des asphyktischen Aufstieges des Blutdruckes selbst bei stärkster Reizung des .Depressors eine Depression nicht mehr hervorrufen kann. Dasselbe erhält man, wenn man während andauernder Reizung des Depressors von Zeit zu Zeit die künstliche Atmung unterbricht. Die Kurve des Blut- druckes, welche infolge der Reizung des Depressors sinkt, wird dann infolge der Asphyxie durch Aufstiege unterbrochen. Sobald aber die künstliche Atmung wieder in Gang gesetzt wird, nimmt der depressorische Effekt an und für sich zu. Hierbei steigt der Blut- druck infolge der Asphyxie während der Reizung des Depressors bis zu derselben absoluten Höhe, bis zu der er von einer höheren Basis vom normalen Niveau des Blutdruckes gestiegen wäre. Diese asphyktische Erregung des Zentrums hält bisweilen ziemlich lange schon nach Wiederherstellung der künstlichen Atmung an. In einem der Experimente dauerte dieselbe ca. 4 Minuten, bevor der depressorische Fffekt wieder sich geltend zu machen begann. Im Gegensatz zu den Beobachtungen von Bayliss weist Leon Asher darauf hin, dass der depressorische Effekt während der Asphyxie sich von demselben Effekt bei normalem Luft- zutritt zu den Lungen in keiner Weise unterscheidet. Bei gleich- zeitigem Einfluss der Asphyxie und einer schwachen Reizung des Depressors (vorher wurde die geringste Kraft ausgesucht, die den grössten Effekt gibt) beobachtete man im Resultat einen Effekt, der sich von demjenigen der Reizung des Depressors allein fast in keiner Weise unterschied. Unmittelbar nach Unterbrechung der Reizung des Depressors und Verschluss der Trachealkanüle trat die Wirkung der Asphyxie in ihrem ganzen Umfange ein. Der Verfasser weist ferner darauf hin, dass gleich starke Reizungen des Depressors stets ein und denselben Effekt geben, unabhängig davon, ob der Tonus des vasomotorischen Zentrums normal oder infolge der Asphyxie erhöht ist. So wie in den Experimenten mit gleichzeitiger Reizung des N. vagus und der Nn. acceleratores cordis stets Hemmung über- wiegt, so wird auch bei Reizung des Depressors während der Asphyxie eine analoge Erscheinung beobachtet trotz der starken Erreeung des Zentrums der Vasokonstriktoren. Dieser stärkere Einfluss des Depressors Über die Beziehungen des N. depressor zu den vasomotor. Zentren. 567 ist nach Asher ein Argument dafür, dass der Pressor das Zentrum der Vasomotoren deprimiert, ohne die Vasodilatatoren irgendwie zu erregen. Nach den Beobachtungen von Tschirwinski ist das Resultat einer Reizung des Depressors während der Asphyxie etwas geringer als der gewöhnliche Effekt; die Distanz ist aber sehr unbedeutend. Wir glauben an dieser Stelle noch auf einen weiteren wichtigen Umstand hinweisen zu müssen. Nach Bayliss scheint der De- pressor nicht die Fähigkeit zu besitzen, zu ermüden. Der Verfasser reizte den Depressor 17 Minuten lang, und der Blutdruck zeigte ununterbrochen ein niedriges Niveau. Diese Tatsache weist nach der Meinung von Bayliss eher darauf hin, dass die Wirkung des Depressors ihrer Natur nach eher „eine Hemmung der tonischen Impulse der Konstriktoren vom Zentrum aus ist als Reizung der Vasodilatatoren, die eher ermüden“. Ferner wird diese Meinung von Bayliss von Hirsch und Stadler schon als Argument zu- sunsten der Hypothese der deprimierenden Wirkung des Depressors auf das Zentrum der Vasokonstriktoren zitiert. Aus der sehr ein- gehenden Arbeit von Latschenberger und Deahna hätte man eine vollkommen entgegengesetzte Meinung in bezug auf die Rasch- heit der Ermüdung der einen oder der anderen Nervenfasernart ziehen müssen. Diese Autoren weisen direkt darauf hin, dass die vasokoustriktorischen Fasern eher ermüden als die Vasodilatatoren („die elevierenden Fasern ermüden rascher als die deprimierenden“, und „die Wirkung der elevierenden Fasern nimmt rascher ab als die der deprimierenden“. Latschenberger und Deahna S. 188—189). Ferner weist Biedl in seiner Arbeit darauf hin, dass nach den Experimenten von v. Frey die vasodilatatorischen Fasern eine ziemlich lange anhaltende Nachwirkung besitzen („von den gefässerweiternden Nerven wissen wir aber aus den Untersuchungen von v. Frey, dass sie eine ziemlich anhaltende Nachwirkung be- sitzen“). Indem wir die Ursachen der Meinungsverschiedenheit zwischen Bayliss und Latsehenberger und Deahna erklären, sind wir jedoch anzunehmen geneigt, dass die Meinung der letzteren Autoren zutrifft, was wir teilweise auch durch ‚unsere Experimente haben bestätigen können. Wir glauben nämlich, dass längeres Ver- weilen des Blutdruckes auf niedrigem Niveau bei andauernder Reizung des Depressors als Argument zugunsten der Hemmungstheorie angesehen werden kann, wie dies Bayliss annimmt. Somit können wir aus dem Studium der Literatur und hauptsächlich aus der 568 L. L. Fofanow und M. A. Tschalussow: Arbeit von Bayliss einstweilen den Schluss ziehen, dass bei gleich- zeitiger Reizung des sensiblen Nerven und des Depressors eine Summierung der beiden Reize am Blutdruck beobachtet wird. Wir wollen nun zu unseren Experimenten übergehen. Bei der Versuchsanordnung in diesem Teile der Arbeit ge- brauchten wir die Methode der Aufzeichnung des Blutdruckes in der A. carotis auf das Kymographion von Balzer. Die Gesamt- zahl der Experimente betrug über 20. Beim Studium der Frage, wie sich am Blutdruck die gleich- zeitige Reizung der Antagonisten, d. h. des sensiblen Nerven und des Depressors, bemerkbar macht, suchten wir möglichst sämtliche Reizungskombinationen bei verschiedener Wechselbeziehung der Stromstärke, der Dauer der Reizungen und der Aufeinanderfolge - derselben auszuprobieren. Im Beginn des Experiments suchten wir stets für den Depressor und für den Ischiadieus eine solche Reizungs- intensität, dass bei gerinester Stromstärke ein grösstmöglichster Effekt erzielt werde. Der erste Umstand, den wir beim Studium der gleichzeitigen Reizungen hervorheben können, ist der, dass bei bedeutender Erregung des Zentrums der Vasokonstriktoren der depressorische Effekt sieh schwerer alssonst erzielen lässt. Diese Behinderung des Zustandekommens des depressorischen Effektes während der starken Erregung des Zentrums der Vaso- konstriktoren -dürfte unseres Erachtens die Hemmungstheorie als alleinige Erklärung des depressorischen Fffektes stark erschüttern; denn würde man den Effekt der Depressorreizung lediglich durch Hemmung des Tonus der Konstriktoren erklären wollen, so hätte unserer Meinung nach der Grad der Erregung des letzteren auf den depressorischen Effekt einen geringfügigen Einfluss, weil man sonst irgendwelche Umstände, bei denen die hemmende Wirkung des Depressors auf das vasomotorische Zentrum in hohem Grade ge- schwächt wird, d. h. die charakteristische Funktion des Nerven nach- lässt, annehmen und auf diese Weise nach und nach zur Annahme der von Cyon in Vorschlag gebrachten „Einschaltungsapparate“ . gelangen müsste. In Anbetracht des Umstandes, dass wir diese Frage im ersten Teile unserer Arbeit bereits in genügendem Maasse erörtert haben, wollen wir auf dieselbe nicht weiter eingehen. Würden wir nun die Rückkehr des herabgesetzten Blutdruckes zum ursprünglichen Niveau der Unterbrechung der Reizung des Eee eu nn Über die Beziehungen des N. depressor zu den vasomotor. Zentren. 