da 14 EIERN In ) 1 Ai Weil AN Au ’ N v. AN N; ENG, KR Bra N KAberT \ Ba er FR PFLUÜGER® ARCHIV FÜR DIE GESAMTE PHYSIOLOGIE DES MENSCHEN UND DER TIERE. HERAUSGEGEBEN VON MAX VERWORN PROFESSOR DER PHYSIOLOGIE UND DIREKTOR DES PHYSIOLOGISCHEN INSTITUTS DER UNIVERSITÄT BONN UNTER MITWIRKUNG VON PROF. BERNHARD SCHÖNDORFF IN BONN. BAND HUNDERT UND FÜNFUNDFÜNFZIG. MIT 25 TAFELN UND 96 TEXTFIGUREN. BSP—< BONN, 1914. VERLAG VON MARTIN HAGER. a Inhalt. Erstes und zweites Heft. Ausgegeben am 1. Dezember 1913. Über die Herzwirkung des Pituitrins. Von Prof. Dr. N. Werschinin (Tomsk). (Mit 10 Textfiguren.) (Aus dem pharmakologischen Institut der Universität Tomsk) . Über die Wirkung des Chloralhydrats auf den isolierten Kaninchendünndarm. Von Fritz Sembdner. (Mit 11 Textfiguren.) (Aus dem physiologischen Institut der Universität Leipzig) RN N N Über die Höhe des Muskeltones. Von H. Gerhartz und A. Loewy. (Aus der med. Klinik der Universität Bonn und dem tierphysiologischen Institut der A Landw. Hochschule Berlin). Über die Beeinflussung der Resktionsgeschwindigkeit bei den Reduktionsproben des Traubenzuckers durch die Gegen- wart von Metallen im Harn. Von Gertrud Woker und Elisabeth Belencki. (Aus dem Institut für physikalisch- chemische Biologie der Universität Bern) AS E De Zur Frage der Zuckerbildung aus Fett. Von Dr. Rudolf Roubitschek, Karlsbad. (Aus dem biologischen Institut in Frankfurt a. M.) EN Über die Funktion der Bronchialmuskeln. Von Dr. Ferdinando Porcelli Titone, Assistent. (Mit 9 Textfiguren.) (Aus dem Institut für en a der B Universität Neapel) TR: Ba Über die Geschwindigkeit der N, des Methylenblaus durch Glukose und Fruktose und ihre Verwertung in der Harnanalyse. Von J. F. Muster und Gertrud Woker. (Aus dem Laboratorium für physik.-chem. Biologie der Universität Bern) * Seite 19 42 68 17 92 IV Inhalt. Drittes, viertes und fünftes Heft. Ausgegeben am 11. Dezember 1913. Prinzipielles und Experimentelles über das Elektrokardiogramm. Von F. Kraus, 6. F. Nicolai und F. Meyer (Lier- heim). (Mit 18 Textfiguren.) (Aus der zweiten medizinischen Klinik der %kgl..Eharıte Berim)enn.. 228.00. u Die Harnblase als Expulsivorgan. Die glatte Muskelfaser. Von Prof. B. Boceci. (Übersetzt von Dr. Ph. Verderame, Universitäts-Augenklinik in Turin.) (Mit 6 Textfiguren.) (Aus dem physiologischeu Institut der kgl. Universität in Siena) . Über die Anlockung des Weibchens von Gryllus eampestris L. durch telephonisch übertragene Stridulationslaute des Männ- chens. Ein Beitrag zur Frage der Orientierung bei den Insekten. Von Prof. Dr. Johann Regen in Wien. (Mit 1 Textfigur) Wärmelähmung und Wärmestarre der menschlichen Spermato- zoen. Von Privatdozent Dr. R. Stigler, Assistent am physiologischen Institute der Universität Wien. Herrn Hofrat Professor Viktor von Ebner anlässlich seines Scheidens vom Lehramte in dankbarer Verehrung gewidmet Über die Temperatur der Exspirationsluft und der Lungenluft. Von Professor A. Loewy in Berlin und Dr. H. Gerhartz, Assistenzarzt an der med. Klinik zu Bonn. (Mit 3 Text- figuren.) (Aus dem tierphysiol. Laboratorium der land- wirtschaftlichen Hochschule zu Berlin) Haben die Antennen für die alternierende Stridulation von Thamnotrizon apterus Fab. & eine Bedeutung? Ein Beitrag zur Frage des Gehörsinnes bei den Insekten. Von Prof. Dr. Johann Regen in Wien Sechstes und siebentes Heft. Ausgegeben am 9. Januar 1914. Über die Aktionsströme menschlicher Muskeln bei natürlicher Innervation, nach Untersuchungen an gesunden und kranken Menschen. Von Privatdozent Dr. med. Rudolf Dittler, Assistent am physiol. Institut, und Dr. med. Hans Günther, Assistent au der medizin. Klinik. (Hierzu Tafel I—IU.) (Aus dem physiol. Institut und der medizin. Klinik der Universität Leipzig) Seite 168 201 231 245 251 Inhalt. Über die Undurchgängigkeit der Lunge für Ammoniak. II. Mit- teilung. Von R. Magnus, G. B. Sorgdrager und W. Storm van Leeuwen. (Mit 3 Textfiguren.) (Aus dem pharmakologischen Institut der Reichsuniversität Utrecht) Zur Theorie der Adaptation der Netzhaut beim Dämmerungs- sehen. Von Professor Dr. P. Lasareff. (Mit 1 Text- figur.) (Aus dem physikal. Institut der kaiserl. techn. Hochschule zu Moskau) Ist das Poiseuille’sche Gesetz für Suspensionen gültig? Von M. Rothmann, Assistent am Institut. (Mit 3 Text- figuren nnd Tafel IV.) (Aus dem Be Institut der Universität Breslau) . MELDE, RE Berichtigung zu der Arbeit „Studien über die Bestimmung des Ausgangspunktes ventrikulärer Extrasystolen mit Hilfe des Elektrokardiogramms“ in Band 154. Von Prof. C. J. Roth- berger und Prof. H. Winterberg Druckfehlerberichtigung zu der Arbeit „Quantitative pharmako- logische Untersuchungen über die Reflexfunktionen des Riückenmarkes an Warmblütern“ in Band 154 Seite 307. Von W. Storm van Leeuwen. Achtes und neuntes Heft. Ausgegeben am 26. Januar 1914. Die Anordnung und Funktion der Nervenzellen des Herzens des Menschen und der Tiere und ihre Verbindungen mit dem sympathischen, den cerebralen und spinalen Nerven. Von Prof. Joh. Dogiel in Kasan. (Mit 10 Textfiguren : und Tafel V—-VII) Morphologische Veränderungen des gereizten Nerven. III. Mit- teilung. Untersuchungen über Struktur und chemische Beschaffenheit des Netzwerkes der Markscheide. Von Hans Stübel. (Hierzu Tafel VII—XIV.) (Aus dem physiologischen Institut der Universität Jena) Zur Frage über die Natur des Winterschlafes. Von Dr. Franz MareS, Professor der Physiologie. (Aus dem physio- logischen Institute der k. k. böhm. Universität in Prag) . Untersuchungen über den Lichtsinn mariner Würmer und Krebse. Von €. Hess (München). (Mit 5 Textfiguren) . Seite 275 310 315 349 350 391 411 421 VI Inhalt. Über den Hauptton des gesungenen oder laut gesprochenen Vokalklanges. II. Mitteilung. Von Dr. ©. E. Benjamins, Ohren-, Hals- und Nasenarzt. Assistent für experimentelle Phonetik. (Mit 2 Textfiguren.) (Aus dem Ben Institut der Universität Utrecht) Zehntes, elftes und zwölftes Heft. Ausgegeben am 10. Februar 1914. Experimentelle elektrokardiographische Studien über die Wir- kung der Respiration auf die Herztätigkeit. Von Dr. Ernst Blumenfeldt, Volontär-Assistent der II. Klinik und Dr. Hermann Putzig, Assistent am Kaiserin Auguste- Vietoria-Haus zur Bekämpfung der Säuglingssterblichkeit im Deutschen Reiche. (Mit 1 Textfigur und Tafel XVY— XIX.) (Aus der ll. med. Klinik der kgl. Charit& zu Berlin) . Über elektrische Erscheinungen im Zentralnervensystem des Frosches.. Von A. Beck. (Hierzu Tafel XX und XXI.) (Aus dem physiologischen Institut der Universität Lemberg) Die Vagus- und Muskarinwirkung auf die Stromkurve des Frosch- Ein herzens, (Von Prof. A. Samojloff. (Mit 10 Textflguren und Tafel XXII—XXV.) (Aus dem physiologischen Laboratorium der phys.-mathem. Fakultät der Universität in Kasan) . experimenteller Beitrag zur Lehre von der individuellen Konstanz der Harnsäure beim Menschen- Von Dr. Ot. Faustka, Assistenten des Institutes. (Vorgetragen in der Sitzung der IV. Sektion des IX. internationalen Physiologen-Kongresses in Groningen am 2. September 1913.) (Mit 1 Textfigur.) Aus dem physiologischen Institute der k. k. Universität in Prag) Über Verbrennung der Oxalsäure an Blutkohle und die Hemmung dieser Reaktion durch indiffereute Narkotika. Von Otto Warburg. (Mit 2 Textfiguren.) (Aus der medizinischen Klinik in Heidelberg) 436 461 471 523 547 (Aus dem pharmakologischen Institut der Universität Tomsk.) Über die Herzwirkung des Pituitrins. Von Prof. Dr. N. Werschinin (Tomsk). (Mit 10 Textfiguren.) Eine der am meisten charakteristischen Eigenschaften des - Extrakts der Hypophyse, welches Pituitrin genannt wird, ist dessen Wirkung auf die Tätigkeit des Herzens. Schon Howell!) und später v. Cyon?) haben bemerkt, dass unter dem Einflusse des Extr. hypophysis eine Erhöhung des Blutdrucks, eine Verstärkung und eine Verringerung der Zahl der Herzkontraktionen erfolgt. So fiel bei der Einführung dieses Extrakts in eine Vene die Zahl der Pulsschläge bei Kaninchen auf ein Viertel, während die Pulshöhe zehn- bis fünfzehnmal grösser wurde; bei Hunden, welche mit Morphium narkotisiert waren, erreichte die Verlangsamung des Pulses die Hälfte, fiel von 72 bis 36 in der Minute (v. Cyon). Diese Er- scheinung benannte v. Cyon „Aktionspulse“ ®). Oliver und Schäfer‘) konstatieren in einer Arbeit, welche etwas vor den der oben- erwähnten Autoren ausgeführt wurde, eine Erhöhung des Blutdrucks und eine Pulsverstärkung, äussern sich aber nicht über dessen Ver- langsamung, indem sie bloss erwähnen, dass der Puls nicht be- schleunigt wurde. Endlich gelangte Kepinow°), auf Grund seiner Versuche an kurarisierten Hunden, welchen er in das Blut Extrakte der Hypophyse, die sowohl auf heissem als auch auf kaltem Wege zubereitet waren, zu der Schlussfolgerung: „Alle Extrakte rufen irn 1) Howell, Journ. of exp. med. vol. 3 p. 245. 1898. 2) E. v. Cyon, Pflüger’s Arch. Bd. 71 S. 431. 1898. 3) E. v. Cyon, Pflüger’s Arch. Bd. 70 S. 252. 1898. 4) G. Oliver and E. A. Schäfer, Journ. of Physiol. vol 13 p. 227. 1895. 5) L. Kepinow, Dissert. Moskau 1912. Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd. 155. 1 29 N. Werschinin: gleicher Art eine Erhöhung des Blutdrucks und eine starke Puls- änderung hervor, welche durch eine Verlangsamung und eine Ver- stärkung der Herzkontraktionen bedingt wird.“ Als ich an ein detaillierteres Studium des Einflusses des Pitui- trins!) auf das Herz herantrat, stellte ich vor allem einige Versuche an Herzen in situ an, ohne die N. vagi zu beschädigen, wobei als Objekte Hunde und Frösche dienten. Hunden von einem Gewicht von 6 kg, die sich in einer Äther-Morphiumnarkose befanden, führte ich in das Blut 1 cem Pituitrin ein und schrieb auf einem Kymo- graphion mit Hilfe eines Quecksilbermanometers die Höhe des Blut- drucks und den Charakter der Pulswellen. In allen Fällen be- obachtet man unter dem Einflusse des Pituitrins bald nach dessen I Fig. 1 (etwas verkleinert). Versuch 1. Hund von 6 kg Gewicht. Morphium-Äther- narkose. Die Höhe des Blutdrucks und die Pulswellen wurden mit Hilfe eines Quecksilbermanometers auf dem Kymographion notiert. I normal, II nach Ein- führung von 1 cem Pituitrin in das Blut. Einführung in das Blut eine Verlangsamung des Rhythmus, eine Vergrösserung der Exkursionsgrösse des Herzens und eine leichte Erhöhung des Blutdrucks (Fig. 1). Analoge Veränderungen von seiten des Herzens in situ be- obachtete ich auch an Fröschen (R. temporaria), die vordem mit Urethan narkotisiert waren. Das Pituitrin wurde in einem Quantum von 0,5 cem in einen Lymphsack eingeführt. Die Herztätigkeit wurde nach Engelmann?) registriert (Fig. 2). Somit ruft das Pituitrin in den angegebenen Dosen Ver- änderungen in der Herztätigkeit und dem Blutdruck hervor, welche überaus an diejenigen erinnern, welche bei der Wirkung thera- peutischer Dosen von Herzmitteln beobachtet werden. Diese Ver- änderungen bestehen, wie bekannt, gleichfalls in einer Verlangsamung 1) Ich wandte bei allen Versuchen das Pituitrin der Fabrik Parke & Davis an. 2) Engelmann, Pflüger’s Arch. Bd. 52 8. 357. Über die Herzwirkung des Pituitrins. 3 des Rhythmus, in einer Verstärkung der Herzkontraktionen und in einer kleinen Erhöhung des Blutdrucks. Zum Vergleiche führe ich die Fig. 3 und 4 an. Fig, 2 (auf Vz verkleinert). Versuch 6. Rana temporaria. Urethannarkose. I normal, II Beginn der Pituitrinwirkung auf das Herz, III und IV Verlang- samung und Verstärkung der Herzkontraktionen unter dem Einfluss von 0,5 ccm in einen Lymphsack eingeführten Pituitrins. IT — AA Fig. 3 (etwas verkleinert). Versuch 5. Hund von 6kg Gewicht. Morphium-Ather- narkose. Die Höhe des Blutdrucks und die Pulswellen wurden mit Hilfe eines Quecksilbermanometers auf dem Kymographion notiert. I normal, II nach Ein- führung von 5 Tropfen £.v«e Strophanti in das Blut. Es fragst sich nun, welcher Art ist der Einfluss des Pituitrins auf das Herz, direkter oder indirekter? 11 4 N. Werschinin: E. v. Cyon!) nahm an, dass das Extrakt der Hypophyse er- regend auf die zentralen Enden der N. vaegi einwirke, wodurch es den Rhythmus des Herzens verlangsame. Indem er mechanisch oder mit Hilfe des elektrischen Stroms die Hypophyse reizte, rief v. Cyon Veränderungen der Herztätigkeit und des Blutdrucks hervor, welche analog denjenigen sind, welche auch bei Einführung von Extr. hypo- physis in das Blut beobachtet werden. Im Gegensatz dazu sprechen die Beobachtungen von K.Hedbom?) für eine periphere, unmittel- bare Wirkung des Hypophysenextrakts auf das Herz. Indem er | ul Fig. 4 (um !/a verkleinert). Versuch 8. NRana temporaria. Urethannarkose. Herztätigkeit nach Engelmann notiert. I normal, I/ nach Einführung von 0,2 Digalen in einen Lymphsack, III Verlangsamung und Verstärkung der Herztätigkeit. den Einfluss einiger pharmakologischer Stoffe auf das isolierte Kaninchenherz studierte, machte er zwei Versuche mit dem Extr. hypophysis, wobei er auch an dem isolierten Herzen dieselben Kardinalveränderungen, die Verlangssamung des Rhythmus und die Verstärkung der einzelnen Kontraktionen, beobachtete. Da in der Literatur keine anderen Beobachtungen über den Einfluss des Pituitrins auf das isolierte Herz vorliegen, versuchte ich es, diese Lücke auszufüllen. Die Versuche wurden an Froschherzen aus- 1) E. v. Cyon, Pflüger’s Arch. Bd. 71 S. 434. 1898. 2) K. Hedbom, Skandinav. Arch. f. Physiol. Bd. 8 S. 161—162. 1898. Über die Herzwirkung des Pituitrins. 5 geführt, die isoliert und nach den Methoden von Williams und v. Straub aufgehängt waren. Als Nährflüssigkeit, die das isolierte Herz durchströmte, diente die Ringer’sche Lösung von derselben Zusammensetzung wie bei meinen früheren Versuchen mit Strophantin und Chlorbaryum!) sowie die Lösung von Albanese?). Die Herz- tätigkeit wurde folgendermaassen registriert. An die Spitze des Herzens wurde eine zarte Metallklemme befestigt, welche durch einen Fig. 5 (auf Y/2 verkleinert). Versuch 15. I normal. A Begirn des Durchströmens des Herzens von einer Pituitrinlösung 1:4000. II Veränderung der Herztätigkeit nach 6 Minuten, //II nach 14 Minuten. Faden mit einem sehr leichten und empfindlichen Hebel, der die Ventrikelkontraktionen auf eine berusste Trommel eintrug, verbunden war. Die Zeit in Sekunden wurde mit Hilfe der Jaquet- Uhr notiert. Das Pituitrin wurde der das Herz durchströmenden Flüssig- keit in solehen Quantitäten zugesetzt, dass Verdünnungen von 1: 300 bis 1:10000 erhalten wurden. .In den bezeichneten Konzentrationen übt das Pituitrin auf das isolierte Froschherz genau dieselbe Wirkung aus wie auf das Herz in situ, wobei die Herztätigkeit an das Bild 1) N. Werschinin, Arch. f. experim. Pathol. u. Pharmakol. Bd. 60 S. 328. 1909, Bd. 63 S. 386. 1910, und Bd. 66 S.191. 1911. 2) M. Albanese, Arch. f. experim. Pathol. u. Pharmakol. Bd. 32 3.297. 1893 [9 N. Werschinin: der ersten (therapeutischen) Wirkungsphase der Stoffe der Digitalin- gruppe erinnert (Fig. 5 und 6). Die Verlangsamung des Rhythmus unter dem Einfluss des Pituitrins wird von einer Verstärkung der Herztätigkeit begleitet, d. h. mit einer grösseren Verlangsamung des Rhythmus ist eine grössere Höhe der einzelnen Herzkontraktionen verbunden. Der Rhythmus wird nicht selten bis auf die Hälfte des ursprünglichen Fig. 6 (auf !/2 verkleinert). Versuch 10. I normal, 1I bald nach Beginn des Durchströmens des Herzens von einer Digitoxinlösung 1:1000000, III Herz- tätigkeit nach 12 Minuten nach Beginn des Durchströmens der Lösung des Herzgiftes. verlangsamt; die Verstärkung der Herztätigkeit wächst dabei lang- samer, indem sie sich um einen geringeren Prozentsatz vergrössert, wie das aus Tabelle I ersichtlich ist. ' Tabelle I. 7 R Bat ren = Ver- ; Verlang- A Ver- las Rhythmus| samung.der | , EX grösserung 5 |ES|eS2|S OS |ERSJeE58| 258 |55|258 | Zeit == |352|8 233 ]%2 | 383 |:==2| 8s |8S [=> z = 188 gası=3|%2 8% Stan 55:15 o50 2 22 |8e 355 2 [E38 |:83-| 28 |5- [SF & S|== an n$ l2s07| = 2 Se > Ps Ice Se = 258 Eee A er al 43 108 50. 7 2 2 ae 21070: — 2 + 50,0. [48 — 10h 53’ | 1:300| — — _ = a a 10h 54' | 1:300| 12 | -50,0 | 44 | +10,0 | 3 = 13622250 115 00’ | 1:300 | 14 | -41,2 | 4,0 — Ola — [40 - 16,6 Ay ons 24 — DS 12/3 ae) Sa 12h 17'’| 1:30 | — — — [| +153 — +50,0]| — _ 12h 18° | 1:300| 15 | -375 | 30 | +15,3 | 2Ye |+50,0|37!o2|- 62 12h 24’ | 1:300| 12 | -50,0 | 3,0 u 2lla — 180 - 25,0 a 90 oe oo no | Ze 9h 46’ | 1:500| — — — "95h 47’ | 1:500| 27 | -156 | 26 | +181 | 2% |+22,0|71%2| - 0,36 9:h 55.121 :500.1.16 1 -50,0.6.27 1+02,7| 3 +33,8148 | - 33,3 Da 85 26 = — _ 1!/8 — [34% | — 95492115001 = — —_ — ae 9h 18' | 1:500| 25 | - 30 | — — 11 |+17,8[3917| — 9h 30’ 1] 1:500 1 13 | -50,0 ı — -- 2l/a |+87,5| 3221 - 6,2 591 9h35’| — 13 = 2 71168 == 9h 40’ | 1:500| — an ar = = Le 10h 17’ | 1:500 | 16 | - 52,9 3 + 50,0 [48 - 29,4 sl m5| — I|s| — || — | 2 —. [2] — — 1:600 | — en — — — u 10% 57' | 1:600| 32 | -125| 236 I+ 4,0| 3 + 50,0 | 96 — 11h 40’ | 1:600| 16 | -50,0 | 3,0 | -+20,0] 3Ve |+ 75,01] 56 - 22,2 11% 53’ | 1:600 | 24 I -33,3 | 23,5 — 2 — 48 - 33,3 Uber die Herzwirkung des Pituitrins. (ed; ® 20 e|238|,_|%5& |*33 | e SS |» 258 z S5 [38 |3E8|=5|258]|e:::| 32 [53 [352 = B a5 [E=| 353 | sa.|5*882|l == JES|S3S © Zeit s2 lES|s98|22]|»095 |3+#2| Ss Je | SSH =) A Sn Eee BsonaIl| 29% IS 8=H o= =} om Dd = ES Ei: 2 REISTE lEEEs| SS |” Ss © % ol== gal ane|Iz=5”| 5° z F°= > PS rS ar = 3353 Er at} 27 223 33| 95 28’ — 32 — 2,0 — 21/a — 80 — — 1:4000 | — — — — — 9h 47’ |1:4000| 16 | - 50,0 | 2,3 | + 15,0 Ss | +26,6]| 53V/s| - 33,3 10h 17’ |1:4000| 16 | -20,0 | 2,7 | +35,0 4 + 60,0 | 64 20,0 32| 11h 16’ = 18 — 3,0 — 2 = 36 - E= 1:5000 | — _ — en — en 2 11h 20’ [1:5000| 18 — 32 | + 6,6 2!/s3 | +16,6| 42 E= 11h 30’ 11:5000| 16 | -11,1 | 33 | + 10,0 3 +50,0| 48 — 115 40’ 11:5000| 6 | -66,6 | 34 | +13,3 4 +100,0| 24 933,3 11h 55’ |1:5000| 12 | - 33,3 | 3,0 _ 3 +50,0| 3 _ 12h 10’ 11:5000| 12 | - 33,3 | 23,6 — 2 — 24 25837 31] 9 30’ — 40 — 2,8 — 2 _ 80 — 9h 40’ [|1:6000 = = 9h 45’ |1:6000 | 20 | - 50,0 | 3,2 | +14,3 3 +50,0 | 60 - 25,0 9h 50’ 11:6000| 24 | -40,0 | 3,2 | +14,3 3 +50,0| 72 - 10,0 9h 55’ |1:6000| 24 | -40,0 | 3,2 | +143 +50,0 | 72 - 10,0 Diese Versuche zeigen, dass das Pituitrin dem Herzen keine neuen Kräfte verleiht, welche die allgemeine Arbeit des Herzens erhöhen könnten, dass es kein direkter Erreger der Herztätigkeit ist. Seine Wirkung auf das Herz hat nichts mit dem Einfluss des Koffeins oder des Adrenalins gemein. Ihrem Charakter nach ist diese Wirkung analog der sogenannten therapeutischen Wirkung der Stoffe der Digitalingruppe auf das Herz. Gleich den letzteren kann das Pituitrin einen diametral entgegengesetzten Einfluss auf die allgemeine Arbeit des Herzens ausüben, infolge der Veränderung des ursprünglichen Herzrhythmus. Nach den Untersuchungen von Frank!) und Hofmann?) existiert ein gewisses Optimum des Rhythmus, bei welchem das Herz ein Maximum der Arbeit bei ein und derselben Energieeinbusse leistet. Abweichungen von diesem Optimum in der Plus- oder Minusrichtung äussern sich unvorteilhaft für die Arbeit des Herzens. Daher kann die durch das Pituitrin hervorgerufene Verlangsamung des ursprünglichen Rhythmus sich in der allgemeinen Arbeit der Herzens in zwei Fffekten äussern. Wenn dieser Rhythmus die Höhe des Optimums erreichte, so erniedrigt das Pituitrin die Arbeit des Herzens, indem es ihn mehr oder weniger 1) Frank, Zeitschr. f. Biol. Bd. 41 $.1. 1901. 2) Hofmann, Pflüger’s Arch. Bd. 84 S. 130. 1901. 10 N. Werschinin: bedeutend verlangsamt. Wenn dagegen der Rhythmus ursprünglich übernormal war, so kann das Pituitrin die allgemeine Arbeit des Herzens ebendadurch bis zur Norm erhöhen, dass es den Rhythmus bis zum Optimum reduziert. Folglich kann das Pituitrin, wie die Stoffe der Digitalingruppe, unter gewissen Bedingungen einen regu- lierenden Einfluss auf die Herztätigkeit ausüben. Die Analogie in der pharmakologischen Wirkung der genannten Stoffe wird ausschliesslich in der ersten Phase ihrer Wirkung be- obachtet. Was deren toxische Phase betrifft, so finden wir hier Kardinalunterschiede. Vor allen Dingen fällt hier der Umstand auf, dass die Konzentration der Pituitrinlösungen kein wesentlicher Faktor ist, der die Schnelligkeit und den Charakter des Beeinns der Ver- änderungen des Herzens sowie die Art des schliesslichen Stillstandes des Herzeus beeinflussen könnte. Die toxische Phase der Wirkung von Herzeiften wird, wie bekannt, durch eine Störung des normalen Verhältnisses zwischen Systole und Diastole charakterisiert. Versuche mit isolierten Froschherzen haben gezeigt, dass kleine Dosen eines der das Herz durchströmenden Ringer’schen Flüssigkeit bei- gemengten Herzgiftes zu einer allmählichen Schwächung der Systole führen, und das Herz bleibt endlich in der Diastole stehen; mittlere Dosen dieses Giftes rufen dagegen eine Verkleinerung der Diastole hervor, und das Herz bleibt in der Svstole stehen, indem es nach und nach die Tätigkeit, in die Phase der Diastole überzugehen, ver- liert [Werschinin?)]. Die Eintrittsdauer des endlichen Stillstandes des Herzens hängt, wie bekannt, gleichfalls von der Konzentration der Heızgeiftlösung ab, die auf das isolierte Froschherz wirkt. Das Pituitrin wirkt jedoch in allen oben angegebenen Konzentrationen und unabhängig davon, ob es der Ringer’schen Lösung oder der Flüssigkeit von Albanese?) 1) N. Werschinin, Arch. f. experim. Pathol. u. Pharmakol. Bd. 60 8. 328. 1909, und Bd. 63 S. 386. 1910. 2) Vor kurzem publizierte Dr. Holste eine Arbeit (Arch. f. experim. Pathol. u. Pharmakol. Bd. 70 S. 439. 1912), in welcher er behauptet, dass die Ringer’sche Lösung die Fähigkeit besitzt, durch die Wandungen ‘des Herzmuskels zu sickern, und daher zu Versuchen mit isolierten Froschherzen ungeeignet sei und deshalb durch die Flüssigkeit von Albanese ersetzt werden müsse. Diese Flüssigkeit dringt nach der Meinung des Autors nicht weiter als bis zu der inneren Muskel- schicht des Herzens. Mit dieser Schlussfolgerung des Autors kann ich mich nicht einverstanden erklären. Zahlreiche Versuche mit verschiedenen Nährflüssigkeiten Über die Herzwirkung des Pituitrins. ls]: beigemengt wird, ganz in ein und derselben Weise auf das isolierte Froschherz. In allen Fällen macht sich die Wirkung des Pituitrins in seiner Lösung gleich in den ersten Minuten nach dem Beginn der Herzdurchströmung bemerkbar. Der Charakter der Wirkung ist immer derselbe, eine Verlangsamung des Rhythmus und eine Ver- stärkung der einzelnen Herzkontraktionen. Die toxische Phase be- ginnt mit einer Schwächung der Systole und einer Verkleinerung der Diastole; die Exkursionsgrösse wird immer geringer, und das Herz bleibt endlich stehen. Bisweilen wird die toxische Phase durch das Auftreten von Pausen in der Diastole ohne Verringerung der Herzexkursionen charakterisiert; die Pausen werden immer länger, und das Herz verliert die Fähigkeit, sich selbständig zu kontrahieren, indem es in der Diastole oder bisweilen in einer halben Systole definitiv stehenbleibt. Die Grösse der Dose des Pituitrins spielt dabei keine bemerkbare Rolle. Die folgenden Versuche (Tabelle III) illustrieren das Gesagte. Indem ich nun zu einer Analyse der Veränderungen des Herzens unter dem Einflusse des Pituitrins schreite, beachte ich vor allem die Kardinalerscheinung, die Verlangsamung des Rhythmus der Herz- tätiskeit. E. v. Cyon!) erklärte diese Verlangsamung durch die erregende Wirkung des Extraktes der Hypophyse auf die Zentral- enden der N. vagi. Aber da eine Verlangsamung des Rhythmus in einem gleichen Grade auch an isolierten Herzen beobachtet wird, so liegt folglich der Angriffspunkt der Pituitrinwirkung in dem peri- pheren Hemmungsapparate, der in dem Herzmuskel gelagert ist. Als Beweis dafür dienen die Versuche mit Atropin. Wenn man ein isoliertes Froschherz vorläufig mit Atropin behandelt, so bewirkt eine darauffolgende Durchströmung eines solchen Herzens von einer Pituitrinlösung keine charakteristische Verlangsamung des Rhythmus, wobei gleichzeitig auch die Höhe der einzelnen Herzkontraktionen geben mir das Recht, zu behaupten, dass von einer absoluten Inpermeabilität der Wände des isolierten Herzens für irgendeine künstliche Nährflüssigkeit nicht die Rede sein kann. Die Flüssigkeit von Albanese, wie jede andere das Herz durchströmende künstliche Nährflüssigke't, erscheint I—2 Stunden nach Beginn des Versuchs auf der Oberfläche des isolierten Herzens in Gestalt eines Tropfens, und das Herz beginnt somit zu „tropfen“ (1—4 Tropfen in der Stunde). Näheres über diesen Gegenstand werde ich in einer demnächst erscheinenden Abhandlung mitteilen. )) E. v. Cyon, Pflüger’s Arch. Bd. 71 S. 431. 1898. 12 N. Werschinin: Tabelle II. = Äusserung Versuch Ver ans der Pituitrin- Art Nach Nr. Pituitrine nee des Stillstandes, Minuten 40 1:300 1 Min halbsystolisch 1h 53’ 43 1: 300 Bee diastolisch 2b 54 1: 300 ae 2 3h 00’ 63 1:300 Dars n 35h 00’ 59 1: 500 DE, 5 4h 00° 53 1: 500 mes = 5h 00’ 56 1:500 Din 5 35h 00’ 57 1: 500 bes 4 4h 00’ 38 1: 600 205 halbsystolisch 2.0167 37 1:800 2; diastolisch 2h 50’ 36 1: 1000 100% halbsystolisch 35 00’ 34 1: 1000 3 diastolisch 2h 45’ 33 1: 4000 DasLn 5 3h 00’ 35 1: 4000 Du, halbsystolisch 2h 57' 61 1: 5000 25 diastolisch 5h 00’ 60 1:5000 6, 5 4h 00°’ 3 1:5000 Be halbsystolisch 2h 52’ 16 1:5000 4 „ diastolisch = 2252007 17 1: 6000 Au x "eh 5gr 31 1: 6000 He 5 1h 55’ 18 1: 8000 1,5; „ 2h 00’ 19 1:10 000 Dun 5 2h 10’ 30 1: 10 000 6, ; 3h 00’ nicht verändert wird. Kurz, das Pituitrin äussert in der ersten Zeit auf ein atropinisiertes Herz gar keine Wirkung, sogar in einer Ver- dünnung von 1:300 (Fig 7 und 8). Das Atropin unterbricht die schon begonnene Wirkung des Pituitrins und eliminiert sogar in der toxischen Phase die nicht selten zu beobachtenden längeren Pausen (Fig. 9). Anderseits kann das Pituitrin in entsprechenden Konzentrationen bei mehr oder weniger anhaltender Wirkung auf das Herz den paralysierenden Einfluss des Atropins auf den Hemmungsapparat des Herzens eliminieren. Als Beispiel kann der Versuch 48 (Fig. 10) dienen. GE Bei der Durchströmung des atropinisierten Herzens von einer Pituitrinlösung 1:300 begann sich die Wirkung des Pituitrins nach 45 Minuten zu äussern. Folglich wirken Atropin und Pituitrin auf . ein und dieselben Elemente des Hemmungsapparates des Herzens, indem sie sich zueinander als direkte physiologische Antagonisten Über die Herzwirkung des Pituitrins. 13 verhalten. Das Atropin paralysiert diese Elemente, das Pituitrin jedoch erhöht deren Erregbarkeit, wobei sie einander ausschalten können, indem unter gewissen Bedingungen das eine die Stelle des anderen einnehmen kann. Es ist augenscheinlich, dass Atropin und Pituitrin mit den Elementen des Hemmungsapparates des Herzens physikochemische Verbindungen zu bilden fähig sind, welche reversible Reaktionen geben. Fig. 7 (auf Ye verkleinert). Versuch 50. Isoliertes Herz von Rana temporaria. ] Atropinnorm, ZI 5 Minuten nach Beginn der Durchströmung von Pituitrin in einer Verdünnung von 1:5000, III nach 10 Minuten, IV nach 15 Minuten, VY nach 30 Minuten. Somit äussert das Pituitrin eine elektive Wirkung auf den peripheren Hemmungsapparat des Herzens, und diese Wirkung ist eine tonisierende, eine Verlangsamung des Rhythmus der Herz- kontraktionen bedingende. Eine solche Wirkung ist, wie bekannt, auch den Stoffen der Digitalingruppe eigentümlich [Traube'), Ackermann?), Marme&, Bulgari, Schnabl, Popper, Böhm?), 1) Traube, Gesammelte Beiträge zur Pathol. und Physiol. Berlin 1571. 2) Ackermann, Deutsch. Arch. f. klin. Med. Bd. 11. 8) Böhm, Pflüger’s Arch. Bd.5. ; 14 N. Werschinin: PALMER BLUT OS ARMEE TRENNT Au Fig. 8 (um ?/s verkleinert), Versuch 49. Isoliertes Herz von Rana temporaria. Atropinnorm. 1 2 Minuten nach Beginn der Durchströmung von Pituitrin in einer Verdünnung von 1:500, ZI nach 15 Minuten, ZII nach 38 Minuten von Beginn der Durchströmung von Pituitrin, Fig. 9 (um Vs verkleinert). Versuch 51. Isoliertes Herz von Rana temporaria. Inormal, II Beginn der Pituitrinwirkung in einer Verdünnung von 1:500, III die durch Atropin unterbrochene Pituitrinwirkung. Über die Herzwirkung des Pituitrins. 15 Bubnow!') Kaufmann?) u. a.] Auch ist es bekannt, dass diese Stoffe ausserdem noch andere Angriffspunkte ihrer Wirkung haben [Ackermann?), Klug®), Lhotäk v. Lhota?°), Burgsinski®)]. Die von mir in der letzten Arbeit”) veröffentlichten Beobachtungen gaben mir die Möglichkeit, die Vermutung zu äussern, dass das Strophantin in der sogenannten toxischen Phase eine elektive Wir- kung auf den motorischen Apparat des Herzens ausübt, mit dessen Fig. 10 (um !/s verkleinert). Versuch 48. Isoliertes Herz von Rana temporaria. I Atropinnorm, 1/ 30 Minuten nach Beginn der Durchströmung des atropinisierten Herzens von einer Pituitrinlösurg 1.300, III nach 45 Minuten begann die Wirkung des Pituitrins sich zu äusssern, Elementen es recht stabile physikochemische Verbindungen bildet. Der motorische Apparat des Herzens besteht nach Nicolai°) aus 1) Bubnow, Dissert. St. Petersburg 1880. 2) Kaufmann, Rev. de Med. 1884 p. 381. 5) Ackermann,]. c. 4) Klug, Dubois’ Arch. 1880. 5) C. Lhothäk v. Lhota, Arch f. experim, Pathol. u. Pharmakol. Bd. 53 S. 350. 1908. 6) P. Burgsinski, Russki Wratsch 1909 Nr. 51. 7) N. Werschinin, Iswestja Tomsk. Universit. 1911. 8) S. Nicolai, Nagel’s Handb. d. Phys. 1909; Deutsch. med. Wochen- schrift 1909. 16 N. Werschinin: Ganglien oder Zentren dreier Ordnungen: a) dem hauptautomatisch- rhythmischen Zentrum, welches sich in der Gegend der Sin. venosi befindet und dem Remark’schen Ganglion der niederen Tiere oder dem sino-aurikulären Ganglion von Keith-Flack !) entspricht; b) einem zweiten untergeordneten Zentrum, das an der Grenze der Ventrikel und Vorhöfe liegt und mit dem Bidder’schen Ganglion oder dem .atrioventrikulären Knoten von His-Tawara?) in der Lagerung zusammenfällt; ce) aus einem Zentrum dritter Ordnung, welches in den Ventrikeln liegt und deren Einzelkontraktionen be- herrscht. Es unterliegt keinem Zweifel, dass die Empfindlichkeit dieser Zentren oder Ganglien in bezug auf das Herzgift nicht die nämliehe ist: die einen sind am meisten empfindlich, die anderen am allerwenigsten, dank welchem Umstande ein ungleiches Bild der toxischen Phase der Wirkung auf das Herz der Stoffe der Digitalin- gruppe resultiert, ein Bild, das entweder mit dem diastolischen oder dem systolischen Stillstand des Herzens abschliesst. Sehr starke Konzentrationen des Herzgiftes wirken paralysierend, wobei die Paralyse nicht nur die motorischen Knoten, sondern auch die Muskel- fasern betrifft |Werschinin?)]. Diese Angaben werden teilweise durch die Beobachtungen von Rothberger und Winterberg*) bestätigt. Diese Autoren, welche das Saitengalvanometer von Eint- hoven’) benutzten, fanden, dass das Strophantin auf das Keith- Flack’sche und teilweise auf das His-Tawara’sche motorische Ganglion wirkt und in grösseren Dosen ausserdem auch auf das Nervenzentrum dritter Ordnung, indem es die Erregbarkeit dieses Zentrums stark erhöht. Durch diese Wirkung auf das tertiäre Zentrum erklären diese Autoren die plötzliche Beschleunigung der Herztätigkeit, eine charakteristische Erscheinung, mit welcher bei warmblütigen Tieren die toxische Wirkungsphase der Herzstoffe be- ginnt. Der erhöhten Erregbarkeit des motorischen Apparates des Herzens folgt im weiteren Verlaufe dessen Erschlaffung. Es fragt sich, ob das Pituitrin, analog dem Strophantin, eine unmittelbare Wirkung auf den neuromuskulären motorischen Apparat des Herzens 1) A. Keithand M. W.Flack, Lancet 1906; Journ. of Anat. and Phys. 1907. 2) S. Tawara, Das Reizleitungssystem des Säugetierherzens. Jena 1908. 3) N. Werschinin, Iswestia Tomsk. Univers. 1911. 4) C. J. Rothberger und H. Winterberg, Pflüger’s Arch. Bd. 150 3211221913: 5) Einthoven, Annalen der Physik Bd. 12 S. 1059 4. Folge. 1903; Arch. intern. de phys. vol. 5 p. 132. 1906. Über die Herzwirkung des Pituitrins, 17 ausübt. Auf Grund meiner Versuche kann ich schwerlich eine der- artige Wirkungsweise des Pituitrins annehmen. Die während der toxischen Wirkungsphase des Pituitrins beobachtete Schwächung der Herztätigkeit kann durch dessen sekundären Einfluss auf den motorischen Apparat des Herzens erklärt werden, der von scharf ausgesprochenen Hemmungsimpulsen abhängig ist, die die Funktionen der motorischen Knoten, und zwar die Erregbarkeit, das Entstehen und die Leitung der Impulse, den Stoff- und Energieumsatz usw., unterdrücken. Ebenfalls als sekundäre Erscheinung kann auch die in der ersten Phase der Pituitrinwirkung zu :.beobachtende Ver- stärkung der einzelnen Herzkontraktionen gedeutet werden. Diese Verstärkung kann meiner Ansicht nach in Verbindung mit der Änderung des Rhythmus gesetzt werden, indem man diese als Reaktion des Herzens auf die in einem gewissen Grade erhöhten hemmenden Impulse auffasst. Gleichzeitig mit den angeführten Veränderungen des. Herzens in Versuchen an warm- und kaltblütigen Tieren mit unbeschädigten N. vaei kann unter dem Einfluss des Pituitrins eine Erhöhung des Blutdrucks. beobachtet werden, wie das zuerst die Untersuchungen von Oliver und Schäfer!) darauf von Howell?), Schäfer und Vincet°®), Livon®), Houghton°), Klotz®) u. a. gezeigt haben. Der Mechanismus der Erhöhung des Blutdrucks besteht in einer Verengung der Gefässe. Die vasotonische Wirkung des Pituitrins ist peripheren Ursprungs und ist bewiesen durch die Versuche von Magnus und Schäfer’), Schäfer und Herring?), Salvioli und Carraro°), Pal!®), de Bonis und Susanna!!), Kepinow'?). 1) Oiiver and Schäfer, Journ. of Phys. vo). 18. 1895. 2) Howell, Journ. experim. Med. vol. 3. 1898. 3) Schäfer and Vincet, Journ. of Phys. vol. 25. 1899—1900. 4) Livon, Compt. rend. Soc. Biol. t. 51. 1899 .et- t. 64—65. 1908; Journ. de Phys. et Pathol. gener. t. 11. 1909. 5) Houghton, The Journ. of the Americ. med. Assoc. 1908 Nr. 28. 6) R. Klotz, Arch. f. experim. Pathol. u. Pharmakol. Bd. 65 8. 348. 1911. 7) Magnus and Schäfer, Journ. of Phys. vol. 27 p.9. 1901—1902. 8) Schäfer and Herring, Phil. Trans. of the Royal. Soc. of London vol. 199 ser. B. 1907. | 9) Salvioli et Carraro, Arch. ital. de Biol. vol. 49. 1908. 10) Pal, Wien. klin. Wochenschr. Bd. 27. 1909; Zentralbl. f. Phys. Bd. 23. 1909. 11) De Bonis und Susanna, Zentralbl. f. Phys. Bd. 23 S. 169. 1909. 12) L. Kepinow, Dissert. Moskau 1912. Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd. 155. 2 18 N. Werschinin: Über die Herzwirkung des Pituitrins. Zum Schluss sei es mir gestattet, in Kürze die Hauptschluss- folserungen aus meinen Versuchen zu wiederholen. 1. Die Herzwirkung des Pituitrins ist peripheren Ursprungs und äussert sich in einer Verlangsamung des Rhythmus und einer Ver- stärkung der einzelnen Kontraktionen des Herzens, in Erscheinungen, welche die erste Wirkungsphase darstellen. Diese Phase erinnert überaus an das Bild der anfänglichen (therapeutischen) Herzwirkung der Stoffe der Digitalingruppe. Bei mehr oder weniger anhaltender Wirkung des Pituitrins auf das isolierte Herz in Konzentrationen von 1:300 bis 1:10000 folgt auf die erste Phase die zweite (toxische), welche durch eine allmähliche Schwächung der Herz- kontraktionen oder durch das Auftreten sich nach und nach ver- längernder Pausen charaktisiert wird. In beiden Fällen bleibt das Herz endlich in der Diastole oder seltener in einer halben Systole stehen. 2. Im Gegensatz dazu, was wir bei der Herzwirkung der Stoffe der Digitalingruppe beobachten, spielt der Unterschied in den Kon- zentrationen der Lösungen keinen Hauptfaktor, der auf den Charakter und den Wirkungsgrad des Pituitrins auf das isolierte Frosehherz von Einfluss wäre. So haben Konzentrationen von 1:300 und 1:10000 im Grunde genommen eine gleiche Herzwirkung. 3. Der Mechanismus der Herzwirkung des Pituitrins besteht in einer Tonisierung des peripheren Hemmungsapparats des Herzens. In diesem Falle ist das Pituitrin ein direkter physiologischer Antagonist des Atropins. 4. Auf die motorischen Knoten und. den Herzmuskel hat das Pituitrin, im Gegensatz zu den Stoffen der Digitalingruppe, augen- scheinlich keinen Einfluss. 5. Ähnlich den Herzeiften teilt das Pituitrin dem Herzen keine neuen Kräfte mit. Doch bei Störungen der Herztätigkeit, welche von abnormer Steigerung des Rhythmus begleitet werden, kann das Pituitrin, indem es letzteren bis zum Optimum verlangsamt, eine regulierende Wirkung auf die Herztätiekeit ausüben, d. h. sie zur Norm bringen. 19 (Aus dem physiologischen Institut der Universität Leipzig Über die Wirkung des Chloralhydrats auf den isolierten Kaninchendünndarm. Von Fritz Sembdner. (Mit 11 Textfiguren.) Bei Gelegenheit ihrer Untersuchung über das Hormonal stellten Dittler und Mohr!) fest, dass die intravenöse Injektion einer Chloralhydratlösung schon in Dosen von 0,05 g pro Kilogramm Tier sowohl bei Katzen wie bei Kaninchen zum Auftreten einer lebhaften Peristaltik führt. Diese Darmwirkung des Chloralhydrats wurde von den genannten Autoren als eine sekundäre Erscheinung angesprochen, bedingt durch die Blutdrucksenkung, welche im Anschluss an Chloral- hydratinjektionen bekanntlich regelmässig auftritt. Da von einer direkten Wirkung des Chloralhydrats auf den Darm selbst oder seinen nervösen Apparat bis dahin noch nichts bekannt geworden war?), so lag diese Schlussfolgerung nahe. Nun sind die Erregungs- effekte, welehe nach Chloralhydratinjektionen am Darm zu beobachten sind, oft von ausserordentlicher Stärke und dauern oft sehr lange an. Es erschien also wohl der Mühe wert, einmal in einer speziell hierauf gerichteten Untersuchung zu prüfen, ob die Erregung des Darmes wirklich allein durch die Änderung der Zirkulations- verhältnisse zustandekommt oder ob neben der Wirkung der Blut- drucksenkung vielleicht doch eine direkte erregende Wirkung des Giftes auf den Darm mit im Spiele ist. 1) R. Dittler und R. Mohr, Mitteilungen aus den Grenzgebieten der Medizin und Chirurgie Bd. 25 S. 902. 1913. 2) Eine beiläufige Notiz von Kuliabko und Alexandrowitsch (Zentral- blatt f. Physiol. Bd. 18 S. 280. 1904) über die Chloralhydratwirkung auf den isolierten Darm, auf die ich später zurückkommen werde, war den Autoren entgangen. 9 * 20 Fritz Sembdner: Die im folgenden beschriebenen Versuche, die einen Beitrag zur Lösung dieser Frage darstellen, erstrecken sich auf eine Unter- suchung der Wirkung des Chloralhydrats auf ausgeschnittene Darm- stücke. Diese Art der Untersuchung war für meine Zwecke die gegebene, weil sie die Wirkungsweise des Chloralhydrats un- abhängig von den Einflüssen der Zirkulation zur Anschauung bringt. Für eine erschöpfende Beurteilung der oben diskutierten Frage reicht sie allerdings schon deshalb nicht aus, weil sie keine Entscheidung darüber ermöglicht, ob das Chloralhydrat bei intravenöser Injektion dieselbe Wirkung hat und ob es ausserdem etwa einen Angriffspunkt im Zentralnervensystem besitzt, von dem aus beim lebenden Tiere eine erregende Wirkung auf den Darm ausgeübt werden könnte. Dafür gestattete meine Untersuchungsmethode aber anderseits, den Eintritt und den Verlauf der Narkose am isolierten Darmpräparat vom physiologischen Standpunkte aus genau zu verfolgen und graphisch zu registrieren. Die hierüber vorliegenden Angaben in der Literatur sind äusserst spärlich. Methodik. Bezüglich der Methodik hielt ich mich im wesentlichen an die von Magnus!) vorgeschlagene Art der Verzeichnung der Darm- bewegung, richtete mir meine Anordnung, meinen speziellen Versuchs- zwecken entsprechend, allerdings im einzelnen etwas anders ein. Auch machte ich mir, wo es zweckmässig erschien, die mannigfachen kleinen Verbesserungen zunutze, die an der originellen Magnus’schen Methodik im Laufe der Zeit angebracht wurden. So verwendete ich zur dauernden Umspülung des exzidierten Darmstückes statt der Ringer’schen Lösung auf Grund der Feststellungen von Rona und Neukirch?) die Tyrode’sche Lösung in folgender Zusammen- setzung: Na0l 8,0, KCl 0,2, CaCl, 0,2, MsC], 0,1, NaH,;PO, 0,05, NaHCO, 1,0, Dextrose 1,0, Aq. dest. 1000,0. Im übrigen war meine Versuchsanordnung folgendermassen eingerichtet: Das zum Versuch benutzte Darmstück von ca. 5 em Länge befand sich in einem zylindrischen Glasgefäss von ca. 8,5 cm Höhe und 4,5 em lichter Weite, das immer ungefähr 100 cem körper- 1) R. Magnus, Pflüger’s Arch. Bd. 102 S. 123 ff. 1904. 2) Rona und Neukirch, Pflüger’s Arch. Bd. 144 S. 555ff. 1912; Bd. 148 S. 273 fl. 1912. Über die Wirkung des Chloralhydrats auf den isol. Kaninchendünndarm. 2] warmer Tyrode-Lösung enthielt. In dieses Gefäss („Versuchs- gefäss“) tauchte vertikal eine dünne Glasröhre ein, die zur Zuleitung von Sauerstoff diente, der die Nährflüssigkeit dauernd durchperlte. Der unterste, rechtwinklig abgebogene Teil der Glasröhre, der in sanz geringem Abstande am Boden des Versuchsgefässes entlang lief, war mit einer Kehlung versehen. An dieser Stelle wurde, ähnlich wie Lohmann!) es vorschlug, das untere Ende des Darmstückes mittels einer Fadenschlinge befestigt (Punetum fixum). Das andere Darmende, das ca. 1 cm unter dem Flüssigkeitsspiegel lag, war frei beweelich und stand durch einen Faden, der so über zwei leicht- bewegliche Rollen geführt war, dass das Darmstück etwa entsprechend der Achse des Gefässes vertikal im Versuchsgefäss hing, mit einem leichten Schreibhebel in Verbindung. Es wurden also die Längen- änderungen des Darmstückes verzeichnet, die im wesentlichen durch die Kontraktionen der Längsmuskeln bedingt werden; doch haben, wie später noch ausführlicher dargelegt wird (s. S. 28), wohl auch die Ringmuskeln einen gewissen Einfluss auf den Kurvenverlauf. Meist wurde ein sogenannter Stirnschreiber (Vertikalschreiber), der sich bei grösseren Ausschlägen nicht so leicht von der Schreibfläche abhob wie der zuerst benutzte Bogenschreiber, verwendet. Die Vergrösserung der Längenänderung des Darmes durch den Schreib- hebel betrug ungefähr das Siebenfache. Die Achsenbelastung wechselte je nach der Grösse der Ausschläge und war im allgemeinen natürlich ziemlich gering. Um die Temperatur der den Darm umspülenden Flüssigkeit gleichmässig auf Körperwärme zu halten, stand das Versuchsgefäss bis nahe zu seinem oberen Rande in einem bedeutend grösseren Wasserbecken, dessen Wasser mittels regulierbarer elek- trischer Heizung auf eine konstante Temperatur zwischen 38° und 40° C. eingestellt war. Zum Schutz vor übermässigem Wärme- verlust war das grosse Wassergefäss von unten und von den Seiten her ausserdem von einem abgeschlossenen Luftraume umgeben. Für die Einleitung der Chloralhydratlösung in das Versuchs- sefäss und für ihre Entfernung aus demselben musste eine besondere Vorrichtung getroffen werden. Die ersten Versuche, bei welchen wenige Kubikzentimenter einer verhältnismässig hochkonzentrierten Chloralhydratlösung einfach von oben her mittels einer Pipette in das Versuchsgefäss gebracht wurden, hatten nämlich hinsichtlich der 1) F. Lohmann, Zeitschr. f. biol. Technik u. Methodik Bd. 2 S. 272. 1912. 22 Fritz Sembdner: Wirkungsweise des Chloralhydrats ziemlich inkonstante Resultate ergeben. Abgesehen von individuellen Verschiedenheiten der ein- zelnen Präparate, scheint dies vor allem daran zu liegen, dass die Konzentration, in welcher das Chloralhydrat auf den Darm ein- wirkte, unter sonst gleichen Verhältnissen eine ganz verschiedene war, je nachdem die Giftlösung in nächster Nähe des Darmstückes oder mehr am Rande des Gefässes zugesetzt wurde. Auch gelang es, trotz hierauf verwendeter Sorgfalt, vielleicht nicht immer, eine genügende Übereinstimmung der Temperatur der Flüssigkeit im Versuchsgefässe und in der eingeführten Chloralhydratlösung zu er- zielen. Um diese Fehlermöglichkeiten auszuschalten, wurde in allen massgebenden Versuchen folgendermassen verfahren: Aus einer 5°/oigen Lösung von Chloralhydrat in destilliertem Wasser, die mit der verwendeten Nährflüssigkeit ungefähr isotonisch ist, wurde durch Verdünnung mit Tyrode’scher Lösung die im Versuch ungefähr gewünschte Konzentration der Giftlösung hergestellt. Diese ver- dünnte Lösung wurde, nachdem sie auf die im Versuchsgefäss herrschende Temperatur vorgewärmt war, in Mengen von mindestens 100 eem in ein Druckgefäss gebracht, von wo sie die zahlreichen Windungen einer in dem grossen Wasserbehälter befindlichen Heiz- spirale durchlief, um schliesslich dicht über dem Boden in das Ver- suchsgefäss einzuströmen. Gleichzeitig wurde immer dieselbe Flüssig- keitsmenge, die unten zuströmte, durch einen automatisch arbeitenden Heber vom oberen Flüssigkeitsspiegel aus dem Versuchsgefässe ab- gesaugt. Bei dieser Art des Vorgehens erfolgte die Giftzufuhr bei allen Versuchen also in genau derselben Weise, und die Konstanz der Temperatur darf als vollkommen betrachtet werden. Eine rein- liche Unterschichtung und Verdrängung der im Versuchsgefässe be- findlichen reinen Nährflüssigkeit durch die Giftlösung wurde auf diese Weise wegen der sofort einsetzenden Diffusionsvorgänge zwar sicher nicht erreicht, doch spielt dies meines Erachtens praktisch keine wesentliche Rolle. da es mir nicht auf die Feststellung der Grenzkonzentrationen für die eine oder die andere Seite der Chloral- hydratwirkung ankam, sondern lediglich auf einen Vergleich der Wirkung relativ hoch und relativ niedrig konzentrierter Lösungen. Die soeben beschriebene Vorrichtung bewährte sich besonders auch für die Wiederentfernung der Chloralhydratlösung aus dem Versuchsgefäss sehr gut. Von dem Druckgefäss aus konnten, je nach Bedarf, beliebige Mengen reiner Nährflüssigkeit durch das Ver- Über die Wirkung des Chloralhydrats auf den isol. Karinchendünndarm. 23 suchsgefäss hindurchgeschickt und das Gift aus demselben ausgespült werden, ohne dass das Präparat einer direkten Berührung mit der Luft ausgesetzt wurde. Es war somit möglich, den Verlauf der Er- holung des Darmes aus der Narkose in unentstellter Form graphisch zu reeistrieren. In den ersten Versuchen, bei welchen zwecks Ent- fernung des Giftes einfach der ganze Inhalt des Versuchsgefässes abgehebert und statt dessen reine Tyrode- Lösung eingefüllt wurde, geriet das Darmpräparat, während es frei in der Luft hing, offenbar infolge der Abkühlung, regelmässig in eine maximale tonische Kon- traktion, welche erst ganz allmählich wieder abklang und die Ver- zeichnung einer genauen Erholungskurve unmöglich machte. Die graphische Verzeichnung wurde auf dem Hering’schen Schleifenkymographion anfangs bei verhältnismässig raschem Trommel- gang (l em in ca. 10 Sekunden) vorgenommen. Später wurde ein bedeutend langsamerer Gang benutzt (1 cm in ca. 50 Sekunden). Dies hatte zwar den Nachteil, dass sich der Ablauf der einzelnen Kontraktionen auf der Kurve nur mehr schwer verfolgen liess, bot aber andererseits den Vorteil, dass die Kurve eines ganzen Versuches auf eine verhältnismässig kurze Strecke zusammengedrängt wurde, was die Übersichtlichkeit wesentlich erhöhte. Als Versuchstiere wurden fast ausschliesslich Kaninchen ver- wendet. Katzen wären für meine Zwecke weniger geeignet gewesen, weil der ausgeschnittene Katzendarm im Gegensatz zum Kaninchen- darm fast immer ziemlich unregelmässig arbeitet und, wie schon die Magnus’schen!) Kurven lehren, neben den sogenannten Pendel- bewegungen vor allem immer sehr grobe Tonusschwankungen zeigt, welche einen eventuellen fördernden oder hemmenden Einfluss des Chloralhydrats leicht hätten verdecken können. Die Versuchstiere wurden zumeist nicht narkotisiert, sondern einfach durch Nacken- schlag getötet. Nach rascher Eröffnung der Bauchhöhle wurde so- dann eine Dünndarmschlinge herausgeschnitten und in O,-gesättigte körperwarme Tyrode-Lösung verseukt. Bevor das für den Ver- such bestimmte, etwa 5 cm lange, unaufgeschnittene Darmstück mit den Fadenschlingen versehen und in das Versuchsgefäss gebracht wurde, wurde es innerlich gründlich durchgespült, da nach den An- gaben von Weiland?) u. a. der ausgeschnittene Kaninchendarm 1) R. Magnus, Pflüger’s Arch. Bd. 102 S. 123 ff. 1904. 2) W. Weiland, Pflüger’s Arch. Bd. 147 S. 171ff. 1912. 24 Fritz Sembdner: ud beim „spontanen“ Arbeiten in Tyrode-Lösung um so eher Pendel- bewegungen von dauernd gleicher Amplitude zeigt und von störenden Tonusschwankungen frei bleibt, je besser er vom Darminhalt ge- reinigt ist. Meine eigenen Erfahrungen sprechen in demselben Sinne. Vorversuche. Ausser den schon erwähnten Vorversuchen, die sich auf die Er- zielung einer möglichst einwandfreien Methodik bezogen, stellte ich vor dem Eintritt in die eigentliche Untersuchung noch eine Reihe orientierender Versuche an, um die Eigentümlichkeiten des Darm- präparates aus eigener Anschauung kennen zu lernen. Diese Ver- suche mögen in Kürze hier angeführt werden, obgleich sie, zum Teil allerdings ausschliesslich am Katzendarm, auch schon von anderen Autoren, vgl. z.B. Magnus), Bayliss und Starling?), Rona und Neukirch®), Weiland), angestellt wurden. Dass der isolierte Kaninchendünndarm unter günstigen Versuchs- bedingungen oft mit ausserordentlicher Regelmässigkeit arbeitet, ist z. B. aus den Arbeiten von Rona und Neukirch?) bekannt, welche die Regelmässigkeit der verzeichneten Kurven geradezu als physiologisches Kriterium für die Zulänglichkeit der äusseren Ver- suchsbedingungen benutzten. Auch unter den in meinen Versuchen gegebenen Bedingungen lieferte das isolierte Darmstück in einem grossen Teil der Versuche ganz regelmässig verlaufende Kurven. Als Beispiel hierfür möge die Fig. 1 dienen, welche eine fast mathematische Regelmässigkeit hinsichtlich der Grösse und der zeit- lichen Folge der einzelnen Ausschläge zeigt. Die Temperatur der umspülenden Tyrode-Lösung betrug bei Verzeichnung der Kurve etwa 39° C. Auf derartigen Kurven finden sich nur sogenannte Pendelbewegungen der Längsmuskelfasern verzeichnet, d. h. die bei der gegebenen Temperatur durchschnittlich 5—6 Sekunden l) R. Magnus, Pflüger’s Arch. Bd. 102 S. 123 ff., 349 ff. 1904; Bd. 103 S.515ff., 526 ff. 1904; Bd. 108 S.1ff. 1905; Bd. 111 S. 152 ff. 1906; Ergebn. d. Physiol. Bd. 7 S. 56ff. 1908; Bd. 2 Abt. 2 S. 637. 1903. — Magnus and Langley, Journ. of Physiol. vol. 33 p. 34 ff. 1905. 2) Bayliss and Starling, Journ. of Physiol. vol. 24 p. 99. 1899. 3) Rona u. Neukirch, Pflüger’s Arch. Bd. 144 8.555 ff. 1912; Bd. 146 Ss. 371ff. 1912; Bd. 148 S. 273. 1912. 4) W. Weiland, Pflüger’s Arch. Bd. 147 8. 171. 1912. 5) Rona und Neukirch, Pflüger’s Arch. Bd. 148 S. 273. 1912. Uber die Wirkung des Chloralhydrats auf den isol. Kaninchendünndarm. 25 dauernden Kontraktionen dieser Fasern setzen sich alle auf derselben geradlinigen Abszisse auf. Von Schwankungen des neben den Pendel- bewegungen in den Muskelfasern bestehenden Tonus ist auf den. Fig. 1 (auf ?/s verkleinert). Kurven also nichts zu bemerken. Die Abweichungen von diesem regelmässigen Verlauf, die in den weniger günstigen Fällen zur Be- obachtung kamen, waren verschiedener Art. Ent- weder zeigten die Pendel- bewegungen, ohne dass die Fusspunkte ihreHöhen- lage änderten, lediglich eine von Kontraktion zu Kontraktion wechselnde Grösse, oder aber essetzten sich die einzelnen Kon- traktionen auf grössere (nach Höhe und Länge unter sich oft ganz un- gleich lange) Wellen auf, AI TATEN REIN mem - - Ir} EEE EST TEE Fig. 2 (auf ?/s verkleinert). die nach der Ansicht von Magnus auf Tonusschwankungen der Muskulatur zu beziehen sind‘). In letzterem Falle waren häufig l) Um über die Ursache dieser langsamen Schwankungen nichts zu prä- judizieren, schlägt Tullio Gayda (Pflüger’s Arch. Bd. 151 S. 407 ff. 1913) die Bezeichnung „Magnus’sche Schwankungen“ vor. 26 Fritz Sembdner: auch die Amplituden der Pendelbewegungen verschieden gross, SO dass sehr unregelmässig verlaufende Kurven resultierten. Ander- seits konnten aus einer Kombination von Tonusschwankungen mit Pendelbewegungen von wechselnder Grösse auch sehr regelmässige Kurven entstehen, indem Gruppenbildungen auftraten, wie beispiels- weise Fig. 2 sie zeigt'). Endlich ist bei schlecht arbeitenden Präparaten auch zu be- obachten, dass der Anstieg oder Abfall der einzelnen Kontraktion nicht kontinuierlich verläuft, sondern (wohl als Ausdruck eines un- gleichzeitigen Arbeitens der verschiedenen Muskelzellen) deutliche Stufenbildungen zeigt. Die beschriebenen Unregelmässigkeiten des Kurvenverlaufs werden auf Schädigungen des Darmes bei der Prä- paration zurückgeführt; zweifellos aber können sie bei einem zunächst regelmässig arbeitenden Darmstück auch erst im späteren Verlaufe (des Versuchs, speziell nach schädigender Beeinflussung des Präparates, zur Ausbildung kommen und sind dann vielleicht, ähnlich wie die entsprechenden Erscheinungen am Herzen (Luciani’sche Gruppen, Alternans und dergleichen), als Prodrome des Absterbens aufzufassen. Freilich kommt es umgekehrt auch vor, dass bei der Präparation geschädigte Darmstücke, die zunächst mangelhaft arbeiteten, unter den günstigen Bedingungen, die sie in sauerstoffdurchperlter körper- warmer Tyrode-Lösung finden, sich zu regelmässiger Tätigkeit er- holen, wobei nach den Feststellungen von Rona und Neukirch?) dem Karbonation eine besondere Bedeutung zukommt. (Beim iso- lierten Katzendarm sind Unregelmässigkeiten der beschriebenen Art, wie Magnus zuerst gezeigt hat, bekanntlich immer vorhanden.) Es bedarf wohl keiner besonderen Erwähnung, dass für eine sichere Beurteilung der Chloralhydratwirkung möglichst regelmässig arbeitende Präparate erwünscht waren. Der in Tyrode- Lösung überlebende Kaninchendünndarm besitzt in der Regel eine ausserordentliche Empfindlichkeit, die sich in der Änderung seiner Arbeitsweise schon bei den geringsten äusseren Anlässen zeigt. Bei unerheblichen mechanischen Erschütterungen des Versuchsgefässes, bei geringfügiger Änderung des osmotischen 1) Derartige Kurven können auch so verstanden werden, dass die Länge ‚des Präparates mit einer von Kontraktion zu Kontraktion wechselnden Amplitude um einen ungefähr gleichbleibenden Tonus schwankt. 2) Rona und Neukirch, Pflüger’s Arch. Bd. 148 S. 273fi. 1912. — E. Hedon et Fleig, Arch. intern. de Physiol. t.3 p. 1ff. 1905. Über die Wirkung des Chloralhydrats auf den isol. Kaninchendünndarm. 27 Druckes der den Darm umspülenden Flüssigkeit, bei kleinen Schwan- kungen in der Sauerstoffversorgung usw. habe ich wiederholt Ände- rungen in der Amplitude der Pendelbewegungen und des mittleren Tonus beobachtet, welche gewöhnlich ziemlich .brüsk einsetzten, wenigstens zunächst meist im Sinne einer Vergrösserung verliefen und öfters zu dauernden Störungen in der Regelmässiekeit der Kon- traktionen führten. Einen nicht ‚unbedeutenden Einfluss auf den Verlauf der Kurven üben ferner grössere Temperaturschwankungen !) im Versuchsgefäss aus, selbst wenn sie verhältnismässig langsam verlaufen. Über diese = © en [»] [=] un (X) = w = {ge} ie} Fr En Da B © - Na: Verhältnisse habe ich mich in einer besonderen Reihe von Versuchen am isolierten Kaninchendarm orientiert. Ich kühlte die Flüssiekeit, die das Versuchsgefäss umgibt, allmählich ab. Der regelmässig schreibende Darm (vgl. Fig. 3) befand sich in Tyrode-Lösung von zunächst 39,5%, die Endtemperatur betrug 22° C.; die Sauer- stoffzufuhr blieb während der ganzen Versuchsdauer unverändert. Während nun die Frequenz der Pendelbewegungen, wofern sie überhaupt eine Änderung erkennen liess, sich immer nur in einer Richtung (im Sinne einer Verminderung) veränderte, führte die Herabsetzung der Temperatur regelmässig zuerst zu einer Ver- grösserung der Amplitude der einzelnen Kontraktionen und zu einem Ansteigen ihrer Fusspunkte, was meist bei einer Temperatur von I) R. Magnus, Pflüger’s Arch. Bd. 102 S. 142ff. 1904. — G. Hotz, Mitt. a. d. Grenzgeb. d. Med. u. Chir. Bd. 20 H. 2. 1909. — Vergl. auch: Laqueur, Verhandl. des IX. intern. Physiologen-Kongresses. Groningen 1913. 28 Fritz Sembdner: ca. 35° einen Höhepunkt erreichte. Mit weiterer Abnahme der Temperatur wurde die Dauer der einzelnen Kontraktionen dann immer deutlich grösser, ihre Anzahl pro Sekunde also geringer, und sowohl die Amplitude der Pendelbewegungen wie der mittlere Tonus. sanken ab. Bei einer Temperatur von 23—22°C. endlich sistierten die Bewegungen ganz. Wurde die Anfangstemperatur nachträglich wieder hergestellt, so stellte sich auch der Darm in den meisten Fällen wieder auf die alte Grösse und Rhythmik der Kontraktionen und auf den ursprünglichen Tonus ein. Die Kältelähmung ist also: keine endgültige, vorausgesetzt, dass die Einwirkung der niederen. Temperaturen eine gewisse zeitliche Grenze (und wohl auch Tem- peraturgrenze) nieht überschritten hatte, Die geschilderten Erfahrungen über die grosse Labilität des. Darmes schrieben für die Chloralhydratversuche ein äusserst vor- sichtiges Arbeiten vor und legten vor allem nahe, experimentell sicherzustellen, dass die bei Einleitung frischer Lösungen in das. Versuchsgefäss auftretenden Strömungs- und Diffusionsvorgänge an sich keine Änderung in der Arbeitsweise des Präparates bedingten. Dahingehende Kontrollversuche mit reiner Nährflüssigkeit wurden zu wiederholten Malen angestellt und führten ausnahmslos zu be- friedigenden Ergebnissen. Es war nur dafür zu sorgen, dass die Einflussgesehwindigkeit nicht zu gross war. Praktisch spielte dies für mich schon deshalb keine Rolle, als ich mit Rücksicht auf einen vollkommenen Temperaturausgleich (s. o. 8. 22) die Einfluss- geschwindigkeit der Giftlösung bzw. der Spülungsflüssigkeit nie über 100 eem in 30 Sekunden steigerte. Hinsichtlich der Deutung der nach meiner Methode gewonnenen Darmkurven muss darauf hingewiesen werden, dass das jeweilige Verhalten der Ringmuskulatur nicht vernachlässigt werden darf, da es die verzeichneten Bewegungsvorgänge möglicherweise mitbestimmt. So kann ein Ansteigen der Kurve ausser durch zunehmende Verkürzung der Längsmuskulatur auch durch eine Erschlaffung der vorher tonisch kontrahiert gewesenen Ringmuskeln bedingt sein; umgekehrt kann ein Heruntergehen der Kurve durch die Ausbildung eines gesteigerten Tonus in der Ringmuskelschicht zustande kommen, wobei die sich entwickelnden grösseren Widerstände überdies eine Änderung in der Arbeitsweise der Längsmuskeln vortäuschen können, auch wenn eine solche in Wirklichkeit gar nicht vorhanden ist. Wieweit diese Einflüsse der Ringmuskulatur im praktischen Versuche Über die Wirkung des Chloralhydrats auf den isol. Kaninchendünndarm. 29 gehen, ist schwer zu sagen. Jedenfalls sind auf dieser Grundlage Missdeutungen möglich, die ich in den folgenden mitgeteilten Ver- suchen dadurch nach Möglichkeit auszuschliessen versuchte, dass ich mich durch Inspektion immer über das jeweilige Verhalten der Ring- muskeln informierte. Versuche mit Chloralhydrat. Die Wirkung des Chloralhydrats auf die Bewegungen des über- lebenden Darmstückes ist je nach der absoluten Giftmenge, welche in das Versuchsgefäss eingeführt wird, d. h. je nach der Konzentration, mit der das Gift auf den Darm einwirkt, verschieden. Unter den Fig. 4 (auf ?/s verkleinert). beschriebenen Versuchsbedingungen kommen an der Längsmuskulatur sowohl reine Erregungs- als reine Lähmungswirkungen des Chloral- hydrats zur Beobachtung als auch Kombinationen von beiden derart, dass eine unter dem Einfiuss des Chloralhydrats zustandekommende Narkose durch ein ausgesprochenes Erregungsstadium eingeleitet wird. Ohne dass es bei der individuellen Verschiedenheit der einzelnen Darmpräparate möglich wäre, die Wirkung einer bestimmten Chloral- hydratdosis sicher vorauszusagen, gilt im allgemeinen die Gesetzmässigkeit, dass bei grossen Dosen die lähmende (narkotisierende), bei kleinen Dosen die erregende Wirkung im Vordergrunde der Erscheinungen steht. Am eindeutigsten liegen die Ergebnisse bei Verwendung ganz kleiner, eben wirksamer Chloralhydratdosen (unter 0,05 g auf 100 cem Tyrode-Lösung). Hierbei pflegt sich eine rein erregende Wirkung 30 Fritz Sembdner: des Chloralhydrats zu entwickeln, welche sich sowohl auf die Pendel- bewegungen als auf den mittleren Tonus des Präparates erstrecken kann. Meist werden bei den Grenzdosen zunächst nur die Pendel- bewegungen in ihrer Amplitude beeinflusst. Als Beispiel möge die Fig. 4 dienen. Wie man sieht, nehmen die Pendelbewegungen des ziemlich gleichmässig schreibenden Darmstückes bei Einwirkung des Chloralhydrats (0,025 g) etwas an Grösse zu und bleiben auch für die Dauer des auf der Figur wiedergegebenen Kurvenstückes ver- grössert. Der Beginn der Einleitung der Chloralhydratlösung ist unten auf der Kurve markiert; doch ist die Reizmarke nach Mass- gabe der beigegebenen Koinzidenzmarke für die verschiedenen Schreibhebel (s. Fig. 5) um ea. 1 em weiter nach links zu verlegen. Der mittlere Tonus des Prä- parates wurde im Versuch der Fig. 4 nicht merk- lich beeinflusst. Das allmähliche Heruntergehen der Fusspunkte ist kaum mit der Chloralhydrat- wirkung in Verbindung zu bringen, da schon vor dem Versuche eine Tendenz zur Tonusabnahme am Präparat nachweisbar war. Dies war vor allem an der unzerschnittenen Kurve deutlich zu sehen. Durch nachträgliche Spülung mit reiner des Giftes auf die Grösse der Pendelbewegungen wieder vollständig aufheben. Bei längerer Einwirkung einer Chloralhydrat- lösung, die einen reinen Erregungseffekt am Darm auslöst, pflegt die er- regende Wirkung trotz fortbestehenden Reizes allmählich abzuklingen, was zuerst rascher, dann immer langsamer vor sich geht. Die Anfanes- grösse der Amplituden wird freilich meist erst nach sehr langer Zeit wieder erreicht, wenn es überhaupt soweit kommt. Gelegentlich kann sich nach langer Einwirkung ganz kleiner Giftdosen auch eine schwache Hemmungswirkung ausbilden. In dem auf Fig. 6 wieder- gegebenen Versuch ging die erregende Wirkung einer Chloralhydrat- dosis von 0,025 g (erste Reizmarke) verhältnismässig rasch zurück, zeichnet sich aber gegenüber jener der Fig. 4 dadurch aus, dass sie sich vorübergehend auch auf den Tonus des Präparates erstreckte. Bei der zweiten Reizmarke wurde, noch während des Bestehens der ersten Wirkung, eine zweite Chloralhydratdosis von 0,025 g in das Versuchsgefäss gebracht, welche eine erneute, und zwar nachhaltigere Fig. 5. Tyrode-Lösung liess sich die fördernde Wirkung Über die Wirkung des Chloralhydrats auf den isol. Kaninchendünndarm. 31 erregende Wirkung auf die Pendelbewegung ausübte. Eine derartige kumulative Wirkung steigender Chloralhydratdosen ist in den meisten Fällen nachzuweisen, bis dann schliesslich eine Jähmende Wirkung zustande kommt. Das allmähliche Absinken des allgemeinen Tonus- in Fig. 6 dürfte ebensowenig wie bei der vom gleichen Präparat stammenden Fig. 4 auf eine Wirkung des Chloralhydrats zu beziehen sein, da es bereits vor dem Beginn des Versuches angedeutet und durch die nachfolgende Spülung mit reiner Nährflüssigkeit nicht zu unterbrechen war. Eine Änderung im Verhalten der Ringmuskulatur war bei den Versuchen dieser Art durch Inspektion nicht nachzuweisen. Fig. 6 (auf ?/s verkleinert). Weniger konstant als bei Verwendung kleinster Dosen, welche regelmässig eine erregende Wirkung auf das Darmpräparat ausüben, waren die Ergebnisse, wenn Chloralhydrat in grösseren Mengen (0,05 g Chloralhydrat und mehr auf 100 eceem Tyrode-Lösung) in das Versuchsgefäss gebracht wurden. Unter sonst ganz gleichen Bedingungen kamen für ein und dieselbe grössere Chloralhydratdosis (z. B. von 0,05 g) im wesentlichen drei Wirkungsarten zur Be- obachtung, die ich an der Hand von Kurvenbeispielen besprechen will. Es sei ausdrücklich betont, dass es sich hierbei natürlich nur um die Aufstellung dreier Typen handelt, zwischen denen allerlei Übergänge möglich sind. Erstens kann nach Einleitung des Chloralhydrats in das Versuchs- gefäss eine sofortige Abnahme der Grösse der Pendelbewegungen 323 Fritz Sembdner: _ eintreten, welche zu vollständigem Stillstand des Darmes führt, wie dies Fig. 7 zeigt. Gleich mit dem Beginn der Chloralhydratwirkung (s. Reizmarke) fallen die Amplituden der vom Darm verzeichneten Kontraktionen deutlich ab; die Koordination der Bewegungen ist ‚offenbar gestört, und schon nach ca. 3 Minuten ist der Darm so gut wie völlig gelähmt. Gleichzeitig schwindet zumeist auch jeglicher Tonus, und zwar sowohl aus Ring- wie Längsmuskulatur, so dass das Präparat in vollständig erschlafftem Zustande stillsteht. Das rasch vorübergehende Ansteigen der Fusspunkte, die die Figur zeigt, kann auch fehlen. Dass die Endeinstellung des Darmes im ab- gebildeten Falle nicht wesentlich unter den Fusspunkten der vorher Fig. 7 (auf ?/s verkleinert). Fig. 8 (auf ?/s verkleinert). verzeichneten Pendelbewegungen liegt, ist ein Ausdruck dafür, dass das Präparat schon vor der Vergiftung verhältnismässig wenig Tonus besass. Vergleiche hiergegen die entsprechenden Verhältnisse bei Fig. 8. Den zweiten Typus der Wirkung grösserer Chloralhydratdosen zeigt Fig. 8. Hier erfolgt zum Unterschiede vom zuerst beschriebenen Typus unter dem Einfluss des Giftes zunächst eine sehr energische Reizung der Längsmuskulatur. Die Kurve steigt unter der Er- scheinung der Summation der Einzelkontraktionen (Tonusspeicherung) ‘ohne wesentliche Vergrösserung der einzelnen Pendelbewegungen zu beträchtlicher Höhe an, um allerdings sofort in entsprechender Weise wieder abzusinken (Tonusschwund). Beim Abfall nehmen die Am- plituden der einzelnen Kontraktionen gleichzeitig rasch an Grösse ab, so dass es in weniger als 2 Minuten nach Beendigung der Über die Wirkung des Chloralhydrats auf den isol. Kaninchendünndarm. 33 Chloralbhydratwirkung zu einer Ruhigstellung des Darmes in tonus- freiem Zustande kommt, wobei wieder beide Muskellagen in gleicher Weise beteiligt sind. Wie man sieht, oszillierte das Präparat vor dem Versuch mit seinen Pendelbewegungen um eine nicht un- beträchtliche mittlere Tonushöhe. Übrigens sei noch erwähnt, dass das anfängliche Erregungsstadium auch in der Weise ablaufen kann, dass die Amplituden der Pendelbeweeungen unter nur mässiger in Fig. 9 (auf ?/s verkleinert). Fig. 10 (auf °/s verkleinert). Hebung der Fusspunkte vorübergehend zu bedeutender Grösse an- wachsen (vgl. z. B. den Beginn der Fig. 10). In den Fig. 9 und 10 sind Beispiele für den dritten Typus wiedergegeben, der sehr merkwürdige Verhältnisse darbietet, im - ganzen aber nicht wesentlich seltener zur Beobachtung kam, wie jeder der beiden anderen Typen. Auf Fig. 9 ist die Reizmarke, die den Beginn der Chloralhydratwirkung anzeigt, um etwa ®/aı cm weiter nach links zu verlegen. In denjenigen Fällen, welche den Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd. 155. 3 34 Fritz Sembdner: Typus III zeigten, kam es bei der gleichen Chloralhydratdosis, die sonst prompt zu einer vollständigen Narkose führte, auch bei einer Beobachtungsdauer von über einer halben Stunde meist nicht zu längerem Stillstand des Darmes. Im Gegenteil führte das Gift nach der anfänglichen Erregung des Präparates, welche ganz analog jener beim Typus II verlaufen kann, entweder unvermittelt (wie auf Fig. 9) oder unter Einschaltung einer bis zu 1 Minute langen Pause, während welcher das Präparat in maximaler Länge so gut wie völlig regungs- los blieb (wie auf Fig. 10), zur Ausbildung äusserst kräftiger Kon- traktionen. Diese Kontraktionen können eine ausserordentliche Höhe erreichen und verlaufen entweder glatt, oder sie zeigen im Auf- oder Abstieg Stufenbildungen. Auf Fig. 9 folgen sich die Kontraktionen, deren Dauer gegenüber der ursprünglichen Dauer der Pendelbewegungen immer bedeutend verlängert ist, zunächst noch ziemlich rasch; doch bilden sich nach und nach immer grössere Zwischenräume aus. Die Fig. 10, wo die Kontraktionen besonders ausgiebig sind, zeigt in dieser Hinsicht keine Gesetzmässigkeit. Hier sind auch die Unstetig- keiten im Kontraktionsverlauf viel deutlicher zu sehen, wie das Präparat dieses Versuches denn überhaupt viel weniger regelmässig arbeitete als jenes der Fig. 9. Über das Zustandekommen derartiger Kurven kann man sich schwer sichere Vorstellungen machen. Ähnlich grosse, träge und seltene Kontraktionen, wie sie die beschriebenen Figuren zeigen, wurden meines Wissens bis jetzt nur ein einziges Mal, und zwar von Magnus!) abgebildet. Die eigentümliche Reaktionsweise seines Präparates bezieht Magnus im fraglichen Falle auf eine Schädigung des Auerbach ’schen Plexus, die sich nachträglich auch histologisch nachweisen liess. Hinsichtlich der von mir beobachteten Fälle reichen die zur Verwendung gekommenen Beobachtungsmittel für eine ein- sehende sichere Analyse nicht aus. Ich muss es unentschieden lassen, ob die verzeichneten starken Verkürzungen des Präparates als abnorm hohe Einzelkontraktionen der Längsmuskelfasern nach Art der gewöhnlichen Pendelbewegungen anzusprechen oder aus einer Verschmelzung mehrerer solcher Kontraktionen entstanden zu denken sind oder endlich ob es sich um den Effekt einer alter- nierenden Tonussteigerung und Tonusabnahme in den beiden Muskel- 1) R. Magnus, Pflüger’s Arch. Bd. 102 S. 349 f. 1904. Über die Wirkung des Chloralhydrats auf den isol. Kaninchendünndarm. 35 schichten, also um sogenannte Magnus’sche Schwankungen bei mangelhafter Ausbildung der Pendelbewegungen handelt. Letzteres wäre im Hinblick auf die Feststellungen Tullio Gayda’s über den zeitlichen Ablauf der Magnus’schen Schwankungen in Ring- und Längsmuskulatur ganz gut verständlich, und auch die Dis- kontinuitäten im Kurvenverlauf würden zu dieser Vorstellung passen. -Für die Darmpräparate, welehe den Typus III der Chloralhydrat- wirkung zeigten, muss im übrigen eine besonders hohe Resistenz dem Gift gegenüber angenommen werden, da sie durch sonst zur vollen Narkose ausreichende Dosen nicht ruhiggestellt wurden. Aus der Summe der mitgeteilten Versuche glaube ich entnehmen zu können, dass die Wirkung des Chloralhydrats auf den isolierten Darm im wesentlichen den allgemeinen Gesetzen der Wirkung von Narkotieis auf die irritablen Substanzen entspricht, d. h. es kommt bei hinreichender Konzentration des Giftes zur Ausbildung einer Narkose, und gerade wie bei der Einwirkung von Äther auf das Zentralnervensystem oder auf den isolierten Nerven pflegt auch bei der Einwirkung des Chloralhydrats auf den Darm dem depressiven Stadium ein Exzitationsstadium vorauszugehen. Dass das Erregungs- stadium bei sehr raschem Eintritt der Narkose auch gänzlich fehlen kann, tut dieser Überlegung keinen Eintrag, da dieselbe Erscheinung auch sonst bei der Narkose zu beobachten ist. Die rein erregende Wirkung ganz kleiner Chloralhydratdosen, welche zur Ausbildung einer Narkose nicht ausreichen, findet ebenfalls in dem Verhalten der übrigen Narkotika den verschiedensten Gewebsarten gegenüber ein vollkommenes Analogon. Dieses Ergebnis meiner Versuche war mit grosser Wahrscheinlichkeit vorauszusagen, jedenfalls, was den erreichbaren Endeffekt betrifft. Denn da das von mir untersuchte Darmpräparat sich aus Ganglienzelle, Nervenfortsatz und muskulärem Erfolgsorgan, also aus Geweben zusammensetzt, deren Narkotisierbarkeit längst ausser Frage steht, so war eine schliessliche Ruhigstellung des Darmstückes unter der Chloralhydratwirkung wohl zu erwarten. Was einer besonderen experimentellen Prüfung bedurfte, war lediglich die Frage, ob das nach dieser Richtung hin bis jetzt noch nicht untersuchte Darmpräparat die für andere Organe charakteristischen Vorstadien der Narkose ebenfalls erkennen lässt. Die einzige Angabe, die über die Möglichkeit einer Erregung des isolierten Darmes durch Chloralhydrat bisher vorliegt, stammt von Kuliabko und 3* 36 Fritz Sembdner: Alexandrowitsch!) und geht dahin, dass die „Chloralhydrat- lösung eine Verstärkung des Tonus und eine Verschmelzung der einzelnen Kontraktionen in die all- gemeine Muskelkontraktur hervorruft“. Wie aus der Beschreibung meiner Versuchs- ergebnisse hervorgeht, konnte ich diesen Befund nur insofern bestätigen, als durch das Chloralhydrat häufig enorme Er- regungszustände am isolierten Darm her- vorgerufen werden. Aber eine Ruhig- stellung des Darmes im höchsten Tonus habe ich bei meinen Versuchen nie ge- sehen, sondern entweder eine oft sehr beträchtliche Vergrösserung der Pendel- bewegungen oder einen vorübergehenden Tonusanstieg, der jedoch nie zu einer Verschmelzung oder Sistierung der Pendel- bewegungen führte und gerade bei be- sonders starker Ausbildung (nämlich nach grossen Chloralhydratdosen) sehr rasch einer völlieen Erschlaffung Platz machte. Die Analogie mit den verschiedenen Formen der Narkose an anderen Organen zeigt sich auch darin, dass die Wirkung des Chloralhydrats, mag es sich um eine Erresung durch kleine oder um eine Lähmung durch grosse Dosen handeln, durch Ausspülung des Giftes aus dem Ver- suchsgefäss sehr leicht und vollkommen wieder rückgängig gemacht werden kann. Bei einer durch grosse Chloralhydratdosen bewirkten tiefen Narkose darf eine ge- wisse zeitliche Grenze der Einwirkung allerdings nicht überschritten werden. In Fig. 11 bilde ich einen Versuch mit 0,05 g Chloralhydrat in extenso ab, um die scheinbar völlige Auswaschbarkeit der Giftwirkung zu Fig. 11 (auf '/2 verkleinert). ee | = | a | 1) Kuliabko und Alexandrowitsch, Zentralbl. f. Physiol. Bd. 18 Ss. 277 f. 1904. Über die Wirkung des Chloralhydrats auf den isol. Kaninchendünndarm. 37 demonstrieren. Die Wirkung des Chloralhydrats (erste Reizmarke) besteht in diesem Falle zunächst in einer mässigen Vergrösserung der Pendelbewegungen und ganz flüchtiger Steigerung des Tonus, sodann folgt ein ausgesprochenes Lähmungsstadium, in welchem der Darm allerdings nicht ganz zur Ruhe kommt. Bei der Spülung (zweite Reizmarke) steigt die Grösse der Pendelbewegungen und des Tonus sehr rasch wieder zur Anfangsgrösse an, und das Präparat lässt in seinem Verhalten von der stattgehabten Giftwirkung bald gar nichts mehr erkennen. Zur Feststellung des Angriffspunktes des Chloralbydrats habe ich keine besonderen Versuche unternommen; doch lässt sich aus verschiedenen Gründen mit Wahrscheinlichkeit annehmen, dass sich die Wirkung desselben in erster Linie auf die Zellen des Auer- bach’schen Plexus erstreckt. Einerseits ist von Magnus!) durch Isolierung der einzelnen Schichten der Darmwand nachgewiesen, dass die Bewegungsvorgänge des isolierten Darmstückes ausschliess- lich neurogener Natur sind und von dem Intaktsein des Auerbach- schen Plexus abhängen; anderseits gehen die allgemeinen Erfahrungen dahin, dass die nervösen Gebilde und unter diesen wieder die Ganglienzellen einen besonders hohen Teilungskoeffizienten für die Narkotika haben und deshalb meist leichter narkotisierbar sind als die verschiedenen Muskelarten. Dies alles lest die Annahme einer Ganglienzellennarkose in meinen Versuchen nahe. Dabei soll keines- wegs in Abrede gestellt werden, dass möglicherweise gleichzeitig auch die muskuläreu Gebilde der Darmwand in ihrer Funktions- fähigkeit mehr oder weniger vom Chloralhydrat beeinflusst werden. Besondere Aufmerksamkeit wendete ich bei der Durchsicht meiner Kurven dem Verhalten der Rhythmik zu, in welcher das Präparat unter dem Einflusse des Chloralhydrats arbeitete. Ganz unabhängig von der Entscheidung, ob sich in der Frequenz der Längsmuskelkontraktionen die Eigenperiode der reizaussendenden Zellen des Auerbach’schen Plexus unentstellt widerspiegelt oder ob auch die „peripheren“ Teile des neuromuskulären Apparates da- bei mitbestimmend sind, schien es mir von Interesse, zu verfolgen, ob die Frequenz der Pendelbewegungen bei den durch Chloralhydrat bewirkten positiven und negativen Änderungen ihrer Amplituden 1) R. Magnus, Pflüger’s Arch. Bd. 102 S. 349 ff. 1904. Fritz Sembdner : 008 [4 [14 68 “ 008 “ [4 07 001 81 [14 GeZ “ [44 ra 5 061 [74 “ Ly 013 Lr Re BRLCE [14 [14 [44 [44 2 [14 3 [44 = [14 OL I [44 « 82 [44 6cZ [74 [14 IS [44 0, [44 [44 Ai [73 GG [44 [14 77 [14 69 % [44 fer [14 G [74 [14 02 [1 GE “ [9 ZI [14 cG [44 “ +1 [74 GG [14 [74 GI 295 0LT U 'yuoy 66 syeıpÄqpeaofyn SOp Sunaynjurg aop yDeu- a 72 “ 008 «“ « VE [44 008 « “6 07 001 8 «“ gg “ «“ 09 « fr 7 [7 061 « « 8 01 cG « ce] 7 « 18 « «“ « 7 Ge «“ « = “ 0° « 8Z “ caz “ [7 29 %“ 0% “ « GI “oc « « 9Z “og « EZ “ G 1, « “ 1z Ua u « ZI « cG « « 1 «“ SEE m a GG 9L 95 0,1 U 9U0oy70Y syeapÄgfeaojyg sop Sundgnzurg d9p AOA AYUTHTN UURP ‘IOSSOADIS.II JOUTITN UURP I9SSOADFS.II A9SSO.LD UUBP “IYULOTNISII JOUTY]N UURP (L9SSOADFSIO 3.19pug19Aun BElNEJP'| 319puRa9Aaun 319puwa9Aun A9SS0AT A9SSO.LI I9SSOAD JOSSO.1D JA9UTOT N KENAIERER: -un uurp ‘19SS0AD 4819 JOSSO.ID A9SSOAD SIsswunosgrun A9Ulo] N J9u1o] A9SSOAI I9SSO.!D SEMIO u9sundanag -ppuag 9ıp uw u9sunsumydspppuag Op TyeZ A9SSOAD a9uro]y A9SSOAD A9SSO1D 71985019 -19A PUHY9SAHHNIOA J19SSO.AD -19A PUOU9STIANIOA JAISSOAD -19A PUHYaS.1HqNIOA JA9puRA19Aaun J19SS0.A1D -19A PU9TIFIIqNIOA A9SSO.AD A9SSOAD J19puR.A9aun J1a9puwasaun A9SSO1D IOSSOAD JA9UTo]M 19SS0.10 J19pur.19Aun J19PpuR.19Aun J19puw.ı9Aaun 3d9purAaoaun snuo] usp me Jung dp MY (II sud£L) 600 (I sndÄL) c0°0 (II snd£L) 00 (II sndÄL) g0‘0 oo c0'0 co°o 6200 (I sndÄL) €30'0 c30'0 «z0°0 8200 620'0 200 6200 G30°0 co (1 sudA]L) c0°0 (I snd£J) 600 00 00 (Sunso [-9poakL wu 00T Fur) syeapÄypeaoyg ua11ynpS -uI9 SOp 98UoM SI6T Tunf "ST El6l ZIeM "TI &I6L "AAO "56 EI6T Aa "T &EI6T "UeL '66 slel "uef 'S SIT 08 Gl6L '8G 2101 288 cl6l ZI '06 WOA YOnSI9a A TSTlSNeT Über die Wirkung des Chloralhydrats auf den iso]. Kaninchendünndarm. 39 sowie bei den ebenfalls doppelsinnigen Tonusänderungen sich in irgend gesetzmässiger Weise mitverändert. Die weiter oben abgebildete Fig. 3, welche die Änderung der Darmtätigkeit bei allmählicher Herabsetzung der Temperatur zeigt, bot bereits Gelegenheit, darauf hinzuweisen, dass ein: Parallelismus zwischen der Rhythmik der Bewegungen und dem (scheinbaren) all- gemeinen Erregungszustande des Präparates nicht bestehen muss. Ähn- lich scheinen die Verhältnisse bei der Einwirkung des Chloralhydrats zu liegen. Im Depressionsstadium der Chloralhydratwirkung fehlten beim Typus I und II!) parallelgehende Einflüsse auf die Frequenz der Pendelbewegungen entweder gänzlich, oder sie waren höchstens andeutungsweise zu erkennen. Dies geht aus der bei- gegebenen Tabelle I hervor, in welcher unter anderen jene Fälle des Typus I und II zusammengestellt sind, die bei besonders regel- mässiger Darmtätiekeit eine sichere Beurteilung der Verhältnisse gestatten. In entsprechender Weise war auch beim Erregungs- stadium des Typus II sowie bei den Frregungszuständen nach kleinsten Chloralhydratdosen eine Änderung in der Frequenz der Pendelbewegungen oft ganz zu vermissen, und wo eine solche vor- handen war, verlief sie interessanterweise auch hier immer im Sinne einer Frequenzverminderung. Auch dafür finden sich in der Tabelle I Beispiele angeführt. Während sich also der allgemeine Zustand des isolierten Darmpräparates unter dem Einfluss des Chloralhydrats sowohl in positivem als in negativem Sinne ändern kann (positiv und negativ inotrope Wirkung), scheinen die chrono- tropen Effekte, wotern sich solche überhaupt bemerkbar machen, nur in negativer Richtung verlaufen zu können, es sei denn, dass man an die Möglichkeit einer Verschleierung eventuell positiv chronotroper Effekte durch gleichzeitig bestehende positiv inotrope Wirkungen glaubt. Die Ergebnisse Kuliabko’s und Alexandrowitsch’s scheinen ja die Möglichkeit einer positiv chronotropen Wirkung in sich zu schliessen, doch konnte ich, wie gesagt, Ähnliches nie beobachten. Ob aus den beschriebenen Befunden über das Verhalten der Rhythmik irgendwelche Schlussfolgerungen auf die Arbeitsweise der im Auerbach’schen Plexus gelegenen nervösen Zentren im all- 1) Die Fälle des Typus III sind einer derartigen Betrachtungsweise bis jetzt noch nicht zugänglich. 40 Fritz Sembdner: gemeinen oder auf die Beeinflussung durch das Chloralhydrat im besonderen gezogen werden können, wage ich nicht zu ent- scheiden, sondern beschränke mich auf die Festlegung der Tatsachen. Zusammenfassung. In den oben mitgeteilten Versuchen wurde hinsichtlich der Wirkung des Chloralhydrats an der Hand von Längenkurven auf den isolierten Kaninchendünndarm folgendes festgestellt: Bei kleinen Dosen (unter 0,05 & auf 100 cem Tyrode- Lösung) tritt stets eine reinerregende Wirkung auf, welche in der Regel nur kurze Zeit anhält und sich in einer Vergrösserung der Amplituden der Pendelbewegungen, zuweilen auch in einer schwachen Zunahme des Tonus äussert. Bei grösseren Dosen (0,05 g und. mehr) lassen sich drei Arten der Wirkung unterscheiden: entweder übt das Chloralhydrat eine rein Jähmende Wirkung aus, so dass es unter rascher Grössenabnahme der Pendelbewegungen sehr bald zu einem Stillstand des Darmes in tonusfreiem Zustande kommt (Typus D, oder es erfolgt zunächst eine starke Reizung des Präparates, welche sich sowohl auf die Pendelbewegungen als auf den Tonus erstrecken kann, und die Jlähmende Wirkung des Giftes tritt erst nach- träglich ein (Typus I). Oder endlich es kommt (bei denselben grossen Dosen, die sonst lähmend wirken) entweder in unmittelbarem Anschluss an ein Erregungsstadium oder nach vorübergehender Still- stellung des Darmes zur Ausbildung eines eigentümlichen Zustandes, in welchem das Präparat aussergewöhnlich hohe, träge und seltene Kontraktionen ausführt, deren Deutung vorerst dahin- gestellt bleiben muss. Die Frequenz der Pendelbewegungen geht den Erregungs- und Lähmungsvorgängen am Darme nicht parallel. Von den Erscheinungen des Typus III abgesehen, kommt unter der Wirkung des Chloral- hydrats höchstens eine geringfügige Frequenzabnahme vor, die dann bereits im Exzitationsstadium nachweisbar werden kann; eine Frequenzsteigerung über die normale Grösse scheint niemals auf- zutreten. Bei zeitlich begrenzter Einwirkung des Chloralhydrats wird das Darmpräparat unter sonst günstigen Versuchsbedingungen nicht Über die Wirkung des Chloralhydrats auf den isol. Kaninchendünndarm. 41 dauernd geschädigt, sondern es beginnt nach Ausspülung des Giftes- allmählich wieder zu arbeiten wie zuvor. Zum Schlusse erfülle ich die angenehme Pflicht, Herrn Geheimen. Rat Hering für das Interesse, das er meiner Arbeit entgegen- gebracht hat, sowie insbesondere Herrn Privatdozent Dr. R. Dittler, der mich zu vorliegender Untersuchung angeregt und bei ihrer Aus- führung in liebenswürdiger Weise vielfach unterstützt hat, meinen. verbindlichsten Dank auszusprechen. 42 H. Gerhartz und A. Loewy: (Aus der med. Klinik der Universität Bonn und dem tierphysiologischen Institut der Kgl. Landw. Hochschule Berlin.) Über die Höhe des Muskeltones. Von H. Gerhartz und A. Loewy. In einer im Jahre 1910 von dem einen von uns veröffentlichten Arbeit!) wurden auf Grund von Versuchen, die an uns beiden aus- geführt wurden, folgende Angaben über die Schwingungszahl des Muskeltones gemacht: „Es werden bei dieser (d. h. bei der in der zitierten Arbeit von Gerhartz beschriebenen) Methode alle durch die Kontraktion der unter dem Trichter liegenden Muskelmasse entstehenden Bewegungen dem Schallregistrierapparat zugeführt. Dabei entsteht eine Kurve aus Impulsen verschiedener Frequenz, und zwar superpovieren sich recht frequente Schwingungen auf sehr langsam verlaufende, so dass eine Differenzierung keine Schwierigkeiten bietet. Man wird wohl kaum fehlgehen, wenn man in den frequenten Oszillationen, die mit dem Anstieg der Kontraktionskurve beeinnen und mit ihrem Ende abschliessen, Muskelschwingungen sieht, die dem Muskelton zugrunde liegen. Damit stimmt ihre Frequenz durchaus überein; denn ich finde für den von den Unterarmbeugern abgenommenen Ton im Mittel 36,3 Schwingungen pro Sekunde. Die Differenzen gehen für ver- schiedene Muskeln (sechs Aufnahmen) von 48— 60 Schwingungen ... .“ Die Ergebnisse wurden gewonnen durch direkte Untersuchung des an willkürlich tetanisch kontrahierten Muskeln (Masseter, Biceps) auftretenden Muskeltones. Sie sind die ersten Bestimmungen, die mittels einer direkten Registrierung des Tones zu einer Schwingungszahl kommen, welche mit den sonst von Piper?) 1) H. Gerhartz, Herzschallstudien. Pflüger’s Arch. Bd. 131. S. 554. 1910. 2) H. Piper, Elektrophysiologie menschlicher Muskeln. S. 120. Berlin 1912. Hier auch die frühere Literatur. Über die Höhe des Muskeltones. 43 auf 40—60 Schwingungen pro Sekunde für Willkürinnervation des Warmblütermuskels ermittelten Zahlen übereinstimmen. Piper kam zu seinen Zahlen durch Feststellung der pro Sekunde auftretenden Aktionsströme. Alle früheren Untersuchungen, die den Muskelton graphisch aufzeichnen sollten, ergaben von den genannten mehr oder minder weit-abweichende Werte. So fand Wollaston 14—36 Schwingungen, Helmholtz 18—20, Stanley-Hall und Kronecker 20, Horsley und Schäfer 10, ebensoviel Canney und Tunstall, ähnlich niedrige Loven; v. Kries 3—40. Die Differenzen gegen unsere höheren Werte erklären sich aus der bei den älteren Autoren nicht zureichenden Methodik. Helmholtz ging so vor, dass er verschieden abgestimmte Uhrfedern an den Muskel legte und zusah, welche Feder auf den Muskelton ansprach. Er fand, dass das bei 13—20 Schwingungen gebenden Federn der Fall war. Er korrigierte damit den von ihm früher durch direkte Auskultation des Tones gefundenen Wert von 35—40 Schwingungen, indem er annahm, dass seine direkte Resonanz- methode richtiger sei als seine Gehörswahrnehmung. Er meinte, dass die Resonanzverhältnisse des Ohres derartige seien, dass der erste Ober- ton des tiefen Grundtones von 18—20 Schwingungen hörbar geworden sei. Es lässt sich wohl nicht von der Hand weisen, dass die benutzte Apparatur für höhere Schwingungen nicht ausreichend anspruchs- fähig war. Das Gleiche eilt für die technisch zum Teil besseren Versuche von Stanley und Kronecker sowie von Horsley und Schäfer an tetanisch kontrahierten Muskeln. In einer Reihe anderer Versuche (vgl. die Zusammenstellung bei Piper) wurde die indirekte, mittelbare Methode benutzt, aus den elektrischen Erscheinungen am tätigen Muskel Schlüsse auf den Muskelton zu ziehen. Piper bediente sich des Saitengalvanometers, frühere Untersucher des Kapillarelektrometers, des stromprüfenden Froschschenkels oder des Telephons. Versuche, direkt den Muskelton zu registrieren, lagen bis zu unseren nieht vor. Die allgemeine Anschauung scheint dahin zu gehen — Piper gibt ihr in seiner Monographie Ausdruck —, dass die akustische Methode nicht zuverlässig genug sei, um verwertbare Ergebnisse 44 H. Gerhartz und A. Loewy: Über die Höhe des Muskeltones. zu liefern. Wenn das auch für die früheren Versuchsanordnungen. zutreffen mag, so zeigt jedenfalls die Übereinstimmung unserer mit dem Gerhartz’schen Apparate gewonnenen Werte mit den durch die Aktionsströme erhaltenen, dass mit geeigneten Apparaten auch die akustische Methode richtige Werte zu liefern vermag. — Eine direkte Methode verdient aber ceteris paribus- den Vorzug vor einer indirekten. 45 (Aus dem Institut für physikalisch-chemische Biologie der Universität Bern.) Uber die Beeinflussung der Reaktionsgeschwindig- keit bei den Reduktionsproben des Trauben- zuckers durch die Gegenwart von Metallen im Harn. Von Gertrud Woker und Elisabeth Belencki. Vor mehreren Jahren hat Bechhold!) über die Hemmung der Nylander’schen Zuckerreaktion (auch bei künstlichem Glukose- zusatz zum Harn) bei Gegenwart von Quecksilber berichtet; doch wurde eine derartige Hemmungswirkung von anderer Seite?) wieder ın Abrede gestellt. Diese Verschiedenheit der Angaben veranlasste uns zu einer Reihe von Versuchen, durch die wir uns ein eigenes Urteil in der ‘erwähnten Frage zu verschaffen hofften; denn bestand jene Angabe über die Hemmungswirkung des Quecksilbers zu Recht, so war dies nicht nur vom theoretischen Standpunkt mit Rücksicht auf die zahl- reichen, durch Quecksilber bewirkten Aktivierungen ?) sehr bemerkens- wert, sondern auch in praktischer Hinsicht. Die Feststellung einer Hemmung der Nylander’schen Reaktion hätte bei Ausschluss von Chloroform *) die einfachste Nachweismethode für Quecksilber im Harn ergeben, und auf den ‘Grad der Hemmung, gemessen an der Zeit bis zu dem je nach dem :Quecksilbergehalt mehr oder weniger stark verzögerten Eintritt der Reaktion, hätte sich vielleicht eine ebenso einfache quantitative ‘Quecksilberbestimmungsmethode basieren lassen. Leider haben unsere Versuche nicht die Erwartungen erfüllt, welche man nach den Bechhold’schen Angaben an dieselben 1) Bechhold, Zeitschr. f. physiol. Chemie Bd. 46 S. 371. Ref. in Zeitschr. f. Elektrochemie Bd. 11. 1905. 2) Zeidlitz, Festschr. f. Hammarsten. 3) Siehe Woker, Die Katalyse. Allgem, Teil. Sammlung „Die chemische Analyse“ das Kapitel „Katalytische Wechselwirkungen“. Stuttgart 1910. 4) Chloroform soll nach Bechhold die Reaktion ebenfalls verhindern. 46 Gertrud Woker und Elisabeth Belencki: knüpfen konnte, wenigstens nieht nach der praktischen Seite hin; doch haben sich nichtsdestoweniger mancherlei interessante Be- obachtungen ergeben, welche uns die Publikation dieser Versuche nieht überflüssig erscheinen lassen. Beim Kochen des Nylander- schen Reagens!) mit einem Gemisch von je 4 cem Harn von mit Quecksilberpräparaten gespritzten Patienten?) mit 2 cem Glukose- lösung, die in Konzentrationen von 2°/o und 1° (in einem Fall beim Kalomel-Salvarsanharn von 5 °/o) zur Verwendung kam, zeigten von 15 untersuchten Harnen 81°/o, von neun Quecksilberthymolharnen sogar 88°/o eine Verzögerung der Schwarzfärbung. Dieses Resultat wird jedoch durch die folgenden Beobachtungen herabgemindert, welche die widersprechenden Literaturangaben verständlich erscheinen lassen. Die Verzögerung der Reaktion ist nur in einem Teil der Fälle so stark ausgeprägt, dass sie, wie bei den von Bechhold angeführten Beispielen?), in die Augen fallen muss. Bei wenig aus- gesprochenen Verzögerungen kann als komplizierendes Moment hinzu- treten, dass der Eintritt der Reduktion zwar verzögert ist, nicht aber deren Verlauf*). Das Gegenstück hierzu bildet der nur wenig verzögerte Eintritt einer Reaktion, die bald nach Beginn sistierte. Die Art des dem Organismus einverleibten Quecksilberpräparates ist von Einfluss. Die grösste Zahl der Verzögerungen erhielten wir bei den Quecksilberthymol-, die geringsten bei den Quecksilberpyridin- harnen), von denen nur 42°/o verzögerten. Die Ursache für dieses Verhalten wird wohl in dem von Abelin gefundenen geringen Queck- silbergehalt des Harns der mit den Kolle-Abelin-Scheitlin- Prä- paraten behandelten Patienten zu suchen sein, während sich die Queck- silberthymolharne durch relativ hohen Quecksilbergehalt auszeichnen ®). 1) Beziehungsweise beim Einstellen der Proben in ein siedendes Wasserbad. 2) Quecksilberthymol, Quecksilberpyridin (Kolle-Scheitlin- Präparat), Kalomel und Sublimat (letzteres perkutan) kamen zur Anwendung. 3) Nach Bechhold soll innerhalb 5 Minuten keine Schwarzfärbung wahr- genommen werden. Allerdings war die Versuchstemperatur hier um 10—15° C. niedriger als bei unseren, der gewöhnlichen Ausführungsart der Nylander- schen Reaktion möglichst angepassten, Versuchsbedingungen. 4) Bei der Umrechnung auf Prozente sind derartige Fälle halb gezählt worden, wo nicht die detaillierten Angaben als solche gegeben sind. 5) Es kamen jedoch nur drei Harne dieser Art zur Untersuchung. 6) Man könnte auck an eine selbständig verzögernde Wirkung des Thymols denken; doch kommt demselben nach Bechhold eine viel geringere Wirkung zu als dem Quecksilber. Über die Beeinflussung der Reaktionsgeschwindigkeit etc. 47 Dasselbe giltf ür die nur wenig ausgeprägte Verzögerung, welche wir bei dem Harn eines normalen Menschen nach perkutaner Ein- erleibung von Sublimat!) beobachten konnten. Die ebenfalls geringe Wirkung von nach Kalomelinjektion erhaltenem Harn führt sich möglicherweise auf die Ausscheidung des Quecksilbers in einer niedrigen Oxydationsstufe von selbständigem Reduktionsvermögen zurück. Zum Unterschied von drei anderen gleichzeitig angesetzten Proben entstand in der quecksilberhaltigen eine Fällung. Bei zwei Harnen, die ausser Kalomel auch Arsen (Salvarsan) enthielten, fand Verzögerung statt. Was vor allem dazu veranlassen muss, die bei Quecksilberharnen beobachteten Reduktionsverzöserungen mit Vorsicht aufzunehmen, das ist der Umstand, dass auch mit Sicherheit quecksilberfreie, patho- logische Harne starke Verzögerungen aufweisen können. Eine sehr langsame Reaktion fiel uns z. B. bei einem Masernharne auf. Auch metallfreie Luetikerharne zeigen unter sich nicht unbeträchtliche Unterschiede. Doch auch völlig normale, ja selbst die von derselben Person zu verschiedenen Tageszeiten entleerten Harne können in bezug auf die Reduktionsgeschwindigkeit Differenzen aufweisen, die nicht geringer sind als die durch schwache Quecksilberharne erzeugten. Als Ursache für das verschiedenartige Verhalten derartiger metall- freier Harne ist zweifellos in erster Linie die ungleiche Konzentration derselben verantwortlich zu machen. Denn unter den Bestandteilen eines jeden Harns befinden sich solche, die die Schwärzung des Nylander’schen Reagens sehr stark zu beschleunigen vermögen. In jedem Fall tritt daher, wie der Vergleich des Verhaltens von Glukoselösungen in Wasser und Harn zeigt, die Schwärzung später ein in einer Lösung von reiner Glukose in Wasser als in einer gleichkonzentrierten in Harn. Um die gewöhnlichen, reduzierenden Be- standteile des normalen Harns scheint es sich dabei nicht zu handeln ?), da auch Harne von unwesentlichem Eigenreduktionsvermögen das er- wähnte Verhalten zeigen; es müsste denn sein, dass Spuren jener reduzierenden Substanzen die Eigentümlichkeit hätten, die Reduktions- geschwindigkeit von Metalloxyden durch zugesetzten Traubenzucker sehr stark zu erhöhen. 1) Der Harn kam nach zehntägigem Gebrauch von Sublimat zur Desinfektion der Hände zur Untersuchung. '2) Die verschiedenen Reduktionsproben werden zudem ungleichsinnig be- einflusst. 48 Gertrud Woker und Elisabeth Belencki: Je verdünnter nun ein Harn ist, desto ärmer wird er im all- gemeinen an den Beschleunigern der Nylander’schen Reaktion sein, und desto langsamer findet daher auch die Schwärzung statt. Wir konnten diesen Zusammenhang zwischen der Harn- konzentration und der Reduktionsgeschwindigkeit nicht nur für die Nylander’sche Reaktion, sondern ebenso für die im folgenden zu 'besprechenden Reduktionsproben auch experimentell nachweisen, gleichviel, ob die Glukose in irgendeinem bestimmten Fall in Wasser :oder Harn gelöst rascher mit dem zu reduzierenden Stoff in Reaktion zu treten vermag. Was nun diese anderen Reduktionsproben !) anbetrifft, so haben wir die Reduktion des Methylenblaus, des Silbernitrats, des Sub- Jimats und Quecksilberzyanids (Knapp ’sches Reagens) in alkalischer Lösung sowie die Trommer-Probe in derselben Weise geprüft, wie dies soeben für die Nylander’sche Reaktion ausgeführt worden ist. Die besten Resultate im Sinne einer Verzögerung haben wir bei der Methylenblaureduktion erhalten. Bei gleichzeitigem Zusatz von je 8 cem des zuckerhaltigen und mit Alkali versetzten Harns?) zu gleichen Mengen einer verdünnten Methylenblaulösung (0,5 cem) verzögerten von insgesamt 17 Quecksilberharnen?) 83° die Ent- färbung des Methylenblaus. Auch hier zeichneten sich die Queck- silberthymolharne durch eine sehr stark verzögernde Wirkung aus, indem 95/0 derselben die. Entfärbungsgeschwindigkeit herabsetzten, während die drei Scheitlin-Präparatharne sowie die drei Kalomel- Salvarsanharne mit 66 %/o die tiefste Stelle einnehmen; reiner Kalomel- und Sublimatharn wirkten dagegen beide verzögernd. Doch sind diese Reaktionsverzögerungen ebenfalls mit Vorsicht ‚aufzunehmen, da sich auch gegenüber dieser Reaktion die quecksilber- 1) Auch Proben anderer Art, wie die Moore-Heller’sche und diejenige von Rubner sowie seltenere Reduktionsproben mit Goldchlorid, Eisen-, Nickel- und Kobaltsalzen, haben wir anfänglich in bezug auf eine Veränderung der Reaktionsgeschwindigkeit durch Quecksilber und andere Metalle in die Unter- ‚suchung gezogen; doch waren die Resultate nur selten erwähnenswert. 2) Der Zuckergehalt des alkalifreien Harns betrug hier wie bei der Nylander’schen — und den später zu erwähnenden — Proben 0,75 bzw. 0,375 %/o, je nachdem 4 ccm Harn mit 2 ccm einer 2°/oigen oder einer 1%oigen Zucker- lösung versetzt waren. 3) Neun Quecksilberthymolharne, drei Scheitlin-Harne, ein Kalomelharn, ‚ein Sublimatharn, drei Quecksilber-Arsenharne (Kalomel-Salvarsan-Harn). Über die Beeinflussung der Reaktionsgeschwindigkeit etc. 49 freien Harne durchaus nicht gleichartig verhalten. Unter diesen zeigten die Harne zweier Luetiker ein sonst in keinem Fall be- obachtetes Verhalten gegenüber dem Methylenblau, das im folgenden (S. 60) eingehend beschrieben ist. Von anderen pathologischen Harnen!) zeichnete sich namentlich ein gallenfarbstoffhaltiger Urin durch eine ausserordentlich Jangsame Entfärbung aus; ihm kam zu- nächst der Harn eines perniziös Anämischen, während sich ein Pleuritisharn durch eine sehr rasche Entfärbung hervortat. Masern- und Typhusurine zeigten demgegenüber wiederum eine Verzögerung gegenüber der Norm, wobei jedoch auch hier Unterschiede zwischen den normalen Harnen zu berücksichtigen sind, welche deutlich den Einfluss der Konzentration des Harns erkennen lassen. Je ver- dünnter derselbe ist, desto mehr tritt das Verhalten der reinen Glukose gegenüber Methylenblau zutage, und da diese beiden Stoffe für sich allein nur langsam reagieren, so tritt die Entfärbung nach Maassgabe der Verdünnung später ein. Des weiteren haben wir die Trommer-Probe auf eine Be- einflussung durch Quecksilber untersucht. Bechhold stellte eine Hemmungswirkung in Abrede; auch wir haben bei dieser Probe von den letzterwähnten abweichende Resultate erhalten. Von Bedeutung ist, in welcher Weise die Trommer-Probe auf eine Reaktionsbeeinflussung hin untersucht wird, da sich der Eintritt und der weitere Verlauf der Reduktion sowie die Rück- oxydation des Kupferoxydul- bzw. Kuprohydroxydniederschlags ganz verschieden verhalten. So fanden wir von insgesamt 14 untersuchten Quecksilberharnen ?) den Eintritt der Reduktion bei 82°/o derselben verlangsamt, während auf den Verlauf derselben nur 44°/ Ver- zögerungen fielen. Die Rückoxydation verlief bei 75°/o derselben langsamer als bei normalem Harn. Fasst man den Einfluss der einzelnen Quecksilberpräparate besonders ins Auge, so zeigt sich, dass sich an der Verzögerung des Eintritts wie des Verlaufs der Re- duktion gerade die quecksilberarmen Harne der mit Scheitlin- Präparaten behandelten Patienten mit dem hohem Prozentsatz von 83 °/o beteiligen, während 71°/o der sieben untersuchten quecksilber- 1) Von Masern-, Typhus-, Cholelithiasis- (Gallenfarbstoff), Pleuritis- und perniziöse Anämie-Kranken. 2) Sieben Quecksilberthymolharne, drei Scheitlin-Harne, ein Kalomelharn, ein Sublimatharn, zwei Quecksilber-Arsenharne. Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd. 155. 4 50 Gertrud Woker und Elisabeth Belencki: reichen Quecksilberthymolurine den Eintritt, nur 14°o den Verlauf der Reaktion verlangsamten. Bei der Rückoxydation würden da- gegen 100 °%o Verzögerungen bei Quecksilberthymolurinen nur 66 °/o Verzögerungen bei Scheitlin-Präparaturinen gegenüberstehen. Die Rückoxydation, die sich in der durch Dunklerwerden des Nieder- schlags verratenden Bildung von schwarzem Kupferoxyd äussert, scheint demnach einer verzögernden Wirkung von seiten des Queck- silbers zugänglich zu sein, wenn dieses in gewisser Menge und be- stimmter Form!) im Harn enthalten ist. Doch muss auch hier wegen der Ungleichartigkeit normaler und pathologischer Harne dieses Ergebnis nur mit allem Vorbehalt aufgenommen werden; dern von- zwei metallfreien Luetikerharnen zeigte der eine gegenüber normalem Urin eine Verzögerung, der andere eine Beschleunigung der Rückoxydation. Von anderen Patientenharnen (den nämlichen, die wir bei den anderen Proben in Untersuchung gezogen haben) ergab ein Typhusurin die langsamste, ein gallenfarbstoffhaltiger Urin die rascheste Rückoxydation, und ähnliche Unterschiede zeigten sich auch bei dem normalen Harne. In noch höherem Maasse ist Vor- sicht geboten bei der Beurteilung der Befunde, welche sich in bezug auf den Eintritt und den weiteren Verlauf der Trommer’schen Reaktion ergeben haben; denn sowohl die enorme Diskrepanz der Resultate, die sich für diese beiden sonst im allgemeinen einander parallelgehenden Beobachtungsarten herausstellte?), wie der Um- stand, dass die Verzögerung gerade den quecksilberarmen Scheitlin- Harnen zukommt, zeigt, wie komplizierter Natur die Beeinflussung durch Quecksilber sein muss, wenn eine solche tatsächlich besteht. Doch wäre es immerhin möglich, auch für dieses merkwürdige Ver- halten eine Erklärung zu geben, wenn man bedenkt, dass bei der Trommer-Probe immer zuerst die Bildung der tiefblauen Glukose- Kupferdoppelverbindung stattfindet. Von dieser Reaktion wird aber der zeitliche Eintritt des eigentlichen Reduktionsvorgangs wohl sicher in erheblichen Maasse in Mitleidenschaft gezogen sein, während im Spätverlauf der Reduktion die anfängliche Beeinflussung von seiten des erstgenannten Vorgangs wieder wettgemacht werden kann. Da zwischen den beiden nur lose miteinander verknüpften Reaktionen, 1) Bei Kalomelharn konnten wir eine Beschleunigung der Reaktion beobachten. 2) Denn das als Eintritt bezeichnete Sichtbarwerden der Reduktion stellt ja nur eine erste Phase im Reaktionsverlauf dar; je rascher dieser von statten geht, desto früher sollte daher der Punkt des Sichtbarwerdens der durch die Reaktion erzeugten Veränderung erreicht sein. Über die Beeinflussung der Reaktionsgeschwindigkeit ete. 51 die bei der Trommer-Probe in die Erscheinung treten, nicht die geringste Wesensverwandtschaft besteht, so erscheint die Diskrepanz, welche für Eintritt und Verlauf der Reduktion der alkalischen Kupfersulfatlösung besteht, verständlich, wenn man für die Bildung der Glukose-Kupferverbindung und für die Reduktion eine ungleich- sinnige Beeinflussung von seiten des Quecksilbers annimmt. Fasst man die Reduktion allein ins Auge, so wird man nach dem Voraus- geschiekten für deren Gesamtverlauf befriedigendere Resultate er- warten dürfen als für den Moment des Eintritts'). Die schon er- wähnten tatsächlichen Befunde scheinen damit bei oberflächlicher Betrachtung nicht übereinzustimmen. Ein Vergleich der Einzel- resultate zeigt jedoch, dass der Unterschied zwischen dem Verhalten der Quecksilberthymolharne und der Scheitlin-Präparatharne so- wie die Einbeziehung der beiden Quecksilber-Arsenharne in das Ge- samtresultat hierfür verantwortlich zu machen ist. Von den sieben untersuchten Quecksilberthymolharnen be- schleunigten 86 °/o sowie ein Kalomelharn den Verlauf der Trommer- schen Reduktion, während 83°o der Scheitlin-Harne sowie die beiden Quecksilber-Arsenharne verzögerten. Als charakteristisch für eine Quecksilberwirkung kann aber offenbar nicht das Verhalten von quecksilberarmen, sondern dasjenige von quecksilberreichen Harnen angesehen werden, da bei den ersteren andere Einflüsse von seiten der Harnbestandteile die Wirkung des Quecksilbers verdecken können. Die nämliche Einwendung gilt auch für die Gegenwart anderer Metalle im Harn, weshalb die beiden Quecksilber-Arsenharne (Kalomel- Salvarsan), welche Eintritt, Verlauf und Rückoxydation der Trommer- Probe verzögern, ebenfalls eine Sonderstellung einnehmen. Im Gegen- satz zu der Methylenblau- und der Nylander’schen Probe tritt die Trommer’sche Reaktion um so früher ein und verläuft um so rascher, je verdünnter der Harn ist; auch fällt die Probe um so roter aus, je mehr man sich der reinen Glukoselösung nähert, da der von Neumayer?”) studierte „katalytische“ Einfluss des Kreatinins, welches die Bildung von gelbem Ca-OH bei der Aus- führung der Trommer-Probe mit Harn bedingt, nach Maassgabe 1) Der Eintritt ist Störungen mehr als der Verlauf auch aus dem Grunde ausgesetzt, weil sich durch Ungleichheiten im Kaliber und der Glasdicke der Reagenzgläser bedingte kleine Temperaturdifferenzen in den ersten Phasen eher fühlbar machen werden als im späteren Verlauf. 2) Neumayer, Deutsches Arch. für klin. Med. Bd. 67 S. 195.. 1900. 4* 52 Gertrud Woker und Elisabeth Belencki: der Verdünnung schwächer wird. Unter allem Vorbehalt könnte man wohl eine Beschleunigung des Reduktionsverlaufs durch Quecksilber bei der Trommer-Probe annehmen, die das Gegenstück zu der bei der Rückoxydation beobachteten Verzögerung bildet. Sind schon die bisher angeführten Beeinflussungen durch Queck- silber keineswegs zum Ziehen bindender Schlüsse geeignet, so gilt dies in noch weit höherem Maasse von den beiden folgenden Proben. Bei der Reduktion des Silbernitrats in alkalischer Lösung!) durch je 8 ecem des zuckerhaltigen alkalischen Harns von der nämlichen Zusammensetzung, wie wir sie bei der Reduktion des Methylenblaus und der Trommer-Probe verwendeten, liessen nur 60°/o von ins- gesamt 15 Quecksilberharnen?) und bei Weeglassung der beiden Kalomel-Arsenharne 70°o eine Reaktionsverzögerung erkennen, und zudem sind die Resultate gerade bei den Quecksilberthymolharnen besonders schlecht, da sich dieselben nur mit 50 %o an der Reaktions- verzögerung beteiligen. Die auch bei dieser Probe bei verschiedenen normalen und pathologischen Harnen aufgefundenen Differenzen zeigen ferner, dass ganz andere Umstände als der Quecksilbergehalt einen bestimmenden Einfluss auf die Reaktionsgeschwindigkeit aus- zuüben vermögen. Auffallend ist hier wie bei den anderen Proben die Abhängig- keit der Reaktionsgeschwindigkeit von der Konzentration des Harns. Wie bei der Trommer-Probe nimmt die Reaktionsgeschwindigkeit um so mehr ab, je weiter sich die Zusammensetzung des Harns von einer reinen wässerigen Glukoselösung (die zu ungemein rascher Reduktion der alkalischen Silberlösung befähigt ist) entfernt. Endlich haben wir die Reduktionsfähigkeit quecksilberhaltiger Harne an verschiedenen Quecksilberlösungen geprüft, von dem Ge- danken ausgehend, dass die Bildung einer komplexen Verbindung zwischen dem Quecksilber und dem zu reduzierenden Körper, welche vielleicht für einen Einfluss des Quecksilbers verantwortlich zu machen wäre, bei der Reduktion eines Salzes des nämlichen Metalls ausbleiben würde. Ob die ungleichsinnigen Resultate, welche wir bei unseren Versuchen erhielten, sich in der angegebenen Richtung deuten lassen, ist allerdings sehr fraelich. Dagegen scheint für die Ergebnisse die Natur des zur Reduktion kommenden Quecksilber- 1) Zur Verwendung kamen 0,5 ccm des Reagens (siehe über dessen Zu- sammensetzung S. 64, 65). 2) Von denselben Patienten herstammend wie bei den anderen Proben. Über die Beeinflussung der Reaktionsgeschwindigkeit stc. 53 salzes sowie insbesondere der Alkaligehalt des Gemisches ausschlag- gebend zu sein. Wurden 2 cem der als Knapp’sche Lösung be- kannten, Quecksilberzyanid enthaltenden alkalischen Flüssigkeit mit 6 cem des zuckerhaltigen, nicht mit Alkali versetzten Harns gekocht, so verzögerten 67 °o der untersuchten Harne, während bei Zusatz von 2 ecem Alkali zu demselben Gemisch nur 50/0 eine verzögerte Reduktion gegenüber normalem, mit derselben Zuckermenge versetztem Urin zeigten. Ein Alkalizusatz bewirkte nicht selten bei dieser Reaktion eine völlige Umkehrung in bezug auf die Reduktions- geschwindigkeit. Reduzierte der quecksilberhaltige Harn das Queck- silberzyanid langsamer als der normale, so zeigten die beiden Harne in Gegenwart des Alkalis das entgegengesetzte Verhalten. Wie nicht anders zu erwarten ist, nimmt die Reduktionsgesehwindigkeit als solehe mit dem Alkaligehalt der Mischungen zu, so dass man mit Quecksilberlösungen von hoher Alkalikonzentration schon in der Kälte Schwarzfärbung erhält. Noch geringer war die Zahl der Ver- zögerungen bei Quecksilberharnen (41 °/o von elf untersuchten Harnen) bei der Reduktion des Sublimats, von welchem 2 eem einer 2 P/oigen Lösung zu den mit 2 cem Alkali vermischten 6 eem glukosehaltigem Harn hinzugegeben wurden. Auch bei der Reduktion des Sublimats können die Unterschiede zwischen verschiedenen normalen und patho- logischen Quecksilberharnen erheblich sein, besonders dann, wenn die Konzentrationen starke Abweichungen zeigen; denn reine wässerige Glukoselösungen reduzieren das Sublimat sehr langsam. Ein zucker- haltiger Harn wird daher eine um so geringere Reaktionsgeschwindig- keit gegenüber dem Sublimat an den Tag legen, je verdünnter er ist. Diese Reaktion, welche glukosehaltiger Harn gegenüber dem alkalischen Sublimat besitzt, lässt übrigens die Angabe von Bech- hold, dass ein künstlicher Zusatz von Sublimat zum Harn die Nylander’sche Reaktion bei weitem nicht so stark verzögert wie Quecksilber, das den Organismus passiert hat, begreiflich erscheinen; denn in Gegenwart des Alkalis des Nylander’schen Reagens ver- mag die Glukose das Sublimat an Stelle des Bismutum subnitrieum, zu reduzieren, so dass es auch bei einer faktischen Verhinderung der Nylander’schen Reaktion doch zu einer schwarzen Ausfällung kommen dürfte, welche ohne Analyse des Niederschlags natürlich nicht von der Bismutfällung unterschieden werden kann. Endlich haben wir noch vergleichende Versuche an quecksilber- haltigen Luetikerseris und normalen Seris, denen wir dieselbe 54 . . Gertrud Woker und Elisabeth Belencki: Menge 1°/oiger Glukoselösung hinzusetzten, angestellt. Wir hofften trotz des Eiweissgehaltes!), der bekanntlich gerade bei der Nylander’schen Reaktion die Empfindlichkeit stark herabsetzt, zu einwandfreieren Schlüssen zu gelangen, da die Zusammensetzung des Serums viel gleichartiger ist als diejenige des Harns. Leider hat sich diese Annahme nicht bestätigt. Bei der Trommer- Probe wirkt die Biuretreaktion, bei den anderen Metallsalzreduktions- proben der Biuretreaktion offenbar verwandte Farbenerscheinungen störend. Mit Alkali und Kupfersulfat geht die tiefblaue Farbe, welche dem nativen Eiweiss entspricht, zuerst in die rote Färbung der Peptone über. Doch sind damit die Störungsquellen kaum erschöpft. Von fünf gleichzeitig untersuchten Seris, drei queck- silberhaltigen und zwei normalen, zeigte bei der Trommer-Probe ein normales Serum überhaupt keine Fällung, während das andere normale in bezug auf die Bildungsgeschwindigkeit des Kupfer- oxydulniederschlags an zweiter Stelle steht. Zwei quecksilberhaltige Sera gaben nur eine unvollständige Fällung. Bei der Reduktion der Silbernitratlösung reduzierte das eine normale Serum am raschesten, das andere am langsamsten. Etwas besser steht es um die Reduktion des alkalischen Sublimats in der Kälte, da hier wenigstens zwei der quecksilberhaltigen Sera rasch reduzierten, während in den beiden normalen Seris und dem dritten quecksilberhaltigen erst am folgenden Tage eine Schwärzung eingetreten war. Gegenüber dem Nylander- schen Reagens und der Methylenblaulösung war das Verhalten gleichmässiger, aber dem beim Harn gefundenen gerade entgegen- gesetzt; denn die quecksilberhaltigen Sera reduzierten rascher als die normalen, und dasselbe Verhalten ergab sich für die vollständige Entfärbung des Methylenblaus, während der Eintritt der Methylen- blaureduktion eine andere Reihenfolge aufwies. Trotz der zur Weiterarbeit nicht gerade ermutigenden Er- gebnisse bei den Quecksilberharnen haben wir noch einige andere Metallharne auf eine Beeinflussung der Reduktionsproben des Trauben- zuckers hin geprüft, ohne dass wir auch hier zu eindeutigen Re- sultaten gelangt wären. Von sechs reinen Fisenharnen wurden verzögert: die Reduktion des Sublimats bei &3°/o, des Methylenblaus bei 67° (zwei Drittel), die Silbernitratreduktion ebenfalls bei 67 °/o, während die Nylander- 1) Ein Enteiweissen der Sera unterliessen wir, um nicht durch eine solche Prozedur zugleich den Quecksilbergehalt zu verändern. Über die Beeinflussung der Reaktionsgeschwindigkeit etc. 55 sche Reaktion und die Rubner’sche Probe !) 67 °/o Beschleunigungen aufwiesen. Eine Beschleunigung von je 74°/o ergab sich auch für Eintritt und Verlauf der Trommer-Probe, während die Rück- oxydation in 40°o der Fälle verzögert war. Ausserdem wurden ein salizylsäurehaltiger und ein arsenhaltiger Eisenharn ?) untersucht. Der erstere beschleunigte um ein geringes die Methylenblau- und Silber- nitratreduktion sowie die Reaktionen von Nylander und Trommer, während er die Reduktion des Sublimats und des Knapp’schen Reagens verzögerte. Der arsenhaltige Eisenharn zeigte ebenfalls gegenüber dem Methylenblau eine etwas höhere Reduktionskraft als der normale; bei der Trommer-Probe war nur der Eintritt etwas beschleunigt, während der Verlauf langsamer erfolgte als bei normalem Harn. Um ein geringes verzögert war auch die Reduktion der Knapp’schen Zyanquecksilberlösung, und eine starke Verzögerung machte sich gegenüber der Nylander’schen Reaktion und der Reduktion des Silbernitrats geltend. Bei letzterer war die Ver- zögerung so stark, dass erst nach längerem Verweilen im siedenden Wasserbad eine Bräunung auftrat, die ganz allmählich dunkler wurde. Vielleicht trägt jedoch an diesem Verhalten nicht sowohl der Eisen- arsengehalt die Schuld, wie die Krankheit selbst, da auch der metall- freie Harn eines Arämischen bei der Silbernitratprobe eine starke Verzögerung aufwies. Eine Abhängiekeit der Resultate von der Glukosemenge ergibt sich auch aus den Versuchen an Eisenharnen nicht, d. h. wir konnten eine Verschiebung der Resultate der eisenhaltigen und der Vergleichs- harne nicht beobachten, als wir von der gewöhnlichen Glukose- konzentration von 0,75°/o zum halben Werte übergingen. Dagegen ist es nicht gleichgültig, wie lange nach der Eiseneinnahme der Harn in Untersuchung genommen wird, was mit Rücksicht auf den wechselnden Metallgehalt begreiflich erscheint. Als wir die nach 2 und 5 und zwischen 3 und 18 Stunden entleerten Harne mit dem- selben normalen Harn verglichen, ergab sich, wie die umstehende Tabelle zeigt, nur bei der Sublimatreduktion in allen drei Fällen eine Verzögerung. Die Nylander’sche Probe zeigte bei den Harnen von 2 und 5 Stunden eine Beschleunigung, die jedoch bei dem 1) Nur drei Harne waren jedoch auf den Ausfall der Rubner’schen Probe hin untersucht worden. 2) Die anämische Patientin hatte Blaud’sche Pillen und Dürkheimer Arsenwasser bekommen. 56 Gertrud Woker und Elisabeth Belencki: letzteren schon stark im Abklingen war, und bei der Mischung der von 8&—18 Stunden entleerten Harne war die Beschleunigung in eine Verzögerung umgeschlagen. Das gleiche war der Fall für die Silber- nitratreduktion. Ebenso zeigte die Trommer-Probe bei den Harnen von 2 und 5 Stunden rascheren Verlauf, während bei dem zuletzt gewonnenen Harn die Reduktion ungefähr gleich rasch er- folgte. Hinsichtlich der Rückoxydation fand eine zunehmende Ver- langsamung vom ersten bis zum dritten Harne statt. Bei der Methylen- blaureduktion erfolete ein Umschlag der Verlangsamung in eine geringe Beschleunigung vom ersten zum zweiten Harn, während der dritte wiederum langsamere Entfärbung zeigte. Die Differenzen bestehen auch, wie der Vergleich von Versuch 1 und von Versuch 2 erkennen lässt, zwischen dem Verhalten des Harns verschiedener normaler Personen, der nach ungefähr gleichen Zeiten nach der Eiseneinnahme entleert wurde. Die Tagesschwankungen in der Zu- sammensetzung sowie die individuellen Unterschiede zwischen den Harnen verschiedener Personen treten wohl vor allem als störendes Moment hinzu. So erhielten wir beim Vergleich eines Vormittag- und eines Nachmittagharns von ein und derselben normalen Person besonders für die Nylander’sche Reaktion einen grossen Unter- schied; auch die Differenz bei der Silbernitratprobe war zwischen beiden Harnen nicht unerheblich, und beim Vergleich der zu gleichen Zeiten gewonnenen Harne zweier normaler Personen machte sich bei den nämlichen Reaktionen ein ungleiches Reduktionsvermögen geltend. Die anderen Reaktionen zeigten dagegen bei diesen Ver- gleichsversuchen nur unbedeutende Abweichungen. Harn I. Eiserharn (1) gegenüber Harn derselben Person vor Eiseneinnahme (drei Blaud’sche Pillen). : Nach | Nach | Nach Beaktion 2 Stunden | 5 Stunden 8—18 Stunden Methylenblauprobe. | verzögert etwas beschl. verzögert Nylander-Probe: | | Bintritteecte ee - ' beschleunigt 5 Verlaufe Mr beschleunigt | verzögert | sn Trommer-Probe: | | Bintritte rn 02. beschleunigt “ beschleunigt wie normal Verlauf. WEL M % " x Rückoxydation . . verzögert stark verzögert stark verzögert Silbernitratprobe. . . stark beschl. — verzögert Sublimatprobe. . . . verzögert verzögert | 5 Rubner-Probe. . . beschleunigt | —_ | -- Über die Beeinflussung der Reaktionsgeschwindigkeit etc. 57 Harn II. Eisenharn (2) gegenüber Harn derselben Person vor Eiseneinnahme (drei Blaud’sche Pillen). Reaktion Nach 6 Stunden Methylenblauprobe . .... . beschleunigt Nylamder-Probe. . 2... ® Trommer-Probe: Eintritt . . verzögert 5 e Verlauf . . „ 5 > Rückoxyd. . beschleunigt Silbernitratprobe ne rn. verzögert Sublımatprobegn or er beschleunigt RubiniersProben 2. 2 ..2...22 verzögert Da wir sowohl bei den Quecksilber- wie bei den Eisenharnen solchen begegnet sind, die ausser Quecksilber oder Eisen auch Arsen enthalten, so suchten wir ferner den Einfluss eines Arsen- gehaltes festzustellen. Von insgesamt sechs Harnen, zwei reinen. Arsenharnen (Salvarsan), einem Arsen-Salizylsäureharn, einem Arsen- Jodkaliumharn und zwei Arsen-Eisenharnen, beschleunigten 75 °/o die Metbylenblaureduktion; von fünf Harnen beschleunigten -70°/o die Nylander’sche Reaktion und 60°o den Eintritt der Reduktion des Silbernitrats, während deren Verlauf bei 80 %o verzögert wurde. Verzögert wurden ferner der Eintrittt der Trommer-Probe bei 60/6, der Verlauf bei S0°o und die Rückoxydation bei 500. Bei Einbeziehung der beiden Quecksilber-Arsenharne (Kalomel-Salvarsan), die bei der Besprechung des Einflusses des Quecksilbers auf die Reduktionsproben des Traubenzuckers erwähnt worden sind, da sie sich mehr dem Quecksilber als dem Arsen in ihrem Verhalten anzuschliessen scheinen, würden die Resultate für die Methylenblau- und die Nylander’sche Reaktion verschlechtert, während die Trommer- und die Silbernitratprobe eine Verschiebung zugunsten einer stärkeren Verzögerung erfahren würden. Was die Einzel- resultate betrifft,. so beschleunigten demnach die beiden reinen Salvarsanharne, wie auf der im folgenden angegebenen Tabelle näher ausgeführt ist, den Entfärbungsverlauf des Methylenblaus und die Nylander’sche Reaktion; sie verzögerten dagegen den Verlauf der Silbernitratreduktion!) und den Eintritt der Trommer- Probe. 1) Der Eintritt wurde dagegen von beiden beschleunigt. 58 Gertrud Woker und Elisabeth Belencki: Der Verlauf und die Rückoxydation wurden bei dieser letzteren von dem einen Arsenharn verzögert, von dem anderen beschleunigt. Gegenüber dem Knapp’schen Reagens zeigte der eine Harn eine Reduktionsverzögerung; der andere verhielt sich ohne Alkalizusatz gleich wie der normale Vergleichsharn, während er bei Zusatz von 2 ccm Alkali (zu 6 eem glukosehaltigem Harp) ebenfalls langsamer reduzierte als der in gleicher Weise behandelte normale. Ausserdem haben wir hier die Rubner’sche Reaktion in Betracht gezogen. Dieselbe ergab in beiden Fällen eine raschere und intensivere Rot- färbung als der normale Vergleichsharn. War ausser Arsen noch Salizylsäure zugegen, so bedingte dies für die Silbernitrat- sowie für die Trommer-Probe eine Änderung!) gegenüber dem Verhalten des reinen Arsenharns, da Eintritt und Verlauf derselben bei beiden beschleunigt wurden. Der salizylsäurehaltige Arsenharn beschleunigte also alle untersuchten Proben, einschliesslich der Rubner’schen, in auffallender Weise. Die Ähnlichkeit im Verhalten des Arsen- Salizylsäureharns und des Eisen-Salizylsäureharns lässt jedoch daran denken, dass es sich hierbei nicht sowohl um eine Arsen- oder Eisen- wirkung als um einen Einfluss der Salizylsäure handelt. Die Gegenwart von Jodkalium und Eisen bedingte erhebliche Änderungen. Beide Harne verzögerten stark sowohl Eintritt als Verlauf der Silber- nitratreduktion. Ferner verzögerte der Arsen-Jodkaliumharn die Methylenblaureduktion und der Arsen-Eisenharn die Nylander’sche Reaktion. Der Verlauf der Trommer-Probe wurde von beiden Harnen verzögert, der Eintritt nur vom Arsen-Jodkaliumharn. Der Arsen-Eisenharn zeigte ausserdem gegenüber dem Knapp ’schen Reagens ein langsameres Reduktionsvermögen als der normale; doclı trat auch hier wiederum die schon bei verschiedenen der früher genannten Harne beobachtete Umkehrung bei Zusatz von Alkali zutage. Es ist dies übrigens keine nur bei der Reduktion des Knapp’schen Reagens beobachtete Erscheinung, da wir bei dem nämlichen Harn einen analogen Umschlag einer Verzögerung in eine Beschleunigung auch für die Nylander’sche Reaktion bei Zusatz von 2 cem Alkali feststellen konnten. Für die Rubner’sche Re- aktion konnte ein Unterschied gegenüber normalem Harn bei dem arsen-jodkaliumhaltigen nicht wahrgenommen werden ’?). 1) Die Reduktionsfähigkeit gegenüber einer Quecksilberverbindung wurde hier nicht geprüft. 2) Der Eisen-Arsenharn wurde nach dieser Richtung hin nicht untersucht. Über die Beeinflussung der Reaktionsgeschwindigkeit etc. 59 Um den Arseneinfluss möglichst unabhängig von der Individualität des Harns zu erhalten, haben wir ferner das reduktive Vermögen der Harne zweier noch nicht behandelter Luetiker vor und nach der Salvarsaneinspritzung miteinander verglichen. Es ergab sich dabei das in der folgenden Tabelle niedergeleste Bild, worin der Harn nach der Salvarsaneinspritzung einerseits neben den Harn desselben Patienten vor der Einspritzung, anderseits neben normalen Haru gestellt worden ist. I. Salvarsanharn (1) ll. Salvarsanharn (2) gegenüber Harn | gegenüber Harn Reaktion des gleichen | gegenüber des gleichen gegenübeı Patienten vor | Normalem | Patienten vor | Mormalem der Einspritzung | Harn |der Einspritzung Harn Methylenblauprobe: | Kintrite ne verzögert | verzögert beschleunigt | beschl. Merlaußr... 0. beschleunigt | beschl. 5 | N Nylander-Probe: | Falcıntrittey 20 27: 5 : etwas verzögert 5 Verlauf -. .: . a R beschleunigt 5 Trommer-Probe: | | Bintritteg ar. verzögert verzögert " verzögeit Verlaufs. 2... 5 ! ” verzögert beschl. Rückoxydation . . 