| 1 4 ' u “a8 a i “ ; N {R „N ! AU y PFLÜGER® ARCHIV FÜR DIE GESAMTE PHYSIOLOGIE DES MENSCHEN UND DER TIERE. HERAUSGEGEBEN VON MAX VERWORN PROFESSOR DER PHYSIOLOGIE UND DIREKTOR DES PIIYSIOLOGISCHEN INSTITUTS DER UNIVERSITÄT BONN UNTER MITWIRKUNG VON PROF. BERNHARD SCHÖNDORFF IN BONN. BAND HUNDERT UND ACHTUNDFÜNFZIG. MIT 5 TAFELN UND 142 TEXTFIGUREN. gb BONN, 1914. VERLAG VON MARTIN HAGER. vr LEE st Ke 7 # ’ Inhalt. Erstes und zweites Heft. Ausgegeben am 22. Juni 1914. Einige Beobachtungen über den Blutdruck des Frosches. Von Dr. Yas. Kuno (Mukden). (Mit 9 Textfiguren und Tafel 1.) (Aus dem physiologischen Institut der Universität Leipzig) Über die Empfindlichkeit der Sauerstoffatmung gegenüber in- differenten Narkotika. (Nebst einer Bemerkung über die sauerstoffatmenden Leberzellengranula.) Von Otto War- burg. (Mit 5 Textfiguren.) (Aus der medizinischen Klinik in Heidelberg) . ION u Über die Folgen der Nebennierenexstirpation. I. Mitteilung. Untersuchungen am Kaltblüter. Von ©. Loewi und W. Gettwert. (Aus dem pharmakologischen Institut der Universität Graz) Kolorimetrische Kreatinin- und Indikanbestimmungen im Harn der Haustiere nach Autenrieth und Königsberger. Von Hugo Münzer. k. k. Bezirksobertierarzt in Karlsbad Die Regenerationserscheinungen bei der Verheilung von motori- schen und rezeptorischen Nervenfasern. II. Mitteilung. Von Prof. Dr. J. Boeke, Direktor des anat. Institutes der Universität Leiden led. le Ob die Fibrillen der quergestreiften Muskeln ihr Volum während der Kontraktion verändern? Hürthle’s Ergebnisse und ihre Auslegung. Von Edward B. Meigs. (Aus dem Wistar- Institut für Anatomie und Biologie in Philadelphia) Erwiderung auf die vorliegende Ansicht von Meigs. Von K. Hürthle. (Aus dem physiologischen Institut der Uni- versität Breslau) Anpassung an die Farbe der Umgebung bei Lebias calaritana. Vorläufige Mitteilung. Von Hellmut Schenk, stud. z00l. (Aus dem zoologischen Institut der Universität Leipzig) * Seite 19 29 41 84 92 100 105 IV Inhalt. Drittes, viertes und fünftes Heft. Ausgegeben am 26. Jumi 1914. Theoretisches und Praktisches zum Saitengalvanometer. Saiten- gestalt, magnetische Feldstärke, Normalempfindlichkeit und Aluminiumsaiten. Von Prof. Dr. J. K. A. Wertheim- Salomonson, Amsterdam. (Mit 2 Textfiguren) Über die Untersuchung des Herzens von der Speiseröhre aus. Das Ösophagogramm, die ösophageale Auskultation und die Registrierung der ösophagealen Herztöne. Von Dr. C. E. Benjamins, Öhren-, Hals- und Nasenarzt in Utrecht. (Mit 13 Textfiguren.) (Aus dem physiologischen Institut _ der Universität Utrecht) . Über den Kohlehydratumsatz des isolierten Herzens normaler und diabetischer Tiere. Von O. Loewi und O. Weselko. (Ausgeführt mit Unterstützung der Fürstlich Liechten- stein’schen Spende.) (Aus dem Be Institut der Universität Graz) . . R SEE Zellstruktur und Oxydationsgeschwindigkeit nach Versuchen am Seeigelei. Von Otto Warburg. (Mit 1 Textfigur und Tafel II.) (Aus der zoologischen Station Neapel) Über die Frauenmilch der ersten Laktationszeit und den Ein- fluss einer Kalk- und Phosphorsäurezulage auf ihre Zu- sammensetzung. Von Dr. phil. F. Zuckmayer, Elberfeld Über die Wirkung der Gifte auf die Lungengefässe. Von Dr. W. J. Beresin. (Hierzu Tafel III.) (Aus dem pharm. Laboratorium der kaiserl. milit.-med. Akademie in St. Peters- burg) ; A NEE Über Erregbarkeit der chende und Auslösbarkeit von Rindenepilepsie unter Einfluss von Schlafmitteln wie nach Verabreichung grösserer Bromgaben. Von Prof. Dr. G. Bi- keles und Dr. L. Zbyszewski. (Aus dem physio- logischen Institut der k. k. Universität Lemberg) Über die Natur des Winterschlafes. Eine Antwort an Fr. Mare£. Von Dr. Osw. Polimanti, Professor der Physiologie. (Aus dem physiologischen Institut der Universität Perugia) Sechstes, siebentes und achtes Heft. Ausgegeben am 10. Juli 1914. Über die Verlängerung der Zeit bis zum Auftreten terminaler Atmungen bei wiederholtem, unmittelbar aufeinander- Seite 107 125 155 189 209 219 239 252 Inhalt. folgendem Aufenthalt eines Warmblüters im abgesperrten Luftraum. Von Prof. Dr. Alois Kreidl (Wien) und Dr. Alfred Neumann (Edlach-Wien). (Mit 1 Textfigur.) (Aus dem physiologischen Institut der Universität Wien). in Beitrag zur Kenntnis der Schmerzleitung im Rückenmark. Nach gleichzeitigen Durchschneidungen beider Rücken- markshälften in verschiedenen Höhen bei Katzen. Von J. P. Karplus (Wien) und Alois Kreidl (Wien). (Mit 6 Textfiguren.) (Aus dem Da Institut der Universität Wien) Zur Frage der Resorption des Fettes im Dick- und Mastdarm. Von Komajiro Nakashima (Tokio) Untersuchnngen über die Resorption des Fettes aus der Bauch- höhle mittels Dunkelfeldbeleuchtung. Von Komajiro Nakashima (Tokio). (Hierzu Tafel IV) Eine Methode zur Untersuchung der Ruhe- und Aktivitäts- perioden bei Tieren. Von Dr. J. S. Szymanski. (Mit 35 Textfiguren) . er re De Lernversuche bei weissen Ratten. Von Dr. J.S. Szymanski. (Mit 5 Textfiguren) Neuntes, zehntes, elftes und zwölftes Heft. Ausgegeben am 20. Juli 1914. Über glatte Muskelzellen mit myogenem Rhythmus. Von Fritz Verzar EEE ee ARTE Untersuchungen zur Theorie der sogenannten Veratrinkontraktion. Die Wirkuug von Aldehyden auf die Kontraktion des quer- gestreiften Muskels. Von Fritz Verzär und u Felter. (Mit 9 Textfiguren) . ee : Über den Einfluss der Ausschaltung der en a das Wachstum des Kehlkopfes. Von Ernst v. Elischer Über die Einwirkung der Chloroform- und Äthernarkose auf die motorischen Magenfunktionen. Von Alexander Bäron und Theodor Bärsony. (Mit 5 Textfiguren) Über den Mechanismus der Pigüre-Glykosurie. Von Adolf Jarisch. (Mit 2 Textfiguren.) (Aus dem pharmako- logischen Institut der Universität Graz) . N ee Über den Mechanismus der Diuretinglykosurie. Von Adolf Jarisch. (Aus dem pharmakologischen Institut der Uni- ER Graz) ee ee 263 288 307 343 . 386 421 445 464 478 502 VI Inhalt. Beobachtungen an der überlebenden Säugetierlunge. I. Mit- teilung. Durchströmungsgeschwindigkeit und Verhalten des Tonus der Gefässe und Bronchien an der überlebenden Katzenlunge. Von Georg Modrakowski. (Mit 16 Text- figuren.) (Aus dem pharmakologischen Institut der Reichs- universität Utrecht) RE he 1 Beobachtungen an der überlebenden Säugetierlunge. II. Mit- teilung. Über die experimentelle Erzeugung von Lungen- ödem. Von Georg Modrakowski. (Mit 14 Textfiguren.) (Aus dem pharmakologischen Institut der Reichsuniversität Üttecht)e ne Über den Einfluss warmer Bäder auf den Blutdruck und auf die Pulsfrequenz des Kaninchens. Von Dr. Yas Kuno. (Mit 10 Textfiguren.) (Aus dem physiologischen Institut der Universität Kyoto, Japan) . Über die willkürliche Beschleunigung des Herzschlages beim Menschen. Von Max Koehler, Cand. med. (Mit 4 Textfiguren und Tafel V.) (Aus dem Be Institut der Uuiversität Strassburg i. E.) Nachtrag zu meiner Arbeit: Über die mit Hilfe des Sterdockones nachweisbare Verschiedenheit der Lokalisation zwischen den in den gekreuzten und ungekreuzten Sehnervenfasern fort- geleiteten Gesichtsempfindungen. Von Dr. Emil Berger, ausl. korresp. Mitglied der kgl. belg. und kgl. span. Aka- demie der Medizin. (Mit 3 Textfiguren) En Bemerkung zu der Arbeit von Berger: Die mit Hilfe der Stereoskopie nachweisbare Verschiedenheit ete. Von Privat- dozent Dr. Richard Cords. (Mit 2 Textfiguren.) (Aus der kgl. Universitäts- Augenklinik zu Bonn) Seite [by ( oO do) (Aus dem physiologischen Institut der Universität Leipzig.) Einige Beobachtungen über den Blutdruck des Frosches. Von Dr. Yas. Kuno (Mukden). (Mit 9 Textfiguren und Tafel I.) An die gemeinsam mit E. Th. v. Brücke ausgeführten Unter- suchungen über den Nervus depressor des Frosches habe ich eine Reihe von Versuchen über den Blutdruck des Frosches angestellt. Die Ergebnisse dieser Versuche sowie einige gelegentliche Beobachtungen sollen im Folgenden kurz mitgeteilt werden, da sie zum Teil neue Tatsachen ergaben, zum Teil ältere Beobachtungen bestätigten oder korrigierten. Die Methodik dieser Versuche entsprach im allgemeinen der in der zitierten Arbeit beschriebenen. Der Blutdruck wurde bei grossen (meist ungarischen) Eskulenten in einer Arteria pulmo-cutanea gemessen. Dieses Gefäss scheint mir zur Messung des arteriellen Blutdruckes wesentlich geeigneter zu sein als die von anderen Autoren benützten, nämlich die A. cruralis oder eine der beiden Aorten (Hofmeister)?!), oder gar die A. communis kurz vor ihrer Teilung in die Aa. ilicae [Hofmeister, Schulz?)], weil in diesen Fällen ein grösserer Teil der Gefässbahn aus dem Kreislaufe ausgeschaltet ist als nach der Unterbindung einer Lungenarterie. Die in das Gefäss eingebundene Glaskanüle stand durch ein Bleirohr in Verbindung mit einem v. Frey’schen Tonographen °) 1) F. Hofmeister, Beiträge zur Lehre vom Kreislauf der Kaltblüter. Pflüger’s Arch. Bd. 44 S. 360. 1889. 2) Fr. N. Schulz, Studien über das Verhalten des Blutdruckes von Rana esculenta unter den verschiedenen äusseren Bedingungen, insbesondere bei ver- schiedener Körpertemperatur. Pflüger’s Arch. Bd. 115. 1906. 8) M. v. Frey, Die Untersuchung des Pulses. Berlin 1892. Pflüger’s Archiv für Physiologie. BA. 158. 1 2 Yas. Kuno: (ohne Federblatt). Bei dem niedrigen Blutdruck des Frosches mussten die Bewegungen der Manometermembran für die Russschreibung durch einen Strohhebel von 140 mm Länge stark vergrössert werden. Hierdurch wurde die Schwingungsdauer des Manometersystems auf 0,09 Sekunden verlängert, was aber bei der trägen Tätigkeit des Froschherzens nicht in Betracht kommt, um so mehr, als es mir bei meinen Versuchen nicht auf die Form der Druckpulse, sondern auf die Schwankungen des mittleren Blutdruckes ankam. Je nach der verwendeten Gummimembran betrugen die Ausschläge des Mano- meters 2—3 mm für Druckintervalle von je 10 mm Quecksilber. Innerhalb der hier in Betracht kommenden Grenzen waren die Manometerausschläge den Druckwerten annähernd proportional. Als Füllflüssigkeit für die Kanüle, die Bleiröhre und den Tonographen verwendete ich die von Schulz angegebene Lösung (10 °/o Dextrose, 1°/o Ammoniumoxalat), die sich sehr bewährte, da während der oft mehrere Stunden dauernden Versuche nur ganz selten eine Gerinnung des Blutes innerhalb der Kanüle eintrat. Es sei hier auch eine Beobachtung besprochen, die ich nirgends in der Literatur erwähnt finde, obwohl sie ein gewisses Interesse verdient. Bei der Präparation vieler meiner Versuchstiere bemerkte ich nämlich im Blutstrome vereinzelt kleine Gasblasen, die durch die durchscheinende Gefässwand leicht zu erkennen waren. Fast regelmässig sah ich diese Gasblasen, wenn ich — wie z. B. bei der Präparation des N. vagus am Halse — die Vena jugularis interna beobachtete; häufig sah ich aber auch, wie solche Gasblasen durch die Aorten hindurchgetrieben wurden, und in einigen Fällen sammelten sich kleine Gasmengen in den Vorhöfen des Herzens an. Wie diese Gasblasen in die Blutbahn gelangten, habe ich nicht untersucht. Um eine Luftembolie, wie wir sie aus der Pathologie der Säugetiere kennen, dürfte es sich wohl kaum handeln, da bei meinen Fröschen sicher keine grössere Vene in der Nähe des Herzens verletzt war. Zunächst wäre meines Erachtens an folgende zwei Möglichkeiten zu denken: Da ieh meine Frösche meist unmittelbar vor der Präparation aus dein kalten Keller in das warme Laboratorium brachte, könnte das Lösungsvermögen des Blutplasmas für Gase — speziell vielleicht für Kohlensäure — durch die Erwärmung so weit verringert worden sein, dass es zu einer intravaskulären Entwicklung von Gasblasen kam; andererseits scheint es mir aber auch nicht ausgeschlossen, dass bei der Diastole der Lymphherzen aus den eröffneten Lymph- Einige Beobachtungen über den Blutdruck des Frosches. 3 säcken Luft in die Lymphherzen aspiriert und weiter durch die Systole der Lymphherzen in die Blutbahn getrieben wurde. Dieser Vorgang wäre deshalb möglich, weil wir mit grosser Wahrscheinlich- “ keit annehmen können, dass — wenigstens die coceygealen — Lymph- herzen des Frosches bei ihrer Diastole nicht nur passiv erschlaffen, sondern dass ihr Hohlraum durch die bei der Systole gedehnten Bindegewebszüge, an denen die Lymphherzen fixiert sind, aktiv er- weitert werden, so dass eine Aspiration während der Diastole zu- stande kommt. Tabelle. Blutdruck in mm Hg Schlag- Versuch Ge- Gewicht En een une } hlecht während | währen am es Herzens I nk derDiastole der Systole im Mitte] pro Min. 80 (6) 75 16 20 18 37,9 92 2 85 23 37 | 323,5 45 43 2 96 23 | 30 22:26, 51 67 2 100 26 37 Ina 57 77 (6) 100 20 | 29 24,5 ol 44 2 | 105 20 | 29 24,5 44 61 & 115 18 | 28 23 60 62 2 120 Dr Al 33 60 76 ? 125 27 36 31,5 48 75 2 130 3 42 36,5 52 74 2 135 3 | 28 | 25,8 45 40 ? 135 33 | 46 : 39,5 51 Tabelle 2. Blutdruck in mm Hg Schlag- Versuch Ge- Cercht a ee! = a etuenz = ht währen währen - - esHerzens N ee der Diastole der Systole | Jun auiiel pro Min. ] 18 | Q | 90 22 23 | 42 24 2 95 29 33 dio 57 36 (6) 100 3 44 37 47 19 2 110 3 44 37,5 52 32 2 110 21 22 21,5 61 3 2 110 27 43 BB) 48 28 d 120 20 3 27,5 46 30 d 120 3 3 27,9 51 31 2 125 23 | 40 32,9 52 27 2 125 18 32 25 40 21 2 125 24 | 42 33 59 26 2 135 26 | 32 29 59 34 2 135 16 3 23 46 25 2 140 22 34 28 99 29 2 145 20 32 26 54 23 je 150 29 42 39,9 BB) 20 2 165 3 46 I 88 46 1, 4 Yas. Kuno: Über die Höhe des Blutdruckes und ihre Beziehung zu anderen Versuchsdaten geben die Tabellen I und II Aufschluss. Es wurden für diese Tabellen nur jene Versuchstiere ausgewählt, die bei der Operation so gut wie kein Blut verloren hatten, und deren Herzen sich während einer längeren Versuchszeit als normal leistungsfähig erwiesen hatten. Die Frösche waren meist nicht narkotisiert. Die angegebenen Blutdruckwerte und die Zahlen für die Herzschlag- frequenz beziehen sich auf den Beginn der einzelnen Versuche, also auf die Zeit vor jedem anderweitigen Eingriff, so dass sie wohl als annähernd der Norm entsprechend anzusehen sind, wobei noch zu bemerken ist, dass der Blutdruck des Frosches im allgemeinen, auch während längerer Beobachtungszeiten, auffallend konstant bleibt, wenn nicht irgendwelche leicht erkennbare Reize die Gefässweite oder die Herztätigkeit beeinflussen. Die Temperatur schwankte während der Versuche zwischen 17 und 19° C. Die Tabelle I ent- hält jene Frösche, an denen ausser der Einbindung der Manometer- kanüle in eine A. pulmo-eutanea keine weitere Operation ausgeführt worden war, Tabelle II jene, bei denen ausserdem noch der Truncus arteriosus auf der Gegenseite ligiert worden war, um später den Effekt der Dehnung dieses Gefässes zu beobachten; die Zahlen der beiden Tabellen unterscheiden sich nur insofern, als die Höhe der pulsatorischen Druckschwankungen nach der Ligatur eines Truncus arteriosus im allgemeinen grösser ist als bei normalen Fröschen ; sie beträgt im Mittel aus den Versuchen der Tabelle I 9,4 mm He, bei den Tieren der Tabelle II dagegen 12 mm Hg. In beiden Tabellen sind die Frösche ihrem Körpergewichte nach geordnet. Für den mittleren !) Blutdruck ergibt sich aus allen Versuchen der Tab. I der Durchschnittswert von 28,9 mm Hg, und, wenn wir den Frosch Nr. 80 wegen seines abnorm niedrigen Blutdruckes und seiner niedrigen Herzschlagfrequenz eliminieren, der Wert von 29,9 mm Hg. Die Pulsfrequenz beträgt im Mittel 50,1 bzw. 51,3 pro Minute. Aus Tab. II ergibt sich ein mittlerer Blutdruck von 30,4 mm und eine mittlere Pulsfrequenz von 50,7 pro Minute; es hat also die Ligatur eines Trunecus arteriosus keinen merklichen Einfluss auf die Höhe des arteriellen Blutdruckes. Die beiden Tabellen zeigen ferner, dass bei meinen Versuchs- 1) Als „mittlerer“ Blutdruck wird hier und im Folgenden das arithmetische Mittel aus dem systolischen Maximum und dem diastolischen Minimum bezeichnet. Einige Beobachtungen über den Blutdruck des Frosches. 5 fröschen keine Beziehung zwischen Körpergewicht und Blutdruck be- stand. Es ist dies deshalb auffallend, weil Hofmeister bei Kröten den Blutdruck mit der Grösse der Versuchstiere wachsen sah. Mög- lieherweise erklärt sich diese Differenz dadurch, dass auch meine kleinsten Frösche schon ausgewachsene und relativ grosse Tiere waren. Würde man die Versuche auf noch kleinere Frösche ausdehnen, so würde die Beziehung zwischen Körpergewicht und arteriellem Blut- druck auch hier zum Vorschein kommen. Die Herzschlagfrequenzen schwanken bei den hier herangezogenen Versuchen innerhalb relativ Höhe des mittleren Blutdruckes in Millimetern Hg. 30 35 40 45 90 bb) 60 Zahl der Herzschläge in der Minute. Fig. 1. enger Grenzen, und es ist auch — wie Fig. 1 zeigt — zwischen ihnen und der jeweiligen Höhe des Blutdruckes keine Beziehung nachweisbar. Die Werte der Abszissenachse dieser Figur entsprechen den Schlagfrequenzen, über denen die zugehörigen mittleren Blut- druckwerte aus den Versuchen an den 29 Fröschen der Tab. I und II eingezeichnet sind. Was nun die Veränderungen des Blutdruckes betrifft, so ist zu- nächst zu sagen, dass jede Bewegung des Frosches im Allgemeinen, so wie beim Warmblüter, zu einer Steigerung des Blutdruckes führt; meist kehrt der Blutdruck: in solchen Fällen unmittelbar nach der Beruhigung des Tieres wieder zur Norm zurück. Ein Beispiel einer 6 Yas. Kuno: solchen Steigerung gibt Fig. 2!) (6. Februar 1914, Nr. 82, 2, 100 g). Hier wurde während der Verzeichnung des Blutdruckes von einer vorher am kaudalen Ende der Wirbelsäule angelegten Öffnung aus, das Rückenmark mittels einer glühenden Sonde ausgebohrt (Marke a). Die starke Erregung der gesamten Muskulatur des Frosches kommt in einer beträchtlichen Steigerung des arteriellen Blutdruckes zum Ausdrucke, die systolischen Maxima stiegen hierbei von 32 auf 42 .mın Hg, schon nach 20 Sekunden ist aber der Blutdruck wieder 40 30 20 10 0 4 Sex. zur Norm (bzw. etwas unter die Norm) zurückgekehrt, so dass es sich in diesem Falle wohl kaum um eine zentrale mechanische Reizung der Vasokonstriktoren gehandelt haben kann. Der Effekt einer re- flektorischen Vasokonstriktorenerregung bei Reizung des zentralen Stumpfes eines Plexus ischiadieus ist in Fig. 3 wiedergegeben (8. Februar 1913, Nr. 66, 2, 205 g). Das Tier war euraresiert, der linke Plexus freigelegt und durchschnitten und sein zentraler Stumpf über Reizelektroden gebrückt. Während der Plexusreizung bei der Marke AR (R.-A. — 200 mm, ein Daniell im primären Kreise) beginnt 1) Sämtliche der Arbeit beigegebenen Kurven sind von links nach rechts zu lesen. Die zum Teil durch die Kurven durchgezogenen horizontalen Striche entsprechen den nach Schluss jedes Versuches vorgenommenen Eichungen des Manometers mittels eines Quecksilbermanometers. (Druckwerte am linken Rande jeder Kurve in Millimeter Hg). Alle Kurven sind in Originalgrösse reproduziert. Einige Beobachtungen über den Blutdruck des Frosches. 7 der Blutdruck anzusteigen!), der Anstieg hält auch nach Schluss der Reizung etwa 10 Sekunden lang an, dann beginnt der Blutdruck allmählich wieder zu sinken, erreicht aber auf dem hier reproduzierten Ausschnitte der Kurve noch nicht seinen Wert vor der Reizung. Es handelt sich also hier im Gegensatz zu Fig. 2 um eine mehrere Minuten andauernde Blutdrucksteigung, die nur durch eine Vaso- konstriktorenerregung erklärt werden kann. In seltenen Fällen sieht man im Anschluss an die vorübergehende Blutdrucksteigerung während einer spontanen Bewegung eine länger dauernde Blutdrucksenkung auftreten. Ein solcher Fall ist in Fig. 4 abgebildet (4. Februar 1914, Nr. 77, 3, 100 g); bei a bewegte sich der Frosch während einiger Sekunden, was sich auch in einer gering- fügigen und kurzdauernden Blutdrucksteigerung äussert, an die sich 2 < [fr FLTEITETTULTNNGG ERHOLUNG = ENEERNRRINEENNA UNI: T wm ansatskzänänhstahhglatentsnnsrntihht Juli ERTTTITTLTTTITTTRTTTETTTALTETTING HEITLILIN [TITLITIRHAITTRTTRTITEN lbarınanna NN TETAAHTITT FREERRRRERRERRRSESSIEIERNEE EEE RER ER ESTER EEE TERRAIN unmittelbar die recht beträchtliche Blutdrucksenkung anschliesst. Der Druck erreicht sein Minimum nach etwa 14 Sekunden und be- ginnt dann allmählich wieder zu steigen, erreicht aber die ursprüng- liche Höhe erst nach etwa 3 Minuten. Eine ganz analoge Blutdruck- senkung sehen wir am Ende der Kurve, die in Fig. 1 der Taf. I abgebildet ist (4. Februar 1914, Nr. 78, 2, 145 g). An der mit a markierten Stelle bewegte sich der Frosch ohne sichtbare Ursache, der Blutdruck steigt hierbei nur während zweier Systolen über die Norm an, um dann in ganz ähnlicher Weise zu sinken und langsam wieder anzusteigen, wie in dem zuerst beschriebenen Falle. Es sei hier gleich die Besprechung der übrigen Details der Fig. 1 der Taf. I angeschlossen. Es handelte sich hier um einen Frosch, der abnorm starke Atem-Schluckbewegungen in unregel- mässigen und langen Intervallen ausführte. Jede dieser Schluck- bewegungen äussert sich in der Blutdruekkurve durch je eine drei 1) Es wurde in diesem Falle vergessen, die Manometerausschläge durch Vergleich mit einem Quecksilbermanometer zu eichen. Der Blutdruck war, wie stets bei kuraresierten Fröschen, sehr niedrig. 8 Yas. Kuno: bis sechs Herzschläge lang anhaltende Unregelmässigkeit; meist sind einzelne systolische Maxima auffallend niedrig, dazwischen aber wieder andere höher, als während des ungestörten Verlaufes der Kurve. Es ist dies unter den 85 Fröschen, bei denen ich den Blutdruck ver- zeichnete, der einzige Fall, in dem ich eine Beeinflussung des Blut- druckes durch die Atembewegungen beobachtete. Eine von der Atmung unabhängige periodische Änderung des Blutdruckes habe ich an zwei Fröschen beobachtet, Fig. 2 der Taf. I stammt von einem dieser Fälle (17. November 1913, Nr. 46, 2, 80 g). Der Frosch war curaresiert und infolgedessen der Blutdruck sehr niedrig (11—12 mm Hg), und die einzelnen Pulse von sehr geringer Amplitude. Trotzdem erkennt man an der Kurve bei genauem Zu- sehen deutlich ein periodisches Steigen und Sinken der systolischen Blutdruekmaxima. Diese Wellen folgen sich, spe- ziell in der ersten Hälfte der Kurve, in ziemlich regelmässiger Weise, und zwar laufen die ersten Fig. 5. sechs Wellen in 185 Se- kunden ab, so dass also jede dieser Wellen etwa 31 Sekunden dauert; an einer anderen Stelle der Kurve laufen drei Wellen in 104 Sekunden ab, und aus allen 27 Wellen der Kurve ergibt sich als Durchschnittswert für eine einzelne Welle die Dauer von 35 Sekunden. Von dem zweiten ähnlichen Falle periodischer Blutdruck- schwankungen stammt die Kurve der Fig. 5 (2. Dezember 1913, Nr. 56, 2, 135 g). Wir sehen neun deutliche Wellen, die in 380 Sekunden ablaufen, so dass die mittlere Dauer einer Welle 42 Sekunden beträgt; dabei ist aber die Dauer der einzelnen Wellen sehr verschieden, die kürzeste verläuft in 25, die längste in 72 Se- kunden. Da es sich in den beiden hier erörterten Fällen nicht um periodische Änderungen der Schlagfrequenz des Herzen handelt, und auch wohl ein periodischer Wechsel in der Kraft der Systolen nicht wahrscheinlich ist, so liegt es am nächsten, diese Blutdruckwellen mit den von S. Mayer an Warmblütern beobachteten Wellen zu vergleichen, und sie auf Schwankungen im Tonus der Blutgefäss- muskulatur zurückzuführen. Solche rhythmische Gefässkontraktionen Einige Beobachtungen über den Blutdruck des Frosches. 