569 Depressors beobachten, so würden wir feststellen, dass die Schnellig- keit dieser Rückkehr nieht immer ein und dieselbe ist, und zwar: in denjenigen Fällen, wo die Reizung des Depressors bei hohem Stande des Blutdruckes (gleichviel durch welche Ursache) stattfand, beginnt nach Unterbrechung der Reizung des Depressors das Niveau des Blutdruckes zu steigen und erreicht nicht nur rasch die ursprüng- liche Höhe, sondern geht bisweilen in bedeutendem Grade über die- selbe hinaus. In den anderen Fällen, wo der Depressor bei normalem Stande des Blutdruckes oder bei einem solchen, der sich um den normalen herum in geringen Abweichungen beweset, gereizt wurde, geht die Reizung mit audauerndem niedrigen Stande des Blutdruckes “ auch über die Unterbrechung der Reizung hinaus (Nachwirkung). Letztere Erscheinung wird bedeutend häufiger beobachtet als rasche Rückkehr des Blutdruckes zum ursprünglichen Niveau. Die soeben besprochenen Verhältnisse sind auf den Kurven Nr. 18 und 1 an- schaulich dargestellt. Kurve Nr. 15 (Taf. X). Zustand des vasomotorischen Zentrums vor der Reizung des Depressors erregt. Druck im Augenblick des Beginns der Reizung 157 mm He. 23 Sekunden lange Reizung des Depressors. Im Augenblick der Beendigung der Reizung beträgt der Blutdruck 95 mm He, dann beginnt derselbe sehr rasch zu steigen und erreicht nach 16 Minuten, von der Beendigung der Reizung gerechnet, das Niveau von 183 mm He. Kurve Nr. 1 (Taf. X). Blutdruck zwar hoch (174 mm He), die Reizung des Depressors setzt jedoch denselben auf 50 mm Hg herab. Nach Beendigung der Reizung fährt der Blutdruck noch eine gewisse Zeitlang fort zu sinken, dann steigt er ein wenig, vermag aber das frühere Niveau selbst innerhalb eines ziemlich langen Zeitraumes nicht zu erreichen. Diese Kurven lassen folglich annehmen, dass das Niveau des Blutdruckes vom Grade der Erregung der beiden Zentren abhängt, und dass der von den Zentren empfangene Reiz in beiden Zentren gleichzeitig verlaufen kann, dass also die Erregung des einen Zentrums die Erregung des anderen nicht total unterdrückt, sondern nur vorübergehend schwächt, deprimiert. Würde man bei Erregung des einen Zentrums vollständiges Erlöschen der Erregung des anderen beobachten, so würde nach Beendigung der Reizung des ersten der Effekt der Erregung des zweiten überhaupt nicht zustande kommen dürfen; in Wirklichkeit sehen wir aber ganz etwas anderes. 570 L. L. Fofanow und M. A. Tschalussow: Diese unsere Beobachtungen sind mit denjenigen von Baxt analog, wonach bei gleichzeitiger Reizung des peripherischen Endes des N. vagus und der Nn. acceleratores cordis der Fffekt der Reizung des N. vagus den Effekt der Erregung der Nn. acceleratores cordis vollkommen überdeckte, wobei aber der Effekt der letzteren nach dem Aufhören der Wirkung des N. vagus zur Geltung kam, und zwar mit derselben Deutlichkeit und in demselben Moment, in dem er zur Geltung gekommen wäre, wenn der Vagus überhaupt nicht gereizt worden wäre. Diese Analogie hebt auch Asher hervor, während man aus den Beobachtungen von Bayliss gleichfalls den Schluss ziehen darf, dass die Erregung in beiden Zentren gleich- zeitig verlaufen kann („es kommt zur Geltung der Effekt des Nerven, ° der mit stärkerem Strom gereizt wird. Nach Unterbrechung der Reizung steigt der Fffekt des zweiten Nerven von selbst an“). Durch diese gleichzeitige Erregung der beiden Zentren lässt sich auch der Umstand voll und ganz erklären, dass während der Asphyxie oder überhaupt bei hohem Blutdruck der depressorische Effekt sich be- deutend schwerer erzielen lässt, da das Zentrum der Vasodilatatoren, bevor der Effekt der Reizung desselben sich an den Gefässen be- merkbar macht, den Effekt der Erregung seines Antagonisten, des Zentrums der Vasokonstriktoren, überwinden muss. Bei gleich- zeitiger Reizung der zentralen Enden des N. depressor und des N. ischiadieus wird der Effekt am Blutdruck stets sozusagen summiert sein, vom Zustande der Erregung der beiden Zentren abhängen. An solchen Kurven erkennen wir stets das Überwiegen des Effekts der Erregung des einen oder des anderen Nerven; aber fast immer werden diese Effekte am Blutdruck infolge des entgegengesetzten Einflusses der beiden Zentren auf die Wand des Blutgefässes ver- ändert sein. Da bei gleichzeitiger Reizung der zentralen Enden der beiden Nerven die Reizung des Ischiadieus häufig nicht imstande sein wird, den Blutdruck bis zu dem Niveau zu steigern, welches er bei Reizung des N. ischiadieus allein erreicht, wird desgleichen auch die Reizung des zentralen Endes des N. depressor ein normales Sinken des Blutdruckes nicht hervorrufen. Es findet somit eine Summierung der entgegengesetzten Reizungseffekte statt, und der Blutdruck wird sozusagen eine algebraische Summe der Effekte der beiden Reizungen darstellen. Alles soeben Gesagte demonstrieren anschaulich die Kurven Nr. 19 und 20 (Taf. X). An diesen beiden Kurven ist die Summierung der Erresungseffekte beider vasomoto- Über die Beziehungen des N. depressor zu den vasomotor. Zentren. 57] rischen Zentren zu sehen. Indem diese Kurven somit ein und den- selben Prozess darstellen, unterscheiden sie sich ihrem Charakter nach doch scharf voneinander. Auf der Kurve Nr. 19 (Taf. X) können wir wahrnehmen, dass die Reizung des Depressors augenscheinlich bei einer gewissen Ermüdung des Zentrums der Konstriktoren vor sich ging, da der Druck nicht hoch und die latente Periode für den Effekt des N. ischiadieus bedeutend länger als der gewöhnliche war, eine Deprimierung des Zentrums jedoch nicht bestand, so dass die Reizung des N. ischiadieus bedeutende Steigerung des Blutdrucks ergab. Das Hinzukommen der Reizung des N. depressor hat den Blutdruck in hohem Maasse herabgesetzt trotz der anhaltenden Reizung des N. ischiadieus. Die Reizung des Depressors hat jedoch die Erregung des Zentrums der Vasokonstriktoren nicht vernichtet, sondern so stark geschwächt, dass der Blutdruck nur um einige Millimeter stieg, wenn auch der Depressor nieht mehr gereizt wurde. An der Kurve des Blutdruckes sehen wir den summierten Fffekt der Erregung der beiden Zentren, wobei das vasodilatatorische Zentrum überwiegt und dementsprechend auch eine längere Nach- wirkung beobachtet wird. Von ganz anderer Natur ist die Kurve Nr. 20 (Taf. X). Hier fand die Reizung der beiden Zentren bei relativ hohem Blutdruck statt, so dass die latente Periode für den Effekt des N. ischiadieus ihre gewöhnliche, ca. 3 Sekunden betragende Dauer hat. Das Hinzu- kommen der Reizung des N. vagodepressor sinister äussert sich durch sehr langsames und geringfügiges Sinken des Blutdruckes, da die Erregung des Zentrums der Vasokonstriktoren die Entwicklung und das Zustandekommen des depressorischen Effektes behindert. Mit der Beendigung der Reizung des N. ischiadieus äussert sich