5 5 beschleunigt . Xnapp’sche Probe | ohne Alkalizusatz: N Eintritt... . . . | verzögert (wenig) wie norm. verzögert verzögert Verlauf h * ” ” | ” ” ” ” Knapp’sche Probe mit Alkalizusatz: Kintritte re... verzögert verzögert — | — Verlauf... 00.2. 5 e — — Rubner-Probe . . > beschl. beschleunigt beschl. [ Berücksichtigt man die individuellen Differenzen, welche zwischen Harnen normaler Personen bestehen, so ist die Übereinstimmung eine sehr gute, wenigstens für Harn (1), der für die wichtigsten Reaktionen, die Methylenblau-, Nylander- und Trommer-Probe, sowie für die Reduktion des Knapp’schen Reagens in Gegenwart von Alkali eine bis in die feinsten Züge gehende Übereinstimmung aufweist. Auch für die Knapp’sche Probe ohne Alkalizusatz sind die Differenzen sehr gering, so dass als einzige Diskrepanz zwischen dem Verhalten gegenüber dem arsenfreien Patientenharn und dem normalen der ungleich rasche Verlauf der Silbernitratreduktion und der Ausfall der Rubner’schen Probe bestehen bleibt. Für Harn (2) besteht völlige Gleichheit für die Methylenblaureduktion, die Rück- 60 Gertrud Woker und Elisabeth Belencki: oxydation bei der Trommer-Probe sowie für die Knapp ’sche und die Rubner’sche Reaktion, während bei der Trommer- Probe und der Reduktion des Silbernitrats eine Umstellung zwischen Eintritt und Verlauf des Prozesses zu beobachten ist. Eine kleine Differenz besteht ferner hinsichtlich des Eintrittes der Nylander- schen Reaktion. Nimmt man nicht normalen Harn, sondern, was: natürlich richtiger ist, Harn derselben Patientin vor der Salvarsan- eipspritzung, so würde sich demnach der Einfluss des Arsens dahin zusammenfassen lassen, dass beide Harne den Verlauf!) der Methylen- blau-, der Nylander’schen und der Silbernitratprobe beschleunigen, während sie den Verlauf der Trommer’schen Reaktion?) und die Reduktion des Knapp’schen Reagens ohne und mit Alkali ver- zögern. Beim Vergleich der Methylenblaureduktion der beiden Luetikerharne vor und nach der Arsenbehandlung der Patienten machte sich übrigens eine interessante Störung geltend, die besonders in dem einen Fall die Entscheidung über die Entfärbungsgeschwindig- keit der Farbstofflösung sehr erschwerte. Während die Salvarsan- harne wie die anderen Metallharne und die normalen Urine voll- ständig klar blieben, bildete sich in beiden vor der Einspritzung entleerten Luetikerharnen eine flockige Ausscheidung, die den Farb- stoff aus der Lösung an sich riss und damit seine Reduktions- bedingungen offenbar verschlechterte. Ob die gerade bei diesen beiden Harnen beobachtete Erscheinung eine bloss zufällige war, lässt sich natürlich, da uns nur zwei Harne unvorbehandelter Luetiker zur Verfügung standen, nicht beurteilen ’°). Endlich seien noch zwei vereinzelte Untersuchungen wieder- gegeben, deren eine sich auf einen künstlich mit Jodkalium versetzten Harn, die andere auf den Harn eines mit Kollargol behandelten Patienten bezieht. Den Jodkaliumharn, verglichen mit demselben normalen Harn ohne Jodkaliumzusatz, untersucbten wir mit Rücksicht auf den jodkaliumhaltigen Arsenharn, da wir in dem Jodkaligehalt 1) Den grösseren Störungen (siehe weiter oben) unterworfenen Eintritt da- gegen nur in der Hälfte der Fälle. 2) Für den Eintritt nnd die Rückoxydation gilt die Angabe der vorigen Fussnote. 3) Da diese beiden Harne in gewöhnlichen grünen, die anderen dagegen im weissen Flaschen erhalten wurden, so könnte man auch an eine vermehrte Abgabe von Alkali aus dem schlechten grünen Flaschenglas denken, wodurch ein Aus- fallen von farbstoffmitreissenden Phosphaten bedingt sein könnte. Über die Beeinflussung der Reaktionsgeschwindigkeit etc, 61 die Ursache für das abweichende Verhalten von den anderen Arsen- harnen zu finden hofften. Tatsächlich scheint das Jodkalium einen Einfluss auf die Reduktionsgeschwindigkeit bei den verschiedenen Zuckerproben auszuüben; denn nur das Methylenblau wurde von beiden Harnen gleich rasch reduziert. Bei der Nylander’schen Reaktion sowie beim Verlauf und der Rückoxydation der Trommer- Probe war dagegen in dem jodkaliumhaltigen Harn die Reaktions- geschwindigkeit grösser, bei der Silbernitratreduktion!), bei der Moore-Heller’schen Reaktion sowie hinsichtlich des Eintritts der Trommer-Probe dagegen geringer, Vergleicht man damit den Arsen-Jodkaliumharn, so ist die Analogie im Verhalten kaum zu verkennen. Sie tritt besonders bei der Nylander’schen, der Silbernitrat- und der Moore-Heller’schen?) Probe zutage. Was den Harn des mit Kollargol behandelten Patienten an- betrifft, so zeigte derselbe bei fast allen Proben ein der Mehrzahl der Quecksilberharne analoges Verhalten. Gegenüber der momen- tanen Entfärbung des Methylenblaus durch den normalen Vergleichs- harn trat im Harn des Kollargolpatienten erst nach etwa 1 Minute Entfärbung ein. Ebenso war die Nylander’sche Reaktion ver- zögert. Bei der Trommer-Probe waren Eintritt und Verlauf be- sehleunigt, die Rückoxydation verlangsamt. DBeschleunigt waren endlich die Reduktion des Silbernitrats und des Sublimats. Die Moore-Heller’sche Probe zeigte im Vergleich zu normalem Harn keinen Unterschied. Da jedoch nur ein Harn zur Untersuchung kam, und da es zudem noch nicht erwiesen ist, dass analytisch nachweisbare Silbermengen in den Harn übergehen, so wird man gut tun, erst an andere Faktoren zu denken, welche für diese Re- sultate verantwortlich gemacht werden können, wie insbesondere der Verdünnungsgrad, so verlockend es auch scheinen mag, in kata- lytischen Beeinflussungen der Reduktionsproben des Traubenzuckers eine den gewöhnlichen analytischen Nachweismethoden der Metalle in bezug auf Empfindlichkeit überlegene zu besitzen. Mit Ausnahme 1) Bei dem künstlich mit Jodkalium versetzten Harn schied sich bei dieser Reaktion gleichzeitig Jodsilber aus, eine Reaktion, die hier wie bei dem natür- lichen Jodkaliumharn als Ursache der verlangsamten Schwärzung angesprochen werden könnte, da durch die mit dem Reduktionsvorgang konkurrierende Jodsilber- bildung das eine der Reagentien eine Verminderung erfährt. 2) Doch zeigt der jodkaliumfreie Harn erst nach 12 Stunden eine dunklere Nuance. 62 Gertrud Woker und Elisabeth Belencki: der Sublimatprobe, welche mit steigender Verdünnung des Harnes immer langsamer verläuft, würde das bei allen anderen Reaktionen des Silberharnes beobachtete Verhalten mit einem erhöhten Wasser- gehalt in Beziehung zu bringen sein). Zum Schluss seien noch einige andere Zuckerreaktionen er- wähnt, die wir in einigen Fällen mit in die Untersuchung gezogen, aber wegen ihrer Ungeeignetheit, sei es zum Nachweis des Trauben- zuckers, sei es zur Feststellung einer Beeinflussung, fallen gelassen haben. Reaktionen der ersten Art sind die Marson’sche Ferro- sulfat-, die Kobaltonitrat-, die Niekelosulfatreaktion und ein von uns zusammengestelltes Reagens, welches an Stelle des Kupfersulfats der: Fehling’schen Lösung Ferrisalz enthält. Wir wollten uns dieser Reagentien, insbesondere bei der Untersuchung der Eisenharne, aus demselben Grunde bedienen, der uns bei den Quecksilberharnen zur Prüfung gegenüber Quecksilbersalzen veranlasst hat. Unsere FEr- fahrungen über den Wert der genannten Reagentien für den Glukose- nachweis im Harn waren aber so beschaffen, dass wir von deren weiterer Verwendung sehr bald Abstand nahmen ?). Bessere Resultate erhielten wir mit Agostini’s Goldreagens, jedoch nicht nach der von Agostini selbst empfohlenen Arbeitsweise, die für den Zueker- nachweis im Harn wenig geeignet ist. Statt der vorschriftsmässigen vier Tropfen der zuckerhaltigen Flüssigkeit und vier Tropfen Reagens (1°/ooige Goldehloridlösung) arbeiteten wir vielmehr mit den bei den anderen Reduktionsproben üblichen Mengenverhältnissen. Bei nor- malen Harnen haben wir so grünliche und schwarze, bei schwachem Ausfall auch rötliche Färbungen der Lösungen und ebenso gefärbte: 1) Aufschluss über die Konzentration eines Harns gibt (abgesehen von Harn- farbe, spez. Gewicht und den komplizierteren physikalisch - chemischen Be- stimmungen) der Ausfall der Trommer-Probe, da sich, wie erwähnt, um so: mehr von dem roten Kupferoxydul und um so weniger von dem gelben Kuprohydroxyd bildet, je verdünnter der Harn ist. 2) Das Kobaltnitratreagens ergab bei einem Eisenharn gelbliche Färbung, während der normale eine schwach grünliche Nuance zeigte. Das Eisenreagens färbte sich mit dem eisenhaltigen Harn rascher dunkelbraun als mit dem normalen, und die Marson’sche Probe lieferte bei einem Quecksilberthymolharn beim. Erhitzen ohne Alkali einen grünen Niederschlag, der Normalharn dagegen keinen. Mit Alkali wurde unter den gleichen Bedingungen in dem Quecksilberharn ein geringer schwärzlicher Niederschlag und eine braune Lösung erhalten, während. der Normalharn beim Kochen einen dicken, schwarzen Niederschlag und eine grünbraune Lösung gab. Über die Beeinflussung der Reaktionsgeschwindigkeit etc. 63 Niederschläge bekommen. Die von Agostini beschriebene Violett- färbung erhielten wir bei zwei Quecksilberthymolharnen, und zwar machte sich bei dem einen Harn, der auch gegenüber den anderen Metallsalzreduktionsproben starke Verzögerung aufwies, eine energische Verhinderung in bezug auf Eintritt und Verlauf, bei dem anderen Harn nur eine Verzögerung des Eintritts bei rascherem Verlauf der Reaktion geltend. Von Arsenharnen wurde ein Arsen-Quecksilber-!), ein Arsen-Eisen-, der Arsen-Salizylsäure- und der Arsen-Jodkaliumharn auf ihr Verhalten gegenüber dem Goldchloridreagens geprüft. Bei den beiden erst- genannten sowie dem Harn des mit Kollargol behandelten Patienten wurde eine bräunliche Lösung erhalten, während der Arsen-Salizyl- säureharn, entsprechend seiner reaktionsbegünstigenden Tendenz bei den übrigen Reduktionsproben, eine starke Ausscheidung bei grünem Ausfall der Probe lieferte. Der normale Vergleichsharn ergab dem- gegenüber nur eine rötliche Färbung. Der Arsen-Jodkaliumharn lieferte dagegen umgekehrt einen roten, der entsprechende Vergleichs- harn einen schwarzen Ausfall der Probe. Diese Farbenunterschiede, die wohl mit der Ausfällung des Goldes in kolloidalem oder nicht- kolloidalem Zustande zusammenhängen, sind für Untersuchungen des- Reduktionsvermögens bzw. der Reduktionsgeschwindigkeiten vielleicht unter Umständen von Wert, da zwischen der Geschwindigkeit der Bildung metallischen Goldes und seiner Tendenz, in kolloidaler Form gelöst zu bleiben, eine Beziehung in dem Sinn zu erwarten ist, dass es bei allmählicher Bildung des Goldes leichter dazu kommt, dass Gold in Lösung bleibt, während bei einer raschen Reduktion der sehr geringe Sättigungspunkt der Flüssigkeit dem Golde gegenüber nicht überschritten werden kann, ohne dass es zu einer regulären Aus- scheidung kommt. Zwischen dem einen Extrem, wo alles Gold in kolloidaler Form in Lösung gehalten, und demjenigen, wo es voll- ständig als gewöhnliches schwarzes Metallpulver gefällt wird, liegen alle Zwischenstufen, bei denen bald die eine, bald die andere Form überwiegt. Hierdurch und durch die Modifikation des kolloidalen. Goldes selbst, sowie durch die unkontrollierbare Beeinflussbarkeit dieser Lösungszustände und die mit diesen Faktoren zusammen- hängenden Färbungsdifferenzen können so komplizierte Verhältnisse geschaffen werden, dass wir für unsere Zwecke von dem regel- mässigen Anstellen der Agostini’schen Probe abstrahierten. 1) Salvarsan-Kalomel. 64 Gertrud Woker und Elisabeth Belencki: Die für den Nachweis des Traubenzuckers sehr geschätzten Proben, die Moore-Heller’sche Reaktion und diejenige von Rubner, haben wir ebenfalls nur bei einem kleinen Teil der untersuchten Harne in Anwendung gebracht: bei der erstgenannten aus dem Grunde, weil entweder kein Unterschied oder doch nur ein sehr geringer zwischen metallhaltigem und normalem Harn in die Erscheinung trat. Eine völlige Einflusslosiekeit konstatierten wir bei den beiden nach dieser Richtung hin geprüften Quecksilber- (Quecksilberthymol-), dem Arsen-Salizylsäure- und dem Harn des mit Kollargol behandelten Patienten. Der Arsen-Jodkaliumharn zeigte anfangs auch keinen Unterschied gegenüber der Vergleichsprobe. 2 Stunden nach dem Erkalten hatte jedoch der normale einen deutlichen Vorsprung gewonnen, und dasselbe war der Fall bei dem reinen Jodkaliumharn. Einzig ein Arsen-Eisenharn zeigte eine inten- sivere Bräunung als seine Kontrolle. Die Rubner’sche Probe, die zu viel Zeit erforderte, als dass wir sie regelmässig neben den anderen ausführen konnten, würde nach unseren orientierenden Versuchen eher mit einiger Aussicht auf Erfolg auf Beeinflussungen, wie die von uns ins Auge gefassten, zu untersuchen sein, da, wie schon früher erwähnt, drei Arsenharne und zwei von drei Eisenharnen eine raschere und intensivere Rötung als die normalen Harne ergaben, während ein Quecksilberthymolharn zwar eine etwas stärkere Rotfärbung erkennen liess, die aber so langsam einzutreten schien wie diejenige des glukosehaltigen Ver- gleichsharns. Doch kann auch bei metallfreien Harnen eine sehr rasche Rötung vorkommen. Bei dem Harn eines Luetikers zeigte sich sogar in einem Fall eine viel raschere Rotfärbung vor der 'Salvarsaneinspritzung als nachher. Man wird also bei dieser Reaktion wohl mit eben solchen Beeinflussungsmöglichkeiten zu rechnen haben wie bei den anderen näher untersuchten Proben. Was die Brauchbarkeit zum Glukosenachweis im Harn betrifft, so ist darüber, soweit die letztgenannte Probe, die Trommer’sche und die Nylander’sche Reaktion, sowie die Reduktion des Knapp’schen Reagens in Frage kommen, kein Wort zu verlieren. Auch die Reduk- tion des alkalischen Silbernitrats zum Zuckernachweis ist altbekannt, wenn sie gleich in der Harnanalyse kaum gebraucht wird. Das Silber- reagens, welches wir nach einigen Vorversuchen als zur Feststellung des Reduktionsvermögens eines Harns vorzüglich geeignet erkannten, erhielten wir durch Mischung von 5 cem 1/oiger Silbernitratlösung, Über die Beeinflussung der Reaktionsgeschwindigkeit etc. 65 3 ecem Ammoniaklösung und 2 eem 15°/oiger Natronlauge. Ebenso kann das von uns benutzte alkalische Sublimatreagens von der auf S. 53 angegebenen Zusammensetzung für den Nachweis des Trauben- zuckers im Harn empfohlen werden. Diese Reaktion hat den Vor- teil, dass sie schon in der Kälte verläuft. Vielleicht gestattet sie die Identifizierung eines reduzierenden Stoffes in einer Lösung durch Feststellung der Reduktionszeiten bei einer bestimmten Temperatur. Für den Harn wird man jedoch dabei mit den Beeinflussungen der Reduktionsgeschwindigkeit durch die Gegenwart der anderen Harn- bestandteile zu rechnen haben. Dasselbe gilt auch für die ebenfalls schon in der Kälte vor sich gehende Methylenblaureduktion, für welche wir eine ungleich rasche Reduktionsfähigkeit gegenüber Glukose und Fruktose fest- stellen konnten, eine Beobachtung, welche die eine von uns (Woker) gemeinsam mit Dr. J. F. Muster!) weiter verfolgt hat. Versuchen wir zum Schluss einen Überblick über die gewonnenen Resultate zu erhalten, so ergibt sich das Folgende: l. Die Becehhold’scehe Angabe einer Beeinflussung der Ny- lander’schen Zuckerprobe durch Quecksilber im Harn besteht wahrscheinlich zu Recht; doch handelt es sich wenigstens für Zucker- konzentrationen von 0,37—-0,75 °/o dabei meist nicht um eine so weit- gehende Hemmung, dass Zucker übersehen wird, sondern nur um eine mehr oder weniger stark ausgeprägte Verzögerung der Reaktion. 2. Auch andere Reduktionsproben des Traubenzuckers (Methylen- blau, Trommer usw.) scheinen einer Beeinflussung durch Quecksilber zugänglich zu sein, teils in verzögerndem, teils in beschleunigendem Sinne. 3. Quecksilbersera verhalten sieh völlig anders und unregel- mässiger als Quecksilberharne. Aus der Änderung des Ausfalls der Biuretreaktion kann auf eine Aufspaltung des nativen Eiweiss durch die alkalischen Metallsalzlösungen geschlossen werden. 4. Die Wahrscheinlichkeit einer Einwirkung auf die Reduktions- geschwindigkeit der Glukose im Harn gegenüber verschiedenen Acentien besteht ferner für Arsen, Eisen, Jodkalium, Salizylsäure einzeln und kombiniert. Doch können hier wie bei den Punkten 1. 1) Über die Geschwindigkeit der Reduktion des Methylenblaus durch Glu- kose und Fruktose und ihre Verwertung in der Harnanalyse. Pflüger’s Arch. Bd. 155 S. 92. 1913. Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd. 155. 5 66 Gertrud Woker und Elisabeth Belencki: und 2. bestimmte Angaben erst nach Ausdehnung dieser Versuche über ein viel grösseres Material gemacht werden. 5. Die Reduktionsgeschwindigkeit der Glukose gegenüber den- selben Reagentien wird auch durch andere Bestandteile normaler und pathologischer Harne verändert. 6. Die Veränderung macht sich nicht gleichartig gegenüber allen Reduktionsproben der Glukose geltend, sondern es werden vielmehr im Vergleich zu Glukoselösungen derselben Konzentration in reinem Wasser durch Bestandteile eines jeden Harns in aus- gesprochenstem Maasse beschleunigt: die Reduktion des Methylen- blaus, die Nylander’sche Reaktion und die Reduktion einer alka- lischen Sublimatlösung, während sehr stark verzögert werden: die Trommer-Probe und die Reduktion des Silbernitratreagens. Nur gegenüber dem Knapp’schen Reagens ohne Alkalizusatz war die Reduktionsgeschwindigkeit der in Wasser und der in Harn gelösten Glukose gleich. 7. Dementsprechend müssen in jedem Harn entweder zwei Stoffe (oder Stofigruppen) vorhanden sein, deren einer spezifisch be- schleunigend auf die Reaktionen der Glukose mit Methylenblau, Bismutum subnitrieum und Quecksilberchlorid einwirkt, indessen der andere die Reduktion des alkalischen Kupfersulfats und Silbernitrats spezifisch verzögert, oder es existiert ein einziger Stoff, der gegen- über den ersteren als spezifischer Beschleuniger, gegenüber den letzteren als spezifischer Verzögerer fungiert. 8. Die Reduktionsgeschwindigkeit der Glukose ist in beiden Fällen eine Funktion der Konzentration des Harns, da mit wachsender Konzentration der Gehalt an dem (oder den) Beschleuniger oder Verzögerer zunimmt. 9. Die Farbe des Niederschlags bei der Trommer-Probe hängt ebenfalls von der Konzentration des Harnes ab, da das Ge- misch von rotem Kupferoxydul und gelbem Kuprohydroxyd um so mehr zugunsten des ersteren verschoben ist, je verdünnter der Harn ist. In reinem Wasser reduziert die Glukose das alkalische Kupfer- sulfat bekanntlich vollständig zu rotem Kupferoxydul. 10. Alkali beschleunigt nicht nur nach Maassgabe seiner Konzen- tration den Verlauf der Reduktionen, sondern es können auch Ände- rungen im Alkaleszenzgrad, wie wir bei der Reduktion des Queck- silberzyanids und bei der Nylander’schen Reaktion feststellen konnten, eine Umkehrung im Verhalten zweier gleichzeitig an- Über die Beeinflussung der Reaktionsgeschwindigkeit etc. 67 gesetzter Proben bedingen. Vielleicht spielen hier aktivierende oder hemmende Wirkungen der Hydroxylionen gegenüber den reaktions- geschwindigkeitsverändernden Harnbestandteilen eine Rolle. 11. Es wurde die Brauchbarkeit alkalischer Silbernitrat-, Sub- limat- und Methylenblaulösungen !) zum Nachweis des Reduktions- vermögens und speziell zum Nachweis des Traubenzuckers im Harn dargetan. Zum Schluss sei uns gestattet, Herrn Prof. Dr. Jadassohn, Leiter der dermatologischen Klinik und Poliklinik, Herrn Prof. Dr. Sahli, Leiter der medizinischen Klinik und Poliklinik, den Herren Assistenten, Dr. Gut und Dr. Lenhoff, der dermatologischen Klinik und Poli- klinik, den Herren Assistenten der medizinischen Kliniken und Frau Dr. Abelin, Assistentin am bakteriologischen Institut, die so freund- lich waren, uns Harn- und Serummaterial zur Verfügung zu stellen, unseren Dank auszusprechen. 1) Letzteres findet schon zuweilen in der Harnanalyse Verwendung. 5 * 68 Rudolf Roubitschek: (Aus dem biologischen Institut in Frankfurt a. M.) Zur. Frage der Zuckerbildung aus Fett. von Dr. Rudolf Roubitschek, Karlsbad. Als Quelle von Glykogen kommen chemisch drei Gruppen von _ organischen Stoffen in Betracht: die Kohlehydrate, die Eiweisskörper und die Fette. Zunächst neigte man der Ansicht zu, dass Glykogen aus Eiweiss entstehe.e Claude Bernard, der als erster das Glykogen rein darstellte, glaubte, dass die Eiweisskörper eine haupt- sächliche Quelle des Glykogens bilden; gleichzeitig betont er aber, dass auch die Kohlehydrate in gemischter Kost den Glykogenansatz besünstigen. Wolfberg hingegen und Külz betrachteten das Ei- weiss als einzige Quelle des Glykogens. Demgegenüber steht die Ansicht Pflüger’s!), dass aus kohlehydratfreiem Eiweiss überhaupt kein Glykogen gebildet werden kann; eine Ansicht, die von Schön- dorff?) bestätigt wurde, der bei Fröschen durch Fütterung von kohlehydratfreiem Kasein keinen Glykogenansatz erzielte. Für eine Glykogenbildung aus kohlehydratfreiem Eiweiss sprechen zwei Arbeiten von Bendix?) und Lüthje*). Ersterer erzielte an einem Hunde, bei welchem durch Hunger und körperliche Arbeit das Glykogen auf ein Minimum reduziert worden war, nach Fütterung mit Kasein einen deutlichen Glykogenansatz; letzterer zeigte an einem pankreas- diabetischen Hunde, dass die Zuckerbildung auch aus kohlehydrat- freiem Eiweiss vor sich gehen kann. Allerdings macht Pflüger in der Entgegnung auf Lüthje’s Arbeit auf den Umstand aufmerksam, dass nicht nur das Kasein, sondern auch das Fett, und zwar nicht nur dessen Glycerinkomponente, als Quelle des Zuckers in Betracht kommt. 1) Pflüger, Arch. f. d. ges. Physiol. Bd. 103 und Bd. 106. 2) Schöndorff, Arch. f. d. ges. Physiol. Bd. 82. 1900, Bd. 88. 1901. 3) Bendix, Zeitschr. f. physiol. Chemie Bd. 32. 1901, Bd. 34. 1902. 4) Lüthje, Arch. f. d. ges. Physiol. Bd. 106. 1904. Zur Frage der Zuckerbildung aus Fett. 69 Über die Entstehung des Zuckers aus Fett liegen in der Literatur zahlreiche Beobachtungen vor, welche sich speziell auf die Entstehung des Zuckers aus Glycerin beziehen. Schon im Jahre 1850 stellte Schmidt!) die Behauptung auf, dass Zucker aus Glycerin entstehen könne. Berthelot?) erbielt durch Digestion von Glycerin mit Hodensubstanz gärungsfähigen Zucker. Ferner liegen Versuche von van- Deen°) und Heynsius®t), Salomon?°), Luchsinger®), Finn’) und von Mering°) vor, bei denen die Glycerinfütterung eine Vermehrung des Leberglykogens veranlasst haben soll. Seegen und J. Weiss’) zeigten, dass durch Digestion von Leberbrei mit Fett und Fettsäuren Zucker entstehen kann. In neuerer Zeit bildeten die Versuche von Cremer!°), der an phloridzinvereifteten Hunden durch Glycerinzufuhr eine vermehrte Zuckerausscheidung erzielte, für Lüthje den Grund, bei pankreasdiabetischen Hunden die Wirkung des Glycerins nachzuprüfen. Er fand, dass nach Zufuhr von Glycerin noch am 33. Hungertage eine vermehrte Glykosurie auftritt. Pflüger erkennt die Zuckerbildung aus Glycerin, wie sie Lüthje annimmt, nicht als vollgültig bewiesen an, denn nach seiner Meinung handelt es sich nur um eine diuretische Wirkung des Glyeerins und damit im Zusammenhang um eine vermehrte Zucker- ausfuhr. Auch die Respirationsversuche haben in die Frage der Ent- stehung des Zuckers aus Fett Klärung nicht gebracht. 1) C. Schmidt, Charakter der Cholera. 1850. Zitiert nach E. Pflüger. 2) Berthelot, Ann. d. Chim. et Physiol. (3) t. 50 p. 346. Zitiert nach E. Pflüger. 3) van Deen, Arch. f. holl. Beitr. Bd. 3. 1861. Zitiert nach E. Pflüger. 4) Heynsius, Studien des physiol. Institutes in Amsterdam. 1861. Zitiert nach E. Pflüger. 5) Salomon, Virchow’s Arch. Bd. 61 S. 343. Zitiert nach E. Pflüger. 6) Luchsinger, Experimentelle und kritische Beiträge zur Physiologie und Pathologie des Glykogens. Inauguraldissertation. Zürich 1875. Zitiert nach E. Pflüger. 7) Finn, Verhandl. d. pbysik.-mediz. Gesellsch. in Würzburg 1877 Bd. 11. Zitiert nach E. Pflüger. 8) Mering, Pflüger’s Arch. f. d. ges. Physiol. Bd. 14. 1876. Zitiert nach E. Pflüger. 9) Weiss, Zeitschr. f. physiol. Chemie Bd. 24. 1898. Zitiert nach E. Pflüger. 10) Cremer, Ergebn. d. Physiol. 1902. 0 Rudolf Roubitschek: Magnus Levy!) berichtet, dass der respiratorische Quotient beim schweren Diabetiker, der nur auf Kosten von Eiweiss und Fett lebt, zwischen 0,613 und 0,707 liegt. Das entspreche einer Zucker- bildung ausschliesslich aus Eiweiss. Wenn Zucker auch aus Fett entstehe, dann müsse der respiratorische Quotient noch tiefer liegen. Pflüger hinwiederum kommt zu folgendem Resultat: Da der schwere Diabetiker nur von Kiweiss und Fett lebt, so muss, falls der Zucker nur aus Eiweiss entsteht, der respiratorische Quotient zwischen 0,816 und 0,7 liegen, da 0,7 der respiratorische Quotient des Fettes ist. Weil aber beim Diabetiker der respiratorische Quotient bis auf 0,63 herabgehen kann, so muss das Fett die Quelle des Zuckers sein. Denn zur Verwandlung des Fettes in Zucker bindet es den atmosphärischen Sauerstoff fest, der in der Kohlen- säure nicht wieder erscheint. Daher stellt das Fett die Quelle des diabetischen Zuckers dar. Wir sehen also, dass trotz der zahlreichen Versuche ein stringenter Beweis, der eindeutig die Zuckerbildung aus Fett dartut, in den angeführten Veröffentlichungen nieht vorliegt. Hingegen bringt eine erheblich früher liegende Arbeit von Blum?) — aus dem Jahre 1902 —, die aber offenbar den meisten Forschern auf diesem Gebiete entgangen ist, die Lösung der Frage in klarer Form. Blum konnte an glykogenfrei gemachten Tieren zeigen, dass die Injektion von Nebennierenextrakt Glykosurie nicht mehr zur Folge hatte, dass aber eine solche alsbald wieder auftritt, wenn den Tieren Öl ver- füttert wurde. Diese Versuche wurden von Falta, Eppinger und Rudinger?) in der Weise bestätigt, dass auch sie fanden, dass die glykosurische Wirkung des Adrenalins durch Fettdarreichung erhöht wird; jedoch glaubten sie, dass durch das Fett Glykogen gespart werde und hierin die Ursache der stärkeren Wirkung zu suchen sei. Dies war auch sicherlich der Fall bei ihrem Versuchstier — einem Hund —, das ohne vorherige Futterbeschränkung dann 3 Tage lang nur je 40 g Butter verfüttert bekam. Ein solches Tier ist nicht glykogenfrei, und hier mag das Fett als Glykogensparer wirken. Ist das Glykogen aufgebraucht, dann kommt ein solches vikariierendes Eintreten des Fettes nicht mehr in Frage. Blum l) Magnus Levy, Zeitschr. f. klin. Med. Bd. 56. 1905. 2) F. Blum, Pflüger’s Arch. f. d. ges. Physiol. Bd. 90. 1902. 3) Eppinger, Falta u. Rudinger, Zeitschr. f. klin. Med. Bd. 66. 1908. Zur Frage der Zuckerbildung aus Fett. Ze hat aber die Tiere durch langes Hungern glykogenfrei werden lassen, hat alsdann eine ausreichende Dosis Adrenalin subkutan einverleibt, und erst als diese zu keiner Glykosurie mehr führte. hat er mit der Ölfütterung begonnen. Nach einiger Zeit ergab neuerliche Adrenalin- injektion eine einwandfreie Zuckerausscheidung. Bei der Wichtigkeit des Problems der Zuekerbildung aus Fett habe ich die Versuche Blum’s von neuem aufgenommen. In der Literatur finden sich Angaben über Beeinflussung der N-Ausscheidung durch Adrenalininjektion (Blum, Eppinger, Rudinger und Falta u. a.). Sowohl die N-Bilanz als auch die P;O,- und NaCl-Aus- scheidung wurde deshalb beschlossen, bei den anzustellenden Unter- suchungen gleichzeitig zu prüfen. Die Versuchsanordnung war folgende: Ein Hund wird zunächst in N-Gleichgewicht gebracht und mit Suprarenin (Höchst) gespritzt. Der im Harn auftretende Zucker wird polarimetrisch und im Gärungsröhrehen quantitativ bestimmt. Nun wird der Hund so lange hungern gelassen, bis dieselbe Injektionsmenge von Suprarenin keine Zuckerausscheidung mehr erzeugt. In diesem Stadium von supponierter Glykogenfreiheit der Leber wird die Ölfütterung begonnen. Das Öl (Olivenöl) wird von den auseehungerten Tieren sehr gerne aufgeleckt; einige Male wurde stickstofffreies tierisches Fett (die Analyse des Fettes ergab allerminimalste Spuren von N) zugesetzt. Nach dieser Fettperiode, die durchschnittlich eine Woche dauert,. wird der Hund neuerlich mit der gleichen Menge Suprarenin wie anfangs gespritzt. In allen unseren Versuchen zeigte sich, dass die Hunde in dieser Periode Zucker ausschieden, womit der Beweis erbracht ist, dass die Leber Glykogen aus Öl, und zwar wahrscheinlich aus dessen Glycerinkomponente bilden kann. Die bisher in diesem Sinne ausgeführten Versuche von Cremer und Lüthje können wir aus dem Grunde nicht für abschliessend beweiskräftig erachten, weil Cremer durch Phloridzin einen typischen Nierendiabetes erzeugte und Lüthje in seinen Versuchen Glycerin, also einen Aikohol, anwandte, dessen Wirkung, wie Pflüger betont, vorwierend diuretisch ist. Reines Olivenöl, per os genommen, führt hingegen keine Diurese herbei, und ebensowenig erzeugt Suprarenin eine Nierenschädigung. In den mitgeteilten Tabellen zweier Hunde — die nicht unter Suprareninwirkung stehenden Tage sind der Kürze halber zusammengezogen — finden sich auch die N-Werte und gleichzeitig die Phosphor- und Kochsalz- 2, Rudolf Roubitschek: menge täglich aufgezeichnet. Es waren diese Erhebungen neben unserem Hauptversuch insofern von besonderem Interesse, als es sich bei unseren Versuchen um ausgehungerte Tiere handelte, bei denen eine diuretische Ausschwemmung kaum noch eine erhebliche Rolle spielen konnte. In der Literatur finden sich Angaben, die eine drei- bis vierfache Steigerung der N-Ausscheidung nach Adrenalininjektionen verzeichnen. Auch Eppinger, Falta und Rudinger erzielten eine Steigerung des Hungereiweissumsatzes nach Adrenalininjektion, allerdings bei einem Hunde, der bloss 72 Stunden gehungert hatte. Nach unseren Erfahrungen tritt nur dann eine vermehrte N-Ausscheidung ein, wenn die Tiere in relativ gutem Ernährungszustande sich befinden und ein Plus von N auf- gespeichert haben. Bei ausgehungerten Tieren, wobei wir unter Hunger eine mindestens zehntägige Fastenzeit verstehen, tritt nach Injektion von Suprarenin keine nennenswerte N-Steigerung ein; das gleiche Verhalten zeigen die Phosphor- und Kochsalzwerte. Es handelt sich demnach bloss um eine Ausschwemmung noch vorhandenen Materials von N, P;0, und NaCl], nieht aber um einen Eiweiss- oder Zellzerfall, der etwa unter Einwirkung von Suprarenin eintritt. Ferner fanden wir, dass in vollkommen ausgehungertem Zu- stande die Suprarenininjektionen keine Glykosurie mehr erzeugen |konform den Angaben von Blum, Herter und Wakemann!) sowie von Velich?)]. Wurde unseren Tieren gleichzeitig mit Fett Suprarenin ver- abreicht, so trat prompt die Glykosurie wieder ein. Bei Hund Nr. 19 zeigte sich die auch schon von Blum beobachtete interessante Tat- sache: das Auftreten einer linksdrehenden Substanz im Urin. Leider war die Urinmenge, die das Tier unmittelbar vor seinem Tode ausschied, zu gering, um die Substanz, welche 0,3°/o Links- drehung — auf Lävulose bezogen — aufwies, weiter zu untersuchen. Wir konnten nur eine Reduktion von Nylander- und Fehling- Lösung feststellen: die Phenylhydrazinprobe führte zu keinem Resultat. Die Eisenchloridprobe in dem Urin fiel negativ aus. In scheinbarem Widerspruch hierzu steht der Befund von Eppinger, Falta und Rudinger; aber ihr Versuchstier — ein l) Herter und Wakemann, Virchow’s Arch. Bd. 169. 1902. 2) Velich, Virchow’s Arch. Bd. 184. 1906. Zur Frage der Zuckerbildung aus Fett. 73 Hund, der nur 72 Stunden gehungert hatte und dabei täglich 1 Stunde in der Tretbahn gelaufen war — war sicherlich noch nicht gerügend elykogenfrei. Die Resultate kommen deshalb für die vor- liegenden Fragen — sowohl bezüglich der N-Ausscheidung als be- züglich der Glykosurieerzeugung durch Adrenalin beim ausgehungerten Tiere — nicht in Betracht, und ihre Thesen: „Adrenalin wirkt auch bei hungernden Tieren nach intensiver Arbeit glykosurisch“ und „der Hungereiweissumsatz wird gesteigert“, bestehen für wirklich aus- gehungerte Tiere nicht zu Recht. Bei Hund Nr. 26 variierten wir den Versuch so, dass zu Anfang 4 cem Suprarenin injiziert wurden. Dabei schied der Hund 0,1 %o Zucker aus. Am 12. Hungertage wurden 5 eem Suprarenin gegeben, worauf als Zeichen dafür, dass der Hund noch nicht vollkommen glykogenfrei war, abermals 0,1°o Zucker im Harn auftrat. Am 17. Hungertage war der Hund glykogenfrei, denn die verabreichte Dosis von 6 cem Suprarenin konnte keine Glykosurie mehr auslösen. Nach der nun folgenden sechstägigen Ölfütterung bewirkte die gleiche Dosis von Suprarenin ein Übertreten von 1,3 °/o Dextrose in den Urin. Um nun der Lösung der Frage näher zu kommen, ob das Fett direkt in der Leber zu Glykogen verarbeitet wird oder ob die Mit- wirkung des Darınes notwendig sei, wurde demselben Tiere von jetzt ab das Öl subkutan injiziert. In Vorversuchen an Kaninchen liess sich eine gute Resorption des Öles nachweisen. Beim Hunde- versuch (Hund Nr. 26) trat nach subkutaner Injektion von Öl eine auffallende Diurese sowie starke Gallenfärbung des Urins auf. Bei gleichzeitiger Suprarenininjektion war die N-Ausscheidung erhöht; eine Glykosurie war jedoch nicht nachweisbar, trotzdem keine Temperatursteigerung zu verzeichnen war. Allerdings ist bisher nur ein einziger Versuch angestellt worden, und ein abschliessendes Urteil ist deshalb noch nicht zu fällen. Immerhin ist dieses Verhalten ein Hinweis darauf, dass Öl, um Glykogen zu bilden, d. h. unter Ab- gabe seines Glycerinanteiles verbraucht zu werden, den Darm passieren muss. — Die Versuche nach dieser Richtung werden fortgesetzt. Resümee. Suprareninerzeugtbeivollkommenglykogenfreien Hunden keine Glykosurie. Dieselbe tritt prompt ein, sobald die Leber aus Öl (Glycerinkomponente) Glykogen "wıusaeidng W99 9 + JO W008 297 °0% — | 68610 zu0 -uepmyqns [O W09 09 'ZL '6I | e6rr0 | 2670 "uru9l i | -vadug 99 9 + wenyqns Jo W908 "201 '8I 7080, ezrr0 | Wal “ueynyqns [JO WI 07 "22 LI \ 97770 | 6080 utwsreidug 09 9 z0q 'CI| — 86510 | 08840 Be scT‘o 2| 08r0 | 3610 “ ‘(o8ejaodung Fun) wodung 'z9q '9I | =. sIq 'zI woA !urmaeadng w9 9 ‘za "II UV = — = Ya 3 06T +10 3 009 Uazurs Wf | 2a NOT SOTOAKOISPONS 8 ca + 10 3 001 10% | = za II "9 wo‘ "Seyodung (LI) AO] ze C| — 9EIT'O | 8808°0 = | S | | ForL0 | S6TO Ss umsneadng uw 9 (Seyrodung '9]) ZI 7 UV = | 2egI20 | 9ILTO — nn = E LLVEO | FECTiO | 82050 3 utmawıdng u0 g (Feyradun 'ZT) "AON 08 WV | 21950 | <O | 991T0 e s7L0 | 9ereo | 28180 ‚Seytodung 'T 'AON '6L| 8860 | 2e8C0 | 948F0 TE 26460 sscT °0001/, wUOIBIdnS WU F "on LT uy N 3667 — uagonyapuny 3091| 0696°T | Fre&o 1980 3 q °T - zjes 30° usdunyıowag Se] o1d N-I04 -Woy | -uesoH — > “IOLLIO], 199997 ‘1088013 ‘Tojıyyuad md) *9g "IN puny gez‘ aoyonz ur | 6Z0L 006 en RUE ANS &gaLg | 1ayonz uraN | OEOL del Ss a 22267 i896°9 | oonz uron | SGOL 061 zen! er | Toranz uroy | OEOL 006 ZOLL], Fe == E= LIETTRUID ES LTE FE] 886r'E 33 0501 066 I EBELICT SS: == ER = BUaLT “ zoq TI "el | Sunaer) pun or | ed ET E01 0F5 ne 22907 55T N — — nasulya le 2 2,2229 TT ICH6L = 08501 or7 720290..07 6.881. "edau Jungen) Fee | pun eo 6c0T 008 20095 I6L4‘s = 601 | 018 ; 3200958 Ge En = my | re ezeg oz sLIas “e704 TO 0801 061 ee ee! ZAK m 080 0c$ Dr ON 062 0c 88 r787 Tr Sscol 06, "AoN 18% "2878 86 690°8 =: LOL 0291 | AON '38 "Te "06 "6 ı Zunaey) pun 89897 | TeJ0d TO IcOL 007 er SRONST LI8S’s | 37, GCOL 0%9 “AoN 'LL "IT ST TI (tgep A u) 1939) yoiheg N aoyonz zodg | aSuam umyedl -JuIeSON) | 75 , oqoaduzeapäyfdusyg "Suryog zZ 9 19 DIUNe [EAN I :JIOIZNP9L ZUBISAqUg = MAT 9% EO = eqsmmyeu SungeapsyurT an ur) WOUISSEIOS YaSLıF WI 0Z UJ "opunıs 2 -nz uonyoluy a9p yaeu uapunys Z AOL] Sep S 9498 uopdweay aayun) "Moizılar uruaaeadas 2 um» GC Spuage ayj) 9 wn uapIoM ‘u 08% | | = u9zued wm ‘aeg u9wwoysg [JO WO OL QOıf | = -38} A9JIOM you punf A9p WÖPWeN "ZaCL '8 | | en en, = ; | | unıae I a == 3 |yl6ol0. | 1810 erleeTs |epunSseloae nn 0L ze S uwuoreidag Su g 'zeq F| 8080 | SSITO | 82200 | 8896'T ER 0807 | 008 | ze FÜ T ron os 2 3 099 u9zuvd wı (UOSSOF9SUTI | | 3 10308 19% qe “Aon 'sz “Futodung 'QT woA | 82080 | @raL0 | 9rEL0 | PRc6T | WENonZ ur | 8z0L DU 22 KON 608 5 00017, uuadeadng 9 8 'aoN La] 88H0 | 64840 | 99720 | 6688T | AOanz ur | SZOL Hr ONE De 20 92 “cz "72 in = Fr =; ——— = | ut de San u woy . eure. sie . . ‘A . = = gesso | 9Earo | SOgET Sn GE01 OB a a EroN 50T S “on '6I Seaadung °T| Sch Er 2. + (8) B:. Bocei: Fig. 1. dehnten Harnblasen vom Meer- schweinchen auf einen elek- trischen Reiz hin stärkere Zu- sammenziehungen erzielt. Als Beleg dafür dient die Fig. 1 (photographisch ungefähr auf ein Drittel der natürlichen Grösse verkleinert): sie zeigt die Zeiteinteilung in Sekunden und in ce auf der Abszisse die Reizungen mit dem In- duktionsstrom; &, 2", x” usw. bezeichnen die mit zunehmen- der Einführung lauwarmen Wassers, 2, 3, 4, 5, 6,7 ccm, immer stärkeren Harnblasen- kontraktionen. Ähnliche Resultate waren schon von Sokoloff und Luchsinger!) in den Ure- theren erzielt worden. DBe- obachtungen wie diejenigen von Straub?), der durch nachfolgende Überdehnungen der Muskulatur des Regen- wurmes superponierte Kon- traktionen beobachten konnte, werden in der Arbeit Bu- resti’s nicht erwähnt. Auf jeden Fall genügen diese Tatsachen sowie die vor- hergehenden Betrachtungen 1) 0. Sokoloff u. B. Luch- singer, Zur Physiologie der Ure- teren. Pflüger’s Arch. Bd. 26 S. 464 ff. 2) W. Straub, Zur Muskel- physiologie des Regenwurms. Pflüger’s Arch. Bd. 79 S. 389. Die Harnblase als Expulsivorgan. Die glatte Muskelfaser. 175 zum. Beweis dafür, dass es notwendig ist, vergleichende Unter- suchungen über die eigentliche elastische und die elastisch-kon- traktile Funktion vorzunehmen, und gerade mit ihnen wollen wir beginnen. Die Fig. 2 zeigt auf der Ebene p eine dreiwegige, mit einem Hahn versehene Röhre; der Ast «a steht in Verbindung mit einer Mohr’schen Bürette, die in Zehntelkubikzentimeter geteilt ist. Der Fig. 2. gegenüberliegende Ast 5b steht in Verbindung mit dem metallischen Quecksilbermanometer von Marey!); der Ast c endlich kommuniziert vermittelst einer feinen Kanüle mit einem elastischen Gummiballon (Ballonbehälter eines Kondoms). Das zur Verbindung der ver- schiedenen Teile dienende Kautschukrohr besitzt ungefähr 2 mm dicke, resistente Wände. Die besonders durch die dreiwegige Röhre gewährleistete gute Funktionierung des Versuchs kann nach vor- 1) E. J. Marey, La methode graphique dans les sciences experimentales p. 604—609. Masson, Paris 1878. 176 B. Bocei: heriger Nivellierung zwischen Manometer und Ebene p sowie nach Füllung des ganzen Systems mit Wasser durch besondere Versuche dargetan werden. | Man bringe den Hahn in die Stellung (1) (Verbindung zwischen Bürette, Blase und Manometer) und suche den Nullpunkt des Druckes. Nun drehe man den Hahn in der Weise, dass der Ballon aus- geschaltet wird (T) und bringe den Manometerdruck auf 10 mm. Es ist klar, dass das Wasser in den Ballon eindrivgen muss, wenn die Verbindung zwischen ihm und dem Manometer (H-) und danu zwischen ihm und der Bürette (—) hergestellt wird. Die durch die Flüssigkeit bewirkte Ausdehnung wird die elastische Reaktion und dadurch ein Steigen des Manometerstandes (j) zur Folge haben. Man gehe, wie vorhin, auf den Druck 0 zurück und dann auf den Druck 10 mm, durch Ausschaltung der Blase. Es leuchtet ein, dass, wenn man den Hahn in der Weise dreht, dass eine Verbindung zwischen der Bürette und dem Gummiballon hergestellt wird, in diesen letzteren Flüssigkeit gelangen wird unter prompter oder lang- samer Wiederherstellung des Niveaugleichgewichts in der Bürette. Im ersteren Falle wird der Manometerdruck gar keine oder kaum eine Veränderung erleiden, sofern man die dreifache Verbindung wiederherstellt: im zweiten Falle dagegen wird er eine Veränderung im Sinne der Abnahme erleiden, wodurch die Ablesung beschleunigt wird. Man muss auch beierken, dass es nicht möglich ist, die letztere stabil zu gestalten, sooft der Gummiballon nach über- wundener Elastizitätsgrenze sich weiteraufbläht, bis er endlich platzt. Danach wird man die zusammenfassenden Resultate der Tab. I leicht verstehen können, aus welcher man eben entnehmen kann, dass die benützte elastische Gummiblase bereits beim Nulldruck dureh das eingelassene Wasser leicht auseinandergefaltet wird und dass man ferner durch Senken der Bürette einen negativen Druck bewirken muss, um Wasser in dieselbe zu aspirieren und dessen Menge in zweiter Lesung zu berechnen (3 eem). Die starke Ein- ziehung und das Zusammenfallen der Blasenwandungen geben den Augenblick an, wo man die oben erwähnte Senkung aussetzen muss. Man kann ausserdem aus der Tabelle entnehmen, dass die Volumina des in die Blase eintretenden Wassers, bei Berücksichtigung einer schwer durchzuführenden gleichmässigen Ablesung der Drucke, wie diese letzteren in arithmetischer Progression zunehmen; dass man Die Harnblase als Expulsivorgan. Die glatte Muskelfaser. 177 ferner die Elastizität der Blase als vollkommen annehmen kann und dass endlich, in Betracht der Resistenz ihrer Wandungen, der Höhe der Flüssigkeitssäule in der Bürette und der Grenze ihrer Hebung, es nicht möglich ist, die sogenannte Elastizitätsgrenze zu über- schreiten. Ganz anders verhält sich die Sache, wenn man eine viel dehn- barere und dünnere Gummiblase benützt; ein Blick auf die Tab. II überzeugt uns sogleich davon. Vor allem, sei es, dass die Drucke um je 5 oder um je 10 ecem zunehmen, muss man wit den Ver- suchen aufhören, sobald der Druck eine gewisse Höhe erreicht hat, indem dann die Blase sich weiteraufbläht. Diese Phase wird durch den Eintritt einer bedeutenden Wassermenge (16,3—15,1 ceem) charakterisiert. ES folgt daraus, dass bei fortgesetztem Sinken des Wassers in der Bürette sich die Ablesung auf das unendliche fort- setzt. Die erhobenen Ablesungen von 16,8—15,1 eem und die rela- tiven Drucke sind daher sehr weit davon entfernt, strenge zu sein; auch ist es nicht möglich, eine arithmetische Progression der Vo- lumina durchzuführen. Tabelle I. Resistente, elastische @ummiblase. Druck) Wasser | Wasser Vorbereitende | in der | in der i = Iy 3 Bemerkungen und nachfolgende Akte En Bürette Gummi- ns 8. | ccm | .blase Nivellierung und Füllung | Angewandte Zeit für jede des ganzen Systems mit | zweimalige Ablesung Wasser. Hahn in drei- (Manometer, Bürette) — facher Kommunikation | 1 Min. und Aufsuchung des Null- | Gruckesa a. 0 471,6 ı ? Verbindung zwischen Bü- | ‘| Temperatur des Wassers rette und Gummiblase; | 12° C. Unveränderlich- Entleerung der Gummi- keit der Drucke in den blasemtme 2 en negat.| 46 | — ausgeführten Kontroll- Wiederherstellung der drei- | versuchen durch Wieder- fachen Kommunikation | | herstellung der dreifachen und des Nullpunktes. . OS RAT, Se Kommunikation zwischen dem einen und dem an- Verbindung zwischen Bü- : | deren Sinken des Was- rette und Manometer. . 5 | 480 — Ken inidär Gummihläse. Verbindung zwischen Bü- | | rette und Gummiblase . — 48,1 | 0,1 10 A al Eon — 224859 | 10,05 io2 10.48.9072 2 — | 49,0 | 0,1 Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd. 155. 12 178 B. Bocei: Wasser | Wasser = B Dr 5 y Vorbereitende ruck in der | in der j 2 ' . Bemerkungen und nachfolgende Akte en Bürette |Gummi- 5 5 ccm blase 20 494 | — 495. 1..0,1 25 499 | — - 49,95 | 0,05 30 50,4 — — | 80,5 0,1 39 50,95 | — —_ 51:00 12.0:05 40 34,05 | — — 94,15 |. 0,1 Wiederherstellung der drei- Bei der Handhabung des fachen Kommunikation : Hahns ist etwas Wasser und des Nulldruckes. . 0 48,1 = abgeflossen. Verbindung zwischen Bü- | rette und Manometer. . 10 ler Verbindung zwischen Bü- | rette und Gummiblase . — 49,0 0,2 zu) 49,7 _ -- 49,9 0,2 30 50,6 — -- 50.8 0,2 +0 51,6 — 51,5 0,2 Tabelle I. Sehr stark dehnbare, elastische Gummipblase. \WV F Druck asser Wasser Vorbereitende in der | in der : in mm 2 ; 2 Bemerkungen und nachfolgenie Akte Ho Bürette | Gummi- 5 g ccm blase | Nivellierung und Füllung Wassertemperatur 12° 0. des ganzen Systems mit | Wasser. Hahn in drei- | facher Kommunikation und Aufsuchung des Null- druckes nen: 2. 0 34,9 2 Kommunikation zwischen Bürette uindGummiblase; Entleerung der Gummi- blasen. 2. 2 lnegatals 251,9 —_ Wiederherstellung der drei- fachen Verbindung und des Nulldruckes. . . . 0 54,9 3,0 Kommunikation schen | Bürette und Manometer Kommunikation zwischen | Bürette und Gummiblase | — 55,6 0,3 or IS, St So | Die Harnblase als Expulsivorgan. Die glatte Muskelfaser. 179 - : = _ Dach Wasser | Wasser Vorbereitende : in der | in der B = [Er - emerkungen und nachfolgende Akte ee Bürette | Gummi- 2 Eeesccm | blase 1073256:022| 2 — — | 56,4 0,4 15521,06,92 0 == 57,4 0,5 2022 22.0458% — — 58,7 0,9 25 | 59,1 — - 61,2 2,1 30 61,6 — $ — | 784 16,3 | Beschleunigte Ablesung; be- Aufsuchungdes Nulldruckes ) 55,1 _ enle nuckahnebnr Verbindung zwischen Bü- | en una rette und Manometer. . 10 56,3 — 2 Verbindung zwischen Bü- rette und Gummiblase . - 57,2 | 0,9 20 5719 | — = 5398. 0:14 30 60,1 _ — 15,2 15,1 Beschleunigte Ablesung; be- deutende Druckabnahme (dreifache Kommunika- tion). Dem konstanten Unterschiede von 5 oder 10 in den beiden Druckserien entsprechen in beiden Fällen veränderliche Volum- unterschiede. Wir übergehen viele andere Resultate, da sie zu diesen oder jenen gehören, die unmittelbar vorhergehen (Tab. I). Zusammen- fassend muss man beim Studium der Elastizität solcher Gummiblasen folgende Phasen unterscheiden: Phaseder Auseinanderfaltung, bei welcher die zusammen- gefallenen Wände dureh das bald in grösserer, bald in geringerer Menge eindringende Wasser auseinandergefaltet werden. Sie ent- spricht dem manometrischen Nullpunkte. Phase der Distension und derelastischen Reaktion. Wenn der Eintritt der letzteren genau von demjenigen jener ab- hängt, nehmen Drucke und Volumina in arithınetischer Reihe zu; nach der in relativ kurzer Zeit (in ungefähr 1 Minute) vorgenommenen Ablesung am Manometer und darauf in der Bürette ändert sich das Manometerniveau nicht, sofern man durch eine geeignete Drehung des Hahnes die dreifache Verbindung herstellt. Der untersuchte Körper (die Gummiblase in der Tab, I) ist im wahren Sinne des 128 180 B. Bocei: Wortes elastisch. Wenn dagegen das Verhalten der elastischen Reaktion nicht genau von der wegen der enthaltenen Flüssigkeit eintretenden Deformation (Distension) abhängt, dann gelinet es nicht, mit den erhaltenen Volumina eine Zahlenreihe zusammenzustellen, welche einen konstanten Unterschied zwischen den einzelnen Zahlen und der vorhergehenden aufweist: wenn man die Ablesung zuerst am Manometer und nachher an der Bürette vornimmt, erleidet das Manometerniveau keine Veränderung oder bloss dann, wenn man durch Drehung des Hahns die dreifache Kommunikation herstellt. Es tritt keine Veränderung ein, wenn die genaue Ablesung an der Bürette in einer relativ kurzen Zeit möglich war; wenn man jedoch die Ablesung wegen des wenn auch geringen, aber doch fort- währenden Sinkens der Flüssiekeit verlängern musste und gleich- wohl eine Ausrechnung der Kubikzentimeter vorzunehmen hatte, dann sinkt das Manometer, wenn man durch Drehung des Hahns die dreifache Verbindung herstellt. Der untersuchte Körper (die Blase in der Tab. II) ist unvollständig elastisch. Phase der Überdehnung. Es handelt sich dabei um die Übertreibung des letzten Phänomens; und in der Tat wird sie von einer sehr verlängerten Ablesung des Büretten- und Manometer- niveaus begleitet. Es muss bemerkt werden, dass die sehr stark dehnbaren und dünnen Gummiblasen leicht platzen. III. Die Elastizität in exstirpierten Harnblasen. Bei Anwendung der oben auseinandergesetzten Methode gelangt das Wasser jedesmal, wenn der Hahn von der zwischen Bürette und Manometer bestehenden doppelten Verbindung, durch welche ein positiver Druck erzeugt worden ist, in Verbindung mit der Bürette und der vorher entleerten Harnblase tritt, unfehlbar in die letztere ein, sofern der Katheter bis zum Harnblaseneingang vorgeschoben worden ist und passive oder aktive Zusammenziehungen des Organs es nicht teilweise oder gänzlich verhindern. Die passiven Kontraktionen entstehen, wenn die volle Blase bei geschlossener oder ganz wenig offener Abdominalhöhle in situ ge- lassen wird; sie sind meist auf zu ausgiebige Bewegungen des Zwerch- fells nach unten hin zurückzuführen, wodurch die Eingeweidemassen und die benachbarten Organe nach unten gedrängt werden. Die aktiven Kontraktionen sind auch in isolierten und exstirpierten Die Harnblase als Expulsivorgan. Die glatte Muskelfaser. 181 Blasen gut zu beobachten und sind unter dem Namen von Spontan- kontraktionen bekannt. Wenn es auch wahr ist, dass die tiefe Narkose (Chloroform, Äther, Chloral, Morphium, intravenös injizierte Opiumtinktur) das Tier inmobilisiert und zu einer gewissen Zeit die Atmungsbewegungen des Zwerchfells vermindert, so steht es anderseits auch fest, dass diese auch nicht nach Durchschneidung der Zwerchfellnerven gänz- lich aufhören; die Lunge bewirkt nämlich durch ihre Auf- und Ab- blähung, dass das gelähmte Zwerchfell kleine Schwankungen aus- führt, welche mit Hilfe eines kleinen Phrenographen auf einen Schreibhebel übertragen werden können. Die durch einen starken Induktionsstrom bewirkte gleichzeitige Reizung der peripheren Fig. 3. Stümpfe der durchschnittenen Nerven verändert und verstärkt jene kleinen Bewegungen. Die Fig. 3 zeigt dies: ab bedeutet die Zeit in Sekunden ausgedrückt; ed ist die Abszisse; gf, fg Atmungs- schwankungen des nach Durchschneiden der Zwerchfellnerven ge- lähmten Zwerchfells; ff Reizwirkungen. Wenn man derartige kleine Bewegungen vernachlässigt, kann man annehmen, dass die Narkose einerseits und der Schnitt durch die Zwerchfellnerven anderseits in der Mehrzahl der Fälle jede passive Zusammenziehung der Harnblase unmöglich machen; dies ist jedoch nicht in allen Fällen so; denn, wie ich selbst habe beobachten können, die letzten Abschnitte des übermässig gefüllten Darms und der Uterus bei vorgeschrittener Gravidität vermögen durch Austreibversuche die volle Blase zu be- einflussen, auch wenn die Zwerchfellnerven durchschnitten sind. Die aktiven Zusammenziehungen der Harnblase kommen durch ihre glatten Muskelfasern zustande, die zu ihrem Bau beitragen; der Name Detrusor muss daher auf die gesamte Muskelwandung 182 B. Bocci: ausgedehnt werden'), Wie kann man die elastische Wirkung der Harnblase für sich studieren, wenn man vorher nicht versucht, jene Zusammenziehungen zu verhindern? In dieser Hinsicht ist die Wirkung gewisser Gifte zweifelhaft und unvollständig; man hätte besser seine Zuflucht zur vitalen Ermüdung der Muskelfaser nehmen können, die sicher eintritt infolge unterbundener Blutzirkulation und Aussetzung der Luft bei niedriger Temperatur. Wenn man aber auf diese Weise die kontraktile Funktion in Frage stellt oder gänz- lich unterdrückt, wer wird uns dann dafür bürgen, dass nicht gleich- zeitig die elastische Funktion Schaden nimmt? Die Lösung der Frage musste in der Paralleluntersuchung isolierter, noch aus- gezeichnet kontraktiler und isolierter, auch der geringsten Kon- traktion unfähiger Harnblasen gesucht werden. Man vergewissert sich dieser entgegengesetzten Bedingungen, indem man die aus dem grossen, die metallische Kammer des Marey’schen Manometers nach oben abschliessenden (Fig. 2) Pfropfen herausschauende: Vertikalröhre mit einer Marey’schen Schreibkapsel in Verbindung setzt. Das vorher in die Kammer ein- gelassene Wasser setzt die inneren Deformationen der Aneroidkapsel in Schwankungen des Flüssigkeitsniveaus um. Wenn sich jedoch der dreiwegige Hahn in der zur Einführung von Wasser in das Manometer und in die Harnblase geeigneten Stellung befindet, so ist es klar, dass diese Manipulation nicht gleichmässig gestaltet werden kann, solange zur Hebung der Bürette “die ungleichmässige und immer verschiedene Bewegung der Hand benützt wird; wenn man in der Tat die Spitze, in welche der Hebel der oben erwähnten Schreibkapsel endigt, einer mit berustem Papier bedeckten rotierenden Trommel nähert, erhält man Kurven ent- sprechend jenen verschiedenen und unregelmässigen Bewegungen. Die Bürette wurde daher, dieses Mal gefüllt mit wenigen Kubik- zentimetern Wassers, an ihrer Stütze stabil fixiert, sobald man den manometrischen Nullpunkt gefunden hatte. Man bewirkte die Druck- zunahmen, indem man aus einem aufgesetzten Behälter, welcher mit geeignetem Hahn und mit einem in einer Glasspitze endigenden Gummirohr versehen war, Wasser in die Bürette einfliessen liess. Fig. 4 zeigt zwei auf diese Weise mit Meerschweinchenharn- blasen (9) erhaltene Aufzeichnungen; man erkennt an ihnen oft den 1) G. Chiarugi, Anatomia dell’ nomo lib. 2 fasc. 1 p. 415. Die Harnblase als Expulsivorgan. Zeitpunkt, in welchem das Einfliessen des Wassers beginnt (v)_und wo es aufhört (4). Die Zahlen 10, 20, 30, 40, 50 geben in He-Millimetern die Anfangsdrucke an vor jeglichen Ein- fliessens von Wasser. Man darf wohl behaupten, dass die Linien mit grosser Regelmässigkeit und ohne brüske Varia- tionen emporsteigen, ein Beweis dafür; dass die Blasen jede Befähigung zur Kontraktion durch einfache Distension verloren hatten. In der Annahme, dass die stetig zunehmenden Drucke der Muskelreaktion hinderlich sein könnten, unterbrach mıan sie in anderen Versuchen von Zeit zu Zeit, jedoch immer mit negativem Resultat. Die beiden Harublasen blähten sich gleich nach der Exstirpation etwas mit Wasser auf, das durch die mit Pean’s ab- geschlossenen Urethralöffnungen ein- gelassen wurde, und man liess sie während 36 Stunden der umgebenden Luft ausgesetzt (Temperatur während des Tages 12° C., während der Nacht unter 6° C.). Es genügt eine aufmerksame Be- obachtung der Tab. III und IV, um aus ihr zu entnehmen, dass bei Nulldruck bei.le Blasen sich unter Wasseraufnahme auseinanderfalten, dass ferner den Druck- zunahmen von je fünf auch verschiedene Volunina entsprechen, dass die zwei charakteristischen Phasen ersichtlich sind (Phase der Auseinanderfaltung, der Ausdehnung und der elastischen Reak- tion), dass die elastische Reaktion un- vollständig war, dass endlich die Phase der Überdehnung der dünnen Gummi- Die glatte Muskelfaser, \ f) 1 | \ Naymı et 184 B. Bocei: blasen durch die Phase der Imbibition und der Transsudation ersetzt wird, ohne dass für letztere die Anfangsdrucke bei Wiederherstellung der dreifachen Kommunikation des Hahns merklich variieren. Was würde aus dieser unvollständigen Elastizität der Harnblase werden, wenn man die Untersuchung gleich nach der Entfernung des Organs aus Meerschweinchen vornimmt, die an Verblutung (Durchschneiden der Halsgefässe) eingehen oder enthauptet werden und bei denen man die Sphinkteren und den Muse. detrusor durch Anämie oder Kälte reizt? Die Antwort darauf findet man in den Tab. V und VI, aus denen hervorgeht, dass bei Nulldruck kein Wasser in die Blase hineingelangt und daher die Phase der Aus- einanderfaltung ausbleibt; bei einem Drucke von 10 mm dringen 0,2 cem Wasser ein, wenn der Katheter den äusseren Sphinkter der Urethra überwunden und über ihn hinaus gedrungen ist, während im entgegengesetzten Fall nichts eindringt, auch nicht bei 30 mm; man kann ausserdem behaupten, dass Volumina und Drucke in arith- metischer Progression zunehmen und dass daher die Phase der Aus- dehnung und elastischen Reaktion vollständig ist oder auch, dass sie genau von der durch den Flüssigkeitsgehalt bedingten Deformation abhängt, und dass endlich die letzte Phase der Imbibition und der Transsudation fehlt. Tabelle Ill. Exstirpierte Meerschweinchen-Harnblase (2). Druck Wasser : : Wasser Vorbereitende ; in’der: | - inmm| nı. in’ der Bemerkungen und nachfolgende Akte Hr Break Bass Nivellierung und Füllung Ungefähre Zeit für jede des ganzen Systems mit | zweimalige Ablesung(Ma- Wasser. Hahn in drei- | nometer, DBürette) = facher Kommunikation | 1 Min. und Aufsuchung des Null- drückes2 2.07... 0 34,9 ? Kommunikation zwischen Wassertemperatur—= 12°C. Bürette und Harnblase; Druck in den Kontroll- Entleerung der Blase . |negat.| 33,6 — versuchen ungefähr unver- Wiederherstellung der drei- änderlich durch Wiceder- fachen Kommunikation herstellungder dreifachen und des Nulldruckes. . N) 34,3 0,7 Kommunikation zwischen Kommunikation zwischen a Tann Bürette und Manometer 5 34,7 En al LIKE ES £ Wassers in die Blase. Kommunikation zwischen Bürette und Harnblase . — 35,5 0,6 10 | 35,6 — 36,3 0,7 Die Harnblase als Expulsivorgan. Die glatte Muskelfaser. 185 | | Wasser Vorbereitende u uc in der Be Bemerkungen und nachfolgende Akte |" Bürette N = . H cem ase 15 368, u 090,982 00,7 20 — = 1788,2 0,5 25 38,6 — — 39,1 0,5 30 39,4 — Die Harnblase transsudiert — | 89,8 0,4 an einzelnen Stellen. 85..:1,40,3 — | Die Harnblase transsudiert — 40,6 0,4 an mehreren Punkten. 40 41,0 -- Die ganze Harnblase trans- —_ 41,3 0,3 sudiert, dabei ist auch die 45 41,7 2 Ebene p (Fig. 2) befeuch- — | 43,0 0,3 tet. 50 42,4 — — 42,6 0,2 | DieHarnblase trieft deutlich. Tabelle IV. Exstirpierte Meerschweinchen-Harnblase (2). Wasser | Wasser . Druck |: F Vorbereitende : | in der | in der > Sy und nachfolgende Akte a Bürette | Harn- Benerkingen g ccm blase Nivellierung und Füllung Ungefähre, für jede zwei- des ganzen Systems mit malige Ablesung (Mano- Wasser. Hahn in drei- meter, Bürette) verwen- facher Kommunikation dete Zeit=1 Min. und Aufsuchung des Null- druckesee pe 0) 87,3 ? Kommunikation zwischen Wassertemperatur— 12° C. Bürette und Harnblase; So gut wie unveränderlich Entleerung der Blase negat. 86,1 e= sind die Drucke in den Wiederherstellung der drei- Kontrollversuchen durch fachen Kommunikation Wiederherstellung der und des Nulldruckes . . Ve 873 10 dreifachen Kommuni- Kommunikation zwischen | | kation zwischen einem Bürette und Manometer. DER STEbE Sinken des Wassers in See ; die Harnblase und dem Kommunikation zwischen anderen. Bürette und Harnblase . —_ 89,8 22 10 90,2 — — | 9,9 0,7 19259153 _ — 91,8 0,5 20 92,2 — _ 92,5 0,3 25 92,8 _ -- 93,1 0,3 30 93,5 -- — 93,7 0,2 35 94,2 = — | 944 | 0,2 | Transsudation. IS6 b. Bocei: Tabelle V. Exstirpierte Harnblase eines grossen Meerschweinchens (5). Drück Wasser Wasser Vorbereitende in der | in der 3 ? p und nachfolgende Akte en Bürette | Harn- PEmeI ans ccm blase | Nivellierung und Füllung | Gleich nach Exstirpation des ganzen Systems mit der Harnblase mitsamt Wasser. Hahn in drei- der Prostata, den Testi- facher Kommunikation keln und den Nieren und Dune des Null- wird die Kanüle bis durckes.. ) 21,9 — nahe an den äusseren Sphinkter eingeführt, ohne ihn jedoch zu passieren. Kommunikation zwischen Zu jeder zweimaligen Ab- Bürette und Manometer, lesung ungefähr nötige dann zwischen Bürette Zeit(Manometer, Bürette) und Harnblase. 5) 22,3 — 1Min. Wassertempera- 10 22,7 — tur = 12°C. Drucke un- 195 |v 28,1 — veränderlich (1). 20: |: 28,9 — 30 24,3 zn 40 25,0 — —_ 25,3 0,3 50 26,0 = — 26,3 0,3 60 27,1 — 27,4 0%: 70 28,1 —- _ 23,4 0,3 30 29,1 — — 29,42 1...:0,8 90 — : | —.. [Man nimmt den Hahn ab; es kommt Wasser heraus. Der Versuch wird unter- brochen; eine Transsu- | dation ist nicht bemerk- bar. Tabelle VI. Exstirpierte Harnblase von einem kleinen Meerschweinchen (8). Wasser | Wasser | RR Druck | Vorbereitende En in der | in der Bemerkungen und nachfolgende Akte Ho Bürette | Harn- 2 8 ccm blase | Nivellierung und Füllung | Gleich nach Exstirpierung des ganzen Systems mit der Harnblase mitsamt Wasser. Hahn in drei- | | der Prostata, den Hoden facher Kommunikation | | und den Nieren wird die und ned des Null- | Kanüle eingeführt unter druckes. ... . 09.1.0888... 1.0 Uberwindungdesäusseren | Sphinkters. Die Harnblase als Expulsivorgan. Die glatte Muskelfaser. 187 Wasser | ser Druck sser | Wasser Vorbereitende | in der | in der Benerlunsen und nachfolgende Akte |. | Bürette | Harn- ne Hg | ccm blase _—— 000 Kommunikation zwischen Ungefährer Zeitraum zu Bürette und Manometer | 10 39,6 — jeder zweimaligen Ab- Kommunikation zwischen lesung (Manometer, Bü- Bürette und Harnblase . _ 39,8 0,2 rette) — 1 Min. Wasser- 0 40,5 2 temperatur = 12° C. a 40,6 01 Druckeunveränderlich(l). 30 41,5 — — 41,6 0,1 40 42,3 _ — 42,4 0,1 50 45,1 — == 43,2 0,1 60 43,9 — = 4,0 | 01 70 48 | — = AI ON 30 45,6 _ Es läuft Wasser aus dem — 45,7 0,1 Hahn heraus; man be- Entleerung der Harnblase. | negat. — 5 merkt keine 'Transsuda- Hahn in dreifacher Kom- ns u ee den munikation und Auf- ES AN suchung des Nulldruckes 0 58,0 — Kommunikation zwischen Bürette und Manometer 20 59,3 —_ Kommunikation zwischen Bürette und Harnblase . — 59,7 0,2 40 | 613 — — 61,5 0,2 60 63, — = 63,2 0,2 80 64,6 — — 64,8 0,2 IV. Transsudation aus Harnblasen infolge von unter Druck enthaltener Flüssigkeit. Elastizität der lebenden, mit. zirku- lierendem Blut versorgten Harnblase. Wir haben bereits bei der veränderten Harnblase des Meer- schweinchens auf die Transsudation hingewiesen, die schon bei 30—35 mm Druck bedeutend ist. Diese Transsudation ist auf der äusseren Blasenoberfläche an wenigen zerstreuten Tröpfchen erkenn- bar, die kleinen Schweisstropfen vergleichbar sind; in der Folge werden die Tröpfchen zahlreich, nähern sich und fliessen zu grossen Tropfen zusammen, wodurch der Prozess den Anschein einer echten Filtration gewinnt. 188 B. Bocci: Da nach Entledigung der Blase von der in ihr enthaltenen Flüssiekeit und nach deren Ausdrücken zwischen den Fingern die- selbe noch wie ein kleiner Schwamm weitertropft, kann es keinem Zweifel obliegen, dass Wasser in ihrem Gewebe zurückbehalten worden ist unter Verschluss der Poren, die durch den aus dem Innern ausgeübteu Druck erweitert worden waren; dies stellt eben die Imbibition dar. | Wie soll man sich jedoch die Tatsache erklären, dass es Blasen gibt, die bei 30—35 mm tatsächlich filtrieren, während es anderseits solehe gibt, die bei 80 mm Druck gar keine Spur von Transsudation aufweisen? Man wird vielleicht darauf antworten, dass die letzteren sehr wenig Wasser aufnahmen, während die anderen davon mehrere Kubikzentimeter erhielten. Diese Annahme verliert jedoch jeglichen Wert, sobald man bedenkt, dass die lebende Harnblase, d. h. bei zirkulierendem Blute, sich durch viel grössere Flüssigkeitsvolumina ausdehnen lässt, ohne dass ein Tröpfchen Wasser an die äussere Oberfläche gelangt. Man wird einwenden, dass die in den erwähnten Versuchen benützten filtrierenden Harnblasen sicherlich etwas von ihrer Elastizität eingebüsst ‚hatten. Diese ungefähre Beurteilung kann jedoch denjenigen nicht befriedigt lassen, der in strenger Weise experimentieren will, und ich hielt es daher für notwendig, die einzelnen Teilakte der angestellten Untersuchungen in genau ab- schätzbaren graphischen Bildern darzulegen. Die Sache musste leicht gelingen; es genügte schon, einen kurzen, hohlen Glaszylinder zu nehmen, der an den Enden mit ein- geschliffenen Stöpseln verschlossen ist, die ihrerseits zwei Metall- röhrehen tragen, ein zuführendes für das Organ, das daran an- gebunden wird, und ein abführendes für die Schreibkapsel. Wenn man das zuführende Röhrchen mit dem Ast e (Fig. 2) und die Wanne des grossen Manometers mit einer anderen analogen Schreibkapsel verbindet, können die schreibenden Federn in doppelter Aufzeichnung die einzelnen vorhin erwähnten Akte fest- legen. Die Aufzeichnung auf Fig. 5 erhielt man mit der Gummi- blase aus der Tab. I; sie weicht wenig von derjenigen ab, die man erhalten hätte, wenn man die Harnblase auf Tab. V und VI benützt hätte. ab der Fig. 5 bedeutet die Linie, nachdem man eine der Schreib- kapseln mit dem Metallmanometer Marey’s in Verbindung gesetzt und Die Harnblase als Expulsivorgan. Die glatte Muskelfaser. 189 in diesem einen Druck von 20 mm erzeugt hat. Der dreiwegige Hahn (Fig. 2) war derart gedreht, dass die Blase ausgeschaltet wurde. a'b’ bedeutet die mit der anderen Schreibkapsel erhältene Linie (Blase bei Nulldruck). be ist die absteigende Linie des Manometerdrucks. Der Hahn wurde so gedreht, dass die Bürette ausgeschaltet wurde. b’c' bedeutet die Linie der gleichzeitigen Aufblähung der Blase durch Wasser, das aus der Manometerkapsel in sie eindringt. d'e' bedeutet die Kurve der zweiten Aufblähung der Blase durch Wasser, das aus der Bürette kommt, sobald der Hahn so gedreht wird, dass eine Kommunikation zwischen ihnen hergestellt wird. e'f' bedeutet die Kurve der elastischen Reaktion der Blase: ef bedeutet die Linie des wiederaufsteigenden Manometerdrucks, sobald die drei Wege der Röhre abc in Funktion treten (Fig. 2). Die Aufzeichnung auf der Fig. 6 erhielt man dagegen mit der Gummiblase aus Tab. II; sie weicht jedoch von derjenigen ab, die man hätte bekommen können, wenn man die Harnblase aus Tab. III und IV verwendet hätte. Bei einem gewissen Punkt (30 mm Hg) überdehnte sich die Gummiblase unter bedeutender Abnahme des Anfangsdrucks; die Linie fg steigt in der Tat deutlich herunter. Derselbe Versuch, mit den transsudierenden Harnblasen (35 bis 40 mm He) aus den Tab. III und IV angestellt, ergab ähnliche Aufzeichnungen, jedoch mit fast horizontalen Drucklinien (fg), und zwar in vollkommener Übereinstimmung mit dem, was auf denselben Tabellen unter „Bemerkungen* geschrieben steht. 190 B: Boccı: Es ist nicht ohne Wert, beizufügen, dass bei denselben Druck- höhen (35—40 mm He) aus solehen Blasen hypotonische, isotonische, hypertonische Kochsalzlösungen, die Ringer’sche Lösung sowie die Kuhmilch mit ihren kleinsten Fettkügelchen (0,2—0,5 u) durch- filtrierten. Es wäre sicherlich interessant, das Verhalten der verschiedenen Lösungen in Harnblasen zu untersuchen, in denen noch die volle oder nur wenig verminderte kontraktile Funktion besteht, und noch angebrachter wäre es, identische Versuche an normal mit Blut ver- soreten Blasen vorzunehmen. Fig. 6. > Diese Untersuchungen über die Imbibition und die Transsudation hätte man mit denen von Fasola und Galeotti!) über die Permeabilität verbinden können: wir haben jedoch unterlassen, näher darauf einzugehen, um das Theina nicht aus dem Auge zu verlieren, das wir uns eigentlich vorsteckten und das die komplizierte Funktion der Blase betrifft. Zusammenfassend ist es angebracht, an das verschiedene Ver- halten der KHlastizität zu erinnern, wie es sich in seit wenigen Minuten herausgeschnittenen Blasen darstellt (Durchschneiden der Halsgefässe, Enthauptung) und in solchen, die nach einigen Stunden entfernt werden. In den ersteren war die Elastizität vollkommen, in den letzteren unvollkommen; in diesen fand man die Phasen der 1) G. Fasola et G. Galeotti, Recherches experimentales sur la per- meabilite de la vessie, Arch. ital. de Biol. t. 39 p. 292—295, 1903. Die Harnblase als Expulsivorgan. Die glatte Muskelfaser. 191 Auseinanderfaltung, der Dehnung und elastischen Reaktion, der Imbibition und Transsudation, in jenen nur die Zwischensphase und unter deutlich regelmässigem Verlauf. Dies alles würde jedoch noch nicht genügen, um verständlich zu machen, in welcher Weise sich unter den bekannten Versuchs- bedingungen die Blase in situ, mit ihren normalen Beziehungen, und gehörig mit Blut versorgt verhalten hätte. Wir wollen hier den Leser nieht mit der detaillierten Beschreibung vieler in dieser Be- ziehung ausgeführten Untersuchungen langweilen, und fassen wir besser die verschiedenen Ergebnisse folgendermaassen zusammen: „Die lebende Harnblase zeigt in situ und mit zirkulierendem Blut versorgt ein verschiedenes Verhalten ihrer Elastizität; im Be- sinn jeder Untersuchung ist sie wenig, in den Zwischenstadien sehr elastisch; sie weist die Phasen der Auseinanderfaltung, der Dehnung und der elastischen Reaktion auf und nur ausnahmsweise (bei Druck- höhen, die in vivo nicht in Frage kommen) auch die Phase der Imbibition und der Transsudation. „Selten lässt sich auch mit dem bis zur Blaseneinmündung ein- geführten Katheter Urin entleeren, den sie auf Grund eines starken, dureh das Sinken der Bürette bedingten negativen Druckes enthält; entsprechende Manipulationen auf dem Hypogastrium erleichtern immer das Ergebnis. Dies ist bei den männlichen Meerschweinchen gewöhnlich der Fall; bei den weiblichen Tieren folgt auf die Ein- führung des Katheters gewöhnlich Harn- und Kotentleerung. „Nach Entleerung der Blase und Wiederherstellung des mano- metrischen Nulldrucks nimmt das Organ Wasser auf, falls es zu- sammengefallen ist; dagegen nimmt es keines auf, wenn es sich in aktiver Kontraktionsstellung befinde. Wenn der Katheter sich an der Blaseneinmündung befindet, genügt meist ein Druck von 5—10 mm Hg, um jenen Widerstand zu überwinden und Flüssig- keit in bedeutender Menge eindringen zu lassen, besonders wenn es auf 36—38° C. erwärmt ist. „Diese erste Wassermenge ist genau proportional mit der Weite des Organs, das gedehnt werden soll. Während der Dehnung sinkt der anfängliche manometrische Druck im Augenblick, in welchem der Hahn von der Stellung — (Verbindung zwischen Blase und Bürette) in die Stellung j (Verbindung zwischen Bürette, Blase und Manometer) gebracht wird. „Wenn der Anfangsdruck mit dem in dreifacher Verbindung 192 B. Boceci: Die Harnblase als Expulsivorgan. Die glatte Muskelfaser. stehenden Hahn sich zu erhalten sucht, kommen die elastische Reaktion sowie die Zusammenziehung des Detrusors zur Geltung. „Wenn man sie kombiniert, beobachtet man starke Niveau- schwankungen in der Bürette und im Manometer. „Wenn die elastische Reaktion allein zur Wirkung kommt, er- hält man Gleichgewicht des Manometerdrucks, d. h., wenn man einen Druck von z. B. 20 mm hergestellt hat (Verbindung zwischen Bürette und Manometer) und z. B’ um 0,5—2 ceem heruntergeht (Verbindung zwischen Bürette und Blase), ändert sich das Niveau des Manometers nicht, auch wenn die dreifache Verbindung wieder- hergestellt wird. „Von diesem Momente an werden die eingelassenen Mengen mit prompten und proportionalen elastischen Reaktionen im Ver- hältnis zur erhöhten Resistenz der Blasenwandungen immer kleiner. Die Volumablesungen werden mit grosser Schnelligkeit und Genauig- keit ausgeführt, natürlich vorausgesetzt, dass keine Muskelkontraktionen stattfinden. „Sobald die Ablesung an der Bürette schwieriger und langsamer erfolet, pflegt ein leichtes Überwiegen der Dehnbarkeit über die elastische Reaktion einzutreten. „Wenn man annimmt, dass die Narkose des Tieres weiter dauert, und wenn man von den aktiven und den passiven Blasen- kontraktionen absieht, dann wird man in die Blase variable Flüssigkeitsvolumina eintreten sehen; dabei rufen die wegen des Inhaltes eintretenden ÖOrgandeformationen immer noch bedeul nude elastische Reaktionen hervor. „Während es bei den dünnen und dehnbaren Gummiblasen (Tab. II) möglich ist, mit einem gewissen Druck die Elastizitäts- grenze zu überwinden und so eine Überdehnung zu bewirken, findet dies in den Harnblasen nicht statt, da sie so viel Flüssigkeit in sich aufnehmen, als dieselbe sie in den höheren Lagen der Bürette dazu zwingt. Natürlich blähen sie sich deswegen auf; ihre Wandungen werden immer dünner, die Gefässwandungen verschliessen sich, die Zirkulation wird total unterdrückt, die Parenchymporen erweitern sich, und es beginnt die partielle Transsudation. „Endlich kommt es, sofern man den Druck nicht sofort er- niedrigt und das Organ teilweise oder gänzlich entleert, zur Filtration, wodurch dessen Vitalität für immer in Frage gestellt wird.“ 195 Über die Anlockung des Weibchens von Gryllus campestris L. durch telephonisch übertragene Stridulationslaute des Männchens. Ein Beitrag zur Frage der Orientierung bei den Insekten. Von Prof. Dr. Johann Regen in Wien. (Mit 1 Textfigur.) Vorwort. Nach den im Jahre 1912 durchgeführten Versuchen !) interessierte mich die Frage, ob sich die Stridulationslaute des Männchens von Gryllus ecampestris L. (= Lioeryllus campestris L. — Acheta campestris L.) durch das Telephon übertragen ließen, und ob derartig übertragene Zirplaute auf das Weibehen dieser Spezies eine ähnliche Wirkuug ausübten wie jene, die direkt von dem Männchen ausgehen. Diesen Untersuchungen stellten sich aber anfangs insofern Schwierigkeiten entgegen, als die gewöhnlichen Telephone die Stridu- lationslaute nicht in gewünschter Stärke übertrugen und hierfür ge- eignete Apparate erst gefunden werden mußten. Obgleich auch diese noch keineswegs die erreichbare Voll- kommenheit besaßen, sind doch die ersten Versuche gelungen, und ich will die bisher gewonnenen Resultate hier mitteilen. Meinem lieben Freunde und hochgeschätzten Gönner, Herrn Wilhelm Ritter von Gutmann, auf dessen Anregung und mit dessen Unterstützung diese Untersuchungen in Angriff genommen wurden, bin ich zum größten Danke verpflichtet. I. Vorversuche. Die Zirplaute der Männchen von Gryllus campestrisL. haben gewisse Eigentümlichkeiten, die vom menschlichen Ohr ohne 1) Regen, Experimentelle Untersuchungen über das Gehör von Liogryllus campestris L. Zool. Anz. Bd. 40 Nr. 12 vom 29. Oktober 1912. Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd. 155. 13 194 J. Regen: weiteres festgestellt werden können. Sie sind sehr hoch), ungemein schrill und erklingen wie ein Rrrr. Im Hinblick auf diese ihre Eigentümliehkeit könnte man sie, entsprechend dem intermittierenden Konsonanten R, ebenfalls als intermittierend bezeichnen. Diese Bezeichnung wäre, soweit ich bis jetzt durch photographische Registrierungen der Zirplaute feststellen konnte, wenigstens in vielen Fällen auch in streng physikalischem Sinne zutreffend. 1. Apparate. Ich war bemüht, Apparate zu konstruieren, welche die Stridulations- laute in voller Stärke und Natürlichkeit übertragen sollten. Obgleich hierfür viel Zeit und nicht geringe Mittel geopfert wurden, waren die mit diesen Apparaten erzielten Erfolge doch nicht wesentlich verschieden von denen, die mit den hier angeführten, allerdings etwas geänderten Apparaten erreicht wurden. Es waren dies: a) ein Kugelmikrophon in Verbindung mit einem sehr empfind- lichen Dosentelephon ; b) ein Starktontelephon mit dem dazugehörigen Mikrophon. Die Versuche mit dem Kugelmikrophon und Dosentelephon er- gaben folgendes: 1. War das Mikrophon vom zirpenden Tier etwa 6 cm entfernt, so gab das Telephon nur das Intermittierende, nicht aber auch die Höhe des Zirplautes deutlich wieder. Das Rrrr klang zwar ziemlich laut, war aber viel tiefer als der vom Tier hervorgebrachte Ton. Nur mit Mühe konnte ich bei unmittelbarem Anlegen der Telephon- ımuschel an mein Ohr einen Oberton von der Höhe des Zirplautes wahrnehmen. 2. Wurde die Entfernung zwischen dem Tier und dem Mikrophon bis auf etwa 20 em vergrößert, so kam die Höhe der Zirplaute besser zum Ausdruck, das Intermittierende derselben aber war weniger deutlich zu erkennen. Bei der Verwendung des Starktontelephons und des entsprechenden Mikrophons war die Wiedergabe der Zirplaute, wenigstens für das 1) Kreidl-Regen, Physiologische Untersuchungen über Tierstimmen. I. Mitt. Stridulation von Gryllus campestris. Aus den Sitzungsber. der kaiserl. Akad. der Wissensch. in Wien. Mathem.-naturw. Klasse Bd. 114, Abt. 3. Februar 1905. Über die Anlockung des Weibchens von Gryllus campestris L. etc. 195 menschliche Ohr, am besten. Die Versuche gelangen jedoch vor- läufig nur mit den früher genannten Apparaten. 2. Versuchstiere. Eine Schar von 20 munteren Männchen, die mir durch ihr un- ermüdliches Gezirpe fast immer die gewünschte Schallquelle zur Verfügung stellten, war leicht zu beschaffen. Was aber die eigentlichen Versuchstiere, die Weibchen, anbelangt, so war das Auffinden eines geeigneten Versuchstieres mit sehr sroßen Schwierigkeiten verbunden. Es mußte nämlich ein Weibchen gefunden werden, das, auf dem Fußboden des Zimmers ausgelassen, geeignet war, ein daselbst in einem Versteck untergebrachtes zirpendes Männchen aufzusuchen. Von der Überwindung dieser Schwierigkeit war aber das Gelingen der Versuche in erster Linie abhängig. Die bis jetzt diesbezüglich gemachten Erfahrungen haben mich selehrt!), daß es immerhin im Bereiche der Möglichkeit liegt, unter einer größeren Anzahl von Weibchen, deren Geschlechtstrieb noch nie befriedigt worden war, eines mit der erwähnten Eigenschaft zu finden. Um nun zweifellos noch unbefruchtete Weibchen zu erhalten, ver- schaffte ich mir 50 Larven des letzten und vorletzten Stadiums und hielt sie in 50 kleinen Terrarien. Während ihrer weiteren Entwicklung gingen acht von ihnen zugrunde. Als die übrig gebliebenen Larven Imagines geworden waren, überzeugte ich mich, ob bei diesen der Geschlechtstrieb schon er- wacht sei, indem ich der Reihe nach zu jedem Weibchen ein Männcher gab und beobachtete, ob eine Paarung beginnen werde. Die Befruchtung wurde stets verhindert und dann das Männchen dem Weibchen weggenommen. Sobald nun auf diese Weise bei der Mehrzahl der Weibchen das Erwachen des Geschlechtstriebes festgestellt worden war, unter- suchte ich weiter, welche von ihnen aus einer größeren Entfernung den Lockrufen eines Männchens nachgehen würden. Zu diesem Zwecke wurde auf dem Fußboden meines Wohn- zimmers eine Fläche von etwa 4 qm durch vertikal gestellte Glas- platten abgegrenzt und so ein Versuchsfeld hergestellt. Auf diesem Versuchsfelde wurde nun in einem verdeckten Glas- gefäße ein zirpendes Männchen aufsestellt und aus einer Entfernung 1) Siehe Anm. 1, S. 193. 13.* 196 J. Regen: von etwa 1 m von diesem bei jedem einzelnen Versuch ein anderes Weibehen unter gewissen Vorsichtsmaßregeln ausgelassen. Jene Weibchen, die den Weg bis zum Behälter, in dem das Männchen zirpte, fanden und daselbst angelangt bei diesem längere Zeit verblieben oder ihn umkreisten, wurden für die eigentlichen Versuche als geeignet befunden. Es waren aber deren nur drei und unter diesen wiederum nur eines, auf welches ich mich einigermaßen verlassen konnte. Dieses Weibchen war mein Versuchstier. II. Versuche. Unter den vielen Versuchen mögen hier die zwei am besten ge- lungenen vorgeführt werden. 1. Versuch. (24. Mai 1913.) Anordnung. Auf dem Versuchsfelde FF’ (Skizze) befand sich in einem seitlich mit mattschwarzem Papier umwickelten zylin- drischen Glasgefäße & (Durchmesser —= 6 cm, Höhe —: 9,5 cm) ein zirpendes Männchen M,, das von der Fläche des Versuchsfeldes aus nicht gesehen werden konnte, Das Glasgefäß @ umgab ein aus mattschwarzem Papier zusammen- gefügter Zylindermantel (Papiermanschette) P (Durchmesser — 12 cm, Höhe — 16 cm) mit einem halbkreisförmigen Ausschnitt o (Durch- messer — 2,5 cm) am unteren Rande. Zwischen @ und P war somit ein Zwischenraum von 3 em Breite. Von M, 30 cm entfernt stand das Telephon 7. In einem entferntgelegenen Zimmer befand sich in einem Glasgefäße ein zweites ununterbrochen zirpendes Männchen M,, dessen Über die Anlockung des Weibchens von Gryllus campestris L. et. 197 Gezirpe bei geschlossenen Türen und ausgeschaltetem Telephon auf dem Versuchsfelde nicht zu vernehmen war. Unmittelbar über dem oberen Rande des Behälters von M, wurde das Mikrophon Mk angebracht, das mit 7 leitend verbunden war. Der Sitz des Experimentierenden befand sich in E, Von E aus konnte der Experimentierende das Telephon ein- und ausschalten und außerdem durch eine einfache Vorrichtung das Herabfallen eines Gitters in @ auf das zirpende Männchen M, in jedem beliebigen Zeit- punkte bewirken und so dessen Gezirpe augenblicklich unterbrechen und dauernd unmöglich machen. T war zu Anfang des Versuches ausgeschaltet. Verlauf des Versuches. Der Versuch begann mit dem Auslassen des Weibchens auf dem Versuchsfelde. Diese Manipulation mußte unter allen Umständen das Weibchen in Unruhe versetzen. Ein scheues Versuchstier aber konnte das Gelingen des Versuches auf eine un- bestimmte Zeit hinausschieben oder gar ganz in Frage stellen. Ich mußte daher trachten, diesen Zustand der Beunruhigung des Tieres möglichst abzukürzen. Das erreichte ich, indem ich das Weibchen an dem Tage, in dessen darauffolgender Nacht der Versuch stattfinden sollte, hungern ließ. Zu Beginn des Versuches legte ich auf dem Versuchsfelde in einer beiläufigen Entfernung von 1 m von M, ein paar zerschnittene Mehl- würmer nieder und ließ das Weibchen W in der Nähe derselben aus, stülpte aber rasch ein Glasgefäß @’ so darüber, daß die dargebotenen Leckerbissen etwa in die Mitte der bedeckten Kreisfläche zu liegen kamen. @' wurde wie @ mit einer Papiermanschette P’, die eine Öffnung 0’ besaß, umgeben. Das nun wieder gefangene Weibchen trachtete zunächst aus seinem Gefängnis zu entkommen. Als aber das hungrige Tier die Leckerbissen bemerkte, vergaß es die Gefangenschaft und begann die gefundene Beute gierig zu verzehren. Jetzt hob ich vorsichtig das Glas @' auf und stellte es weg. Das Weibchen, das diese Manipulation anscheinend nicht bemerkte und ruhig weiter fraß, war nun frei; denn es konnte durch den halbkreisförmigen Ausschnitt 0’, der den Ausgang seiner unterirdischen Wohnung vortäuschen sollte, den nunmehr von der Papiermanschette P’ begrenzten Raum verlassen und das offene Versuchs- feld betreten. Die beiden Männchen M, und (wie ich mich durch eine kurze Einschaltung des Telephons überzeugte) M, zirpten unermüdlich. Nachdem das Weibchen seinen Hunger gestillt hatte, erwachte in ihm beim Vernehmen der Zirplaute der Geschlechtstrieb, und es machte sich auf, um ihn zu befriedigen. Es empfand die Gefangenschaft nicht; denn es lief nach dem Verlassen des engen Raumes nicht wild durch das Versuchsfeld hin und her, bis es an die Glaswand anstieß, sondern bewegte zunächst die Fühler nach der Richtung, aus welcher die Zirplaute erschallten, drehte sich dann gegen den Ausgang o', verließ P’ und gelangte nun, auf dem Boden des Versuchsfeldes immer weiter tastend, in kurzen Absätzen verhältnismäßig rasch zur Papier- manschette P. Es tastete nun an der Papierwand so lange weiter, bis es zum Eingang 0 gelangte, und betrat ohne Zögern den Raum zwischen G und P. 198 J. Regen: In diesem Augenblick löste ich das Fallgitter in @ und schaltete das Telephon ein. Das zirpende Männchen M, verstummte. Von der Membrane des Telephons drangen nun die Zirplaute des Männchens M, durch das Versuchsfeld wie aus weiter Ferne. Von meinem Sitze aus konnte ich das Rrrr wohl deutlich, den hohen Oberton des Stridulationslautes aber absolut nicht wahrnehmen. Mehrere Minuten vergingen. Da kam das Weibchen beim Aus- gange 0 zögernd zum Vorschein. Es blieb daselbst stehen und be- wegte seine Fühler in der Richtung gegen das Telephon. Endlich eing es Äußerst langsam auf dieses zu. In einer Entfernung von etwa 1 cm vom Telephon blieb es stehen. Ich schaltete nun das Telephon aus. Das Weibchen ging nach kurzer Zeit vom Telephon weg und gegen die Glaswand zu. Nun schaltete ich das Telephon wieder ein. Das Weibchen drehte sich nach kurzer Zeit um und kehrte wieder zu diesem zurück. Als sich dieser Vorgang noch zweimal wiederholt hatte, wurde der Versuch beendet. Der Verlauf des Versuches wäre höchstwahrscheinlich auch ohne ddas Männchen M, im wesentlichen derselbe geblieben. Beim ersten derartigen Versuch war jedoch die Verwendung von M, notwendig; denn wäre nur das Telephon allein auf dem Versuchsfelde aufgestellt gewesen, so hätte es sich, falls sich das Weibchen um die telephonisch übertragenen Zirplaute nicht gekümmert hätte, nicht feststellen lassen, ob es auf diese deshalb nicht reagiere, weil es dieselben als Täuschung erkenne oder überhaupt nicht höre, oder weil es an diesem Tage für den Versuch gar nicht geeignet sei. Das letztere mußte ich jedoch unbedingt wissen. Die Frage aber, ob das Männchen M, für das Gelingen des Versuches unumgänglich notwendig sei, beantwortet der 2. Versuch. (25. Mai 1913.) Anordnung. Auf dem Versuchsfelde befanden sich nur das Telephon 7 und das Versuchstier W, beide 30 cm voneinander entfernt, In dem entfernten Zimmer zirpte das Männchen M,. 7 war schon zu Beginn des Versuches eingeschaltet. Verlauf. Das Weibchen wurde unter den gleichen Vorsichts- maßregeln ausgelassen wie am vorhergehenden Tage. Nach dem Ver- lassen von P' gelangte es äußerst vorsichtig und ungemein langsam vorschreitend,, gleichsam jeden Schritt überlegend, vor das Telephon, und zwar so, daß es dieses zu seiner rechten Seite hatte. Da blieb das Tier stehen, wendete sowohl den rechten als auch den linken Fühler in einem rechten Winkel zur Hauptachse seines Körpers wag- recht zum Telephon hin, drehte überdies auch noch seinen Kopf, so- weit es nur der kurze Hals erlaubte, nach rechts, so daß sogar die zarte rötliche Verbindungshaut zwischen Kopf und Vorderbrust deutlich Über die Anlockung des Weibchens von Gryllus campestris L. etc. 199 sichtbar wurde, und lauschte nun in dieser merkwürdigen Stellung ziemlich lange regungslos den vom Telephon übertragenen Zirplauten anscheinend mit größter Aufmerksamkeit, die Phasen jedes Zirplautes !) gleichsam analysierend. Nachdem es sich anscheinend vollends überzeugt hatte, daß eine Täuschung ausgeschlossen sei, ging es ganz zum Telephon hin und umkreiste dasselbe, wie wenn es das Männchen suchte. Nach dem im wesentlichen gleichen Verlauf der beiden Versuche war eine weitere Wiederholung derselben bei dieser Versuchs- anordnung überflüssig. III. Ergebnisse. Die durch das Telephon übertragenen Zirplaute veranlaßten das Vordringen des Versuchstieres nach der Richtung hin, aus welcher sie kamen. Somit kann ich behaupten: l. Die Zirplaute werden von dem Weibchen wahr- genommen. 2. Die Zirplaute wirken auf das Weibchen orien- tierend ein. 3. Das Weibchen wird durch die Zirplaute an- gelockt?). Von den Sinnen, die das Auffinden des zirpenden Männchens seitens des Weibchens ermöglichen, kommen in Betracht: Gesicht, Geruch, Gehör und Tastsinn. Da das Weibchen den Zirplauten folgte, obschon es das Männchen nicht sah, kann ich sagen: 4. Das Weibchen findet das zirpende Männchen nicht vermöge seines Gesichtssinnes. Daraus, daß das Weibchen das tönende Telephon aufsuchte, folgt: 1) Regen, Untersuchungen üter die Stridulation von GrylluscampestrisL. unter Anwendung der photographischen Registriermethode. Zool. Anz. Bd. 42 Nr. 3. 6. Juni 1913. 2) Auch die Zirplaute des Mänrchens M, veranlaßten eine Bewegung des Weibchens zu M, (erster Versuch). Doch wären auf Grund dieser Beobachtung allein die Schlüsse 1, 2, 3 noch nicht zulässig, da ja nicht gerade die Zirplaute, sondern auch ebensogut ein bestimmter vom Männchen ausgehender Duft das Vordringen zu demselben hätte veranlassen können, was bei dem in der Regel ungemein fein entwickelten Geruchssinn der Insekten von vornherein gar nicht so unwahrscheinlich wäre. Nach diesen Versuchen ist aber, da das Telephon nur Töne und Geräusche, aber sicher keinen Duft überträgt, obiger Einwurf un- möglich. Darin liegt der Schwerpunkt dieser Untersuchungen. 300 J. Regen: Über die Anlockung des Weibchens von Gryllus camp. L. etc. 5. Das Weibchen findet das zirpende Männchen nieht vermöge seines Geruchssinnes. Nach 4. und 5. bleibt somit, da bei diesen Versuchen weder das Gehör noch der Tastsinn ausgeschaltet wurde, die Schluß- folgerung: 6. Das Weibchen findet das zirpende Männchen vermöge seines Gehörsinnes und seines Tastsinnes. Fortgesetzte Untersuchungen werden zeigen, ob das auf die Schallreize reagierende Versuchstier diese durch die Luft oder durch den festen Boden als leitendes Medium empfängt, ferner, inwieweit bei einem des einen oder der beiden Fühler, bzw. des einen oder der beiden tympanalen Sinnesapparate beraubten Weibehen die Orientierung beeinträchtigt wird, und ob ein solches überhaupt noch imstande ist, ein zirpendes Männchen aufzufinden. Mit Rücksicht darauf, daß das Weibchen sowohl den hoch- klingenden intermittierenden Zirplauten des Männchens (erster Versuch) als auch den tiefklingenden intermittierenden Tönen des Telephons (zweiter Versuch) folgte, sich aber um die zwar hinsichtlich der Tonhöhe den natürlichen Zirplauten gleichen, aber nicht inter- mittierenden Töne einer Galtonpfeife nicht kümmerte!), dürfte viel- leicht die Vermutung gestattet sein, daß nicht so sehr die Höhe als vielmehr das Intermittierende der Zirplaute das charakteristische Merkmal ist, an dem das Weibchen die Lockrufe des Männchens erkennt. 1) Siehe Anm. 1, S. 193, 6. Versuch. 201 Wärmelähmung und Wärmestarre der menschlichen Spermatozoen. Von Privatdozent Dr. R. Stigler, Assistent am physiologischen Institute der Universität Wien. Herrn Hofrat Professor Viktor von Ebner anlässlich seines Scheidens vom Lehramte in dankbarer Verehrung gewidmet. Unsere physiologischen und histologischen Handbücher enthalten folgende Angaben über die obere Grenze «er für die menschlichen Spermatozoen erträglichen Temperatur: V.v. Ebner schreibt in Koelliker’s Handbuch der Gewebe- lehre!): „Kälte hebt die Bewegung der Samenfäden auf, ebenso Temperaturen von +42 bis 45° R., doch kommen Samenfäden, wenn die Temperatur nicht zu niedrig war, in der Wärme wieder zur Bewegung.“ Nagel schreibt in seinem Handbuch der Physiologie?): „Ein Optimum für die Bewegung liegt bei 35° (Engelmann). Die obere Grenze, bei der das Leben der Fäden wenigstens noch einige Zeit bestehen bleiben kann, ist 43— 44°, letztere Zahl nach Mante- gazza für menschliches Sperma gültig!“ Auch Hensen beruft sich in Hermann’s Handbuch der Physiologie ?) auf die Angaben Mantegazza’s und Engelmann’s. Schon Spallanzani‘*) hat den Einfluss der Erwärmung und Abkühlung auf Sperma untersucht. 1) Bd. 3 S. 425. 1902. 2) Bd. 2 S. 55. 1907. 3) Bd. 6 Teil 2 S. 95. 1881. 4) Description des petits vers spermatiques de l’homme et de divers animaux. In Opusc. de physique anim. et veget. t.2 p.1. 1777. Zitiert nach Hermann’s Handb. d. Physiol. Bd. 1 Teil 1 S. 397. 202 R. Stigler: G. Valentin!) teilt folgende Beobachtung mit: „Ist der Same keinen schädlichen Einwirkungen ausgesetzt worden, so kann man schwache Regungen der Spermatozoen, wie es mir bei einem 50 Jährigen Manne vorkam, S4 Stunden nach dem Tode wahrnehmen. Sie ver- stärkten sich in einer Temperatur von 35°, verblieben noch bei 37,5—46,25 ° C., hörten grösstenteils bei 56,24° C. auf, zeigten sich nieht mehr, sobald sie nur 1 Minute in dieser Wärme verweilt hatten, fehlten nach einem augenblieklichen Aufenhalte in 62,5° C. gänzlich und verlangsamten sich bei 12,5° C., hörten jedoch selbst nicht auf, wenn der Same von Schnee umgeben, aber nicht ein- gefroren war.“ (Genaue Untersuchungen hat der grosse Sexualphysiologe Paolo Mantegazza mitgeteilt”): „Die Zoospermien sind wirklich anato- mische Elemente von einer besonderen Widerstandsfähigkeit gegen alle Einflüsse, welche die tierischen Gewebe und Zellen zu alterieren und aufzulösen pflegen. — Ich habe das Sperma 10 Min. lang bei einer Temperatur von +37° C. gehalten; durch weitere 10 Min. bei +40° und die Zoospermien verhielten sich natürlich äusserst lebbaft. 10 Min. auf +45° C. erwärmt, bewegen sie sich mit geringerer Lebhaftigkeit als bei +37° C., indem sie sich auf ihren Plätzen, aber nicht weiter bewegen. Bringt man die Samen- flüssigkeit durch 10 Min. auf +47° C., so wird sie immer flüssiger und gelblich, die Zoospermien bewegen sich noch, und einige schreiten, wenngleich mit geringerer Schnelligkeit, auf eine lange Strecke in gerader Linie weiter. Bei dieser Temperatur ist aber die Zahl jener, welche sich bewegen, geringer. Wird die Temperatur durch 10 Min. auf +50° erhöht, so hört die Bewegung bei allen auf, um sich nicht wieder einzustellen.“ Mantegazza beobachtete des weiteren, dass auch bei einer Temperatur von +106°C. der Körper der Spermatozoen noch nicht aufgelöst wurde; auch nachdem das Sperma bei 13° C. Aussen- temperatur 21 Tage lang aufgehoben worden war, waren die Sperma- tozoen trotz Fäulnis nieht aufgelöst. 1) Lehrb. d. Physiol. d. Menschen Bd. 2 S. 838. 1844. 2) P. Mantegazza, Sullo sperma umano. KRendiconti d. reale istituto Lombardo. Classe di science matematiche e naturali vol. 3 p. 183. 1866. Adunanza del 21. Giugno 1866. Wärmelähmung und Wärmestarre der menschlichen Spermatozoen. 203 Bei 0° C. hörte zwar die Bewegung der Spermatozoen auf, docb sah Mantegazza auch bei einem Sperma, das bis auf — 15°C. abgekühlt worden war, nach dem Auftauen wieder lebendige Spermatozoen. Nach Abkühlung auf — 17° C. blieben aber die Spermatozoen nach Wiedererwärmung bewegungslos. Die menschlichen Spermatozoen bewahren also nach Mantegazza ihre Lebensfähigkeit von — 15° bis +47° C. Diese Grenzwerte sind wenig verschieden von jenen, welche der gleiche Autor bei den Zoospermien des Frosches gefunden hat !): — 13,75 und + 43,75°C. Nicht so sehr, um die Angaben Mantegazza’s über die Wärmestarre der Spermatozoen nachzuprüfen, als in der Absicht, das gleiche Problem vom rassenphysiologischen Standpunkte aus zu behandeln, machte ich mich an eine experimentelle Prüfung der Widerstandsfähigkeit der Spermatozoen gegen höhere Temperaturen. Von den früheren Autoren wurde ein und dieseibe Sperma- portion unter periodischer Prüfung der Beweglichkeit der Spermatozoen ansteigend erwärmt, bis Wärmestarre eintrat. Die in diesem Moment abgelesene Temperatur galt als obere Grenze der für die Spermatozoen erträglichen Wärme. Den gleichen Weg habe anfangs auch ich eingeschlagen. Dabei zeigte es sich, dass eine exakte Ermittlung der Temperaturgrenz- werte auf diese Weise nieht durchzuführen ist, weil der Eintritt der Wärmestarre nicht nur von der Höhe der Temperatur, sondern ebensosehr von der Dauer der Erwärmung abhängt. Tem- peraturen, die weit unter der oberen Grenze der für Spermatozoen erträglichen Wärme liegen, führen nach entsprechend langer Einwirkung bereits Wärme- starre herbei. Wenn aber die Temperatur des zu untersuchenden Ejakulates fortgesetzt erhöht wird, so weiss man eben nicht, wie lange jede einzelne Temperaturstufe auf die Spermatozoen eingewiıkt hat und ob alle Spermatozoen im Momente der Probeentnahme die am Thermometer abgelesene Temperatur bereits angenommen haben. l) P. Mantegazza, Sur la vitalite des zoospermes de la grenouille. Bruxelles 1859. 204 R. Stigler: Da aber, wie sich bei meinen Vorversuchen herausstellte, für die Zeit des Eintrittes der Wärmestarre schon Bruchteile eines Wärme- srades bedeutungsvoll sind, so gestaltete ich das Untersuchungs- verfahren viel genauer und sicherer durch folgende Fragestellung: Wie lange muss eine bestimmte Temperatur auf die Spermatozoen wirken, bis deren Wärmestarre eintritt? Zur Beantwortung dieser Frage ist es nötig, das Probeejakulat möglichst rasch auf die gewünschte Temperatur bringen und möglichst konstant auf derselben erhalten zu können. Meine Untersuchungen führte ich zum Teil im Wiener physio- logischen Institut, zum anderen Teil in Kairo aus. Bei meinen Laboratoriumsversuchen erreichte ich eine durch Stunden währende Konstanz der Temperatur durch Anwendung eines Ostwald’schen Thermostaten, in dessen Wasserbad die Sperma- probe erwärmt wurde. Zwecks möglichst rascher Erwärmung auf die Temperatur des Thermostaten wurde das zu untersuchende Ejakulat in dünnwandige Eprouvetten von geringem Lumen (etwa l em) gefüllt und in diese vorher geaichte Thermometer mit Zehntelgradeinteilung im Gebiete der zu untersuchenden Temperatur eingetaucht.. Während der Erwärmung stak der weite Teil des Thermometers ganz im Ejakulat und war die Eprouvette natürlich verschlossen. Das Thermometer zeigte somit in jedem Falle die Temperatur des Ejakulates an. Die Dauer der Erwärmung wurde mit einer Stoppuhr bestimmt. In Kairo, wo ich meine Untersuchungen im Hotelzimmer aus- führen musste, stand mir kein Ostwald’scher Thermostat zur Verfügung. Ich ersetzte letzteren entweder durch eine Dewar’sche Flasche oder durch ein Wasserbad von 5 Liter, welches über einem Spiritusbrenner mit regulierbarer Flammenhöhe während ziemlich langer Zeit auf annähernd konstanter Temperatur erhalten werden konnte. Die Proben für das mikroskopische Präparat wurden mit einem vorher leicht angewärmten Glasstab aus der Eprouvette rasch ent- nommen und diese hernach wieder geschlossen. Über die selbstverständlich schwierige Gewinnung des Spermas der Eingeborenen sei in aller Kürze folgendes bemerkt: Nach Er- Wärmelähmung und Wärmestarre der menschlichen Spermatozoen. 205 [#) klärung des medizinischen Zweckes gelang es mir in Kairo verhältnis- mässig bald, mehrere gesunde Eingeborne verschiedener Rassen für meine Versuche zu gewinnen. Die grosse Achtung, welche der Orientale vor dem Arzte hat, erleichterte mir meine Arbeit sehr. Es war staunenswert, mit welch ernsthaftem Interesse männliche und weibliche Hilfspersonen mikroskopische Präparate der mir von ihnen gelieferten Fjakulate betrachteten. Hingegen gelang es mir auf einer mit dem Wiener Architekten R. Kmunke unternommenen Forschungsreise durch Uganda leider nicht, die von der Kultur vollends unberührten Eingeborenen Zentralafrikas zur Lieferung von Untersuchungsproben zu bewegen. Misstrauen und Aberglaube waren die Ursache dessen. Die Leute gaben an, sie fürchteten sich, nach Verwendung eines Condoms zeugungsunfähig zu werden. Ich habe deshalb von den Eingeborenen Zentralafrikas nur das Sperina meines eigenen, nach Europa mitgebrachten Boys Kilimandjaro, aus dem Stamme der Kavirondo am Viktoriasee, prüfen können. Die folgenden Tabellen enthalten meine Versuchsergebnisse. Die Temperatur ist in Celsiusgraden angegeben. Alle untersuchten Ejakulate stammten von rüstigen gesunden Personen her. Die vier Europäer, welche mir Ejakulate lieferten, sind deutscher Herkunft; ich bezeichne sie der Kürze halber mit den ihr Alter angebenden Ziffern. R. Stigler a] 8) u 9 [] Sunsamnag aulay Sunsanag Aura] 1ojpeygo] pıImSundenag u9s9magq nz A9p -9IM IS UAUULDOG U90Z -opewmmsdg 9OZUMIO A Sunsomndg aulray aeaq}ypıs ıyow Sundonag Puray J19PTULIYA 4.1278 1y9S HONTOLDOMAT NOYNYIIBENIT OeWIoN Sunwmaig dop ydeu uw90Zopu1dg A9p pueisnz | | 9g014 9a9puR ‘el | u 8 za 087 I 0° 'PIST Er -nyelig SowDTaIg | 99014 919puR ‘el um & > 087 "u Sy FE -nyely SOqDIOT9 "um € | Eu ‘op umo, | = op pusayem .ın „eroduus} a9wwzZ net == 10q Sungquyqy 9q014 91opue ‘el mg] Ras olV ‚un sE'DIST — -nyelg SOWIE) 9g014 919pur “Ye umge 2 ol "um OF — -nyelg somIeg aJuoul -HAYUONLYLISONT 9[9lA : Y9ITDOM -94 IFEYQOT U90ZOJ ZI6l -eungdg (m) C) ıunf ‘ZI wwaodg uoA 98 -uueW lt — o9r "PIS I ee ra ee — -UIM 9880.18 uns| 6 | aasuıgelze II FunuLiem auyeaodwa -I7] 1op FUnwmmgM uoryel = 9pu9y9Fs 1197 (’s[99) uawog -Inf A9P soyepnyel -nyeld wnyed z -u9gaU NR 2 yun uone SOUULDO sop 319 u97z99]10A | pun uosaod 5 | Bunny En: -SOBRL, auperodwo], [ alt | en q nn Bares, 2 19p doneq JIOZSIBRT, umyedl - l "I ITI948L = ‘ 0 2 Wärmelähmung und Wärmestarre der menschlichen Spermatozoen. Yyosyanmz ayour Jqaru Sunyugqy yozu oIp Hanysoune A Oydi -aonau ‘uaynurm QF yoeu yaıpwmeu ‘2197 USLOZaNy] AHUTD YoRu UoydS FALINOq myerodur], HyDTO]8 HIp uw U90ZOoreunddg UsIgS[FqLDpaIM AOp Zune Ad] OUIILIOMIN "JOPuMy9sI9A AopoIm sofzaedeag sop Sunyqnyqv ypeu oydpa ‘Sunwuygefowaeqy VaaBısowaen opuoyadasqn -10A PIIMIQ UAPUNnFg F 9stensdunmgru puoagem ') 9 Cr Fae soyernyelst sop Sunwaemam :10AIOU 9498 yonSsaay WODLIOA snY Aouu syupeu Sundamag Ua AeH) "UT OL ‚or ul FUNFOMIIIALIIS osg'zr-es'zp ue -AV Opeayds ZuBd Hu sydeu BA0AT U9LII9]O u9sT9Z U90ZOEU.IIAS ‚0&Eul 19p Sunwmmmad 9TU9M AU9S Alam UN "PIS 3/; sıq ‚00 wI -T9P9T AA Zungen syydeu anyeaodıudsg -9 dapeygaf ur a9poIm ‚00 wI -19WurZ 0% wozorrwiadg odturg "DIS G sıq ‚00 u8 JunyuyqYy you Sunsonag aurmy| "PIS Fır ‚ST u8 U902 -oyeundds SyDıTSondq suaweg DL LLDENDEN PS °ı& ‚Oel NEL BIER) U90ZONEU "wodeu' 4191Z0P9A TOITyD9RAI9q -70dSs U99MAAq | (a9ıoA ‚00 ug w9ozopewisdsg UaUOI] yegges] ue sour! oseL F) | 'ZI6T mr 'gZ -somaqg Op [UEZ Id] "PIS 3a ‚08 19 oa "DIS I ‚00 ur [Oduomogypımpry| nf '6L n'GE“ 3 "uossemzine anyeaodwo], UOTD1WEA)19 U90ZOYeWwAadS HA1asun Any A9P 9ZuAAdn) 91910 AIp SIe YyPSı1oAıay UOYONSAHAIOA UONTSJOSJTU JqaTu T OL PqRL Op ur uouru sue yon» HM ST ') „sp "uamumm 6 you 7819 aoqe ‘yomanz gone Sunynyqy 10q 7458 Sunwgeppune A 9S9Ip :uoynurm g peu uolds U90ZOeuUnBdS uaTDIO]S Alp yuyef 'Q) oSF UoA anyerdwo]L aurg "aopaım uoynum weu Junjqnyqy A990[0J19 you ‘u9ozopewaadg A9p PJIaL WEL 194 SuaJsopumm “19q% Jopummyds1aA Hunwgef 9sHIp :puawgef uoynuım © ydeu soyepnyelst uoIgonsaogun S9p U90Zogeunsadg dp ne Jam 9) „dp U0A anyerodwa,], Hui] :UOSsolTyaS NZ IST yansıoA wosäIp snY FUNSIMAgT ULAHPIIM UIOZ -OPeunddg 9DZUTI.Ia A "un 6 Er ‘op SUNd9Nag 9uroy "um £ — ‘op pusayem any -Br9dwayıowwmz SUndPMag Aura] Su I _ 1994 Sunyuyqv & . R. Stigler (0,0) oO SQ anyeaodurs -HWwwZ ne Sungspqropery Aula] “um 08 ‚DE uf Sunpynsqy Sunsanag -e[7 uSyD191 U90Z "wyoeu ul Q9oU 9}[9ZUI9.1I9A AU9S “um 08 ‚86 14V -oyeuladg uaydI] ‚00 u Sundomag wgoeu |-S9mag we sourd "2I6T uf '6L ur u9ozoyzunads HfarA "um 08 20 ur 0gE Fr “um 68 ‚ge ug [emwend ossoag | ımf "II „08“ € ‚reqgoneiqun soyeredeig Sop Summe T Uedem yansıa A yan.ıaH) aapujogasy “ usgAqdoad -BS ISUDI[yQITIY "U902Z0 "ULIOA ; -Burzsds doffe ISe] el ‚08 u6 (doyıoa ne sIyqdeu u ua | ode] F) |'SI6T Inf ’gZ -197 :Sundonag SU] | "UNOG'PISL | If 'FZ o6F‘0Fr | -10]8 sop [IL IL] TImf '6L „"GE" Sunsonag OypIpToy ut 08 In ‚08 u@ 068'6€ "DIS II | ‚00.18 "9q19u U90ZoPeuLtsdg op 9rmeysowae Ay JOZ a9duef pusgaoadsyus yoeu usayny “uadaı („ SF) anyerod -WI]L, UOYDLLSEANL9 Y90ou U9g9 U90ZOEWAAdS Ip Any A9p SOMZUIIN wep AoJun Ham ‘opemwowmM Yany 'E "IBM UHPUNMYISAHA I9POIM Zunjynyqy yeu ppm ‘Sunwywefowaem Y>anp U90ZzoIewaads a8p Sunsıpey9S JUAFUBHIFLIUIOA ydanp yyuıs anyersdwo], uagqfasıop 194 9amejysomimy A9p Yu Up Any omusT[aAayaS aydılloz Aa "7 -UOUUII9ZIg Fomjgdolyds HLıeIsowae m Se Sfqsaoasım gp "Sunwuyg[owig Mm SIE ALIEISOULIE AA OqISIOAIL ap ITEM YaT JopumyDsaoA A9paIm Zunyuyqy yaeu pun Ist UEFNA9SL0A.IOU UE0ZOYeunIDdg op me anyerodwoe], uUag[osıop ZUNYy.IIMUMT opuıanep A9zıny Yaanp Hydom “sneIoA APusg9FdsqNIoA HUurd I495 HAleJsoungM USpuUIONep Aal "LT :z pun I yansıaA Sne 3[07 usuWWweä]e u Zunune Mm SUNWIBAIT A9P anyeaoduns, I 19p Zunung m uone] = ydeu opuayols y102 ("s[9) uudag IH = soyepnyel -nyelst umyeqd : ö u9ozopewuaadg 19p nn -SOIBL, anyeasdurL, ea | N! Ba Tun = en JUNnWIBAIT nyelH sap -uoppeydsagl {9P -SUONSIOA > BE 7 d9p done] LO>BIAZT | JrazsoueT, wnyed = 197 -(SMNZYSIOT) I oT11oqeL 209 Wärmelähmung und Wärmestarre der menschlichen Spermatozoen. anyeaodus? | -79WUWUNZ 0% Sungappqaapsıy YUay "um 08 _ Sunjynyqy SUnS9MagT UM um 08 3unsoM -97 HPZUITA AOg "um 668 139M9Q U90ZOJ 190Z0} -eutsdg 9Y[fpzumaAı "um 08 ar oL’hh uodg 989m "ster af "TI Sundonog S 08 — 00'%H u 08 = 2 pr | mpg es -Joegds9Hud NOqUSFLIISIT UOTEULIOU AOUTIS SOSIIMYIBN sppomz oreaedeıg wosorp 1914 opıma anzaodwsjaowumz 199 UOZOoPBWwIdS A9p HONYDNTOMäg AP done aop Sunyonsaoguf] ALL ‚geasg yOIyoRıyoq anyersdwajtsunuz 199 119Z a01dur] pusayen sewiodg sop Junayemogyny 9FLLOYLOA YOAanp Iyus 9) ,g9EFF UoA anyeaodur], uoy9To]s A9p Tag AaıBjsoug Ay AOp YLaU U9p any J1OMUH[[OATDg Aydıploz aacll 'Z »pun?g J Penyaq ') „HE*Fr uoA anyeaodwo], A919 194 HAIBsowIy A AOPUIONEP AU] UOp anJ JIomuopfomyog oyotpteoz doc "I i "LLIOA wpeu ‚00 yE ee BE og ‚08 wor | soremmyelg ways ZI6T OF '6I ae ‚8 wor ‚SE uOT 092°r DIS #16L | mp ‘0a 118 sop mar, url me IT „a8“ "u9019Z SUNd9MAT 98%.) OZUTDA9A AU9S ayam anu U90ZOYeUuULIadS us1ap pun *4st Je uopunyg Qz Ayajom ‘sopemnyeligy UoTDIO]S SOp UONIOT AOUTM TOq Huuejsaung A AP NLıU uop aoqn 9qoAd g uo][eJI9Z SN1OA9Q U90ZOJ | | | | -eunodg ussiour Hp] Yıyqemnaqjne spuagq® ‘ao SunsoMag auray "PIS 68 ‚00 u8 3unF9ndg ur u90Zoyeuntsdg adıurd you yaıs uapuy sıu -[NeT A9P 29014 :yonı9H) uagqdrpugeuopjopaesuaurs | Jıyemaq ne spuogqe syorg yey ewandg seq 'PIS 26 ‚00 49 Sundam wugoeu ‚00 u& -97 Aoyew UT U90Z04 | Jıyemaqyzne ‚00 uF auyeaodurs} soyepnygelig ua "SI6L ne '6L ‚sunods od won| Piss | ımr 08 OUT, > — 1-18 sop ag II] af "TE „GE 8 14 Bd. 155. Pflüger's Archiv für Physiologie. {uognmıpy OF 8099 ja) qeaoı puogmopoq (I oEp) anyeradwo] aroyoy dur ae sewiodg sop Sunwayaazy opumsuep (UHPUNYIS HK) zany zurd “Hyaıdugfug 9urd y9ınp us’) g3F Auyeasdwa], u9y910]8 A9p 19q A1teIsowme A TOP PLyu uop any MOAUoTJOADg aydımaz dal 'Z : "19419 9A1B}sOULIy A Spuıonep uU9JUUIM 0 Qeu sgroasgq Jayny ') o2FF U0oA ammaod -WOL, 9qfsOIp Fuw uU9OZoJewIsdg UHIJTIEMAHALHPAIM Funmyepoung A AOP SUE AD Sunmagaaıg suydTonsu “uognurm gI Ppunys 1eq 597 ID 027 u0A myerodwof, dur 194 us0zoyeunadg 19p Sunwyepowie y Ppuogosasqnaoa Hp any NOMUOTTOATIg aydıpptaz Aa "T yeıadwallowwmz ne Sunjynyqv Sungqsfoq1opar A PUroyM "an 08 — EL PJIRELBING ITaUL SUNS9MAT HUIOY | "UIMIZT Morıom ol Sundynag Ur U90Zorew jue Sunwaemam -19dg 97[pZUIOA0A AUTOS um 8 — SydTJLanoN 2% Sundanag A9SRıJ Ag9S 5 ur 919puw IOMZ *10Jey = ger ul u9ozoyeuntodg anyeaodus Tomz yeiedeıg uayos -9WwWurZ 0% n an wouo uf "ui GI — Sungayqy S Sundomnag Jura um 0 rs 5 ek sohn u ä SB. M pusayum us a per sung fip* SUNdaNdgT AuLdy “ur Duaayum _ uayunsosqe.id 5 ; Sundonag un 88 = oLir gr = = (einnsop a I) mes as“ iz EPSIE®] NR T 2 BE] 10 er 1 PRINTER Die Tee a See Fe a N Q ZUnunde Funune mars] 1op anyeaodur -I7] a9p SUNULIgM | HOHEN = peu 9puoyoIs yıoz (3100) uudog -IT 19p soyepuyelq nel umyed 5 Ü l [IL . 2 zZ -uoqau m 1 souuldo sop ou uoz7o[104 | pun uosaod | 3 U90ZORBULIIÄS OP © Sur -SOOR L, anyeaodıoT Din a le! Br vael I = yireisn - SUNWIRALIM ; se sop -uoppeyosog 19p -SUONSIOA, > BZ dp One uaydsImz | Jı9zsoseL une = 110Z = & a a8 KR er a & Be [2 & en er Serge ! a ‘(ZunzjosJ10,]) I OIT9qeL -U9ATOSSIP AFYLISSNE SIE 1]%QA9A SAopum aadıoyy wur Haırysowag y AP yaılanzaq vuntsdg sep yaIs SSsep NONYDNSON BIP I4oIsoq SOurpaopIv "UUey WOALNJIOGTDU (UPpumIS F) MPZ 197101 SISSYWSTUJENLDA Ye WOZOPEWIDAS OP ALIEISOULIE A APLIONEP AUT "uuey UOT9Is94 Fur[asel SIIAOLA SOULO PUDABAr Ip CO) o6or) mpeaaduo] sur yane ssep Yıqay 10 ep ‘IOMSuoy1HWwag SAOPUOSIA IST IE AOL] "UT aouel] Aadur] puoyo9adsyuo yazu anyeasdwa], uspusdo! Jıomzuaır) map aoyun Fo} OU 199 Z YONSIOA TOq HM HLTejsgung AA PIp Ay dog yany 211 Sunjynyqy ypeu | | | "LULIOA Sungapoq.opaIM VUTM “wuoeu ‚OF us aqour Sunsomag auto) ‘PS 9 ‚OT us :SI6T !UFISS "ULIOA "ULIOA Dany 189M94 TRUNON | "a Ol ‚06 wOl o50F JUN 08°PIST] ‚OT wol jeUMON "PIS 09 204 | asuıyelz/, Tg | 2 ınyeaodwogpunf AOop 199 oaıwjsoung yA AOp Nu uop Any J1oMmUuol[oMy9g UAUILJL9Z UP Y9BuWwap J1ODULLIHA angeaodwo], Hpusy>asaoy sOyansioy SOop Spur we Hp SIE AA9DULIOD HUT ZUR SUNWARMAS HOPUHy9SALHUIOA YanYy uognurm 2 ssorg I oe —Heh ng Sunwagaaz A9sLpumsumd A9U9FURH9H.19I0A yavu Peıyag ) SFr 194 Yarejsourig A AOp YAAUT uop any ofEAyaS Oydı]]19Z OL 9 | | 37 me yuayMm ‚20 u8$ -19 yoıgeupe sojsdunsomndg SO]lV ar} Sundon og pr ie yuym -9] OZULIA9A ATOS "Um 8% ‚08 y6 -19 gorgeue ugoeu S : E % ‚00 ur 3unso9nag ATLULON um Hl A: 008 peu "ZIET tanp*0Z Sundomagr Oyaıqproy "um 86 ‚eg ur over “um SI ‚ST ur TeULION tunf 'SI n"G8" 9) -EAJUId 9AIBISOWIR AA SIqQ HYUUON UHPIOM JULIEMAO „2Fp uw Sue uopungg 5 vwuıodg oyosııp SEP Pu9ayem) quaoy “uomump sp ae yarweu yaıgupengag auyerodusywunz 199 Sunıqenogmy osıpanysjung opusqosdoloa ydanp °) o2 FF FF UoA anyerodwo], I9UTD 194 AAAEIsYuntg Ay TOP Yıyuıg up any JOMUOTPATIS Ayanpez Aap AOIg yon Iyuıs G yansıaA 194 9IM OS Wärmelähmung und Wärmestarre der menschlichen Spermatozoer. Sundonag ouloyl um 6 — or Fr Sundonag auloy "un #7 — osrr SUundaM -9g7 ayqaıpıyds Is19sFnYy "um 8 or or Tr Sund ZI6T arg Smdanag arpıpwdg m 9T En ol "DIS € — Saga oyEud IT BLu0Z „BE“ g anyeıodus -19wwrZ Fa FUmgqafo9qaopaL Ay Jury | "ur OT ydanp _ SunynyqYy AABISIULIBM u9ozoyeunmds 9} 16T Inf 'g usozopewads HIV 98 08 ER (ip “uıp108 PIST zi -somag Yongaloy = „®ıl6 OL -IIeJsOWwIem SI U9INUIM GH 9punyg T spe our] pun uoInurm Ep SIR Aossgad oıp ‘NZ aouo ypeu Yunrgmao 7) ogFF—9°Fp Me ‘uopıom u90zoypewadg 9S911q 5 anyeırodwsı -19wuNZ 08 Sungappqtopary Purmy | "um 08 QPanp — Sunynyqy ea) E N . SL yeyqa] Ay9S SunsaMmag aulay um cr PISI| ‚00 u9 059 IF you U90Zoyeuu SUNS9MAT "um GP ‚00 u ol -19dg 19p Fundom "wydeu B q 2 ; -9] :uoJuoweAay ‚Fu z Sundandg "um 08 ‚I uV osrV wgoeu |-uoyeejsoag u8 indesan "'SI6L IE "9T FE Sundandg "um GT ‚DE ur ol’ WMOEPIST| „EI ur [Wrrayoswunodg | ' 7 „®ıla 6 = SIR Ver EEE er BER RR nen ee Fe lee 7 -LIBJSOULIBM J[OAISIOAHLA UOINUIM 6g dpunyg J puaagemn 9) gg*FF— gg Fr Jue Sunwagaag J9U ydeu pam ewaodg SOsald] ns | anyeaoduıs Ayouı -9WUIZ me sungoppqdopaıM PUTOy "um 67 ‚06 u& Sunquggv ayow Sunsonag auray | 'umgz pISIT| ‚SE uP vscHr 19020 SundaNnag UL U90ZOYEUL wugseu |-wunssdgusI39ndg ZI6I mp '6T -a9dg oujozund ayouı my | ulm OL PISI| ‚08 ur ogFr "un 08 ‚OT ug Jareygar ue yaroy| IMf SI »®/ıl6 8 ee Da LET en ee le re ne d Ass Sunwmea uone] < SUnwIgAr] do SERIEN -In] ı9p DULIE \ © ir p j opuayogs 1192 (s[e9) uurdog If 19p soyernyelf -nyel woyed ö B 2 G -u9qau FnR as a sans pun uoef | sonursog sop Noy 1992J0]104 | pun uosıod S uw90zoyeundds A9p Sununeaar L au L -nyelY sop -u9yeydsog 19p ssyansagıN = pueshZ A9p Jone] uaydsImZz | JIazsode]L, umyed = a | y197Z Lee = — _ ——— _—- _ — - a — -(dunzpsj1og ]) a[lOqe®L 213 Wärmelähmung und Wärmestarre der menschlichen Spermatozoen. yaısomadgq u9ozoyeuntdg 94[PZurA -I9A ZUBd dowmun TON you wıs u9d9nag U90OZOPBULIMDdS 99]97ul0.I9A zuwd INN Sund9mag Aayuresdur] -I9A UT W90ZOYBULIDadg oydreds Aayow mM so] -SEUNSIMIA UAFSTELL IP SundaNnag Aayyeygqaf ul u90zoIeWwIadg 9aaafom soJsFUNdIMIg A9AR U9JS -[9UL 9IP 499MA9q [ELLIOU u9ozorewuasdg 919ayo N ZUCMYIIS WONPSULIIFUTD wm wIoJ9qaoagsqy ul u90zopwasdg Ha9ayouL uagqaurp : yuugssur] -19A UOyDS aaqe “eu -49] ypou u90ZoYeunodg 99a — MONTDIISOMAT IPeygqa] NONYPISONAT SSOAD YILLJU9P.IO -I9SSNY NONLITSOMAT SSOA1S Y9IJUHP.IO -TISSNR MONTITISIMOT "un Gl “um OL "um 8 "uw 91 "um g ol’Fr ol’Fr oec Fr ocg FF ob’rr olTr og Fr oC Fr o9Fr oh CH 00er osc Hr w90ZoRW1adS ZI6T nF 6 u9J09N9q Yeygay| uasesL FI | "uue ae og Fr "PIS € — AU9S UB Y9IOA ATOS JOA alyef CH II "UNE UOPIOM I299595qE.19U yaıyuopaoasssne anyerodumm], UOJWUNSIg AU 19q 9Alrjsouney AOp PAUL] up anf of EAYg oydıjyloz op opuejswj) Aosıysungun u90Zorewaadg aap AONSIyEFSPuRISIOpIM Sp any "aopuoyans nz UWOZONLULIIÄS ap qleyaossna A9PO -A9uuT AOY9JOMPUSHAT 95fopmz ‘SSBp "UOYONSIHAIO A UHUHSBIWSULD UAL[OALL ALP UT Jqalu ul ur Bunmwugsumasq(] U Is19A9q *Nopuey AojyaFsysnsaoy au wn S[e7sOUoN YaIs SI Wop 19g "TEA AOSOLA HLIBISOULIB A OTATSIHADLIT IyAImoq UOPUNYOg gE SSoq pusayem °Q „gr ne soyernyely sosorp Sunwazaayg tigler: Rs 214 "wyeowaga HpUunIg 2, pugayen I) 0657 — 277 Jue Sunwaeaırg TOBU U9Pp.IOM 10ZOPBULIDAS BSH] | Sunjynyqy yowu Jundom o6FV -9MAT A9P ATONIOPOLM jae Sunwmawmarl auloy :SOJSDUNSIMAL "um 98 == OydILIONON anyeaadurs FundaMm -19WUWIZ NE -9g] A0p AgoYaopoı “ur OL — Sungayqv Sundonag Suloy "Im € = 0648 : } ıunf jewaou Sundonag “ur 9T iz osrr LI en ne jewaıou Sundonag um OL — Fan 2 = = = 6 gef FE cl “u JOUMAF U9FNUIMT OF ENI9 Yıy Sunugeppwigy Aresowmaem °) g2FF- CHF me Sununigaa zadıpunsıomnz y9eu uHpI9M UH0ZOLUNIdS 9SOLc] uapunp93 Zumd -OMIFT A95U UT U00Z 27 -oyeunadg sPuapLIdag eg WAIOFOAAIISQY UTSODIZUTO | Ba ur opaum uoyeaeduıg anyeaodurs) SE uag9sıdoysoayru U9A syyaeu -I9WWTZ 0% EL ° ol Eu -IA9TU UOA WOUTO UTAUN PIS 3,8 ‚00 w3l Sunjyunyqy 130z0Yeuntadg ZI6T 1m 6 | g8 sojsdundgMn u9939mMaq Yregqay| uoses, FI | uuem oe |” -94 U90ZORW.LIAdS A]LYy "um OL _ o9Fr "DIS G _- AUISUR UITOLIUOS JOA alyef cH II | SunwIg Mm SUnung mag a9p anyeaadum -I[ Op JUNULIeM one] S ru 9puata}s 1192 (139) uusag I 19p soyepugelA -nyelst umyecl ö -u9gqau m r un uol syuurd 19 U942J9].10A un uosıad | S u90Zounıdg Aap Bl on, -SODEL, anyeaodurs Eur u Send us Saal P = uwjsnz je zunuupen AUTELH sap -uOyeydsaq d9p -STONSIO A zZ Dez 19p donegq | UOy9SIMZ | grazsase]L umge] = 1197 ("SUnzJosJ10 4) I O[I9A®L Wärmelähmung und Wärmestarre der menschlichen Spermatozoen. LIBISIWLIBM TOAISAHA -I.L1T U90ZOJBWUIDdS Hy SUNSOMAFT UI U90ZOYEUL -19dS 99[9Zzur019A AyaS Sundomdg Aolyey -Q9T Ay9I9POL AM Sungny -QV weu aoqw 49192 yeredeig Sosaıp !8und -9MagT Pompıpıeds ayog SUnsondgT 9197%U -(9] 199192 als u90ZOyew -19dg ap Sunwgerf oıp UOSSIPUL YOIS ISO] SOWA -vdeag uoy9sıdosysoaspu uoyp19]5 SOp HJunjyny -AV YOeN WMOFOAAOIS -QY ur ofalA !5undom -9 19901) UT UV0ZOFFU -19dg 931uoM ayow anN 37eqg9] A9STUOM A9qB *y9Imop Jdowmm Npou FSunsomag yeaed -BIg USANeu u spe ey -q9[ A9SLU9M FUNSIMAgT UP WI0J94199S -(y wougou 9I9pux ‘ur SUndaMag 9Ip UOL -[948 u90ZOJew.I0dg 9JaTA ‘ge yDIpyoRagoq "um OL sıg GC qIEU NONYOISIM -9 91p Jununu A99B.1I Jo -qO WOp nv U90ZoYeuL -a9dg.1op uognyqy wog "SUNULBMAH AOP OA spe aoypeygqaf [pra “3yey -49[ ayas dundomag Nm Ju mn nt mn (m "ulm G uapunyag 9a1urd “um & 06) urn un 9 um eg un 72 U 3, ‘um O1 “um & oL’ch och 00'Cr og 677 ol’er 997 oST’cH 06Fr 06F+F os Pr -Frr 06 Fr -8 Hr U 08 Sund -9MagJ OJyeygar] tun ‘7 SI6T un 'z „"r£ &T R. Stigler: ou | | | -nz U90ZOYeunIDdS UBS | -19W u9p Ioq SunpynyqYy ydeu 199% Iy95 Sunwye] -IULI® AA 9IAL "W.IOJOA.LOIS -Qy Ur 9JoTA !soJsd undoMm -94 U9ISIOUL 9IP “y9LTDoM -94 3e.1} 9191yqaw II9M9q ypeygqa] U90ZoYeuntadg ypazureoa ayaum mn| "Um SUNWIBMAIH UOJoSIMZ sop -uoyegosog 19p -STINSIO A 2 VE Jop done 107 j19ZSOARL, wnye(l = 00) . — « u ._ Aer er ee IE * 3 N “(SunzpsS10J) IT OTI9AEL, 219 Wärmelähmung und Wärmestarre der menschlichen Spermatozoen. R Vest "I68T ’885 'S 09 PA "pay sS,199U]4.J SU pun puny 194 uSprIozopzuntadg 19p 9SSIUJ[rU.TASUONBAIHAUISOYN pun -uojyezZ Ip daqn uadunyansasjun ‘OPo] 'Y (IT syqaeu J9IOA | ZI6T ZIeN ‘98 Sundonog OTeunoN "DIS 9L = 00% — — yenyelit 'g "PISHEAMD „TE“ 0% 8omoq | anyeaoduwod} | | AOL IOA GI6L ZW 9% ergo] u90zogeunddg a ls uU | = ee „TE“ 61 O1 Junwyyr] OfqISI9A9T SSOJq Jayny uoyuuım g ur 'Q g6°,F me u90zoreunsdg aop Zunungaag | ameaadusg -19ULUZ NR soeyyrun 9189MaA AOpol "Mg e “uuppeu Sunjynyo : yo q 19pal A DIS & pru ‚00 uh sunynygYy ZIGT Zen '9Z sojsdundonag wm 2 unpeu ‚00 ul over "DIS I — [euntoN ZIBIN "62 Pen SI "TOALIG HAIBJSOUMY MA UOINUIM G S[E Aodluom YoRu Jayuy ') „2 Fue Sunungmar | | sl6l Ze "CS sojsdundonag | um 6 > | olLV DIS I — TeUNON ZIEN TG 78 2l *(zU89M9q HTFAHUMT AOA9DULIOS [OTA yuu ypıs osoıp ssep pun ‘orus ONSISEHLT OU UOYPTO]F op ur u90ZoYeunadg uoA Hlyef PIp SSoq Souuep uspunsod uodLıyulog sau wurd Soruyeld U97819 WOp eu OPUNIS 2/7 SNON UNOMZ WU 194 SEP SSep ‘Iyaewod Bunggoegoog aıp ey wzzedoyuen "I ypuy -u90ZoNeULIDdS UOA HHU9L Uouoeyyuo soyernyeliy woyIomz sop ums T ur d9p Funaopururo \ SUONITDRNOA AUTOS SJ0}YDLg09q („9 POT 'Y UOA HIP UR A1OUULID 198 A][EIg Aasaıp uy IqLSpImy 9Alejsoung My Op OfEMyaS uaydı}ıaZz Aap Sunzyosgqeaag 91y yanp yDIs 9m ‘ey UOSIOANZME Sunyoyadanyeasdus], U959R U90ZOEWAIÄS A9P MONSIYEFSPURISIOPI AA AopmıuLıaAa HU uoyepnyrlg UOU9gSTD5gL 9Z AOZImy Afeyıouuı I9MZ UOA HJIOmZ Sep ssep “1oAdoı IJU98 ayansıo\ WOSOLD sUY "AIBISOULIEM [OATSTHAHLIL 091] UAIMULM CF pun QF uayasınz HIp Y197Z au) yarıı uogss 9) .9°Fp uoa auyerodwa], 94y919]3 aurd goanp sopernyeliy uOgTOMZ Sop uEOZorzunodg Hp uopıom “uopına wmeppwWmgm uognuıp er opunysz yeu 9819 9). ,9°FF uoA nyerodus], duld gDanp SOaugpT uaq[ossop yernyelq U94SA9 wmop sue wD0Zoeunsdg aıp puaıyem anyeaodıuna -19uUWwIZ Je sungafpqlapaIM SU] "Um 08 Sunjunyqy R. Stigler 220 yaıugy ‘oyeny sI6l Inf '9e -e[ usIYgonsasyun (998 ugeppwagm AIUL UOA U0A9P -BLIOFNIA WOA SSoJq OS[E UOIEM ‘U9S9M -uB 9][e Se a9ynz 1959N) Opuoı -9q nz Su) A9p9Im Sun “AOSISSHFNIIP -TABy A091 -unyqY .40J8[0J19 yoeu [91a ‘soysıa ıay9s -Jgay ‘oe IS U9UULFDA 99ZUTIAHA eunods uU90209 | a9yı0a Joayerf gz engo 7S1988ng ayow ıanu 303 -wunods uoydıp| ayef 2, | ur ‘oaeydsp w90ZoYeu19dS Affe ISCH "DIS 3r — Se Hr—CHr "PIS I — -S9M9A ue yoray | yQoılqaduu -UBWLM 73 -U9SIOMMR UVOZOBUNIDdS AOp donvpsuager SfeuLlou astoMm -sdungogeu Yıyamaqme anyersdusısuwmz 194 “uossodsqyansaoA UaY919]8 A9p oyepnyelzf SYaaoyus He] usqfos we 191Pp sSep Yyodıoaray 0z pun 6I yansıoy saw Tyomgo ı uoyprogosgru uogo m Sunwwrnsursisgqf) ur) ne yenyelsy u09s19 wop Aoqnuedos uosaodsyonsaoA uaqlosıop yernyelgq uoyrIomz unsg °YoFh 194 Haejsowae Ay AOp Yu uop any O]femy9g uayaI1oZz A9p Sunzyosqeaag] Jul ISI9M ZZ YanSsIoA "[BIs9FUR OydseLT AOYIS,AEMAICT ul A9Po UOYRISOULIOQL, UPJAOISTAOAdUN JIu oe UI UOpImM EZ— LI OyanSsıa A Sungdfoq.lopat AA — | — | Sunjynyqy | | SundoMmag UI U9020J | | -vuntods oypıpıeds ayag "um 08 _ osHr ZIGT zaen '08 SUNd9NAT 9]LUNION "um 08 | = 08 — | fewuıoN ZIEN '6Z Pic chi & | | | | | A9TIOA spuoqe IE "PIS OT [6161 ZIEM 63 SuUndomagT AUoy | ‘PS I | = nen oPr | = | -zou Yenely zZ em RG 26 | en sun ‚00 uGl "GI6L Ze N '66 onoq IFeqor] | "PIS 61 | ER 066 Fe FE JEuON ZIEN 86 „’rE“ Te Funwayaarg aop anyeıodws], Sunune Mm ZUnunIeM uorye] < yoeu 9puayols keys Gen) rl 19p -InE op soyepnyelq -nyelH umge 7 RL -u9gqau In® Da 3 UUSS RUN souudog | sOp yay 19)2J9]10A | pun uosaod 5 DE dp Annan -SOOB L, anyeaodus], VOELeEH = es ce ee £ BUS 19P ION ; JI9ZSO0L unge 5 pP a 197 " L a “(Sunzps}10A) I OTI94EL 21 2 Wärmelähmung und Wärmestarre der menschlichen Spermatozoen. y9anp 9IS uaduls uurp “Y9IS9MIg UHPumg Iz 918 usgqarg anye.odwsyıowwız 194 ds mopydeu a8po °°9 „3/ıFF me opumg yrsomagan syoA -904 UE0ZOBULIHÄS A]LV u9L19} -ye] YOITy919A AU9S 19QR ‘Zundomag UI U90Z0) -wuntgdg 9191y9UL Y9ON mv ayam Hundamag JUN 3919 SunpynyqV 41990[07 -19 [9ru yony 'Sandom -9] UT AUOUL U90ZOJELWU -19dS ouroy Jdnvyroqf] UISUNFOMAY -9Q19ISQY 95%19 U99I9Z usJsow Ip ‘amaq yyeygqd] uU90Zoyeuntddg 97[pZUld19A .IyoWmw UN SO]SFUNFIMIAUOYISOJOTA 19ge Sundamndag 1ogfuyge] ur u90ZoJeuadg dumm "PIS 26 "DIS 96 “u Ol "DIS &ı "BIS Er auyeaadusy -19 WUZ in) 7 —2C'3h Ne) () 0937 —34'77 aa u 210 “ummolL 'PpISs 9punaonz sogenyely Sop sıumeı "UOIIBM UHPIOM JULIBMIO %) 98/;57 FÜR uoynumm OT uopungg Z 3; DIS wOPTDrU *aresowmgMm [OAISIHAHLT UHPINM SOABYISpuBwy U9OZOJeuULIddg AIlq UOLNIOT 9YLıp yeruyelsg soqo1ro]y) Eh Bar yernyelg sOqd1oL9 uassıa M Op Ip Se Azuemyog 9190Ur] S19d -IN SISIIP U90ZOJ -ewasdg 9Ip uaq -eU Deu aulayos -uy wo]V = "UoSı] -ey[e :UOoNNeoy -19qBıy uoyons -19}un AIW UOA 19p ewıdg wop R. Stigler a "983°8 9 7 ‘po 'v "BA (I (Jungynxyqvydeusundemn | | | -9] HUHN) SOJSDUNSIMAT un = y91]D9AN9q U90ZOJEW oly -19dg o9[ozur9a0a DON "um 6 ER ) u90zoJeunadS sıgref EZ anye.rodus} 9959Maq YOllydtoı SSBAUTII ‘STU SUnd9nag dom Don! ‘PIS FI — -1OUW1Z | — “SISSUgSPIP AUS _ -Nn] sne opnf| 8% "19Q19U 9AIEISIUIg A UOYNaIM Z STE A0dıu9m ur Apje,g wosorp ır gayny °Q o6°2p uoa anyeaodwo], u9ydAse eungdg -1940) e dauLa FUND DIqIOPaT AA SOFISSNAYIIP -94197 A9SLI PO] SOJSBUNdemag un zZ — SE DIS I = pusjeyne Suom | HeLEg |-yeloz ea | ı2 | | | u90zou1adg oe] BLBJIEEINGHEOLEINN sne ‘dayef FZ — = — | — | — | — ayds nu Jeygum — vw yeiod | 9% | | ode} 194 19020] 9710(] WOUID -eusdg uoudıf su® yelfad — _ — — — —_ -39M9Q Hua = aodlıgelsT | 62 "NUWRp SueyuaumesnZz um uoNyupoadusmes (7997798910 yYoanpep pun zuaunsqy opuranepdurf oyaryqos -uB HP 34948 IqDIo]foLA MONIRBLU AEISOWIEM UOSSIOA A9OP UB0ZOeuLadg Hp uaanyerodus], USY91II]d Hp AoydJoM ur "uapıma AIBISIULEM NOZ NOAEyU AOP EMI9 YoRu uords I) .CHF 'nzq c'zp uoa uaanyerodua], usp 194 SIOd9N SOSHIP U90ZOPBWwIAdS ALP Ssep ‘puojperpaw Ist sy Q ununıe Mm 3 3 SUNUMBMAST AOP anyeuodımo ], 0) u > Zununen zen = HpPuato9gs At Be es -I7 10p soyenage -uyef wnedq E deu PuSy9 1192 (sd) umsog pun H Es AM 1v4 S = - -u9qau Juw 3 a SOUULDIET sap you u93279]10A4 | pun uosaod | 3 W90ZOYBWLIIÄS Op a -SOSBL, anyeaodwo], uoyepuyelf ; ; B SUNULIBMAT 5 sap -UOFEISIT TOP -SUDNSI9 A puegsnz & UAYOSIMZ v } Z d9p donel] oz NOZSISLT, umyed = -(SunzyasJ1oT) IT 9[I9ALL 223 Wärmelähmung und Wärmestarre der menschlichen Spermatozoen. IT O]PgRL J901q 9SSIugas.ıosysnsıo Joumww SunssejuswtwesnZ syaıygalsaqn auf "Pam JS17BI894 SIOMSOUTON Sunagey -Ar] pam uodunggaegoag aumu yaınp ‘uossto my Aap Sep SIE 198 A991 UHZIRMUIS A9P UAAOTTENXAS Sep sSep Funmop Puagds1loytoA uraedom? uop 19q oıp Jdueyaqn uuop, orM ‘uaypegLo IyaLu d9pIa] u9U91ogSSUrT Up OA Yar oyunoN 98eL uoydı]5 woA yeuyelig sonomz UM "IBM UOLIEMII NZ UB Durzuv oA yone wl om “uossıoy 19q IM Hqjasoıp qezodun uaustoqasung Op U90ZOELUIMdS URp Toq dem Sunyoqiingersdus] U NOXSIqLFSPURIS -IOPI A DIT "UOUDLOGISU HT UOFUONSTIJUN AO seurgdg SOp MONSISSHYNPTg AP ea AOASUSNIOWwagT 'Maagum Seuntodg sap stumeg os1o2ynd} pun uoryyegg op Funayowo‘ Oyaıyuspıo«ossug [IM ‘HSstigodug uaduqyTomda autos UOTE UI UI qed anyeaodu1owwrz 194 U90Z0} -wunsdg 19p aonepsuagar] Jap Sunmausıojuf) aldı "NPLUFUO W0ZOMULIAAS HPıLSomdg Fu9M os nu aOPo Aura] (JA9LISFET JyaLu Af[oqwL AP ur 98110) aouszogasurg oyepugelg dOyygansıogun ur uoA [OL AOqaıppenadg UI SSCp ‘em puojpepzmy Nıynpodsng zusjsıssy vugo UJONLUNSFILL] uHNOKFUTD yaıpworz yIWw OAey] UT dowmmmzjoJog woutsu ur Yueado Sp10d0 OIM ‘uopana uodunyansiojuf) 9sIIg "FE—EZ YANSIoaA PV "ULIOUPONYOIDOM DAIBISOULIB A "SIOAYAIT “un € _- | -9g 'seuodg 108 Sundomag] UI U90Z0J 0897 -Issnyuunp souo dauer SI -gwaodg ayaıpagds WoN ur = = — SU DULIOK) — “TOABAY Q PER BEER) VEREERE EEE EEE 1 ıEEr TT T InTE ETT ToerTETEETET VEREEETEEREEEEEEEEEEEEEEREREEEEEEET VEREREEEEEREREEEEEEEET VERREEEREEEEEEEEEEEN VEEEE u9yyso] | vundg s93 dayef FZ En -19. zue3 Jse7 Sundomag "DIS 91 = 068 — — | TSsapapIp Siu9 MA — OULIDqIIT | E8 N tn a FE ae ER EN BERREE ee B ' | Zundonag 9dRıJl AyaS | DIS 98 — op | ZIGT ZIRIN '8Z anyeısodus 19uLlDq1og Zunsanag Sega] U9S "DIS SI — | -9UUTZ — — |vunIoN —_ aaduıyelpz 1.28 So]sSPUNSIMAT "DIS 9% — | op | anyeasdıug? dagerp gg 'sıu Sandandg AfeuntoN 'PIS £Z | — -IOUUZ — — jewaoNn — -nj snw opnp IE ee | anyeaodıusy | Tea Sundanag 38e. ay9S "PIS 21 == | -[HWUZ = = [euntoN | — osLayelFg | 08 981 JOIqQUN anyeaodurg? os yaIs UM “I9ULIDALIT Agowm FUnd9MasgT AUuIoY ‘DIS zZ — -A9WUNZ —_ —_ -94 u90zoyeuntodg — aosuıyelog | 67 1 g 9uroy DIS ol IZ q S 0 an el Re a L———————————————————————————————————— R. Stigler (uuey “ıyelzg | euaadg sorye DISC) "UM SF (uuew 'ıqelze ‘re 'PIS 08) (uuep aqelpe Sunwye] -IUIEM AOdBWI9MZ weu) 'PIS #/ı “UINOSEAOSTU —— -IM'S STE AU9UL — — (opuoAABy JasLıgel 8%) "DIS &ı == = E: (uuep agelzg Ge aagef &g ‘Sunurge] em ‘199u -AULIE AM -OPUOAABY) A9SITBWUTD “um OL 'PISo Be: ydeu) "um OF == uoassey ee Bude a9puaay anyerodınsg na wurıods -J9WWUIZ ® 5 SOJULIBM.IO ewagdg 100 uapumg |, qy wanp En SOBULION oa SOHUITEJOULIEM SSULLTIN sog | JOTLIOA ILIBISIULIY M 6p orfomypg ayaımıaz (uuew’ayelpe) "uıpIgF'e a9Sru -IM'OT "eayoun (uuewagelpe) PIS I> | (ernselst "ID wuntodg SOTBULIONT uueR Iyeltz) "um ge DIS I (uuenrıgelzg) DIS I (uueayqelze) "um 07 'PISY (uuengelTz) "PS Fr > Gernyelsg ‘I eunadg SOTBULION TESTS (uuenıgelpe) “Um L | ewaodg Sol -49]94 A9PaIN | Sununy SEND "SOLLRTOLLIRM | AOTIOA | — — 99° Fr-I°yr (uuewrayelpg) = "PIS Hel 19 77-9< Hr — == g9Cpr (uueW ayelpg ug -19 067 Me ‘PIg 3/; I9TIOA) BIS 31 < =? ey — Da 027 (uuepyelzg) — DS Fr Ger — == c0F wunrodg Gemyelg I) SIJULIBM.II vwunsdg (66) AOUIOA SITEWION day, Funwuejoung A OP PAYS ayaıyaz Lyr-vrr Wärmelähmung und Wärmestarre der menschlichen Spermatozoen. (AU119Q199) “um 6 (apnp) "um £ (aageayJ ung | (uuep ayelpe | Sunugel -DULIEM a9dıyeuud u) "ulm 9& >| (nur aqulzg ‘JWIBMII D09P me Zur] "un G A9U -10A4) "UI F (uuew ayelpg YULIB MIO Dosch-ehr jne Suvg "PIS I OU -104) u g> Kung ayulzg | (JULIBMIO Dogrr-ver jue due] "pIS I 19U a | -104) "u } (uuep ıqelge | ‘Sunwyg] -AULIE AA dadıfewurd ydeu) "ulm 08 (uuepaygelze JLIBMII ogp zue Sur] 198 08 14 -104) "UI OF (uurigelpg) ı um g> (uuepnagelzg) | um S< Ic (uueagelfz) ‚ (uueprayeltz) | "PIS |. #/eI Sie 198 | -TU9M "PIS #F/g spe you (aue°ıgelsp) "PIS @ | K nur iqelze) | "PIS 6 (uuepayelzg) “um 8& (uueagelpe) “um 6 (urn gelgze) “u € (uuen'aynlzg) um G< (uuen’ayelzg) 198 08< (uuepıyelpg) "PS I (uuenıqelpg) "PS %r (uuepy'ayelch) “un 08 "DIS I (uurwqelze) ut ET PS 1 0'87 cır 0r 97 097 Lech 0'cH 6 6rr-L Hr gpr-C9 Fr LrH-CHH uUmr Bde155: er's Archiv für Physiologie. © oO Pflü DD ID je) R. Stigler: Allgemeine Ergebnisse. 