9) sind beim Frosch zuerst von Saviotti!) beschrieben worden, der sie speziell an den Schwimmhautarterien beobachtete, an denen sie sich in der Regel in Intervallen von 1—2 Minuten, mitunter aber auch rascher oder langsamer folgen. Diese Beobachtungen sind mehrfach bestätigt worden, zuerst von Riegel?), der auch an den Mesenterialarterien des Frosches — allerdings nur ausnalımsweise — ähnliche spontane rhythmische Kontraktionen beobachtete. Über die Dauer dieser Kontraktionen macht Riegel keine Angaben. Eine eigenartige Blutdruckkurve von einem Frosch ist Fig. 3a und b der Tafel wiedergegeben. Sie stammt von einem euraresierten Tier (27. November 1913, Nr. 50, 9, 85 g), dessen Herz unregel- mässig schlug, und zwar erfolgten im ersten Teil der Kurve (Fig. 3a) ganz regelmässig fünf bis sechs Schläge rückläufig, dann trat eine kurze Pause ein, auf die jedesmal eine rechtläufige Systole folste, nach der das Herz abermals rückläufig zu schlagen begann. Der Blutdruck war bei dem Frosche wegen dieser gestörten Herztätigkeit sehr niedrig, in der Diastole vor jeder rechtläufigen Kontraktion beträgt er S—10 mm Hg; die rechtläufigen Systolen bewirkten stets eine relativ hohe pulsatorische Drucksteigerung, während sich die rückläufigen Kontraktionen nur durch eine leichte Zähnelung an der absinkenden Blutdruckkurve zwischen je zwei normalen Pulsen zu erkennen geben. In der zweiten Hälfte der Kurve der Fig. 3a ändert sich das Bild insofern, als sich zwischen die normalen Systolen längere Pausen einschieben, während deren das Herz in nicht näher analysierter, unregelmässiger Weise schlägt. Dieser Zustand ist auch noch an der wenige Minuten später verzeichneten Kurve der Fig. 3b zu sehen, sodann wurden aber (bei A) dem. Frosche 0,5 ecm Adrenalin (1: 1000) in die Vena abdominalis injiziert, was zu einer vollständigen und dauernden Restitution der Herztätigkeit zur Norm führte. Schulz hat die interessante Beobachtung mitgeteilt, dass bei Fröschen speziell während der Wintermonate ganz geringfügige Reize eine Erregung der herzhemmenden Vagusfasern bewirken. „Nament- lich waren die Tiere ausserordentlich empfindlich gegen optische 1) G. Saviotti, Untersuchungen über die Veränderungen der Blutgefässe bei der Entzündung. Virchow’s Arch. Bd. 50 S. 592. 1870. 2) F. Riegel, Über den Einfluss des Nervensystems auf den Kreislauf und die Körpertemperatur. Pflüger’s Arch. Bd. 4. 1871. 10 Yas. Kuno: Reize. Bewegungen mit der Hand innerhalb des Gesichtsfeldes des Tieres, Vorbeugen meines Kopfes zum Ablesen der Temperatur, An- nähern eines Gegenstandes (z. B. eines Bleistiftes) an das Auge, jedoch ohne „Berührung des Augapfels lösten prompt typische Vagus- reizung aus“ (l. ec. S. 418). Schulz sah solche Vaguswirkungen auf geringfügige Reize hin, sowohl bei hoher als auch bei niedriger Körpertemperatur auftreten, doch fand er die Erregbarkeit bei niedriger Körpertemperatur entschieden grösser als bei hoher. Auch meine Versuche wurden alle während der Wintermonate (November bis Februar) angestellt, und zwar an Fröschen, die bis unmittelbar vor dem Versuch .bei niedriger Temperatur im Keller aufbewahrt worden waren. Trotzdem habe ich aber nicht in einem einzigen Falle eine Erregung des Vagus durch optische oder schwache Haut- reize beobachtet. 60 - : 2 ee er a er \ IR | fi N Ya Eau - 50 Twuu Eier ze elelelelle] SET NaNSEERNEUNNENNENNUNUN! . ÜNLULELELALELNLALNLELN ES GER EEE IUNERTRRLREN SRTIRLUUSLSESLSISLSLSUSLSLFLNLFLRLALHLRLRL ren Tz : 20 : Sek. LILLELIN! Se Fig. 6. Ich habe mich immer wieder davon überzeugen können, dass die blosse Berührung der freiliegenden Därme mit den Fingern den Herzschlag verlangsamt, und zwar laufen die sensiblen Fasern, welche diesen Reflex vermitteln, durch die Nn. splanchniei und eine Strecke weit vielleicht auch durch den Grenzstrang des Sympathieus, denn ich habe regelmässig gefunden, dass die Durchschnürung des (rechten) Grenzstranges eine mehr oder minder energische Herzhemmung aus- löste; da der rechte Grenzstrang iunig an den rechten Aortenbogen fixiert ist, wird er bei der Ligatur dieses Gefässes, die ich häufig ausführte, stets mit unterbunden. Ein typischer Effekt einer solehen Aortenligatur, zugleich als gutes Bild der Wirkung der Vaguserregung auf den Blutdruck ist in Fie. 6 wiedergegeben (12. November 1913, Nr. 36, d, 100 g). Die Kurve stammt von einem Frosche, dessen Vaguszentrum sich auch auf andere Reize (Aortendehnung) hin als sehr erregbar erwies. Bei «a wurde der rechte Areus aortae in der Bauchhöhle unmittelbar vor seiner Ver- einigung mit dem linken unterbunden; es tritt noch ein abgeschwächter Herzschlag auf, dann bleibt das Herz 18 Sekunden lang in Diastole Einige Beobachtungen über den Blutdruck des Frosches. 11 stillstehen, während derer der Blutdruck (in der linken A. pulmo- cutanea) auf S mm He absinkt. Hierauf beginnt das Herz langsam mit zunehmender Frequenz wieder zu schlagen, und wir sehen, dass die systolischen Maxima während dieser ersten Herzkoutraktionen viel höheren Druckwerten entsprechen, als während der normalen Tätigkeit vor der Vagusreizung und am Ende des abgebildeten Kurvenstückes. Es entsprieht dies der aus den Kardiogrammen be- kannten Tatsache, dass die ersten Herzsystolen nach einem Vagus- stillstand (abgesehen von den Treppensystolen) abnorm kräftig sind, und der zunächst bedeutend verstärkten diastolischen Füllung des Herzens. An einer grossen Zahl von Fröschen habe ich den Einfluss der Gehirn- und Rückenmarkszerstörung auf den Blutdruck beobachtet. Um das Zentralnervensystem während der Registrierung des Blut- druckes zu zerstören, verfuhr ich meist so, dass ich vor Beginn des Versuches die Schädelkapsel durch Resektion der Ossa frontalia er- öffnet hatte und später mittels einer glühenden Metallsonde von dieser Öffnung aus Gehirn und Rückenmark zerstörte. Dies Ver- fahren hat den Nachteil, dass durch die Rückenlage des Frosches die direkte Beobachtung der Schädelwunde erschwert wird und eine srössere Blutung aus dieser Wunde nicht sofort zur Beobachtung kommt. Deshalb versuchte ich bei einigen Fröschen die Zerstörung des Zentralnervensystems vom kaudalen Ende her. Ich zwieckte mittels einer Knochenzange den Körper des zehnten Wirbels zum Teil, den des neunten vollständig ab und eröffnete auf diese Weise den Wirbelkanal so weit, dass ich dann von hier aus eine Sonde bis in das Gehirn einführen konnte. Auch diese Methode hat ihre Nachteile; es ist nämlich nicht möglich, den Wirbelkanal auf diese Weise zu eröffnen, ohne den Grenzstrang des Sympathicus wenigstens auf einer Seite des Tieres zu verletzen. Ich sah die Folgen dieser Verletzung auch mehrfach in einer allmählich eintretenden Senkung des Blutdruckes zum Ausdruek kommen, die vielleicht auf die Aus- schaltung der Vasokonstriktoren einer hinteren Extremität zurück- zuführen ist, da die Eröffnung des Wirbelkanals ohne jeden sicht- baren Blutverlust erfolgt war. Bei intakten Vagis ist die erste Folge der Zerstörung des Zentralnervensystems fast regelmässig ein mehr oder minder lang andauernder Herzstillstand infolge der mechanischen Erregung des Vaguszentrums in der Medulla oblongata, wie er nach einigen un- 112 Yas. Kuno: regelmässigen Herzschlägen z. B. an der Kurve der Fig. 4 der Tafel zu sehen ist (7. November 1913, Nr. 26, 9, 135 g). Diese Kurve gibt auch in ihrem weiteren Verlaufe ein Bild von der typischen Wirkung der Rückenmarkszerstörung auf den Blutdruck. Zunächst bleibt der Druck nach dem Wiedereinsetzen der normalen Herz- tätigkeit auf der alten Höhe, ja in dem vorliegenden Falle steigen die systolischen Maxima sogar etwas über die ursprüngliche Höhe empor (vgl. hierzu die Textfigur 6), aber nach etwa 1!/« Minuten beginnen die Amplituden der einzelnen Pulse allmählich immer kleiner zu werden, und auch der mittlere Blutdruck sinkt allmählich ab. Nach den klassischen Versuchen von Goltz!), die gerade beim Frosch den neurogenen Ursprung des Gefässmuskeltonus und seine Bedeutung für die Erhaltung des Blutdruckes bewiesen, erklärt sich die Verkleinerung der Pulsamplitude nach der Rückenmarkszerstörung sicher aus der mangelhaften diastolischen Füllung des Herzens in- folge der Erweiterung der peripheren Gefässe, und auch die kon- stante, allmählich eintretende Blutdrucksenkung ist auf die Aus- schaltung der spinalen (und bulbären?) Gefässzentren zu beziehen. Das Ausmaass dieser Senkung ist bei den einzelnen Versuchstieren sehr verschieden. So ergeben z. B. die Kurven von vier Fröschen (Nr. 82—85), an denen die Rückenmarkszerstörung vom kaudalen Ende her sicher ohne jede Blutung verlaufen war, folgende Werte: Beim ersten Frosche sank der mittlere Blutdruck in 5 Min. von 26,5 auf 8,5 mm Hg, beim zweiten in 13 Min. von 16,5 auf 9,3 mm, beim dritten in 14 Min. von 14 auf 7 mm, beim letzten in 20 Min. von 26,5 auf 16,5 mm. In einem einzigen Falle fand ich auch 7 Min. nach der Rückenmarkszerstörung den Blutdruck noch un- verändert (29,5 mm Hg), sonst sank er im Laufe der ersten 5 Min. fast immer auf Werte, die zwischen 10 und 20 mm lagen; doch zeigen sich in der Latenz und in der Geschwindigkeit des Absinkens grosse individuelle Differenzen. | Die bisher mitgeteilten Tatsachen gelten nur für jene Frösche, bei denen die Rückenmarkszerstörung ohne nennenswerte Blutung verlief. Jene Tiere, bei denen dies trotz der Verschorfung der zer- rissenen Gefässe durch die erhitzte Metallsonde nicht der Fall war, zeigen einen wesentlich anderen Verlauf der Blutdruckskurve Ein 1) F. Goltz, Über den Tonus der Gefässe und seine Bedeutung für die Blutbewegung. Virchow’s Arch. Bd. 29 S. 394. 1864. Einige Beobachtungen über den Blutdruck des Frosches. Beispiel hierfür gibt die Fig. 5 der Tafel (5. Februar 1914, Nr. 79, 2, 155 g). Hier ruft die Rückenmarks- zerstörung (bei Z) infolge der Bewegungen des Tieres zunächst eine ganz kurze Blutdrucksteigerung hervor, die Vagi waren vorher durchschnitten worden, so dass ein Vaguseffekt fehlt, unmittelbar an die Rückenmarkszerstörung schliesst sich aber in diesem Falle im Gegensatz zur Kurve der Fig. 4 (Taf. I) eine allmähliche, aber kontinuierliche Senkung des Blutdruckes an, die im wesentlichen sicher durch den Blutverlust des Tieres zu erklären ist, da beim Fehlen einer Blutung die Senkung des Druckes nie sofort nach der Rückenmarkszerstörung beginnt. Bei R wurde der Blutdruck durch eine intravenöse In- jektion von 0,5 eem Ringer’scher Lösung etwas erhöht, bei A wurde eine intravenöse Adrenalin- injektion gemacht. Ein noch steilerer Abfall des Blutdruckes in- folge Verblutung nach Rückenmarkszerstörung ist im ersten Drittel der Fig. 7 zu sehen (3. Dezember 1913, Nr. 59, 2, 185 8). Während der Zerstörung sehen wir wieder infolge der Bewegungen des Tieres einige abnorm hohe Ausschläge des Manometers, dann zeigt sich eine kurze Vaguswirkung, mit der aus Fig. 5 bekannten konsekutiven Steigerung der Pulsamplituden, an die sich unmittelbar ein steiler Druckabfall bis auf 12 mm Hg anschliesst. (Die unter der Kurve ab- gegrenzte Strecke entspricht einer Zeit von 2 Minuten.) Einen Gegensatz zu der Ausschaltung der zen- tralen Vasokonstriktorenerregung durch die Rücken- markszerstörung bildet die periphere Erregung der Gefässmuskulatur durch Adrenalin. Da meines Wissens bisher in der Literatur die Steigerung des Blutdruckes durch Adrenalin gerade beim Frosch noch nicht näher beschrieben wurde, stellte ich einige Versuche in dieser Richtung an. Bei allen hier erörterten Versuchen wurde das Adrenalin in die V. abdominalis injiziert. Um das Adrenalin direkt in die arterielle Blutbahn ein- r | TEL, a em Fig. 7. 2% Minuten 14 Yas. Kuno: zuführen, versuchte ich wiederholt folgenden Modus: Ich stach die Kanülennadel der Pravatz’schen Spritze durch den diek- wandigen Gummischlauch, der die Manometerkanüle mit dem Ver- bindungsbleirohr zum Manometer vereinigte, und schob die ein- gestochene Nadel zentralwärts bis in das Lumen der A. pulmo- cutanea vor; dann klemmte ich den erwähnten Gummischlauch peripherwärts von der Einstichstelle temporär ab und injizierte die Adrenalinlösung. Wenn man auch auf diese Weise das Adrenalin mit Umgehung des Herzens in den betreffenden Aortenbogen treiben kann, so bleibt doch immer ein Adrenalindepot in der Kanüle zurück, und deshalb waren die Ergebnisse dieser Versuche so schwankend, dass ich sie hier nicht berücksichtigen will. DO EN EEE RE EEE THREE 30 20 40 Mi I 4 Sek. Wem Wer die blutdrucksteigernde Wirkung des Adrenalins nur von Säugetierversuchen her kennt, ist erstaunt über die relativ gering- fügige Blutdrucksteigerung, die eine Adrenalininjektion bei einem normalen Frosche bewirkt. Wenn man einem Frosche mit normal hohem Blutdruck eine maximal wirksame Adrenalindosis injiziert, so erfolgt eine Drucksteiserung um 20—50 °/o des Anfangsdruckes, wie dies aus den ersten sieben Versuchen der Tabelle III ersichtlich ist. Die Zeit, in der sich dieser Anstieg vollzieht, ist individuell sehr verschieden; in den ersten sieben Versuchen der Tabelle schwankt sie zwischen 22 und 120 Sekunden. Ein Bild einer solchen nor- malen, relativ gerinefüsigen Blutdrucksteigerung durch Adrenalin gibt Fig. 8 (3. Februar 1914, Nr. 75, 9, 130 g). Der mittlere Blut- druck beträgt vor der Injektion etwa 36 mm He. (Von den beiden Eichungslinien für 40 mm Hg gilt die obere). Bei % wurden 0,5 cem Ringer’sche Lösung in die Bauchvene injiziert, die eine ganz schwache und vorübergehende Drucksteigerung bewirkten; bei A wurden 0,4 cem einer Adrenalinlösung (1 :2000) injiziert, durch die der Druck unter Vergrösserung der Pulsamplitude in 16 Sekunden auf etwa 42 mm gesteigert wird. Einige Beobachtungen über den Blutdruck des Frosches. 15 Eine ähnliche, wenn auch etwas beträchtlichere Blutdrucksteigerung sehen wir auch in Fig. 5 der Tafel. Der Frosch verlor, wie oben erörtert wurde, im Anschlusse an die Rückenmarkszerstörung (bei Z) viel Blut; bei % wurden 0,5 eem Ringer’sche Lösung, bei A 0,25 eem Adrenalinlösung (1:2000) injiziert, die den mittleren Blut- druck von 21 auf 32 mm Hg erhöht. Tabelle II. Adrenalin- Steigerung d. Proto- menge in Steigerung Blieinuekes Anstiegszeit koll- Gewicht Milligsramm | des mittleren Blut- |in Prozenten ve Eine Nummer pro Kilogr. | qruckes in mm Ho | des Anfangs- ur 8 Frosch a Si diuckess Im. nun 65 125 ;: here an 0,32 von 22,5 auf 31 37 — 67 100 0,40 Dolaa2 38 22 22 74 135 1,85 „ 26,5 ,„ 40 50 24 75 130 1,54 0b 16 16 76 125 1,60 » 01.5: 75.45 36 64 77 100 2,25 ONE: 38,0 43 120 78 145 | 0,69 all te) 24 _ 7, ee au 76 49 90 2,22 von 18 auf 37 105 60 50 8 5,88 A ei) 50 68 5l 80 2,50 20, 270 115 33 180 1abil Se EN) 200 40 bp) 135 1,48 RR ER 48 25 57 140 0,29 2 EBD 75) 540 95 Be) 120 0,25 SR Er. 510 60 39 185 0,16 IM A 220 70 60 140 0,21 ke) „ 40,5 125 75 79 155 0,81 lea 44 60 80 75 1,33 lehatn 2 108) 78 76 8 145 0,86 14 ,=88 140 50 83 s0 1,87 8a, 94,D 300 s0 85 95 0,71 > 16 220 48 Wenn wir diese Tatsachen mit den an Säugetieren gewonnenen Erfahrungen vergleichen, so ist zu bedenken, dass beim normalen ‚Säugetier eine maximale Blutdrucksteigerung durch Adrenalin des- halb nieht erzeugt werden kann, weil die Erregung der Depressoren reflektorisch die Herztätigkeit hemmt. Eine solche sekundär de- pressorische Wirkung der Adrenalininjektionen habe ich bei Fröschen niemals beobachtet, und deshalb scheint mir ein Vergleich der Adrenalin- wirkungen beim Frosch und beim Warmblüter nur möglich, wenn wir hierzu die Versuche an vagotomierten Säugetieren heranziehen. Bei vagotomierten Hunden erreicht der Blutdruck während der maxi- malen Adrenalinwirkung 250—300 mm Hg, Werte, die den normalen Fig. 9. Yas. Kuno: um das doppelte bis dreifache übersteigen. Wir sehen also, dass Adrenalin auf den Blutdruck des normalen Frosches viel schwächer wirkt als auf den normaler Säugetiere. Die höchsten Blutdruckwerte, die ich nach Adrenalininjektionen beim Frosch be- obachtete, liegen nur wenig über 40 mm Hg, also kaum höher als die höchsten Werte, die man auch normalerweise bei kräftigen Fröschen findet. Anders liegen die Verhältnisse bei Fröschen, deren Blutdruck aus irgendeinem Grunde (Rücken- markszerstörung, Curare, Blutverlust) abnorm niedrig ist. Einige an solehen Tieren gewonnene Resultate sind in der zweiten Hälfte der Tab. III zusammen- gestellt. Wir sehen, dass eine Adrenalininjektion den Blutdruck auch bei sehr niedrigem Anfangsdruck, allerdings immer nur für kurze Zeit, auf die normale Höhe treiben kann. In Fig. 7 und 9 sind Kurven von solchen Versuchen wiedergegeben. In Fig. 7 sahen wir den Blutdruck infolge der Verblutung nach Rückenmarkszerstörung steil vis auf 12 mm Hg absinken; bei Rs wurden 0,3 cem Ringer ’sche Lösung intravenös injiziert, bei A, und A, je die gleiche Menge Adrenalinlösung (1:10000). Nach der ersten Adrenalininjektion steigt der Blutdruck über die Höhe vor der Rückenmarkszerstörung an, um aber relativ rasch wieder bis auf 16 mm zu sinken. An der zweiten Injektion sieht man zu- nächst sehr deutlich die auch bei A, und auf Fig. 5 der Taf. I angedeutete Steigerung des Blutdruckes durch die injizierte Flüssigkeitsmenge, an die sich erst nach einer Latenz die Adrenalinwirkung an- schliesst. Ob die Abnahme der Wirkung gleicher Adrenalindosen bei mehrfach wiederholten Injektionen zum Teil auf eine Ermüdung der Gefässmuskulatur zurückzuführen ist, vermag ich nicht zu sagen; in Fig. 7 kam sie sicher in erster Linie durch die fort- schreitende Verblutung zustande. Ein weiteres typisches Beispiel für die Adrenalin- wirkung bei niedrigem Blutdruck gibt die Kurve Einige Beobachtungen über den Blutdruck des Frosches. 17 der Fig. 9 (18. November 1913 Nr. 49. 3, 90 g). Der Frosch war curaresiert und zeigte deshalb den abnorm niedrigen Blut- druck von 17 mm Hg; bei A wurden 0,2 ccm Adrenalinlösung (1: 1000) intravenös injiziert, wodurch der Druck vorübergehend auf etwa 33 mm erhöht wurde, um allmählich wieder fast auf den Ursprungswert abzusinken. Zusammenfassung. Der Blutdruck wurde an grossen Eseulenten mittels des v. Frey- schen Tonographen in einer A. pulmo-cutanea gemessen und seine Abhängigkeit von verschiedenen Faktoren beobachtet. Bei nicht narkotisierten Fröschen, die ohne Blutverlust operiert worden waren, betrug der mittlere Blutdruck etwa 30 mm Hg bei einer mittleren Pulsfregquenz von 51 Schlägen in der Minute (T= 17—19°C.). Die Höhe der pulsatorischen Druckschwankung betrug im Mittel 9,4 mm Hg, bei Fröschen, an denen ein Truncus arteriosus unterbunden war, 12 mm He. Eine Abhängigkeit des Blutdruckes vom Gewicht der Versuchs- frösche und von der Herzschlagfrequenz kam in meinen Versuchen nieht zum Ausdruck, wobei aber zu bemerken ist, dass ich nur an grossen Fröschen arbeitete, deren Gewicht zwischen 75 und 200 g lag. Bewegungen des Frosches führten meist zu einer vorübergehenden Blutdrucksteigerung, an die sich in seltenen Fällen eine länger dauernde Blutdrucksenkung anschloss. Die Reizung sensibler Nerven (zentraler Ischiadieusstumpf) rief, offenbar infolge einer reflektorischen Vasokonstriktorenerregung, eine länger dauernde Blutdrucksteigerung hervor. Die Atembewegungen äusserten sich in der Blutdruckkurve nur in einem Falle mit abnorm foreierter Atmung, bei normaler Atmung aber niemals. Periodisehe, mehr oder weniger rhythmische Schwankungen des Blutdruckes ohne ersichtliche Ursache (S. Mayer’sche Wellen?) wurden an zwei von 85 Fröschen beobachtet. Nach einer ohne Blutung verlaufenen Rückenmarkzerstörung bleibt der Blutdruck, abgesehen von dem anfangs zu beobachtenden Effekt der mechanischen Reizung des Vaguszentrums, einige Minuten auf der alten Höhe, sinkt dann aber unter beträchtlicher Verkleinerung der Pulsamplitude auf relativ niedrige Werte. Pflüger’s Archiv für Plıysiologie. Bd. 158. 2 18 Yas. Kuno: Einige Beobachtungen über den Blutdruck des Frosches. Maximal wirksame Adrenalindosen erzeugten — intravenös in- jiziert — bei Fröschen eine relativ viel geringfügigere Blutdruck- steigerung als beim Säugetier. Die Blutdrucksteigerung betrug bei normalen Fröschen nur 20—50 °/o des Anfangsdruckes. Bei Fröschen mit abnorm niedrigem Blutdruck war die durch Adrenalin bewirkte Blutdrucksteigerung relativ viel bedeutender. Häufig habe ich im Blutstrom der Frösche — sowohl in Venen als in Arterien — vereinzelt kleine Gasblasen gesehen, deren Her- kunft nicht näher untersucht wurde. 19 (Aus der medizinischen Klinik in Heidelberg.) Über die Empfindlichkeit der Sauerstoffatmung gerenüber indifferenten Narkotika. (Nebst einer Bemerkung über die sauerstoffatmenden Leberzellengranula.) Von Otto Warburg. (Mit 5 Textfiguren.) 1. Hemmt die Konzentration c eines indifferenten Narkotikums die Gärungsgeschwindigkeit in der intakten Hefezelle um einen bestimmten Betrag, so wird im allgemeinen die Gärungsgeschwindig- keit im Hefepresssaft durch die gleiche Konzentration um einen geringeren Betrag gehemmt !). Im folgenden wird gezeigt werden, dass die gleiche Regel für die Hemmung der Sauerstoffatmung gilt. In der Tat sind wir imstande, die Sauerstoffatmung in gleicher Weise wie die Presssaftgärung zu studieren, seit wir die Bereitung einer von sichtbaren Formelementen freien, sauerstoffatmenden Flüssigkeit kennengelernt haben’). 2. Die Tatsache, dass die arbeitliefernden chemischen Reaktionen gegenüber indifferenten Narkotika in der Zelle empfindlicher sind, als getrennt von der Zelle oder ihren geformten Bestandteilen, kann auf Grund früherer Untersuchungen ?) folgendermassen aus- gedrückt werden: Die Struktur*) macht die Fermente der 1) In Asher-Spiro, Ergebnisse der Physiologie Bd. 14 S. 253. 