der Effekt der depressorischen Reizung durch starken Sturz der Blut- druckkurve. Jedoch sinkt der Blutdruck nicht so tief, wie dies bei Reizung des Depressors allein normaliter zu sein pflegt; zweitens sehen wir an der heruntergegangenen Kurve eine Welle vom Hering-Traube’schen Typus, was auf erregten Zustand des. Zentrums der Konstriktoren hinweist. Schliesslich steigt, sobald die Reizung des N. depressor aufhört, der Blutdruck rasch an, und zwar nicht nur bis zum normalen Niveau, sondern in bedeutendem Maasse über dasselbe hinaus. Die Nachwirkung fehlt somit. Mit einem Worte, an der Kurve ist deutlich der summierte Effekt der Reizung der beiden Zentren zu sehen, wobei der erregte Zustand des Zentrums 572 L. L. Fofanow und M. A. Tschalussow: der Konstriktoren sich besonders deutlich markiert. Was den Ein- fluss der Stromstärken betrifft, die bei gleichzeitiger Reizung des N. depressor und des N. ischiadieus verwendet werden, so ist es nieht möglich, genaue Wechselbeziehungen zwischen denselben und den Effekten festzustellen. Hier trat die individuelle Erregbarkeit der vasomotorischen Zentren in den Vordergrund; im grossen und SH Isch 200 . : Kurve Nr. 21. Kurve Nr. 22. Kurve Nr. 21. Versuch vom 9. Januar 1907. Die Bezeichnungen sind dieselben. Reizung des zentralen Endes des N. vagodepressor sin. bei 90 mm R.-A. und des zentralen Endes der Nn. ischiadiei bei 200 mm R.-A. Von rechts nach links lesen. — Kurve Nr. 22. Versuch vom 9. Januar 1907. Die Bezeichnungen sind dieselben. Reizung des zentralen Endes der Nn. ischiadici bei 200 mm R.-A, während 3”. Lesen von rechts nach links, ganzen kann man jedoch den ungefähren Schluss ziehen, dass, je stärker der eine oder der andere Nerv errest ist, desto deutlicher der überwiegende Einfluss desselben auf den Blutdruck hervortreten wird. Als Beispiel für diese Beobachtung geben wir die Kurve Nr. 21 wieder. Über die Beziehungen des N. depressor zu den vasomotor, Zentren. 573 Wie aus der Analyse dieser Kurve hervorgeht, funktioniert das Zentrum der Vasodilatatoren bei seiner Erregung im vorliegenden Falle so energisch, dass die hinzukommende Erregung des Zentrums der Konstriktoren vollkommen unterdrückt wird, als ob sie gar nicht dagewesen wäre. Die Blutdruckkurve bleibt in ihrem Sinken nicht stehen, sondern fährt, wenn auch in mässigem Grade, zu sinken fort, so dass bei Unterbrechung der Reizung eine bedeutende Nachwirkung vorhanden ist. Die wiedergegebene Kurve demonstriert im vorliegenden Falle somit vollständiges Überwiegen des depres- sorischen Effektes über den pressorischen. Das Fehlen irgendeiner Manifestation des pressorischen Effektes an dieser Kurve auf Rechnung der Kürze bzw. der Schwäche des zur Erregung des Zentrums der Konstriktoren angewendeten Stromes ist nicht möglich, da schwache Reizungen des N. ischiadieus, wie die Kurve Nr. 22 ergibt, in diesem Experiment einen Aufstieg des Blutdruckes über 250 mm Hg bewirkte. (Das Schwimmhölzcehen des Manometers wurde über den Rand der Trommel hinausgeschleudert.) Ferner möchten wir auf die Beobachtungen hinweisen, wo bei gleichzeitiger Reizung der beiden Nerven die entgegengesetzten Effekte sich gegenseitig der- maassen kompensierten, dass der Blutdruck in statu quo verblieb, eine Tatsache, die bereits Bayliss hervorgehoben hat. Diese Tat- sachen lassen sich sehr einfach und leicht erklären, wenn man die Ansicht akzeptiert, dass die vasomotorischen Zentren unter gewissen Bedingungen beide den empfangenen Reiz behalten, und dass sie sich einander gegenüber wie Antagonisten verhalten. Eine derartige Beobachtung ist an der Kurve Nr. 23 (Taf. X) dargestellt. Auf dieser Kurve sieht man sehr deutlich, dass das Niveau des Blutdruckes sich bei gleichzeitiger Reizung der beiden Nerven ver- ändert. Dies bezieht sich aber lediglich auf den Moment der Reizung selbst. Sobald letztere aufhört, tritt rascher, wenn auch vorüber- gehender Anstieg des Blutdruckes bis zu der sehr soliden Zahl von 218 mm Hg ein. Es tritt hier also der Effekt der Erregung des Zentrums der Vasokonstriktoren in den Vordergrund, der während der gleichzeitigen Reizung durch die Erregung seines Antagonisten, des Zentrums der Vasodilatatoren, maskiert wird. Nachdem wir die wichtigsten Momente hervorgehoben haben, welche bei gleichzeitiger Reizung der beiden Nerven beobachtet werden, müssen wir noch einige Worte über die Veränderung der latenten Periode für die Steigerung des Blutdruckes unter dem ”.£ 4 574 L. L. Fofanow und M. A. Tschalussow: Einflusse der gleichzeitigen Reizung sagen. Wir haben uns mit der Frage der Veränderung der latenten Periode speziell nicht befasst und diese letztere nur ungefähr bestimmt. Trotzdem sind wir zu der Überzeugung gelangt, dass fast in allen Fällen, wo der N. ischia- dieus gleichzeitig mit dem N. depressor gereizt wird, und in den Fällen, wo der N. ischiadieus nach dem Depressor gereizt wurde, stets ohne Ausnahme die latente Periode für das Zustandekommen des Effektes der Reizung des N. ischiadieus auf den Blutdruck sich so stark verlängert, dass man dies sogar an unseren Kurven leicht feststellen kann. Wir glauben, dass die Verlängerung der latenten Periode in den obenerwähnten Fällen in direktem Zusammenhang mit der individuellen Erregbarkeit des vasodilatatorischen Zentrums steht: Je erreobarer dieses Zentrum ist, und je energischer dasselbe seine Wirkung entfaltet, desto grösser ist die Verlängerung der latenten Periode für den Effekt der Reizung des N. ischiadieus auf den Blut- druck bei gleichzeitigen Reizungen. i Ä Auf Grund unserer Beobachtungen glauben wir zu joleenuen Schlüssen gelangen zu können: 1. Die Theorie der alleinigen Deprimierung der Impulse ds vasokonstriktorischen Zentrums bei depressorischem Effekt, welche | zur Erklärung dieses Effekts von Cyon und seiner Schule vor- geschlagen wird, ist unzutreffend. 2. Bei Reizung des Depressors findet eine Erregung des Zentrums | der Dilatatoren bei gleichzeitiger Deprimierung des Zentrums der | Konstriktoren und aktive Erweiterung der Gefässe statt. ; 3. Die Erweiterung der Gefässe und das Sinken des Blutdruckes während der Reizung des Depressors sind hauptsächlich durch den überwiegenden Einfluss der Dilatatoren bedingt. 4. Die vasomotorischen Zentren verhalten sich einander gegen- über wie Antagonisten: Die Erregung des einen zieht Hemmung des | Tonus des anderen nach sich. | ‘5. Bei gleichzeitigen Reizungen der beiden Zentren verläuft die Erregung in dem einen sowohl wie in dem anderen gleichzeitig. 6. Die Annahme von Bayliss, dass das vasomotorische bulbäre Zentrum im Konstriktor und im Dilatator bestehen muss, ist, wenn nicht vollkommen zutreffend, so doch sehr wahrscheinlich. 7. Das Zentrum der Dilatatoren Szı ebenso wie sein Ant- agonist seinen eigenen Tonus. | BELÄANTIETLÄT SER le BHhhAHRhhhhhhhh FHRHHÄHhHhHhhHh! FURERTETTERLTETUTTEOTETFERETERTTTRUNTERTRETERTTRNTTTRETENTTTTERTETTIRTENTTTETRE N N Frank En ANTETTLEeRRN Be, \y NW I \ Pe 1 IN n ah N N A N AM N ViraNy N mm m vw BR m. VA N OR A P MO, UFER N B SannaaaaammannAnaammmananmanmnmennannanamanananmnanmnamnanananAnanAnmAnTenAnAnmnananmAnnAOnnAnmprrun Isch.190, ET Über die Beziehungen des N. depressor zu den vasomotor. Zentren. 