1. Die obere Grenze des Tenıperaturbereiches, innerhalb dessen die menschlicheu Spermatozoen ausserhalb des Körpers am Lebeu bleiben, beträst 48° C. 2. Auch niedrigere Temperaturen als 48° C. rufen nach hin- länglich langer Einwirkung Wärmestarre der Spermatozoen hervor, z. B. 40,2° C. nach 4 Stunden. 3. Zu Beginn der Erwärmung des Spermas ist eine vorüber- gehende Steigerung der Lebhaftigkeit der Bewegungen der Sperma- tozoen bemerkbar (Versuch 13). 4, Die Dauer der Erwärmung auf eine bestimmte Temperatur bis zum Eintritte der Wärmestarre ist um so geringer, je näher die Temperatur dem erträglichen Maximum liegt. 5. Der dauernden Wärmestarre der menschlichen Spermatozoen geht ein Stadium vorübergehender Wärmestarre, eine Wärme- lähmung, kurz voraus, welche nach hinlänglich langer Abkühlung wieder verschwindet. 6. Die Zeit bis zum Eintritte der dauernden oder vorüber- gehenden Wärmestarre ist bei den Spermatozoen desselben Individuums schwankend; insbesondere ist zu beobachten, dass nicht alle Sperma- tozoen des gleichen Ejakulates nach gleich langer Einwirkung einer bestimmten Temperatur wärmestarr werden. Manche Spermatozoen zeigen gleich zu Beginn der Erwärmung Absterbeerscheinungen (ösenartig eingerollte Schwänze, träge Bewegung), während sich andere stundenlang in Bewegung erhalten. 7. Die zeitliche Schwelle für den Eintritt der Wärmestarre der Spermatozoen bei einer bestimmten Temperatur wird herabgesetzt: a) durch vorhergegangene Erwärmung des Ejakulates auf eine _ höhere oder niedrigere, jedoch über Körperwärme gelegene Temperatur (Versuche 4, 6, 13); b) durch vorherire Wärmelähmung, welche auf Abkühlung wieder verschwunden ist (Versuche 2 und 4); e) durch vorherige Aufbewahrung bei Zimmertemperatur während mehrerer Stunden (Versuche 3 und 5); d) durch äussere oder innere Schädigungen anderer Art, vielleicht veränderte Beschaffenheit der Samenflüssigkeit (Versuch 10). 8. Wärmelähmung und Wärmestarre treten beim zweiten Ejakulat der gleichen Versuchsperson bei derselben Temperatur früher ein Wärmelähmung und Wärmestarre der menschlichen Spermatozoen. 227 als beim ersten, wenn zwischen der Abgabe beider ein geringer Zwischenraum liest (weniger als 1 Tag). 9. Die Spermatozoen desselben Ejakulates können auch mehrere Male hintereinander (Versuch 14). wärmelahm und wieder beweglich werden 10. Zwischen den Spermatozoen verschiedener Versuchspersonen bestehen bezüglich der Widerstandsfähigkeit gegen hohe Temperaturen ebensolche Unterschiede wie zwischen den Spermatozoen eines und desselben Ejakulates. 11. Die Spermatozoen von Afrikanern (zentralafrikanischen Negern, Arabern, Fellahen, Nubiern, tunesischen Juden) zeigen keine sichere Differenz im Verhalten bei hohen Temperaturen gegen- über den Spermatozoen der Weissen. 12. Auch bezüglich der Lebensdauer der bei Zimmertemperatur in der Eprouvette gehaltenen Spermatozoen bestehen keine nachweis- baren Unterschiede zwischen den Spermatozoen der Weissen und jenen anderer Rassen, wie sich aus folgender Tabelle ergibt: Tabelle II. Versuchsperson Nubier, 20 Jahre alt, 1. Ejakulat. . . Fellah, 24 Jahre alt, 1. Ejakulat. . . Jude aus Tunis, 23 Jahre alt, 1. Ejakulat Berberiner, 24 Jahre alt, 1. Ejakulat . Berberiner, 20—30 Jahre alt, 1. Ejakulat Kavirondoneger, etwa 23 Jahre alt, 1. Ejakulat 34 jähriger Europäer: 1. Ejakulat (Versuch 15) ie tee fer ler eifgen Balz ve De Riakulaty uhr n Urn NASIOTEOENOLEOLFO TO RORID 3. Ejakulat Lebensdauer der Spermatozoen bei Zimmertemperatur (20—22° C,) < 12 Stunden Nach 17 Stunden sehr träge Bewegung nur mehr vereinzelter Spermatozoen 26 Stunden Nach 16 Stunden nur mehr vereinzelte Spermatozoen in Absterbebewegung Nach 26 Stunden sehr träge Bewegung 26 Stunden 38 Stunden (bei einer Temperatur von 16—18° C.) Nach 14 Stunden noch lebhafte Be- wegung Nach 16 Stunden noch lebhafte Be- wegung Die Untersuchungen über die Lebensdauer der Spermatozoen bei Zimmer- temperatur wurden alle mit Ausnahme der Probe des ersten Ejakulates des 34jährigen Europäers unter gleichen äusseren Umständen in Kairo angestellt. Der vergleichsweise erwähnte Versuch mit dem ersten Ejakulate des Europäers ist in Wien gemacht worden. 192 228 R. Stigler: An meine Versuchsergebnisse mögen sich folgende Erwägungen reihen: Es ist durchaus nicht zu verwundern, dass die Grenzwerte sowohl der Temperaturen, als auch der Dauer der Erwärmung auf eine bestimmte Temperatur bis zum Eintritte der Wärmestarre der Spermatozoen Schwankungen unterliegen; denn die Koagulations- temperatur der Eiweisskörper ist bekanntlich nicht bloss von deren eigener Beschaffenheit, sondern auch von der Qualität ihrer Umgebung abhängig. Es ist von vornherein zu erwarten, dass nieht nur die chemische Zusammensetzung der Samenkörperchen je nach deren Alter und anderen Umständen, sondern auch die chemische Be- schaffenheit der Spermaflüssigkeit fortgesetzten Schwankungen unter- liegt, je nach den in der Zusammenfassung der Versuchsergebnisse angeführten Umständen. Ganz besonders wäre an den Grad der Alkaleszenz der Spermaflüssigkeit zu denken, welche für die Lebens- dauer der Samenfäden von ausschlageebender Bedeutung ist!). Im Verhalten der Spermatozoen gegenüber hohen Temperaturen bestehen gewisse Analogien mit Muskel- und Flimmerzellen. Die obere Grenze der erträglichen Temperatur wurde für menschliche Spermatozoen von mir bei 48° C., von Mantegazza bei 47° C., für Muskel des Warmblütlers von Kühne?) bei 47—50° C., für Flimmerzellen des Warmblütlers bei 45° C. gefunden?). Auch die von mir beobachtete vorübergehende Wärmelähmung der Spermatozoen hat ihre Analogien bei Muskel- und Flimmer- zellen. Engelmann*) beschreibt seine Beobachtung von Wärme- lähmung bei Flimmerzellen mit folgenden Worten: „In jedem Falle gibt es eine gewisse Temperatur, das Optimum, bei. welcher die Bewegung bei anscheinender Möglichkeit un- beschränkter Fortdauer ein Maximum der Geschwindigkeit und Energie erreicht. Dieses Optimum liegt immer einige Grade unter dem Maximum. Wird es überschritten, so pflegt zwar die Bewegung noch etwas lebhafter zu werden, erlischt jedoch nach einiger Zeit, und zwar um so früher, je näher die herrschende Temperatur dem 1) Vgl. OÖ. v. Fürth, Probleme der physiol. u. pathol. Chemie Bd. 1 8.343. 1912. 2) Zitiert nach O. v. Fürth, 1. c. S. 133. 3) Nach Engelmann in Hermann’s Handb. der Physiol. Bd. 1 T. 1 S. 396. 1879. 4) ]. c. S. 396. Wärmelähmung und Wärmestarre der menschlichen Spermatozoen. 229 Maximum liegt. Dieser Stillstand, die vorübergehende Wärmestarre (Wärmetetanus, Wärmescheintod), tritt hauptsächlich durch Ver- kleinerung der Sehwingungsweite ein; die Frequenz wächst meist bis kurz vorher. Die Lage, in welcher die Cilien zur Ruhe kommen, entspricht bei Flimmerepithelien stets dem Zustand stärkster Vorwärts- beugung. Der Scheintod kann anfangs durch Abkühlung wieder beseitigt werden, zeht aber bei längerer Dauer in wirklichen Tod über (dauernde Wärmestarre). Dieser tritt unausbleiblich und sofort ein bei Erwärmung der Zellen auf eine nur wenige Grade über dem Maximum gelegene Temperatur, das Ultramaximum (48° C. beim Frosch).“ F.B. Hofmann') hat mitgeteilt, dass kurzdauernde Erwärmung des Schildkrötenmuskels auf 40—50° C. eine bei der Abkühlung wieder zurückgehende Verkürzung bewirke. Er unterscheidet dem- nach eine reversible und irreversible Wärmestarre des Muskels. Im Sinne der Theorie ©. v. Fürth’s über das Wesen der Muskelstarre wäre die Wärmelähmung der Spermatozoen als eine Quellungsstarre zu betrachten, welche unter dem Einflusse von geringen Mengen Milchsäure aufträte, die sich im Spermatozoon infolge der Schädigung durch die hohe Temperatur vor dem Eintritte der Wärmelähmung entwickelte. Die Quellungsstarre ginee nach Abkühlung wieder zurück, während die bei entsprechend längerer Einwirkung der gleichen Temperatur auftretende Koagulationsstarre der Spermatozoen irreversibel wäre. Man darf aber in der Vergleichung von Muskel- und Flimmerzellen und Spermatozoen nicht zu weit gehen; so hat O. v. Fürth in einer Arbeit seines Schülers Hirokawa oezeigt, dass der Einfluss verschiedener Ionen auf die Spermatozoenbewegungen ein anderer ist als der Einfluss der gleichen Ionen auf Muskel- und Flimmerbewegungen. „Umgekehrt wie bei den Muskeln, ist eine reine Kaliumchloridlösung mindestens ebensogut befähigt, die Be- wegungen der Samenfäden zu unterhalten, wie eine Natriumehlorid- lösung. Dagegen erscheint das für Muskeln ganz indifferente Lithium- ehlorid exzessiv giftig, und zwar weit giftiger als das für Muskeln so deletäre Baryumchlorid ?).* Lillie’s und Höber’s Untersuchungen haben ähnliche Ver- 1) Zentralbl. f. Physiol. Bd. 23 S. 299. 1909. 2) ©. v. Fürth, 1. c. S. 342. 230 R. Stigler: Wärmelähmung u. Wärmestarre der menschl. Spermatozoen. hältnisse für die Flimmerbewegungen ergeben‘. O. v. Fürth schliesst hieraus?): „Die Rhythmik der Flimmerbewegungen und diejenige der Muskelbewegungen sind offenbar ihrem innersten Wesen nach grundverschiedene Dinge, und die Mobilität der Samenfäden dürfte eine besondere Form von Flimmerbewegung sein.“ Schliesslich möchte ich noch die Bedeutung meiner Versuchs- ergebnisse für die Auffassung des Einflusses von hohem Fieber auf die Spermatozoen und somit auf die Zeugungsfähigkeit des Fiebernden hervorheben, welcher Betrachtung auch forensisches Interesse zu- kommen dürfte. Fiebertemperaturen von 40,2° C., wie bei Versuch 7, bestehen sehr oft tagelang bei einem Patienten. Die gleiche Temperatur vermochte die Spermatozoen eines 22jährigen Jünglings in weniger als 4 Stunden abzutöten! Allerdings mögen vielleicht die Verhältnisse für die Spermatozoen günstiger liegen, solange sie sich noch im Körper befinden. 1) Zitiert nach ©. v. Fürth, l..c. S. 343. 2) Ibidem 8. 343. 231 (Aus dem tierpbysiol. Laboratorium der landwirtschaftl. Hochschule zu Berlin.) Über die Temperatur der Exspirationsluft und der Lungenluft. Von Professor A. Loewy und Dr. H. Gerhartz, in Berlin Assistenzarzt an der med. Klinik zu Bonn. (Mit 3 Textfiguren.) Im 47. Bande der Biochemischen Zeitschrift haben wir im An- schluss an eine Mitteilung von Galeotti!) kurz über Versuche berichtet?), welche sich auf die Temperatur der exspirierten Luft des Menschen beziehen. Wir hatten damals angegeben, dass im Gegensatz zu der allgemein herrschenden Anschauung die exspirierte Luft eine wesentlich niedrigere Temperatur als das Körperinnere aufweist. Sie war von uns im Mittel zu 32,5—33,5° C. angegeben worden, mit Schwankungen nach oben und unten. Wir hatten auch schon erwähnt, dass die durch die Nase aus- geatmete Luft kälter als die durch den Mund exspirierte Luft ist. Wir wollen nun ausführlicher über unsere Versuche berichten. Die Methodik war die, dass wir an einem weichen Kautschuk- mundstück, wie es für die Respirationsversuche nach Zuntz- Geppert benutzt wird, einen Zylinder aus Messingdraht derart befestigten, dass er im Innern der Mundhöhle auf den Zungenrücken zu liegen kam. Der äussere Fortsatz des Mundstückes trug ein oJäsernes T-Rohr, dessen horizontaler Schenkel mit einem durch- bohrten Kautschukstopfen versehen war. Durch die Bohrung ging ein in Zehntelgrade geteiltes Thermometer soweit hindurch, dass sein Hg-Gefäss im Innern des Drahtnetzes sich befand. Es lag also 1) 6. Galeotti, Über die Ausscheidung des Wassers bei der Atmung. Biochem. Zeitschr. Bd. 46. S. 173—185. 1912. 2) A. Loewy und H. Gerhartz, Über die Ausscheidung de: Wassers - bei der Atmung. Biochem. Zeitschr. Bd. 47. S. 343— 344. 1912. . A. Loewy und H. Gerhartz Fig. 1. Über die Temperatur der Exspirationsluft und der Lungenluft. 233 im Innern der Mundhöhle, ohne mit deren Wandung in Berührung kommen zu können. Der zweite Schenkel des T-Rohres führte zu einer Gasuhr, durch welche die Atemtiefe und das Atemvolumen gemessen wurden. Die Einzelheiten sind aus der vorstehenden Fig. 1 (Röntgen- aufnahme) ersichtlich. Die Atmung geschah derart, dass durch die Nase inspiriert und durch den Mund exspiriert wurde. In einzelnen Versuchen war die Versuchsanordnung umgekehrt, nämlich derart, dass durch den Mund in- und durch die Nase exspiriert wurde. In diesen Fällen befand sich das Thermometer, analog angebracht, in der Nase. Das hori- zontale Ende des T-Stückes war dabei verschlossen, und die Inspiration geschah durch die Gasuhr. Ein auf der Figur nicht siehtbares, zwischen T-Stück und Gasuhr eingeschaltetes Darmventil sorgte dafür, dass bei den Atemversuchen durch den Mund das Thermometer nur mit der Exspirationsluft in Berührung kommen konnte. Bei den Atem- versuchen durch die Nase hätte allerdings zugleich auch durch diese inspiriert werden können. In einigen Versuchen ist das tatsächlich der Fall gewesen. Es liess sich dies sehr leicht daran erkennen, dass das Thermometer keine konstante Stellung annahm, sondern bei der In- und Exspiration schwankende Werte zeigte. Diese Ver- suche sind nicht in die Tabelle dieser Arbeit aufgenommen worden. - In fast allen Versuchen wurden zugleich die Thoraxbewegungen verzeichnet. Von der Wiedergabe dieser Aufnahmen sehen wir ab, da sie nichts Besonderes ergaben. Meistens wurde die Temperatur direkt am Thermometer ab- gelesen. In Versuch 7a bis 7d und Sa und 8b erfolste die Ablesung an dem regeistrierenden Fieberthermometer von Siemens und Halske. Das Prinzip dieses Apparates besteht darin, dass der elektrische Widerstand einer feinen Platinspirale mittels der Wheatstone- schen Brücke gemessen wird. Ein Zweig dieser Brücke wird von der Platinspirale, die durch Zuleitung mit der übrigen Apparatur verbunden ist, gebildet; die übrigen Brückenzweige bestehen aus Draht von verschwindend kleinem Temperaturkoeffizienten. Diese Methode erlaubt eine exakte Temperaturmessung, da der elektrische Widerstand sich gesetzmässig mit der Temperatur ändert. Der Siemens’sche Apparat ist derart eingerichtet, dass die Schwankungen des elektrischen Widerstandes mittels eines Milli- 234 | 305 45 32 A. Loewy und H. Gerhartz: 3 Fig. 2. voltmeters registriert werden können. Die Aufzeichnung ge- sehieht durch einen Tintenstift, der auf einem mit bekannter Ge- schwindigkeit bewegten Papier die gefundenen Temperaturen direkt angibt. Fig. 2 kann als Beispiel für solche Temperatur- aufzeichnungen dienen. Die Ergebnisse unserer Messungen finden sich in den folgenden Protokollen und Ta- bellen. angegeben. Es handelt sich um elf Versuchsreihen an gesunden Er- wachsenen, darunter um zehn bei Körperruhe, ‘einen bei Muskelarbeit, die durch Treten eines gebremsten feststehenden Zweirades ge- leistet wurde. Sie betrug 400 mkg pro Minute!). Der Temperatur- messung ging hier eine 5 Mi- nuten dauernde Arbeit direkt voran, die ununterbrochen während der Messung fort- gesetzt wurde. Es wurden weiterhin vier Versuche an einem zwölfjäh- rigen Knaben angestellt und endlich sieben Versuche an zwei Frauen, die sich in einem leichten Anfall von Asthma bronchiale befanden. 1) Für diesen Versuch hat sich uns freundlichst Herr Professor E. Berry aus Amerika zur Ver- fügung gestellt. Über die Temperatur der Exspirationsluft und der Lungenluft. 235 A. Versuche an gesunden Erwachsenen. 1. Versuch. 19. November 1912. Inspiration durch die Nase, Exspiration durch den Mund. Temperatur der inspirierten Luft (Zimmerluft) 20° C.; Temperatur der Exspirationsluft 3°C. 2, Versuch. 22. November 1912. Dieselbe Methode. Temperatur der Inspirationsluft 5° C.; Temperatur der Exspirationsluft 32—32,5 ° C. 3. Versuch. 23. November 1912. Dieselbe Methode. Atmung von Zimmer- luft. Temperatur der Exspirationslutt 33,4—33,5 0 C. 4. Versuch. 25. November 1912. Dieselbe Methode. a) Inspiration und Exspiration dauern je 6 Sekunden. Atmung von mittlerer Tiefe. Temperatur der Exspirationsluft 33,8—34° C. b) Inspirium und Exspirium dauern je 5 Sekunden. Sehr tiefe Atmung, fast bis zu Apnöe. Temperatur der exspirierten Luft 33,5 C. 9 Versuch. 25. November 1912. Thermometer in die Nase eingeführt. Inspiration durch den Mund, Exspiration durch die Nase. Inspiration von Luft von Zimmertemperatur. Temperatur der exspirierten Luft 32,5—33° Q. 6. Versuch. 29. November 1912. Temperatur der inspirierten Luft 21,60 C. a) Inspiration durch die Nase, Exspiration durch den Mund. Temperatur der exspirierten Luft 32,7—32,9° C. b) Inspiration durch den Mund, Exspiration durch die Nase. Temperatur der exspirierten Luft 30,9—831,2° C. 7. Versuch. 23. Juli 1913. Graphische Verzeichnung der Temperatur mittels des elektrischen Thermographen von Siemens & Halske (Fieber- registrierapparat). a—d Inspiration durch die Nase (Zimmertemperatur ca. 20° C.), Exspiration durch den Mund. a) Atemfrequenz 14 pro Minute. Dauer eines Atemzuges 4,3 Sekunden. Atemtiefe im Mittel 313 ccm. Atemvolumen pro Minute 4,33 Liter. Temperatur der exspirierten Luft 33,1° C. Dauer des Versuches 3 Minuten. b) Atemfrequenz 21 pro Minute. Dauer eines Atemzuges 2,36 Sekunden. Atemvolumen unsicher, da einigemal durch die Nase zurückgeatmet wurde. Temperatur der exspirierten Luft 33,90 C. Dauer des Versuches 3 Minuten. c) Atemfrequenz 22,7 pro Minute. Dauer eines Atemzuges 2,64 Sekunden. Atemtiefe 746 ccm. Atemvolumen 16,92 Liter pro Minute. Temperatur der exspirierten Luft 33,150 ©. Dauer des Versuches 1'/z Minute nach Voratmung durch den Apparat. d) Atemfrequenz 21 pro Minute. Dauer eines Atemzuges 2,86 Sekunden. Atemtiefe 835 ccm. Atemvolumen 17,53 Liter pro Minute. Temperatur der exspirierten Luft: 1. 33,50 C., 2. 34,4° C., 3. 33,8% C. Dauer des Versuches 3 Minuten. : 8. Versuch. 23. Juli 1913. Exspiration durch die Nase. Ausführung des Versuches im übrigen wie bei Versuch 7. a) Atemfrequenz 22 pro Minute. Dauer eines Atemzuges 2,73 Sekunden. Atemtiefe im Mittel 500 ccm. Atemvolumen pro Minute 10,9 Liter. Temperatur der exspirierten Luft 32,360 C. Dauer des Versuches 1!/gz Minute nach Voratmung. A. Loewy und H. Gerhartz: ID os (or) b) Wie a. Atemfrequenz 13,5 pro Minute. Dauer eines Atemzuges 4,4 Se- kurden. Atemtiefe im Mittel 930 ccm. Atemvolumen pro Minute 12,56 Liter. Temperatur der exspirierten Luft: 1. 32,8° C., 2. 32,50 C. Dauer des Versuches 2 Minuten. 9. Versuch. 28. Juli 1913. Graphische Aufzeichnung der Thoraxbewegungen. Direkte Ablesung des Thermometers wie in den Versuchen 1—6 einschliesslich. Inspiration von Luft von Zimmertemperatur. a) Atemfrequenz 12 pro Minute. Dauer eines Atemzuges 5 Sekunden. Atemtiefe 992 ccm. Atemvolumen pro Minute 11,9 Liter. Hohe Zimmer- temperatur. Temperatur der exspirierten Luft 34,70 C. Dauer des Versuches 2 Minuten. b) Atemfrequenz 22 pro Minute.. Dauer eines Atemzuges 2,7 Sekunden. Atemtiefe 1666 ccm. Atemvolumen pro Minute 36,6 Liter. Temperatur der ex- spirierten Luft 34,50 C. Dauer des Versuches 1 Minute. (Direkte Fortsetzung von a.) c) Atemfrequenz 16 pro Minute. Dauer eines Atemzuges 4 Sekunden. Atemtiefe 493 ccm. Atemvolumen pro Minute 7,89 Liter. Temperatur der ex- spirierten Luft 35° ©. Dauer des Versuches 1 Minute nach Voratmung. d) Atemfrequenz 15 pro Minute. Dauer eines Atemzuges 3,3 Sekunden. Atemtiefe 510 ccm. Atemvolumen pro Minute 9,19 Liter. Temperatur der ex- spirierten Luft 35° ©. Dauer des Versuches 1 Minute. (Direkte Fortsetzung von c.) 10. Versuch. 23. Juli 1913. Dieselbe Methode. a) Atemfrequenz 34 pro Minute. Dauer eines Atemzuges 1,3 Sekunde. Atemtiefe 344 ccm. Atemvolumen 11,75 Liter pro Minute. Hohe Zimmertemperatur. Temperatur der exspirierten Luft 34,45° C. Dauer des Versuches 1 Minute. b) Atemfrequenz 36 pro Minute. Dauer eines Atemzuges 1,7 Sekunde. Atemtiefe 293 cem. Atemvolumen 8,81 Liter pro Minute. Hohe Zimmertemperatur. Temperatur der exspirierten Luft 34,6°C. Dauer des Versuches 1 Minute. c) Atemfrequenz 38 pro Minute. Dauer eines Atemzuges 1,6 Sekunde. Atemtiefe 600 cem. Atemvolumen 22,73 Liter pro Minute. Temperatur der exspirierten Luft 33,9°C. Dauer des Versuches 1 Minute (mit Voratmung). d) Atemfrequenz 40 pro Minute. Dauer eines Atemzuges 1,5 Sekunde. Atemtiefe 580 ccm. Atemvolumen 23,22 Liter pro Minute. Temperatur der exspirierten Luft 33,70°C. Dauer des Versuches 1 Minute. (Fortsetzung von c.) 11. Versuch. 7. August 1913. a) Arbeitsversuch am feststehenden Tretrad (Arbeit von 400 mkg). Atem- messung während der Arbeit. Atemfrequenz 16 pro Minute. Dauer eines Atem- zuges 4,4 Sekunden. Atemtiefe 2,28 Liter. Atemvolumen 36,46 Liter. Zimmer- temperatur 21,6°C. Körpertemperatur 38,4°C. Temperatur der exspirierten Luft nach ®s Minute 33,7°C., nach 1—1'!/a Minute 33,8°C. Dauer 1'/a Minute nach 5 Minuten Vorarbeit. b) Dieselbe Arbeitsleistung. (Fortsetzang von a.) Atenıfrequenz 16 pro Minute. Dauer eines Atemzuges 4 Sekunden. Atemtiefe 1,9 Liter. Atemvolumen 30,5 Liter pro Minute. Temperatur der exspirierten Luft nach 1 Minute 34,19 C., nach 11/’.—2 Minuten 34,5° C. Dauer des Versuches 2 Minuten. : Über die Temperatur der Fxspirationsluft und der Lungenluft. 237 B. Versuche an einem Knaben von 12 Jahren. Graphische Registrierung der Thoraxbewegung. Einatmung von Zimmerluft. 1. Versuch. 11. August 1913. Langsame, tiefe Atmung. Atemfrequenz 11 pro Minute. Dauer des Atemzuges 55 Sekunden. Atemtiefe 1,33 Liter. Atemvolumen 20,1 Liter pro Minute. Temperatur der exspirierten Luft 35,10 C. am Beginn, nach "/s Minute 35,3% C., nach 1 Minute 35,2°C. Dauer des Ver- suches 1 Minute (lange Voratmung). 2. Versuch. Langsame, flache Atmung. Atemfrequenz 14 pro Minute. Dauer des Atemzuges 4,4 Sekunden. Atemtiefe 613 ccm. Atemvolumen 8,58 Liter pro Minute. Temperatur der exspirierten Luft 35°C. Dauer des Versuches 2 Minuten. 3. Versuch. Schnelle Atmung. Atemfrequenz 30 pro Minute. Dauer des Atemzuges 2 Sekunden. Atemtiefe 480 ccm. Atemvolumen 14,4 Liter pro Minute. Temperatur der exspirierten Luft nach !/2 Minute 34,99 C., nach 1 Minute 34,80 C. Dauer des Versuches 1 Minute. 4. Versuch. 11. August 1913. Langsame Atmung. Atemfrequenz 13 pro Minute. Dauer des Atemzuges 4,6 Sekunden. Atemtiefe 1,14 Liter. Atem- volumen 14,5 Liter pro Minute. Temperatur der exspirierten Luft 34,8% C. Dauer des Versuches 1/2 Minute. G. Versuche an kranken Frauen. I. Frau St. Untersuchung in einem asthmatischen Anfall: sehr angestrengte Atmung, weithin hörbares Rasseln, lange Exspira- tion. Kleine, untersetzte Frau. 45 Jahre alt. 1. Versuch. 1. August 1913. Atemfrequenz 26 pro Minute. Dauer des Atem- zuges 2,3 Sekunden. Atemtiefe 126 ccm. Atemvolumen 3,27 Liter proMinute. Tem- peratur der exspirierten Luft nach }/’a-1 Minute 30,8°C, Dauer des Versuches 1 Minute. 2, Versuch. Atemfrequenz 30 pro Minute. Dauer des Atemzuges 2 Se- kunden. Atemtiefe 211,7 ccm. Atemvolumen 6,35 Liter pro Minute. Temperatur der exspirierten Luft 31,3° C. Dauer des Versuches 1 Minute. 3. Versuch. Atemfrequenz 33 pro Minute. Dauer des Atemzuges 1,3 Se- kunde. Atemtiefe 277 ccm. Atemvolumen 9,15 Liter pro Minute. Temperatur der exspirierten Luft 31,60 C. Dauer des Versuches 1 Minute. II. Frau K]., 25 Jahre alt. Untersuchung in einem asthmatischen Anfall. Kleine, hagere Frau. Atmung an der Gasuhr schwer durch- führbar, Gasuhrwerte unsicher. Bei vier Bestimmungen war die Temperatur der Fxspirationsluft: 1. Versuch. Atemfrequenz 14 pro Minute. Temperatur 33,8° C. 2. Versuch. Atemfrequenz 23 pro Minute. Temperatur nach '/2 Minute 32,8° C., nach ?/4 Minute 33° C., nach 1 Minute 32,89 C. 3. Versuch. Atemfrequenz 22 pro Minute. Temperatur nach '/a und 8/4 Micute 33,19 C. 4. Versuch. Atemfrequenz 13 pro Minute. Tiefere Atmung. Temperatur nach !/s, 3/a und 1 Minute 34,0° C. A. Loewy und H. Gerhartz 238 ‚op srE ‘op "op s’rE ‘op “op 078 "op oqeuy jerAger ‘op “op FE “op Ior'se anyeasodwagı1odıoyy "yONSIHAASNOALY Gı'eEg (9°72) dmnoyaowunz pyyru “op LEE "op “op 688 “op “op 978 “op ‘op cr FE dog ou you ‘op GE "op “op 676 ‘op “op bla 74 ‘op "UHFUNSIMIAKEIOL LI9P JUnA9LIJSI89Y aydsıqdeag 79 ‘op “op 838428 “op ‘OSeN 9Ip yanp uome.ands -x7 anyersdwo], dp SundsLysıdayy Sydsıydeag gE'ZE ‘op ‘op g’E8 “op ‘op cT’gg ‘op ‘op 688 “op ınyersdwa], A9p Sunaarıystway ayasıydeag T'gg "op ‘punp uap yoanp uoryeadsxy 88 °op ‘op co'Tg ‘op "9SeN Ip Yoanp uoyeardsxf EE—E'ZE °op [14 G [14 « “ [14 « [19 G'eg °op 798 9 ol uoryeadsxg pun -uf a9p aoneq Bee "op “op ergE yapaoumurz ‚op GE 28 G ‘punpy up y9anp uonendsxyY BUasy9emary 0'g£ 02 "Do Do yjnjsuor} yparg Beau auloen -BIIÄSXT TOP | USJOUNRBAHULI A9P anyesodwoa, anyersdua], GHl OFII 8 rd vr 087 08 sa 88 819 rI rau | 106 0851 Il Et8l g0E 0061 91 AILV A & 0836 gl eIlV 6686 084 07 POLV EL 66 009 88 I0LV 188 866 95 10V GL TI 1429 129 eOIV 616 0I&G sI P6 V 68 E6F 91 96 V 998 5991 66 46 V 611 666 cl e6 VW 9g°21 086 ce 48V 601 008 66 es V gscul G88 IG PL V 2691 gPL 1'26 DL, WV 6 & Is ALNV 857 818 yl BEN: = == FE 49 V ET zu = B:OZV’ SEE = BEE GV me 321 ıy9S Ep ar V ze ar = ep V Ts = = 8 V = = = sv SE 27, SER T.W wIy) D oynumpy oad ug O1d IN 9JorJusyYy zuonba.u} U9UMJOAWOFY -oIY LBLBAGTN HTOHNIN -u9punsar) Ur HUINSIVASDuUnwIYy "1 2119948 L Über die Temperatur der Exspirationsluft und der Lungenluft. 239 Tabelle 2. Atmungsversuche an Kranken. N Tempe- | Tempe- Ver- | Atem- | Mittlere | Atem- | ratur der| ratur Atem- | volumen | einge- | der Ex- such frequenz tiefe | pro Min. | atmeten |spirations- Bemerkungen Nr. |pro Min. Luft luft ccm l IC. 63 EIL|- % 126 3,27 | Aa N 305 Asthmaanfall 612 30 212 6,35 dos..." 31,8 do. 013 33 277 9,15 do. 31,6 do. | | Asthmaanfall. Gas- Ccı1l 14 —_ — do. 33,8 uhrmessungen unsicher 12 23 —= == do. 32,9 do. CI3 22 _ — do. 33,1 do. CII4 13 — — do= 272 94:0 do. Die Temperaturen der Mundausatmungsluft liegen in den 24 Versuchen an Gesunden zwischen 32,0° und 35,25° C. Der niedrigste Wert (Versuch A 2) wurde bei Einatmung von nur 5° C. warmer Hofluft gefunden. Der höchste Wert (Versuch B 1) bezieht sich auf den untersuchten Knaben. In diesem Falle wurde, wie in allen übrigen Versuchen, Zimmerluft, deren Temperatur nahe bei 20° C. lag, eingeatmet. Das Mittel aller Werte, die bei Gesunden und bei Exspiration durch den Mund erhalten wurde, liegt bei 34,0° C. Die Atemmechanik wurde in den einzelnen Versuchen ab- sichtlich ganz verschieden gestaltet. Neben Versuchen, in denen das Atemvolumen und die Atemfrequenz annähernd normal waren, haben wir in anderen beides willkürlich geändert derart, dass die Atemtiefe bis zum Vierfachen, das Atemvolumen bis zum Sechsfachen der normalen Werte getrieben wurden. Die Luftmenge, die kühl in die Lungen eintrat, schwankte also sehr erheblich. Auffallen könnte, dass sich trotzdem die Schwankungen der Temperatur der Ausatmungsluft in sehr engen Grenzen halten. Allerdings, ohne Einfluss ist die Atemgrösse auf die Temperatur der Lungenluft nicht. So zum Beispiel beträgt die Temperatur in Versuch 10a und 10b bei einer Atemtiefe von 293—344 cem und einem Minutenvolum von 8,81—11,75 Liter: 34,45—34,6° C. In Versuch 1Oc und 10d liegt sie bei einer Atemtiefe von 550—600 cem und einem Minutenvolum von 22,73— 23,22 Liter bei 33,7—33,9 °C. 240 A. Loewy und H. Gerhartz: In Versuch 9e und 9d findet sich bei 495—510 cem pro Atem- zug und 7,39—9,19 Liter pro Minute eine Temperatur von 34,9 ° bis 35,0° C.; in Versuch 9a bei 992 cem Tiefe und 11,9 Liter pro Minute eine Temperatur von 34,7 ° C.; in Versuch 9b bei 1663 ccm Tiefe und 36,6 Liter Atemluft eine Temperatur von 34,5° C. | Wo kleinere Unterschiede in der Atemmechanik vorliegen, tritt die Einwirkung auf die Temperatur der Ausatmungsluft nicht so deutlich hervor. Auffallend gering sind die Temperaturdifferenzen bei dem untersuchten Knaben (Versuche B 1—4) trotz erheblicher Modifikation von Atemtiefe und Atemgrösse. Die Temperatur schwankt hier nur zwischen 34,8° und 35,25° C., während die Atemtiefe zwischen 480 und 1830 eem und die Atemgrösse zwischen 8,58 und 20,1 Liter liegt. Nicht unbeträchtlich niedriger als die Temperatur bei Mundatmung ist die bei der Atmung durch die Nase. Die vier auf diesem Wege gewonnenen Werte schwanken nur zwischen 31,05° und 32,75° C. Das Mittel beträgt 32,2° C.; d. h. also: die Lungenluft kühlt sich in der Nase ab. Das ist insofern ein zweckmässiger Vorgang, als das aus der Lunge mitgeführte Wasser sich in der Nase zu einem Teil kondensieren kann, die Nasen- schleimhaut also feucht erhalten wird. Bei den untersuchten beiden Asthmakranken finden wir bei Mundatmung Temperaturen, die niedriger liegen als bei den Gesunden. Zum Teil liegen sie noch niedriger als die bei Nasen- atmung gefundenen Werte. Dabei ist gerade in diesen Versuchen der Zusammenhang zwischen der Temperatur der Ex- spirationsluft und dem Atmungsmodus sehr deutlich: je flacher die Atmung und je geringer die Atemgrösse pro Minute, um so niedriger liegt die Temperatur. Ein sicherer Beweis dafür ist im Versuch GI gegeben. In CH waren die Gasuhrmessungen nicht sicher. Jedenfalls kann man an- nehmen, dass die in diesen Versuchen höheren Temperaturen in Beziehung stehen zu der durchgängig geringeren Atemfrequenz, der eine erhöhte Atemtiefe entsprechen dürfte. Die Ergebnisse an den Asthmatischen scheinen uns geeignet zu sein, zur Erklärung unserer Ergebnisse zu führen. Die allgemeine Annahme geht wohl dahin, dass die inspirierte Luft in der Lunge erwärmt wird, so dass sie, nahe auf Körper- Über die Temperatur der Exspirationsluft und der Lungenluft. 241 temperatur gebracht, die Lungen wieder verlässt. Dass sie nicht bis zur Körpertemperatur erwärmt wird, zeigen die vor- stehenden Versuche; aber auch die Anschauung, dass die inspirierte Luft durch die blosse Berührung mit den Wänden der Luftwege während eines Atemzuges auf die Temperatur, die sich in unseren Versuchen ergab, gebracht wurde, scheint mit unseren Resultaten nicht verträglich zu sein. Speziell sprechen die Versuche an unseren Asthmakranken hiergegen. Wir finden hier, wie erwähnt, auf- fallend niedrige Werte. Nun liegt zwar bei diesen Kranken die Atemfrequenz sehr hoch. Die Atemtiefe ist dabei gering. Wenn wir daneben die Versuche an den Gesunden betrachten, bei denen die Atemfrequenz die gleiche oder eine noch höhere ist (vgl. besonders Versuch 10), so ist, trotzdem die Atemtiefe das Doppelte der der Asthmatischen beträgt, die Temperatur der Ausatmunesluft nicht unwesentlich höher. Wenn es sich hier allein um Erwärmungs- vorgänge handelte, so müsste die Temperatur in diesen Fällen noch niedriger liegen als bei den Asthmakranken, da ja hier eine drei- bis siebenfache Menge inspirierter Luft anzuwärmen ist. Dass Er- wärmung die ausschlaggebende Rolle spielen soll, ist eigentlich schon aus physikalischen Gründen mit Rücksicht auf die geringe Wärme- leitung und Wärmekapazität der Luft unwahrscheinlich. Eine Be- teiligung der Anwärmung der Atmungsluft im Thorax am Zustande- kommen der Temperaturhöhe der exspirierten Luft muss natürlich vorhanden sein; nur spielt sie unter normalen Verhältnissen nicht allein eine Rolle. Sicher könnte durch sie z. B. nicht die Tem- peratur der exspirierten Luft von 32—32,5° C. bei einer Aussen- temperatur von nur 5°C. erklärt werden, während doch bei 20°C. Umgebunestemperatur die Thoraxluft nur auf 33° C. in demselben Versuche erwärmt wurde. Viel plausibler aber gestaltet sich die Anschauung von der Ein- stellung der Lungenluft auf die von uns gefundene Temperatur, wenn wir davon ausgehen, dass das eingeatmete Luftquantum in den Lungenalveolen eine grössere Luftmasse findet, die zum mindesten während einer ganzen Respiration bereits im Thorax verweilt hat und dadurch Gelegenheit hatte, der Temperatur der umgebenden Gewebe sich anzunähern. Diese Luftmasse ist nun im Verhältnis zu der eingeatmeten sehr erheblich. Setzen wir die Residualluft im Mittel zu 1 Liter, die Reserve- Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd. 155. 16 242 A. Loewy und H. Gerhartz: luft zu 1500 cem an, so beträgt ihre Summe das Vier- bis Fünffache des Umfanges eines gewöhnlichen Atemzuges, und es lässt sich durch eine einfache Rechnung zeigen, dass eine Mischung von 400—500 eem einer Luft von 20° bzw. von 5° C. (wie in Versuch A 2) mit 2500 cem einer solchen von 37° annähernd die Werte ergibt, die wir wirklich fanden. Nun ist aber zu beachten, dass ein Teil der inspirierten Luft nicht die Lunge erreicht, vielmehr in den zuführenden Luftwegen, im „schädlichen Raum“, verbleibt. Dieser Teil wird eine nur un- vollkommene Mischung mit der Lungenluft eingehen. Der Effekt wird, wenn unsere Anschauung, dass die Vermischung mit der wärmeren Luft der Luugen massgebend für die Temperatur der exspirierten Luft ist, zutrifft, der sein, dass da, wo die Atemtiefe so gering ist, dass sie nicht viel mehr als den Inhalt des schädlichen Raumes beträgt, die Temperatur der exspirierten Luft besonders niedrig sein muss. Das hat sich in deutlicher Weise bei den Asthmatikern ergeben, bei denen ja durch den vorliegenden pathologischen Prozess der Austausch zwischen der eingeatmeten und der Lungenluft be- sonders erschwert ist. Wo dagegen dieser Austausch in normaler Weise vor sich gehen kann, liest die Temperatur höher, selbst wenn, wie in Versuch 10, die Atemfrequenz noch erheblicher, der Aufenthalt der inspirierten Luft in der Lunge also von noch kürzerer Dauer ist. Die Temperatur der exspirierten Luft setzt sich nach dem Ge- sagten aus der Temperaturhöhe zweier Komponenten zusammen. Die des einen Anteils entspricht der Temperatur der Lungenluft, die des anderen der Temperatur der in den zuführenden Luftwegen enthaltenen Luftmasse. Für die Berechnung der Wasserabgabe von seiten der Lunge — und das ist; wie schon in der vorläufigen Mitteilung hervorgehoben wurde, eine praktisch wichtige Frage — genügt die Kenntnis der Temperatur der exspirierten Luft im ganzen. Aber neben dieser verdient Interesse auch der Wärmegrad der Lungenluft für sieh; denn er gibt die Grundlage zur Be- rechnung der Wasserdampfspannung in den Lungen. Wir haben auch diesen Wärmegrad direkt zu ermitteln versucht. Wir bedienten uns dabei des beistehend abgebildeten Instrumentes („Trokarthermometer‘). Über die Temperatur der Exspirationsluft und der Lungenluft. 243 Es besteht aus einem Trokar von 1!/s mm lichter Weite, der sich aus einem Mantelteile und dem eigentlichen Stilett zusammen- setzt. Er kann 6,5 em tief eingestochen werden. Das Stilett ist hohl, um ein Quecksilberthermometer aufnehmen zu können. Das Quecksilbergefäss des Thermometers besteht aus einer fein aus- gezogenen Kapillare und liegt der Innenwand des Stiletts dicht an. Der Trokar wird durch einen Interkostalraum direkt in die Lunge eingestochen, das Stilett zurückgezogen, bis dessen Spitze ver- deekt ist, und nun erst das Thermometer eingeführt. Dies stellt sich schnell auf ein annähernd konstantes Niveau ein, das als Mittel- wert zwischen der Temperatur des Lungeninnern bei Inspiration und bei Exspiration betrachtet werden muss. Thermometer Stilet fe—— Fig. 3. Auf weitere Einzelheiten, insbesondere auf die Beziehung zwischen Atemgrösse und Lungentemperatur, soll in einer späteren Arbeit ein- gegangen werden. Hier sei nur erwähnt, dass die Temperatur des Lungeninnern niedriger liegt als die Körpertemperatur. So fanden wir sie beim Kaninchen zu 36,0° beim Hunde zu 36,2° C. (bei einer Analtemperatur von 38,2° C.). Wir konnten zufällig auch am Menschen einige Bestimmungen ausführen. Sie geschahen — gelegentlich einer Pleurapunktion — an einem 16 jährigen Mädchen, bei dem rechtsseitig eine geringe Pleuritis exsudativa bestand mit etwa handbreiter Dämpfung über den untersten Lungenpartien. Wir fanden einmal 35,2%. Die Temperatur stieg bei an- gehaltenem Atem allmählich auf 35,6°. In einer zweiten Bestimmung lagen die Temperaturen bei ruhiger Atmung zwischen 35,4 und 35,6%. Bei angestrengter Atmung ging sie auf 35,2° hinunter. Die Analtemperatur betrug dabei 38,05°. Aus den so gewonnenen Zahlen lässt sich entnehmen, dass die Wasserdampfspannung in den ruhig atmenden Lungen bei 43 mm liegt. Ausserdem gestatten sie, im Verein mit der Be- stimmung der Temperatur der exspirierten Luft eine Berechnung auszuführen, die ein Bild von dem Grade der Erwärmung der in- 165 244 A. Loewy und H. Gerhartz: Über die Temperatur etc. spirierten Luft in den zuführenden Luftwegen gibt. Auch hierauf eedenken wir später zurückzukommen. Zum Schluss möchten wir noch einmal auf die Arbeit Galeotti’s, von der wir ursprünglich ausgingen, kurz zurück- kommen. Zunächst ist seine Schlussfolgerung, dass die exspirierte Luft nur zu 78°o (im Mittel) mit Wasserdampf gesättigt ist, nicht mehr aufrechtzuerhalten. Nimmt man die von Galeotti gefundene Wassermenge von 0,0342 g pro Liter Luft als richtige an, so würde dies eine volle Sättigung bei ca. 34° C., d.h. also bei der Temperatur, die wir tatsächlich im Mittel gefunden haben, bedeuten. Für eine weitere Kritik an den Galeotti’schen Werten be- züglich der Frage, ob seine übrigen Deutungen zutreffend sind, reichen leider die von ihm mitgeteilten Daten nicht aus. Galeotti ojbt zwar an, dass er in ein Spirometer exspiriert habe, leider aber macht er über die Atemmechanik, d. h. über Atemtiefe und Atem- volumen, in seinen Versuchen keinerlei Angabe, so dass man nicht sagen kann, wieweit diese Faktoren mit am Resultate beteiligt sind. Nur bezüglich der Frequenz gibt Galeotti an, dass eine Be- schleunigung die Wasserabgabe vermindere. Auffallend ist, dass Galeotti zwar in jeder Tabelle für jeden Einzelversuch den Wassergehalt der inspirierten Luft angibt, dass er aber, wie eine Nachrechnung ergibt, nicht die Wasserabgabe vom Körper berechnet, sondern stets nur den Wassergehalt der ausgeatmeten Luft anführt, ohne den Wassergehalt der in- spirierten in Abzug zu bringen. Führt man diese Rechnung aber aus, so fällt ein Teil der gefundenen Differenzen fort. So z. B. nimmt in den Versuchen an Galeotti anscheinend mit der Höhe der Umgebungstemperaturen die Wasserabgabe zu, indem der Wasser- gehalt des Liters der ausgeatmeten Luft bei 12°... 0,0325 «& im Mittel, 15°—16° 0,0342 „ „ a „ 23°—25° 0,0360 „ „ „ beträgt. Nach Abzug des Wassergehaltes der inspirierten Luft stellen sich dagegen die Werte zu 0,0274 g bei 12° C., 0.028032, 15216:056;, 0,0243 „ „ 23°—25° C. heraus. Die Ergebnisse Galeotti’s erfordern demnach auch hinsicht- lich der Zahlenwerte eine Nachprüfung. =) » 245 Haben die Antennen für die alternierende Stridulation von Thamnotrizon apterus Fab. eine Bedeutung? Ein Beitrag zur Frage des Gehörsinnes bei den Insekten. Von Prof. Dr. Johann Regen in Wien. Nach v. Siebold’s Untersuchungen „Über das Stimm- und Gehörorgan der Orthopteren“ !) entbrannte der Streit um den Sitz des Gehörorgans bei diesen Insekten. Während bisher die Antennen allgemein als die Träger desselben galten, sollten nunmehr andere Organe (Tympanalorgane), die nicht einmal auf dem Kopfe ihren Platz hatten, als Gehörorgane funktionieren. Den anatomischen Untersuchungen v. Siebold’s foleten Be- obachtungen und Experimente anderer Forscher, die aber für die Annahme des Entdeckers, in den Tympanalorganen das lang gesuchte Gehörorgan der zirpenden Orthopteren gefunden zu haben, nicht nur keinen Beweis erbrachten, sondern sogar die alte Ansicht als die richtige bestätigten. Unter diesen Forschern sei hier besonders Rudow?), der als sorefältiger Beobachter bekannt ist, genannt. Rudow machte folgende Beobachtungen und Versuche: l. Er beobachtete, daß die Locustidenweibehen beim Zirpen des Männchens stets die Fühler nach der Seite hinstreckten, von der der Schall herkam, und wenn er die Tiere absichtlich nach der entgegengesetzten Seite drehte, wandten sich die Antennen stets der wahren Richtung zu, während die Vorderbeine, die Träger der Tympanalorgane, in derselben Lage verblieben. 2. Er verklebte den Versuchstieren zunächst die angeblichen Gehöröffnungen, schnitt dann die beiden Vorderbeine ab und ver- 1) Wiegmann’s Arch. Bd. 10. 1844. 2) Einige Beobachtungen über die Lebensweise der Heuschrecken. Zeitschr. f. d. ges. Naturwissensch. Bd. 36. 1870. 246 J. Regen: schloß endlich die Wunden am Thorax: aber alle diese Eingriffe waren nicht imstande, die erwartete Gleichgültigkeit hervorzurufen. Nach wie vor wandten sich die Fühler der Schallgegend zu. 3. Als er aber die Fühler entfernte und an der Stirne die ent- standenen Löcher verklebte, wurden die Versuchstiere trotz des fortgesetzten Zirpens der anderen Partei vom Schalle nicht mehr be- einflußt. Das Männchen war überdies zum Zirpen weniger aufgelegt und blieb in einzelnen Fällen während desselben Tages ganz stumm. Das Ergebnis dieser Untersuchungen faßt Rudow in folgenden Worten zusammen’): „Nach meinen Erfahrungen kann ieh nicht anders, als die alten Ansichten von Newport, Kirby und Burmeister als richtig anzunehmen, welche das Gehör in die Fühler verlegen.“ . Graber?) bestreitet zwar die Mitteilung Rudow’s, daß die Weibchen ihre Antennen „stets“ dem Schalle der zirpenden Männchen zuwenden, sagt aber, es sei für die Beantwortung dieser Frage immerhin schon sehr viel gewonnen, wenn konstatiert sei, daß die Richtung ihrer Fühler bisweilen wenigstens durch jene, aus der der Schali dringe, bestimmt werde. Als Graber einer Feldgrille beide Antennen exstirpierte, reagierte sie noch auf verschiedene Geräusche, indem sie ihre Beine bewegte. Das Ergebnis dieses Versuches hindert Graber jedoch nicht, das von Rudow gefundene Ergebnis zu bestätigen, indem er schreibt?): „Es ist in hohem Grade wahrscheinlich, daß die Schalle haupt- sächlich mit den Fühlhörnern aufgefangen werden.“ Nach diesen Resultaten war wohl bei meinen Untersuchungen von vornherein eine positive Beantwortung der an die Spitze dieser Mitteilung gestellten Frage zu erwarten. Versuch. Am Abend des 23. August 1909 wurden 7 frisch gefangenen Männchen von Thamnotrizon apterus Fab.*) die Fühler 1) Rudow, Einige Beobachtungen usw. S. 323. 2) Die tympanalen Sinnesapparate der Orthopteren. Denkschr. d. kais. Akad. d. Wissensch. Bd. 36. Wien 1875. 3) Ebenda S. 119. 4) Die Tiere stammten aus der Umgebung von Unec in der Nähe von Adelsberg in Krain. Haben die Antennen für die altern. Stridulation etc. eine Bedeutung? 247 gänzlich abgenommen, und am 25. August 11 Uhr nachts begann ich mit den Beobachtungen der Stridulation dieser Tiere. Ich bemerke, daß unversehrte Männchen bei ihrer Stridu- lation eine Periode von mehreren Zirplauten in rascher Auf- einanderfolge hervorbringen und dann eine kürzere oder längere Pause eintreten lassen. Jede solehe Periode kann sich im all- gemeinen auf dreierlei Weise abspielen. Entweder bringen zwei oder mehrere Männchen dabei ihre Stridulationsgeräusche abwechselnd [alternierend !)] hervor, oder es zirpt nur ein einzelnes Männchen, oder es stridulieren zwei oder mehrere Männchen regellos durcheinander ?). Da die Pausen, die sich zwischen die einzelnen Perioden ein- schalten, bei lebhaftem Zirpen meist sehr kurz sind, habe ich mich, um den Verlauf der Perioden rasch und sicher festhalten zu können, folgender Zeichen bedient: | zwei oder mehrere Tiere alternieren, | es zirpt ein einzelnes Tier, X zwei oder mehrere Tiere zirpen regellos durch- einander. Der Verlauf. von je hundert Perioden wurde in ununterbrochener Reihenfolge an verschiedenen Tagen und zu verschiedenen Tages- zeiten beobachtet und sofort notiert. Das Terrarium, in dem sich die Versuchstiere befanden, war gänzlich verfinstert. Die Beobachtungen ergaben folgendes: 1) Die alternierende Stridulation von Thamnotrizon apterus Fab. & wird ausführlicher beschrieben in: Regen, Neue Beobachtungen über die Stridulationsorgane der saltatoren Orthopteren. Arbeiten der zoolog. Institute in Wien Bd. 14 H. 3. 1903. — Die in dieser Schrift niedergelegten Beobachtungen ergänzend will ich hier mitteilen, daß die Höhe des vorherrschenden Tones im Stridulationsgeräusch von Thamnotrizon apterus Fab. & etwa „h5“ entspricht. Die Bestimmung wurde mittels der Galtonpfeife ausgeführt. 2) Es kann u. a. auch der Fall eintreten, daß zwei oder mehrere Männchen bei einer Periode anfangs ihre Zirplaute gleichzeitig hervorbringen und erst nach einiger Zeit alternieren. Diese Perioden wurden jedoch, falls die Alternation nicht schon nach wenigen Zirplauten hergestellt wurde, als regellos bezeichnet. 248 J. Regen: Unter 100 Perioden waren Tag Tageszeit alternierend | einzeln regellos 25. Auge. wa 11h nachts 43 | 55 2 DER ee 1/s8h früh 79 | 18 3 DU ee ee 4h nachm. 41 | 54 5 DS $h abends 5l | 43 6 De 5h früh 81 18 1 DOES ho, 96 3 1 DO ee SR, WR 2, 82 | 16 2 Re EG 6h abends 34 | 11 5 DI es | 4h früh &7 | 12 1 Die der Fühler beraubten Männchen zirpten also 644 mal alternierend, 230 mal einzeln, NS) 26 mal reeellos, in zusammen 900 Fällen. Nach den im Jahre 1908 durchgeführten Beobachtungen !) zirpten 17 unversehrte Männchen 349 mal alternierend, 141 mal einzeln, a | 10 mal regellos, in zusammen 500 Fällen. Um ein Vergleichen dieser Zahlen zu erleichtern, sind sie in der folgenden Tabelle auf Prozente umgerechnet ?). Es kam vor: In der Versuchsreihe I In der Versuchsreihe II alternierendes Zirpen . . in 71,500 der Fälle in 69,8°%0 der Fälle einzelnes Zirpen .... A UNE 5.28, 2.010 1,00 regelloses Zirpen . . . . 2 AR 1) Regen, Das tympanale Sinnesorgan von ThamnotrizonapterusFab. & als Gehörapparat experimentell nachgewiesen. Aus den Sitzungsber. d. kaiserl. Akad. d. Wissensch. in Wien, mathem.-natur. Klasse Bd. 117 Abt. 3, Okt. 1908. — 2) Ich hätte gerade so gut das Verhalten meiner 7 Versuchstiere, bevor ihnen die Fühler abgenommen worden waren, zum Vergleich heranziehen können. Ich verglich aber absichtlich das Verhalten von 17 unversehrten mit 7 der Fühler beraubten Männchen. Es ist nämlich von vornherein mit der größten Wahrscheiniichkeit zu erwarten, daß unter 17 Männchen, die sich in einem Terrarium befinden, viel eher 2 alternierend zirpen werden als unter 7. Wäre also unter den 7 Versuchstieren das Verhalten nur einiger weniger abnormal gewesen, so wäre offenbar bei der großen Zahl der beobachteten Fälle schon ein ganz ge- waltiger Unterschied gegenüber den 17 unversehrten Männchen hervorgetreten. 5 Haben die Antennen für die altern. Stridulation ete. eine Bedeutung? 249 Vergleiche ich nun die Zahlen der Versuchsreihe I mit jenen der Versuchsreihe II, so kann ich sagen: Die der Fühler beraubten Männchen zirpten so wie die un- versehrten. Die Antennen haben somit für die alternierende Stridulation keine Bedeutung, und der Gehörsinn muß demnach bei Thamnotrizon apterus Fab. & seinen Sitz ‚anderswo als in den Fühlern haben. Daraus folet: Der Schluß, eine Bewegung der Fühler in der Richtung gegen die Schallquelle beweise den Sitz eines Gehörorgans in den Fühlern selbst, ist nicht zulässig. (segen Rudow wäre noch zu bemerken: Die Entfernung der Fühler bedeutet für die Insekten einen sehr schweren operativen Eingriff, und wenn „das Männchen zum Zirpen weniger aufgelegt war“ und „in einzelnen Fällen während desselben Tages stumm blieb“ !), so ist dieses Verhalten der Versuchstiere am Tage der Operation leicht begreiflich. Eine Stütze für seine Schluß- folgerung hierin zu suchen, war Rudow daher wonl kaum berechtigt. Sehlu ßbemerkung. Bei meinen bisherigen an Thamnotrizon apterus Fab. Z angestellten Beobachtungen verwendete ich stets mehrere Versuchs- tiere, die zusammen in einem einzigen größeren Terrarium gehalten wurden. Die Beobachtungszeit bei der Feststellung des Verlaufes der einzelnen Perioden war nicht übermäßig lang, denn die Tiere alternierten dabei nur selten öfters als siebzigmal. Als ich aber heuer bei einem Versuch gezwungen war, ein jedes Versuchstier in einem besonderen Terrarium einzeln zu halten, da zirpten sie, weil jede gegenseitige Störung ausgeschlossen war, viel lebhafter und alternierten oft viele hundert Male, bis sie eine Pause eintreten ließen. Während bisher die gegenseitige Entfernung der Tiere während der Versuche in der Regel nur einige Dezimeter betrug, ergab sich nun für mich die Notwendigkeit, die Entfernung auf Am zu vergrößern. Die Anzahl und die Dauer der alternierenden Perioden wurde dadurch wohl eingeschränkt, dafür aber ergab sich I) Rudow, Einige Beobachtungen usw. S. 323. 169 350 J. Regen: Haben d. Antennen für d. altern. Stridulation ete. eine Bedeutung? die mühevolle Aufgabe, den Verlauf einer jeden einzelnen Periode in allen ihren Phasen ununterbrochen zu verfolgen, wofür jedoch die direkte Beobachtung nicht mehr ausreichte. Ich war somit gezwungen, die in dieser Mitteilung vorgeführte Methode zu verlassen und eine andere ausfindig zu machen. Nach vielen Versuchen bin ich nunmehr endlich ans Ziel gelangt. Mit der Unterstützung meines lieben Freundes und hochherzigen Förderers meiner wissenschaftlichen Bestrebungen, des Herrn Wilhelm Ritter von Gutmann, ist es mir gelungen, die Stridulationsgeräusche photographisch zu registrieren und so das Verhalten meiner Versuchstiere hinsichtlich ihrer Lautäußerung monatelang Tag und Nacht aufs genaueste auch während meiner Abwesenheit zu kontrollieren. Dadurch aber wurde das subjektive Moment eliminiert und diese Forschung auf eine ganz neue Basis gestellt. 251 (Aus dem physiol. Institut und der medizin. Klinik der Universität Leipzig.) Über die Aktionsströme menschlicher Muskeln bei natürlicher Innervation, nach Untersuchungen an gesunden und kranken Menschen. Von Privatdozent Dr. med. Rudolf Dittler, Assistent am physiol. Institut, und Dr. med. Hans Günther, Assistent an der medizin. Klinik. (Hierzu Tafel I—III.) Die Erweiterung unserer Kenntnisse von der natürlichen Inner- vation, zu welcher die Untersuchungen der letzten Jahre geführt haben, lässt es verlockend erscheinen, die bisher nur zum Studium physiologischer Verhältnisse benützten Methoden des Nach- weises der elektrischen Zustandsänderungen des tätigen Muskels nunmehr auch auf pathologische Fälle anzuwenden. Die Fülle von Fragestellungen, welche sich für solche Untersuchungen ergeben, ist bei der Mannigfaltigkeit der funktionellen Störungen im Bereich des motorischen Apparates fast unerschöpflich. Denn da die ge- nannte Methode einen tieferen Einblick in den Ablauf der Erregungs- vorgänge gestattet als die bisher geübten Untersuchungsmethoden und eine bisher nicht untersuchte Äusserungsform der Erregung be- trifft, aus deren Verhalten sich möglicherweise eine wertvolle Er- gänzung der sonstigen klinischen Befunde gewinnen lässt, so verdient jeder einzelne einschlägige pathologische Fall eine Untersuchung nach dieser Seite hin. Der Weg, den man bei einer Untersuchung pathologischer Fälle einzuschlagen hat, ist ohne weiteres vorgezeichnet.. Einmal handelt es sich um die Prüfung, ob die bei Willkürkontraktion ableitbaren Aktionsstromkurven in Fällen, wo Störungen in der Funktionsweise des motorischen Apparates klinisch ausser Zweifel stehen, irgend- Pflüger’s Archiv für Physiolozie. B1. 155. 17 352 Rudolf Dittler und Hans Günther: welche Abweichungen von der Norm erkennen lassen. Für diese Art der Untersuchung kommen sowohl Krankheitsfälle, die mit Reiz- zuständen, als auch solehe, die mit Lähmungserscheinungen einher- gehen, in Betracht. Dann ist zu untersuchen, ob sich die bei den verschiedenen Formen krampfartiger Zustände der Skelettmuskulatur- (unter Vermeidung jeder willkürlichen Beeinflussung der Innervations- vorgänge). ableitbaren Aktionsstromreihen in ihrem Verlauf für die eine oder andere Krankheit als charakteristisch herausstellen oder nicht. Schliesslich erscheint auch die Prüfung anderer Reaktions- formen, wie der künstlich hervorgerufenen Einzelerregung und der Reflexe, von Interesse. Aus diesen Gesichtspunkten wurden die im folgenden mit- geteilten Untersuchungen vorgenommen. Wie man sieht, deckt sich ihr Versuchsplan im wesentlichen mit dem der Untersuchungen anderer Autoren, die während des Entstehens unserer Arbeit veröffentlicht wurden und zu denen wir, soweit dies notwendig erscheint, bei der Schilderung unserer Ergebnisse Stellung nehmen werden. Unter den genannten Problemen möchten wir die Untersuchung der Willkürkontraktion bei den verschiedenen pathologischen Fällen deshalb in die erste Reihe stellen, weil sie auf die an normalen Fällen gewonnenen Ergebnisse immer unmittelbar zurückverweist und eine parallel laufende Prüfung der normalen Verhältnisse geradezu fordert. Dies erscheint uns wichtig, denn die physiologische Vor- arbeit ist hier noch keineswegs als abgeschlossen zu betrachten. Bevor die Untersuchung pathologischen Materials von seiten der Kliniker in grösserem Umfang aufgenommen wird, schien es uns zum mindesten wünschenswert, dass die bisherigen Ergebnisse über die Periode, in der die Muskeln normalerweise ihre Impulse empfangen, nochmals auf ihre Zuverlässigkeit geprüft würden. In der Frage nach der normalen Innervationsrhythmik stehen sich Piper und Garten in ihren Ansichten zurzeit noch schroff gegenüber. Während - Piper, obgleich er bisweilen auch höhere Frequenzen gesehen hat !), nach wie vor an der durchschnittlichen Zahl von 40—50 Innervationsimpulsen pro Sekunde festhält (sogenannter 50er-Rhythmus), hält Garten es für möglich, dass die Zahl der Einzelimpulse wesentlich grösser ist, betont aber, dass sich an dem von Piper gewählten Objekt eine sichere Entscheidung kaum jemals 1) Piper, Zeitschr. f, biol. Technik und Methodik Bd. 3 8. 52. 1912. Über die Aktionsströme menschl. Muskeln bei natürl. Inneryation etc. 958 würde erzielen lassen. Wie sich aus der Literatur ergibt, scheint die grosse Mehrzahl der Autoren der Piperschen Ansicht zu- zuneigen. ; Nun sind aber im Laufe des letzten Jahres Tatsachen veröffent- lieht worden, die viel eher im Sinne der Gartenschen Auffassung -sprechen. So haben Dittler und Garten!) für die natürliche Innervation von Phrenieus und Zwerchfell bei Tieren in unzwei- deutiger Weise Aktionsstromfrequenzen bis zu 140 pro Sekunde nachweisen können. Es sind hier zum ersten Male einwandfrei die periodischen Aktionsströme eines motorischen Nerven bei natürlicher Innervation dargestellt worden, und die auf den Lichtdrucktafeln wiedergegebenen Originalkurven lassen die hobe Aktionsstromfrequenz klar hervortreten, da hier offenbar alle Nervenfasern praktisch gleich- zeitig in Erregung geraten. Ganz ähnliche Frequenzen ergeben sich aus einer von Fahrenkamp°) mitgeteilten Kurve, die bei reflek- torischer Erregung vom Museulus reetus femoris des Hundes erhalten wurde. Von den anderen bisher untersuchten Tieren, dem Frosch, Vogel (Weiss), Malapterurus (Garten), die Ähnliche Innervations- frequenzen zeigen, soll hier ganz abgesehen werden. Wegen der entsprechenden Verhältnisse beim Menschen sei beispielsweise auf eine ebenfalls von Dittler und Garten wiedergegebene Aktions- stromkurve der Unterarmflexoren hingewiesen, aus welcher hervorgeht, dass bei geeigneter starker Spannung der Galvanometersaite auch hier viel höhere Aktionsstromfrequenzen zu erhalten sind, als Piper angibt, und dass das Auftreten des 50er-Rhythmus durch geringe Spannung der Saite begünstigt wird. Dasselbe lehrten schon die einschlägigen Kurven der Arbeit von Buytendyk®°). Diesen Fest- stellungen tut die Angabe Kohlrauschs*), die Zahl der pro Sekunde ableitbaren Aktionsströme sei von der Saitenspannung ganz unabhängige, keinen Eintrag. Denn erstens könnte es fraglich er- scheinen, ob Kohlrausch Spannungsänderungen von genügendem Umfang vorgenommen hat und ob er die Saite speziell nicht noch weiter hätte spannen können, ohne infolge einer Periodizität des Fadens falsche Zacken in die Kurve zu bekommen. Und zweitens 1) Dittler und Garten, Zeitschr. f. Biol. Bd. 58 S. 420. 1912. 2) Fahrenkamp, Zeitschr. f. Biol. Bd. 59 S. 426. 1913. 3) Buytendyk, Zeitschr. f. Biol. Bd. 58 S. 241. 1912. 4) Kohlrausch, Arch. f. (Anat. u.) Physiol. 1912 S. 39, 100% 354 Rudolf Dittler und Hans Günther: ; Jassen auch schon innerhalb des von Kohlrausch eingehaltenen Spannungsbereiches, wie der Autor selbst angibt, die (wohl bei gleicher Elektrodenlage am selben Menschen) bei hoher Saiten- spannung aufgenommenen Kurven ohne Zweifel pro Zeiteinheit eine grössere Zahl wohlausgebildeter Zacken erkennen als die bei ge- ringerer Saitenspannung gewonnenen. Dadurch ist, eine aperiodisch reagierende Saite vorausgesetzt, ohne weiteres bewiesen, dass das Galvanometer bei der geringeren Saitenspannung die Vorgänge im Muskel nicht getreu wiedergegeben hat. Bezüglich der bei der stärkeren Saitenspannung gewonnenen Kurven Kohlrauseh’s ergeben sich aus einem Vergleich mit unseren und Garten’s Kurven in dieser Hinsicht ähnliche Bedenken, und es muss jedenfalls als höchst gewagt bezeichnet werden, ohne bezüglich der Treue der Wiedergabe des wirklichen Stromverlaufes ein abgeschlossenes Urteil zu haben, an den Aktionsstromkurven eine Scheidung zwischen „Haupt- und Nebenzacken“ durchführen zu wollen. Eine Unterscheidung physiologisch ungleich zu bewertender Kurvenzacken wäre theoretisch doch erst dann denkbar, wenn der wirkliche (physikalische) Verlauf der Vorgänge im Muskel, soweit dies möglich ist, einwandfrei festgestellt wäre. Über diese Schwierig- keit hilft auch die von Piper immer wieder betonte „Äquivalenz“ des Aktionsstromes bei Einzelreizung des motorischen Nerven und der einzelnen Aktionsstromzacke bei Willkürkontraktion nicht hin- weg (vergl. hierzu auch Seite 262). Es kann nicht oft und nicht nachdrücklich genug darauf hin- gewiesen werden, dass wir erst dann berechtigt sind, die Aktions- stromkurve als ein getreues Abbild der im Muskel ablaufenden Schwankungen des elektrischen Zustandes zu betrachten, wenn der Nachweis erbracht ist, dass bei einer weiteren Spannung der Galvanometersaite eine Änderung weder iin der Zahl noch im Grössenverhältnis der einzelnen Kurven- zacken, sondern lediglich eine proportionale Ver- kleinerung sämtlicher Zacken eintritt. Solange dies nieht erreicht ist, muss bei der ausserordentlichen Flüchtigkeit der elektrischen Zustandsänderungen im Muskel immer angenommen werden, dass schon bei kleinen Differenzen im zeitlichen Ablauf die relativ langsam ablaufenden elektrischen Vorgänge zuungunsten der rascher verlaufenden in übertriebener Grösse wiedergegeben werden. Es braucht hier nur auf die von Dittler und Garten publizierten Über die Aktionsströme menschl. Muskeln bei natürl. Inneıvation etc. 255 Modellversuche verwiesen zu werden, durch welche diese Verhältnisse in übersichtlicher Weise experimentell klargestellt wurden. Auch die Möglichkeit des Entstehens langsam verlaufender Wellen als eines Kunstproduktes wird hieraus prinzipiell ohne weiteres ver- ständlich. Auch unter den theoretisch günstigsten Bedingungen der Saitenspannung ist sodann freilich immer zu bedenken, dass die resultierende Aktionsstromkurve den summarischen Effekt aus der Aktion sämtlicher Muskelfasern darstellt und dass die einzelnen Fasern vielleicht nicht streng gleichzeitig in Erregung geraten. In dieser Hinsicht kann indes auf die bei gleichzeitiger Ableitung von Nerv und Muskel gewonnenen Kurven in der Arbeit von Dittler und Garten verwiesen werden, aus denen sich bezüglich einer praktischen Bedeutung der wohl wirklich vorhandenen Phasen- unterschiede in der Aktion der einzelnen Muskelfasern, wenigstens für das Zwerchfell, nichts Positives ergibt. Mögen die Verhältnisse bei den bisher untersuchten menschlichen Muskeln nun auch un- sünstiger liegen, so erscheint uns die Notwendigkeit der Annahme (durch Interferenz entstandener Nebenzacken, sobald die Gesamtzahl ler Kurvenzacken Frequenzen über 50 ergeben würde, gegenüber den soeben geäusserten Bedenken vor der Hand experimentell noch nicht genügend begründet. Auf diese Verhältnisse kommen wir weiter unten nochmals zurück. Methodik. In der Mehrzahl der untersuchten Fälle leiteten wir die Aktionsströme von den am Vorderarm gelegenen Flexoren der Hand ab, wo die Innervationsverhältnisse (wenigstens soweit der Mensch in Frage kommt) bisher am meisten studiert sind. Von vereinzelten Fällen, bei denen andere Muskelgruppen untersucht wurden, ist weiter unten die Rede. Als Ableitungselektroden dienten uns in der ersten Zeit kleine, mit Zinksulfat gefüllte tulpenförmige Glas- sefässe, die in der üblichen Weise auf der breiten Seite durch eine tierische Membran abgeschlossen waren und an der engen Öffnung der anderen Seite das ableitende amalgamierte Zinkstäbchen trugen. Später leisteten uns einfache, mit Drahtklemmen versehene Zu- Streifen von 2 zu 6 cm Grösse, welche unter Zwischenschaltung zinksulfatgetränkter Mullpolster auf die gut durchfeuchtete Haut des Vorderarmes aufgelegt und durch zirkulär verlaufende starke Gummi- bänder mit ganzer Fläche fest gegen die Unterlage gedrückt wurden, 256 Rudolf Dittler und Hans Günther: sehr gute Dienste. Der Hauptvorteil der Elektroden dieser Form besteht darin, dass sie leichter und erschütterungssicher sind und auch an abschüssigen Stellen der Körperoberfläche gut verwendet werden können. Da es sich um den Nachweis sehr rasch verlaufender elektrischer Vorgänge handelte (siehe oben), so wurde die Galvanometersaite (Quarzsaite) so weit gespannt, als es möglich war, ohne dass sie bei Einschaltung bekannter elektromotorischer Kräfte oder bei Erregung durch ganz kurze Stromstösse eine nennenswerte Periodizität er- kennen liess. Ihre Ausschläge waren bei dieser Einstellung, wohl auch infolge der raschen Rhythmik der nachzuweisenden zwei- phasischen Ströme, ziemlich klein, aber bei einer ca 750fachen Vergrösserung auf den Photogrammen noch deutlich erkennbar. Zu Vergleichszwecken wurden Kurven mehrfach auch bei noch grösserer sowie bei geringerer Spannung des Fadens aufgenommen. Übrigens wechselten die als optimal sich erweisenden Spannungswerte der Saite bei den einzelnen Versuchspersonen aus naheliegenden Gründen (anatomische Verhältnisse, Widerstände) innerhalb gewisser Grenzen. Die in der beigegebenen Aichungskurve, Fig. 1, verzeichnete obere Kurve, welehe bei Einschaltung einer E.K. von °/ıooo Daniell ge- wonnen wurde, entspricht der in den oberen Kurven der Fig. 9—12 verwendeten Spannung. Die untere Kurve der Fig. 1 zeigt zum Vergleich die Reaktionsweise einer in denselben Kreis geschalteten schwächer gespannten zweiten Saite und hat, beiläufig bemerkt, als Aichungskurve der in Fig. 9—12 unten verzeichneten Kurven zu selten. Die Stromstärke im Elektromagneten betrug hier wie ge- wöhnlich ea. 3 Ampere. Der rasche Rückgang der Kurven ist durch eine Art Kondensatorwirkung des menschlichen Körpers!) hedinst und lässt sich nieht vermeiden, wenn die Versuchsperson vermittels der auch sonst von uns benutzten relativ kleinflächigen Elektroden in den Aichungsstromkreis mit aufgenommen wird. Wie man sieht, zeigt sowohl die stark- wie die schwachgespannte Saite diese Wirkung an, die letztere, infolge ihrer geringen Einstellungs- 1) Vgl. hierzu Du Bois, Arch. der Physiologie Bd.9 S. 746. 1897, und Garten, Zeitschr. f. Biol. Bd. 52 S. 534. 1909 (siehe speziell auch S. 556 Anm.). Nach den neueren Untersuchungen Gildemeisters (Zentralbl. f. Physiol. Bd. 25 S. 1093. 1911, und Pflügers Arch. Bd. 149 S. 389. 1912) handelt es sich offen- bar um Gegenkräfte, welche durch Polarisatiorsvorgänge in der Haut hervor- gerufen werden. Über die Aktionsströme menschl. Muskeln bei natürl. Innervation etc. 257 geschwindigkeit, freilich nicht in ihrem ganzen Umfang. Da die endeültige Einstellungshöhe der Saite auf jeden Fall nur einmal durchschnitten wird, so ist auch bei Verwendung der stärker ge- spannten Saite das Auftreten fehlerhafter Kurvenzacken infolge der genannten Wirkung nicht zu befürchten. Auch wird an dem Grössenverhältnis der in den Willkürkontraktionskurven verzeichneten einzelnen Zacken durch die „Kondensatorwirkung“ nichts geändert, wofern dieselbe bei dem raschen Verlauf der Aktionsströme, speziell bei der biphasischen Ableitung, überhaupt praktisch in Betracht kommt. Dass die Saite in dem meist von uns benutzten Spannungs- zustande an sich praktisch aperiodisch reagierte, zeigt die Aichungskurve Fig. 2, bei deren Aufnahme der Widerstand des Menschen durch einen Graphitrheostaten ersetzt war. Um uns von der Reaktionsweise der Saite bei Einwirkung ganz kurzer Stromstösse zu überzeugen, wurden weiterhin bei verschiedenen, speziell auch bei den höchsten verwendeten Spannungszuständen des Fadens ganz schwache Induktionsströme, die durch Stimmgabeln ver- schiedener Schwingungszahl erzeugt wurden, durch die Saite geschickt und photographisch registriert. Die Amplitude der Ausschläge wurde derjenigen der Aktionsströme auf unseren Versuchskurven hierbei etwa gleichgemacht. Unter diesen Verhältnissen gab die Saite die Schwingungszahl der Stimmgabel immer getreu wieder (Fig. 3). Derselbe Kontrollversuch wurde auch mit einzelnen Induktionsschlägen durchgeführt, absichtlich mit verhältnismässig grosser Amplitude der Ausschläge. Wie die Kurve 4 zeigt, ergab sich für den auch sonst meist benutzten Grad der Saitenspannung hierbei wiederum ein aperio- disches Arbeiten des Galvanometers. Von Eigenschwingungen des Fadens bei der Aufnahme unserer Aktionsstromkurven ist demnach keine Rede; es handelte sich nicht um jenes Mass von Saiten- spannung, das Piper!) vorschwebte, als er die Verwendung straff- gespannter Saiten für bedenklich erklärte. Auch vonseiten des Registrierapparates (Gartensches Photokymographion) und der zur Zeitschreibung. verwendeten Hilfsapparate (Stimmgabel von 60 V.D., Zungenpfeifen von 148 und von 180 V.D., Jaquet) waren störende Einflüsse auf den Kurvenverlauf nicht vorhanden. Hiervon haben wir uns in speziellen Kontrollversuchen sicher überzeugt. Besonders bezüglich der Zungenpfeife von 180 V.D. schienen uns 1) Piper, Zeitschr. f. physiol. Technik und Methodik Bd. 3 S. 52. 1912. 258 wudolf Dittler und Hans Günther: solehe Kontrollen erwünscht, da die Aktionsströme vielfach ebenfalls eine Oszillationsfrequenz von 180 Schwingungen aufwiesen. Die fast immer vorhandenen Bestandströme wurden in der üb- lichen Weise vollkommen kompensiert. Willkürliche Innervation. -Zur Aufnahme der Aktionsströme bei willkürlicher Muskel- kontraktion wurden die Elektroden, wie bereits erwähnt, meist an der: volaren Seite des Unterarms angebracht, und zwar kam die proximale Elektrode etwa in die Mitte des Unterarms, die distale 5—6 em’ näher der Hand zu liegen. Es darf also angenommen werden, dass sich beide Ableitungselektroden distalwärts von dem nervösen Äquator (Hermann, Piper) befanden. Zur Feststellung der jeweils erreichten maximalen Muskelspannung wurde ein Collin- sches Dynamometer benutzt, dessen Ausschlag nach jeder Aufnahme notiert wurde. Die erste Versuchsreihe, welche an einer grösseren Zahl von Personeu mit normalen Funktionen des Bewegungsapparates durch- geführt wurde, galt der Ermittlung der durchschnittlichen Normal- werte der Aktionsstromfrequenz. Ausser gesunden Personen, d. h. solchen, welche keiner ärztlichen Behandlung bedurften, werden hier noch diejenigen Patienten der medizinischen Klinik zu den normalen Fällen gerechnet, welche nicht an Störungen des motorischen Innervationsapparates litten; zu diesen gehörten mehrere Fälle von Lungentuberkulose, ferner Fälle von Arteriosklerose, Bronchialasthma, Myokarditis, Herzblock, Arthritis deformans, Diabetes insipidus. Unter den obengenannten Bedingungen der Saitenspannung fanden wir unter den zahlreichen hier in Betracht kommenden Versuchspersonen keine einzige, die den sogenannten 50 er- Rhythmus darbot. Es ergab sich vielmehr, dass die normale Aktions- stromfrequenz wahrscheinlich meist weit über 100 pro Sekunde liest!). Vorherrschend war ein Rhythmus um 180 pro Sekunde; doch kamen schon bei demselben Individuum, in erhöhtem Masse aber bei verschiedenen Versuchspersonen Schwankungen vor, so dass 1) Gelegentlich eines Vortrages von Gregor und Schilder (Mediz. Ge- sellschaft Leipzig, 14. Januar 1913) über ähnliche Versuche hat der eine von uns (G.) bereits unseren hier festgelegten Standpunkt bezüglich der Frequenz vertreten; leider wurde die Diskussionsbemerkung bei der Veröffentlichung des Protokolles irrtümlicherweise vergessen. Über die Aktionsströme menschl. Muskeln bei natürl. Innervation etc. 259 wir Werte zwischen 120 und 240 feststellen konnten. .Da vergleichs- weise auch andere rhythmische Aktionen des Organismus (Herzschlag, Atmung) zuweilen beträchtlichen Schwankungen uuterliegen, so braucht dieses Ergebnis keineswegs zu befremder. Da wir für unsere Versuche zumeist kein zweites Saitengalvano- ıneter zur Verfügung hatten, die Möglichkeit einer sicheren Kontrolle darüber also fehlte, inwieweit bei der eingehaltenen Saitenspannung (die verzeichneten Kurven die wirklichen Verhältnisse getreu wieder- eben, schien es uns auf Grund der oben angestellten Überlegungen (siehe Seite 254) zwecks Feststellung der Aktionsstromfrequenz vor- erst das richtigste zu sein, die Kurvenzacken unterschiedslos aus- zuzählen. Allerdings hielten wir uns bei der Auszählung möglichst an Kurvenstellen, welche bei einigermassen gleichartigem Verlauf der einzelnen Aktionsstromzacken relativ übersichtliche Verhältnisse darboten. Der Verlauf der bei Willkürkontraktion gewonnenen Aktions- stromkurven ist in den meisten Fällen sehr unregelmässig. Günstigen- falls wechseln Strecken mit Zacken etwa gleicher Grösse und Dauer, welche sich auf derselben geradlinigen Abszisse eine an die andere reihen, in den Kurvenbildern ab mit Strecken, wo die Nulllage der Saite nieht streng gewahrt bleibt, sondern eine Art Superponierung mehrerer Zacken in wechselnder Zahl auftritt. Indessen sind die einzelnen Aktionsstromwellen auch an solehen Kurvenstellen sehr häufig von derselben Grösse und Dauer wie an den Stellen der erstgenannten Art; der einzige Unter- schied ist dann der, dass die Kurvenzacken sich hier entweder zu zweien oder auch in grösserer Zahl zu einer Welle zusammen- schliessen. Derartige Wellenbildungen werden durch Entspannung der Saite entschieden begünstigt; wie wir weiter unten auch au einigen Kurvenbeispielen zeigen werden, ist es uns durch starke Spannung der Saite in vielen Fällen gelungen, Kurven zu erhalten, die auf relativ grosse Strecken hin frei von diesen langen Wellen sind. Es bedarf keiner besonderen Erwähnung, dass derartige Be- funde für die Beurteilung unregelmässiger verlaufender Kurvenzüge, deren Analyse sonst überhaupt nicht durchzuführen wäre, von grösster Bedeutung sind. Abgesehen von den Wellenbildungen der beschriebenen Art weist der Verlauf der Aktionsstromkurven weiterhin insofern Un- regelmässigkeiten auf, als sich nicht selten innerhalb ein und der- 2360 Rudolf Dittler und Hans Günther: selben Kurve, welche bei unseren Aufnahmen ca *s Sekunde umfasst, deutliche Schwankungen in der Oszillationsfrequenz der Aktionsströme feststellen lassen. Dabei haben wir nicht die kleinen Verschiedenheiten der Dauer im Auge, welche meist schon an zwei einander unmittelbar folgenden Aktionsstromzacken nachzuweisen sind; denn diese pflegen sich innerhalb eines kürzeren Wellen- bereiches bereits wieder auszugleichen. Es kommt vielmehr vor, dass eine längere Kurvenstrecke sich aus Einzelzacken zusammen- setzt, welche den einzelnen Aktionsströmen einer direkt vorauf- gegangenen oder nachfolgenden Reihe gegenüber eine veränderte Periode besitzen. Bemerkenswerterweise betrugen die an solchen Stellen auszählbaren Frequenzen nicht selten gerade die Hälfte oder auch ein Drittel der oben angegebenen hohen Frequenzen. Endlich finden sich auch innerhalb sonst regelmässig verlaufender Kurvenzüge fast immer vereinzelte Zacken oder kleine Gruppen von solchen, welche hinsichtlich ihrer Dauer aus der Reihe der übrigen vollständig herausfallen; in der Regel besitzen diese Zacken auch eine bedeutend grössere Amplitude als die übrigen Kurvenzacken. Zur Illustration des Gesagten mögen die Kurven 5, 6 und 7 der Tafel I dienen, die unter den obengeschilderten Bedingungen der Ableitung von verschiedenen Personen erhalten wurden und den nach unseren Erfahrungen charakteristischen Verlauf der Aktions- ströme der Unterarmflexoren aufweisen. Die Zeitmarken auf Fig. 5 und 6 entsprechen Y/ıso Sekunde; auf Fig. 7 sind oben die Schwingungen einer sechziger Stimmgabel, unten die Fünftelsekunden- marken des Jaquetschen Chronometers verzeichnet. Wie man sieht, ist die Frequenz der wiedergegebenen Aktionsströme ausser- ordentlich hoch, wechselt aber innerhalb ein und derselben. Kurve, wie üblich, vielfach und hält sich meist nur auf kürzere Strecken hin konstant. Bei Auszählung der relativ am regelmässigsten ver- laufenden Kurvenstrecken ergaben sich uns für Kurve 5 Frequenz- werte von 200, für die Kurven 6 und 7 Frequenzwerte von 170 bzw. 120 und 200 pro Sekunde. Wegen Kurve 6 siehe auch Seite 265. Die oberen Kurven der Fig. 10 und 12, die ebenfalls hierher ge- hören, werden weiter unten in anderem Zusammenhang ausführlich besprochen. Als Ursache der Unregelmässigkeiten im Kurvenverlauf kommt wohl Verschiedenes in Betracht. Man hat nicht nur an die Möglich- keit einer mangelhaften Rhythmik im Eintreffen der nervösen Im- Über die Aktionsströme menschl. Muskeln bei natürl. Innervation etc. 261 pulse, sondern auch daran zu denken, dass die im Muskel ausgelösten Erregungen, je nach dem augenblieklichen Zustande der Muskelsubstanz, kleine Schwankungen ihrer Stärke (Dekrement) und ihres zeitlichen Ablaufes aufweisen können, und dass, wie es scheint, einzelne vom Nerven her zugeleitete Impulse im Muskel gelegentlich auch ganz unbeantwortet bleiben können. Ausserdem ist es denkbar, dass einzelne Öszillationen, besonders bei sehr geringer Stärke der Aktions- ströme, nicht auf die Galvanometersaite übertragen werden; so be- obachtet man gerade bei schwachen Muskelkontraktionen zuweilen das Auftreten langsamerer Öszillationen. Wie leicht zu ersehen ist, lassen sich die tatsächlich zur Beobachtung kommenden Unregel- mässiekeiten im Kurvenverlauf auf diese Weise erklären. Hierauf soll im einzelnen nieht eingegangen werden, zumal es sich doch nur um die Entwicklung mehr oder weniger naheliegender Vermutungen handeln könnte. Nur das eine sei nochmals besonders hervorgehoben, dass das Kurvenbild beispielsweise Superpositionen zweier oder mehrerer Zacken bei der nachweisbar vorhandenen Trägheit der Saite auch dann zeigen kann, wenn Sich Solche aus den Vor- gängen im Muskel an sich gar nicht ergeben, sondern wenn lediglich die Einwirkungsdauer des Aktions- stromes auf die Saite von Erregung zu Erregung im Bereich der einen oder anderen Elektrode um geringe Beträge schwankt. Im Anschluss an die Ableitung der Aktionsströme bei willkür- licher Innervation haben wir in einem Teil der untersuchten Fälle, unter genau denselben Bedingungen der Elektrodenlage und der Saitenspannung, die bei Einwirkung eines einzelnen Induktions- schlages auf den motorischen Nerven von den Muskeln ableitbaren Aktionsströme vergleichsweise untersucht. Dies durfte um so weniger unterlassen werden, als sich bei dem Vergleich möglicherweise Ver- hältnisse ergeben konnten, welche eine von der unserigen abweichende Art der Kurvendeutung nahelesten. Es erschien nämlich nicht ganz ausgeschlossen, dass die auf Einzelreiz erfolgende Einzel- erregung des Muskels, welehe infolge ungleichzeitiger Reaktion der einzelnen Muskelpartien schon bei geringerer Saitenspannung oft eine nicht ganz glatt verlaufende Aktionsstromkurve ergibt, bei Ver- wendung der rascher reagierenden starkgespannten Saite eine Gruppe von drei bis vier mehr oder weniger gleichwertiger doppelphasischer 2362 Rudolf Dittler und Hans Günther: Schwankungen lieferte, die sich in ähnlicher Weise hintereinander- reihten, wie die einzelnen Zacken in unseren Willkürkontraktions- kurven. Die Verhältnisse der natürlichen Innervation im Sinne der Vertreter des 50er - Rhythmus könnten unter diesen Umständen dann dahin gedeutet werden, dass durch jeden Einzelimpuls, der den Muskel vom Zentralnervensystem her trifft, jenes der künstlich hervorgerufenen Einzelerregung entsprechende Kurvenstück ausgelöst würde, und dass sich etwa fünfzig derartige kurze Wellenzüge zu der bei Willkürkontraktion resultierenden Kurve einfach aneinander- reihten. Die experimentelle Prüfung hat ergeben, dass für eine derartige Auffassung der Verhältnisse keine Notwendigkeit vorliegt. Man erhält bei künstlicher Einzelreizung zwar leicht recht unregelmässig verlaufende Kurven, bei denen die von Piper als Nebenzacken bezeichneten Kurvenzacken gelegentlich in der Tat als Einzelindividuen imponieren können, freilich ohne dass der Charakter des doppel- phasischen Einzelaktionsstromes dabei jemals ganz verloren ginge. Anderseits aber kann man trotz starker Spannung der Saite bei geeigneter Lagerung der Ableitungs- elektroden auf Einzelreiz Aktionsstromkurven er- halten, die sich -aus zwei ganz glatt verlaufenden Einzelphasen zusammensetzen, und gerade diese letzteren Fälle sind für die behandelte Frage, wie uns scheint, besonders wichtige. Hier nämlich wären für ein Auftreten von 50 er- Wellen entschieden die günstigsten Vorbedingungen gegeben. Statt dessen hat sich bemerkenswerterweise der sichere Nachweis erbringen lassen, dass die unter genau denselben Bedingungen bei Willkürkontraktion ableitbaren Vergleichskurven (trotz des ganz glatten Verlaufes der Einzelreizkurven) durchaus den für dieverwendete starke Saitenspannung typischen Verlauf mit sicher über 120 Aktionsstromzacken pro Sekunde aufwiesen. Auf Grund dieser Feststellung liegt es wohl am nächsten, für die Inner- vationsfrequenz bei willkürlicher Innervation eine höhere Zahl von Einzelimpulsen anzunehmen, als es Piper tut. Die hierher gehörigen Versuche wurden zum Teil im physio- logischen Institut zu Giessen vorgenommen, weil uns dort Gelegen- heit geboten war, mit Hilfe eines zweiten Saitengalvanometers gleich- zeitig zu verfolgen, inwieweit eine schlaffgespannte Saite bei glattem Verlauf der Einzelreizkurve Willkürkontraktionskurven lieferte, Über die Aktionsströme menschl. Muskeln bei natürl. Innervation etc. 263 welche sich aus lauter dem Einzelaktionsstrom äquivalenten Aktions- strömen zusammensetzten. Herrn Professor Garten sprechen wir für sein freundliches Entgegenkommen und seine Beteiligung an den Versuchen, bei welchen uns auch Herr Privatdozent Dr. Sulze in liebenswürdigster Weise behilflich war, unseren herzlichsten Dank aus. Von den einschlägigen Kurven bilden wir in Fig. 9—12 einige Beispiele ab. Die Zeitmarken entsprechen in diesen Fällen !/ıas Se- kunde. Die zunächst allein in Rede stehenden oberen Aktionsstrom- kurven jedes Bildes sind durehgehends bei einer Saitenspannung ge- wonnen, welche der auch sonst von uns benutzten entspricht. Fig. 9 und 11 zeigen je einen doppelphasischen Aktionsstrom, wie er bei bestimmter Lage der Ableitungselektroden nach Reizung des Nervus medianus von der Flexorengruppe erhalten wurde. Von der durch den Induktionsschlag bedingten Kurvenzacke abgesehen, verlaufen die Kurven, wie man sieht, ganz glatt. Die zugehörigen, jeweils bei derselben Elektrodenlage und Saitenspannung gewonnenen Willkür- kontraktionskurven sind in den Fig. 10 und 12 wiedergegeben; sie lassen auf grosse Strecken eine ziemlich regelmässige Oszillations- frequenz von ca 210 pro Sekunde erkennen, fügen sich in die Reihe unserer übrigen Kurven also zwanglos ein. Wie eine sehr schwach- gespannte Saite unter sonst gleichen Bedingungen dieselben Aktions- ströme wiedergibt, ist aus den unteren Kurven derselben Figuren zu ersehen. Auch hier verläuft der Einzelaktionsstrom natürlich glatt; doch beachte man die ausserordentliche Verspätung speziell der zweiten Phase in den von der schlaffgehaltenen: Saite verzeichneten Kurven. In den zugehörigen Willkürkontraktionskurven (Fig. 10 und 12, unten) äussert sich die geringe Einstellungsgeschwindigkeit der Saite unverkennbar in der Neigung zur Bildung längerer Wellen, welche ihre Entstehung aus mehreren kürzeren Wellen stellenweise kaum mehr vermuten lassen. Andererseits weist auch die von der schlaffen Saite stammende Kurve, und zwar bemerkenswerterweise gerade da, wo die obere besonders regelmässig verläuft, rascher ver- laufende Weller auf!). Jedenfalls geht aus dem Vergleich der beiden Kurven hervor, dass die bei schlaffer Saitenspannung gewonnenen 1) Nach dem oben entwickelten Prinzip für die Deutung der Kurven wären in der von der schlaffgespannten Saite verzeichneten Kurve also gerade die- jenigen Stellen als die „regelmässig verlaufenden“ aufzufassen, welche Piper als die „durch Phasendifferenzen entstellten“ bezeichnen würde. 264 Rudolf Dittier und Hans Günther: Kurven wegen der unvollkommenen Wiedergabe des Stromverlaufes nicht geeignet sind, als Grundlage für eine pbysiologische Analyse der Vorgänge im willkürlich innervierten Muskel zu dienen. Dabei sei bemerkt, dass die Entspannung der schlaffgehaltenen Saite in unseren Versuchen wohl noch etwas weiter getrieben war, als z. B. in den Piperschen Versuchen, da es uns darauf ankam, die hierdurch be- dingten Eigentümlichkeiten ihrer Reaktionsweise in extremem Grade sinnenfällige zu machen. Das Empfindlichkeitsverhältnis beider Saiten betrug im vorliegenden Falle etwa 1:5 (vel. die Aichungskurve Fig. 1). Bei der von uns gegebenen Deutung der abgebildeten Kurven verkennen wir nicht, dass die einzelnen Muskelpartien bzw. die einzelnen Muskeln der in Betracht kommenden Muskelgruppen bei der willkürlichen Innervation möglicherweise nicht so streng gleich- zeitig ihre Impulse erhalten wie bei der künstlichen Reizung, d. h. ddass möglicherweise Phasenverschiebungen unter den von den ver- schiedenen Muskeigruppen gelieferten Strömen vorkommen, die zum Auftreten von Diskontinuitäten im Verlauf der an sich glatten Zacken oder selbst zum Auftreten selbständiger superponierter Gipfel in der Willkürkontraktionskurve Anlass geben können. Wir sind aber durch- aus nicht der Ansicht, dass das Zustandekommen der raschen Os- zillationen überhaupt schlechthin aus dem Auftreten von Phasen- verschiebungen erklärt werden muss, schon deshalb nicht, weil die reihenweise Hintereinanderschaltung ganzer Reihen gleich grosser und gleich frequenter Zacken auf einer geradlinigen Abszisse, wie sie sich sehr häufig in unseren Kurven finden, durch die einfache Annahme von Interferenzen nicht ungezwungen erklärt werden kann, da. die Saite bei Einschaltung eines konstanten Stromes selbst bei starken Ausschlägen nur einmal die Ruhelage überschreitet (Aichungskurve). Auf Grund des beigebrachten Materials liegt es unseres Erachtens, wie gesagt, näher, anzunehmen, dass die soeben charakterisierten regelmässig verlaufenden Kurvenstellen ein Bild der wahren Innervationsrhythmik geben, während die vorkommenden Phasenverschiebungen auf dieser Basis lediglich als komplizierendes Moment eine Rolle spielen und den glatten Verlauf der Kurven stören. Jedenfalls verdient es Beachtung, dass sich in unseren Willkürkontraktionskurven doppelphasische Zacken, welche dem bei künstlicher Reizung erhaltenen Einzelaktionsstrom ihrer Dauer nach wirklich äquivalent wären, nur ganz ausnahmsweise finden. Bei alle- Über die Aktionsströme menschl. Muskeln bei natürl. Innervation etc. 265 dem stützen sich unsere Beobachtungen, wie oben ausführlieh erörtert wurde, auf Kurven, die den wirklichen (physikalischen) Stromverlauf sicher getreuer wiedergeben als die Piperschen, diejenigen inbe- griffen, durch welche er und seine Mitarbeiter (auf indirektem Wege) den experimentellen Beweis für die Richtigkeit seiner Anschauungen zu erbringen suchten. Der von uns vermutete Zusammenhang der Dinge, welcher zu- nächst nur in jenen Fällen erkennbar war, in denen der Einzel- aktionsstrom ganz glatt verlief, müsste natürlich auch für diejenigen Fälle angenommen werden, in denen auf Einzelreiz eine kompli- zierter verlaufende Kurve erhalten wurde. Begründete Bedenken hiergegen dürften kaum bestehen, wenngleich sich der Kurvenverlauf natürlich entsprechend unübersichtlicher und die Kurvendeutung schwieriger und unsicherer gestalten muss. Weitere Belege für unsere Auffassung sind übrigens in den weiter unten besprochenen, vom Gastroenemius stammenden Kurven gegeben (s. S. 270 f.). Unter Zugrundelegung der raschverlaufenden Kurvenzacken bei der Ermittlung der Innervationsfrequenz haben wir, wie beiläufig bemerkt sei, keine Abhängigkeit des Rhythmus von der Stärke der willkürlichen Anspannung des Muskels gefunden; vielmehr ergaben sich im allgemeinen für starke und schwache Kontraktionen die eleichen Frequenzwerte. Dass zuweilen bei sehr schwacher Muskel- spannung langsamere Oszillationen der Saite abgebildet werden, wurde bereits erwähnt unter Hinweis auf die Möglichkeit, dass einzelne Oszillationen nicht auf die Saite übertragen werden. Wichtig ist uns der trotzdem in. einer Reihe speziell hierauf untersuchter Fälle geelückte Nachweis der Konstanz der Oszillations- frequenz bei Änderung der Muskelspannung. In diesem Punkte be- finden wir uns in Übereinstimmung mit der Mehrzahl der Autoren, welche Angaben hierüber gemacht haben. Die zur Prüfung dieser Verhältnisse von uns angestellten Versuche wurden zum Teil in der Weise durchgeführt, dass die Versuchsperson, während der photo- graphische Film den Spalt des Registrierapparates passierte, das Dynamometer maximal komprimierte oder umgekehrt in dem be- treffenden Moment von der maximalen Kompression zur völligen Entspannung zurückging. Die auf diese Weise gewonnenen „Spannungs- und Entspannungskurven“ ergaben durchaus das obengenannte Resultat. Als Beleg kann die Kurve 6, Tafel I, dienen, die den Anstieg einer Kontraktion im Aktionsstrombilde zeigt. 266 Rudolf Dittler und Hans Günther: Das Maximum der Muskelspannung ist am Ende der Kurve sicher erreicht. Eine Verlangsamung des Innervationsrhythmus während der Entspannung, wie sie Gregor und Schilder!) beschreiben, haben wir nicht gesehen. Auch können wir die Angabe von Gregor und Schilder nicht bestätigen, dass bei der Spannungskurve bereits während des Anstiegs der Muskelspannung, also noch vor Erreichung der maximalen Leistung, sich „Ermüdungssymptome“ darin bemerk- bar machten, dass die Frequenz der Aktionsströme abnimmt. Ab- gesehen davon, dass bei der ersten Inanspruchnahme eines frischen Muskels sinngemäss von einer Ermüdung nicht gesprochen werden kann, selbst wenn der entsprechende Befund wirklich vorläge, so stimmen unsere tatsächlichen Feststellungen nicht mit jenen Gregor’s und Schilder’s überein. Es erscheint uns. nicht ausgeschlossen, dass sich in den Versuchen der genannten Autoren beim Grösser- werden der Amplitude die geringe Einstellungsgeschwindigkeit der Saite störend bemerkbar gemacht hat. Den Einfluss einer objektiv nachweisbaren Ermüdung auf den Verlauf der Aktionsstromkurve haben wir in der Weise untersucht, dass wir die Versuchsperson entweder das Dynamometer bis zur Erschöpfung möglichst stark komprimieren oder indem wir sie mit rechtwinkelig gebeugtem Arme ein 5-kg-Gewicht so lange als nur irgend möglich frei halten liessen und ausser zu Beginn des Versuches jede zweite bis dritte Minute eine Aufnahme machten. In letzterem Falle wurden die Ströme des Bizeps abgeleitet: Der Einfluss der Ermüdung äusserte sich in der Aktionsstromkurve in einer Abnahme der Amplituden. Bei sehr starker Ermüdung scheint auch eine geringe Abnahme der Innervationsfrequenz stattzuhaben: wir beobachteten 'eine solche z. B. von 180 auf 150 pro Sekunde bei einer Abnahme des Dynamometerausschlages von 125 auf 40. Wie aber bereits obeu erwähnt, könnte diese Tatsache schon allein dadurch erklärt werden, dass einzelne der auf ein Minimum sinkenden Aktionsstromintensitäten nicht mehr auf die Galvanometersaite wirken. Zwischen dem Alter der Versuchspersonen und dem Inner- vationsrhythmus fanden sich keine Beziehungen. In dem über die Willkürkontraktionskurven von Normalen Ge- sagten sind die Richtlinien gegeben, nach welchen wir auch die von l) Gregor und Schilder, Zeitschr. f. d. ges. Neurol. und Psych. Bd. 14 S. 359. 1913. Über die Aktionsströme menschl. Muskeln bei natürl. Innervation ete. 267 pathologischen Fällen gewonnenen Kurven beurteilen zu müssen glaubten. Da das Flexorenpräparat, wie aus dem Gesagten hervorgeht und wie auch schon Garten betonte, kein zur Lösuug ‚der schwebenden Frage günstiges Objekt darstellt, so muss eine ge- wisse Unsicherheit in der Deutung der Kurven mit in Kauf ge- nommen werden. Unter diesem Vorbehalte teilen wir im folgenden unsere an pathologischem Material gesammelten Erfahrungen mit. Bei den pathologischen Fällen, welche zur Untersuchung kamen, läge an sich eine Einteilung in Erkrankungen des Zentralnerven- systems, der peripheren Nerven und der Muskeln am nächsten. Da aber der Sitz der Erkrankung bei einzelnen Krankheitsformen noch nicht hinreichend geklärt ist, so soll von einer solchen Ein- teilung hier abgesehen werden. Dies kann um so eher geschehen, als sich hinsichtlich der Frequenz der Aktionsströme in den von uns untersuchten Fällen keine für die verschiedenen Krankheiten typischen Veränderungen ergeben haben. Die Willkürkontraktions- kurven zeigten im wesentlichen immer den für die normalen Fälle oben geschilderten Verlauf, und soweit die Innervationsverhältnisse bei den verschiedenen Formen dauernder oder anfallsweise auf- tretender Erregungszustände des motorischen Apparates einer Analyse zugänglich waren, so gilt von ihnen hinsichtlich der Aktionsstrom- frequenz allem Anscheine nach dasselbe. Willkürkontraktionskurven liegen uns vor von Fällen von Neur- asthenie, Hysterie, multipler Sklerose, Paralysis: agitans, spinaler progressiver Muskelatrophie, Hemichorea, Myasthenie, Myotonie und Katatonie; hinsichtlich der pathologischen neuromuskulären Erregungs- zustände erstrecken sich unsere Erfahrungen ausschliesslich auf die Hemichorea, den hysterischen Opisthotonus, die fibrillären Zuckungen bei spinaler progressiver Muskelatrophie und die pathologische Nach- dauer der Kontraktion bei Myotonie. Bei Paralysis agitans und bei einem Fall von Hemiplegie mit Kontraktur gelang es uns bei der erforderlichen starken Spannung der Saite nicht, unter Ausschluss jeder willkürlichen Innervation deutliche Kurven zu erhalten. Schon bei den vorher erwähnten Fällen musste die Saite zumeist mehr erschlafft werden, als es uns im Interesse einer getreuen Strom- wiedergabe erwünscht erschien. Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd. 155. 13 268 Rudolf Dittler und Hans Günther: Der kurzen Schilderung der Befunde, die wir bei den einzelnen Krankheitsfällen erboben, fügen wir in Fig. 3 der Tafel I und in Fie. 13—17 der Tafel III einige Stichproben aus der Reihe der hierher gehörigen Kurven bei. Da charakteristische Abweichungen von der Norm (soweit sie mit anderen Hilfsmitteln nicht ebensogut nachweisbar wären) immer fehlten, die Untersuchung der Aktions- ströme nach unseren Erfahrungen zu diagnostischen Zwecken, wenig- stens vorläufig, also nicht verwertbar erscheint, glaubten wir von einer Abbildung der Kurven in extenso absehen zu können. Die Willkürkontraktionskurve Fig. 17 stammt von einem Myastheniker, welcher schon durch wenige Kompressionen des Collin- schen Dynamometers stark ermüdete. Die Kurve wurde aufgenommen, nachdem die Leistungsfähigkeit der Vorderarmmuskeln durch Er- müdung bereits auf 25°/o ihres anfänglichen Wertes gesunken war. Trotzdem zeigen die Aktionsströme bemerkenswerterweise noch genau dieselbe Oszillationsfrequenz (von ca 150 pro Sekunde), welche sie in der zu Beginn des Versuches vom ganz frischen Muskel auf- genommenen Aktionsstromkurve aufwiesen. In der vom ermüdeten und der (hier nicht wiedergegebenen) vom frischen Muskel stammenden Kurve sind neben regelmässig verlaufenden Strecken mit der genannten hohen Frequenz übereinstimmend Unregelmässigkeiten und Ausschläge vorhanden, welche einer Frequenz von wenig über 70 entsprechen. Wie bei normalen Individuen waren also auch in diesem Falle keine wesentlichen Änderungen der Innervationsfrequenz erkennbar, welche die Feststellung der tatsächlich bestehenden Ermüdung aus der Kurve ermöglicht hätten. Für die Untersuchung der Myotonie standen uns fünf Patienten zur Verfügung. Zum Teil handelte es sich um die kongenitale atrophische Form; bei einem 33jährigen Patienten bestand die Myotonie erst seit etwa 5 Jahren. Bei allen Fällen war die Muskel- leistung ziemlich gering, bei der atrophischen Form minimal. Dem- entsprechend waren die abgeleiteten Aktionsstromkurven bei Willkür- kontraktion klein und undeutlich, liessen aber immerhin eine Aus- zählung der Frequenz (um 180 pro Sekunde) zu (vgl. hierzu Fig. 16). Etwas schwierig war der Nachweis der myotonischen Nachdauer der Kontraktion; in einem Falle gelang dieser befriedigend und ergab eine mit der bei Willkürkontraktion übereinstimmende Aktionsstrom- kurve. Es handelte sich also, wie es scheint, um eine mit unver- änderter Rhythmik nachdauernde Innervation. Ein regelmässiger Über die Aktionsströme menschl. Muskeln bei natürl. Innervation etc. 269 Befund bei den Myotonikern war der, dass die maximale Leistungs- fähigkeit der Muskeln und damit auch die Deutlichkeit der nach- weisbaren Aktionsströme mit dem Verschwinden der myotonischen Reaktion bei wiederholter Inanspruchnahme der abgeleiteten Muskel- gruppe eine Zunalime zeigte. Mit der gütigen Erlaubnis des Herrn Geheimrat Dr. Lehmann (Dösen), dem wir an dieser Stelle unseren ergebensten Dank aus- sprechen, war es uns möglich, zwei Patienten zu untersuchen, welche an Dementia präcox mit ausgesprochenen katatonischen Symptomen litten. Auch hier entsprach der von den Unterarmen abgeleitete Innervationsrhythmus der Norm (s. Kurve 14, Rhythmus ca 170 pro Sekunde). Besonders interessant war der Befund bei muskulärer Dauerleistung, welche das für Katatonie typische Spätauftreten der Ermüdungserscheinungen erkennen liess. Ähnlich wie es für andere Fälle oben beschrieben wurde, mussten die Patienten sitzend bei nach vorn rechtwinkelig gebeugtem Unterarm ein 5-ke-Gewicht in der Hand behalten, wobei die Aktionsströme vom M. biceps abgeleitet wurden. Während bei Normalen nach einigen Minuten ein sehr heftiger Muskelschuerz auftritt und kurze Zeit darauf die Kraft versagt (eine gesunde Versuchsperson war z. B. schon nach 4!/ı Minuten er- schöpft), waren bei diesen Patienten die Ermüdungserscheinungen in weit geringerem Masse vorhanden. Der eine hielt das Gewicht 7 Minuten, der andere 9!/g Minuten ohne sichtbare Anstrengung. Aus den Kurven ergab sich, dass mit zunehmender Dauer der Leistung der Rhythmus nieht langsamer, sondern etwas schneller wurde (z. B. von 120 auf 150) und die Amplituden zunahmen. Die Fig. 13 und 15 zeigen Willkürkontraktionskurven von einem Fall von Hemichorea und von Paralysis agitans. Wenn die chorea- tischen Bewegungen bei der Kontraktion stark hervortraten, so konnte die resultierende Aktionsstromkurve das An- und Abschwellen der Erregungen in der Amplitudengrösse der Aktionsströme in ähn- licher Weise erkennen lassen wie bei der Paralysis agitans auf Fig. 15, wo ca zehn Tremorschläge pro Sekunde vorhanden waren und sich in der Kurve durch etwas grössere seltenere Zacken aus- prägen. Diese Schwankungen liessen sich mit den festen Zinkblech- elektroden bei Fixation des untersuchten Gliedes grösstenteils ver- meiden. Die zwanesmässig auftretenden choreatischen Bewegungen als solche lieferten Aktionsströme von der normalen Frequenz. Die bei multipler Sklerose gewonnenen Aktionsstromkurven sind 18* 2370 Rudolf Dittler und Hans Günther: von den Kurven normaler Versuchspersonen nieht zuunterscheiden. Das- selbe gilt von den bei hysterischem Opisthotonus ableitbaren Kurven. Bei spinaler progressiver Muskelatrophie mit fibrillären Zueckungen fanden wir ebenfalls den schnellen Rhythmus der Willküraktion (vgl. Fig. 8), während im Gebiet der fibrillären Zuckungen an der dorsalen Seite des rechten Unterarmes nur etwa 100 schlecht ausgeprägte Öszillationen ableitbar waren. Wie bereits erwähnt, werden bei sehr schwachen Aktionsströmen möslicherweise nicht alle Oszillationen von der Galvanometersaite wiedergegeben; die resultierenden Kurven sind also nieht sicher für den Rhythmus zu verwerten. Reflexe. Die Fig. 18—21 der Tafel III endlich zeigen die Resultate von Versuchen über den Ablauf der elektrischen Erscheinungen bei Reflexen, die wir im Anschluss an die übrigen Untersuchungen bei einigen gesunden und kranken Personen durchgeführt haben. Zur galvanometrischen Aufnahme der Sehnenreflexe (Achillessehnen- und Patellarreflex) wurden die Sehnen in der üblichen Weise mit einem Hammer beklopft und die Aktionsströme von den zugehörigen Muskeln abgeleitet. Der Elektrodenabstaud wurde bei diesen Versuchen immer etwa 5 em gross gewählt. Sowohl beim Patellarreflex (Fig. 19) als beim Achillessehnen- reflex (Fig. 18) liessen sich sehr häufig ganz glatt verlaufende bi- phasische Aktionsströme gewinnen. Die Gesamtdauer der doppel- phasischen Ströme, welche natürlich auch von der Saitenspannung abhängig ist, war, gleiche Saitenspannung vorausgesetzt, beim Patellar- reflex immer bedeutend grösser als beim Achillessehnenreflex, was durch die verschiedene Länge der Muskelfasern der in Betracht kommenden Muskelgruppen bedingt sein dürfte. In den abgebildeten Kurven belaufen sich die Zeiten auf etwa 0,025 und 0,015 Sekunden. Ein Unterschied zwischen dem Aktionsstrom eines normalen und eines pathologisch gesteigerten Reflexes war in dieser Hinsicht nicht feststellbar, insofern es sich um einfache doppelphasische Ströme handelte. Bei lebhaft gesteigerten Reflexen scheinen nach unseren Erfahrungen gelegentlich auch mehrfache Erregungen, d. h. kurze Tetani, reflektorisch zustandekommen zu können. Zumal beim Achillessehnenreflex erhielten wir öfters Kurven, die sich aus zwei hintereinandergeschalteten doppelphasischen Schwankungen zusammen- setzten. Andererseits stammt gerade die glatte und einfache Kurve Über die Aktionsströme menschl. Muskeln bei natürl. Innervation etc. 271 der Fig. 18 von einem Fall von multipler Sklerose mit lebhafter Steigerung der Reflexe. In pathologischen Fällen, in denen ein Fussklonus auslösbar war, wiesen die Aktionsstromkurven ausnahmslos Reihen von mindestens vier, meist mehr, unter sich etwa gleich langer Aktionsstrom- zacken auf, deren Periode von gleicher Dauer war wie bei der Willkürkontraktion. Es handelt sich also im Klonus offenbar um kurze tetanische Kontraktionen, die sich unter Zwischenschaltung von Pausen zu etwa fünf an Zahl pro Sekunde hintereinanderreihen. Dies zeigt z. B. Fig. 21, welche von einem anderen Falle von multipler Sklerose gewonnen wurde als Fig. 13. Da die Saite zum Nachweis der Ströme hier wesentlich entspannt werden musste, so vermuten wir, dass die verhältnismässig langsamen Schwankungen des mittleren abgebildeten Klonusschlages, wie man auch andeutungs- weise sieht, durch Verschmelzung von je zwei Zacken entstanden sind. Die erste und die letzte der auf der Kurve verzeichneten Aktions- stromgruppen ergeben Aktionsstromfrequenzen von sicher weit über 120. Ähnlich wie bei den Willkürkontraktionskurven könnte es bei den soeben besprochenen Klonuskurven als zweifelhaft betrachtet werden, ob die Zahl der verzeichneten einzelnen Aktionsstromwellen wirklich der Innervationsrhythmik entspricht, zumal man bei Re- sistrierung des Achillessehnenreflexes gelegentlich einen unregel- mässig verlaufenden doppelphasischen Aktionsstrom erhalten kann. Wegen dieser Frage verweisen wir auf unsere Ausführungen Seite 261 und 262 und führen im Hinblick auf das dort Gesagte zur Recht- fertigung unserer Auffassung an dieser Stelle nur an, dass die Kurve (des Achillessehnenreflexes Fig. 18 und die Kurve des Fussklonus Fig. 20 unter denselben Bedingungen der Ableitung, speziell der Elektroden- lage, unmittelbar hintereinander von derselben Versuchsperson auf- genommen wurden. Obgleich die Voraussetzungen für das Auftreten „glatter“ Aktionsströme also günstig waren, finden sich in der Klonuskurve nirgends Zacken, die dem einfachen doppelphasischen Aktionsstrom der Achillessehnenreflexkurve in ihrem zeitlichen Ablauf äquivalent wären. Es ist somit höchst wahrscheinlich, dass sich die zentralen Impulse beim Fussklonus in kürzeren zeitlichen Intervallen foleten, als der Dauer des Einzelaktionsstromes nach Massgabe der Fig. 18 entspricht. Gleichzeitig wird die Tetanusnatur der einzelnen Klonusschläge, soweit dies überhaupt noch erforderlich schien, hier- durch ausser Zweifel gestellt. x 379 Rudolf Dittler und Hans Günther: Schliesslich sei im Anschluss an die hier und auf Seite 261 f. aufgerollten Fragen angeführt, dass eine bei derselben Elektrodenlage unmittelbar nach Fig. 19 (Patellarreflex) aufgenommene Willkür- kontraktionskurve des Extensor eruris quadriceps eine Aktionsstrom- frequenz ergab, welche mit den am Unterarm von uns gefundenen Frequenzen sehr gut übereinstimmte. Zusammenfassung. Die bei Willkürkontraktion von den Unterarmreflexoren des gesunden Menschen ableitbaren Aktionsströme zeigen bei hinreichender Einstellungsgeschwindigkeit der registrierenden Saite Frequenzwerte, die in der Mehrzahl der Fälle zwischen 120 und 180 pro Sekunde schwanken, in einzelnen Fällen aber selbst über 200 steigen können. Den sogenannten 50 er- Rhythmus haben wir unter den von uns eingehaltenen Ableitungsbedingungen bei keiner der 53 wiederholt untersuchten Personen (ca. 350 Aufnahmen) gefunden. Bemerkens- werterweise traten die genannten hohen Aktionsstromfrequenzen auch dann regelmässig auf, wenn der bei Einzelreizung des motorischen Nerven resultierende Einzelaktionsstrom ganz frei von sogenannten Nebenzacken war, d. h. wenn die Ableitungsbedingungen für das Auftreten - „glatter“ Aktionsströme günstig waren. Eine Entstellung des wirklichen Stromverlaufes durch Eigenschwingungen der stark gespannten Saite erscheint auf Grund der mitgeteilten Kontrollversuche ausgeschlossen. Umgekehrt liess sich erneut der experimentelle Nach- weis führen, dass bei unzureichender Saitenspannung in dem zumeist sehr unregelmässigen Verlauf der Aktionsströme die Bedingung für eine Superponierung mehrerer Kurvenzacken (Gruppen- bildung) und für das Ausfallen ganzer Zacken gegeben ist. Die vom willkürlich innervierten Musculus quadriceps und gastroenemius ableitbaren Aktionsströme bieten hinsichtlieh ihrer Frequenz ganz entsprechende Verhältnisse wie jene der Unterarnı- flexoren, auch wenn die Ableitungsbedingungen derart sind, dass der mechanisch ausgelöste Patellar- und Achillessehnenrefiex vollkommen glatte Einzelaktionsströme ergeben. Eine Abhängigkeit der Aktionsstromfrequenz von der Stärke der willkürlichen Anspannung des Muskels besteht nach unseren Erfahrungen nicht, dagegen nimmt die Amplitude der Aktionsströme mit zunehmender Spannung des Muskels zu. Unter dem Einflusse der Ermüdung sahen wir die Aktionsstromfrequenz bei Abnahme der Über die Aktionsströme menschl. Muskela bei natürl. Innervation ete. 273 Muskelleistung gelegentlich heruntergehen, es muss aber unentschieden bleiben, inwieweit sich einzelne Stromstösse infolge zu grosser Schwäche dabei dem Nachweis entzogen haben. An pathologischen Fällen kamen solche von Neurasthenie, Hysterie, multipler Sklerose, Paralysis agitans, spinaler progressiver Muskelatrophie, Hemichorea, Myasthenie, Myotonie und Katatonie zur Untersuchung. Hinsichtlich der Frequenz der Aktionsströme haben sich für keine dieser Krankheiten irgendwelche typischen Ver- änderungen ergeben. Die Willkürkontraktionskurven zeigten im wesentlichen immer den für die normalen Fälle geschilderten Verlauf. Dasselbe scheint bei den verschiedenen Formen dauernder oder anfallsweise auftretender Erregungszustände des motorischen Apparates der Fall zu sein, soweit die hierbei gewonnenen Kurven eine Analyse gestatteten. Der Einzelschlag des Fussklonus (bei multipler Sklerose) stellte sich ausnahmslos als kurzer Tetanus dar, bei welchem die einzelnen Aktionsströme im gleichen Rhythmus einander folgten wie bei der Willkürinnervation. Tafelerklärung. Die Figuren sind alle von links nach rechts zu lesen. An Zeitmarkierern kamen in Anwendung: die Jaquetsche Uhr (Vs Sek.) auf Kurve 2, 3, 7, 11, 12, 13, 14, 16, 17, 18, 19, 20, 21; eine Stimmgabel von 60 Schwingungen auf Kurve 7, 8, 15; eine Zungenpfeife von 148 Schwingungen auf Kurve 1, 9, 10, 11, 12; eine Zungenpfeife von 180 Schwingungen auf Kurve 2, 3, 4, 5, 6, 7, 13, 14, 16,210.21. Fig. 1. Aichungskurve, Versuchsperson im Kreise; gleichzeitig mit einer stark- und einer schwachgespannten Saite aufgenommen. Näheres siehe S. 256 des Textes. Fig. 2. Aichungskurve, Versuchsperson nicht im Kreise; siehe S 257. Fig. 3. Magnetinduktionsströme; siehe S. 257. Fig. 4. Einzelner Öffnungsinduktionsschlag; siehe 8. 257. Figg. 5, 6 und 7. Willkürkontraktion der Unterarmflexoren (normale Versuchs- personen); siehe S. 260, wegen Fig. 6 auch S. 265. Fig. 8. Spinale progressive Muskelatrophie, Unterarmflexoren, Willkür; siehe S. 270. Figg. 9—12. Normale Aktionsströme der Unterarmflexoren bei Einzelreizung des Nervus medianus und bei Willkürkontraktion, gleichzeitig mit einer stark- und einer schwachgespannten Saite aufgenommen; siehe S. 263. 974 Rudolf Dittler und Hans Günther: Über die Aktionsströme etc, Fig. 13. Hemichorea, Unterarmflexoren, Willkür; siehe 8. 269. Fig. 14. Katatonie, Unterarmflexoren, Willkür; siehe S. 269. Fig. 15. Paralysis agitans, Unterarmflexoren, Willkür; siehe S. 269. Fig. 16. Myotonie, Unterarmflexoren, Willkür; siehe S. 268. Fig. 17. Myasthenie, Unterarmflexoren, Willkür; siehe S. 268. Fig. 18. Achillessehnenreflex; siehe S. 270 £. Fig. 19. Patellarreflex; siehe S. 270 und 272. Fig. 20. Multiple Sklerose, Fussklonus; siehe S. 271. Fig. 21. Multiple Sklerose, Fussklonus; siehe S. 271. Pflüger's Archiv f. d. ges. Physiologie Bd. 155. Tafel |. AIFTERTIEIFRTTANTEN ri \ 1 Lerszrpr EEUNEESTETEEEWE RE [UUUUWUUETUUUUWUUHHUHUUUUUNNUUNNUENN JitI pr 1 p b A Ra LE UELELLFELELLFLEE Fig: - - u — 7 IQ. EEEERERTERROHENTUURTITET WETTEN OT EEE NE WER NOREN TE UNE UN TE SE TEIT BITNFTINE HT IE OT NER LINIE i 1 Bi klaus k WM: ia A la bh als ENT TEITTTRET EI ET ET UNE EEETTETE PT TIER TUE SU TMIE PEN ITy 70 JANANSERLAENERRRUNHRNNABAERZANERERADARNNHBARLBARBESAEBARAE Sılıkaaiznmaikatikesi, uukaiieigg Part TUFTTRETTTNE TE TEERITTETN MTARTErTHInIneE u Her 4 4 Rasa ah aaa Akad A and aaa Aka a ka A Verlag von Martin Hager, Bonn. Römmler & Jonas, Dresden or VL N NS hi $ ES Anne ii NR OB ar n ODRREN) BLEI En 8591 'pg sıßojoısäyd 'saß 'p 4 Alyoıy S,18Bn Id Verlag von Martin Hager, Bonn. Pflüger’s Archiv f. d. ges. Physiologie Bd. 155. Tafel Ill. Fig. 15 Fig. 20 | Fig. 21 Römmler & Jonas, Dresden 275 (Aus dem pharmakologischen Institut der Reichsuniversität Utrecht.) Über die Undurchgängigkeit der Lunge für Ammoniak. II. Mitteilung. Von R, Magnus, 6. B. Sorgdrager und W. Storm van Leeuwen. (Mit 3 Textfiguren.) Im Jahre 1902 machte Magnus!) die Angabe, dass das normale Alveolarepithel der Lunge für gasförmiges Ammoniak un- durchgängig sei. Diese Behauptung stützte sich auf folgende Gründe: Intravenöse Injektion von Ammoniak ruft starke Erregung der Atmung, Krämpfe und Zirkulationsstörungen hervor (Funke und Deahna, Böhm und Lange). Im Gegensatz dazu steht die Beobachtung von Knoll, dass tracheotomierte und vagotomierte Tiere starke Ammoniakdämpfe einatmen können, ohne Symptome zu be- kommen. Zur Aufklärung dieses Widerspruches stellte Magnus eine Reihe von Versuchen an, in denen er zunächst Knoll’s Beobachtung bestätigte: Vagotomierte Kaninchen mit tiefer Trachealfistel können durch Müller’sche Ventile 3 Minuten lang Luft einatmen, die durch 7°/o Ammoniak gestrichen ist, ohne danach Krämpfe oder Atmungs- änderungen zu bekommen (lässt man hinterher Schwefel wasserstoff einatmen, so bekommen sie nach 5 Sekunden Krämpfe und sind nach 15 Sekunden tot). -- Um die Schlussfolgerung, dass die Lunge undurchlässig für Ammoniak sei, sicherzustellen, wurde nun aber weiter gezeigt, dass bei Anwesenheit von freiem Ammoniak im Blute, in solchen Mengen, dass es deutlich daraus abdunstet, die Exspirationsluft frei von Ammoniak bleibt. Folgende Versuche sollten dieses veranschaulichen: 1) R. Magnus, Über die Undurchgängigkeit der Lunge für Ammoniak. Schmiedeberg’s Arch. Bd. 48 S. 100. 1902. 376 R. Magnus, G.B.Sorgdrager und W. Storm van Leeuwen: 1. Tracheotomiertes Kaninchen atmet durch Müller-Ventile; das Exspirationsventil ist mit Nessler’s Reagens beschickt. Darauf wird zweimal je 5 cem 0,35 0/oiges Ammoniak und später noch 1 cem 7 OJoiges Ammoniak in die Jugularvene injiziert. Nach der zweiten Injektion bekommt das Tier Krämpfe; nach der dritten stirbt es. Nessler’s Reagens bleibt vollständig ungetrübt. Bei der Sektion ist die Lunge scharlachrot gefärbt. Das Blutriecht stark nach Ammoniak: darüber gehaltenes Lakmuspapier wird blau gefärbt. 2. Chloralisiertes Kaninchen. Künstliche Atmung, Spaltung des Thorax. Exspirationsluft streicht durch Nessler’s Reagens. Im Laufe von über 3 Minuten werden 20 cem 0,35 /oiges Ammoniak direkt in die Arteria pulmonalis injiziert, ohne dass in Nessler’s Reagens eine Trübung auftritt. Darauf stirbt das Tier; die künstliche Atmung wird fortgesetzt, Nessler’s Reagens bleibt 3 Mi- nuten lang ungetrübt. Nach 3 Minuten trübt sich das Reagens. Bei der Scktion wird die Lunge normal gefunden und riecht stark nach Ammoniak. - Diesen letzteren Versuch, der ausserdem zeigt, dass die Ammoniak- undurchlässigkeit der Lunge einige Zeit nach dem Tode erlischt, hat Magnus 1902 auf dem Strassburger Pharmakologentag demonstriert; derselbe ist in seinem Erfolge so sicher, dass er sich sehr gut als Vorlesungsversuch eignet. Durch diese Versuche hat Magnus die Undurcheänziekeit des Alveolarepithels für Ammoniak für erwiesen erachtet. Vor kurzem hat nun Höber!) die Beweiskraft dieser Schluss- folgerung in Zweifel gezogen. Fr stützt sich dabei auf folgende Gründe: 1. Höber hält die Undurchgängiekeit der Lunge für Ammoniak deshalb für unwahrscheinlich, weil die Lunge, welche für zahlreiche andere Gase ein vorzügliches Resorptionsorgan darstellt, dann gerade eine so gut lipoidlösliche Verbindung wie NH, zurückhalten müsste. „Denn meines Wissens“, sagt Höber, „ist, wenn man von den noch nicht geklärten Tatsachen der Vitalfärbung und deren Zusammenhang mit der Lipoidlöslichkeit absieht, bisher kein einziger Fall bekannt, dass Zellen, wofern sie überhaupt gelösten Stoffen den Durehtritt gewähren, lipoidlösliche Stoffe von dem Durchtritt aus- schliessen können.“ — Hiergegen ist folgendes zu sagen: Man kann an der Tatsache, dass Zellen lipoidlöslichen Farbstoffen den Durch- tritt verweigern können, doch nicht achtlos vorübergehen, wenn auch eine Erklärung für dieses Verhalten bis heute noch nicht gefunden 1) R. Höber, Ist die Lunge für Ammoniak undurchgängig? Pflüger’s Arch. Bd. 147 8. 87. 1912. Über die Undurchgängigkeit der Lunge für Ammoniak. Il. DM. ist. Ausserdem besitzen wir in der Undurchlässiekeit des Darm- epithels für den lipoidlöslichsten aller Stoffe, nämlich für Fett, den besten Beweis, dass die inneren Oberflächen des Körpers, zu welchen wir Darm und Lunge rechnen müssen, mit Epithelien bedeckt sein können, die lipoidlösliche Stoffe nieht durchlassen. 2. Höber macht darauf aufınerksam, dass der Absorptions- koeffizient des Ammoniaks in Wasser ein ausserordentlich hoher sei, und dass ausserdem die Lipoidlöslichkeit des Ammoniaks in Betracht zu ziehen sei. Durch diese beiden Momente komme es, dass nach der Injektion in den Kreislauf das Ammoniak im Blute und in den Geweben festgehalten werde und nicht in die Ausatmungsluft ab- dunsten könne. Während nämlich schon bei einem Gehalte des Blutes an Schwefelwasserstoff von 0,00030 /o ein Abdunsten dieses Gases stattfindet, wird erst bei einem Gehalte des Blutes an 0,111 °/o Ammoniak nach Höber beim Durchleiten von- Luft innerhalb 5 Minnten NH, an diese abgegeben. — Hieraus kann ein Gegen- erund gegen die Magnus’schen Schlussfolgerungen nicht her- geleitet werden. Denn es wurde in dessen Versuchen stets so viel Ammoniak eingespritzt, dass das Blut nach Ammoniak roch und darübergehaltenes Lakmuspapier blau gefärbt wurde. Es wurde also in jedem Einzelversuch ausdrücklich festgestellt, dass das Blut auch freies Ammoniak, welches abdunsten konnte, enthielt. 3. Höber hat die Versuche mit Einspritzung von Ammoniak in die Arteria pulmonalis wiederholt und hat in einem unter sieben Versuchen, in welchem er 9 eem 0,685 loiges NH, sehr rasch einspritzte, Ammoniak in der Exspirationsluft nachweisen können. In den sechs anderen Versuchen erfolgte in Bestätigung der Angaben von Magnus kein Übertritt von NH, in das Exspirationsventil. Bei der Sektion fand sich aber in den hyperämischen, stark nach Ammoniak riechenden Lungen reichlich seröse rötliche Flüssigkeit; in fast allen Versuchen enthielt auch die Trachealkanüle reichlich Schaum oder Flüssigkeit. Höber nimmt an, dass diese Flüssigkeit das in den Alveolen ausegetretene NH, gebunden und so dessen Er- scheinen in der Exspirationsluft verhindert habe. Hierauf ist zu erwidern, dass in den älteren Versuchen von Magnus, wie eine nochmalige Durchsicht der damaligen Versuchsprotokolle ergibt, es nach Injektion von NH, in den Kreislauf nicht zu Lungenödem und Auftreten von Flüssigkeit in den Bronchien gekommen ist; derartige Versuche wurden als misslungene angesehen. 278 R. Magnus, G. B. Sorgdrager und W. Storm van Leeuwen: In der vorliegenden Arbeit wird zu zeigen sein (Ss. unten S. 305 ff.), dass, wenn freies Ammoniak im Blute vorhanden ist, sich auch bei Fehlen von Lungenödem und Trachealabsor. derung und ferner bei Fehlen eines ebenfalls von Höber herangezogenen Bronchialmuskel- krampfes trotzdem die Undurchgängigkeit der Lunge für NH, de- monstrieren lässt. Zu allem übrigen haben wir den alten Versuch noch einmal wiederholt mit folgendem Ergebnis: Kaninchen, 2040 g, 0,6 pro Kilogramm Chloralhydrat per os, Trachealkanüle, doppelseitige Vagotomie, Spaltung des Therax in der Medianlinie. Künstliche Atmung; die Inspirationsluft streicht durch je eine Waschflasche mit Schwefelsäure bzw. Wasser, die Exspirations- luft durch eine mit Nessler’s Reagens und eine mit Schwefelsäure. Zunächst 8 Minuten Normalatmung. Nessler’s Reagens un- verändert klar. 11 Uhr 51 Min. Injektion von 10 cem 0,4 ige NH,-Koch- salzlösung in die Arteria pulmonalis. Die feine Injektionsnadel der Rekordspritze wird schräg durch die Wand der Arterie hindurch- gestossen. Dauer der Injektion 75 Sekunden. Nach Injektion von 4 cem erster Krampfanfal. Nessler’s Reagens bleibt klar. Nach 2 Minuten wird eine zweite Einspritzung von S ccm 0,4 °/oigem NH, vorgenommen. Dauer der Injektion 30 Sekunden. Sehr starke Krämpfe. Während der ganzen Zeit gute Herztätigkeit und unverändert grosse Atemexkursionen der Lunge. Kein Schleim oder Flüssigkeit in der Trachea, kein Rasseln. Nessler’s Reagens dauernd klar. Nach ®/a Minuten wird bei guter Herz- und Atemtätigkeit der Versuch geendet. Die Lunge wird schnell herausgenommen. Die Trachealkanüle und die Trachea enthalten weder Schleim noch Flüssigkeit; dieLunge sieht ganz normalundnicht verfärbt aus, lässt sich leicht und vollständig auf- blasen, kollabiert darauf sofort wieder vollständig. AufDruck entleert sich weder Schaum.noch Flüssigkeit. Lunge zur mikroskopischen Untersuchung in Formol. — Blut des Tieres in ein Reagensglas, färbt darübergehaltenes Lackmuspapier blau. Mikroskopisch: Keine pathologischen Veränderungen, Die sanze Lunge ist etwas hyperämisch. Die Alveolen sind ganz frei ohne jedes Exsudat. Die Bronchien und Bronchiolen haben ein offenes Lumen (kein Bronchospasmus), ohne jedes Exsudat (nur in einem Bronchus einige wandständige rote Blutkörperchen); das Bronchial- epithel ist gut erhalten. 4. Höber eibt an, dass Luft, welche durch eine Waschflasche mit 0,2%oigem Ammoniak geleitet wird, nach 1 Minute Nessler’s Reagens stark gelb färbt. Schaltet ınan zwischen Waschflasche und Reagens dagegen eine Darmschlinge von 15 em Länge ein, die die Luft passieren muss, so dauert es 9 Minuten, bis das Reagens Über die Undurchgängigkeit der Lunge für Ammoniak. II. 2379 schwach gelb gefärbt wird. „In ähnlicher Weise wird wohl das etwa in der Lunge abdunstende Ammoniak von den feuchten Tracheal- wänden zurückgehalten.“ Im weiteren Verlauf dieser Arbeit werden wir Versuche beschreiben, in welchen es unter bestimmten Versuchs- bedingungen zum Durchtritt von NH, durch die Alveolarwand kam. In diesem Falle liess sich die Anwesenheit des Gases in der Aus- atmungsluft stets mit grosser Deutlichkeit nachweisen. Wenn also Ammoniak in die Alveolen ausgeschieder wird, lässt es sich in der Exspirationsluft auch feststellen (s. „unten S. 3801 u. 305). 5. Während sich demnach die bislıer genannten Gegenargumente Höber’s unschwer widerlegen lassen, ist der letzte Punkt seiner Beweisführung von sehr viel grösserem Gewicht. Während Magnus die Nichtaufnahme des Ammoniaks bei der Einatmung NH;3-reicher Luftgemische aus dem Fehlen von Symptomen der Ammoniak- vergiftung bei deu Versuchstieren geschlossen hatte, hat Höber den Ammoniakgehalt des Blutes vor und während der Einatmung von Ammoniakdämpfen quantitativ bestimmt und eine sehr beträcht- liche Zunahme desselben gefunden. Einem Kaninchen von 2,5 kg, das vagotomiert und tracheotomiert war, wurde in Chloralnarkose 28 ccm Blut aus der Karotis entnommen, Dasselbe enthielt 0,00061 °/o NH,. Darauf wurde dem Tiere mittels der künstlichen Atmung Luft eingeblasen, welche durch 10 °/o Ammoniak gestrichen war. Gleich mit dem Beginn der Ammoniak- atmung wurde aus der Karotis entblutet und, noch bevor das Tier starb, die Entblutung abgebrochen. Der Ammoniakgehalt des Verblutungsblutes betrug 0,028 /. In einem zweiten, ebenso angestellten Versuche stieg der Ammoniak- gehalt des Blutes von 0,001 °/o auf 0,022 /o. In dem einen Versuche war es also zu einer Zunahme um das 46fache, in dem anderen um das 22fache gekommen. Falls diese Versuche Höber’s wirklich als einwandfreie an- gesehen werden müssen, so würde dadurch die Lehre von der Un- durehgängigkeit der Lunge für Ammoniak widerlegt sein. Bei dieser Sachlage und bei der grossen Autorität, die Höber in allen Fragen der Zelldurchgängigkeit zukommt, schien es uns notwendig zu sein, den Gegenstand von neuem einer experimentellen Bearbeitung zu unterziehen. Über das Ergebnis soll im nachfolgenden berichtet werden. Die Allgemeingültigkeit des Höber’schen Versuchsresultates schien uns schon aus folcendem Grunde ausserordentlich unwahr- 380 R. Magnus, G. B. Sorgdrager und W. Storm van Leeuwen: scheinlich zu sein: Die ganze Frage nach der Undurchgängigkeit der Lunge für Ammoniak ging aus von der durch Knoll festgestellten Tatsache, dass vagotomierte und tracheotomierte Tiere bei Einatmung von Ammoniakdämpfen keine Ammonriakkrämpfe bekommen. Nun sind aber die von Höber im Blute seiner Tiere gefundenen Ammoniak werte (0,02°%c) viel höher, als zur Erzeugung von Krämpfen nötig ist. Krämpfe treten nämlich schon bei 0,008 %/oigem NH, im Blute auf. Es konnte also die von Höber benutzte Versuchsanordnung unmöglich geeignet sein, zur Erklärung des Knoll’schen Versuchsresultates zu dienen. : Teil. Die Aufnahme von Ammoniak ins Blut bei Einatmung ammoniakreicher Luftgemische, Von R. Magnus und W. Storm van Leeuwen. In dem ersten Teil dieser Arbeit soll über Versuche berichtet werden, in denen Kaninchen in Urethannarkose mit durchschnittenen Vagis verschieden lange Zeit Luft einatmeten, welche durch Ammoniak- lösungen von 5,8—8,5 /o Gehalt gestrichen waren. Der Ammoniak- gehalt des Blutes wurde vor und nach der Ammoniakatmung nach der Methode von Krüger und Reich!) und Schittenhelm’) bestimmt. Es ist das dieselbe Methode, die auch Höber bei diesen Versuchen verwendete, so dass unsere Resultate direkt mit den seinigen verglichen werden können. Das Ergebnis dieser im nachstehenden zu schildernden Experi- mente war, kurz zusammengefasst, folgendes: Ordnet man die Versuche in derselben Weise an, wie das Höber getan hat, d. h. verblutet man das Tier aus der Arterie, während man gleichzeitig Ammoniak einatmen lässt, so erhält man tatsächlich Ammoniakwerte, welche von derselben Grössenordnung sind, wie sie 1) M. Krüger und O. Reich, Zur Methodik der Bestimmung des Ammoniaks im Harne. Hoppe-Seyler’s Zeitschr. f. physiol. Chem. Bd. 39 S..165. 1908. 2) A. Schittenhelm, Zur Methodik der Ammoniakbestimmung. Hoppe- Seyler’s Zeitschr. f. physiol. Chem. Bd. 39 S. 73. 