1914. 2) Pflüger’s Arch. Bd. 154 S. 599. 1913. 3) Vgl. Asher-Spiro, Ergebnisse loc. cit. 4) Unter „Struktur“ verstehen wir die arbeitsfähigen Zellbestandteile. Auf dieser Definition beruht die scharfe Abgrenzung gegenüber Ferment- Kolloid- Molekularstruktur usw. Vergl. Asher-Spiro, Ergebnisse loc. cit. 2 * 30 Otto Warburg: [1 arbeitliefernden Reaktionen empfindlicher gegenüber indifferenten Narkotika. Es ist nun im höchsten Grade bemerkenswert, dass die Emp- findlichkeit der Fermente an der Struktur eine fast konstante Grösse zu sein scheint, dass also die Wirkungsstärke !) eines bestimmten Narkotikums, für eine Zellart und eine arbeitlieiernde Reaktion ge- messen, mit grosser Annäherung auch für andre Zellarten und andre arbeitliefernde Reaktionen gilt. Beispielsweise werden Oxy- dationsgeschwindigkeit in Vibrionen, in intakten Lebern, im Zentral- nervensystem und Gärungsgeschwindigkeit in der intakten Hefezelle durch eine bestimmte Äthylurethankonzentration um fast den gleichen Betrag gehemnit. Wie mir scheint, erlaubt die Kenntnis dieser Regel eine nicht uninteressante Anwendung. Wenn wir Gebilde vor uns haben, über deren Natur als Fermente oder Maschinen (Organismen) wir zweifelhaft sind, so werden uns die Wirkungsstärken der Narkotika, je nachdem sie die „Strukturwirkungsstärken“ oder erheblich kleiner als diese sind !), mit einem gewissen Grad von Wahrscheinlichkeit eine Entscheidung ermöglichen. Gebilde, die atmen, über deren Natur als Fermente oder Orga- nismen aber bisher nichts ausgesagt werden konnte, sind die vor kurzem beschriebenen Körnchen ?) aus Leberzellen, deren Atmung einen erheblichen Bruchteil der Leberatmung ausmacht. Diese Körn- chen wurden auf ihr Verhalten gegenüber indifferenten Narkotika geprüft, wobei sich ergab, dass die Atmungshemmungen bei den für die Struktur charakteristischen Konzentrationen auftraten. Es ist das, wenn auch kein Beweis, so doch ein schwerwiegendes Argument für die Auffassung, dass die atmenden Körnchen nicht Fermente oder Fermentniederschläge, sondern Orga- nismen sind. 3. Die Tatsache, dass die Atmung der Körnchen gegenüber indifferenten Narkotika ebenso empfindlich ist, wie die Atmung intakter Zellen, gibt Veranlassung, nochmals auf die von Batelli und Stern beschriebene akzessorische Atmung) einzugehen. Ich habe früher?) die Vermutung ausgesprochen, dass die akzessorische 1) Wirkungsstärke = reziproker Wert der wirksamen Konzentration. 2) Pflüger’s Arch., loc. cit. 3) Batelli und Stern, Biochem. Zeitschr. Bd. 21 8. 487. 1909. 4) Pflüger’s Arch,, loc. cit. Über die Empfindlichkeit der Sauerstoffatmung etc. 91 („wasserlösliche— „fermentative“—) Atmung Batelli’s und Stern’s im wesentlichen Körnchenatmung gewesen sei, und zwar deshalb, weil einerseits die von den Körnchen befreiten, im übrigen nach Batelli und Stern hergestellten Flüssigkeiten viel weniger Sauerstoff veratineten, als die Forscher angegeben haben, weil anderseits die Atmungsgrösse der Körnchensuspension den für die „akzessorische Atmung“ angegebenen Werten sehr nahe kam. Diese Annahme stösst jetzt auf folgende Schwierigkeit: Die „akzessorische Atmung“ wird nach Batelli und Stern „durch verschiedene Gifte (arsenige Säure, Cyanwasserstoff, Aldehyde usw.) bedeutend weniger beeinflusst als die Hauptatmung“. Die Körnehenatmung dagegen wird, wie wir gesehen haben, durch Narkotika ebenso wie die Zellatmung (=, Haupt- atmung“ nach B. und S.) beeinflusst. Entweder also verhält sich die Körnchenatmung gegen eine Substanzgruppe wie die Zellatmung, gegen eine andere Substanzgruppe nicht wie die Zellatmung, oder Batelli’s und Stern’s „akzessorische Atmung“ ist nicht identisch mit der Atmung der Körnchensuspension. Die zweite, wahrschein- lichere Alternative würde von neuem die Frage nach der Natur der „akzessorischen Atınung“ als unbeantwortet erscheinen lassen. I. Eine Zusammenstellung der Resultate ist auf der folgenden Seite in Fig. 1 gegeben. Die Gesamthöhe der Balken zeigt die Konzentrationen an, die die Oxydationsgeschwindig- keit im wässrigen Leberextrakt um 50 °/o hemmen, die Höhe der Balkenfüllung diejenigen Konzentrationen, die die Oxydations- geschwindigkeit in den Körnchen um 50°o hemmen. II. Die Hemmung der Körnchenatmung. Zur Herstellung der Körnchensuspension dienten Lebern von frisch entbluteten Meerschweinchen. Die Lebern wurden in einem Porzellanmörser mit einem Porzellanpistill innerhalb einiger Minuten zerklopft. Dann wurde die doppelte Gewichtsmenge 1,2 P/oiger Kaliumchloridlösung zugefügt, gut gemischt und ca. 2 Minuten lang zentrifugiert, un, Zellreste, Zelltrümmer und Bindegewebe zu ent- fernen. Der Sauerstoffverbrauch wurde dann in der früher be- schriebenen Weise!) in 1 cem der Suspension bestimmt. 1 cmm Sauerstoffverbrauch entsprach 1 mm Druckverminderung am Mano- 1) Pflüger’s Arch., loc. cit. 22 Otto Warburg: “_ Wässeriger Extract { 1900 1800 | 1700 | 1600 | 1560 1400 1300 1200 1100 1000 | < —Granula —— — > Millimole. 900 800 700 600 500 400 300 200 100 Methyl- Athyl- Propy]- Urethan. Fig. 1. Über die Empfindlichkeit der Sauerstoffatmung etc. 23 meter; da der Fehler für eine Bestimmung etwa 2 mm beträgt, so sind die angegebenen Werte genau auf 2 im Verhältnis zur Anzahl der Kubikmillimeter. Was die absoluten Werte der Körnchenatmung anbetrifft, so verbrauchte 1 cem der Suspension bei 33° in 60 Minuten (in vier aufeinanderfolgenden Versuchen): 1. 0,193 eem Sauerstoff (0,760 mm) 20.0.2092: N 38.0.1935, 3 7.0.2003 5 I ohne Zusatz II 5% III 10% Verbrauchter Sauerstoff in Kubikmillimetern. 5 10 15 20 25 30 35 40 45 50 55 60 ——— Minuten Fig. 2. 1 ccm Körnchensuspension (Meerschweinchen) bei 38° C. Ohne und mit Methylurethan. im Mittel also 0,20 cem. Auf 100 ecm Körnchensuspension umge- rechnet, ist das ein Sauerstoffverbrauch von 20 cem pro Stunde. Das ist etwas mehr, als in der vorigen Mitteilung angegeben (14 cem pro Stunde und 100 cem Suspension); dort wurde schon er- wähnt, dass sich die Werte durch geschiektere Fraktionierung beim Verbrauchter Sauerstoff in Kubikmillimetern. 24 Otto Warburg: Zentrifugieren wahrscheinlich noch steigern lassen würden. Auch der neue Wert ist jedenfalls eine Minimalzahl, da noch immer viele Körnchen mit den Zellresten abzentrifugiert werden. Vermischt man 60 g zerklopfte Leberzellen mit 120 eem Kalium- chloridlösung und zentrifugiert auf die oben erwähnte Weise, so lassen sich etwa 100 cem Körnchensuspension abhebern. Will man ausrechnen, wieviel Körnehensuspension aus 1 kg Leber im Experiment gewonnen werden kann, so ist also 100 eem Körnchensuspension 200 180 18 I ohne Zusatz II 0,25 %o m III 0,5 %0 120 100 80 60 40 20 5 10 15 20 25 30 35 40 45 50 55 60 —— — Minuten Fig. 3. 1 cem Körnchensuspension (Meerschweinchen) bei 33° C. Ohne und mit Isobutylurethan. 60 g Leber gleichzusetzen. So wurde in der vorigen Abhandlung gerechnet. Will man dagegen ausrechnen, wieviel Körnchensuspension aus 1 kg Leber entsteht — wenn sie auch nicht quantitativ gewonnen „werden kann —, so müssen ca. 150 ecem Körnchensuspension 60 g Leber gleichgesetzt werden; denn die tiefere, Zelltrümmer enthaltende Schicht ist mit der Körnehensuspension durchtränkt. Rechnen wir nach diesem letzten Modus, so würde also aus 1 kg Leber 2500 cem Körnchensuspension entstehen mit einem Verbrauchter Sauerstoff in Kubikmillimetern. Über die Empfindlichkeit der Sauerstoffatmung etc. 25 Sauerstoffverbrauch von 500 cem pro Stunde. Wie noch- mals hervorgehoben sei, ist das ein Minimalwert, weil beim Zentri- fugieren Schichten entstehen, die körnchenreicher sind als diejenigen, in denen die Atmung ‚gemessen wurde. Zentrifugiert man die so erhaltene Körnchensuspension 30 Minuten bei etwa 3000 Touren, so erhält man eine überstehende, nicht ganz körnchenfreie Schicht, deren Sauerstoffverbrauch etwa ein Sechstel von dem der ursprünglichen Körnchenschicht beträgt. In der Körnchen- 200 180 I ohne Zusatz II 0,13% III 0,26 % 160 ö 10 15 20 25 30 3 40 45 50 55 60 ——— Mimuten. Fig. 4 1 ccm Körnchensuspension (Meerschweinchen) bei 38° C. Ohne und mit Isoamylurethan. suspension ist also mindestens SO %o der Atmung auf Rechnung der Körnchen zu setzen. Sollte die Atmungshemmung durch Narkotika geprüft werden, so wurden je 1 ceem der Suspension in vier Atmungsgläschen gegeben. Eine Probe blieb ohne Narkotikumzusatz, den drei andern wurde Narkotikum in verschiedenen Mengen zugesetzt. Die leichtlöslichen Substanzen wurden hierbei in Substanz — fein gepulvert — zuge- setzt; die schwerlöslichen wurden in Methylalkohol zu einer kon- 36 Otto Warburg: zentrierten Lösung gelöst und in methylalkoholischer Lösung zuge- geben. Mehr als 2°/o Methylalkohol enthielt die Körnchensuspension nie; ein solcher Gehalt an Methylalkohol war ohne Einfluss auf die Atmung, wie Kontrollen zeigten. . Einige Beispiele sind in den vorstehenden Zeichnungen wieder- gegeben. Man sieht, dass die Atmung im Laufe der ersten 30 Minuten fast konstant ist, dass sie dann weiter bis ans Ende der ersten Stunde fast konstant bleibt oder etwas abfällt. Die später angegebenen Hemmungen beziehen sich alle auf die ersten 30 Minuten. Nach derartigen Kurven wurden die Hemmungen für die Urethan- reihe ausgerechnet und folgende Konzentrationen!) gefunden für eine Hemmung der Oxydationsgeschwindigkeit um 50 Yo: Methylurethan . . . . 960 Millimole pro Liter Athylurethane 222 600 DE Propylurethan 2.222. 2.100 5 „ n Butylurethan (iso). . . 33 5 M ” Amylurethan (iso). . . 14 = 3 5 Es sind das die typischen „Strukturwirkungsstärken‘. Beispielsweise wird eine Oxydationshemmung um 50°o in intakten roten Blutzellen durch folgende Konzentrationen bewirkt (in Milli- molen pro Liter): Methylurethan 1300, Äthylurethan 420, Propyl- urethan 110, Butylurethan 40. III. Die Hemmung im wässrigen Extrakt. Zu den Versuchen wurden Lebern von frisch entbluteten Meer- schweinchen verwendet. Die Lebern wurden ca. 2 Minuten lang mit Sand zerrieben. Dann wurde doppelt soviel Wasser zugefügt, als die Leber wog, gut gemischt und 30 Minuten lang bei 3000 Touren scharf zentrifugier. Die überstehende Flüssigkeit, die sich ab- hebern liess, war körnchenarm, nicht körnchenfrei; sie wurde in früheren Versuchen von dem Rest der Körnchen durch Filtration mittels Berkefeld-Kerzen befreit. Auch die Narkotikahemmungen wurden zuerst an Berkefeld-Filtraten geprüft; nachdem sich jedoch herausgestellt hatte, dass die Wirkungsstärken vor und nach 1) Die Konzentrationen sind berechnet aus der Menge der zu einem be- stimmten Volum Körnchensuspension zugesetzten Narkotikummenge. Für die verwendeten Substanzen wird (s. Asher-Spiro Jahrg. 14 S. 253) eine Konzentrationsverminderung infolge von Adsorption hier nicht merklich. Über die Empfindlichkeit der Sauerstoffatmung etc. 7 Filtration durch die Kerzen nicht merklich verschieden waren, wurde später nicht mehr filtriert, sondern die nach 30 minutenlangem scharfem Zentrifugieren gewonnene Flüssigkeit direkt verwendet. Es hat das den Vorteil, dass man mit viel gleichmässigeren Oxydations- grössen arbeitet; durch die Berkefeld-Filtration wird die Oxydationsgrösse des Extrakts manchmal erheblich, manchmal nur wenig vermindert. 100 90 = I ohne Zusatz II 2,5 % 70 III 5,0% I IV Io,o % Sauerstoffverbrauch in Kubikmillimetern, 5 10 15 20 25 30 35 40 45 50 55 60 ——— Zeit in Minuten Fig. 5. 1 ccm ‚wässriger Extrakt aus Meerschweinchenleber bei 38° C. Ohne und mit Athylurethan. Was die absoluten Werte der Extraktatmung anbetrifft, so ver- brauchte 1 ccm in 1 Stunde bei 33° (in fünf aufeinanderfolgenden Versuchen mit verschiedenem Material): 0,056 eem Sauerstoff (0,760 mm) 0,0622, 2 (020025) 0,049 ,„ n (07607 7) 0.050, 5 (Oel =) 0,069 „ ; (Umolzer im Mittel also 0,057 cem Sauerstoff auf I cem oder 5,7 cem Sauer- stoff auf 100 cem. Rechnet man diesen Wert in gleicher Weise wie 98 Otto Warburg: Über die Empfindlichkeit der Sauerstoffatmung etc. oben auf 1 kg Leber um, so würden aus 1 kg Leber 2500 cem Extrakt entstehen mit einem Sauerstoffverbrauch von etwa 140 ecm pro Stunde. Zur Grösse der Extraktatmung ist zweierlei zu bemerken: 1. sie ist höher als der Wert für die Atmung der überstehenden Flüssigkeit, die durch Zentrifugieren der nach Il. bereiteten Körnchen- suspension erhalten wird; ob hier die Verwendung von Wasser anstatt KC] oder die Zerreibung mit Sand verantwortlich zu machen ist, bleibt unentschieden; 2. sie ist höher als der Wert, der für die Berkefeld-Filtrate erhalten wurde (in 1 eem bei 88° in 60 Minuten 0,03 eem Sauerstoff). Das könnte mit dem Rest von Körnchen zusammenhänsen, der, wie erwähnt, in den unfiltrierten Extrakten stets übrig bleibt; doch ist das nicht wahrscheinlich, da sich die Extraktatmung gegenüber den Narkotika wie das Berkefeld- Filtrat, nicht aber wie die Körnchensuspension verhält. Die Hemmungsversuche waren, wie in II beschrieben, angeordnet. Die graphische Darstellung in Fig. 5 zeigt das Verhalten der Fxtrakt- atmung gegenüber Äthylurethan; nieht immer, aber doch häufig war der Sauerstoffverbrauch innerhalb der ersten Stunde der Zeit fast proportional. Folgende Konzentrationen hemmten die Extraktatmung um ca.50°%o, wenn die Versuchszeiten 30—60 Minuten waren: 2000 Millimole Methylurethan pro Liter 740 „ Äthylurethan eine 500 5 Propylurethan ne, 90 „ Butylurethangs) „5 40 = Amylurethan (iso) „ 3 Die Konzentrationen also, die die Atmung des wässrigen Extrakts um 50°%o hemmen, liegen erheblich über den Konzentrationen, die die Körnchenatmung um den gleichen Betrag hemmen (vgl. die Zusammenstellung in Fig. 1). (Aus dem pharmakologischen Institut der Universität Graz.) Über die Folgen der Nebennierenexstirpation. I. Mitteilung. Untersuchungen am Kaltblüter. Von O. Loewi und W. Gettwert. Die Frage, ob den Nebennieren ausser der nachgewiesenen sekretorischen auch eine davon unabhängige entgiftende Leistung zu- komme, ist strittig. Letztere nahm man an auf Grund einmal des Symptomkomplexes, der nach Nebennierenexstirpation auftritt, dann der Folgen der Übertragung von Blut bzw. Organextrakten neben- nierenloser Tiere auf gesunde bzw. frisch exstirpierte. Da Zustands- änderungen auch die Folge des Ausfalles von Sekretionsprodukten sein können, sind streng beweisend für die Gegenwart von Giften pur Übertragungsversuche. Wir gehen darum an dieser Stelle auch hauptsächlich auf sie ein, zumal die vollständige Literatur erst kürz- lich von Biedl!) zusammengestellt wurde. Von Brown-Sequard?) stammt die Angabe, dass infolge Injektion des Blutes nebennierenloser Tiere im Gegensatz zu dem normaler, nebennierenlose Tiere rascher sterben. Weniger vieldeutig sind die Angaben von Abelous und Langlois°), wonach die In- jektion des Blutes sterbender nebennierenloser Frösche bei eben exstirpierten eine eurareartige Lähmung erzeugen soll. Der gleiche Erfolg trat ein nach Injektion des verdünnten Blutes nebennieren- loser Meerschweinchen bei normalen, besonders stark aber bei eben exstirpierten Fröschen. Gautrelet und Thomas‘) fanden, dass 1) Biedl, Innere Sekretion, 2. Aufl. 1913. 2) Brown-Sequard, zit. nach Biedl. 3) Abelous et Langlois, Compt. rend. soc. biol. 1891 p. 292 et p. 385, et 1892 p. 165. Arch. de physiol. 1892 p. 269. 4) Gautrelet et Thomas, Compt. rend. soc. biol. t. 66 p. 660. 1909, et t. 67 p. 231. 1909. | 30 O0. Loewi und W. Gettwert: das Serum nebennierenloser Hunde sowie dessen Alkoholextrakt zu Blutdrucksenkung führt, die nach Atropinisierung ausbleibt und auf Vasodilatation zurückzuführen sei. | Vieldeutig ist die Angabe von Soddu!), dass Aderlass bzw. Kochsalzinfusion bei nebennierenlosen Tieren günstig wirke. Was die Herkunft des supponierten Giftes betrifft, so existieren eine Reihe von Untersuchungen, die bei der Muskelkontraktion ent- stehende Stoffe verantwortlich machen. Nach Abelous und Langlois?) soll der alkoholische Extrakt von Muskeln nebennierenloser, aber auch nach Unterbrechung des Kreis- laufes bis zur Erschöpfung gereizter normaler Frösche bei nebennieren- losen in gleicher Weise wirken. Boinet?) erzielte auch bei Benutzung von Ratten ähnliche Ergebnisse. Albanese*) bestätiete zunächst die Beobachtung von Abelous und Langlois, wonach Muskelbewegung den Tod von nebennierenlosen Fröschen beschleunigt. Weiter fand er im Anschlusse an die elektrische Reizung normaler und neben- nierenloser Frösche und Kaninchen bei normalen Tieren passagere bei nebennierenlosen zum Tode führende allgemeine Lähmung; bei Fröschen nahm gleichzeitig die Zahl der Herzkontraktionen ab, bis diastolischer Stillstand eintrat. Das Herz ist dann noch erregbar. Nebenbei führt er an, dass bei Fröschen nach der Reizung Miosis, bei Kaninchen gesteigerte Peristaltik und profuse Diarrhöe eintrat. Auch er schliesst, dass die Nebennieren die Funktion haben, einen insbesondere bei der ermüdenden Reizung entstehenden Stoff zu enteiften. Dieser Stoff soll Neurin bzw. Cholin sein. Marino- Zueco und Dutto?°) stellten im Anschluss an Marino-Zuceco’s®) Nachweis von Neurin in der Nebenniere aus dem Harne von Addison- kranken ein Goldsalz dar, mit einem Gehalt, der dem von Neurin- goldchlorid entsprach. Albanese’) fand dann, dass nebennierenlose Frösche ganz besonders empfindlich gegen Neurin sind. Dieser Be- fund ist nicht durchaus eindeutig, da derartige Tiere auch gegen andere Gifte weniger resistent sein sollen. Schliesslich stellte 1) Soddu, zit. nach Biedl. 2) Abelous et Langlois, Oompt. rend. soc. biol. 1892 p. 190. 8) Boinet, Compt. rend. soc. biol. 1895 p. 646. 4) Albanese, Arch. it. biol. t. 17 p. 239. 1892. 5) Marino-Zucco und Dutto, Moleschott’s Unters. Bd. 14 S. 617. 1892. 6) Marino-Zucco, Rendic. della r. acc. dei Lincei p- 835. 1888. 7) Albanese, Arch. it. de biol. t. 18 p.49. 1893, Über die Folgen der Nebennierenexstirpation. I. 31 Gautrelet!) aus dem Blute nebennierenloser Hunde Cholin als Platinsalz, mitunter auch als Jodeholin dar. Im Blute normaler Hunde liess sich Cholin nieht oder nur spurenweise nachweisen. Trotz all dieser Untersuchungen, denen u. E. mindestens zum Teil Beweiskraft kaum abgesprochen werden kann, ist die Annahme einer enteiftenden Funktion der Nebenniere durchaus nicht allgemein akzeptiert (vgl. z.B. Biedl loe. eit. Bd. 2, 8.66 u. 72 ff... Anderer- seits bedürfen noch viele Angaben im einzelnen einer Aufklärung, so (ass eine erneute Bearbeitung des Gegenstandes einer Recht- fertigung nicht bedarf. 1 Die Versuche wurden an Fröschen ausgeführt. Die Nebennieren wurden in leichter Äthernarkose mittels Thermokauters ausgebrannt. Die Tiere überlebten die Operation bis zu 8 Tagen. Direkt im An- schluss an die Operation und 2—3 Tage danach zeigten sie nichts Abnormes. Von da ab wurden sie matt und boten das Bild einer allgemeinen Lähmung. Die Herzaktion war in diesem Stadium ge- schwächt, sowohl in bezug auf Frequenz als auf Intensität der Kon- traktion. Beim Tod war das Herz diastolisch erschlafft, der Ventrikel fast blutleer. Unmittelbar nach dem Eintritt des Todes war das Herz meist elektrisch noch erregbar, nicht mehr jedoch nach einigen Stunden. Der grösste Teil des Blutes füllte die stark erweiterten Abdominalgefässe. Um die Ursache des Herzstillstandes festzustellen, haben wir in einer ersten Versuchsreihe geprüft, ob bei Ausspülung das Herz sich wieder erhole. Zu diesem Zweck banden wir in Vorhof und Aorta Kanülen ein und durchspülten vom Vorhof aus mit Ringer- Lösung. In sämtlichen Versuchen, auch dann, wenn das Herz auch für starke elektrische Reize schon völlig unerregbar geworden war, traten im Laufe von einer Viertelstunde wieder Kontraktionen auf. Ihren Ausgang nahmen sie am Sinus. Nach einiger Zeit begann der Vorhof, schliesslich der Ventrikel wieder zu schlagen, auch dann; wene ohne Druck durchspült wurde, Damit ist zunächst nur be- wiesen, dass auch ohne Adrenalin die Herzen sich erholen können. Es fragt sich, ob wir danach berechtigt sind Vergiftung als Ursache des Herzstillstandes anzusprechen. In diesem Falle wäre die Er- l) Gautrelet, Oompt. rend. soc. biol. t. 66 p. 1040. 1909. 32 0. Loewi und W. Gettwert: holung Folge einer Auswaschung des Giftes. Zuvor müsste aus- geschlossen werden, dass nicht der Herzstillstand sekundär ist, Folge davon, dass sich die Hauptmasse des Blutes, wie dies ja der Fall, infolge der Vasodilatation in der Peripherie angesammelt hat, so dass das Herz unzureichend gespeist und so einerseits ohne Innendruck, andererseits unfähig, etwaige Stoffwechselprodukte fortzuschaffen. Dies zu prüfen haben wir einige Frösche aus den Aorten verbluten lassen: die Herzen schlugen in diesen Fällen bis zu 3 Tagen weiter. Es bleibt demnach nur die Möglichkeit, dass der Herzstillstand ein primärer ist, bedingt durch eine Vergiftung. m: Über ihre Art etwas zu erfahren, untersuchten wir zunächst den Einfluss von Atropin, wovon wir einen Tropfen (/ıo000 Lösung) auf den Sinus, eventuell auch auf den Ventrikel brachten: nach Ver- lauf von 3—10 Minuten traten am Sinus die ersten sichtbaren Be- wegungen ein, die sich bald verstärkten. Kurz darauf begann der Vorhof und schliesslich auch der Ventrikel zu schlagen. Dieser Er- folg trat in sämtlichen Versuchen ein. Kontrollversuche belehrten darüber, dass eine grössere Menge von Ringer-Lösung ohne Atropin, in gleicher Weise appliziert, ohne jeden Einfluss war. Der gleiche Erfolg von Atropin trat ein, wenn die Vagi vor- gäneig durchschnitten waren bzw. wenn das stillstehende Herz dem Körper entnommen war; damit ist bewiesen, dass der Herzstillstand durch einen die peripheren Vagusapparate erregenden Stoff zustande- gekommen war. Zur Kontrolle, ob der Stillstand spezifische Folge der Nebennierenexstirpation sei, haben wir in sechs Versuchen aus- gedehnte Kauterisationen der Leber und der Nieren vorgenommen. Der Tod trat in diesen Fällen zwischen 3 und 8 Tagen ein. Am stillstehenden Herzen war Atropin völlig wirkungslos. Bei unseren weiteren Versuchen fussten wir auf der bereits er- wähnten Beobachtung Albanese’s, wonach intensive elektrische Reizung des ganzen Tieres beim normalen Frosch nicht oder minimal, beim nebennierenlosen sehr stark die Zahl und Intensität der Herz- kontraktionen beeinträchtigt. Zunächst überzeugten wir uns von der Richtigkeit dieser Beobachtung. Es wurden die gefensterten Frösche. mit dem Induktionsstrom gereizt; die eine Elektrode war im Maul, die andere am Fussgelenk befestigt. Über die Folgen der Nebennierenexstirpation. I. 33 Versuch 26. 