575 8. Wir schliessen uns der Ansicht von Tschirwinski an, wonach das Zentrum der Vasodilatatoren seine Beziehung zur Reizung des Depressors bei Paralyse seines Antagonisten besonders deutlich zutage treten lässt. 9. Bei Reizung der Antagonisten (N. depressor und N. ischiadicus) wird der Effekt am Blutdruck ein summierter sein. 10. Bei Reizung des Depressors kommt eine Erweiterung der Gefässe des ganzen Körpers, speziell der Zunge und der Nasen- schleimhaut, zustande. 11. Bei Reizung des Depressors geht der vasodilatatorische Impuls vom Zentrum zur Peripherie den vasodilatatorischen Nerven entlang. 12. Die Beobachtungen von Wersilow, Bayliss, Bystrenin und anderen Autoren, welche dasVorhandensein von vasodilatatorischen Fasern in den hinteren Wurzeln bei direkter Reizung zutage ge- fördert haben, finden beim Studium der Reflexe vom Depressor ihre Bestätigung. 13. In Übereinstimmung mit Bystrenin glauben wir, dass das trophische Zentrum der Vasodilatatoren der hinteren: Extremität im Rückenmark liegt. 14. Die Nasenschleimhaut ist das beste Objekt für das Studium der vasomotorischen Reflexe. Zum Schlusse ist es uns eine angenehme Pfliebt, Herrn Prof. N. A. Mislawsky an dieser Stelle unseren aufrichtigsten Dank zu sagen. Tafelerklärung. Tafel IX. Kurve Nr. 1. Oben hefindet sich die Kurve des Blutdruckes. Erste Linie von oben nach unten ist die Abszisse. Zweite Linie gibt die Zeit an in Se- kunden. Dritte Linie für die Zeitmessung der Erregung der Nn. ischiadiei und vierte Linie fur die Zeitmessung des N. vagodepressor sin. Die Strom- stärke ist 100 mm R.-A. Von rechts nach links lesen- Kurve Nr. 5. Versuch vom 3. Dezember 1907. Beide Nn. vagi und Nn. symp. sin. sind durchschnitten. Moment der Durchschneidung des rechten N. symp. Lesen von links nach rechts. Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd. 151. 38 576 -L. L. Fofanow und M. A. Tschalussow: Kurve Nr. 11. Versuch vom 11. Februar 1908. Die hinteren Wurzeln und der Bauchsympathicus sind ganz intakt. 150 mm R.-A. Das zentrale Ende der Nn. vagi sin. wird gereizt. Der Druck in der Carotis commun. ist von 180 bis 130 mm Hg gesunken. i Kurve Nr. 13. Versuch vom 26. März 1903. Es wurden durchschnitten die hinteren 5., 7. und I. Kreuzwurzeln. Reizuug des zentralen Endes der Nn. vagi sin. bei 75 mm R.-A., beim Druck iu der Art. carotis commun. dextr. 180—100 mm Hg. Der Sympathicus ist exstirpiert inkl. von 4. bis 7. Ganglion. Lesen von links nach rechts. Kurve Nr. 14. Versuch vom 27. Februar 1908. Der Kater wurde am 9. Sept. 1907 operiert. Die vierte linke Wurzel ist durchschnitten. Der linke Sym- pathicus ist durchschnitten. Es wird das zentrale Ende der Nn. vagi sin. bei ca. 150—140—160 mm R.-A. gereizt. Der Blutdruck in der Art. carotis dextr. sinkt 120—110, 120—100—140—130 mm Hg. Lesen von links nach rechts. » Tafel \. Kurve Nr. 17. Versuch vom 10. März 1908. Die hinteren Wurzeln sind intakt. Der Bauchsympathicus ist exstirpiert von 3. bis 7. Lendenganglien inklusive. Keine Reizung. Der Druck in der Art. carotis commun. dextr. schwingt von 120—110—100 mm Hg. Zu lesen von links nach rechts. Kurve Nr. 18. Versuch vom 18. November 1906. Katze. Oben die Kurve des Blutdruckes, weiter die Abszisse, der Zeitmesser in Sekunden und die Linie der Messung der Nervenreizung. Reizung des N. vagodepressor sin. ist mit Stichen gezeichnet. 190 mm R.-A. Von rechts nach links zu lesen. Kurve Nr. 19. Versuch vom 18. November 1906. Oben die Kurve des Blut- druckes, weiter die Abszisse, die Linie des Zeitmessers in 1 Sek. und die Linie der Messung der Reizung der Nerven. Reizung des zentralen Endes der Nn. ischiadici und vagodepressori sin. 190 mm R.-A. Von rechts nach links zu lesen. Kurve Nr. 20. Versuch vom 18. November 1906. Die Bezeichnungen sind die- selben. Reizung des zentralen Endes der Nn. ischiadiei und vagodepressori sin. bei 190 mm R.-A. Von rechts nach links zu lesen. Kurve Nr. 23. Versuch vom 24. Februar 1907. Katze. Die Bezeichnungen sind dieselben. Von rechts nach links zu lesen. Reizung des zentralen Endes der Nn. ischiadici und vagodepressorii sin. bei 100 mm R.-A. für beide Nerven. Literatur. 1) E. 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In dieser Beziehung interessierte mich besonders das Adrenalin, dessen Wirkung auf die Lungengefässe bis jetzt noch nicht vollkommen klargelest ist. Einige Autoren [Velich), Gerhardt?), Brodie und Dixon?°)] kommen auf Grund ihrer Untersuchungen zu dem Schluss, dass das Adrenalin die Lungen- gefässe nicht verengert, während andere [Plumier‘), Petitjean°)] die entgegengesetzte Meinung aussprechen, und zwar behauptet der letzte Autor, dass nach anfänglicher Verengerung der Gefässe, hervor- gerufen durch Adrenalin, bald eine passive Erweiterung derselben eintritt beim Beeinn des Blutdrucks. Meine Versuche sind ausgeführt mit Kiemen vom Hecht, welche nach der von mir ausgearbeiteten, hier beschriebenen Methode isoliert waren. Zunächst habe ich folgende Gifte angewandt: Adrenalin, Suprarenin, B-Imidazolyläthylamin, Nikotin, Koffein, Chloroform und Chlorbaryum. 1) Velich, Wiener medizin. Wochenschr. 1898 Nr. 26 S. 1258. 2) Gerhardt, Arch. f. exper. Path. u. Pharmak. Bd. 44 S. 161. 1900. 3) Brodie und Dixon, The Journ. of Physiol. vol. 30 p. 476. 1904. 4) Plumier, Journ. de Physiol. et de Pathol. gener. t. 6 p. 655. 1904. 5) Petitjean, Journ. de Physiol. et de Pathol. gener. t. 10 p. 412. 1908. 584 N. P. Krawkow: Beschreibung der Isolierungsmethode der Kiemen. Die Grundidee der Methode ist vollkommen klar, wenn man sich das Schema der Blutzirkulation in den Fischkiemen vergegen- wärtigt (Fig. 1). Zur Isolierung der Kiemen wird der Hecht im- mobilisiert, indem man das Rückenmark unterhalb der Medulla oblong. durchschneidet. Darauf wird der Fisch auf der Unterlage befestigt, den Leib nach oben gekehrt. Nach Durchschneidung der Haut (zwischen den Vorderflossen) und des Herzbeutels wird das Herz freigelegt. Der Truncus arteriosus wird über dem Bulbus arteriosus unterbunden und durchschnitten; in das peripherische Ende Fig. 1. a Kiemenarterien, b Kiemenkapillare, c Kiemenvenen, d. Truncus arteriosus, e Bulbus arteriosus. desselben wird eine Glaskanüle eingeführt und durch dieselbe mittels einer Spritze oder eines Syphons die Kiemengefässe mit Ringer- Locke’scher Flüssigkeit ausgewaschen. Nach dem Auswaschen werden die Kiemenbogen an der Ansatzstelle ihrer vorderen Teile mit einer Ligatur en masse unterbunden (Fig. 2a) und abgeschnitten. Unter dem Truneus arteriosus, in welchem eine Kanüle eingestellt ist, wird eine doppelte Ligatur durchgeführt und mit derselben alle Weichteille en masse unterbunden (Fig. 25). Darauf werden alle Kiemenbogen oberhalb ihrer Biegung durchschnitt und der Kiemen- apparat befreit. Weil bei Durchschneidungen der Kiemenbogen sowohl Arterien wie Venen durchschnitten werden, so ist es not- wendig, die ersteren zu unterbinden, weil nur in dem Falle die “ Über die Wirkung von Giften auf die Gefässe isolierter Fischkiemen. 