1903. Über die Undurchgängigkeit der Lunge für Ammoniak. II. >81 Höber erhalten hat. Lässt man jedoch die Tiere zunächst eine Zeitlang Ammoniak atmen, schaltet danach das Ammoniakventil aus und entnimmt ihnen unmittelbar darauf Blut, während sie wieder normale Luft atmen, so erhält man eine viel geringere Zunahme des Ammoniakgehaltes im bBlute. Demmach beruhen die abnorm hohen Werte Höber’s darauf, dass er durch die Verblutung den Kreislauf, speziell den Lungenkreislauf, so schädigte, dass die Alveolarwand Ammoniak durchliess. Vermerdet man diese Schädigung, so findet eine zwar geringere, aber doch immerhin noch deutliche NH;- Anreicherung im Blute statt. Diese ist besonders dann ausgesprochen, wenn die Trachealkanüle hoch, d. h. unmittelbar unter dem Kehl- kopf eingebunden wird; dann muss die NHs3-reiche Luft zunächst die ganze Trachea passieren, und man findet infolgedessen am Ende des Versuches die Schleimhaut der Luftröhre dunkelrot verfärbt und geschwollen, im Zustande lebhaftester Entzündung. Dindet man dagegen eine lange Trachealkanüle so tief ein, dass die Öffnung dicht oberhalb der Bifurkation sitzt, so ist nach der Ammoniak- atmung die Zunahme des NH;-Gehaltes im Dlute um einen weiteren Betrag kleiner geworden. Hieraus folgt, dass bei hochsitzender Trachealkanüle eine Resorption von Ammoniak durch die Tracheal- schleimhaut stattfindet. Da der Ammoniakgehalt im Blute normaler Kaninchen ein sehr konstanter ist, so kann man schliesslich auf die erste Blutentnahme zur Normalbestimmung ganz verzichten und da- durch jede vorhergehende Zeirkulationsstörung in der Lunge ganz vermeiden. Lässt man dann Kaninchen mit tiefsitzender Tracheal- kanüle selbst 6 Minuten lang ammoniakreiche Luft einatmen, so findet man nur eine so geringe Ammontakzunahme im Blut, dass dieselbe ohne Schwierigkeit auf die Resorption von Ammoniak durch die Bronchialschleimhaut bezogen werden kann, welche nach dem oben Gesagten ja notwendigerweise stattfinden muss. Stärkste Rötung der BDronchialschleimhaut ist denn auch in all diesen Versuchen regelmässig zu sehen. Unter den Bedingungen also, bei denen nach der Ansicht Höber’s die stärkste Ammoniakzunahme im Blute gefunden werden müsste, ist dieselbe in Wirklichkeit minimal. Von einer massenhaften Aufnahme des so leicht in Wasser absorbierbaren und in Lipoiden löslichen Gases durch die Alveolarwand ist keine Rede. Schleim und Schaum und Lungenödemflüssigkeit findet sich weder bei der Sektion noch bei der nachherigen mikroskopischen Untersuchung der Lungen in nennenswerten Mengen. 283 R. Magnus, G. B. Sorgdrager und W. Storm van Leeuwen: Diese erste Versuchsreihe führt also zu dem Ergebnis, dass das normale Alveolarepithel zum mindesten sehr schwer , wahrscheinlich aber überhaupt nicht für Ammoniak durchgängig ist, dass dagegen diese Eigenschaft sowohl nach dem Tode wie durch Schädigungen der Lungenzirkulation beeinträchtigt werden kann. Im Gegensatz dazu findet eine Aufnahme von Ammoniak ins Blut durch die Schleimhaut der grösseren Luftwege statt. Diese soeben kurz zusammengefassten Schlussfolgerungen gründen sich auf die im nachstehenden zu schildernden Versuche: Der Ammoniakgehalt des normalen Arterienblutes beim Kaninchen betrug bei der Blutentnahme aus der Art. femoralis in elf Versuchen: 0,00080 9/o 0,00125 0/o 0,00088 /o 0,00080 %/o 0,00110 °/o 0,00080 %/o 0,00090 % 0,00076 9) 0,00083 9 0,00082 %/o i 0,00085 %/o im Mittel: 0,00089 %o. Der höchste beobachtete Wert war 0,00125°0, der niedrigste 0,00076 ?/o. Entnimmt man ein und demselben Kaninchen mehrere Blut- proben von etwa 20 cem hintereinander aus der Arterie, so findet kein Ansteigen des Ammoniakgehaltes statt. In einer ersten Versuchsreihe haben wir die Trachealkanüle so tief wie möglich bis an die Bifurkation eingeführt, eine Blutprobe zur Normalbestimmung entnommen, haben das Tier darauf 3 Minuten lang Ammoniak einatmen lassen, danach die Ammoniakzufuhr unter- brochen, schnell eine zweite Blutprobe entnommen, nochmals 3 Mi- nuten Ammoniak einatmen lassen und danach wieder bei Atmung gewöhnlicher Luft die dritte Blutprobe entnommen. Das ausführliche Protokoll eines derartigen Versuches möge als Beispiel dienen. Über die Undurchgängigkeit der Lunge für Ammoniak. I. 283 Versuch Nr. X. 6. Februar 1913. Kaninchen, 2570 g. Urethan- narkose (1 g pro Kilogramm per os). Nach Durchschneidung der beiden Vagi wird in die Trachea eine lange Kanüle eingeführt, bis der Widerstand der Bifurkation zu fühlen ist; darauf wird sie ein kurzes Stück zurückgeschoben und fest eingebunden. Glaskanüle zur Blutentnahme in die Art. femoralis. Die gläserne Trachealkanüle ist an ihrem freien Ende gegabelt; jede der beiden äusseren Öffnungen wird mit je einem Paar Müller’scher Ventile verbunden. Das erste Paar Müller-Ventile (NH,-Ventile) ist so eingerichtet, dass die Einatmungsluft durch 8,5 0’ Ammoniak, die Ausatmungsluft durch Schwefelsäure streicht. Vor die Inspirationsflasche mit Ammoniak ist eine, hinter das Exspirationsventil sind zwei Waschflaschen mit Schwefelsäure geschaltet. In allen Waschflaschen tauchen die Glasrohre nur gerade eben unter das Flüssigkeitsniveau, so dass der Widerstand für die Atmung so gering als möglich ist und das Tier ruhig und gleichmässig durch das Ventil atmen kann. In dem zweiten Paar Müller- Ventile (Normalventile) streicht die eingeatmete Luft durch Wasser, die ausgeatmete Luft durch Schwefelsäure. Man kann auf diese Weise, wenn man den Verbindungsschlauch zum einen oder zum anderen Ventil abklemmt, das Tier nach Willkür entweder durch das Normalventil oder durch das Ammoniakventil atmen lassen. Die Herrichtung der Ventile geschieht nicht im Experi- mentiersaal selber, sondern in einem angrenzenden Zimmer, so dass die Luft des Experimentierraumes von Ammoniak freibleibt. Während des ganzen Versuches dringt auch kein Ammoniakgeruch nach aussen, und die Schwefelsäure in den Waschflaschen bleibt dauernd durch Rosolsäure gelb gefärbt. Zunächst wird aus der Art. femoralis 18 g Blut entnommen (Blut I) und in 10 cem 1 P/oiger Oxalsäure aufgefangen. Das Gefäss wird darauf sofort geschlossen. Darauf wird die Trachealkanüle mit den beiden Atmungsventilen verbunden. Das Tier atmet anfangs durch die. Normalventile, dann wird 3 Minuten lang durch das Ammoniak- ventil (8,5 °/o) geatmet. Dabei findet keine Änderung des Atmungs- typus statt, es trefen keine Krämpfe auf, in der Trachealkanüle wird kein Sekret oder Schleim sichtbar. Nach 3 Minuten wird wieder auf das Normalventil umgestellt und unmittelbar darauf (nach drei Atem- zügen) 19 g Blut (II) entnommen und ebenfalls in Oxalsäure auf- gefangen. Nach im ganzen 45 Sekunden Normalatmung wird wieder auf das Ammoniakventil umgeschaltet. Dauer der zweiten Ammoniak- periode 3 Minuten, ohne Krämpfe, ohne Störungen der Atmung. Darauf wird wieder auf das Normalventil umgeschaltet und sofort Blut III (22 g) entnommen. Tier darauf verblutet. Sektion. Vagotomie beiderseits vollständig. Lunge reizlos, beiderseits kollabiert; kein Lungenödem, Trachealkanüle frei von Schleim. Beide Lungen lassen sich von der Trachealkanüle aus auf- blasen. Die Spitze der Trachealkanüle sitzt gerade an der Bifurka- tion und lässt die Mündungen beider Hauptbronchien frei. Tracheal- Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd. 155: 19 384 R. Magnus, G. B. Sorgdrager und W. Storm van Leeuwen: schleimhaut ganz weiss, Schleimhaut beider Bronchien vom Rande der Trachealkanüle an abwärts diffus rot gefärbt. Lunge in Formol. Die Ammoniakbestimmung ergibt: Blut. (Normälbestimmung) ..-. :..0.0011:%% NH;, Blut II (nach 3 Min. NH,-Atmung) . 0,0031 0 NH,, Blut II (nach 6 Min. NH,-Atmung) 0,0050 °/o NH;. Wir haben im ganzen fünf Versuche in der gleichen Weise ausgeführt. Das Resultat ergibt sich aus folgender Tabelle). Tabelle]. NHA,-Kon- | Ge- trationi. | wicht | Müller- Blut 1 | BlutII | Blutlll Ventile 0/0 90 ..| 3:50 V Keine Krämpfe 2360 0, 0008 | 0,0033 — VI Keine Krämpfe 2430 | 0, 00125 | 0,00416 | 0 ‚00464 Atmung Krampf), kein Nach 5Ve Min. NH;- vn 2350 8,5 0,00088 | 0,00344 | 0, 0045 Atemstillstand Erf | um un un Nach 5 Min. wirft das IX 2] Tier sich, kein Krampf, [7 1950 8,5 0,0008 0, 00246 | 0,0038 kein Atemstillstand x Keine Krämpfe 2570 ie RE “| <=] | 000096 10,033 | 0,0045 8,5 | 0, 0011 0,0081 | 0,0050 == ' 0,00096 | 0,0033 | 0,0045 ı Will man aus den Versuchen dieser Serie bindende Schlüsse ziehen, so muss zunächst festgestellt werden, ob in der kurzen Zeit, während welcher das Tier nach der NH;-Atmung wieder durch die Normalventile atmet, sich der Ammoniakgehalt des Blutes nicht ändert. Schon a priori schien dieses wenig wahrscheinlich, weil Höber bereits festgestellt hat, dass das Blut ein besonders grosses Bindungs- vermögen für NH, besitzt. Wir haben jedoch diese Frage in zwei besonderen Experimenten untersucht. (Nr. XX und XXI.) Hierbei atmete das Kaninchen zunächst 4 Minuten Ammoniak ein, dann wurde auf Normalventile umgeschaltet und unmittelbar darauf Blutprobe I entnommen, Diese Blutentnahme dauerte ca. 30 Sekunden. 1) Bei den Ammoniakbestimmungen in den verschiedenen Blutportionen wurden diese jedesmal in wechselnder Reihenfolge analysiert, um einen even- tuellen Fehler auszuschliessen, wenn durch das längere oder kürzere Stehen des. (angesäuerten) Blutes der Ammoniakgehalt der zuletzt analysierten Portion sich: um ein Geringes geändert haben sollte. 2) Kein typischer Ammoniakkrampf. Über die Undurchgängigkeit der Lunge für Ammoniak. 1. 2385 Das Tier atmete danach noch eine volle Minute durch die Normal- ventile, worauf Blutprobe II entnommen wurde. Da in den in Tabelle I zusammengestellten Versuchen die Blutentnahme zwischen 30 und 45 Sekunden und niemals länger als eine Minute dauerte, so genügten diese Kontrollversuche zur Entscheidung der obigen Frage. Das Ergebnis war folgendes: Blut I Blut II Versuche xx. 2.2....0:0037220 0,0036 P/o, Versuch xXR 2 7, 72:0.0036.%/0 0,0033 jo. Während normaler Atmung von 1 Minute Dauer in ammoniak- freier Luft erniedrigt sich also der Ammoniakgehalt des Blutes nur um so geringe Werte (0,0001 /o und 0,0003 %/0), dass dieselben praktisch vernachlässigt werden können und jedenfalls weit ausser- halb der Veränderungen des NH,-Gehaltes im Blute fallen, mit denen wir es in unseren Versuchen zu tun haben. Nach Erledigung dieser Vorfrage können wir demnach aus den Versuchen der Tabelle I den Schluss ziehen, dass 3 Minuten langes Einatmen von Luft, die durch 8,5 '/oiges NH, gestrichen ist, den NH;3-Gehalt des Blutes unter den gewählten Versuchsbedingungen von 0,00096 °/o auf 0,0033 /o und 6 Minuten lange NH,-Atmung auf 0,0045 0/o steigen lässt. Diese Zahlen sind so viel niedriger als die von Höber, welcher im Laufe einer wahrscheinlich viel kürzeren Zeit den NH,-Gehalt des Blutes auf 0,0280 und 0,022 %/0 steigen sah, . dass der Unterschied notwendigerweise durch die von Höber verwendete Versuchsanordnung bedingt sein muss. In Hinblick auf den Einwand Höber’s, dass Schaum und Schleim in der Trachea und in den Bronchien NH, aus der Atmungs- luft absorbieren kann, haben wir in allen Versuchen sorgfältig darauf geachtet, dass während der NH,-Atmung keine Spur von Schleim und Flüssigkeit in der Trachealkanüle vorhanden war. Ausserdem ist zu bemerken, dass während der NH;-Periode die Atmung voll- ständig ruhig und von gleichmässiger Tiefe blieb und keinerlei An- zeige von Bronchiospasmus zu sehen war, und dass bei der unmittelbar nach Schluss jedes Versuches angestellten Sektion auch nichts von Lungenblähung zu sehen war. Der grosse Unterschied in den Ammoniakwerten, wie sie von uns und von Höber im Blute gefunden wurden, konnte & priori in zwei verschiedenen Momenten gesucht werden: erstens, dass Höber die Trachealkanüle nieht bis an die Bifurkation vorgeschoben hat, und dass demnach in seinen Versuchen die ammoniakhaltige Luft 19 386 R. Magnus, G. B. Sorgdrager und W. Storm van Leeuwen: noch einen grossen Teil der Trachea passieren musste, und zweitens darin, dass Höber seine Tiere während der Einatmung von Ammoniak verblutet hat. Dass tatsächlich in den Luftwegen (Trachea und Bronchien) eine Aufnahme von Ammoniak ins Blut stattfinden kann, wurde bereits durch die Befunde bei der Sektion sehr wahrscheinlich ge- macht. Stets war die Schleimhaut von Trachea und Bronchien unterhalb der Trachealkanüle diffus dunkelrot verfärbt. Es handelt sich also um eine sehr starke Schädigung der Tracheal- und Bronchial- schleimhaut. Bei der mikroskopischen Untersuchung der Lungen fand sich in den meisten Präparaten deutliche peribronchiale Hyper- ämie. Das Lumen der meisten Bronchien war offen, in einigen war Sekret, besonders als Belag an der Wand, zu sehen. In den Lungen- alveolen wurden keine oder nur geringe Veränderungen angetroffen !). Um den Einfluss einer Aufnahme von Ammoniak durch die Trachealwand auf das Versuchsergebnis festzustellen, haben wir in Versuch XI und XII genau dieselbe Versuchsanordnung verwendet wie in den Experimenten der Tabelle I, nur mit dem Unterschied, dass die Spitze der Kanüle nicht an der Bifurkation, sondern so hoch als möglich in der Trachea, dicht unter dem Larynx sass. Der Abstand des Unterrandes der Kanüle bis zur Bifurkation betrug in Versuch XI 5 em und in Versuch XII 7!/z em. Das Ergebnis war folgendes: Tabelle 1. NH,-Konzen- | Nr Gewicht trationim | ButI | Bull Blut III Müller- | g Ventil Vo | 0/0 0/0 0/0 xI 2050 8,5 | 0,0008 | 0,0046 0,0050 xl 1970 8,5 | 0,0009 0,0070 0,0087 Mitten ae | = | 0,00085 0,0058 0,0068 Die hier gefundenen Ammoniakwerte sind also wesentlich höher als in den Versuchen der Tabelle I. Nach 3 Minuten findet sich im Mittel 0,0058 °/o statt 0,0033 °/o und nach & Minuten sogar 0,0068 °/o statt 0,0045 °/o.. In dem Versuche, in welchem der Abstand von l) Für die Anfertigung der mikroskopischen Präparate sind wir Herrn van Rijssel, Assistent am hiesigen pathologischen Institut, zu grossem Dank verpflichtet. Über die Undurchgängigkeit der Lunge für Ammoniak. II. 287 der Kanüle bis zur Bifurkation am grössten war, sind auch die höchsten Ammoniakwerte gefunden worden. Bemerkenswert ist auch, dass in Versuch XII während der zweiten NH;-Periode nach 2!/g Minuten ein typischer Anfall von Ammoniakkrampf mit Atemstillstand auftrat. Es ist dieses der einzige Fall unter den bisher beschriebenen Ex- perimenten, in welchen während der Ammoniakatmung Krampfanfälle ınit Atemstillstand auftraten. (Krämpfe während des Verblutens sahen wir mehrmals; doch müssen diese auf Rechnung des Verblutens gesetzt werden.) Man wird daher einen Ammoniakgehalt von 0,008°/o als den ungefähren unteren Grenzwert für das Auftreten typischer Ammoniak- krämpfe beim Kaninchen anzusehen haben, ein Befund, der durch unsere weiteren Versuche bestätigt wurde. Hieraus ergibt sich, dass sowohl in den Versuchen von Knoll wie in den älteren Experi- menten von Maenus, in denen nach Ammoniakatmung keine Krämpfe auftraten, der NH,-Gehalt des Blutes nieht über 0,008 %/o gestiegen sein kann, und dass die sehr viel höheren Werte Höber’s seiner ungünstigen Versuchsanordnung zur Last gelegt werden müssen. Der Vereleich der Versuchsresultate von Tabelle I und II lässt nach unserer Meinung keine andere Deutung zu, als dass durch die Trachealschleimhaut eine ziemlich beträchtliche Aufnahme des Am- moniaks ins Blut stattfinden kann. Dieselbe kann in 3 Minuten den Ammoniakgehalt des Blutes im Mittel um 0,0025 °/o steigen lassen; es ist selbstverständlich, dass eine entsprechende Aufnahme von Ammoniak ins Blut auch durch die Schleimhaut der Bronchien er- folgen muss. Daher muss die Zunahme des Ammoniakgehaltes im Blute in den Versuchen der Tabelle I mindestens zu einem Teile der Bronchialresorption zugeschrieben werden. Schon aus dem bisher Geschilderten ergibt sich also, dass von einem leiekten und ungehinderten Durchgang von Ammoniak durch die Alveolarwand keine Rede sein kann. In diesem Zusammenhang verdient auch Beachtung, dass in den Versuchen der Tabelle I, in denen die ammoniakhaltige Luft so nahe als möglich an die Lunge herangeführt wurde und daher die Ammoniakluft am leichtesten in die Alveolen dringen konnte, die Aufnahme ins Blut eine geringere gewesen ist als in den Versuchen der Tabelle II, in denen die NH;-Luft erst noch die ganze Trachea passieren musste. Nach Höber’s Anschauung, die er.(S. 91) durch 3288 R. Magnus, G.B. Sorgdrager und W. Storm van Leeuwen: den Versuch mit der Dünndarmschlinge illustriert, hätte genau das Umgekehrte der Fall sein müssen. Der zweite Unterschied in der Versuchsanordnung von Höber gegenüber unseren in Tabelle I zusammengefassten Experimenten bestand darin, dass Höber seine Versuchstiere während der Einatmung von Ammoniak verblutet hat. Es war daher zu untersuchen, welcher Einfluss diesem Faktor auf die Aufnahme von NH, ins Blut zukommt. Zu diesem Zwecke haben wir die Versuche II, XXIIL, XXV, XXVI und XXVII angestellt. In Versuch II liessen wir ein Kaninchen von 2200 g, dem zuvor ca. 20 ccm Blut für die Normalbestimmung entnommen war (Blut I), zunächst 6 Minuten lang Luft einatmen, welche durch 5,8% NH; strich. Der Ammoniakgehalt der Einatmungsluft war daher niedriger als in den bisher geschilderten Versuchen mit 8,5 %/o Ammoniak. Nach 6 Minuten langer NH,-Atmung wurde dann Blut II ent- nommen, hierbei aber nicht, wie in den früheren Versuchen, die NH;- Atmung unterbrochen; diese ging vielmehr ruhig weiter. Darauf wurde das Tier bei fortdauernder Ammoniakatmung verblutet und die letzte Blutportion von der Verblutung (Blut III) wieder zur Ammoniak- bestimmung aufgefangen. Die ganze Verblutung dauerte 2 Minuten. Das Tier hat also bis zum Ende 8 Minuten lang NH, geatmet. Die Ammoniakbestimmung ergab folgende Werte: Blut I (Normalbestimmung) . 00. 0,00085, 0. NE, Blut II (nach 6 Min. NH; -Atmung) . er 0,005.22000 NIE Blut III (am Ende der Ferlleane bei fort- gesetzter. NH,-Atmung) .. .. . .......0,0203 .,%0 NH, Das Ergebnis dieses Versuches lässt an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig. Trotzdem in diesem Versuche die Ammoniak- konzentration der Atmungsluft niedriger war als in allen bisher geschilderten Experimenten, ist während der Verblutung bei fortgesetzter Ammoniakatmung der NH;-Gehalt des Blutes von 0,005 °/o auf 0,0203 %/o gestiegen, d. h. auf einen Wert, welcher mit den von Höber gefundenen fast vollständig übereinstimmt. Hiernach kann es wohl keinem Zweifel unterliegen, dass die abnorm hohen Ammoniakwerte Höber’s darauf beruhen, dass er seine Tiere während der NH,;-Atmung verblutete und daduren ganz abnorme Zirkulationsverhältnisse in der Lunge verursachte. Dieses Ergebnis wird durch den Ausfall der zwei anderen Ver- suche (XXV und XXVI) bestätigt. In diesen Versuchen wurde vor Beginn der Ammoniakatmung kein Blut entnommen. Die Tiere (2200 und 2600 g) hatten tiefe Tracheal- Über die Undurchgängigkeit der Lunge für Ammoniak. I. 289 kanüle bis an die Bifurkation und atmeten, wie in unserer ersten Versuchsreihe (Tabelle I), Luft, die durch 8,5 °/o Ammoniak strich. Nach 3 Minuten langer Ammoniakatmung wurde für die Dauer von 1 Minute auf das Normalventil ohne Ammoniak umgeschaltet und darauf nochmals 3 Minuten lang Ammoniakatmung eingestelli.e. Nach unseren früheren Versuchen (Tabelle I) war also ein Ammoniakgehalt von ca. 0,0045 °/o zu erwarten. Nunmehr wurden die Tiere schnell verblutet, ohne dass die Zufuhr von Ammoniak unterbrochen wurde, und das Blut in Einzelportionen von 20 ccm aufgefangen. Dazwischen liessen wir jeweils mit Absicht etwas Blut verloren gehen. Bei Analyse der verschiedenen Blutproben fanden sich folgende Werte: Blut I Blut III Versuch XXV 0,0037 %/o NH3 0,0079 %/o NH;. Blut I Blut IV Blut V Versuch XXVI 0,0047 °/o NH2 0,0120 do NH, 0,0190 0/9 NH;,. Die Ammoniakwerte im Anfang der Verblutung (0,0037 °/o und | 0,0047 °/0) sind von derselben Höhe wie die in Tabelle I nach 6 Minuten NH;,-Atmung gefundenen Werte. Während der Ver- blutung stieg der Ammoniakwert dagegen rapide an: in Versuch XXV binnen I—1’/g Minuten auf 0,0079°o und in Versuch XXVI binnen 2®2/a Minuten auf 0,0190 °/o. In dem letzteren Versuche wurde also wieder ein Wert erhalten, der ungefähr so gross war wie in den Versuchen Höber’s. Charakteristisch war auch der pathologisch-anatomische Befund an den Lungen in den beiden letztgenannten Versuchen. Während in den früher geschilderten Experimenten der Tabelle I nach 6 Mi- nuten langer NH,-Atmung makroskopisch keine und mikroskopisch nur geringe Veränderungen an den Lungen zu finden waren, waren in den Versuchen XXV und XXVI bereits makroskopisch deutliche Veränderungen an den Lungen sichtbar. In Versuch XXV waren in den Lungen eine grosse Anzahl punktförmiger Hämorrhagien und hyperämischer Flecken vorhanden. In Versuch XAXVI waren besonders diese hyperämischen Flecken sehr deutlich, die punktförmigen Blutungen dagegen in geringer Anzahl vorhanden. Mikroskopisch waren in den Präparaten so starke Veränderungen zu sehen, wie wir sie in den frühren Versuchen niemals angetroffen haben. In der Lunge von Versuch XXVI fand sich z. B. serofibrinöses, stellen- weise hämorrhagisches Exsudat in den Alveolen, deutlich fleck weise starke Hyperämie der Lunge, in den Bronchien als wandständiger Belag zellig fibrinöses Exsudat. 290 R. Magnus, G.B. Sorgdrager und W. Storm van Leeuwen: Zu allen übrigen haben wir, um dem Einwand zu begegnen, dass in den obengeschilderten Versuchen (XXV und XXV]I) die Ammoniakatmung im ganzen 8 statt 6 Minuten gedauert hat und dass daher die Ergebnisse nicht direkt mit denen der Tabelle I verglichen werden können, noch Versuch XXVI ausgeführt. In diesem atmete ein vagotomiertes Kaninchen von 2000 & mit tiefer : Trachealkanüle nach Entnahme von Blut zur Normal- bestimmung zunächst 3 Minuten durch das Ammoniakventil mit 8 °/o NH,. Darauf wurde 1 Minute lang auf Normalventil umgeschaltet und während dieser Zeit Blutprobe II entnommen. Danach wurde wieder mit der Ammoniakatmung begonnen und, nachdem diese 1 Minute gedauert hatte, mit der Verblutung angefangen. Die Verblutung dauerte bei fortgesetzter NH,-Atmung 2 Minuten lang, so dass das Tier im ganzen zweimal je 3 Minuten Ammoniak eingeatmet hat. Blut I enthielt 0,0008 °/o NH;, Blut II 0,0025 %/o NH,, Blut III 0,0140 %/o NH,. Auch hier wieder hat also die Verblutung in der zweiten Ammoniakperiode zu einem sehr beträchtlichen Absteigen des NH;- Gehaltes geführt. Nach den Versuchen der Tabelle I wäre ohne Verblutung ein Ammoniakwert von 0,0045 °/o statt des gefundenen von 0,0140 °/% zu erwarten gewesen. Aus alledem ergibt sich, dass während der Verblutung in der Lunge eine sehr beträchtliche Aufnahme von NH, im Blut statt- gefunden hat, und dass damit der Hauptgrund für die abnorm hohen Ammoniakwerte des Blutes in den Höber’schen Versuchen gefunden ist. Ebenso wie in den älteren Versuchen von Magnus das Lungen- epithel nach dem Tode für Ammoniak durchgängig wird, so ist auch in den Versuchen Höber’s und in den drei zuletzt geschilderten von unseren Experimenten die durch die Verblutung gesetzte Kreis- laufstörung mit ihren Folgen hinreichend, um den Widerstand der Alveolarwand gegen den Durchtritt von Ammoniak zu vermindern. Es ist dies wieder ein interessantes Beispiel dafür, dass Zellen und Membranen unter pathologischen Bedingungen eine Veränderung ihrer Durcheängigkeit erleiden. Jedenfalls kann man nach diesem Befunde in den Versuchen Höber’s keine Widerlegung der Undurch- gängigkeit der Lunge für Ammoniak unter normalen Bedingungen mehr erblicken. Nachdem wir diesen sehädigenden Einfluss der Verblutung kennen gelernt hatten, mussten wir uns die Frage vorlegen, ob wir nicht noch sehr viel günstigere Versuchsergebnisse, d. h. eine ge- Über die Undurchgängigkeit der Lunge für Ammoniak. II. 291 rinzere Zunahme des Ammoniaks im Blute nach NH,-Atmung, erhalten könnten, wenn wir auf die wiederholten Blutentnahmen verzichteten und nur am Schluss des Versuches eine einzige Blutprobe zur Analyse entnahmen. Zu diesem Zwecke haben wir ein Kaninchen von 2400 g mit tiefer. Trachealkanüle ohne vorherige Blutentnahme durch ein Ammoniak- ventil mit 8,5 /o®NH, 3 Minuten atmen lassen, darauf, ohne dabei Blut zu entnehmen 1 Minute lang auf das Normalventil umgeschaltet und danach nochmals 3 Minuten Ammoniakatmung vorgenommen. Nun- mehr wurde wieder das normale Ventil eingeschaltet und sofort Blut zur Analyse entnommen. Inu den Versuchen der Tabelle I, in denen genau dieselbe Zeit Ammoniakluft von der gleichen Konzentration ge- atmet war, in denen aber vorher und nach 3 Minuten je 20 ccm Blut zur Analyse entnommen wurde, hatte sich nach 6 Minuten ein mittlerer Ammoniakgehalt von 0,0045 °/o (Min. 0,0038, Max. 0,0050) gefunden. In dem zuletzt geschilderten Versuche fand sich dagegen nach 6 Minuten nur ein Ammoniakgehalt von 0,00286 /o. Wenns man also ein Kaninchen nach doppelter Vagotomie mit tiefer, bis zur Bifurkation reichenden Trachealkanüle mit kurzer Unterbrechung 6 Minuten lang ammoniakreiche Luft atmen lässt, so steigt der Ammoniakgehalt des Blutes, der in der Norm 0,00089 °/o beträgt, auf 0,00286 °o, d.h. um ungefähr 0,0020 °0. Nach unseren oben geschilderten Versuchen vermag die Trachea in dieser Zeit aus Luft von derselben Ammoniakkonzentration bereits so viel NH, ins Blut zu resorbieren, dass dessen NH;-Gehalt um 0,0023 %0 ansteigt. Man geht daher wohl nicht fehl, wenn man die geringe, in dem letztgenannten Versuche gefundene Ammoniakzunahme des Blutes bezieht auf die Resorption von NH, dureh die Bronchialschleimhaut. Jedenfalls findet eine Aufnahme des in Wasser so leieht absorbier- baren und in Lipoiden so leicht löslichen Ammoniaks durch das Alveolarepithel nicht in einer Menge statt, die sich nur im ent- ferntesten mit der Aufnahme von Blausäure, Schwefelwasserstoff, Kohlenoxyd, Kohlensäure und Sauerstoff vergleichen liesse. Man hat daher wohl schon nach diesen Versuchen das Recht, von einer Undurchgängigkeit der Lunge für Ammoniak zu reden. Anhangsweise mag noch erwähnt werden, dass wir auch Versuche mit niedrigerem Ammoniakgehalt in der Einatmungsluft angestellt haben. In diesen wurde das Ammoniakventil mit 2°%o NH, beschickt. Im übrigen war die Versuchsanordnung genau die gleiche wie in den Ver- suchen der Tabelle I, bei denen das Ammoniakventil 8,5 °/o NH, enthielt. Das Versuchsergebnis ist aus Tabelle III ersichtlich: 292 R. Magnus, G. B. Sorgdrager und W. Storm van Leeuwen: Tabelle III. NH3-Gehalt Blut I | Blut II Blut III Nr im Müller- Normal- | nach 3 Min. | nach 6 Min. 2 Ventil ' bestimmung NH; NH, % %o | %o 0% x 2 2.0.00076: |: 0,0018. 0,0081 XIV 2 00 0,0012° 1 0,0015 xV 2 | 000088 | 0,0011. | 0,0015 Mittel — 0,0008 0,0014 0,0020 Mittelwerte der | Tabellel. . — 0,0096 0,003 0,0085 Wie zu erwarten war, fand sich in diesen Experimenten eine sehr viel geringere Zunahme des Ammoniakgehaltes im Blute als in den Versuchen der Tabelle I. Hiermit stimmt überein, dass bei der Sektion sehr viel geringere Veränderungen an der Bronchialschleim- haut gefunden wurden. Diese war lange nicht so stark gerötet als in den übrigen Experimenten, und bei der mikroskopischen Unter- suchung fand sich keine peribronchiale Hyperämie, kein Sekret in den Bronchien und völlig normale Alveolen. Il. Teil. - Erscheint bei Anwesenheit von freiem Ammoniak im Blute NH, in der Exspirationsluft? (Versuche an der überlebenden, künstlich durchbluteten Lunge.) Von R. Magnus und @. B. Sorgdrager. Die Eigenschaft der Tracheal- und Bronchialschleimhaut, aus ammoniakreicher Luft NH, ins Blut übertreten zu lassen, bringt es mit sich, dass bei den im ersten Teil dieser Arbeit geschilderten Versuchen, selbst wenn man unter allen Kautelen arbeitet, der NH;,-Gehalt des Blutes bei Einatmung von Ammoniak um einen, wenn auch geringen Betrag ansteigt. Die Undurchgängigkeit der Alveolarwand für Ammoniak muss sich daher noch sehr viel schärfer auf dem umgekehrten Wege nachweisen lassen, indem man zeigt, dass bei Anwesenheit von freiem Ammoniak im Blute nichts davon in der Exspirationsluft erscheint. Dieser Nachweis ist unserer | | | | | | | ] Über die Undurchgängigkeit der Lunge für Ammoniak. II. 293 Meinung nach trotz der Einwände Höber’s bereits durch die früheren Versuche von Magnus geliefert worden (s. oben S. 276 u. 278). Eindeutiger und übersichtlicher konnten die Versuchsbedingungen nur noch gestaltet werden, wenn es gelang, dieselben an der über- lebenden, künstlich durchbluteten Lunge auszuführen. Dann konnte man zu einer bekannten Blutmenge eine bestimmte Menge NH, zu- setzen, war von den anderen Organen des Körpers (besonders der Leber) unabhängig, die den NH,-Gehalt des Blutes nach der Injektion in unkontrollierbarer Weise vermindern konuten, war ferner imstande, die Atembewegungen der Lunge genau zu kontrollieren, einen etwaigen Bronchialmuskelspasmus auszuschliessen usw. A priori erschien es uns sehr wohl möglich zu sein, dass der- artige Versuche misslingen würden, da.durch die notwendige Prä- paration die Lunge bereits so geschädigt sein könnte, dass sie für NH, durchgäneig wird. Wenn unsere Experimente trotzdem erfole- reich waren, so verdanken wir das vor allem der Freundlichkeit von Prof. Brodie in Toronto, der dem einen von uns (Magnus) im vorigen Jahre das damals neueste Modell seines Durehblutungsapparates zuschickte. Mit diesem haben wir die im folgenden zu schildernden Versuche angestellt; er hat sich als sehr einfach und zuverlässig erwiesen. Die Anordnung des Apparates ist folgende (vel. Fig. 1): Das aus der Vene des durchbluteten Organes abströmende venöse Blut gelangt zunächst in das Glasgefäss A, das durch ein eingeschliffenes, mit etwas Quecksilber beschwertes Glasventil verschlossen ist. Dieses dient erstens als Luftfänger, zweitens zum Füllen des Apparates und drittens zum Zusetzen von Giften usw., in unserein Falle von Ammoniak, bei bereits tätigem Apparat. Von hier strömt das Blut in das venöse Reservoir 5. In diesem ist ein grosser dünner Gummikondom ein- gebunden. Das Blut, welches durch die obere Seitenöffnung des Reservoirs einströmt und durch die untere abfliesst, bekommt dadurch an dieser Stelle den Nulldruck der Aussenluft. ohne mit dieser selbst in Berührung zu kommen. Ist viel Blut im Reservoir vorhanden, so kollabiert der Kondom oder weicht nach oben aus; ist das Reservoir dagegen leer, so legt er sich glatt der Wand an. Von hier aus ge- langt das Blut in das Herz CO, einen nicht zu steifen kleinen Gummi- ballon, der durch ein Seitenrohr mit einem senkrechten Glasrohr in Verbindung steht, in welches zwei sehr leicht spielende, mit wenig Quecksilber beschwerte Glasventile sorgfältig eingeschliffen sind. Diese erlauben dem Blute nur in einer Richtung zu strömen. Die bisher beschriebenen Teile sind so aufgestellt, dass das Blut einfach der Schwere folgend aus der Vene durch A und B dem Herzen zufliesst. Das Organ muss also relativ hoch gelagert werden. Das Herz wird 294 R. Magnus, G.B. Sorgdrager und W. Storm van Leeuwen: von der Transmission aus durch eine Schnurscheibe, durch deren Drehung die Platte e auf und ab bewegt wird rhythmisch komprimiert ; die Pulsfrequenz lässt sich leicht auf die gewünschte Höhe bringen und bleibt während des Versuches am besten ungeändert. Das Schlag- volum des Herzens kann man während des Versuches, ohne die Zirku- lation irgendwie zu unterbrechen, dadurch variieren, dass man den Tisch d, auf dem der Herzballon aufliegt, mit Hilfe der feinen Schraube D hebt oder senkt. Vom Herzen wird das Blut in das arterielle -Reservoir F gepumpt, das dieselbe Form wie das venöse Reservoir B besitzt, Auch in diesem kommt das Blut nicht mit der Luft in Berührung, sondern wird durch einen grossen dünnen Gummi- Transmission Druckluft Fig. 1. kondom von ihr getrennt. Im Gegensatz zum venösen Reservoir steht aber das Innere des Kondoms nicht mit der Aussenluft, sondern mit einer Druckeinrichtung in Verbindung. Von einem Wassergebläse aus wird Druckluft erzeugt, die durch ein Quecksilberventil 7, das man in wechselnder Höhe einstellen kann, auf konstanter Druckhöhe ge- halten wird. Man stellt die Druckluft so ein, dass immer etwas Luft durch das Ventil entweicht. Durch ein T-Rohr steht die Druckleitung mit dem Inneren des Kondoms im arteriellen Reservoir in Verbindung. Hierdurch wird dem Blute im Reservoir ein konstanter, auf jeder ge- wünschten Höhe einzustellender und während des Versuches leicht zu verändernder Druck erteilt, ohne dass das Blut mit der Luft in Be- rührung kommt. Vom arteriellen Reservoir fliesst das Blut zum Organ. Auf dem Wege dahin ist ein Hg-Manometer M, ein Thermometer X Uber die Undurchgängigkeit der Lunge für Ammoniak. II. 295 und bei einigen Versuchen noch ein Seitenrohr Z zur Blutentnahme eingeschaltet. Das arterielle Reservoir befindet sich in einem grossen Becherglas mit Wasser, dessen Temperatur durch einen Thermoregulator auf 44° konstant gehalten wird. So wird das Blut auf seinem Wege durch das arterielle Reservoir und den abführenden Schlauch hin- reichend erwärmt. Wenn der Apparat im Gange ist, dann dient das „Herz“ ausschliesslich zu dem Zwecke, um das Blut aus dem venösen in das arterielle Reservoir zu befördern, dagegen nicht zur Erzeugung des arteriellen Druckes. Dieser wird allein durch die Druckluft- leitung und das Quecksilberventil 7 bestimmt. Man kann also das Schlagvolum des Herzens variieren, ohne den Druck in der arteriellen Leitung zu verändern. Während des Versuches wird nun das Schlag- volum des Herzens mit Hilfe der Schraube D so eingestellt, dass das Blutniveau in den beiden Reservoiren konstant bleibt. Dann befördert das Herz in der Zeiteinheit genau dieselbe Blutmenge wie durch das Organ strömt. In praxi ist dieser Forderung sehr leicht zu genügen; sobald der Versuch einige Minuten im Gange ist, stellt sich bald eine konstante Kreislaufsgeschwindigkeit durch das Organ her. Jede Gefäss- erweiterung im Organ äussert sich dadurch, dass die Blutmenge im venösen Reservoir zu- und im arteriellen abnimmt, jede Gefäss- verengerung durch Zunahme des Blutes im arteriellen und Abnahme im venösen Reservoir. Man kann also Veränderungen der Gefäss- weite im Organ direkt am Apparat sehen, und wenn sie dauernd sind, durch Drehung der Schraube D kompensieren. Will man die Änderungen der Gefässweite bzw. der Strömungsgeschwindigkeit gra- phisch registrieren, so braucht man nur in die obere Öffnung des venösen Reservoires einen durchbohrten Stopfen mit einem kurzen Glasrohr zu stecken und dieses durch einen Gummischlauch mit einem Volumschreiber (wir benutzten einen Pistonrekorder von 50 ccm Inhalt) zu verbinden. Ein Ansteigen des Hebels bedeutet dann eine Zunahme des Blutstromes, eine Gefässerweiterung, ein Absinken dagegen eine Gefässverengerung. — Wie man sieht, erlaubt der Apparat ein sehr einfaches Variieren aller für den Kreislauf nur irgendwie in Betracht kommender Faktoren. Er hat den grossen Vorteil. dass jedes Schäumen des Blutes ausgeschlossen ist, weil dieses nirgends mit Luft in Be- rührung kommt. Die Arterialisierung wird durch die künstlich ge- atmete Lunge selber besorgt. Bei unseren Versuchen waren die Dimensionen des ganzen Apparates derart, dass derselbe mit 35 ccm physiologischer Kochsalzlösung vollständig gefüllt werden konnte. Hierzu wurde das durch Verblutung gewonnene defibrinierte Blut des- selben Tieres gesetzt, dessen Lunge durchblutet wurde. Die zugesetzte Blutmenge variierte zwischen 40 und 110 ccm. Der arterielle Druck, der für eine gute Lungendurchblutung nötig ist, beträgt zwischen 20 und 40 mm Hg. Meist wurde ein Druck von 55—38 mm verwendet. Die Tätigkeit des Herzens führt zu leichten pulsatorischen Schwankungen im arteriellen Reservoir, was für die Durchströmung nur von Vorteil sein kann. Wir haben nur einen gelungenen Versuch am Kaninchen ausgeführt, gingen dann aber zu Experimenten an Katzen über, weil wir beim Kaninchen oft mit hochgradigen Gefässverengerungen in der Lunge zu kämpfen hatten, deren Ursache noch nicht aufgeklärt ist. Katzen da- 3296 KR. Magnus, G.B. Sorgdrager und W. Storm van Leeuwen: gegen eignen sich vortrefflich zu diesen Untersuchungen. Die Tiere wurden “in Äthernarkose tracheotomiert und mit der künstlichen Atmung verbunden, darauf aus beiden Karotiden verblutet, Das Blut wurde defibriniert und durch das Glasgefäss A in den Durchblutungsapparat eingefüllt.. Bei dem entbluteten Tiere wurde nun während der ganzen Präparation die künstliche Atmung kräftig weitergeführt. Es scheint dieses für den guten Zustand der Lunge beim Durchblutungsversuch von Bedeutung zu sein. Der Thorax wurde in der Medianlinie ge- spalten und durch kräftige Fäden auseinandergehalten. Durch einen Einschnitt in den rechten Ventrikel wurde dann eine weite Glaskanüle in die Arteria pulmonalis eingeschoben und mit einer Ligatur fest- gebunden, welche zugleich den Anfangsteil der Aorta mit umschnürte. Eine zweite Glaskanüle wurde in das linke Herzohr eingebunden, Darauf wurde eine Tabaksbeutelnaht um die Basis beider Ventrikel gelegt und fest zugeschnürt. Dieselbe muss so liegen, dass die Ein- mündungsstellen der von den Unterlappen der Lunge herkommenden Lungenvenen nicht mit abgeschnürt oder verengt werden. Darauf wird die Trachealkanüle aus dem Halsteil der Luftröhre herausgenommen und so weit im unteren Teil der Trachea befestigt, dass ihre Öffnung etwas oberhalb der Bifurkation zu liegen kommt. Nunmehr wird das Tier an den Apparat gebracht, der arterielle Schlauch mit der Kanüle in der Arteria pulmonalis, der venöse mit der Kanüle im linken Herz- ohr verbunden, wobei sorgfältig alle Luftblasen vermieden werden müssen. Darauf wird sofort mit der Durchblutung begonnen. Die Lunge bleibt also bei diesen Versuchen im Körper des Tieres. In anderen Experimenten werden sie auch herausgenommen und in einen Plethysmographen eingeschlossen (s. u.). Zur Erwärmung wird eine Glühlampe oberhalb des geöffneten Thorax angebracht. Gewöhnlich beginnt sofort bei einem arteriellen Druck von 35—38 mm Hg eine ganz ausserordentlich lebhafte Durchblutung, die sich im Verlaufe der Normalperiode nur wenig ändert. Die Temperatur des Blutes stellt sich ebenfalls im Verlaufe von einigen Minuten auf einen konstanten Wert ein (meist zwischen 35,5 und 38°). Das Präparat wird, wie oben erwähnt, vom Beginn an ununter- brochen künstlich geatmet. Da in der Ausatmungsluft das etwa aus- geschiedene Ammoniak nachgewiesen werden sollte, musste die In- spirationsluft sicher frei von NH, sein. ‘Daher liessen wir die Luft erst durch eine Waschflasche mit Schwefelsäure und danach durch eine solche mit Wasser streichen. Zur Verbindung wurden nur frische saubere Schläuche verwendet und in jedem Versuche durch eine längere Normalperiode festgestellt, dass sich auch keine Spuren von NH, in der Luftleitung befanden. Zum Nachweis des Ammoniaks in der Exspirationsluft leiteten wir diese in den ersten Versuchen durch eine Waschflasche mit Nessler’s Reagens, Wir machten aber die Beobachtung, dass diese Methode allerdings sehr empfindlich ist, aber etwas träge arbeitet, so dass bei Anwesenheit von Ammoniakspuren in der Luft sich das Reagens erst nach mehr als einer Minute deutlich trübt. Leitet man die ammoniakhaltige Luft durch eine Waschflasche mit Wasser, dem etwas neutrale Lakmustinktur zugesetzt ist, so dauert es sogar unter Über die Undurchgängigkeit der Lunge für Ammoniak. II. 297 den gleichen Versuchsbedingungen über 2 Minuten, bis sich die Lösung blau färbt. Als die schnellste und empfindlichste Methode erwies es sich dagegen, die NH;-haltige Luft gegen ein freihängendes, mit destilliertem Wasser befeuchtetes Stück neutralen Lakmuspapiers zu blasen. Wurde zu einem Blut-Kochsalzgemisch von demselben Ver- hältnis, wie wir es zu unseren Durchblutungsversuchen verwendeten, Ammoniak in einer Konzentration zugesetzt, die der von uns meist ver- wendeten entsprach (2 ccm 0,85 /oiges NH, zu 80 ccm Blut-Kochsalz- mischung 3:2), und wurde durch dieses Blut in einer Waschflasche Luft durchgeblasen, so verfärbte sich das Lakmuspapier im Luftstrom bereits nach 10 Sekunden deutlich blau, Auch bei venösem Blute (womit wir es übrigens bei unseren Durchblutungsversuchen niemals zu tun hatten) ist die Probe äusserst empfindlich. — Wir haben daher in der Mehrzahl der Versuche die Exspirationsluft durch ein horizontales Glas- rohr geleitet und gegen ein vor der Mündung aufgehängtes Stück neu- tralen Lakmuspapieres blasen lassen. Wenn dann NH, in der Exspira- tionsluft auftrat, was unter bestimmten Versuchsbedingungen tatsächlich der Fall war, so wurde es auf diese Weise schnell und sicher angezeigt. Mit dieser Methodik haben wir im ganzen 17 gelungene Versuche angestellt. Stets begannen wir mit einer Normalperiode von mindestens 15—20 Minuten Dauer. Denn nach den im ersten Teil dieser Arbeit mitgeteilten Erfahrungen war zu erwarten, dass die bei der Verblutung und der Präparation des Tieres erfoleten Schädigungen die Durchgängigkeit des Alveolarepithels ungünstig beeinflussen würden. Nach einer lebhaften und ungestörten Durch- blutung von 15—20 Minuten hat sich das aber wieder ausgeglichen, wobei zu betonen ist, dass die Versuche des ersten Teils an Kaninchen, die jetzt mitzuteilenden dagegen an den widerstandsfähigeren Katzen angestellt worden sind. Erwähnung verdient, dass in keinem unserer Versuche während der Normalperiode, die wir in einem Falle sogar bis zu 3 Stunden ausdehnten, irgendwelche Anzeichen von Lungen- ödem oder Flüssigkeit in der Trachea zu sehen waren. Die erste Aufgabe war, festzustellen, welche Ammoniakmengen wir zu dem Durchblutungsblute zusetzen mussten, um freies NH, in abdunstungsfähigem Zustand in der Durchströmungsflüssig- keit zu erhalten. Zu diesem Zwecke setzten wir zunächst in einem Vorversuch zu verschiedenen Proben eines Blut-Kochsalzgemisches, das zu einer Normaldurehblutung verwendet worden war, steigende Mengen einer NH,-Kochsalzlösung in Reagensröhrchen hinzu, über denen wir feuchte Stücke Lakmuspapier aufgehängt hatten. Es fand sich, dass bei einem Gehalte an 0,0085 NH, sich das Lakmus- papier nach einiger Zeit noch bläute, und dass .bei 0,017 °/o die 298 R. Magnus, G.B. Sorgdrager und W. Storm van Leeuwen: Bläuung schon schneller erfolgte!). Daher wurde 0,015—0,017 %o als ein Gehalt an Ammoniak angesehen, der zu unseren Versuchen geeignet sein würde. Da der Inhalt unseres Durchblutungsapparates nach der Füllung mit Blut und Kochsalzlösung im Mittel 100 cem betrug, wurde in der Mehrzahl der Experimente 2 cem 0,78—0,85 '/oigen Ammoniaks in NaCl-Lösung zugefügt. Es gab nun ein sehr einfaches Mittel, sich in jedem einzelnen Versuche davon zu überzeugen, ob danach wirklich freies Ammoniak im Blute vorhanden war. Es brauchte nämlich nur ein feuchtes Stück neutralen Lakmuspapiers horizontal über dem geöffneten Thorax befestigt zu werden. War freies Ammoniak im Blute, so musste sich das Papier blau färben. Denn wie sich schon aus den älteren Versuchen von Magnus ergab, dunstete bei Anwesenheit von freiem Ammoniak dieses nach der Pleuraseite der Lunge zu ab. Dieses war nun tatsächlich der Fall. In allen unseren Versuchen färbte sich das Lakmuspapier über dem Thorax nach Zusatz von 2 cem 0,78—0,85 %/o nach 45 Sekunden bis höchstens 3 Minuten blau. Diese Färbung nahm dann im weiteren Verlaufe des Versuches an Intensität zu. In einigen Experimenten wurde das Papier dunkelblau verfärbt. Wir konnten also in jedem einzelnen Versuch schon während des Ex- perimentierens sehen, dass freies abdunstungsfähiges Ammoniak im Durehströmungsblute vorhanden war. In einem Versuche dauerte es nach Zusatz von 2 ccm 0,78 %/oigem Ammoniak zu 107 ccm Blut-Kochsalzmischung 10 Minuten, bis sich das Papier über dem Thorax blau verfärbte. Als Ursache für dieses un- sewöhnliche Verhalten fand sich nach dem Versuche eine sehr starke Lipämie des Serums, wodurch das verzögerte Abdunsten des NH, zur Genüge erklärt sein dürfte, In der Mehrzahl der Versuche haben wir zum Schluss noch Blut aus dem Apparat herausgeuommen und in Reagensgläser mit darüber befestigtem feuchten Lakmuspapier gebracht, um uns zu überzeugen, dass auch am Schlusse des Versuches noch freies Am- moniak im Blute vorhanden war. Das Ergebnis der nach dieser Methodik angestellten Versuche möge durch einige Versuchsbeispiele veranschaulicht werden. 1) Die beträchtlich höheren Werte, welche Höber (S. 39) erhielt, beruhen darauf, dass Höber mit unverdünntem Blute gearbeitet hat. > Über die Undurchgängigkeit der Lunge für Ammoniak. II. 299 Versuch 14. Katze, in Äthernarkose verblutet, gibt 76 ccm defibriniertes Blut, welches im Apparat mit 35 cem physiol. NaCl-Lösung vermischt wird. Beginn der Durchblutung 10 Uhr 38 Min. Druck 32 mm Hs, Temperatur des Blutes 36,5°. Vortrefflicher Blutstrom, sehr gute Atembewegungen der ganzen Lunge. Dauer der Normalperiode 20 Mi- noten. Während derselben bleibt sowohl das Lakmuspapier über dem Thorax als das vor dem Exspirationsrohr unverfärbt. 10 Uhr 58 Min. 2V/e ccm 0,78 /oiges NH, in Kochsalzlösung in den Apparat. Nach 70 Sekunden wird das Lakmuspapier über dem Thorax deutlich blau; nach 2!/a Minuten ist es dunkelblau. Das Papier vor dem Exspirationsrohr bleibt dagegen während der ganzen Ammoniakperiode unverfärbt. Sehr guter Blutstrom, vortreffliche Atembewegungen der ganzen Lunge, kein Schaum oder Flüssigkeit in der Trachealkanüle. 11 Uhr 3 Min. Nach 5 Minuten langer Ammoniakatmung wird bei sehr guter Durchblutung und guten Atembewegungen der Versuch geendet und unmittelbar die Sektion angeschlossen. Sektion: Keine Spur von Lungenödem, Lungen voll- ständig normal, ohne Stauung, lassen sich von der Trachea aus leicht aufblasen und kollabieren darauf sofort wieder (kein Broncho- spasmus). Trachealkanüle "sg cm oberhalb der Bifurkation. Ein Lungenlappen zur mikroskopischen Untersuchung in Formol, Mikroskopisch: Keine Hyperämie. Lungenalveolen frei, ohne Exsudat (nur in 2—3 Alveolen des ganzen Schnittes etwas Exsudat). Bronchien und Bronchiolen haben offenes Lumen ; in einigen Bronchien geringe Desquamation des Epithels und einige wenige Exsudatzellen. Sonst ganz normaler Befund. Der Ammoniakgehalt der Blut-Kochsalzmischung im Apparat be- trägt nach einer grösseren Reihe von Normalbestimmungen im Mittel 0,002 °/o (Katzen haben als Fleischfresser mehr NH, im Blute als Kaninchen). Zugesetzt wurden 19,5 mg NH,. Also war im Anfang der Ammoniakperiode in 111 cem Durchströmungsflüssigkeit 0,016 °/o NH, enthalten. Am Schluss des Versuches enthielt das Blut im Apparat nach einer von W. Storm van Leeuwen ausgeführten Bestim- mung 0,012 °o. Die Differenz ist während des Versuches verdunstet, wie sich aus der Bläuung des Lakmuspapieres über dem Thorax ergibt. Dieser Versuch zeigt, dass bei Anwesenheit von so viel freiem Ammoniak im Blute, dass sich das Lakmuspapier über dem Thorax nach 70 Sek. blau färbt, man die überlebende Lunge bei fortdauernd guten Atembewegungen 5 Minuten lang durchbluten kann, ohne dass Ammoniak in der Exspirationsluft erscheint und ohne dass es zu Lungenödem usw. kommt. Versuch 12. Katze, in Äthernarkose verblutet, gibt 110 cem defibriniertes Blut, das im Apparat mit 35 ccm NaCl-Lösung vermischt wird. Beginn der Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd. 155. 20 8300 R. Magnus, G.B. Sorgdrager und W. Storm van Leeuwen: Durchblutung 11 Uhr 55 Min. Druck 45 mm Hg, Temperatur 36—37 °. Blutstrom und Atembewegungen ‘gut. Dauer der Normalperiode 20 Minuten. | 12 Uhr 15 Min. Zusatz von 2 cem 0,85 Ploigem NH, Nach 3 Minuten beginnende Blaufärbung des Lakmuspapieres über dem Thorax. Papier vor dem Exspirationsrohr bleibt unverfärbt. 12 Uhr 20 Min. Zusatz von weiteren 1!/a cem 0,85 O/oigem NH,. Papier über dem Thorax sehr deutlich blau. Papier vor dem Exspirationsrohr bleibt während des ganzen Ver- suches unverfärbt. Atembewegungen und Blutstrom bis an das Ende des Versuches gut. Trachealkanüle ohne Flüssigkeit. 12 Uhr 25 Min. Versuch beendet. Die Ammoniakperiode hat im ganzen 10 Minuten, nach Zusatz der zweiten Ammoniakmenge noch 5 Minuten gedauert. Sektion: Beide Lungen ganz normal, bis auf einen kleinen roten Fleck im rechten Unterlappen. Keine Flüssigkeit in der Trachea, keine Spur von Lungenödem. In diesem Versuche wurde nach Zusatz von 2 eem 0,85 '/oigem NH, zunächst 5 Minuten, nach Zusatz von weiteren 1'/s eem nochmals 5 Minuten bei guter Ventilation der Lunge durchblutet, ohne dass in der Ausatmungsluft NH, auftrat, während zu gleicher Zeit auf der Pleuraseite der Lunge Ammoniak in deutlich nachweisbarer Menge abdunstete. Wir haben im ganzen elf gelungene Versuche angestellt, in denen nach Ammoniakzusatz das Lakmuspapier über dem Thorax sich innerhalb 45 Sekunden bis 3 Minuten bläute, während das Lakmuspapier am Exspirationsrohr (in einem Versuche Nessler’s Reagens) unverändert blieb. Die zugesetzten NH;-Mengen waren in sieben Versuchen je 2 eem 0,85°/oiges NH,;, in zwei Versuchen 2 ccm 0,78°/oiges NH,, in einem Versuche 2!/a cem 0,78 °/oiges NH, und in einem Versuche 3 cem 0,78°/oiges NH,. Die Dauer der Ammoniakperioden war einmal nur 3'/z Minuten, viermal 5—6!/2 Mi- nuten, viermal zwischen 7 und 8 Minuten, einmal 9 Minuten und einmal sogar 10 Minuten. Der Ausfall der Versuche ist so schlagend, dass, wer einmal ein derartiges Experiment mit angesehen hat, wohl nieht mehr an der Undurchgängigkeit der Lunge für Ammoniak zweifeln wird. Diesen elf gelungenen Versuchen stehen zwei gegenüber, in denen die Lunge für Ammoniak in der angegebenen Menge nicht vollständig undurchlässig war. In beiden Fällen liess sich die wahr- scheinliche Ursache für dieses abnorme Verhalten feststellen. F | 'J l | | | | Über die Undurchgängigkeit der Lunge für Ammoniak. II. 301 In Versuch 6 (40 ccm defibriniertes Blut mit 35 cem NaCl im Apparat) wurde nach 20 Minuten langer Normalperiode ein Fehler in der Durchblutung gemacht: der Gummiballon des Herzens kollabierte, das arterielle Reservoir liefleer, und es kam Luftindiearterielle Kanüle, diemit Schaum gefüllt war (Luftembolie). Die Durchblutung wurde unterbrochen, die Luft aus der Leitung entfernt, die arterielle Kanüle mit NaCl- Lösung gefüllt. Darauf wurde der Apparat wieder in Gang gesetzt; zunächst floss fast kein Blut durch die Lunge, doch wurde der Blutstrom allmählich wieder besser und nach 20 Minuten wieder sehr gut. Darauf wurden 2 ccm 0,35 °/oiges NH, zugesetzt. Bereits nach 2 Minuten begann das Lakmuspapier vor dem Exspirationsrohr sich blau zu färben (noch ehe das Papier über dem Thorax blau war); diese Färbung nahm im Laufe der folgenden 8 Minuten an Intensität zu. Dauer der Ammoniakperiode 10 Minuten. Bei der Sektion fand sich beiderseits der Unterlappen blaurot verfärbt, hepatisiert und luftleer, In Versuch 9 (48 ccm Blut mit 35 ccm NaCl-Lösung im Apparat) wurde nach 19 Minuten langer Normalperiode 2 cem 0,85 '/oiges NH, zugesetzt. Nach 2 Minuten beginnt das Papier über dem Thorax sich blau zu färben; nach 4 Minuten sieht man am Papier vor dem Exspirationsrohr eine minimale, aber doch deut- liche bläuliche Verfärbung, die im weiteren Verlauf des Ver- suches nicht an Intensität zunimmt, während das Papier über dem Thorax schliesslich maximal blau wird. Die Atemexkursionen sind anfangs sehr gut, nehmen aber nach 4 Minuten an Intensität ab und lassen sich auch durch rhythmisches Zukneifen des Exspirations- rohres nicht vergrössern. Nach 11 Minuten werden die Atembewegungen wieder besser, nach 13 Minuten Schluss des Versuches, Bei der Sektion ist ein Teil des linken Oberlappens kollabiert; in beiden Unterlappen sind hellrote Flecken zu sehen. In der Trachea befindet sich zäher Schleim. Die Katze war am vorhergehenden Tage einer lang- dauernden tiefen Chloroformnarkose mit dem Meltzer- schen Insufflationsverfahren unterworfen worden. In beiden Fällen hat es sich also um geschädigte Lungen ge- handelt. In Versuch 6 war während der Durchblutung Luftembolie aufgetreten, die zur Unterbrechung der Durchblutung und zu vorüber- gehender schlechter Durchströmung geführt hatte. In Versuch 9 war die lange tiefe Meltzer-Narkose das schädigende Moment gewesen. Beide Beispiele veranschaulichen wieder, ebenso wie die Erfahrungen des ersten Teiles dieser Arbeit, dass unter pathologischen Bedingungen die Alveolarwand für Ammoniak durchgängig wird. Diese Versuche bilden zugleich die Kontrollproben für die Brauchbarkeit der von uns verwendeten Methode zum Nachweis von NH, in der Atemluft, indem sie zeigen, dass, wenn dieselbe Am- 205 302 R. Magnus, G. B. Sorgdrager und W. Storm van Leeuwen: ımoniak enthält, das Lakmuspapier vor dem Exspirationsrohr auch alsbald blau verfärbt wird. In einer Reihe von Versuchen (nicht in allen) trat nach Zusatz der angegebenen Menge Ammoniak eine Gefässerweiterung in den Lungen auf, die zu einer Beschleunigung des Blutstromes führte. Man konnte dieses direkt sehen, weil das Niveau des Blutes im venösen Reservoir anstiee und im arteriellen sank. Diese Gefäss- erweiterung war manehmal nur angedeutet, manchmal war sie sehr deutlich. In einigen Versuchen ging sie nach kurzer Zeit wieder / 2. ccm NH3 Fig. 2. (Zeitmarkierung 10 Sekunden.) {o} vorüber, in anderen blieb sie «dauernd bestehen und musste dann durch Vergrösserung des Schlagvolums des „Herzens“ mit Hilfe der Schraube D (Fig. 1) ausgeglichen werden. Verbindet man den Innenraum des venösen Reservoirs mit einem Volumschreiber (s. oben S. 295), so lässt sich diese Vasodilatation graphisch registrieren. Fig. 2 gibt hierfür ein Beispiel. Bei « werden 2 cem 0,78 Joiges NH, durch das Gefäss A in den Apparat eingefüllt. Infolge dieser Flüssigkeitszunalime steigt die Kurve bei a senkrecht an, um dann ihren normalen Verlauf fortzusetzen. Nach etwa 30 Sekunden kommt es zur Gefässerweiterung in der Lunge, die zu einem Ansteigen der Kurve führt, nach 1'/g Minuten ihr Maximum erreicht und danach wieder abnimmt. Wir haben es für erwünscht gehalten, auch noch dureh graphische Reeistrierung zu kontrollieren, dass in unseren gelungenen Versuchen Über die Undurchgängigkeit der Lunge für Ammoniak. I. während der Ammoniakperioden die Lungen so ausgiebig venti- liert wurden, dass eine etwaige NH3-Ausscheidung dureh die Alveolen zum Auftreten von Ammoniak in der Exspirations- luft hätte führen müssen, und dass nicht etwa ein störender Bronchospasmus das Versuchs- ergebnis stört. Zu diesem 7/wecke haben wir die ganze Lunge aus dem Tiere heraus- senommen und in einen Ple- thysmographen eingeschlossen. Als solchen benutzten wir eine Flasche mit weitem Hals, in welcher ein vierfach durch- bohrter Kork sass. Vier Glas- röhren waren luftdicht in den Kork eingefügt: erstens das Rohr für die Zufuhr des ar- teriellen Blutes zur Glaskanüle in der Art. pulmonalis; zweitens Jas Rohr zur Abfuhr des ve- nösen Blutes aus dem linken Herzohr; drittens die Tracheal- kanüle, deren Spitze bis zur Bifurkation vorgeschoben wurde. Dicht oberhalb des Korkes hatte diese ein angeschmolzenes Seiten- rohr, von dem aus die Exspira- tionsluft gegen das Reagenspapier geleitet werden konnte. Die Di- mensionen dieser Trachealkanüle waren derart, dass der „schäd- liche Raum“ nicht grösser war als der der Trachea bis unter- halb des Larynx. Mit der oberen Öffnung des vierten Glasrohres stand der geeichte Pistonrekorder in Verbindung. In den Plethys- mographen wurde zu Anfang des Versuches ein Stück neutralen Lakmuspapiers so hineingelegt. dass es nicht direkt mit der Ober- fläche der Lunge in Berührung 303 (Zeitmarkierung 1 Sekunde.) > lie. 3. 304 R. Magnus, @. B. Sorgdrager und W. Storm van Leeuwen: kam, damit man auch in diesen Versuchen das Abdunsten von Ammo- niak von der Pleurafläche der Lunge direkt verfolgen konnte. Auch bei dieser Versuchsanordnung liess sich die Lungendurchblutung sehr gut durchführen. Ein Beispiel dieser Versuche gibt Fig. 3. Im Apparat befinden sich 58 cem Blut und 35 eem NaCl-Lösung. Dauer der Normal- periorde 24 Minuten. Die Atemexkursionen der Lunge betragen 9,5 cem. Darauf werden 2 eem 0,78°/oiges NH, zugesetzt (a). Die darauf eintretende Gefässerweiterung in der Lunge macht sich auch auf dem Plethysmogramm bemerklich, das anfangs ansteigt, um darauf wieder etwas abzusinken. Die Atemexkursionen betragen anfangs 9,5 eem; nach 1?/s Minuten beginnen sie etwas kleiner zu werden und sind nach 6!/a Minuten allmählich auf 7,6 eem abgesunken (b). Darauf wird durch eine geringe Veränderung in der Weite des Exspirationsrohres die Grösse der Atemexkursionen wieder bis auf 13,7 eem gesteigert (c). Mit diesen vergrösserten Exkursionen wird der Versuch noch 3!/g Minuten fortgesetzt. Am Schluss des Ver-. suches ist das Lakmuspapier vor dem Exspirationsrohr vollständig unverfärbt; die Luft im Plethysmographen färbt dagegen Lakmus- papier blau, und das Durchblutungsblut färbt ebenfalls darüber- gehaltenes Lakmuspapier blau. Auf diese Weise haben wir im ganzen vier Versuche angestellt, welche alle das Resultat ergaben, dass nach dem Zusatz von Ammoniak zum Durchblutungsblut kein irgendwie nennenswertes Hindernis für die Luftbewegung in den Bronchien auftritt. In zwei Versuchen haben wir die Atemexkursionen der Lunge in der Ammoniak- periode sogar bis auf den Wert von 13 cem gesteigert, ohne dass ein Übertritt von Ammoniak aus dem Blute in die Exspirationsluft erfolgte (nach Zusatz von 2!/2 ecem 0,78°/oigem NH3,). In den bisher beschriebenen Versuchen handelte es sich um den Zusatz von 2—3 cem 0,78—0,85 '/oigem NH, zu dem Inhalte unseres Durchblutungsapparates. Dieser bekam dadurch einen Ammoniak- gehalt von 0,015 —0,024 %/o, im Mittel aller Versuche 0,017 °/o. Unter diesen Bedingungen kam es zum Auftreten von freiem Ammoniak im Durehströmungsblute, zum Abdunsten des NH, von der Pleura- seite der Lunge, dagegen nicht zum Übertritt von Ammoniak durch das normale Alveorlarepithel in die Ausatmungsluft. Über die Undurchgängigkeit der Lunge für Ammoniak II. 305 Wir haben nun in fünf von diesen Versuchen, nachdem die Ammoniakperiode 6!/„—10 Minuten gedauert hatte, den NH,-Gehalt des Durehströmungsblutes noch weiter gesteigert, um zu sehen, ob sich auf diese Weise eine Schädigung des Lungenepithels zustande bringen liesse, so dass jetzt Ammoniak in die Alveolarluft überträte. Auf diese Weise musste sich die Widerstandsfähigkeit der Lunge segen NH, gleichsam quantitativ abschätzen lassen. | Folgendes Protokoll möge als Beispiel dienen: Versuch 5. Katze, in Äthernarkose verblutet, gibt 64 ecm defibriniertes Blut, das im Apparat mit 35 ccm NaCl-Lösung vermischt wird. Gute Durch- blutung, Druck 55 mm Hg, Temperatur 35,5°C. Nach einer Normal- periode von 20 Minuten wird 2 cem 0,85 O/oiges NH, zugesetzt. Schon nach 45 Sekunden beginnt sich das Lakmuspapier über dem Thorax blau zu färben. Das Lakmuspapier vor dem Exspirationsrohr bleibt während dieser ganzen Periode von 8 Minuten Dauer unverfärbt. Nach 8 Minuten werden nochmals 2 ccm 0,85 /oiges NH, zugesetzt (also im ganzen 4 ccm NH,). Auch darauf bleibt das Lakmus- papier vor dem Exspirationsrohr zunächst unverfärbt. Nachdem diese zweite Ammoniakperiode aber 10 Minuten gedauert hat, wird plötz- lich das Papier vor dem Exspirationsrohr blau. Wenige Sekunden danach ergiesst sich Flüssigkeitin die Tracheal- kanüle, welche bis dahin vollkommen trocken geblieben war. Starkes Lungenödem. Die Ödemflüssigkeit färbt Lakmus- papier stark blau. In diesem Versuche war also nach Zusatz von im ganzen 4 cem 0,85 /oigem NH, zum Durchströmungsblute zunächst kein Ammoniak durch die Alveolarwand getreten. Schliesslich aber trat 18 Minuten nach Zusatz der ersten und 10 Minuten nach Zusatz der zweiten Ammoniakmenge Blaufärbung des Lakmuspapieres und unmittel- bar danach Lungenödem auf. Man sieht also, dass kurz vor der manifesten Schädieung des Lungenepithels sich NH, in der Ex- spirationsluft nachweisen lässt. Der Durchtritt von Ammoniak durch die Alveolarwand erfolgte in unseren Versuchen nach Zusatz von 4 cem 0,85 /oigem NH, (in drei Versuchen), von 6 cem 0,78°/oigem NH, (in einem Versuche) und von 3Vs cem 0,78°/oigem NH, [in einem Versuche]. Die Blaufärbung des Lakmuspapieres vor dem Exspirationsrohr trat 10, DD In diesem Versuche fand sich mikroskopisch folgendes: Bronchial- lumina offen. In einzelnen Bronchien Exsudat. In einem Teil der Alveolen (nicht in allen) serofibrinöses und hämorrhagisches Exsudat. 306 R. Magnus. G.B. Sorgdrager und W. Storm van Leeuwen: 1, 2, 2 und 6 Minuten nach den Zusatz der zweiten Amm:oniak- menge ein. Der Ammoniakgehalt der Durchströmungsflüssigkeit würde, falls in der ersten Ammoniakperiode kein NH, verdunstet wäre, sich zu 0,0360, 0,027 °/o, 0,038 0, 0,045 0 und 0,033 %o berechnen lassen. In Wirklichkeit wird er etwas niedriger liegen. Wenn also der Ammoniakgehalt der von uns verwendeten Durch- strömungsflüssigkeit (52—100 eem Blut und 35 eem Kochsalzlösung) diese Werte erreicht, so wird das Alveolarepithel so weit geschädigt, dass es Ammoniak durchtreten lässt. Ein weiteres Beispiel aus dieser Versuchsreihe gibt nachstehendes Protokoll: Versuch 16. Katze, in Äthernarkose verblutet, gibt 100 cem Blut. Dieses wird im Apparat mit 35 ccm NaCl vermischt. Lunge in den Plethysmo- graphen eingeschlossen, Registrieren der Atmungsexkursionen mit dem Pistonrekorder. Dauer der Normalperiode 20 Minuten. Druck 35 mm Hg, Temperatur 35° C., sehr gute Durchblutung, Grösse der Atemexkursionen 1,9. CCM: 4 Uhr 45 Minuten. Zusatz von 3 ccm 0,78°/oigem NH,. Nach 45 Sekunden vorübergehende Vasodilatation der Lunge. Atemexkursionen sinken zunächst auf 3,6 ccm, werden danach auf 8,7 ccm eingestellt. Lakmuspapier im Innern des Plethysmographen färbt sich nach 1 Minute blau, Papier vor dem Exspirationsrohr unverfärbt. Nach 9 Minuten, 4 Uhr 54 Minuten, wird eine zweite Dosis von 3 cem 0,78 °/oigem NH, zugesetzt. Nach !/a Minute geringe Vaso- dilatation in der Lunge. Das Lakmuspapier vor dem Exspirationsrohr färbt sich nach 2 Minuten deutlich blau. Atemexkursionen 8,7, danach 9,3 ccm. Lakmuspapier im Plethysmographen dunkelblau. Kein Lungenödem. Dauer der zweiten Ammoniakperiode 6 Minuten. 5 Uhr. Zusatz von nochmals 3 ccm 0,78 °/oigem NH,. Sofort danach werden die Atemexkursionen der Lunge minimal und hören dann ganz auf, lassen sich auch durch stärkste künstliche Atmung nicht mehr hervorrufen. 5 Uhr 1 Minute Lungenödem. Versuch beendet. .. Die Lungen sind so enorm angeschwollen, dass sie durch die obere Offnung des Plethysmographen nicht hindurchgehen. Hochgradigstes Lungenödem; aus der Trachea läuft eine Menge alkalisch reagierender Flüssigkeit heraus. Lungen stark gerötet. In diesem Versuche trat also in der ersten Ammoniakperiode bei Anwesenheit freien Ammoniaks im Blute kein NH, in die Ex- spirationsluft über, trotzdem die Atemexkursionen sogar auf-einen grösseren Wert eingestellt wurden als in der Normalperiode. In der zweiten Ammoniakperiode erfolgte durch Steigerung der NH;- Konzentration im Blute bei ausgiebigen Atembewegungen ein Über- Über die Undurchgängigkeit der Lunge für Ammoniak. 1. 307 tritt des Gases in die Ausatmungsluft, wobei sich dasselbe alsbald durch eine Verfärbung des Lakmuspapieres vor dem Exspirationsrohr bemerkbar machte. Dagegen trat noch kein Lungenödem auf. Dieses entstand erst, nachdem die Ammoniakmenge noch weiter gesteigert wurde, und zwar mit grosser Schnelligkeit. In diesem Experiment ist also die graduelle Schädigung der Alveolarwand besonders deutlich, bei der zuerst die Undurchgäneigkeit für Ammoniak aufgehoben wird und danach Lungenödem auftritt. Überblickt man die Gesamtheit der an der überlebenden Lunge ausgeführten Versuche, so ersieht man, dass man bei der verwendeten Versuchsanordnung die Undurchgängigkeit des Alveolarepithels für freies Ammoniak im Blute demonstrieren kann. Während die Gefäss- wände das Gas frei durchtreten lassen, wie sieh aus dessen Erscheinen an der Pleuraseite der Lunge ergibt, bildet die Alveolarwand ein Hindernis. Bei diesen Versuchen liess sich gleichzeitig zeigen, dass das Nichterscheinen des Ammoniaks in der Ausatmungsluft weder auf einem Bronchialmuskelkrampf noch auf der Anwesenheit von Lungenödem oder Schleim und Schaum in den Luftwegen beruht. Unter pathologischen Bedingungen, bei Zirkulationsstörungen usw., sowie bei einem zu grossen Gehalte des Blutes an Ammoniak erfolet dagegen ein Übertritt des Gases in die Alveolen. Diejenige Am- moniakkonzentration im Blute, bei welcher die Lungenepithelien für NH, durchgängig werden, ist nicht weit von derjenigen entfernt, bei weleher Lungenödem eintritt. Während wir mit diesen Versuchen beschäftigt waren, erschien eine Arbeit von H. Mc Guigan!), in welcher ebenfalls der Versuch gemacht wird, die Lehre von der Undurchgängigkeit der Lunge für Ammoniak zu widerlegen. Nachdem der Autor zunächst die Angabe von Magnus bestätigt, dass nach 3 Minuten langem Einatmen von Ammoniak keine allgemeinen Vergiftungssymptome auftreten, macht er u. a. folgende Versuche: Ein mit einer grossen Dosis Morphin narkotisierter Hund atmet eine Viertelstunde lang durch 7°/oiges Ammoniak. Er be- kommt danach Atmungserregung und Krämpfe. Darauf atmet er durch 28 /oiges Ammoniak und stirbt infolgedessen. Ein mit einer grossen Dosis Morphin narkotisierter Hund be- - kommt, nachdem er 20 Minuten lang durch 7 /oiges Ammoniak ge - 1) H. MceGuigan, The absorption and excretion of ammonia by the Jungs. Journ. of pharm. and exper. ther. vol.4 p. 453. 1913. 308 R. Magnus, G.B. Sorgdrager und W. Storm van Leeuwen: atmet hat, Erregung der Atmung, Während dieser Zeit ist der Ammoniak- gehalt seines Blutes von 0,0006 auf 0,0016 °/o gestiegen. Einem Hunde werden zuerst 25 ccm 4P/eiger Salmiak, darauf 100 ccm 5P/oiger Salmiak in die Trachea gegossen. Es kommt zu starker Flüssigkeitsabsonderung, danach zu Krämpfen. Darauf werden noch 25 ecm 8P/oiger Salmiak nachgegossen. Darauf stirbt das Tier (!). Einem Hunde von 15 kg in Morphinnarkose werden zunächst 800 ccm’ Wasser in die Trachea gegossen. Davon werden 150 ccm zurückerhalten, worin sich nur Spuren von Ammoniak finden. Darauf erhält das Tier 7}/’g g Salmiak intravenös. Es ergiesst sich starker Schaum und Flüssigkeit aus der Trachea. Hierin lässt sich Ammoniak nachweisen. Ein Hund von 7 kg erhält 3,5 g Salmiak intravenös. Darauf wird ihm Ya Liter Kochsalzlösung in die Trachea gegossen. In der Flüssigkeitsmenge, die wieder herausläuft, lässt sich Ammoniak nachweisen. - Nach den in unserer vorstehenden Arbeit geschilderten Versuchen ist es wohl ohne weiteresklar, dass derartige Experimente nicht zur Entscheidung über das Verhalten der normalen Lunge gegen Ammoniak herangezogen werden können. Zusammenfassung. Der Ammoniakgehalt des Kaninchenblutes steigt bei 6 Minuten langer Einatmung von NH;3-reichen Luftgemischen, wenn man mit allen Kautelen (tiefe Trachealkanüle, Vermeidung jeder vorher- gehenden oder gleichzeitigen Blutentnahme) arbeitet, um etwa 0,0020 /o. Da die Trachealschleimheit allein schon aus solcher NH;-haltiger Luft so viel Ammoniak resorbieren kann, dass der Gehalt im Blute um etwa 0,0023 °/0 steigt, so ist diese Zunahme ganz oder über- wiegend auf Resorption von NH, durch die Bronchialschleimhaut zu beziehen. Verblutet man jedoch die Tiere, während sie Ammoniak ein- atmen, so steigt das NH, im Blute um etwa 0,0200 %. In diesem Falle wird das Alveolarepithel für Ammoniak durchgängig. Krämpfe treten beim Kaninchen auf, wenn der NH;-Gehalt des Blutes 0,0080 °/o übersteigt. | In Versuchen an der überlebend durchbluteten Katzenlunge liess sich zeigen, dass bei Anwesenheit von freiem Ammoniak im Blute dieses wohl nach der Pleuraseite zu abdunstet, nicht aber durch die Alveolarwand hindurchtreten kann. Bei diesen Versuchen liess Über die Undurchgängigkeit der Lunge für Ammoniak. II. 309 sich das Auftreten von Bronchospasmus, Lungenödem und anderen störenden Komplikationen ausschliessen. Unter pathologischen Bedingungen (Zirkulationsstörungen, Lungenerkrankungen, Tod) sowie bei zu grossem Gehalte des Blutes an Ammoniak wird die Alveolarwand für NH, durchlässig. Aus der Gesamtheit unserer Versuche folgt, dass entgegen den Einwendungen Höber’s das normale Lungenepithel für Ammoniak undurchgängig ist. 310 P. Lasareff: (Aus dem physikal. Institut der kaiserl. techn. Hochschule zu Moskau.) Zur Theorie der Adaptation der Netzhaut beim Dämmerungssehen. Von Professor Dr. P. Lasareff. (Mit 1 Textfigur.) Die Erscheinungen des Dämmerungssehens hängen von der ein- fachen photochemischen Reaktion im Sehpurpur ab, und, wie ich nach- gewiesen habe!), lässt sich die allgemeine Theorie des Dämmerungs- sehens mathematisch entwickeln, wenn man die Voraussetzung macht, dass die bei der photochemischen Reaktion im Sehpurpur sich bildenden Ionen den Erregungszustand der Sehnerven bedingen, und dass bei der minimalen Erregung ihre Konzentrationen der Gleichung Cı er genügen müssen, wobei ©, die Konzentration der erregenden, (, diejenige der erregungshemmenden Ionen und A eine Konstante sind. Von diesen Annahmen ausgehend, wurde eine allgemeine Gleichung für die Bedingung der Netzhauterregung abgeleitet, und die daraus erhaltenen Resultate stimmten sehr genau mit den experimentellen Untersuchungen überein. In der vorliegenden Untersuchung beabsichtige ich, die von mir gegebene Theorie des Sehens auf die Erscheinungen der Adaptation des Sehorgans anzuwenden. A Über den Einfluss der Dunkeladaptation auf die Reizschwelle. Wenn der Sehpurpur unter der Wirkung der Lichtstrahlen aus der Netzhaut vollkommen verschwunden ist, und die bei der photo- chemischen Reaktion sich zeigenden Ionen unwirksame Produkte ge- bildet haben, so muss die Verdunkelung eine Wiederherstellung des 1) P. Lasareff, Pflüger’s Arch. Bd. 154 S. 459. 1913. | ee Zur Theorie der Adaptation der Netzhaut beim Dämmerungssehen. 311 Pigments bedingen, infolgedessen die für schwache Liehtwirkungen unempfindlich gewordene Netzhaut allmählich ihre frühere Empfindlich- keit wieder annimmt. Im nachfolgenden Abschnitt geben wir die Theorie dieser Er- scheinung. Nennen wir C die Konzentration des Sehpurpurs in der Netzhaut, C, die anfänglich im Dunkeln bestehende Konzentration dieses Pigments, dann ist die während der Belichtung zersetzte Pigmentmenge gleich C,—Ü. Je grösser diese Menge ist, desto grösser muss die Geschwindigkeit der Neubildung des Pigments sein, und können wir daher als erste Annäherung die Reaktionsgeschwindig- keit ar proportional ©,—C setzen; dadurch erhalten wir dt nn — a; (0, — 0) worin a, die Reaktionskonstante bedeutet. Das Integral dieser Gleichung kann in der folgenden Form ge- schrieben werden: (a On Da ee N) wo D eine willkürliche Konstante bedeutet. Am Anfang des Verdunkelns nach vollkommener Helladaptation (E=0) muss die Konzentration des Pigments gleich Null sein (C=0), und daraus findet man D.C, Durch die Substitution von D geht die obige Gleichung in die folgende VE EN ee el) über. Wenn auf eine Netzhaut, in welcher die Sehpurpurkonzentration Ü ist, ein gemischtes Licht dauernd einwirkt, so kann eine eben merk- liche Empfindung entstehen, falls die Gleichung B= Q/= Ch, I >) befriedigt ist, worin B eine Konstante, C,' die Konzentration der Reaktionsprodukte der photochemischen Reaktion, © diejenige des Sehpurpurs, &, und «a, die Reaktionskonstante J, die Intensität des gemischten Lichtes und %k, eine Konstante ist, welche von der Energieverteilung im Spektrum und von den Absorptionskonstanten ddes Sehpurpurs abhängt !!). 1) Vgl. P. Lasareff, 1. c. S. 465 Gleichung (X). 312 P. Lasareff: Da nach der vollkommenen Helladaptation und nach der darauf- folgenden Dunkeladaptation während der Zeit £ die Sehpurpur- konzentration durch die Gleichung (II) gegeben ist, so erhalten wir, wenn man die Substitution von C aus (II) in die (III) macht, folgenden Ausdruck, welcher die Bedingung der minimalen Erregung definiert: B=2J,0,(1-e-“) hy, &g oder 1 & OR - ae east 5 (1-e="eN) Unter der Empfindlichkeit £ versteht man die Grösse I wes- I halb, da die maximale Empfindlichkeit Eu... (bei t= &) gleich %ı Co ka ist, die obige Gleichung in folgende MH — Fınaz (1 Se A ‘) See ee (IV) übergeht. Aus der Gleichung (IV) bekommt man lg (Emaz ver E) = lg mar FE Azt lg (ER (V) Um die Gleichung (V) einer Prüfung zu unterwerfen, benutzen wır die Zahlen, die Nagel') in Helmholtz’s Handbuch der physio- logischen Optik angeführt hat, wobei vorausgesetzt ist, dass die maximale Empfindlichkeit gleich 220000 ist. Tabelle Il. t | E | lg (Eimax — E) 0,5 | 20 5,942 4 75 9,942 9 1850 3,339 14 10 400 5,921 19 26 000 5,288 23 69 500 5,178 26 94 700 5,098 Sl 174 000 4,663 39 195 000 4,398 5l 208 000 4,079 61 215 000 3,699 0) 220 000 = 1) W. Nagel’s Anmerkungen in Helmholtz’s Handb. d. physiol. auE Bd. 2 S. 271. Leipzig 1911. Zur Theorie der Adaptation der Netzhaut beim Dämmerungssehen. 313 Fig. 1 stellt die Resultate der Tabelle I graphisch dar. Als Abszissen sind die Adaptationszeiten ?, als Ordinaten lg (E,..—E) aufgetragen. Fig. 1. Wie aus Fig. 1 leicht zu ersehen ist, sind die Abweichungen von dem linearen Gang des lg (K,..—E) besonders bei grossen t klein. Die beobachteten Abweichungen bei kleinen ? lassen sich einfach dadurch erklären, dass die normale Empfindlichkeit durch die ermüdende Wirkung der Produkte der photochemischen Reaktion vermindert wird und nur nach einem sehr grossen Zeitintervall, während dessen die Produkte durch eine chemische Reaktion entfernt werden, die Empfindlichkeit ihren theoretischen Wert annimmt. Über den Einfluss der Helladaptation auf die Reizschwelle. Wirken Lichtstrahlen auf die Netzhaut ein, so rufen dieselben darin je nach der Einwirkungszeit einen Zustand grösserer oder kleinerer Empfindlichkeit hervor, die von der Zersetzung des Seh- purpurs abhängen muss. Da nach unserer Annahme für die Erregung notwendige und bei der Lichtwirkung sich bildende Ionen bald nach dem Verdunkeln ihre physiologische Wirksamkeit verlieren, so können wir die Nachbildererscheinungen vernachlässigen und voraussetzen, dass die Lichtempfindung, welche nach der vorhergegangenen Hell- adaptation bei der Bestrahlung des Auges entsteht, nur von der Zer- setzung des in der Netzhaut vorhandenen Sehpurpurs abhängt, aber keinenfalls von den Ionen, welche während der Helladaptation aus dem Sehpurpur gebildet wurden. Wie ich schon in früherer Arbeit 314 P. Lasareff: gezeigt habe!), ist die Konzentration der Reaktionsprodukte nach der während der Zeit t stattfindenden Liehtwirkung eines gemischten Lichtes durch den Ausdruck re a kydg £ "add, + @ 1220 .@& kg Ig tag) t [ | gegeben. Die Sehpurpurkonzentration ist daher (vgl. frühere Arbeit) gleich a ku Jg a hy Jg + Durch Einsetzen des Wertes von C in die Gleichung (III), welche die Bedingung der minimalen Erregung feststellt, erhält man ler hy I, a hy Jg + & = G-Q"- Gf1 1 —e-isteteit (VD B I = I In (68 A [1 le hg ra! 2 worin J, die für die Empfindlichkeitsmessungen angewandte Licht- intensität und Ak, eine Konstante bedeutet. ga Daraus bekommt man für die Empfindlichkeit EZ — 7 folgende 9 Beziehung: _1_u%&% N had (ad, tal ee: 1 Due e s’stei]e (VID) Wie wir aus der Formel (VII) ersehen, nimmt die Empfindlich- keit unter dem Einfluss der Helladaptation nach einem Exponential- gesetz ab. Wenn die Netzhaut vollkommen helladaptiert wird [t = ©], so bekommt man für die Empfindlichkeit rg ky Co | a, hy, | es a, D : a kg Jgt+ Os oder 2a, kl, 1 ER F BB (akhh+m) kydJ, + @g worin F' eine positive Konstante ist. Diese Gleichung erklärt die merkwürdige von Lohmann?) entdeckte Tatsache, dass die Emp- findlichkeit bei vollkommener Helladaptation E von der zur Adap- tation verwendeten Lichtintensität J, abhängt. E (VID) 1) P. Lasareff, 1. c. S. 463 Gleichung (V). 2) Vgl. Nagel’s Anmerkungen in Helmholtz’s Handb. der physiol. Optik Bd.2 S. 275—276. — W. Lohmann, Zeitschr. f. Sinnesphysiol. Bd. 41 S. 290. 1906. Zur Theorie der Adaptation der Netzhaut beim Dämmerungssehen. 315 Ist die zur Adaptation verwandte Lichtintensität .J, sehr gross, so können wir @, gegen «| ky, .J, vernachlässigen, und die Gleichung (VIII) verwandelt sich in die folgende; F a hudn Sind die stationären Zustände der Helladaptation unter der Wirkung zweier Lichtquellen, deren. Intensitäten J, und J,” sind, erreicht, so müssen die entsprechenden Empfindlichkeiten £, und E, der Gleichung (IX) Bde EOS genügen [vgl. Gleichung (IX)]. Die Versuche von Lohmann!) mit der Helladaptation zeigen, dass bei einem stationären Zustand, welcher nach 109 und 110 Minuten erreicht wird, die bei 25 M.K. und 50 M.K. Beleuchtung erhaltenen Empfindlichkeiten gleich 54 und 24 waren. Daher sind = — 0443 1 a — 0,50, und deshalb sind diese Grössen mit einem Fehler von eg, ca. 12°%o einander gleich, was theoretisch bewiesen ist. Über den Einfluss der Vorbelichtung auf die Erscheinungen der Dunkeladaptation. In diesem Kapitel wollen wir den Einfluss der Vorbelichtung auf die Erscheinungen der Dunkeladaptation näher betrachten. Wird die vollkommen dunkeladaptierte Netzhaut der Wirkung zusammen- gesetzten Lichtes während der Zeit £, unterworfen, so ist, wie wir oben gefunden, nach einer solchen Belichtung die Sehpurpur- konzentration gleich [vergl. (VD]: EL, > el ae) a} To; 1—e 979 Ie.09) Beim Verdunkeln beginnt die Wiederherstellung des Pigments, und nach der Zeit t, der Dunkeladaptation muss die Konzentration des Sehpurpurs gleich |[vergl. (D)] 00, Der De I 1) Nagel’s Anmerkungen zu Helmholtz’s Handb. d. physiol. Optik Bd. 2 S. 276. — Vgl. auch W. Lohmann,l. c. Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd. 155. 21 316 P. Lasareff: Zur Theorie der Adaptation der Netzhaut etc. sein, worin D aus der Konzentration am Anfang der Dunkeladap- tation zu berechnen ist. In unserm Fall ist der Anfang der Dunkel- adaptation durch tz, = 0 gegeben, und die bezügliche Konzentration des Pigments C ist der durch die Gleichung (X) gegebenen gleich. Daraus leitet man ab: Br a Ku T, ee =D), = N e 979 ] und . _ af _ _ af % ken ne Gl ee XD Die Reizschwelle, wie wir schon gefunden haben [vergl. (IID], wird durch den Ausdruck B= 0-5 Ohr bestimmt, und die Empfindlichkeit ge E ist gleich J, RER 1 = BE Cky Die Substitution des Ü aus der Gleichung (XJ) gibt: en a ku Jg roten] rat } Et ko Sn ee eleıkyJg ]e-“*]£t (XI) Je grösser die Vorbelichtungszeit t, ist, desto kleiner ist bei übrigens gleichen Bedingungen die Empfindlichkeit der Netzhaut. Wir erhalten dadurch die von Lohmann!) experimentell gefundene Beziehung zwischen der Empfindlichkeit und der Vorbelichtungs- zeit Z, nach der darauffolgenden Dunkeladaptation. Die Resultate dieser Arbeit sind folgende: 1. Die Anwendung der von mir entwickelten photochemischen Theorie des Dämmerungssehens auf die Wiederherstellung des Seh- purpurs bei der Dunkeladaptation zeigt, dass die Empfindlichkeit der Netzhaut mit der Zeit der Adaptation bis zu einer gewissen Grenze zunimmt, und dass der Gang der Erscheinung sich aus der Theorie vorausberechnen lässt. 1) Nagel’s Anmerkungen in Helmholtz’s Handb. d. physiol. Optik Bd. 2 S. 277. — Vgl. auch W. Lohmann, | c. : Zur Theorie der Adaptation der Netzhaut beim Dämmerungssehen. 317 2. Aus dieser Theorie wurde der Gang der Helladaptation ab- geleitet. Nach der sehr grossen Zeit der Helladaptation (bei statio- närem Zustand) und bei starker Belichtung ergibt sich die Emp- findliehkeit umgekehrt proportional der Intensität des zur Hell- adaptation dienenden Lichtes. Dieses Resultat steht im Einklange mit Lohmann’s Versuchen. 3. Es wurde der Einfluss der Vorbelichtung auf die Dunkel- adaptation theoretisch untersucht, und die erhaltenen Resultate stimmen mit denjenigen, die Lohmann experimentell gefunden hat, überein. 21 * 318 ° _M. Rothmann: (Aus dem physiologischen Institut der Universität Breslau.) Ist das Poiseuille’sche Gesetz für Suspensionen gültig? Von M. Rothmann, Assistent am Institut. (Mit 3 Textfiguren und Tafel IV.) Inhaltsübersicht. es A; Einleitung-und, Kragestellune "2 2... re: 318 B; ‚Eigene: Versuche. „2 rag in ee sa ee 321 1:= Theorie. RE EV 321 2.SEV.ErSuchsanoranunge rasen ee 325 3.» Versuchsergehnissen.s. Bow ee ee ee 330 C. Aus den Versuchen sich ergebende Folgerungen . .. 2... 2... 336 1. Hinsichtlich der Gültigkeit des Poiseuille’schen Gesetzes für denSFierkörper !2.. 1.3 » eu Sue Ge ee Ra 336 2. Hinsichtlich der Konstruktion von Blutviskosimetern . . ... 344 DW. Zusammenfassung; 2... ze er en ee oe ee Ne 345 A. Einleitung und Fragestellung. Durch mikroskopische Beobachtung des Kreislaufes am lebenden Objekte wurde Poiseuille zu Untersuchungen über die Strömung von Flüssigkeiten durch Kapillarröhren angeregt. Die Frucht dieser Bemühungen war die Entdeckung des nach ihm benannten Gesetzes, welches besagt, dass das in der Zeiteinheit eine horizontal liegende Kapillare passierende Flüssigkeitsvolumen direkt proportional ist der treibenden Kraft und der vierten Potenz des Kapillardurch- messers, umgekehrt proportional dagegen der Kapillarlänge, oder als Formel: y., „4 vr.2° ea Die Gültigkeit dieses Gesetzes wurde von zahlreichen Autoren für verschiedenartige Flüssigkeiten experimentell geprüft und als Ist das Poiseuille’sche Gesetz für Suspensionen gültig? 319 zutreffend befunden; wichtig und zu beachten ist dabei noch, dass die betreffenden Flüssigkeiten die Kapillarwandung benetzen müssen. Poiseuille selbst hat dann angenommen, dass auch die Strömung des Blutes in den Gefässen nach der angegebenen Formel erfolge, und diese bequeme Annahme beherrscht bis in die neueste Zeit unsere hämodynamischen Anschauungen, zumal experimentelle Be- weise, die mittels Durchströmung überlebender Präparate gewonnen sind, sie zu stützen scheinen!). Dass es jedoch nicht ohne weiteres zulässig ist, anzunehmen, das Poiseuille’sche Gesetz gelte auch für Flüssigkeiten wie das Blut, welche Körperchen von end- licher Grösse in Suspension enthalten, kann man sich leicht klar ınachen, wenn man betrachtet, wie nach der Theorie die Strömung von Flüssigkeiten in Kapillarröhren erfolgt. Diese von Neumann und anderen?) aufgestellte Theorie nimmt an, dass alle Flüssigkeits- teilchen sich parallel der Achse, und zwar so bewegen, dass die innerhalb eines Querschnittes befindlichen Teilchen nicht ein und dieselbe Geschwindiekeit besitzen, sondern nur die jeweils auf konzentrischen Kreisen liegenden, und dass die Geschwindigkeit als stetige Funktion des Radius von der Mitte nach der Peripherie abnimmt. Den Strömungsvorgang kann man sich also so vorstellen, dass Hohlzylinder, deren Wanddicke unendlich klein ist, ineinander- gleiten. Die dabei zwischen dem konzentrischen Hohlzylinder auftretende Reibung ist die Ursache für die nach der Peripherie abnehmende Geschwindigkeit. Ihre Grösse ist von der Natur der Flüssigkeit und von deren Temperatur abhängig, und man bezeichnet sie als innere Reibung oder „Viskosität“ der Flüssigkeit. Unter gewissen Voraus- setzungen, von denen das Festhaften der peripheren Flüssigkeits- schicht an der Kapillarwandung (Benetzung) eine der wichtigsten ist, lässt sich daun eine der von Poiseuille empirisch gefundenen Formel völlig analoge aufstellen, welche die Beziehung zwischen dem 1) R. du Bois-Reymond, T. G. Brodie und Franz Müller, Der Einfluss der Viskosität auf die Blutströmung und das Poiseuille’sche Gesetz. Arch. f. (Anat. u.) Physiol. 1907 Suppl. S. 37. — Benno Lewy, Die Reibung des Blutes. Pflüger’s Arch. Bd. 65 S. 447. 1897. 2) H. Jacobson, Beiträge zur Hämodynamik. Arch. f. Anat. u. Phys. 15860 S. 80. — H. Jacobson, Zur Einleitung in die Hämodynamik. Arch. f. Anat. u. Phys. 1861 S. 304. — H. Jacobson, Beiträge zur Hämodynamik. Arch. f. Anat. u. Phys. 1862 S. 683. 320 M. Rothmann: in der Zeiteinheit ausfliessenden Flüssiekeitsvolumen einerseits, den Dimensionen der Kapillare, dem treibenden Druck und der Grösse der Viskosität anderseits angibt. Diese Formel lautet: y&ı E ann: ne eo: Man sieht, dass sie sich von der Originalformel Poiseuille’s nur dadurch unterscheidet, dass an Stelle der Proportionalitätskonstanten k deren reziproker Wert n getreten ist, der als Viskositätskoeffizient oder als Faktor der inneren Reibung bezeichnet wird. Er kann, wenn der treibende Druck p und die Dimensionen der Kapillare » und /! bekannt sind, das in der Zeiteinheit die Kapillare passierende Flüssiekeitsvolumen Y gemessen wird, aus obiger Formel berechnet werden. Zu beachten ist, dass » mit steigender Temperatur der Flüssigkeit kleiner wird. Schliesslich sei noch bemerkt, dass die obige Formel nur für horizontal liegende Kapillaren Geltung hat. Wird diesem Umstand nicht Rechnung getragen, so ist sie zu modifizieren unter Berücksichtigung der dann einwirkenden Schwerkraft. Auf Grund der erwähnten Vorstellungen über die feineren Vorgänge, die sich bei der Strömung von Flüssigkeiten durch Kapillarröhren abspielen, sind wir zu der Annahme gezwungen, dass das Poiseuille’sche Gesetz für Suspensionsflüssig- keiten keine Geltung hat. Denn das Vorhandensein suspen- dierter Körperchen bewirkt, dass die Geschwindigkeit inner- halb eines Querschnittes nicht alsstetige, sondernals sprunghafte Funktion des Radius vom Mittelpunkt nach der Peripherie hin abnimmt. Tritt aber gar der Grenzfall ein, wie er ja im Tierkörper verwirklicht ist, dass der Durchmesser der suspendierten Körperehen gleich dem der Kapillare wird, dann muss die Flüssig- keit sich als massiver Zylinder durch die Kapillare bewegen; alle Flüssigkeitsteilehen innerhalb eines Querschnittes besitzen dieselbe Geschwindigkeit. Diese theoretischen Überlegungen sind von J. v. Kries bereits im Jahre 1587!) und neuerdings von Walter Hess in zahlreichen Arbeiten angestellt worden, auf die ich weiterhin noch näher ein- 1) J. v. Kries, Über das Verhältnis der maximalen zur mittleren Ge- schwindigkeit beim Strömen von Flüssigkeiten in Röhren. Festschr. f. C. Ludwig zu seinem 70. Geburtstage. Leipzig 1887. Ist das Poiseuille’sche Gesetz für Suspensionen gültig? 321 gehen werde. Jedenfalls beweisen sie, dass das Poiseuille’sche Gesetz für die Strömung des Blutes durch Kapillaren (sei es durch gläserne, sei es durch die des Tierkörpers) keine Geltung haben kann, dass also sowohl die auf ihm basierenden hämodynamischen Vorstellungen als auch die zur Messung der Blutviskosität ausser- halb des Körpers angegebenen zahlreichen Apparate prinzipiell unricehtig sind. Gleichzeitig weisen sie auch die Richtung für die experimentelle Prüfung dieser Frage. Man darf demnach erwarten, dass die in der Zeiteinheit eine Kapillare passierenden Flüssigkeitsvolumina nicht mehr, wie es Poiseuille’s Formel ver- lanst, den angewandten Drucken proportional sein werden, und dass auch die Grösse der suspendierten Körperchen im Vergleich zu der des Kapillardurchmessers eine Rolle spielen wird. Mit anderen Worten: 7 wird sich abhängig erweisen nicht nur von der Höhe des treibenden Druckes, sondern auch von der Grösse des Quotienten Körperchengrösse Kapillardurchmesser’ suchen besonders der Einfluss dieses Quotienten und der des treibenden Druckes auf die Grösse n experimentell festgestellt werden. Dementsprechend soll in den folgenden Ver- B. Eigene Versuche. 1. Theorie. Um den Einfluss des Quotienten ne KUTErelEnkEIe und d _Kapillardurchmesser den des Druckes p auf die Grösse n beim Blute festzustellen, sind verschiedene Methoden möglich. Ich habe anfänglich eine Blutsorte bei verschiedenen Drucken durch verschieden weite Kapillaren strömen lassen und die ausfliessenden Mengen durch Wägung be- stimmt. Diese Methode lieferte brauchbare Resultate, solange die in der Zeiteinheit ausfliessenden Flüssigkeitsvolumina nicht gar zu gering, d.h. die angewandten Drucke und Kapillardurchmesser nicht zu klein waren. Nun bestand aber von Anfang an die Absicht, die leider aus sogleich darzulegenden Gründen nicht verwirklicht werden konnte, möglichst auch den Grenzfall zu untersuchen, bei dem I — 1 wird. Da sich verschiedene künstlich hergestellte Suspen- sionen infolge des sehr raschen Sedimentierens als unbrauchbar er- wiesen, war ich schliesslich auf die alleinige Verwendung von Blut angewiesen. Die grössten mir dabei zur Verfügung stehenden 323 M. Rothmann: En Körperehen waren die des Frosehblutes; ich hätte also, um obige Forderung zu erfüllen, Kapillaren von 22 u Durchmesser verwenden müssen, während die engsten, die ich erhielt, immer noch einen solchen von 50 u besassen. Durch derartige Kapillaren fliessen aber, falls man nicht Drucke von mehreren Atmosphären anwenden will, und ich wollte bei meinen Versuchen natürlich innerhalb physio- logischer Grenzen bleiben, in der Zeiteinheit so geringe Volumina, dass man, um wägbare Mengen zu erhalten, den Versuch über viele Stunden ausdehnen muss. Das ist jedoch, abgesehen von anderen Schwierigkeiten, deshalb nicht möglich, weil in so langer Zeit die Blutkörperchen sedimentieren, zusammenklumpen und die (enge) Kapillare verstopfen. Ausserdem hat die eben angegebene Methode den Nachteil, dass man den Wert von n nur in bestimmten Druckintervallen (die man allerdings beliebig klein wählen kann) zu bestimmen vermag, und dass dazu eine sehr grosse Zahl mühseliger Versuche erforderlich ist. Deshalb habe ich eine registrierende Methode ersonnen, welche folgende Vorteile bietet: 1. Sie gestattet, auch bei sehr engen Kapillaren und geringen Drucken, den Versuch in höchstens 3 Minuten auszuführen ; DD sie gibt die Änderung der Grösse n bei kontinuierlicher Druckänderung wieder. Diese Methode ist auf folgenden theoretischen Überlegungen aufgebaut. Zur Veranschaulichung diene die schematische Fig. 1. N Fig. 1. R Reservoir, X Kapillare, Y Volumeter. An eine als Reservoir dienende Glasröhre R ist die Kapillare X vermittels Gummischlauches angeschlossen, so dass Glas an Glas stösst, und an die Kapillare in der gleichen Weise eine zweite Glas- röhre V, deren Lumen sehr genau zylindrisch sein muss, so dass die Volumina in ihr befindlicher Flüssigkeitssäulen deren Länge proportional sind. Der ganze Apparat ist horizontal gelagert. Wird nun das Reservoir R mit einer Flüssigkeit, für die das Poiseuille’sche Gesetz gültig ist, z. B. Wasser, gefüllt und mit einem konstanten Druckreservoir (einer komprimierte Luft Ist das Poiseuille’sche Gesetz für Suspensionen gültig? 323 enthaltenden Flasche) verbunden, so wird die Flüssigkeit, durch die Kapillare strömend, allmählich das Volumen V füllen, wobei der Meniskus in V sich natürlich mit gleichförmiger Geschwindig- keit vorwärtsschiebt, solange der Druck im Reservoir R konstant bleibt. Wird der Meniskus auf einem gleichförmig bewegten photo- graphischen Film abgebildet, so muss das Bewegungsbild eine serade Linie sein. Ganz anders gestaltet sich jedoch das Bild, wenn der treibende Druck nieht konstant bleibt, sondern während des Versuches sich kontinuierlich ändert, beispielsweise von 0—100 em H,O ansteigt. Dann wird der Flüssigkeitsmeniskus im Volumeter V sich mit immer wachsender Geschwindigkeit fortbewegen, und das auf dem Film entstehende Bild ist keine serade Linie, sondern eine Kurve. Ich habe nun in meinen Versuchen durch eine später zu be- schreibende Anordnung erreicht, dass diese Druckänderung pro- portional der Zeit erfolgte; alsdann ist bei allen echten Flüssig- keiten das auf dem Film entstehende Bewegunesbild eine Parabel, was sich einfach beweisen lässt: Bezeichnen wir den in einer bestimmten Zeit x vom Meniskus im Volumeter V zurückgelegten Weg mit y, dann ist die Ge- schwindigkeit des Meniskus (und, da dessen Wege proportional den die Kapillare passierenden Flüssigkeitsmengen sind, auch die Volum- geschwindigkeit der Flüssigkeit) in jedem Zeitmoment gegeben durch den Differentialquotienten TH Nun ist aber ceteris paribus die Ge- schwindigkeit proportional dem in dem betreffenden Moment ein- wirkenden Drucke p, also: En —— ee p 5 . . . . . ° (3). Der Druck p ist nach unserer Voraussetzung wiederum proportional der Zeit z, d. h.: ; LO er, 1 (A,): Aus diesen beiden Gleichungen folgt unmittelbar als dritte: ER R R Be a (5). Diese Gleichung integriert ergibt: y-z@4+d. na. (0), 324 M. Rothmann: Setzen wir für y=0 auch 2=0, so wird auch die Integrations- konstante d—= 0; Gleichung (6) lautet dann: re) — Die in diesem Falle entstehende Kurve ist also eine Parabel. Ich will gleich hier bemerken, dass, wenn man den Versuch mit einer echten Flüssigkeit ausführt, man bis auf einen Fehler von rund 2°o genau dieses Resultat bei meiner Anordnung erhält. Wir können also, wenn wir das Experiment mit Blut anstellen, durch Ausmessung der registrierten Kurve feststellen, ob innerhalb des untersuchten Druckbereiches das Blut dem Poiseuille’schen Gesetze folet oder nicht. Indem wir nacheinander Kapillaren von verschiedenem Durchmesser anwenden resp. Frosch- oder Hundeblut benutzen, d. h. den Quotienten R variieren, können wir auch dessen Einfluss auf eventuelle Abweichungen vom Poiseuille’schen Ge- setze studieren. Es erhebt sieh noch die Frage, ob durch die Auswertung der gewonnenen Kurven die zu erwartenden Abweichungen auch quan- titativ bestimmbar sind, bzw. wie eine solche Kurvenauswertung zu gestalten ist. Wir haben gesehen, dass der Differentialquotient 7 IA der geometrisch bekanntlich die Neigung der Kurve im Punkte (x, y) gegen die Abszissenachse darstellt, ein Mass ist für die Ge- schwindiekeit der Strömung. Handelt es sich um eine echte Flüssigkeit, dy dx lineare Funktion der Zeit, mithin der zweite Differentialquotient di für die das P.’sche Gesetz Geltung besitzt, dann ist selbst eine 2 dry dx? konstant. Dieser zweite Differentialquotient bedeutet weiter nichts als die Geschwindigkeit pro Druckeinheit (da der Druck proportional der Zeit ist), und diese muss ja überall, wo das P.’sche Gesetz gilt, konstant sein. Wollen wir also prüfen, ob eine uns vorliegende Kurve von einer dem P.’schen Gesetze folgenden Flüssigkeit herrührt, so bestimmen wir die zweiten Differentialquotienten zahlreicher Kurvenpunkte; sie müssen konstant sein. Folgt dagegen die Flüssig- keit nicht dem P.’schen Gesetze, ist ihre Geschwindigkeit pro Druck- einheit beispielsweise bei hohem Drucke grösser als bei niederem, Ist das Poiseuille’sche Gesetz für Suspensionen gültig? 395 dann nimmt der zweite Differentialquotient, vom O-Punkt an ge- rechnet, ständig zu. Da nun, wenn wir auch hier die P.’sche Formel zugrunde legen wollen, die verschiedene Geschwindigkeit nur von einer Änderung der Grösse 7 abhängen kann, gibt uns der zweite Differentialquotient ein relatives Mass für die Änderung dieser Grösse. Will man absolute Werte haben, so muss man bei einem bestimmten Drucke die Geschwindigkeit des Blutes mit der («des destillierten Wassers vergleichen und kann dann für jeden Druckwert die Grösse 7 für Blut in absolutem Masse berechnen. In den folgenden Untersuchungen habe ich mich darauf beschränkt, die Werte des zweiten Differentialquotienten zu berechnen, d.h. nur die relativen Änderungen von n bei verschiedenen Drucken zu bestimmen, da dies zur Entscheidung der Frage, ob das P.’sche Gesetz für das Blut Geltung hat oder nicht, vollkommen ausreicht. Was die Berechnung des zweiten Differentialquotienten selbst betrifft, so sei noch bemerkt, dass sich diese, falls eine Parabel vor- liegt, sehr einfach gestaltet, indem ı — z ist (folet aus Gleichung 7); man hat also nur nötig, für beliebig viele Kurveupunkte Abszisse und Ordinate zu messen und letztere durch das Quadrat der ersteren zu dividieren. Stammt dagegen die Kurve von einem Versuch mit Blut, dann ist sie keine Parabel, sondern eine un- bekannte Funktion. Es ist dann also nicht ohne weiteres möglich, d?y dx? ist im folgenden die Annahme gemacht, dass jeder der gemessenen Punkte jeweils auf einer Parabel liege, und dass die O-Punkte all dieser Parabeln unter sich und mit dem 0-Punkt der reeistrierten ! ; d?ı j Kurve zusammenfallen. Alsdann ist der Quotient wiederum — gleich Y 23 zu setzen und leicht zu berechnen. Auf diese einfache Weise für jeden Kurvenpunkt den Wert von zu berechnen. Deshalb erhält man wenigstens eine gute Annäherung an die tatsächlichen dy da Werte von 2. Versuchsanordnung. Ein wesentlicher Punkt für alle Untersuchungen, die sich mit dem P.’schen Gesetze beschäftigen, ist die Verwendung einwandfreier Kapillaren. Ihr Lumen muss kreisrund und der lichte Durchmesser, 3936 M. Rothmann: an möglichst vielen Stellen der Kapillare gemessen, konstant sein. Für meine Untersuchungen wählte ich aus einer Zahl von ca. 200 Kapillaren diejenigen mit kreisrundem Lumen vermittels mikro- skopischer Messung aus. Diese wurden auf die Gleichförmigkeit ihres Kalibers dadurch geprüft, dass ein Quecksilberfaden in sie gesaugt und dessen Länge in verschiedenen Lagen bis auf 0,1 mm genau gemessen wurde. Stücke, innerhalb deren die Länge des Hg-Fadens um nicht mehr als 0,1 mm variierte, wurden als geeignet herausgeschnitten. Die so gewonnenen Kapillaren, deren Durchmesser, durch Abwägung mit Quecksilber bestimmt, zwischen rund 450 und 50 u schwankte, wurden mit destilliertem Wasser durchströmt, die ausfliessenden Mengen durch Wägung (auf der chemischen Wage) bestimmt und n im absoluten Masse berechnet. Der gefundene Wert betrug bei einer Temperatur von 20°C. 0,01003, während von Poiseuille 0,01008, von Thorpe und Rodger 0,01001 Dyne/gem angegeben wird. Damit schien mir die Brauchbarkeit der zur Ver- wendung gelangenden Kapillaren bewiesen. Es sei gleich hier er- wähnt, dass auch darauf zu achten war, dass die mittlere Strömungs- geschwindigkeit in den Kapillaren einen gewissen Wert nicht über- schreitet, weil sonst die Bewegung der Flüssigkeitsteilchen nicht mehr parallel zur Achse erfolgt, d. h. das P.’sche Gesetz ungültig wird. Nach Grüneisen!) ist diese zulässige Höchstgeschwindiekeit N sd wobei n die Viskositätskonstante, s die Dichte der Flüssigkeit und uw — 26 em/sec., d den Durchmesser der Kapillare bedeutet und der Quotient . —] gesetzt wird für Wasser von 10° C. Bei den zu meinen Versuchen dienenden Kapillaren war die Beziehung zwischen Länge und Durch- messer immer so gestaltet, dass bei den zur Verwendung gelangenden Drucken (0—100 em H,O) die obige Höchstgeschwindiekeit nie erreicht wurde. In ebenso sorgfältiger Weise wie die Kapillaren mussten auch die Volumeter (s. Fig. 1 auf S. 322) ausgewählt werden. Auch ihr Lumen musste genau zylindrisch sein. 1) Grüneisen, Über die Gültigkeitsgrenzen des Poiseuille’schen Ge- setzes,. Die Bewegung tropfbarer Flüssigkeiten durch gerade und gewundene Kapillaren. Wissensch. Abhandl. d. physik.-techn. Reichsanstalt Bd. 4 S. 151. 1905. 327 Ist das Poiseuille’sche Gesetz für Suspensionen gültig? ‘Ix9L, Up "ISA UONOU[dZUr] A9p YaITonzog 'ssıumy pun -puns wm SunupaouesyonszoA °% "SI 3238 M. Rothmann: Die gesamte Veısuchsanordnung im Grund- und Aufriss zeiet Fig. 2. Um einen der Zeit proportionalen Druckanstieg zu erzielen, benutzte ich einen Aufzug. Dieser bestand aus einem flachen Blech- zylinder C’y von 30 em Durchmesser und 5 em Höhe, welcher oben offen war; in die Mitte seiner Grundfläche war ein kurzes Rohr Rh eingelötet, welches durch einen ca. 1!/s m langen (in Fig. 2 nicht gezeichneten) Gummischlauch mit dem Reservoir 22 verbunden war. Blechzylinder und Gummischlauch waren mit Wasser gefüllt. Das Blechgefäss hing an einem mit Isolierung versehenen Draht- kabel Ka, welches über eine an der Decke des Versuchszimmers befestigte Rolle Ro lief und an seinem anderen Ende ein Gewicht @Gw zur Ausbalancierung trug. Die Rolle Ro wurde durch einen (in Fig. 2 ebenfalls nicht gezeichneten) Elektromotor mit Vorgelege und Riemenübertragung in gleichförmige Umdrehung versetzt und bewirkte so eine gleichmässige der Zeit proportionale Hebung resp. Senkung des Wassergefässes C’y und somit auch ein entsprechendes Steigen oder Fallen des Druckes im Reservoir R. Um eine Kontrolle über die Gleichmässigkeit des Ganges dieses Aufzuges zu besitzen, war folgende Einrichtung getroffen. In die Isolierung des Kabels Xa waren in Abständen von 20 em Kerben geschnitten (wie dies in Fig. 2 angedeutet ist), so dass der Draht freilag. Auf dem Kabel schleifte die Kontaktfeder F, die beim jedesmaligen Vorbeigange einer Kerbe einen Stromkreis schloss und den Elektromagneten M, betätigte, welcher auf dem photographischen Film eine Marke verzeichnete. Der Magnet M, war mit einer elektrischen Kontaktuhr (nicht gezeichnet) in einen Kreis geschaltet und registrierte die Zeitmarken. Die mit feinen Glasfäden ver- sehenen Hebelspitzen der beiden Elektromagnete befanden sich neben dem horizontal gelagerten Volumeter V, an welches die Kapillare X und das Reservoir R angeschlossen waren (vgl. auch Fig. 1). Die Beleuchtung dieser Objekte geschah durch die Nernstlampe Zp und die beiden Beleuchtungslinsen Z7, und Zi, die Abbildung auf dem Spalt des Kymographions Kym durch das Objektiv Ob. Die im Innern des Kymographions befindliche Trommel 7r, die den lichtempfind- lichen Film trug, wurde unter Vermittlung der auf derselben Achse sitzenden Scheibe Sch von demselben Elektromotor in Rotation ver- setzt, der auch zum Antrieb des Aufzuges diente. Auf diese Weise wurden kleine Unregelmässigkeiten im Gange des Motors, welche die Form der entstehenden Kurven hätten beeinflussen können, kompensiert. Ist das Poiseuille’sche Gesetz für Suspensionen gültig? 329 Ein Versuch gestaltete sich nun folgendermassen: Nachdem in einem Vorversuche beim konstanten Mitteldruck von 50 cm H,O für die zu untersuchende Kapillare und Blutsorte die Zeit bestimmt worden war, innerhalb deren das Volumeter V, dessen Länge 10 cm betrug, gefüllt wurde, wurde mittels des Vorgeleges die Geschwindig- keit der Rolle Ro so eingestellt, dass in annähernd derselben Zeit der Aufzug von 0—100 cm anstieg, während die Trommel des Kymographions gleichzeitig 15—18 cm Film vor dem Spalte vorbei- führte (der Film war 12 em breit). Nun wurden Volumeter, Kapillare und Reservoir gereinigt, wieder miteinander verbunden und so gelagert, dass das Volumeter in seiner ganzen Länge auf dem Spalt des Kymographions abgebildet war. Alsdann wurde das Reservoir R mit Blut gefüllt und sein freies Ende unter Zwischen- schaltung eines Dreiwegehahnes Dw (Fig. 2) mit dem Gummischlauch des Aufzuges verbunden, so dass zwischen dem Blut und dem im Gummischlauch befindlichen Wasser eine genügend lange Luftsäule (in Fig. 2 punktiert gezeichnet) verblieb, um beide mit Sicherheit zu trennen. Nun wurde die elektrische Pendeluhr in Bewegung ge- setzt, der Motor eingeschaltet, der Spalt des Kymographions geöffnet und in dem Moment, in welchem der in die Höhe steigende Aufzug die Nullmarke passierte (was der Magnet M, anzeigte), der Drei- wegehahn Dw so gestellt, dass der Schlauch des Aufzuges mit dem Innenraum des Reservoirs & kommunrizierte. War der Aufzug bis zur Höhe von 100 em gestiegen, dann wurde durch Drehen des Dreiwegehahns der Innenraum von AR wieder mit der Aussenluft in Verbindung gesetzt, der Spalt des Kymographions geschlossen und der Elektromotor abgestellt. Ganz ähnlich gestalteten sich die Ver- suche bei fallendem Drucke. Es wird hierbei die Registrierung erst begonnen, wenn der herabsteigende Aufzug die Marke 100 passiert, und beim Durchgang durch den Nullpunkt der Versuch beendet. Schliesslich wurde der Film in der üblichen Weise entwickelt und fixiert. Die Ausmessung der Kurven geschah mittels eines Koordinaten- messers, der 0,1 mm zu messen gestattete. Diejenige Stelle einer jeden Kurve, welche dem Nulldruck entsprach, erhielt jeweils die Koordinaten (0,0). Die Ordinaten wurden in Abständen von je 10 mm gemessen und in Tabellen eingetragen. 330 M. Rothmann: 3. Versuchsergebnisse. Die vorliegenden Versuche sind an zwei Kapillaren, deren Durchmesser 465 resp. 100 u betrug, angestellt. Der zur An- wendung gelangende Druckbereich erstreckte sich von 0—100 em H,O. Als Strömungsflüssigkeiten dienten eine Mischung von Giycerin und Wasser, deren Viskosität annähernd gleich der des Froschblutes war, hirudinisiertes Frosch- und defibriniertes Hundeblut. Letzteres wurde in einzelnen Versuchen mit seinem eigenen Serum in verschiedenem Verhältnis verdünnt, um auch den Einfluss der relativen Körperchen- zahl auf die Viskosität zu prüfen. Aus der grossen Zahl meiner Versuche bringe ich im folgenden eine Reihe. Die Kurven sind nach den erwähnten Grundsätzen aus- gemessen und jeweils die Abszissen, Ordinaten und der-daraus be- rechnete Quotient En in Tabellenform zusammengestellt. Die bei- sefügte Tafel IV zeigt die Reproduktion zweier Originalkurven. Fig. 1 stammt von einer Durchströmung der weiten, Fig. 2 von einer solchen der engen Kapillare mit hirudinisiertem Froschblut. Die durch Ausmessung dieser beiden Kurven erhaltenen Werte sind in Tabelle 2 und 3 verzeichnet. Zuerst eine Tabelle eines mit der Glycerin-Wasser-Mischung an- gestellten Versuches. Tabelle 1. Kapillare 465 u. Glycerin-Wasser-Mischung. d?y d?y 4 = Q 2 J dar € 3 da? 0 0 — s0 | 27,9 0,004 36 10 0,45 0,004 50 90 | 35,4 0,004 37 20 | 1,75 0,004 38 100 | 43,5 0,004 35 30 | 3,9 0,004 33 110 | 92,4 0,004 33 40 | 7,0 0,004 38 120 62,3 0,004 33 50 | 10,3 0,004 32 130 MON 0,004 30 60 | 15,6 0,004 33 135 | 78,4 0,004 30 70 | 21,2 0,004 33 | d’y i ; 3 Wenn man den Wert von TEE bei der Abszisse 10 ausnimmt, betragen die Abweichungen in der dritten Spalte, deren Zahlen konstant sein sollen, 1,8°o. Dass der erste Wert eine grössere Ab- weichung zeigt, liegt wahrscheinlich an der Ungenauigkeit der Messung. Wie erwähnt, gestattet der benutzte Koordinatenmesser Ist das Poiseuil.e’sche Gesetz für Suspensionen gültig? 331 nur die Messung von 0,1 mm. Die Bruchteile der Zehntel können nur geschätzt werden. Würde in obiger Tabelle die der Abszisse 10 entsprechende Ordinate statt 0,45 zu 0,43 notiert sein, so wäre 124, [ ee: ER : a — 0,00430, d. h. die Ubereinstimmung wäre auch an dieser N Stelle der Kurve ausreichend. Die folgende Tabelle entspricht einem Versuch mit hirudini- siertem Frosehblut (vel. Fig. 1 auf Taf. IV). Tabelle 2. Kapillare 465 u. Hirudinisiertes Froschblut. 2, d? Y | d? Y : | 4 dt = 2 dx? 0 | 0 — | 100 27,1 0,00271 10 0,3 0,003 00 110 39,2 0,002 74 20 1,1 0,002 75 120 39,5 0,00274 30 2,5 0,00277 130 46,5 0,002 75 40 4,4 0,00275 140 54,0 0,002 75 50 | 6,9 0,002 76 150 61,7 0,00274 60 9,8 0,00272 160 69,6 0,00272 102 13,4 0,002 73 170 Tee) 0,002 70 80 17,4 0,00272 150 86,3 0,002 70 90 21,9 0,002 70 1 9 i 5 ; de Wie man sieht, sind hier die Werte von Te fast konstant, d.h. das Froschblut zeigte bei der Strömung durch die weitere Kapillare innerhalb des Druckbereiches von 0 --100 em H;0 keine nennens- werten Abweichungen vom Poiseuille’schen Gesetz. Ganz anders ist das Resultat jedoch, wenn das Frosehblut durch (die enge Kapillare (Durchmesser 100 «) strömt. Tabelle 3 zeigt die Resultate der Ausmessung einer solchen Kurve (vel. Fig. 2 auf Taf. IV). Tabelle 3. Kapillare 100 «. Hirudinisiertes Froschblut. | d2y R 5 d?y 2 Y de? * 4 dx? 0 0 — | 90 23,0 0,002 84 10 0,15 0,001 50 100 28,9 0,002 89 20 0,7 0,001 75 110 35,2 0,002 91 30 2,0 0,002 22 120 42,3 0,002 94 40 3,9 0,002 44 130 49,8 0,002 95 50 6,4 0,002 56 140 58,1 0,002 96 60 9,4 0,002 61 150 67,1 0,002 98 70- | 13,4 0,002 73 160 76,4 0,002 98 80 18,1 0,002 83 ı Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd. 155. 22 332 M. Rothmann: Hier ist der zweite Differentialquotient nicht mehr kon- stant, sondern nimmt mit steigendem Druck zu; oder anders aus- gedrückt: Die Geschwindigkeit pro Druckeinheit wird mit steigendem Druck grösser, d.h. die Viskosität kleiner. Im folgenden führe ich die Versuche mit Hundeblut und den beiden Kapillaren auf. Walter Hess hat experimentell nach- gewiesen !), dass die relative Zahl der Blutkörperchen von beträcht- lichem Einfluss auf die Blutviskosität ist, indem letztere annähernd eine hyperbolische Funktion des Volumgehaltes an Blutkörperchen ist. Da das Hundeblut relativ viel mehr Körperchen besitzt als das Froschblut, habe ich, um diesen Faktor zunächst auszuschalten, das zu verwendende Hundehlut so stark mit seinem eigenen Serum ver- dännt, dass es ungefähr die gleiche Zahl Blutkörperehen pro Kubik- millimeter wie das Froschblut hatte. Mit dem so verdünnten Blute wurde dann sowohl die weite als auch die enge Kapillare durch- strömt. Die Resultate zeigen die Tabellen 4 und 5. Tabelle 4. Kapillare 465 u. Defibriniertes Hundeblut. Verdünnung 1:10. day. dey X q ut N Dr J | da? * 3 dx? N) 0 = 100 24,4 0,00244 10 0,25 0,00250 110 29,6 0.00245 20 0,95 0,00238 120 35,4 0,00246 30 2,2 0,00244 130: | 41,5 0,00246 40 3,9 0,00244 140 48,2 0,00246 50 6,1 0,00244 150 55,4 0,00246 60 8,8 0,00244 160 | 63,1 0,00246 70 1, 11,9 0,00243 170 71,9 0,00246 80 5 0,00244 180 79,6 0,00246 90 | 19,8 0,00244 Die Betrachtung der beiden Tabellen lehrt, dass Hundeblut, wenn es durch zehnfache Verdünnung mit seinem eigenen Serum auf ungefähr dieselbe relative Blutkörperchenzahl gebracht wird wie Froschblut, bei der Strömung durch die weite Kapillare sich verhält wie Froscehblut (vgl. Tab. 2). Es scheint also die Grösse des Körperchengrösse Quotienten ——. — — ,‚ falls sie unter einen gewissen Wert Kapillardurcehmesser 1) Walter Hess, Blutviskosität und Blutkörperchen. Pflüger’s Arch. Bd. 140 S. 354. 1911. ” Ist das Poiseuille’sche Gesetz für Suspensionen gültig? 333 Tabelle 5. Kapillare 100 «. Defibriniertes Hundeblut. Verdünnung 1:10. | SI 3 | d2y day “ y dx” % 2 dx? 0 0 — 100 | 24,3 0,00243 10 0,2 0,00200 110 | 29,9 0,00247 20 0,8 0,00200 120 | 36,0 0,00250 3 1,8 0,00200 130 | 2,8 | 0,00253 40 3,3 0,002. 06 140 | 504 | 0,00257 50 5,2 0,00208 150 58,2 ' 0,00259 60 7,7 0,002 14 160 66,5 ' 0,00260 70 11,1 0,002 27 170 75,3 ' 0,00261 s0 14,9 ' 0,00233 150 84,5 0,00261 % 19,2 ' 0,00237 | sinkt, keinen mit unserer Methode feststellbaren Einfluss auf die Strömung zu haben; diese folgt innerhalb des untersuchten Druck- bereiches beidemal dem P.’schen Gesetz. Nimmt man an, dass die Froschblutkörperchen sich immer mit ihrer Längsachse parallel zur Kapillarachse stellen, dann kommt für die Behinderung der Strömung nur ihr Querdurchmesser in Betracht. Dieser beträgt aber nur 14 u, d. h. doppelt soviel wie der der Hundeblutkörperchen. Für erstere ist der Wert des Quotienten = — -_ — = für letztere . == m Vergleicht man dagegen die Tabellen 3 und 5, so ist hier be- reits ein deutlicher Einfluss des Quotienten 9 zuerkennen. Während d beim Froschblut eine Zunahme der Geschwindigkeit auf das Doppelte erfolgt, beträgt sie beim Hundeblut nur 30%. Die Quotienten en betragen in diesem Falle - resp. Anders ausgedrückt bedeutet das, dass die kleineren Körperchen (natürlich bei Verwendung der- selben Kapillaren) sehr viel geringere Abweichungen vom P.’schen Gesetz bewirken als die grösseren. Was übrigens den Verlauf der Abweichungen innerhalb des untersuchten Druckbereiches betrifft, so zeigt sich, dass sie bei den niedrigsten Drucken am stärksten sind. Konstruiert man also die Kurve der relativen Viskositäten bei verschiedenen Drucken, so er- hält man eine erst steil abfallende und dann fast horizontal ver- laufende Linie. Zur Veranschaulichung ist in Fig. 3 eine solche Kurve gezeichnet. 22 + 334 M. Rothmann: BE 0 10 20 30 40 so 60 oO CORE? Fig. 3. Kurve der relativen Viskositäten bei kontinuierlicher Druckänderung (0—100 em H50). Durchströmung der Kapillare von 100 « Durchmesser mit hirudinisiertem Froschblut. Die Abszissen entsprechen den Druckwerten in Zentimetern H;0, die Ordinaten den relativen Viskositätskoeffizienten. Die zu- gehörige Originalkurve ist auf Taf. IV Fig. 2 reproduziert. 109 Sie stammt von der Durchströmung der engen Kapillare mit Frosehblut (vgl. Tab. 3). Die Drucke sind als Abszissen, die rela- tiven Viskositätswerte (die Reziproken der in Tabelle 3 verzeichneten = d’y. 5 2 ä relativen Geschwindigkeiteu u) als Ordinaten eingezeichnet. Schliesslich führe ieh noch die Resultate von Versuchen an, die unter Berücksichtigung der oben zitierten Arbeit von Walter Hess!) angestellt worden sind und die deren volle Bestätigung bringen. Es wurde die Kapillare von 465 u mit Hundeblut durch- strömt, welches im Verhältnis 1:2 mit Serum verdünnt war, und ferner mit unverdünntem Hundeblut. 1) Walter Hess, Blutviskosität und Blutkörperchen. Pflüger’s Arch. Bd. 140 S. 354. 1911. Ist das Poiseuille’sche Gesetz für Suspensionen gültig? 335 Tabelle 6. Kapillare 465 u. Defibriniertes Hundeblut, Verdünnung 1:2. | d?y d?y S 7 dx? 2 | 2 | da? 0 0 — 100 16,9 0,001 69 10 0,15 0,00150 110 20,5 0,00169 20 0,6 0,00150 120 | 24,5 0,001 70 30 1,4 0,00156 130 29,0 0,00172 40) 255 | 0,00159 140 34,0 0,001 73 50 4,1 ' 0,00164 150 39,25 0,00174 60 5,9 ' 0,00164 160 45,0 0,00176 70 8,1 ' 0,00165 170 51,1 0,001 77 80 10,6 0,00166 180 57,1 0,001 78 90 13,5 ' -0,00167 | Tabelle 7. Kapillare 465 u. Defibriniertes Hundeblut, unverdünnt. i d?y | d?y < “ da? % | 2 | dx? 0 0 _ 100 17,2 0,001 72 10 0,1 0,001 00 110 20,9 0,00173 20 0,5 0,00125 120 25,0 0,001 74 3 1,25 0,00139 130 29,5 0,00175 40 2,4 0,00150 140 34,4 0,001 76 50 3,9 0,00156 150 39,9 - 0,001 77 60 5,8 0,00161 160 45,7 0,001 78 70 81 ' 0,00165 170 | 51,8 0,00179 so 10,8 | 0,00168 180 58,5 0,001 80 0 13,75 0,00170 | Während bei der Verdünnung 1:2 die maximalen Geschwindig- keitsdifferenzen 19°/o betragen, erreichen sie beim unverdünnten Blute den Wert von 80°. Wenn also unverdünutes Blut durch eine verhältnismässig weite Kapillare strömt, so sind die Viskositäten bei verschiedenen Drucken ausserordentlich verschieden. Bei den ınit der engeren Kapillare in sonst gleicher Weise angestellten Ver- suchen gelang es nicht, das körperchenreiche Blut zu einer von Störungen freien Strömung zu bringen. Deshalb sollen die hierbei gewonnenen Resultate nicht angeführt werden. Ein gleiches gilt leider auch von Versuchen, die mit Kapillaren von 50 « Durch- messer, den engsten erhältlichen, angestellt wurden. Es war also bisher nicht möglich, die Strömung bei dem früher erwähnten Grenzfall, bei welchem der Quotient .— Il 336 M. Rothmann: wird, experimentell zu untersuchen. Doch sind weitere Arbeiten in dieser Richtung im Gange. Unsere Versuche zeigen, dass die eingangs aus theoretischen Erwägungen heraus postulierte Ungültigkeit des Poiseuille’schen Gesetzes für Suspensionen tatsächlich besteht. Die Geschwindigkeit, mit der eine Suspension eine bestimmte Kapillare durchströmt, ist nicht in der einfachen, durch Poiseuille’s Formel gegebenen Weise von den Dimensionen der Kapillare und dem treibenden Druck abhängig. Sie ist vielmehr eine komplizierte Funktion des Druckes, des Quotienten aus Körperchengrösse und Kapillardurchmesser und der relativen Zahl der suspendierten Körperchen. Ob ausserdem noch andere Faktoren in Betracht kommen, kann ich auf Grund der bisherigen Untersuchungen nicht. sagen. Denkbar wäre immerhin, dass die mittlere Stromgeschwindigkeit sich auch abhängig erweist von der Oberflächenbeschaffenheit der Körperchen resp. von der Grösse der Reibung zwischen diesen und der Suspensionsflüssigkeit, deren physi- kalische Beschaffenheit dann natürlich auch eine Rolle spielen müsste. Leider erscheint es zurzeit unmöglich, diese komplizierten Be- ziehungen in eine mathematische Formel zu fassen, und es bleibt nichts übrig, als die sogenannte Viskosität der Suspensionen, diese ausserordentlich komplexe Grösse, in jedem Falle experimentell zu bestimmen, wobei Vergleiche mitanderen Untersuchungen nur dann möglich sind, wenn man zum mindesten die Grösse wie relativeZahl der Körperchen, den Kapillar- durehmesser und die Höhe des treibenden Druckes kennt. C. Aus den Versuchen sich ergebende Folgerungen. 1. Hinsichtlich der Gültigkeit des Poiseuille’schen Gesetzes für den Tierkörper (zugleich eine kritische Würdigung der vorliegenden Arbeiten). Die Anschauung, dass die Blutströmung in den Gefässen des lebenden Körpers nach Poiseuille’s Gesetz erfolge, ist auch heute noch allgemein verbreitet, obwohl von verschiedenen Autoren theo- retische und experimentelle Gründe gegen ihre Richtigkeit angeführt worden sind. Da die Literatur über diesen Gegenstand sehr gross ist, so soll hier nur auf die wichtigsten Arbeiten zurückgegriffen “ werden. Ist das Poiseuille’sche Gesetz für Suspensionen gültig? 3937 Bei dem Streite darüber, ob das P.’sche Gesetz für die Blut- strömung Geltung habe oder nicht, spielt besonders auch die Frage nach der „Benetzung“ der Gefässwand durch das Blut eine grosse Rolle. Wir haben in der Einleitung gesehen, dass die einfache P.’sche Formel nur gilt, wenn die Randschicht der Flüssigkeit an der Röhrenwand nicht gleitet, sondern an ihr festhaftet, so dass die sogenannte äussere Reibung & = = wird. Ist dies nicht der Fall, dann nimmt die P.’sche Formel eine wesentlich kompliziertere Form an. Speziell W. Heubner') hat auf Grund verschiedener experi- menteller Tatsachen darauf hingewiesen, dass für die Gefässwand diese Benetzung durch das Blut zumindest zweifelhaft sei, und dass man daher auf Grund der an Glaskapillaren festgestellten Grösse des Blutviskositätskoeffizienten keine Rückschlüsse auf die Verhält- nisse im lebenden Kreislauf ziehen dürfe. Demgegenüber behaupten Hirsch und Beck?), dass die Be- netzung ausser allem Zweifel stehe. Neben der mehr theoretischen Anschauung, dass eine solche Benetzung, d. h. Unbeweglichkeit der Randschicht, für den Stoffaustausch zwischen Blut und Geweben erforderlich sei, führen sie zur Bekräftigung ihrer Behauptung die Tatsache an, dass bei einem frisch getöteten Kaninchen das Blut im Anfangsteil der Aorta einen konkaven Meniskus bildet, der bekanntlich für die Benetzung beweisend sei. R. Thoma?) wiederum hält auf Grund seiner Versuche und theoretischen Erwägungen die Benetzung der Gefässwand durch das Blut durchaus nicht für zweifelsfrei. Speziell der von Hirsch und Beck erbrachte Nachweis, dass das ruhende Blut im Gefäss einen konkaven Meniskus bildet und seiner Wandung adhäriert, gestatte keine bindenden Schlüsse über die zwischen der Gefässwand und dem strömenden Blute auftretenden Reibungswiderstände. Benno Lewy) endlich tritt für eine Benetzung der Gefäss- 1) W. Heubner, Die „Viskosität“ des Blutes. Arch. f. exper. Pathol. u. Pharmakol. Bd. 53 S. 280. 1905. 2) C. Hirsch und C. Beck, Studien zur Lehre von der Viskosität (inneren Reibung) des lebenden menschlichen Blutes. Deutsch. Arch. f. klin. Med. Bd. 69 S. 503. 1901, und Bd. 72 S. 560. 1902. — C. Hirsch und C. Beck, Die Viskosität des Blutes. Arch. f. exper. Pathol. u. Pharmakol. Bd. 54 S. 54. 1906. 3) R. Thoma, Die Viskosität des Blutes und seine Strömung im Arterien- system. Deutsch. Arch. f. klin. Med. Bd. 99 S. 565. 1910. 4) Benno Lewy, Über die Adhäsion des Blutes an der Wandung der Blutgefässe. Arch. f. (Anat. u.) Phys. 1899 Suppl. 8: 89. 398 M. Rothmann: wand ein. Er konnte nachweisen, dass Arterienstücke, die dem eben getöteten Tier entnommen waren, falls sie in Blut eingetaucht wurden, stets eine Ansaugung des Blutes, also eine Kapillar- erhebung, zeigten, und ferner, dass ein Blutstropfen, der auf die Intima der aufeeschnittenen Aorta oder V. cava gebracht wurde, immer die Form annahm, die für eine benetzende Flüssigkeit charakteristisch ist. Auch wurde die Intima des Gefässes keinesfalls, wie dies bei Nichtbenetzung der Fall sein müsste, unınittelbar nach Eröffnung des Gefässes und Abfliessen des Blutes trocken; sie zeigte vielmehr eine dünne abwischbare Serumschieht. Nach den vorliegenden Angaben scheint mir eine „Benetzung“ der Gefässwand durch das Blut durchaus wahrscheinlich, so dass von dieser Seite kaum Einwendungen gegen die Gültigkeit des P.’schen Gesetzes für den Tierkörper zu machen wären. Wesentlich anders verhält es sich mit der Frage, ob das Blut in seiner Eigenschaft als Suspensionsflüssigkeit dem P.’schen Gesetze folgt. Auf Grund meiner an Glaskapillaren angestellten Versuche glaube ich diese Frage verneinen zu müssen, da ich der Ansicht bin, dass die Ergebnisse dieser Versuche prinzipiell auf den Tierkörper übertragen werden können. Dass das P.’sche Gesetz für das Blut keine Geltung haben kann, hat bereits F. v. Kries!) ausgeführt, indem er die gleichen theore- tischen Bedenken geltend machte, die auch ich in der Einleitung vorgebracht habe. Andere Autoren haben diese Verhältnisse eben- falls erwogen, sind ihnen zum Teil auch experimentell:nachgegangen, jedoch meistenteils zu dem Schlusse gelangt, dass das P.’sche Gesetz gültig sei. Interessant ist in dieser Hinsicht eine bereits aus dem Jahre 1877 stammende Arbeit von C. A. Ewald?), weil der Autor bei seinen Versuchen Resultate erhält, die den meinigen durchaus gleichen. Er fand bei Durchströmung verschiedener Glaskapillaren mit Blut unter verschiedenem Drucke, dass die mittleren Gesehwindig- keiten nicht, wie es das P.’sche Gesetz verlangt, den angewandten Drucken proportional waren. Vielmehr waren sie immer bei niederen 1) J. v. Kries, Über das Verhältnis der maximalen zur mittleren Ge- schwindigkeit beim Strömen von Flüssigkeiten in Röhren. Festschr. f. C. Ludwig zu seinem 70. Geburtstage. Leipzig 1837. 2) C. A. Ewald, Über die Transpiration des Blutes. Arch. f. (Anat. u.) Physiol. 1877 S. 208. Ist das Poiseuille’sche Gesetz für Suspensionen gültig? 339 Drucken verhältnismässig zu klein. Allein der Autor zog aus diesen Resultaten nicht den Sehluss, dass das P.’sche Gesetz für das Blut keine Geltung habe, sondern hielt unvermeidbare Versuchsfehler für den Grund der Abweichungen. Auch Benno Lewy!) untersuchte die hier behandelte Frage. Er fand unter Verwendung von defibriniertem Blut und Kapillaren, deren Durehmesser zwischen 1,134 und 0,416 mm sehwankte, dass die ausfliessenden Mengen den angewandten Drucken proportional sind, und resümierte, „dass die P.’sche Kapillarformel ziemlich genau die Strömung durch eine enge, genügend lange, horizontale Röhre auch für defibriniertes Blut darstellt, solange dafür gesorgt wird, dass während der Strömung keine Sedimentierung stattfindet“. Dass bei den grossen Durchmesser der hier benutzten Kapillaren wesentliche Abweichungen vom P.’schen Gesetze nicht konstatiert werden konnten, erklärt sich aus dem, was ich früher über diesen Punkt gesagt habe. Determann?) vertritt dieselbe Ansicht, weist aber darauf hin, dass diean verhältnismässig weiten Glaskapillaren gewonnenen Resultate nicht ohne weiteres auf die engen Kapillaren des Tier- körpers übertragbar seien. Dagegen erscheint es merkwürdig, wenn der Autor mit Rücksicht auf die Tatsache, dass er die Viskosität des lackfarbenen Blutes grösser fand als die des deck- farbenen, den Schluss zieht, dass, „wenn durch den Fortfall der Formelemente die innere Reibung nicht geringer, sondern sogar grösser wurde, wohl kaum anzunehmen sei, dass durch die suspendierten Blutkörperchen eine Verzögerung der Viskosität entstünde“. Was Determann unter „Verzögerung der Viskosität“ versteht, ist nicht recht klar. Ich möchte aus dem hier vorliegenden Zusammenhange schliessen, dass er damit Abweichungen vom P.’schen Gesetze meint. Sollte meine Auslegung richtig sein, dann wäre allerdings kaum,zu begreifen, wie der Autor aus der Tatsache, dass lackfarbenes Blut eine höhere Viskosität besitzt als deckfarbenes (d. h. Körperchen l) Benno Lewy, Die Reibung des Blutes. Pflüger’s Arch. Bd. 65 S. 447. 