3. März 1914. A normaler Frosch, B Nebennieren exstirpiert am 2. März 1914. Zeit AT Bemerkungen A B 4h 35’ a2 250 Ah 45’ Sant le 4h 45’ bis 4h 50’ Reizung 5h 00’ 3 24 5h 15’ 34 24 5h 25’ 86 171, 2328 5h 40’ 36 28 6h 00’ 40 34 Versuch 28. 4. März 1914. A Leber exstirpiert, B Nebennieren exstirpiert; beides am 3. März 1914. F Zeit ren Bemerkungen As ale B 3h 50’ | 40 BB) 4h 00’ 40 35 4h 20' 40 35 4h 20’ bis 4h 23’ Reizung 4h 30' 42 S0 h 35’ 2 3 ana 12 29 6h 55’ 42 36 Im Anschluss an die einmalige Reizung trat beim normalen Frosch (Versuch 26) und nach Leberexstirpation (Versuch 28) eine leichte Beschleunigung, beim nebennierenlosen Tier eine Ver- langsamung ein, die nach einiger Zeit wieder schwand. In weiteren Versuchen wurde der Einfluss wiederholter Reizung geprüft. Versuch 45. 17. März 1914. Nebennieren exstirpiert am 16. März 1914. Zeit Frequenz Bemerkungen Ih 00’ 46 an 2 je Von jetzt ab wiederholte Reizung : 4: gh 22' 36 9h 33’ 34 105 00’ 24 11h 05’ 19 11h 55’ 10 2h 10’ 0 Das stillstehende Herz wird herausgenommen ; nach Atropinisierung Wiederbeginn von Pulsationen Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd. 158. 5) 34 O0. Loewi und W. Gettwert: Versuch 62. 28. März 1914. A normal, B Nebennieren exstirpiert am 27. März 1914. Frequenz Zeit Bemerkungen A B 9 30’ 50 28 9h 45’ 50 28 Von jetzt ab wiederholte Reizung 10h 00’ 49 22 10h 45’ 44 20 11h7207 5 42 14 11h 50’ 42 4 1h 00’ 49 — Soon zung bebt den Stillstand vor B au Bei wiederholter starker Reizung tritt demnach bei normalen Fröschen eine mässige Frequenzabnahme, bei nebennierenlosen Still- stand ein. In weiteren Versuchen wurde geprüft, ob am Zustandekommen der Verlangsamung das Vaguszentrum beteiligt sei. Versuch 29. 6. März 1914. Nebennieren 4 Stunden vorher exstirpiert; beide Vagi vor dem Versuch durchschnitten. Zeit | Frequenz Bemerkungen 4h 20' 8) 4h 30’ 38 Von 4h 30’ bis 4h 35’ Reizung 4h 35’ 36 4h 45’ 32 5b 00’ 30 5h 15’ 28 Versuch 81. 8. April 1914. Nebennierenexstirpation am 7. April 1914; vor dem Versuche beide Vagi durchschnitten. Zeit | Frequenz Bemerkungen oh 357 44 oh 45’ 44 3h 45’ bis 3h 50’ Reizung 3h 50’ 3 4h 00° 32 4h 00’ bis 4h 5’ Reizung 4h 05 24 4h 10’ 14 4h 40’ bis 4b 45’ Reizung 5h 00' 8 5h 10’: Atropin auf den Sinus 5h 20’ 16 oh 28’ 28 Über die Folgen der Nebennierenexstirpation. I. 35 Versuch 38. 11. März 1914. Nebennierenexstirpation am 10. März 1914. Zeit Frequenz Bemerkungen 4h 00’ 40 4h 05’ 40 Von 4h 5’ ab wurde in kürzeren Abständen wiederholt gereizt 4h 07' 40 4h 12’ 26 5h 20’ 22 Beide Vagi durchschnitten ah 25’ 18 5b 30’ 12 Die Versuche zeigen, dass die Verlangsamung im Anschluss an die elektrische Reizung auch eintritt bzw. bestehen bleibt nach Durchtrennung der Vagi. Weitere Versuche zeigen den Einfluss von Atropin auf die Ver- langsamung. Versuch 31. 7. März 1914. Nebennierenexstirpation am 6. März 1914. Zeit | Frequenz Bemerkungen 9 00’ 46 9h 15’ 46 9h 25’ bis 9h 30’ Reizung 9h 30’ 46 Ya 3 42 9h 45' 40 10h 20’ 42 112 40’ 38 Atropin auf das Herz gebracht 11h 45’ 33 11h 45’ bis 11h 50’ Reizung ehe 2 44 ia Ds 46 12 00’ 44 Versuch 49. 23. März 1914. Exstirpation und Versuch. me Zeit Frequenz Bemerkungen 105 40’ 40 105 50’ 40 10k 50’ bis 11h 00’ Reizung 10h 55’ 36 11h 00’ 32 11h 10’ 26 11h 14’ Atropin auf das Herz gebracht 1 34 11h 25’ 34 11h 40’ 36 36 O0. Loewi und W. Gettwert: Versuch 73. 2. April 1914. Exstirpation am 1. April 1914. Zeit Frequenz Bemerkungen 9h 20’ 48 9h 30’ 48 9h 40’ 48 9h 40' Atropin aufgebracht Y9h 45’ 44 9h 55’ 44 9h 50’, von jetzt ab wiederholte starke Reizung 10h 00’ 44 IL 40 10h 50’ 40 In zahlreichen weiteren Versuchen wurde das durch wiederholte Reizung stillgestellte Herz herausgenommen; Atropin brachte es ausnahmslos wieder zum Schlagen (vel. z. B. Versuch 62 oben). Als weiteres Beispiel diene folgender Versuch: Versuch 79. 7. April 1914. 6. April: Nebennierenexstirpation, wiederholte Reizung. 7. April: Herz diastolisch stillstehend. Vorhof schwach, Ventrikel nicht erregbar; Herz isoliert. Zeit | Eingriff | Herzaktion 10h 40' Isolierung — 10h 45’ Ringer-Bad — 10h 50’ Atropin — 10h 51’ Sinus beginnt: 16 pro Minute 10h 53’ Atrium beginnt: 16 pro Minute 11h 00’ Atrium schlägt: 24, Ventrikel 0 11h 15° Ventrikel beginnt: Atrium 24, Ventrikel 2 11h 20’ Ventrikel beginnt: Atrium 20, Ventrikel 2 11h 30’ Ventrikel beginnt: Atrium 20, Ventrikel 20 Aus den Versuchen geht hervor, dass die Pulsverlangsamung durch Atropin verhindert bzw. aufgehoben wird. Nachdem die Verlang- samung, wie wir sahen, auch nach Vagotomie eintritt, müssen wir sie demnach als bedingt durch toxische periphere Vagusreizung auffassen. In den Protokollen wurde nur die Frequenz der Kontraktionen angegeben. Es ist nachzutragen, dass mit deren Abnahme regel- mässig ein Längerwerden der diastolischen Pause und eine schlechtere Füllung des Herzens einhergeht, so dass der zu Beginn gut gefüllte Ventrikel am Ende des Versuches fast leer ist. Ausserdem be- obachteten wir nach der Reizung, und zwar nur der nebennierenlosen Über die Folgen der Nebennierenexstirpation. 1. 37 Frösche, niemals normaler, in Bestätigung einer Angabe Albanese’s die allmähliche Entwicklung einer schliesslich maximalen Miose; am herausgeschnittenen Auge blieb sie. Auch die nach den Folgen der Exstirpation spontan gestorbenen Tiere zeigten intensive Miose. In weiteren Versuchen haben wir den Einfluss des Blutes neben- nierenleser Frösche auf die Herzen gesunder geprüft; das Blut stammte entweder von Tieren, die zur normalen Zeit nach der Exstirpation spontan gestorben waren, oder von soleheu, deren Herzen am Tage nach der Exstirpation dureh Dauerreizung zum Stillstand gebracht worden waren. Das Blut wurde aus dem angeschnittenen Vorhof mittels feiner Pipette aufgesogen. Die Applikation erfolgte derart, dass eine minimale Menge mit Blut getränkter Baumwolle auf den Sinus gebracht wurde, und zwar sowohl im intakten Tiere wie am herauseeschnittenen Herzen. Versuch 67. 28. März 1914. Normales Herz, isoliert. Zeit Frequenz Bemerkungen 3h 20’ 28 h 30’ 28 Blut eines normalen, lange gereizten Frosches (aus Versuch 62 A) aufgebracht 3h 55’ 28 4h 17’ 32 A 32 Blut eines nebennierenlosen, lange gereizten Frosches (aus Versuch 62 B) 4h 40' 30 4h 50°’ 19 5h 00’ 12 5h 21’ Ringer-Lösung aufgebracht 5h 02’ 16 5h 20’ 14 | 5b 20’ Atropin aufgebracht DD 24 5h 35 5] Versuch 75. 6. April 1914. Normaler Frosch, Gehirn und Rückenmark zerstört, Herztenster. Zeit | Frequenz Bemerkungen 10h 20’ 50 10h 40’ 80 Blut eines spontan gestorbenen nebennierenlosen Fr on Si 10h 45 44 rosches auf den Sinus 11h 00°’ 40 Ringer-Lösung auf Sinus 11h 10’ 40 11h 20°’ 40 Atropin auf Sinus 11h 21’ 48 11h 30’ 52 38 OÖ. Loewi und W. Gettwert: Es gelingt also, wie nach den Ergebnissen der bisherigen Ver- suche nicht anders zu erwarten war, mit dem Blute nebennierenloser Tiere, die entweder spontan starben oder deren Herzen durch elektrische Reizung der Tiere zum Stillstand gebracht wurden, an normalen Herzen die gleichen Erscheinungen hervorzurufen, wie sie beim nebennierenlosen Frosche selbst auftreten: nämlich eine durch periphere Vagusreizung bedingte negativ inotrope und negativ chrono- trope Wirkung. Versuche, die Giftwirkung am isolierten Auge aus- zuwerten, sind noch nicht abgeschlossen. Wenn wir bislang auch keine Versuche unternommen haben, das Gift rein darzustellen, ist es auf Grund der Ergebnisse anderer Forscher, namentlich Gautrelet’s, wahrscheinlich, dass es sich um Cholin handelt: auch Cholin bewirkt bei Fröschen allgemeine und Curarelähmung und Miosis. Nach subkutaner Injektion auch grosser Dosen sah Böhm!) allerdings nur sehr allmählich entstehende Puls- verlangsamung nie Stillstand. Es ist aber leicht nachzuweisen, dass Cholin — wir benutzten sowohl ein Präparat von Richter- Buda- pest wie eines von Merck — bei normalen Fröschen fürs Herz bei subkutaner Injektion viel weniger giftig ist als bei nebennierenlosen. Als Beispiel diene Versuch 32. 9. April 1914. A normaler Frosch, B Nebennieren am 8. April exstirpiert. Zeit Kreguenz Bemerkungen ASSE N B | B 11h 50’ 44 42 Bei A und B Herzaktion sehr kräftig 12h 00' 44 42 12h 02’ — | Je 5 cg Cholin s. c. 12h 08’ 36 20 Bei B starke diastolische Füllung, schwache 12h 20’ 36 22 Systole, bei A die gleichen Erscheinungen angedeutet 12h 45’ 32 12 2h 00’ 94 = Bei B diastolischer Stillstand, mit Atropin | behoben Während also Cholin beim normalen Frosch nur geringfügige passagere Wirkung hatte, führte es beim nebennierenlosen in der Tat zum diastolischen Stillstand. Die Differenz dürfte sich, nament- 1) Böhm, Arch. f. exp. Pathol. u. Pharmakol. Bd. 19 S. 87. 1885. Über die Folgen der Nebennierenexstirpation. I. 39 lich mit Rücksicht darauf, dass beim normalen Frosch wieder deutliche Erholung eintrat, kaum anders als durch eine a Fann (s. u.) durch die Nebenniere erklären lassen. Unter dieser Voraussetzung müsste Cholin, wenn es nicht, wie bei subkutaner Injektion, allmählich und in kleinen Mengen resorbiert und so etwa leicht unwirksam gemacht werden kann, sondern direkt aufs Herz aufgetragen wird, auch beim normalen Frosch intensiver wirken. In der Tat erzielten wir auf diese Weise bei Applikation eines Tropfens einer "/ıooo Lösung auf den Sinus binnen 5 Minuten eine Herabsetzung der Schlagfolge von 36 auf 15, ein anderes Mal sogar mit !/ıoooo annähernd den gleichen Erfolg. Die Ergebnisse dieser Versuche bedeuten also eher eine Be- stätigung als einen Widerspruch der Annahme, dass der diastolische Stillstand nebennierenloser Frösche durch Cholin zustande kommt. Die Tatsache, dass das Blut nebennierenloser Tiere giftig wird, lässt a priori verschiedene Deutungen zu: zunächst die, dass in der Norm das Gift in wesentlich geringerem Ausmaasse gebildet wird als nach Nebennierenexstirpation. Stützen für eine solche übrigens schwer verständliche Auffassung liegen nicht vor. Weiter liegt die Möglichkeit vor, dass Cholin bei nebennierenlosen Tieren in gleicher Menge wie bei normalen gebildet wird, aber seine Entgiftung ge- stört ist. Die Entgiftung wiederum könnte erfolgen einmal durch ein Sekretionsprodukt der Nebennieren, das die Wirkung des Cholins aufhebt, ferner durch Zerstörung bzw. Unwirksammachung des Cholins durch eine von der sekretorischen unabhängige Funktion der Neben- niere. Dass Adrenalin die Cholinwirkungen aufheben kann, steht fest Lohmann!)]. Aber selbst zugegeben, dass dieser Entgiftungs- modus auch im Organismus quantitativ in Betracht kommt, so können wir doch hierin nicht allein die Wirkung der Nebenniere erblicken, solange Gautrelet’s Befund, dass bei nebennierenlosen Tieren der Cholingehalt des Blutes vermehrt ist, zu Recht besteht. Solange müssen wir wohl eine nicht nur gegen die Wirkungen, sondern gegen das Cholin selbst gerichtete Entgiftung annehmen. Untersuchungen in dieser Richtung, insbesondere auch beim Warmblüter, sind im Gange. Zusammenfassung der hauptsächlichen Ergebnisse. 1. Der diastolische Stillstand des Herzens infolge von Nebennierenexstirpation spontan gestorbener 1) Lohmann, Pflüger’s Arch. B1. 115 S. 215. 1907. 40 O0. Loewi und W. Gettwert: Über die Folgen etc. Frösche wird durch Atropin aufgehoben, desgleichen der Stillstand von Herzen nebennierenloser Frösche, der durch wiederholte elektrische Reizung der Tiere bewirkt wird. Die Atropinwirkung tritt an solchen Herzen auch nach deren Isolierung ein. 2. Das Blut nebennierenloser Tiere, die entweder spontan gestorben sind oder deren Herzen durch Reizung der Tiere zum Stillstand gebracht wurden, ist giftig; es bewirkt bei direkter Applikation auf das Herz normaler Tiere sowohl bei intaktem Kreislauf wie nach Vagotomie bzw. völliger Isolierung des Herzens eine hochgradige Verlangsamung, die durch Atropin behoben wird. 41 Kolorimetrische Kreatinin- und Indikanbestimmungen im Harn der Haustiere nach Autenrieth und Königsberger. Von Huso Münzer, k. k. Bezirksobertierarzt in Karlsbad. I. Kreatinin. Kreatinin kommt im Harn von Menschen und Tieren vor und bildet beim Menschen ungefähr ein Zwanzigstel des Gesammtstickstoffes. Ausserdem findet es sich neben Kreatin in den Muskeln der höheren Tiere. Es ist speziell nachgewiesen worden im Fleische verschiedener Fische [Kruckenberg!)], im Rinderblut und der Milch, obgleich in äusserst geringen Mengen [Hammersten?)]. Beim Menschen beträgt die in 24 Stunden ausgeschiedene Kreatinin- menge I—2 g. Der Kreatininkoeffizient, d. i. die pro Körperkilo ausgeschiedene Menge Kreatininstickstoffl, bewegt sich bei normalen Individuen zwischen 7—11 mg, entsprechend 19— 30 mg Kreatinin. Die Kreatininkoeffizienten liegen bei Fleischfressern innerhalb der bei Menschen beobachteten Werte, beim Kaninchen höher [Ellinger°)]. Bezüglich der Kreatininmenge bei den Tieren. gehen die An- sichten auseinander. Nach Friedberger und Fröhner‘) enthält der Fleischfresser- harn 0,2°%o; nach Voit°) enthält der Hundeharn bei magerer Kost 0,5, bei starker Fleischfütterung 4,9 g täglich. Bei den Herbivoren wird nach Porcher‘) das Kreatinin zu 1—2 & im Liter ausgeschieden, bisweilen sogar bis 2,5 g; etwas 1) Jahresber. über die Fortschritte der Tierchemie 1881 S. 344. 2) Lehrb. der physiol. Chemie S. 323 u. 652. Bergmann, Wiesbaden 1907. 8) In Neubauer-Huppert’s Analyse des Harnes, 11. Aufl., S. 651 u. 653. Kreidel, Wiesbaden 1910. 4) Lehrbuch der klin. Untersuchungsmethoden S. 406. Enke, Stuttgart 1900. 5) Jahresber. über die Fortschritte der Tierchemie S. 792. Ricker, Giessen 1867. 6) Lehrbuch der vergl. Physiologie von Ellenberger und Scheunert S. 206. Parey, Berlin 1910. 42 Hugo Münzer: weniger soll der Carnivorenharn enthalten. Dagegen hält Storch!) den Harn der Fleischfresser besonders reich an Kreatinin. Fleisch- kost und Muskelarbeit sollen auf die Kreatininbildung und Aus- scheidung vermehrend wirken, ebenso die Steigerung des Stoffwechsels. Nach demselben wurde eine Verminderung des Kreatinins bei Anä- mien und Kachexien beobachtet. Unter diesen Verhältnissen schien es mir wünschenswert, die Mengen des Kreatinins im Harne von Tieren quantitativ zu be- stimmen, und zwar unter normalen und abnormen Umständen. Über die Bildung des Kreatinins ist bisher wenig bekannt; das eine ist sicher, dass das Kreatin mit dem Kreatinin in engem Zu- sammenhange steht, weil man leicht auch unter Bedingungen, die im Tierkörper vorliegen, den einen Stoff in den anderen umwandeln kann. Zwar ist nicht zu bezweifeln, dass ein Teil des Harnkreatinins aus Eiweiss entstanden ist. Wo aber und wie dieser Prozess statt- findet, liegt noch im dunkeln [Pekelharing?)]. Mellanby°) hat darauf hingewiesen, dass bei der Bildung des Kreatins, das in den Muskeln gefunden wird, die Leber eine Rolle spielt. In den Muskeln wirbelloser Tiere, beim Hummer, wird kein Kreatin gefunden; dagegen trifft bei Wirbeltieren das Vor- kommen von Kreatin mit dem Vorhandensein der Leber zusammen, eines Organes, dessen Homologon bei Wirbellosen zwar dem Namen nach, faktisch aber nicht angetroffen wird. Die Ausscheidung des Kreatinins ist unter normalen Verhältnissen für jedes Individuum ausserordentlich konstant und unabhängig von der Gesammtstickstoffausscheidung (Ellinger l.ce. S. 651) und lässt keinen gesetzmässigen Zusammenhang mit dem Zerfall der Kern- substanz des Organismus erkennen [Forschbach‘%)]. Nach Spaeth°) verläuft die Ausscheidung des Kreatinins parallel mit der Ausscheidung des Harnstoffes. 1) Chemische Untersuchungen auf dem Gebiete der Veterinärmedizin S. 291. Braumüller, Wien 1906. 2) Zentralbl. f. d. ges. Physiologie u. Pathologie d. Stoffwechsels S. 289. Berlin 1909. 3) Kreatin und Kreatinin. Journ. of Physiol. vol. 36 p. 447. Cambridge. 4) Übersicht über den heutigen Stand der Kreatin- und Kreatininfrage. Deutsche mediz. Wochenschr. 1908 S. 223. 5) Die chemische und mikroskopische Untersuchung des Harns $. 110. Barth, Leipzig 1397. Kolorimetrische Kreatinin- und Indikanbestimmungen im Harn etc. 43 Gottlieb und Stangassinger!) haben durch Autolyseversuche festgestellt, dass in der Leber und auch in anderen Organen Sub- stanzen, Enzyme vorkommen, welche Kreatin in Kreatinin umzusetzen imstande sind. Nach deren Versuchen ist es wahrscheinlich, dass die Bildung und Umwandlung wie auch Zerstörung von Kreatin und Kreatinin nebeneinander verlaufen. Auch Levene und Kristeller?) halten den Stoffwechsel des Kreatins und Kreatinins eng miteinander verknüpft, da meistens ver- minderte Kreatinausscheidung mit gesteigerter Kreatininausscheidung verbunden ist. Abhängig ist die Menge des durch die Nieren ausgeschiedenen Kreatinins von der Kreatinbildung beim Eiweissverbrauch in den Geweben, von der Spaltung und Oxydation des Kreatins und von der anhydrierenden Wirkung (Pekelharing |. e.). Ausser der von Storch angeführten Vermehrung und Ver- minderung des Kreatinins finden sich in der tierärztlichen Literatur keine Angaben, welche das Verhalten des Kreatinins im normalen Zustande und bei verschiedenen Krankheiten berücksichtigen würden, ausgenommen die Angaben Fiebiger’s®?), welcher gelegentlich seiner Untersuchungen über Kreatin im Harn verschiedener Haus- tiere auch die Resultate der Kreatininausscheidung bei je einem Pferde mit Herzfehler (Kreatininmenge 0,174°/o, darin enthalten 0,0580 N, Verhältnis zum Gesamt-N 1:26), Petechialfieber (Kreatinin- menge 1,033°/o, darin enthalten N 0,344 °/o, Verhältnis zum Ge- samt-N 1:9), Tetanus (Kreatinin 0,15°/o, darin 0,344 0/0 N, Verhältnis 1:17) und bei drei Pferden mit Hämoglobinämie (Kreatinin 0,4640°Jo, 0,2819 und 0,048°/o und einem Verhältnis von 1:17, 1:24 und 1:21) anführt und hervorhebt, dass speziell beim Petechialfieber die Kreatininmenge sowohl absolut als auch relativ eine überraschend grosse war. Bezüglich der Kreatininausscheidung bei Menschen unter patho- logischen Verhältnissen kommt Skutetzky*) (Klinik Jaksch) zu 1) Über das Verhalten des Kreatins bei der Autolyse. Zeitschr. f. physiol. Chemie Bd. 52 S.1. Strassburg 1907. 2) Maly’s Jahresber. Bd. 39 S. 590. 1910. 3) Über Kreatinin im Harn verschiedener Haustiere. Zeitschr. f. Tier- medizin Bd.7. Fischer, Jena. 4) Über Kreatinin- und Kreatinausscheidung unter pathologischen Ver- hältnissen. Deutsches Arch. f. klin. Medizin Bd. 103. Leipzig 1911. 44 Hugo Münzer: dem Ergebnisse, dass Fieber, gleichviel, welche pathologische Prozesse immer begleitend, durch erhöhten Eiweissverbrauch eine Steigerung der Ausscheidung hervorruft, die Höhe der Temperatur im einzelnen Falle proportional erscheint und nach längerem Bestande des Fiebers oder bei Wiederauftreten von Temperatursteigerung nach fieberlosem Intervall abnimmt. In fieberlos verlaufenden Erkrankungen des Zentralnervensystems, die mit erheblicher Muskelarbeit verbunden sind (epileptischer Anfall), ist die Kreatininausscheidung auffallend gesteigert. Bei Lebererkrankungen, welche die Funktionstüchtigkeit dieses Organes beeinträchtigen, ist die Menge des ausgeschiedenen Kreatinins erheblich vermindert; ebenso bei Morbus Basedowii und Diabetes mellitus. Bei Marasmus sind die Werte subnormal, bei Diabetes insipidus annähernd normal. Fleischkost bedingt in den ersten Tagen nach längerer Milchdiät vorübergehenden Anstieg. II. Indikan. Indikan nennt man die in jedem Harn normal vorkommende „indigobildende Substanz“, nämlich das indoxylschwefelsaure Kalium. Es entsteht aus dem Indol, einem Produkte der Eiweissfäulnis, welches zunächst zu Indoxyl oxydiert wird und sich dann mit Schwefelsäure zu einem Ester verbindet. Diese Paarung mit Schwefelsäure geht in der Leber und wahrscheinlich auch in anderen Organen vor Sich. Nach Angaben der Literatur enthält der menschliche Harn normalerweise '5—20 me pro 24 Stunden (Hammersten |. c.), der Pferdeharn pro Liter ca. 150 mg, pro Tag 1—2 g, der Hunde- harn pro Liter 1O mg (Fröhner, Friedberger). Nach Porcher (Seheunert-Ellenberger S. 207) beträgt bei den Carnivoren das Indoxyl, auf Indigo berechnet, 20—25 mg im Liter, beim Pferde bis zu 200, ja 300 mg. Storch (l. e.) glaubt, dass, wenn die tägliche Menge des Menschenharnes mit 5—20 mg angenommen wird, die des Pferdes 20 mal so gross ist. Redecha!) hält 50 bis 100 mg Indikan im Liter Pferdeharn normal. Nach Malkmus?) beträgt der Durchschnittsgehalt 184 mg im Liter. Müller°) hat 1) Indikan im Harn kolikkranker Pferde. Berl. tierärztl. Wochenschr. 1911 S. 324. 2) Grundriss der klinischen Diagnostik der inneren Krankheiten der Haus- tiere S. 165. Hannover 1906. 3) Bericht über die Klinik der kleinen Haustiere. Berl. tierärztl. Wochen- schrift 1910 S. 299. Kolorimetrische Kreatinin- und Indikanbestimmungen im Harn etc. 45 bei 46 Hunden mit gesundem Magen und Darm den Harn auf Indikan geprüft und 24mal ein positives und 22 mal ein negatives Resultat erhalten; im Sommer gelangten mehr indikanhaltige Harne zur Untersuchung als im Winter. Bauer!) fand in zwölf unter- suchten Harnen gesunder Pferde einen Gehalt von 45-310 mg Indikan, Salkowski?) im Rinderharne 0,028 mg Indoxyl im Liter. Porcher und Hervieux°®) kommen auf Grund ihrer Versuche zu dem Resultate, dass, nachdem bei allen normalen Harnen vom Pferd, Hund, Kaninchen, Meerschweinchen und auch vom Menschen die Prüfung auf Indikan positiv ausfiel, das Indikan bei diesen Tieren ein ganz normaler Bestandteil des Harnes ist, und dass man aus den qualitativen Nachweisen des Indikans an sich keine Schlüsse ziehen kann. Man muss also quantitative Bestimmungen machen. Weitere Angaben über Indikan im Harn der Haustiere finde ich nicht publiziert. Es fehlen demzufolge diesbezügliche Unter- suchungen im Harn der Wiederkäuer (bis auf den von Salkowski untersuchten Harn einer Kuh) und des Schweines vollkommen. Indikanurie (vermehrte Indikanausscheidung) wurde bei Tieren nachgewiesen bei chronischem Darınkatarrh bis 1000 mg, bei Futter- anschoppungen, besonders Blinddarmverstopfungen, bei Verdauungs- störungen im Dünndarm, die mit Verminderung der Peristaltik, der Verdauung und Resorption verbunden sind (Malkmus). Am stärksten ist die Indikanausscheidung nach Friedberger und Fröhner, wenn infolge Unwegsamkeit des Dünndarms die Fäulnis daselbst zunimmt und der faulende Darminhalt nicht entleert werden kann. Bauer (l. c.) fand bei chronischem Darmkatarrh das Harnindikan in jedem Falle um das Drei- bis Fünffache des normalen vermehrt. Dieselbe Vermehrung beobachtete derselbe bei Pferden mit Blinddarmverstopfung. Der Indikangehalt sank aber unter die Norm, auf 50 bzw. unter 50 mg, sobald infolge verabreichter Abführ- mittel Durchfall eingetreten war. Bei Überfütterungskoliken oder Magenüberfüllung waren im Harn 500—700 mg Indikan vorhanden; bei rheumatischer Kolik oder Anschoppungen im Mastdarm infolge zentraler Mastdarmlähmung war der Indikangehalt normal. Der 1) Über den Nachweis und die Bedeutung des Indikans im Harn des Pferdes. Deutsche tierärztl. Wochenschr. 