585 gesamte, die Kiemenkapillare durchfliessende Flüssigkeit ausfliesst. _ Die Prozedur der Arterienunterbindung ist äusserst einfach, weil das Kaliber der Gefässe (besonders der Venen) an der Durchschneidungs- N ee; %%, NY Fig. 2. Halbschematische Darstellung des isolierten Kiemenapparates. a und b Stellen der Unterbindung en masse, ce Truncus arteriosus mit eingestellter Kanüle, d Stellung der Durchschneidung der Kiemenbogen (auf die Arterien sind Liga- turen angelegt), e Korkplatte mit eingestochenen Stecknadeln, f Glasplatte mit befestigtem Kiemenapparat. stelle recht bedeutend ist. Die Arterie liegt über der Vene, d. h. näher zu den Kiemenblättehen, und die Vene liegt unter der Arterie in der knöchernen Rinne des Kiemenbogens. Nach Durchstechung 586 N. P. Krawkow: des Kiemenbogens mit einer Nadel zwischen Arterie und Vene, näher zu der Durchschneidungsstelle, wird eine Ligatur durchgeführt und die Arterie mit den hier liegenden Kiemenblättehen unterbunden (Fig. 3L). Zur besseren Orientierung ist es nützlich, sich dabei einer Sonde zu bedienen, welche in die Vene eingeführt wird, und entsprechend ihrer Lage wird der erwähnte Einstich gemacht. Nach Unterbindung der Arterien an allen acht Kiemenbogen ist es nötig, deren Gefässe noch einmal mit Ringer-Locke’scher Flüssigkeit mittels einer Spritze auszuwaschen. Darauf wird der Kiemenapparat auf eine fünfeckige Glasplatte aufgelegt, welche etwas geneigt ist zu dem Zweck, dass die Flüssigkeit aus den Kiemenvenen in kleinen Strömen am Glase hinabrinnt und von dem spitzen Ende der Platte hinunterträufelt. Auf der Glasplatte ist ein Streifen Kork auf- geklebt, an welchen man die Kiemen- bogen mit Stecknadeln fixieren kann. Der isolierte und auf der Glasplatte be- festigte Kiemenapparat ist halbsche- matisch dargestellt in Fig. 2. Die Kanüle, welche in den Truneus arteriosus eingeführt ist, steht durch einen Gummi- schlauch in Verbindung mit zwei Büretten, = von denen eine mit Ringer-Locke- Fig. 3. Querschnitt des Kie- scher Flüssigkeit (normal) angefüllt ist, menbogens. a Arterie, ® Vene, y \ : ; b Kiemenblatt mit seinen Ge- die andere mit derselben Flüssigkeit und sen lei due Tun dem zu untersuchenden Gift. Durch die Verbindung dieser Büretten mit einem Mariotte’schen Gefäss bleibt das Niveau in ihnen beim Abfliessen ohne Änderung. Das Niveau der Flüssigkeit war bei unseren Ver- suchen ca. 35— 50 em über der Kanüle im Truneus arteriosus. Die Büretten waren so eingestellt, dass bei dieser oder jener Drehung des Hahns wir bald normale, bald vergiftete Flüssigkeit durch die Kiemen durchfliessen lassen konnten. Auf diese Weise gelangt die Ringer-Locke’sche Flüssiekeit aus dem Truneus arteriosus und den Kiemenarterien in die Kiemen- kapillare und schliesslich in die Venen, welche sich an der Durch- schneidungsstelle der Kiemenbogen öffnen. Von hier fliesst die Über die Wirkung von Giften auf die Gefässe isolierter Fischkiemen. 587 Flüssigkeit an der Glasplatte, welche am unteren Ende dreieckige Form aufweist, herab und kann entweder nach der Tropfenzahl in einer Zeiteinheit oder nach dem Quantum gemessen werden. Beim Zählen der Tropfen ist es bequem, sich einer gewöhnlichen elek- trischen Hausglocke zu bedienen, an deren Hämmerchen ein kleiner Glashebel und am Ende desselben ein Deckglas befestigt sind. Beim Fallen des Tropfens auf dieses Glas gibt die Glocke einen Ton, wodurch das Zählen der Tropfen sehr erleichtert wird. Es versteht sich von selbst, dass vor Beginn der Beobachtung der Wirkung irgendeines Giftes man eine Zeitlang abwarten muss, nachdem die Kiemen im Apparat befestigt sind, damit die Menge der abfliessenden Flüssigkeit mehr oder weniger bestimmte und konstante Zahlen erreicht. In dieser Beziehung gibt der Kiemen- apparat vollkommen genügende Resultate. Man muss jedoch be- merken, dass bei langdauernder Beobachtung sich zuweilen gewisse Schwankungen der Menge der abfliessenden Flüssigkeit bemerkbar machen. Ob diese Schwankungen abhängig sind von selbständiger rhythmischer Kontraktion der Kiemengefässe (vielleicht hauptsächlich des Truncus arteriosus), kann ich bis jetzt noch nicht mit Sicherheit entscheiden. Jedenfalls sind diese Schwankungen derart, dass sie bei genügender Kontrolle die Grundwirkung der Gifte auf die Kiemengefässe nicht markieren können. Nötigenfalls kann man am isolierten Kiemenapparat das Ausfliessen der Flüssigkeit aus jedem Kiemenbogen apart beobachten; zu diesem Zweck muss man nur alle übrigen Kiemenbogen unterbinden. Die isolierten Kiemen behalten lange (z. B. 2—3 Tage) ihre Lebensfähigkeit, besonders wenn sie in der Kälte aufbewahrt werden, und reagieren in der einen oder anderen Weise auf Gifte. Die Kiemen sind während der ganzen Zeit, in welcher Flüssigkeit in ihren Gefässen zirkuliert, von aussen sehr feucht und mit Schleim bedeckt. Dadurch hat es den Anschein, als wären die Kiemen stark ödematös. Es ist aber leicht, sich davon zu überzeugen, dass kein. Ödem vorhanden ist, indem man den Schleim von aussen abwäscht. Es ist sehr wahrscheinlich, dass die erwähnte Erscheinung hervor- gerufen wird durch geringe Ausschwitzung der Flüssigkeit nach aussen durch die Kapillaren der Kiemenblättehen. Zum Schluss muss ich noch bemerken, dass ich zuweilen an isolierten Kiemen selbständige Bewegungen beobachten konnte, und zwar bewegen sich nicht nur 988 N. P. Krawkow: die Kiemenbogen, sondern auch ihre Blättchen (letztere haben eine wellenförmige Bewegung). Unter welchen Bedingungen diese Be- wegungen entstehen, ist mir noch nicht klar geworden. Angesichts der Gleichartigkeit der gewonnenen Resultate werde ich aus der grossen Zahl meiner Versuche nur die letzten acht anführen. Ausser Tabellen habe ich der Übersichtlichkeit wegen auch. Kurven dieser Versuche gezeichnet. Der letzte Versuch ist zu dem Zweck an- geführt, um zu zeigen, wie beständig das Quantum der aus den Kiemenvenen abfliessenden Flüssigkeit bei lange dauernder Durch- strömung Ringer-Locke’scher Flüssigkeit bleibt. Die zweite Hälfte dieses Versuches ist ausgeführt an denselben Kiemen, fast 24 Stunden nach ihrer Isolierung, nachdem sie in der Kälte auf- bewahrt waren, wobei ich das Adrenalin ebenfalls Jange Zeit durch- strömen liess. Tabelle I. Versuchsprotokolle über die Wirkung des Adrenalins (Parke, Davis), $-Imidazolyläthylamins („Imido* Roche) und Bariumchlorids.. Druck 40 cm. (Siehe Fig. 4.) == zo S= Se Zeit De Zeit SEE = =° I = Es Uhr Min a Ki) Uhr Min rn 11 58 22 | normal 107743 130 202 21 12 44 118 12 04 22 12 46 107 12,20% 21 12 48 88 12510 23 12 50 72 22 20 il 69 12 14 21 100254 59 12 16 21 12 56 53 al 23 12 58 47 12 19 24 12 59 46 125221 22 1 0 43 293 23 1202 49 12. 25 22 19205 41 120898 27 | Adrenalin 1:1 Mill. 1 07 43 230 28 10) 41 | Adrenalin 1:1 Million m 2 28 1 ln 40 12 8 37 il 18 49 12335 60 1 14 66 12 36 98 1.11) 82 12a 110 | normal 816 102 12 39 110 A 120 12 40 132 normal Über die Wirkung von Giften auf die Gefässe isolierter Fischkiemen. 