1897. 2) Determann, Klinische Untersuchungen der Viskosität des menschlichen Blutes. Zeitschr. f. klin. Med. Bd. 59 S. 283. 1906. 340 M. Rothmann: enthaltendes), den Schluss ziehen konnte, dass das P.’sche Ge- setz für letzteres gültig sei. Auch Hürthle!) nimmt auf Grund seiner Versuche an Ka- pillaren, deren Durchmesser zwischen 0,5 und 1,1 mm schwankte, an, „dass das Poiseuille’sche Gesetz auch für Flüssigkeiten gilt, wenn diese geformte Bestandteile enthalten, welche sehr klein sind im Vergleich zum Durchmesser der Röhre“. Im Gegensatz zu den bisher angeführten Autoren, die (mit Ausnahme von v. Kries) die Gültigkeit des P.’schen Gesetzes auch für die Suspensionsflüssigkeit Blut annehmen, stehen speziell die Arbeiten von Walter Hess?), der, wie ich früher bereits kurz er- wähnte, theoretisch und experimentell die Ungültigkeit des Poiseuille- schen Gesetzes für das Blut nachzuweisen bestrebt war. Seine Resultate stehen in völliger Übereinstimmung mit den meinigen. Er konnte zeigen, dass, wenn die Strömung des Blutes durch Ka- pillaren unter verschiedenen Drucken erfolgt, die ausfliessenden Volumina bei niederen Drucken verhältnismässig kleiner, d. h. die Viskosität grösser war als bei höheren Drucken. Allerdings sind die von Hess gefundenen Abweichungen, verglichen mit den bei meinen Versuchen festgestellten, gering. Er fand z. B. für hiru- dinisiertes Kaninchenblut?) bei Drucken von 608 resp. 90 mm He Viskositätswerte von 2,67 bzw. 2,89 (Wasser = 1), mithin eine Differenz von rund 8°o. Leider sind in dieser Arbeit die Dimensionen der zur Anwendung gelangten Kapillare nicht angegeben. Dass die Abweichungen, verglichen mit den von mir gefundenen, nur gering sind, erklärt sich daraus, dass der Druckbereich, innerhalb dessen Hess untersuchte, weit höher liest als bei meinen Versuchen. Dass bei so hohen Drucken (von ca. 100 mm Hg an aufwärts), speziell wenn die benutzten Kapillaren nicht gar zu eng sind und die relative Zahl der Körperchen ein gewisses Mass nicht übersteigt, 1) K. Hürthle, Über eine Methode zur Bestimmung der Viskosität des lebenden Blutes und ihre Ergebnisse. Pflüger’s Arch. Bd. 82 S. 415. 1900. 2) Walter Hess, Blutviskosität und Blutkörperchen. Pflüger’s Arch. Bd. 140 S. 354. 1911. — Walter Hess, Reibungswiderstand des Blutes und Poiseuille’sches Gesetz. Zeitschr. f. klin. Med. Bd. 71. 1911, und Bd. 74. 1912. — Walter Hess, Der Einfluss des Druckes auf den Koeffizienten der Blutviskosität. Berliner klin. Wochenschr. 1913 S. 197. 3) Walter Hess, Reibungswiderstand des Blutes und Poiseuille’sches Gesetz. Zeitschr. f. klin. Med. Bd. 71. 1911, und Bd. 74. 1912. Ist das Poiseuille’sche Gesetz für Suspensionen gültig? 341 die Abweichungen vom P.’schen Gesetze nur gering sind, kann ich auf Grund von Versuchen, deren Ergebnisse ich nicht besonders anführe, nur bestätigen. Die bisher zitierten Autoren haben ihre Versuche ebenso wie ich selbst ausschliesslich an Glaskapillaren angestellt. Obwohl der Übertragung der gewonnenen Resultate auf die Verhältnissse im Tierkörper prinzipiell nichts entgegensteht, scheint es doch wichtig, auch die am Gefässsystem selbst angestellten Versuche näher zu betrachten. Ich gehe hier nur auf zwei Arbeiten ein; erstens auf die von R. du Bois-Reymond und seinen Mitarbeitern !), in der hauptsächlich überlebende Organe künstlich durchströmt werden, und zweitens auf die erst kürzlich publizierte Arbeit Hürthle’s?), in welcher die Beziehung zwischen Druck und Ge- schwindigkeit des Blutes in den Arterien des lebenden Tieres untersucht wird. In ersterer Arbeit wird die vorliegende Frage folgendermassen zu entscheiden versucht: Erstens werden bei verschiedenen Drucken die in der Zeiteinheit das untersuchte Organ durch- strömenden Flüssigkeitsvolumina bestimmt und festgestellt, obsieden angewandten Drucken proportional sind, und zweitens wird untersucht, ob bei Durehströmung mit verschieden viskösen Flüssigkeiten (deren Viskosität mit dem Apparat von Hirsch und Beck bestimmt war) die Volumina pro Zeiteinheit den Viskositäten umgekehrt proportional sind. Was die erstere Versuchsreihe betrifft, so waren die Resultate widersprechend. Während nämlich bei Durchströmung der Lunge keine Proportionalität zwischen Druck und Durchflussvolumen gefunden wurde, ergab sich eine solche im Gefässgebiet des Darmes. Bei Durchströmung von Organen mit verschieden viskösem Blut (durch Zusatz von Blutkörperchenbrei resp. Serum zum Normalblut gewonnen) ergab sich nach Ansicht der Autoren eine ausreichende Übereinstimmung zwischen den Werten im eläsernen Viskosimeter und denen am natürlichen Gefässsystem. Allerdings besteht diese Übereinstimmung 1) R. du Bois-Reymond, T. G. Brodie und Franz Müller, Der Einfluss der Viskosität auf die Blutströmung und das Poiseuille’sche Gesetz. Arch. f. (Anat. u.) Phys. 1907 Suppl. 8. 37. 2) K. Hürthle, Über die Beziehung zwischen Druck und Geschwindigkeit des Blutes in den Arterien. Pflüger’s Arch. Bd. 147 S. 509. 1912. 342 M. Rothmann: 0 nur bei dem aus einer grossen Zahl von Versuchen gewonnenen Mittelwerte, während bei den einzelnen Ver- suchen sich Differenzen von 2—48°/o finden. Es ist aber nicht angängig, aus einer Anzahl von untereinander so stark abweichenden Einzelresultaten einen Mittel- wert zu ziehen und diesen als richtige hinzustellen. Trotzdem ziehen die Autoren aus ihren Versuchsresultaten den meines Erachtens unberechtigten Schluss, dass das P.’sche Gesetz für den Tierkörper Geltung habe. Hürthle hat in seiner Arbeit unter der Voraussetzung der Gültigkeit von Poiseuille’s Gesetz für den Tier- körper eine Formel aufgestellt, welche die Abhängigkeit des natür- lichen Blutstroms vom Druck, der Elastizität und dem Widerstand der Gefässbahn angibt. Um die Richtigkeit dieser Formel zu prüfen, hat er am lebenden Tier Druck- und Stromkurven während eines Pulsschlages (um unabhängig von etwaiger Widerstandsänderung durch Vasomotorenwirkung zu sein) registriert und untersucht, ob die aus der Elastizität der Bahn, der mittleren Stromstärke und der Druckkurve nach seiner Formel berechnete Stromkurve mit der registrierten übereinstimmte. Es soll hier nur der diastolische Teil der Hürthle’schen Kurven diskutiert werden, weil nur während der Diastole ein reines Ausfliessen aus einem unter Druck stehenden Reservoir (dem während der Systole aufgefüllten Arteriensystem) stattfindet, also ein meinen Versuchen an Glaskapillaren analoger Vorgang. Hürthle fand, dass im allgemeinen bei normalen Pulsen, d.h. solchen, deren Minimum nicht unter etwa S0 em H,O sank, die Übereinstimmung zwischen berechneter und registrierter Strom- kurve eine befriedigende war. Wurden dagegen Vaguspulse unter- sucht, in deren Verlauf der Druck bis auf etwa 30 cm H,O herab- sank, dlann zeigten sich bedeutende Abweichungen zwischen Theorie und Praxis, indem die niederen Drucken entsprechenden Teile der registrierten Stromkurve beträchtlich unterhalb der be- rechneten fielen; oder anders ausgedrückt, die Strom- geschwindigkeit nahm immer sehr viel stärker ab, als der Druckabnahme entsprach. Zur Erklärung dieser Er- scheinung musste eine Zunahme der Widerstände bei sinkendem Drucke angenommen werden. Eine solehe Widerstandsvermehrung kann begründet sein in einer Verengerung der peripheren Ist das Poiseuille’sche Gesetz für Suspensionen gültig? 343 Gefässabschnitte (kleine Arterien + Kapillaren) oder in einer Viskositätszunahme des Blutes. Da Hürthle seinen Be- rechnungen zunächst die Annahme der Gültigkeit des Poi- seuille’schen Gesetzes für die Blutströmung im Tier- körper zugrunde gelegt hatte, war für ihn die Blutviskosität eine vom Druck natürlich unabhängige Grösse Dem- zufolge musste er als Ursache des hier in Rede stehenden Phänomens eine Verengerung der peripheren Strombahn bei fallendem Drucke annehmen. Dies konnte, da er Tonusschwankungen der Gefässe, also einen physiologischen Grund, ebenfalls aus- schliessen zu müssen glaubte, nur auf physikalische Erscheinungen zurückgeführt werden. Hürthle stellte also die Hypothese auf, dass mit sinkendem Druck infolge geringerer Dehnung der Gesamtquer- schnitt der Bahn abnehme und damit der Widerstand entsprechend dem P.’schen Gesetze ansteige. Die unter Zuhilfenahme dieser Hypotlıese konstruierten Stromkurven zeigten dann eine befriedigende Übereinstimmung mit den registrierten. Auf Grund der vorliegenden Untersuchungen scheint mir die zweite Erklärungsmöglichkeit für die Zunahme der Widerstände bei sinkendem Drucke, nämlich die Viskositätszunahme des strömenden Blutes, mindestens ebenso berechtigt. Welche von beiden zutreffend ist, wage ich nicht zu entscheiden. Jedoch glaube ich, dass die von Hürthle beobachteten Abweichungen zwischen Theorie und Praxis, wenigstens zu einem Teile, dadurch zu erklären sind, dass seine Grundannahme von der Gültigkeit des P.’schen Gesetzes für den Tierkörper nicht zutreffend ist. Die endgültige Entscheidung in dieser Angelegenheit hoffe ich demnächst zu er- bringen, indem ich unter Verwendung der in dieser Arbeit be- schriebenen Technik tierische Organe statt der bisher be- nutzten Glaskapillaren zu durchströmen gedenke. Wenn ich die bisher vorliegenden Beobachtungen zusammenfasse, so glaube ich sehon heute zu der Äusserung berechtigt zu sein, dass das Poiseuille’sche Gesetz für die Strömung des Blutes im natürlichen Gefässsystem keine Geltung hat. 344 M. Rothmann: 2. Folgerungen hinsichtlich der Konstruktion von Blutviskosimetern. In einem kürzlich erschienenen Aufsatz „Kritische Untersuchungen über die Methoden der Viskosimetrie des Blutes“ !) habe ich die aus den vorliegenden Untersuchungen für die Konstruktion von Blut- viskosimetern sich ergebenden Folgerungen kurz dargelegt. Ich will an dieser Stelle nochmals darauf zurückkommen. Alle auf dem Poiseuille’schen Gesetze basierenden Viskosi- meter, also auch die zur Viskosimetrie von echten Flüssigkeiten bestimmten, müssen folgende Bedingungen erfüllen: 1. Die Kapillare muss aus einem die betreffende Flüssigkeit be- netzenden Material bestehen. Das Lumen der Kapillare muss zylindrisch sein. Die Kapillare muss horizontal sein. 4. Die Dimensionen der Kapillare und der zur Anwendung ge- langende Druck müssen so beschaffen sein, dass die mittlere Stiromgeschwindigkeit nicht über die Grenze hinausgeht, jen- seits deren die „lineare“ Strömung aufhört (s. S. 326). on D Diese für die Viskosimetrie echter Flüssigkeiten ausreichenden Bedingungen müssen für Suspensionsflüssigkeiten, also auch für das Blut, erweitert werden. Wir haben gesehen, wie sehr die sogenannte „Viskosität“ des Blutes vom Durchmesser der Kapillare und von der Grösse des treibenden Druckes abhängig ist (es soll hier vom Einfluss der relativen Körperchenzahl abgesehen werden), ohne leider eine exakte Formel für diese Abhängigkeit geben zu können. Aus dieser Eigentümlichkeit des Blutes folgt, dass die mit verschiedenen Viskosimetern festgestellten Werte der inneren Reibung des Blutes nicht verglichen werden können, da die Dimensionen der verwandten Kapillaren meist unbekannt, die benutzten Drucke verschieden waren. Sollten daher diein Zukunftauszuführenden Messungen der Blutviskosität vergleichbare Resultate liefern, so wird es erforderlich sein, sich über die Dimensionen derKapillare und über die Höhe destreibendenDruckes zu einigen. Wenn man diese Thesen zugrunde legt, so scheiden aus der 1) M. Rothmann, Kritische Untersuchungen über die Methoden der Vis- kosimetrie des Blutes. Berliner klin. Wochenschr. 1913 S. 1013. Ist das Poiseuille’sche Gesetz für Suspensionen gültig? 345 Reihe der theoretisch einwandfreien Viskosimeter diejenigen von Determann!) sowie Hirseh und Beck?) schon deshalb aus, weil sie eine senkrecht stehende Kapillare verwenden. Dass der bei beiden Apparaten zur Anwendung gelangende niedrige Druck (452 mm Benzol —= 400 mm H,O) verhältnismässig hohe Werte der Blutviskosität ergibt, folgt aus dem früher Gesagten. Von den übrigen Blutviskosimetern scheint mir das von Walter Hess?) an- gegebene das theoretisch beste zu sein. Zu verlangen wäre jedoch auch hier, dass die Kapillardimensionen angegeben und bei allen Apparaten übereinstimmend gehalten würden. Desgleichen wäre die Anbringung eines Manometers erforderlich, welches gestattet, jedesmal denselben Druck zur Anwendung zu bringen. D. Zusammenfassung. 1. Es wird eine registrierende Methode angegeben, welche ge- stattet, Flüssigkeiten daraufhin zu untersuchen, ob sie dem Poi- seuille’schen Gesetze folgen oder nicht. 2. Mittels dieser Methode wird an Glaskapillaren festgestellt, dass das Poiseuille’sche Gesetz für Suspensionsflüssigkeiten keine Geltung hat, dass vielmehr der Viskositätskoeffizient der Suspensionen (Blut) eine vom treibenden Druck und dem Quotienten aus Körperchen- grösse und Kapillardurchmesser abhängige Grösse ist, es sei denn, dass der Wert dieses Quotienten klein und zugleich die relative Zahl der Körperchen gering ist. 3. An der Hand der gewonnenen Resultate und der vorliegenden 1) Determapn, Zur Methodik der Viskositätsbestimmung des menschlichen Blutes. Münchener med. Wochenschr. 1906 S. 905. — Determann, Klinische Untersuchungen der Viskosität des menschlichen Blutes. Zeitschr. f. klin. Med. Bd. 59 S. 283. 1906. — Determann, Ein einfaches, stets gebrauchsfertiges Blutviskosimeter. Münchener med. Wochenschr. 1907 S. 1130. 2) C. Hirsch und C. Beck, Studien zur Lehre von der Viskosität (inneren Reibung) des lebenden menschlichen Blutes. Deutsch. Arch. f. klin. Med. Bd. 69 S. 508. 1901, und Bd. 72 S. 560. 1902. — C. Hirsch und C. Beck, Eine Methode zur Bestimmung des inneren Reibungswiderstandes des lebenden Blutes beim Menschen, Münchener med. Wochenschr. 1900 S. 1685. 3) Walter Hess, Ein neuer Apparat zur Bestimmung der Viskosität des Blutes. Münchener med. Wochenschr. 1907 S. 1590. — Walter Hess, Die Bestimmung der Viskosität des Blutes. Münchener med. Wochenschr. 1907 S. 2225. — Walter Hess, Die Viskosimetrie des Blutes. (Beitrag zur Apparate- frage.) Med. Klin. 1909 Nr. 37. 346 » M. Rothmann:' Literatur wird untersucht, ob auch für den natürlichen Kreislauf die Ungültigkeit des Poiseuille’schen Gesetzes wahrscheinlich ist. 4. Die vorhandenen Blutviskosimeter werden auf Grund der erhaltenen Resultate einer Kritik unterzogen und die für die Kon- struktion derartiger Apparate erforderlichen Bedingungen formuliert. Literatur. I) R. du Bois-Reymond, T. G. Brodie und Franz Müller, Der Einfluss der Viskosität auf die Blutströmung und das Poiseuille’sche Gesetz. Arch. f. (Anat. u.) Phys. 1907 Suppl. S. 37. 2) Burton-Opitz, Über die Veränderung der Viskosität des Blutes unter dem Einfluss verschiedener Ernährung und experimenteller Eingriffe. Pflüger’s Arch. Bd. 82 S. 447. 1900. 3) Burton-Opitz, Vergleich der Viskosität des normalen Blutes mit der des Oxalatblutes, des defibrinierten Blutes und des Blutserums bei verschiedener Temperatur. Pflüger’s Arch. Bd. 32 S. 464. 1900. 4) Determann, Zur Methodik der Viskositätsbestimmung des mensch- lichen Blutes. Münch. med. Wochenschr. 1906 S. 905. 5) Determann, Klinische Untersuchungen der Viskosität des menschlichen Blutes. Zeitschr. f. klin. Med. Bd. 59 S. 283. 1906. 6) Determann, Ein einfaches, stets gebrauchsfertiges Blutviskosimeter. Münch. med. Wochenschr. 1907 8. 1150. 7) C. A. Ewald, Über die Transpiration des Blutes. Arch. f. (Anat. u.) Phys. 1877 S. 208. 8) J. Glaubermann, Der Einfluss des Druckes auf den Koeffizienten der Blutviskosität. Berlin. klin. Wochenschr. 1912 S. 1991. 9) Grüneisen, Über die Gültigkeitsgrenzen des Poiseuille’schen Ge- setzes. Die Bewegung tropfbarer Flüssigkeiten durch gerade und gewundene Kapillaren. Wissensch. Abhandl. d. physik.-techn. Reichsanstalt Bd.4 S.151. 1905. 10) Helmholtz, Zur Theorie der stationären Ströme in reibenden Flüssig- keiten. Heidelberg 1869. 11) Helmholtz und Piotrowski, Über Reibung tropfbarer Flüssigkeiten. Sitzungsber. d. k.k. Akad. in Wien. Mathem.-naturw. Klasse Bd. 40 Abt. II. 1860. 12) Walter Hess, Viskosität des Blutes und Herzarbeit. Vierteljahrsschr. d. naturforsch. Gesellsch. in Zürich 1906 S. 236. 13) Walter Hess, Ein neuer Apparat zur Bestimmung der Viskosität des Blutes. Münch. med. Wochenschr. 1907 S. 1590. 14) Walter Hess, Die Bestimmung der Viskosität des Blutes. Münch. med. Wochenschr. 1907 S. 2225. 15) Walter Hess, Der Einfluss warmer Bäder auf die Viskosität des Blutes. Wien. klin. Rundsch. 1908. Ist das Poiseuille’sche Gesetz für Suspensionen gültig? 347 16) Walter Hess, Die Viskosität des Blutes bei Gesunden. Deutsch. Arch. f. klin. Med. Bd. 94 S. 404. 1908. 17) Walter Hess, Die Viskosimetrie des Blutes. (Beitrag zur Apparaten- irage.) Med. Klin. 1909 Nr. 37. 18) Walter Hess, Blutviskosität und Blutkörperchen. Pflüger’s Arch. Bd. 140 S. 354. 1911. 19) Walter Hess, Reibungswiderstand des Blutes und Poiseuille’sches Gesetz. Zeitschr. f. klin. Med. Bd. 71. 1911, und Bd. 74. 1912. 20) Walter Hess, Der Einfluss des Druckes auf den Koeffizienten der Blutviskosität. Berliner klin. Wochenschr. 1913 S. 197. 21) W. Heubner, Die „Viskosität“ des Blutes. Arch. f. experim. Pathol. u. Pharmakol. Bd. 53 S. 280. 1905. 22) W. Heubner, Die Viskosität des Blutes. Bemerkungen zur gleich- namigen Arbeit von ©. Beck und C. Hirsch, Arch. f. experim. Pathol. u. Pharmakol. Bd. 54 S. 149. 1906. 23) C. Hirsch und C. Beck, Studien zur Lehre von der Viskosität (inneren Reibung) des lebenden menschlichen Blutes. Deutsch. Arch. f. klin. Med. Bd. 69 S. 503. 1901, und Bd. 72 S. 560. 1902. 24) C. Hirsch und C. Beck, Eine Methode zur Bestimmung des inneren Reibungswiderstandes des lebenden Blutes beim Menschen. Münch. med. Wochenschr. 1900 S. 1685. 25) C. Hirsch und C. Beck, Die Viskosität des Blutes. Arch. f. exp. Path. u. Pharm. Bd. 54 S. 54. 1906. 36) K. Hürthle, Über eine Methode zur Bestimmung der Viskosität des lebenden Blutes und ihre Ergebnisse. Pflüger’s Arch. Bd. 82 S. 415. 1900. 27) K. Hürthle, Über die Beziehung zwischen Druck und Geschwindigkeit des Blutes in den Arterien. Pflüger’s Arch. Bd. 147 S. 509. 1912. 28) H. Jacobson, Beiträge zur Hämodynamik. Arch. f. Anat. u. Physiol. 1860 S. 80. 29) H. Jacobson, Zur Einleitung in die Hämodynamik. Arch. f. Anat. u. Physiol. 1861 S. 304. 30) H. Jacobson, Beiträge zur Hämodynamik. Arch. f. Anat. u. Physiol. 1862 S. 683. 31) J. v. Kries, Über das Verhältnis der maximalen zur mittleren Ge- schwindigkeit beim Strömen von Flüssigkeiten in Röhren. Festschr. f. ©. Ludwig zu seinem 70. Geburtstage. Leipzig 1837. 32) Benno Lewy, Die Regulierung der Blutbewegung im Gehirn. Virchow’s Arch. Bd. 122 S. 146. 1890. 33) Benno Lewy, Die Reibung des Blutes. Pflüger’s Arch. Bd. 65 S. 447. 1897, 34) Benno Lewy, Über die Adhäsion des Blutes an der Wandung der Blutgefässe. Arch. f. (Anat. u.) Phys. 1899 Suppl. S. 89. 35) Münzer und Bloch, Weitere Beiträge zur Kritik der Viskositäts- bestimmungsmethoden. Zeitschr. f. experim. Pathol. u. Therap. 1912. 36) Poiseuille, Recherches experimentales sur le mouvement des liquides Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd, 155. 23 348 M. Rothmann: Ist das Poiseuille’sche Gesetz für Suspensionen gültig? dans les tubes .de tres-petits diametres. Memoires present. par div. savants & l’acadömie royale des sciences de l’institut de France t. 9. 1846. 37) Poiseuille, Recherches experimentales sur le mouvement des liquides de nature differente dans les tubes de tres-petits diametres. Annal. de Chim. et Phys. Trois. Ser. t. 21. 1847. 38) Poiseuille, Recherches sur les causes du mouvement du sang dans les vaisseaux capillaires. Memoires present. par div. savants etrang. a l’academie royale des sciences de l’institute de France t.7. 1841. 39) M. Rothmann, Kritische Untersuchungen über die Methoden der Vis- kosimetrie des Blutes. Berlin. klin. Wochenschr. 1913 S. 1013. 40) Alexis Schklarewsky, Über das Blut und die Suspensionsflüssigkeiten. Pflüger’s Arch. Bd. 1 S. 603. 1868. 41) R. Thoma, Die Viskosität des Blutes und seine Strömung im Arterien- system. Deutsch. Arch. f. klin. Med. Bd. 99 8. 565. 1910. 42) F. Trommsdorf, Untersuchungen über die innere Reibung des Blutes und ihre Beziehung zur Albanese’schen Gummilösung. Arch. f. experim Pathol. u. Pharmakol. Bd. 45 S. 66. 1901. Pflüger’s Archiv f. d. ges. Physiologie. Verlag von Martin Hager, Bonn. Bd. 155. \ } ) ; 0:7 E - : I 5 > Fig. 1. Tafel- IV. -C. J. Rothherger und H. Winterberg: Berichtigung. 349 Berichtigung zu der Arbeit „Studien über die Bestimmung des Ausgangspunktes ventrikulärer Extrasystolen mit Hilfe des Elektrokardiogramms“ in Band 154. Von Prof. ©. 3. Rothberger und Prof. H. Winterberg. In der auf S. 576 befindlichen Anmerkung 5 haben wir die Ansicht ausgesprochen, dass die von Hering in der Deutschen medizinischen Wochenschrift vom 14. November 1912 abgebildeten Fig. 11 und 12 verwechselt sein dürften. Nachdem uns nun Prof. Hering auf unseren Irrtum aufmerksam gemacht hat, stellt sich heraus, dass wir seine Darstellung missverstanden haben. Er reizte den rechten Anteil der dem linken Ventrikel angehörenden Herzspitze und er- hielt so Extrasystolen, welche bei Ableitung I den rechtsseitigen, bei Ableitung Anus-Ösophagus jedoch den linksseitigen Typus aufwiesen. Dieser Befund, welcher bereits ein Jahr vor dem Erscheinen unserer Arbeit erhoben wurde, stimmt demnach mit unseren Ergebnissen voll- kommen überein. Der in derselben Anmerkung abgedruckte Satz: „Wir haben niemals nach Reizung des linken Ventrikels bei Ableitung I eine rechtsseitige Extrasystole gesehen ,* ist aus einer früheren Fassung unserer damals noch unvollständigen Arbeit irrtümlich stehengeblieben und steht in Widerspruch zu unseren Ergebnissen. Die Anmerkung 5 wäre daher vollständig zu streichen. 23 * 350 W. Storm van Leeuwen: Druckfehlerberichtigung. Druckfehlerberichtigung zu der Arbeit „Quantitative pharmakologische Untersuchungen über die Reflexfunktionen des Rückenmarkes an Warmblütern“* in Band 154 Seite 307. Von W, Storm van Leeuwen. Auf Seite 337 in der Überschrift zu Tabelle III lies: Gewichts-Prozenten statt gewonnenen Prozenten. 35l Die Anordnung und Funktion der Nervenzellen des Herzens des Menschen und der Tiere und ihre Verbindungen mit dem sympathischen, den cerebralen und spinalen Nerven. Von Prof. Joh. Dogiel in Kasan. (Mit 10 Textfiguren und Tafel V—VI.) Eine zeitgemässe Vorstellung über die Herzfunktion beim Menschen und bei den Tieren lässt sich ohne eingehende anatomische und physiologische Erforschung dieses Organs nicht bilden. l. Anatomische Daten. Im 142. Bande des Archivs f. d. ges. Physiologie hat Joh. Dogiel die Verbindung des Hundeherzens an der rechten Körper- hälfte mit dem Gangl. nodosum n. vagi!), mit fünf Nervenfäden vom Vagus und dem N. recurrens, N. depressor, dem Gangl. stellatum und der Ansa Vieusseni demonstriert. Bei einem und demseiben Hunde ist der Verlauf der aufgezählten Nerven aber links anders als rechts, besonders in bezug auf den Anfangsteil des N. reeurrens n. vagi sinistri und den Vagus selber. Auf Taf. V bringt die Zeichnung Nr. 1 Fig. A und Fig. B die Verteilung der Nerven rechts (Fig. A) und links (Fig. B) beim Hunde. Auf derselben Tafel (V) sieht man an den Zeichnungen Nr. 2 und Nr. 3 die Verteilung der Herznerven links bei zwei verschiedenen Hunden, wobei ebenfalls einige Verschiedenheiten in bezug auf den Ursprung und den Verlauf der Nerven entsprechend dem Aortenbogen, der Abgangsstelle und dem Verlauf des N. recurrens nebst der von dem 1) Prof. K. Holzmann und Prof. J. Dogiel, Über die Lage und den Bau des Gangl. nodosum n. vagi bei einigen Säugetieren. Separatabzug aus dem Arch. f. Anat. u. Physiol., anatom. Abt. 1910. Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd. 155. 24 352 Joh. Dogiel: Bogen des letzteren abgehenden Nervenzweige (Nr. 2 Fig. A) ver- merkt werden müssen. So entspringt der N. recurrens fast oberhalb des Aortenbogens (> n. recur.), geht schief über die Oberfläche der Aorta bis zu deren unterem Rande, wo er plötzlich sich unter das Gefäss versenkt, um darauf zwischen der Trachea und dem Speise- rohr, parallel dem linken Vagus, hinauf zu ziehen, wobei er vom Gangl. cerv. inf. n. sympathiei einen fast rechtwinklig abzehenden, ziemlich starken Nervenfaden (a—a;,) erhält. Mehr nach rechts sieht man vom oberen Rand des Aortenbogens einen Nervenfaden (de), der sich mit dem N. recurrens unter spitzem Winkel vereinigt. Vom Gangl. cervic. inf. und vom Vagus gehen zwei Nervenfäden ab: der eine (@aY) zieht zum Aortenbogen und versenkt sich unter denselben, der andere (bV) kreuzt den Bogen und endet gabel- förmig am Anfangsteil des Arcus aortae; ebenso sieht man vom Vagus unterhalb der Abgangsstelle des N. recurrens einen Nerven- faden (cV) abgehen, welcher, gabelförmig in Zweiglein sich auf- lösend, am Vorhof sich verliert. Vom N. recurrens entspringen, während er längs des Aortenbogens verläuft, vier Nervenfäden (Z, 2, 5, 4) und enden am Vorhofe. Endlich erblickt man links einen ziemlich starken Nervenast (a); welcher vom Gang]. cervie. inf. und wahrscheinlich auch vom Vagus seinen Anfang nimmt, sich alsbald in zwei Zweige %, und y spaltet und hernach wieder zu einem Ast ß, vereinigt und zum linken Herzohr geht. Von einem dieser Zweige (y) geht ein Verbindungsast zum Vagusstamm (7) unterhalb der Abgangsstelle des N. recurrens ( N. r.). Nr. 3 Fig. B bringt das Herz eines anderen Hundes, wo der Aortenbogen auspräpariert und zurückgeschlagen ist (+4 a,), um den vom N. recurrens ge- bildeten Bogen (AR), von welchem Nervenfäden zum Herzen gehen (1, 2, 3, 4), zur Anschauung zu bringen. Ferner sieht man vom Gang]. cervic. inf. und vom Vagus drei Nervenfäden, welche sich zu einem Stamm vereinigen (7, 2, 3), abgehen und unter dem Aortenbogen enden; ebenso gehen vom Gangl. cervie. infer. Nerven- fäden (s, S), Ss) zum Herzen. Auf der Taf. V in Fig. 4 ist das um die Hälfte verkleinerte Herz eines grossen Hundes mit Nerven und Gefässen und einem Teil der Trachea (7) und des Ösophagus (E) abgebildet. Man sieht das Gangl. cervie. inf. n. sympathiei (@. ce. i.N.5.), den ersten Brustknoten (@. t. I), den Vagus mit dem N. recurrens (V und R), die Ansa Vieusseni (A. V). Der Vagus sendet zuerst vier (7, 2, 3, £) und dann noch einen fünften Faden (5 Rb), Die Anordnung und Funktion der Nervenzellen des Herzens etc. 3553 und die Ansa Vieusseni schickt einen Nervenstamm (8), der, sich gabelförmig teilend, längs dem Aortenbogen zum Herzohr sich begibt (51, Sa, Sy, Sy S5, Se). Der erste Brustknoten gibt zwei (7, 2,) sich durch eine Faser verbindende Fäden zum Herzen. Mit einem der- selben vereinigt sich s,. Vom N. reeurrens gehen zwei Ästchen (1, 2) an die-Fläche des Aortenbogens. Vom Vagus (Taf. V Nr. 4) gehen in verschiedener Höhe fünf Nervenfäden (1, 2, 3, 4, 5) ab, von welchen 3 und £ zur Herzbasis ziehen, wobei sie sich gabel- förmig teilen. Der fünfte (5) Faden vom Vagus gesellt sich zum Bogen des N. recurrens, welcher nach der Umschlingung des Aorten- bogens, wie gewöhnlich, zwischen der Trachea und dem Speiserohr hinaufgeht und am obersten Abschnitt durch einen Querast (aa,) mit dem Vagus sich noch verbindet. Bisher war die Rede über die von aussen rechts und links vom Vagus und seinen Ästen, vom Gangl. cervie. inf. und vom ersten Brustknoten (Gangl. stellatum) und von der Ansa Vieusseni zum Herzen tretenden Nerven. Jetzt wollen wir zur Besprechung der Verteilung der Nervenelemente im Herzen selber übergehen. Schon im 135. Bande des Arch. f. d. ges. Physiologie S. 25 habe ich an mit 1°/oiger Osmiumsäure behandelten Präparaten den Verlauf und die Lage der Nerven und Nervenzellen im Hundeherzen (Fig. 25, 26, 27 und 28) vorgeführt: die ersteren in der Form von schwarzen Linien, die letzteren als verschieden grosse schwarze Punkte — an der Vena cava ascendens, dem rechten Herzohr (Fig. 25), an der Vena cava descendens (Fig. 26), an der Vena cava descendens, dem rechten Herzohr, dem Arcus aortae, der Vena pulmonalis (Fig. 27), am Arcus aortae, der Vena pulmonalis, dem rechten und linken Herzohre (Fig. 28); ebenso noch früher im Arch. f. mikrosk. Anatomie Bd. 14 S. 470 Taf. XXVIII Fig. 11—14. Die vorliegende Untersuchung der Ganglien und Nervenzellen in der Nähe der Hohlvenenöffnung und am rechten Herzohr bietet besonderes Interesse wegen des Verhältnisses der Nervenzellen zu den Nerven. Auf Taf. VI Fig. 1 A sieht man einen Teil eines an der Vena cava descendens befindlichen, mit 1°/o iger Osmiumsäure be- Syst. 3 Okul. 4 zahlreichen Nervenfäden, und zwischen den letzteren befindet sich eine Gruppe von Nervenzellen, welche bei stärkerer Vergrösserung Be Syst. 6 (Leitz On handelten Nervenbündels bei Leitz Derselbe besteht aus ) sich als unipolar, mit Kernen und Kernkörperchen 24. * 354 Joh. Dogiel: versehen, erweisen und von einer dünnen Membran umhüllt sind (Taf. VI Fig. 1 A, a, 5b, c). An derselben Stelle der Vena cava descendens findet man sowohl ganze Bündel wie auch einzelne ver- schieden starke Nervenfäden (Taf. VI Fie. D, 1, 2, 3, 4 bei Leitz See > . An einer anderen unteren Hohlvene des Hundeherzens Okul. 4 erblickt man leicht mit blossem Auge ein punktförmiges Gebilde (Taf. VI Fig. 4, p), das bei stärkerer Vergrösserung (Leitz a) als ein aus zahlreichen Nervenzellen, zwei Nervenbündeln in der Nähe eines Blutgefässes bestehendes hufeisenförmiges Ganglion sich erweist (Taf. VI Fig. 4). An der Vena cava ascendens des Hundes erhält man eine aus drei Nervenknoten bestehende Gangliengruppe mit zahlreichen Zellen und Nervenfaserbündeln (Taf. VI Fig. 3 D, D, und D,, 1, 2, 3, 4, 5, 6 und 7). Drei Bündel (7, 2, 3) gehören zum mittelgrossen Nervenknoten (D,); der grösste Nervenknoten (D) hat mehrere Nervenfaserbündel (4, 5, 6, 7) und der kleinste (D,) ein ziemlich starkes Bündel von Nervenfasern (8). Fig. 5 der Taf. VI bringt ein mit zwei Fortsätzen versehenes (7, 2), an einen starken Nervenstamm («) sich anlehnendes Ganglion (@) des rechten Herzohrs. Der Nervenstamm wird von zwei anderen (b, c) gekreuzt, und das Ganglion ist von einer Seite in Fett eingehüllt. Eine andere Form von Verteilung der Nervenzellen (#7, F3) des rechten Herzohrs in einem Netz von Nervenbündeln (a, «a,, @s, As, Ay) und eine isolierte Nervenzelle (bei Leitz a sieht man in Fig. 6 der Taf. VI. Es ist mir gelungen, die Verbindung eines vom Vagus zur Mündung der Vena cava ascendens ziehenden Nervenfadens mit den dort befindlichen Nervenzellen nachzuweisen [Arch. f. d. ges. Physiol. Bd. 142 S. 138; Tafelerklärung Nr. 2: Ein Teil der Mündung von der Vena ascendens mit Nervenzellen (a, c) und Verzweigungen des Nervenfadens 5 Fig. A Nr. 1]. Ähnliche Ver- hältnisse zwischen Nervenzellen und Nervenfäden hat man auf der hinteren membranösen Trachealwand beim Menschen und Hunde, wo die Zweige der oberen Kehlkopfnerven ein Netz bilden, worin Nervenknoten eingebettet sind, welche miteinander in Verbindung stehen. Ein solches Ganglion bringt Taf. VI Fig. 7 nach Be- 3 arbeitung mit 1°/oiger Osmiumlösung bei Leitz [ Tubus —= 20: Die Anordnung und Funktion der Nervenzellen des Herzens etc. 355 das Ganglion (@) mit Nervenfäden (b, b) und Nervenzellen; über dasselbe ziehen myelinhaltige Nerven (a, «) und Blutgefässe (v, v). Am bedeutendsten ist die Zahl der Nervenzellen des Hunde- herzens an der Mündung der Hohlvenen, am Vorhof, dem rechten Herzohr und an der Atrioventrikulargrenze. Beim Kalbe verteilen sich die Nervenknoten, je nach der Entwicklungsphase des Herzens, spiralförmig von der Atrioventrikulargrenze bis zur Herzspitze (Arch. f. d. ges. Physiol. Bd. 135 Taf. I Fig. 4, 5, 6). Das Froschherz besitzt ausser den Remak’schen Knoten an der Eintrittsstelle der Nerven in den Sinus, längs den an der Atrienscheidewand ver- laufenden Nerven gelegenen Gangl. Ludwigi, Gangl. Bidderi, noch die zwischen den Schichten der quergestreiften Ventrikel- muskulatur im oberen Drittel der letzteren, entsprechend dem rechten und linken Zipfel der Atrioventrikularklappen, gelagerten Ganglia ventrieularia Dogieli (Arch. f. d. ges. Physiol. Bd. 135 S. 30 u. 31). Nachgewiesen sind Nervenzellen im Herzen von Astacus fluviatilis und Homarus vulgaris (J. Dogiel im Arch. f. mikr. Anat. Bd. 43), bei Esox lueius, Aceipenser ruthenus, Corethra plumicornis (M&moires de l’Acad. Imp. des sciences du St.-Petersbourg, t. 11 p. 24 nr. 10. 1877) und ebenfalls in den Herzen von Mollusken (J). Dogiel, Die Muskeln und Nerven des Herzens bei einigen Mollusken. Arch. f. mikr. Anat. Bd. 14). A. J. Carlson hat am Herzen von Limulus auf ein besonderes Verhalten der Nerven- elemente zu der Muskulatur hingewiesen. Somit zeigt die ver- sleichende Anatomie, dass bei allen Tieren mit Herzen im letzteren Nervenzellen, Nervenknoten und Nervenfäden vorhanden sind. Oben ist erwähnt worden, dass beim Kalbe die Herznervenzellen spiral- förmig von der Basis bis zur Spitze angeordnet sind (Arch. f. d. ges. Physiol. Bd. 135 Taf. I Fig. 1—7). Taf. II und III zeigen das Kalbsherz gleich nach der Bearbeitung mit 5°/oiger Phenollösung: man sieht die Nerven an der Oberfläche ebenfalls spiralförmig von der Basis zur Spitze verlaufen; indem sie sich in die Muskelmasse versenken, erscheinen sie am Endokardium unter dem Ventrikel- epithel (Arch. f. d. ges. Physiol. Bd. 135 Taf. II Fig. 8—9). So- mit ergibt es sich, dass die Nerven am Hunde-, Kalbs- und Menschen- herzen von aussen, unter dem Perikardiumepithel anfangend, durch das Myokardium hindurch bis unter das Endokardiumepithel ziehen. 396 Joh. Dogiel: Die Fähigkeit, sich zu vermehren, bei den Nervenzellen. Es ist durch zahlreiche Versuche festgestellt, dass die Nerven- zellen im Herzen von Menschen unter bestimmten pathologischen Einflüssen sich verändern können. Es frägt sich nun, ob den Nerven- zellen die Fähigkeit, sich während der Lebensdauer des Tieres zu vermehren, zukommt!)? Es muss in Betracht gezogen werden, dass wir in einer Hülle zwei ungleich grosse Zellen, beide mit Kernen und Kernkörperehen und Fortsätzen, antreffen können. Zwischen den ovalen Fortsätzen findet sich eine Masse mit scharf ausgesprochenen Kernkörperchen und ein Geflecht nervösen Charakters. Solche Zellen haben wir im Septum atriorum des Froschherzens nach der Bearbeitung mit 1°/oiger Osmiumsäurelösung vorgefunden (Arch. f. mikr. Anat. und Entwiecklungsgesch. Bd. 70 Taf. XIV Fig. 10 S. 796. 1907). Nervenzellen bei Esox lucius aus dem en Sinus, nach ‚Syst. Okul. S hüllenloser Protoplasmamasse mit zwei Kernen und Kernkörperchen und sind bipolar (Fig. 1: 7,2 Fortsätze, 3 und £ Kerne und -Kernkörperchen). Im Artikel von J. Dogiel und K. Holz- mann: Über die Lage und den Bau des Ganglion nodosum n. vagi bei einigen Säuge- tieren (Arch. f. Anat. u. Physiol., anat. Abt. 1910), bringt die Taf. VII Fig. 4, 5, 6 Nervenzellen aus dem Gangl. nodos. vom Hunde nach der Bearbeitung mit 1°/o iger Osmiumsäurelösung, Leitz der "Bearbeitung mit Trypsin Hartnack bestehen aus Fig. 2 zeigt eine Nervenzelle mit zwei Fig. 3 demonstriert eine Nervenzelle Kernen und Kernkörperchen aus dem Atrium eines Kaninchenherzens. «a Proto- plasma, b,b Kern mit Kernkörperchen, c Hülle. Sy 1 1 Hartnack Okul3' 1) J. Dogiel, des Herzens S. 17. mit einem am Einde verdickten Fortsatz aus dem Atrium eines Schildkröten- Syst. 7 OÖkul. 32. allgemeiner mehrschichtigen Hülle. herzens bei Hartnack Vergleichende Anatomie, Physiologie und Pharmakologie Kasan 1895. — Arch. f. mikr. Anat. Bd. 24. 1855. Die Anordnung und Funktion der Mervenzellen des Herzens etc. 357 Obj. 3 Okul. 4 körperchen (6—8); nn Nervenfasern; Fig. 5: zwei Nervenzellen (die grösste und die kleinste) aus dem Gangl. nodosum vom Hund bei Leitz !/ıa Immers. Okul. 4, Tubus bis zum elften Teilstrich ausgezogen; Fig. 6: zwei Nervenzellen (die grösste und die kleinste) aus dem Gang]. cervieale supremum n. sympathiei vom Hunde bei derselben Ver- grösserung wie Fig. 5. J. Dogiel (Einige Daten der Anatomie des Frosch- und Schild- krötenherzens. Arch. f. mikr. Anat. Bd. 70 S. 780. 1907) hat ebenfalls solche mit Kernen und Kernkörperchen ausgestatteten und mit zwei Fortsätzen versehenen, in eine Hülle ein- geschlossenen Nervenzellen aus der Vorhofs- scheidewand des Froschherzens abgebildet. Der- artige Zellen waren aber auch sowohl von ihm wie von anderen Forschern schon früher er- halten worden. Somit ist nicht zu verkennen, dass die grosse Zahl von Nucleoli in den Nerven- zellenkernen beim Frosche, Vogel, Kaninchen, Hunde und Kalbe einen beständigen Fund dar- stell. Ihr Verhalten zu den basischen und sauren Farbstoffen weist auf ihre verschiedene Zusammensetzung hin. Das spricht ge- wiss dafür, dass dem Kern und dem ee Kernkörperehen eine nicht geringe 5 Gehirn und Auge, Rolle bei der Entwicklung, dem Bau an 1a ie und der Tätigkeit der Nervenzellen Bee zukommen muss. Tubus ausgezogen; Fig. 4: mit Kern und sechs Kern- In den M&moires de l’Academie Imperiale des sciences de St.- Petersbourg t. 24 nr. 10 (1877) findet sich eine Arbeit von J. Dogiel: Anatomie und Physiologie des Herzens der Larve Corethra plumicornis. Betrachtet man die Larve bei Hartnack = — ——, während sie in einigen Tropfen Wasser schwimmt, so er- blickt man ein durch das ganze Tier ziehendes, sich periodisch kontrahierendes Rohr und zu beiden Seiten desselben einige Reihen doppelter Gebilde, welche bei jeder Zusammenziehung des Herzrohıs 358 Joh. Dogiel: ihre Stelle verändern. Diese kleinen Gebilde repräsentieren die Nervenelemente des Herzens der Mückenlarve-Nervenzellen. Jede dieser Zellen besteht aus körnigem Protoplasma mit einer geringen Menge gelben Pigments und aus einem Kern mit einem Fig. 5. Ein Glied des Herzrohrs mit geschlossenen Klappen e,e. b,b Nerven- zellen mit zwei, drei und vier Kernen, a,a netzförmig angeordnete flügelförmige Muskeln (d,d) mit Kernen (f, f), in welchen die Nervenzellen (b, b) liegen. Kernkörperchen. Die Zahl der Kerne nimmt mit der Entwicklung der Larve zu, so dass bis sieben Kerne in einer Zelle vorhanden sein können. In der vorgeführten Zelle erblickt man das Anfangs- stadium der Zweiteilung der Zelle links. Fortsätze gehen den Zellen Die Anordnung und Funktion der Nervenzellen des Herzens etc. 359 ab; es sind apolare Nervenzellen, d. h. solche, welche auf tiefer Stufe der Entwicklung stehen, wie sie auch bei höheren Tieren und beim Menschen in der Retina, im Hirn usw. auf gewisser Ent- wicklungsstufe angetroffen werden, nur mit dem Unterschiede, dass die apolaren Nervenzellen der Mückenlarve niemals die Entwicklungs- stufe erreichen können wie solehe der Tiere und des Menschen. Die Mückenlarve wächst, es wachsen auch die Nervenelemente in ihr; aber die Struktur derselben bleibt einfacher, als man glauben Fig. 7. Eine Nervenzelle aus dem Fig. 6.. Ein Teil des in Diastole befind- Herzen der Corethra plumicornis Syst. 8 mit drei Muskelfasern. Das Proto- Okul,; Um die plasma enthält zwei Kerne mit Hälfte verkleinert. a,d,b,c Öffnung im Rohr Kernkörperchen. a,« Teilung des (Ventrikel?)mitden Zellenc,d,h,%, 9,9 Muske]- Trachealrohrs, von welchem die fasern, f,f Nervenzellen mit einem oder zwei feinsten dem Protoplasma Sauer- Kernen. stoff zuführen. lichen Herzrohrs. Hartnack sollte. Das das Herzrohr und dessen Nervenzellen umstrickende Muskelnetz nimmt seinen Anfang an der Peripherie des Larven- körpers, wohin ein Nervenfaden (r) von der die Länge der Larve durchsetzenden Nerverkette (Arch. f. d. ges. Physiol. Bd. 135 S. 376 Fig. 37) zieht. Die Nervenzellen der Corethra plumicornis färben sieh mit Chlorgold, Methylenblau und 1°/oiger Osmiumsäurelösung. Das über die Vermehrungsfähigkeit der Nervenzellen bei voll- kommen ausgewachsenen Tieren Angeführte spricht nicht gegen eine 360 Joh. Dogiel: solche aus dem Protoplasma, den Kernen und Kernkörperchen; doch erfordert die Feststellung der Zeit und der Bedingungen einer solchen Evolution neue spezielle Untersuchungen. Die Herzmuskulatur. Das Herz des Menschen und der Tiere besteht aus quer- gestreiften Muskeln, ähnlich denen des Skeletts; nur die Hohlvenen und die Arterien und die Venen des Herzens selber enthalten glatte Muskeln. Bezüglich der im letzten Heft des Archivs für mikro- skopische Anatomie (XIV, 2) veröffentlichten Mitteilung von Stieda: Über quergestreifte Muskelfasern in der Wand der Lungenvenen, meint ©. Arnstein (Zur Kenntnis der quergestreiften Muskulatur in den Lungenvenen. Sep.-Abdr. a. d. Centralbl. f. d. med. Wiss. 1877 Nr. 39): „Ebenso innig ist wahrscheinlich der physiologische Zusammenhang dieser Teile; die quergestreifte Venen- muskulatur ist als klappenersetzender Apparat an- zusehen. Warum aber dieser Apparat sich bei den kleinen Säuge- tieren (Maus, Fledermaus, Ratte) bis an die Zweige geringen Kalibers erstreckt, während er bei anderen Säugetieren und bei Menschen nur bis an den Lungenhilus reicht, ist nicht klar. Verlangt viel- leicht die Kürze der Blutbahn zwischen Herz und Lunge bei den genannten Tieren ein stärkeres Präservativ gegen die umgekehrte Stromrichtung, die sich in den Lungenvenen während der Vorhofs- systole geltend macht?“ Mit den im Herzen vorhandenen Purkinje’schen Muskeln weisen gleichen Bau die Herzmuskelzellen von Salpa maxima auf: quergestreifte Zellen mit zwei oder drei Kernen; der Form nach sind es glatte Muskelfasern. Bei der Mückenlarve liegen die Nerven- zellen des Herzens in einem Netz feinster quergestreifter Muskel- fasern. Dieses Muskelnetz bildet eine direkte Fortsetzung der flügel- förmigen Muskeln an der Körperperipherie. Das periphere Ende des flügelförmigen Muskels ist beiderseits mit einem von der Ganglien- kette abgehenden Nervenfaden in Verbindung (Fig. 87 im Arch. f. d. ges. Physiol. Bd. 135). Es wäre noch anzuführen, dass die Herz- muskulatur von Peceten maximus sich in der Form von feinkörnigem Protoplasma von verschiedener Länge darstellt und weder der glatten noch der quergestreiften Muskulatur ähnlich ist (H artnacl u) Wir haben es in diesem Falle mit einer Art von kontraktiler Sub- Die Anordnung und Funktion der Nervenzellen des Herzens etc. 361 stanz zu tun, deren feinste Körnchen äusserst beweglich sind und je nach der Funktionsphase des Herzens — in der Systole — sich in Reihen von bestimmter Ordnung stellen, so dass der Anschein quer- gestreifter Muskulatur erweckt wird, während in der Diastole die Anordnung der Körnchen weder an quergestreifte noch an glatte Muskulatur erinnert. Fixiert man das Herz von Peeten maximus während der Systole mit 1°/oiger Osıniumsäure, so erhält man aus- gesprochen quergestreifte Muskellamellen. Unter gewissen Umständen erhält man nicht nur beim Fluss- krebs oder dem Hummer, sondern auch beim Frosch und anderen Tieren eine Verstärkung der einfachen Zuckung — Tetanus des Herzens. Nach den Beobachtungen von Wernicke (Inaug.-Diss. Jena 1876) und Bottazzi (Ricercha sulla museulaturi cardiale dell’ Emys europea in der Zeitschr. f. allg. Physiol. Bd. 6 S. 140. 1907) tritt der . Tetanus besonders leicht am embryonalen Herzen auf (Sullo soiluppo embrionale della funzione moloria negli organi a cellule museulari — Publicazioni del R. instituta di studi superiori Firenze). Temperaturschwankungen haben am Froschherzen bei Erhöhung von 20° auf 42° C. Beschleunigung und Stillstand, bei der Erniedrigung bis auf + 9°C. Tetanus in der Form von Summation der Einzelkontraktionen zur Folge (J. Dogiel und A. Avistow: Über den Einfluss plötzlichen Temperaturwechsels auf das Herz. Du Bois-Reymond’s Arch. S. 198 und russisch 1895). Die durch einen empfindlichen Hebel auf die rotierende Trommel ver- zeichnete Kurve der Herzkontraktionen vom Frosch oder anderen Tieren entsprieht der Kurve von den Kontraktionen der Skelett- muskulatur. Bei direkter Reizung des Herzens mittels Induktions- strom erhält man, je nach der Stärke des Stromes und der Frequenz der Schläge, entweder Stillstand in Diastole, oder Beschleunigung, oder eine Art Tetanus, oder endlich gar keine Veränderung der Herzschläge. Über derartige Mannigfaltigkeit der Herztätigkeit be- richten uns u. a. Bowditsch (Arb. aus d. physiol. Laborat. zu Leipzig. 1372) und Marey (La circulation du sang. Paris 1881). Ersterer hat zu diesem Zweck Versuche an der Herzspitze des Frosches angestellt; letzterer reizte das ganze isolierte Herz. Bowditsch bemerkte, dass die elektrische Reizung nicht immer auf die Herzspitze des Frosches wirkt: er unterscheidet eine Reizung, welche unfehlbar von einer Kontraktion begleitet wird, und eine solche, welche nur zeitweilig maximale Kontraktionen herbeiführt 362 Joh. Dogiel: (hinreichender Reiz). Ausserdem beobachtete Bowditsch eine be- sondere Art von Kontraktionen der Herzspitze, welchen er die Be- zeichnung „Treppe“ beilegte, d. h. wenn schwächere Kontraktionen allmählich langsamer und stärker werden. Diese „Treppe“ der: Kon- traktionen ist nach Bowditsch nicht von der Richtung und der Stärke des Induktionsstromes abhängig. Marey fand bei der elek- trischen Reizung des isolierten Froschherzens, dass die geringste Empfindlichkeit (la phase r6fractaire) während hbestimter Momente der Systole auftritt. Diese scheinbare Unempfindlichkeit des Herzens gegen elektrische Reizung dauert um so länger, je schwächer der Reiz ist. Erhöhte Temperatur verstärkt die Dauer der Un- empfindlichkeit (exeitations suffisantes: Marey; hinreichender Reiz nach Bowditsch). Nach der Einstellung der elektrischen Reizung bleibt die darauffolgende Diastole unverändert oder dauert länger als zewöhnlich; letzteres ist der Fall, wenn das Herz gegen die Reizung empfindlich geworden war, wie die von Marey in seinem Werk gegebenen Diagramme über die elektrische Reizung während der verschiedenen Phasen der Herztätigkeit lehren. Tatsächlich kann man sich davon überzeugen, falls man die Dauer der folgenden Diastole nach elektrischer Reizung während verschiedener Perioden der Herzkontraktionen in Betracht zieht, dass das grösste Hindernis für länger dauernde Diastole in der Intensität der systolischen Zu- sammenziehung des Herzens — dem Grade der Muskelkontraktion — und der Wirkung der Elektrizität auf die Muskulatur oder auf die Nerven und Muskeln eines solehen Herzens besteht: um dieses Hindernis zu beseitigen, ist eine stärkere Reizung erforderlich. Was nun die besondere Art von Kontraktionen der abgeschnittenen oder abgequetschten Herzspitze anbetrifft, welche von Bowditsch „Treppe“ benannt worden ist, so haben viele Untersucher sich bemüht, die Ursache dieser Erscheinung aufzudecken. Da J. Dogiel in der Herzspitze vom Frosch keine Nervenzellen vorfand, so wollte man in der „Treppe“ eine Reaktion der nervenlosen Muskelsubstanz auf elektrische Reizung sehen. Obgleich man nun in der Herzspitze des Frosches keine Nervenzellen nachweisen kann, so findet man dort aber doch Nervenfasern, und in der Herzspitze vom Kalb sind von J. Dogiel (Arch. f. mikr. Anat. Bd. 36 Taf. 20 Fig. 5 u. 6) u. a. ebenfalls ausser Muskeln Nerven nachgewiesen worden. Folg- lich kann die „Treppe“ von Bowditsch nicht durch besonderen Zustand der Muskelsubstanz der Herzspitze erklärt werden, sondern Die Anordnung und Funktion der Nervenzellen des Herzens etc. 363 muss vielmehr auf die hierbei zur Anwendung gelangten chemischen Agentien — Muskarin, Atropin und ähnlich wirkende Substanzen — zurückgeführt werden. Das mit Betain isomose in Agarieus musearius L. (Amantia muscaria Pers. f. fungi) zusammen mit Amanitin vorkommende Mus- (CH;); karin N$ C,H,O, löst sich leicht in Wasser und Alkohol, wenig in OH Chloroform und gar nicht in Äther. Mit Salz- und Schwefelsäure bildet es an der Luft zerfliessende Kristalle. Schmiedeberg er- hielt künstliches Muskarin durch Oxydation des Hydroxyläthylentri- methylammonium mittels starker Salpetersäure. E. Pelikan hat zuerst 1568 die Wirkung des Muskarins auf den Tierorganismus studiert und dem Schreiber dieser Zeilen die Wirkung dieses Alkaloids auf das Herz demonstriert. Hernach erschienen die Untersuchungen an Fröschen und Säugetieren von Schmiedeberg und Koppe (Das Muskarin. Leipzig 1869). Das Muskarin wirkt, wie aus den Versuchen von E. Pelikan und O. Schmiedeberg zu ersehen ist, auf das Herz wie die Reizung des peripheren Stumpfes vom durehschnittenen Vagus: es verursacht Verlangsamung und diasto- lischen Stillstand des Herzens. Nach Schmiedeberg soll die Wirkung des hemmenden Apparates durch dieses Mittel verstärkt werden. Den Herzstillstand durch das Muskarin könnte man auf dreierlei Art erklären: 1. durch stärkere Hemmung, 2. durch Ab- nahme der Tätigkeit des motorischen Apparates und 3. durch Ver- änderung der Kontraktionsfähigkeit der Herzmuskulatur. Die erste Möglichkeit ist, wie erwähnt, von Schmiedeberg und anderen Untersuchern zugelassen worden. W. H. Paskell (On the Inner- vation of the Heast. Journ. of Physiology vol. 3 no. 1. 1884) drückt sich ziemlich undeutlich aus, indem er annimmt, dass das Muskarin die Herzkontraktionen erschwere. Sydney Ringer (The Practi- tioner. 1381) glaubt, dass das Muskarin die Tätigkeit der motorischen Nervenknoten oder der Muskeln paralysiere, vielleicht auch beide Herzteile zugleich. Luchsinger und seine Schüler Petri (Bei- träge zur Lehre von den Hemmungsapparaten des Herzens. Inaug.- Diss. Bern 1880), Ol. Sokoloff (Physiologische und toxikologische Studien am Herzen. Diss. Bern 1881), Amalie Glause (Zur Kenntnis der Hemmungsmechanismen des Herzens. Diss. Bern 1884), ebenso wie Paskell (Journ. of Physiol. vol. 3 no. 1. 1884) be- 964 Joh. Do giel: haupten, dass der durch Muskarin bewirkte Herzstillstand in Diastole durch Paralyse der Herzmuskulatur zustande kommt. Fr. Williams (Arch. f. experimentelle Pathol. u. Pharmakologie Bd. 13) neigt mehr zu der Ansicht, dass Muskarin ähnlich dem Helleborin die Kraft der Herzkontraktionen hebe. Kobert (Arch. f. exper. Path. und Pharma- kologie Bd. 20) weist in einer eingehenden Arbeit über diese Frage auf die Tatsache hin, dass das Muskarin die Herzarbeit verstärkt, was bei der Atropinwirkung nicht der Fall ist, und zitiert Williams: „dass Muskarin in minimalen Dosen, wie schon Williams richtig angibt, die Leistungsfähigkeit des Herzens, wenigstens den unter seiner Einwirkung aufgeschriebenen Kurven nach zu urteilen, wahrnehmbar steigert‘“. Die Ansicht Luchsinger’s und seiner Schüler kann somit nach Kobert nicht richtig sein, dass die Wirkung des Muskarins- in der Herabsetzung der Kontraktionsfähigkeit der Herzmuskulatur bestehe. Die auf den diastolischen Herzstillstand basierte Annahme einer Herabsetzung der Tätigkeit des motorischen Apparates durch das Muskarin erscheint plausibel, erfordert aber eine Erörterung, was unter motorischem Nervenapparat zu verstehen ist. Während der Muskarinwirkung sieht man jedesmal verstärkte peristaltische Bewegungen des Macen-Darmkanals, welche durch Reizung des peripheren Vagusstumpfes am Halse z. B. des Hundes noch zu- nehmen, während die Reizung des zentralen Stumpfes (Vagus sym- pathieus) Pupillenerweiterung bewirkt. Obgleich die Herzspitze beim Frosche nach J. Dogiel, wie erwähnt (Arch. f. mikr. Anat. Bd. 36 Fig. 5 u. 6), keine Nervenzellen enthält, so findet man dort doch eine bedeutende Anzahl von Nervenfasernverzweigungen des N. vagus: und der Acceleratoren. Eine solche Herzspitze, wenn das Tier vor- her mit Muskarin vergiftet worden war, schläst, trotzdem sie von den übrigen, Nervenzellen enthaltenden Herzteilen abgetrennt ist. War das Herz des Hundes durch Muskarin zum Stillstand in Dia- stole gebracht, so zieht es sich zusammen, falls man den peripheren Stumpf der durchschnittenen Ansae Vieussenii in der Richtung zum unteren Halsknoten reizt, und steht wieder still, sobald man aufhört, zu reizen. Dasselbe behauptet auch E. Weinzweig (Du Bois- Reymond’s Arch. 1882: „Über das Verhalten des mit Muskarin vergifteten Herzens gegen seine Nerven“). Er fand, dass die Reizung der Acceleratoren des unter dem Einfluss von Muskarin befindlichen Herzens eine Beschleunigung der Herzkontraktionen bewirkt, diese Nerven folglich nicht paralysiert, sondern nur in ihrer Tätigkeit ge- Die Anordnung und Funktion der Nervenzellen des Herzens etc. 365 hemmt sind. Dass die Herzmuskulatur nicht gelähmt ist, beweist folgender einfacher Versuch: Die Reizung einer beschränkten Stelle des durch Muskarin in Diastole zur Ruhe gebrachten Froschherzens mittels einer Nadelspitze hat eine lokale Kontraktion zur Folge, welche nach der Einstellung der Reizung wieder verschwindet. Bringt man auf das durch Muskarin in Diastole zum Stillstand ge- brachte Herz Atropinlösung, so fängt das Herz wieder an zu schlagen. Somit stellt die Ausschaltung der Vaguswirkung die Funktion des Herzens wieder her. Sehr geringe Dosen von Muskarin rufen beim Menschen und Hunde, nicht aber beim Kaninchen, nach O. Schmiede- berg Pulsbeschleunigung hervor. Auch Navrocki („Zum Studium der Muskarinwirkung“ in Wratschebni Wedomosti. St. Petersburg 1880) sah nach Applikation geringer Dosen von Muskarin (0,0005) bei Hunden, Katzen und Kaninchen bei unverletzten Nn. vagi Puls- beschleunigung und Blutdruckabnahme eintreten. Nach der Durch- trennung der Nn. vagi sank der Blutdruck; die Beschleunigung der Herzschläge hielt, aber nicht lange, an. Die Ursache der Beschleunigung der Herzschläge sieht Navrocki im Sinken des Blutdruckes. Bei Fröschen verändert sich die Herztätigkeit nicht so schnell wie bei Warmblütern (Hund, Katze). Der durch Muskarin bewirkte diasto- lische Herzstillstand hält beim Frosche lange an, und es ist schwer, durch grosse Dosen eine Beschleunigung zu erhalten. Bei Insekten (Corethra plumiecornis) ruft Muskarin keinen Stillstand oder Ver- langsamung, sondern eher eine Beschleunigung der Herzschläge her- vor (J. Dogiel, M&moires de l’Acad. d. sciences St. Petersb. tom. 24. serie 7 no. 10). Auf Grund seiner Untersuchungen über Herz- tetanus und vorzüglich über die Muskarinwirkung kam Dr. med. Anton Walther zu folgenden Schlüssen: „l. Die durch Muskarin erzeugte Fähigkeit des Ventrikels zu Superpositionen und Tetanus wird durch Atropin aufgehoben. 2. Um seine Wirkung zu äussern, muss das Muskarin auf den Ventrikel direkt einwirken; Muskarin- vergiftung des Sinus allein ändert nichts am Verhalten des Ventrikels segenüber künstlichen Reizen. 3. Eine eingeschaltete Vagusreizung bringt keine sichtbare Änderung in dem Verlauf des Ventrikeltetanus hervor. 4. Auch der mit Muskarin vergiftete Vorhof vermag Super- positionen und Tetanus zu geben.“ (Zur Lehre vom Tetanus des Herzens im Arch. f. d. ges. Physiol. Bd. 78 S. 617.) Somit muss die „Treppe“ von Bowditseh als ein Zeichen des Absterbens oder der Ermüdung des neuro-muskulären Apparates der abgeschnittenen 366 Joh. Dosgiel: oder abgequetschten Spitze des Froschherzens aufgefasst werden, da die Muskulatur des Herzens durch Muskarin nicht gelähmt wird und die Reizung des zum Herzen gehenden Stumpfes von der durch- schnittenen Ansae Vieussenii (bei mit Muskarin vergifteten Hunden) Beschleunigung der Herzschläge herbeiführt (J. Dogiel, E. Wein- zweig), was ebenso wie beim Frosche darauf hinweist, dass keine Paralyse des Nerven vorliegt. Die Reizung der Acceleratoren gibt ebenfalls Beschleunigung, und nach der Applikation von Atropin bleibt die „Treppe“ aus, wie Bowditsch selber schon angegeben hat. Nach unserer Meinung handelt es sich hier um Absterben oder Erschlaffung des neuro-muskulären Apparates, und je nachdem, ob Nerven oder Muskulatur zuerst erschlafft, erhält man eine allmähliche Erhöhung der Kurve. Anton Walther sagt in bezug auf die Er- klärung der „Treppe“ von Bowditsch in seiner oben zitierten Arbeit: „Kronecker (1874) hat hierfür eine Erklärung in der Annahme gesucht, dass bei jeder Kontraktion der durchströmten Herzspitze ein Teil der während der Ruhe angehäuften Verbrauchs- stoffe aus dem Gewebe ausgepresst und mit der Durchströmungs- flüssigkeit fortgeführt wurde; dadurch befreie sich der Herzmuskel von schädlichen Stoffen und werde zu grösseren Leistungen befähigt. Dieser Erklärung ist jedoch entgegenzuhalten, dass die ‚Treppe‘ auch am myographisch beobachteten isolierten Herzen, welches von keiner nährenden Flüssigkeit durchspült wird, in ganz prägnanter Weise zur Anschauung kommt.“ Ich glaube, dass dieser Schluss nieht ganz stimmt, besonders, wenn man die abgequetschte Herz- spitze in Betracht zieht. Das Verhältnis der Nerven zum Epikardepithel, zur Muskulatur des Myokards und zum Endokardepithel. Dieses Verhältnis demonstrieren drei Tafeln (I, II, III) im Archiv f. d. ges. Physiologie Bd. 135 mit Beschreibung im Text und Er- klärungen der Tafeln selber. So sieht man auf Tafel III Fig. 10 ein Kalbsherz in normaler Grösse mit einem Teil der grossen Gefäss- stämme (V) und einem Teil der Koronargefässe (v, v). Durch Be- handlung mit 5°oiger Phenollösung sind die Nerven an der Herz- oberfläche sichtbar geworden {n, n), a, «' Herzohren, f Fettablagerung. Ebenso treten die Nerven hervor nach der Behandlung der Herzen vom Kalb (auch Hunde, Kaninchen usw.) mit 0,2°/oiger Essigsäure- Die Anordnung und Funktion der Nervenzellen des Herzens etc. 367 lösung. Taf. II Fig. S: Endokardiumfläche des Herzventrikels vom Kalbe; unter dem Epithel (e, e) bemerkt man die Verzweigungen feinster Nervenfibrillen (fe, fo. 2°/oige Lösung von Methylenblau in der Ringer’schen Flüssigkeit; in molybdensaurem Ammonium Obj. 3 Okul. 4’ bis 7: ein mächtiger Nervenknoten von der Atrioventrikulargrenze des Hundeherzens. Derselbe ist aus zahlreichen Nervenzellen und Nervenfasern, welche in verschiedenen Richtungen teils über das Ganglion selbst zum Vorhof und zum Ventrikel gehen. g Ganglion; nn Fortsätze aus den Ganglien; 1°/oige ÖOsmiumsäure Leitz Obj. 6 Okul. 4’ ins Myokardium eintretenden Nerven kreuzen die Muskelbündel in verschiedenen Richtungen und stehen miteinander in mannigfaltigem Faseraustausch; sie können in der glatten und quergestreiften Mus- kulatur verschieden enden: in der Form von Endbüscheln, Endplatten oder auch als Verdiekungen (nn), wie von mir gezeigt worden ist in Fig. 7 Taf. XLIV des Arch. f. mikr. Anat. u. Entwicklungsgesch. Bd. 70, S. 795 u. 796, 1907. J. Dogiel, Einige Daten der Anatomie des Frosch- und Schildkrötenherzens. Hierzu Taf. XLIV, XLV und 11 Textfiguren. Fig. 7: ein Teil des Vorhofs (A), Zwischenzone (5) zwischen den Vorhöfen (A) und der Kammer (V) mit dem Nerven- plexus (nn), welcher die Bidder’schen Knoten der rechten und linken Seite miteinander verbindet und zum Teil auf die Kammer (V) übergeht, um schliesslich in Verdiekungen (e) sowie in feinste Nerven- fäserchen (a) auszulaufen. 1°/oige Osmiumsäurelösung. Leitz Obj. 3 Okul. 3° geflecht des Bulbus aortae eines Froschherzens. Behandlung mit Obj. 6 Okul. 3° Tubus = 16. Auf Seite 794—796: ein reichlich entwickeltes Nerven- netz an der Bulbusoberfläche. Taf. XLIV Fig. 17: Nerven und glatte Muskelfasern der in den Bestand des Sinus tretenden: Vena cava (Schildkrötenherz). Behandlung mit 1 /oiger Osmiumsäurelösung; fixiert. Leitz Tubus ganz ausgezogen. Taf. I Fig. 1 Tubus bis zum 20. Teilstrich ausgezogen. Die von aussen Tubus —=20. Auf derselben Tafel XLIV Fig. 8: Nerven- Methylenblau. Fixierung mittels Ammoniumpikrats. Leitz Obj. 6 ; ’ NT en oO n,n Nerven; m Muskeln. Leitz Okul, 3° Tubus eingeschoben. Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd. 155. 25 368 Joh. Dogie : Das Verhältnis der Nerven zur Herzmuskulatur. Wir haben schon im Arch. f. d. ges. Physiol. Bd. 135 S. 29 das Frosehherz nach der Bearbeitung mit Osmiumsäure dargestellt. Nervenstamm (Fig. 29) und Nervenzellen des Bidder’schen Ganglions mit der Klappe zwischen Vorhof und Ventrikel. 1, 2 Nervenstamm; 3,4, 5, 6 und 7 seine Teilung in fünf Äste; n,n,n myelinhaltige Nervenfasern auf der Kammermuskulatur. Ferner auf S. 30: Froschherz nach 1°/oiger Osmiumsäurebehandlung. a Muskelbündel des obersten Kammerdrittels; 5 myelinhaltige Nervenfaserbündel; c,c,g Gruppen von Nervenzellen unterhalb des Klappenzipfels (Ganglia ventrieularia: Dogiel). Ferner auf S. 31 Fig. 31: Verteilung der Nervenzellen an der Vorhofsscheidewand des Froschherzens. Bearbeitet mit 0,5°/oiger Höllensteinlösung. a Epithelzellen; b,b,c Muskelfasern; dd Nervenzellen zwischen der Muskulatur und dem Epithel. Ferner auf derselben Seite Fig. 32: Froschherz mit 1°oiger Osmiumsäurebehandlung. nn Nerven- bündel aus myelinhaltigen Nerven; nc, ne Nervenzellengruppe unter- halb des Klappenzipfels; 7m, 2m Muskelschichten der Kammern, zwischen denen die Nervenbündel mit den Zellen sich befinden. Syst. 7, Okul. 3° Froschherzens. Behandlung mit Methylenblau; Fixierung mittels Ammoniumpikrat. Arch. f. mikr. Anat. Bd. 70 (1907) Taf. XLIV Fig. 8: Blutgefässe und Nerven im Zwischenraum zwischen der Aortae, den Atrien und der Kammer des Froschherzens. Arch. f. d. ges. Physiol. Bd. 142 Fig. 11 und Fig. 17: Nerven und glatte Muskelfasern der in den Bestand des Sinus tretenden Vena cava (Schildkrötenherz). Behandlung mit 1°oiger Osmiumsäurelösung. Syst. 6 Okul. 3’ f. mikr. Anat. Bd. 70 (1907) Taf. 45 Fig. 14: im Bereich des Lisamentum atrio-ventrieulare und im Ventrikel liegende Nerven und Nervenzellengruppen (aus einem Schildkrötenherzen). «a Fasern des Lig. atrio-ventrieulare (ZL); 5 Nervenfaserbündel; c Nervenzellen- gruppen; n,n Nerven; d,d Blutgefässe; e Muskelbündel des Ventrikels (V); 9,9 Nerven; h,h Nervenzellen des Ventrikels. Behandlung mit 1°/oiger Osmiumsäurelösung. Mittlere Lupenvergrösserung (Leitz- sche Lupe). An der oberen Seite des Herzens von Emys caspica lassen sich unterscheiden: Vorhof, Ventrikel, Ligamentum _ atrio- Hartnack Nervengeflecht des Bulbus aortae eines n,n Nerven; m Muskeln. Leitz Tubus eingeschoben. Arch. Die Anordnung und Funktion der Nervenzellen des Herzens etc. 369 ventrieulare, Gefässe und Nerven; letztere an der ganzen Ventrikel- fläche und auf dem Ligament in der Form eines Nervenfaserbündels. An der unteren Seite desselben Schildkrötenherzens unterscheidet man: Vorhof, Ventrikel, Bulbus aortae, Blutgefässe, Nerven und das von der Herzspitze zum Perikard gehende Ligament (Taf. VI Fig. 3 und Fig.9). Am Querschnitt durch die Ventrikelwand des mit Berliner- blau injizierten Schildkrötenherzens (Arch. f. d. ges. Physiol. Bd. 135 S. 44) sieht man: Epikardepithel; verschieden starke Blutgefässe dicht unter dem Epithel und ein tiefer gelegenes Netz von Blut- gefässen zwischen den Muskeln und dem gefässlosen Teil vom Myokard. Mit einem Wort: das Schildkrötenherz gleicht in seinem Bau dem Froschherz. Schnitt durch die Aussen- fläche des Bulbus arteriosus eines Froschherzens (Rana esculenta); Blutgefässe, welche an die Bulbusoberfläche treten und sich hier verzweigen. Diese Verzweigungen (der Arterien und Venen) begeben sich zum Teil in das zwischen Bulbus und Vorhof liegende Binde- gewebe, zum Teil aber durchsetzen sie das Gewebe, welches zwischen Bulbus und Kammeroberfläche liest (Arch. f. mikr. Anat. u. Ent- wicklungsgesch. Bd. 70 Taf. XLV Fig. 10 und Arch. f. d. ges. Physiol. Bd. 142 Fig. 11: Blutgefässe und Nerven im Zwischenraum der Aorta, der Atrien und der Kammer des Froschherzens). Das Verhältnis der Nerven zu den Nervenzellen. Im Arch. f. mikr. Anat. Bd. 36 findet sich eine Arbeit von stud. med. Tumänzew und Prof. J. Dogiel: Zur Lehre über das Nervensystem des Herzens. Hierzu Taf. XX, XXI und XXI. Joh. Dogiel hat schon früher gezeigt, dass die Nervenzellen des Herzens zwischen den Nervenfasern liegen und letzteren an- liegen (Arch. f. mikr. Anat. Bd. 14 Fig. 1, 16, 17 und 19). Um dieses Verhältnis eingehender zu studieren, fertisten wir dünne Quer- und Längsschnitte sowohl des Bidder’schen Knotens wie auch der Hauptstämme der Vorhofsscheidewand an (Fig. 14 und 15). Aus den Abbildungen ersieht man, dass die Nervenzellen sich an im Bündel markhaltiger Nervenfasern von aussen um- und anlegen. Diese Schnitte stammen aus mit Überosmiumsäure behandelten Präparaten. An mit Methylenblau gefärbten Durchschnittpräparaten sieht man, dass die Nervenfäden des Bidder’schen Knotens die Nervenzellen umgeben (Fig. 16); folglich sind die Nervenzellen im Nervenbündel eingewebt, wie das aus Präparaten von Bidder’schen und Remak’schen Knoten besonders hervorgeht. In Verlauf der 25 * 370 Joh. Dogiel: Hauptstämme der Scheidewandnerven legen sich die Nervenzellen an die Bündel der Nervenfasern an (Fig. 16): Taf. XXII Fig. 14. Nach Behandlung mit Osmiumsäure wurde der Bidder’sche Knoten mittels eines Mikrotoms der Länge nach durchschnitten, um das Verhältnis der myelinhaltigen Nervenfasern zu den Nerven- zellen zu zeigen. Fig. 15: Quer- schnitt durch das, wie oben an- gegeben, behandelte Ganglion. Syst. 7, Okul. 3° n markhaltige Nerven; s Binde- gewebsfasern; c dessen Kerne, so dass das Ganze an das Induktorium eines elek- trischen Apparates er- innert. Ziehen wir in Betracht, welche Nerven von verschiedenen Hartnack cel Zellen; REN B R Fig. 8. 4A,B Längsschnitt und © Querschnitt des Bidder’schen Knotens: cel Nervenzellen, n markhaltige Nervenfasern, s Bindegewebsfasern, c dessen Kerne. Autoren und von uns zu verschiedenen Zeiten beschrieben worden sind und an der Herztätigkeit beim Menschen, Hunde, der Katze, Kaninchen und anderen Tieren sich beteiligen können, so lassen sie sich in zwei Gruppen zerlegen: erstens, die von aussen — vom Ge- hirn, Rückenmark und Sympathieus — zum Herzen tretenden und zweitens, die im Herzen selbst gelegenen Nervenknoten. Somit be- Die Anordnung und Funktion der Nervenzellen des Herzens etc. 371 findet sich das Herz des Menschen und der Tiere zu gleicher Zeit unter dem Einfluss der motorischen und sensiblen Sphäre: der zentrifugalen und zentripetalen Nerven. . Il. Physiologische Daten. Jede Zusammenziehung und Erschlaffung des Herzens ist das Resultat der Wirkung der Nerven auf die Muskulatur. Regelmässige und unregelmässige Herzkontraktionen sind durch Nerven- und Muskelenergie bedingt. Die regelmässige, rhythmische Herzaktion ist äusserst mobil, weil der Einfluss der motorischen und sensiblen Nervensphären sich durch grosse Verschiedenheit auszeichnet. C. Ludwig (Arch. f. Anat. u. Physiol. 1847) hat schon bemerkt, dass bei unversehrten Vagi die Frequenz der Herzschläge während der verschiedenen Atmungsphasen wechsel. Hernuach haben Einbrodt (Unters. zur Naturlehre Bd. 17), Hering (Sitz.-Ber. d. k. Akad. d. Wiss. Wien 1871), Zuntz (Arch. f. d. ges. Physiol. 1878), Masso (Über den Kreislauf des Blutes im menschl. Gehirn. Leipzig 1881) u. a. während der Exspiration Zunahme der Herzschläge und Blutdruckerhöhung und Verlangsamung der Herzkontraktionen und Abnahme des Blutdrucks während der Inspiration beobachtet. Diese Erscheinung kommt unter dem Einfluss der Vagi zustande, denn nach der Durchschneidung dieser Nerven bleibt sie aus. Ver- langsamung und Stillstand des Herzens in Diastole ist auch beim Frosche bei unversehrten Nn. vagi (Goltz, Klopfversuch, Arch. f. pathol. Anat. 1863) beobachtet worden. Die Einatmung von CHC], gibt beim Kaninchen Verlangsamung der Atmung und der Herz- schläge (J. Dogiel, Arch. f. Anat. u. Physiol. 1865—1866). Ferner bleibt die Herztätigkeit nicht unverändert unter dem Einfluss har- monischer und disharmonischer musikalischer Laute, des Lichtes, der Geruchsempfindungen, des Geschmacks, der Tastreize, der ver- schiedenen Bewegungen: Gymnastik, Reiten, Schwimmen, Wechsel der Körperlage, Senken des Kopfes und Heben der Beine, Bergauf- und Bergabsteigen; das Herz reagiert auf das Steigen oder Senken des barometrischen Druckes, beim Steigen im Luftballon oder Fliegen mit dem Aeroplan; auf die verschiedenen Veränderungen der Atmung: ob gewöhnliche oder tiefe, frequente oder erschwerte Atmung statt- findet; es wirkt auf das Herz die Wärme und die Kälte, Einführen in den Magen heisser oder sehr kalter Flüssigkeit; auf kalte und heisse Wannen. Es bleibt nicht ohne Einfluss die Zusammensetzung 372 Joh. Dogiel: der Atmungsluft, die Menge des Sauerstoffs und der Kohlensäure oder die Beimengung anderer Gase, Magendarmstörungen, Harn- verhaltung, Erbrechen usw., mit einem Worte: das Herz reagiert auf alle Veränderungen im Organismus, sogar auf die Lösung ver- schiedener Aufgaben durch den Verstand. Ist das Herz normal ge- baut und der Stoffwechsel im Organismus und im Herzen regel- mässig, so ‚dauert die so labile Herztätiekeit bis 100 Jahre, worüber man sich wohl wundern muss. Das Studium der Herztätigkeit führt mich zum Schluss, dass dieselbe durch das Gehirn und Rückenmark wie durch die im Herzen selber gelegenen Nerven und Nervenzellen reguliert wird. Gegenwärtig wissen wir, dass der N. vagus die Herzkontraktionen bis zum Stillstand verlangsamt. In der Vagus- hülle verläuft der vom Vagus und vom N. laryngeus superior ent- springende, von C. Ludwig und Cyon mit dem Namen N. de- pressor belegte Nerv und der von J. Dogiel entdeckte, zur Ansa Vieussenii gehörige N. pressor. Ausserdem beteiligen sich an der Innervation des Herzens: der das Gangl. cervie. super. mit dem Gangl. cervie. infer. verbindende N. sympathicus, fünf Nervenfäden vom Vagus und N. recurrens n. vagi und eine Reihe von Nervenknoten und Nervenzellen in den verschiedenen Herzgegenden: an der Mündung der Vena cava ascendens, der Vena cava descendens, im Vorhof, rechten Herzohr, an der Atrioventrikulargrenze, und spiral- förmig zerstreute Nervenzellen bis zur Herzspitze beim Kalbe, die bedeutenden Anhäufungen von Nervenzellen in den Remak’schen, C. Ludwig’schen und J. Dogiel’schen Knoten und endlich das Gangl. nodosum n. vagi beim Menschen, Hunde und Schweine, während es beim Rinde und Pferde fehlt; ausserdem gehört hierher die Verbindung des Gang]. cervie. infer. durch die Ansa Vieussenii und dem Gangl. stellatum und dem Rückenmark. Die Muskeln der Vorhöfe und Ventrikeln beim Menschen und vieler Tiere sind quer- gestreift, die der Hohlvenen und der Arterien und Blutgefässe des Herzens selbst glatt. Wir haben schon gesehen, dass die benannten Nerven die Herztätigkeit beeinflussen: es bewirkt der N. depressor Abnahme des Blutdruckes und die Reizung des N. pressor in der Richtung zum Gangl. stellatum hin bei unversehrter oder durch- schnittener Ansa Vieussenii Erhöhung des Blutdruckes. Man erhält Beschleunigung der Herzschläge bei der Reizung der durchschnittenen Ansa Vieussenii in der Richtung zum Herzen hin. Eine lange an- dauernde Beschleunigung gibt die Reizung der Nervenfäden 3+ und Die Anordnung und Funktion der Nervenzellen des Herzens etc. 373 5+, welche vom Vagus zur Vena cava ascendens, zum Nervennetz mit eingesäten Nervenzellen, an der rechten Seite gehen (Arch. f. d. ges. Physiol. Bd. 142 Taf. II Nr. 1, 2,3 Fig. A u. Fig. B Nr. 3). Reizt man mittels Induktionsstrom einen Teil der in eine rechte und linke Hälfte getrennten Ansa Vieussenii (Bd. 142 S. 141 Fig. 3), so erhält man eine solche Herabsetzung des Blutdrucks und Ver- langsamung der Herzschläge, welche an den Einfluss des gereizten Vagus erinnert, was wohl durch die anatomische Verbindung der Ansa Vieussenii mit dem Gangl. cerviec. inf. und die des letzteren mit dem N. vagus (Bd. 142 S. 110 Fig. 1 im Texte) zu erklären ist. In demselben Band 142 findet sich S. 139—142 die Erklärung der Herztätigkeitskurven: A: Gangl. nodosum n. vagi; B: N. vagus; C: N. depressor; D: Gang]. stellatum; E: Ansa Vieussenii; F: N laryngeus superior und Gangl. nodosum n. vagi. Wir sahen, dass die Reizung mittels Induktionsstrom rechterseits der vom Vagus zur Vena cava ascendens gehenden Nervenfäden +3 und +5 (Nr. 1 Fig. A Taf. II) eine noch lange (30—40”) nach der Reizung an- haltende Beschleunigung der Herzschläge gibt. Zum Vergleich der Resultate der Reizung mittels Induktionsstrom der links vom Vagus zum Herzen gehenden Nerven beim Hunde mit denen der Reizung der rechten Seite haben wir Versuche angestellt. Es wurde eine Curarelösung (8 :1000), je nach dem Gewicht des Hundes (3 ccm), in die Vene gespritzt, die Atmung künstlich durch elektrischen Be- trieb unterhalten, der Brustkasten geöffnet, die Zwischenrippengefässe unterbunden, um grösseren Blutverlusten vorzubeugen, und die ent- sprechenden Nervenzweige auspräpariert. Die Karotis wurde behufs Registrierung des Blutdruckes und der Herzschläge mit dem Mano- meter des Kymographen verbunden. Aus den vielen Versuchen sollen hier nur drei vorgeführt werden, welche den Reizungseffekt der Nerven rechts und links beim Hunde auf den Blutdruck und die Herzschläge demonstrieren, und ein Versuch mit der Reizung des N. reeurrens beim Hunde (vergl. Taf. VII). Versuch 1. 18. Mai 1912. Hündin von 10000 & Gewicht; 3 cem Curare. Künstliche Atmung. Reizung mittels Induktionsstrom der Nerven +3 und +5 rechts (Nr. 1), Reizung 120 mm Spiralen- abstand: Beschleunigung der Herzschläge. Versuch 2. 18. Mai 1912. Dieselbe Hündin. Nr. 2, Reizung mittels Induktionsstrom links des ersten (av), zweiten (bv) und dritten (cv) peripheren Stumpfes zum Herzen hin: Beschleunigung; 374 Joh. Dogiel-- Nr. 4, Nerven Z1,2,3 zum Herzen hin: Beschleunigung; die Reizung des vierten Nervenfadens zum Kopfe hin: Verlangsamung; die Reizung des ersten und zweiten Nervenfadens vom Gang]. stellatum zum Herzen hin: Beschleunigung. Versuch 3. 2. August 1912. Ein 16250 g schwerer Hund; 7 eem Curare (8: 1000). Gleichzeitige Reizung mittels Induktions- strom des V+ des ersten Nervenfadens: zuerst Verlangsamung, dann Beschleunigung der Herzschläge. Versuch 4 9. August 1912. Ein 22800 g schwerer Hund; 10 eem Curare. Reizung des unversehrten und durchschnittenen Nervenfadens (links) zum Herzen. Die Kurven der Veränderung des Blutdrucks und die Abbildungen des Herzens und der rechts und links zu demselben gehenden Nerven Nr. 1, 2, 3 und 4 sieht man auf den beigelegten Tafeln, ebenso wie die Nervenknoten und die Nervenzellen zwischen den Nervenfäden. Die angeführten Kurven der Herzschläge und des Blutdruckes unter dem Einfluss der Reizung der Nerven sowohl rechts wie links beim Hunde lehren, dass die verschiedenen Veränderungen der Herz- tätiekeit fast gleichartig sind: bald erhält man Beschleunigung, bald Verlangsamung und sogar Stillstand des Herzens in Diastole, bald Erhöhung, bald Herabsetzung des Blut- druckes. Die physiologischen Daten bleiben also gleich, obgleich ein Unterschied zwischen der Verteilung der Nerven rechts und links beim Hunde, der Katze und beim Menschen festgestellt werden kann. Die Mannigfaltigkeit in der Herztätiekeit hängt vom Einfluss des Gehirns und Rückenmarks, der Nervenknoten und Nervenzellen im Herzen selber und von dem Verhalten der Nervenelemente zu den verschiedenen Abschnitten der Herzmuskulatur ab. Es ist zu berücksichtigen, dass mit dem Vagusstamm in gleicher Scheide sich die die Herztätigkeit beschleunigenden Nerven (Nn. acceleratores), der den Blutdruck herabsetzende Nerv (N. depressor) und der den oberen Halsknoten mit dem unteren verbindende N. sympathieus befinden. Vom Vagus entspringt der N. recurrens, welcher die Herztätigkeit verlangsamt und den Blutdruck herabsetzt. Am Hals- teil findet sich bei Hunden, Menschen, Schweinen, nicht aber beim Rinde und Pferde das Gangl. nodosum n. vagi, in dessen Nähe der N. laryageus superior entspringt. Das Gangl. cervie. inf. sendet vier Fortsätze zum Vagus, einen Nervenfaden zum Herzen und zwei Fortsätze sehlingenförmig (Ansa Vieussenii) zum Gangl. stellatum, Die Anordnung und Funktion der Nervenzellen des Herzens etc. 375 das mit dem Rückenmark in Verbindung steht. Jeder Nervenstamm der Ansa Vieussenii besteht aus einem den Blutdruck hebenden (N. pressor) und einem die Herzschläge beschleunigenden (N. aecelerator) Teil. Beide Teile lassen sich in acht myelinhaltige Nervenfäden zerlegen, von denen einige die Herzschläge beschleunigen, andere den Blutdruck heben, wieder andere die Herzschläge verlangsamen und den Blutdruck herabsetzen: Nn. pressores und Nn. depressores. Durchschneidet man einen Teil der Ansa Vieussenii und reizt den Stumpf zum Herzen hin mittels Induktionsstroms, so erhält man eine durch Reflex bedingte Veränderung der Zirkulation, welche Francois Franck zuerst beobachtet hat (vgl. Arch. f. d. ges. Physiol. Bd. 142 S. 110 u. 111 Fig. 1, 2, 3 u. %). Alle diese Nerven scheinen in ihrem Verlauf im gegenseitigen Faseraustausch zu stehen. Die Nervenknoten und Nervenzellen (rechts und links) können als einzelne elektrische Elemente oder als Batterien, welche in ver- schiedene Herzteile zerstreut sind, angesehen werden. Solche An- häufungen von Nervenzellen in der Form von grossen Ganglien finden sich in der Nähe der Mündung der Vena cava ascendens und Vena cava descendens, im Atrium, rechten Herzohr, an der Atrio- ventrikulargrenze, spiralföürmig vom Herzgrunde bis zur Herzspitze beim Kalbe, oder in der Form von Remak’schen, C. Ludwig’schen, Bidder’schen Nervenzellengruppen, dann solche im oberen Drittel der Ventrikelbasis des Frosches usw., ferner in der Form von drei Ganglien — eines grösseren, eines mittleren und eines kleineren — an der Vena cava ascendens (Taf. VI Fig. III) und in der Form eines Hufeisens an der Vena cava descendens, das man mit blossem Auge als ein Pünktchen (|-] Taf. VI Fig. IV p) wahrnehmen kann, oder in der Form von einem ovalen Ganglion mit zu Nervenbündeln gehenden Fortsätzen, die am rechten Herzohr mit anderen zwei Nervenbündeln sich kreuzen (Taf. VI Fig. V), ebenso in der Form von einzelnen im Nervenfasernetz gelegenen Nervenzellen an dem- selben rechten Herzohr beim Hunde (Taf. VI Fig. VI), in der Form von 13 Nervenzellen zwischen den Nervenfäden an einem Teile der Vena cava descendens (Taf. VI Fig. I), auch in der Form von ver- schieden starken Nervenbündeln und feinster Nervenfäden (Taf. VI Fig. II) und endlich in der Form eines von myelinhaltigen Nerven durehsetzten Nervenknoten, der an die an der hinteren Trachealwand befindlichen Nervenzellen und Nervenknoten (beim Hunde) erinnert. Tafel VI Fig. VII zeigt eine solehe Verteilung der Nervenknoten und 376 Joh. Dogiel: Nervenzellen des Herzens. Die Nervenzellen, Ganglien und Nerven stehen sowohl unter sich wie mit der Muskulatur in bestimmten Verhältnissen. Letzteren gibt die Nervenenergie den Impuls zur Kontraktion: je nach der Interferenz der Wellen der Nervenenergie werden die Kontraktionen stärker, schwächer oder sistieren sogar zeitlang, wodurch eine Ähnlichkeit der Interferenz der Schallwellen entsteht. Ausser dem anatomischen Bau des Herzens vom Menschen oder Hunde spricht für eine solche Interferenz noch die verschiedene Erregbarkeit und Leitungsfähigkeit des N. vagus. Bei der Reizung des peripheren Vagusstumpfes mittels Induktionsstroms erhält man, je nach der Stärke und Spannung des Stroms, Verlangsamung oder diastolischen Stillstand der Herzschläge und Abnahme des Blutdruckes; nach der Einstellung der Reizung hebt sich der Blutdruck schnell und erreicht sogar höhere Werte als vor der Reizung, und die Herz- schläge werden häufiger, wobei ebenfalls die normale Frequenz über- schritten wird. Dass wir hierbei mit einer Herabsetzung der Er- regbarkeit und Leitfähigkeit des Vagus zu tun haben, beweist der Umstand, dass die Fortsetzung der Reizung, nachdem das Herz still- steht, von einer maximalen Frequenz der Herzschläge und Zunahme des Blutdruckes begleitet wird. Dieselben Erscheinungen werden durch Injektion einer geringen Menge von Atropinum sulfurieum in die Blutbahn bewirkt: ist die Beschleunigung der Herzschläge hierauf eingetreten, so wird solehe nicht verlangsamt, wenn man auch den Vagus mit beliebig starkem Induktionsstrom reizt, bis das Atropin nicht aus dem Blute ausgeschieden ist. Wir sind aber imstande, ohne den Blutdruck zu heben und die Erregbarkeit und Leitfähigkeit des Vagus zu schwächen, die Wirkung der Nervenganglien des Herzens selber zu verstärken, und zwar durch Anwendung von Digitalin (im ersten Stadium der Wirkung dieses Glukosides). Man kann sich hiervon leicht überzeugen, falls man einem Hunde, dessen Art. earotis mit deın Manometer vom Kymographen verbunden und dessen Herzschläge und Blutdruck auf die Trommel verzeichnet werden, einige Tropfen Digalen in die Blutbabn bringt, worauf man sehen kann, dass der Blutdruck unverändert bleibt, die Herzschläge aber seltener und kräftiger werden, was nicht, wie Traube glaubte, vom Vagus abhängt, sondern von den Nervenzellen des Herzens, wie es schon lange von E. W. Pelikan und W. J. Dybkowski bewiesen worden ist. Gelangt nach der Anwendung des Digalens Blutdruckerhöhung und Arhythmie der Herzschläge zur Beobachtung, Die Anordnung und Funktion der Nervenzellen des Herzens etc. Sl so hat man es mit der toxischen Wirkung dieses Mittels zu tun, was der Kliniker beim Gebrauch der Digitalispräparate vermeiden muss. Somit beweisen die anatomischen und physiologischen Daten, dass die Ganglien im Herzen unter dem Einfluss der Hirn- und Rückenmarksnerven stehen und dass es zur Interferenz der Nervenenergiewellen des Herzens kommen kann. J. Dogiel hat Kurven der Arhythmie beim Frosche und Kaninchen nach In- jektion von 8—10 mg Akonitin in die Jugularvene und Ausschaltung der Vaguswirkung mittels Atropins gebracht (Arch. f. d. ges. Physiol. Bd. 135 S. 66). In diesem Falle liegt höchstwahrscheinlich eine Wirkung des Akonitins auf die Nervenzellen der Vorhöfe und des Ventrikels vor. Joh. Dogiel findet, indem er sich auf eigene Versuche auf die Veränderungen der Herztätigkeit unter dem Einfluss von Apomorphin, Kohlensäure und Akonitin stützt, dass die Ursache der Arhythmie in den Momenten, welche auf N. vagus, die Nerven- zellen, die Muskulatur und auf diese und jene zugleich einwirken, bestehen kann, obgleich jedes Moment für sich nieht immer Arhythmie zu erzeugen imstande ist. Diese Erklärung widerspricht nicht der klinischen Erfahrung: die Arhythmie wird beim Menschen häufiger bei Fehlern der Bieuspidalis als denen der Aortenklappen beobachtet; sie wird auch bei Stenosis ostii sinistri, bei Erkrankungen des Myokards und Affektionen der Art. coronaria cordis (Panum, Bezold, Cohnheim, S&e, Bochefontaine), bei krankhaften Zuständen der Herzeanglien (Putälin, Über Veränderungen der Herzganglien bei chronischen Krankheiten. Virchow’s Arch. Pd. 74) konstatiert. Beim Studium der Herztätiekeit sind zu berücksichtigen: Rhythmus, Mechanismus der Klappen und der Herzpumpe, Herzstoss, Formveränderung des Herzens, Binnendruck, Herztöne, die Intensität der Arbeit, wie das alles in einem Werk von Joh. Dogiel: Ver- gleichende Anatomie, Physiologie und Pharmakologie des Herzens. Mit Abbildungen im Text und Tafeln. Kasan 1895 dargestellt wird. In der vorliegenden Abhandlung wollen wir nur den Herz- stoss und den ersten Herzton besprechen. Der Herzstoss,. d. h. die durch das sich zusammenziehende Herz bewirkte Erhebung der Brustwand im fünften linken Zwischen- rippenraum, gelangt besonders schön bei mageren Personen, während tiefer Ausatmung oder beim Liegen auf der Brust zur Beobachtung. Der Herzstoss kann mit blossem Auge gesehen und mittels Fingers 378 Joh. Dogiel: palpiert werden. Die Herzspitze nimmt während der Ventrikel- kontraktion eine zur Mitte der Herzbasis perpendikuläre Stellung an und versetzt der Brustwand im fünften linken Zwischenrippenraum einen heftigen Stoss. Die Bedeutung der Formveränderung des Herzens beim Herzstoss ist von Carlil& (Report of the third maeting of the British assotiation 1833) und hauptsächlich von C. Ludwig (Zeitschr. f. rat. Mediz. Bd. 7. 1848, und Lehrb. d. Physiologie, 2. Aufl.) klargelegt worden: Der Herzstoss wird dureh die Kontraktion der Herzmuskulatur verursacht; das Herz erhält während der Systole eine konische Form mit kreis- runder Basis und mit der Spitze gegen das Zentrum dieses Kreises. Auf Grund anatomischer Daten muss angenommen werden, dass nur die Herzspitze dieBrustwand an der von den Lungen unter normalen Verhältnissen frei- gelassenen Stelle berühren kann, was schon J. Müller seinerzeit hervorgehoben hat. Hierbei rückt das Herz nach rechts und oben, um während der Diastole wieder nach unten und links zurückzugleiten (Filehne und Penzold). Die Herztöne. Bekanntlich kann die Herztätigkeit sowohl beim Menschen wie auch bei den Säugetieren durch Gesicht, Gefühl und Gehör verfolgt werden, ohne dass man es freizulegen braucht. Besonders gilt das für den Herzstoss und für die Herztöne. Diese Bewegungserscheinungen des Herzens bieten ungeheures Inter- esse für Physiologie, Pathologie und Therapie. Da der Herzstoss schon besprochen worden ist, sollen jetzt die Herztöne erörtert werden. Die Herztöne hat schon Harvey gekannt (Harvey de motu cordis) ; ihre diagnostische Bedeutung ist aber erst von Laennee (Laennec, De l’auseultation mediate. Paris 1809) klargelegt worden. Die unmittelbare Behorchung der Herztöne durch Anlegen des Ohres an die Brustwand ist durch mittelbare mit Hilfe von verschieden konstruierten Stethoskopen, welehe durch Anschluss von benachbarten Geräuschen eine genauere Untersuchung der Herztöne zulassen, ver- drängt worden. Beim Studium der Herztöne muss die Ursache derselben, ihr Rhythmus, ihre Höhe und Timbre und ihr Verhältnis zu den Phasen der Herztätigkeit berücksichtigt werden. Die Pausen zwischen den Herztönen sind von ungleicher Dauer: den ersten Ton vom zweiten trennt eine kurze Pause (petit silence), den zweiten vom ersten eine lange Pause (grande silence) oder Ruhe. Der erste Ton dauert länger als der zweite, ist dabei Die Anordnung und Funktion der Nervenzellen des Herzens etc. 379 dumpfer und niedriger, obgleich Küchenmeister (Froriep's Tagesb. 1851) beide Töne zur oberen Bassoktave zählt (Fig. 9a). Fig. 9a. Die Herztöne nach Küchenmeister. Der erste Ton ist am deutlichsten an der Herzspitze, der zweite an der Herzbasis zu hören. Marey hat uns Kurven gegeben, welche das Verhältnis der Herztöne zu den einzelnen Phasen der Herz- tätigkeit beim Pferde demonstrieren (Fig. 9b). Fig. 9b. : Kurve vom Herzventrikel V.D. des Pferdes nach Marey. Diese Kurve zeigt, dass der erste Herzton während der Systole, der zweite aber während der Diastole wird an der Kurve von verschiedenen Autoren verschieden vermerkt. Fre- derieq hat diese Angaben zusammen- gestellt (Fig. 9 e). Die Ursache der Herz- töne ist zu verschiedenen Zeiten verschieden aufgefasst worden: die Menge der verschiedenen Theorien beweist schon die Schwierigkeit des Problems; besonders gilt das für den ersten Herzton. Sind die Herztöne auch aus verschiedenen Schall- schwingungen aus verschiedenen Quellen zusammengesetzt, so müssen zu hören ist. Der zweite Ton N“ - ! 3 g AN N .. «Maurer Fig. 9c. Die Angaben der ver- schiedenen Autoren über die Stelle des zweiten Tones an der Kurve nach Fredericg. doch unter denselben haupt- oder fundamentale und nebensächliche unterschieden werden. So wird doch unter den gegenwärtigen Physio- 330 Joh. Dogiel: logen niemand mehr die Erklärung des berühmten französischen Physio- logen Magendie (The Lancet 1834—1835) gutheissen, wonach der erste Ton durch den Schlag des Herzens an die Brustwand bewirkt werde, obgleich die unverletzte Brustwand den ersten Ton etwas ver- stärkt, wie die Versuche von A. Kasem-Beek über die Ursachen des ersten Herztons lehren, was auch die Gelehrtenassoziation zu Dublin (Report of the fifth meeting of the British Association 1835) fest- gestellt hatte. Berücksichtigt man alle physischen Erscheinungen, welche bei der Ventrikelkontraktion beim Menschen und bei den Säugetieren stattfinden, um die Ursachen des ersten Herztons fest- zustellen, so erhält man eine ganze Anzahl derselben: 1. die Er- schütterung der Brustwand im fünften Zwischenrippenraum durch den Herzstoss; 2. die Schwingungen der Atrioventrikularklappen und ihrer Sehnenfäden durch den Blutandrang während der Ventrikel- kontraktion; 3. Schwingungen derselben Gebilde wie sub 2 durch zu gleicher Zeit vor sich gehende Kontraktion der Papillarmuskeln; 4. Reibung des Blutes während der Bewegung; 5. der Muskelton. Forscht man nun durch Ausschluss des einen oder des anderen Faktors nach der Hauptquelle des ersten Tons, so findet man, dass der erste Ton nach der Entfernung der entsprechenden Brustwand- stelle nicht verschwindet. Er verschwindet ebenfalls nicht, wenn das Herz blutleer arbeitet, folglich das zweite, dritte und vierte Moment ausgeschaltet ist. Somit gelangen wir zum Schluss, dass der erste Herzton die Schwingungen der sich zusammenziehenden Herzmuskeln zur Ursache hat. Den ersten Versuch, die Ursache des ersten Herz- tons in dieser Richtung klarzulegen, hat Ch. J. B. Williams ge- macht (With new researches on the sounds of the heart. 1841. Amerie. ed. Philad. 1830; in deutscher Übersetzung v. Velten. Bonn 1835). Er experimentierte an Eseln folgendermaassen: Nach Er- öffnung der Brusthöhle und Freilegung des Herzens drückte er, be- hufs Unterdrückung der Zirkulation des Blutes durch das Herz, die Vorhofswand an die Ventrikelöffnung oder führte den Finger durch eine Schnittöffnung des linken Atriums in den linken Ventrikel und drückte auf den rechten Ventrikel. In beiden Fällen war der erste Herzton bei den heftigen Herzkontraktionen hörbar, wenn auch nicht so laut wie unter den gewöhnlichen Verhältnissen. Der erste Herzton verschwand auch nach einem Einschnitt in den linken Vor- hof und nach teilweiser Zerstörung der Mitralklappe nicht, wohl aber der zweite. Auf Grund seiner Versuche gelangte Williams Die Anordnung und Funktion der Nervenzellen des Herzens etc. 381 zur Überzeugung, dass der erste Herzton ausschliesslich durch die Kontraktion der Herzmuskulatur zustande kommt. Ausserdem hat er bemerkt, dass die Anwesenheit des Blutes grossen Einfluss nur auf die Intensität des Klanges ausübt. Durch die Versuche Williams wurde die Meinung J. Rouanet’s (Analyse des bruits du cceur. These. Paris 1832. Nouvelle analyse des bruits du ceur. 1844), dass der erste Herzton ausschliesslich durch die Spannung der Atrio- ventrikularklappen zustandekäme, hinfällig. Die Beteiligung der Kontraktionen der Herzmuskulatur an der Bildung des ersten Herz- tons wurde auch von dem gelehrten Komitee der britischen Asso- ziation und der gelehrten Gesellschaft zu Philadelphia (l. e.) an- erkannt. Nach 25 Jahren behaupteten dennoch Mellford und Füller (Krankheiten des Herzens. Übers. v. Schultze. Berlin 1864), dass die Beschränkung des Blutzuflusses zum Herzen durch Kom- pression der Hohl- und Lungenvenen die Herztöne verschwinden lässt, während das Herz weiterschlägt. 1868 haben C. Ludwig und Joh. Dogiel aber die Beobachtungen von Williams über die Ursachen des ersten Herztons vollkommen bestätigt (Ein neuer Ver- such über den ersten Herzton. Arbeit. aus d. physiol. Anstalt zu Leipzig. 1868). Bei ihren Versuchen haben Joh. Dogiel und C. Ludwig folgendes berücksichtigt: 1. Das Herz musste blutleer sein oder wenigstens so wenig Blut enthalten, dass eine zu Schallschwingungen notwendige Spannung der Klappen unmöglich war. 2. Die Möglich- keit von Lufteintritt in das Herz während der Bewegungen musste ausgeschlossen sein. 3. Die zur Aufnahme des Herzens dienende Vorrichtung musste bequem zur Auskultation sein. Alles das wurde erreicht, indem man beim euraresierten Hunde nach Eröffnung des Brustkastens und nach allmählicher Unterbindung beider Hohlvenen, der Lungenarterien und Lungenvenen und der Aorta das Herz heraus- nahm und in einen bodenlosen, mit defibriniertem Blute gefüllten Kolben brachte (Fig. 10a). Dieser Kolben wird mit dem breiten Ende nach oben im Stativ befestigt. Das untere Ende wird durch eine Gummiplatte geschlossen und mit einem Gummirohr versehen, so dass man eine Art von Stethoskop, gleich dem von König (Fig. 10 b) erhält. Das Herz ist im defibrinierten Blute derart an den grossen Gefässstummeln aufgehängt, dass es bei seinen Kontraktionen nicht die Glaswände berühren konnte. Unter diesen Bedingungen schlug das Herz entweder normal und kräftig oder unregelmässig. Im ersteren Falle hörte man einen Ton, im letzteren ein undeutliches 382 Joh. Dogiel: Geräusch. Bei einigen solchen Versuchen waren die Professoren Funke, Schweiger-Seidel und Thomas anwesend und konnten den Ton wahrnehmen: er wurde während der Systole gelöst und entsprach dem normalen ersten Herzton; nur dauerte er kürzer und war leiser. Eine zweite Reihe von Versuchen haben J. Dogiel und C. Ludwig an blutleeren, im Brustkasten belassenen Herzen aus- geführt. Damit der Versuch an einem und demselben Herzen mehr- mals wiederholt werden konnte, waren die aus- und eintretenden Gefässe in Ligaturen mit Schleifen gefasst. Die Auskultation geschah mittels eines auf die Ventrikelwand gelegten gewöhnlichen Stetho- Fig. 10a. Fig. 10b. Fig. 10a. Stethoskop von J. Dogiel und C. Ludwig. 4 Glastrichter, b ver- jüngtes mit Gummiplatte geschlossenes Ende, B Glasrohr mit einem Gummi- rohr ©. — Fig. 10b. Stethoskop nach König. (Hahn zum Einblasen der Luft. skops. Hierbei waren stets zwei verschiedene Töne zu hören: der eine stammte von der Reibung der Herzwand am Stethoskop her und veränderte sich mit dem Wechsel der aus verschiedenem Materiale verfertigten Stethoskope, während der andere Ton stets gleich blieb und von der Kontraktion der Muskulatur des Herzens herrührte. Auf Grund ihrer Versuche gelangten J. Dogiel und C. Ludwig zu dem Schluss, dass die Muskelkontraktion den wesentlichen Anteil an der Bildung des ersten Herztons nimmt. Da es nun bekannt ist, dass nur bei tetanischen Kontraktionen es zu Schallschwingungen an den Muskeln kommt, so konnte Zweifel an der Herkunft des ersten Herztons durch die Muskulatur des Herzens entstehen, da die Zusammenziehungen des Herzens ja einfach und isoliert sind. Hiergegen lässt sich aber einwenden, dass der Verlauf Die Anordnung und Funktion der Nervenzellen des Herzens etc. 383 der Muskelbündel des Herzens von dem der übrigen quergestreiften Muskeln abweicht. In den letzteren sind die Bündel parallel ge- lagert, und eine Spannung der einen Bündel durch andere während der Kontraktion ist ausgeschlossen. Die im Herzen in verschiedenen Riehtungen verlaufenden Muskelbündel zerren bei ihrer Kontraktion unbedingt andere sich ebenfalls kontrahierende Bündel, so dass auch ohne Tetanus es zu Schallerscheinungen kommen kann (vgl. Arch. f. d. ges. Physiol. Bd. 135 S. 4,5 u. 6. Joh. Dogiel, Die Be- dingungen der automatisch-rhythmischen Herzkontraktionen). Wenn der Ton in den Versuchen von J. Dogiel und C. Ludwig von kürzerer Dauer war, so erklärt sich das durch den Umstand, dass das Herz im Absterben begriffen war. Guttmann und Rosen- thal, welche 1869 die Versuche von J. Dogiel und C. Ludwig an blutleeren Herzen wiederholten, kamen zum Schluss, dass der erste am blutleeren Herzen hörbare Herzton sich vom normalen seinem Charakter nach unterscheidet (Über die Entstehung des ersten Herztones. Virchow’s Arch. 1869), weshalb sie den ersten Ton von der Klappenanspannung ableiten; bei blutleeren Herzen ist dieselbe schwächer und wird durch die Kontraktion der Papillarmuskeln bewirkt. Wenn sie-auch einigen Anteil an der Bildung des ersten Herztones der Muskulatur zusprechen, so spielen die Klappenschwingungen hierbei doch die Hauptrolle. Es folgen hierauf noch weitere Untersuchungen über diesen Gegenstand. So hält Bayer (Arch. f. Heilkunde 1869 u. 1870) auf Grund seiner Versuche und klinischen und pathologisch- anatomischen Untersuchungen den ersten Herzton für einen Muskel- ton. Wintrich (Sitzungsber. d. physik. u. med. Sozietät in Er- langen 1875) arbeitete mit Resonatoren und kam zu dem Schluss, dass der erste Herzton aus zwei Tönen besteht: der eine höhere entsteht durch Klappenschwingungen, der andere tiefere und länger dauernde durch Schwingungen der Ventrikelmuskulatur. A. Kasem-Beck wiederholte die Versuche von J. Dogiel und C. Ludwig mit einigen Variationen auf meinen Vorschlag und fand, dass die Haupt- quelle des ersten Herztons in der Kontraktion der Herzmuskulatur liegt. Der zweite Herzton verschwindet bei starker Blutentziehung, bei Kompression der Aorta und der Lungenarterie oder nach Struktur- veränderungen der Semilunarklappen. Rouanet (. c.) erhielt einen vollkommen dem zweiten Herzton gleichen Ton an herausgeschnittenen Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd. 155. 26 384 Joh. Dogiel: Aortenwurzeln bei plötzlichen Anspannungen der halbmondförmigen Klappen. Es muss jedoch zugelassen werden, dass an der Bildung des zweiten Herztons auch die Schwingungen der Arterienwandung und die Blutbewegung einigen Anteil haben. wie Talma (Arch. f. d. ges. Physiologie Bd. 23. 1880) es bewiesen hat. Der zweite Herzton ist am schönsten an der Ursprungsstelle der grossen Gefässe zu hören. Die Kliniker unterscheiden vier Herztöne: zwei erste während der Ventrikelsystole und zwei zweite während der Anspannung der Aortenklappen und der der Lungenarterie. Da das Herz beim Menschen und Säugetiere ja als aus zwei Herzen, einem rechten und einem linken, bestehend aufgefasst werden kann, so müssen doch in jedem derselben zwei Töne vorhanden sein. Die synchronische Tätigkeit beider Herzhälften erklärt jedoch zur Genüge, weshalb beim gesunden Menschen nur zwei und nicht vier Herztöne zur Beobachtung gelangen. Einige Forscher, wie z. B. Potain (Union medicale 1866), behaupten, dass bei einem Fünftel der untersuchten Personen deutliche Verdoppelung der Herztöne auftritt. Bei der Verdoppelung des zweiten Herztones gelangte ein länger dauernder und ein kürzerer Ton zur Beobachtung. Potain glaubt, dass die Aortenklappen etwas früher als solche der Lungenarterie, wegen des höheren Blutdrucks im ersteren Gefäss, angespannt werden. Im Arch. f. d. ges. Physiol. Bd. 135 S. 66 hat J. Dogiel Kurven bei Arhythmie beim Kaninchen (Fig. 59) und beim Frosche (Fig. 60) nach Injektion in die Jugularvene des Kaninchens S—10 mg Ako- nitin und Applikation beim Frosche zuerst behufs Vagusausschaltung Atropin und hernach Akonitin vorgeführt. Hierbei werden Ver- doppelungen der Herztöne, wohl durch Kontraktion verschiedener Herzteile unter der Akonitinwirkung, hörbar. Beim Menschen sollen die Verdoppelungen der Herztöne am leichtesten zu hören sein: 1. die des ersten Tons des rechten Ventrikels am rechten Sternum- rand zwischen dem vierten Zwischenrippenraum und der fünften Rippe; 2. die des ersten Tons des linken Ventrikels im linken fünften Zwischenrippenraum, wo die Herzspitze sich an die Brustwand legt, und in gerader Linie im vierten Zwischenrippenraum. Bei der Aus- kultation der Aortenklappen soll das Stetkoskop an die Befestigungs- stelle des zweiten rechten Rippenknorpels an das Brustbein und beim Behorchen der Lungenarterienklappen an die Befestigungsstelle der Die Anordnung und Funktion der Nervenzellen des Herzens etc. 385 linken dritten Rippe an das Sternum gelegt werden. Im normalen Zustande sind an den dem Herzen am nächsten stehenden Arterien zwei Töne zu hören: der erste, länger dauernde, während der Systole des Ventrikels und Diastole der Arterie, der zweite, kürzere, während des zweiten Herztons und Beginns der Systole der Arterie. In einer in der Medizinischen Rundschau 1891 Nr. 4 veröffentlichten Arbeit „Über die Akzentuation des zweiten Tons der Lungenarterie im kind- lichen Alter“ spricht sich Privatdozent W. M. Roschanski dahin aus, dass die pathologisch-anatomischen Untersuchungen von Beneke festgestellt hätten, dass bei Kindern das Herz verhältnismässig klein und die Arterien verhältnismässig weit und die Lungenarterie weiter als die Aorta sei, während bei Erwachsenen die umgekehrten Verhältnisse walten. Die dünne Brustwand und das festere Anlegen des Herzens an die letztere bewirken, dass die im Verhältnis zu den Erwachsenen schwachen Herztöne das Ohr des Beobachters dennoch genügend stark erreichen. Erwägt man ferner, dass das Herz mit der Gegend, wo die Lungenarterie abgeht, näher zur Brustwand liegt als die Aortenwurzel (was schon aus der Form der Herzdämpfung hervor- geht), so wird man begreiflich finden, weshalb die Akzentuation des zweiten Herztons an der Lungenarterie bei Kindern eine physiologische Erscheinung ist. Schon im Arch. f. d. ges. Physiol. Bd. 135 S. 91 habe ich darauf hingewiesen, dass „unter dem Einfluss der Musik die Frequenz, der Rhythmus und die Kraft der Herzkontraktionen beim Menschen ver- ändert und dererste Herzton höher wird. Diese Veränderungen verleihen der Musik nationale und soziale Bedeutung“. Die Wirkung der Musik kommt durch Reflex vom Gehör zum Gehirn und von dort durch zentrifugale, die Herztätigkeit verlangsamende oder beschleunigende Nerven zustande. Ähnlicher Reflex beeinflusste mein Herz aus solcher Entfernung wie von Port Arthur bis Kasan, wie ich es in einem Artikel „Das Herz als Resonator beim Menschen. Petropawlowsk-Borodino. Kasan 1912“ dargelegt habe. Die Kata- stropke mit dem Panzerschiff „Petropawlowsk“ fand im Russisch- japanischen Krieg zwischen 9 Uhr 43 bis 45"/s Minuten statt. Nach der Berechnung des Professors der Astronomie zu Kasan, Herrn Dmitri Ivanowitsch Dubjägo, beträgt der Zeitunterschied zwischen Port Arthur und Kasan 4 Stunden 49 Minuten. Ich pflege, besonders im Frühling und Sommer, um 5 oder 6 Uhr morgens auf- 26 * 386 Joh. Dogiel: zustehen und erwache stets gegen 5 Uhr. Abends vor der schreck- lichen Begebenheit in Port Arthur war es mir recht schwer zumute, und im Halbschlafe vom 30. zum 31. März gegen 5 Uhr lag es mir schwer auf der Brust, und es schien mir, als ob ein grosser Vogel seine Krallen mir in die Brust schlage und den Schmerz verursache, und zwar so sehr, dass ich plötzlich aufsprang und das wütende Tier von mir abzuwerfen strebte.e Mein Bemühen war vergeblich: ich fühlte, wie mein Herz langsam und stark schlug, was mich wohl in grosser Aufregung erwachen liess (im Anfang der sechsten oder auch am Ende der fünften Stunde). Nach der Aussage des Flottenoffhiziers WI]. Semenoff habe er drei Explosionen gehört und gesehen, wie eine ungeheure Flamme, wie aus dem Krater eines Vulkans, empor- stieg. Die hierdurch bewirkte Luftbewegung und wahrscheinlich elektro-magnetische Perturbation des Äthers verbreitete sich nach allen Seiten, also auch nach Kasan, mit der Geschwindigkeit des Lichtes hin und teilte sich auch dem empfindlichen Resonatarherz des Autors dieser Zeilen mit. Dass der Ton einer Stimmgabel mi, oder mi, oder der Geige Veränderung der Herztätigkeit beim Menschen bewirkt, ist verständ- lich, weil ja die Luftschwingungen sich dem Gehörapparat mitteilen und die Hirnteile miteinander verbunden (assoziiert) sind, folglich die Bedingungen zur Beeinflussung der Herztätigkeit und der Blut- zirkulation hierdurch gegeben sind. Schwieriger zu begreifen ist die Einwirkung der Begebenheit in Port Arthur auf solche Entfernung wie Kasan auf die Herztätigkeit des Autors. Mit einem Worte: Ist es möglich, dass die Herztätigkeit sich verändert, wenn anstatt zwei Stimmgabeln zwei Menschen gesetzt werden, von denen der eine in Kasan, der andere in St. Petersburg oder in New York sich befindet, deren Stimmung, wie bei zwei Stimmgabeln, gleich ist? Diese beiden Menschen können durch Freundschaft, gleiche allgemeine Interessen, günstig oder ungünstig für jeden derselben, verbunden sein. Die Beeinflussung des einen durch den anderen ist denkbar; auf welchem Wege kommt sie aber zustande? Der Professor für Physik in Bonn, Hertz, erklärte in seiner auf dem 62. Kongress für Naturforscher und Ärzte ir Heidelberg („Über die Beziehungen zwischen Licht und Elektrizität“) gehaltenen Rede, dass Licht eine elektrische Erscheinung sei, das Licht, wie es ist, und das Licht jeder Quelle: der Sonne, des Glühwurms. Nimmt man dem Weltall die Die Anordnung und Funktion der Nervenzellen des Herzens etc. 387 Elektrizität, so verschwindet auch das Licht, entfernt man den Licht- äther, so raubt man die Möglichkeit der Leitung durch den Raum der Elektrizität und der magnetischen Kräfte. Das Vorhandensein des Äthers ist anzunehmen, obgleich wir seine Eigenschaften vor der Hand nicht kennen. Die Dauer der Herzarbeit beträgt nicht selten über 100 Jahre. Berücksichtigt man die Veränderlichkeit und Schwankungen der Herz- tätigkeit, so ist es nicht leicht zu begreifen, welche Kräfte das Herz so lange Zeit hindurch regulieren. Die vergleichende Anatomie und Physiologie lehrt, dass der tierische Organismus nicht allein als Ganzes, sondern auch in bezug seiner einzelnen Bestandteile — Muskulatur, Nerven, Blut- und Lymphgefässe — sich stets weiter entwickelt. Zur vollen Entwicklung des Menschen, der verschiedenen Tiere und Pflanzen, ist eine bestimmte Zeit notwendig. Ist das Maximum in dieser Beziehung erreicht, so steht der Entwicklungs- prozess stille, während die Tätigkeit bei Erhaltung der Struktur weiter dauert, oder aber der Organismus verändert sich sowohl in bezug auf die Struktur wie auch auf die Funktion: er stirbt all- mählich, sobald er nicht mehr imstande ist, das Abgelebte neu zu ersetzen. Wo liegt die Grenze der Entwicklung? Bei der Ent- wicklung des Herzens beim Menschen und Tiere; beim Hunde z. B. erhält man Grössenzunahme, Veränderung der Form, der Menge und Qualität der Bestandteile und der Verteilung der Muskel- und Nerven- elemente unter sich. Jedwede Veränderung der Struktur verändert auch die Funktion des Herzens. So entsteht der erste Herzton hauptsächlich durch die Anordnung der Muskelbündel des Herzens. Das Verhältnis der Nervenzellen zu den Nervenfasern an Längs- und Quersehnitten des Bidder’schen Knotens vom Froschherzen und eine aus dem untersten sympathischen Halsknoten genommene Kette von Nervenzellen und Nervenfasern (Taf. III im Arch. f. d. ges. Physiol. Bd. 142) erinnert uns an das Induktorium eines elektrischen Apparates (Nr. 5) und ebenso die Verteilung der Nervenzellen im Nervenfaser- bündel Fig. 1—7 Taf. VI. Eine solche Verteilung der Nervenzellen in Nerven und Muskeln kann doch bei der Entstehung elektrischer Wellen ebenso zur Interferenz führen wie bei der Interferenz der Schall- und Lichtwellen. Rechnet man hierzu noch den Austausch der Fasern bei den Nerven und das Vorhandensein in einem Nerven- stamm beschleunigende und verlangsamende, verstärkende und 388 Joh. Dosiel: schwächende Fasern für das Herz und erhöhende und herabsetzende Fasern in bezug auf den Blutdruck (Nn. pressores und Nn. depressores), so kann bei regelrechter Ernährung und Stoffwechsel, bei regel- mässiger Blut- und Lymphzirkulation und normaler Zusammensetzung dieser Säfte das Herz wohl 100 Jahre und mehr beim Menschen, ohne zu ermüden, arbeiten, da es ja die Mittel, seine Tätigkeit zu regulieren, in sich trägt, weshalb es ihm leicht gelingt, von unregel- mässigen Kontraktionen zum normalen Rhythmus überzugehen. So- mit kann ich auf Grund meiner von 1865—1913 (1865 in Heidel- berg und 1866 und 1867 in Leipzig) dauernden Studien über die Struktur und Funktionen des Herzens vom Menschen und einigen Tieren kategorisch folgendes behaupten: Uns erscheint schon die Bezeichnung „neurogene“ oder „myogene“ Theorie der Herztätigkeit vollkommen unzulässig, da die rhythmischen Herzkontraktionen weder durch die Tätigkeit des intrakardialen Nervensystems allein noch durch eine solche der Herzmuskulatur für sich begreiflich sind. Der extrakardiale Nervenapparat zusammen mit dem intrakardialen, mit der Herz- muskulatur iu engster Beziehung stehenden Nerven- system bildet ganz bestimmt ein Ganzes, ein neuro- muskuläres Organ; mithin muss eine die Herztätigkeit erklärende Theorie notwendigerweise eine „neuro- myogene“ sein. Tafelerklärung. Tafel V. Nr.1. Ein Teil vom Hundeherz mit Nerven rechterseits Fig. A und linkerseits Fig. B und mit mit Blutgefässen: Vena cava ascendens und Vena cava descendens, beiden Herzohren und einem Teil der Luftröhre (Tr... Rechts: N. vagus (®.); Gangl. cervic. infer., N. sympathicus, N. recurrens (n.r.); Ansa Vieussenii (« ß) mit Gangl. thorac. I (g.t.); fünf Nervenfäden vom Vagus: der erste Nerven- faden (a) seinen Anfang mit einigen dünnen Fädchen vom Bogen des N. re- currens nehmend, verbindet sich mit dem Nervenfaden db, um einen gemein- samen Nerv (7) zu bilden; der zweite Nervenfaden geht schief nach unten zur Vena cava descendens; der dritte (3 +), vierte und fünfte Nervenfaden gehen zur Vena cava ascendens. Links: N. vagus (v.) mit Gangl. cervic. Die Anordnung und Funktion der Nervenzellen des Herzens etc. 389 infer.; Ansa Vieussenii mit Gang]. thorac. I; N. recurrens (n.r.) und Nerven vom Gangl. cervic. infer. und vom N. vagus zum linken Herzohr. Nr.2. Hundeherz mit Aortenbogen (A) und Nerven. Links: N. vagus (v.), N. recurrens mit dem Nervenfaden vom letzteren, Fig. A. Details (Fig. 4) im Text. Nr.3. Fig.B. Links: Aorta (AA) auspräpariert, durchschnitten und zurück- geschlagen, um den Verlauf des Recurrensbogens mit den von hier ab- gehenden Nerven zu sehen; N. vagus (v.) mit Gangl. cervic. infer. (G.e.i.); N. vagus (v.) mit fünf Nervenfäden. Details im Texte. Ansa Vieussenii; Gangl. thorac. I mit zwei Nervenfäden zum Herzen. Tafel VI. Fig. I. Ein Teil der Vena cava descendens. Nervenfaserbündel, in welchem einzelne Nervenzellen, von denen drei (a, b, c) gleich den übrigen Teilen mit 9] 1°%/oiger Osmiumsäurelösung bearbeitet worden und bei Leitz Ze und 2 } : 2 : : die drei Zellen (a, b, c) bei Leitz Okul,5 gezeichnet sind. Fig. IIB. In der Nähe des oben beschriebenen Präparates sieht man verschieden Syst. 3 starke Nervenbündel und einzelne Fibrillen. Leitz Okul.4 Fig. III. Drei bedeutend grosse Ganglien (D, D, und D,) mit starken Nerven- stämmen (1—8), Vena cava ascendens. Das Präparat mit 1°/oiger Osmium- S a ... Syst. 3 säure bearbeitet. Leitz Ok Fig. IV. Ein kleines mit blossem Auge sichtbares Pünktchen (*p); bei Leitz aber hufeisenförmiges Ganglion mit dabeiliegendem Blutgefäss (Arterie). Fig. V. Gangl. auriculae dextrae mit drei Nervenstämmen (a, b, c); an den ersten Stamm legt sich das Ganglion (@.) mit zwei Fortsätzen (7, 2) an, wobei es von Fett umgeben ist (d). Bearbeitet mit 1°%oiger Osmiumsäurelösung. Syst. 3 Okul.4 Fig. VI. Nervenfasernetz (a, aı, de, da, a4) mit zwei Nervenzellengruppen (F\, u. F3). Leitz Gangl. auriculae dextrae. Leitz a Syst. 6 Okul.4 Fig. VII. Ganglion am membranösen Teil der Trachea (und Ösophagus) zu- sammen mit anderen Ganglien im Nervenfasernetz vom N. laryngeus superior. Bearbeitet mit 1°/oiger Osmiumsäure. Leitz ER. aa myelinhaltiger eine isolierte Nervenzelle (b) Leitz st Okul.4’ Nerv oberhalb des Ganglions und Nervenzellen mit Fortsätzen (bb) und um- gebenden Blutgefässen (v, v). Fig. VIII und Fig. IX. Schildkrötenherz (Emys caspica), — Fig. VIII. Obere Ventrikelfläche. a, a Atria, v Ventriculus, ! Ligamentum atrio-ventriculare, 390 Joh. Dogiel: Die Anordnung und Funktion der Nervenzellen etc. b,b Blutgefässe (schwarz); n, n Nerven (weiss). — Fig. IX. Untere Ventrikel- fläche des Schildkrötenherzens in natürlicher Grösse. «a, a Atria, b Bulbus, € Blutgefässe, 7 Ligamentum, ® Ventrikel, n, n Nerven (weiss). Tafel VI. Kurven der Herzkontraktionen und des Blutdrucks beim Hunde während der Reizung der Nerven mittels verschieden starken Induktionsstroms. Die Anordnung der Kurven: A rechts (Nr. 1), 4, links, A, Vereinigung 1, As; Vereinigung II, A,, A; und A, (N. recurrens). Pflüger's Archiv f.d. ges. Physiologie, Bd. 155. = a 7 SS an TER UT Verlag v.Martin Hager, Bonn Lith. Anst. v. F.Wirtz, Darmstadt = x — SR: Ge = Pflüger's Archiv f.d. ges. Physiologie, Bd.155. | Verlag v.Martin Hager, Bonn. Tarıyn. Läth. Anst. v. F-Wirtz, Darmstadt. M N de ö > = m“ ah! Pebbger ie Arc Ed gm Miepmüakoge. BA. 165 ‘ » at. vo " e \ A rechts, N21. \ N ll \ N Bee — N ae U N NL . et rl dl — un i N 7.3 rechts, geschnitten | Herz Ne 1,2 geschnitten. | Herz. NE11 rechts, ‚geschnin| Herz NET,4 nicht geschnitten. Rechts —- Kopf, N213 rechts. | Herz Net rachts, 2 Het: 1912, Mai. Hand 2 *s A, links, N22 a A, links, N22b En ee er 5 en Mr I a _.N un I : _ — no I TI Ta N N NE auf Kopr. Links NER (oV)-3 geschniten.| Herz E22 geschnitten Ink» (bV) | Herz. Links Ne21 (av). 1918, Mel Curare NE2, Vrägeschniften links, | Horz ! A,. Vereinigung I . Recurrens A Vagus Ay. & Recurrens A, P Recurrens T en mm, En, vw | m Ir ine Ze, a ee m A nn PR. tn) m i mm m rw N rer yyvvY VW N Monet ee A VAN, \ —— _ F u 11 nA A n\ IL ha g | Hera Wrdı nicht guschninmen. | Kopf, v+2 f ver Links. Recurrens geschnitten Vag.-120mın: Linke, Link. Recurrens nicht geschnilten -120mm Vag-120mm Linke, k£J Recurrens. Links, BJ: Recurrons nsch IP Minuten geschnillen. Linke. 7 Vereinigung IL Vereinigung ‚Herz 120mm | Harz 100mm oz N N y A, N rar / m een IM AN AA AA - N“ N IN A A ? "UvLzuvN /\ \ nwWYV“ N eV ren NyYVVVVVVVY 0 5 Ne — - re a ee ee pl ee ‚gerchnöten. Vog.+ 1 Vog+t nicht geschnitten. Vag.+ 7. nicht geschnitten. Vag. +7, Vag +#, Rachts. | Her Vag.rT. Rechts Bestim hr de Srainigung Z Vereinigung 2 Vereinigung DO Ian er drmne. A a a NE 91 (Aus dem physiologischen Institut der Universität Jena.) Morphologische Veränderungen des gereizten Nerven. III. Mitteilung. Untersuchungen über Struktur und chemische Beschaffenheit des Netzwerkes der Markscheide. Von Hans Stübel. (Hierzu Tafel VIII—XIV.) In zwei früher veröffentlichten Mitteilungen konnte gezeigt werden, dass ein im Zustand der Erregung befindlicher Nerv morpho- logische Veränderungen gegenüber einem ruhenden Nerven darbieten kann !). Und zwar besteht. der Unterschied darin, dass (beim Frosch und bei der Kröte) die Netzstruktur der Markscheide des im Zustand der Erregung mit Alcohol absolutus fixierten Nerven deutlich weit- maschiger ist als diejenige des im Ruhezustande fixierten Nerven (vgl. Taf. VIII und IX Fig. 1—4). Um in das Wesen dieser eigen- tümlichen Erscheinung tiefer eindringen zu können, ist es natürlich von srösster Bedeutung, über die Natur des Netzwerkes der Markscheide nähere Aufschlüsse zu erhalten. So überaus zahlreich auch die Unter- suchungen, die sich mit diesem Gegenstand befassen, sind, so fällt es doch ausserordentlich schwer, aus dem Studium der Literatur eine befriedigende Anschauung über die Natur des Netzwerkes der Mark- scheide zu gewinnen. Da die Literatur über den Bau der Mark- scheide bereits an zahlreichen Stellen zusammengetragen und be- sprochen worden ist, so erübrigt es sich hier, die Literatur nochmals zu referieren. Seitdem Ewald und Kühne?) im Jahre 1877 das 1) Stübel, Morphologische Veränderungen des gereizten Nerven. Pflüger’s Arch. Bd. 149 S.1. 1912. — 2. Mitt. Pflüger’s Arch. Bd. 153 S. 111. 1913. 2) Ewald und Kühne, Über einen neuen Bestandteil des Nervensystems. Verhandl. d. naturhist.-med. Vereins zu Heidelberg N.F. Bd. 1 S. 457. 1877. 392 Hans Stübel: „Neurokeratingerüst“ der Markscheide beschrieben haben, ist von fast allen Forschern, die sich mit dem Bau der Markscheide be- schäftigt haben, die Frage aufgeworfen worden, ob das Neurokeratin- serüst oder überhaupt eine Netzstruktur in der lebenden Mark- scheide vorhanden ist, oder ob alle derartigen Strukturen erst durch die Fixation hervorgerufen werden. Es lässt sich aber auf Grund aller dieser Untersuchungen nicht sagen, dass diese Frage in irgend- einem Sinne entschieden worden wäre. Im Gegenteil steht man nach der Lektüre einer jeden dieser Arbeiten immer wieder auf dem Standpunkte, dass einige Gründe für und einige Gründe gegen die Annahme der Präexistenz einer Netzstruktur der Markscheide sprechen. Ich möchte hier als Beispiel nur die Ansichten anführen, die in neuerer Zeit von pathologisch-anatomischer Seite über diese Frage geäussert worden sind. Nach Ernst!) sprechen die Tatsachen, dass die Radspeichenstruktur an mit Sublimat und Zenker’scher Lösung fixierten Nerven mit grosser Regelmässigkeit auftritt, dass sie um so regelmässiger ist, je frischer und unversehrter der Nerv ist, und dass sie bei der Degeneration des Nerven charakteristische Veränderung erleidet, dafür, dass die Radspeichenstruktur ein prä- existentes Bauprinzip des Nerven ist. In demselben Sinne spricht sich etwas später Dürck?) über die Natur der Markscheide aus. Dürck fixierte einen Nerven in 10 °/oigem Formalin für 24 Stunden, fertigte Querschnitte mit dem Gefriermikrotom an und beobachtete eine Radiärstruktur der Markscheide Dürck sieht hiermit den „Beweis erbracht, dass die Radiärstruktur bzw. die Wabenstruktur kein Kunstprodukt, sondern tatsächlich im lebenden Nerven vorgebildet ist“. Man braucht nur zu einem frischen Zupfpräparat eines Nerven Formol zuzusetzen und dann von Stunde zu Stunde zu beobachten, wie sich die Markscheide und der ganze Nerv unter der Einwirkung des Formols verändert, um zu sehen, dass sich aus der soeben beschriebenen Beobachtung keine sicheren Schlüsse ziehen 1) Ernst, Der Radspeichenbau der Markscheide des Nerven. Festschr. f. Rindfleisch 1907 S. 7. — Der Radspeichenbau und das Gitterwerk der Mark- scheiden unter normalen und pathologischen Bedingungen. Zentralbl. f. allgem. Pathol. u. pathol. Anat. Bd. 17. 1907. Ergänzungsband S. 35. 2) Dürck, Untersuchungen über die pathologische Anatomie der Berj-Beri. Ein Beitrag zur normalen und pathologischen Anatomie des peripherischen Nervensystems. Ziegler’s Beitr. z. pathol. Anat. u. allgem. Pathol. Bd. 8. Suppl. 1908. Morphologische Veränderungen des gereizten Nerven. III. 393 lassen. Neuerdings hat Doinikow!) wiederum den Bau der Mark- scheide untersucht und kommt dabei zu nachstehenden Schluss- folgerungen: „Das Plasma der Schwann’schen Zelle besteht aus einem dichter gebauten perinukleären Hof und einem lockeren Wabenwerk, das die Markscheide eines interannulären Segmentes in seiner ganzen Ausdehnung durchdringt und in seinen Maschen das Nervenmark enthält.“ „Das Wabenwerk der Markscheide, wie es an oben erwähnten Äquivalentbildern zustande kommt, ist nicht identisch mit dem plasmatischen Gerüst und entsteht durch die Gerinnung des Markes durch das Formol.“ Doinikow hält also die nach Formolfixierung sichtbare Markscheidenstruktur für ein „Äquivalentbild“. Diese Struktur ist also einem bestimmten Bestand- teile der lebenden Markscheide „äquivalent“, und hierin wird man unbedingt mit diesem Forscher übereinstimmen müssen. Damit ist aber nicht gesagt, dass diese Markscheidenstruktur einem in der frischen Markscheide bereits morphologisch differenzierten Be- standteil äquivalent ist. So ist es mir nicht klar geworden, warum Doinikow, der doch auch nur an mit Formol oder mit 96 '/o igem Alkohol fixierten Nerven eine Markscheidenstruktur beobachtet hat, zu dem Schlusse kommt, dass die Marksebeide von einem lockeren plasmatischen Wabenwerk durchdrungen wird. Sehen wir also an diesen Beispielen, dass sich aus der Be- trachtung fixierter Nerven durchaus keine sicheren Schlüsse über die Struktur der Markscheide ziehen lassen, so sehen wir anderseits, dass bei der Betrachtung des frischen, nicht fixierten Nerven sich keine Anhaltspunkte dafür ergeben, dass die lebende Markscheide eine besondere Netz- oder wabenartige Struktur besitzt. Ebenso wenig wie uns die frische Markscheide bei Untersuchung mittels der ge- wöhnlichen mikroskopischen Methode jemals eine Struktur erkennen lässt, können wir bei Dunkelfeldbeleuchtung oder bei Photographie des Nerven im ultravioletten Licht eine solche wahrnehmen. Ein anderer Weg, um eine Struktur der Markscheide am lebenden Nerven nachzuweisen, wäre darin gegeben, diese Struktur mit Hilfe einer 1) Doinikow, Beiträge zur Histologie und Histopathologie des peripheren Nerven. Histologische und histopathologische Arbeiten über die Grosshirnrinde mit besonderer Berücksichtigung der pathologischen Anatomie der Geisteskrankheiten. Herausgegeben von Nissl und Alzheimer, Bd. 4 S. 445. 1911. 394 Hans Stübel: Vitalfärbung darzustellen. Gorowitz!) gibt an, dass beim Frosch nach subkutaner Injektion von Lithionkarminlösung in den Nerven der Froschzunge eine intravitale Färbung der Radspeichenstruktur der Markscheide auftritt. Ich habe die Versuche von Gorowitz wiederholt, bin jedoch nur zu negativen Resultaten gelangt, und es sind meines Wissens die von Gorowitz gemachten Angaben noch nicht bestätigt worden. Nemiloff?) ist es nun mit Hilfe der supravitalen Methylenblaumethode Dogiel’s gelungen, an den Nerven- fasern von Knochenfischen, speziell den Trigeminus-Facialisfasern von Lota vulgaris, zu zeigen, dass bei Anwendung dieser Methode die Markscheide ihrer ganzen Dieke nach von einem schwammigen Netze protoplasmatischer Scheidewände durchsetzt wird, die mit dem Proto- plasmanetze der Zellen der Schwann’schen Scheide in Verbindung stehen. Meines Wissers sind an anderen markhaltigen Nerven mit Hilfe dieser Methode noch keine entsprechenden Strukturen der Markscheide gefunden worden. Und Nemiloff selbst verwahrt sich ausdrücklich dagegen, seinen Befunden eine für alle markhaltigen Nerven gültige Bedeutung zuzusprechen. Wenn wir von den soeben erwähnten Angaben Nemiloff’s absehen, so müssen wir also sagen, dass bis jetzt niemals eine Markscheidenstruktur an frischen, sondern stets ausschliesslich an fixierten Nerven beobachtet worden ist. Ein direkter Beweis für die Existenz einer Netz- oder Wabenstruktur im markhaltigen Nerven liegt: also nicht vor und ist mit den bis jetzt dafür angewandten Untersuchungsmethoden auch nicht zu erbringen. Ehe aber ein direkter Beweis nicht zu erbringen ist, werden alle Erörterungen über das Vorhandensein einer derartigen Struktur bis zu einem ge- wissen Grade unfruchtbar bleiben, wie aus dem Studium der ein- schlägigen Literatur hervorgeht. Wenn ich in einer früheren Mitteilung es nichtsdestoweniger für wahrscheinlich gehalten habe, dass auch dem lebenden Nerven eine Netz- oder Wabenstruktur zukommt, so bin ich deswegen zu dieser l) Gorowitz, Vitale Darstellung eirer Markscheidenstruktur an peri- pheren Nerven. Münchn. med. Wochenschr. Bd. 54 S. 2011. 1907. — Zur Frage der Markscheidenstruktur der peripheren Nerven. Zentralbl. f. allgem. Pathol. u. pathol. Anat. Bd. 18. 1907. 2) Nemiloff, Einige Beobachtungen über den Bau des Nervengewebes bei Ganoiden und Knochenfischen. I. Teil. Der Bau der Nervenfaser. Arch. f. mikroskop. Anat. Bd. 72. 