1905 S. 353. 2) Zur Kenntnis des Harnes bei den Herbivoren. Zeitschr. f. physiol. Chemie Bd. 42 S. 213. 1904. 3) Über Harnindikan. Zeitschr. f. physiol. Chemie Bd. 39 S. 147. 1903. 46 Hugo Münzer: Indikanbestimmung kommt nach Bauer eine grosse Rolle zu, da die vollständige Heilung erst dann gegeben ist, wenn der Indikan- gehalt des Harnes ein normaler ist. Redecha (l. ec.) hat den Harn von mehr als 100 kolikkranken Pferden untersucht und gefunden, dass bei starkem Darmkatarrh die Indikanmenge gegen 300 mg (in 1000 g) beträgt, nach dem medikamentösen Eingreifen auf das Normale (50—100 me) sinkt. Gegenüber Bauer hat Redecha nach Anwendung von Purgantien nicht die parallele Abnahme der Indikanmenge beobachtet. Auch bei Koprostasen fand derselbe keine solche Gesetzmässigkeit wie Bauer, denn in einigen Fällen ging die Indikanmenge zurück, ohne dass die Kotstauung sich minderte. Umgekehrt konnte der- selbe bei geringer Koprostase manchmal hohe Indikanwerte feststellen. Über den Einfluss von mechanischen Hindernissen im Dünn- und Diekdarm auf die Indikanausscheidung beim Hunde liegt eine hochinteressante Versuchsserie von Ellinger und Prutz!) vor. Verfasser wollten die von Jaffe 1877 gestellte Lehre, „dass Unter- bindung des Dünndarmes konstant eine beträchtliche Zunahme des Indigos zur Folge hatte, während die Unterbindung des Diekdarmes eine solche nicht oder in viel geringerem Grade verursachte“ , be- gründen und weiter ausbauen und kommen auf Grund der Versuchs- anordnung durch Darmgegenschaltung zu der Erkenntnis, „Stauung im Dünndarm bewirkt starke, Stauung im Diekdarm keine Indikan- vermehrung. Wenn bei einem Passagehindernisse im Diekdarm eine Indikanvermehrung eintritt, so ist zu der Stauung im Kolon eine Stauung des Dünndarminhaltes hinzugetreten“. Hierfür formulieren die Verfasser folgende Erklärung: In der Norm geht im Dünndarm eine verhältnismässig kurz dauernde Verdauung ohne Mitwirkung von Fäulnisbakterien vor sich, bei Dünndarmverschluss eine lang- währende unter Mitwirkung von Bakterien. Auch die Kenntnis über die Indikanausscheidung beim hupgernden Kaninchen verdanken wir Ellinger?). Hungernde Kaninchen ohne Maassregeln gegen das Kotfressen zeigen hohe Indikanwerte — bis zu 14 mg Indigo täg- lich —, während dieser mit Ausschluss des Kotfressens nur 6,5 mg 1) Der Einfluss von mechanischen Hindernissen im Dünn- und Dickdarm auf die Indikanausscheidung beim Hunde. Zeitschr. f. physiol. Chemie Bd. 38 5.399. 1903. 2) Die Indolbildung und Indikanausscheidung beim hungernden Kaninchen. Zeitschr. f. physiol. Chemie Bd. 39 S. 41. 1903. Kolorimetrische Kreatinin- und Indikanbestimmungen im Harn etc. 47 beträgt. Wie beim Hunger, so werden auch bei der Unterernährung hohe Indikanwerte vielleicht dureh das Kotfressen ihre Erklärung finden. Jedenfalls scheint Ellinger diese Erklärung einleuchtender als die, dass sick ein Kaninchen, dem für Stunden das Futter ent- zogen wird, auf diesen Eingriff mit einer anderen Art des Eiweiss- abbaues reagiert. Eine Verminderung des Indikangehaltes wird beobachtet bei Durchfall (Malkmus). Harn neugeborener Tiere enthält kein Indikan (Friedberger, Fröhner). Interessant ist die von Barriere!) registrierte Beobachtung Keilmann’s, nach welcher sich Indikanurie bei Menschen bei latenten oder okkulten Eiterprozessen im Körper einstellte..e Um jedoch einen Schluss auf latente Eiterprozesse im Körper ziehen zu können, muss in jedem Falle zuvor der etwa aus anderen Ursachen - entstandenen gesteigerten Indolbildung im Darmkanal damit begegnet werden, dass man diesen durch zweckentsprechende Abführmittel vorher möglichst entleert. Nach Hutyra und Marek?) erhöht sich bei drusekranken Pferden mit der Reifung der Abszesse bedeutend die Menge des Indikans; nach erfolgter Eiterentleerung sinkt sie jedoch auf die Norm zurück. III. Methodisches. a) Kreatinin. Qualitativ erfolgt der Kreatininnachweis entweder nach Weyl?°) und gibt sich an einer grünen Farbe zu erkennen, welche entsteht, wenn man einige Kubikzentimeter Harn mit einigen Tropfen einer wässerigen Lösung von Nitroprussidnatrium und darauf mit Kalilauge versetzt und mit Essigsäure übersättiet, oder nach Jaffe&*) durch Rotfärbung bei Zusatz wässeriger Pikrinsäurelösung und einiger Tropfen verdünnter Kali- oder Natronlauge. Quantitativ wurde das Kreatininbis vor kurzer Zeit fast ausschliesslich auf gewichtsanalytischem 1) Die Indikanurie als klinisches Diagnostikum zur Konstatierung von okkulten und latenten Eiterungsprozessen. Berl. tierärztl. Wochenschr. 1894 S. 257. 2) Spezielle Pathologie und Therapie der Haustiere Bd. 1 S. 329. Jena 1904. 3) Bericht der Deutschen chem. Gesellschaft Bd. 11 S. 2175. 1872. 4) Zeitschr. f. physiol. Chemie Bd. 10 S. 399. 1886, 48 Hugo Münzer: Wege bestimmt, und zwar zumeist als Kreatininchlorzink. Andere Verfahren beruhen auf Verwendung des Quecksilberchlorids (Maly, Johnson), der Phosphorwolframsäure (Hofmeister), der Phosphor- molybdänsäure (Kerner). Diese Bestimmungen sind durchwegs schwierig und zeitraubend. Eine bedeutende Erleichterung und wesentliche Förderung haben «die Untersuchungen über die Aus- scheidung von Kreatin und Kıeatinin durch die von Folin!) an- gegebene kolorimetrische Bestimmungsmethode dieser beiden Basen erfahren. Die Folin’sche Methode gründet sich auf die von Jaffe?) entdeckte Reaktion des Kreatinins, mit einer alkalischen Pikrinsäure- lösung, selbst bei starken Verdünnungen, intensiv rotgelb gefärbte Lösungen zu geben. Die im Harn durch eine alkalische Pikrinsäure- lösung hervorgerufene Färbung ist mindestens eine halbe Stunde lang beständig, so: dass eine Kreatininbestimmung im Harne, die nur wenige Minuten in Anspruch nimmt, innerhalb der noch zulässigen Zeit bequem ausgeführt werden kann. Wie Folin haben auch Autenrieth und Königsberger (l. e.) als kolorimetrische Vergleichsflüssigkeit eine '/s n. Kaliumdichromatlösung gewählt, mit welcher der Keil des Kolorimeters gefüllt ist. Die vor dieser zur Eichung des Keiles verwendete wässerige Kreatininlösung enthält in 100 ecem 20 mg reines, vor dem Abwäcen im Vakuum über Schwefel- säure getrocknetes Kreatinin, 1 eem dieser Lösung somit 0,2 me Kreatinin. Für die Eichung des Keiles sind ferner eine 1,2 °/oige, also annähernd gesättigte wässerige Pikrinsäurelösung sowie eine wässerige 10 %oige Natronlauge notwendig. Die Keile können fertig geeicht durch die Firma Hellige in Freiburg bezogen werden. Ich selbst habe immer mit bereits geeichten Keilen gearbeitet. Die Bestimmung erfolgt nach der von Folin ]. e. angegebenen Vorschrift in folgender Weise: „Man bringt 10 cem des mit einer Pipette abgemessenen, zu untersuchenden Harnes in einen 500-cem- Messkolben oder, falls ein kreatirinreicher Harn vorliest, worüber eine qualitative Probe meist schon Aufschluss gibt, in einen Liter- messkolben, fügt 15 cem einer 1,2°/oigen wässerigen Pikrinsäure- 1) Beiträge zur Chemie des Kreatinins und Kreatins im Harne. Zeitschr. f. physiol. Chemie Bd. 41 S. 223. 1904. 2) Über den Niederschlag, welchen Pikrinsäure im normalen Harn erzeugt. Zeitschr. f. physiol. Chemie Bd. 10 S. 399. 1886. Kolorimetrische Kreatinin- und Indikanbestimmungen im Harn etc. 49 lösung sowie 5 cem einer wässerigen 10 °/oigen Natronlauge hinzu, schüttelt gut um, lässt 5 Minuten ruhig stehen, füllt alsdann mit Wasser bis zur Marke auf und mischt das Ganze durch Umschütteln. Mit dieser rotgelb oder nur gelbrot gefärbten Mischung füllt man die Küvette des Kolorimeters und bestimmt sofort durch Verschieben des Keiles bis zur Farbengleichheit deren kolorimetrischen Wert. Von fünf bis sechs Ablesungen an der Skala wird der Mittelwert genommen. Der gefundene Skalawert wird in der Eichkurve auf- gesucht und der zugehörige Kreatiningehalt in Milligrammen Kreatinin pro 1000 eem Lösung abgelesen. Man vermeidet dabei ein langes Stehenlassen der Lösung vor der Ablesung, da die Farbe der Lösung nach einiger Zeit erheblich zurückgeht.“ Autenrieth und Müller!) haben die Beobachtung gemacht, dass bei Verwendung eines grösseren Modells des neuen Kolorimeters und Füllung des Keiles mit "2 n. Kaliumdichromatlösung die Ab- lesungen bei gewissen Kreatininkonzentrationen nur schwer vor- zunehmen sind und dass nicht immer eine zufriedenstellende Kurve erhalten wird. Da für physiologisch-chemische Bestimmungen fast ausschliesslich das kleinere Modell des Kolorimeters benützt wird, so haben diese die Bedingungen zu ermitteln versucht, unter welchen sich die kolorimetrischen Bestimmungen des Kreatinins im Harne am sichersten und mit grösster Genauigkeit ausführen lassen. Den Kreatininkeil füllen sie nicht mehr mit Y/s, sondern mit Y/s n. Kalium- dichromatlösung. Für die Eichung .dient eine 0,1 °/oige wässerige Lösung von vorher bei 110 °C. getrocknetem Kreatinin. Zur Kreatinin- bestimmung verwenden sie 5 cem des betreffenden Harnes in einem Litermesskolben; ansonsten ist der Vorgang analog dem vorher be- schriebenen. Von der Brauchbarkeit und Verlässlichkeit der quantitativen kolorimetrischen Kreatininbestimmung, der Güte des Apparates und der Richtigkeit der mitgegebenen Tabelle hat sich Skutetzky (l. ce.) dadurch überzeugt, dass er einem Harn, in welchem bereits der Kreatiningehalt bestimmt war, ein genau gewogenes, in destilliertem Wasser gelöstes Quantum chemisch reinen Kreatinins (Merck) ZU- gesetzt und neuerlich eine Bestimmung ausgeführt hat. Von dem Zusatze wurden 93,9—99 °/o des Kreatinins im Harne wiedergefunden. 1) Über die kolorimetrischen Bestimmungen des Zuckers, Kreatins und Kreatinins. Münchener mediz. Wochenschr. 1911 Nr. 17. Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd. 158. 4 50 Hugo Münzer: b) Darstellung von Kreatinin aus Pferde- und Rinderharn. Diese Methode, welche für den Harn des Menschen ausgearbeitet worden ist und in dieser Beziehung durch die Literatur ausgezeichnet beglaubigt ist, darf aber nicht ohne weiteres auf den Harn einer anderen Tiergattung übertragen werden, ohne dass im besonderen deren Brauchbarkeit für den Harn der auderen Tiergattung erprobt worden ist. Speziell im Rinderharne, in welchem so manche noch unbekannte Stoffe als Abbauprodukte der mannigfachen in der Pflanzen- nahrung vorkommenden aromatischen Stoffe vermutet werden müssen, könnten möglicherweise auch Stoffe vorkommen, welche mit alkalischer Pikrinsäurelösung rotgelbe Farbentöne liefern können. Um die Brauchbarkeit der Methode von Autenrieth und Königsberger für den Harn der Pflanzenfresser darzutun, war demnach der bisher in der Literatur noch nicht erbrachte Beweis zu liefern: l. dass dieser Harn tatsächlich typisches Kreatinin enthält und 2. dass er keine anderen Stoffe enthält, welche mit alkalischer Pikrinsäurelösung rotgelbe Farben bilden oder wenigstens keine erheblichen Mengen solcher Stoffe. Die in dieser Hinsicht nötigen Untersuchungen wurden im chemischen Laboratorium der Tierärztlichen Hochschule in Wien ausgeführt. Von 11 Litern eines von verschiedenen Rindern stammenden frischen Harngemenges von gelbroter Farbe, alkalischer Reaktion, einem spezifischen Gewichte von 1030, einem Harnstoftgehalt von 6,59 g und einem kolorimetrisch bestimmten Kreatiningehalt von 1,58 g im Liter, ebenso von einem 11 Liter betragenden frischen Pferdeharngemenge von lehmgelber Farbe, alkalischer Reaktion, spezifischem Gewicht von 1036, einem Harnstoffgehalt von 22,24 g und einem kolorimetrisch nachgewiesenen Kreatiningehalt von 2,4 & im Liter wurde je ein Liter abdestilliert. Das Destillat des Rinderharns stellt eine farblose klare Flüssig- keit mit einem geringen Stich in das Gelbe dar und zeigt bei der kolorimetrischen Behandlung mit alkalischer Pikriusäurelösung eine lichtgrüne Farbe, gleich jener, welche man erhält, wenn man 15 cem 1,2 %/o iger alkalischer Pikrinsäurelösung im Litermesskolben auf 1000 cem Wasser auffüllt. In dem Destillate des Rinder- harnes ist daher kein Stoff enthalten, welcher die Kreatininreaktion vortäuschen würde. Kolorimetrische Kreatinin- und Indikanbestimmungen im Harn etc. 51 Das aus dem Liter Pferdebarn gewonnene Destillat zeigt eine klare farblose Flüssigkeit mit einem gelblichen Farbertone. Kolori- metrisch ist in diesem Destillate kein die Kreatinin- reaktion zeigender Stoff nachweisbar. Je 10 Liter des Pferde- und Rinderharues wurden im Wasser- bade zu diekem Sirup eingedampft, der Sirup mit Alkokol (je 4 Liter) verdünnt und 36 Stunden stehengelassen. Nach dieser Zeit wurde die alkoholische Flüssigkeit von dem ungelösten Rückstande ab- gegossen; die alkoholische Lösung zeigt im Rinderharne eine schwarz- rote, iım Pferdeharn eine rotbraune Farbe. Mit alkalischer Pikrin- säurelösung auf den Gehalt an Kreatinin geprüft, ergibt sich sowohl in der alkoholischen Mutterilauge des Rinder- als auch des Pferde- harnes typische Kreatinin (braungelbe)Färbung mit einem kolori- metrisch bestimmten Gehalt von 4,2 bzw. 3,5 g Kreatinin. Der ungelöste Rückstand des Rinderharnes, eine zähe, schwarze, pechartige Masse, wurde in kleine Stücke geteilt, viermal mit Alkohol ordentlich geschüttelt, über Nacht in Alkohol gelegt und auf einem Filter abtropfen gelassen, jener des Pferdeharnes, ein kakaoähnliches Pulver, wurde fünfmal mit Alkohol gewaschen und jedesmal auf einem Sauefilter abgenutscht. Die auf solche Weise behandelten Rückstände wurden dann in je 10 Litern destillierten Wassers gelöst und nach entsprechendem Zusatz von Pikrinsäure und Lauge im Kolorimeter untersucht. Nach dem Ausfall dieser Bestimmung ist in den gelösten RückständeneinedieKreatininreaktion zeigende Substanz nicht oder nur in nicht bestimm- baren Mengen enthalten. Die alkoholischen Mutterlaugen wurden hierauf im Wasserbade bis zur Sirupkonsistenz eingedampft, der Abdampfrückstand mit Alkohol ausgefällt und filtriert. Der Niederschlag (beim Rind geringe Rückstände am Filter, beim Pferd eine grössere Menge einer gelbflockigen Masse) wurde in geringen Mengen destiliierten Wassers gelöst (eigentlich sollten hierzu je 10 Liter Wasser verwendet werden) und zeigt kolorimetrisch weder im Rinder- noch im Pferdeharn Kreatininreaktion. Die alkoholische Lauge des Rinderharnes wurde bis auf !/s Liter eingedampft und mit einem Teile einer gesättigten Lösung von Chlorzink (125 g) in Alkohol (350 g) unter kräftigem Umrühren versetzt und durch einige Tage stehengelassen. Der Pferdealkoholauszug wurde neuerdings sirupdick eingedampft, 4* 593 Hugo Münzer: dann mit Alkohol ausgefällt und filtriert. Das Filtrat wurde bis auf die Menge von !/s Liter eingedampft und diesem im warmen Zustande eine alkoholische Chlorzinklösung obiger Konzentration unter Umrühren zugesetzt, das Gemenge durch 2 Tage zugedeckt stehengelassen. Hierauf wurden die abeeschiedenen Kristallmassen auf einem Filter gesammelt. mit ganz wenig Alkohol gewaschen und aus heissem Wasser umkristallisiert. Nach nochmaligem Umkristallisieren wurden farblose Kristalle erhalten. Die Kristalle aus Rinderharn sowohl wie aus Pferdeharn zeigten die Kreatininreaktionen von Weyl und Jaffe. Die vom Herrn Professor Panzer auf gewichts- analytischem Wege ausgeführte quantitative Bestimmung des Zinks in diesen Kristallen ergab folgende Resultate: 0,1634 Kristalle aus Pferdeharn bei 110° C. getrocknet lieferten 0,0352 & Zinkoxyd, entsprechend 0,02828 g& Zink, entsprechend 17,31 %/o Zink (berechnet für C,H-N303ZnC], : 18,03 °/0 Zn). 1,0105 g bei 110° C. getrocknete Kristalle aus Rinderharn lieferten 0,2251 g Zinkoxyd, entsprechend 0,18085 g Zink, entsprechend 17,90 °0 Zink. Die Übereinstimmung der gefundenen Zahlen mit den theoretisch berechneten ist befriedigend. Nach diesen Feststellungen erscheint der Beweis erbracht, dass der Harn der Herbivoren typisches Kreatinin und keine anderen Farbstoffe enthält, welche mit alkalischer Pikrinsäurelösung rotgelbe Farben bilden, sohin die Folin’sche Kreatininbestimmungsmethode im Herbivorenharn Anwendung finden kann. c) Indikan. Qualitativ wird die Indikanprobe nach Jaff& oder nach Ober- mayer ausgeführt. Nach Jaff& wird zu dem mit der gleichen Menge Salzsäure versetzten Harn Chleroform so lange beigefügt, bis der untere gebogene Teil der Eprouvette bedeckt erscheint; dem Ganzen werden ein bis zwei Tropfen einer Chlorkalklösung zugefüst und vorsichtig mehrmals umgeschüttelt. Das Chloroform nimmt das gebildete Indigoblau auf und erscheint mehr oder weniger blau. Obermayer verwendet als Oxydationsmittel Eisenchlorid in folgen- der Weise: Der sauer reagierende, widrigenfalls schwach angesäuerte Harn wird mit Bleiessig 1 eem auf je 10 cem Harn gefällt, 20 ccm des Filtrates werden in einem Reagenzglase nach Zusatz von 2 bis 3 eem Chloroform mit dem gleichen Volumen einer reinen konzen- Kolorimetrische Kreatinin- und Indikanbestimmungen im Harn etc. 53 trierten Salzsäure (spezifisches Gewicht 1,19), welche im Liter 2 bis 4 & Eisenchlorid enthält, gemischt und unmittelbar darauf stark durchgeschüttelt. Das Chloroform färbt sich dabei je nach dem Indikangehalt allmählich schwächer oder stärker blau von gelöstem Indigoblau. Gürber!) empfiehlt, an Stelle des Chlorkalks in der Jatf&’schen Indikanreaktion zwei bis drei Tropfen einer 1 °/oigen Osmiumsäure- lösung oder Eisenchlorid zu benützen. Wichtig ist nach ihm, dass man nur Salzsäure verwendet, welche nicht dem hellen Sonnenlichte ausgesetzt gewesen ist. OÖbermayer’s Reagens verwendet Bauer (]. e.) zur kolori- metrischen Indikanbestimmung mit Hilfe einer von ihm hergestellten Farbtafel (eine solche findet sich bei Malkmus) folgendermaassen: „Man nimmt 20 cem des zu untersuchenden sauren bzw. mit Essig- säure schwach sauer gemachten Harnes, fällt mit 4 ccm einer 20 °/oigen Bleizuckerlösung, filtriert durch ein trockenes Filter und versetzt 12 cem des Filtrates, welches 10 cem Harn enthält, mit dem gleichen Volumen Obermayer’s Reagens. Einen hierbei bisweilen auftretenden, durch überschüssiges Bleiacetat bedingten Niederschlag von Chlorblei filtriert man ab. Nachdem eine bei einigermaassen indikanhaltigen Harnen stets auftretende Dunkel- färbung sich eingestellt hat, wartet man noch einige Minuten und schüttelt das Ganze mit 20 ecem Chloroform '/s Minute lang kräftig aus. Nach kurzer Zeit, wenn sich das Chloroform als klare blaue Lösung am Boden des zum Schütteln benützten Gefässes abgesetzt hat, giesst man einen Teil des Chloroforms in ein Absorptionskästchen von 4 mm lichter Tiefe und hält das Gefäss flach auf die unter den einzelnen Farben der Tabelle befindlichen abgegrenzten Räume derart, dass es das Papier berührt, so ermittelnd, zu welcher Farbe die Lösung passt. Passt sie zu Tafel 1, dann enthält der untersuchte Harn 50 mg Indigoblau im Liter, zu 2, dann enthält er 100, zu 3, 200 usw. Ist sie dunkler als Tafel 6, so muss der Harn vor der Probe mit dem gleichen Volumen oder, wenn das nicht genügt, mit dem doppelten destillierten Wassers verdünnt und das Resultat nachher mit zwei bzw. drei multipliziert werden. 1) Indikannachweis im Harne. Deutsche mediz. Wochenschr. $. 1404. Leipzig 1905. 54 Hugo Münzer: Erwähnen will ich die Titriermethode von Wangt!), welche darauf beruht. dass das indoxylschwefelsaure Kalium durch konzen- trierte Salzsäure gespalten, das frei gewordene Iudoxyl oxydiert und der gebildete Indigo im Status naseendi in Chloroform extrahiert wird; nach dem Abdestillieren des Chloroforms wird der Indigo durch konzent:ierte Schwefelsäure in Indigosulfosäure übergeführt, um schliesslich, im Wasser gelöst, mit Kaliumpermanganat titrimetrisch bestimmt zu werden. Wange hat auch eine Waschung des Chloroform- rückstandes mit einer Mischung von gleichen Teilen Äther, Alkohol und Wasser vorgeschlagen, wodurch jedoch nach Bouma?) die Resultate zu niedrig ausfallen, indem die roten und braunen Farb- stoffe entfernt werden können. Auf Grund kolorinietrischer und titrimetrischer Bestimmungen kommt Wang?) zu dem Resultate, dass diese Reinigung des COliloroformrückstandes richtig un! not- wendig ist, einer Ansicht, der Salkowski*) beipflichtet und elaubt, dass eine Titrierung ohne voreängige Reinigung — beim Rinde überhaupt — kaum ausführbar is. Die Wang’sche Probe wurde modifiziert von Ellinger (Zeitschr. f. physiol. Chemie Bd. 38 S. 178), Porcher und Hervieux (Zeitschr. f. physiol. Chemie Bd. 39 8.147), Maillard (Zeitschr. f. physiol. Chemie Bd. 41 S. 440). Eine weitere sehr genaue Methode zur Bestimmung durch Titration mittels Chamäleonlösung führt Imabuchi°) an. Einen kleinen Apparat zur kolorimetrischen Bestimmung gab auch Strauss‘) an: Der Harn wird mit Bleizucker gefällt und das Filtrat in einem graduierten Schütteltrichter mit einem gleichen: Volumen Obermayer’schen Reagens und mit einer gemessenen Chloroformmenge geschüttelt. Man verdünnt dann die Chloroform- lösung, bis ihre Farbe eleich der einer Vereleichslösung reinen 1) Über die quantitative Bestimmung des Harnindikans. Zeitschr. f. physiol. Chemie Bd. 25 S. 406 1897, und Bd. 27 S. 135. 1899. 3) Über die quantitative Bestimmung des Harnindikans nach Wang- Obermayer. Zeitschr. f. physiol. Chemie Bd. 27 S. 348. 3) Über die rotbraunen Farbstoffe bei der quantitativen Bestimmung des Harnindikans. Zeitschr. f. physiol. Chemie Bd. 28 S. 576. 4) E. Salkowski, Zur Kenntnis des Harnes bei den Herbivoren. Zeitschr. f. physiol. Chemie Bd. 42 S. 213. 5) Zur Methodik der quantitativen Bestimmung des Harnindikans. Zeitschr. f. physiol. Chemie Bd. 60 8. 504.. 