589 N N FÜ Zet |8 u Zeit . {eb} = © 5 >= Uhr Min = = Uhr Min. ö = 1 SM) 137 1 59 39 222 140 2 00 41 12t 116 2202 42 1 26 96 203 46 208 12 2.05 48 1 30 57 2 06 48 32 49 2 08 50 ca 44 2.09 50 1 36 41 Di 56 38 43 2516 56 1 4 49 Imido 1:1 Million ll 56 Barium chlor. 1: 1000 1 4 40 2 20 50 1 4 40 a al 30 1 46 39 2292 14 1 48 38 2 24 10 1 49 37 2.925 7 Sl 39 2 5 1 52 39 2.29 5 53 9 2a 4 1 58 39 2 839 2 1 56 39 2A 2 12257 39 normal 2 59 1! Tropfenzahl. 140 Normal y 130 «— Adrenalin &— Adrenalin Nach 1 30 39 12 79 103 120 137 180 ’ Fig. 4. 590 N. P. Krawkow: Tabelle I. {==} T Versuchsprotokolle über die feunoNn & Wirkung des 2- Suprarenins (Höchst), Nikotins und Adrenalins A (Parke, Davis). Druck 32 cm. u > (Siehe Fig. 5.) = r=R= t j ı:8 TeulloN Qe) Zeit 5 Far ueuaıpy — 3 = Uhr Min. | .8 | 11. 29 | 10 | normal 11 32 8 1 4 8 11 45 9) 11 46 ®) 11047, 9) 11 49 9) 2 Suprarenin 11 52 7 1:1 Million 11 54 6 112256 6 11 58 6 ans 12 00 6 el al 2 21200742910 120262.15 122783738 12 10 3 2 12712712.59 = 12 14 | 60 fgwJoN normal 2er 168 122205 50 12221 265 urussesdns — & 12 22 bp) 12 23 | 48 12.262 3480) | 12 28 | 25 12 30) 20 1 12 34 | 15 2 12 35 | 14 122592 13 TeunoN 12 40 | 13 12 42 | 12 12 43 | 12 umussesdns —> 2 12 46 12 12 48 | 12 12749712 Teunlon — - 12 50 | 12 = 12725222 e Suprarenin 12 55 | 13 1:1 Million °Tyezuorydorz, Über die Wirkung von Giften auf die Gefässe isolierter Fischkiemen. 591 == = E ss s= Zeit SER Zeit Di Fe Fe OHS Su Uhr Min. RUESS MET RES le we A Uhr = Uhr Min. | 4.3 12 Sy 12 2 88 15 109258 11 2 40 15 12 59 12 DE 14 1 01 13 DA, 14 203 16 OA 14 1005 a Dr? 14 1 06 24 2 587 15 0X 28 2 59 12 1 08 35 3#.03 12 1 09 40 3.06 11 1510 44 a a 14 1.211 48 4 00 12 1 1% 50 A 09 1 14 | 50 | normal Ze 1 a) 1 16 51 4 17 12 17 49 4 19 il 1018 44 za 12 TE) 41 4 24 12 185] 38 Adrenalin 1:1 Million 22 35 4 26 14 ıı 3l 4 28 15 1205 29 4 30 3 0226 26 4 al 45 1 29 24 4 34 67 88 21 normal je238 19 4 36 70 1 44 13 4 40 62 1 5 18 4 43 ” 1 6 1 > 15 Nikotin 1: 1000 ji Rn 31 53 15 49752 22 12756 15 455 22 il 8% 12 4 56 20 I) 12 Adrenalin, dasselbe 2200 10 4 58 19 2 01 9 5 00 19 203 8 5 0 19 2 04 9 502 3 2.0 9 5.03 24 206 s | normal 5 04 25 2 08 8 5.05 25 2 2% 8 5 06 27 215 10 el) 28 2) 10 5 27 2 0 10 normal DDR 12 Se 24 2 05 13 Hl 24 Don 3 5 22 2 29 13 5 19 2030 14 Dede als 2 88 15 5 40 15 28235 15 Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd. 151. 39 [da (de) D N. P. Krawkow: Tropfenzahl. I 0 SS omBenns Zu uam [vasmme | mem mssommameı Tomas ymmmmma 7 a & 8 B= S 30 BE = E 5 & 5 20 \ 3 < , Y 10 ’ Nach 1 12 36 59 80 115 Fig. 6. Tabelle II. Versuchsprotokolle über die Wirkung des Adrenalins (Parke, Davis). Druck 40 cm. (Siehe Fig. 6.) ZIE EE Sa Se Zeit S u Zeit & u 5 5= Uhr Min WEi® Uhr Min. | HS 11 08 10 normal - 12 0 21 IL 2) 8 12802 13 DS Adrenalin, dasselbe a: 7 12 04 11 11 16 id 120% 9 eg 7 12 09 9 at 2) 7 al 10 Adrenalin 1:1Mill. | 12 13 12 123 6 19 1: 16 le 2 127 1) 18 ln 6 1272016 15 ul 88 12 12 18 24 ılıl 85 22 19) 26 12236 33 129220 32 ıı Sm 48 12224 36 eg 55 1 29 45 11 40° 3 normal 1 wahl 74 12826 51 normal a 52 A 77 12 28 53 ih al 85 12 80 52 11 45 78 a Sl 44 11 46 s0 12 8 0 11 48 82 ee 34r2 299 11 49 78 12583 25 117250 13 12 38 17 52 65 12 40 11 153 60 a ei 7 ll aut 50 1292 7 hl 75%) 44 12253 7 rar 3 Über die Wirkung von Giften auf die Gefässe isolierter Fischkiemer. 593 a pew.:oN uloy0J) — ee usy09) — \ ee ! [ewıoN ureusspy 7 peuion —7 fewıoN umeusspy — © o =) o Q © =) =) =} [&$} [02] = > nm BE (SE) a kun! a = Im] rm m r en] m rm um) un] - gezuozdot] Fig. 7. 3 310 “ 202 281 206 211 196 52 20 a 9 Nach 1 594 N. P. Krawkow: Tabelle IV. Versuchsprotokolle über die Wirkung des Adrenalins (Parke, Davis) und des Koffein. Druck 48 cm. (Siehe Fig. 7.) =.8 == Ss= Se Zeit | 8 = Zeit |8 > = un Min EE Un Mole 1 06 16 | normal Adrenalin 1:1 Million 1 07 16 At 34 1210 14 4 836 45 al 13 A737 126 N 18 12 normal 14 12 4 39 150 Adrenalin 1:1Million]| 4 40 156 1316 13 4 41 158 1% 12 4 43 134 118 11 4 45 123 119 10 4 46 103 I il 12 4 47 80 1222 36 4 49 60 1 3 17 4 50 50 24: 9 4 51 45 normal 4 53 37 OR 139 4 55 BE 1928 133 4 58 27 1 30 135 4 59 27 Il 135 500 23 08 126 5 02 22 10734 117 5.03 20 ıı 5 109 5 04 20 1 36 100 50 19 1 38 79 52:07 20 1.39 67 5 08 19 1 40 60 5.09 18 1249 48 Koffein 1 :500 1 43 41 5 19 1 44 34 5212 18 A 30 513 17 1 47 26 5 14 17 1 48 22 515 19 17750 20 5.16 34 il il 19 len, 71 17753 13 5 18 109 254 17 5 19 121 055 16 normal le 15 5.2 113 1 58 14 il 125 normal 5 24 165 4 22 33 H26 114 423 3 3 97 495 35 5.28 71 4 26 37 5 29 59 AED 8 5 30 51 4 28 37 9.82 39 4 30 | N 34 AS 3 54 31 4032 35 % a6 26 Über die Wirkung von Giften auf die Gefässe isolierter Fischkiemen. 595 == == ss \ se = 5 m © eie = Uhr Min. 5.8 Uhr Min. | 5.8 5 836 23 5 49 124 Sl 24 normal 5 38 22 5 51 196 Koffein 1: 500 5 5 208 5 40 19 554 190 5 41 18 5 55 162 5 42 18 > 56 121 OA: 21 5.87 82 5 45 30 598 54 5 46 94 5 59 42 A 87 6 00 31 5 48 112 120 110 = 100 E 9 + 2 s0 + = 0a E ff) ü E50 40 FH ol 23 25 20 < EN ) Nach1 0 2% 45 54 9 9 1% Fig. 8. Tabelle V. Versuchsprotokolle über die Wirkung des Adrenalins (Parke, Davis), des Koffeins und des „Imido* Roche. Druck 50 cm. (Siehe Fig. 8.) 3.8 =: > = as, ER Zeit |, © = oo 55 Burg Uhr nal e Ir Mn les 12 46 14 normal | 12956 11 12 48 13 Adrenalin 1:1 Million 125252 11 12 59 12 12 54 12 1 02 11 596 N: P. Krawkow: ds == sE ss Zeit IE Zeit 3 = me a Suro Bra = ; = E Ho Uhr Min. 1.3 Uhr Min | I .3 1 04 14 2 0 50 1 (05) 29 202 49 17206 47 a Mil 47 1 08 70 2 06 45 normal 2 09 ® 10 96 DE? 41 16 al 106 2219 37 1 12 all | Imido 1:500000 1 18 105 De e29 It 104 2 18 20 1 118 96 220 15 1 18 77 al 12 17720 49 223 12 22 3 225 12 125 27 normal 1. 27 26 DR 10 1 29 al 27730 11 lee 22 28 12 Koffein 1: 1000 284 12 034 21 27756 12 36 32 20188 13 88 Sl 2 40 13 103 62 2042 14 normal 2 44 18 10 74 DRAG 21 10 2 90 2 48 24 2 18 250 28 il al 18 Da 52 30 1 46 70 DA: 3 1 50 63 27250 3 12255 Sl 2098 33 ı 5 50 | 3. 00 39 90 St) Normal; > Normal— | {x} | r E 3 E 5 | Ü [x Bei ‚E ES —_ 0 3 ’ TEN 5 go S S en ö | in 540 I Na:h 1 2) Bil) 4 €6 85 94 115 126 206 276 296 306 ? Imido (Roche), des Nikotins und des Chloroforms. Über die Wirkung von Giften auf die Gefässe isolierter Fischkiemen. 597 Tabelle VI. Versuchsprotokolle über die Wirkung des Adrenalins (Parke, Davis), Druck 50 cm. (Siehe Fig. 9.) Zeit Min, Tropfenzahl in der Min. normal Adrenalin 1:5 Million normal Imido 1: 500000 normal 12 12 Pr D RD HA en Tropfenzahl in der Min. Nikotin 1: 1000 normal Chloroform 1: 1000 normal Adrenalin 1:10 Mill. normal 598 N. P. Krawkow: == =.s Zeit u Zeit I z © —=® i 5 3 5 Uhr Min. = Uh Min. | 5.8 4 11 49 normal Chloroform 1: 1000 at al 49 4 13 45 (Kiemen bewegen sich) 493 46 a5 0 IE ar 0,0 0 4 16 ol A 33 4 18 ol | 4 28 Sen AAN Aal 33 100 90 80 70 HF Normal—> € E = E Sa E £ < a J A EISAOF LE e J E s Se - 2 B > E 8 } E 20 m 5 I u = 8 Z Nachwl 210) 20 45 58 y 114 130 155 190 ’ Fig. 10 Tabelle VI. Versuchsprotokolle über die Wirkung des Adrenalins (Parke, Davis), des Nikotins und des Bariumchlorids. Druck 50 cm. (Siehe Fig. 10.) FE == N N Zeit e n Zet |&% Se SurS 1 = Uhr Min. m = Uhr Min Fr = 3.095 8 normal | 3 41 22 a 9 n 20 29 8.99 9 3 44 44 3 ol 8 2 45 54 3.88 9 normal Adrenalin 1:1 Mill. a all 8 ®) 85) 9 3 48 90 3836 9 3 50 87 BR 9 Sl 70 3 8 12 Dead Über die Wirkung von Giften auf die Gefässe isolierter Fischkiemen. 