1908. Morphologische Veränderungen des gereizten Nerven. III. 395 Ansicht gelangt, weil mir ein sehr einleuchtender, indirekter Beweis für das Vorhandensein der Präexistenz einer Markscheiden- struktur aus den bis jetzt mitgeteilten Beobachtungen hervorzugehen schien. Das sogenannte Neurokeratinnetzwerk der Markscheide ist nämlich von verschiedenen Forschern nach Anwendung ganz ver- schiedener Fixierungsflüssiekeiten zur Darstellung gebracht worden. So haben z. B. Ewald und Kühne!) mit Alkohol, Ernst?) und Fuchs’) mit Sublimat und Zenker’scher Flüssigkeit, Dürck) und Doinikow?°) mit Formol und Orth’schem Gemisch, Cox®) mit Osmiumsäure fixiert. Tritt eine histologische Struktur mit soleher Regelmässigkeit nach Anwendung der verschiedensten Fixierungs- flüssigkeiten auf, so liegt der Gedanke nahe, dass sie nicht als Kunstprodukt aufzufassen ist, sondern dass sie bereits im lebenden Nerven vorgebildet ist. Eigene Untersuchungen haben mir jedoch gezeigt, dass die Strukturen der Markscheide, die nach Anwendung der verschiedenen Fixierungsflüssigkeiten auftreten, sehr verschieden sind und sich durchaus nicht ohne weiteres miteinander vergleichen lassen, so dass also dieser indirekte Beweis hinfällig wird. Bei diesen Untersuchungen, über die ich im folgenden kurz be- richten möchte, hatte ich nicht das Ziel vor Augen, die Frage der Präexistenz der Netzstruktur zu entscheiden, sondern die Natur des Netzwerkes der fixierten Markscheide näher zu studieren, also zu untersuchen, unter welchen Bedingungen sich eine Struktur in der Markscheide beobachten lässt, welche Unterschiede diese Struktur unter Anwendung verschiedener Bedingungen zeigt und welche chemische Beschaffenheit dieser Struktur zukommt. Die Struktur des Netzwerkes bei Anwendung verschiedener Fixierungsflüssigkeiten. Als Untersuchungsobjekt diente mir bis jetzt fast ausschliesslich der Nervus ischiadieus des Frosches (Rana esculenta) 1) Ewald und Kühne, I. c. 2) Ernst, ]. c. 3) H. Fuchs, Bemerkungen über den Bau der Markscheide am Wirbel- tiernerven. Anat. Anz. Bd. 30 S. 621. 1907. 4) Dürck, I. c. 5) Doinikow,l. c. 6) Cox, Der feinere Bau der 'Spinalganglienzelle des Kaninchens. Anat. Hefte 1. Abt. Bd. 10 S. 73. 1898. 396 Hans Stübel: und der Erdkröte (Bufo vulgaris). Hier und da wurden auch die Rückenmarkswurzeln derselben Tiere zum Vergleich herangezogen, da hier die Bedingungen für eine gute Fixierung günstiger sind als bei den Fasern des Ischiadieus, die von einem stark entwickelten Peri- und Endoneurium umgeben sind. Die Nerven wurden mit den verschiedenen gebräuchlichen Fixierungsflüssigkeiten fixiert und dann entweder zur Herstellung von Zupfpräparaten verwendet oder in Paraffın eingebettet und in 10 « dieke Längs- und Querschnitte zerlegt. Die Zupfpräparate wurden nicht gefärbt; der Nerv wurde dabei entweder in der Fixierungsflüssigkeit selbst zerzupft oder im Verlauf von 3—4 Tagen in Glycerin übertragen und darin zerzupft. Um möglichst genau miteinander vergleichbare Schnitte zu erhalten, wurden alle Schnitte mit demselben Farbstoff, Hämatoxylin nach Hansen, schwach blau gefärbt. Allerdings fiel dabei der Vorteil weg, kontrastreich gefärbte Präparate zu erhalten. Zudem färbte sich das Netzwerk der Markscheide nach Anwendung verschiedener Fixierungsflüssigkeiten mehr oder weniger leicht mit Hämatoxylin. Anderseits hat eine möglichst einheitliche, wenn auch schwache Färbung sämtlicher zu vergleichender Schnitte den Vorteil, dass spezielle Vergleichungen der Maschenweite und der Dicke der Balken, die das Netzwerk zusammensetzen, mit grösserer Sicherheit vor- genommen werden können. Beispielsweise könnte eine Vergleichung eines mit Hämatoxylin nach Hansen zart blau gefärbten Schnittes und eines mit Eisenhämatoxylin nach Heidenhain tiefschwarz gefärbten Schnittes Schwierigkeiten verursachen. Auf jeden Fall aber muss die Färbung, welche man anwendet, um genaue Vergleiche ziehen zu können, so stark sein, dass man von dem gefärbten Präparat ein reines Absorptionsbild im Mikroskop abbildet und die volle Öffnung des Abbe’schen Beleuchtungsapparates ausnützt. Ist die Färbung sehr zart, so kann man sich, um die Kontrast- wirkung zwischen gefärbten und ungefärbten Teilen zu erhöhen, mit Erfolg der Beobachtung in monochromatischem Lichte bedienen. So erscheint z. B. in einem Präparat, welches ganz zart mit Hämatoxylin blau gefärbt ist, alles Blaugefärbte tiefschwarz auf grünem Grunde, wenn man als Lichtquelle monochromatisches grünes Licht benützt, und man erhält so ein äusserst kontrastreiches Absorptionsbild. Als Licht- quelle dient hier am besten eine Quecksilberlampe mit einer Filter- kombination von Didymiumnitrat und Kupfervitriol-Pikrinsäurelösung )). 1) Siehe Katalog mikrophotographischer Apparate von Carl Zeiss in Jena S. 49 und 50. Morphologische Veränderungen des gereizten Nerven. Ill. 397 In Ermangelung einer Quecksilberlampe erhält man auch mit Bogen- licht oder Nernstlicht derartige kontrastreiche Bilder, wenn man als Filter anwendet: Kupfernitrat, Didymiumnitrat und Kaliumbichromat; das Licht ist dann bei spektroskopischer Untersuchung schon fast rein srün. In den meisten Fällen genügt zur subjektiven Beobachtung ein Zettnow-Filter (Kupfersulfat, Kaliumbichromat). Um möglichst genau vergleichbare Abbildungen zu geben. stellte ich Mikrophotographien her. Wenn auch die Mikrophotographie vor der Zeichnung unter anderem den grossen Nachteil hat, dass das Wesentliche des Bildes sich von dem Unwesentlichen kaum hervor- heben lässt, so erscheint mir doch andererseits die Mikrophotographie gerade bei vergleichenden Untersuchungen ein äusserst wertvolles Reproduktionsmittel zu sein, indem das subjektive Moment, das bei Anwendung von Zeichnungen bewusst oder unbewusst in Betracht kommt, hier wegfällt. Besonders aus diesem Grunde erscheint mir auch die photographische Wiedergabe feinerer Strukturen, wie z.B. derjenigen der Markscheide, von einem gewissen Werte, wenngleich sich hier oft grössere technische Schwierigkeiten einstellen. Zur Fixierung des Nerven wurden folgende Flüssigkeiten benutzt: Alkohol in verschiedenen Konzentrationen, Sublimat und Zenker’sche Flüssigkeit, Formol (10 °/oige wässerige Formalin- lösung), Osmiumsäure und verschiedene Gemische dieser Flüssig- keiten. Häufig wurde Eisessig zu der Fixierungsflüssigkeit hinzu- gefügt, da dann die Fixation besser vonstatten gehen soll!); jedoch war ein merklicher Unterschied zwischen Präparaten, die mit und ohne Eisessigzusatz fixiert waren, nicht zu erkennen. Im folgenden sei nun eine kurze vergleichende Schilderung der mit diesen Fixierungsmitteln behandelten Nerven gegeben. Alcohol absolutus. Zupfpräparat (Taf. VII u. XIV Fig. 11, 14): Die Markscheide wird von einem ziemlich grobmaschigen Netzwerk durchzogen, das in jeder Beziehung dem von Ewald und Kühne beschriebenen Neurokeratinnetz gleicht. Das Netzwerk ist um so weiter, je grösser der Durchmesser der Nervenfasern ist. Es liegt direkt unterhalb der Schwann’schen Scheide und dringt nicht in die Tiefe der Markscheide ein. An den Ranvier’schen Ein- schnürungen ist das Netzwerk unterbrochen; Lantermann’sche Ein- schnürungen sind nicht wahrzunehmen. Längsschnitt (Taf. VII u. IX Fig. 1—4): Fast in jeder Nervenfaser lässt sich ein dem am 1) Vgl. Tellyesniczky, „Fixation“ in Enzyklopädie d. mikrosk. Technik, 2. Aufl., Bd.1. 1910. 398 Hans Stübel: Zupfpräparat beschriebenen vollkommen analoges Netzwerk einstellen. Nur an dickeren Nervenfasern ist das Netzwerk stellenweise nicht getroffen; hier sieht man, wie ganz kurze Bälkchen von der Schwann- schen Scheide aus unter mehr oder weniger stumpfem Winkel in das Innere der Nervenfaser hineinragen. Auch hier sieht man keine An- deutungen von Lantermann’schen Inzisuren. Der Achsenzylinder ist selten zu sehen; er zeigt sich dann als ein schmaler, meist stark exzentrisch gelegener Streifen mit glatten Konturen. Querschnitt (Taf. XI Fig. 7): Die Nervenfaser ist meist nicht mehr ganz kreisrund; innerhalb der Sehwann schen Scheide ist die Nervenfaser grössten- teils leer. Der Achsenzylinder liegt als stark geschrumpfter und stark gefärbter blauer Kreis ganz exzentrisch, meist direkt an der Schwann- schen Scheide. Von der Schwann’schen Scheide springen in un- regelmässigen Abständen zwickelartig kleine blassgefärbte Bälkchen in das Innere der Nervenfaser herein; diese Bälkchen sind zumeist ganz kurz, selten stehen sie durch einen feinen Faden mit einem benachbarten Bälkehen in Verbindunse. Zupfpräparate sowie Längs- und Querschnitte von Nerven, die in 96-, 90-, 80-, 70-, 60- und 50 P/oigem Alkohol fixiert wurden, zeigen gegenüber den in Alcohol absolutus fixierten Präparaten nur sehr geringe Unterschiede. Bei Fixierung mit 50- oder 60 °/eigem Alkohol ist die Struktur allerdings etwas weniger regelmässig. Ferner wurden mit Alcohol absolutus fixierte Nerven möglichst vollkommen von fett- ähnlichen Substanzen und Cholesterin befreit, indem sie nach 24stündiger Fixation in kaltem Alkohol 6 Stunden mit siedendem Alkohol extrahiert wurden, darauf für eine Woche in täglich ge- wechseltem Petroläther gelegt wurden und 6 Stunden in siedendem Petroläther extrahiert wurden. Sowohl im Zupfpräparat (Taf. XIV Fig. 14) als auf Längs- und Querschnitten unterschied sich die Mark- scheidenstruktur in keiner Weise von derjenigen, die man bei nur mit kaltem Alkohol behandelten Nerven erhält. Allerdings sind die Nerven- fasern im ganzen etwas mehr geschrumpft, und infolgedessen ist das Netzwerk auch etwas engmaschiger. Sublimat, konzentrierte wässerige Lösung. Zupfpräparat (Taf. XII Fig. 12): Die Markscheide wird von einem Netzwerk durchzogen, welches sich von dem nach Alkoholfixierung erhältlichen Netzwerk in ganz charakteristischer Weise unterscheidet. Das Netz- werk ist in allen Nervenfasern erheblich engmaschiger als nach Alkohol- fixierung; jedoch ist auch hier ein Unterschied in der Weite der Morphologische Veränderungen des gereizten Nerven. III. 399 Maschen je nach der Dicke der Nervenfasern vorhanden, obgleich nieht so deutlich ausgeprägt, und zwar wiederum in dem Sinne, dass das Maschenwerk um so weiter ist, je dicker die Nervenfaser ist. Geht man von einer Einstellung auf die Oberfläche der Nervenfaser zur Einstellung auf den optischen Längsschnitt über, so gewahrt man deutlich, dass das Netzwerk keineswegs nur direkt unterhalb der Sehwann’schen Scheide gelegen ist, sondern dass es die Mark- scheide ihrer ganzen Dicke nach durchsetzt. Bei der Einstellung auf den optischen Längsschnitt sieht man nämlich, dass in regel- mässigen Abständen Bälkchen von der Schwann’schen Scheide zum Achsenzylinder ziehen, stets fast genau senkrecht zur Längsachse der Faser (Taf. X Fig. 5). Das Netzwerk ist an den Ranvier’schen Einschnürungen unterbrochen. Die Lantermann’schen Inzisuren Taf. X Fig. 5) treten deutlich hervor, besonders wenn man auf den Längsschnitt der Nervenfaser einstellt. Man sieht dann, wie die Mark- scheidenstruktur unterbrochen wird durch leere Streifen, welche von beiden Seiten symmetrisch unter spitzem Winkel von der Scehwann’schen Scheide zum Achsenzylinder ziehen. Längs- schnitte (Taf. X Fig.5) des Nerven ergeben ganz dasselbe Bild vom Bau der Markscheide. Auf dem Querschnitt tritt mit grösster Präzision die von Ernst, H. Fuchs u.a. ausführlich beschriebene Radspeichenstruktur hervor. Sehr feinmaschig, regelmässig und deutlich tritt ebenso wie bei Sublimatfixierung das Netzwerk bei Fixierung mit Sublimateisessig (100 eem konzentrierte wässerige HeCl,-Lösung : 5 eem Eisessig) oder mit Zenker’scher Flüssigkeit hervor. Bei Fixierung mit Sublimat-Alkohol zeigt das Netzwerk alle die für die Fixierung mit reinem Alkohol charakteristischen Merk- male. Die Nervenfaser ist überhaupt von einer mit Alcohol absolutus fixierten Faser nicht mit Sicherheit zu unterscheiden. Formol 10°. Zupfpräparat: Das Netzwerk erscheint noch feinmaschiger als bei Sublimatfixierung. Man hat so auf den ersten Blick mehr den Eindruck, dass die Markscheide stellenweise von einem körnigen Niederschlage erfüllt ist. Die Lantermann’schen Inzisuren treten mit grosser Deutlichkeit hervor. Man sieht hier ebenso wie bei der Betrachtung eines frischen oder eines mit Osmiumsäure fixierten Nerven, dass die Lantermann’schen Inzisuren unterhalb der Schwann’schen Scheide breit beginnend sehr spitz gegen den Achsen- zylinder auslaufen. Auch auf den Längsschnitten (Taf. X Fig. 6) Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd. 155. 27 400 Hans Stübel: treten die Lantermann’schen Inzisuren bei Formolfixierung fast noch deutlicher hervor als bei Sublimatfixierung. Die Markscheiden- struktur ist nach Formolfixierung schwerer mit Hämatoxylin färbbar und tritt daher nicht an allen Präparaten mit wünschenswerter Deutlichkeit hervor. Ist die Struktur gut gefärbt, so zeigt das Netz- werk fast genau denselben Charakter wie am mit Sublimat fixierten Nerven. Dementsprechend zeigt sich auf dem Querschnitt wiederum die „Radspeichenstruktur“. Besonders schön lässt sich das Netzwerk nach Formolfixierung in den Fasern der Rückenmarkswurzeln dar- stellen. Das histologische Bild von mit Formol-Eisessig (100 cem 10 P/oiges Formalin : 5 eem Eisessig) und mit Kaliumbichromat- Formol nach Orth fixierten Nerven unterscheidet sich nicht wesentlich von dem, das bei reiner Formolfixierung erhalten wird. Ob die wechselnden Bilder, die man bei Formolfixierung erhält, indem hier einmal das Netzwerk deutlich gefärbt ist, ein anderes "Mal kaum oder gar nicht hervortritt, lediglich darauf beruhen, dass die mit Formol fixierte Markscheidenstruktur an sich schlechter mit Hämotoxylin färbbar ist, ist mir zweifelhaft. Ich habe nämlich bei Betrachtung zahlreicher mit Formol fixierter, ungefärbter Zupf- präparate den Eindruck gewonnen, dass die Fixierung der Mark- scheide mit Formol nicht stets in gleicher Weise abläuft. Es kommt nämlich vor, dass die mit Formol fixierte Nervenfaser in derartigen Präparaten homogen bleibt, sowohl bei Hellfeld- wie bei Dunkelfeld- beleuchtung. Bei Fixierung in Formol-Alkohol-Eisessig (80 %o iger Alkohol 100 eem, konzentriertes Formol 10 eem, Eisessig 5 cem) trat nicht ein Netzwerk auf, wie es für Formol, sondern ein Netz- werk, wie es für Alkoholfixation typisch ist. Dieses Netzwerk war sowohl im Zupfpräparat als im Längsschnitt ganz unregelmässig, grobmaschig und schlecht färbbar. Bei Fixierung mit Ösmiumsäure und Osmiumsäuregemischen (Flemming’sche Lösung) erscheint bekanntlich die Markscheide strukturlos, während die Lantermann’schen Inzisuren mit grosser Deutlichkeit hervortreten. Cox!) gibt an, dass man am markhaltigen, mit Osmiumsäure fixierten Nerven nach längerer Extraktion mit Bergamottöl eine der Neurokeratinnetzstruktur analoge Struktur er- hält. Es ist mir nicht gelungen, nach der Methode von Cox eine 1)2C0x, .1.>C: Morphologische Veränderungen des gereizten Nerven. 111. 401 wirkliche Netzstruktur darzustellen; jedoch sieht man auf Längs- sehnitten von derartig behandelten Nerven mehr oder weniger deutlich, dass die Markscheide vor allem in der Aufsicht nicht mehr homogen ist, sondern wie durchlöchert aussieht. Es kann dann vor- kommen, dass aus dem optischen Längsschnitt die Markscheide aus hellen und dunklen Schichten zusammengesetzt erscheint. Ähnliche Bilder hat bereits Gedoelst!) bei Fixierung in Kalium- bichromat-Ösmiumsäure erhalten und in. charakteristischer Weise, allerdings ziemlich schematisiert, abgebildet. Schliesslich wurden auch Nerven untersucht, die durch Kochen in 0,65 'oiger Kochsalzlösung fixiert worden waren. Wird ein Nerv ohne weiteres auf eine höhere Temperatur erhitzt, so verkürzt er - sich in der Richtung seiner Längsachse ausserordentlich stark. Be- kanntlich haben Brodie und Halliburton?) gezeigt, dass diese „Wärmekontraktion“ auf die Gerinnung der in der Nervensubstanz enthaltenen Eiweisskörper zurückzuführen ist. Will man nun einen Nerven durch Kochen fixieren, so muss man das Auftreten der Wärmeverkürzung verhindern, indem man den Nerven durch An- hängen eines Gewichtes gedehnt erhält. Zupfpräparate waren hier nur unvollkommen herzustellen, da sich ein gekochter Nerv kaum in einzelne Fasern zerzupfen lässt, sondern meist ganze Faserbündel beim Zerzupfen in kurze Stücke auseinanderfallen. An derartigen Präparaten konnte man nur erkennen, dass sich in der Markscheide ein dichter, feinkörniger Niederschlag gebildet hatte, der sich nicht mit Deutliehkeit in ein Netzwerk auflösen liess. Andere Bilder lieferten Längs- und Querschnitte gekochter Nerven (Taf. XII Fig. 9 und 10). Das gröbere histologische Bild des Nerven ist hier recht gut erhalten; auf dem Längsschnitt sieht man, dass der Achsenzylinder durch Hämatoxylin blassblau gefärbt und verhältnismässig wenig geschrumpft ist. In der Markscheide hat sich ein ganz zartes, ziemlich eng- maschiges Netzwerk blassblau gefärbt. In manchen Fasern findet sich anstatt dieses Netzwerkes ein sehr feinkörniger Niederschlag. Auf dem Querschnitt erscheinen die Nervenfasern Kreisrund. Der Achsenzylinder ist blassblau oder ungefärbt, ziemlich dick, meist 1) Gedoelst, Etude sur la constitution cellulaire de la fibre nerveuse, La Cellule t.3 p. 104. 1837. 2) Brodie and Halliburton, Heat contraction in nerve. Journ. of physiol. vol. 31 p. 473. 1904. DS 402 Hans Stübel: nieht kreisrund, sondern mit spitzen Fortsätzen versehen. Auch auf dem Querschnitt sieht man in der Markscheide eine sehr zarte Netz- struktur, zumeist von Radspeichencharakter, in manchen Fasern auch pur einen feinkörnigen Niederschlag. Wird ein Nerv nicht gekocht, sondern allmählich auf eine höhere Temperatur gebracht (in mit Wasserdampf gesättigter Luft), so kann man nach Alkoholfixierung eine Erweiterung des Netzwerkes feststellen, worüber ich in der ersten Mitteilung ausführlich be- richtet habe. Nieht ohne Absicht wurde die Struktur der Markscheide in dieser Abhandlung stets als Netzstruktur bezeichnet. In der Literatur finden sich vielfach Angaben, dass in der Markscheide eine Wabenstruktur vorhanden ist. So findet sich nach Doinikow (s. 0.) ein Wabenwerk in der Markscheide, und auch Dürck ge- braucht häufig den Ausdruck Wabenstruktur, ohne zu erörtern, ob man im mikroskopischen Bild der Markscheide das Vorhandensein eines Wabenwerkes nachweisen oder wenigstens aus dem Charakter der Struktur mit einer gewissen Sicherheit erschliessen kann. Bei vorurteilsfreier Betrachtung der Markscheidenstruktur, so wie sie bei Behandlung mit den verschiedensten Fixierungsmitteln auftreten, gelingt es meines Erachtens nicht, einen exakten Beweis dafür zu erbringen, dass das Bild der Markscheidenstruktur der Ausdruck für das Vorhandensein einer echten Wabenstruktur ist, d. h., dass die Markscheide aus zwei verschiedenen Substanzen besteht, von denen die eine Substanz (der Wabeninhalt) in einzelnen nicht miteinander zusammenhängenden Massen vorhanden ist, die durch die andere Substanz allseitig voneinander abgetrennt werden. Zumeist ge- winnt man den Eindruck, dass die Stränge des Netzwerkes nicht drehrunde, sondern mehr oder weniger abgeplattete oder kantige Gebilde sind. Ob aber daraus der Schluss gezogen werden darf, dass diese Stränge stets als die optischen Querschnitte durch Waben- wände aufzufassen sind, erscheint mir fraglich. Am ehesten hat man bei manchen Osmiumpräparaten nach Fixierung mit Kaliumbichromat- Osmiumsäure, wenn man die Markscheide in der Aufsicht betrachtet, den Eindruck, dass hier ungefärbte Hohlräume in der schwarz- gefärbten Grundsubstanz liegen. Leider war es mir nicht möglich, von einem derartigen Präparat eine wirklich charakteristische Mikro- photographie herzustellen. Ich verweise deshalb auf die bereits oben erwähnte Abbildung von Gedoelst. Morphologische Veränderungen des gereizten Nerven. Ill. 403 Die chemische Beschaffenheit des Netzwerkes. Aus dem Verhalten der Markscheide gegenüber den verschiedenen zur Anwendung gelangten Fixierungsflüssigkeiten ergeben sich bereits sewisse Anhaltspunkte für die Beurteilung der chemischen Be- schaffenheit des Netzwerkes. Nach allem, was wir über die chemische Beschaffenheit der Markscheide wissen, besteht dieselbe hauptsächlich aus fettähnlichen Verbindungen (Leeithin, Protagon usw.) und Cholesterin; erst in zweiter Linie werden die im Nerven vor- handenen Eiweisskörper in der Markscheide vertreten sein. Gleich- gültig, ob man die lebende Markscheide für strukturlos hält und der Ansicht ist, dass erst durch die Fixation eine Markscheidenstruktur entsteht, oder ob man an die Präexistenz der Markscheidenstruktur glaubt, wird man zugeben müssen, dass durch die Fixation die physikalischen Eigenschaften eines oder mehrerer Bestandteile der Markscheide in besonderer Weise verändert werden; denn nur am fixierten Nerven ist in der Markscheide eine stärker lichtbrechende Substanz, das Netzwerk, von einer schwächer lichtbrechenden Substanz zu unterscheiden. Alle Vorgänge, die bei der Fixierung des Nerven auftreten, sprechen dafür, dass durch die Fixierung ein Bestandteil der Markscheide fest wird, koaguliert und dann unter der Form des Netzwerkes erscheint. Die Substanz, aus der das Netzwerk besteht, wird koaguliert durch Alkohol, durch Sublimat und auch durch Kochen; sie ist unlöslich in kaltem und heissem Alkohol sowie in heissem und kaltem Petroläther. Allein diese Tatsachen deuten darauf hin, dass das Netzwerk aus Eiweisskörpern besteht. Künstliche Verdauung. Wenn das Netzwerk aus Eiweisskörpern besteht, so müsste es durch proteolytische Fermente verdaut werden können. Bekanntlich haben bereits die Entdecker des Netzwerkes, Ewald und Kühne), das Verhalten des Nerven gegenüber proteolytischen Fermenten untersucht. Nach Ewald und Kühne sowie nach Kühne und Chittenden?) lässt sich das Netzwerk der Markscheide durch künst- liche Verdauung sowohl des frischen als des fixierten Nerven dar- stellen. Auf Grund dieser Verdauungsversuche schloss Kühne, dass 1) Ewald und Kühne, |. c. 2) Kühne und Chittenden, Über das Neurokeratin. Zeitschr. f. Biol. N.F. Bd. 8 S. 291. 1889. 404 Hans Stübel: das Netzwerk der Markscheide ganz oder teilweise aus dem von ihm auch auf makrochemischem Wege dargestellten Neurokeratin be- stünde, einem schwefelreichen, durch Pepsin und Trypsin nicht an- greifbaren und daher dem Keratin der Epidermis nahestehenden Eiweisskörper (Albuminoid). Die Versuchsergebnisse von Kühne und seinen Mitarbeitern konnten späterhin nur teilweise bestätigt werden, indem es zahlreichen Autoren, z. B. Kölliker'), Joseph?) und neuerdings wiederum Ernst?), nicht gelungen ist, das Neuro- keratinnetz durch Verdauung des frischen Nerven darzustellen. Ich habe in einer Anzahl von Versuchen den frischen Ischiadieus des Frosches in Trypsin-Sodalösung bei 37° C. (unter Toluolzusatz) 1—3 Tage lang verdaut und dabei niemals bei Betrachtung des verdauten Nerven ein Netzwerk entdecken können. Ich wandte beim Suchen nach den: Netzwerk nicht nur Hellfeld-, sondern auch Dunkelfeldbeleuchtung an, da man ja bei dieser Methode unter Um- ständen kleine und schwach-lichtbrechende Gebilde deutlicher er- kennen kann; aber es war mir auch so niemals möglich, auch nur andeutungsweise ein Netzwerk zu sehen. Die Markscheide zerfällt bei der künstlichen Verdauung mit Trypsin in ziemlich stark licht- brechende längliche Klumpen, zwischen denen sieh ein körniger Detritus befindet. Am resistentesten gegen die Verdauung scheint sich die Schwann’sche Scheide zu verhalten. Man sieht nämlich, dass die länglichen Klumpen des zerfallenden Markes vielfach in schwachlichtbrechenden, ganz dünnwandigen Schläuchen liegen. Wenn diese Schläuche keine solchen Schollen von Markscheidensubstanz enthalten, werden sie ganz eng, und weiterhin gehen aus ihnen zarte, doppelt- oder schliesslich einfachkonturierte Fäden hervor, die man massenhaft in derartigen Präparaten antrifft. Wenn man einen nichtfixierten Nerven der Trypsinverdauung aussetzt und ihn dann, kurz bevor er völlig zu zerfallen beginnt, fixiert, so sieht man in den fixierten Detritusmassen noch deutliche Netzwerkreste, und zwar ist wiederum das Netzwerk nach Alkoholfixierung weitmaschig, nach Sublimatfixierung engmaschig. Demgegenüber lässt sich ohne weiteres die Angabe Kühne’s, dass das Netzwerk in einem fixierten Nerven unverdaulich- ist, 1) Kölliker, Handbuch der Gewebelehre des Menschen, 6. Aufl. 1896. 2) Joseph, Über einige Bestandteile der peripheren markhaltigen Nerven- faser. Sitzungber. d. kgl. preuss. Akad. d. Wissensch. Berlin 1888. 3) Ernst, l. c. Morphologische Veränderungen des gereizten Nerven. III. 405 bestätigen. Bei Fixierung in Aleohol absolutus sind sehr deutliche Bruchstücke eines grobmaschigen Netzwerkes wahrnehmbar. Bei Fixierung in Sublimat zeigt sich in weniger fortgeschrittenen Stadien der Verdauung, dass die Schwann’sche Scheide nicht oder kaum verdaut ist. Die Markscheide ist innerhalb der Schwann’schen Seheide in Bruchstücke von verschiedener Länge zerfallen. In diesen Bruehstücken ist deutlich ein sehr feinmaschiges Netzwerk zu erkennen (Taf. XIV Fig. 15). Allem Anscheine nach entsprechen die Bruch- stücke den durch die Lantermann’schen Inzisuren gebildeten Segmenten der Markscheide. Nach länger andauernder Verdauung werden diese Markscheidensegmente nicht mehr durch die Schwann- sche Scheide zusammengehalten, sondern bilden einen unzusammen- hängenden Detritus. Die Enden dieser zylindrischen Markscheiden- bruchstücke zeigen charakteristische Formen, indem das eine Ende in einer annähernd konischen Spitze ausläuft, das andere hingegen eine entsprechende konische Vertiefung zeigt. Zuweilen finden sich auch Segmente mit konischen Spitzen oder mit konischen Ver- tiefungen an beiden Enden. Gerade die Form der Enden spricht sehr dafür, dass diese Markscheidenbruchstücke Lantermann schen Segmenten entsprechen. Wird ein mit Sublimat fixierter, darauf in Trypsinlösung verdauter, aber noch nicht zerfallener Nerv in Alcohol absolutus gebracht und dann in Paraffın eingebettet, so sieht man auf Längs- und Querschnitten die für Sublimatfixierung charakte- ristische Radspeichenstruktur in der schönsten Weise. Auch nach Fixierung in 10°oiger wässeriger Formollösung lässt sich durch Trypsinverdauung ein sehr feines Netzwerk darstellen; jedoch scheint dieses Netzwerk bei längerer Einwirkuug des Trypsins von diesem schliesslich verdaut zu werden. Wenn wir annehmen, dass das Netz der fixierten Markscheide aus koagulierten Eiweisskörpern besteht, so müssen diese der Ver- dauung einen ganz erheblichen Widerstand leisten, während im all- gemeinen koagulierte Eiweisskörper der Verdauung leichter zugäng- lich sind, worauf erst vor kurzem von Abderhalden und Pettibone!) hingewiesen worden ist. 1) Abderhalden und Pettibone, Fortgesetzte Untersuchungen über den Einfluss des physikalischen Zustandes von Proteinen auf die Raschheit ihres Abbaues durch Fermente usw. Zeitschr. f. physiol. Chemie Bd. 81 S. 458. 1912. 406 Hans Stübel: Ninhydrinreaktion., Um das Vorkommen und die Lokalisation der Eiweisskörper im markhaltigen Nerven näher zu untersuchen, wendete ich das unlängst von Abderhalden!) in die physiologisch-chemische Technik als emp- findliches Reagens auf Eiweisskörper und deren Spaltungsprodukte eingeführte Triketohydrindenhydrat (Ninhydrin) an. Ei- weisskörper, überhaupt alle Verbindungen, an deren Aufbau Amino- säuren teilnehmen, geben mit Ninhydrin eine Blaufärbung. Ich wendete das Reagens in der Weise an, dass ich den Nerven in einer 1°/oigen Lösung von Ninhydrin in 0,65 °oiger NaCl-Lösung zer- zupfte, darauf dieses Reagens fast vollständig verdunsten liess, dann neues Reagens zugab, ein Deckglas aufdeckte, das Präparat mit Deckelaskitt umrandete und es schliesslich in einen Wärmeschrank (55—60°) brachte, bis eine Färbung eintrat. Wird ein frischer Nerv in dieser Weise behandelt, so tritt spätestens nach 5 bis 15 Minuten eine blassblaue Färbung ein. Anfänglich ist es nicht leicht, zu entscheiden, ob diese Färbung lediglich den Achsenzylinder oder ob sie die ganze Nervenfaser betrifft. Je mehr aber der Achsen- zylinder schrumpft, um so deutlicher tritt hervor, dass nur er und nicht die Markscheide gefärbt ist. Sichere Beobachtungen über die Färbung und vor allem über ihre genaue Lokalisation können nur bei ganz offener Irisblende unter völliger Ausnützung des Kondensors gemacht werden. Im Verlaufe von etwa 2 Stunden geht die soeben beschriebene Blaufärbung wieder zurück. Erst wenn die Blaufärbung des Achsenzylinders zurückgeht, tritt unter Umständen auch an nicht fixierten Nerven hier und da ein körniger, mehr oder weniger deut- lich blau- oder violettgefärbter Niederschlag in der Markscheide auf. Dieser Niederschlag zeigte in einigen Fällen stellenweise eine netz- artige Anordnung. Auch seine Färbung ist nicht dauerhaft. Ganz anders färben sich fixierte Nervenfasern, die mit Ninhydrin in. derselben Weise behandelt werden. Bei Alkoholfixierung färbt sich am deutlichsten das Netzwerk der Markscheide. Seltener ge- wahrt man auch noch am Achsenzylinder eine schwache und un- deutliche Blaufärbung. Die Färbung hat hier zuweilen einen Stich ins Violette. Auch nach Fixierung mit Sublimat und mit Sublimat- 1) Abderhalden und Schmidt, Über die Verwendung von Triketo- hydrindenhydrat zum Nachweis von Eiweissstoffen und deren Abbaustufen. Zeitschr. f. physiol. Chemie Bd. 72 8.37. 1911. Morphologische Veränderungen des gereizten Nerven. Il. 407 Alkohol tritt eine sehr distinkte Färbung des Netzwerkes der Mark- scheide mit Ninhydrin ein. Hier ist jedoch die Farbe des Netz- werkes ein deutliches Rot (zuweilen mehr Heliotrop). Nach Formol- fixierung lässt sich überhaupt keine Blaufärbung des Netzwerkes feststellen. Ebenso wie man die Blaufärbung des Achsenzylinders in frischen Nerven darauf zurückführen wird, dass im Achsenzylinder Eiweiss- körper enthalten sind, wird man aus der Blaufärbung des bei Alkoholfixierung auftretenden Netzwerkes schliessen können, dass dieses Netzwerk ganz oder teilweise aus Eiweisskörpern besteht. Weniger eindeutig ist das Versuchsergebnis bei mit Sublimat fixierten Nervenfasern. Dass bei Formolfixierung keine Blaufärbung auftritt, ist nicht verwunderlich, da ja bekannt ist, dass die Ninhydrinreaktion durch die Anwesenheit verschiedener chemischer Verbindungen ver- hindert werden kann und sowohl bei saurer als bei alkalischer Re- aktion negativ ausfällt. Ob man aus der Rotfärbung des mit Sub- limat fixierten Netzwerkes einen Schluss auf die chemische Beschaffen- heit desselben ziehen darf, erscheint vorerst mindestens zweifelhaft. Ninhydrin wird nämlich bei saurer Reaktion schon an sich rot ge- färbt; lässt man die Ninhydrinlösung, in der man ein mit Sublimat fixiertes und dann 24 Stunden in fliessendem Wasser ausgewaschenes Nervenstückehen zerzupft hat, verdunsten, so beobachtet man das Auftreten von Kristallen, die dieselbe Rotfärbung wie das Netzwerk zeigen. Es ist jedoch immerhin bemerkenswert, dass nach Sublimat- fixierung nur das Netzwerk elektiv rot gefärbt wird. Um aus der Tatsache, dass nach Sublimatfixierung eine Rot- färbung des Netzwerkes auftritt, eventuell Schlüsse ziehen zu können, stelle ich einige Kontrollversuche mit Eiereiweiss an. Sowohl frisches als durch Alkohol koaguliertes Eiweiss gibt mit Ninhydrin eine Blau- färbung, wenn die Reaktion auf dem Öbjektträger in der oben be- schriebenen Weise angestellt wird. Durch konzentrierte Sublimat- lösung koaguliertes Eiereiweiss gibt unter diesen Umständen eine ausgesprochene Rotfärbung, und zwar hat die rote Farbe genau denselben Ton wie die rote Farbe des Netzwerkes im mit Sublimat fixierten Neryen. Auch wenn das mit Sublimat gefällte Eiweiss- koagulum vor Anstellung der Reaktion 24 Stunden lang in fliessen- dem Wasser ausgewaschen wird, gibt es immer noch eine Rot- färbung mit Ninhydrin. Hingegen geben nichtninhydrinhaltige or- ganische Verbindungen, z. B. Stärke, nach Behandlung mit Sublimat 408 Hans Stübel: niemals eine Farbenreaktion mit Ninhydrin. Diese Kontrollversuche machen es immerhin wahrscheinlich, dass die Rotfärbung des Netz- werkes im mit Sublimat fixierten Nerven darauf zurückzuführen ist, dass in dem Netzwerke Eiweisskörper vorhanden sind. Schliesslich wurde die Ninhydrinreaktion auch mit Nerven, bzw. Bruchstücken von solchen, angestellt, die mit Alkohol oder mit Sublimat fixiert und dann der Trypsinverdauung, wie oben be- schrieben, unterworfen waren. Sowohl nach Sublimat als nach Alkoholfixierung färbte sich das Netzwerk rot, jedoch nach Sublimat- fixierung erheblich intensiver. Die Ninhydrinreaktion tritt in der Markscheide nur am fixierten Nerven auf. Am nichtfixierten Nerven sind, wie oben beschrieben, hier und da violette Niederschläge nachweisbar, aber erst dann, wenn der Nerv nach seinem Absterben tiefgreifende Veränderungen erlitten hat, wie aus den Schrumpfungserscheinungen am Achsen- zylinder und dem Auftreten von Myelinfiguren ersichtlich ist. Hier- aus geht hervor, dass durch die Fixierung ‘nieht nur die physi- kalische, sondern auch die chemische Beschaffenheit der Markscheiden- substanz in eingreifender Weise verändert wird: Erst nach der Fixierung sind die Eiweisskörper oder die diesen nahestehenden Verbindungen der Markscheidensubstanz in einer Form vorhanden, die das Zustandekommen der Ninhydrinreaktion ermöglicht. Es ist sehr schwer vorstellbar, dass ein die lebende Markscheide durchziehendes Netz- oder Wabenwerk einmal in Form eines grob- maschigen, nur unterhalb der Schwann'’schen Scheide gelegenen Netzwerkes (Alkoholfixierung, Kühne), ein anderes Mal in Form eines ausserordentlich viel engmaschigeren, die ganze Markscheide durchsetzenden Netzwerkes fixiert würde. Anderseits sprechen die Versuche mit Ninhydrin in hohem Maasse dafür, dass das bei der Alkoholfixierung entstehende Netzwerk und das bei der Sublimat- fixierung entstehende Netzwerk ein und denselben chemischen Be- standteil der frischen Markscheide, nämlich die Eiweisskörper, enthalten. Zusammenfassung. In der Markscheide eines nichtfixierten Nerven hat sich bis jetzt noch keine netz- oder wabenartige Struktur nachweisen lassen. Durch die Fixierung des Nerven wird eine Netzstruktur der Mark- scheide sichtbar, und zwar ist diese Struktur je nach der Natur der Morphologische Veränderungen des gereizten Nerven. Ill. 409 Fixierungsflüssigkeit verschieden. Durch künstliche Verdauung lässt sich am frischen Nerven keine Netzstruktur darstellen. Die Netz- struktur der fixierten Markscheide widersteht der Trypsinverdauung. Im nichtfixierten Nerven tritt in der Markscheide keine Farben- reaktion mit Ninhydrin auf. Im mit Alkohol fixierten Nerven färbt sich das Netzwerk der Markscheide mit Ninhydrin blau, im mit Sublimat fixierten Nerven rot. Alle diese Tatsachen lassen sich zwanglos erklären durch die Annahme, dass die Markscheidensubstanz des frischen Nerven homogen ist (im morphologischen Sinne) und dass bei der Fixierung die Eiweisskörper (bzw. eiweissähnliche Bestandteile) der Markscheide in Form eines Netzwerkes niedergeschlagen werden. Wenn man anderseits an der Annahme der Präexistenz einer Markscheiden- struktur festhalten würde, so müsste man die Hilfshypothese machen; dass die präexistente Struktur endweder grobmaschig, direkt unter der Schwann’schen Scheide liegend und nur durch Alkoholfixierung darstellbar, oder engmaschig, die ganze Dicke der Markscheide durch- setzend, und beispielsweise durch Sublimatfixierung darstellbar wäre, was immerhin eine gezwungene Annahme sein würde. Es bliebe weiter nichts übrig als die Hypothese, dass die im Leben vorhandene Markscheidenstruktur eine unbekannte Form hat, die anders ist als die mannigfaltigen nach der Fixierung sichtbaren Strukturen. Direkte Beweise für das Vorhandensein einer Struktur innerhalb der lebenden Markscheide lassen sich jedoch nicht beibringen. Es wurden nicht nur bei Fixierung mit Alcohol absolutus, sondern auch bei Anwendung aller der obengenannten Fixierungs- flüssigkeiten die in den beiden vorhergehenden Mitteilungen be- schriebenen Reizversuche ausgeführt, um eine eventuell auftretende Differenz in der Ausbildung des Netzwerkes zwischen erregtem und nichterregtem Nerven festzustellen. Aber es stellte sich heraus, dass nur bei Fixierung mit Alcohol absolutus diese Versuche ein positives Ergebnis hatten, worüber bereits am Schluss der vorigen Mitteilung berichtet wurde. Tafelerklärung. (Taf. VII—XIV.) Fig. 1 und 2 sind bei derselben Vergrösserung: Zeiss, achrom. Obj. D. Komp.-Ok. 4, Balgauszug 50 cm, aufgenommen. (Lichtquelle: monochrom. grünes Licht, A—546 uu.) 410 Hans Stübel: Morphol. Veränderungen des gereizten Nerven. Il. Fig. 1. Ischiadicus von Bufo viridis, distales Ende; fixiert in Alcohol abs., Paraffinschn. 10 «. Hämatoxylin nach Hansen. Fig. 2. Das entsprechende Stück des Ischiadicus der anderen Seite des In- dividuums, von dem Fig. 1 stammt, gereizt mit Induktionsstrom, Reizdauer ca. 1 Sekunde, R.-A.=20 cm!). Fig. 3—13 sind bei derselben Vergrösserung: Zeiss, apochrom. Immersion, 2 mm Brennweite; Komp.-Ok. 4, Balgauszug 50 cm, aufgenommen. Lichtquelle: monochrom. grünes Licht, A — 546 uu.) Fig. 3. Ischiadicus von Bufo vulgaris, distales Ende; fixiert in Alcohol abs., Paraffinschn. 10 «. Hämatoxylin nach Hansen. Fig. 4 Das entsprechende Stück des Ischiadicus der anderen Seite desselben Individuums, von dem Fig. 3 stammt; gereizt mit Induktionsstrom, Reizdauer ca. 1 Sekunde, R.-A.=20 cm!). Fig. 5. Ischiadicus von Rana esculenta; fixiert in konzentrierter wässeriger HgOl;- Lösung. Paraffinschn. 10 «. Hämatoxylin nach Hansen. Fig. 6. Rückenmarkswurzel von Rana esculenta; fixiert in 10%/oiger Formollösung, ‚sonst wie Fig. 5. Fig. 7. Ischiadicus von Rana esculenta; fixiert in Alcohol abs., Querschnitt, sonst wie Fig. 5. Fig. 8. Querschnitt desselben Nerven, von dem Fig. 5 stammt (fixiert in HgOl,- Lösung); Technik wie Fig. 5. Fig. 9. Ischiadicus von Rana esculenta; fixiert in kochender 0,65 Yoiger NaQl- Lösung; sonst wie Fig. 5. Fig. 10. Derselbe Nerv wie Fig. 9 im Querschnitt. Fig. 11. Ischiadicus von Rana esculenta; fixiert in Alcohol abs., Zupfpräparat (ungefärbt). Fig. 12. Ischiadicus von Rana esculenta; fixiert in konzentrierter wässeriger HgCl;- Lösung. Zupfpräparat (ungefärbt). Fig. 13. Ischiadicus von Rana esculenta; fixiert in konzentrierter wässeriger HgCl,.-Lösung; 48 Stunden bei 37°C. in Trypsinsodalösung; zerfallen. Das Netzwerk der Bruchstücke durch Triketohydrindenhydrat tiefrot gefärbt. Fig. 14. Ischiadicus von Rana esculenta; fixiert in Alcohol abs.; je 6 Stunden in siedendem Alcohol abs. und siedendem Petroläther extrahiert. Zupfpräparat. Dunkelfeldbeleuchtung: Zeiss, Paraboloidkondensor, apochrom. Obj. 3 mm Brennweite, Projektions-Ok. 2, Balgauszug 108 cm. 1) Über genauere Einzelheiten der Versuchstechnik vgl. die beiden vorher- gehenden, auf S. 391 zitierten Mitteilungen. Ben Ischiadieus von Bufo viridis; fixiert in Alkohol absolutus. Paraffinschn. 10... Hämatoxylin. Zeiss Obj. D, Comp. Oe. 4. Fig. 1 ungereizt, Fig. 2 gereizt, 1 Sekunde. R. A=20 cm. Verlag von Martin Hager, Bonn. Pflüger's Archiv f. d. ges. Physiologie. Bd. 155. Tafel IX. RN FR wi RE DER Isehiadieus von Bufo vulgaris; fixiert in Alkohol abs. Paraffinschn. 10 «u, Hämatoxylin. Zeiss, apochr. Imm. 2 mm, Comp. Oe.4, Fig. 3 ungereizt, Fig. 4 gereizt, 1 Sek. R. A=20 cm. Verlag von Martin Hager, Bonn. Wanne Til En Maar, 5 Pflüger’ Archiv f. d. ges. Physiologie. Bd. 155. Tafel 5. Ischiadieus von Rana eseulenta. Fixiert in HgCl, eone. wässr. Lösung. Paraffinsehn. 10 «. Hämatoxylin. Zeiss, apochr. Inm. 2 mm, Comp. Oe. 4. Rückenmarkswurzel von Rana eseulenta. Fixiert in 10°/, Formol. Paraffinschn. 10... Hämatoxylin. Zeiss, apochr. Imm. 2 mm, Comp. Oe. 4. Verlag von Martin Hager, Bonn. | ie a BEIN Pflüger’s Archiv f. d. ges. Physiologie. Bd. 155. Tafel XI. Isehiadieus von Rana esculenta (Querschnitt); fixiert in Alkohol abs. Paraffinsehn. 10... Hämatoxylin. Zeiss, apochr. Imm. 2 mm, Comp. Oe 4. 8. A Ischiadieus von Rana esculenta (Querschnitt); fixiert in cone. wässr. Hg Cl; - Lösung. Paraffinschn. 10«. Hämatoxylin. Zeiss, apochr. Imm. 2 mm, Comp. Oe. 4. Verlag von Martin Hager, Bonn. dia rens Dee ms RN URN, SE denied are Pflüger’s Archiv f. d. ges. Physiologie. Bd. 155. Tafel XI. 3 F es Ischiadieus von Rana eseulenta, fixiert in kochender 0,65°/,iger NaUl- Lösung. Paraffinschn. 10 «. Hämatoxylin. Zeiss, apochr. Imm. 2 mm, Comp. Oe. 4. 10. Mh uch Be. Dasselbe wie Figur 9 im Querschnitt. Verlag von Martin Hager, Bonn. Pflüger’s Archiv f. d. ges. Physiologie. Tafel XI. Ischiadieus von Rana esculenta, fixiert in Alkohol abs. Zupfpräparat (eine Nervenfaser). Zeiss, apochr. Imm. 2 mm, Comp. Oe. 4. 12. ’ a EI TTEEER ! Ischiadieus von Rana eseulenta, fixiert in cone. wässr. HgCl,-Lösung, Zupfpräparat (eine Nervenfaser). Zeiss, apochr. Imm. 2 mm, Comp. Oe.4. Verlag von Martin Hager, Bonn, ernten an sinne, Paar Au Pflüger’s Archiv f. d. ges. Physiologie. Bd. 185. Tafel XIV. ISSN Isehiadieus von Rana eseulenta, fixiert in cone. wässr. Hg Cl, - Lösung; 48 Stunden bei 37° in Trypsinsodalösung; zerfallen. Das Netzwerk der Bruchstücke durch Triketohydrindenhydrat rot gefärbt. Zeiss, apochr. Imm. 2 mm, Comp. Öe. 4. Ischiadieus von Rana esculenta, fixiert in Alkohol abs.: mit siedendem Alkohol und Petroläther extrahiert; Zupfpräparat. Dunkelfeldbeleuchtung: Zeiss, Paraboloidkondensor, apochr. Obj. 3 mm Brennweite, Proj. Oe. 2. Verlag von Martin Hager, Bonn. 411 (Aus dem physiologischen Institute der k. k. böhm. Universität in Prag.) Zur Frage über die Natur des Winterschlafes, Von Dr. Franz Mares, Professor der Physiologie. Osvaldo Polimanti hat eine Monographie über den Winter- schlaf!) herausgegeben, in welcher alte und neue Beobachtungen und Betrachtungen über diesen Zustand gesammelt und gesichtet sind, so dass das Buch mit Recht als eine Quelle benutzt werden wird. Nachdem Polimanti die älteren und neueren Anschauungen über die Natur des Winterschlafes der Warmblüter auseinander- gesetzt hatte, bringt er seine eigene vor, welche wohl als die physio- logisch am besten begründete anzusehen ist. Nach dieser Anschauung liegt der physiologische Grund des Winterschlafes darin, dass der Winterschläfer unfähig ist, grösseren Änderungen der Aussentemperatur zu widerstehen, wegen der schwachen Resistenz seines „thermogenetischen Koeffizienten“, so dass er gezwungen ist, in einen lethargischen Zustand zu verfallen, um sich vor einer allzu raschen Histolyse und damit vor dem Tode zu erretten (S. 120, 647). Die Körpertemperatur des Winterschläfers ist sehr labil und nähert sich während des Winterschlafes der Tempe- ratur der Umgebung; man kann also, sagt Polimanti, schliessen, dass die Lethargie nichts anderes ist als eine Zurückannäherung oder eine Rückkehr des Warmblüters in den Zustand des Kalt- blüters. Polimanti hält mit Liebault und Forel dafür, dass dieser Rückfall durch eine hypnotische Erscheinung bestimmt sein kann (S. 655). Man kann die Lethargie, nach Polimanti, auch als eine Rückkehr in einen primitiven embryologischen Zustand betrachten. Die neugeborenen Säugetiere haben nämlich ebenfalls nicht die Fähigkeit, ihre Körpertemperatur konstant zu erhalten, und 1) Osvaldo Polimanti, Il Letargo. Roma 1912. 412 Franz Mares: verbringen ebenso viele Zeit im Schlafe. Polimanti nimmt endlich an, dass in einer entfernten Zeitepoche alle Tiere zeitweilig in Lethargie verfielen, und dass diese Fähigkeit allmählich verloren eing (S. 659). Nach dieser Auffassung handelt es sich also beim Winterschlafe um eine allmähliche phylogenetische Entwicklung des thermo- regulatorischen Reflexes, wie er sich allmählich auch beim neugeborenen Säuger entwickelt, und um einen zeitweiligen Rückfall in den primitiveren Zustand, wo dieser Reflex versagt oder ge- dämpft wird. Polimanti hat seine Aufmerksamkeit auch meinen Unter- suchungen über den Winterschlaf beim Ziesel gewidmet, welche im Jahre 1889 ausführlich in böhmischer Sprache, dann 1892 in einem sehr kurz gefassten Auszuge französisch veröffentlicht worden sind }). Er stellt nun meine Auffassung des Winterschlafes in folgender Weise dar (S. 116): Mares (1892) schliesst vollständig aus, dass die Kälte die Ur- sache der Lethargie sei: die lethargischen Tiere hätten eine an- geborene Fähigkeit, in ihrem Nervensysteme die Empfindlich- keit ausschliesslich für die äussere Kälte verschwinden zu machen. Diese Fähigkeit sei einer hpynotischen Suggestion zu- zuschreiben, welche atavistisch übertragen wird. Mares gründete diese seine Theorie auch auf eine von ihm und Hellich gemachte Beobachtung bei einer Hysterischen, welche, wenn sie in den hypnotischen Zustand verfiel, eine enorme Erniedrigung ihrer Körpertemperatur zeigte. Polimanti hätte eine solche meine Auffassung des Winter- schlafes nach dieser seiner Darstellung mit Recht unter das Kapitel „I letargo ed il mistieismo antico e moderno“ einreihen können. Sein Buch wird aber gewiss als eine Quelle benutzt werden; und da wäre es nicht nur für mich, sondern auch für die wissenschaft- liche Wahrheit und Gerechtigkeit nachträglich, sollte seine Dar- stellung auch weiter noch als echt übernommen werden. Deswegen erbitte ich mir die Aufmerksamkeit zur Aufklärung dieser Frage. 1) F. Mares, Über den Winterschlaf der Säugetiere. Sbornik lekarsky Bd. 2 S. 458—527. 1889. — Experiences sur l’hibernation des mammiferes Paris. Soc. de Biol.; seance du 22. octobre 189. Zur Frage über die Natur des Winterschlafes. 413 Dazu genügt es, einige Sätze aus meiner eigenen Darstellung wörtlich anzuführen (S. 8 des französischen Textes): „Die Ursache des Winterschlafes ist in der Organisation des Tieres selbst gelegen. Die Fähigkeit des Warmblüters, seine Körpertemperatur konstant zu erhalten, beruht auf seinem Nervensystem. Die äussere Kälte erregt sensible Nerven der Haut und ruft reflektorisch eine Ver- mehrung der Wärmeproduktion hervor. Diese Lehre beruht auf den Untersuchungen von Pflüger und seiner Schüler. Die Tiere mit ver- änderlicher Körpertemperatur haben nicht dieselbe Fähigkeit, d. h. ihr Nervensystem wird durch die äussere Kälte nicht in der Weise erregt, dass dadurch eine Vermehrung der Wärme- produktion zustande käme. Die Empfindlichkeit des Nervensystems für die äussere Kälte ge- hört nicht zu seinen Grundeigenschaften; sie findet sich nicht bei den primitiven Tieren. Es ist eine durch progressive Entwicklung des Tierreiches erworbene Eigenschaft, welche sich bloss bei den zwei höchsten Tierklassen findet. Ein Warmblüter wird zu einem Kaltblüter, wenn er in den Winter- schlaf verfällt. Er ist zu einem primitiveren Typus zurückgekehrt; er hat eine durch die Entwicklung erworbene Eigenschaft eingebüsst, nämlich die Empfindlichkeit für die äussere Kälte. Der Zustand des Winterschlafes wäre ein Fall von Atavismus. Es scheint mir also, dass die Ursache des Winterschlafes in einem zeitweisen Verluste der Empfindlichkeit des Nervensystems für die äussere Kälte gelegen ist, derjenigen Empfindlichkeit, durch welche das Tier befähigt wird, seine Körpertemperatur auf konstanter Höhe zu erhalten.“ In meiner Darstellung handelt es sich also um jene spezifische Empfindlichkeit gegen äussere Kälte, welche reflektorisch eine Vermehrung der Wärmeproduktion hervorruft, also um den thermo- regulatorischen Reflex. Es kann wohl auch ein Kaltblüter für die äussere Temperatur empfindlich sein, wie Babäk!) gezeigt hat; aber diese Empfindlichkeit ruft eben keinen thermoregulatorischen Reflex hervor. Der Winterschläfer zeigt also einen Rückfall in den Zustand einer früheren Entwicklungsstufe, was ich als Atavismus bezeichnet habe. Der thermoregulatorische Reflex ist bei der phylogenetischen Entwicklung allmählich erworben und erscheint auch bei neu- geborenen Säugetieren ziemlich labil. Pembrey?) hat bei nackt- 1) E. Babäk, Über die Temperaturempfindlichkeit der Amphibien. Zeit- schrift f. Sinnesphysiol. Bd. 47 S. 36. 1912. 2) M. S. Pembrey, The effect of variations in external temperature upon the output of carbonic acid and the temperature of young animals. The Journ. of Physiol. vol. 18 p. 363. 1895. 414 Franz MareS: und .blindgeborenen Mäusen und Ratten gefunden, dass sie ihre Körpertemperatur nicht zu regulieren vermögen. Babäk!) hat durch respirometrische und kalorimetrische Untersuchungen gezeigt, dass auch beim neugeborenen Kinde besonders die Regulierung der Wärmeabgabe ungenügend ist, so dass die Wärmeproduktion nicht ausreicht, um den Wärmeverlust zu decken, da sie selbst auch noch unregelmässig ist. Der thermoregulatorische Reflex ist also phylo- genetisch allmählich erworben und entwickelt sich auch ontogenetisch erst allmählich. Ein Versagen dieses Reflexes beim entwickelten Säugetiere kann also als ein Rückfall in einen früheren Zustand gedeutet werden. Wenn ich für diesen Rückfall die Bezeichnung Atavismus angewendet habe, so mag man diese Bezeichnung unpassend finden, nicht aber in dem Sinne, wie es z.B. Morat?) getan hat, als wäre es eine „unkontrollierbare Meinung“, wie jene, welche die Winter- schläfer von an polare Nächte gewohnten Gattungen herleiten würde. Keinesfalls aber habe ich gemeint, was mir Polimanti zu- schreibt, dass es sich hier um eine angeborene Fähigkeit handelt, die Empfindlichkeit ausschliesslich für die äussere Kälte zu unterdrücken, welche Fähigkeit einer hypnotischen Suggestion zuzuschreiben ist, welche atavistisch übertragen wird. Von einer hypnotischen Suggestion kann bei einem Ziesel wohl keine Rede sein. Wir haben aber einer hysterischen Frauensperson im hypnotisehen Zustande eingeredet, sie habe keine Empfindlichkeit für Kälte und Wärme, was sie dann auch im wachen Zustande tatsächlich zeigte. Danach sank nun wirklich ihre Körper- temperatur bedeutend herab, ihre Haut wurde sehr kühl, ihre Muskulatur wurde ganz schlaff, sie konnte sich vor dem Schlafen kaum erwehren. Deshalb sahen wir uns genötigt, den Versuch abzubrechen. Der Versuch wurde dreimal an derselben Person mit gleichem Erfolge wiederholt, und zwar vor vielen ärztlichen Zeugen. Seine Bedeutung ist von Merzbacher?) hervorgehoben worden. 1) E. Babäk, Über die Wärmeregulation beim Neugeborenen. Pflüger’s Arch. Bd. 89 S. 155. 1902. 2) J. P. Morat, Traite de Physiologie t. 3 p. 468. 3) L. Merzbacher, Allgemeine Physiologie des Winterschlafes. Ergebn. d. Physiol. Bd.3 H.2 8. 254. 1904. Zur Frage über die Natur des Winterschlafes. 415 R. Dubois hat in seiner Monographie über den Winterschlaf!) zu diesem Versuche bemerkt, dass es übertrieben ist, die Herab- setzung der Körpertemperatur um etwa 2,5 als bedeutend zu be- zeichnen, weil wir es nicht hätten weiter bringen können und weil wir bei einer anderen Versuchsperson vollständig scheiterten. Wir haben aber den Versuch abbrechen müssen, gerade um es nicht weiter zu bringen. Das Misslingen des Versuches bei einer anderen Versuchsperson widerlegt nicht seinen Erfolg bei der ersten. Der Er- folg hängt von der Unterdrückung des thermoregulatorischen Reflexes ab, welche bei verschiedenen Personen eben nicht mit gleicher Leichtigkeit zu suggerieren ist. Polimanti findet jene Herab- setzung der Körpertemperatur „enorm“. Jedenfalls war daran genug. Ich habe vom Verluste der Empfindlichkeit für äussere Kälte gesprochen, wobei ich ausdrücklich die den thermoregula- torischen Reflex auslösende Empfindlichkeit im Sinne hatte. Der thermoregulatorische Reflex wird im Zentralnervensystem, und zwar im Gehirn koordiniert, je nach der Beschaffenheit der Erregung, welehe ihm von den äusseren Rezeptoren zukommt. Ich sprach demgemäss von der Empfindlichkeit des Nervensystems über- haupt. In diesem Sinne ist auch meine Auffassung von Merz- baeher?) verstanden und wiedergegeben worden. Merzbacher?) hat gefunden, dass im Winterschlafe die Gehirnfunktionen, welche den Gesamtorganismus betreffen, gegenüber den segmentalen Rücken- marksfunktionen zurücktreten; es ist also wahrscheinlich, dass die Unterdrückung des thermoregulatorischen Reflexes, welcher als ein den Gesamtkörper betreffender Gehirnreflex zu betrachten ist, mit der Unterdrückung der Gehirnfunktionen überhaupt einhergeht. Im ganzen ist es ersichtlich, dass meine im Jahre 1892 ver- öffentlichte Auffassung des Winterschlafes von derjenigen, die sich Polimanti im Jahre 1904 gebildet hat, nicht so sehr verschieden ist, als es nach seiner Darstellung scheinen möchte. Man darf von einer grossen Monographie erwarten, dass darin 1) Raphaöl Dubois, ‚Etude sur le mecanisme de la thermogenese et du sommeil chez les mammiferes. Physiol. compar&e de la marmotte. Paris 1896. Appendice 57. 2) L. Merzbacher, Allgemeine Physiologie des Winterschlafes. Ergebn. d. Physiol. Bd. 3 H.2 S. 254. 1904. 3) L. Merzbacher, Untersuchungen an winterschlafenden Fledermäusen. Pflüger’s Arch. Bd. 97 S. 569. 1903. Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd. 155. 28 416 Franz Mare®&: besonders auch die tatsächlichen Angaben anderer Autoren genau wiedergegeben werden. Polimanti hat sich nun darin wirklich auf die Monographie von R. Dubois verlassen und meine Beobach- tungen über die Ausscheidung des indig-schwefelsauren Natrons beim Winterschläfer gänzlich nach der Darstellung von Dubois übernommen. Diese Darstellung ist aber unriehtig. Ich bin gegen diese Darstellung bei Dubois selbst nicht hervorgetreten und habe also auch meine Schuld daran, wenn jetzt unrichtige Behauptungen als wissenschaftliches Material weiter verbreitet werden. Ich tue also jetzt, obzwar verspätet, meine Schuldigkeit, wenn ich jene Be- hauptungen auf das richtige Maass zurückführe. Das in das Blut eingeführte indig-schwefelsaure Natron wird be- kanntlich bei den Säugetieren sehr rasch durch die Nieren aus- geschieden; durch die Leber aber erst nach Überfüllung des Blutkreislaufes mit demselben. Bei Vögeln und Fröschen hingegen beteiligt sich in erster Linie die Leber an der Ausscheidung des Farbstoffes, so dass schon nach Einverleibung geringer Mengen des- selben eine natürliche Injektion der Gallenkapillaren zum Vorschein kommt, wo die Nieren noch ganz frei vom Farbstoffe bleiben. Bei winterschlafenden Fröschen bleibt nun auch die Ausscheidung des Farbstoffes durch die Leber aus; vielmehr kommt es zu einer An- sammlung desselben in den Blutkapillaren der Leber, welche bei grösseren Mengen des Farbstoffes natürlich injiziert erscheinen }). Ich habe also Versuche über die Ausscheidung des indig-schwefel- sauren Natrons beim Ziesel während des Winterschlafes ausgeführt, welcher, wie alle Säugetiere, im wachen Zustande diesen Farbstoff sehr rasch durch die Nieren, kaum durch die Leber ausscheidet. Es wurden bei vier im Schlafe begriffenen Zieseln, deren Rektal- temperatur 9—16° betrug, je 5 cem einer gesättigten Lösung von indig-schwefelsaurem Natron in die Vena jugularis eingeführt, die Tiere nach 15 Minuten getötet, die Färbung aller Gewebe bestimmt, die Nieren, Lungen und Leber sofort in absoluten Alkohol gebracht behufs mikroskopischer Untersuchung. Alle Gewebe des Vorderkörpers zeigten eine tiefblaue 1) F. Mares, Beobachtungen über die Ausscheidung des indig-schwefel- sauren Natrons. Sitzungsber. d. kaiserl. Akad. d. Wissensch. in Wien Bd. 91 3. Abt. März 1885. Zur Frage über die Natur des Winterschlafes. 417 Färbung, die des Hinterkörpers aber behielten ihre natürliche Farbe; die Nieren waren ganz frei vom Farbstoffe, ebenso die mit klarem Harn gefüllte Harnblase sowie die Gedärme. Mikro- skopisch war in den Nieren keine Spur vom Farbstoffe zu finden. Dagegen waren die Lungenkapillaren mit dem Farbstoffe injiziert. In der Leber zeigte sich eine ebensolche Injektion der perilobulären Kapillaren der Leberarterie; die intralobulären Kapillaren der Portal- vene zeigten sich ganz frei vom Farbstoffe. Die ausführlichere Be- schreibung sowie die Mikrophotographie eines diese Verhältnisse in der Leber illustrierenden mikroskopischen Präparats mussten in der leider sehr gekürzten französischen Publikation entfallen. Aus diesen Befunden schloss ich zunächst, dass die Ausscheidung des Farbstoffes durch die Nieren im Winterschlafe aufgehoben ist; dass der Farbstoff zur Leber nur durch die Leberarterie, nicht durch die Portalvene gelangt, dass der Farbstoff auch hier nicht zur Ausscheidung kommt, da die Gallenkapillaren ganz frei davon bleiben; endlich, dass der Blutstrom im ganzen Hinterkörper, in den Nieren, den Gedärmen und in der Portalvene gehemmt oder ganz aufgehoben ist. Damit erklärte ich auch die Tatsache, dass der Hinterkörper eines Winterschläfers immer eine bedeutend niedrigere Temperatur zeigt als der Vorderkörper, und dass er sich beim Er- wachen auch viel langsamer erwärmt. R. Dubois!) hat nun die Injektion von Indigokarmin durch ‚die Vena jugularis als eine schlechte Versuchsmethode bezeichnet, da ich selbst gesagt hätte, dass die Leber auch im wachen Zu- stande sich an der Ausscheidung des Indigokarmins nicht beteiligt, wenn die injizierte Menge nicht zu gross ist. Diese Einschränkung zeige schon, dass die Ergebnisse je nach der Menge des injizierten Farbstoffes veränderlich sind und auch je nach der Kraft und Schnelligkeit der Injektion. Dubois wollte vielleicht sagen, dass man durch diesen Versuch gar nicht erfahren kann, ob die Ausscheidung des Indigokarmins durch die Leber im Winterschlafe aufhört, da eine solche auch im wachen Zustande nicht stattfindet, wenn nicht allzu grosse Mengen des Farbstoffes eingeführt worden sind. Jedenfalls erfährt man aber ganz bestimmt, dass die Ausscheidung durch die Leber auch im Winterschlafe nicht stattfindet, obgleich sich der Farbstoff infolge 1) R. Dubois, Physiol. comparee de la Marmotte p. 34—37. 28: 418 Franz Mares: der Einstellung der Nierenausscheidung auch in der Leber ansammelt, so dass eine natürliche Injektion der Blutkapillaren mit dem- selben zustande kommt. Beim wachen Säugetiere übernimmt auch die Leber die Ausscheidung des Indigokarmins, wenn die Nieren- ausscheidung nicht dazu ausreicht, wie die natürliche Injektion der Gallenkapillaren nach Chrzonszewski bezeugt; im Winter- schlafe aber nicht. Es ist also keine Einschränkung der Methode, wenn die Leber beim Säugetiere das Indigokarmin erst dann auszuscheiden beginnt, wenn die Nieren selbst dazu nicht ausreichen, sondern dieses ist eine durch die Methode erwiesene Tatsache, welche besonders auch auf die funktionelle Verschiedenheit der Säugetier- und der Vogelniere hinweist. Nun hat Dubois selbst auch Versuche mit Indigokarmin beim Murmeltiere gemacht, mit der Verbesserung, dass er 4 cem einer konzentrierten Lösung langsam in die linke Karotide einführte. Nach einer Viertelstunde zeigte sich zuerst der Vorderkörper blau gefärbt, dann, nach und nach, auch der Hinterkörper und der Bauch. Der vom Tiere gelassene Harn war frei vom Faıb- stoffe. Nachdem der Farbstoff 10 Minuten zirkuliert hatte, wurde der Bauch des Tieres eröffnet; der Magen und Dünndarm war blau, ihre Venen aber nicht; der Diekdarm schien weniger blau. Noch weniger blau erscheint die Leber; ihre Injektion ist durch die Leberarterie zustande gekommen; die Portalvene enthält kein Blau. Der Harn und die Galle sind frei vom Farb- stoffe. Eine mikroskopische Untersuchung der Leber und Niere wird nicht angegeben. Aus diesen Befunden schliesst Dubois, dass während des Winterschlafes der Blutstrom im Hinterkörper verlangsamt sein kann; besonders aber ist der Durchgang des Blutes aus den Arterien in die Venen in den Baucheingeweiden, namentlich im Portalsystem, behindert. Ich könnte mit dieser Bestätigung meines Befundes zu- frieden sein; die Methode scheint auch nicht ganz schlecht zu sein. Aber, jetzt kommt eine Überraschung. Der portale Blutstrom, sagt Dubois, ist frei vom Farbstoft „bei der natürlichen Injektion“ (!): das ist aber kein Grund, zu sagen, dass die Leber kein Pfortaderblut erhält. Noch weniger ist es ein Grund, mit MareS zu glauben, dass die Gallensekretion Zur Frage über die Natur des Winterschlates. 419 während des Winterschlafes stockt. Denn Dubois hätte Galle in den Gallengängen gefunden. Das gleiche kann Dubois von der Harnsekretion sagen. Alles, was man hier sagen könne, sei, dass im Winterschlafe gewisse Produkte aufhören, durch die Nieren aus- geschieden zu werden, und dass das Indigokarmin eines von ihnen ist. Die Harnsekretion dauert im Winterschlafe fort, sagt Dubois: MareShatalso gefehlt, wenn er sagte, dass die Gallen- sekretion und die Harnsekretion aufgehoben sind, weil die portale Blutzirkulation in der Leber sowie die Nieren- zirkulation behindert wären. Über die Gallensekretion und die Harnsekretion im Winter- schlafe habe ich aber kein Wort gesagt. Den Schluss, dass bei Behinderung des Portalblutstromes und des Nierenblutkreislaufes auch die Gallen- und Harnsekretion aufgehoben werden müsste, habe nieht ich selbst, sondern ein Phantom von mir in den Gedanken Dubois’ gezogen, welches er widerlegen kann. Ich selbst habe ja auch die Harnblase des Winterschläfers mit Harn gefüllt, aber ganz frei von Indigokarmin gefunden; das Harnlassen fand ich als eine der ersten Verrichtungen des erwachenden Winterschläfers. Es entsteht hier aber eine andere grosse Frage: Wie verhält es sich mit der Gallensekretion im Winterschlafe, wenn der Portalblutstrom, auch nach dem Befunde von Dubois, infolge einer Stagnation des Blutes in den Kapillaren der Baucheingeweide darniederliegt? Und wie kann die Harnsekretion vor sich gehen, wenn der Nierenblutstrom stockt? Endlich auch noch diese Frage: Warum stockt das Blut in den Kapillaren der Baucheingeweide, wenn es im Vorderkörper frei zirkuliert, bei hinreichendem Herzschlage und arteriellem Blutdrucke; ist zum peripheren Blutstrombetriebe die Tätigkeit der peri- pheren Gefässe selbst nötig? Ich wünschte, ich hätte diese Fragen schon vor mehr als 20 Jahren erfasst. Zum Schlusse wende ich mich wieder zu Polimanti: In Dubois vertrauend hat er dessen falsche Kritik meiner Unter- suchungen über die Ausscheidung von Indigokarmin während des Winterschlafes wörtlich übernommen und mir noch nachdrücklicher die Fehler vorgehalten, deren ich mich in den Gedanken von Dubois schuldig gemacht habe: 420 Franz Mares: Zur Frage über die Natur des Winterschlafes. „Es ist falsch, was Mares behauptet hat, dass die Gallen- sekretion während des Winterschlafes absolut stillsteht“ (S. 328). „Es ist absolut falsch, was Mares behauptet hat, dass die Harn- sekretion während des Winterschlafes vollständig aufgehoben ist“ (5. 344). Ja, alles das ist falsch. R. Dubois sowie auch Polimanti haben sich in ihren Mono- graphien gegen eine Kritik derselben im voraus energisch verwahrt. Polimanti benutzte dazu auch noch ein sehr ausdrucksvolles Ge- dieht von Goethe. Auf die Gefahr hin, mich an dem Stachel dieses Gedichtes zu ritzen, musste ich endlich das Falsche berichtigen, damit es doch aus den nächsten Monographien verschwinde. 421 Untersuchungen über den Lichtsinn mariner Würmer und Krebse. Von ©. Hess (München). (Mit 5 Textfiguren.) Über den Lichtsinn der Röhrenwürmer war bisher nur bekannt, dass verschiedene Arten ihre Kiemenkronen bei Belichtungswechsel rasch in ihre Kalkröhren zurückziehen. Die bisher nicht eingehender untersuchten lebhaften Reaktionen, die bei Serpula eontortuplicata schon durch verhältnismässig geringfügige Lichtstärkenverminderungen hervorgerufen werden können, machten es mir wahrscheinlich, dass mit Hilfe früher von mir entwickelter Methoden sich hier genauere, messende Unter- suchungen über die relativen Helligkeitswerte farbiger Lichter für diese Tiere würden durchführen lassen. Das Folgende zeigt, dass dies in der Tat, zum Teile in überraschender Weise, zutrifft. Die Lichtempfindlichkeit von Serpula wurde zuerst von Ryder (1883) beschrieben, später von Rawitz (1893) bestätigt; Nagel dagegen konnte bei Serpula keine Lichtempfindlichkeit nachweisen. Hesse (1889) macht über letztere folgende Angaben: „Als ausser- ordentlich empfindlich gegen Lichtwechsel erweist sich Serpula contor- tuplicata. Das Vorüberführen der Hand vor einer Schale mit Ser- pulen genügt, um all die roten Kiemenkronen verschwinden zu machen; aber nicht auf lange; sie kommen alsbald wieder hervor, oft sofort nach dem Einziehen, und man kann den Versuch viele Male hinter- einander mit dem gleichen Erfolg wiederholen. Auch wenn sie des Abends bei Lampenlicht mit ausgestreckten Kiemen daliegen, zucken sie plötzlich ein, wenn man die Hand vor das Licht hält. — Die meisten reagieren auch sofort, wenn man mit einem Spiegel Sonnen- licht auf sie wirft; bei anderen erfolgt das Einziehen erst, wenn man durch Drehen. des Spiegels das Licht mehrmals über sie hinweg- streichen lässt.“ Über die vermutlichen Sehorgaue bei Serpula finden wir die ersten Angaben bei Leydig (1851), der sie als am Gehirn gelegene Augenflecke beschreibt. Rawitz erwähnt kurz ein Pigmentorgan 423 C. Hess: im Zentralnervensystem von Serpula contortuplicata, das vielleicht der Lichtempfindung diene, während Nagel diese Tiere unter den „augenlosen“ aufzählt. Hesse (1899) gibt an: „bei vielen Serpulaceen finden sich im Gehirn oder in dessen nächster Nachbarschaft An- häufungen von Pigmentbechern meist geringeren Umfanges, in deren jedem eine Zelle steckt.“ Er schildert genauer solche Becher bei Protula. „Sehr ähnlich denen von Protula sind die Haufen von Becheraügen, die ich bei den von mir untersuchten drei Serpula- arten (Serpula Philippi mörch, Serpula aspera phil. und Serpula infundibulum Chiaje) fand. Überall sind die Pigmentbecher und die zugehörigen Sehzellen sehr deutlich; zuweilen kann man die von den Sehzellen ausgehenden Nervenfasern erkennen.“ Es besteht somit eine gewisse Ähnlichkeit mit den gleichfalls teilweise von Pigment umschlossenen, als Sehorgan angesprochenen zelligen Gebilden bei Amphioxus. i Ich nahm meine systematischen Versuchsreihen einmal mit homogenen, dann mit Glaslichtern, ferner mit Pigmentpapieren und ausserdem auch mit angenähert farblosen Reizlichtern von messbar variabler Lichtstärke vor. Zu meinen Untersuchungen dienten mir Konglomerate von etwa 20—25 Röhren mit Würmern, die sich viele Monate in meinen Aquarien gut hielten. Die Tiere waren zu den Versuchen am ge- eignetsten, wenn sie '!/—1 Tag ungestört gestanden hatten. Als ich sie in ein Bassin mit anderem Seewasser übertragen musste, blieben sie längere Zeit in ihren Röhren verborgen und reagierten eine Reihe von Tagen hindurch nur mangelhaft. Erst nach etwa einer Woche waren ihre Reaktionen auf Lichtstärkenverminderung wieder so lebhaft wie früher. In einer ersten Versuchsreihe untersuchte ich die Wirkung von Reizlichtern von konstanter Zusammensetzung und messbar variabler Lichtstärke und ermittelte dabei zugleich die geringste Lichtstärken- abnahme, die unter den von mir gewählten Versuchsbedingungen noch regelmässig zu charakteristischen Reaktionen Anlass gab. Die Versuchsanordnung war folgende (Schema Fig. 1): Die im Innern eines mattschwarzen Tunnels 7’ messbar ver- schiebliche Mattglasbirne 5 bestrahlt die am einen Tunnelende unter einem Winkel von 45° zu dessen Achse aufgestellte mattweisse Fläche F'; das von dieser diffus zurückgeworfene Licht gelangt durch einen passenden Ausschnitt in der gegenüberliegenden Tunnelwand Untersuchungen über den Lichtsinn mariner Würmer und Krebse. 423 zu dem Gefässe @, das die Tiere enthält. Die Versuche wurden im Dunkelzimmer in der Weise vorgenommen, dass ich die Lampe zunächst bei einem mittleren Abstande von der Fläche zum Glühen brachte und sie, wenn mehrere Tiere ihre Kiemen aus den Röhren hervorgeschoben hatten, rasch der Fläche näherte oder von ihr ent- fernte. Es ergab sich, dass Nähern der Lampe, also Lichtstärken- zunahme, auch wenn diese sehr beträchtlich war, niemals Bewegungen der Tiere zur Folge hatte. Bei raschem Zurückschieben der Lampe dagegen zogen die meisten oder alle Tiere sich lebhaft in ihre Röhren zurück. Es dauerte dann bei meinen Exemplaren etwa 2—3 Minuten, bis sie ihre Kiemen wieder hervorgestreckt hatten; Biel: ich wartete in der Regel mindestens 5 Minuten zwischen zwei Ver- suchen; aber auch dann fand ich es zweckmässig, nach je drei bis vier Beobachtungen Pausen von ca. !/a Stunde oder mehr eintreten zu lassen, da die Tiere, wenn die Versuche öfter wiederholt wurden, nicht mehr so gut reagierten wie nach längerer Ruhe. Da auch bei Erschütterungen usw. die Kiemen eingezogen werden, ver- mied ich solehe sorgfältig und schaltete auch immer wieder ge- eignete Kontrollversuche ein. Das Zurückziehen der Kiemen bei Lichtstärkenabnahme geschieht nur, wenn letztere rasch erfolgt; allmähliche Abnahme der Licht- stärke durch sehr langsames Zurückschieben der Lampe kann inner- halb weiter Grenzen vorgenommen werden, ohne dass die Tiere fliehen; bei allen folgenden Versuchen wurden daher die Licht- stärkenveränderungen möglichst rasch vorgenommen. Es ist überraschend, zu sehen, wie geringe Lichtstärkenunter- schiede von unseren Würmern noch wahrgenommen werden und zum Einziehen der Kiemen führen. Stand die Lampe ca. 50 cm von der Fläche entfernt und wurde auf 52 em zurückgeschoben, so flohen die Tiere regelmässig; selbst wenn die Lampe in 60 em Entfernung stand und auf 61,5 cm 424 C. Hess: zurückgeschoben wurde, erfolgte noch, meist nicht momentan, sondern nach etwa 1 Sekunde, Einziehen vieler Kiemen. In diesem letzteren Falle verhalten sich die Lichtstärken wie 1: 0,95! Für unser eigenes Auge bedeutet dies eine sebr geringe Abnahme der Helligkeit der Fläche. Der Versuch lehrt somit, dass bei den hier benutzten Licht- stärken die Fähigkeit, Helligkeitsunterschiede wahr- zunehmen, für Serpula annähernd (oder ganz) so gross ist wie für unserunter gleichen Bedingungen sehendes Auge. In einer zweiten Versuchsreihe untersuchte ich in ähnlicher Weise, wie ich es früher für Culexlarven !) getan hatte, den Einfluss sehr kurz dauernder Lichtreize: Einein passendem Gehäuse eingeschlossene Nernst-Lampe wird so aufgestellt, dass die durch ein geeignetes Linsensystem angenähert parallel gemachten Strahlen ?) den Behälter mit den Röhrenwürmern gleichmässig mit einer ziem- lich hohen Lichtstärke beleuchten. Ein vor der Lampe angebrachter Momentverschluss gestattet, die Beliehtungsdauer innerhalb weiter Grenzen zu variieren. Zunächst wurde festgestellt, dass die vorher lange dunkel gehaltenen Tiere, wenn sie durch längeres Öffnen des Verschlusses dauernd mit verhältnismässig hohen Lichtstärken be- strahlt werden, niemals Fluchtbewegungen zeigen; wird dagegen nach Belichtung während einer oder mehrerer Sekunden wieder ver- dunkelt, so ziehen die Tiere sich blitzschnell zurück. Wurde nun der Verschluss auf „Moment“ gestellt, was einer Belichtungsdauer von etwa "/ıoo Sekunde oder noch weniger entsprach, so zogen sich auch jetzt viele von den Tieren etwa 1 Sekunde nach Auslösen des Verschlusses in ihre Röhren zurück. Nach den oben angeführten Beobachtungen von Hesse, bei welchen das Sonnenlicht mittels Spiegels auf die Tiere geworfen wurde, konnte es den Anschein haben, als wenn auch Belichtungs- zunahme bei Serpula eontortuplicata Bewegungen auszulösen ver- möchte; meine eben mitgeteilten Versuche zeigen demgegenüber, 1) C. Hess, Neue Untersuchungen zur vergleichenden Physiologie des Gesichtssinnes. Zool. Jahrb., Abt. f. allgem. Zool. u. Physiol. d. Tiere Bd. 33 Heft 3. 1913. 2) Die Lampe, deren ich mich auch sonst vielfach mit Vorteil zu optischen Untersuchungen bediene, wird von der Firma ©. Zeiss unter dem Namen „Hammerlampe“ in den Handel gebracht. Untersuchungen über den Lichtsinn mariner Würmer und Krebse. 425 dass auch, wenn mittels eines Spiegels Licht auf die Tiere geworfen wird, es nicht die Lichtstärken zu nahme, sondern stets nur die dieser folgende Lichtstärkenabnahme ist, welche die Fluchtbewegungen auslöst (was auch aus allgemein biologischen Gründen von In- teresse ist). Zu Untersuchungen mit farbigen Glasliechtern bediente ich mich unter anderem der folgenden Vorrichtung (Fig. 2): Zwei 5Okerzige Mattglaslampen Z, und Z, sind in einem ca. 1 m langen, innen mattschwarzen Tunnel messbar verschieblich. Ihr Lieht gelangt durch eine frei rote bzw. frei blaue Glasplatte R bzw. B zu den Spiegeln Sp, bzw. Sp. Vor den Spiegeln befindet sich eine grosse schwarze Fläche F' mit einem Ausschnitte, durch welchen das von einem Spiegel zurückgeworfene Licht zu dem Be- Fig. 2. hälter mit den Tieren gelangt. Die ganze Tunnelvorrichtung kann auf einer glatten Glasunterlage leicht hinter dem Ausschnitte seit- lich so verschoben werden, dass abwechselnd das von Sp, und das von Sp, zurückgeworfene Licht zu den Tieren gelangt, diese also erst von rotem, unmittelbar darauf von blauem Lichte bestrahlt werden oder umgekehrt. Die Lichtstärken beider Reizlichter können durch Verschieben der Lampen innerhalb weiter Grenzen unabhängig voneinander variiert werden. Es ergab sich übereinstimmend folgendes: Im allgemeinen erfolgte bei Übergang von Rot- zu Blaubelichtung kein Fliehen der Tiere, auch wenn das Blau unserem helladaptierten Auge beträchtlich weniger hell erschien als das lichtstarke Rot; da- gegen erfolgte bei Übergang von Blau zu dem für uns viel helleren Rot auch unter diesen Umständen lebhaftes Fliehen der Tiere. Erst wenn ich die 5Okerzige Lampe für das Blau durch eine 5 kerzige ersetzte und möglichst weit zurückschob, während die 50 kerzige Lampe für das Rot möglichst nahe herangeschoben war, flohen die Tiere bei Übergang von Rot zu Blau, nicht aber bei Übergang von 426 C. Hess: Blau zu Rot; für unser helladaptiertes Auge erschien das Rot jetzt ausserordentlich hell, das Blau sehr dunkel. Entsprechende Er- gebnisse erhielt ich bei Benutzung des früher von mir (vel. Physiol. des Gesichtssinnes S. 56) beschriebenen Doppeltunnels mit zwei Nernst-Lampen von je 500 Kerzen Lichtstärke. Zu meinen Versuchen mit spektralen Lichtern benutzte ich folgende Vorrichtung (Schema Fig. 3): Auf einer optischen Bank sind Nernst-Lampe, Linsen, Spalt und geradsichtiges Prisma angebracht; die beiden Füsse des vorderen Endes der Bank ruhen auf einer Spiegelelasplatte, so dass sie auf dieser ohne Erschütterung leicht Br seitlich um kleine Beträge verschoben werden == können. Das von dem Apparate entworfene Spek- trum hat in dem Abstande des Behälters für die Tiere eine Breite von ca. 20 em und eine Höhe von ca. 10 em. Dicht vor dem Behälter ist ein schwarzer Schirm mit einem ca. 10 cm hohen und 2 em breiten, mit Ölpapier verdeckten Aus- schnitte aufgestellt. Je nach der Stellung der optischen Bank wird also dieser Ausschnitt von den verschiedenen Lichtern des Spektrums be- strahlt, und die seitliche Verschiebung ermöglicht leicht den Übergang von einer Strahlengruppe zu einer anderen. Zur Beobachtung der Tiere ist bei diesen Versuchen in der Nähe des Behälters Fig. 3. dauernd eine kleine rubinrote photographische Lampe von so geringer Lichtstärke angebracht, dass die Bewegungen der Tiere eben wahrgenommen werden können. Bei einem Teile der einschlägigen Versuche wurde das Ölpapier weggelassen, so dass das spektrale Licht ungeschwächt zu den Tieren gelangen konnte. Es ergab sich bei vielen derartigen Versuchen überein- stimmend folgendes: Bei Übergang von Violett zu Blau und von Blau zu Grün ziehen die Tiere sich nie zurück; bei Übergang von Grün zu Grüngelb oder von Grüngelb zu Gelb oder Rotgelb erfolgt regelmässig lebhaftes Zurückziehen. Übergang von Rot oder Rot- gelb zu Gelb bis Gelbgrün hat keine Bewegung der Tiere zur Folge; bei Übergang von Grün zu Blau oder Violett ziehen die Tiere sich zurück, aber es sind hier meist ausgiebigere Verschiebungen zur Untersuchungen über den Lichtsinn mariner Würmer und Krebse. 497 Auslösung der Bewegungen erforderlich als bei Übergang von Grün- selb zu Gelb bis Gelbrot. Diese Versuche zeigen eindringlich, dass auch für Serpula das Spektrum in der Gegend des Gelbgrün bis Grün am hellsten ist und dass seine Helligkeit für sie von da nach dem Rot verhältnismässig rasch, nach dem Blau und Violett langsamer abnimmt. Für den mit der Farbenlehre Vertrauten genügen die bisher mitgeteilten Tatsachen, um zu erkennen, dass auch diese Röhren- würmer, ebenso wie alle bisher genügend sorgfältig untersuchten Wirbellosen, in allen hier in Betracht kommenden Beziehungen sich so verhalten, wie es der Fall sein muss, wenn ihre Sehqualitäten jenen des total farbenblinden Menschen ähnlich oder gleich sind. Die Untersuchung des Licht- und Farbensinnes der Tiere wird aber auch heute noch in weiten Kreisen als eine vorwiegend zoolo- eische Aufgabe betrachtet, zu deren Lösung Vertrautheit mit der wissenschaftlichen Farbenlehre nicht erforderlich seit). Es schien mir daher wünschenswert, zur Untersuchung unserer Röhrenwürmer noch solche Methoden auszuarbeiten, deren sich auch der Anfänger auf dem Gebiete bedienen kann, um wenigstens die wichtigeren ein- schlägigen Tatsachen aus eigener Anschauung kennen zu lernen. Zu solehem Zwecke kommen in erster Linie Untersuchungen mit Pigmentpapieren in Betracht. Die Retraktionsbewegungen unserer Würmer erfolgen schon bei so kleinen Lichtstärken- unterschieden, dass auch hier, ganz ähnlich wie ich für Culexlarven, Krebse ?), Bienen ?) und Fische *) zeigte, Versuche mit farbigen Papier- flächen zu Ergebnissen von überraschender Eindringlicehkeit führen. 1) Ich verweise z. B. auf die fortgesetzten Bemühungen jüngerer Zoologen, ohne jegliche Kenntnis der Physik und Physiologie der Farben mit den un- zulänglichsten Laienversuchen bei Fischen, Bienen und Krebsen einen Farben- sinn nachzuweisen. 2) C. Hess, Eine neue Methode zur Untersuchung des Lichtsinnes bei Krebsen. Arch. f. vergl. Ophthalm. Bd.4. Heft 1, 1914. 3) ©. Hess, Experimentelle Untersuchungen über den angeblichen Farben- sinn der Bienen. Zool. Jahrb. Abt. f. allg. Zool. u. Physiol. Bd. 34 H.1. 4) ©. Hess, Untersuchungen zur Physiologie des Gesichtssinnes der Fische. Zeitschr. f. Biol. 1914. 428 C. Hess: Die Methode hat den weiteren grossen Vorzug, dass alle Be- obachtungen bei Tageslicht angestellt werden, also unter Bedingungen, die den gewöhnlichen Belichtungsverhältnissen unserer Tiere besonders nahe kommen. Die Versuchsanordnung war im wesentlichen die folgende (Fig. 4): Der Behälter B mit den Tieren ist gegen das in der Pfeilrichtung einfallende Tageslicht durch den Schirm 8 geschützt. Bei F be- finden sich grosse quadratische Kartons von 40 em Seitenlänge, die mit frei farbigen oder farblosen, nicht glänzenden Papieren bespannt sind und rasch ohne Erschütterung gegen andere vertauscht werden können, entweder durch Vorschieben bzw. Zurückziehen mit der Hand oder aber mit Hilfe eines galgenartigen Gestells, an dem mittels Schnurlaufes die ver- schiedenen Flächen in passen- den Rinnen rasch gegen- einander zu bewegen sind !). Diefarblosen Helligkeitswerte derbenutzten farbigen Flächen F hatte ich vorher teils für mein dunkeladaptiertes Auge, teils für das Auge eines total 4 Farbenblinden in der bekann- ten Weise ermittelt. Auf solehe Weise lassen sich Versuche über den Einfluss ver- schiedenfarbiger Lichter auf die Röhrenwürmer leicht mit mannig- fachen Abänderungen anstellen und einem Kreise von mehreren Personen gleichzeitig vorführen. Auch hier benütze man vorwiegend gut ausgeruhte Tiere, die entsprechend gut reagieren, und mache zwischen den einzelnen Versuchen genügend lange Pausen. 3 — Fig. 1) In manchen neueren Untersuchungen über Gesichtswahrnehmungen niederer Tiere begegnen wir zum Teile etwas unklaren Vorstellungen über „Motorezeption“ und ähnliches. Da der Laie auf die Vermutung kommen könnte, dass vielleicht auch bei einem Teile der hier geschilderten Versuche etwas wie „Motorezeption“ mitspielen möchte, arbeitete ich jene Versuchs- anordnungen aus, bei welchen an den zur Belichtung der Röhrenwürmer be- nützten Flächen Lichtstärkenänderungen erfolgten, ohre dass an der Fläche irgendwelche Bewegung sichtbar war. Hierzu diente unter anderem der oben (S. 423 Fig. 1) beschriebene Apparat, mit dessen Hilfe sich leicht zeigen lässt, dass auch nur durch Lichtstärkenabnahme, ohne jede sichtbare Bewegung, ein Fliehen der Tiere hervorgerufen wird. Untersuchungen über den Lichtsinn mariner Würmer und Krebse. 499 Im folgenden seien nur einige der wichtigsten von meinen ein- schlägigen Beobachtungen kurz tabellarisch zusammengestellt. Es wurden jeweils zwei Flächen benützt, von welchen ich die erste 1—2 Minuten wirken liess und dann rasch durch die zweite ersetzte. Es ergab sich folgendes: Dunkelgrau ersetzt durch Hellgrau: keine Bewegung der Tiere; Hellgrau 3 „ Dunkelgrau: lebhaftes Fliehen; Grün B „ Hellgrau von gleichem farblosem Helligkeitswert: keine Reaktion; das gleiche Hellgrau, wie vorher ersetzt durch das gleiche Grün wie vorher: keine Reaktion; Grün ersetzt durch Rot: lebhaftes Fliehen; Grün 5 „ Dunkelgrau von dem gleichen farblosen Helligkeitswert wie das Rot: lebhaftes Fliehen; Blau 5 „ Grau von dem gleichen farblosen Helligkeits- wert wie das Blau: keine Reaktion; Blau 2 „. Rot: lebhaftes Fliehen; Grau von dem eleichen farblosen Bl tenert wie das Blau ersetzt durch Rot: lebhaftes Fliehen usw. Diese Versuche zeigen, in welcher Weise man für Serpula auch mit Hilfe von farbigen und grauen Flächen „Helligkeitsgleichungen* herstellen kann: eine solche ist wesentlich dadurch gekennzeichnet, dass weder bei Ersetzen der ersten Fläche durch die zweite noch bei Ersetzen der zweiten durch die erste eine Reaktion der Tiere erfolet. Dagegen fliehen die Tiere jedesmal, wenn eine für den total Farbenblinden hellere Fläche durch eine für ihn dunklere ersetzt wird, einerlei, in welcher Helligkeit die Flächen einem farbensehenden Auge erscheinen. Die für den total farbenblinden Menschen her- gestellten Helligkeitsgleichungen sind also auch für Serpula Gleichungen, und zwei Flächen, die für den total farbenblinden MenscheninderHelligkeit wesent- lich verschieden sind, sind auch für Serpula in dem gleichen Sinne voneinander verschieden — Im folgenden schildere ich eine bisher nicht bekannte, merkwürdige Lichtreaktion bei Krebsen, die ich für Balanus nachweisen!) und 1) C. Hess, Vergleichende Physiologie des Gesichtssinnes S. 75. 430 C. Hess: neuerdings in analoger Weise wie die Reaktionen bei Serpula unter- suchen konnte. Zu meinen Versuchen dienten etwa 10 Balanus, die sich an der inneren Oberfläche einer grossen Muschelschale dicht beieinander angesiedelt hatten. Diese wurde (Schema Fig. 5) in einem passenden Parallelwandbehälter aus Glas gegen das Fenster F' senkrecht so aufgestellt, dass die Balanus durch die Muschelschale M vor dem durch das Fenster direkt einfallenden Tageslichte geschützt waren und ihre Rankenfüsse zimmerwärts hervorstreekten. Einige Zenti- meter vor dem Behälter wurden die im ersten Abschnitte beschrie- benen grossen grauen EZ oder farbigen Kartons C vertikal vorgehalten und konnten nun leicht und rasch von einem Mit- arbeiter gegen solche von anderer Helligkeit oder Farbe vertauscht werden, während ich un- unterbrochen das Spiel der Rankenfüsse ver- folgte. Wenn gesunde Ex- emplare von Balanus bei Fig. 5. konstanter Belichtung im Wasser liegen, so pflegen sie in sehr regelmässigem Tempo ihre Rankenfüsse zwischen den Schalen hervorzustrecken und wieder einzuziehen. Ich fand nun, dass die Tiere schon bei geringen Lichtstärkenverminderungen jedesmal ihre Füsse ganz einziehen und ihre Schalen, oft für mehrere Sekunden, fast völlig schliessen '); darauf beginnt, auch bei Fortdauer der geringeren Lichtstärke, das Spiel der Ranken- füsse von neuem. Ich stellte früher fest, dass Lichtstärken- vermehrung niemals eine Unterbrechung dieser regelmässigen & 1) Auch hier. fand ich es zweckmässig, zwischen den einzelnen Be- obachtungen 1—2 Minuten zu warten und nach einigen Versuchen jedesmal eine etwas grössere Pause eintreten zu lassen. Bei zu häufiger Wiederholung der Versuche erfolgen die Verdunklungsreaktionen nicht mehr gleich prompt wie zu Beginn. Untersuchungen über den Lichtsinn mariner Würmer und Krebse. 431 periodischen Bewegungen herbeiführt, und benützte die bei geringer Lichtstärkenverminderung auftretenden Unterbrechungen zur Er- mittlung der relativen Helligkeiten, die verschiedene homogene Strahlungen sowie farbige Glaslichter für Balanus haben. Mit Hilfe der von mir ausgearbeiteten Verfahren liess sich zeigen, dass auch für diese Krebsart das Rot nur einen äusserst geringen Helliekeits- wert hat und dass auch gegenüber anderen farbigen Liehtern Balanus sich so verhält, wie ein unter entsprechende Bedingungen gebrachter total farbenblinder Mensch sich verhalten würde. Ich stellte nun mit den im vorstehenden für Serpula aus- gearbeiteten Methoden der Untersuchung mit farbigen Papieren auch bei Balanus neue Versuche an. Da auch diese Wirbellosen schon auf überraschend kleine Lichtstärkenverminderungen mit Unterbrechung ihrer periodischen Bewegungen und Schliessen ihrer Schalen antworten, ist es wiederum leicht, mit dem so einfachen Verfahren ganz so wie für Serpula den Nachweis zu liefern, dass Balanus auch verschiedenen farbigen Papieren gegenüber durchaus das gleiche Verhalten zeigt wie ein unter entsprechende Bedingungen gebrachter total farbenblinder Mensch. Wiederholt konnte ich den folgenden Versuch anstellen: Ich hielt zunächst eine beliebige farbige Fläche vor die Tiere, schob dann rasch eine andersfarbige vor, deren relativen Helligkeitswert für das total farbenblinde Auge ich vorher nicht festgestellt hatte, und ermittelte, welches von beiden Papieren auf sie als das dunklere wirkte; es ergab sich regel- mässig, dass dieses Papier auch dem total farbenblinden Menschen- auge dunkler erschien als das andere. Weiter suchte ich mehrfach je zwei solche farbige Flächen bzw. eine farbige und eine graue Fläche auf, die, wenn sie rasch abwechselnd vor die Tiere gehalten wurden, ohne Einfluss auf die Bewegungen der Rankenfüsse waren, einerlei, in welcher Reihenfolge beide Flächen sichtbar gemacht wurden. Es ergab sich regelmässig, dass solche zwei Flächen dem total farbenblinden Menschenauge ganz oder nahezu gleich erschienen. Kurz, die für den total farbenblinden Menschen gelten- den Helligkeitsgleichungen sind auch für Balanus Gleichungen, und die für den total Farbenblinden in der Helligkeit verschiedenen farbigen bzw. farblosen Papiere sind in dem gleichen Sinne auch für Balanus verschieden. Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd. 155. 29 432 C. Hess: Ich habe schon früher angedeutet, wie unzweckmässig es ist, das Verhalten von Serpula als „Unterschiedsempfindlichkeit* vom „Tropismus“ der zum Lichte gehenden Tiere zu unterscheiden. Da diese Scheidung von psychologischer Seite noch nachdrücklich ver- treten wird, sei auf die Frage etwas näher eingegangen. Wenn ınan ein Tier, das bei Verdunkelung eine Bewegung macht, als „unterschiedsempfindlich“ bezeichnet!), so erweckt dies leicht die Vorstellung, es komme diesem Tiere eine Eigenschaft zu, die andere, wie z. B. die zum Lichte gehenden, Tiere nicht oder nicht in gleichem Maasse haben; das wäre aber durchaus unrichtig, denn „unterschiedsempfindlieh“ sind alle Tiere, die überhaupt Lichtreaktionen zeigen, einerlei, welcher Art letztere sind: Die zum Hellen schwimmenden wie die das Dunkel aufsuchenden, die bei Belichtung wie die bei Verdunklung in bestimmter Weise, z. B. durch Einziehen, reagierenden Tiere, alle können solche Reaktionen nur ausführen, weil sie für Lichtstärkenunterschiede empfindlich sind. Ein Tier, das nicht unterschieds- empfindlich wäre, würde überhaupt keine Licht- reaktionen zeigen können. Aber auch die mögliche Annahme, dass die von Loeb als „unterschiedsempfindlich“ bezeichneten Tiere etwa in besonderem Maasse empfindlich für Lichtstärkenunterschiede wären, lässt sich an der Hand meiner Messungen leicht als unhaltbar erweisen; konnte ich doch zeigen, dass die Lichtstärkenunterschiede, durch die manche „phototropische“ Tiere zu bestimmten Bewegungen ver- anlasst werden, im allgemeinen nicht grösser, ja zum Teil kleiner sind als jene, die bei den als „unterschiedsempfindlich“ bezeichneten Tieren bestimmte Bewegungen auslösen. 1) J. Loeb’s Einteilung in „heliotropische* und „unterschiedsempfindliche* Tiere ist zum Teil auf den fundamentalen Irrtum zurückzuführen, dass nach ihm die zum Lichte gehenden Tiere sich an der der Lichtquelle zugekehrten Seite des Behälters „unabhängig von der Verteilung der Lichtintensität im Ge- fässe“ sammeln sollten. Er wiederholt die von mir schon vor Jahren als un- richtig erwiesene Behauptung, die „heliotropischen* Tiere gingen auch dann zum Lichte, wenn sie dabei aus dem Hellen ins Dunkle kämen. Ich habe die physikälischen Fehler eingehend erörtert, die dieser Loeb’schen Angabe zu- grunde liegen, und gezeigt, dass bei einwandfreier Versuchsanordnung die zum Lichte gehenden Tiere niemals aus dem Hellen ins Dunkle, sondern aus- nahmslos nur zum Hellen gehen. Untersuchungen über den Lichtsinn mariner Würmer und Krebse. 433 Auch die Bezeichnung unterschieds„empfindlich“ kann leicht zu irrigen Vorstellungen und damit zu Verwirrung führen. Denn wenn manche Tiere auf kleinere Lichtstärkenunterschiede reagieren als andere, so besagt das natürlich nicht, dass sie in höherem Maasse für Lichtstärkenunterschiede empfindlich sind als solche, die erst auf viel grössere Lichtstärkenunterschiede reagieren oder durch solche überhaupt nicht zu Bewegungen veranlasst werden. Die Empfind- lichkeit für Lichtstärkenunterschiede kann bei einem Tiere, das gar keine Lichtreaktionen zeigt, eben so gross oder noch grösser sein als bei solchen, die schon auf verhältnismässig geringfügige Licht- stärkenunterschiede mit lebhaften Bewegungen antworten; hängt doch der Eintritt der Lichtreaktionen nicht von der „Empfindlichkeit“ der Tiere für Lichtstärkenunterschiede ab, sondern lediglich davon, ob bzw. inwieweit die Ausbildung einer solchen Reaktion für die Tierart von Vorteil sein kann. Die von mir hier vorgetragene Betrachtungsweise weicht von der heute in weiten Kreisen üblichen wesentlich ab: Das Einziehen der Kiemen von Serpula, der Rankenfüsse von Balanus und das Fliehen der Culexlarven nach unten bei Beschattung ist nach meiner Auffassung ganz ebenso eine zweckmässige, durch das Licht bzw. durch Lichtstärkenunterschiede veranlasste Reaktion wie die An- sammlung der Fische oder Krebse im hellsten Teile ihres Behälters, und diese Reaktionen sollten daher nicht durch Einreihen in ver- schiedene Gruppen bzw. durch verschiedene Benennungen von- einander getrennt werden. Eine wertvolle Stütze für die Richtig- keit meiner Anschauung bildet der im vorstehenden erbrachte Nach- weis, dass bei allen hier in Rede stehenden, den auf Liehtstärkenvermehrung wie den auf Lichtstärken- verminderung in so mannigfach verschiedener Weise reagierenden, den „phototropischen“ wie den „unter- schiedsempfindlichen“* Tieren die Art der Abhängig- keit der Reaktionen von der Wellenlänge des Lichtes überall die gleiche ist, und zwar dieselbe wie beim total farbenblinden Menschen. Von zoologischer Seite wurde bei Untersuchungen über Farben- sinn bei niederen Tieren bisher nur das Verhalten soleher Arten berücksichtigt, die sich zum Lichte hin bzw. von ihm weg bewegen; für die Tiere, die bei Belichtungsabnahme bestimmte Bewegungen zeigen, hat man sich bisher auf das Verzeichnen der Tatsache be- schränkt. Man erkannte nicht, dass die durch Lichtstärkenverminderung ausgelösten Reaktionen in gleicher Weise, ja zum Teil noch besser, 29% 434 C. Hess: zu Untersuchungen über Lichtsinn bzw. Farbensinn der Tiere dienen können wie jene bisher allein verfolgten, als „Tropismen* be- zeichneten. Durch unsere Beobachtungen an Culex, Serpula und an Balanus ist zum erstenmale gezeigt, in welcher Weise die Eigen- tümlichkeit dieser Wirbellosen, auf sehr geringe Lichtstärkenabnahmen zu reagieren, zu messenden Untersuchungen über ihre Seh- qualitäten benutzt werden kann. Wir sind dadurch über letztere jetzt bereits so weit unterrichtet, dass wir bei Benützuug einer be- liebigen Zusammenstellung zweier farbiger Lichter hier ganz ebenso wie bei anderen genügend sorgfältig untersuchten Wirbellosen und Fischen im voraus angeben können, wie die Tiere sich diesen Licehtern gegenüber verhalten werden: Es genügt dazu die Kenntnis der re- lativen Helliekeitswerte der betreffenden farbigen Lichter für das total farbenblinde Menschenauge. _ Auf die von Laien immer wieder vorgebrachte Annahme, die Tiere, die alle charakteristischen Merkmale des total Farbenblinden zeigen, könnten vielleicht doch „auch Farbensinn“ haben, brauche ich hier wohl nicht zurückzukommen. Bedeutet doch diese Annahme im Grunde nichts anderes, als dass die Tiere neben ihrem tat- sächlich gefundenen Verhalten gleichzeitig noch ein ganz anderes, das erste ausschliessendes Verhalten zeigen könnten. Wenn gar für verschiedene Krebse die Meinung vertreten wurde, sie hätten einen „dichromatischen Farbensinn“, so genügt zu deren Widerlegung schon der Hinweis darauf, dass die Helligkeitsverteilung im Spektrum und die Wirkung der verschiedenen farbigen Lichter beim sogenannten „Diehromaten“ durchaus andere sind als beim total Farbenblinden und bei den fraglichen Krebsen. Zusammenfassung. Es werden in der vorliegenden Abhandlung die durch Licht- stärkenverminderung auszulösenden Reaktionen bei Serpula zum erstenmale einer genaueren, grossenteils messenden Untersuchung unterzogen. Weiter wird eine bisher nicht bekannte Lichtreaktion bei Balanus beschrieben. Zur Untersuchung beider Tierarten wird unter anderem eine neue Methode — Belichtung mit Pigment- papieren — benutzt, mit deren Hilfe auch der Ungeübte leicht ohne besondere Apparate einen Überblick über die wichtigsten ein- schlägigen Tatsachen erhalten kann. Untersuchungen über den Lichtsinn mariner Würmer und Krebse. 435 Beide Tierarten verhalten sich in jeder Hinsicht so wie ein unter entsprechende Bedingungen gebrachter total farbenblinder Mensch; die Art der durch Belichtungsänderungen bei ihnen hervor- gerufenen Reaktionen ist unvereinbar mit der Annahme, dass diese Tiere „auch Farbensinn“ haben könnten. Die übliche Unterscheidung verschiedener Arten von Licht- reaktionen als „Phototropismus“ und als „Unterschiedsempfindlich- keit* ist unzweckmässig und führt leicht zu Verwirrung; sie ist daher zu verlassen. 436 C. E. Benjamins: (Aus dem physiologischen Institut der Universität Utrecht.) Über den Hauptton des gesungenen oder laut gesprochenen Vokalklanges. I. Mitteilung. Von Dr. ©. E. Benjamins, Ohren-, Hals- und Nasenarzt. Assistent für experimentelle Phonetik. (Mit 2 Textfiguren.) In einer früheren Arbeit (Pflüger’s Archiv Bd. 154 S. 515) habe ich beschrieben, wie mittels der Staubfiguren in der Kundt- schen Röhre der energetisch stärkste Ton eines zusammengesetzten Klanges bzw. eines Vokalklanges bestimmt werden kann. Dabei habe ich die Ergebnisse für die Vokale A, O und U mitgeteilt. Jetzt bin ich imstande, auch über die anderen Vokale und einzelnen Doppel- vokale Näheres zu berichten. Was die Methodik betrifft, verweise ich auf oben angeführtem Aufsatz und gehe sofort zu der Mitteilung der gefundenen Tatsachen über. Nur möchte ich erwähnen, dass ausschliesslich zwei Röhren weiter benutzt wurden, deren Innenmaasse 4 und 5 cm und Längen 156 und 148 cm betrugen. Ich habe nicht wieder verschiedene Individuen in die Röhren sprechen lassen, sondern die verschiedenen Vokale für meine eigene Stimme festgestellt, da es mir nur darum zu tun war, verschiedene Vokale miteinander zu vergleichen. Nur bei Herrn deRochemont habe ich eine Ausnahme gemacht, weil dieser Mitarbeiter unseres Laboratoriums die ganze vorige Serie mitgemacht hat und mit seiner kräftigen Tenorstimme sehr bequem auf g’ die verschiedenen Vokale sagen kann. Für seine freundliche Hilfe sage ich ihm an dieser Stelle herzlichen Dank. (Siehe Tabelle 1 auf S. 437.) Wie bei den anderen Vokalen sieht man hier wieder einen Ordnungszahlwechsel des Haupttones, begleitet von einem ziemlich steilen Abfall der absoluten Schwingungszahl. Über den Hauptton des gesungenen oder laut gesprochenen Vokalklanges. 437 Tabelle I. Vokal „E. = : = : = PR: wer, 2837 an oEsS. Ds Se Su © SI ge SR So HU _ NoS oe leeres else nes Sa= 7 ee Veen Bemerkungen .— > = SS asgs2| 3 ee, | 2585| 2 #8 Ss5:$ = a0 DER S Saas ° Es EB) = a = = H=S= >38 le Me ann SH asr 3 fe keine Figuren zu bekommen 9° (193) 3n=579 56 589 3 a (217) |2n=434 72 458 2 b° (244) | 2 nm —488 66 500 2 ce (2589) | 2n=516 64 515 2 d’ (2%) | 2n=580 57 578 2 52 34 2 g' (887) 82 38 1 Von Herrn deR. ge- e' (325) 2 n= 650 | sprochen, Vokal „I“. Trotz lauten Schreiens konnte ich in meinen Röhren keine Figuren bekommen. de Rochemont dagegen konnte auf g’ (387) Figuren bekommen mit einer A—=86 em oder n’— 383. Es kam also der Grundton in der Röhre. Mit tieferen Tönen gelang es auch ihm nicht, Figuren zu bekommen. Tabelle 2. Vokal „4“ (wie i B S = o = - nn ) S =838 2837| 23, Sar 2m Ban SEN |EsE= | SE> 33, Pier ee Dnzs beze Bemerkungen Sede sea |5228| 585 a S & = = .- = = = So = 3 Zee g(199) | An— 772 43 767 4 a.(217) |3n=651 50 660 3 oa ni |} 4 712 3 | Einmal wurde 2—33 ec (258) |3n—re6 | 42 785 3 a rer d’ (290) |2n—580 56 589 2 en e (825) |2n=650 52 634 2 KON BEIUNGEN: g' (387) 2n=114 43 767 2 VonHerrn deR. ge- | | | sprochen. Vokal Ur. Dieser ist auch schwer in den Röhren zu bekommen; ich konnte nur auf drei Töne messbare Figuren anrufen. 438 C. E. Benjamins: Tabelle 3. Ss =859 ein En - Ir 53 [8582| 385 or Se EB -) 2.25 Sa 2 SEN euekens ns SiSE> N 2325 SH2R RZ Bemerkungen 58. 2 0 nn = 25 25. m 50 ERS U SsaR Be ®n8 Aa a Se Z u b° (249) |2 n—=488 70 a71 2 c' (258) 2n=516 66 500 2 d' (290) — 118 279 1 g' (887) — 83 397 1 Von Herrn deR. ge- sprochen. Vokal „Y“. Dieser Vokal besteht bekanntlich nicht in der deutschen Sprache; ich werde deshalb wiedergeben, was Boeke!) darüber schrieb: „Unser Vokal Y, der gewöhnlich als Diphthong aufgefasst wird und in offenen Silben in der Tat als aus den aufeinanderfolgenden Vokalen e und i gebildet erscheint, zeigt in geschlossenen Silben, wie pyl, rym, Perioden, die von der ersten bis zur letzten einander genau ähnlich sind, was also auf einen einfachen Vokal zu deuten scheint.“ Ich habe nun diesen Vokal in zwei Weisen gesagt, offen, wie ein Diphthong, und später kurz, wie in einer geschlossenen Silbe. | Tabelle 4 ,,Y“‘ (offen, wie im Diphthong). = rer: [= | g S "2 > S ven z2.u | SR, BEss |235:| 852 | 257 an SE so rs Share Eis | 3$># RZ 8E | 5528 ERZER: Bemerkungen ae oder 3n sass Be = u5 | 5” enler le | az >: Zee | aiss (230) |3n— s90f n 2 \ 5} bs 4) | 2 n—48s{ nr ne | e (58) |3 n— 766 49 785 3 3 n—870 38 868 3 (20) { en 55 600 9 1) J. P. Boeke, Mikroskopische Phonogrammstudien. Pflüger’s Arch. Bd. 76. 1899. Über den Hauptton des gesungenen oder laut gesprochenen Vokalklanges. 439 Tabelle 5. ,,Y“*‘ (geschlossen; einfacher Vokal). >| zeige) =) Ss N ur) —_ = BEa5 | S235 | 52> os i 3 =! = a 85 = oder e»85|S52% | 223 Bemerkungen re 307) sass | 2 sa, = 85 FR-= ei re sE%# SE San Ass8| 352 2 rS Ser 9 (193) | 3 n=51)9 60 590 3 a, (217) ISn=65l Sl 647 3 b. (244) 2 n—=488 65 507 2 ec (258) 2.%=-916 63 525 2, d’ (290) 2 n—= 580 57 578 2 Es ist aus dieser Tabelle ersichtlich, wie wir auch noch weiter sehen werden, dass die Diphthonge sich nicht an die Regel halten und bei wechselnder Tonhöhe eine unregelmässige Anordnung der ÖOrdnungszahl haben, während das geschlossene Y wieder regelmässige Zahlen gibt. So bekommen wir: Tabelle 6. Diphthong „Au. ax = 8, Bu 8: lee |: or ee SEE er 2 n oder Eee ee kele man 27 i es] Mena 227 Bemerkungen S:= | 3» |895:|228,| 3»: Es Sea 2 5 se 1° | eh 970 5 | 9. (193) IJ| An — 772 43 767 4) 3 n—579 56 589 3 re 31 1064 5 a an esn 49 673 3 = 80 206 1 44 750 3 3n=132 0. 2a In ie 67 492 9 er 134 246 1 ; 4 n— 1032 31 1064 4 (l) ce (258) I nl 64 515 2 d’ (290) |2n— 580 57 578 2 Wieder sieht man dieselben Unregelmässigkeiten. Sogar auf derselben Tonhöhe variieren die Zahlen des registrierten Tones. Das eine Mal überwiegt der A-Charakter, das andere Mal das „U“ oder ein Zwischenlaut mit hohem Hauptton. 29 ** 440 0. E. Benjamins: Tabelle 7. Diphthong ‚Ui‘ (deutsch „eu“). Bes = B & = 8= =! 8 u San 2325 |2257 ® "| a8a[ Ce 9 193) 2n—=386 38 375 2 a (217) 2 n = 434 76 434 2 3n=132 47 712 3 Dart) { 2 n —488 68 485 2 c' (258) 2n=516 63 323 2 d' (290) 2 n = 580 56 589 2 Ich möchte jetzt nach zwei Richtungen hin die Versuchs- ergebnisse näher besprechen. Erstens soll eine Erklärung zu geben ver- sucht werden, weshalb der Hauptton des Vokalklanges in seinen Be- ziehungen zum Grundtone so stark wechselt, wodurch das physikalische Bild eines Vokals kein absolut konstantes sein kann. Meines Er- achtens kann das nur daran liegen, dass das von den ver- schiedenen Höhlen geformte Ansatzrohr sich bei den verschiedenen Tonhöhen jedesmal ändert. Um dieses nochmals einwandfrei zu beweisen, habe ich nachstehende Kurve angefertigt. Über den Hauptton des gesungenen oder laut gesprochenen Vokalklanges. 441 Es wurden Mundboden- und Unterkieferbewegungen in der üb- lichen, von Zwaardemaker angegebenen Weise registriert, die Vokale jedesmal auf zwei verschiedenen Tonhöhen gesprochen und dabei versucht, gleich laut zu sprechen, um jeden Akzenteinfluss zu vermeiden. a08 auf fo boden Mund- Vokal ı = et | RD, on 1/10 Ober- kiefer Mund- boden Vokal „OÖ“ auf ce’ 1/10 ef) A \ nn. A I a SER RT St Zur Kontrolle wurde das Rayleigh’sche Spiegelchen benutzt, das bekanntlich von Zwaardemaker so vervollkommnet und ver- feinert worden ist, dass es zur objektiven Schallmessung für ver- schiedene Zwecke geeignet ist. Es wurde nuu versucht, jedesmal denselben Ausschlag des Spiegelbildchens zu bekommen. Der Kopf blieb vollkommen in derselben Entfernung des Aufnahmetrichters, 449 C. E. Benjamins: Über den Hauptton ete. und die Registrierung der Bewegungen geschah hinter dem Rücken der Versuchsperson. Vor allem ist der starke Unterschied der Mundbodenbewegung deutlich. Es folgt daraus, dass auch die Mundhöhle resp. ein grosser Teil der Resonanzhöhle beidem Tonhöhewechsel auch die Form verändert. Der zweite Punkt ist die Vergleichung der nebeneinander- gestellten Ordnungszahlen des Haupttones auf den verschiedenen Tonhöhen. Tabelle 9. roman! ÖOrdnungszahl des Haupttones bei Stimm- | l BE 3 ° | | g a le 2 Ba 4 a en 2 Do Se 3 b 4)| 2 2 2:02 22202 3 @ a 2(1) 2 |. — 21. 3 d’ 3 27 81.2) Ne ee 2 e' 2 ZA in el er le 2 g 2 Le 1.28.01 el 9 | Dass A und A keinen grossen Unterschied zeigen, ist sehr be- greiflich, aber dass z. B. auf b° o, «u, e und y denselben Hauptton haben, kann nur daraus erklärt werden, dass der energetisch stärkste Ton eines Vokalklanges nicht der charakte- ristische Ton des Vokals ist. Diese in seinen Konsequenzen weitgehende Folgerung führt auch zu der Vermutung, dass die Vokale nicht durch einen einzigen Ton markiert sind, sondern dass es viel- mehr das ganze Tableau der Intensitäten der Partialtöne ist, das bestimmend ist für den Vokal. So bin ich wieder an der Auerbach’schen Meinung angelangt !) und möchte diesen Aufsatz beenden mit seinem Sehlusssatz ?): „Der Klang hängt nur om relativen Verteilungsgesetz ab; mit veränderter Singhöhe ändert sich dieses Gesetz und damit der Klang des Vokals. In der Tat kann niemand behaupten, dass es einen von der Tonhöhe durchaus unabhängigen Vokalklang gibt; ja, in manchen Fällen wird die Änderung so stark, dass sie von der Grössenordnung der Ver- schiedenheit des Klanges zweier verschiedener Vokale wird.“ 1) In demselben Sinne haben auch andere Akustiker sich ausgesprochen; z. B. Zwaardemaker in seinem Lehrbuch der Physiologie Bd. 2 S. 91. 2) Auerbach’s Akustik, 1. c. 443 (Aus der II. med. Klinik der kgl. Charite zu Berlin.) Experimentelle elektrokardiographische Studien über die Wirkung der Respiration auf die Herztätigkeit. Von Dr. Ernst Blumenfeldt, Volontär- Assistent der II. Klinik und Dr. Hermann Putzig, Assistent am Kaiserin Auguste-Vıctoria-Haus zur Bekämpfung der Säuglingssterblichkeit im Deutschen Reiche. (Mit 1 Textfigur und Tafel XV—XIX.) Nachdem der eine von uns [Putzig'!)] in klinisch-experimen- tellen Untersuchungen die Beziehungen zwischen Atmung und Puls- frequenz sowie zwischen Respiration und Veränderungen im E.K.G. studiert hat, schien es nötig, diese Fragen im Tierexperiment weiter zu verfolgen. Vor allem für die mannigfachen Änderungen in der Form des E.K.G.s während der verschiedenen Phasen der Respiration, wie sie von den einzeluen Forschern gefunden wurden, schien uns eine Erklärung notwendig. Für die Frequenzschwankungen ist ja schon durch die bisherigen Untersuchungen die Wirksamkeit des Vagus ausser Frage gestellt, und nur die Entscheidung über die zentrale, d. h. autochtone oder periphere, d. h. reflektorische Entstehung der Frequenzänderung steht noch aus. In bezug auf die Frequenz haben die früheren Untersucher |Einbrodt?), Sommerbrodt°), Hering*) usw] im all- gemeinen beim Inspirium eine Beschleunigung, beim Exspirium eine Verlangsamung der Herztätigkeit gefunden, normalerweise 1) Putzig, Die Änderungen der Pulsfrequenz durch die Atmung. Zeit- schrift f. experim. Pathol. u. Therap. Bd. 11. 1912. 2) Einbrodt, Über den Einfluss der Aiembewegung auf Herzschlag und Blutdruck. Sitzungsber. d. mathem.-naturw. Kl, d. Akad. d. Wissensch. Bd. 40. 1860. 3) Sommerbrodt, Die reflektorischen Beziehungen zwischen I,unge, Herz und Gefässen. Zeitschr. f. klin. Med. 1881. 4) Hering, E., Sitzungsber. der Kais. Akad. d. Wissensch. Bd. 64. Wien 1871, Pflüger's Archiv für Physiologie. Bd. 155. 30 444 Ernst Blumenfeldt und Hermann Putzig: Schwankungen von geringer Intensität, bei verstärkter Atmung und bei vagotonischen Individuen dagegen sehr deutliche mit der Atmung synchrone Veränderungen!). Auf die näheren Ergebnisse wollen wir später noch eingehen. Das E.K.G. bietet nun Gelegenheit, die Frequenzänderungen genauer zu Studieren, da man mit dieser Methode imstande ist festzustellen, inwieweit sie auf Störungen des Erregungsablaufs im Herzen selbst beruhen (Verlängerung der Überleitungszeit, Änderung der Systolendauer bzw. der Herzpause, eventuell auch Auftreten von Extrasystolen). Die klinischen Untersuchungen von Putzig?) mittels der elektrokardiographischen Methode, die an anderer Stelle publiziert werden sollen, haben ergeben, dass die Frequenzänderungen während der Atmung in der Hauptsache auf einer Beeinflussung der Herzpause (#—A) beruhen, während Überleitungszeit und Systole kaum verändert werden. Zu derselben Ansicht kommt auch Nicolai?) auf Grund eines grossen klinischen Materials. Auch über die Änderung der Zackenhöhe des E.K.G.s durch die Atmung liegen schon verschiedene klinische Resultate vor. So hat Einthoven) in einer seiner früheren Arbeiten (1908) angegeben, dass viele Personen unter dem Einflusse der Atembeweeungen sehr deutliche rhythmische Abweichungen im E.K.G., besonders bei Ab- leitung I, aufweisen. Diese betreffen ausnahmslos die drei Spitzen @, R, 5 (J-Gruppe nach Kraus-Nicolai), die entweder in ihrer Ge- samtheit in den Phasen der tiefsten Inspiration abgeplattet und nach unten gedrückt erscheinen oder einzeln verändert sind, und zwar besonders die Zacken R (J) und 8 (J,). Diese Angaben hat ein Jahr später Kahn’) bei seinen Versuchen am Menschen bei ruhiger Atmung völlig bestätigen können. Ebenso fand Samojloff®), dass die J-Zacke bei starker Inspiration bedeutend kleiner wird. In 1) Die Literatur ist in der Arbeit von Putzig (Zeitschr. f. exper. Pathol. u. Therap. Bd. 11) zusammengestellt. 2) Putzig, Elektrokardiographische Studien über die Wirkung der Re- spiration auf die Herztätigkeit beim Menschen. 3) Nicolai, Prakt. Grundriss der Elektrokardiographie. Leipzig 1914. 4) Einthoven, Weiteres über das Elektrokardiogramm. Pflüger’s Arch. Bd. 122. 1908. 5) Kahn, Weitere Beträge zur Kenntnis des Elektrokardiogramms. Pflüger’s Arch. Bd. 129. 1909. 6) Samojloff, Elektrokardiogrammstudien. Hermann’s Festschrift. Beitr. zur Physiol. u. Pathol., herausgegeben von Otto Weiss. 1908. Exper. elektrokardiogr. Studien über die Wirkung der Respiration etc. 445 jüngster Zeit (1913), in seiner letzten Arbeit, hat aber Einthoven!) den Einfluss der foreierten Inspiration auf alle Zacken zugegeben, was vor ihm durch Kraus-Nicolai?), die eine dementsprechende Kurve in ihrem Buche abgebildet haben, und durch Grau?°), den Schüler A. Hoffmann’s, festgestellt worden war. Grau fand, dass bei Ableitung I J am kleinsten auf der Höhe der Einatmung, am grössten auf der Höhe der Ausatmung ist; die Grössenunterschiede betragen bis 175 °/o. Gleichsinnig verändert sich auch die Höhe der A-Welle, die im Inspirium fast verschwunden ist, während sie im Exspirium deutlich hervortritt, ebenso wie die F-Zacke beim Ex- spirium mehr als das Doppelte der vorherigen Grösse erreicht. Endlich fand Putzig, dass bei normalen Individuen beim Inspirium die Hauptzacken A, J und F' kleiner, beim Fxspirium grösser werden, während die Änderung der J,-Zacke wenig konstant ist. Diese Änderungen sind nach seinen Untersuchungen bei nervösen Herzen besonders ausgeprägt. Die Zackenschwankungen sind ihrer Intensität nach nicht konform mit den Frequenzschwankungen; die Änderungen der F- und A-Zacke setzen zeitlich meist später ein, als die der J-Zacke. Alle diese Veränderungen der Zackenhöhe durch die Atmung finden sich am ausgeprägtesten bei Ableitung I (rechter Arm, linker Arm); bei Ableitung II (rechter Arm, linkes Bein) sind sie im gleichen Sinne, aber in bedeutend geringerem Maasse vorhanden. Ein umgekehrtes Verhalten zeigt sich in vielen Fällen bei Ab- leitung III (linker Arm, rechtes Bein). Eigene Versuche. Da die bisherigen Untersuchungen hauptsächlich klinische waren, schien eine Nachprüfung auf experimentellem Wege nötig. Wir sind daher gern der Anregung von Herrn Professor Nicolai gefolgt, die Frage im Tierversuch zu studieren. Die Aufgabe, die wir uns stellten, 1) Einthoven, Fahr und De Waart, Über die Richtung und die mani- feste Grösse der Potentialschwankungen im menschlichen Herzen und über den Einfluss der Herzlage auf die Form des Elektrokardiogramms. Pflüger’s Arch. Bd. 150. 1913. 2) Kraus-Nicolai, Das Elektrokardiogramm des gesunden und kranken Menschen. Leipzig 1910. 3) Grau, Über den Einfluss der Herzlage auf die Form des Elektro- kardiogramms. Zeitschr. f. klin. Med. Bd. 69. 1910. 30 * 446 Ernst Blumenfeldt und Hermann Putzig: war folgende: Welchen Einfluss übt die Atmung auf die Form des E.K.G.s und auf den Erregungsablauf im Herzen, d.h. die Schnelligkeit der Erregung, aus, und welches sind die Ursachen, auf denen die auftretenden Veränderungen beruhen. Versuchsanordnung. Mittelgrosse, 8—10 kg schwere Hunde wurden auf dem Ex- perimentiertisch aufgespannt und eine elektrokardiographische Auf- nahme unter Registrierung der Atmung gemacht. um festzustellen, ob überhaupt Atmungsschwankungen, d. h. Schwankungen in den Zacken und der Frequenz, bei gewöhnlicher Respiration vorhanden waren. Dann wurden die Tiere tracheotomiert, wiederum eine E. K. G.-Aufnahme gemacht, alsdann künstliche Atmung mittels einer elektrisch betriebenen Atemmaschine eingeleitet, und zwar langsame und schnelle Atmung, langsame und schnelle O,-Atmung (mittels einer Sauerstoffbombe, die an die Atemmaschine angeschlossen wurde), dann folgte kontinuierliche O,-Einblasung bei verhinderter Ex- spiration unter einem Druck von 20 em H,O (kurz als O,-Über- druck bezeichnet), endlich wiederum künstliche Atmung mit ge- wöhnlicher Luft. Darauf wurden 1—2 ecem Kalabassen-Cnurare in 1 °/oiger Lösung in die Vena femoralis injiziert. Sobald Unbeweglich- keit des Tieres und Sistieren der Atmung — im allgemeinen schon nach wenigen Minuten — eintrat. wurden dieselben Atemversuche wie vorher angestellt. Auf einseitige Vaeotomie (meist zuerst links) folgten wiederum die Atemversuche in derselben Reihenfolge wie oben, dann Durehsehneidung des anderen Vagus und wieder Atemversuche. Bei unseren letzten Versuchen (vel. Versuch IV und V) wurden aus Gründen, die weiter unten erörtert werden sollen, beide Vagi nach- einander an verschiedenen Stellen. durchschnitten, und zwar oberhalb des Ganglion cervicale sup., unterhalb des Ganglion stellatum und in der Mitte beider Ganelien [die einschlägigen anatomischen Ver- hältnisse siehe bei v. Cyon „Die Nerven des Herzens“ !)]. Ausserdem wurde am Schlusse eines Versuchs noch Atropin gegeben (Versuch V). Jeder dieser einzelnen Versuche wurde mittels des von Edel- mann in München gelieferten Trommelregistrierapparates, der fort- laufende Aufnahmen in unbeschränkten: Maasse gestattet, photo- l) v. Cyon, Die Nerven des Herzens, übersetzt von Heusner. Berlin 1907. Exper. elektrokardiogr. Studien über die Wirkung der Respiration etc. 447 graphisch aufgenommen. Zur Aufnahme des E. K. G.s selbst bedienten wir uns des grossen Edelmann’schen Saitengalvanometers mit Platinfaden. Die Empfindlichkeit des Fadens war so beschaffen, dass ein Ausschlag von 1 mm einer Stromstärke von 3,1 10° A. entsprach. Die Ableitung erfolgte teils vom Anus-Ösophagus durch Magen- schläuche, durch die ein Draht gezogen war, der in einer mit Gaze überzogenen Metallkugel endete, teils von den Extremitäten der Tiere durch Binden, die mit Kupferdraht durchzogen waren. Wir bedienten uns bei Extremitätenableitung der Ableitung I (rechte Vorderpfote, linke Vorderpfote), später der Ableitung II (rechte Vorderpfote, linke Hinterpfote), teils aus äusseren Gründen — weil die Kurven bei Ableitung I nicht immer deutlich genug zu differen- zieren waren —, teils um zu sehen, ob die veränderte Ableitungs- weise wirklich den starken Einfluss auf die Höhe und Gestalt der Zacken hat, der von vielen Autoren angenommen wird. Unsere Ergebnisse. Um unsere Ergebnisse möglichst übersichtlich wiederzugeben, haben wir von der Mehrzahl unserer Versuche sämtliche Kurven nach Frequenz und Zackenhöhe berechnet und hiernach graphisch dar- gestellt, so dass man genau verfolgen kann, in welche Atemphasen die Veränderungen in der Herztätiekeit fallen (s. die beigefügten Tafeln). Ausserdem haben wir einige Typen der Veränderungen in der Form des E.K.G.s durch die Atmung schematisch dargestellt (s. Fig. 1). Wir haben uns absichtlich mit dieser graphischen und schematischen Darstellung unserer Versuche begnüst, die über die Gesamtbefunde einen klaren Überblick gestattet, weil wir der Ansicht waren, dass die Wiedergabe der vielen, oft nicht eindeutig zu erklärenden Einzelbefunde die Gesamtdeutung nur störend be- einflussen könnte. Ebenso haben wir es unterlassen, auf die Veränderungen, die das Curare, die Vagotomie usw. in Beziehung auf die Durchschnitts- höhe der Zacken bewirkt, in unserer Arbeit einzugehen; sie sind im übrigen aus der graphischen Darstellung ersichtlich. Wir haben durch unsere Untersuchungen feststellen können, dass die Frequenzschwankungen im allgemeinen mit dem Rhythmus der Atembewegungen konform gehen, in der Weise, dass Inspirium bzw. Einblasung eine Beschleunigung, Exspirium bzw. Zu- Ernst Blumenfeldt und Hermann Putzig: 448 O,-Überdruck. 2 FExspiration. Inspiration. Sunwgy aIp y9anp Sy 'y 'g sap uaßdunaopuwıaA A9p Funffe3saeq ayasıyewoayag 'T "aA "SIUIAT 9IUOJOSBA TOBN SAU HLWOJOSEA UOeN 9IBAn) UIeN "OIMOJOAUIBLL YOeN "[ewıoN Exper. elektrokardiogr. Studien über die Wirkung der Respiration etc. 449 sammensinken der Lunge eine Verlangsamung der Herzaktion hervorrufen. Bis zu einem gewissen Grade steht die Stärke der Frequenzschwankung mit der Stärke der Atembewegung in Zu- sammenhang. Doch nimmt von einer gewissen Grenze, die bei den einzelnen Tieren anscheinend verschieden hoch liegt, die Stärke der Frequenzschwaukung bei Verstärkung der Atembewegung ab, zugleich mit einer Erhöhung der Durchsehnittsfrequenz. Bei Sauer- stoffatmung haben wir im allgemeinen keine anderen Resultate als bei gewöhnlicher Atmung erhalten, nur manchmal grössere Frequenzschwankungen. Sauerstoffüberdruck bewirkt bei den meisten Tieren eine starke gleichmässige Beschleunigung ohne Frequenzschwankungen, wahrscheinlich durch direkte Reizwirkung auf das Herz. Nach dem Sauerstoffüberdruck finden sich bei künstlicher Atmung im allgemeinen dieselben Schwankungen wie vorher. Ein- seitige Vagusdurchschneidung ändert an der Grösse der Frequenzschwankungen nichts; dagesen fallen dieselben fort nach beiderseitiger Vagotomie, wie auch die früheren Untersucher (Eint- hoven u. a.) festgestellt haben. Doch bewirkt auch jetzt noch der O,-Uberdruck eine geringe Beschleunigung, was weiterhin für einen direkt auf das Herz wirkenden Reiz spricht. Hervorheben möchten wir besonders, dass wir ebenso wie Traube') und Frederiegq?’) beim eurarisierten Hunde zur Zeit der Apnöe Frequenzschwankungen gefunden haben, die langsamer ablaufen als die Schwankungen während der Atmung (vgl. z. B. Versuch II Nr. 8 und 14). Weiterhin haben wir diese rbhythmischen von der Atmung un- abhängigen Frequenzschwankungen auch nach dem Atemstillstand in der ersten Zeit der künstlichen Atmung feststellen können, ein Befund, der, soweit wir aus der Literatur ersehen können, bisher von keinem Untersucher erhoben worden ist (vgl. z. B. Ver- such II Nr. 9 und 19). Wenn wir nunmehr zu den weiteren Befunden übergehen, die uns gerade das E.K.G. ermöglicht, so ist zu erwähnen, dass die Überleitungszeit A—J im allgemeinen nicht sehr hochgradig beeinflusst wurde, sie war meist bei langsamem Puls etwas verlängert 1) Traube, Über periodische Tätigkeitsäusserungen des vasomotorischen und Hemmungsnervensystems. Zentralbl. f. med. Wissensch. Bd. 3 8. 881. 1865. 2) Fredericgq, De linfluence de la respiration sur la circulation (I partie). Arch. de Biol. t. 3. 1882. 450 Ernst Blumenfeldt und Hermann Putzig: und nahm nach Vagotomie bei verschiedenen Versuchen etwas ab. Die Systole, d. h. die Strecke J—F', wies bei gewöhnlicher künstlicher Atmung verhältnismässig geringe Schwankungen auf. Eine stärkere Verkürzung der Systolendauer fand sich nur bei O,-Überdruck und nach Vagusdurchschneidung. Hingegen zeigte die Herzpause, also die Entfernung F—A, grössere Änderungen entsprechend den Frequenzschwankungen. Diese Resultate stimmen also mit den Befunden überein, die Mackenzie!) mit Hilfe der Analyse des Venenpulses bei der Sinus- arhythmie erhielt, und die auch andere Untersucher im Tierexperiment bei Vagusreizung bzw. Vagusdurchschneidung erhoben haben. So stellte H. E. Hering?) eine Verlängerung der Überleitungszeit nach Vagusreizung fest, ebenso Einthoven?), der ausserdem eine geringere Verlängerung der Systole, eine grössere der Diastole (Herz- pause) neben einer naturgemässen Frequenzabnahme bei seinen Versuchen am Katzenherzen beobachtete. Im Gegensatz dazu hat Samojloff, allerdings beim Kaltblüter (Frosch), eine Verkürzung der Herzpause bei Vagusreizung festgestellt. Kahn) hebt hervor, dass die Folge einer intravenösen Adrenalininjektion die Erscheinung einer künstlichen Vagusreizung hervorruft mit Verlängerung der Über- leitungszeit.e. Umgekehrt liegen nach Einthoven die Verhältnisse bei Vagusdurchschneidung, wo Systolendauer und Überleitungszeit eine gewisse Verkürzung erfahren, allerdings bei weitem nicht in dem Maasse wie die Herzpause. Diese Versuche bestätigen also die Annahme, dass der Vagus hauptsächlich die Diastole beeinflusst, während Überleitungszeit und Systolendauer wenig geändert werden. Wir kommen nun zu dem vielumstrittenen Gebiet des Ein- flusses der Atmung auf die Zackenhöhe bzw. Zackenform. Hier sind unsere Ergebnisse die folgenden: Sowohl bei Ableitung vom Anus-Ösophagus wie bei Ableitung I und II, bei letzterer allerdings in geringerem Maasse, zeigt sich bei. 1) Mackenzie, Lehrbuch der Herzkrankheiten, übers. von F. Grothe. 1907. 2) H. E. Hering, Experimentelle Studien am Säugetier über das Elektro- kardiogramm. Pflüger’s Arch. Bd. 127. 1909. — H. E. Hering, Über das Elektrokardiogramm. Münch. med. Wochenschr. Bd. 56 S. 690. 3) Einthoven-Wieringa, Ungleichartige Vaguswirkung auf das Herz, elektrokardiographisch untersucht. Pflüger’s Arch. Bd. 149. 1912. 4) Kahn, Die Störungen der Herztätigkeit durch Adrenalin im Elektro- kardiogramm. Pflüger’s Arch. Bd. 129. 