6) Zur Methodik der quantitativen Indikanbestimmung. Deutsche mediz. Wochenschr. S. 299. Leipzig 1902. a a a Kolorimetrische Kreatinin- und Indikanbestimmungen im Harn etc. 55 Indigoblaus wird, und bestimmt den Indikangehalt durch Berechnung der verwendeten Chloroformmenge. Die vorangeführten Proben bestimmen das Indigoblau. Bouma!) empfiehlt die Bestimmung des Indigorots, weil beim Kochen frischen Harnes mit Salzsäure und Isatin alles Indoxyl des Harnes in Indigorot umgewandelt wird. Diese Reaktion hat zwei Vorteile: erstens wird nur ein Farbstoff gebildet, zweitens ist das Quantum des gebildeten Indigos doppelt so gross als bei der Oxydation des Indoxyls. Der Ertrag an Indigoblau steht in keinem Verhältnisse zu dem Ertrage an Indigorot und beträgt viel weniger als die Hälfte. Das passendste Reagens ist eine Lösung von 20 mg Isatin in einem Liter konzen- trierter Salzsäure. Autenrieth und Königsberger (l. €.) haben deshalb diese Bestimmung gewählt, wel Bouma?) im Jahre 1900 nachgewiesen hat, dass bei der Oxydation des Indoxyls durch Eisen- chloridsalzsäure neben dem Indigoblau stets wechselnde Mengen von Indigurot und Indigobraun gebildet werden; bei der Harnindikan- bestimmung aber muss selbstverständlich auf alle drei aus dem Indoxyl hervorgehenden Formen des Indigos Rücksicht genommen werden. Während also bei der Bildung von Indigo durch Oxydation von Indoxyi die Farbe der Chloroformlösung sehr wechselnd sein kann, einmal mehr blau, dann wieder mehr rot, erhält man bei der Reaktion des Indoxyls mit Isatinsalzsäure eine mehr einheitliche Färbung des Chloroforms. Auch Oerum’) glaubt, dass in der Isatinmethode die Aufgabe, kolorimetrisch Indikan in wissenschaftlich befriedigender Weise zu bestimmen, gelöst ist; die Färbekraft des Indigorots ist grösser, die Farbe völlig rein. Bei Prüfung der kolorimetrischen und analytischen Indigorotbestimmung ergab sich eine Differenz von 0,03 mg (erstere 18,10 mg im Durchschnitte, letztere 18,13 mg). Die Bestimmung wird in folgender Weise ausgeführt: Man fällt 20 cem des zu unter- 1) Über die Bestimmung des Harnindikans als Indigorot mittels Isatin- salzsäure. Zeitschr. f. physiol. Chemie Bd. 32 S. 82. 1901. 1 2) Über die bei der Behandlung des Harnindikans mit Ferrichloridsalzen auftretenden rotbraunen Farbstoffe. Zeitschr. f. physiol. Chemie Bd. 30 S. 117. 1900. — Über eine bisweilen vorkommende Abweichung bei der Bestimmung des Harnindikans als Indigorot mittels Isatinsalzsäure. Deutsche med. Wochenschr. 1902 S. 705. 3) Quantitative Indikanbestimmung im Harne mit dem Meisling’schen Kolorimeter. Zeitschr. f. physiol. Chemie Bd. 45 S. 439. 56 Hugo Münzer: suchenden Harnes mit 2 ecm Bleiessig aus, giesst das Gemisch nach dem Umschütteln durch ein trockenes Filter in einen kleinen Mess- zylinder von etwa 20 cem Inhalt, misst 5,5 eem des klaren Filtrates — 5 cem des ursprünglichen Harnes) ab, fügt 5 ecm der Isatin- salzsäure (20 mg Isatin in 1 Liter rauchender Salzsäure gelöst) hinzu, kocht das Gemisch in einem Reagenzglase auf und hält es noch einige Sekunden im Sieden. Man kühlt jetzt gut ab und schüttelt das meist rot oder rötlichbraun gefärbte klare Gemisch in einen Scheidetrichter mit 5 ecem Chloroform tüchtig aus. Nun lässt man die Chloroformlösung in ein trockenes Probierröhrchen abfliessen, schüttelt mit einigen Papierschnitzeln, falls sie etwa trübe sein sollte, giesst sie dann eventuell durch ein trockenes Filterchen in die Küvette des Kolorimeters und führt die kolorimetrische Bestimmung sofort aus. Der Indigorotkeil wird von Autenrieth und Königsberger mit einer Indigorotlösung von bekanntem Gehalt geeicht, und zwar dient hierzu eine klare filtrierte Chloroformlösung, welche in 100 cem 0,61 mg reinstes kristallisiertes Indigorot der Badischen Anilin- und Sodafabrik gelöst enthält. Da nach dieser kolorimetrischen Indikanbestimmung nur in den seltensten Fällen vollkommene Farbengleichheit zu erreichen ist, so empfiehlt die Firma Hellige in einer dem Apparate beigegebenen Gebrauchsanweisung die Vornahme der Vergleichung durch ein Kobaltglas, das vor den Spalt des Kolorimeters gebracht werden muss. Immerhin stellt die in den meisten Untersuchungen sich ein- stellende Braunfärbung eine bedeutende Störung dar. Von diesem Übelstande habe ich die Firma Hellige verständigt und darauf folgende Mitteilung!) erhalten: „Wir arbeiten seit einiger Zeit nicht mehr nach der von Bouma gegebenen Vorschrift, wonach das Harnisatingemisch gekocht wird, da wir so stets braune Chloroform- auszüge bekamen, die sich mit der Standardlösung des Indigorots im Keil nur schwer vergleichen liessen. Durch mehrstündiges Stehen- lassen des Harnbleiessigfiltrates mit der Isatinsalzsäure und häufiges Umschütteln unter gleichzeitigem Zusatz von Chloroform konnten wir beobachten, dass der so gewonnene Indigorotauszug in der Farbe fast genau der Keilflüssigkeit entsprach.“ 1) Schriftliche Mitteilung vom 6. März 1912. In der weiteren Arbeit be- zeichne ich die Anwendung dieser Methode als „moditiziertes Bouma’sches Verfahren“. Kolorimetrische Kreatinin- und Indikanbestimmungen im Harn etc, 57 IV. Das Autenrieth-Königsberger’sche Kolorimeter. Autenrieth und Königsberger!) haben von der Firma F. Hellige & Co. in Freiburg i. B. ein neues Kolorimeter her- stellen lassen, welches zu verschiedenen Bestimmungen, namentlich von Blutfarbstofi, Eisen, Indikan und Kreatinin, verwendet werden kann und durch einfache Handhabung und hinreichend grosse Ge- nauigkeit, ungemeiner Schnelligkeit der Bestimmung, sich wesentlich von anderen Kolorimetern unterscheidet. Ein weiterer Vorzug des neuen Kolorimeters ist der, dass die Gefässe nicht runde Röhren darstellen, sondern planparallele Wandungen besitzen, also überall die gleiche Farbenintensität zeigen, während dies bei Röhren nicht der Fall sein kann. Im wesentlichen besteht das neue Kolorimeter aus einem Glaskeil zur Füllung der Vergleichsflüssigkeit und aus einer herausnehmbaren Glasküvette (Trog) zur Aufnahme des zu untersuchenden Harnes. Die Küvette ist in einem Gestell fixiert, der Keil mit einer Skala längs derselben mittels eines Gewindes verschieblich. Ein fix angebrächter Zeiger, unter welchem die Skala verschoben wird, zeigt nach vollendeter Einstellung auf Farben- gleichheit beider Flüssigkeiten den Teilstrich an, der den Ausgangs- punkt für die weitere Berechnung darstellt. Der ganze handliche Apparat ist in einem Holzkästchen untergebracht und ist an der Rückseite durch ein Milchglas abgeschlossen. Eine sehr ausführliche Beschreibung des Kolvorimeters gibt Brückner?) in einer bei Vopelius in Jena erschienenen Dissertation. Nach den genannten Autoren wird die kolorimetrische Messung mit dem neuen Kolorimeter in folgender Weise ausgeführt: „Man füllt die zu untersuchende Lösung in die herausgenommene Küvette; darauf wird die Küvette hineingestellt. Man sieht dann durch die kleine Öffnung des vorderen Schiebers, indem man das Kolorimeter in deutliche Sehweite vom Auge hält. Man hält den Apparat gegen das Auge so, dass zwischen der Fläche auf der rechten Seite, welche das Licht enthält, das durch den Keil gegangen ist, und der Fläche links mit Licht, das durch den Trog gegangen, weder eine Trennungslinie noch ein Zwischenraum sichtbar ist. Hierbei richtet man den Apparat gegen 1) Über ein neues Kolorimeter zur Bestimmung von Blutfarbstoff, Indikan und Kreatinin etc. Münchener med. Wochenschr. 1910 Nr. 19. 2) Über das Autenrieth-Königsberger’sche Kolorimeter als Hämo- meter. Inaug.-Dissertation.e Vopelius, Jena 1911. 58 Hugo Münzer: den Himmel oder eine helle Wand. Dann verschiebt man den Keil, bis beide Flächen Farbengleichheit zeigen. Schliesslich wird oben am Zeiger abgelesen, an welchem Teilstriche der Skala der Zeiger steht, und aus einer beigegebenen Tabelle oder Kurve wird ent- nommen, welches der dazugehörige Gehalt der in Frage kommenden Substanz ist.“ Dem Apparat können für jede Substanz geeichte Keile beigegeben werden oder die betreffende Testflüssigkeit wird selbst bereitet. V. Untersuchungsergebnisse. Alle von mir untersuchten Harne wurden auf Eiweiss (Heller’sche Koch-Ferroceyankalium- uud Sulfosalizylsäureprobe und bei positivem Ausfall quantitativ nach Essbach), auf Zucker (mittels des Nylander’schen Reagens und der Fehling’schen Lösung, quantitativ durch Polarisation oder im Gärungssaecharometer), auf Galle (mit salpetriger Säure oder nach Hammersten) geprüft. Harnstoff, dessen quantitative Bestimmung von Bedeutung sein kann, wurde mit Zersetzung desselben mit Bromlauge nach Knop-Hüfner und entsprechender Berechnung oder mit dem Apparat von Gade bestimmt. Für den Nachweis von Harnsäure habe ich mich des Uricometers von Ruhemann bedient und bei saueren Harnen zur Bestimmung der Azidität die Titriermethode (mit Phenolphthalein und */ıo n. Kalilauge und Berechnung der Oxalsäure) verwendet. Ausserdem habe ich auf Aceton (Legal), Acetessigsäure (Gerhard), Blut (Adler und spektralanalytisch) geprüft und anfangs die Trocken- substanz mit dem Trapp schen Koeffizienten berechnet. Sedimente wurden stets mikroskopisch untersucht. In den Tabellen wurden nur positive Ergebnisse verzeichnet. Bezüglich der Wahl der Methoden von quantitativen Kreatinin- und Indikanbestimmungen begegnete ich einigen Schwierigkeiten. Zunächst ist es schwer, bei Tieren 24stündige Harnmengen zu sammeln, um diese zu bestimmen. Um jedoch vergleichbare Resultate zu schaffen, ohne 24stündige Mengen zu sammeln, habe ich das Verhältnis von Kreatinin und Indikan zu Harnstoff in Betracht gezogen. Ich wählte als expeditive Methoden für die Bestimmung des Kreatinins die Methode von Folin in der Ausführung von Autenrieth und Müller, für jene des Indikans die Methode von Bouma in der Ausführung von Autenrieth und Königsberger, be- Kolorimetrische Kreatinin- und Indikanbestimmungen im Harn etc. 59 ziehungsweise das modifizierte Bouma’sche Verfahren. Bei dem Indikannachweis habe ich stets das Verfahren nach Bauer durch- geführt und die wesentlichsten Resultate gelegentlich der Besprechung der Harne der einzelnen Haustiere mit jenem des Bouma’schen Verfahrens verglichen. Betoren muss ich, dass beinahe nie ein Chloroformauszug nach Bauer erzielt wurde, welcher gestattet hätte, ein positives Urteil abzugeben. Es ist immer zweifelhaft, zu welcher Farbe der kolorimetrischen Tabelle der Auszug passt. Bei Farben- tönen unter 50 mg bleibt nur übrig, sie unter 50 mg zu be- zeichnen. Bei kreatinin- und indikanreichen Harnen, worüber meist schon eine qualitative Untersuchung des Harnes Aufschluss gibt, reicht das Kolorimeter von Autenrieth und Königsberger, welches nur bis 2,3 g Kreatinin und 16,6 mg Indikan nachweisen lässt, nicht aus. Bei kreatininreichen Harnen nehme ich statt 5 cem nur 1 oder 2!’ eem Harn und multipliziere das Resultat mit 5 oder 2. Von der Richtigkeit derartiger Untersuchungen habe ich mir vorher die Überzeugung verschafft, indem ich Bestimmungen mit den vorbe- schriebenen Harnmengen vornahm und das Resultat mit jenen ver- glich, welche ich bei Verwendung entsprechend geringerer Harn- mengen gewann. Zum Beispiel der Harn Tabelle III Nr. 6 ergab in 5 cem Harn 1,91 g Kreatinin, bei 1 cem 0,38 g, demnach im fünf- fachen 0,33 mal 5—= 1,9% 2. Ergibt jedoch erst die vorgenommene kolorimetrische Unter- suchung höhere Kreatininwerte, dann entnehme ich dem Litermess- kolben 5 cem Lösung und verdünne mit gleichen oder mehrfachen Teilen destillierten Wassers. Selbstredend muss das Resultat ent- sprechend der Verdünnung vervielfacht werden. Zur quantitativen Bestimmung von lIudikan benötigt man 5,5 cem (S. 56) Filtrat eines aus 20 ccm mit 2 ccm Bleiessig gefällten Harnes. Da von diesem Filtrate reichlich Mengen zu zwei Unter- suchungen gewonnen werden, so habe ich in jedem Falle die Bouma’sche und die modifizierte Methode nebeneinander in An- wendung gebracht. Bei letzterer Methode verfahre ich jedoch folgender- maassen: Das Harnisatingemisch bleibt 5 Minuten stehen, wird zwei- bis dreimal aufgeschüttelt und erst nach der sich einstellenden Rot- färbung mit Chloroform versetzt und durehgeschüttelt. Der Chloroform- auszug nimmt eine gut vergleichbare Farbe an, welche je nach dem Indikangehalt ihren Höhepunkt in 3—24 Stunden erreicht, während 60 Hugo Münzer: die über dem Chloroform befindliche Flüssigkeit eine mehr gelb- braune Färbung zeigt. Der Schweineharn Tabelle IX Nr.1 zeist nach dem Kochen des Harnisatinsalzsäuregemisches Indikan in der Menge von 7,5 mg, nach Herstellung auf dem kalten Wege 7,3 mg, Ziegenharn Tabelle VII Nr.2 nach dem Kochen unter Verwendung des Kobaltglases 10 mg, 5 Minuten nach der Herstellung auf dem kalten Wege 6,3 mg, 3 Stunden später 9,4 mg, 24 und 48 Stunden nach der ersten Bestimmung 9,7 mg. Das in der Eprouvette aufbewahrte Gemisch wird je nach Be- darf in einen kleinen Scheidetrichter gebracht, der Trog gefüllt und kolorimetrisch bestimmt. Nach dieser Manipulation übergiesse ich die im Scheidetrichter und im Trog befindliche Flüssiekeitsmenge in dieselbe Eprouvette, um eventuell weitere kolorimetrische Be- stimmungen vorzunehmen. Bei indikanreichen Harnen habe ich anfanes statt 20 cem 5 oder 4 cem Harn verwendet und mit destilliertem Wasser auf 20 eem nachgefüllt und das gewonnene Resultat mit 4 oder 5 multipliziert. Diese Manipulationen habe ich später nach den Indikanbestimmungen auf kaltem Wege insofern geändert, als ich im weiteren Verlaufe der Arbeit nicht mehr die Menge des Harnes verminderte, sondern den Chloroformzusatz ver- mehrte, derart, dass ich in jenen Fällen, in welchen der Chloroform- auszug einen höheren Indikangehalt als 16,6 mg aufwies, so lange > cem Chloroform beifügte, bis eine entsprechende vergleichbare Farbe erzielt wurde. Das gewonnene Resultat habe ich dann so oftmals genommen, als 5 eem Chloroform zugesetzt werden mussten. Diese Bestimmung hat den Vorteil, dass die Arbeit nur einmal vor- genommen und nicht wiederholt werden muss, da ich den Chloroform- zusatz in Händen habe, weist aber den Nachteil auf, dass es sich bei Massenuntersuchungen etwas kostspieliger gestaltet. Behufs Chloroformersparnisses mache ich bei sehr indikanreichen Harnen die Untersuchung auch so, dass ich nicht den ganzen Chloroformauszug, sondern nur 1 ccm desselben verwende und dementsprechend zur Verdünnung auch nur kubikzentimeterweise Chloroform benötige. Im übrigen können bei sehr indikanreichen Harnen beide Anwendungs- arten kombiniert, d. h. sowohl die Harnmenge verringert, gleichzeitig der Chloroformzusatz vermehrt werden. Mitunter nimmt der Chloroformauszug einen schwärzlichen Stich an und ist schwer vergleichlich. In solchen Fällen verwende ich stärkere Verdünnungen, nähere das eingestellte Kolorimeter mehr Kolorimetrische Kreatinin- und Indikanbestimmungen im Harn etc. 61 dem Auge und lese den Wert ab, wenn die Farben im Keil und Trog eine einheitlich gleichgefärbte Fläche darstellen. Längeres Stehenlassen des Harnes scheint weder auf Indikan- ‚noch Kreatininbestimmung von wesentlichem Einfluss zu sein. So zeiet der Harn des Esels Tabelle VI Nr. 2 gleich nach dem Auf- fangen Kreatinin 4,539 mg und Indikan 34 mg; 3 Tage nach dieser Untersuchung 4,14 mg Kreatinin und 34 mg Indikan. Tabelle Il. Kreatinin laut Tabelle berechnet. In 1000 ccm Im Liter In 1000 ccm Im Liter an Lösung Harn un Lösung Harn Nr. Nr. mg g mg g 1 11,5 2,3 39 7,0 1,4 2 11,35 2,27 40 6,85 1,37 3 11,25 2,25 41 6,75 1,35 4 11,15 2,23 42 6,55 1,31 5 11,05 2,21 43 6,5 1,3 6 11,00 2,2 44 6,35 1,27 7 10,35 2,17 45 6,25 1,25 8 10,75 2,15 46 6,1 1,22 Re) 10,6 2,12 47 6,0 1,2 10 10,5 2,1 48 5,8 1,16 11 10,35 2,07 49 5,65 1,13 12 10,25 2,05 50 | 5,99 1,01 13 10,1 2,02 öl 5,4 1,08 14 10,0 2,0 52 5,2 1,05 15 9,85 1,97 53 5,1 1,02 16 9,75 1,95 54 5,0 1,0 17 9,6 1,92 55 4,85 0,97 18 9,55 on 56 4,7 0,94 19 9,5 193 57 4,5 0,9 20 9,35 1,37 58 4,35 0,87 21 925° 1,85 59 4,25 0,85 22 Sl 1,32 60 4,1 0,82 23 9,0 1,8 61 4,0 0,8 24 8,95 1,78 62 3,8 0,76 25 8,75 1,75 63 3,65 0,73 26 8,65 1,73 64 3,9 0,7 27 8,5 7 65 3,4 0,68 28 8,4 1,68 66 3,25 0,65 29 8,3 1,66 67 3,1 0,62 30 8,15 1,63 68 2,9 0,58 3l 8,0 160% 69 2,75 0,55 32 7,9 1,58 70 2,65 0,53 33 7,15 1,55 zZ 2,5 0,5 34 7,6 1,52 12 2,35 0,47 35 7,5 1,5 73 2,25 0,45 36 7,35 1,47 74 2,1 0,42 37 1,25 1,45 75 2,0 0,4 38 Tl 1,42 Um nach der Bestimmung die Berechnung des Kreatinins und Indikans zu erleichtern, habe ich die zu den Skalenwerten gehörige 62 Hugo Münzer: Kreatinin- und Indikanmenge berechnet und in je einer Tabelle (I und II) zusammengestellt. Ein Blick auf die Tabellen I und II zeigt ihre Vorteile. Daraus ist ersichtlich, dass beim Skalenwert 9 2,12 g, bei 54 1 g, bei 69 0,55 g Kreatinin oder bei denselben Skalen- werten 15 mg, 7,3 bzw. 4,8 mg Indikan im Liter Harn enthalten sind. Tabelle I. Indikan laut Tabelle berechnet. : In 5 cem Im Liter In 5 cem Im Liter Skala Chloroform Harn Skala Chloroform Harn Nr. mg mg Nr. mg mg 1 0,083 16,6 48 0,0415 9 2 0,0825 16,5 49 0,041 82 3 0,08 | 16,0 50 0,04 8,0 4 0,0795 15,3 51 0,039 7,8 5 0,0788 15,76 52 0,0385 Tat 6 0,0775 | 15,5 53 0,0375 168 77 | 0,077 | 15,4 DA: 0,0365 ee) 3 | 0,076 | 15,2 55 0,0355 Tal 9 0,075 15,0 56 0,035 7,0 10 0,0745 14,9 57 0,034 6,8 11 0,0735 14,7 58 0,033 6,6 12 0,0725 | 14,5 59 0,0325 6,5 3 0,0715 14,3 60 0,0315 6,3 14 0,0705 14,1 61 0,031 6,2 15 0,07 14,0 62 0,03 6,0 16 | 0,069 | 13,3 63 0,029 9,8 17 0,068 | 13,6 64 0,028 3,6 18 0,0675 13% 65 0,027 3,4 19 0,0665 | 13,3 66 0,026 5,2 20 0,0655 13,1 67 0,0255 5,1 Dil 0,065 13,0 68 0,0245 4,9 22 0,064 12,8 69 0,024 4,8 23 0,063 12,6 70 0,023 4,6 24 0,062 12,4 71 0,022 4,4 25 0,0615 12,3 72 0.021 4,2 26 0,0605 | 12 13 0,02 4,0 27 0,06 12,0 74 0,0195 39 28 0,059 11,8 75 0,0185 31 29 0,058 11,6 16 0,0175 38 30 0,057 11,4 Zu 0,0165 3,9 sl 0,056 111 78 0,016 32 32 0,0555 il 79 0,015 3,0 33 0,0545 10,9 s0 0,014 2,8 34 0,0535 10,7 sl 0,0135 Da 35 0,0525 10,5 82 0,0125 2,5 36 0,0515 10,3 83 0,0115 DR 3 0,051 10,2 54 0,0105 2 3 0,05 10,0 8 0,01 2,0 39 0,0495 9,9 s6 0,009 1,8 40 0,0485 9,7 87 0,0085 1,7 41 0,0475 9,5 83 0,0075 1,5 42 0,047 9,4 89 0,0065 1,3 43 0,046 9,2 90 0,0055 1 44 0,045 9,0 91 0,005 1,0 45 0,0445 8,9 92 0,004 0,8 46 0,044 8,8 3 0,003 0,6 47 0,0425 8,5 94 0,0025 0,5 Kolorimetrische Kreatinin- und Indikanbestimmungen im Harn etc. 63 In den nachstehenden Tabellen bringe ich nun die Resultate, welche ich bei der Untersuchung der Harne gesunder und kranker Tiere nach oben angeführten Methoden gewonnen habe. A. Harn gesunder Tiere. l. Pferdeharn. Bevor ich an die kritische Besprechung der folgenden Tabelle III (S. 64) gehe, möchte ich hervorheben, dass die Pferde durchweg mit Hafer und Heu gefüttert wurden und sich in sehr gutem Ernährungs- zustand befanden. Aus der Tabelle ist zu entnehmen, dass der Harn - gesunder Pferde bei einem spezifischen Gewicht von 1022—1044, Harn- stoff 13— 34,2 g, Kreatinin 0,52—3,5 g und Indikan 0,0213—0,051 & im Liter enthält; auf 100 & Harnstoff kommen 4,27— 16,35 g Kreatinin und 0,105—0,392 g Indikan. Demnach zeigt der Pferdeharn im Mittel ein spezifisches Gewicht von 1036, Kreatinin 1,94 g und Indikan 0,0391 & im Liter; auf 100 & Harnstoff kommen dureh- sehnittlich 9,12 g Kreatinin und 0,187 g Indikan. Der von Bauer und Malkmus angeführte Durchschnittsgehalt von 184 mg Indikan im Liter Harn ist nach vorstehenden Unter- suchungen zu hoch bewertet. Es resultiert dies zum Teil wohl daher, dass Bauer nur beiläufige Wertbestimmungen von 50, 100, 200, 800 mg usw. vornehmen kann. Wenn auch die kolorimetrischen Bestimmungen von Indikan nach Autenrieth und Königsberger für Pferdeharn nicht als ideal zu bezeichnen sind, so geht aus meinen Versuchen doch zur Genüge hervor, dass diese Bestimmungen den Anspruch auf eine präzisere Wertbestimmung machen können. Der Harn gesunder Pferde zeigt nach dem von Bauer angegebenen Verfahren in der Regel gegen 200 mg Indikan, so die Harne 3, 4 und 5. Bemerken will ich zu vorstehenden Untersuchungen, dass Harn Nr.3 nach dem Kochen des Harnsalzsäureisatingemisches eine schwer vergleichbare Farbe, bei Untersuchung auf dem kalten Wege 30 mg, nach 3 Stunden 43,6 mg und 24 Stunden später 51 mg Indikan zeigt. Der Harn Nr. 4 zeigt nach dem Kochen 31,6 mg, 24 Stunden nach der Untersuchung ohne dieses denselben Indikan- gehalt. Auch Harn Nr. 5 gibt nach dem Kochen (schwer vergleich- bare Farbe) einen Gehalt von 30 mg, auf kalte Weise hergestellt 46,4 mg Indikan. Ich erwähne dies aus dem Grunde, um nachzu- weisen, dass durch die modifizierte Methode Bouma’s die Indikan- Hugo Münzer gıst “ er 2cro 066 |98E000| era | vLz | 6801 yosırenpe ‘Sissngsprp “qnay 'qTas g an qus pegq | € ZI6T AoN 2) | 6LTro | Tror [08200 | 0% | @6L | 6801 yosıpeyje ‘“SıssngyoLp ‘qnıy “ges gan qus paoyq | TE SI6T TO TE | Ip ‘qnay ‘o1qa8 ye oagep 9 ‘aynyg oumeag | OI 9820 | 0191 |92F0°0 | 65 | OST | FroL yosıeyje “Sıssugmoip “ey ‘qJ99I01 ‚ Me oagep F 'yereMm Juneig | 6 F61'0 | 00T |s8£0‘0 018 003 | EroL yosıpeyje “Sıyaednars ‘qnıy ‘une.rqgqlos yye aayef 9 foynyg 'syong | 8 970 | FB 8 | 6800| Isa | 03 | SEOL yosıpeye “Sıssnygez ‘aeg “unergyyot ype sagep 9 ‘userpeM doumeag | L 6srT‘o | ces [8280‘0 | I6L | 003 | 820L | Terre "ssuggez Snyorsysanp ‘qpospposforunp yfe oagep 6 ‘yepeMm ‘Ssyony | 9 zI6sT Iudv’og | 0680 | 81a | F970°0 | S6T | 09T | 0E0L yosıpeyfe “Sıssappjorp “Dryajruu °sstomqlos yje Hager F ‘ypereM "pwwrgasneng | q 0130 | o8TT |9TE0‘0 | sEı | 0'ST | SEOL yosırenfe “SIssuga>orp ‘na? ‘qaspoyunp yje oayep TI ‘yoerem ‘syonzpaung | 7 2680 | 09°IT | TE0°0 | 3ET | OEL | 0801 yosıpeype “Brssugxprp ‘na ‘qrasyya ge aagee 7 ‘'wepeMm pwurgog | 8 z#10 | sz6 | 0700| 9% | 085 | 9E0T | . Wosmere ‘Sıssnggez ‘quı ‘qresfoyunp pe dagep ,, ‘weneMm Tpwwmgss | Z ez1’o 0roL| 9800| 88 | 0°I8 | SE0L yosıeyfe “Sıssnggez ‘qnıy Yoaqfos yje dagep G ‘ydereM Aouneag | I BEE UN ES 5 RR Er ae SE ans ae BE einge megpup uteay | west | urum | 098 os o wwevıs) -Ipug | -eoay | -uieH| © S uolyeay] = umgplamay | woumox ‘Zuogstsuoyp YIONSLHAOISTOANT *9qıe N = #0SuaeH a1 wı wur, | FE a nl = 3 001 my @ i II eTLa ae, Kolorimetrische Kreatinin- und Indikanbestimmungen im Harn etc. 65 bestimmungen vollkommen verlässliche Werte ergeben; Harn Nr. 18 zeiet nach Bauer zwischen 100 und 200 mg, nach dem modifizierten Bouma’schen Verfahren gute Vergleichsfarbe mit 42,9 mg Indikan. Der Harn desselben Pferdes gibt, zu verschiedenen Zeiten unter- sucht, wesentliche Differenzen, wie das der Harn desselben Pferdes sub Nr. 5, 30, 31 und 32 zeigt, welehe der besseren Übersicht halber noch einmal nebeneinandergestellt werden sollen: 50. April 1912: spez. Gewicht 1030, Harnstoff 16 g, Kreatinin | 1,95 e, Indikan 0,0464 & im Liter; 31. Oktober 1912: spez. Gewicht 1032, Harnstoff 20,33 g, Krea- tinin 1,31 ge, Indikan 0,0213 g im Liter; 7. November 1912: spez. Gewicht 1039, Harnstoff 19,2 g, Kreatinin 2 ge, Indikan 0,023 g im Liter; 13. November 1912: spez. Gewicht 1039, Harnstoff 21,4 g, Kreatinin 2,12 g, Indikan 0,0336 & im Liter. Die Differenzen stehen jedenfalls in innigem Zusammenhange einmal mit der Nahrung, das andere Mal mit der Zeit, zu welcher der Harn entleert wurde, wie Morgenharn, nach und vor der Wasser- aufnahme, vor und nach der Arbeit. 