599 Zeit Uhr Min. sun uPprRrPrrRrrReRBRR PBRrRPRPRR Bemacschch a5 SZ 3 Zeit 5 SS Uhr Min. 43 19 37 32 23 27 25 24 26 22 23 20 3 zu 3l Nikotin 1: 1000 35 19 21 38 21 52 normal [erXerXerKerKorkorferKerKorgerfergorkergXeorKerKerXer) DINO INDOOR OT [St [e=) [St Tabelle VII. Tropfenzahl N -1MN-I-100 O0 Rn © in der Min. Barium chlorat. 1:5000 normal Bariumchlorat. 1:5000 Versuch langdauernder Durchströmung normaler Flüssigkeit und Adrenalins. Druck 46 cm. (Siehe Fig. 11.) = 4 = | Zeit S E Zeit Er) SS Uhr Min. 5.8 Uhr Min 4 15 al normal 4 5 4 20 3l 5 00 4 30 25 5 10 4 40 25 De) AT 28 5 ee 4 52 27 9 45 der Min. Tropfenzahl [in 600 N. P. Krawkow: I) > 120 | 110 | 100 L | 2 oo | € Ä z. 80 S \ iR: & % zo 8 = a. | I " \ F 5 \ “ el BI S Zoe 5 < | VER Bu | 2A) = 2 10 i | Nach 1 40 60 120.180 210 120 5 BB aE, 120’ Biel. = = | 5 "Se se Zeit Sn Zeit Je = en © [) - E - Uhr Min. 4.8 Uhr Min. 5.58 9: 50) 25 a ll 91 6 07 29 a 0 109 6 18 29 3 DR 119 6 30 29 DD 125 6 40 28 8,98 123 6 50 29 4 00 95 70 Di ab .(02 9| 1.10 27 4 05 3 N) 29 4 08 78 7 8) 26 4 10 73 normal De normal Aal 74 a Hl 49 Als 67 2) ® ab 63 8: 05 31 4 19 58 Bl 34 AD? Sl 3.8 33 4 25 45 312 Sl ARTEN 41 3 9 35 4 29 37 en 30 Aal 3 3 40 23 4 33 34 Adrenalin 1:1 Mill. 435 33 3042 21 Ama 31 315 21 a) al DA 36 4 41 27 3 48 1 4 483 23 3 50 74 Am 28 Über die Wirkung von Giften auf die Gefässe isolierter Fischkiemen. 601 Wenn man die gewonnenen Resultate der oben angeführten Versuche zusammenstellt, so sehen wir, dass die Kiemengefässe sich verengern unter dem Einfluss von £-Imidazolyläthylamin, Nikotin und Chlorbaryum. In dieser Beziehung reagieren die Kiemengefässe auf diese Gifte im allgemeinen ebenso wie die Gefässe von Warm- blütern. Wir konnten uns davon desto eher überzeugen, weil gleich- zeitig mit diesen Versuchen in. unserem Laboratorium die Wirkung derselben Substanzen auf die Gefässe des isolierten Kaninchenohres geprüft wurden (Pisemski, Swetschnikow))). Aber die gefässverengernde Wirkung der erwähnten Substanzen, lmit Ausnahme des Baryums, auf die Kiemengefässe ist nicht so deut ich ausgeprägt wie an den Gefässen des Kaninchenohrs. So z. B.- bewirkt Imidazolyläthylamin in der Konzentration 1:1 Million eine starke Verengerung der Gefässe des Ohrs, während es auf die Kiemengefässe verhältnismässig schwach wirkt, sogar in der Kon- zentration 1:500000. Chlorbaryum dagegen, welches, wie bekannt, direkt auf die Muskelelemente der Gefässe einwirkt, verengert die- selben in gleichem Maasse an den Kiemen wie am Ohr. Die Wirkung des Coffeins auf die Kiemengefässe ist ebenfalls im allgemeinen gleich der Wirkung auf die Gefässe des Ohrs, welche für kurze Zeit verengert werden, darauf sich erweitern (Pisemski). Dagegen ist in quantitativer Beziehung auch hier ein Unterschied in der Reaktion auf Coffein der Kiemengefässe und der Gefässe des Ohrs zu bemerken. Die gefässverengernde Wirkung des Coffeins auf die Kiemengefässe ist hier ebenfalls schwächer ausgeprägt wie auch bei den oben erwähnten gefässverengernden Substanzen; dagegen ist die gefässerweiternde Wirkung des Coffeins auf die Kiemengefässe viel deutlicher ausgeprägt als an den Gefässen des Ohrs. Chloroform bewirkte in den von mir angewandten Konzentrationen an den Kiemengefässen ungefähr dieselbe Erweiterung wie auch an den Gefässen des Ohrs [Pisemski]?). Am interessantesten in pharmakodynamischer Beziehung erwies sich in unseren Versuchen das Verhalten der Kiemengefässe zum Adrenalin, welches, wie sich zeigte, dieselben nicht nur nicht ver- engert, sondern im Gegenteil dieselben in bedeutendem Maasse er- weitert. Auf diese Weise ist die Wirkung des Adrenalins auf die Kiemengefässe an Fischen vollkommen entgegengesetzt der Wirkung 1) Pisemski, Russky Wratsch 1912 Nr. 8. 602 N. P. Krawkow: desselben auf die Gefässe der Mehrzahl untersuchter Organe von Warmblütern. Nur die Coronargefässe des Herzens von Warmblütern erinnern in ihrem Verhalten zum Adrenalin bedeutend an die Kiemengefässe, weil auch sie unter dem Einfluss dieses Giftes sich ebenfalls erweitern [Langendorff]‘). Weil man das schon für einwandfrei bewiesen halten kann, dass das Wirkungsobjekt des Adrenalins die Nerven- endieungen des sympathischen Systems sind, so muss man die Er- weiterung der Kiemengefässe wie auch der Coronaren dadurch er- klären, dass in ihm nur gefässerweiternde Nervenfasern des sym- pathischen Systems vorhanden sind, oder dass die letzteren bedeutend vor den gefässverengernden Nervenfasern prävalieren. Was die gefässverengernden Nerven der Kiemen anbetrifft, so gehören diese wahrscheinlich nieht zum sympathischen, sondern zum autonomen System (N. vagus). Deshalb werden sie auch nicht von Adrenalin angeregt, sondern verfallen der Wirkung des Imidazolyläthylamins, des Nikotins und anderen. Die bedeutende Verengerung der Kiemen- gefässe unter dem Einfluss des Baryums muss man durch direkte Beeinflussung ihrer Muskelelemente erklären. Die gefässerweiternde Wirkung des Adrenalins auf die Kiemengefässe und seine Ähnlich- keit in dieser Beziehung mit. der Wirkung auf die Coronargefässe verdienen besonderes Interesse in Hinsicht zur Frage über. die Wirkung des Adrenalins auf die Gefässe im allgemeinen. In letzter Zeit überzeugt man sich immer mehr, dass das Adrenalin, unter ge- wissen Bedingungen, ausser den Coronar- und Kiemengefässen, auch noch andere Gefässe des Körpers erweitern kann. Besonders inter- essant in dieser Beziehung sind die Arbeiten Dale’s?), welcher gezeigt hat, dass nach Lähmung durch Ergotoxin der Nervenendigungen der Vasokonstriktoren des sympathischen Systems das Adrenalin die (sefässe nicht nur nicht verengert, sondern sogar durch Anregung der Vasodilatatoren erweitert. Noch nicht publizierte Versuche Swetschnikow’s, welche vor kurzem in unserem Laboratorium am isolierten Kaninchenohr ausgeführt sind, zeigten, dass die Ge- fässe bei Steigerung der Temperatur der dureh sie durchströmenden Flüssigkeit immer mehr und ınehr die Fähigkeit verlieren, sich durch 1) Langendorff, Zentralbl. f. Physiol. 1907 Nr. 17 S. 551. 2) Zitiert nach H. Meyer und Gottlieb, Die experim. Pharmakologie 1911 8. 204. Über die Wirkung von Giften auf die Gefässe isolierter Fischkiemen. 603 Adrenalin zu verengern, und bei Temperaturen von 40° C. und höher kann man schon Gefässerweiterung beobachten. Man muss annehmen, dass solche Unbeständigkeit der Adrenalinwirkung abhängig ist von ungleicher Reaktion der Vasokonstriktoren und Vasodilatatoren auf die Temperatur. Auf diese Weise sehen wir, dass der Mechanismus der Adrenalinwirkung auf die Gefässe des Körpers im allgemeinen überall der gleiche ist, aber die Resultate seiner Wirkung können verschieden sein, je nachdem, wie das gegenseitige Verhältnis der Funktion der gefässverergernden und gefässerweiternden Nervenfasern des sympathischen Nervensystems ist. Zusammenfassung. 