1909. Exper. elektrokardiogr. Studien über die Wirkung der Respiration etc. 451 gewöhnlicher und bei künstlicher Atmung eine deutliche Beeinflussung aller Zacken des E. K.G.s, und zwar werden alleZackenkleiner beim Inspirium uud bei Einblasung, grösser bei Exspirium bzw. Zusammenfallen der Lunge; am kleinsten sind die Zacken bei Sauerstoffüberdruck. Die Schwankungen sind am stärksten aus- geprägt bei der J-Zacke, weniger deutlich, aber relativ entsprechend gross bei der F/- und A-Zacke. Die Durchschnittsfrequenz hat in- sofern einen Einfluss, als bei schnellerem Puls die Schwankungen von A auf F im allgemeinen geringer sind als bei langsamerem Puls. Überhaupt ist die A-Zacke zumeist bei Ableitung I grösser, wenn sie auf eine grössere Herzpause folgt, und kleiner nach kürzerer Pause (bei Ableitung II im allgemeinen umgekehrt). Im ganzen er- scheint uns überhaupt, als ob die A- und F-Zacken mehr noch von anderen Faktoren abhängig sind, die nicht mit den Atembewegungen als solchen zusammenhängen. Denn wir konnten feststellen, dass in den Fällen, wo sich Frequenzschwankungen ohne Atmung oder gegen den Atemrhythmus fanden (vgl. Versuch II Nr. 8, 14, 19; Versuch I Nr. 13, 14), auch die Zackenschwankung nicht konform mit der Atmung, sondern mit der Frequenz verliefen. Die einseitige (meist linksseitige) Vagotomie übt auf die Zacken- schwankungen keinen deutlichen Einfluss aus, während nach doppel- seitiger Durchschneidung des Vagus die Schwankungen von A und F bedeutend geringer werden, zum Teil fast verschwinden, im Gegen- satz zu den Schwankungen der J-Zacke, die, allerdings in etwas geringerem Grade als zuvor, bestehen bleiben. Wir haben nun im Anschluss an einen Befund, wo nach Vagus- durehschneidung die respiratorischen Änderungen der Zackenhöhen aufhörten, systematische Durchschneidungen der Vagi in der oben (S. 446) beschriebenen Weise (vgl. Versuch IV und V) durchgeführt, zum Teil auch Atropin in grösseren Dosen (Versuch V) gegeben. Es hat sich dabei folgendes ergeben: Beiderseitige Durchschneidung des Vagus oberhalb des Ganglion cervicale sup. und unterhalb des Ganglion stellatum inklusive sämtlicher Äste, soweit dies ohne Pleura- verletzung möglich ist, bewirkt ein völliges Aufhören der Schwankungen von A und f, während die Schwankungen der J-Zacke, wenn auch vermindert, bestehen bleiben. Die Schwankungen der J-Zacke, wenigstens im Zusammenhang mit der Atmung, schwinden nach Atropindarreichung, d. h. nach Lähmung der im Herzen ge- legenen Vagusendigungen; aber es bleiben noch Schwankungen be- 452 Erust Blumenfeldt und Hermann Putzig: nd stehen, die nicht von den Atembewegungen und auch nicht vom Vagus abhängig sind, und auf deren Erklärung wir später noch ein- gehen wollen. Der O,-Überdruck bewirkt auch nach Atropinisierung ein deutliches Kleinerwerden aller Zacken. Theoretische Betrachtungen. »- I. Ansichten der früheren Untersucher. Die Frequenzänderungen unter dem Einfluss der Atmung werden von Spalitta!) und Japelli auf eine rein reflektorische Beeinflussung von der Peripherie aus zurückgeführt. Schon E. Hering hatte aber festgestellt, dass zwar die Volumenänderung der Lunge den Tonus der herzhemmenden Fasern beim Hunde ändert, dass es aber auch eine rhythmische Innervation der Hemmungsfasern des Herzens bei ungeändertem Volumen der Lunge gibt, was auch Fred&ricg bestätigt hat. Letzterer wies nach, dass die Ungleichheit des Herzrhythmus mit grösserer Pulsfrequenz im ansteigenden Ast der Blutdruckkurve auch bei weitgeöffnetem Thorax noch fortdauert, sobald der Vagus intakt ist, und glaubt daher, diese Erscheinung durch eine periodische Tätigkeit des Vaguszentrums erklären zu müssen, wenn es sich unter asphyktischen Bedingungen befindet. Der grösseren Frequenz des Pulses schreibt er das Ansteigen des Druckes zu, das bald Inspirium, bald Exspirium begleitet. Derselben Ansicht sind auch Henderson und Theodor Barringer?). Schon früher hat Traube gefunden, dass man, wenn man bei einem ceurarisierten Tier vor der Vagotomie die Atmung aussetzt, im aufsteigenden Schenkel der Druckkurve Pulsbeschleunigung, im absteigenden Verlangsamung erhält. Es nehmen daher Traube, Hering, Fred&riceg ein zen- trales Hemmungszentrum in der Medulla oblongata im Gegensatz zu Japelli und Spalitta an, eine Ansicht, die heutzutage von den meisten Physiologen [s. a. Literatur bei Landois?), Tigerstedt‘®)] geteilt wird, und die auch in neuester Zeit Carlo Foä°) mit einer 1) Spalitta, Sur les modifications du rythme cardiaque. Arch. ital. de biol. t. 35: 2) Henderson-Barringer, Influence of respiration upon velocity of the bloodstream. Americ. Journ. of Physiol. vol. 31 p. 399. 1913. 3) Landois, Lehrbuch der Physiologie des Menschen. 1905. 4) Tigerstedt, Lehrbuch der Physiologie des Menschen. 5) Carlo Foä, Periodische Automatie des herzhemmenden und des vaso- motorischen Bulbärzentrums. Pflüger’s Arch. Bd. 155. 1913. = Exper. elektrokardiogr. Studien über die Wirkung der Respiration ete. 453 neuen Methode künstlicher Atmung (Meltzer-Auer) wiederum be- stätigt hat. Fo& nimmt eine normale periodische automatische Funktion nicht nur des vasomotorischen Zentrums, sondern auch des herz- hemmenden Zentrums an und verlegt ebenso wie die obengenannten Uxtersucher den Sitz dieser Zentren in die Medulla oblongata. Er nennt diese Zentren, die die Aufgabe haben, der Innervation des Herzens und der Gefässe vorzustehen, herzhemmende und vaso- motorische Bulbärzentren. Die Änderungen der Zackengrösse bei In- und Ex- spirium führen Hoffmann!) und Grau?) allein auf Verschiebung der Herzachse im Körper während der Atmung zurück. Dass dies nicht richtig sein kann, haben schon Einthoven’°) und seine Mitarbeiter in ihrer letzten Arbeit durch Berechnung der sogenannten manifesten Grösse der einzelnen Zacken nachgewiesen, indem sie gezeigt haben, dass eine sich selbst parallele Verschiebung des Herzens, wie sie doch in der Hauptsache bei der Atmung statt hat, nur einen sehr geringen Einfluss auf die Form des E.K.G.s ausübt. Die Haupt- zacken A, J, F (P, R, T) werden hierdurch garnicht und nur die relativ unwichtige J,(S)-Zacke merklich verändert. Nach seiner Ansicht hat die veränderte Lage wohl einen gewissen Einfluss auf die Zackenveränderungen im E.K.G., was ja auch schon Nicolai‘) und H. E. Hering erwiesen haben; doch ist sie keineswegs die Hauptursache für die Zackenveränderungen bei der Atmung. Viel- mehr glaubt Einthoven auf Grund seiner Untersuchungen am Menschen mit den drei verschiedenen Hauptableitungen (I, II, IID) schliessen zu können, dass der Vagustonus einen wesentlichen Einfluss auf die Zackenhöhe und Zackenform besitzt. Der Vagus beeinflusst nach seiner Ansicht nieht nur die Frequenz, sondern auch die Zackenhöhe, besonders von A und F', während J weniger durch diesen Nerven beeinflusst erscheint. Er führt die Veränderung der F-Zacke bei den Atembewegungen auf Lage- veränderung und Frequenzänderung des Herzens zurück; die A-Zacke wird noch stärker durch eine Veränderung der Herzfrequenz (also 1) Hoffmann, A., Die Kritik des E.K.G.s. Kongr. f. innere Med. zu Wiesbaden 1906. 2) Grau,l. c. 3) Einthoven, Fahr und De Waart, I. c. 4) Nicolai, Das E.K.G. bei Dextrokardie und anderen Lageveränderungen des Herzens. Berl. klin. Wochensch. Bd. 48 Nr. 2. 1911. 454 Ernst Blumenfeldt und Hermann Putzig: des Vagustonus) beeinflusst als die F-Zacke. Beweisend ist ihm für diese Erklärung unter anderem die Tatsache, dass der Vorhof bei Ableitung III nach langer Herzpause (Vagusreizung) klein und sogar negativ wird, während er bei Zunahme der Frequenz (also bei ver- ringertem Vagustonus) die alte Form und Grösse wieder annimmt. (Auch wir haben ja gefunden, dass nach einer grösseren Herzpause die A-Zacke bei Ableitung I meist grösser, bei Ableitung II meist kleiner wird.) Dass der Vorhof während der Atembewegungen ver- schiedenen Einflüssen ausgesetzt sein muss, schliesst Einthoven auch daraus, dass er in seiner maximalsten Veränderung nicht synehron mit den Zuständen äusserster In- und Exspiration ist. Doch fehlt den Vermutungen Einthoven’s der experimentelle Beweis. Auch eine Änderung im Tonus des Vasokonstriktorenzentrums kann nach den Untersuchungen von Carlo Foä einen Einfluss auf die Zackenhöhe ausüben; dagegen ist der Einfluss des veränderten Körperwiderstandes, an den manche Forscher gedacht haben, bedeutungslos. Man müsste sonst, wie Einthoven mit Recht hervorhebt, die recht unwahrscheinliche Annahme machen, dass bei einer Atembewegung der Widerstand des Brustkastens in querer Richtung abnähme, während er zu gleicher Zeit in der Längs- richtung zunähme und in schräger Richtung unverändert bliebe. Eine grössere Bedeutung kommt vielleicht aber, wie die von Kahn ausgeführten Valsava’schen Versuche am Menschen gezeigt haben, der Änderung des intrathorakalen Druckes zu Denn der negative intrathorakale Druck, der während des Inspiriums ver- stärkt wird, während des Exspiriums abnimmt, übt ebenso wie der O,-Überdruck einen starken mechanischen Einfluss auf die Zirkulation aus, und zwar besonders auf das rechte Herz, infolge dessen geringerer Muskulatur; dies muss sich dann besonders in der J- bzw. J„-Gruppe zeigen, was auch tatsächlich der Fall ist. Immerhin kann nach Ansicht von Einthoven die. intrathorakale Drucksteigerung bei gewöhnlicher und sogar tiefer Inspiration nicht die Hauptursache der Zackenschwankungen während der Atmung bilden, denn sie kann die oben beschriebenen, scheinbar so regellosen Varianten nicht erklären. II. Erklärung unserer eigenen Versuche. Wenn wir nunmehr zu der Frage übergehen, welche Schlüsse sich aus unseren eigenen Befunden ziehen lassen, so ergibt. sich folgendes: Exper. elektrokardiogr. Studien über die Wirkung der Respiration ete. 455 1. In bezug auf die Frequenz haben unsere Versuche die Angaben früherer Untersucher bestätigt, dass die sogenannte re- spiratorische Arhythmie abhängig ist vom Nervus vagus, da nach beiderseitiger Durchschneidung desselben die Frequenzschwankungen fortfallen. Näher einzugehen hätten wir also nur auf die Frage, ob wir es bei der Vagusarkythmie mit einer zentral oder peripher ausgelösten zu tun haben. In bezug auf diese Frage scheinen unsere Befunde im Sinne der in der Arbeit von Putzig aufgestellten Theorien zu sprechen. Primär besteht eine autochtone periodische Tätigkeit des Zentrums, da auch ohne Atembewegungen bzw. sogar gegen die Atmung beim eurarisierten Hund periodische Schwankungen der Pulsfrequenz vorhanden sind. Diese primäre Automatie des Zentrums wird dann sekundär durch von der Peripherie ausgelöste Re- flexe modifiziert; doch bleibt die Tätigkeit des Zentrums er- halten. Für diese peripheren Reize könnten verschiedene Ursachen in Betracht kommen, die aber zum Teil schon von früheren Unter- suchern ausgeschlossen worden sind. Dazu eehören intrathorakale Druckschwankungen (Fr&d&rieq), Änderungen des Gasgehaltes des Blutes, Reize von der Atemmuskulatur (durch Curareversuche); als wesentlichster Punkt bleiben eicentlich nur noch die durch die At- mung bewirkte Füllungsänderung des Herzens und die damit zu- sammenhängenden Änderungen des Blutdrucks übrig, sowie bis zu einem gewissen Grade die periodischen Schwankungen im Tonus des Gefässnervenzentrums, das, wie Carlo Foä gezeigt hat, in ganz innigem Zusammenhange mit dem Atemzentrum zu stehen scheint. Vielleicht hat bei unseren Versuchen auch noch die direkte Druckwirkung auf das Herz einen gewissen Einfluss, wenigstens bei erhöhtem Druck, wofür die starke gleichmässige Beschleunigung bei O,-Überdruck spricht, die auch nach Vagusdurckschneidung, wenn auch in geringerem Maasse, bestehen bleibt. 2. Schwieriger sind die Ergebnisse der Zackenänderungen' zu deuten; aber auch hier haben unsere Untersuchungen bis zu einem gewissen Grade Aufklärung gebracht. Mechanische Einflüsse (Lageveränderung), die Hoffmann und Grau als hauptsächlich bedeutungsvoll annehmen, kommen nach unseren Befunden kaum in Frage, vielleicht für die exzessiven Änderungen, wie O,-Überdruck (siehe Valsalva-Versuh von Kahn). Da die respira- torischen Schwankungen von A und F fortfallen nach 456 Ernst Blumenfeldt und Hermann Putzig: Vagusdurehschneidung, so müssen die Änderungen dieser Zacken durch die Atmung vom Vagus abhängig sein. Dass die extrakardialen Nerven überhaupt einen Einfluss auf das E.K.G. ausüben, ist ja bereits durch die Untersuchungen von Einthoven!), Samojloff?), Rothberger und Winter- berg®)'u. a. erweisen. Dureh unsere Versuche ist der Einfluss der Herz- nerven bzw. des Vagus auf die Atemschwankungen der A- und F-Zacke sichergestellt; doch kommen hierfür wahrscheinlich andere Fasern als die, die für die Frequenz maass- gebend sind, in Betracht, da die Schwankungen nicht so ganz regelmässig nach Vagotomie wegfielen, wie die Frequenzschwankungen, sondern oft erst nach Durchschneidung beider Vagi, auch unterhalb der Ganglia stellata, d. h. unterhalb der Abgangsstelle der zentri- fugalen und zentripetalen Herznerven. In welcher Weise sich dieser Einfluss vollzieht, ob durch Änderung im Erregungsvorgang oder ob durch verschiedene Wirkung auf die beiden Kammern bzw. Vorkammern, ist noch nicht möglieh zu entscheiden. Jedenfalls aber fallen durch diese Befunde alle die Theorien, die die Änderung dieser Zacken rein mechanisch erklären wollen. So hat Seemann) in seinen Versuchen am Froschherzen gezeigt, dass bei steigendem venösem Druck Anfangs- und Nachschwankungen niedriger werden. Ebenso fand Straub’), dass mit Zunahme der Ventrikelfüllung die Höhe von J und F abnahm. In jüngster Zeit hat endlich Weitz‘) diese Anschauung durch seine Abklemmungs- und Durchschneidungsversuche der grossen Bauchgefässe zu beweisen versucht. Er stellte fest, dass bei Abklemmung der Aorta A in der Hälfte der Fälle grösser, bei Abklemmung der Vena cava F' grösser, 1) Einthoven, |. c. 8.8. 2) Samojloff, Weitere Beiträge zur Elektrophysiologie des Herzens. Pflüger’s Arch. Bd. 135. 1910. 3) Rothberger und Winterberg, Über den Ausdruck der Herznerven im E.K.G. Zentralbl. f. Physiol. 1910. S. 247. — Über die Beziehungen der Herznerven zur Form des E.K.G.s. -Pflüger’s Arch. Bd. 135. 1910. 4) Seemann, Elektrokardiogrammstudien am Froschherzen. Zeitschr. f. Biol. Bd. 59. 1912. 5) Straub, Zur Analyse des Elektrokardiogramms. Zeitschr. f. Biol. Bd. 53. 6) W. Weitz, Experimentelle Untersuchungen über die Veränderungen des Elektrokardiogramms bei Änderung der Herzarbeit. Arch. f. klin. Med. Bd. 111. 5. Juni 1913. Exper. elektrokardiogr. Studien über die Wirkung der Respiration etc. 457 J und J, kleiner, bei Durchschneidung der grossen Gefässe F' be- deutend grösser wurde. Das Verhalten von J war bei seinen Ver- suchen im allgemeinen nicht so konstant, wie das Verhalten von A und F. Die Erhöhung der F-Zacke bei gesteigerter Pulsfrequenz hängt seiner Ansicht nach nicht von der Schnelligkeit des Ablaufes der Systole ab, wie A. Hoffmann annimmt, sondern davon, dass infolge der grösseren Frequenz sich der Ventrikel nicht so ausgiebig füllen kann, und so durch den geringeren Füllungszustand eine höhere Zacke resultiert. Bei unseren Versuchen kann nun die Füllung nur bis zu einem gewissen Grade Einfluss haben, da nach Vagusdurchschneidung die Zackenschwankungen fehlen, trotzdem doch angenommen werden muss, dass durch die Atembewegungen auch dann noch gewisse Füllungsänderungen bewirkt werden. Dass natürlich die Zacken- schwaukungen bei den starken Frequenzänderungen vor der Vagus- durchsehneidung zum Teil auch durch Füllungsänderungen und da- durch bedingte Störungen im Erresungs- und Kontraktionsablauf veranlasst sein können, sei hiermit nicht bestritten. Nieht so einfach sind die Erklärungen für die Schwan- kungen der J-Zacke. Hier finden wir auch nach Vaeusdurch- schneidung noch gewisse Änderungen synehron mit der Atmung, die erst nach Atropinisierung fortfallen. Aber auch dann noch bleiben Schwankungen bestehen, die allerdings nicht mit der Atmung zu- sammenhängen. Man könnte zur Erklärung vielleicht annehmen, dass die J Zacke mehr als die anderen Zacken von der Füllung des Herzens abhängig ist, dass also hier mechanische Moniente mitsprechen in der Weise, dass der verschiedene Füllungszustand einen bestimmten Einfluss auf den Erregungsablauf ausübt. Auch der Blutdruck, der in Beziehung zur Füllung des Herzens steht, zeigt ja nach völliger Vagusdurehschneidung die bekannten geringen langsamen Schwan- kungen (Traube-Hering’sche Wellen), die auf Erregung des Vasomotorenzentrums zurückgeführt werden. Die J-Zacke ist also zum Teil vom Vagus, zum Teil von anderen, vielleicht mechanischen Faktoren abhängig. Zusammenfassung. ‚Unsere Untersuchungen haben ergeben, dass die Atmung einen Einfluss auf die Pulsfrequenz im allgemeinen sowie auf Überleitungszeit, Systolendauer und besonders die Herz- pause ausübt. 458 Ernst Blumenfeldt und Hermann Putzig: Sie haben weiterhin ergeben, dass sämtliche Zacken des E.K.G.s bei Ableitung I, II sowie bei Anus-Ösophagusableitung mit der At- mung schwanken, Änderungen, die, soweit die A- und F-Zacke in Frage kommen, nach Vagusdurchschneidung bzw. Atropinisierung fortfallen, während bei der J-Zacke Schwankungen, allerdings mehr regellos, nicht konform mit der Atmung, auch dann noch bestehen bleiben. Auf Grund dieser Untersuchungen und unter Berücksichtigung der einschlägigen Literatur kommen wir zu folgenden Schlüssen: Die Frequenzänderung hängt zusammen mit einer primären autochtonen Tätigkeit des Hemmungszentrums bzw. eines abhängigen Bulbärzentrums (Foä), die sekundär reflektorisch durch periphere Reize reguliert wird. Die Schwankungen der A- und F-Zacke haben einen vorwiegend nervösen, mit dem Vaguszentrum zusammenhängenden Ursprung, und zwar aus folgenden Gründen: Die A- und F-Zacken schwanken in den Fällen, in denen die Frequenz nicht konform mit den Atembewegungen geht, gleichfalls nicht mit der Respiration, sondern mit der Frequenz. Weiterhin verschwinden die Schwankungen von A und F' nach Vagusdurchschneidung. Wir müssen daher für diese Zackenschwankungen eine zentrale nervöse Ursache annehmen in derselben Weise wie für die Frequenz- änderungen, wenn auch die Reize anscheinend durch andere Fasern der extrakardialen Nerven vermittelt werden, als diejenigen für die Frequenzänderung. Die J-Zacke ist scheinbar ausser von den Tonusänderungen des extrakardialen Nervensystems bis zu einem gewissen Grade von anderen Einflüssen abhängig, die zum Teil viel- leicht ähnlich den Blutdruckschwankungen mit Tonusänderungen im Vasomotorenzentrum zusammenhängen, zum Teil mit dem ver- schiedenen Füllungszustand des Herzens selbst. Literatur 1) v. Cyon, Die Nerven des Herzens, übersetzt von Heusner. Berlin 1907. 2) Einbrodt, Über den Einfluss der Atembewegung auf Herzschlag und Blutdruck. Sitzungsber. d. mathem.-naturw. Kl. d. Akad. d. Wissensch. Bd.40. 1860. 3) Einthoven, Weiteres über das Elektrokardiogramm. Pflüger’s Arch. Bd. 122. 1908. Exper. elektrokardiogr. Studien über die Wirkung der Respiration etc. 459 4) Einthoven-Wieringa, Ungleichartige Vaguswirkung auf das Herz, elektrokardiographisch untersucht. Pflüger’s Arch. Bd. 149. 1912. 5) Einthoven, Fahr und De Wart, Über die Richtung und die mani- feste Grösse der Potentialschwankungen im menschlichen Herzen und über den Einfluss der Herzlage auf die Form des Elektrokardiogramms. Pflüger’s Arch. Bd. 150. 1913. 6) Carlo Foa, Periodische Automatie des herzhemmenden und des vaso- motorischen Bulbärzentrums. Pflüger’s Arch. Bd. 153. .1913. 7) Fredericg, De l’influence de la respiration sur la circulation (I partie). Arch. de Biol. t. 3. 1882. 8) Grau, Über die Bedeutung äusserer Momente für die Form der elektro- kardiographischen Kurve. Zentralbl. f. Physiol. Bd. 23. 1909. 9) Grau, Über den Einfluss der Herzlage auf die Form des Elektro- kardiogramms. Zeitschr. f. klin. Med. Bd. 69. 1910. 10) Henderson-Barringer, Influence of respiration upon velocity of the bloodstream. Americ. Journ. of Physiol. vol. 31 p. 399. 1913. 11) E. Hering, Sitzungsber. d. kaiserl. Akad. d. Wissensch. Bd.64. Wien 1871. 12) H. E. Hering, Experimentelle Studien am Säugetier über das Elektro- kardiogramm. Pflüger’s Arch. Bd. 127. 1909. 13) H. E. Hering, Über das Elektrokardiogramm. Münch. med. Wochenschr. Bd. 56 S. 690. 1909. 14) August Hoffmann, Die Kritik des Rlektrokardiogramms. Kongr. f. inn. Med. zu Wiesbaden 1906. 15) Kahn, Weitere Beiträge zur Kenntnis des Elektrokardiogramms. Pflüger’s Arch. Bd. 129. 1909. 16) Kahn, Die Störungen der Herztätiskeit durch Adrenalin im Elektro- kardiogramm. Arch. f. ges. Physiol. Bd. 129 S. 379. 1909. 17) Kraus-Nicolai, Das Elektrokardiogramm des gesunden und kranken Menschen. Leipzig 1910. 18) Landois, Lehrb. d. Physiol. d. Menschen. 1905. 19) Mackenzie, Lehrb. d. Herzkrankh., übersetzt von F. Grothe. 1907. 20) Nicolai, Prakt. Grundriss der Elektrokardiographie, Leipzig 1914. 21) Nicolai, Das Elektrokardiogramm bei Dextrokardie und anderen Lage- veränderungen des Herzens. Berl. klin. Wochenschr. Bd. 48 Nr. 2. 1911. 22) Putzig, Die Änderungen der Pulsfrequenz durch die Atmung. Zeitschr. f. experim. Pathol. u. Theraphie Bd. 11. 1912. 23) Putzig, Elektrokardiographische Studien über die Wirkung der Re- spiration auf die Herztätigkeit beim Menschen. 24) Rothberger und Winterberg, Über den Ausdruck der Wirkung der Herznerven im Elektrokardiogramm. Zentralbl. f. Physiol. 1910 S. 247. 25) Rothberger und Winterberg, Über die Beziehungen der Herznerven zur Form des Elektrokardiogramms. Pflüger’s Arch. Bd. 135. 1910. 26) Samojloff, Elektrokardiogrammstudien. Hermann’s Festschrift. Beitr. zur Physiol. u. Pathol., herausgegeben von Otto Weiss. 1908. 27) Samojloff, Weitere Beiträge zur Elektrophysiologie des Herzens. Pflüger’s Arch. Bd. 135. 1910. Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd. 154. 31 460 E. Blumenfeldt und H. Putzig: Exper. elektrokardiogr. Studien etc. 28) Seemann, Elektrokardiogrammstudien am Froschherzen. Zeitschr. f. Biol. Bd. 59. 1912. 29) Sommerbrodt, Die reflektorischen Beziehungen zwischen Lunge, Herz und Gefässen. Zeitschr. f. klin. Med. Bd..2. 1881. 30) Spalitta, Sur les modifications du rythme cardiaque. Arch. ital. de biol. t. 35. 31) Straub, Zur Analyse des Elektrokardiogramms. Zeitschr. f. Biol. Bd. 53. 32) Tigerstedt, Lehrb. d. Physiol. d. Menschen. 33) Traube, Über periodische Tätigkeitsäusserungen des vasomotorischen und Hemmungsnervensystems. Zentralbl. f. med. Wissensch. Bd. 3 S. 881. 1865. 34) W. Weitz, Experimentelle Untersuchungen über die Veränderungen des Elektrokardiogramms bei Änderung der Herzarbeit. Arch. f. klin. Med. Bd. 111. 1913. Erklärung der Tafeln XV—XIX. Im oberen Teil der Tafeln ist die Pulsfrequenz in Pulszahlen pro Minute dargestellt, so dass Ansteigen der Kurve Beschleunigung, Abfallen Langsamer- werden des Pulses bedeutet. Dann ist die Atmung eingezeichnet, und zwar Inspirium bzw. Einblasung nach oben, Exspirium bzw. Zusammenfallen der Lunge nach unten. Es folgt die Zackenhöhe in Millimetern, und zwar oberhalb der Nullinie die positiven Zacken, unterhalb die negativen. Es bedeutet: ----- Pulsfrequenz; —— J-Zacke bzw. Jp, wenn negativ; die rot gedruckte Linie die A-Zacke; die grün gedruckte Linie die F-Zacke; >>>» Ju- Zacke. Taf.XV. Pllüger’s Archiv fd. ges. Physiologie, Bd 155. Versuch I. (Ableitung ]). | Curare ZT Bunwyy 25 Byalysuny 24 yonspasan] O an ı bunuyy 9 wesbue) I& 22 I | | I I I I I j ! I | ı | I l | | uauy9s | | | It ! | j | bunwy © | otom ee 4 Bunuyy e_Vac 21 ayaıjsuny 20 jeWJoN Rechtsseitig ge__Vago 16 seiti 5 aı bunwyy ayaıysuny z ® |yonupuagn 9 I24y9S 17 Bunuyy o wesbue/ Bunuyy bunwyy ayanısuny 1 Es jewuoN — BE = Bunuyy ayamısuny 12 yonypsagn Jauy9s Bunwyy oO wesbue) Bunwy 9 bunwyy ayauısuny oo jeW4oN Lliraensanamnie 000... 1a. Bunuyy ayayısuny w|yonupusgn ‘Q a l2y9s Bunuyy 9 wesbuey Bunuyy DE = Bunwyy ayaıyısuny n JEWION aynumy osd Jajyezsıng4uzuanbas, SYNL www UI 3yYOoYUSYIEZ Lith. Anst. v. F-Wirtz, Darmstadt Verlag v.Martin Hager, Born 7 r Ya + J ( \ i t. ö ee c er Aa a Fr “ '* DET NE RE Taf ZI. (Ableitung |). Versuch I. Flügers Archiv Dd.ges Physiologie, Bd 155 otomie Va aan] 14 Vagotomie rechts | Bunuy 25 syayysuny NN Bes + & yondpsagn O0 wesbue) na & Bunwyy ‘oO TERITES 8 a Bunwyy 'Q Bunuyy IS] BYaıysuny 20 jewsoy BEFFLTITEI PELTEF FÜLLT ERRENN bunuyy AyaNSUny yonspsagn oO wesbuey Bunwy EN, an, non jauyas Bunwyy Do Bunwyy Ya ISUny jewuoy Ohne Almung eg NEISSE EN EEE FI 13 12 n 10 Bunuyy SYaISUny yanıpısan wesbue] bunwyy Q Nauyas Bunuyy 'Q Bununy Syaysuny jewson « Bunuuy ayaısuny yonspasan oO weshue) Bununy 'o Iauyas bunuyy Bununy Sys uny Tracheotomie jewson Almung ieh registriert Normal | | | Huch Aust. v P Wirte. Darmstadt Vortag vkerti anter. Bein Taf.XVI. Pflüger's Archiv f.d. ges. Physiologie, Bd 155. tung I). (Able Versuch M \ ! \ I I | ! ! I | ' I I ı I j \ | ! \ | ! \ ! ! ' ı \ | ! \ | ! \ ! Vagotomie 15 g8_N\ [4e} = 14 otomie 22 Rechtsseitige Vaq -- == -- I T I} 1 I ' ı Bun | ayayysuny in >} 24 1 \ 1 L 1 | {} Iyongpasan Q| 1 = En ‚a ! Bunuyy o| I Bunuyy °O wesbue/ | - Bunuyy ayaıysuny 21 S jewuoy Bunwyjy Iyalysuny im 1 yondpuaan] auy9s Bunwyy °0 wesbuey Bunuyy o bunwyy ayaıysuny jew4oN 13 10 Bunuyy | ayaıyjsuny yonspasan Q ———:: auyas bunus vo wesdue) bunuyy a) Bunwyy ayaıysuny jewuon bunuyy ayanısuny H yonspaagn) o I 1Isuyos Bunuyy 9 wesbuey Bunuyy D bunuy Y ayamısuny jewsoNn Normal. BSD [SSSETHEHHERITRERERFTRRTSEIERTERTETTEITAFTOERFERFEERTEErESTEeEEREREITErn Lith Ant. v. F Wirtz. Darmstadt Verlag v Martin Hager, Born Pflüger’s Archiv fd. ges. Physiologie, Bd 155. Versuch WV. (Ableitung IND), (Kurve 4-24 bei künstlicher Atmung). Taf. VI. BEN LEBIT ELITE DULIEE [Nach Vaqusdurchschneidung. racheotomie nacheolor Curare_ 1 2 3 Normal |_| _ | IS IS ‚kenhöhe in mm Zac Verlag v.Martin Hager. Bonn Bean een nn Lith Anst.v F Wirtz, Darmstadt Taf.XX Ableitung I) ( in 0,01 7 urdosjy W209 / Atrop E gen e wryejjs4s 7Bb ıgotomi 9 sap gyeyssyun e Va Bunpisuyosyoung Lith. Anst. v: F-Wirtz, Darmstadt dns ayeaınuaa bb s3p 97844390 IBbunpiauyasy9ung 103 h ao echtssei az mamma wnejja4s bb sap gjeyuayun Bunpiauyasyaung otomie e Vagc 7 | eiti dns ayeoınuaa bb | w sap gjeyuago Bunpisuyasyaynq Linkss | I uoyesedeudsnbey yaeyy ın 1=-- + Punuyy ayaıısuny | {se} Ei Bunuyy ayaıysuny Versuch V. [Tracheotomie a jewaoy | Pflüger's Archiv f.d. ges. Fhysiologie, Bd.155. 100° aınuıy oud wajyezsjn u zuanbauysym] ww ul 3YOYU9Y987 Verlag v.Martin Hager. Bonn 461 (Aus dem physiologischen Institut der Universität Lemberg.) Über elektrische Erscheinungen im Zentralnervensystem des Frosches. Von A. Beck. (Hierzu Tafel XX und XXI.) Meine in den Abhandlungen der Krakauer Akademie der Wissen- schaften im Jahre 1911 veröffentlichten Untersuchungen über den Verlauf der Aktionsströme im Zentralnervensystem enthalten eine Reihe von Tatsachen, deren Bekanntgabe einem grösseren Kreise der Fachkollegen ich für angezeigt erachte, zumal wie aus der von W.W. Neminski!) publizierten Arbeit zu ersehen ist, diese Unter- suchungen von auf demselben Gebiete arbeitenden Forschern un- beachtet geblieben sind. Die Untersuchungen wurden am Zentralnervensystem des Frosches mit Hilfe des Einthoven’schen Saitengalvanometers unternommen. Zweck derselben war, den Verlauf der von mir bereits früher studierten elektrischen Erscheinungen im zentralen Nervensystem genauer zu erforschen. Bei einem Teile der Versuche war im Galvanometer als Saite ein Wolaston’scher Platinfaden von 7800 Ohm Widerstand, in einem anderen ein ebensolcher von 10500 Ohm Widerstand angebracht. Die Empfindlichkeit betrug 12 x 1010 pis 8x 10719 und wurde in jedem einzelnen Falle notiert. Als Objekt diente die sorgfältig aus dem Wirbelkanal heraus- präparierte zerebrospinale Achse von stark gekühlten Fröschen. Es wurden am Präparate entweder die unversehrten Hinterextremitäten behalten (wenn nämlich die Haut derselben mechanisch oder chemisch gereizt werden sollte), oder nur noch die ebenfalls präparierten Nervi 1) Einige elektrische Erscheinungen im Zentralnervensystem bei Rana temporaria. Arch. f. (Anat. u.) Physiol. 1913 S. 321. 31* 462 A. Beck: ischiadiei. In letzterem Falle wurde vor dem Präparieren der Nerven darauf geachtet, ob bei mechanischer Reizung der Haut der Extremitäten eine Reaktion (Reflex) eintritt, und nur solche Prä- parate wurden zu den Versuchen benützt, bei welchen die Reaktion prompt eintrat. Selbstverständlich wurden zu denjenigen Versuchen, bei denen die Hinterextremitäten unversehrt geblieben waren, eben- falls nur solche Präparate angewendet, bei welchen diese Probe positiv ausgefallen ist. Das Präparat wurde in eine gekühlte feuchte Kammer, welcher Sauerstoff zuströmte, gebracht. In derselben be- fanden sich auch die entsprechenden unpolarisierbaren Elektroden, deren Enden in Gestalt von in physiologischer Kochsalzlösung ge- tränkter Wollfäden an die gewählten Stellen des Zentralnervensystems angelegt wurden, wie auch für die Reizung bestimmte Platinelektroden. Die feuchte Kammer bestand aus einer viereckigen Zinkblech- platte, durch welche drei Paar in Glasröhren isolierte weiche Drähte durehgingen und welche an der Peripherie eine 1 cm breite und eine ebenso tiefe Rinne besass. In diese Rinne, die mit Wasser gefüllt wurde, passte der untere Rand eines viereckigen Glaskastens, durch dessen eine aus Blech verfertigte Seitenwand ein den Sauer- stoff zuleitendes Röhrchen und ein anderes mit einem Wasser- manometer verbundenes Röhrchen führte. Verbunden wurden mit dem Galvanometer entweder zwei verschiedene Punkte des un- versehrten Zentralnervensystems, oder es wurde ein Querschnitt an der Medulla oder am Rückenmark angelest und von demselben und einer intakten Stelle der dorsalen Fläche des Rückenmarks ab- geleitet. Der sogenannte Ruhestrom. Werden zwei verschiedene Punkte der möglichst intakten zerebrospinalen Achse mit dem Galvanometer verbunden, so entsteht fast immer ein mehr oder weniger grosser Ausschlag, welcher das Bestehen eines Potentialunterschiedes beweist. Isopotentiell waren solche zwei Punkte äusserst selten (2,6°0). Die Richtung des Stromes war in der grossen Mehrzahl der Versuche (81,3°/o) auf- steigend, d. h. der proximale Teil des Zentralnervensystems war im Verhältnis zum distalen Teile positiv, so dass der Strom im Leiter von oben nach unten, im Präparat proximalwärts floss. Die ent- gegengesetzte, d. h. absteigende Richtung des Stromes war viel seltener, und zwar in 16°o, zu konstatieren. Die absteigende Über elektrische Erscheinungen im Zentralnervensystem des Frosches. 463 Richtung wurde nämlich bei solehen Ableitungen beobachtet, bei denen eine der unpolarisierbaren Elektroden an die Lumbalschwellung, während die andere höher oben angelegt war. Berührte aber die untere Elektrode eine Stelle des dorsalen Rückenmarkes, so hatte der Strom eine aufsteigende Richtung. Dies würde beweisen, dass die Richtung des sogenannten Ruhestromes unter anderem auch da- von abhängig ist, ob eine Stelle mit dem Galvanometer verbunden ist, welche in grösserer Anzahl Nervenzellen enthält, und dass die Gegenwart dieser Zellen ein Steigen des positiven Potentials bewirkt. Die Konstanz, mit welcher die Richtung des Stromes davon ab- hängt, von welchen Stellen er abgeleitet wird, zeigt sich auch darin, dass sogar nach Anlegune eines (Querschnittes und Ableitung von diesem Querschnitte und der Längsoberfläche des Rückenmarkes der Strom nicht immer — wie etwa zu erwarten wäre — eine ab- steigende, sondern, wie am unversehrten Präparat, eine aufsteigende Richtung besitzt. Wir sehen hier somit eine Übereinstimmung mit den von Cybulski an Muskeln beobachteten Tatsachen. Während aber die Resultate Cybulski’s in der spezifischen Struktur der Muskelfaser ihre Erklärung finden, gestattet der so komplizierte Bau des zen- tralen Nervensystems keine derartige Erklärung. Was die elektromotorische Kraft betrifft, welche die Verbindung zweier Stellen des Zentralnervensystems des Frosches mit dem Gal- vanometer liefert, so zeigte es sich, dass dieselbe bei Ableitung von den Hemisphären und der Lumbalschwellung am grössten war (6 bis 34, im Mittel 18 Millivolt); kleiner war sie bei Ableitung von der Medulla und der Lumbalschwellung (2,5—27, im Mittel 10 Milli- volt), am kleinsten bei der Ableitung von den Hemisphären und der Medulla einerseits und von einer anderen Stelle des Rückenmarks anderseits (”—8 Millivolt). Es mag noch hinzugefügt werden, dass der „Ruhestrom“ während der Dauer des Versuches nieht wesentlich an Stärke abnimmt, dass er aber unter der Einwirkung von CH,Cl und Sauerstoffmangel schwächer, dagegen nach Bepinselung des KRückenmarkes mit Stryehninlösung stärker wird. Aktionsströme. Wird dem mit dem Galvanometer verbundenen Zentralnerven- system eine Erregung zentripetal zugeleitet, so entsteht, nachdem 4054 A. Beck: der Ruhestrom kompensiert worden ist, eine neuerliche Ablenkung der Saite, deren Verlauf und Gestalt von der Art des Reizes abhängt. l. Elektrische Reize. Elektrisch wurde der Nervenstamm gereizt, und zwar entweder vermittels einzelner oder vermittels wiederholter Induktionsschläge (tetanisch). Der Verlauf des Saitenausschlages bei Reizung mit einem Induktionsschlage war nicht immer gleich. Häufig stellte er das Bild eines zweiphasischen Stromes dar. Fig. 1 auf Taf. XX, welche bei Ableitung vom verlängerten Mark und der Lumbal- schwellung erhalten worden ist, zeigt ein Beispiel einer solchen Ablenkung. Es konnte Jeicht konstatiert werden, dass der zwei- phasische Verlauf des Aktionsstromes wirklich eine Begleiterscheinung des Aktionszustandes des Nervensystems und nicht eine künstlich hervorgerufene Erscheinung ist. Es zeigte sich nämjich, dass die Veränderung fast gleich ablief, ohne Unterschied, ob mit Schliessungs- oder Öffnungsinduktionsstrom gereizt wurde, und zwar auch dann, wenn man galvanischen, sei es auf- oder absteigender Strom, ver- wendete. Die geschilderte doppelsinnige Ablenkung kann eine zweifache Ursache haben: Erstens ist es möglich, dass infolge der bekanntlich verlangsamten Leitung im Zentralnervensystem die mit dem Galvano- meter verbundenen Stellen nicht gleichzeitig erregt werden, was zum Entstehen von zwei entgegengesetzten, zeitlich getrennten Potential- differenzen führen muss. Die zweite Möglichkeit besteht in der An- nahme von zweierlei ebenfalls zeitlich getrennten, entgegengesetzten chemischen Prozessen, eines katabolischen und eines anabolischen, ähnlich wie Cybulski das Entstehen von zweiphasischen Strömen im Muskel erklärt. In manchen Versuchen trat auf Einzelreiz eine Ablenkung nur in einer Richtung auf, und zwar sowohl bei Reizung mit Induktionsströmen (Taf. XX, Fig. 2), wie auch durch Sehliessung oder Öffnung des galvanischen Stromes (Taf. XX, Fig. 3 und 4). Gleichgültig, welche Richtung der reizende Strom hatte, immer wies die Ablenkung darauf hin, dass der Lumbalabschnitt, resp. sein benachbarter Teil, elektronegativ war. In Fig. 3 und 4 tritt ausserdem die Wirksamkeit der Schliessung und Öffnung des auf- und absteigenden Stromes nach dem Pflüger- schen Erregungsgesetze eklatant zum Vorschein. So ist die Saiten- Über elektrische Erscheinungen im Zentralnervensystem des Frosches. 465 ablenkung bei Schliessung des absteigenden Stromes bedeutend schwächer als bei Öffnung dieses Stromes (Taf. XX, Fig. 3), während die Schliessung des aufsteigenden Stromes (Fig. 4) eine starke Ab- lenkung von längerer Dauer hervorruft (Analogie zum Schliessungs- tetanus). In manchen Fällen war die Schliessung des absteigenden Stromes ganz unwirksam (Taf. XX, Fig. 5). Der positive Erfolg der zentripetalen Reizung des zentralen Nervensystems durch Einzelinduktionsströme stimmt übrigens mit der entgegen der früher vorherrschenden Ansicht zuerst von Biedermann!), dann von Steinach?) hervorgehobenen Wirk- samkeit von Einzelreizen auf das Zentralsystem gut überein. Die Reizung des zentripetalen Abschnittes des N. ischiadieus durch eine Reihe. von schnell aufeinanderfolgenden Induktionsschlägen liefert Saitenablenkungen von charakte- ristischer Gestalt, welche aber trotzdem untereinander manche Ab- weichungen zeigen. Eine der oft beobachteten Formen der Ab- lenkung stellt Fig. 6 auf Taf. XX dar. Wir sehen hier die Kurve ziemlich rasch ansteigen und schnell ihr Maximum erreichen; hier verweilt sie während der ganzen Dauer der Reizung. Auch nach Aufhören der Reizung bleibt die Ablenkung noch eine Zeit bestehen, während sie sich in anderen Versuchen rasch dem Nullpunkte näherte. Die Richtung des Stromes war immer — wenn eine ableitende Elektrode die Lumbalschwellung berührte oder sich dieht oberhalb derselben befand — eine aufsteigende. Bei anderer Ableitung war die Ablenkung nicht von gleicher Richtung. Die geschilderte Form des Aktionsstromes weist darauf bin, dass infolge der „Tetanisation“ die Prozesse der Dissimilation die anaboli- schen überwiegen, und zwar nicht nur während der Dauer der Reizung selbst, sondern auch noch eine Zeit lang danach. Ausser der Hauptablenkung lieferte die Tetanisation des Nerven in vielen Versuchen eine ganze Reihe von kleineren Ablenkungen. welche auf der Kurve als sekundäre Wellen sichtbar sind (z. B. Taf. XX, Fig. 7, welche auch einen anderen Typus durch Tetanisation erhaltener Kurven darstellt). Da die Zahl dieser sekundären Er- 1) Biedermann, Beiträge zur Kenntuis der Reflexfunktionen des Rücken- markes. Pflüger’s Arch. Bd. 80, 3. 408. 2) Steinach, Die Summation einzeln unwirksamer Reize als allgemeine Lebenserscheinung. Pflüger’s Arch. Bd. 125, S. 337. 466 Ä. Beck: hebungen genau derjenigen der Reizschläge entsprach, besteht kein Zweifel darüber, dass dieselben infolge von Stromschleifen entstehen. Trotzdem spricht die Form der eigentlichen Kurve, auf welcher sich diese unstreitig künstlich hervorgebrachten Wellen befinden, ausser allem Zweifel dafür, dass wir es mit echten, im Zentralnervensystem entstandenen Aktionsströmen zu tun haben. Aber nicht nur die Form selbst; durch eigens zu diesem Zwecke angestellte Versuche konnte dies zur Genüge bewiesen werden. Erstens zeigte es sich, dass die Richtung der Hauptablenkung sieh nicht änderte, sondern gleich blieb, wie auch der reizende Strom gewendet wurde, und zwar nicht nur bei Anwendung von Induktionsstrom, sondern auch bei Reizung mit unterbrochenem galvanischen Strom. So zeigen Fig. 8 und 9 das Bild der Ablenkung bei Reizung mit iutermittierendem gal- vanischen Strom, und zwar Fig. S mit absteigendem, Fig. 9 mit auf- steigendem Strom. Man sieht, dass die Saitenablenkung in beiden Fällen dieselbe Richtung behält. Zweitens blieben zwar bei Chloroformnarkose die künstlich durch Stromschleifen hervor- gerufenen Bewegungen der Saite des Galvanometers bestehen, doch schwächte die Narkose die Grösse der Hauptablenkung sichtlich ab, und bei vollständiger Narkose blieb dieselbe gänzlich aus. (S. Fig. 10 und 10a.) In ähnlicher Weise schwand diese Ablenkung auch nach Unterbindung des Nerven proximalwärts der Reizstelle, während die kleineren Wellen unberührt weiter bestehen blieben. Schliesslich sei noch bemerkt, dass in manchen Versuchen überhaupt diese Wellen nieht sichtbar waren und dennoch eine ausgiebige Ablenkung auftrat. (Ein Beispiel hierfür liefert Fig. 6.) In einigen Versuchen war der Verlauf der durch „tetanisierende“ Reizung hervorgerufenen elektrischen Erscheinung ein anderer als der oben geschilderte. So sahen wir manchmal vor der nach oben gerichteten Hauptschwankung eine schwache, kurz dauernde Ab- lenkung in entgegengesetzter Richtung. Diese Erscheinung wäre vielleicht auf eine durch den Reiz hervorgerufene, kurzdauernde Hemmung, welche von einem anabolischen Prozess begleitet sein könnte, zurückzuführen oder auch so zu deuten, dass durch den Anfangsreiz zunächst der Aktionszustand des proximalen Teiles des Nervensystems intensiver ist und erst nachträglich der Aktionszustand im unteren Rückenmarksabschnitt die Oberhand gewinnt. Eine besondere Form der Ablenkungen bei Reizung des Nerven mit Induktionsströmen zeigt Fig. 11 (Taf. XXD. Die hier sichtbaren Über elektrische Erscheinungen im Zentralnervensystem des Frosches. 467 rhythmisch auftretenden Ausschläge werden unten bei Behandlung der Ergebnisse der mechanischen und der chemischen Reizung be- sprochen werden. Die Grösse der Ablenkung ist bei Anwendung nicht zu starker Ströme nur in geringem Maasse von der Stärke des angewandten Stromes abhängige. Dies sehen wir in Fig. 12 hervortreten. Bei Reizung mit Rollenabständen von 150—80 mm (Taf. XXI, Fig. 12a, b, e) wuchs die Grösse der Saitenablenkung nicht merklich. Erst bei Rollenabstand von 50 mm (Taf. XXI, Fig. 12d) beträst die Ab- ienkung fast das Doppelte. 2. Mechapvische und chemische Reize. Eine Reihe von Versuchen wurde ausgeführt behufs Kon- statierung, ob und welche elektrische Erscheinungen durch adäquate Reize im Zentralnervensystem hervorgerufen werden. Zu diesem Zwecke wurde die unversehrte Haut der Hinterextremität des Frosches mechanisch (Stich mit Igelstachel) oder chemisch (ver- dünnte Schwefelsäure) gereizt. Mechanische Reizung der Haut ruft eine Ablenkung der Galvano- metersaite hervor, welche je nach der Dauer des Reizes eine ver- schiedene Gestalt besitzt. Es erscheint entweder eine einzelne kurze oder länger andauernde Erhebung oder eine Reihe von solchen Er- hebungen (Taf. XXI, Fig. 13). Da diese Versuche mit adäquaten Reizen nur an Präparaten mit unversehrten Hinterextremitäten angestellt werden konnten, wo- bei der Reiz auch Muskelbewegungen als Reaktion hervorrufen musste, so war es möglich, dass die in diesen Fällen beobachteten Aktionsströme nicht solche des Rückenmarkes sind, sondern Ab- zweigungen der Muskelströme darstellen. Um jeden Zweifel darüber auszuschalten, wurden in einem Versuche die vorderen lumbalen Rückenmarkswurzeln durchschnitten, wodurch die Muskelbewegungen bei Reizung der Haut ausgeschlossen wurden, während doch der zentripetal wirkende Reiz das Rückenmark ungehindert treffen konnte. Es zeigte sich nun, dass trotz Aufhören der Muskelbewegungen doch auf Reizung der Haut die Galvanometerablenkungen denselben Charakter trugen wie vor der Durchschneidung der Wurzeln, wenn sie auch etwas niedriger waren (was auf eine unbeabsichtigte Sehädigung des Präparates beim Durchschneiden der Wurzeln zurück- zuführen wäre). 468 A. Beck: Es steht somit ausser allem Zweifel, dass die durch die mechanische Reizung der Haut hervorgerufenen Galvanometer- ablenkungen, mögen sie in Form von einzelnen oder von wieder- holten Ausschlägen auftreten, den Ausdruck von in den Rücken- markszentren entstandenen Aktionszuständen bilden. In letzterem Falle sind offenbar die von den motorischen Zentren aus gegebenen Impulse ebenfalls von rhythmischer Natur, was auch bei elektrischer Reizung manchmal zu konstatieren war (siehe oben S. 466, 467 und Fig. 11, Taf. XXD. Analoge Erscheinungen liefert auch die Erreeung der Haut- nervenendigungen durch chemische Reize. Der Unterschied im Ver- laufe der elektrischen Erscheinungen hängt offenbar nur von den Eigentümlichkeiten des Reizes selbst ab, welcher seine Wirkung nur langsam entwickelt und auch länger dauert, da doch der chemische Reiz nicht so rasch wie der mechanische entfernt werden kann. Beispielsweise zeigt die Kurve in Fig. 14, dass nach einer 1,6 Sekunden dauernden Periode latenter Reizung, welche eigent- lich nichts anderes als den zur Summierung der schwachen chemischen Reize nötigen Zeitabschnitt ausdrückt, eine Ablenkung eintritt, welche lange anhält, deren Dauer nämlich meist von der Reizdauer abhängt. Das Plateau der Kurve verläuft auch hier entweder in Form einer fast geraden Linie, oder die Kurve weist eine Reihe von Schwankungen auf (Fig. 15). Dass diese Schwankungen wirklich der Ausdruck von im Zentralnervensystem auftretenden elektrischen Veränderungen und nicht etwa die Folge von Übertreten der Muskelströme sind, zeigten solehe Versuche, in denen trotz lebhafter Reflexbewegungen die Ablenkung eine einheitliche und keine rhythmisch schwankende war, und solche, bei denen im Gegenteil manchmal rhythmische Sehwankungen auftraten, während die Reflexbewegungen kaum sicht- bar waren. Ausserdem gab der Versuch, in welchem die Vorder- wurzeln der Lumbalschwellung durchtrennt worden waren und die Haut chemisch gereizt wurde, ein analoges Resultat wie bei mechani- scher Reizung. Auch bei chemischer Reizung der Haut blieben nach Durchschneidung der Wurzeln die rhythmischen Schwankungen der Galvanometerablenkung bestehen. Aus allen oben geschilderten Versuchen geht hervor, dass den im Zentralnervensystem durch einen zentripetal wirkenden Reiz her- vorgerufenen elektrischen Erscheinungen die Eigenschaft zukommt, dass ihr Verlauf eine mehr oder weniger ausgesprochene Variabilität Über elektrische Erscheinungen im Zentralnervensystem des Frosches. 469 aufweist. Wir beobachten hier nicht jenes einheitliche Bild im Ver- laufe der elektrischen Veränderung, welches uns bei analogen Ver- suchen an Muskeln und peripheren Nerven entgegentritt. Diese Mannigfaltigkeit tritt nicht nur in verschiedenen Versuchen zum Vor- schein, sondern wir begegnen ihr auch manchmal, wenn auch seltener, im Verlaufe eines und desselben Versuches, sogar be; Verbindung derselben Stellen des Zentralnervensystems mit dem Galvanometer. Der Unterschied zwischen dem Verhalten der peripheren Nerven und dem des Zentralnervensystems liegt jedem Anschein nach darin, dass, während in peripheren Nerven der in die Nervenfasern durch den Reiz eingeführte Aktionszustand mit einer gewissen Regelmässig- keit die ganze Faserstrecke ununterbrochen durchläuft, es doch nicht anzunehmen ist, dass auch im zentralen Nervensystem der Verlauf des Aktionszustandes immer ein ganz einheitlicher sei. Denn wollen wir annehmen, dass die im zentralen Nerven- system beobachteten elektrischen Erscheinungen der Ausdruck von nieht nur in den Nervenfasern, sondern auch in den Nervenzentren entstandenen Tätigkeitszuständen sind — und eine solche Annahme ist, wie ich in einer früheren Arbeit dargetan habe!), ganz be- gründet —, so ist es leicht begreiflich, dass der Verlauf der elektri- schen Erscheinungen im Zentralnervensystem von dem Zustande dieser Zentren und vor allem davon abhängt, an welcher Stelle des Zentralnervensystems ein intensiverer Aktionszustand erscheint. Es wird doch immer von zwei Stellen des Nervensystems zum Galvano- meter abgeleitet; an beiden dieser Stellen befinden sich ausser Nervenfasern, in denen die elektrischen Vorgänge ähnlich verlaufen können wie in den Nervenfasern der peripheren Nerven, noch Nerven- zentren, deren Tätigkeitszustand in hohem Grade den Verlauf dieser Vorgänge zu beeinflussen geeignet ist. Einmal kann der Aktions- zustand in den einen Zentren, ein anderes Mal in den anderen über- wiegen; in einem anderen Falle können wieder die einen Zentren tätig sein, während die anderen in Ruhe verbleiben. Schliesslich ist es auch möglich, dass die beiden Zentren entweder gleichzeitig oder zeitlich verschieden in Aktionszustand von derselben Stärke geraten. Aus diesen mannigfachen Kombinationen resultiert ein ver- schiedenes Ergebnis. 1) Abhandl. der mathem.-nat. Abt. der Akad. der Wissensch. in Krakau Bd. 91 Serie B. 1901. 470 A. Beck: Über elektrische Erscheinungen im Zeptralnerveusystem etc. Erklärung der Abbildungen. (Tafel XX und XXI.) Alle Kurven sind von links nach rechts zu lesen. Fig. 1 und 2. Reizung des N. ischiadicus vermittels Induktionsstrom (Einzelschlag). Obere Linie: Zeitmarkierung in 0,01 Sekunde. Fig. 3, 4 und 5. Reizung mittels Schliessung und Öffnung des konstanten Stromes. Obere Linie: Reizsignal. 2 Schliessung, o Öffnung des Stromes. Untere Linie: Zeitmarkierung in 0,2 Sekunde. Fig. 3 und 5 absteigender Strom, Fig. 4 aufsteigender Strom. Fig. 6 und 7. „Tetanisierende* Reizung des Nerven mit Induktionsströmen. Fig. S und 9. Reizung durch rhythmische Unterbrechungen des konstanten Stromes. Fig. 8 absteigende Richtung des Stromes, Fig. 9 aufsteigende Richtung des Stromes. Fig. 10 a und b. Chloroformnarkose. „Tetanisierung“ des N. ischiadicus. Fig. 10a Narkose von 1 Minute Dauer. Fig. 10 b vollständige Narkose. Fig. 11. Kurve mit rhythmisch auftretenden Ablenkungen bei „tetanisierender“ Reizung des Nerven. Fig. 12. Abhängigkeit der Ablenkung von der Stärke des Reizes. Reizung des Nerven mit Induktionsschlägen. a) bei Rollenabstand 150 mm, b) 100 mm, c) SO mm, d) 50 mm. Fig. 13. Mechanische Reizung der Haut der Hinterextremität. Fig. 14 und 15. Chemische Reizung der Haut (mit 1%/oiger H,S0,). afel XX Pflüger's Archiv f, d, ges. Physiologie Bd. 155 2 ir nl KEFFFRTRTTFTTRTIEITEEITITTET TEE "" {ln LIITLTITITINTETNN TRRERHRKIKAUKTANTU | rn DIT UNNUN NN 1 Ban IIUTENTTITTEITTUTITTTINTINE Kula 1 AANTATALIALDAAIRLLIT E — HH Fig. 10a Fig. 1Ob Verlag von Martin Hager, Bonn Püger's A jes. Physiologie Bd. 155 Giga Fig. 12a R.A.150mm Fig. 12b R.A.lOOmm Verlag von Marı 471 (Aus dem physiologischen Laboratorium der phys.-mathem. Fakultät der Universität in Kasan.) Die Vagus- und Muskarinwirkung auf die Stromkurve des Froschherzens. Von Prof. A. Samo,jloff. (Mit 10 Textfiguren und Tafel XXU—XXV.) I. Einleitung und Fragestellung. Wenn man von der Basis und Spitze des intakten Herzventrikels eines dekapitierten entbluteten Frosches Ströme zum Saitengalvano- meter ableitet und den Vagus reizt, so verändert sich das typische V.E.G.!) in ganz charakteristischer Weise: die Zacke 7, die vor der Reizung ebenso wie A positiv erscheint, wird infolge der Vagus- reizung kleiner und in der Regel sogar negativ. Nach der Reizung wird im Laufe einiger Sekunden der anfängliche Zustand hergestellt. Die erwähnte, von mir?) vor einigen Jahren beschriebene Änderung der T-Zacke durch Vagusreizung ist eine konstante und leicht und sicher hervorzurufende Erscheinung, die später von mehreren Autoren bestätigt wurde?). 1) Ventrikelelektrogramm. 2) A. Samojloff, Weitere Beiträge zur Elektrophysiclogie des Herzens. Pflüger’s Arch. f. d. ges. Physiol. Bd. 135 S. 417. 3) Neulich haben D. Dale und G. Mines (The influence of nerve stimu- lation on the electrocardiogramm. The Journ. of Physiol. vol. 46 p. 318) in einer sehr schönen Arbeit meine Befunde von dem Einfluss des Vagus auf das V.E.G. des Frosches bestätigt und erweitert. Die Autoren fanden nämlich, dass in der Regel die von mir beschriebenen Erscheinungen auftreten, dass es aber auch Fälle gibt, in welchen nach Reizung des Vagus die Zacke 7 sich nicht verändert oder sogar grösser wird. Für die letzten Fälle haben die erwähnten Autoren auf Grund extra angestellter Versuche mit intrakranieller Reizung des Vagus einer- seits und mit Reizung des Sympathicus anderseits wahrscheinlich gemacht, 472 A. Samojloff: Stellt man sich nun die Frage über den detaillierten Modus und den Grund dieser Vagusänderung der T-Zacke bei relativ un- verändertem Aussehen der A-Zacke, so hat man sofort sämtliche Schwierigkeiten, die die Elektrokardiogrammfrage charakterisieren, vor sich. Ohne eine Hypothese über die Form der Stromkurve des Ventrikels kann aber selbstredend die Frage nach dem Grunde, weshalb durch Vagusreizung die Zacke T ihr Zeichen ändert, nicht aufgeklärt werden. Wenn aber die Notwendigkeit einer Hypothese über die Herzstromkurve für die Erklärung der Vagusänderung des E.G.s so sehr fühlbar ist, so ist es auch sehr wahrscheinlich, dass die allseitige Untersuchung der Vagusänderung ihrerseits uns bei unserer Entscheidung für eine bestimmte Hypothese der Entstehung der Stromkurve des Ventrikels nützlich sein kann. Die ersten Forscher, die die Stromkurve des Herzens noch mit dem Differentialrheotom prüften, kamen zum Schluss, dass der Ven- trikel eine Aktionsstromkurve erzeugt, die aus zwei entgegengesetzten Phasen, wie jeder Skelettmuskel entsprechend den Hermann’schen Anschauungen, besteht. Auch die ersten Arbeiten, die mit Hilfe des Kapillarelektrometers am Froschherzen ausgeführt wurden, lieferten Ventrikelkurven mit zwei entgegengesetzten Phasen. Als dann Einthoven zum erstenmal den richtigen Verlauf der Stromkurve dass es sich hier um Reizung der dem Vagus beigemengten Sympathicusfasern handelt. Bei dieser Gelegenheit möchte ich darauf hinweisen, dass die Schluss- folgerung der Autoren mit meiner Vermutung über die Ursache der erwähnten Abweichung von der Regel (die erwähnte Abweichung habe ich selbst mehrfach beobachtet und in meiner Abhandlung über die Vagusreizung erwähnt) vollkommen übereinstimmt. Ich schrieb in meiner Mitteilung (Weitere Beiträge zur Elektro- physiologie des Herzens. Arch. f. d. ges. Physiol. Bd. 135 S. 417, vgl. S. 462) folgendes: „Es kam in mehreren Versuchen vor, dass die Verkleinerung der T-Zacke nicht mit der stärksten chronotropischen Vaguswirkung zeitlich zusammenfiel, sondern dass nach dem Stillstande zunächst ein E.G. mit nicht verkleinerter, zuweilen sogar mit vergrösserter T-Zacke auftrat; darauf aber machte sich sofort eine Verkleinerung bemerkbar, die sehr hohe Grade erreichen konnte, worauf alles wiederum zur Norm zurückkehrte.“ Über die Ursache dieser Erscheinung wird auf der folgenden Seite gesagt: „Anderseits könnte man auch daran denken, dass man bei Vagusreizung neben den hemmenden auch die beschleunigenden, im Froschvagus verlaufenden Fasern reizt, und dass die Vergrösserung von T eine antagonistische Wirkung der beschleunigenden Fasern darstellt. Als Stütze für diese Vermutung wärde noch der Umstand sprechen, dass wir im Versuche Fig. 15 gerade nach dem Stillstande eine vorübergehende Frequenzzunahme be- obachteten.“ Die Vagus- u. Muskarinwirkung auf die Stromkurve des Froschherzens. 473 des Säugetier- und speziell des Menschenherzens mit dem Kapillar- elektronıeter und besonders mit dem Saitengalvanometer bei Ab- leitung von den Extremitäten aufstellte und es sich mit absoluter Sicherheit erwies, dass die Stromkurve des Ventrikels der Haupt- sache nach aus zwei gleichgerichteten Zacken besteht, wurde die Stromkurve des Froschherzens wiederum geprüft. Ich zeigte dann zuerst mit dem Kapillarelektrometer !), dass man vom Froschventrikel bei Ableitung von zwei Punkten seiner Oberfläche eine Kurve mit zwei gleichgerichteten Zacken bekommt, die nach der Analogie mit dem Einthoven’schen Säugetier-E.K.G. als Zacken R und 7 bezeichnet werden können. Dasselbe Ergebnis bekam etwa zu gleicher Zeit Gotch?). Dass die Stromkurve des Froschventrikels tatsächlich aus zwei gleichgerichteten Zacken besteht, wurde darauf von mehreren Autoren bestätigt. Als ich später bei künstlicher Reizung des Froschventrikels bemerkte®), dass mit der Änderung des Reizortes (Ventrikelbasis oder Spitze) bloss die Zacke AR ihr Zeichen ändert, die Richtung des 7 aber erhalten bleibt, ist es mir klar geworden, weshalb die ersten Forscher die Ventrikelstromkurve als eine diphasische, mit entgegengesetzten Phasen verlaufende. beschrieben. Engelmann) z. B. hat bei seinen Rheotomversuchen meistens die Spitze gereizt und musste dabei (weil eben von den beiden Zacken R und 7 des E.G.s nur die erste ihr Zeichen ändert) nach beiden Seiten sehende Zacken erhalten. Wie kommt es nun, dass beim spontanen Schlag die Ventrikel- zacken R und 7 dieselbe Richtung haben, und was bedeutet die lange, etwa auf der Nullhöhe verlaufende Strecke zwischen den Zacken Rund T? Bayliss und Starling haben das grosse Ver- dienst, dass sie bei ihren Überlegungen über den Grund der gleich- gerichteten Phasen (allerdings in bezug auf das entblösste und direkt von Basis und Spitze abgeleitete Säugetierherz) auf die Möglichkeit 1) A. Samojloff, Beiträge zur Elektrophysiologie des Herzens. Engel- mann’s Arch. f. Physiol. Suppl.-Bd. S. 207. 1906. 2) F. Gotch, Capillary Electrometer Records &c. Proceedings of the Royal Society vol. 79 p. 323. 1907. 3) A. Samojloff, Weitere Beiträge zur Elektrophysiologie des Herzens. Pflüger’s Arch. Bd. 135 S. 417. 1910. 4) Th. W. Engelmann, Über das elektrische Verhalten des tätigen Herzens. Pflüger’s Arch. Bd. 17 S. 68. 1878. Vgl. Protokolle der Versuche S. 92—99. 474 A. Samojloff: hinwiesen, dass ein derartiger Verlauf der Kurve mit der Verschieden- heit in der Dauer der Erregung der abgeleiteten Herzpunkte zu- sammenhängen kann. Die erste Erhebung entspricht dem Negativ- werden der Basis, das Sinken zur Nulllinie (Zacke R) dem Anlangen der Negativitätswelle an die Spitze; darauf folgt die Strecke zwischen R und T, wo beide abgeleiteten Stellen gleichnegativ sind. Schliess- lich entwickelt sich die Zacke 7, die infolge der längeren Erregungs- dauer der Basis ebenfalls nach oben sieht!). Die entsprechende Zu- sammensetzung der Aktionsstromkurve aus den beiden monophasischen Kurven, entsprechend der Einzelerregungen der beiden abgeleiteten Punkte, habe ich in Berücksichtigung der Form des V.E.G.s des Frosches in der Broschüre „Elektrokardiogramme“ (Jena, G. Fischer, 1909, S. 20 und 21) gegeben. Den nächsten für die E.K.G.-Frage wichtigen Schritt hat Gotch?) gemacht, indem er die Vermutung aussprach, dass die T-Zacke nicht dadurch zustande kommt, dass die Erregung der Basis länger dauert wie die der Spitze, sondern weil verschiedene Teile der Basis nacheinander negativ werden, was mit dem ganz besonderen Weg, den die Erregung im Herzen durchlaufen muss, im Zusammen- hange stehen soll: die Erregung läuft vom Vorhofteil der Basis zur Spitze und dann von der Spitze zum Aortenteil der Basis. Diese Erklärung Gotch’s für das gleiche Zeichen der Zacken R und 7 hatte in zwei Richtungen Folgen. Erstens ist seit Gotch die Form der Aktionsstromkurve des Herzens mit der Frage nach dem Verlauf der Erregung im Herzen enger verinengt worden, als es der Natur der Sache entspricht, und zweitens wurde zum erstenmal der Gedanke an die Selbständigkeit der Zacken R und 7 wachgerufen. Gleich nach der Arbeit von Gotch hat für das Säugetierherz Nicolai?) eine detaillierte Beschreibung des Erregungsverlaufes im Ventrikel gegeben, die für die Erklärung des E.K.G.s verwertet wurde. Nach diesem Autor sind die Zacken R und $ der Ausdruck eines echten diphasischen Muskelstromes, aber herrührend bloss vom Papillarsystem des Ventrikels; die Periode zwischen R und 7 ent- 1) W. Bayliss und E. Starling, On the electromotive phenomene of the Mammalian Heart. Intern. Monatsschr. f. Anat. u. Physiol. Bd. 9 8. 256. 2)-B.2Gotch,-1-ze. 3) G. Nicolai, Ablauf der Erregungsleitung im Säugetierherzen. Verhandl. d. physiol. Geseilsch. zu Berlin. Zentralbl. f. Physiol. Bd. 21 Nr. 20 S. 678. Die Vagus- u. Muskarinwirkung auf die Stromkurve des Froschherzens. 475 spricht der Periode der Zusammenziehung sämtlicher Muskelfasern des Treibwerkes. Das 7 entsteht nach Nicolai infolge davon, dass der rechte Ventrikel länger im Kontraktionszustande verbleibt als der linke Ventrikel. In dieser Hypothese ist die Vorstellung von Bayliss und Starling nur für den Teil der Kurve zwischen R und 7 erhalten worden, sonst aber das Hauptgewicht auf die Beziehung zwischen der detaillierten Erreeungsbahn und Form der Stromkurve gelegt. Die Vorstellung von der Selbständigkeit der Zacken R und Z, die in den Hypothesen von Nicolai und Gotch klar hervortritt, wurde durch ganz andere Überlegungen und auf ganz anderem Wege von Seemann!) behauptet und bis ins Extreme getrieben. Seemann fasst die Ergebnisse seiner sehr fleissigen und eingehenden Arbeit folgendermaassen zusammen: „Die Anfangsschwankung und die Nachschwankung (d. h. R und 7) sind tatsächlich verschiedene Dinge; die Anfangsschwankung ist ein Ausdruck der Erregunes- leitung, sie entspricht dem auch im quergestreiften Muskel erkenn- baren Aktionsstrom. Die Nachschwankung stellt wenigstens eine Begleiterscheinung des Kontraktionsvorganges dar. Man kann also von dem Elektrokardiogramm nicht im gewöhnlichen Sinne als von einem diphasischen Aktionsstrom sprechen.“ Auf verschiedene andere Vorstellungen und Hypothesen über die Form der Herzstromkurve, die von verschiedenen Autoren auf- gestellt wurden, gehe ich nicht ein, weil ich hier keine ausführliche literarische Übersicht über die E. K. G.-Frage zu geben beabsichtigte, sondern nur einige Punkte hervorheben wollte, um meinen eigenen Standpunkt bequemer auseinandersetzen zu können. Mehrere Gründe sprechen meiner Meinung nach dafür, dass die Teile der Aktionsstromkurve, die wir mit R und 7 bezeichnen, nicht selbständige Prozesse illustrieren; die Aktionsstromkurve ist eine Summierungskurve, in der die Einzelerregungen der abgeleiteten Punkte ihre Anteile haben. Wenn wir den Ventrikelstrom von zwei Punkten ableiten und eine Kurve mit den Zacken R und T erhalten, so lässt sich die Kurve als aus zwei monophasischen Kurven kom- biniert auffassen. Das Spezifische, was dem Herzmuskel und seiner Stromkurve soviel Eigentümlichkeit verleiht, ist die verschiedene 1) J. Seemann, Elektrokardiogrammstudien am Froschherzen. Zeitschr. f. Biol. Bd. 59 8. 54; vgl. S. 128. 1912. Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd. 155. 32 476 A. Samojloft: Dauer der Erregung der abgeleiteten Punkte. Es scheint, dass diese Eigenschaft des Herzmuskels, nach welcher zwei beliebige Punkte desselben nicht gleiche Erregungsdauer während einer Herzsystole aufweisen, allerdings mehrfach von verschiedenen Autoren erwähnt, jedoch nicht in dem Maasse gewürdigt wurde, wie sie es verdient. Diese Eigentümlichkeit der Ungleichheit der Erregungsdauer ver- schiedener Herzpunkte müsste man als eine Eigentümlichkeit sui generis neben der Eigentümlichkeit der Refraktärperiode und des Alles- oder Nichtgesetzes des Herzmuskels an die erste Stelle setzen, denn in derselben liegt vermutlich die Lösung eines, wenn auch noch wohl eines geringen Teils des ganzen Elektrokardiogrammproblems. Nehmen wir also an, dass der abgeleitete Punkt der Basis während der Systole länger in Erregung bleibt wie der der Spitze, so lässt sich die resultierende Stromkurve als Summierungskurve leicht konstruieren. Ich stelle mich also für den Fall der direkten Ab- leitung des Ventrikels auf den Standpunkt von Bayliss und Starling in dem Sinne, wie ich es auseinandergesetzt habe. Eine ganze Reihe von Erscheinungen findet auf Grund der obigen Annahme eine einfache Erklärung. 1. Nimmt man an, dass die R und 7 selbständige Prozesse illustrieren resp. von verschiedenen Teilen des Herzmuskels erzeugt werden, so stossen wir sofort auf einen Widerspruch, auf den ich vor einigen Jahren bezüglich der Niecolai’schen Hypothese hinwies und später immer und wieder bei Gelegenheit anderer Versuche von der Richtigkeit meines Hinweises mich überzeugen konnte. Wenn R und 7 (resp. R—S und T) selbständig sind und, wie nach Nicolai, die A—S bloss von der Erregungsleitung im Papillar- system herrührt, ist es durchaus nicht zu begreifen, warum bei Be- schädigung einer Ableitungsstelle wir einen monophasischen Strom erhalten, der genau die ursprünglichen Zacken R und 7 umschliesst. Diese Umschliessung, von der ich mich am Kalt- und Warmblüter- herzen überzeugte, wird auf Grund der Auffassung der Stromkurve als Summationskurve ohne weiteres klar. 2. Die Tatsache, dass beim Erzeugen der Extrasystole am Frosehherzen im E.G. nur die Zacke R, nicht aber 7, ihr Zeichen ändert, war mir anfangs unklar, und ich dachte an die Möglichkeit, in der Stromkurve eine Komponente!) zu finden, die nicht direkt 1) A. Samojloff, Weitere Beiträge zur Elektrophysiologie des Herzens. Pflüger’s Arch. Bd. 135 S. 417; vgl, S. 445. 1910. Die Vagus- u. Muskarinwirkung auf die Stromkurve des Froschherzens. 477 mit der Erregung in Zusammenhang steht. Diese Annahme ist aber überflüssig, und die Erscheinung bekommt die einfachste Erklärung, wenn man sich nur daran hält, dass die oben erwähnte Ungleichheit der Errezungsdauer der abgeleiteten Punkte in keiner Weise vom Wege, auf welchem die Erregung die abgeleiteten Punkte erreicht, abhängt; man muss sich also nur vorstellen, dass die relative Dauer der Erregung der abgeleiteten Punkte unabhängig davon ist, welcher Punkt zuerst und welcher zuletzt erregt wurde. Betrachten wir die Fig. 1A. Die Kurve ABCD stelle den Erresungsverlauf (Negativität) des abgeleiteten Punktes an der Ventrikelbasis, die Kurve KLMN an der Ventrikel- Bra DE spitze dar; als Summations- = kurve ergibt sich dann AEFGD, w®E und @ also den Zacken R und 7 der Stromkurve bei einem spontanen Herzschlag ent- sprechen. Die Zacke 7 hat dieselbe Richtung wie die Zacke R, weil der Basis- punkt zuerst gereizt wird nt EA | und die Erregungsdauer ie DAL Fig. 1B, dieses Punktes AD grösser ist wie die des Spitzenpunktes X N. Nun reizen wir die Spitze und er- zeugen eine Extrasystole; die Stromkurve dieser Extrasystole wird wiederum als eine Summationskurve (s. Fig. 1 B) aus denselben Kom- ponenten ABCD und KLMN erscheinen; nur sind jetzt gemäss den geänderten Kontraktionsbedingungen die einzelnen Komponenten so gegeneinander verschoben, dass die resultierende Kurve als XLFGD mit negativem Z/ und positivem 7 erscheint. Die Zacke 7 hat also ihre Richtung nicht geändert. Wir sehen hier noch mehr, nämlich, dass die Zacke 7 nicht nur ihr Zeichen behält, sondern dass dieselbe noch höher wird, ein Umstand, der sich bei den Versuchen in der Tat realisiert und auf den ich bereits früher aufmerksam machte }). 3. Die Vorstellung, dass die Stromkurve eine summierte Kurve ist, deren Zacken von den beiden abgeleiteten Stellen in gleichem 1) A. Samojloff, 1. c.; vgl. S. 444. 32 * 478 A. Samojloff: Maasse komponiert werden, hat weiter den Vorzug, dass der detaillierte Weg, den die Erregung bei der Systole durchmacht, nicht zur Er- klärung der Kurvenform mit herangezogen wird. Ich erwähnte an- fangs, dass Gotch als erster die Frage nach der Form des E.K. G.s aufs eneste mit dem Gang des Erregungsverlaufes durch den Ven- trikel vermengt hat; in noch stärkerem Grade hat dasselbe Nicolai getan. Gewiss hat der Verlauf der Erregung durch den Herzmuskel einen bestimmenden Einfluss auf die Form des E. G.s, dennoch aber hängen die beiden Momente nicht so innig voneinander ab, wie es scheinen möchte, ganz besonders, wenn wir das E.G. bei direkter Ableitung von zwei Punkten der Herzoberfläche aufnehmen. Es ist im erossen und ganzen ziemlich gleichgültig für die Summations- kurve, auf welchem Wege die Erregungswelle den einen und den anderen Punkt erreicht hat; bloss die Reihenfolge, in welcher die- selben erregt werden, und der Verlauf sowie namentlich die Dauer der Erregung desselben sind für die Form des E. G.s maassgebend. Allerdings ist die Sache bedeutend komplizierter, wenn wir nicht von zwei Punkten, sondern von sämtlichen Punkten der Herzober- fläche zumal eines zweikammerigen Säugetierherzens ableiten, wie es bei Elektrokardiogrammaufnahmen der Fall ist. In dieser Be- ziehung scheinen mir diejenigen Erklärungen, die Einthoven!) in seiner letzten Arbeit: „Über die Deutung des Elektrokardiogramms“, gegeben hat, sehr beachtenswert. Er steht durchaus auf dem Boden der Hermann’schen Anschauungen über die Aktionsströme und ist der Ansicht, dass das E.K.G. eine Summationskurve wie jede andere Aktionsstromkurve eines quergestreiften Muskels ist, wobei nur die Eigenart der Ableitung von sämtlichen Punkten des erregbaren Ge- bildes, die grosse Zahl der Summanden das Spezifische hier ausmacht. Sehr schön und klar drückt er seinen Standpunkt mit folgenden Worten aus: „Der in einem gegebenen Momente durch das Galvano- meter gezeigte Potentialunterschied ist die Resultierende der sänt- lichen Potentialunterschiede, die in diesem selben Momente zwischen den verschiedenen Teilen des Herzens vorhanden sind.“ „Die Anatomie lehrt, dass die Fasern des Kammermuskels alle miteinander in Ver- bindung treten. In Übereinstimmung hiermit ist unsere Vorstellung, dass die Kontraktionswelle sich allseitig durch die Kammern ausbreitet.“ 1) W. Einthoven, Über die Deutung des Elektrokardiogramms. Pflüger’s Arch. Bd. 149 S. 65; vgl. 8. 82. 1913. Die Vagus- u. Muskarinwirkung auf die Stromkurve des Froschherzens. 479 Jede Erklärung der Stromkurve des Herzens, die auf einer detaillierten Verfolgung der Reizausbreitung basiert, wie die Theorien von Gotch und Nicolai, resp. eine Erklärung, die in anderem Sinne die Selbständigkeit der Zacken behauptet, hat sofort mit Schwierigkeiten zu kämpfen, wenn es sich um Ströme von Herzen handelt, deren Struktur sehr beschädigt ist. Ich habe in meiner früheren Arbeit!) die Stromkurven von einem Herzen wiedergegeben, dessen Ventrikel fast vollkommen der Quere nach durchschnitten war. Ein derartig verstümmeltes Herz gab nach einer Zeit voll- ständig normal aussehende Kurven als Beweis dafür, dass für das Entstehen der charakteristischen Züge des Herzelektrogramms nicht ein vorschriftsmässiger Weg der Erregung durch das Herz, sondern diejenigen Momente von Bedeutung sind, auf die wir früher hin- wiesen. Sehr oft führte ich in der letzten Zeit einen Versuch aus, der, wie mir scheint, volle Aufmerksamkeit verdient: Vom Froschventrikel wird die Spitze ziemlich weit von der Basallinie in Form eines kleinen Konus mit der Schere abgeschnitten. Auf die intakte Ober- fläche des stillstehenden Herzteiles werden Fadenelektroden, die eine an die Spitze, die andere nicht weit von der Grenze der Schnittfläche angelest. Ein winziger Kochsalzkristall wird an die Schnittfläche gelegt, worauf nach kurzer Zeit das Präparat infolge der chemischen Reizung rhythmisch zu schlagen beginnt. Macht man jetzt eine Auf- nahme der Stromkurve, so bekommt man absolut „normale“ Bilder, in welchen sämtliche Teile der Herzkurve mit den nach gleicher Richtung sehenden Zacken R und 7 wohlausgebildet sind. Jedes kleinste Ventrikelelement liefert also eine für den ganzen Ventrikel charakteristische Kurve. Von unserem Standpunkte aus ist der in Frage stehende Umstand leicht zu erklären: vom Orte der chemischen Reizung verbreitet sich die Erregung diffus auf den ganzen Herzteil, wobei eine bestimmte Reihenfolge für die beiden abgeleiteten Stellen sich ergibt; zuerst wird der basale Punkt und darauf der Spitzen- punkt in Erregung versetzt. Die Erregungsdauer der beiden Punkte, die abgeleitet werden, ist gemäss unserer Vorstellung verschieden, was zur Erklärung des Entstehens der typischen Form des E. G.s vollkommen genügt. Bei dieser Gelegenheit möchte ich, anknüpfend an die obige DA. Samojloff, 1. c., vgl. S. 429. 480 A. Samojloff: Auseinandersetzung, hervorheben, dass es mir ziemlich aussichtslos scheint, bloss auf Grund des Studiums der Form des Ventrikelelektro- gramms den Weg, den die Erregung im Ventrikel einnimmt, in ge- nauer Weise bestimmen zu hoffen. Vieles lässt sich unter Zuhilfe- nahme der Stromkurve in bezug auf die Herztätigkeit aufklären; für die Erforschung aber des detaillierten Weges der Erregung muss man sich noch um andere Mittel umsehen. Möglicherweise wird hier die Methode, die Garten und seine Schule ausgearbeitet haben, Klarheit bringen; vermittels zweier Galvanometer und Differential- elektroden wird auf Grund der elektrischen Äusserung des Herz- muskels an zwei verschiedenen Punktpaaren (und nicht bloss auf Grund der Form der Stromkurve) der Erregungsweg eruiert. 4. Nimmt man weiter eine Selbständigkeit der Zacken R und T an, so ist es absolut nicht zu verstehen, wie es kommt, dass bei Konstanz der R-Zacke die 7-Zacke so leicht verändert wird; sie wird kleiner, verschwindet zuweilen ganz, wird negativ u. del. Man müsste sich dann vorstellen, dass derjenige Prozess, der die Zacke 7 erscheinen lässt, sich derartig verändern kann, dass er einen um- gekehrten Ausschlag erzeugt. Wir wissen anderseits, dass die Änderung des Zeichens der T7-Zacke als Resultat der verschieden- artigsten Einflüsse auftreten kann, und man müsste dann also an- nehmen, dass der die 7-Zacke erzeugende Moment durch alle diese Einflüsse im eleichen Sinne beeinflusst wird, was nicht sehr wahr- scheinlich ist. Zurückkehrend zu unserem Anfangsthema, betrachten wir nun die Veränderung der 7-Zacke im V.E.G. des Froschherzens bei Vagus- reizung. In welchem Zusammenhange stehen hier der Einfluss der Vagus- reizung und die Änderung der Form des V.E.G.s. Man könnte gewiss sagen, dass derjenige Prozess, der die 7-Zacke erzeugt, jetzt durch Vagusreizung umgekehrt verläuft. Es fehlt auch nicht an solchen Stimmen. So hat z. B. neulich Eiger!) ganz im Ernst im E.G. eine „biochemische Periode“, nämlich die Periode ST, abgegrenzt; er be- stätigte die von mir beschriebene Umkehr der 7-Zacke am Frosch- herzen bei Vagusreizung, meint dabei aber, dass diese Erscheinung auf Grund allgemeiner Anschauungen vorauszusehen wäre. Basierend auf dem Standpunkte, dass die Herzstromkurve eine 1) M. Eiger, Die physiologischen Grundlagen der Elektrokardiographie. Pflüger’s Arch. Bd. 151 S.1. 1913. Die Vagus- u. Muskarinwirkung auf die Stromkurve des Froschherzens. 48] Summierungskurve ist, scheint es mir möglich zu sein, die Umkehr der T-Zacke bei Vagusreizung bloss auf Grund der Änderung des Erregungsverlaufes der abgeleiteten Punkte in ungezwungener Weise zu erklären. Wie man bei Zusammenklingen zweier Töne bloss durch Verschieben der Phasen der Schwingungen die verschieden- artiosten Kurven erhalten kann, so ist auch beim E.G. des Herzens die grosse Mannigfaltigkeit der Kurvenformen auf gering- fücige kleine Änderungen der Summanden zu beziehen. Stellt man sich nur vor, dass von den zwei vom Ventrikel abgeleiteten Punkten der basale Punkt seine Erregung durch Vagusreizung in kürzerer Fig. 2A. Fig. 2B. Fig. 2C. Zeit ausführt als vor der Reizung, so ist das Erscheinen der resul- tierenden Kurve mit unverändertem AR und umgekehrtem 7 ohne weiteres klar. Wollen wir die in Rede stehenden Änderungen der Stromkurve an der Hand einer schematischen Zeichnung näher ver- folgen. In Fig. 2 A bedeutet die Kurve AEFGD mit positivem R und positivem 7 das E.G. des Froschventrikels bei Ableitung von Basis und Spitze, wobei die einzelnen monophasischen Summanden durch die Kurven AB CD (Basispunkt) und XZLMN (Spitzenpunkt) dargestellt sind. Nimmt man an, dass durch die Vagusreizung die Dauer AD abnimmt, d. h., dass der Punkt D im Schema Fig. 2 A in der Richtung zu A sich verschiebt, so wird sich zu gleicher Zeit die Zacke 7 der resultierenden Kurve verkleinern und schliesslich negativ werden, wie letzteres im Schema Fig. 2 B dargestellt ist: ABCD ist etwas geschrumpft, XLMN unverändert, und die 482 A. Samojloff: resultierende Kurve AEFG N besteht jetzt aus dem unveränderten positiven R und negativen 7. In derselben Weise lässt sich auch leicht ableiten, welchen Ein- fluss die Vagusreizung auf das V.E.G. bei Extrasystolen ausüben wird. Nehmen wir an, dass die Extrasystolen durch Einzelreize der Spitze erzeugt sind, so resultiert ein V.E.G. mit positivem R und negativem 7, wie es bereits auf Grund der schematischen Zeichnungen der Fig. 1A und 1B im vorigen Abschnitt auseinander- gesetzt ist. Wenn, wie es sehr wahrscheinlich ist, auch in diesem Fall die Vagusreizung eine Kürzung der Erregunesdauer des basalen Puüktes erzeugt, so erhält man als Resultat der Vagusreizung ein V.E.G., in welchem die Zacke 7’ noch weiter heruntergeht. Sind dagegen die Extrasystolen durch Reizung der Basis entstanden, so dass das resultierende V.E.G. aus positiven AR und 7 zusammen- gesetzt ist, so bewirkt die Vagusreizung dieselben Änderungen wie im Falle der spontanen Kontraktionen, d. h. das 7 wird kleiner oder negativ. Mit einem Worte, die Extrasystolen werden in bezug auf die Änderung der Form des V.E.G.s in gleicher Weise durch Vagusreizung wie die spontanen Systolen beeinflusst, und dieses Resultat entspricht vollständig den Tatsachen, wofür ich in meiner früheren Arbeit viele Beispiele angeführt habe). Wir haben bis jetzt bloss von der Kürzung der Dauer der Er- regung durch Vaguswirkung gesprochen. Es ist aber klar, dass eine derartige Kürzung mit Änderung der Form der monophasischen Kurve selbst einhergehen muss. Man muss sogar annehmen, dass in manchen Fällen diese Änderung der Form der eigentlichen Kürzung der Schwankungsdauer vorangeht: Es sind das vermutlich diejenigen Fälle, in welchen durch Vagusreizung das V.E.G. sich derartig verändert, dass die Zacke 7 immer kleiner wird, aber schon zu gleicher Zeit eine kleine negative Zacke 7 sich ausbildet, so dass in den Übergangsstadien sewissermaassen zwei 7-Zacken neben- einander auftreten, eine positive und eine negative. In der oben zitierten Arbeit habe ich solche Fälle durch Kurven illustriert ?). Im Schema Fig. 2C sehen wir, wie. durch Schrumpfen der mono- 1) A. Samojloff, Weitere Beiträge zur Elektrophysiologie des Herzens. Pflüger’s Arch. Bd. 135 S. 417; vgl. S. 465—467 und Taf. XIX Fig. 20, 21 und 22. 1910. 2) A. Samojloff, 1. c., vgl. Taf. XVII Fig. 17. Die Vagus- u. Muskarinwirkung auf die Stromkurve des Froschherzens. 483 phasischen Kurve des Basalteils ADUD bei ungeänderter Kurve des Spitzenteils XZLMN eine resultierende Kurve AEFGHD mit zwei entgegengesetzten Zacken 7 entstehen kann; wird nun zu der Änderung der Kurvenform ABCD noch eine Kürzung der Dauer AD hinzukommen, so muss das positive ZT auf Kosten des negativen canz schwinden, und es entsteht ein V.E.G. wie in Fig. 2 B. In einer sehr wertvollen Arbeit aus der Garten’schen Schule von K. Henle!) wird der Einfluss der polaren Wirkung auf das V.E.G. bei Durchströmung des Ventrikels mit konstantem Strom studiert, wobei der Verfasser zu folgendem Resultate gelangte. Be- findet sich „die Kathode an der Herzbasis, so tritt nach Öffnung des polarisierenden konstanten Stromes eine Verkleinerung der T-Zacke hervor; ja, es ist dieselbe sogar oft bei den ersten Systolen negativ“. Die postkathodische oder mit anderen Worten die ano- dische Wirkung hat somit ähnliche Wirkung auf die Stromkurve wie die Vaguswirkung. Vielleicht handelt es sich hier in der Tat um eine yleichartige Beeinflussung, denn es hat ınanches für sich, dass auch durch die postkathodische Wirkung die Erregungsdauer verkürzt wird; man könnte in so einem Falle den Sachverhalt auch so ausdrücken, dass der Vagus auf das Herz in bezug auf die elektrische Äusserung ähnlich wirkt wie die Anode. Lohnenswert wäre. es, die polare Wirkung auch für Fälle der Extrasystolen zu untersuchen. Wenn oben angenommen wurde, dass die Vaguswirkung darauf beruht, dass die Dauer des Erregungsprozesses im basalen abgeleiteten Teil kürzer wird, so braucht man diese Kürzung durchaus nicht ab- solut verstehen; es genügt, wenn es bloss zu einer relativen Ver- kürzung der Erregungsdauer des basalen Punktes im Vergleich zum Punkte an der Spitze durch Vaguswirkung kommt. Es kommt vor, dass während der Vagusreizung die ganze Periode der elektrischen Produktion des Herzens ungemein stark abnimmt, wo also sowohl der eine wie der andere Summand stark verkürzt sind; da aber auch in solchen Fällen die gewöhnliche Änderung des V.E.G.s (das Negativwerden der 7-Zacke) auftritt, so muss man sich vorstellen, dass die Abnahme der Erregungsdauer am basalen Teil stärker ist als die der Spitze, und nur auf diese relative Kürzung kommt es in 1) K. Henle, Über die Beeinflussung des Elektrokardiogramms durch die polare Wirkung des konstanten Stromes. Zeitschr. f. Biol. Bd. 55 S. 295, vgl. S. 309, 484 A. Samojloff: unserem Falle freilich an. Warum aber der Vagus seinen Einfluss stärker auf den basalen Punkt als auf die Spitze ausübt, ist selbst- redend nicht direkt zu beantworten. Allerdings können wir in einem solehen Verhalten nichts prinzipiell Neues erblicken, denn es ist eine bekannte Tatsache, dass die Vaguswirkung bezüglich der Kon- traktionen des Herzens nicht gleichartig auf verschiedene Herzteile sich verbreitet. | Es fragt sich nun, wie könnte man experimentell die von uns entwickelte Ansicht!) über den Modus, wie die Vagusreizung die Zacke T beeinflusst, stützen. Der einfachste Weg dazu scheint der zu sein, dass man die Vaguswirkung nicht auf einem unversehrten, sondern auf einem partiell beschädigten Herzen, also bei mono- phasischer Ableitung, studiert. Der Sinn derartiger Experimente würde darin bestehen, dass wir uns auf diese Weise Rechenschaft verschaffen könnten, wie die monophasische Kurve, die wir als einen Summanden in der resultierenden Kurve des unbeschädigten Herzens betrachten, durch Vagusreizung sich ändert. Wenn die monophasische Kurve wirklich ein Summand ist, so muss dieselbe gemäss unseren Betrachtungen keine wesentlichen Änderungen der Form aufweisen, höchstens, dass ihre Dauer abgekürzt wird. Würde es sich aber herausstellen, dass die monophasische Kurve sehr stark verändert wird. etwa in demselben Betrage wie die 7T-Zacke bei Ableitung vom unbeschädigten Herzen, d. h. ihr Zeichen ändert, so entspricht unsere Erklärung, die wir für die Vaguswirkung gegeben haben, der Wahrheit nicht. Bevor wir zur Beschreibung diesbezüglicher Versuche übergehen, müssen wir aber auf die Form der Froschherzkurve bei unbeschädigtem und partiell beschädigtem Herzen eingehen. II. Die Stromkurve des unbeschädigten und partiell beschädigten Froschventrikels. Wenn man einen parallelfaserigen Froschsartorius von zwei un- versehrten Stellen ableitet und an einem Ende mit einem Induktions- 1) Es sei darauf hingewiesen, dass nach Fertigstellung meines Manuskriptes zwei Mitteilungen (die eine von G. R. Mines, The Journ. of Physiol. vol. 46 p. 188. 1913, die andere von H. Boruttau, IXe Congr. intern. des physiol., Resumes des communications p. 29. Groningen 1913) erschienen, in welchen die Autoren auf anderem Wege und in anderem Zusammenhange die Ansicht verteidigen, dass die Stromkurve eine Summationskurve ist und dass die Vagusreizung in der Änderung der relativen Erregungsdauer der abgeleiteten Punkte besteht. Die Vagus- u. Muskarinwirkung auf die Stromkurve des Froschherzens. 485 schlag reizt, so erhält man einen diphasischen Strom; erzeugt man unter einer der Elektroden einen Querschnitt, so erscheint die Kurve bei der Reizung des Muskels monophasisch. Hier liegen die Verhältnisse ganz klar vor uns. Anders ist es im Falle des Herz- muskels. Abgesehen davon, dass man hier von einem parallel- faserigen Muskel nicht sprechen kann, haben wir es in diesem Falle mit einem Gebilde zu tun, an dem ein vollkommener Querschnitt gewöhnlich nieht anlegbar ist. An der Basis ist es aus naheliegenıen Gründen unzweckmässig, einen Schnitt, der den ganzen Ventrikel trifft, auszuführen; und wenn wir an der Spitze einen totalen Quer- schnitt erzeugen, so ist er tatsächlich kaum’vollkommen, da sich hart an der Schnittfläche abbiegende Fasern, die nicht mitgetroffen sind, immer vorfinden können. Diejenigen Stromkurven, die wir vom beschädigten Herzen gewöhnlich erhalten, sind meiner Meinung nach keine monophasischen Ströme im strengen Sinne des Wortes, soudern in der Regel eine Kombination von einem monophasischen Strom mit einem Strom, den man etwa vom unversehrten Herzen bei Ableitung von denselben Punkten erhalten würde. In der Tat, stellen wir uns vor, dass wir einen Punkt an der Ventrikelspitze beschädigen resp. mit KCl alterieren und von demselben ableiten (die andere Elektrode liegt an der unbeschädigten Basis). Die Null- linie wird konform mit der Ausbildung der Beschädigung allmählich herabsinken. Dieses Verhalten ist sehr schön in der Kurve, die L. Hermanns!) aus dem W. Straub’schen Laboratorium in seiner Arbeit abgedruckt hat, zu sehen. Von der neuen Nulllinie erheben sich jetzt die Ausschläge nach oben. Es ist klar, dass, wenn der abgeleitete beschädigte Spitzenpunkt nicht mehr erregt wird, der basale Punkt aber bei jeder Systole einen Erregungsprozess durch- macht, konform damit ein Ausschlag nach oben entstehen muss. Man muss aber anderseits bedenken, dass die beschädigte Stelle gewissermaassen als eine Fortsetzung der anliegenden Elektrode betrachtet werden kann, so dass die anderen tiefer unter den Elek- troden gelegenen, nicht alterierten Teile des Herzens durch dieselben Elektroden ihre Spannungen ausgleichen können. Die Verhältnisse scheinen mir von ähnlicher Art zu sein, wie wenn wir zwei Sartorien einen auf den anderen legten, auf dem oberen einen Querschnitt erzeugten und nun von diesem Querschnitt und einer unversehrten 1) L. Hermanns, Zeitschr. f. Biol. Bd. 55 S. 261, vgl. S.262 Fig. la und b. 486 A. Samojloff: Stelle des oberen Sartorius zum Saitengalvanometer ableiteten; würde man jetzt sämtliche Fasern beider Sartorien auf den dem Querschnitt ferneren Enden beider Muskel mit einem Einzelschlag reizen, so würde man eine Kombination zweier Kurven erhalten: erstens die monophasische vom oberen Sartorius und eine vom unteren Sartorius, welche letztere freilich diphasisch ist (da sie aus zwei monophasischen Kurven, wie jede Kurve eines unversehrten Sartorius, besteht). Zu beachten wäre, dass gemäss den ge- schaffenen Verhältnissen der diphasische Summand des unteren Sartorius von der neuen Null- ne We linie, die durch den Demar- | 8 kationsstrom des oberen EORIE, Sartorius gegeben ist, an- | | Er fangen müsste. Durch die : Fig. 3 wollte ich in schema- tischer Weise dieses Ver- halten, wie ich mir es vor- stelle, illustrieren. Von zwei Punkten (Basis und Spitze) des unbeschädigten Ven- trikels (Fig. 3 A) sei die Kurve AEFGD erhalten; die monophasischen Kurven, Knasen M aus denen sie zusammen- Fig. 3A. Fig. 3B. gesetzt ist, seien AbUD und KLMN. Nun wird die Spitze alteriert, es bildet sich ein Demarkationsstrom, die Null- linie sinkt (Fie. 3 B), und es würde bei jeder Systole die mono- phasische Kurve AHRD erscheinen, wenn nicht daneben noch die frühere diphasische Kurve (freilich etwas geschwächt) AEFGD (punktiert) zur Geltung käme. Die resultierende Kurve, die durch algebraische Summation der AEFGD (resp. ihrer Komponenten ABCOD und KLMN) und AHRD entsteht, hat die Form der ausgezogenen Linie AJRSD. Und tatsächlich ist es so: eine der- artige Form bekommt man in der Regel, wenn die Spitzenelektrode an einer beschädigten Stelle des Ventrikels liegt. In dieser kom- binierten Kurve sind wir noch imstande, die Zacken R und T der einen Komponente zu durchschauen. Gewiss muss die Gestalt von der relativen Stärke der Summanden abhängen. Je geringer die Die Vagus- u. Muskarinwirkung auf die Stromkurve des Froschherzens. 487 Beschädigung, desto mehr hat die Kurve eine Form des gewöhn- lichen V.E.G.s, so dass die monophasische Kurve sich nur dadurch verrät, dass die Strecke zwischen den Zacken R und 7 nieht zur Nulllinie reicht; auch ist dabei bloss ein ganz minimaler Demar- kationsstrom zu konstatieren. Solche Formen bekommt man oft bei unbeabsichtieten leichten Beschädigungen der Spitze. Ist die Be- schädigeung der Spitze sehr stark, so sieht man umgekehrt sehr wenige von der normalen Komponente, und nur ein leichter Buckel PruSAnn o° an dem absteigenden Aste der wohlausgebildeten monophasischen Kurve verrät den Ort der 7-Zacke der normalen Komponente. In Fig. 4 habe ich versucht, die sämtlichen Übergänge von der gewöhnlichen Form desV. E.G.s bei Ableitung von zwei un- beschädigten Punkten mit den gleichgerichteten Zacken R und 7 (a in der Fig. 4) bis zum vollständig reinen mono- phasischen Strom (g) zu illu- strieren. Je stärker die Altera- tion sich ausbildet, desto stärker wird der Demarkations- zw VER RENR” | strom, und desto mehr ver- wischen sich die Eigentüm- : | lichkeiten der Zacken R und ; a Fig. 5A. Fig. 5B. T, indem die Strecke zwischen diesen Zacken nicht tief genug herabsinkt. Die Stadien d resp. e entsprechen etwa dem analysierten Fall in Fig. 3. Betrachten wir jetzt diejenigen Kurvenformen, die bei Be- schädigung des basalen abzuleitenden Punktes auftreten. Wie früher auseinandergesetzt, müssen wir auch hier eine kombinierte Form erwarten. Es stelle in Fig. 5 A wiederum die Linie AEFGD die l 1 | \ ] i 48 00 A. Samojloff: gewöhnliche Form des unbeschädigten Froschventrikels, die durch algebraische Summation der Anteile ABCD und KLMN ent- standen ist. Erzeugen wir eine Alteration des basalen Punktes, so verschiebt sich die Nulllinie infolge des sich etablierenden Demar- kationsstromes nach oben; die bei jeder Systole in Erscheinung tretende monophasische Kurve habe (Fig. 5 B) den Verlauf KPRN. Zu gleicher Zeit wird aber auch die aufängliche normale Kurve AEFGD (puuktiert), wenn auch in geringerem Maasse, zur Geltung kommen, so dass die resultierende Kurve den Verlauf AEKPRD (ausgezogene Linie der Fig. 5 B) aufweisen wird. In dieser Kurve dokumentiert sich die Beschädigung des basalen Teils durch Hebung der anfänglichen Nulllinie und durch tiefes Sinken der Strecke zwischen dem Anfangs- und Endteil der Kurve. Die Anteile des normalen Summanden erblickt man in der steilen Spitze AEK (Zacke E) und dem Buckel bei 5 (Zacke T). Wenn wir auch hier Fig. 6. den einen Summanden sukzessive kleiner, den anderen sukzessive grösser machen, so bekommen wir eine Reihe von Übergängen, wie etwa diejenigen, die in der schematischen Fig. 6 wiedergegeben sind. Bei diesen Übergängen tritt deutlich ein Moment hervor, der besondere Erwähnung verdient. Wenn wir die Reihe a, b, c usw. der Fig. 6 durchgehen, bemerken wir, wie die zwischen R und T liegende Strecke immer tiefer gegenüber der Ruhelage zu liegen komnit, so dass, wenn wir die Form dz. B. betrachten, man meinen könnte, dass es sich um ein V.E. G. mit positivem K& und negativem 7 handelt. Es wurden schon vielfach derartige Kurven von diesem Standpunkte aus gedeutet; denselben Fehler habe auch ich mehrmals begangen, bis ich, wie mir wenigstens scheint, den richtigen Sachverhalt er- kannte: der in Kurve d nach unten gerichtete breite Buckel ist nicht das negative 7, sondern der Ausdruck der monophasischen Kurve infolge partieller Beschädigung; das 7 ist, wie gewöhnlich, auch hier positiv, nur ist es sehr klein in Form einer leichten, nach oben ge- richteten Abrundung am letzten Teil der Kurve. Der berührte Punkt Die Vagus- u. Muskarinwirkung auf die Stromkurve des Froschherzene. 489 hat insofern eine grosse Bedeutung, als dadurch eine ganze Reihe von V.E.G. am Frosch mit positivem A und gegen die Regel mit negativem 7 ihre Erklärung bekommen. Die gegebene Deutung, nach welcher in derartigen Fällen das 7 ebenfalls positiv ist und das für negativ gehaltene 7 etwas ganz anderes darstellt, lässt sich in zweifacher Weise verifizieren. Das erste Mittel besteht darin, dass wir ein Herz, welches uns eine Kurve nach dem Muster der Fig. 6d liefert, eine längere Zeit beobachten; macht man z. B. jede 5 Minuten eine Aufnahme, so sieht man, wie die Form d allmählich in a mit den dazwischenliegenden Überganesstadien ce und D sich ver- wandelt, wobei es sich klar herausstellt, dass aus dem kleinen runden, nach oben sehenden Buckel in d die positive Zacke der Kurve a entsteht. Das andere Mittel, das die gegebene Deutung bestätigt, ist noch demonstrativer und beruht auf der Verfolgung der Änderung der Kurvenformen nach dem Muster d (Fig. 6) infolge der Vazus- reizung, worauf wir später eingehen werden. Die extremen Formen f und namentlich 49 (Fig. 6) als reine monophasischen Kurven bei Beschädigung der Basis kommen fast gar nicht vor, weil die Beschädigung der Basis nicht vollkommen genug ausgeführt werden kann; die Spitze R, wenn auch rudimentär, ist immer als Anfangsteil der Kurve vorhanden. Reinere monophasische Kurven erhält man dagegen bei Alteration der Spitze, besonders wenn man zur Alteration nicht KCI-Elektroden verwendet, sondern eine Schlinge um die Spitze anzieht resp. die Spitze durch einen Querschnitt abtrennt; aber auch in solchen Fällen sieht man mitunter eine rudimentäre 7-Zacke in Form einer leichten Entstellung am Endteil des V. E.G.s sich ausbilden. Es scheint mir, dass die beschriebene Art der Systematisierung der ungemein mannigfaltigen Formen der V.E.G., die man bei direkter Ableitung vom absichtlich beschädigten oder bloss nicht vorsichtig genug behandelten Herzen bekommt, die einfachste und dem wirklichen Tatbestande entsprechendste ist. Wenn man bei direkter Ableitung vom Ventrikel eine Kurve aufgenommen hat, so sieht man zunächst zu, in welcher Höhe der mittlere Teil der ganzen Schwankung (die Strecke zwischen R und T) liest; wenn dieser Teil oberhalb der Nulllinie liegt (die Ver- schiebung infolge des Demarkationsstromes wird dabei nicht be- rücksichtigt), so ist die Spitze alteriert; liegt der mittlere Teil unterhalb der Nulllinie und täuscht eine negative 7-Zacke vor (in der oben 490 A. Samojloff: auseinandergesetzten Weise), so ist die Basis beschädigt. Im ersten Fall ist es eine Kurve der Reihe (Fig. 4) „Spitzentypus“, im zweiten Fall ist es eine Kurve der Reihe (Fig. 6) „Basistypus“. Dass eine derartige Diagnose richtig ist, kann man sich in der Regel dadurch überzeugen, dass man nun zusieht, ob die Richtung des Demarkations- stromes (wenn auch mitunter sehr schwachen) der Deutung „Spitze“ oder „Basis“ entspricht. III. Die Vaguswirkung auf das V.E.G. des partiell beschädigten Froschherzens. Wir gehen jetzt zur Beschreibung der Experimente mit der Reizung des Vagus bei Ableitung der Ströme vom partiell be- schädigten Ventrikel. Der Frosch wird dekapitiert und entblutet. Der rechte Vagus wird vom Ort des Abganges aus der Schädelhöhle abpräpariert und der Ventrikel an der Spitze vermittels des Engelmann ’schen Hebels suspendiert. Die Spitzen der Suspensionsklemme werden gewöhnlich in der bei einer früheren Gelegenheit!) beschriebenen Weise mit einer Gummiröhre umgeben, um den um die Spitze umschlungenen resp. die Spitze an einem Punkte berührenden ableitenden Elektroden- faden vor Berührung mit dem Metall der Suspensionsklemme zu schützen; als Basiselektrode diente ebenfalls eine Tonfadenelektrode, die an die vordere Fläche der Basis nahe an der Vorhofventrikel- furche angelegt wurde. Zur Reizung des Vagus mit dem faradischen Strom (50 mal in 1 Sekunde) dienten Platinelektroden mit Hering- scher Schleife, die an einem besonderen Bleistabhalter fixiert wurden. Wir machen zunächst eine Aufnahme der Stromkurven des un- beschädigten Ventrikels (s. Kurve Fig. 7 auf Taf. XXII). In der Fig. 7 stellt die obere Kurve die Kontraktionen des suspendierten Ventrikels, die zweite nach unten die Stromkurve (800 mal vergrössertes Bild der Quarzsaite des Einthoven’schen Galvanometers, grosses Edelmann’sches Modell) dar; die dritten und vierten Linien rühren vom Reizmarkierer für den Vagus und Zeitmarkierer (1,0 Sekunde) her. Das V. E.G. hat hier die einfache typische Form mit positivem R und 7, wie man dieselbe bei ganz unbeschädigtem Herzen erhält. Die Vaguswirkung erzeugt in gesetzmässiger Weise Änderungen des V.E.G.s, wobei die sämtlichen Übergänge vom einen bis zum anderen 1) A. Samojloff, |. c., vgl. 8. 421. Die Vagus- u. Muskarinwirkung auf die Stromkurve des Froschherzens. 40] Ende ungemein klar hervortreten. Schon die zweite Systole nach Beginn der Vagusreizung wird von einem V. E. G. mit einem kleineren T begleitet; bei der dritten Systole wird das 7’ noch kleiner; zu- gleich entwickelt sich auch die chronotropische Wirkung des Vagus deutlich. Die vierte Systole lässt ein kleines 7’ mit negativem Zeichen erkennen, worauf Vagusstillstand eintritt. Eine Systole, in welcher der Moment des Überganges von +7 in —T zu sehen wäre, ist aber nicht getroffen. Die erste Schwankung nach dem Stillstand besitzt ein grosses negatives 7, das in den folgenden Systolen immer. kürzer wird; dort, wo ich auf der Kurve einen Stern (x) setzte, liegt der Punkt des Überganges vom negativen zum positiven 7, welches nun mit raschem Schritte wächst, so dass nach einigen Systolen der Ausgangszustand hergestellt ist. Es ist hier sehr deutlich zu sehen, dass der Übergang vom negativen 7 zum positiven 7 genau auf demselben Wege geschieht, wie unmittelbar nach der Reizung der Übergang vom positiven zum negativen 7. Gemäss den früher gegebenen Auseinandersetzungen und an der Hand der schematischen Fig. 2 stelle ich mir also vor, dass während des Vaguseinflusses der Punkt D (Fig. 2A) sich zum Punkt N nähert; er fällt mit ihm zusammen (Überganesmoment), kommt dann weiter nach links von ihm zu liegen, wobei die Systolen mit dem grössten negativen 7 auftreten; darauf geht der Punkt D nach rechts Zurück, fällt wiederum mit N zusammen, weshalb Schwankungen mit fehlendem 7 erscheinen (zweiter Übergangsmoment x in Fig. 7) und kehrt schliesslich zum Ausgangspunkt zurück, womit der ganze Prozess abgeschlossen wird. Dass diese Wanderung des Z)-Punktes, resp. mit anderen Worten, dass diese Änderung der Dauer der Errezung des basalen Punktes nicht bloss eine Konstruktion ist, sondern den Tatsachen entspricht, ersieht man aus der Fortsetzung des Versuches in Fig. 8 auf Taf. XXIJ, wo das Resultat der Vagusreizung an dem- selben Herzen unmittelbar nach Anbringung einer Alteration der Spitze wiedergegeben ist. Der erste linke kleine Teil der Fig. 8 auf Taf. XXII gibt die Eichung an: 25 Millivolt werden ein- und ausgeschaltet, wobei die Saite eine Ablenkung von 9,5 mm nach oben und zurück aufwies. Jetzt wurde der Elektrodenfaden der Spitze mit 1°/oiger KCl getränkt und an die Spitze angelest. Die Saite weicht dem gesetzmässigen Längsquer- schnittstrome gemäss nach unten um 9,5 mm (die Potentialdifferenz Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd. 155. 33 492 A. Samojloff: des Ruhestromes beträgt also 25 Millivolt) und die Ausschläge, die naturgemäss nach oben gerichtet sind, erscheinen so gut wie rein monophasisch. Es ist hier sehr schön zu sehen, dass die Dauer der Schwankung des unbeschädigten und die Dauer der Schwankung der an der Spitze beschädigten Herzens genau dieselbe Grösse haben und dass die monophasische Kurve gewissermaassen die ursprünglichen Zacken R und T umschliesst; ich habe die Stellen in der monophasischen Kurve, wo man die Anteile der früheren R und 7 vermuten kann, mit den Buchstaben R und 7 auf der Fig. 8 gekennzeichnet. Nun wird der Vagus gereizt. Ungemein günstig für die Erkenntnis des Sachverhaltes war in diesem Fall das Fehlen eines längeren Stillstandes, worauf wir später eingehen; die Vaguswirkung äusserte sich bloss in einer allerdings gut ausgesprochenen Verlangsamung der Schläge. Was die Form der einzelnen Schwankungen anbetrifft, so ist erstens klar, dass dieselbe im Vergleich zu der vor der Vagusreizung in nennens- werter Weise nicht abweicht: es ist dieselbe monophasische Schwankung, was ihr Zeichen, ihre Form und Grösse anbetrifft. Was aber sehr be- merkenswert ist, ist die Änderung der Schwankungsdauer. Anstatt also der auffällieen Änderung des Zeichens der Zacke des un- beschädigten Herzens in Fig. 7, antwortet hier in Fig. 8 nach Alteration der Spitze dasselbe Herz mit Änderungen der Erregungs- dauer des basalen Teiles. Die vermuteten Wandlungen des Fuss- punktes D der monophasischen Kurve des basalen Teiles im Schema Fig. 2 werden im Versuch Fig. 8 zu einer sicheren Tatsache. Die Messungen der Schwankungsdauer (Fig. 8) in Teilungen des Netzes vor, während und nach der Vagusreizung ergeben: 8,0 — 8,0 — 8.0: — 7,0 — 6.0 — 5.25 — 4,75 — 4,75 | = Vagusreizung 3,25 — 59,25 — 9,19 — 5,15 — 6,0 — 6,75 — 7,0 — 7,0 — 7,25 — 1,25 — 7,25 — 7,15 — 8,0. Wie die Zahlen ergeben, wird die Dauer der monophasischen Sehwankung durch den Vagus in unserem Fall fast aufs Doppelte ziemlich schnell abgekürzt, um dann allmählich zur anfänglichen Grösse anzuwachsen. Beim genauen Betrachten der Fig. 8 bemerkt man weiter, dass derjenige Punkt, den wir mit dem Buchstaben 7 bezeichnet haben, während der Reizung des Vagus sukzessive heruntersinkt und später allmählich wiederum zur anfänglichen Höhe sich erhebt, Wenn man in der monophasischen Kurve noch irgendeinen schwachen Anteil des 50-50 Die Vagus- u. Muskarinwirkung auf die Stromkurve des Froschherzens. 403 normalen Summander vermuten will, so kann man das Heruntersinken des 7 als die Vagusänderung des normalen Summanden (Kleiner- werden der 7-Zacke) auffassen. Von Interesse ist weiter, dass nach der Alteration der Spitze die Kontraktionen weniger ausgiebig geworden sind, wie man aus dem Vergleich derselben in Fig. 7 und S erkennen kann, und weiter, dass die Verkürzung der Schwankungsdauer während der Vagusreizung- in Fig. 8 mit grosser Reduktion der Kontraktions- grösse einhergeht !). Der beschriebene Versuch beweist also vollkommen, dass unsere Vermutung über den Modus der Änderung der Stromkurve des un- versehrten Herzens, speziell was die Umkehr der 7-Zacke anbetrifft, richtig war: die Stromkurve ist eine Summationskurve. Die Zacken R und T haben keine Selbständigkeit, und die Änderung der Ver- laufsdauer der Erregung der Summanden im Vaguszustande verkleinert das 7 resp. kehrt sein Zeichen um. Um Missverständnissen vorzubengen, muss ich aber den Umstand hervorheben, dass die erhaltene Verkürzung der monophasischen Stromdauer nach der Spitzenalteration in Fig. S nicht in jedem Fall beobachtet wird, und es ist auch leicht einzusehen, dass es nicht anders sein kann. Die Systolendauer und die Schwankungsdauer des Stromes des Herzens hängen im allgemeinen von vielen Faktoren ab. Ein wichtiger Faktor in dieser Beziehung ist die Rhythmik der Schläges In meiner früheren Arbeit habe ich vielfach darauf hingewiesen, dass die Schwankungsdauer des Herzens sehr stark mit dem Rhythmus desselben wechselt. Wenn die Vagusreizung die Folge der Systolen verlangsamt, so wird dadurch indirekt ein die Schwankungsdauer verlängernder Einfluss gegeben. Dieser Einfluss hat also mit dem die Schwankungsdauer verkürzenden Einfluss der direkten Vagus- wirkung zu kämpfen. Es ist also leicht einzusehen, dass, sowie nur die Verlangsamung der Schläge stark ausgesprochen ist resp. ein ‚lange dauernder Stillstand eintritt, die Schwankungsdauer nach dem Stillstande nicht nur nicht kürzer, sondern sogar verlängert sein kann. Deshalb sagten wir auch früher, dass unser Versuch in Fig. 8 in- 1) Es sei darauf hingewiesen, dass in einer Arbeit von F. Hofmann (Zur Theorie der Muskelkontraktion. Sonderabdruck aus den Berichten des naturwissenschaftl.-mediz. Vereins in Innsbruck, 30. Jahrg., 1905/1906 S. 6) man eine Angabe findet, dass der monophasische Strom des Froschventrikels durch Vagusreizung kleiner wird und kürzere Dauer bekommt; die Angabe ist auf Grund kapillarelektrometrischer Aufnahmen gemacht. co 494 A. Samojloff: sofern günstig ausgefallen ist, dass die chronotropische Wirkung nicht zu stark war; der verlängernde Einfluss konnte nicht den verkürzenden verdecken. Nun könnte man sagen, dass, wenn die chronotropische Wirkung in unserem Falle schwach war, vielleicht überhaupt die Wirkung des Vagus schwach war, und dadurch erklärt sich möglicherweise, dass die monophasische Kurve in Fig. S nicht kleiner. wurde resp. ihr Zeichen nieht änderte und dgl. Darauf wäre erstens zu erwidern, dass eine starke Vaguswirkuug auf die Stromkurve bei unversehrtem Herzen mit dem geringsten chronotropischen Effekt einhergehen kann, wie es in den Kurven meiner früheren Arbeit angegeben ist. Anderer- seits werden wir bald sehen, dass bei starkem chronotropischen Effekt der Vagusreizung beim beschädigten Herzen die monophasische Kurve ebenfalls im allgemeinen ihre Form nicht ändert und der Ausschlag an Höhe zunimmt. Dieses Verhalten sehen wir bei einem anderen Versuch, der genau in der oben augegebenen Art ausgeführt ist. Es ist in Fig. 9 auf Taf. XXIII nur derjenige Teil des Versuches wiedergegeben, in welchem die Reizung des Vagus nach Alteration der Spitze vorgenommen wurde. Wir sehen hier in Fig. 9 wiederum die fast reine monophasische Kurve, die der Form nach ganz genau mit der der Fig. 8 übereinstimmt, obwohl sie von einem anderen Herzen eewonnen ist. Obwohl auch in diesem Fall der. basale Klektroden- faden an die Basis des Ventrikels angelest war, kam hier dennoch, wie es nicht selten vorkommt, die Vorhofszacke zum Vorschein. Dass die mit P bezeichnete leichte Erhebung vom Vorhof herrührt, geht aus dem Verlauf der Stromkurven in den Systolen nach dem Vagus- stillstand, in welchen die P-Erhebung von der Nulllinie beginnt, hervor. Wie in Fig. 8 habe ich auch hier aus denselben Rücksichten die Buchstahen R und 7 an die monophasische Kurve gesetzt. Die Vagusreizung (Fig. 9) setzt in einem Moment ein, wo die Schwankung eben begonnen hat; die nächstfolgende Schwankung zeigt folgende Änderungen: erstens ist die Erhebung P verschwunden, und zweitens, worauf es uns gerade ankommt, ist die Schwankungsdauer kürzer geworden. Gewiss ist die Verkürzung hier sehr klein, im Vergleich zur vorhergehenden Schwankung beträgt sie bloss eine Netzeinheit; man muss aber bedenken, dass es sich um die erste Schwankung nach dem Beginn der Vagusreizung handelt und dass die Verkürzung der ersten Schwankung nach der Vagusreizung auch im vorigen Versuch Die Vagus- u. Muskarinwirkung auf die Stromkurve des Froschherzens. 495 (Fig. 8) ebenfalls nur eine Netzeinheit betrug. Eine ausgiebigere Verkürzung würde wohl in den Schwankungen der nachfolgenden Systolen auftreten, wenn.es nicht zu einem mehrere Sekunden dauernden Stillstande käme. Diesen langen Stillstand betrachte ich als die Ursache davon, dass das aufs neue zur Tätiekeit erwachende Herz nicht kurz- dauernde, sondern etwas länger als in der Norm dauernde Schwan- kungen erzeugt. Dieses Verhalten bildet die Regel: sobald ein monophasische Ströme gebendes Herz durch Vaguserregung beeinflusst wird, so wird die Dauer der Schwankungen vor dem Stillstand kürzer, nach dem Stillstand, wenn letzterer mehrere Sekunden gedauert hat, länger als vor der Reizung. Ich möchte hier noch hinzufügen, dass die Zunahme der Schwankungsdauer nach dem Stillstande selbst- redend nicht als ein Widerspruch gegenüber der Tatsache gelten kann, dass am unbeschädisten Herzen die Zacke 7 auch nach einem noch so langen Stillstande negativ ist, weil im letzten Fall (beim unversehrten Herzen) es bloss auf die relative Dauer der beiden Komponenten ankommt, wogegen wir augenblicklich nur von ab- soluten Grössen der monophasischen Schwankung reden. Auch im Versuch Fig. 9 sinkt infolge der Vagusreizung der Teil der Kurve, den wir mit 7 bezeichnet haben, nach unten. Diese Änderung ist bereits angedeutet unmittelbar vor dem Stillstande und ist deutlicher nach dem Stillstande. Was die Ordinatenhöhe des Ausschlages anbetrifft, so ist dieselbe nach der stark ausgesprochenen Vagusreizung nicht wesentlich anders, wie vor der Reizung; die leichte Zunahme der Ordinatenhöhe hängt wohl hauptsächlich mit der Senkung der Nulllinie während des Still- standes zusammen. Auf letzteren wichtigen Umstand kommer wir später eingehend zu sprechen. Ausser den Experimenten mit Vagusreizung bei monophasischer Schwankung aach Alteration der Spitze habe ich auch Versuche ausgeführt, um aufzuklären, wie sich die nicht rein monophasische Kurve, etwa wie die schematischen Figuren ce, d Fig. 4, durch Vagus- wirkung verändern. Eine einheitliche Antwort habe ich dabei nicht bekommen können. Zuweilen geht alles so, wie man es erwarten kann, d. h. die T-Zacke des normalen Summanden kehrt um, zuweilen aber ist die Änderung derartiger Kurven, wie c, d, sehr unbedeutend. Wir kommen nunmehr zur Besprechung der Vaguswirkung auf die Stromkurve des Ventrikels mit beschädigter Basis. Wie im Kapitel II erwähnt wurde, ist vom Ventrikel mit beschädigter Basis 496 A. Samojloff: eine rein monophasische Kurve schwer zu erhalten. Ich habe eine derartige Kurve niemals bekommen. Wie gewissenhaft man auch die Beschädigung erzeugt, immer bekommt man ausser der mono- phasischen, nach unten gerichteten Schwankung noch zwei Zacken, eine am Anfang, die andere am Ende der Schwankung, die nach oben sehen und, gemäss den früheren Auseinandersetzungen, als R und 7 des normalen Summanden von uns betrachtet werden. Einen derartigen Fall haben wir im Versuch Fig. 10 auf Taf. XXIII vor uns. Die Versuchsanordnung ist dieselbe wie in den oben be- schriebenen Versuchen, und ist jetzt die Beschädigung nicht an der Spitze, sondern an der Basis angebracht. Die Form des V.E.G.s vor der Vagusreizung ist kompliziert und hat Ähnlichkeit mit der schematischen Kurve AEKPRD in Fig. 5B resp. d der Fig. 6. Der normale Summand gibt die zwei positiven Erhebungen, welche ich als R und 7 deute, weshalb ich auf der Fie. 10 in den Kurven vor der Vagusreizung die beiden Buchstaben an den Zacken aufschrieb; die nach unten sehende Zacke wird wohl der Ausdruck des monophasischen Summanden sein. Die Vagusreizung beginnt während das Herz eine Systole vollzieht; die nächste Systole, auf welche daun ein langer Stillstand folet, ist bereits verändert. Die Zacke, die wir als 7’ auffassen, ist bedeutend kleiner geworden, und die ganze Schwankungsdauer ist bei genauerem Zusehen um ein Geringes kürzer wie die vorhergehende. Die nach dem Stillstande auftretenden Kontraktionen liefern ganz merkwürdige Stromkurven. Das erste V.E.G. nach dem Stillstande lässt erstens eine nach oben gerichtete scharfe Zacke erkennen, die zweifellos die R-Zacke darstellt; dann geht der Faden nach unten, so wie in den Schwankungen vor dem Stillstande, nur etwas tiefer, und darauf gleich nach dem Knick, wo eben der Faden nach oben auszuweichen beginnt, ‘entsteht eine scharfe, nach unten sehende Zacke; diese Zacke, die das merkwürdige Aussehen der ganzen Schwankung be- dingt, habe ich mit dem Buchstaben 7 bezeichnet, da ich sie für die nach unten umgekehrte 7-Zacke des anfänglichen V.E.G.s halte. Den Zusammenhang zwischen dem V.E.G. mit positivem 7 (vor der Vagusreizung) und demjenigen mit negativem 7 stelle ich mir auf Grund der Fig. 11A, B folgendermaassen vor: Die Kurve AEPRTD (Fie. 11 A) entsteht aus der Summation von AEFGD (die ihrerseits aus ABCOD und KLMN zusammengesetzt ist) und KPRN. Die ausgezogene Linie AEPRTD entspricht dem Die Vagus- u. Muskarinwirkung auf die Stromkürve des Froschherzens. 497 V.E.G. vor der Vagusreizung in unserem Versuch Fig. 10 auf Taf. XXIII. Die Reizung des Vagus bewirkt nach unserer Vorstellung eine Verkürzung der Erregungsdauer am basalen Teil des Ventrikels; der Punkt D der Fig. 11A wandert also in der Richtung zu N, und: wenn er auf die anderen Seite von N angelangt ist, so muss anstatt der Kurve AEKPRTD mit positivem 7 die Kurve AEKPRSN mit negativem T resultieren, wie es in der Fig. 11 B angedeutet ist. Es kommen hier zur Summation einerseits die Kurven ABCD und KLMN und anderseits die monophasische XPRN. Die Konstruktion der Kurve aus den Elementen ABCD und KLMN haben wir schon auf Grund der Fig. 2B be- sprochen; man bekommt die : ke Kurve AEFGN; man i N braucht also jetzt nur diese | i letztere mit der monopha- sischen XPRN (Fig. 11 B) zu summieren, um die End- kurve AEKPRSN zu er- halten. Im ganzen handelt es sich also darum, dass durch Vagusreizung der nor- i male Summand wie ge- .. , wöhnlich die Umkehr der I N Fig. 11B. Zacke 7 erfährt, diese aber nicht von der Nulllinie beginnt, sondern durch den mono- phasischen Summanden ganz nach unten verschoben wird. Die schematische Kurve AEKPRSN (Fie. 11 B) entspricht voll- kommen dem V.E.G. (Fig. 10 auf Taf. XXIII) nach dem Vagusstill- stande. Den ganzen Modus des Überganges der einen extremen Form in die andere extreme Form, bloss in umgekehrter Richtung, kann man sehr schön verfolgen an der Hand der Reihe von Schwankungen nach dem Stillstande in der Fig. 10 auf Taf. XXIII. Die Zacke, die wir für 7 halten, wird sukzessive kleiner und kleiner, so dass nach 14—15 Systolen dieselbe als ein ganz kleines Rudiment an dem monophasischen Anteil erscheint und schliesslich vollkommen schwindet (x in Fig. 10). Dieser Moment entspricht also dem Zeit- punkte, wo etwa die Punkte D und N bei der Rückwanderung des D zusammenfallen. Gleich darauf erhebt sich in den nächsten Sehwankungen ein kleiner Höcker nach oben (7), der allmählich 49 [0 0) A. Samojloff: zu einem deutlichen 7 anwächst, womit der ganze Prozess ab- geschlossen wird. Was den monophasischen Anteil anbetrifft, so ist derselbe unmittelbar nach dem Stillstande grösser als vor der Vagus- reizung, ein Verhalten, welches wir bereits in den Versuchen mit Alteration der Spitze besprochen haben. Die angeführten Versuche führen also zum Schluss, dass die ventrikulären monophasischen Ströme resp. die Anteile derselben in komplizierten Kurven durch Vagusreizung sich nicht wesentlich ver- ändern; das Zeichen des Ausschlages wird niemals umgekehrt; die einzige wesentliche Änderung der monophasischen Kurve ist die Kürzung der Schwankungsdauer, und letzteres Moment genügt voll- kommen, um die ausgesprochensten Veränderungen des V.E.G.s des unbeschädigten Herzens zu erklären. Wir kommen jetzt zur Besprechung einer anderen Seite der Vagusbeeinflussung der elektrischen Äusserung des Frosehventrikels, die wir eigentlich ganz zufällig bei Gelegenheit der Experimente mit Ableitung von beschädigten Herzen beobachtet haben. Es lag durch- aus nieht in unserer Absicht, die Versuche mit der anabolischen Wirkung des Vagus von Gaskell, die seinerzeit ganz mit Recht soviel Aufsehen erregt haben und später einigermaassen in Miss- kredit!) gekommen sind, zu prüfen. Auf dem vorhergeschilderten Wege gelangten wir aber zu einer Versuchsanordnung, die nicht nur auf die von uns direkt gestellte Frage Antwort gab, sondern ge- wissermaassen auch die Bestätigung der Gaskell’schen Behaup- tung über die Zunahme des Demarkationsstromes durch Vagusreizung, und zwar an einem der gewöhnlichsten und gangbarsten Objekte der physiologischen Tecknik am Froschherzen mit sich brachte. Der Demarkationsstrom eines Skelettmuskels nimmt ab, wenn man den letzteren direkt oder indirekt durch den motorischen Nerven reizt. Gaskell stellte sich bekanntlich die Frage, wie sich der Demarkationsstrom des Herzmuskels ändert, wenn sein Hemmungs- nerv gereizt wird. „Die Schwierigkeit der Aufgabe“, sagt Gaskell, „beruht darin, dass das Herz rhythmisch schlägt, und dass jeder Schlag die Nadel des Galvanometers so stark beeinflusst, dass es aussichtslos ist, die elektrischen Schwankungen des schlagenden 1) W. Einthoven, Weiteres über das Elektrokardiogramm. Pflüger’s Arch. Bd. 127 S. 517, vel. S. 543. 1908. Die Vagus- u. Muskarinwirkung auf die Stromkurve des Froschherzens. 499 Herzens zu vergleichen mit denjenigen bei Herzstillstand infolge von Vagusreizung!).“ Um diese Schwierigkeit zufolge der Unvoll- kommenheit des Galvanometers mit der langsam schwingenden Nadel zu umgehen, hat Gaskell sein Schildkrötenvorhofpräparat, welches im Stillstande sich befindet und mit dem Vagus durch den Nervus eoronarius im Zusammenhange steht, benutzt. Übrigens ist aus den weiteren Worten Gaskell’s zu schliessen, dass er dieses Präparat nicht nur als Mittel, auf einem Umwege die gestellte Frage zu lösen, betrachtet, sondern wohl auch einen prinzipiellen Vorteil in der ge- wählten Versuchsanordnung findet. Es heisst dort: „Um die elektro- motorischen Wirkungen eines Hemmungsnerven vergleichen zu können mit jenen eines motorischen Nerven, ist es nötig, soviel wie möglich gleiche Bedingungen zu schaffen. Mit anderen Worten, man bedarf eines Präparates, welches dem gewöhnlichen Nervenmuskel- präparat entspricht, in welchem aber der Nerv ein Hemmungsnerv und der Muskel in Ruhe sein muss.“ Wie es dem auch sei, jedenfalls versuchten verschiedene Autoren, derselben Frage auch unter Zuhilfenahme eines schlagen- den Herzens näher zu treten, freilich unter Benutzung eines rasch reagierenden Instrumentes. So hat Gotch von unbeschädieter Basis und beschädieter Spitze die Ventrikelströme zum Kapillarelektro- meter abgeleitet und den Einfluss der Vagusreizung studiert. Er schreibt: „It was observed that during inhibition the tof of the merceurial columne remained steady at the leval which it assumed during diastole ete.?).“ Bei Besprechung dieser Versuche hat Bourdon Sanderson?) erklärt, dass das Kapillarelektrometer nicht empfindlich genug ist, um den Unterschied in der Grösse des Demar- kationsstromes während des Vagusstillstandes und desjenigen während der Diastole zwischen zwei normalen spontanen Systolen aufzudecken. ‚. Weiter liegt eine Mitteilung von Boruttau) vor, die leider in ganz kurzen Zügen eines Kongressreferates die Schlussfolgerungen 1) W. H. Gaskell, Über die elektrischen Veränderungen, welche in dem ruhenden Herzmuskel die Reizung des Nervus vagus begleiten. Ludwig’s Fest- schrift S. 114, vgl. S. 116. Leipzig 1837. 2) Gotch, Inhibition of Tortoise Heart. Proceedings of the Physiol. Soc. p- 26. July 1887. Abgedruckt in Journ. of Physiol. vol. 8. 1887. 3) Bourdon Sanderson, Journ. of Physiol. vol. 8 p. 28. 4) Boruttau, Über die elektrischen Erscheinungen am Herzen bei der Vagusreizung. Zentralbl. f. Physiol. Bd. 19 Nr. 10 S. 301. 1905. —_ 560 A. Samojloff: seiner Untersuchung wiedergibt. Boruttau hat zwischen Ober- fläche und künstliehem Querschnitt abgeleitet und die einphasischen Aktionsströme kapillarelektrometrisch registriert; untersucht wurden Vorhof resp. Ventrikel des Frosch- und Schildkrötenherzens. Während des Herzstillstandes durch Vagusreizung stellt sich die Grösse des Demarkationsstromes überall höchstens auf denjenigen Wert ein, welchen er nach Stillstellung der betreffenden Herzabteilung durch Abtrennung vom Venensinus hat; nur beim Vorhof des Schildkröten- herzens wird er bei der Vagusreizung grösser als nach der letzten Art der Stillstellung. Der Verfasser neigt zur Annahme, dass es sich im letzten Fall bei der Vagusreizung bloss um Befreiung von einem Tonus handelt. Meine Versuche mit Reizung des Vagus bei monophasischer Ableitung, von denen oben die Rede war, geben Antwort auch auf die Frage, die von Gotch und Boruttau studiert wurde. Bereits bei Besprechung des Versuches Fig. 9 wurde der Punkt hervorgehoben, dass die Nulllinie deutlich während des Stillstandes in unserem Fall nach unten, d. h. im Sinne der Zunahme des Demarkationsstromes, abwich. Einmal auf diesen Punkt aufmerksam geworden, sah ich mein ganzes Kurvenmaterial in bezug auf diesen Umstand durch und fand, dass die Zunahme des Demarkations- stromes während der Vagusreizung eine ziemlich regelmässige Er- scheinung darstellt. Es zeigte sich in der Tat, dass, wenn der ab- geleitete Ventrikelstrom eine für den unbeschädigten Ventrikel charakteristische Form hat und also keinen Demarkationsstrom auf- weist. die Nulllinie ihre Höhe auch während eines noch so langen Vagusstillstandes nicht ändert. Ist dagegen der Ventrikel beschädigt und ein Demarkationsstrom vorhanden, so wird derselbe während der Vagushemmung grösser. Eine zur Prüfung dieses Verhaltens angestellte Reihe von Versuchen überzeugte mich, dass diese Zu- nahme in seltenen Fällen kaum angedeutet ist, manchmal nur minimal erscheint, in der Regel aber ziemlich stark auftritt. Schon in den früher augeführten Figuren ist das eben Gesagte zu er- kennen. So ist z. B. die Zunahme des Demarkationsstromes in Fig. 9 auf Taf. XXIII ganz bedeutend, in Fig. 8 gar nicht vorhanden; letzteres kann aber in ‘der Weise erklärt werden, dass hier ein eigentlicher Stillstand fehlt, während, wie wir später sehen werden, die Zunahme des Demarkationsstromes während des ganzen Stillstandes dauert, so dass der Grad der Zunahme direkt von der Länge des Die Vagus- u. Muskarinwirkung auf die Stromkurve des Froschherzens. 501 Stillstandes abhängig ist. Demgegenüber sehen wir, dass in Fig. 10 auf Taf. XXIIL, wo ein sehr langer Stillstand nach Vagusreizung sich entwickelte, die Verschiebung der Nulllinie, in diesem Falle nach oben (im Sinne der Zunahme des Demarkationsstromes), vorhanden, jedoch sehr klein ist. Was nun die Grösse der Zunahme des Demarkationsstromes anbetrifft, so ändert sich diese von Fall zu Fall; sie kann, wie gesagt, klein sein, beträgt aber nicht selten bis zu einem Viertel, ja sogar bis zu einem Drittel des ursprünglichen Betrages des Demar- kationsstromes. Da bei unseren Versuchen die Voltempfindlichkeit so geregelt war, dass etwa 25 Millivolt 10 mm Ablenkung bewirkten und die Stärke des Demarkationsstromes etwa 20—40 Millivolt be- trug, so konnte die Änderung der Lage der Nulllinie während der wirksamen Vagusreizung bloss etwa 3—4 mm erreichen. Um die geschilderte Erscheinung in demonstrativer Form zu erhalten, wurden die Versuche deshalb so angestellt, dass das Galvanometer bedeutend empfindlicher gemacht wurde; dabei wurden die Einzelschwankungen sehr gross, und da selbstredend im Interesse des zu untersuchenden Phänomens die Bewegung der Schreibfläche nicht erhöht werden durfte, so ging die Form der Einzelschwankungen ziemlich verloren: denn erstens konnte bloss nur ein Teil der ganzen Schwankung Platz finden und zweitens wurde die zeichnende Linie so fein, dass zum Zwecke der Reproduktion «der Verlauf einiger Schwankungen mit Punkten angegeben werden musste. Auf die einzelnen Schwankungen kam es uns aber natürlich nieht an; es sollte nur die Nulllinie im Bereiche der Spaltlänge sich befinden, denn es handelte sich bloss um die Verfolgung der Änderung der Lage derselben während des Vagus- stillstandes. In Fig. 12 auf Taf. XXIV sehen wir die Kurven eines derartigen Versuches. Im ersten Teil der Fig. 12 ist durch Punkte der Verlauf der Schwankung vor der Alteration der Spitze angegeben. Abgeleitet wurde in diesem Fall von der Ventrikelspitze und Vorhof. Von der Vorhofstromkurve ist anfangs vor der Vagusreizung fast gar nichts zu sehen, da dieselbe von der Ventrikelkurve vollkommen verschluckt wird. Nach dem Vagusstillstande erkennt man den Vorhofstrom sehr gut und sieht, wie er sich dann allmählich im V.E.G. verliert. Das V.E.G. hat die gewöhnliche Form mit positiven & und T. Infolge der hohen Empfindlichkeit (10 Millivolt entsprechen 13 mm Ausschlag) sind die Zacken sehr gross, und man sieht auch eine 02 A. Samojloff: kleine Verschiebung des Kurvenstückes zwischen R und 7 nach unten, die ich als Ausdruck einer leichten zufälligen Schädigung an der Basis annehme. Diese kleine Verschiebung würde bei gewöhn- licher Empfindlichkeit des Instrumentes kaum bemerkt werden, ebenso wie der unbedeutende Dmarkationsstrom im Sinne der Negativität der Basis, den man in diesem Falle konstatieren konnte. Wir reizen nun den Vagus. Es entstehen die im Versuch Fig. 10 bereits geschilderten Veränderungen. Eine ganz unbedeutende, weniger als 1 mm grosse Ver- schiebung des Nullpunktes nach oben ist zu erkennen. Jetzt erzeugen wir einen Demarkationsstrom durch Behandeln der Spitze mit 1/oiger KCI-Lösung. Die Nulllinie sinkt nach unten; durch Kompensation mit 54 Millivolt wird die Saite ungefähr in die Ruhelage gebracht (etwas überkompensiert). Die Stromkurve hat jetzt die Eigenschaften einer monophasischen Kurve, in welcher man jedoch A und 7 noch unterscheiden kann. Die Vagusreizung bewirkt einen längeren Still- stand, wobei die letzte Systole vor der Reizung einen Ventrikelstrom von verkürzter Dauer, wie es immer der Fail ist, erzeugt. Die Erscheinung, auf die es uns hier ankommt, ist die Senkung der Nulllinie, d. h. eine Verschiebung im Sinne der Zunahme des ur- sprünglichen Demarkationsstromes. Die grösste Senkung beträgt in diesem Fall 4 mm, d. h. die ursprüngliche Potentialdifferenz ist also etwa um 3 Millivolt gewachsen. Schon die erste Systole nach dem Stillstande hebt ein wenig die Nulllinie, die zweite ebenfalls, und schliesslich kommt die Nulllinie oberhalb der Ausgangshöhe zu liegen, worauf sie wiederum eine allmähliche Senkung bis zur Ausgangshöhe aufweist. Diese Nachwirkung ist eine ganz konstante Erscheinung; zuweilen ist dieselbe sehr stark ausgesprochen, und nur ganz all- mählich im Laufe einiger Minuten nach wiederholten Schwankungen wird die erste Nulllage definitiv erreicht. Sehr demonstrativ scheinen mir diejenigen Versuche zu sein, in welchen durch Änderung der Stelle des Ventrikels, die alteriert wird, die Abweichung der Galvanometersaite einmal nach der einen, das andere Mal nach der anderen Seite, aber immer im Sinne der Zunahme des Demarkationsstromes geschieht. Einen derartigen Versuch gebe ich in sehr genau gepausten Kopien in zweimaliger Verkleinerung in den Fig. 13 und 14 wieder. Die Empfindlichkeit der Saite wurde noch mehr gehoben, so dass 10 Millivolt jetzt 24 mm entsprachen. Zunächst wurde die Kurve des unbeschädigten Ventrikels bei Ableitung von der Basis und Spitze ge- 5093 Die Vagus- u. Muskarinwirkung auf die Stromkurve des Froschherzens. I EB nn Era u N ED SE En ii il | N N | N | J N f ANRINNAAARESENF Eee IETENERIN ERBEN EHRE 4 i | m 2 — ——— T HERTTHI EHEN ij ln nei HIHI ur 504 A. Samojloff: schrieben. Der Vagusstillstand bewirkt keine Änderung der Nulllage. Nun wird der Basiselektrodenfaden mit 1 °/o iger KCI-Lösung getränkt; es entsteht ein Demarkationsstrom, und die Saite wird nach oben ab- selenkt. Der Betrag der Potentialdifferenz ist nun 19 Millivolt Ohne den Demarkationsstrom zu kompensieren, reizen wir den Vagus und erzeugen einen Stillstand, Fig. 13 (in Fig. 13 und 14 bedeuten a die Kontraktionskurve des suspendierten Ventrikels, b die Strom- kurve, c Zeit- und d Reizmarke). Die Saite steigt in die Höhe im sanzen um 23 mm; die Zunahme der Potentialdifferenz beträgt also rund 5 Millivolt. Auch in diesem Falle sehen wir, wie die erste Kontraktion, die den Stillstand unterbricht, den Nullpunkt ein wenig herunterdrückt; das wiederholt sich weiter, bis schliesslich der Null- punkt tiefer steht als zu Anfang, worauf der Rückgang beginnt; es entwickelt sich mit einem Worte die früher geschilderte Nachwirkung. Der weitere Verlauf des Versuchs bestand darin, dass die Basis vom KC1 mit 0,6 °/oiger Kochsalzlösung abgewaschen, eine neue Elektrode angelegt und nun eine Reizung des Vagus vorgenommen wurde: der Nullpunkt ändert sich nieht während des Stillstandes. Nunmehr wurde die Spitzenelektrode mit 1°/oiger KCl-Lösung behandelt, weshalb die Saite nach unten abwich; um die Saite zur Anfangslage zu bringen, musste man 36 Millivolt einschalten. Die Stromkurve weist einen monophasischen Verlauf auf; allerdings sehen wir infolge der enormen Grösse des Ausschlages bloss einen Teil desselben in Fig. 14. Während des Vagusstillstandes geht jetzt die Nulllinie in der Riehtung nach unten; die Zunahme der Potentialdifferenz beträgt 11,6 Millivolt. Der weitere Verlauf wiederholt vollständig die frühere Schilderung: die erste Systole nach dem Stillstande hebt den Nullpunkt, und es. entwickelt sich die Nachwirkung. Die Behauptung Gaskell’s über die Zunahme des Demar- kationsstromes am Herzen durch Vagusreizung ist somit am schlagenden Ventrikel des Frosches durch obige Versuche, soweit es sich um die faktische Seite handelt, bestätigt.. Gaskell deutete seine Ver- suche in der Weise, dass der Vagus im Gegensatz zur Wirkung motorischer Nerven, deren Erregung den Längsquerschnittsstrom vermindert, eine Zunahme der Positivität der unbeschädigten Stellen erhöht und dadurch den Demarkationsstrom vergrössert. Für die Zunahme der Positivität der unbeschädigten Stellen während der Vagushemmung fehlen in unseren Versuchen jede Anhaltspunkte. Es könnte sich höchstens um die Abnahme irgendwelcher Erregungsreste Die Vagus- u. Muskarinwirkung auf die Stromkurve des Froschherzens. 505 infolge der Vagusreizung und eine auf diese Weise mittelbar erzeugte Zunahme des Demarkationsstromes handeln. Aber auch in diesem Falle hätte man sich fragen müssen, ob es sich um eine durch den Vagus erzeugte aktive Vernichtung irgendwelcher Reste des Erregungs- zustandes oder bloss um Folgen des Stillstandes als solchen handelt. Wir sahen oben, dass Boruttau den Sachverhalt gerade im Sinne der zuletzt erwähnten Möglichkeit auffasst. Er neigt zur: An- nahme, dass infolge des Stillstandes der Zustand der tonischen Er- regung der unbeschädigsten Teile schwindet und auf diese Weise der Demarkationsstrom zunimmt. Soweit ich aus der kurzen Mitteilung von Boruttau entnehmen kann, hat der Verfasser zur Lösung dieser Frage die Vergleichung des Stillstandes infolge der ersten Stannius’schen Ligatur mit dem Vagusstillstande benutzt. Dieser Versuchsplan ist aber nur dann unanfechtbar, wenn der Stillstand nach der ersten Stannius-Ligatur als eine blosse Ausfallserscheinung betrachtet werden darf. Es scheint aber, dass der alte Streit über den Grund des Stillstandes nach der ersten Stannius-Ligatur, d. h. ob dieselbe ein Hemmunsgsstillstand durch gleichzeitige Vagus- reizung oder ein Stillstand infolge des Mangels an Reizen dureh die unterbrochene Leitung darstellt, noch nicht ganz entschieden ist. Gerade in der elektrophysiologischen Methodik besitzen wir das Mittel, um in dieser Kontroverse den richtigen Weg zu finden. Aus der Arbeit von J. Seemann!) geht hervor, dass in der uns interessierenden Frage das Endresultat, d. h. der Stillstand, von beiden Umständen abhängt; Seemann sast nämlich: „Der Stillstand des Herzens nach der ersten Stannius-Ligatur ist zwar zunächst durch Ausfall der Erregungsleitung vom Sinus zum Vorhof bedingt; es bestehen aber auch Anzeichen, dass daneben noch eine im Vorhof oder im Ligaturbereich lokalisierte Hemmungseinrichtung die unter Um- ständen schon früh sich entwickelnde Ventrikelautomatie unterdrückt. “ Wenn es aber dem so ist, so muss der Vergleich des Ventrikel- stromes im Vagusstillstande und im Stillstande nach der ersten Stannius-Ligatur als unsicher bezeichnet werden, denn wir hätten es, abgesehen von vielen technischen Unbequemlichkeiten der Methode, in beiden Fällen mit Vagusreizung zu tun. Ich ver- suchte deshalb, der Frage auf einem anderen Wege näher zu kommen. 1) J. Seemann, Über das Elektrokardiogramm bei der Stannius-Ligatur. Zeitschr. f. Biol. Bl. 57 S. 545; vgl. S. 556. 1912. 506 A. Samojloff: Der Versuch wurde angestellt an einem längere Zeit nach der ersten Stannius-Ligatur im vollem Stillstande sich befindenden Froschherzen. Es wurde vom Sinus und Ventrikelspitze zum Gal- vanometer abgeleitet und die Basis des Ventrikels zeitweise mit Einzelinduktionsschlägen gereizt. Es stellte sich nun heraus, dass am unbeschädigten Herzen die Nulllinie vor den künstlicben Reizen während derselben und nach denselben auf derselben Höhe sich be- fand. Machte man aber an der Spitze einen Querschnitt und wiederholte den Versuch mit künstlichen Reizen, so stieg die Nulllinie während der Einzelreize, so dass der Demarkationsstrom abnahm (eine wahre negative Schwankung am Herzmuskel), und nach Aufhören der Einzel- reize ging die Saite wiederum nach unten, und der Ruhestrom nahm also zu. In Fig. 15 auf Taf. XXIII sehen wir einen solchen Versuch. Von oben nach unten gehen: Kontraktionskurve des suspendierten Ven- trikels, Stromlinie, die Linie, welche angibt, wie lange der Ab- blendungsschlüssel in der sekundären Spirale geöffnet war und die Einzelschläge also Zutritt zum Ventrikel hatten, und schliesslich die Zeitlinie. Die Eichung des Galvanometers ergab, dass 10 Millivolt einen Ausschlag von 10 mm erzeugten. Nach dem anfänglichen Stillstande folgen sechs künstlich erzeugte Systolen: die Nulllinie geht nach oben; nach Aufhören der Reize sinkt die Nulllinie nach unten. Der Versuch wird wiederholt (zehn Einzelreize) mit dem- selben Resultate. Wir ersehen aus dem Versuch, dass tatsächlich bei der periodischen Tätigkeit des Herzens sich ein allgemeiner Zustand der Erregung ausbildet, der während eines längeren Still- standes allmählich verschwindet, und dass ein Stillstand die Zunahme des Demarkationsstromes in dieser Weise erzeugen kann. Wir müssen deshalb zugeben, dass Boruttau wohl das Richtige getroffen hat, und dass im grossen und ganzen die Zunahme des Demarkations- stromes während der Vagusreizung in erster Linie die Folge des Still- standes als solehen ist. Ob daneben auch eine aktive Komponente seitens der Vaguswirkung mit im Spiel ist, sei dahingestellt. Ä Noch auf einen Punkt, der nicht unmittelbar hierher gehört, aber an der Hand der angeführten Kurven sehr schön zu verfolgen ist, möchte ich hinweisen. Ich meine die Änderung des A.E.G.s (Atriumelektrogramms) durch Vaguswirkung. In der früher be- sprochenen Fig. 12 auf Taf. XXIV, die von einem Versuch herrührt, in welchem vom Vorhof und Ventrikelspitze abgeleitet wurde, kann man ohne Schwierigkeit die Vorhofanteile in der Kurve erkennen. Die Vagus- u. Muskarinpwirkung auf die Stromkurve des Froschherzens. 507 Am Anfange der Fig. 12A auf Taf. XXIV bemerkt man noch wenig vom Vorhofsstrom: einen leichten Buckel vor dem schlanken grossen Pr des V.E.G.s des unbeschädigten Ventrikels darf man als die t-Zacke des Vorhofsstromes (die einzelnen Zacken der P-Gruppe, d. h. des Vor- hofsstromes, bezeichnen wir hier mit den kleinen Buchstaben » und £) betrachten. Dass diese Auffassung des kleinen Höckers als eines positiven £ der Vorhofsgruppe riehtig ist, ersieht man weiter aus dem Verlaufe der Stromkurven nach Vagusreizung. Es sei hier nur erwähnt, dass in der einzigen Schwankung während der Vagusreizung in Fig. 12 A, während das 7 schon kleiner geworden ist, hat das ? sein Zeichen geändert. Nach dem Stillstande beginnt die Schwankung der ersten Systole mit der Gruppe P, und da letztere von der Nulllinie ungestört durch irgendeine vorhergehende Ventrikel- schwankung einsetzt, so sieht man sehr schön, dass die Gruppe P aus positivem r und negativem ? besteht. Wir haben also hier das sehr demonstrative Bild der Vaguswirkung auf das A.E.G. und V.E.G. des unbeschädigten Herzens vor uns: in beiden aufeinander- folgenden Schwankungen ist A und r positiv, während 7 und £ mit negativem Zeichen auftreten. Nun beginnt der Rückgang der Vagus- wirkung im A.E.G. und V.E.G., und da das Tempo der Schläge noch durch die Hemmung verlangsamt ist, so stören die V.E.G. und A.E.G. einander nicht, und wir sehen, wie die Ausschläge 7 und ? allmählich kleiner werden, bei x etwa ziemlich gleichzeitig dureh den Nullwert gehen und darauf positiv werden. Während einer kurzen Zeit sind nun die beiden positiven ” und ? sowie die posi- tiven R und 7 nebeneinander ungestört zu sehen; sowie aber im weiteren Verlauf die Schlagfolge schneller wird, so verliert sich das » im vorhergehenden 7, und es bleibt vom A.E.G. bloss ein kleiner positiver Höcker übrig, dessen Deutung als ? hier und also auch am Anfange der Fig. 12 A, wie oben erwähnt, keinem Zweifel unterliegen kann. Betrachten wir von diesem Standpunkte aus die Fig. 12 B auf Taf. XXIV. Da hier die Ventrikelspitze alteriert ist, so haben wir im allgemeinen eine monophasische Stromkurve des Ventrikels. Für den Vorhof aber gelten freilich dieselben Verhältnisse wie früher in A derselben Figur, denn der Vorhof ist in beiden Fällen unbeschädiet, der Ventrikel bildet für den Vorhof bloss gewissermaassen die Fort- setzung der Elektrode, und es ist deshalb für die Stromkurve des Vorhofs ohne Bedeutung, ob der Ventrikel beschädist oder un- beschädigt ist. Wir sehen in Übereinstimmung damit in Fig. 12 B Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd. 155. 34 508 A. Samojloff: nach dem Stillstande durch Vaguswirkung wiederum die Umkehr der Zacke t im A.E.G, des unbeschädieten Vorhofs, während der monophasische Strom des V.E.G.s des beschädigten Ventrikels, wie immer in solchen Fällen, nur wenige Veränderungen darbietet. Später bei x ändert sich das Minuszeichen von £, und in drei Systolen lässt sich sehr schön die diphasische Kurve des un- beschädigten Vorhofs mit positiven ” und ? neben der monophasi- schen Kurve des beschädigten Ventrikels beobachten. Darauf ver- schmilzt das r mit dem Ventrikelstrom, und.vom A.E.G. bleibt, wie zu Beginn der Fig. 12 B, nur die positive Zacke ft zu sehen. Schön sind auch in den langsam aufeinanderfolgenden Schlägen nach dem Stillstande die wohl vom Sinus herrührenden Zacken, die ich mit „sin“ in der Figur bezeichnete, in Fig. 12 B zu sehen. Dass man die Änderung des A.E.G.s so deutlich sieht, verdanken wir dem Umstande, dass das Galvanometer in diesem Versuch sehr empfind- lich gemacht wurde. Während aber die Deutlichkeit der Vorhofs- ströme durch die hohe Empfindlichkeit des Instruments gewonnen hat, hat die Deutlichkeit der Ventrikelströme durch die zu hohen Ausschläge gelitten, so dass wir den Verlauf der Ventrikelkurve, der in den Originalen als äusserst feine Linie erscheint, hier für die Reproduktion mit Punkten markieren mussten. In der möglichst einfachsten Weise haben wir also konstatieren können, dass die Form der Stromkurve des unbeschädigten Vorhofes im ganzen und grossen ebenso aussieht wie die des Ventrikels mit positivem und positivem f, und dass die Vagusreizung das A.E.G. so verändert, dass die Zacke t negativ wird. Die Be- einflussung des E.G.s durch den Vagus ist also beim Vorhof und Ventrikel die gleiche. Die Fig. 12 kann somit gewissermaassen als eine Musterkurve betrachtet werden, denn in derselben finden, wie in einer schema- tischen Figur, sämtliche wichtige Momente der Vaguswirkung in bezug auf die elektrische Produktion des Vorhofes und des Ven- trikels des Froschherzens ihren Ausdruck. IV. Einfluss des Muskarins auf die Stromkurve des Froscehherzens. In einer Mitteilung!) über das betreffende Thema habe ich bereits angeführt, weshalb meiner Meinung nach es durchaus zweck- 1) A. Samojloff, Über den Einfluss des Muskarins auf das Elektrogramm des Froschherzens. Zentralbl. f. Physiol. Bd. 27 S.7. 1913. Die Vagus- u, Muskarinwirkung auf die Stromkurve des Froschherzens. 509 mässig ist, die Muskarinfrage auf Grund der elektrischen Pro- duktion des Herzens zu prüfen, Das V.E.G. des Frosches und seine Änderung durch Vagusreizung sind so charakteristisch, dass man in Fällen, wo es sich um die Entscheidung für oder gegen eine Vagusreizung handelt, mit Recht die elektrische Äusserung des Herzens als ein ganz sicheres Kriterium anzusehen berechtigt ist. Die Frage, ob das Muskarin mittelbar durch die Nervenelemente des Herzens auf die Muskelfasern des letzteren einwirkt oder direkt die Herzmuskelfasern beeinflusst, hat in der letzten Zeit insofern an Interesse gewonnen, als W. Straub und seine Schule die direkte Muskarinwirkung auf den Herzmuskel bei lokaler Applikation des Giftes gerade auf Grund der elektrischen Reaktion des Herzmuskels ausser Frage zu stellen versuchten. Wie in meiner vorläufigen Mit- teilung angegeben ist, führten meine Versuche zu dem Resultat, dass ausser dieser direkten Muskarinwirkung wir noch eine Vaguswirkung des Muskarins annehmen müssen. Es seien nun die entsprechenden Versuche, die zur Begründung dieser Behauptung dienen können, angeführt. Die Versuche sind in genau derselben Weise wie die vorher im vorigen Kapitel beschriebenen angestellt; nur wurde an Stelle der Reizung des Nervus vagus die lokale Einwirkung des Muskarins auf den Sinus venosus untersucht. Es ıst in methodischer Beziehung wichtig, zu erwähnen, dass das derz des dekapitierten und ent- bluteten Frosches, wie früher, an der Ventrikelspitze suspendiert war, wobei das Frenulum vorher durchschnitten wurde. Das Gift (0,1°o vom R. Grübler’schen Muscarinum artefieiale) wurde in der Weise appliziert, dass man mit einem mit der Giftlösung getränkten Pinsel den Sinus berührte.. Die Aufnahmen wurden vor und mit verschiedenen Pausen nach den Giftapplikationen gemacht. Ein derartiger Versuch sei hier mit entsprechenden Aufnahmen (Fig. 16 auf Taf. XXIV) als Beispiel vorgeführt. Abgeleitet wurde vom Vorhof und Ventrikelspitze; das Herz ist unbeschädigt. Vor der Giftapplikation sehen wir ein durchaus normales E.G. (Fig. 16a) mit den gewöhnlichen Zacken P und pesitiven R und 7. Zwischen a und 5b wird das Muskarin auf den Sinus appliziert. Sofort tritt im V.E.G. eine Änderung ein: das 7 wird kleiner. Sehr bald stellt sich eine Verlangsamung der Schläge, die gleich einen hohen Grad erreicht, ein. Im Laufe dieser Tätiekeitsperiode bildet sich die weitere Verkleinerung und zu gleicher Zeit auch die Umkehr des 34 * 510 A. Samojloff: Zeichens der Zacke 7 in einer für die Vaguswirkung sehr charakte- ristischen Weise aus. Diesen Umkehrprozess können wir gut auf Grund der Aufnahmen Fig. 16c und d verfolgen. In Fig. 16e ist die Schlagfolge deutlich noch mehr verlangsamt, und die Stromkurve des Ventrikels besteht aus einer positiven R und einer sehr aus- gesprochen negativen Zacke 7. Nun wird der Sinus mit einem mit einer 1/oigen Atropinlösung getränkten Pinsel berührt. Wir sehen oleich darauf (Fig. 16f) die Schlagfolge lebhafter werden, so dass das Tempo der Schläge etwa dem am Anfang des Versuchs vor der Muskarinapplikation gleichkommt. Das V.E G. sieht aber ganz anders wie zu Anfang aus: das AR ist positiv, das 7 negativ. In der Fig. 169 ist keine besondere Veränderung der Stromkurve zu verzeichnen; dagegen erkennen wir in Fig. 16% sehr schön den Rückgang des Prozesses: die Zacke 7 geht nicht mehr so weit nach unten, und die eigentliche Spitze erscheint ziemlich rudimentär. In Fig. 167 ist die Senkung nach unten noch kleiner und die rudi- mentäre Zacke 7 fast abgeschnitten. Fie. 16% zeiet das Stadium an, in welchen bereits eine kleine positive Zacke 7 sichtbar ist, und in Fig. 167 haben wir schliesslich so gut wie den Anfangszustand wieder erreicht; auf jeden Fall haben wir hier wiederum ein V.E.G. mit positiven R und 7. Wer mit den Vagusänderungen des Ventrikelstromes gut ver- traut ist, wird ganz ohne Zweifel zugeben müssen, dass die Muskarin- änderungen im beschriebenen Versuch den Vagusänderungen der Ventrikelkurve genau sogar in den kleinsten Details ähnlich sind. Sämtliche Eigentümlichkeiten, die den Prozess der Umkehr der T-Zacke in einer und in der anderen Richtung begleiten, sind in beiden Fällen die gleichen. Der Versuch ist sehr leicht auszuführen und gelingt fast ausnahmslos. Ich besitze eine grosse Anzahl von diesbezüglichen Aufnahmen, und alle sprechen in überzeugender Weise dafür, dass in unseren Versuchen die Wirkung des Muskarins auf dem Wege der Vagushemmung geschieht. Diese Schlussfolgerung wird durch eine Reihe von anderen Ex- perimenten bestätigt. In meiner früheren Arbeit wurde festgestellt, dass die Vagusänderung sich nicht nur auf die spontanen, sondern auch auf die künstlich erzeugten Systolen in derselben Weise, d.h. im Sinne der Umkehr der 7-Zacke, sich erstreckt. Es war natürlich interessant, zu versuchen, wie sich in dieser Beziehung das Muskarin verhält. In Fie. 17 auf Taf. XXV sehen wir die Kurven eines ent- Die Vagus- u. Muskarinwirkung auf die Stromkurve des Froschherzens. 51] sprechenden Versuches, der eine absolut klare Antwort auf die ge- stellte Frage gibt. In Fig. 17a sehen wir die Eichung: die Ver- schiebung der Nulllinie erfolgte auf Einschaltung von 15 Millivolt. Die Aufnahme Fig. 17 d ist vor der Muskarinapplikation gemacht und sollte uns nur die Form der Stromkurve des unbeschädigten Ven- trikels bei natürlichen und künstlich erzeugten Systolen wiedergeben. Wir sehen hier anfangs drei Systolen, deren E.G. den Verlauf wie in Fig. 17 a aufweisen. Während des Verlaufes der zweiten Systole beeinnen die einzelnen Induktionsschläge, die die Spitze des Ven- trikels distal von der ableitenden Spitzenelektrode treffen. Der Rhythmus der Induktionsschläge ist bedeutend schneller wie der der spontanen Herzkontraktionen. Die Reize 0, 1, 3, 5, 7 bleiben ohne Erfolg, da sie in die refraktäre Phase fallen; dagegen sind die Reize 2, 4, 6 und 8 wirksam und lösen FExtrasystolen aus. Ich mache darauf aufmerksam, dass meine frühere Angabe, nach welcher die V.E.G. künstlich erzeugter Systolen sich von denen normaler Systolen bloss bezüglich des Zeichens der R-Zacke und nicht des der 7T-Zacke unterscheiden, sich hier wiederum als richtig erweist. In dem V.E.G. der Extrasystolen ändert sich das Zeichen der R-Zacke, weil eben jetzt die Spitze zuerst vom Induktionsschlag ge- reizt wird; die Spitze wird zuerst negativ, dagegen bleibt das 7 positiv, wie in den spontanen Systolen. Nunmehr folgt die Muskarin- applikation auf den Sinus. Die Schlagfolge wird stark verlangsamt, wie man auch aus der bedeutenden Zunahme der Schwankungs- und der Kontraktionsdauer in Fig. 17 c ersehen kann. Unterdessen ist auch die Umkehr der Zacke 7 bereits eingetreten. In Fig. 17 d ist die negative Zacke noch tiefer; die kleine Knickung am ersten Teil der Zacke 7 verrät den Zusammenhang mit der Form des vorher- gehenden Abschnittes der Figur. Nun sehen wir schon hier in Fig. 17 d diejenige Erscheinung, derenwegen der ganze Versuch unternommen wurde: bei Reizung der Spitze entsteht eine Extrasystole (in Moment 7 auf der Figur), deren V.E.G. aus einem negativen A und, worauf 'es gerade ankommt, aus einem negativen 7 besteht; gerade so, also wie die Vaguswirkung, verändert das Muskarin die Stromkurve der spontanen und künstlich erzeugten Systolen in gleicher Weise, d. h. die in beiden Fällen positive Zacke 7 wird durch Muskarin negativ. Der Übergang des V.E.G.s einer Extrasystole mit negativem R und positivem 7 vor der Vagus- resp. Muskarinwirkung in das V.E. G. 512 A. Samojloff: mit negativem AR und negativem 7 nach einer derartigen Wirkung ist im Sinne der früher im Kapitel I angeführten schematischen Fig. 1 leicht zu konstruieren. Ich möchte hier, um Missverständnisse vorzubeugen, eine kleine methodische Bemerkung bezüglich der Fig. 17 d und der folgenden Stücke derselben hinzufügen: die untere Linie gibt nicht die Momente der Reize an, sondern nur die Dauer, während welcher der die sekundäre Spirale abblendende Schlüssel geöffnet blieb und während welcher also die in regelmässigem Tempo folgenden Induktionsschläge die Ventrikelspitze erreichen konnten; die Reizınomente selbst sind an den Schleifenzacken gut zu erkennen. Zwischen Fig. 17 d und e wird Atropin appliziert: die Schlag- folge nimmt etwas zu, die Zacken 7 werden schlanker und etwas kleiner; die Form der V. E. G.e der Extrasystolen zeigen ein ähnliches Verhalten. In Fig. 17 f keine besondere Veränderung. In Fig. 179 ist der Übergangszustand vom positiven 7 ins negative 7 für die spontanen Systolen zu sehen. Fin weiteres Stadium ist in Fig. 17h abgebildet: das 7 ist bereits ausgesprochen positiv, die Zacke beginnt aber noch unterhalb der Nulllinie. In geringerem Maassstabe ist das auch noch in Fig. 17% zu sehen; die Extrasystole erzeugt ein V.E.G. mit negativem A& und positivem 7. In Fig. 17% ist der Anfangszustand so gut wie vollkommen hergestellt. Der beschriebene Versuch zeigte also in bezug auf die spontanen Systolen dasselbe Verhalten wie der vorhergehende (Versuch Fig. 16), und ausserdem bekamen wir aus dem Verhalten der V.E.G. der in verschiedenen Stadien eingestreuten Fxtrasystolen eine neue Be- stätieung der Ansicht von der Vaguswirkung des Muskarins. Es wurde also gezeigt, dass die Vagusreizung und die Ein- wirkung des Muskarins auf den Froschherzsinus die gleichen Ver- änderungen im Verlaufe des Ventrikelstromes . verursachen. Wir ziehen daraus den Schluss, dass die Muskarinwirkung in unseren Versuchen im Grunde eine Vagusreizung ist, und dass das Muskarin also eine Reizwirkung auf die nervösen Elemente des Herzens und speziell auf diejenigen Elemente, die mit den Vagusfasern zusammen- hängen, ausübt. Ob es sich dabei um die Endapparate der Vagus- fasern, um die mit denselben in Zusammenhang stehenden Ganglien- zellen des Sinus oder um die Neuriten der Nervenzellen handelt, kann auf Grund der mitgeteilten Versuche nicht entschieden werden. Die Vagus- u. Muskarinwirkung auf die Stromkurve des Froschherzens. 513 Nun bliebe aber noch die Frage zu behandeln, ob man in unseren Versuchen eine direkte Wirkung des Giftes auf den Ventrikelmuskel auszuschliessen berechtigt ist. Allerdings ist die Möglichkeit der Verbreitung des Giftes nach Bepinseln des Sinus auf die anderen Teile zumal eines suspendierten Herzens nicht besonders wahr- scheinlich; dennoch kann man sich vorstellen, dass das Gift auf die eine oder andere Weise dahin gelangen könnte. Inwiefern ist eine derartige Möglichkeit für unsere Schlussfolgerung von der Vagus- wirkung des Muskarins von Bedeutung? Es scheint, dass bei Beurteilung dieser Verhältnisse man vor allem den Umstand berücksichtigen muss, dass unsere Argumen- tation sich gar nicht auf die lokale Applikation des Giftes, auf den Sinus in erster Linie, stützt. Wenn jemand nach Bepinseln des Sinus mit Muskarin eine Veränderung der Ventrikeltätigkeit be- obachtet und daraus den Schluss zieht, dass das Gift hier auf den Ventrikel irgendwie mittelbar einwirkt, z. B. auf nervösem Wege, so darf man gewiss nach strengen Beweisen für die Nichtbeteiligurg des Ventrikels an der direkten Giftwirkung fragen. Unsere Argumen- tation ist dagegen eine ganz andere. Wir schliessen auf die nervöse Reizung des Muskarins nicht aus dem Grunde, dass wir das Muskarin auf einen Herzteil (Sinus) applizieren und die Wirkung an einem anderen, entfernteren (Ventrikel) beobachten; wir basieren unsere Schlussfolgerung der nervösen Wirkung des Muskarins auf der Ähnlichkeit der Änderung des V.E.G.s nach Muskarinapplikation und nach Vagusreizung. Um unsere Argumentation noch mehr zu charakterisieren, können wir sagen, dass, wenn wir das Muskarin nicht auf den Sinus, sondern direkt auf den Ventrikel applizierten und die geschilderten Änderungen des V.E.G.s erhielten, wir auch in diesem Fall nicht eine direkte Wirkung des Muskarins auf den Ventrikel, sondern eine indirekte durch Nerveneinfluss annehmen würden. Nun ist aber die ganze Frage nach der Möglichkeit einer direkten Muskarinwirkung auf den Ventrikelmuskel in den be- schriebenen Versuchen insofern leicht aufzuklären, als wir in bezug auf die direkte Muskarinwirkung auf den Herzmuskel durch W. Straub und seine Schule unterrichtet sind. Es geht nämlich aus der neulich erschienenen Arbeit von K. Fleischhauer') 1) K. Fleischhauer, Kardiogramm oder Tonogramm zur Untersuchung von Giftwirkung auf das Herz. Zeitschr. f. Biol. Bü. 59 S. 253. 1912. 514 A. Samojloff: hervor, dass, wenn man vom Froschventrikel Aktionsströme ableitet und die Spitzenelektrode mit Muskarin (1:10000) träukt, sich ganz bedeutende Veränderungen des V.E.G.s bemerkbar machen, und zwar wird die T-Zacke höher, wobei zu gleicher Zeit die Strecke zwischen R und 7 nach oben hinübergezogen wird, während die Nulllinie, wenn auch nicht stark und nicht immer nach unten, ver- schoben, wird. Im ganzen und grossen bilden sich also infolge der direkten Muskarinwirkung auf den Ventrikelmuskel diejenigen Er- seheinungen der monophasischen Ströme aus, wie man sie bei Alteration der Spitze durch KCl zu sehen bekommt. Wenn man annehmen wollte, dass in unseren Versuchen das Muskarin vom Sinus aus sich auf den Ventrikel verbreitet hat, so könnte es sich also nur darum handeln, dass die Basis des Ventrikels vom Gifte getroffen wird, und dass sich also die für die Alteration der Basis charakteristischen Änderungen des Stromes ausbilden müssten. Es müsste also die Strecke zwischen R und 7 nach unten hinübergezogen werden und die Nulllinie eine Verschiebung nach oben aufweisen. Weder das eine noch das andere trifft aber zu. Die nach Muskarineinwirkung auf den Sinus sich einstellenden Ver- änderungen des V.E.G.s zeigen in unseren Kurven kein einziges Zeichen der Monophasie und gleiehen nur den Vagusänderungen des V.EG.s. Auch in einer anderen Richtung vorgenommene Versuche sprechen in dem Sinne, dass die Muskarinwirkung bei Applikation auf den Sinus nieht mit einer direkten Muskarinwirkung auf den Ventrikel- ımuskel etwas zu tun hat. Wir meinen nämlich die Muskarinversuche, die wir an Herzen mit alterierter Spitze resp. Basis vorgenommen haben. Diese Versuche wurden in der Weise angestellt, dass die Spitze resp. Basis des Ventrikels mit 1 °%/,iger KCl behandelt wurden. Das V.E.G. wurde also monophasisch, und dureh die Ausbildung eines De- markationsstromes stellte sich die Saite auf eine neue Nulllinie ein. Wenn man jetzt den Sinus mit Muskarin befeuchtet, so müssen, falls die Muskarinwirkung bloss eine Vaguswirkung ist, diejenigen Erscheinungen eintreten, die wir bei der Vaguswirkung nach lokaler Beschädigung des Herzens gesehen haben. Betrachten wir jetzt von diesem Standpunkte aus den Versuch Fig. 18 auf Taf. XXV. Anfangs sehen wir ein gewöhnliches V.E.G. mit (Fig. 18a) positiven R und T); Ableitung von Basis und Spitze des unbeschädigten Ventrikels. Die Die Vagus- u. Muskarinwirkung auf die Stromkurve des Froschherzens. 515 Spitzenelektrode wird mit 1°/oiger KCl getränkt. Es bildet sich ein Demarkationsstrom; die Saite wird nach unten abgelenkt, und die Ausschläge werden monophasisch (Fig. 155); an den monophasischen Ausschlägen sehen wir noch Andeutungen der ursprünglichen R und T, wie es in der Figur markiert ist. Nachdem sich dieser Zustand aus- gebildet hat, wird mit Muskarin der Sinus wie gewöhnlich befeuchtet. Wenn die nachfolgende Wirkung bloss durch eine zufällige Ver- breitung des Giftes bis zur Ventrikelbasis bedingt wäre und bloss in einer lokalen Wirkung des Muskarins auf den Herzmuskel bestände, so hätten sich jetzt die Erscheinungen in umgekehrter Richtung aus- bilden müssen: denn anfangs war die Spitze alteriert, und jetzt käme die Alteration der Basis. Wir sehen aber etwas ganz anderes. In Fig. 18c ist die Nulllinie etwas nach unten abgelenkt, d. h. die Wirkung des Muskarins äusserte sich nicht im Sinne einer Ver- minderung, sondern im Sinne einer Zunahme des Demarkations- stromes, wie es der Wirkung des Vagus-bei monophasischer Ab- leitung des Stromes entspricht. Im weiteren Stadium d des Ver- suches ist die Form der Schwankung verändert, und zwar genau in derselben Weise wie in unseren früheren Versuchen bei Vagus- reizung; um sich davon zu überzeugen, braucht man bloss einen Blick auf die Fig. S und 9 zu werfen. Ja, noch mehr, wir können sogar die früher beschriebene Reduktion der Erregungsdauer durch Vagusreizung bei monophasischer Ableitung auch in diesem Muskarin- versuch sehen. Die Schwankungsdauer in 5b ist entschieden länger wie in d, obwohl die Periodenlänge in d grösser wie in b ist. Den Vergleich habe ich so ausgeführt, dass ich den Abstand @« 5b der horizontalen Linie des Netzes in b und d miteinander verglich; die Abstände (in Einheiten des Netzes) « 5b in 5b und d verhalten sich wie 11:9,5, wogegen das Verhalten der Periodenlänge gleich 11: 22 ist. In e ist eine Kürzung der Dauer nicht zu bemerken; das kann so erklärt werden, dass hier die Verlangsamung der Schlagfolge der Kürzung entgegenwirkt (Periodendauer in c 27 Netzeinheiten). Zwischen d und e wird Atropin appliziert. Die Ausschläge be- kommen in e dieselbe Form wie in c; die Nulllinie steigt nach oben. Zwischen f und g wird das KCl an der Spitze abgewaschen, wo- durch bald in / und weiter in 9 der Anfangszustand im grossen und ganzen erreicht ist: die Nulllinie ist nur etwas tiefer als zu Anfang und dementsprechend die Strecke zwischen R und 7 etwas ge- hoben. Nuswaıin. 4 % Kllan k U-5, A. Samojloff: Fig. 19, Einen ähnlichen Versuch sehen wir in der Fie. 19, die in etwa zwei- maliger Verkleinerung die Original- kurve wiedergibt. In Fig. 19a das typische V.E.G. mit positiven R und T. In Fig. 195 die Folgen der Alte- ration der Spitze mit KCl. Fig. 19c stellt die Veränderungen nach Muskarinbepinselung des Sinus dar. Die Senkung der Nulllinie in Fig. 194 ist ziemlich stark. Zwischen Fig. 19 f und g wird Atropin auf den Sinus appliziert; die Nulllinie hebt sich und erreicht in Fig. 197 etwa die- selbe Höhe wiein Fig. 195. Zwischen Fig. 19? und k wird das KCl von der Spitze abgewaschen und der Anfangszustand hergestellt. Es wurden auch V.eersuche mit der Einwirkung des Muskarins bei monophasischer Ableitung des an der Basis beschädigten Ventrikels ausgeführt. In diesen Fällen war selbstredend die Abweichung der Nulllinie im Sinne der Zunahme des Demarkationsstromes nach oben zu vermerken, was sowohl für die Vaguswirkung wie für eine even- tuelle direkte Muskarinreizung auf die Basismuskulatur sprechen könnte. Da aber diesen Versuchen in der in Rede stehenden Frage keine ent- scheidende Bedeutung zukommen kann, führe ich dieselbe nicht an und beenüge mich mit der Mit- teilung der obigen Muskarinversuche an Herzen, in welchen die Spitze alteriert wurde und die, wie mir scheint, jeden Verdacht auf eine Die Vagus- ‘u. Muskarinwirkung auf die Stromkurve des Froschherzens. 517 lokale Mitwirkung des Muskarins auf den Ventrikelmuskel zu be- seitigen imstande sind. Noch auf einen Punkt möchte ich eingehen. Nachdem nämlich Gaskell'!) sich überzeugte, dass der Demarkationsstrom des still- stehenden Schildkrötenvorhofes durch Vagusreizung zunimmt, hat er Versuche auch mit Muskarin ausgeführt. Er betupfte mit Muskarin den Sinus und beobachtete den Ruhestrom des Vorhofes: irgendeine Zunahme des Ruhestromes, wie dieselbe bei Vagusreizung gewöhnlich auftritt. konnte er dabei nicht konstatieren. Das Resultat ist also anders wie in den oben beschriebenen neueren Versuchen. Worauf dieser Unterschied beruhen kann, bin ich nieht imstande zu sagen. V. Anhang. Die Wirkung des Vagus auf das V.E.G. des Säugetierherzens. Der Einfluss der Vagusreizung auf den Stromablauf des Säuge- tierherzens wurde einigemal schon geprüft und erwies sich im all- gemeinen sehr unbedeutend. Einthoven fand bei Ableitung von den Extremitäten des Hundes, dass die Vagusänderungen des E.K. G.s sehr inkonstant und im allgemeinen wenig ausgesprochen sind ?). Auch diese geringfügigen Änderungen wie die unbedeutende Zunahme der Distanz zwischen den Zacken R und 7 sowie das Kleinerwerden der T-Zacke werden von Einthoven nicht als direkte Folgen der Reizung des Vagus, sondern als von verschiedenen Nebenumständen abhängig gedeutet. Ich habe später das von Einthoven geschilderte Verhalten des E.K.G.s bei Vagusreizung an der Katze bestätigen können?). Neulich hat Einthoven zusammen mit Wieringa*) den Gegenstand noch einmal aufgenommen und konstatierte, dass durch zentrale Reizung des Vagus vermittels Morphium Änderungen 1) W. H. Gaskell, On the action of muscarin upon the heart, and on the electrical changes in the non beating cardia muscle brought about by stimu- lation of the inhibytory and augmentor nerves. The Journ. of Physiol. vol. 8 p- 404. 1887. 2) W. Einthoven, Weiteres über das Elektrokardiogramm. Pflüger’s Arch. Bd. 122 S. 517; vgl. S. 532. 1908. 8) A. Samojloff, Weitere Beiträge zur DleEoplneLulogiez des Herzens. Pflüger’s Arch. Bd. 135 S. 417; vgl. S. 454. 1910. 4) W. Einthoven und J. H. Wieringa, Ungleichartige Vagusreizung auf das Herz, elektrokardiographisch untersucht. Pflüger’s Arch. Bd. 149 S.48. 1912. 518 A. Samojloff: des E.K.G.s beim Hunde sich bemerkbar machen, die auf eine Sperrung des Weges für die Erregung im rechten resp. im linken His’schen Bündel hinweisen. Aus allen Versuchen aber, die bis jetzt über den Einfluss des Vagus auf den Aktionsstrom des Herzens beim Säugetier ausgeführt sind, geht klar hervor, dass die betreffenden Erscheinungen beim Säugetier keine Ähnlichkeit haben mit den- jenigen, die wir mit Leichtigkeit am Kaltblüterherzen erhalten. Es fragt sich, was könnte man zur Erklärung dieses Unter- schiedes heranziehen. Zweierlei wäre, wie mir scheint, zu berück- sichtigen. Erstens wurde bis jetzt der Vaguseinfluss auf die Herz- stromkurve beim Säugetier unter Zuhilfenahme der Ableitung von den Extremitäten studiert, wogegen am Froschherzen die konstanten. Vagusänderungen des FE. G.s bei direkter Ableitung von zwei Herz- punkten gewonnen sind. Zweitens ist das Herz des Frosches ein- und das des Säugetieres zweikammerig, was ebenfalls sehr zu be- achten ist. Um der Frage etwas näher zu kommen, versuchte ich, den Ein- fluss des Vagus auf das V.E.G. des Katzenherzens zu ermitteln. Die in Rede stehenden Versuche sind noch nicht abgeschlossen ; dennoch möchte ich einiges darüber in Kürze mitteilen. Die Katzen wurden mit Hedonal intravenös narkotisiert, der Brustkasten unter künstlicher Respiration geöffnet, das Herz entblösst und die unpolarisierbaren Tonfadenelektroden angelegt. Was die Anlegung der ableitenden Elektroden anbetrifft, so habe ich mich folgenden Verfahrens bedient: Mit einer krummen Nadel wird der mit Ringer-Lösung getränkte Wollfaden durch das Epieardium am zsewählten Punkt der Ventrikeloberfläche geführt (Distanz zwischen Ein- und Ausstichöffnung etwa 1 mm), ein Knoten dicht am Epikard gebunden und die beiden Enden der Fadenschlinge an den Ton der unpolarisierbaren Elektrode angelegt. Die Fäden bewegen sich während der Herzkontraktionen mit, ohne sich zu ver- schieben. Die erste Erfahrung, die ich bei direkter Ableitung von zwei Punkten der Ventrikeloberfläche (basaler Punkt des rechten Ven- trikels und ein nahe der Spitze gelegener Punkt des rechten Ven- trikels) machte, war die, dass die häufigste Form des V.E.G.s des. Säugetieres .ganz eigenartig ist und nicht ohne weiteres dem Bilde des E.K.G.s (bei Ableitung von den Extremitäten) des Säugetier- herzens an die Seite gestellt werden kann. Als ich die ersten. Die Vagus- u. Muskarinwirkung auf die Stromkurve des Froschherzens. 519 Kurven erhielt, erschien die Arbeit von Erfmann!), in welcher aus anderer Veranlassung und zu anderem Zwecke aufgenommene V.E.G.e des Säugetierherzens dargestellt sind. Ich fand in dieser Arbeit genau dieselben Formen, die ich bekam, und zwar waren meine V.E.G.e des Katzenherzens mit denjenigen der Fig. 2 auf Taf. V der Erfmann'’schen Arbeit identisch. In Fig. 20 auf Taf. XXV sind solche Kurven vor der Reizung des Vagus zu sehen. Dass die hohe schlanke Zacke als R anzusehen ist, unterliegt keinem Zweifel. Was aber weiter auf diese Zacke folgt, ist unklar. Sofort nach R geht die Kurve nach oben, be- schreibt hier einen Buckel nach unten umkehrend und endet mit einer nach unten gerichteten Zacke; diese letztere Zacke bezeichnet Erfmann in seinen Kurven mit dem Buchstaben 7. Wir hätten also entsprechend dieser Deutung eine Kurve mit positivem AR und necativem 7. Ich habe auf meiner Fig. 20 die nach unten gerichtete Zacke mit 7 und den nach oben gerichteten Buckel mit x be- zeichnet. Die Reizung des Vagus bewirkt nun eine ganz bedeutende Änderung der beschriebenen Stromkurve, wie man das gut in Fig. 20 sieht. Vor allem schwindet das 7 resp. es wird in umgekehrter Richtung geschrieben. Der Modus der Änderung des Zeichens des T, d. h. die Ausbildung eines Übergangsstadiums, in welchem ein kleines rudimentäres positives 7 neben dem ursprünglichen negativen T sieh vorfindet, erinnert an die Vaguswirkung am Froschherzen. Allmählich entwickelt sich der Anfangeszustand. Was den Buckel # anbetrifit, so wird derselbe während der Vagushemmung geringer; kein einziges Mal sah ich aber eine Umkehr des Zeichens derselben. Eine konstante Erscheinung ist weiter das Kleinerwerden der R-Zacke (den höchsten Punkt der R-Zacke habe ich durch einen weissen Punkt in der Fig. 20 angedeutet). In der ersten Systole nach Beeinn der Vagusreizung sehen wir gerade das erste Zeichen der Vacusreizung in Form des Kleinerwerdens von AR, das in der zweiten Systole noch stärker wird. Merkwürdig und unklar ist die Bedeutung der Stelle, die ich in der Fig. 20 mit einem X bezeichnete; die so markierte Biezung erwähne ich deshalb, weil ich dieselbe immer vor dem Stillstande auftreten sah. 1) W. Erfmann, Ein Beitrag zur Kenntnis der Fortleitung des Eıregungs- vorganges im Warmblüterherzen. Zeitschr. f. Biol. Bd. 61 S. 155. 1913. 520 A. Samojloff: Bei direkter Ableitung vom Säugetierherz bekommt man also während der Vagushemmung eine starke Änderung der Stromkurve, Vor allem besteht diese Änderung in einer Umkehr der T-Zacke, also ähnlich dem Verhalten des Froschventrikels. Ein grosser Unterschied zwischen dem Säugetierherz und Froschherz besteht in dem uns interessierenden Punkte darin, dass das 7 beim Frosch positiv ist unl durch Vagusreizung negativ wird, wogegen bei direkter Ableitung vom Säugetierherzen das 7 anfangs negativ und durch Vagusreizung positiv wird. Worauf diese Verschiedenheit beruht, ist schwer zu sagen; vermutlich hängt dieser Unterschied wohl damit zusammen, dass das Säugetierherz zweikammerig, während das des Frosches einkammerig ist. Möglich ist es auch, dass der erwähnte Unterschied damit etwas zu tun hat, dass die Frosch-V.E.G.e am entbluteten Tier ausgeführt wurden, während die Katzen -V.E.G.e von Tieren mit erhaltener Zirkulation herrühren. Der Wert der angeführten Versuche scheint mir augenblicklich bloss darin zu bestehen, dass sie den scheinbaren Unterschied zwischen Säugetierherz und Froschherz bezüglich der Vagusänderung der Stromkurve insofern beseitigen, als es sich herausstellte, dass die Vaguswirkung auch am Säugetierherzen konstante und der Hauptsache nach analoge Änderungen, d. h. die Umkehr der T-Zacke des V.E.G.s, erzeugt. Der Inhalt der vorliegenden Untersuchung lässt sich in folgenden Worten resumieren: 1. Es wird die Anschauung begründet, dass die Stromkurve des Herzens als eine Summationskurve betrachtet werden muss, und dass den Einzelzacken der Stromkurve keine selbständige Bedeutung zukommen kann. 2. Es wird eine Klassifikation der V.E.G.e des Frosches ge- geben. 3. Der Vorhof und Ventrikel liefern ähnliche E.G.e und werden durch Vagusreizung in gleicher Weise beeinflusst; in den E.G.en der unbeschädigten Herzteile wird durch Vagusreizung die Zacke 7 vermindert resp. umgekehrt. 4. Die in 3. beschriebene Änderung beruht darauf, dass der Vagus die Erregungsdauer der abgeleiteten Punkte ändert. Diese Behauptung wird gestützt auf Versuche mit Vagusreizung bei mono- phasischer Ableitung vom Ventrikel, in welchen die Tatsache der Die Vagus- u. Muskarinwirkung auf die Stromkurve des Froschherzens. 521 Verminderung der Erregungsdauer der basalen Teile des Ventrikels gegenüber der Spitze klar hervortritt. 5. Der Demarkationsstrom des partiell beschädigten Ventrikels steigt während des Vagusstillstandes des Herzens; diese Steigerung, die mit keiner mechanischen Erschlaffung des Ventrikelmuskels einherzugehen braucht, hängt dennoch in erster Linie mit dem Still- stande als solchen zusammen. 6. Die Muskarinwirkung bei lokaler Applikation auf den Sinus bewirkt im V.E.G. dieselbe Veränderung wie die Vagusreizung; diese Behauptung wird gestützt durch Versuche mit Muskarinwirkung auf unbeschädigtes, beschädigtes Herz, sowie auf das durch künst- liche Reize in Tätigkeit gebrachte Herz. Durch näheres Eingehen auf die Bedingungen und den Sinn der Versuche wird die Möglich- keit einer direkten Wirkung des Giftes auf den Ventrikel in obigen Versuchen in Abrede gestellt. 7. Bei direkter Ableitung der Herzströme vom Säugetierherz (Katze) bekommt man der Hauptsache nach dieselbe Veränderung des V.E.G.s durch Vagusreizung wie beim Frosch, d. h. die Umkehr der T-Zacke. Erklärung der Tafelfiguren. (Tafel XNXII—XXV.) Sämtliche Figuren werden von links nach rechts gelesen. Die Stromkurven sind bei 800 maliger Vergrösserung mit dem Saitengalvanometer (grosses Modell von Edelmann) aufgenommen. Fig. 7. Froschherz. Ableitung vom Ventrikel (Basis und Spitze). Wirkung der Vagusreizung auf das unbeschädigte Herz. Fig. 8. Dasselbe Herz. Der linke Teil der Figur zeigt die Eichung. 25 Milli- volt erzeugen etwa einen 10 mm hohen Ausschlag. Der rechte Teil der Figur gibt die Vaguswirkung auf das Herz nach Beschädigung der Spitze desselben. Fig. 9. #Froschherz. Vagusreizung bei monophasischer Ableitung (beschädigte Ventrikelspitze) mit langem Stillstand. Fig. 10. Froschherz. Vagusreizung bei monophasischer Ableitung (Beschädigung des basalen Ventrikelteils). Fig. 12. Eichung: 10 Millivolt entsprechen einem Ausschlag von 13 mm. Frosch- herz. Im linken Teil der Figur Reizung des Vagus vor der Beschädigung des Herzens. Wirkung des Vagus auf das E.G. des Vorhofes und Ventrikels. Im rechten Teil der Figur die Wirkung des Vagus nach Beschädigung der Spitze. Senkung der Nulllinie während des Vagusstillstandes. 5223 A. Samojloff: Die Vagus- u. Muskarinwirkung auf die Stromkurve etc. Fig. 15. Eichung: 10 Millivolt erzeugen einen Ausschlag von 10 mm. Frosch- herz im Stillstande nach der ersten Stannius-Ligatur. Reizung der Ventrikelbasis mit Einzelreizen; die Spitze beschädigt. Während der Reizung Abnahme der Stärke des Demarkationsstromes, während der darauffolgenden Ruhe Zunahme desselben. Fig. 16. Froschherz. Verschiedene Phasen der Muskarineinwirkung auf das V.E.G. des spontan schlagenden unbeschädigten Herzens. Fig. 17. Dasselbe wie in Fig. 16, aber mit eingestreuten Extrasystolen. Fig. 18. Froschherz. Verschiedene Phasen der Muskarinwirkung auf das V.E.G. des spontan schlagenden, an der Ventrikelspitze beschädigten Herzens. Fig. 20. Katzenherz. Wirkung des Vagus auf das V.E.G. Bag la r laulca ion. ERBE FE Sasu'nimentalahahäba! ANAKAHAFAEHSRGLUNEDL Bin Map Ski BAER 5 Ai NUN N vr I anal ns ie 2 Br SR De ji =; E SE | Es . \ se ıın n. PIE) B A NEE h ne Eon a 2 h 4 _ E = EEE Sr n me: ===: === =Zszmz=Z EEE = Bi p Ba ns Eye - _ a, =; “2 m Del 7 Er NAD ih ih = BEE HHE + He {IE INN B < 3 2 e Ze T r = #87 ; x e E x . wi $ 2 : er ; ? : 5 v . “ ei r € : » v j 1 . \ 5 ) #. z Z 2 ' : b F 2 a x E u == as an Yulaır 3 = = z = a ’ R r » 5 2 E e N D E H [ NL Eee Fe r 5 E (Aus dem physiologischen Institute der k. k. böhmischen Universität in Prag.) Ein experimenteller Beitrag zur Lehre von der individuellen Konstanz der Harnsäure beim Menschen. Von Dr. ©t. Faustka, Assistenten des Institutes. (Vorgetragen in der Sitzung der IV. Sektion des IX. internationalen Physiologen-Kongresses in Groningen am 2. September 1913.) (Mit 1 Textfigur.) Die individuelle Konstanz der Menge der in einer bestimmten Periode des nüchternen Zustandes ausgeschiedenen Harnsäure beim Menschen hat zuerst Mares!) im Jahre 1887 nachgewiesen. Die Entdeckung dieser Tatsache, welche auf eine individuell charakte- risierte Quelle der Harnsäure, das Protoplasma, hinweist, bildet den ersten tatsächlichen Grund, auf dem MareS seine Theorie über die Herkunft der Harnsäure beim Menschen aufgebaut hat. Seine damaligen ursprünglichen Versuche bezweckten, die Verhältnisse zwischen der Menge der ausgeschiedenen Harnsäure und der Menge des zu gleicher Zeit ausgeschiedenen Harnstickstoffs aufzuhellen, und haben zuerst den physiologischen Nachweis geliefert, dass die Harnsäureausfuhr beim Menschen ganz andere Verhältnisse zeigt als die des Harnstoffes, so dass diese beiden Körper verschiedenen Ur- Sprungs sein dürften, und zwar so, dass der Harnstoff aus dem ver- dauten und resorbierten Nahrungseiweiss herstammt, die Harnsäure aber aus stofflichen Änderungen im Zellprotoplasma selbst hervorgeht 2). In seiner diesbezüglichen grundlegenden Arbeit?) formuliert MareS seine Hypothese wie folgt: L’acide urique est le produit 1) F. MareS, Sur l’origine de l’acide urique chez ’homme. Arch. slaves de biol. t. 3 p. 207—226. 1887. — Sbornik lekafsky t.2 p. 1—18. 1888. 2) F. Mare$s, Der physiologische Protoplasmastoffwechsel und die Purin- bildung. Arch. f. d. ges. Physiol. Bd. 134 S. 59—102. 1910. 3) F. MareS, Sur l’origine de l’acide urique chez l’homme. Arch. slaves de biol. t.3 p. 222. 18837. Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd. 155. 35 524 Ot. Faustka: des &changes mol6culaires dans le protoplasma, dans l’albumine organisee, tandis que l’urde provient de la destruction des matieres azotees, ingerdes dans les aliments et absorbees, et de }’albumine en eireulation. Les 6öchanges mol6culaires dans le protoplasma en repos, surtout celui des cellules glandulaires, produisent une certaine quantite d’acide urique, d&ependant de Y’individualite et de l’äge du protoplasma. La quantit& d’ur6e form6e dans le m&me temps, de- pend de la quantit& des matieres azotees, inger6es et absorbees. Eine Lösung der speziellen chemischen Frage, welche Sub- stanz sich in der Zelle bei der Bildung der Harnsäure beteiligt, konnte zu dem Plan der physiologischen Untersuchungen von MareS im Jahre 1886 und 1887 nicht angehören. Dies konnte erst die spätere Forschung entscheiden. Da kam die Zeit der Arbeiten von Kossel, die den Zusammenhang zwischen Xanthin- basen und Nukleinen entdeckten, und der Untersuchungen von Horbaczewski!), dem das hohe Verdienst angehört, im Jahre 1889 und 1891 die genetische Beziehung der Harnsäure zu den Xanthinbasen und Nukleinen nachgewiesen zu haben, so dass das Nuklein der Zellen als die Muttersubstanz der Harnsäure anzusehen wäre. Infolgedessen formulierte MareS?) seine Theorie der Bildung der Harnsäure im Säugetierorganismus wie folgt: Die Harnsäure ist ein Produkt des Stoffwechsels in den lebenden Körperzellen, wobei namentlich die Nukleine der Zellenkerne be- teilist sind. Diese allgemeinen Sätze bilden das Resultat der ursprünglichen 22 Versuche, welche der genannte Autor im Jahre 1886 und 1887 an sechs in nüchternen Zustand versetzten Männern im Alter von 13—45 Jahren angestellt hat, deren Beschreibung hier kurz in seiner eigenen, in seinen beiden diesbezüglichen Arbeiten vorkommenden Schilderung wiedergegeben sei. Die Versuche begannen 12 Stunden nach der letzten Nahrungs- aufnahme und dauerten bis zur 24., einige Male bis zur 27. Stunde. Der Harn wurde in dreistündigen Perioden gesammelt. Die Harpsäure wurde nach Salkowski-Ludwig, der Gesamt- stickstoff nach Kjeldahl bestimmt. 1) J. Horbaczewski, Sitzungsber. d. kais. Akad. in Wien Bd. 98, Juli 1889; Bd. 100, April 1891. 2) F. MareS$, Zur Theorie der Harnsäurebildung im Säugetierorganismus. Sitzungsber. d. kais. Akad. in Wien Bd. 101 S. 10, Januar 1892. Ein experim. Beitrag zur Lehre von der individuellen Konstanz etc. 595 Diese Versuche ergaben, dass im nüchternen Zustande die von einer Versuchsperson ausgeschiedene Harnstickstoffmenge an ver- schiedenen Tagen in sehr weiten Grenzen bis nahezu um 100 ?/o variieren kann, dass dagegen die zur gleichen Zeit ausgeschiedene Harnsäuremenge nur wenig um einen Mittelwert herumschwankt, welcher bei verschiedenen Versuchspersonen verschieden ist und individuell so konstant erscheint, dass ihn MaresS zuerst als eine Harnsäurekonstante, „eonstante d’acide urique“ !), und so- zusagen spezifisch für die betreffende Person „pour ainsi dire sp6zifique pour chaque individue!) ?) bezeichnete. So variiert bei der Versuchsperson A die Harnstickstoffausscheidung in 15 Stunden nüchternen Zustandes an verschiedenen Tagen zwischen 6078 bis 10005 mg, die Harnsäuremenge aber erscheint zu gleicher Zeit, an ziemlich weit entfernten Tagen, ganz gleichmässig. Dass diese zeitliche Entfernung eine beträchtliche waı, sei hier besonders hervorgehoben. Die erwähnte Versuchsperson A schied am 16. Juni 1886 (Versuch I) in 15 Stunden nüchternen Zustandes 287 mg Harnsäure aus, am 14. Dezember 1886 (Versuch X]), also ein halbes Jahr später, schied sie unter gleichen Versuchs- bedingungen 273,6 mg aus. Also eine nahezu gleiche Menge von Harnsäure®?). In allen elf Versuchen, die an der Person A im Verlaufe des erwähnten halben Jahres unter gleichen Bedingungen vorgenommen wurden, hält sich die Menge der ausgeschiedenen Harnsäure sehr nahe am Durehschnittswerte von 265,9 mg, woraus sich für diese Versuchsperson ein individuell konstanter Wert von 17,7 mg Harnsäure in einer Stunde ergibt. An der Versuchsperson B wurden drei Versuche (XII—XIV) im Verlaufe eines Monates ausgeführt. Die Harnstickstoffausscheidung schwankt im nüchternen Zustande zwischen 5148—9471 mg für 15 Stunden. Die Harnsäure- menge beträgt am 27. November 1886 (Versuch XII) für 15 Stunden nüchternen Zustandes 334,2 mg, am 20. Dezember 1386 (Versuch XIV), also beinahe um einen Monat später, unter denselben Versuchs- 1) F. MareS, Sur l’oorigine de l’acide urique chez l’homme. Arch. slaves de biol. t.3 p. 212, 213, 215, 221. 1887. 2) F. MareS, Zentralbl. f. d. med. Wissensch. Jahrg. 26, 1886 S. 2. Ref. J. Munk. — E. Schreiber, Über die Harnsäure unter physiologischen und pathologischen Bedingungen S. 32. Stuttgart 1899. 3) F. Mare$, Der physiologische Protoplasmastoffwechsel und die Purin- bildung. Arch. f. d. ges. Physiol. Bd. 134 S. 64-66. 1910. £ Hi so 520 Ot. Faustka: bedingungen 369 mg, der Durchschnittswert derselben hält sich knapp um 345,8 mg oder 23 mg in einer Stunde. Die weiteren Versuche (XVI—XXU), welche an weiteren vier Männern (C.—F.) in kleineren Zeitabständen ausgeführt wurden, ergaben: für Versuchs- person C. Harnstickstoff 5674—6896 mg, Harnsäure 305,0 mg für 12 Stunden, d. h. 25.4 mg pro Stunde; für Versuchsperson D Harn- stickstoff ‘3472—6849 mg, Harnsäure 182,7 me für 12 Stunden, 15.2 mg pro Stunde; für Versuchsperson E. Harnstickstoff 2891 bis 5548 mg, Harnsäure 161,9 mg in 12 Stunden, 13,5 mg in 1 Stunde; für Versuchsperson F. Harnstickstoff 42135—6097 mg, Harnsäure 183,9 mg in 12 Stunden, 15,3 mg in 1 Stunde. „Die grossen Variationen in der Harnstickstoffausscheidung wurden absichtlich dadurch hervorgerufen, dass die Versuchsperson mit der letzten Mahlzeit, 12 Stunden vor Beginn eines jeden Ver- suches, das einemal sehr wenig, das anderemal sehr viel Eiweiss (Fleisch) zu sich genommen hatte. Der Einfluss dieser eiweissreichen Nahrung zeigte sich von der 12.—24. Stunde nach deren Einnahme noch sehr deutlich in der Harnstickstoffmenge (Harnstoff); auf die Harnsäuremenge aber war zu dieser Zeitperiode kein Einfluss mehr zu beobachten. Danach erscheint die Harnsäure- menge von der eingenommenen Eiweiss(Fleisch-)menge ganz un- abhängig zu einer Zeitperiode, wo der Einfluss dieser Eiweiss- menge auf die Menge des Harnstickstoffes (Harnstoffes) noch sehr deutlich ist“). Dies ist ein schwerwiegendes Zeugnis für eine selb- ständige Herkunft der Harnsäure, die offenbar aus einer anderen, individuell verfärbten Quelle entspringt. Diese Tatsachen wurden später, wie MareS sagt!), von anderen Untersuchern bestätigt, wiewohl (auch) unter anderen Versuchs- bedingungen. So weist Salkowski?) (nach Spilker’s im Stick- stoffgleichgewicht ausgeführten Versuchen) darauf hin, dass ein Parallelismus zwischen der ausgeschiedenen Harnsäure und Harnstoff keineswegs besteht, und setzt fort: 1) F. MareS, Der physiologische Protoplasmastoffwechsel und die Purin- bildung. Arch. f. d. ges. Physiol. Bd. 134 S. 66. 1910. 2) E. Salkowski, Über die Grösse der Harnsäureausscheidung und den Einfluss der Alkalıen auf dieselbe. (Nach Versuchen von Dr. E. Spilker.) Virchow’s Arch. f. path. Anat. u. Physiol. u. f. klin. Med. Bd. 117 8.570 bis 581. 1889. Ein experim. Beitrag zur Lehre von deı individuellen Konstanz etc. 597 „Diese Erfahrungen sprechen sehr zugunsten der Ausicht von MareS, dass die Quantität der Harnsäure ihrem grösseren Teile nach einen persönlichen individuellen Wert dar- stellt, der von der Nahrung nur wenig beeinflusst wird. Nach seiner Ansicht bildet sie sich nur aus dem organischen Eiweiss, nicht aus dem Nahrungseiweiss, wenn dieses den Stoffwechsel- voreängen verfällt, ohne vorher organisiert zu sein.“ Im weiteren zeigt er auf die bedeutenden Schwankungen des Verhältnisses Harn- säure : Harnstoff in den älteren Angaben, in welchen doch gleichfalls ein Argument dafür liegt, „dass die Quantität der ausgeschiedenen Harosäure von im Individuum selbst, nieht in der Nahrung liegenden Verhältnissen abhängt.“ Einen sehr untergeordneten Einfluss der Eiweisszufuhr auf die Grösse der (täglichen) Harnsäureausfuhr deduziert Salkowski da- selbst!) aus den Mittelwerten, welche er hier aus Hirschfeld’s?) zu anderen Zwecken angestellten Versuchen berechnet. Hirsch- feld’s Versuche wurden in fünf Reihen ausgeführt, und die Mittel- werte der Harnsäure pro Tag zeigen nur geringfügige Schwankungen. Weiter rät dann Salkowski. sieh für klinische Zwecke um die Relation zwischen Harnsäure und Harnstoff überhaupt nicht mehr zu kümmern und statt dessen auf die absolute Grösse der täglichen Harnsäureexkretion zurückzugehen. Im Autoreferate ?) über diese seine und Spilker’s Arbeit bezeichnet Salkowski die Harnstoffausscheidung als in höchstem Grade abhängig von der Grösse der Eiweisszufuhr; von der Harnsäureausscheidung drückt er sich fulgendermaassen aus: „Die absolute Grösse derselben ist ohne Zweifel individuell, wie aus jetzt schon ziemlich zahlreichen, nach suten Methoden ausgeführten Bestimmungen hervorgeht.“ Ähnlich urteilt auch Noorden*), welcher in seinem Lehrbuch bei den Er- wägungen über die Schwankungen des Quotienten Gesamt-N und Gesamt—N somit seine Unverlässlichkeit als — —— — — Maassstab über die Harnsäure— N 1) E. Salkowski, 1. c. S. 574. 2)". Hirschfeld, Beiträge zur Ernährungslehre des Menschen. Virchow’s Arch. f. path. Anat. u. Physiol. u. f. klin. Med. Bd. 114 S. 301—340. 1888. 3) E. Salkowski, Über die Grösse der Harnsäureausscheidung und den Einfluss der Alkalien auf dieselbe. Autoreferat im Zentralbl. f. d, med. Wissen- schaften Jahrg. 28 S. 360— 361. 4) C. v. Noorden, Lehrbuch der Pathologie des Stoffwechsels S. 54—53. Berlin 1893. 528 Ot. Faustka: Harnsäureausscheidung zu dienen sich äussert: „Einen besseren Maassstab gewährt die absolute Menge der Harnsäure. Es wird jetzt von verschiedenen Seiten (MareS, Salkowski), wie mir nach eigenen Erfahrungen scheint — mit Recht gelehrt (von mir unter- strichen), dass für die Menge der Harnsäure individuelle Verhältnisse an erster Stelle maassgebend sind. Der eine menschliche Organismus liefert stets hohe, der andere stets kleine Harnsäurewerte; die Zähie- keit, mit welcher an denselben festgehalten wird (Hirschfeld!) imponiert viel mehr als die kleinen Änderungen, welche man durch Wechsel der Nahrung, des Getränkes usw. erzwingen kann.“ Auch in der Abhandlung daselbst über die physiologische Beeinflussung der Harnsäureausscheidung durch die Nahrung erwähnt er, dass „neue Gesichtspunkte für die Beziehungen zwischen Nahrung und Harnsäure sich ergeben aus den Untersuchungen von MareS und Horbaczewski“ und sagt: „Nach MareS stellt sich die Harn- säureausscheidung ca. 13 Stunden nach der letzten Mahlzeit, also im nüchternen Zustande auf einen zwar individuell verschiedenen, aber für jedes Individuum von Stunde zu Stunde (es ward bis zur 27. Stunde untersucht) zunächst konstant bleibenden Minimalwert ein.“ „Aus diesem Minimalwert erhebt sich die Ausscheidung 2—5 Stunden nach einer Mahlzeit — um das Doppelte und Dreifache pro Stunde nach Fleischgenuss, (um ein geringeres nach vegetabilischer Kost.“) (Von mir eingeklammert, da in den Versuchen von MareS der Einfluss der vegetabilischen Kost nicht geprüft wurde.) Die von MareS herrührende Erkenntnis der individuellen Kon- stanz ist somit zu einer Lehre geworden, wie dies auch weiter aus Schreiber’s') Monographie über die Harnsäure einleuchtet. Nach Schreiber hat zwar „die Theorie Mare$, dass die Ur aus mole- kularen Veränderungen des Zellprotoplasmas, insbesondere der Ver- dauungsdrüsen, entstehe, wohl nie ernste Anerkennung gefunden‘ ; aber derselbe führt an, „dass die Grösse der Harnsäureausscheidung individuell sehr verschieden, für das einzelne Individuum aber kon- stant, ‚fast spezifisch ist‘, haben uns die Untersuchungen MareS’s gelehrt,“ und meint, „man könnte diese (d. i. die individuell kon- stante Menge der Harnsäure ausdrückende) Zahl weit eher als ‚indi- viduelle Mittelzahl‘ bezeichnen“. Des weiteren waren es insbesondere 1) E. Schreiber, Über die Harnsäure unter physiologischen und patho- logischen Bedingungen S. 31, 32, 81. Stuttgart 1899. Ein experim. Beitrag zur Lehre von der individuellen Konstanz ete. 529 Burian und Sehur!), die auf Grund eigener Versuche die Lehre von der individuellen Konstanz der Harnsäureausfuhr bekräftigten. Ihre diesbezüglichen Versuche wurden zwar im Stickstoffsleichgewicht bei fixer Lebensweise unter abermaliger Aufnahme einer purinfreien Kost während des Tages ausgeführt, jedoch sie wurden Ähnlich wie die Versuche MareS’s an demselben Individuum in weit auseinanderliegenden Zeitpunkten, im Mai (August) resp. November 1899 angestellt. Die eine Reihe der Versuche (vom Mai) lieferte als Mittelwert des täglich eliminierten Harnpurin — N 0,199 g, die andere (vom November), nach 5 Monaten, brachte 0,200 & als Mittelwert für die 24stündliche endogene Harnpurin - N - Menge, welche Zahl auch mit der Mittelzahl der Augustexperimente, die unter vegetabilischer Diät geschahen, übereinstimmte,. Dadurch veranlasst, singen die genannten Autoren so weit, dass sie sich nicht nur für die individuelle Konstanz des endogenen Harnpurinwertes aus- sprachen, sondern denselben sogar für ein und dasselbe Indi- viduum alseine physiologische Konstante bezeichneten. Weitere Belege für die individuelle Konstanz der Harnsäure- ausfuhr unter sonst gleichen Verhältnissen, auch bei mehrmaliger Nahrungsaufnahme während des Tages, findet man in den Arbeiten einer ganzen Reihe anderer Forscher: Minkowski?), Schreiberund Waldvogel?°), Siv&n*), besonders Rockwood?), der an einem Individuum 6 Serien von Bestimmungen zu verschie- denen Zeitperioden eines ganzen Jahres, an einem anderen 2 an- nähernd zwei Monate von einander entfernte Serien ausführte, u.a. Die individuelle Konstanz der Harnsäure im nüchternen Zustande mit einmaliger purinfreien Nahrungsaufnahme während 24 Stunden bezeugen zwei Versuche Smetänka’s®), die zu anderen Zwecken an einem und demselben Individuum im Zeit- abstand von 7 Wochen ausgeführt wurden, und wo im ersten 378,7 mg, 1) R. Burian und H. Schur, Über die Stellung der Purinkörper im menschlichen Stoffwechsel. Arch. f. d. ges. Physiol. Bd. 80 S. 241. 1900. 2) O. Minkowski, Arch. f. exper. Path. u. Pharm. Bd. 41 S. 403. 1898. 3) Schreiber und Waldvogel, Arch. f. exper. Path. u. Pharm. Bd. 42. 1899, 4) V.O. Siven, Skandin. Arch. f. Physiol. Bd. 11 S. 123. 1901. 5) E. Rockwood, Americ. Journ. of Physiol. vol. 12 p. 38. 1904. 6) F. Smetänka, Zur Herkunft der Harnsäure beim Menschen. Arch. f. d. ges. Physiol. Bd. 138 S. 226, 229, 267. 1911. 530 Ot. Faustka: im zweiten 370,2 mg Harnsäure,’ also nur etwa um 2°/o weniger, ausgeschieden wurden, welcher Umstand demselben Autor nicht entging. Wir werden dieser Versuchsanordnung noch bei eigenen Versuchen im Sinne der Lehre von der Harnsäurekonstanz begegnen. Die am Anfange dieser Arbeit angeführten allgemeinen Sätze von MareS über die Herkunft der Harnsäure bei Menschen ent- halten die Beantwortung der Frage, die sich der genannte Autor legte!), nachdem er deren Konstanz feststellte: mit welchen Um- ständen könnte die bei verschiedenen Personen verschiedene in- dividuelle Grösse des Harnsäurewertes zusammenhängen ? Wenn sie mit der Aktivität des Protoplasma im Zusammenhang wäre, so könnte das Alter der Versuchspersonen und die durch dasselbe bedingte Änderung der Aktivität von Einfluss sein. Dieser seinen Erwägung entsprechend stellte MareS seine Versuchsergebnisse in eine Tabelle zusammen, wobei er den individuellen Harnsäurewert jeder Versuchsperson für 1 kg Körpergewicht und 24 Stunden be- rechnete und diese Werte nach dem Alter der Versuchspersonen ordnete ?). Diese Tabelle gestaltete sich folgendermaassen: er E Harnsäure- Versuchs- Alter Be wert für 1 kg person se | 24 Stunden Jahre kg | mg E 13 38 |.378,53 F 16 zal | 3,96 D 16 58 6,29 B 26 56 | 9,86 C 30 70 | 8,78 A 45 57 7,40 Wenn man vorläufig von der Versuchsperson D absieht, so kanu man aus der Tabelle ein Steigen des individuellen Harnsäure- wertes bis zum 26. Lebensjahre, also bis zur Vollendung des Wachs- tums, herauslesen und dann mit steigendem Lebensalter ein Herabsinken desselben und dieses Verhältnis mit der Körper- entwicklung in Zusammenhang bringen. Aber „zur Behauptung 1) F. MareS, Sur l’origine de l’acide urique chez l’homme. Arch. slaves de biol. t.3 p. 215, 216, 218, 226. 1887. 2) F. MareS$, Der physiologische Protoplasmastoffwechsel und die Purin- bildung. Arch. f. d. ges. Physiol. Bd. 134 S. 68. 1910. Ein experim. Beitrag zur Lehre von der individuellen Konstanz etc. 531 eines solchen Verhältnisses genügen diese Versuche nicht; es müssten solche Versucheaneinerundderselben Versuchsperson im verschiedenen Alter angestellt werden, was nicht leicht zu verwirklichen ist“!), sagt MareS (die Unterstriche rühren von mir her). Bei der Person D, welche eine zum Körpergewicht übermässige Körperlänge (58 ka — 1,72 m) und somit ein Übergewicht des Skelettes über die parenchymatösen Organe aufweist, ist jenes Ver- hältnis durch ungleichmässige Entwicklung im Vergleiche zu der auch im 16. Lebensjahre stehenden Person F verdeckt, so dass ihr niedriger Harnsäurewert sich eben wieder aus dem Zusammenhange mit der Tätigkeit der protoplasmatischen Organe begreifen liesse. Die Aktivität des Protoplasmas ist wohl bei der Bildung und dem Wachstum des Körpers am intensivsten. Im Einklange damit fand MareS wohl als erster die Harnsäure- produktion beim Neugeborenen tatsächlich ungemein gross”). Seine diesbezüglichen Untersuchungen an den Neugeborenen von den ersten Lebensstunden bis etwa zum 14. Lebenstage ergaben, dass in den ersten Lebensstunden mehr als 8°o des gesamten Harnstickstoffes in Form von Harnsäure ausgeschieden werden, während dieses Ver- hältnis beim Erwachsenen kaum 2° erreichen dürfte. In den folgenden Tagen sinkt dieses Verhältnis, die Harnsäureproduktion vermindert sich. Diese Befunde an den Neugeborenen, wo das Wachstum am raschesten ist, wo eine rasche karyokinetische Zellvermehrung zweifels- ohne stattfindet, wo die Aktivität des Protoplasmas im Vergleiche zu derjenigen eines erwachsenen Organismus als eine gesteigerte, erhöhte aufzufassen ist, ergeben im allgemeinen die Tatsache: mit der Steigerung der physiologischen Tätigkeit der Körperzellen, soferne dieselbe mit molekularen, stofflichen Änderungen im Proto- plasma zusammenhängt, steigt die Harnsäurebildung ?). Speziell ist diese Tatsache dort zu bemerken, wo man die Zellen bestimmter Organe experimentell zu einer erhöhten Tätigkeit 1) F. Mares, TI’er physiologische Protoplasmastoffwechsel und die Purin- bildung. Arch. f. d. ges. Physiol. Bd. 134 S. 69. 1910. 2) F. Mares, Sur l’origine de l’acide urique chez ’homme. Arch. slav. de biol. t.3 p. 217. 1887. — Der physiologische Protoplasmastoffwechsel und die Puriubildung. Arch. f. d. ges. Physiol. Bd. 134 S. 69. 1910. 3) F. MareS, Arch. ?. d. ges. Physiol. Bd. 134 S. 98 u. 99. 1910. 532 Ot. Faustka: anregen kann, welche sich eben durch sichtbare stofflichen Änderungen im Protplasma kundgibt. Dies ist bei den Verdauungsdrüsen der Fall, welche man auf natürliche Weise durch Nahrungsaufnahme zur Tätigkeit anregen kann, wonach eine Steigerung der Harnsäure- ausfuhr eintritt. Somit sind wir zu der zweiten tatsächlichen Grund- lage der Theorie von MareS gekommen: zur Harnsäurevermehrung nach dem Fleischgenuss, welche ihrem zeitlichen Verlaufe nach mit der Tätiekeit der Verdauungsdrüsen einhergeht, wogegen sich die damit verbundene Harnstickstoffvermehrung später einstellt und länger währt. Die Resultate der späteren Forscher, die nach Darreichung einer purinfreien Nahrung keine Harnsäurevermehrung zu finden glaubten und so den Einwand erhoben, dass dieselbe von den Nahrungspurinen herrührt, sind durch die Arbeit Smetänka’s!) entkräftet worden, welcher mit einwandfreier Methode den Nachweis lieferte, dass tatsächlich auch purinfreie Nahrungsstoffe, besonders die Proteine, eine deutliche Harnsäuremehrung hervorrufen, wodurch der zweite tatsächliche Grund der Theorie von MareS befestigt und erweitert wurde. Endlich kommen wir zu dem dritten faktischen Grund dieser Theorie: zu der Harnsäurevermehrung nach der in acht Versuchen bei vier Personen künstlich durch das Pilokarpin hervor- serufenen Drüsentätiekeit, wobei die zeitlichen Verhältnisse ent- sprechen, und wobei auch der spätere Nachweis eines den intensiven Nukleipmetabolismus bezeugenden nukleinhaltigen Sekretes aus dem Pankreas bei dieser Tätigkeit schwer zugunsten der Theorie ins Gewicht fällt. So konnte MareS wirklich die ausgeschiedene Harn- säuremenge für ein Maass des physiologischen Stoffwechsels, „la mesure des &changes mol6culaires du protoplasma“ ?), halten. Wenden wir nun wieder die Aufmerksamkeit der Tatsache der individuellen Konstanz der Harnsäuremenge beim Menschen zu, welche von MareS zuerst im nüchternen Zustande nachgewiesen wurde, und welche die erste faktische Grundlage seiner Theorie der Ent- stehung von Harnsäure beim Menschen bildet. Wie wir gesehen haben, ist der Erkenntnis von der Konstanz der Harnsäure eine fast 1) F. Smetänka, Zur Herkunft der Harnsäure beim Menschen. Arch. f. d. ges. Physiol. Bd. 138 S. 217—274. 1911. 2) F. Mare$, Sur l’origine de l’acide urique chez l’homme. Arch. slaves de biol. t. 3 p. 226. 1837. Ein experim. Beitrag zur Lehre von der individuellen Konstanz etc. 533 alleemeine Anerkennung zuteil geworden — Ausnahme macht viel- leicht nur Folin!) —, so dass sie als eine Lehre betrachtet werden kann. Obzwar sie als eine solche keine überzähligen Beweise braucht, würden doch immer Experimente von Interesse und Wichtig- keit sein, die an einem und demselben Individuum unter vollständig gleichen Versuchsbedingungen in möglichst grossen Zeitabständen ausgeführt wären. Am idealsten wäre es, solche Experimente an derselben Versuchsperson in verschiedenem Alter, von der Jugend an bisin das Greisenalter, an- zustellen. So könnte man vielleicht dann behaupten, dass das aus der oben angeführten Tabelle, die eine Vergleichung der individuellen Harnsäurewerte nach dem Alter und dem Körpergewicht der Versuchspersonen darstellt, erschlossene Steigen des individuellen Harnsäurewertes bis zum 26. Lebensjahre, das Herabsinken desselben mit dem Fortsehreiten des Lebensalters — und diesen Umstand durch die Körperentwicklung — durch die im Alter sich ändernde Aktivität des Protoplasmas zu erklären ist. Zu solehen Erwägungen veranlassen auch die Resultate Tano’s?), dessen Arbeit mir als Dissertation im Original nicht zugänglich war. Aber nach der Beschreibung bei Schreiber fand er gelegentlich der Untersuchung über den Leukocytengehalt des Blutes und die Harnsäuremenge im Harn in den verschiedenen Lebensaltern, dass die Ur-menge in der ersten Lebenszeit relativ hoch ist, dann fällt, um gegen das 20. Jahr wieder zu steigen; zwischen dem 20. und 30. Lebensjahre erreicht sie die grösste Höhe und nimmt dann wieder ab. („Es werden noch weitere Untersuchungen in dieser Richtung nötig sein“, bemerkt Schreiber.) Solche Experimente sind, wie schon erwähnt, vorläufig nicht leicht zu verwirklichen. Eine Konstanz ist um so fester, in je grösserer zeitlichen Distanz ihre Feststellung an einem und demselben Subjekte unter sonst gleichen Verhältnissen stattfindet. Deswegen habe ich schon am Anfang den beträchtlichen Zeitabstand der ursprünglichen Versuche Mare5S’ hervorgehoben. Aus diesen allgemeinen Gründen ver- suchte ich es, einen von den Männern, die bei den ursprünglichen Untersuchungen MareS’ im Jahre 1886 als Versuchspersonen dienten, 1) Folin, The Americ. Journ. of Physiol. vol. 13 p. 66. 1905. 2) Schreiber, Über die Harnsäure unter physiologischen und pathologischen Bedingungen S. 30. Stuttgart 1899. 534 Ot. Faustka: zu einer neuen Versuchsreihe zu bewegen. Dies gelang im Jahre 1911, also nach 25 Jahren. Speziell verfolgte ich dann noch einen Gedankengang an- sesichts der neuen Versuche an diesem aus der damaligen Reihe noch zugänglichen Subjekte. Es war der Mann A, an dem viele, zusammen elf Versuche, angestellt wurden. Damals im Jahre 1836 stand er im Mannesalter von 45 Jahren. Nun im Jahre 1911 ist er ein 7TOjähriger Greis. Was die qualitativen Verhältnisse (les Stoffwechsels im Greisenalter anbelangt, sind keine Abweichungen von dem des Mannesalters bekannt; über die quantitativen Ver- hältnisse gibt es aber ziemlich spärliche Angaben. Ausser den drei Fällen Limbeck’s!), deren Resultate sich widersprechen, da in einem die Menge der Harnsäure zu hoch, im Mittel 1,23 g, in den zwei anderen niedrige oder normale Mengen 0,14—0,28 g waren, ist so viel wie gar nichts bekannt, so dass man sagen kann, dass das Verhalten der Harnsäureausscheidung im Greisenalter noch zu unter- ‘suchen ist. Und zu dieser Frage wollte ich experimentell auch beitragen. Ich fragte mich dabei, wenn ich die Ausscheidung der Harnsäure, im Lichte der Claude-Bernard’schen Auffassung der Lebensvoreänge, als einen dissimilatorischen Vorgang betrachten soll, ob ich nicht im Greisenalter, welches sieh durch eine vermehrte Dissimilation im Verhältnis zur Assimilation auszeichnet, eher eine Vermehrung statt eine Verminderung der Harnsäureproduktion er- warten könnte? Und ob die neue Versuchsreihe in dieser Auf- fassung einen Beitrag zur Physiologie des Alters nicht liefern könnte ? Was die Anordnung der neuen Versuchsreihe anbelangt, sei hier auf folgendes aufmerksam gemacht. Diesmal wurden nur Tagesversuche von zwölfstünd- licher Dauer angestellt. Dies geschah erstens deswegen, damit die nächtlichen Schwankungen der Harnsäureausscheidung aus- geschlossen werden. Denn, wie bekannt, sind die Mengen der Harn- säure, die in dreistündigen Phasen einer zwölf- bis fünfzehnstündlicher Periode des nüchternen Zustandes ausgeschieden werden und zusammen für jede Versuchsperson eınen konstanten Wert aus- machen, nicht gleichmässig; die abendlichen und nächtliehen Harn- säuremengen sind geringer als die während des Tages ausgeschiedenen, 1) C. v. Noorden, Handbuch der Pathologie des Stoffwechsels, 2. Aufl., Bd. 1. 1906. Daselbst Magnus-Levy, Physiologie des Stoffwechsels. G. Der Stoffwechsel im Greisenalter 8. 472. Ein experim. Beitrag zur Lehre von der individuellen Konstanz etc. 535 wobei der Höhepunkt in die Vormittagsstunden fällt, so dass man von einer physiologischen Retention der Harnsäure sprechen kann. Die Verhältnisse, auf die Siv&en!) zum ersten Male aufmerksam machte, wurden von allen Autoren, die sich mit der Harnsäure- ausscheidung phasenweise beschäftigten, bestätigt. So von Pfeil), Rockwood?°), Leathes®), Hirschstein’), Kennaway‘), Sme- tänka’). Zweitens geschah das aus Rücksicht auf die Bequemlichkeit der nunmehr bejahıten Versuchsperson. Deswegen wurde auch die Versuchsdauer auf 12 Stunden beschränkt. Die Versuchsperson wurde in nüchternen Zustand versetzt, da die letzte Nahrungs- aufnahme 12 Stunden vor Anfang des Versuches, immer um 6. Uhr abends an dem Tage zuvor, stattfand. Der eigentliche Versuch fing um 6 Uhr früh an und endete um 6 Uhr abends. Da mir die Protokolle vom Jahre 1886 zur Verfügung standen, konnte ich bei der- Versuchsperson alles genau so einrichten, wie es vor 25 Jahren war. Aus den angeführten Gründen müssen nun aus der Reihe von XI 15stündigen Versuchen aus dem Jahre 1886, die da als Kontroll- versuchsreihe angeführt sind, die zwei nächtlichen Versuche Nr. III und IV ausgeschlossen werden und die zwölfstündigen Gesamt- mengen aus den korrespondierenden Phasen berechnet werden. Es folgen nun die Originaltabellen der neun Tagesversuche aus dem Jahre 1886°), die nun nicht nur die dreistündigen Phasen und die 15stündieen Gesamtmengen, sondern auch die zwölfstündigen Ge- samtmengen der Harnsäure enthalten. Eine Übersichtstabelle von diesen zwölfstündigen Werten samt dem Durehschnittswerte für 1 Tag und 1 Stunde ist beigefügt. Versuche vom Jahre 1856. Versuchsperson A. Mann von 45 Jahren. Körpergewicht 57 ke. Körperlänge 1,57 m. Anfang der Versuche immer um 6 Uhr früh. 1) V. O. Siven, Skand. Arch. f. Physiol. Bd. 11 S. 123. 1901. 2) P. Pfeil, Zeitschr. f. physiol. Chemie Bd. 40. S.1. 1903/4. 3) E. Rocwood, Americ. Journ. of Physiol. vol. 12. p. 46, 47. 1904, 4) I. B. Leathes, Journ. of Physiol. vol. 35. p. 125. 1907. 5) L. Hirschstein, Arch. f. experim. Pathol. u. Pharmakol. Bd. 57. 8.229. . 1907. 6) E. L. Kennaway, Journ. of Physiol. vol. 38. p. 1. 1908. 7) F. Smetänka, Arch. f. d. ges. Physiol. Bd. 133 S. 217. 1911. 8) F. Mares, Sur l’origine de l’acide urique chez ’homme. Arch. slaves de biol. t.3 p. 208. Paris 1887. Ot. Faustka: I. 16. Juni 1886. | Gesamt- | Gesamt- [Anteil der : Tages- | Harn- | Harn- | mence in | Harn- | menge in | Harnsäure Zahl zeit menge stickstoff | 12 Stdn säure | 12 Stdn, [4 Fesamt- | : | “ | stickstoff Uhr cem mg 2. .mg mg | mg %/o 1l, 6—9 490 | 1594 } 94,0 | 1,65 2. 9—12 260 | 1492 83,7 - 1,87 3». | m-83 | 20 Dee 0.90 4. 3-6 440 | 1897 |) 345 |) 0,82 b) 6—9 17022] 1010 391) 1,29 In 15 Stunden . | 1400 | 7114 = 287,0 — | A I. 22. Juni 1586. Gesamt- Gesamt- [Anteil der Tages- | Harn- Haro- | mengein | Harn- menge in Harnsäure Zahl eit menge stickstoff säure s a. Gesamt- zel 5 | 1 | 12 Stdn. | ur 12 Stdn. tickstaß Uhr ccm me | mg mg mg 0/0 Pareo |, 050 | 1508 46,0 } 1,03. 2. 9—12 180 1274 Ü 56,9 ganE 1,48 3. |1ı23 | 30 | 119 5187 | 595 | 290,5 1.77 A 6 |2200. | 1985 8 1.) 1.77 9. 6—9 130 1114 35,2 1,65 In 15 Stunden . | 970 6301 9 0 V. 20. Oktober 1886. = — — — | | ; = | Gesamt- Gesamt. | Anteil der Tages- Harn- Harn- menge in | arn menge in Harnsäure Zahl eit e sti kstoff | | säure | Y £ a. Gesamt- zei meng IC 12 Stdn. ur 12 Stdn. SHickstort mg ccm mg mg mg | mg 0/0 | l = ji 6-9 230 1998 66,7 | \ 1,11 2. 9—12 256 1796 f 54,9 a 1,00 2. |2 8 | 0a men 1.06 4. 3—6 212 1392 J 4715 |) 1,13 5 69 90 1006 28.6 0,84 In 15 Stunden . | 992 7640 8. 243,4 — 0], 106 VI. 3. November 1886. | ' Gesamt- Gesamt- |Auteil der Tages- | Harn- | Haru- men ssän | Haro- .) menge in Harnsäure Zah it | stickstoff | 5 | a. Gesamt- zei menge | stickstoff| 12 Stdn. | säure | 12: Stdn. |" Auto Uhr ccm me] mg | mg mg 0/o 1. eg | 23 2436 1 | 85,1 | 1,16 2. 9—12 150 | 1768 ONE EER 0,95 3.1 108 1, me | 1 a 1,32 4. 36 102. |. 1466: | 250,15) 1,14 ee a ra \ 445 1,16 In 15 Stunden . | 662 saes Al 1799018 = Ein experim. Beitrag zur Lehre von der individuellen Konstanz etc. VII. 16. November 1886. 997 Anteil der 22 ER Gesamt- _ | Gesamt- ee za | ze | menge |sichson | menge in | anne | menge in | Gr Mi 5 & söm; i 3 12 Stdn. ı 12 Stdn, | stickstoff Uhr ccm mg mg mg | mg 0/0 | | 11 6—9 210 1712 18,5 | | 1,52 2: 9—12 147 1377 i 5%7 | 91: 1,42 sel 1253 |. 100. .|° 1176 A | 1.49 4. 3—6 74 900 7 25,2 | 0,93 5. 6—9 62 940 | 464 | 1,64 In 15 Stunden . | 593 ans 261,5 = VIH. 23. November 1586. Be Yesamt. [Anteil der Tages- | Harn- Harn- al Harn- Samt Harnsäure Zahl zeit menge |stickstoff | 10 8 0 | gäure | 10186 IN (a. Gesamt- = 12 Stdn. 12 Stdn. |" stiekstoff Uhr ccm mg mg mg mg 0/9 I: 6—9 276 2658 | 71,8 0,39 2. 912 | 242 2127 Be 712 1,11 3 [| ee ee 4. 3—6 160 1536 |) |. 45,8 0,99 5. 69 90 1278 39,9 1,04 In 15 Stunden . | 994 9432 289,7 N8% IX. 30. November 1S86- Sesamt- lesamt- | Anteil des Tages- | Harn- Harn- Gesamt Harn- er Harnsäure Zahl zeit menge stickstoff BeuBE nm | säure | 10 8. “ a. Gesamt- = 12 Stdn. 12 Stdn. stickstof Uhr ccm mg mg mg mg Ile 6—9 150 2169 | 64,8 } % 0,99 9. 912 90 1602 Br SO 1,22 le 86 | 1559 Bau la os a 3-6 32 1438 45 |) 1.14 3. 6—9 66 1300 44,1 113 In 15 Stunden . | 474 8068 275,4 I X. 6. Dezember 1886. Deren | Anteil der Tages- | Harn- Harn- Gang Harn Sean Harnsäure Zahl zeit menge | stickstoff a Mm | säure | menge IN |. Gesamt- 12 Stdn. | 12 Stdn. | stickstoff Uhr ccm mg mg mg mg | 0/o NE 6—9 150 1777 65,9 |) 1,23 2. 9—12 94 1324 P 52,8 ne 1,33 ae 2 1947 en | 2106 1,35 DE 74 1157 418 |] 1.0 5. 6—9 59 1038 30.0 0,96 In 15 Stunden . | 459 6543 | 240,6 795 538 Öt. Faustka: XI. 14. Dezember 1586. | Gesamt- Gesamt- | Anteil der Tages- | Harn- Harn- menge in Harn- | menge in Harnsäure Zahl! zeit menge | stickstoff h säure | a. Gesamt- Z ge | | 12 Stdn. aus 1. 120Stdn | eistor Uhr ccm | mg mg mg mg 0/0 1 gr 260 | 3086 | 764 | 0,82 2. 9—12 214 23950 | ol‘ Haar 0,88 ee | 8815 | 405 | 2887 0.83 4. 3-6 90 | 1522 | 489 | 1,07 5. 69 64 | 1240 899 | 1,06 In 15 Stunden „| 776 2005 = ee een Übersichtstabelle der neun Tagesversuche an der Person A vom Jahre 1886, mit Beschränkung auf die zwölfstündigen @esamtwerte der Harnsäure. Datum Nummer T 3 Harnsäure- ageszeit menge für des des 12 Stunden Versuches Versuches Uhr mg 16. Juni I 1 247,9 DD, ah 230,5 20. Oktober V Immer von 214,8 3. November VE 6 Uhr früh 246,3 16. = vu bis 215,1 28. „ vmI £ 249,8 30. - IX 6 Uhr abends 231,8 6. Dezember X 210,6 14. h xI 233,7 N | 2080,0 In neun Versuchen zu 12 Stunden zusammen 2080,0 mg Harnsäure ausgeschieden (: 9). In einem Versuche, oder: für 12 Stunden durchschnittlich ar een 231,1- ;, x 5 : 12). In 1 Stunde durchschnittlich . . 192 „ a 5 In 24 Stunden durchschnittlich für 1 kg Körpergewicht } SE ” ” Über die Versuche aus dem Jahre 1911, die jetzt folgen werden, sei noch bemerkt, dass der Harn auch in dreistündigen Phasen ge- sammelt und analysiert wurde. Die Bestimmungen der Harnsäure geschahen nach Salkowski-Ludwig, die des Gesamtstickstoffes nach Kjeldahl, konform mit den Versuchen aus dem Jahre 1886. Die Versuchsperson A, Staatsbediensteter J. K., fühlt sich und ist in seinem 70. Lebensjahre noch gesund, hat entsprechenden Appetit, wobei ihm sein noch vollständiges, musterhaftes Gebiss gute Dienste leistet, lebt regelmässig, ist entsprechend arbeitsfähig. Ein experim. Beitrag zur Lehre von der individuellen Konstanz etc. 539 Versuche vom Jahre 1911. Versuch 1. 29. April 1911. Mann A, 70 Jahre, Körpergewicht 57 kg 350 g, Körperlänge 157 em. An dem Tage vor dem Versuche (28. April) Frühstück (1 Tasse weissen Kaffee, 1 Kipfel) um 6Ys Uhr früh. Um 11 Uhr Mittag- essen, bestehend aus Kartoffelsuppe (ohne Rindsuppe) und Sterz. Nachtmahl um 5 Uhr 20 Min., Kartoffelsuppe und 243,3 g weichen Topfens und genug Trinkwasser. Um 5 Uhr an demselben Vorver- suchstage Blasenentleerung, um 6 Uhr dasselbe in die Mensur, wo- bei die Analyse ausfällt: 28. April 1911, 5—6 Uhr nachm., Harnmenge 136 eem, Gesamt- stickstoff 441,7 mg. Anfang des Versuches am 29. April durch Blasenentleerung um 6 Uhr früh. | ' Anteil der ee erst Harn- ee Harnsäure Zahl ageszeit arnmenge stickstoff | arnsäure am Gesamt- stickstoff Uhr ccm mg | mg 0/0 iE | 6-9 175 1449,7 821 | 140 2. 9—12 158 | 336,2 62,88 1,57 3. 12—3 130 | 11793 59,69 1,69 4. 3—6 104 ı 1056,15 51,45 1,62 In 12 Stunden ....| 5867 5021,35 | 2378 | 157 Ingei2Stunderdurchsehnittliehn ©. m sn ...2. 19,7 In 24 Stunden für 1 kg Körpergewicht . ...... 8,27 Versuch 2. 19. Mai 1911. Mann A, 70 Jahre, Körpergewicht 57 kg, 260 g, Körperlänge 157 em. Am Vorversuchstage um 6"/s Uhr weissen Kaffee und 1 Kipfel sefrühstückt. Mittagmahl um 11 Uhr: Kartoffelsuppe, Knödeln mit Butter. Nachtmahl um 5 Uhr 35 Min.: Kartoffelsuppe, um 5 Uhr 50 Min. hat er das feinste, fettlose, gekochte Rindfleisch zu essen angefangen. Bis 5 Uhr 59 Min. hat er sich mit 130,85 g des- selben und mit 47,385 g Semmel gesättigt. Genug Trinkwasser. Um 9 Uhr abends zwei Achtel Krondorfer. Um 3 Uhr nachmittags am selben Versuchstage Harn gelassen. Um 6 Uhr ebenso in die Mensur; Analyse dieser Phase ergibt: Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd. 155. R 36 540 Ot. Faustka: 18. Mai 1911, 3—6 nachm., Harnmenge 147,5 cem, Gesamt- stickstoff 1483,03 mg. Anfang des Versuches am 19. Mai 1911 um 6 Uhr früh durch Blasenentleerung. | Anteil der T le Harn- Harnsö Harnsäure Zahl ageszei arnmenge | stickstoff arhsäure, | nude f ; | stickstoff Uhr ccm | mg mg 0/0 1. 6—9 152,5 1570,50 65,62 1,39 2. 9—12 147,5 1444,45 62,23 1,43 3 1928 157,5 1446,19 583 1,34 4. 36 122,5 199822 46,95 1,27 In 12 Stunden ... . 580,0 5689,36 233,10 1,37 In j=Stunderduschschnittiche 2 ee 19,7 In 24 Stunden für 1 kg Körpergewicht ....... 8,27 Übersichtstabelle der zwei Tagesversuche an der Person A vom Jahre 1911, mit zwölfstündigen Gesamtwerten der Harnsäure. 7 N f Harnsäure- atum ummer Tageszeit menge in des des 12 Stunden Versuches [Versuches Uhr 29. April 1 Immer von 6 Uhr früh 237,23 19. Mai 2 bis 6 Uhr abends 233,10 | 470,33 In zwei Versuchen zu 12 Stunden zusammen 470,33 mg Harnsäure ausgeschieden (: 2). In einem Versuche oder für 12 Stunden durchschnittlich Di, 5 In 1 Stunde durchschnittlich... . . . 19,597, In 24 Stunden für 1kg Körpergewicht . 8,2 n ” ” Wenn wir nun kurz rekapitulieren, sehen wir: Im Jahre 1886 zählte die Versuchsperson, Mann A er hatte die Körperlänge. er hatte das Körpergewicht von DREI er schied während des Tages der Harnsäure aus: in 12 Stunden im Mittel in 1 Stunde im Mittel . ß in 24 Stunden für 1 kg Rörpergemicht Im Jahre 1911 zählte die Versuchsperson, Mann A seine Körperlänge war 5 sein Körpergewicht war im Mittel u (: 12). 45 Jahre 157 em 57 kg 231,1 mg VER 8.11 „ 70 Jahre 157 em 97,305 kg Ein experim. Beitrag zur Lehre von der individuellen Konstanz etc. 541 er schied während des Tages der Harnsäure aus: melzsstundeneim Mittel a7... 2.27.22235516:mo; mel StundesimeMittely. 2.7: cs. u: 2 95er in 24 Stunden für 1 kg Körpergewicht . . . Sonn“ Das Resultat der neuen Versuchsreihe gestaltete sich somit mit einer unerwarteten Vollkommenheit zugunsten der Lehre von der individuellen Konstanz der in einer bestimmten Periode des nüchternen Zustandes ausgeschiedenen Harnsäuremenge. Es ist wirklich ein erstaunliches Dokument der Zähigkeit, mit der der menschliche Organismus an seiner individuellen Menge der ausgeschiedenen Harn- säure festhält, wenn hier eine und dieselbe Versuchsperson A nach fünfundzwanzig Jahren unter sonst gleichen Bedingungen senau dieselbe Menge der Harnsäure liefert wie zuvor. Die Lehre von der individuellen Harnsäurekonstanz wird hier um eine in der diesbezüglichen physiologischen Literatur einzige Angabe von der Identität der im nüchternen Zustande ausgeschiedenen Harnsäure- menge vom Mannesalter durch volle fünfundzwanzig Jahre bis in das Greisenalter bereichert. Die erste tatsächliche Grund- lage der von MareS herrührenden Theorie über die Herkunft der Harnsäure beim Menschen erfährt durch dieses Resultat an Festigkeit. Und wenn wir uns erinnern, wie Folin!) für die Annahme, dass die endogene Harnsäure ein exklusives Derivat der Zellnukleine ist oder, im Wortlaute der Theorie von MareS, dass die Harnsäure ein Produkt des physiologischen Stoffwechsels im Protoplasma der Körperzellen (wobei namentlich die Nukleine der Zellkerne beteiligt sind), einen genauen Nachweis der individuellen Konstanz der Ausscheidung des endogenen Harnsäurewertes als eine starke Stütze bezeichnet und verlangt, so elaube ich durch das Resultat dieser meinen Untersuchungen zu einem solchen Nachweis bei- getragen zu haben. Das Ergebnis dieser Untersuchungen bildet auch einen auf einwandfreie Weise gewonnenen Beitrag zu der Frage über das Verhalten der Harnsäureausscheidung im physiologischen Zustande der Nüchternheit wahrend des Greisenalters. Wenn wir das Greisentum als eine Abschwächung der physiologischen Funktionen auffassen, so können wir auf Grund der vorhergehenden Versuchs- ergebnisse vielleicht doch den Zweifel aussprechen, ob sich das Altern 1) Folin, The Americ. Journ. of Physiol. vol. 13 p. 66. .1905. 36 * 542 Ot. Faustka: auch auf die Produktion und Ausscheidung der Harnsäure bezieht ? Wird da der Organismus alt? Oder bleibt er in dieser Funktion stationär? Nur noch weitere Untersuchungen können da Aufschluss geben. Ich ging noch weiter daran, das Material der Lehre von der individuellen Konstanz der Harnsäureausscheidung durch einen neuen Beleg zu erweitern, und zwar auf Grund einer anderen Erwägung und in einer etwas geänderten Versuchsanordnung. Ich habe oben angeführt, dass die Mehrzahl der Autoren auch bei abermaliger Darreichung der Nahrung unter fixer Lebensweise, so wie dies im Stickstoffgleichgewicht der Fall ist, die Tatsache der Harnsäure- konstanz bestätigte, und ich erwähnte, dass Smetänka!) gelegent- lich seiner zwei zur Feststellung des Einflusses der Verdauungstätig- keit bei purinfreier Nahrung an einem und demselben Individuum im nüchternen Zustande bei einmaliger Nahrungsaufnahme im Zeit- raume von weniger als zwei Monaten angestellten Versuche auf das- selbe aufmerksam machte. Ich versuchte nun an einer Versuchs- person aus seiner Versuchsreihe, die sich noch dazu bereit zeigte, Ähnliches, aber nach einer geraumen Zeit, nach mehr als drei und einem halben Jahre. Man kann den Zustand eines ständig in gleichen Verhältnissen lebenden Organismus als einen stationären bezeichnen. Diesen Zu- stand stört man, wenn man bestimmte physiologische Verrichtungen eines solehen Organismus durch Reizung erhöht oder wenn man bestimmte physiologische Verriehtungen erniedrigt oder ausschaltet. Der nüchterne Zustand ist eben eine Änderung des stationären in dem letzterwähnten Sinne: der Verdauungsapparat, besonders seine Drüsen, ruht, die herabgesetzten Stoffwechselvoreänge verlaufen noch regelmässiger, die Menge der gleichzeitig ausgeschiedenen Harnsäure stabilisiert sich an einem verminderten konstanten Niveau. Wie oben gezeigt, ist es selbst nach einer geraumen Zeit möglich, den- selben Organismus unter Anwendung der Methode des nüchternen Zustandes in denselben Zustand der Gleichmässiekeit in den herab- gesetzten Stoffwechselvorgängen zu versetzen und dasselbe konstante Maass der ausgeschiedenen Harnsäure zu erhalten. 1) F. Smetänka, Zur Herkunft der Harnsäure beim Menschen. Arch. f. d. ges. Physiol. Bd. 138 S. 226, 229, 267. 1911. Ein experim. Beitrag zur Lehre von der individuellen Konstanz etc. 543 Werden sich aber nach einem grossen Zeitabstand bei dem- selben in den Zustand der Nüchternheit versetzten Organismus durch den gleichen einmaligen Reiz die betreffenden Verrichtungen in gleicher Weise wie zuvor erregen lassen? Wird sich nach dem- selben Reiz dieselbe Reaktion in derselben Proportionalität einstellen? Wenn ich an der in Rede stehenden Person, an welcher im Jahre 1909 ein Versuch im nüchternen Zustande mit einmaliger Darreichung einer purinfreien Nahrung ausgeführt wurde, genau den- selben Versuch unter genau denselben Verhältnissen unternehmen werde: wird es gelingen, durch die einmalige Anregung des nüch- ternen Verdauungsapparates, seiner Drüsen, auch die Vermehrung der Produktion der Harnsäure über das dem nüchternen Zustande entsprechende wohl als konstant zu erwartende Niveau in demselben Maasse wie einst zu erzielen? Wird sich auch hier eine diesbezüg- liche Konstante herausstellen ? Die Versuchsperson Herr E. S. ist ein gesunder Mann, der sich aus Interesse dem Versuche unterwirft. Es folgt nun zuerst der betreffende Versuch Smetänka’s?). Versuch III. 2. November 1909. E.S., Ph.-Dr., Universitätsprofessor, 34 Jahre, 92 kg. Letzte Nahrungsaufnahme (purinfreie Nahrung) 18 Stunden vor Beginn des Versuches. Am Versuchstage um 6 Uhr aufgestanden, zwischen 9 Uhr 5 Min. und 9 Uhr 15 Min. 203 g Topfen genossen, etwa 250 cem Wasser getrunken. Zahl Tageszeit Harnmenge Harnsäure Uhr ccm mg 1lk 7—81 morgens 39,5 31,4 23 8—9h „ 48,0 31,4 3: 9—-10h „ Sl 40,8 4. 10—11h „ 58,0 54,7 5: 11—12h mittags 91,0 56,2 6. 12—1h nachmittags 75,0 34,5 Ze 12h = 59,0 25,8 8. 2—3h 5 67,0 DIN 9, 3—4h F 78,0 29,1 IE Stunden eo En | 5670 331,0 ’ 1) F. Smetänka, Zur Herkunft der Harnsäure beim Menschen. Arch, f. d. ges. Physiol. Bd. 134 S. 227. 1911. 544 Ot. Faustka: Es folgt weiter mein Versuch 3. 5. Juli 1913. E. S., Ph.-Dr., Universitätsprofessor, 38 Jahre, Körpergewicht 96,5 kg. Am Tage zuvor (4. Juli 1913) letzte Nahrungsaufnahme in der Form eines purinfreien Mittagsmahles (Einbrennsuppe mit Reis und einem gerührten Ei, Knödeln mit Dillen- sauce, etwas Trinkwasser) zwischen 1—1'/, Uhr; um 7 Uhr abends eine kleine Flasche Krondorfer. Am Versuchstage um 6 Uhr wach geworden, um 6 Uhr 15 Min. aufgestanden; um 7 Uhr 15 Min. erste Blasenentleerung. Beginn des Versuches geschah also wieder 13 Stunden nach der letzten purinfreien Nahrungsaufnahme. Zwischen 9 Uhr 17 Min. und 9 Uhr 30 Min. 211 g Topfen zu sich ge- nommen, etwa 250 eem Krondorfer ausgetrunken. Zahl Tageszeit Harnmenge | Harnsäure Uhr ccm mg iR 7'/s— 81/4 morgens 51 | 32,9 2. S1/a—91/ah 5 49 | 29,5 3. ee. Su venaı 4. 1014—11Vh „ 70 | 46,8 5. 111/a—12!/4 h mittags 8 | 50,9 6. 12! —1!/ah nachm. 91 | 38,9 1 11a—2ah „5 61 | 34,0 8. 2la—3lah „ 82 | 26,5 ge 3l/a—4ll4 h 69 22,9 | in 9=Stunden ee | 608 | 34,7 Die Einzelheiten der Lebensweise und der Diät, die im Ver- suche III nicht erwähnt sind, wurden aus dem Häuslichkeitstagebuche der Versuchsperson eruiert und im Versuche 3 genau verwirklicht. Wenn wir die Resultate der beiden Versuche überblicken, so finden wir: Im Jahre 1909 zählte die Versuchsperson Herr E.S. . 34 Jahre er wies auf das Körpergewicht von . . EZ ake: er schied während des Tages in 9 Stunden de nüch- ternen Zustandes mit einmaliger purinfreier Nahrungsaufnahme der Harnsäure aus . . . . 331,0 me. Im Jahre 1913 zählte dieselbe Person, Herr E.S. . . 38 Jahre sein Körpergewicht vergrösserte sich auf. . . . . 96,5 kg Die Ausscheidung der Harnsäure während des Tages in 9 Stunden des nüchternen Zustandes unter einmaliger purinfreier Nahrungsaufnahme beträgt 314,7 mg. Ein experim. Beitrag zur Lehre von der individuellen Konstanz etc. 545 Auch unter solehen sonst gleichen Versuchsbedingungen, nach einem Zeitabstand von beinahe 4 Jahren erweist sich die Gesamt- menge der ausgeschiedenen Harnsäure auch nach einmaliger purinfreier Nahrungszufuhr als eine individuelle Konstante, indem sie im Versuche III 331 mg in 9 Stunden, im Versuche 3 für die gleichen 9 Stunden 314,7 mg, also eine nahezu gleiche, im Versuche 3 nur um etwa 4°/o kleinere Menge ausmacht. Die Harn- säurevermehrung nach der Nahrungsaufnahme zeigt zwar in dem Versuche 3 eine Abweichung von derjenigen im Versuche III; sie setzt etwas später ein, erreicht nicht absolut dieselbe Höhe, währt dafür länger, um dann ähnlich wie im Versuche III abzufallen, wie dies aus dem beigefügten Diagramme ersichtlich ist. Die Reaktion auf die Anregung der Verdauungsdrüsentätigkeit gestaltete sich in ihrem zeitlichen Verlaufe diesmal etwas träger. Diese Verlangsamung der Ausscheidung könnte man als eine Änderung der Individualität des betreffenden Drüsenapparates deuten. Man könnte auch fragen, ob diesmal auch der psychische Reiz, der Appetit, in dem Maasse mitwirkte wie im Versuche III? Abgesehen davon, liefert der Ver- such 3 noch eine Bestätigung der Befunde Smetänka’s über den die Harnsäureausscheidung vermehrenden Einfluss der purinfreien Nahrung. Ich resumiere nun folgendermaassen: Auf Grund der Versuche von MareS, welcher zuerst an den- selben Individuen in Zeitabständen von 6 Monaten, von 1 Monate „im nüchternen Zustande '% unter gleichen Verhältnissen die- selben Harnsäurewerte fand und ., diese zuerst als Harnsäure- konstante (constante d’acide urique) bezeichnete, was eine von den Grundlagen seiner Theorie des Ursprungs der Harn- säure beim Menschen bildet, auf Grund der Versuche Burian’s und Schur’s, die an einem Subjekte im Stickstoff- ee En oeerE leiehge wicht dieselbe Menge ne 4 GE Aekchiedehen a o- Pay Topfen N 3 R F Versuch 3 @ ®; nach einem Zeitspatium von 5 Mo- O = 211 g Topfen genossen. 546 Ot. Faustka: Ein experim. Beitrag zur Lehre von der indiv. Konstanz etc. naten konstatierten und sie für eine physiologische Konstante hielten, auf Grund des Versuches von Smetänka, welcher an einer Versuchsperson im nüchternen Zustande mit einmaliger Nahrungsaufnahme nach beinahe 2 Monaten unter gleichen Versuchsbedingungen denselben Harnsäurewert vorfand, auf Grund meiner eigenen Versuche, welche an einem und demselben Subjekte im nüchternen Zustande und unter sonst gleichen Verhältnissen nach einem Intervall von fünfund- zwanzig Jahren genau denselben Harnsäurewert konstatierten, und welche dasselbe Resultat an einer anderen Versuchsperson im nüchternen Zustande unter einmaliger purinfreier Nahrungsaufnahme und sonst gleichen Bedingungen nach einem Zeit- raume von dreiundeinhalb Jahren lieferten, erkläre ich die Menge der durch einen erwachsenen mensch- lichen Organismus in bestimmten Zeitperioden unter sonst gleichen Verhältnissen ausgeschiedenen Harnsäure für eine physiologische Konstante desselben. 947 (Aus der medizinischen Klinik in Heidelberg.) Über Verbrennung der Oxalsäure an Blutkohle und die Hemmung dieser Reaktion durch indifferente Narkotika. Von Otto Warburg. (Mit 2 Textfiguren.) ÖOrdnet man die indifferenten Narkotika erstens aufsteigend nach ihren narkotischen Wirkungsstärken, zweitens aufsteigend nach ihren Teilungskoeffizienten !) zwischen Öl und Wasser, drittens aufsteigend nach ihrer Kapillaraktivität?), so erhält man ziemlich ähnliche Reihen. Narkotische Wirkungsstärke, Teilungsverhältnis und Ol Wasser Kapillaraktivität sind also Grössen, die ziemlich parallel wachsen. Die Regel gilt nur in ganz roher Annäherung; es besteht nicht %im entferntesten der Satz, dass Stoffe von gleicher narkotischer Wirkungsstärke gleiches Teilungsverhältnis oder gleiche Kapillar- aktivität besitzen. Der Parallelismus zwischen narkotischer Wirkungsstärke und Teilungsverhältnis u ist das Fundament der Lipoidtheorie; Wasser nach H. Meyer und Overton tritt dann Narkose ein, wenn die Konzentration des Narkotikums in den Zellipoiden einen gewissen 1) Hans Meyer, Schmiedeberg’s Arch. Bd. 42 S. 109; und Baum, Schmiedeberg’s Arch. Bd. 42 S. 119 und Bd. 46 S. 338. — Overton, Studien über die Narkose. Jena 1901. 2) J. Traube, Pflüger’s Arch. Bd. 140 S. 109. 1911; hier sind auch frühere Arbeiten Traube’s zitiert; ferner Traube, Pflüger’s Archiv Bd. 153 S. 276. 1913. 548 Otto Warburg: Betrag erreicht hat. Demgegenüber vertritt J. Traube seit Jahren die Auffassung, dass die Wirkung der Narkotika nicht auf ihrer Lipoidlöslichkeit, sondern auf ihrer Kapillaraktivität beruhe. — Wie früher gezeigt wurde!), verlangsamen die indifferenten Narkotika die Oxydationsgeschwindiekeit sauerstoffatmender Zellen; die Konzentrationen, die zur Oxydationshemmung erforderlich sind, liegen erheblich höher ‚als die zur Gehirnnarkose erforderlichen; die Reihenfolge der nach ihren Wirkungsstärken geordneten Stoffe ist für Oxydationshemmung und Gehirnnarkose die gleiche. Auch die oxy- dationshemmenden Wirkungsstärken wachsen also mit dem Teilungs- verhältnis an und mit der Kapillaraktivität. Wasser Solange wir weiter nichts wissen, als dass die Wirkungsstärken in einem gewissen Parallelismus zu den angeführten Eigenschaften stehen, wird eine noch so häufige Diskussion nicht entscheiden, ob der springende Punkt die Lipoidlöslichkeit, die Kapillaraktivität oder möglicherweise eine Eigenschaft ist, auf die bisher die Aufmerksam- keit noch nicht gelenkt wurde. In der Tat wissen wir heute hin- sichtlich der Gehirnnarkose nichts, was eine Entscheidung er- möglichte. Anders steht es mit der Verlangsamung der ÖOxydations- geschwindigkeit. Ursprünglich auf dem Boden der Lipoidtheorie stehend ?), wurde ich bald durch eine Reihe von Beobachtungen zweifelhaft und schlug deshalb vor?), die Entscheidung zugunsten oder ungunsten der Lipoidtheorie zu vertagen. Seitdem ist der Mechanis- mus der Oxydationshemmungen bis zu einem gewissen Grad ver- ständlich geworden). Wir wissen heute, dass unter dem Einfluss der Narkotika die Fermente ausgeflockt oder ihre aktiven Ober- flächen verkleinert werden. Wir wissen weiterhin, dass die Nar- kotika sich an den Verbrennungsorten der Zelle anreichern, worauf höchstwahrscheinlich die stärkere Wirkung der Narkotika auf Fermentreaktionen innerhalb der Zelle beruht. Wir wissen endlich, 1) OÖ. Warburg, Hoppe-Seyler’s Zeitschr. f. physiol. Chemie Bd. 69 S. 452. 1910. Mit späteren Arbeiten zusammengefasst in Asher-Spiro, Er- gebnisse Bd. 14. 2) Hoppe-Seyler’s Zeitschr. f. physiol. Chemie Bd. 69 S. 452. 3) Pflüger’s Arch. Bd. 144 S. 465. 4) Ö. Warburg, Asher-Spiro, Ergebn. d. Physiol. 1. c. Über Verbrennung der Oxalsäure an Blutkohle etc. 549 für einige Narkotika wenigstens, dass eine Anreicherung auch nach Entfernung der Lipoide stattfindet: alles Tatsachen, die zur Lipoid- theorie nur unter Aufstellung weiterer Hypothesen passen, auf Grund der Traube’schen Auffassung jedoch zwanglos erklärt werden können. Ich stehe heute auf dem Standpunkt, dass nicht die Lipoid- löslichkeit, sondern die Kapillaraktivität diejenige Eigenschaft ist, die die oxydationshemmende Wirkung der Narkotika bedingt. Die Verbrennungen in sauerstoffatmenden Zellen sind Oxydationskatalysen an Oberflächen und werden durch indifferente Narkotika gehemmt, weil sich diese Stoffe an den Oberflächen anreichern !) und hier das Adsorptionsmilieu verändern. Im folgenden soll nun ein Modell beschrieben werden, an dem sich demonstrieren lässt, wie indifferente Narkotika chemische Um- satzgeschwindigkeiten verlangsamen auf Grund ihrer Eigenschaft, an Oberflächen zu gehen. Es wird gezeigt werden, dass Oxal- säure bei 35° an der Oberfläche von Blutkohle zu Kohlensäure und Wasser verbrennt, und dass die Ge- schwindigkeit dieser Reaktion in ähnlicher Weise durch indifferente Narkotika verlangsamt wird, wie die Oxydationsgeschwindigkeit iin Zellen. Daneben wurden auch andere Oxydationskatalysen auf ihr Ver- halten gegenüber indifferenten Narkotika geprüft, besonders auch die Oxydationsbeschleunigung des Lezithins durch Eisensalz, die von Thunberg?) zuerst beobachtet wurde und nach neueren Fest- stellungen im Mechanismus sauerstoffatmender Zellen eine Rolle spielt®).. Eine Beeinflussung der Geschwindigkeit dieser Reaktion durch indifferente Narkotika in Konzentrationen, wie sie biologisch in Betracht kommen, konnte nicht festgestellt werden. Auch dieses negative Resultat ist im Zusammenhang mit unseren obigen Aus- führungen bemerkenswert; gehört doch Lezithin zu den wesentlichsten Bestandteilen der „Zellipoide“. 1) Diese Oberflächen können natürlich aus verschiedenem Material, Eiweiss, Nukleoproteiden, Lipoiden oder anderen Stoffen bestehen; darüber lässt sich heute mit Gewissheit nichts aussagen. 2) Skandinav. Arch. Bd. 24 S. 90. 1910. 3) ©. Warburg und O. Meyerhof in Asher-Spiro, Ergebnisse, |. c. 590 Otto Warburg: I. Die Verbrennung der Oxalsäure an Blutkohle. Dass fein verteilte Kohle Oxydationen beschleunigt, ist schon seit langer Zeit bekannt. Zur Demonstration in der Vorlesung empfahl A. W. vv. Hofmann!), eine alkoholische Lösung von Leukanilin mit Kohle aufzukochen, wobei sofort die rote Farbe des Rosanilins auftritt. Was die Oxalsäure anbetrifit, so teilte Freundlich?) die Beobachtung mit, dass beim Schütteln einer wässrigen Säurelösung mit Kohle dauernd Säure aus der Lösung verschwindet. Freund- lich knüpfte an diesen Befund die Vermutung, dass die Oxalsäure an der Kohleoberfläche „durch eine chemische Umsetzung“ zer- stört würde. Zunächst konnte ich feststellen, dass mit Oxalsäure beladene Kohle Sauerstoff verbraucht. Verschiedene Kohlesorten, mit gleichen Oxalsäurekonzentrationen im Gleichgewicht, verbrauchten sehr ver- schiedene Mengen Sauerstoff; am meisten verbrauchte die Merck- sche Blutkohle, weniger die Kahlbaum’sche Blutkohle. Nicht nachweisbar war eine Sauerstoffzehrung bei Verwendung Kahl- baum’scher Kohle aus Rohrzucker. In der gleichen Reihenfolge standen die verschiedenen Kohlepräparate hinsichtlich ihrer Fähig- keit, Oxalsäure zu adsorbieren; wurden gleiche Mengen Kohle zu gleichen Volumina gleichkonzentrierter Oxalsäure gegeben und nach 2 Minuten langem Schütteln die Oxalsäurekonzentrationen in der Lösung durch Titrieren gemessen, so zeigte sich, dass die Rohrzucker- kohle fast nichts, die Kahlbaum’sche Blutkohle mehr, die Merck- sche Blutkohle bedeutend mehr Säure aus der Lösung fortgenommen hatte. Zu allen im folgenden beschriebenen Versuchen wurde die Merck’sche Blutkohle (puriss. mit Säure gereinigt) verwendet. Das Oxalsäurepräparat war von Kahlbaum; die angegebenen Gewichts- prozente beziehen sich auf die wasserfreie Verbindung (0,H,0,. Um für die Stärke der Adsorption und für die Oxydations- geschwindigkeit einen Anhaltspunkt zu geben, seien folgende Zahlen angeführt: an 1 g Blutkohle waren, im Gleichgewicht mit einer 0,071’ igen wässrigen Oxalsäurelösung, ca. 50 mg Oxalsäure (in der Ausdrucksweise Freundlich’s: bei einem c von 0,008 Molen 1) Berliner Berichte Bd. 7 S. 530. 1874. 2) Kapillarchemie S. 163. Leipzig 1909. Über Verbrennung der Oxalsäure an Blutkohle ete. 551 pro Liter betrug das - 0,56 Millimole). 1 g Blutkohle, im Gleich- gewicht mit einer 0,071°/oigen Oxalsäurelösung, verbrauchte bei 38° in der ersten Stunde etwa 1,1 ccm Sauerstoff; oder 50 mg Oxal- säure, die sich an 1 g Kohle befanden, verbrauchten in der ersten Stunde etwa 1,1 eem Sauerstoff. Die Versuche waren so angeordnet, dass stets 90 mg Kohle durch Waschen auf der Zentrifuge mit einer bekannten Oxalsäure- konzentration annähernd in Gleichgewicht gebracht wurden. Bei einer Konzentration von 0,008 Molen genügte dreimaliges Waschen mit 90 cem Lösung. Dann wurde in ein kleines graduiertes Zentri- fugierglas übergespült, wieder zentrifugiert, die überstehende Flüssig- keit bis auf 1 cem abgehebert, die Kohle aufgewirbelt, die Sus- pension in das später beschriebene Bestimmungsgläschen gegossen und das Zentrifugierglas mit 0,5 eem Oxalsäurelösung nachgespült. Die 0,5 cem Spülflüssigkeit kamen gleichfalls in das Bestimmungs- släschen, das also dann 90 mg Kohle in 1,5 cem Flüssigkeit enthielt oder 1,5 eem einer 6°/oigen Kohlesuspension. Das Bestimmungs- släschen wurde mit dem Manometer verbunden und in den Thermostaten bei ea. 38° gehängt; zunächst wurde bei offenem Hahn 10 Minuten ge- schüttelt, bis Temperaturgleichgewicht eingetreten war und sich die Kohlesuspension mit den Gasen der Luft bei der Versuchstemperatur in Gleichgewicht gesetzt hatte. Dann wurden die Hähne geschlossen und die Sauerstoffabsorptionen unter beständigem Schütteln gemessen. Ich habe anfangs Bedenken gehabt, ob sich mit Kohle, die be- kanntlich grosse Gasmengen aufnehmen und abgeben kann, genaue gasanalytische Versuche anstellen lassen. Diese Bedenken waren unbegründet. Das liess sich feststellen durch Kontrollen, in denen mit Wasser gewaschene Kohle (je 90 mg Kohle dreimal mit 90 ecm Wasser) in gleicher Weise auf Sauerstoffzehrung geprüft wurde. Derartige Kohle gab regelmässig beim Schütteln im Thermostaten eine geringe Druckverminderung, die jedoch gegen die Zehrung der mit Oxalsäure beladenen Kohle nicht in Betracht kam !). 1) Kohle, die nicht in der angegebenen Weise mit Wasser gewaschen, sondern in wenig Flüssigkeit suspendiert, eingehängt wurde, zeigte eine etwas stärkere Gasaufnahme. In der Tat wird durch das Waschen mit luftgesättigten Flüssigkeiten die Kohle mit den Gasen der Luft in Gleichgewicht gesetzt. Bei den hier beschriebenen Versuchen wurde stets, auch bei allen Kontrollen, mindestens dreimal mit 90 ccm gewaschen, bei Verwendung von 90 mg Kohle. 552 Otto Warburg: OÖxydationsgeschwindigkeit und Konzentration. Setzt man Kohle mit verschiedenen Oxalsäurekonzentrationen in Gleichgewicht, so stösst man auf die merkwürdige Tatsache, dass, von einer gewissen Grenze an, die Oxydationsgeschwindigkeit mit steigenden Oxalsäurekonzentrationen sinkt. In der nachstehenden graphischen Darstellung sind auf der Abszisse die Zeiten in Minuten, auf der Ordinate die verbrauchten Sauerstoffimengen in Kubikmillimetern —> Verbrauchter Sauerstoff in Kubikmillimetern. 10 20 30 40 50 60 70 80 90 100 110 120 —— Minuten. Fig. 1. Sauerstoffverbrauch bei verschiedenen Oxalsäure- konzentrationen. 38°. eingetragen. Man sieht, dass der Sauerstoffverbrauch der Oxalsäure- kohle nicht linear mit der Zeit wächst, sondern dass die Oxydations- geschwindigkeit im Laufe der ersten Stunde anwächst. Das wurde sanz regelmässig in mehr als 50 Versuchen beobachtet. Man sieht weiterhin, dass bei einer Konzentration von 0,008 Molen (pro Liter) die Oxydationsgeschwindigkeit beträchtlich höher ist als bei einer Kon- zentration von 0,016 und von 0,032 Molen. Dieses Verhalten wurde verfolgt bis zu einer Konzentration von 0,8 Molen pro Liter und eine beständige Abnahme der Oxydationsgeschwindigkeit beobachtet. Eine Erklärung dieses Phänomens kann ich nicht geben; doch sei daran erinnert, dass in einer Oxalsäurelösung ausser der un- Über Verbrennung der Oxalsäure an Blutkohle etc. 558 dissoziierten Oxalsäure noch Wasserstoffionen und zwei Arten von Anionen vorkommen, dass das Verhältnis dieser vier Körper bei verschiedenen Konzentrationen ein verschiedenes ist, und dass möglicherweise gegenseitige Adsorptionsverdrängungen eine Rolle spielen. Der Temperaturkoeffizient. Je 90 mg Kohle, die im Gleichgewicht waren mit einer Oxal- säurekonzentration von 0,008 Molen, wurden in 6°/oiger Suspension bei 37,5° und bei 15,5° SO Minuten lang geschüttelt. Bei 37,5 waren nach dieser Zeit verbraucht: 0,120 eem Sauerstoff; bei 15,5 °: 0,023 eem Sauerstoft. Für die Temperaturdifferenz von 22° ist also das Verhältnis der Geschwindigkeiten 5,2, woraus sich für das Intervall von 10° ein Koeffizient von 2,1 berechnet. Dieser Wert ist nur ein Annäherungswert, weil, wie oben er- wähnt, die Geschwindigkeiten bei ein und derselben Temperatur nicht ganz konstant sind und aus den Kurven auch keine Konstanten berechnet wurden, mithin die Vorbedingung für eine genaue Be- stimmung eines Temperaturkoeffizienten nicht gegeben war. Soweit aber dürfte die angegebene Zahl zu verwerten sein, dass die Diffusion als geschwindigkeitsbestimmendes Moment hier ausgeschlossen werden kann. Es ist das übrigens leicht verständlich, denn die Hauptmenge der Oxalsäure, die in dem System vorhanden ist, befindet sich ja, nach den Adsorptionsmessungen, von Anfang an an der Kohle (von den 5,6 mg Säure, die in 1,5 eem der 6°/oigen Kohlesuspension ent- halten sind, befinden sich am Anfang des Versuchs 4,5 mg an der Kohle!). Die Gleichung der Verbrennung. In dem Maasse, als Sauerstoff absorbiert wird, entwickelt sich bei der Reaktion Kohlensäure. Wurden 90 mg Kohle, die mit einer Konzentration von 0,008 Molen auf die beschriebene Art in Gleich- gewicht gebracht waren, in 6°/oiger Suspension bei 38° 1 Stunde geschüttelt, so waren beispielsweise 0,103 eem Sauerstoff absorbiert und 0,392 eem Kohlensäure neu gebildet (Methodik siehe unten). Es sind das annähernd 4 Moleküle Kohlensäure auf 1 Molekül Sauerstoff (berechnet für 4 Moleküle 0,412 eem Kohlensäure; die Differenz fällt in die Fehlergrenzen). Auf Grund dieses Resultates ist für die Verbrennung folgende Formel aufzustellen: 594 Otto Warburg: | COOH COOH | COOH COOH | De II. Die Hemmung der Oxalsäureverbrennung durch Urethane. Die Versuche waren so angeordnet, dass in vier Zentrifugier- gläser je 90 mg Kohle gegeben wurde: in einem Glase wurde mit 0,008 molarer Oxalsäurelösung gewaschen, in den anderen drei Gläsern mit 0,008 molaren Oxalsäurelösungen, denen die zu prüfenden Urethane in verschiedenen Mengen zugesetzt waren. Im übrigen wurde weiter verfahren, wie unter I. beschrieben, also die Kohle schliesslich in 1,5 eem Flüssigkeit suspendiert, im 'Thermostaten bei 38° geschüttelt. Zur Prüfung, ob beim Waschen mit den verschiedenen Stoffen Gleichgewicht annähernd erreicht war, bediente ich mich des Traube’schen Stalagmometers!) und wusch die Kohle so lange, bis die Tropfenzahl des von der Kohle abzentrifugierten Wasch- wassers mit der Tropfenzahl der zu prüfenden Lösung übereinstimmte. Bei Phenylurethan — von den geprüften Substanzen diejenige, die am stärksten adsorbiert wird — war nach viermaligem Waschen mit 90 eem Gleichgewicht erreicht, wenn die Konzentration 0,05 %o betrug. Sollte von Phenylurethan die Konzentration 0,005 %/o geprüft werden, so wurde sechsmal mit 90 ecm gewaschen und angenommen, dass Gleichgewicht erreicht war. Mit Hilfe des Stalagmometers konnte das nicht mehr festgestellt werden, weil die Erniedrigung der Öberflächenspannung durch eine so kleine Menge Phenylurethan zu klein ist, um eine beträchtliche Zunahme der Tropfenzahl zu verursachen. Möglicherweise also war in diesem Fall noch kein Gleichgewicht erreicht. Weniger als dreimal mit 90 eem wurde in keinem ‚Fall gewaschen. Die Hemmungen sind bei dieser Versuchsanordnung bestimmt bei konstanter Oxalsäure- und bei konstanter Sauerstoff- konzentration?) in der Suspensionsflüssigkeit, indem die Oxal- 1) J. Traube in Abderhalden’s Biochem. Arbeitsmethoden 1912 S. 1357. 2) Genauer: „Anfangskonzentration“, da die Konzentrationen im Laufe des Versuches abnehmen. Über Verbrennung der Oxalsäure an Blutkohle etc. 555 säurekonzentration 0,008 molar, die Sauerstoffkonzentration durch die Sättigungskonzentration der Flüssigkeit mit Luft bei 38° ge- geben war. Wenn man sich die Aufgabe stellt, die Verhältnisse des bio- logischen Versuches möglichst nachzuahmen, so ist diese Anordnung bezüglich des Sauerstoffs sicher richtig. Denn wenn die Oxydations- —> Verbrauchter Sauerstoff! in Kubikmillimetern. iR DD S 10 20 30 40 50 60 70 50 90 100 110 120 —— Minuten. Fig. 2. Hemmung durch Methylurethan. 38°. geschwindigkeit in Zellen mit und ohne Urethan verglichen wurde, so waren stets die Sauerstoff-Aussenkonzentrationen zu Beginn des Ver- suches die gleichen. Bezüglich der anderen Komponente des Systems, der Oxalsäure, könnte man im Zweifel sein, ob man den in der Zelle gegebenen Verhältnissen näher kommt, wenn man die Oxalsäure- konzentration oder die Oxalsäuremenge konstant hält. Ich habe Versuche angestellt auch bei konstanter Oxalsäuremenge; zu 1,5 eem 6°/oiger Kohlesuspensionen, die mit verschiedenen Urethan- konzentrationen in Gleichgewicht gebracht waren, wurden gleiche Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd. 155. 37 556 Otto Warburg: Mengen Oxalsäure zugesetzt. Infolge von Adsorptionsverdrängung waren dann die Oxalsäurekonzentrationen in der Suspensionsflüssig- keit verschieden. Die Verhältnisse werden jedoch bei einer solchen Anordnung etwas kompliziert, und ich beschränke mich des- halb auf Wiedergabe der Versuche mit konstanter Oxalsäure- konzentration. Der typische Verlauf eines derartigen Hemmungsversuches ist in der vorstehenden graphischen Darstellung dargestellt (Fig. 2). Wir sehen zunächst wieder in der Kontrolle ohne Urethan, dass die Öxydationsgeschwindigkeit anfangs etwas zunimmt; auch bei 0,5 °%/o Urethan ist diese Zunahme deutlich, weniger bei 5°/o Urethan. Die Folge davon ist, dass die Hemmungen bei höheren Urethan- konzentrationen etwas progressiv sind, das heisst: die Hemmungen sind in den Anfangsperioden etwas kleiner als später. Immerhin macht das nicht viel aus. Um die durch die Progression bedingte Unregelmässigkeit nach Möglichkeit auszuschalten, habe ich zum Vergleich die nach einer bestimmten Zeit beobachteten Hemmungen ausgerechnet und in der folgenden Zusammenstellung die Hemmungen nach zweistündiger Dauer des Versuches angegeben (ist ohne Urethan nach 2 Stunden die Sauerstoffmenge a verbraucht, bei Gegenwart von Urethan die Sauerstoffmenge 5b, so ist die Oxy- dationshemmung I oder, in Prozenten ausgedrückt, ei x 100). (Siehe Tabelle I und II auf S. 557.) Aus der Zusammenstellung geht unzweideutig hervor, dass Methylurethan schwächer wirkt als Äthylurethan, dieses schwächer als Propylurethan, dieses schwächer als Phenylurethan. Wir haben also dieselbe Reihenfolge der Wirkungsstärken, wie sie für die Oxydationshemmungen in lebenden Zellen gefunden wurden. Aus einem Vergleich der Tabelle I mit Tabelle II geht ferner hervor, dass die Konzentrationen, die eine bestimmte Oxydations- hemmung in Zellen !) bewirken, vielfach die Oxydationsgeschwindigkeit unseres Modells um einen ähnlichen Betrag vermindern. Vielleicht ist diese Übereinstimmung mehr als ein Zufall, nicht durch die 1) Die Konzentrationen für Blutzellen und andere Zellen sind nicht sehr - verschieden. Vgl. OÖ. Warburg in Asher-Spiro, Ergebnisse |. c. Über Verbrennung der Oxalsäure an Blutkohle etc. 557 Tabelle I. Tabelle Il. Oxalsäure-Kohle. Rote Blutzellen !). Prozentische reahche : Öxydations- 5 xydations- Substanz Dune Substauz ee Benannte prozen d— \ prozen B— = 100) (= > 100) 0,05 0 N - ! 3 S Mey] 10 ca. 60 Methyl- 0,5 34 urethan urethan 5,0 46 10,0 60 ” 0,5 42 z 1,25 14 h = 25 IE ” een a = ee ee = 10,0 76 terre 5,0 88 0,05 4 'opyl- 1,( 44 Propyl- 05 = u a Ä o 04 IE (4 urethan 2, 4 urethan 5.0 92 Phenyl- 0,005 34 N 0,025 39 urethan 0,05 90 en ; 0,05 55 urethan 0.1 90 Wahl des Substrats, der Oxalsäure, und ihrer Konzentration bedingt. Auch für die Wirkung der Narkotika auf chemische Vorgänge in Zellen wurde ja gezeigt, dass die besondere Natur der chemischen Reaktion auf die Wirkungsstärken nur von geringem Einfluss ist; beispielsweise wurden Oxydationsgeschwindigkeit und Gärungsgeschwindigkeit in der Hefezelle durch sehr ähnliche Konzentrationen indifferenter Narkotika gehemmt ?). Aus einem Vergleich der beiden Tabellen geht endlich hervor, dass die Wirkung der Narkotika auf das Modell sich in einem sehr wesentlichen Punkt von der Wirkung auf die Zelloxydationen unter- scheidet. Die Wirkung der Narkotika auf die Oxydations- geschwindigkeit in Zellen wächst viel schneller mit der Konzentration als die Wirkung auf die Modell- oxydationsgeschwindigkeit. Dieser Unterschied dürfte damit zusammenhängen, dass einerseits die Adsorption der Narkotika an 1) Siehe OÖ. Warburg, in Asher-Spiro,. c. 2) O. Warburg, in Asher-Spiro,l. c. o1.* 558 Otto Warburg: den gequollenen Gelen der Zelle nach einem anderen Gesetz ver- läuft als die iAdsorption an der Kohleoberfläche [die Adsorptions- isothermen sind weniger gekrümmt ?)]; dass anderseits bei der Narkotika- wirkung in der Zelle nicht nur die Adsorption an den Gelen, sondern auch an den Ultramikronen der Sole eine Rolle spielt. Das Modell wäre ähnlicher, wenn wir die Oxalsäure an der Oberfläche eines ge- quollenen Gels unter der Einwirkung eines im Solzustand befindlichen Katalysators verbrennen würden. III. Bemerkung über den Mechanismus der Kohlekatalyse und über den Mechanismus der Hemmungen. Dass die Verbrennung der Oxalsäure an der Kohleoberfläche vor sich geht, dürfte kaum einem Zweifel unterliegen; wir haben es hier mit einem typischen Fall von Oberflächenkatalyse zu tun. Wir wissen jedoch nicht, in welcher Weise die an der Kohleoberfläche herrschenden Bedingungen die Oxydationsbeschleunigung herbeiführen, und es sei daran erinnert, dass viele Stoffe, die sonst nieht be- ständiger sind wie Oxalsäure, an der Kohle zwar verdichtet, aber nicht verbrannt werden. So wird Zucker bekanntlich adsorbiert, aber nicht chemisch ?) verändert. Auf eine Tatsache möchte ich in diesem Zusammenhang hin- weisen. Die Blutkohle von Merck, die in meinen Versuchen ver- wendet wurde und die auch früher, dank ihres starken Adsorptions- vermögens, vielfach zu Adsorptionsversuchen verwendet wurde, ist zwar mit Säuren gereinigt, enthält aber nichtsdestoweniger reichlich Mineralbestandteile®), darunter auch Eisen. Man kann sich davon leicht überzeugen, wenn man die Kohle an der Luft glüht. Es bleibt dann eine helle Asche, die starke Eisenreaktion gibt. Verascht man nicht, sondern kocht die Kohle mit Säure aus, so gehen nur Eisenspuren ins Filtrat. 5 Blutkohle ist also keineswegs reiner Kohlenstoff, sondern eine Kombination von Kohlenstoff mit Mineralbestandteilen. Gerade der Gehalt an Eisen ist, im Zusammenhang mit den oxydations- beschleunigenden Eigenschaften der Kohle, jedenfalls beachtenswert. 1) Vgl. die Werte für Thymol in Asher-Spiro,l. c. 2) Rona und Michaelis, Biochem. Zeitschr. Bd. 16 S. 489. 1909. 3) Aschebestimmungen bei Glassner und Suida. Liebig’s Annalen Bd. 357 S. 95.. 1907. Über Verbrennung der Oxalsäure an Blutkohle etc. 559 Was den Mechanismus der Hemmungen anbetrifft, ‘so ist das nächstliegende, an eine Verdrängung der Oxalsäure von der Kohleoberfläche zu denken; in der Tat wird aus einem Gemisch zweier adsorbierbarer Substanzen jede Komponente stets schwächer adsorbiert als aus reiner Lösung !). Stärker adsorbierbare Substanzen wirken stärker verdränzend !), die Reihenfolge der Wirkungsstärken am Modell wäre dann so zu erklären, dass um so mehr Oxalsäure von der Oberfläche verdrängt wird, je kapillaraktiver das betreffende Narkotikum ist. Soll auch nicht in Abrede gestellt werden, dass die Adsorptions- verdrängung als ursächliches Moment der Hemmungswirkungen in Betracht kommt, so halte ich es doch für sehr fraglich, ob sie allein in Betracht kommt. Ich vermute vielmehr, dass auch Ver- änderungen des Milieus an der Kohleoberfläche, die nicht auf Adsorptionsverdränguug beruhen, eine wesent- liche Rolle spielen. Ist diese Hypothese richtig, so wäre zu erwarten, dass ein Narkotikum auf die verschiedensten Oberflächenkatalysen, bei ganz verschiedenen Substraten, ähnlich wirkt. IV. Gasanalytische Methodik. Sauerstoffverbrauch und Kohlensäureproduktion wurden nach einer von Siebeck und dem Verfasser ausgearbeiteten Methode gemessen. Die Methode ist von Siebeck in Abderhalden’s Biochemischen Arbeitsmethoden ?) genauer beschrieben, und so kann ich mich hier mit einigen kurzen Bemerkungen begnügen. Das Volumen der Schüttel- gefässe, in denen die Druckverminderungen auftraten, betrug etwa 11 ccm (nach Einfüllen der 1,5 ccm Kohlesuspension und der zur Ab- sorption der Kohlensäure dienenden Kalilauge), Ein Ausschlag am Manometer um 1 mm entsprach unter diesen Bedingungen ungefähr einem Sauerstoffverbrauch von 1 cmm. Da der Fehler nicht mehr als 2 mm beträgt, so sind also die Angaben genau auf 2 im Verhältnis zur Zahl der verbrauchten Kubikmillimeter. Sollten Sauerstoffverbrauch und Kohlensäureproduktion gemessen werden, so wurden in zwei Schüttelgefässe je 1,5 ccm der gleichen Kohlesuspension eingefüllt. In ein Schüttelgefäss wurde, wie gewöhn- lich, in den Einsatz Kalilauge gegeben; in das andere wurde keine Kalilauge gegeben. In dem einen Schüttelgefäss tritt dann ein positiver, in dem anderen ein negativer Druck auf. Der negative Druck ent- spricht dem Sauerstoffverbrauch, der positive, vermehrt um den in dem 1) Michaelis und Rona, Biochem. Zeitschr. Bd. 15 S. 209. 1908. — Freundlich und Masius in Freundlich, Kapillarchemie S. 163. Leipzig 1909. 2) Der betreffende Band befindet sich im Druck. . 560 Otto Warburg: Über Verbrennung der Oxalsäure an Blutkohle etc. anderen Gläschen auftretenden negativen, der an den Gasraum ab- segebenen Kohlensäure. Zu der an den Gasraum abgegebenen Kohlen- säure ist die in der Flüssigkeit gelöste Kohlensäure zu addieren; dieses Korrektionsglied ergibt sich aus dem Partialdruck der Kohlen- säure in dem Gefäss, der Flüssigkeitsmenge und dem Absorptions- koeffizienten der Kohlensäure bei der Versuchstemperatur. Die Ad- sorption der Kohlensäure an der Kohle ist ein Korrektionsglied, das nicht berechnet werden konnte. Diese Adsorption wird dahin wirken, dass der Wert für die Kohlensäure etwas zu klein ausfällt. Pierersche Hofbuchdruckerei Stephan Geibel & Co. in Altenburg. en RD “ N IN I" | Ik KLEIN) HS An 5 N BSH NTCH { 1944 = — — oO