1. Der nach unserer Methode isolierte Kiemenapparat von Fischen erweist sich als sehr bequemes Objekt zur Untersuchung der. Giftwirkung auf seine Gefässe. S 2. Von den untersuchten Substanzen bewirken Imidazolyl- äthylamin, Nikotin und Chlorbaryum Verengerung der Kiemengefässe. 3. Coffein bewirkt nach kurzdauernder geringer Verengerung bedeutende Erweiterung der Gefässe. 4, Chloroform erweitert die Kiemengefässe. >. Adrenalin, sogar in starken Verdünnungen, bewirkt sehr be- deutende Erweiterung der Kiemengefässe. 604 J. Rosenthal: Über die Ursache der Atembewegungen. Von 3. Rosenthal. Es ist wohl auch schon anderen als mir aufgefallen, wie unvoll- ständig die Kenntnis der Literatur des Gegenstandes oft ist bei Autoren, welche über irgendeine von ihnen unternommene Arbeit berichten. Es scheint, dass die Mehrzahl sich damit beenüst, die eangbaren Lehr- und Handbücher zu Rate zu ziehen, deren Ver- fasser entweder nach Gutdünken die älteren Arbeiten anführen oder weglassen oder sieh darauf beschränken, auf die Literaturnachweise früherer Sammelwerke zu verweisen. Diese selbst einzusehen und die dort angegebenen Schriften zu studieren — das scheint gänzlich aus der Mode gekommen zu sein. Eine Entschuldigung dafür ist freilich in der Massenproduktion unserer Zeit gegeben. Ist es doch kaum noch möglich, die zahlreichen Zeitschriften, welche jetzt er- scheinen, regelmässig zu lesen und alles, was in ihnen gedruckt ist, nicht nur auf seine Richtigkeit, sondern auch auf das Verhältnis zu dem schon früher Veröffentlichten zu prüfen, zumal da hierzu eben auch eine genaue Kenntnis der älteren Literatur erforderlich ist. Solche Gedanken sind mir schon oft bei der Lektüre der neuen Veröffentlichungen gekommen, und zwar nicht bloss in bezug auf das, was ich selbst im Laufe meiner langen Tätigkeit für die Wissenschaft habe beitragen können. Wie oft war ich versucht, durch eine „Berichtigung“ mein geistiges Eigentum zurückzufordern, habe es aber dann doch unterlassen und mich damit getröstet, dass es eigentlich keine höhere wissenschaftliche Befriedigung geben könne als das Bewusstsein, dass Wahrheiten, zu denen man dureh Nachdenken und Arbeit gelangt ist, so in das Allgemeingut der Wissenschaft übergegangen sind, dass niemand mehr ihren Urheber kennt. Wenn ich heute einmal eine Ausnahme mache, so geschieht es weniger aus dem \Wunsche, eine von mir begründete Tatsache für mich zu reklamieren, Über die Ursache der Atembewegungen. 605 als aus dem Gefühl, dass es gut sein dürfte, die im Eingang er- wähnte ungenügende Kenntnis der Literatur einmal der Erwägung der Fachgenossen zu empfehlen und an einem Beispiel eine Warnung für Nachfolger anzuknüpfen. Den äusseren Anlass zu meinem jetzigen Aufsatz gibt mir ein Artikel A. S. Loevenhart’s (Professor der Pharmakologie an der Universität Wisconsin) über die Beziehungen des Atmungszentrums zu Oxydationsprozessen in Pflüger’s Arch. Bd. 150 S. 379 ff. Seine Schlussätze stehen auf S. 389. Sie kommen zu dem Ergebnis, dass 1. „die Aktivität des Atemzentrums sich verändere umgekehrt im Ver- hältnis zu den Oxydationsvorgängen innerhalb des Zentrums. Oxy- dationsabnahme führt primär zur Reizung, Oxydationszunahme zur Depression ...“ 3. „Wird die Oxydationsabnahme zu weit ge- trieben, so kann die Reaktion des Zentrums ins Gegenteil um- schlagen, d. h. fällt die Oxydation unter eine gewisse Grenze, so tritt Lähmung ein.“ Loevenhart zitiert Pflüger (Pflüger’s Arch. Bd. 1 S. 61. 1868) und sagt: „Soweit mir bekannt, haben nur zwei Forscher auf diesem Gebiet eine Erklärung des Mechanismus ver- sucht, der die Wirkung von Sauerstoffmangel oder Kohlensäureüber- schuss auf das Atemzentrum beherrscht.“ Er hätte. aber doch in dem Artikel von Pflüger lesen können, dass dieser mich als Autor für die gleiche Ansicht, welche auch er vertritt, anführt (im angeführten Artikel S. 83). Und wenn ihm mein 1862 erschienenes Buch: „Die Atembewegungen und ihre Beziehungen zum Nervus vagus“ sowie der gleichfalls von Pflüger zitierte Aufsatz im Archiv für Anatomie und Physiologie 1864 vielleicht nicht zugänglich gewesen sind, so hätte ihn doch Pflüger’s Zitat be- lehren können, dass nieht nur zwei Forscher ihre Ansichten über diese Fragen ausgesprochen haben. Es wäre doch auch wohl möglich gewesen, den betreffenden Abschnitt in L. Hermann’s Handbuch der Physiologie einzusehen, in welchem in Bd. 4 Abt. 2 S. 261—278 die ganze Frage von mir unter Beifügung der Literaturangaben zu- sanımenfassend dargestellt worden ist. Ich frage, was kann es für Nutzen gewähren, wenn immer wieder die Archive mit Aufsätzen überschwemmt werden, indenen Unter- suchungen, die schon vor vielen Jahren angestellt worden sind, von neuem mit nicht immer besseren Hilfsmitteln wiederholt werden. 606 J. Rosenthal: Über die Ursache der Atembewegungen. Da ich jedoch weiss, dass Loevenhart nicht der einzige ist, welchem meine 1862 erschienene Monographie über die Atem- bewegungen unbekannt geblieben ist, so sei es mir gestattet, viel- leicht um anderen, die noch über diesen Gegenstand etwas zu ver- öffentlichen gedenken, zu Hilfe zu kommen, aus jenem Buche einige Sätze zu wiederholen. Ich übergehe die ausführliche Auseinander- setzung im Eingange meines Buches und führe nur zwei Stellen an aus dem Schlusskapitel, welches die Ergebnisse meiner damaligen Untersuchungen zusammenfasst. Es heisst da (S. 239): 1. „Die Atembewegungen werden um so schwächer, je mehr Sauerstoff dem Blute zugeführt wird und sie hören bei einer bestimmten Grösse der Sauerstoffzufuhr ganz auf.“ 2. „Mit der Abnahme des Sauer- stoffgehaltes im Blute werden die Atembewegungen stärker, solange nur die Leistungsfähigkeit der Atembewegungsapparate nicht zu sehr leidet.“ In meinen Aufsätzen im Archiv für Anatomie und Physio- logie habe ich dann weitere Belege für diese Sätze gebracht. Auf die anderen in jenem Buche besprochenen Gegenstände, namentlich auf die Vorstellungen, welche ich über die Rhythmizität der Atembewegungen und den Einfluss des Vagus und anderer Nerven auf den Rhythmus entwickelt habe, gehe ich für dies- mal nicht ein. Auch hier habe ich öfters Gelegenheit gehabt zu bemerken, dass neuere Autoren mit der Literatur ungenügend ver- traut waren und deshalb immer von neuem ihre Mühe an die Lösung von Aufgaben setzen, welche vor einem halben Jahrhundert schon bearbeitet worden sind. Wenn sie dabei Besseres leisten und alte Irrtümer berichtigen, so ist ihre Mühe gewiss dankenswert. Ich wage aber nicht zu behaupten, dass dies für alle in den letzten Jahren erschienenen Arbeiten wirklich zutrifft. Pierersche Hofbuchdruckerei Stephan Geibel & Co. in Altenburg. 179, © m—— 1 | 73 ———— — 1 ————— — — I | m ea fe SEE Il ——— ——n m I ————— ——— nn — ———— | — m SS; |