2. Rinderharn. Von den in der folgenden Tabelle IV (S. 66) aufgenommenen Rindern wurden I—10 trocken (Heu, Häcksel mit Rüben) gefüttert; 11—20 erhielten Rübenblätter und Grummet; 21—31 Grünfutter, Rüben, Grunmet; 32 Heu, Stroh und etwas Grünfutter. Der Harn gesunder Rinder zeigt ein spezifisches Gewicht von 1005 bis 1050, Harnstoff 8,56—23,5 g, Kreatinin 0,47—1,92 g und Indikan 0,0049—0,0378 & im Liter. Auf 100 g Harnstoff kommen 3,01—10,61 g Kreatinin und 0,045—0,21 g Indikan. Durchschnitt- lich zeigt demnach der Rinderharn ein spezifisches Gewicht von 1027, Kreatinin 1,12 g und Indikan 0,0196 g im Liter. Auf 100g Harnstoff entfallen im Durchschnitt 6,777 g Kreatinin und 0,118 g Indikan. Sehr anschaulich ist in der Tabelle IV Nr. 11, 14, 15, 23 und 27 der Umstand ersichtlich, dass geringe spezifische Gewichte mit geringen Mengen Kreatinin und Indikan im Liter Harn ver- gesellschaftet sind. Auch in der auf 100 & Harnstoff umgerechreten Kreatinin- und Indikanmenge kommt dies, wenn auch nicht in so präziser Form, zum Ausdruck. Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd. 158. 5 Hugo Münzer: r1°0 | 902 |9820,0 | 371 | TT0z | FroL yosıpexje ‘S1ssng “TED ‘groduremnpagunp goT‘o | 802 | 38200 | SET | 1r'sa | 0607 yosıpeyfe ‘SIssng “repy ‘gqfosfogunp LFL0 | 199 |E8200 | 281 86T | 0c01 yosıpenje “Sıssnp “repy “gfospogunp gssTo | TESTS [09800 | SET | Sez | zH0l yosıpegje “Sıssng “rer “qfodurom £61‘0 | 92‘8 | 09800 | 89T | sr | SHOT yosrpeyje “Issng ‘reg ‘qraspoyunp 8900 , 267 108000 80 | Y'IT | 6001 jeıynau “Sıssny “epy ‘qlosygoıT 202 0778241012050) BG BETTEN ECO] yosıypegje “SIssng “reps] 9014708 290°0 | 20°01 [08000 | ET | 61 | 8301 yasıeyfe “Sıseng “rest ‘qfo8 L210 | 286 179800, 261 | 208 | zeoı psyenpe ‘Sssng “ey ‘qrosporump 9900 | 68°C [09000 | ECO | 668 | 9001 yosıpegje “SIssny “res ‘qTosıyou gsITo | 08° |0CI00 20 | 9SETL | SIOL yasıeyje “SIssng ‘re ‘qTeSPI0oS sel. 76. |FITO0 | 890 | 9e°8 | 010T yasıpeyje ‘“SIssng “ey ‘qJosuromM 1800 837 | 26000 | 2#°0 | TIL | FIOI yosıpeye “SISSug “ep ‘qTosssıom 910 | 687 |2:300| 20 | EFT | 2801 ysrenje “Fssng ‘zer ‘aragyoı 6600 707 [99100 | 20 | ELT | SZ0T yosıpeyfe “SIssng “erg ‘gfogurom re10 | LIE |C200| pIo® uoyeoy ‘zu9gsısuoyy “NONSIYISYIMAT PqıaT wepeM SA qsereM "TOSH pereMm T0SY em TOSY 9nIs[os] 9nIS[OsHT SDIUSIERIGI 3sduoujosy Jaueu9S Jy9o]y9s ayos ‘dıgef FI ‘OyNJSs[9sY yje aagep Fz Is3uag ‘esapne] yje ode, FI “qrearyay ye oseL F5 ‘areryny yje oe] 9] ‘qTeIyny Je 98%], II AIENIOUS yje ode] FL ‘qreryay ye 9seL, FI AIENIIUS ye OdeL ST “qreryuy yje 9deL FI areryny ye 9seL ST Aa1ladS ye ode], FI (ENIOHS ofeuoeN - NAAAADIOSTr-O DO TANAHIST-ONO “IN IoLL ad T/ "A oTI94®BL Kolorimetrische Kreatinin- und Indikanbestimmungen im Harn etc. 69 mit Hafer und Heu ernährt. Auffallend ist bei dem schlecht ge- nährten Esel Nr.2 der hohe Kreatiningehalt (4,59 g), ferner das in diesem Harn beobachtete weissgelbe, sandige Sediment, bestehend aus kohlensaurem und phosphorsaurem Kalk und vereinzelten Hippur- säurekristallen. Der in der Eprouvette intensiv (rubin)rote, klare Chloroformauszug (Indikan) zeigt in der Küvette einen die Ver- gleichung beeinträchtigenden schwärzlichen Farbenton. Harn Nr. 3 ergibt bei der Untersuchung nach Bauer (OÖbermayer) einen Gehalt von ca. 200 mg Indikan. 9. Ziegenharn. Im Harn der Ziegen Tabelle VII (S. 70) finden wir ein spezifisches Gewicht von 1001—1014, Harnstoff 4—10 g, Kreatinin von 0,12 bis 047 g und Indikan von Spuren bis 0,0097 & im Liter. Auf 100 & Harnstoff entfallen 2,4—10 g Kreatinin und 0,037—0,194 & Indikan, durehsehnittlich demnach ein spezifisches Gewicht von 1007, Kreatinin 0,38 g und Indikan 0,00512 g, auf 100 & Harnstoff 6,707 g Kreatinin und 0,084 g Indikan. Auffallend ist die sehr lichte, beinahe wasserklare Farbe, das seringe spezifische Gewicht des Harnes sowie die geringen Mengen von Harnstoff und Kreatinin in diesem. Da ich bei der Unter- suchung des ersten Ziegenharnes elaubte, dass ein Fehler unterlaufen sein musste, so habe ich den Harn von derselben Ziege 5 Tage später neuerlich untersucht und ganz dieselben Resultate wie bei der ersten Untersuchung erhalten, ein Umstand, der für die kon- stante Zusammensetzung des Harnes bei diesem Individuum spricht. Bemerkt sei, dass Ziege Nr. 1 mit Hafer und Heu, Ziege Nr. 10 mit Heu und geringen Mengen Gras, Ziegen Nr. 2—9 mit Grün- futter gefüttert wurden. Kreatinin, bisher kolorimetrisch ideal be- stimmbar, zeigt, bei Ziegenharnen einen derartig intensiv grünen Farbenton, dass eine Vereleichung schwer möglich ist und sich nur Annäherungswerte ergeben. Der Indikangehalt ist gering; bei Harn 1 und 10 erscheint der Chloroformauszug feinst lichtrosarot gefärbt und ergibt kolorimetrisch Skalenwert 91. Das Resultat ist in ge- kochtem und ungekochtem Harnisatinsalzsäuregemisch das gleiche. Die gekochte Probe des Harnisatinsalzsäuregemisches gibt bei Harn 8 und 9 nach der Herstellung eine graugelbe, nicht vergleich- bare Farbe. Gleichzeitig mit der ungekochten Probe (17 Stunden nach der Herstellung kolorimetrisc$h bestimmt) zeigt Harn Nr. S im . . Hugo Münzer 70 2200 <68 | 02100 261 o'zal zer0 968 | 88E0°0 | 91T | 868 1680 , 988 | 91900 | 82T | 2/08 L6TO 12°< 100700 | 9TI | 808 8700 | 687 | FIToo| 765 61 rero | 328 | 88800 | 80T | 065 7900 888 | 8000| 801 | res vcLo | 617 | 9000| zeit | 2a 1610 | +67 | 29600 er | 860 Pur 2er ee Er) 2 — | 00.07 jueands| 70 | 0% 0L0°0 | 00,6 | <8000| «ro | 0% 2900 | 076 | 88000| 2yo | 0% 8600 2s< | 68000 270 | 06 2E00 | 886 | 21000 | zr0 | ICH 2800 | 85°C | 82000 | ıF0 | 06 8600 088 | 67000 | sro | 0% ssto | or | F600°0 | 2TIo | 0% #610 | 007 | 260000| go | 0'< = 007 [usands #0 001 ueyrpug "ue9ıy urur | 909S DZUnE -BIIM ee WUe.AIn) u9Wwuloy M0IS -ueH 8 00T JaV Jay] WI wweud aaa AANLIOS NZ FOL 0901 YEOL GEOL OF0L GSOL 0901 0SOL Ssrol IL EJUNEYS) sayosyızodg \ yorexje ‘“Sıssoguunp “reg ‘qosurem gasıeyje “Sıssnuguunp oqnı “uneaqgqjes yosıpeyje ‘Sıssnguunp “oqnı) ‘oaq[as yasıyeyje “Sıssnguunp “qnıy “uneıggfos yosıpgyje Sıssnynunp ‘oqn.y ‘qfesurem yosıyegje “Sıssnguunp “aqn.ız “uneagqq[os yosıpeyje ‘“Sıssnyuunp “oqnı) “uneagq[oes yosıpzyje Sıssnguunp “aqua "uneagqqfos yosıpeyje “Sıssnguunp “gun “unergqfos yosıpeyje “Sıssnguunp “vqnı ‘qjesjpoyanp INA STISIET yosıpeyje ‘Sıssnguunp ‘ey ‘qfpsurom yosıpeygje “Sıssnyuunp “reg ‘qfesuroMm yosıpegje “Sıssnguunp ‘re ‘qdsurom yosıpeyje “Sıssnyuunp ‘ae ‘qfadurom Jones yoemyos ‘Sıssnyuunp ‘ray ‘qfessserq gasıpeype Sıssuguunp “ep “aTaSyyotL gasıpeyje ‘Sıssnguunp ‘“aepy ‘qpasggar yosıpenge Sıssoguunp “wer ‘qTsyyaı] gosıpeyje “Srssnguunp “weg ‘arosyyoı yosıyeyje ‘Sıssnguunp “erg AOSygoı uolyeoyy ‘zuogsısuoyy NOyaıyoısqaang ‘OqLeA Srayeluro “Toppım je dagef G ‘Feydsaaynyr ye aayer 7 TEWSIINNMN Ssyydeay fe dager F eydsaoygum Stuagelurs “TOppIMm Suayelur ‘sdoyag sıugelum ‘eyos Saygeliomz ‘eyog Sryoe Ye aayep ) ‘Yeyosaayamı Stageltoup og je aıgef GC d91Z ameıd ye Sagef 3/,] aSoıZ ossto Mm je aayee G ‘adaız auneag yje Hagep C ‘9891 Z AunBIqneLg ye Hager Z 9891Z omean) yje dayerf GC O891Z and ye 9agef 3/,] 89IZ an8ıd yfe vage: C B9IZ anean ype 9ayep G ‘o89TZ Juneagqneig je Hager Z ‘9891Z HP9993 ZIEMydsssto A ofeuomeN >) u] Ham ııa so DT 000 | MHTNANHIIST-UIO “IN JOL], "IA oIT2q4®eL a a a a Fan Kolorimetrische Kreatinin- und Indikanbestimmungen im Harn etc. Tal: Chloroformauszug einen leichten gelben Stich und einen Skalenwert von beiläufie 72 (4,2 mg), ungekocht eine gut vergleichbare Farbe von 3,3 mg. Harn Nr. 9 ist gekocht im Chloroformauszug stark eraugelb, nicht vergleichlich, ungekocht dagegen mit 3,5 mg kolori- metrisch gut zu bestimmen. Beide Harne zeigen gekocht und un- sekocht in der Eprouvette sowohl den Chloroformauszug als auch die darüberstehende Flüssigkeitsschicht gleichfärbig; jedoch ist letzterer viel klarer, reiner und etwas lichter bei ungekochtem Ver- fahren. db. Scehafharın. Die grösste Schwierigkeit bereitete mir die Beschaffung des Schafharnes.. Obwohl in Karlsbad jährlich Tausende von Schafen seschlachtet werden, konnte ich nur von einem Schafe, Protokoll Nr. 10, Mengen erhalten, die die Bestimmung des Harnstoffes, Kreatinins und Indikans gestatteten. Es ist eine merkwürdige Er- scheinung, dass die Blase der Schafe beinahe leer eefunden wird. Unter 47 in meiner Gegenwart zuletzt geschlachteten Tieren fand sich nur das eine, welches eine Menge von 26 cem Harn in der Blase enthielt; bei den übrigen Tieren war die Blase fingerhutgross. Die übrigen Harne, Protokoll Nr. 1—9, wurden mir durch einen Schaf- züchter per Bahn zugeschickt und waren bei der Untersuchung 2—3 Tage alt. Die gut genährten Schafe sind Weidetiere, eine Kreuzung von Hamshire und Oxfordshire. Auffallend ist bei den meisten Harnen der letzteren Tiere die gelbbraune Farbe mit einem deutlichen grünen Schimmer. Ansonsten zeigte der Schafharn ein spezifisches Gewicht von 1032—1060, Harnstoff 19,2—32,7 g, Kreatinin 0,94—1,73 g und Indikan von 0,0112—0,0616 g im Liter. Auf 100 g Harnstoff kommen 3,33—8,95 g Kreatinin und 0,053 bis 0,297 g Indikan; im Durchschnitte ein spezifisches Gewicht von 1050, Kreatinin 1.44 & und Indikan 0,037 &; auf 100 g Harnstoff 5,29 g Kreatinın und 0,1418 g Indikan. Im ganzen ein sehr hohes spezifisches Gewicht, sehr hohe Harnstoff- und Indikauwerte. Bei diesen Harnen ist Kreatinin sehr gut bestimmbar. Mit Rücksicht auf die sehr dunkle Braunfärbung wurden zur Indikan- bestimmung nur 5 cem Harn verwendet; das Harnisatinsalzsäure- gemisch gibt ungekocht gut vergleichbare Farbe. Beim Kochen dieses erhält man mehr gelbrote, schwer vergleichbare, bei Ver- dünnung durch Chloroformzusatz beinahe lehmgelbe Färbung. « Hugo Münzer 72 kt ofeuoneN > UIWWON 7098 = SR ‘zuoJsısuoyg “MONSIIMIISTANıG Oqıaq aa % I my| HT wur wweng = = = —— XI.21I9q4®L Kolorimetrische Kreatinin- und Indikanbestimmungen im Harn etc. 73 7. Schweineharn. Die untersuchten Schweineharne (Tab. IX [S. 72]) zeigen ein spezifisches Gewicht von 1005, Harnstoff 8,9—20 g, Kreatinin 1,02—2,7 g und Indikan von 0,0015—0,0188 g im Liter. Auf 100 g Harnstoff kommen 6,89—11,79 g Kreatinin und 0,014—0,094 & Indikan; durchschnittlich ein spezifisches Gewicht von 1005, Kreatinin 1,49 g, Indikan 0,0095 g-im Liter. Auf 100 g Harnstoff entfallen im Durchschnitte 9,77 g Kreatinin und 0,055 g Indikan. Bei den. Schweineharnen fällt bei der Indikanherstellung auf kaltem Wege die gleiche Färbung der Testflüssigkeit mit dem Harn- Isatinsalzsäuregemisch angenehm auf. Harn Nr. 1 zeigt bei der Her- stellung nach Bouma 7,5 mg Indikan, ohne Kochen nach 24 stündigem Stehen 7,3 me, 12 Stunden später denselben Indikangehalt. Übersichtshalber habe ich die Ergebnisse der bisherigen Unter- suchungen in einer Tabelle Nr. X (S. 72) zusammengefasst. Unter Zugrundelegung der Mittelwerte rangieren die einzelnen Tiere (Kälber ausgenommen) bezüglich des spezifischen Gewichtes, des Kreatinins und Indikans in folgender absteigender Ordnung: Spezifisches Gewicht: SIE 1050 (1032—1060) g im Liter Pferd und Esel . 1036 (1022--1052) BR 8 Emdes.;:.. 1027 (1005—1050) Sur Meer... 1007 (1001—1014) ei Schwein! 2.2.7. 1005 (1005—1005) ae 4 Kreatinin !): Bierde. . .2..1,94°°.(0,82° — 8,5) & im Liter Schwein .:; ... 1,497 (1,02 —v2,7) Saba i Senat" 2 DZ ee (en Er en Era) Be und Po a a Be (er PEN Dieser... ...083%. (0,12 —.:0,47) I Indikan: Pferd . . .. . 0,0391 (0,0213— 0,051) g im Liter Schar. 22.:0:0837,°.(0.08122 0,0616) „>, Esel ar. 222..2:0:0237.0,0123=0.0348)7 32... ne. 58 50:0196.0,0019 0 0378, , Sehwein . .. 0.0095.00913 0.0188) , ) , Mieser . 2... 0,0051 (Spuren —- 0,09) 5: , 1) Der Eselharn wurde aus später anzuführenden Gründen hier nicht auf- genommen. 74 Hugo Münzer: Es kommen auf 100 g Harnstoff: Kreatinin !): Schwein . . . 9,77 (6,89 —11,79) im Liter Pierd "0.2.2 0.0.9.0, 242702 1605) Rind a2... .2.0,0002(8010 100er Zeven In lee OO ee Schafen un 20 5,290 (8,85 2 28,000 2 en Indikan: Pferd. . °. 20180: 0,105 — 0,593) om Kifer. Sehat ......22..,10141820,058 V2IDEEE Er Rind... 0.182.001, 2020) m N: Bsel. . . 7222..09420059. Ze Bo) ; Ziege 2.2.0 2.20.0842,0097 — 01 OD er Schwein . . . 0,055 (0,014 — 0,094) Wie schon aus der einleitenden Zusammenstellung der Angaben der Literatur ersehen werden kann und wie insbesondere von Lafayette Mendel?) in klarer Weise dargelegt worden ist, fasst man gegenwärtig die Kreatinin- bzw. Kreatinausscheidung beim Menschen als eine Summe auf, welche aus einem exogenen Anteile und einem endogenen Anteile besteht. Der exogene Anteil der Kreatininausscheidung ist derjenige Anteil des Harnkreatinins, welcher in der Nahrung als Kreatin bzw. Kreatinin vorgebildet ist. Da Kreatin und Kreatinin charakteristische Bestandteile des Tierkörpers sind und in Pflanzen bisher nicht aufgefunden worden sind, so kann von einem exogenen Anteile der Kreatininausscheidung nur dort ge- sprochen werden, wo eine Nahrung von animalischer Provenienz, insbesondere Fleisch genossen worden ist. In allen von mir untersuchten Fällen, ausgenommen die Harne von Milchkälbern und von Schweinen, handelte es sich um Pflanzen- fresser. Es fällt daher animalisches Futter und damit die exogene Komponente des Harnkreatinins ausser Betracht. Die Schweineharne musste ich deswegen ausnehmen, weil mir nicht bekannt ist, welches Futter die Schweine, deren Harne ich untersucht habe, bekommen haben, und es leicht möglich wäre, dass sie nebst anderen mit : 1) Der Eselharn wurde aus später anzuführenden Gründen hier nicht aufgenommen. 2) Journal of biol. Chem. vol. 10 p. 249. Kolorimetrische Kreatinin und Indikanbestimmungen im Harn etc. 75 animalischem Futter, wie Fleischmehl, Fischmehl u. dgl. gefüttert worden sind. Die Kreatininausscheidung bei Pflanzenfressern kann demnach nur endogenen Ursprunges sein. Nach der herrschenden Ansicht (Lafayette Mendel) stammt das endogene Kreatinin aus dem Abbau von Eiweiss- stoffen und, da sich beim Menschen, insbesondere nach den Unter- suchungen von J.Forschbach und S: Weber!) (Klinik Minkowski) die Kreatininausscheidung unabhängig von der Aufnahme eiweiss- haltiger Nahrung erwiesen hat, nimmt man an, dass der Zerfall von Nahrungseiweiss und damit auch von Reserveeiweiss (zirkulierendem Eiweiss) keine Quelle für Kreatin und Kreatinin bildet, dass dem- nach das endogene Kreatinin lediglich aus dem Zerfall von Organ- eiweiss stammt. - Überträgt man nun diese Anschauungen auf den Harn der Pflanzenfresser, so würde die Kreatininausscheidung in gewisser Be- ziehung, da sie hier nur endogenen Ursprunges sein kann, direkt als Maassstab für den Zerfall von Organeiweiss aufzufassen sein. Allerdings kann man nicht ausschliessen, dass nicht ein Teil des im Körper zirkulierenden Kreatinins und Kreatins weiter abgebaut werden, ehe sie durch die Nieren ausgeschieden werden. Das Harnkreatinin beim Pflanzenfresser wäre demnach eine Differenz, in welcher den Minuenden der Zerfall von Gewebseiweiss und den Subtrahenden der Abbau von Kreatin und Kreatinin im Tierkörper bildet. Unter Zugrundelegung dieser Anschauungen ergibt sich demnach aus meinen Untersuchungen von Harnen normaler Tiere folgendes: 1. Der Kreatiningehalt des Pflanzenfresserharnes ist unabhängig von dem Eiweissgehalte des Futters; denn er geht nicht parallel mit der Gesamteiweisszersetzung im Körper des Pflanzenfressers. Als Maassstab für die Gesamteiweisszersetzung darf man wohl auch im Pflanzenfresserharne den nach Knop-Hüfner bestimmten „Harn- stoff“ ansehen, weil erwiesenermaassen durch die Bromlauge nicht nur der Stickstoff des wirklichen Harnstoffes, sondern auch der Stick- stoff der meisten anderen stickstoffhaltigen Harnbestandteile in Freiheit gesetzt wird. Da das Verhältnis zwischen Kreatinin und „Harnstoff“ sich aus meinen Versuchen als recht wechselndes ergeben hat, so erscheint damit die Richtigkeit des aufgestellten Satzes bewiesen. Die weitere Schlussfolgerung wird dadurch schwierig, dass aus 1) Zentralbl. f. Physiol. und Pathol. des Stoffwechsels 1906 S. 569. 76 Hugo Münzer: praktischen Gründen, nämlich weil bei Massenuntersuchungen die Aufsammlung der 24stündigen Harnmenge von Tieren derzeit nicht tunlich ist, die im Verlaufe von 24 Stunden ausgeschiedene Kreatinin- menge unbekannt ist, es konnte vielmehr nur die Menge im Liter bestimmt werden. Die in 1 ] enthaltenen Kreatininmengen können aber nicht gut miteinander verglichen werden, weil sie abhängig sind von dem Wassergehalte des Harnes und dieser wieder in recht weiten Grenzen abhängig ist von der gewiss ausserordentlich schwankenden Wasseraufnahme der Tiere. Eine konstantere Vergleichsgrösse ist gewiss der Harnstoffgehalt der Harne. Allerdings ist auch dieser von Äusserliehkeiten abhängig, in erster Linie von dem Eiweiss- gehalte des Futters. In den vorliegenden Fällen handelt es sich aber um gesunde Tiere und um ein kohlehydratreiches und relativ eiweissarmes Futter, so dass Luxuseiweisszersetzungen kaum in ‚grösserem Umfange angenommen werden konnten. In diesem Sinne darf wohl auch der Harnstoffgehalt als etwas relativ Konstantes auf- gefasst werden und die nicht unbeträchtlichen Differenzen in den Zahlen, welche für die im Liter Harn enthaltenen Harnstoffmengen gefunden worden sind, in erster Linie auf die grossen Schwankungen in der Wasseraufnahme der Tiere und nur zum geringeren Teile auf den Einfluss des Futters zurückgeführt werden. In diesem Sinne glaubte ich, an Stelle der Tagesmenge des Kreatinins das Verhältnis von Kreatinin zu Harnstoff in Betracht ziehen zu dürfen. Unter der Voraussetzung der Richtigkeit dieser Annahme ziehe ich aus den Ergebnissen meiner Untersuchungen noch weiter folgende Schlüsse. 2. Die ausgeschiedenen Kreatininmengen sind individuell recht verschieden, sie gruppieren sich aber bei ein und derselben Tier- spezies um gewisse Mittelwerte. Diese Mittelwerte sind wieder bei verschiedenen Tierarten verschieden. Diese Verschiedenheiten können zurückgeführt werden auf individuelle und artspezifische Verschieden- heiten in der Zersetzung von Gewebseiweiss einerseits, auf ebensolche Verschiedenheiten in dem Grade des Abbaues von Kreatin und Kreatinin andererseits. Man wird wohl mit beiden Quellen dieser Verschiedenheiten zu rechnen haben. Eine gesonderte Betrachtung verlangt noch der Harn der Milch- kälber, welcher gegenüber dem Harne ausgewachsener Rinder auf- fallend grosse Kreatininmengen aufweist, sowohl absolut genommen als auch im Verhältnis zum Harnstoffeehalte. Ein Grund der hohen Kreatininmenge beim Kalbe könnte darin geselıen werden, dass hier Kolorimetrische Kreatinin- und Indikanbestimmungen im Harn etc. 77 exogenes Kreatinin mit einzurechnen ist, indem die Kuhmilch er- wiesenermaassen Kreatin und Kreatinin enthält. Ich konnte in der Literatur zwar keine zahlenmässigen Angaben über den Kreatin- und Kreatiningehalt der Kuhmilch finden, die Angaben lauteten vielmehr nur auf Spuren von Kreatin und Kreatinin, ich entnehme aber daraus, dass der Gehalt der Kuhmilch an diesen Stoffen nur unbeträchtlich ist, dass demnach auch der exogene Anteil der Kreatininausscheidung bei Milchkälbern nicht hoch zu veranschlagen ist, keineswegs aber die grossen Kreatininmengen erklären kann. Nun trifft hier allerdings die früher für normale, mit kohlehydrat- reichem Futter gefütterten Tiere gemachte Voraussetzung einer relativen Konstanz der 24stündigen Harnstoffmenge insofern nicht zu, als die Nahrung der Kälber Milch, also ein relativ eiweissreiches Futter, war und damit der Harnstoffsehalt des Harnes wohl in er- heblichem Grade vom Futter abhäneig ist. Da aber diese Beein- flussung nur in einer Vermehrung des Harnstoffes, demnach auch in einer Verkleinerung des Verhältnisses des Kreatinins zum Harnstoffe zum Ausdrucke kommen kann, so kann aueh dieser Umstand die beobachteten hchen Kreatininverhältniszahlen nicht erklären. Die hohen Kreatininwerte bei Milchkälbern müssen demnach entweder‘ dahin gedeutet werden, dass beim jugendlichen Rinde relativ mehr Gewebseiweiss zerfällt als beim ausgewachsenen, oder dahin, dass dem Kalbe die Fähigkeit, Kreatin und Kreatinin abzu- bauen, bis zu einem gewissen Grade mangelt. Endlich möchte ich noch auf die Eselharne 1 und 2 der Tabelle VI (S. 68) zurückkommen. Diese Harne stammen von Eseln, die bei einem Artisten beschäftigt waren. Aus dem Berufe dieser Esel kann leicht ein gesteigerter Zerfall von Gewebseiweiss abgeleitet und damit können die dort beobachteten hohen Kreatininwerte ungezwungen erklärt werden. Da diese hohen Werte die aus allen Werten dieser Tafel gezogenen Mittelwerte zu stark beeinflussen, habe ich den Eselharn in die nach absteigenden Kreatininmengen geordneten Tier- harne nicht aufgenommen. Wie schon früher dargelegt worden ist, hat man nach dem heutigen Stande der Forschung das Harnindikan auf die Fäulnis der Eiweissstoffe im Darme zurückzuführen. Es ist daher nur zu be- greiflich, dass, wie auch beobachtet wurde, die Indikanmengen individuell ausserordentlich verschieden sind. Trotzdem lassen aber auch hier die von mir bei den einzelnen Tierarten gefundenen Werte 6900 gL‘ol 8420'0 ;g 88'98 scoo | STEL 7920°0 &9 sur 8670 | SL6l 08500 87 818 salo | SIE 0FE0°0 eg 998 860°0 8091 08200 Ir Gag E 1800 6EL1 8810°0 07 0'883 2 2.00 | 0r9I 08100 1 0% = 080 0508 0880°0 68 0'61 0880 Tl 80900 Te 0°61 8980 11.98 79900 ke) 0'81 ueyıpuf |urumegayp | ueNyIpuf | urumeoay YoIsudgy] wwe.ld) u9wwoy OJS -uUI®H 5 00T JüV Jr WI wweas) Jiye] Jodıp IZOL Jones “Sıssnguunp “repy ‘gqppspoyunp | -unysz) yoeu Ye oyeuop 6 “og | OL JıyaJ A95Ip 20T aones “Sıssnguunp “reps] ‘489401 | -unysz) yoeu ‘fe oyeuom 6 194 | 6 so9MIoJun 986], Z IE Gz0I ones ‘Sıssngunmmp “ep Jorge | oyeuop 9 "ed “yaırqram “urmayog | 8 E Jay] J9dıpungs sp yoeu Fol aones ‘Sıssnyuunp “repy ‘qppspoyunp | Ye sager F ‘Smpayasyoa ‘spg | 1 Jayeg dodıpungs Sp yoeu raıji ‚eye Sıssnguunp‘repg] ‘qpdsppyunp | Ye Hager Fe “Sryooydsjoa ‘quy | 9 Jayeı a991punJsgF yoeu yny Aoned 3201 [eye ‘Sıssnguunp “ey “uneagaorq | -zumg oe Hager 9 SSMI9ydSI0Y | € Key Josıp 0801 ‘eyje ‘Sıssnguunp “repy “uneaqg[98 ı -unJs SF yoeu ‘ynyy adıyooyasq[en) | F yayag A93ıp E0I ‚eye Sıssnguunp “ep “unerggqf0s | -ungsgF yoeu ‘“yny odıpayasjoy | age] Jodıp EZ01 [eye Sıssnguunp ‘ep ‘qppsppyunp | -unys09 yaeu ‘yny adm9aydsqfpy | 2 Jayag A9d1p SE01 -peyje ‘Sıssnguunp ‘reps] "uneaqaoıq | -unys 09 yaeu ‘ynyy adtyoaydsIoy | I =) yasıpeyje "ZU9IsIsuoy] IN soyosy ; 3 9feuoeN -ızadg NONSIIYIISYIANCT Oqgaey JOLL 78 IX aIl2ge 5 Kolorimetrische Kreatinin- und Indikanbestimmungen im Harn etc. 79 eine Gruppierung um bestimmte, für verschiedene Tierarten ver- schiedene Mittelwerte zu. Diese artspezifischen Verschiedenheiten des Indikangehaltes sind offenbar auf anatomische und physiologische Verschiedenheiten der Tierarten zurückzuführen. Die Ergebnisse der vorangehenden Betrachtungen und Schluss- folgerungen sollen nun der Diskussion jener Resultate zugrunde ge- lest werden, welche bei der Untersuchung pathologischer Harne sich ergeben haben. B. Pathologische Harne. Von pathologischen Harnen habe ich vor allem den Harn hungernder Tiere untersucht. Die betrefienden Tiere haben längere Eisenbahnfahrten in plombierten Wagen zurückgelegt. Gelegentlich der Ausladung wurde der Harn aufgefangen und sogleich untersucht. Rinder und Schweine zeigen im Hungerzustande (Tab. XI [S. 78]) nieht nur eine gesättigtere Farbe, sondern auch eine wesentliche Erhöhung des Kreatinins und Indikans. Während bei normal ge- nährten Rindern auf 100 g Harnstoff durchschnittlich 6,777 g Kreatinin und 0,118 g Indikan kommen, betragen diese Werte bei hungernden Rindern 20,75 g bzw. 0,181 g. Bei hungernden Schweinen beträgt die auf 100 g Harnstoff kommende Kreatininmenge 14,357 g und 0,105 g Indikan gegen 9,77 & bzw. 0,055 g normal genährter Schweine; demnach bedeutende Differenzen. Andere Harne hungernder Tiere hatte ich nicht Gelegenheit zu untersuchen. Aus den gefundenen Daten glaube ich per analogiam den Schluss gerechtfertigt, dass der Esel (Tabelle VI, Nr. 2), der jeden Abend seine Kunststücke zeigen musste, nicht krank und auch nicht in tierärztlicher Behandlung ge- standen war, sich im Hungerzustande befunden haben musste. Ebenso die Kälber 3 und 9 in Tabelle V. Erwähnen will ich auch, dass der Harn hungernder Rinder, wie auch einzelne Pferdeharne, im Filtrate des durch Bleiessig gefällten Harnes eine deutliche Fluoreszenz zeiet, ganz ähnlich jener, welche bei Vorhandensein von Urobilin durch eine 10°o alkoholische Zink- azetatlösung im Filtrate hervorgerufen wird. Die Erklärung für die Vergrösserung der Verhältnisse des Kreatinins bzw. des Indikans ergibt sich leicht aus den voran- gegangenen Betrachtungen. Im Hungerzustande wird die Ausscheidung des Harnstoffes herabgesetzt, der Nenner des Bruches, in dessen Zähler das Kreatinin bzw. das Indikan steht, wird kleiner, damit der Wert des Bruches grösser. Beim Kreatinin trägt aber noch ein ‘9 088 duo], FI Y ‘Zr 'd (UOSUnIoJU9J0Y Hpuagdarapqn AOyanZ UN j yasıpeyje “Sıssupg ‘asıssny “ISmjssor] oFIOPULULOA “eyes ' ‘SSIOMI UTON 1210 | 20‘6T | 8r0‘0| reis | 088 | 6EoT | -yez “oqnıy “unerggpos | -uneq “aonye “oayer g ‘yoeıem ‘syang | < Konst. 7 50 0 4000 20000 26 - 47 7 45 5 4000 20000 26 - 22 7 40 2,10 4000 20000 25 - 47 7 39 15 4000 20000 24 . 22 % 30 20 4000 20000 22.47 8* 110 J. K. A. Wertheim-Salomonson: wobei "> 9 DEN 9Ve Normalempf. Bene... 21,2 0,094 15,4 1,0 SE. Se er 19,32 0,022 34,9 2,26 Silter. 10,6 0,0175 71,8 4,6 Kiplern. 2... 0.0... 8,9 0,0162 88,3 5,7 Numimum ...... .... 2,7 0,0287 218,3 14,1 Versilbertes Quarz . . . (bei a = 4,12 b) (82) (5,2) Verkupfertes Platin . . (bei d = 0,75 a) (53) 3,44) Diese Tabelle enthält ausser den fünf ersten wohldefinierten Metallen auch noch versilbertes Quarz und verkupfertes Platin. Hierbei kann selbstverständlich nicht von einer bestimmten Dichte oder bestimmtem spezifischen Leitungswiderstand die Rede sein. Die Zahlen, die diesen Materialien in der Tabelle beigelegt worden sind, können jedoch in folgender Weise berechnet werden. Denken wir uns eine Saite, welche aus einem Kern mit dem Halbmesser « und einer Umhüllung von der Dicke b zusammen- ‚lila: u IK. A. Wertheim-Salomonson:' gesetzt sei. Der Kern habe die Dichte g,, die Umhüliung die Dichte 93. Der spezifische Widerstand des Kernes betrage o,, derjenige der Umhüllung ge. In diesem Falle können wir berechnen, wie gross der Betrag —- sein würde für eine homogene als, welche die gleiche Dicke, das gleiche Gewicht und den Sfeichen Widerstand besitzt wie die zusammengesetzte Saite. Wir finden dann den Aus- druck: a+b Ä y2 2ab+b? (9) Js IT arg +@ab + 5?) 9 01 03 Für versilberte Quarzsaiten, deren Kern die Elektrizität nicht leitet, wäre o—=w. Wenn wir dabei die Dichte des Quarzes zu 2,65 nehmen und die Zahlen für 95 und o, aus der Tabelle II entnehmen, bekommen wir: (a+b) V2ab + b2 0,132 { 2,65 a? + 10,6 (2ab + b2)} Uhr (10) Betrachten wir zunächst die Formel 10 für Quarzsaiten. Die Untersuchung zeigt, dass die Grösse von y, sich ändert, wenn wir das Verhältnis- von a«:b allmählich ändern, und dass dabei y, ein Maximum zeigt für a—=4,12b. Das Maximum ist jedoch nicht be- sonders scharf ausgeprägt. Es beträgt bei a=4,12b etwa 82, also die in der Tabelle bezeichnete Zahl, welche grösser ist wie die Zahl, die für reines Silber gilt, jedoch etwas kleiner als die Zahl für Kupfer. Die relative spezifische Normalempfindlichkeit, welche im günstigsten Falle 5,2 erreicht, sinkt zwischen den Grenzen a—=2b und a=10D auf ungefähr 5,1 herab, und zwischen a—=b und a=15b bleibt sie bis auf 5°/o konstant. Wir sehen also, dass die Diehte der Versilberung innerhalb sehr weiter Grenzen ohne über- wiegenden Einfluss auf die spezifische Normalempfindlichkeit ist. Bei dieser Betrachtung ist als selbstverständlich vorausgesetzt, dass die Versilberung eine vollständig. glatte ist und dass auch dieselbe überall gleich diek ist und einen niedrigen spezifischen Widerstand besitzt. Die Zahl 5,2 ist also ein theoretisches Maximum, welches wohl .nie erreicht werden kann. Falls wir eine Platinsaite verkupfern oder auch versilbern, was aber bedeutend ungünstiger ist, können wir die Formel 9 gebrauchen. Es ist jedoch bequemer, in einem solchen Fall einen Vergleich zu machen zwischen dem nackten Kern allein und dem Theoretisches und Praktisches zum Saitengalvanometer. 115 verkupferten Faden. Wir stellen also die Frage: Welchen Gewinn erzielen wir, falls wir eine dünne Platinsaite verkupfern? Die spezifische Normalempfindlichkeit wird dabei allerdings grösser werden und bei genügend dickem Kupferbelag schliesslich sich dem Grenz- wert für Reinkupfer, also zu 5,7, nähern. Bei dem Verkupfern wird aber die Saite dicker, infolgedessen die absolute Normalempfindlich- keit zurückgeht. Stellen wir das Volumverhältnis zwischen Kern und Belag zu 1:», dann beträgt das Verhältnis des Durchmessers des nackten Fadens zu dem des verkupferten Fadens als 1:YI-+n. Die Äquivalentdichten verhalten sich wie g.: Zul und die spezifischen Widerstände wie Folglich beträgt das Verhältnis der 9" @ absoluten Normalempfindlichkeiten von nacktem Kern und ver- kupfertem Faden: a aa re) 05 9ı Lassen wir jetzt » sich ändern, dann ändert sich auch z, und wir finden, dass z ein Maximum aufweist bei 9ı 01 R ns a a el) Setzen wir jetzt in Formel 12 die Werte von 91, 9s, 01 und 0, für Platin und Kupfer (s. Tab. II), dann bekommen wir ein Maximum für n—= 2,031. Das Volumen des Kupferbelags auf die Platinseele soll rund zweimal grösser sein als das Volumen der Seele selbst, um die möglichst grösste Erhöhung der Normalempfindlichkeit zu erreichen. Hierbei wird der Durchmesser des Fadens 1,74fach grösser als der Durchmesser der Seele und die Normalempfindlichkeit steigt auf das 1,966 fache. Bei grösserer Dieke der Umhüllung wird der Vorteil immer geringer. Bei der halben Kerndicke ist die Ver- besserung 1,88; bei gleichdickem Kern und Hülle 1,57 fach. Bei einer Hülle, die zweimal so diek ist als die Seele, ist die Verbesserung 1,068fach, und bei 2!/efacher Dicke des Belags entsteht schon ein Verlust von 9%. % In. der Wirklichkeit ist es sogar besser, eine Platinsaite etwas dünner zu verkupfern, und zwar so, dass die Dicke des Belags etwa 0,64 des Kerndurchmessers beträgt.. Dies hängt damit zusammen, 116 J. K. A. Wertheim-Salomonson: dass leider die nach dem Wollaston- Verfahren hergestellten Platin- saiten einen fast zweimal grösseren Widerstand besitzen, als theoretisch erwartet werden sollte. In diesem Falle ist aber eine Verkupferung mit einer Dicke von 0,64 günstiger, da sie eine 2,5fache Verbesserung gewährt. Bei einer Vergleichung der verschiedenen Materialien, aus weichen Saiten hergestellt werden, kommt noch ein Punkt in Betracht. Das ist die Möglichkeit, die Saite stark anzuspannen. In dieser Be- ziehung steht Quarz über allen anderen Stoffen, da es bei 10 cm Länge gespannt werden kann, bis eine Schwingungszahl von fast 2000 erreicht worden ist, bevor es bricht. Es ist dabei selbst dem Stahl überlegen, welcher nur bis zu einer Schwingungszahl von 1780 gespannt werden könnte, wenn seine magnetischen Eigenschaften dem Ge- brauch im Saitengalvanometer nicht überhaupt entgegenständen. Die nächstfolgenden Stoffe sind: Aluminium mit 950, Messing mit 930, Kupfer mit 750, Silber mit 600 und Platin mit 410 Schwingungen pro Sekunde. Hier steht also Aluminium unmittelbar hinter dem Quarze, und es ist sämtlichen anderen Stoffen überlegen. Die hier gegebenen Zahlen sind als Grenzwerte zu betrachten. Im praktischen Gebrauch wird man sich auf etwa ein Drittel dieser Zahlen als höchstzulässige Schwingungszahl beschränken. Saitendurchmesser. Der Einfluss des Saitendurchmessers bedarf kaum einer näheren Erörterung, da hier einfache, umgekehrte Proportionalität zwischen Durchmesser und Normalempfindlichkeit besteht. Einthoven hat wiederholt die Notwendigkeit, dünne Saiten zu verwenden, betont. Saitenlänge und magnetische Feldstärke. Die Core suchung des Einflusses dieser beiden Faktoren für die Normal- empfindlichkeit lässt sich nicht trennen. Wir sahen im Anfang unserer Arbeit schon, dass hierbei nicht die absolute, sondern die wirksame Feldstärke in Betracht kam. Und da diese zusammenhängt mit der Saitenlänge, sind wir darauf angewiesen, diese beiden Grössen im Zusammenhange zu behandeln. Hätten wir ein über die ganze Höhe homogenes agnetschee Feld, so wäre die Sache sehr einfach: je kürzer die Saite gemacht wird, um so höher stiege die Normalempfindlichkeit. Aber neben der Verkürzung der Saite geht eine Herabsetzung der wirksamen Feldstärke einher. Aus der Formel 4 geht dies sogleich hervor, da Theoretisches und Praktisches zum Saitengalvanometer. 117 der Ausdruck 7 oo kleiner wird, wenn /, kleiner gemacht wird. 1 2 Da schliesslich die Nomen nen proportional ist, be- IF kommen wir nach einfacher Substitution den Ausdruck: Be Dar yı VIER) Die übliche Untersuchung zeigt, dass der Ausdruck ein Maximum erreicht, wenn (13) MEERE TE, ee ce oder, wenn wir BR, und A, z stellen, ie © (4 — m) m > Wir sehen, dass ein Maximum nur erreicht werden kann, wenn 41,>1,. Der Grenzwert 4/,—= I; gilt für den Fall, dass A, —=0-h; in allen andern Fällen muss also /, kleiner sein als 4/,, d.h. die ganze Saitenlänge soll kleiner sein als der fünffache Durchmesser des Bohrloches. Wir finden folgende in N JEL Tabelle III verzeichneten zusammengehörige Zahlen für 7. und H 1 1 Tabelle II. zZ m | 2 N @ 4 7 | 3,08 100 3,986 6 | 2,94 50 3,873 b) 2,125 25 3,75 4 2,395 15 3,98 3 1,816 10 3,36 2,25 0,667 8 3,21 Tatsächlich muss also die Saitenlänge vermindert werden, wenn die magnetische Feldstärke im Gebiet der Durchbohrung sich der maximalen Feldstärke nähert, wenigstens wenn man die grösst- mögliche Normalempfindlichkeit zu erreichen wünscht. Der Ausdruck zeigt uns noch, dass nur dann ein Maximum be- steht, wenn 2> 2,25. Unterhalb dieses Betrages besteht kein Maxi- 118 ; J. K. A. Wertheim-Salomonson: mum mehr, sondern die Normalempfindlichkeit nimmt fortwährend zu bei fortgesetzter Verkürzung der Saite. Bei derartig kurzen Saiten darf jedoch die Annäherungsformel 5 nicht mehr benutzt werden, wenigstens nicht anders als zum Zweck einer orientierenden Schätzung. Er | Die Kurve, durch 15 dargestellt, besitzt auch ein Minimum, wobei die Saitenlänge die Durchbohrung nur wenig überragt. Bei 2—= 2,25 fallen Maximum und Minimum zusammen, wobei die Kurve also nach einer anfänglichen Steigung für einen Augenblick horizontal verläuft, um weiterhin wieder zu steigen. Bei 2< 2,25 tritt kein derartiger Punkt auf, sondern die Kurve steigt fortwährend. Von praktischem Standpunkt haben wir zu rechnen mit dem Umstand, dass der Magnetismus für den gewöhnlichen Gebrauch nur auf einen mässigen Betrag, auf etwas mehr als zwei Drittel der maximalen überhaupt zu erreiehbenden Intensität, eingestellt zu werden braucht. Hierbei wird im Erregerkreis nur 20—40 Watt verbraucht, wobei die Erwärmung noch nicht störend eintritt. Unter diesen Umständen erreicht die Feldstärke im Bereich der Durchbohrung kaum den vierten oder fünften Teil der maximalen Intensität — wenigstens bei enger Durchbohrung —, bei weiteren Bohrlöchern sogar nieht einmal den achten oder zehnten Teil. Indem wir also m = 2,5—3 nehmen, bekommen wir bei dem täglichen Gebrauch die maximale Normalempfindlichkeit. Bei einer Durchbohrung von 20 mm Durchmesser soll die Saitenlänge also etwa 70—75 mm betragen, während die günstigste Saitenlänge bei enger Durchbohrung von 14 mm auf 50—55 mm zu bringen ist. Wünscht man die höchste Normalempfindlichkeit bei stärkster Erregung des Elektromagneten, dann muss doch der Erfolg einer Verkürzung auf weniger als m=—?ls, also auf 24 mm Saitenlänge bei einem 14-mm-Bohrloch und 34 mm Saitenlänge bei einer Durchbohrung von 20 mm, als fraelich bezeichnet werden. 3. Praktische Schlussbemerkungen. Zur Beurteilung der im allgemeinen praktisch erreichten Resultate sind wir angewiesen auf die bis jetzt publizierten Mitteilungen von Forschern und Fabrikanten. An erster Stelle kommen: jedoch Einthoven’s eigene Mitteilungen in Betracht. - - Quarzsaiten. Es liegen Angaben über die mit Quarzsaiten erreichte Normalempfindlichkeit in Einthoven’s Arbeit vor. Er Theoretisches und Praktisches zum Saitengalvanometer. 119 benutzte durchweg Quarzsaiten von 2—3 Mikron Durchmesser und 12,7 em Länge. Die Normalempfindlichkeit schwankte von etwa 1,5—2,1-10°. Die Bestimmungen geschahen in einem Felde mit einer maximalen Intensität von etwa 22500 Gauss, während die wirksame Feldstärke auf 17600 angegeben wurde. Ich glaube nicht, dass die von Einthoven erreichten Normalempfindlichkeiten über- holt worden sind. Bei meinen eigenen Saiten habe ich zwar etwas grössere Zahlen erreicht, namentlich bei 90 mm Saitenlänge. und 25800 Gauss wirksame Feldstärke 2,9-10% und 3,1:10%. Rechne ich aber.diese Zahlen um auf die von Einthoven benutzte Feld- stärke und Saitenlänge, dann erreiche ich bloss 1,6—1,8-10°. Ich muss also annehmen, dass selbst meine besten Quarzsaiten beträcht- lich hinter Einthoven’s Saiten zurückstehen. Nehme ich meine eigenen Zahlen als Grenze für die im allgemeinen erreichbare Normalempfindlichkeit, dann folgt daraus, dass die Quarzsaiten weniger ‚als die Hälfte der theoretisch maximalen Normalempfindlichkeit zeigen, welche etwa 4—4,5-10° sein sollte. Wir dürfen jedenfalls annehmen, dass bei den besten heutigen Instrumenten mit Quarzsaiten eine Normalempfindlichkeit von 2-10% schon sehr zufriedenstellend ist, während 3.10% nur ausnahmsweise erreichbar ist. Bei den käuflichen Instrumenten, bei denen meistens 20000 Gauss als maximale Feld- stärke angegeben wird, beträgt die wirksame Feldstärke etwa 15000 Gauss, und die Normalempfindlichkeit wird dabei wen viel mehr als 1,5.10° betragen. Silber- und Kupfersaiten. Diese fallen oraktiseh, ausser- ‚halb unserer Betrachtungen. Erstere sind bloss bis zu 16,5 ‘u, letztere bis 15 u erhältlich. Obwohl sie Normalempfindlichkeiten von der Grössenordnung von 0,4—0,7:10° geben und für: bestimmte Zwecke recht brauchbar sind, sind sie nicht geeignet für Elektro- kardiographie und für rein physiologische Zwecke. Dies hängt zu- sammen mit dem grossen Durchmesser, der geringen optischen Ver- grösserung, dem geringen Widerstand und der Unmöglichkeit, die- selben genügend zu entspannen und eine aperiodische Einstellung bei geöffnetem Stromkreise zu erreichen. Goldsaiten, welche mit dem Wollaston- Verfahren her- stellbar sind, gewähren praktisch eine Normalempfindlichkeit bis über 0,5-10%. Obgleich sie bei gleicher Dieke den Platinfäden etwa zwei- “mal überlegen sind, kann man diesen Umstand nicht genügend ver- "werten, da sie pur sehr schwierig unter 5 u herzustellen sind. Hier- 120 J. K. A. Wertheim-Salomonson: durch ist deren Gebrauch bei der Elektrokardiographie und in der Physiologie meistens nicht zulässig. Platinsaiten können ohne die geringste Schwierigkeit bis etwa 2 u hergestellt werden. Dünnere Saiten von etwa 1,5 u er- heischen bei der Herstellung ziemlich viel Geduld, und 1-u-Saiten gelingen nur selten. Obgleich das Platin von sämtlichen Materialien die geringste Normalempfindlichkeit gestattet, und obgleich seine ziemlich starken magnetischen Eigenschaften das Arbeiten bei starker Entspannung sehr erschweren, leistet es doch gute Dienste. Mit 1,5-u-Fäden erreichte ich in einem Felde von maximal 22000 Gauss eine Normalempfindlichkeit von 1,27-10° während bei maximaler Felderregung in meinem Galvanometer 1,9-.10% erreicht wurde. Theoretisch sollte 3-10% weit überschritten werden. Man findet jedoch, dass eine derartige Saite von 90 mm Länge und 1,5 « Durch- messer einen Widerstand von 8500 Ohm aufweist, während ein Rein- platin-Faden von diesen Abmessungen höchstens 4800 Ohm besitzen sollte. Dieselbe Erscheinung findet man bei allen dünnen Platin- saiten, und ich vermute, dass bei dem grossen Druck während des Drahtziehens eine schlecht leitende Platinsilberlesierung gebildet wird. Ich habe versucht, die Platinsaiten zu verbessern durch Ver- kupferung. Geschieht dies mit sehr schwachen Strömen von höchstens 1 u Amp., dann bekommt man eine ziemlich gleichmässige und glatte Oberfläche. Wird die Dauer der galvanischen Verkupferung, welche genügt, um eine Hülle von der günstigsten Dicke herzustellen, genau innegehalten, so erreicht man tatsächlich eine erhebliche Verbesserung. So ergab sich bei einer kurzen Platinsaite eine Verbesserung von 1,1-10% auf 2,1-10%, Mit einiger Sorgfalt lassen sich in dieser Weise Saiten herstellen, die recht wenig gegen die Quarzsaiten zurück- bleiben. Aluminiumsaiten. Bis vor wenigen Wochen waren bloss -Aluminiumfäden von etwa 30 « erhältlich, deren Gebrauch keinen -Vorteil bot. Auf meine Veranlassung hat die Firma Heraeus in Hanau die Herstellung von Wollaston-Faden mit Aluminiumkern zur Hand genommen. Nach vielen Versuchen hat sie schliesslich ein gutes Herstellungsverfahren ausgearbeitet, und ich bin jetzt in der Lage, über die Resultate, welche mit dem neuen Material er- -reicht wurden, zu berichten. | Bis jetzt sind Fäden mit einem Kerndurchmesser von 4 u zu bekommen. Die Aluminiumseele ist in einer dünnen Silberumhüllung Theoretisches und Praktisches zum Saitengalvanometer. Vo eingebettet, welche sich in starker Salpetersäure in etwa 25—30 Sekunden auflösen lässt. Es bleibt dabei ein vollständig glatter, besonders gleichmässiger und gutleitender Aluminiumfaden zurück. Selbstverständlich sind die Lötungen vor dem Abbeizen vorzunehmen. Mit einer derartigen 4 u dieken und 90 mm langen Aluminium- saite, welche einen Widerstand von 204 Ohm aufwies, ergab die Messung der Normalempfindlichkeit in einem Felde von 15 800 wirk- samer Feldstärke den hohen Wert von 8,8-10%, während dieselbe Saite in einem Felde von einer maximalen Stärke von 31600 Gauss 13,6-10° als Zahl für die Normalempfindlichkeit ergab. Es ist bemerkenswert, dass mit dieser Saite der theoretische Wert, welcher bei 15800 Gauss wirksamer Feldstärke 10,14-10% beträgt, fast er- reicht wird. Diese Zahlen bedeuten jetzt schon eine mehr als vier- fache Verbesserung im Vergleich mit guten Quarzsaiten und eine etwa siebenfache Verbesserung gegenüber den besten Platinsaiten. Die Herstellung der Saiten aus dem von Heraeus gelieferten Material ist besonders einfach und gelang ohne die geringste Schwieriekeit. Die Firma Heraeus ist jetzt noch beschäftigt mit der Herstellung von etwa 2 « dieken Aluminiumfäden, mit welchen eine Normalempfindlichkeit von 18—27.10% erwartet werden darf. Es braucht wohl kaum auf den grossen Fortschritt, der mit dem Gebrauch derartiger Saiten gemacht ist, hingewiesen zu werden. Schon die 4-u-Saiten geben ein vollkommen reines Elektrokardiogramm, da die Saite eine besonders geringe Finstellungsdauer besitzt, nämlich 0,007 Sekunde. Figur 2 zeigt eine Aufnahme, die bei 635 facher Vergrösserung gemacht wurde. In dem Saitenkreislauf befand sich ein Ballastwiderstand von 2000 Ohm, wodurch der Gesant- widerstand auf 2205 Ohm gebracht wurde. In den Kreis war eine Potentialdifferenz von 2 Millivolt geschaltet. Der Strom wurde mit einem mechanisch betriebenen Unterbrecher etwa elfmal in der Sekunde geschlossen und wieder unterbrochen. Die Zeitschreibung war auf 500 Lichtunterbreehungen pro Sekunde eingestellt, während die Platte 500 mm pro Sekunde herabfiel. Die vertikalen Linien geben also genau 0,002 Sekunde an. Aus dem Bilde sieht man, dass der. Anstieg in etwa 0,007 Sekunde stattfindet. Die Saiten- bewegung war dabei aperiodisch gedämpft. Bei Stromöffnung trat eine einzige, stark gedämpfte Schwingung auf, deren Dauer etwa 0,0068 Sekunde betrug. Da das Dämpfungsverhältnis etwa 27:4 beträgt, bekommen wir für die Korrektion auf ungedämpfte 122 : J. K, A. Wertheim-Salomonson: Schwingungen den Faktor 0,84 (vgl. Kohlrausch, Prakt. Phys. Tab.29 5.717), so dass bei der Berechnung der Normalempfindlichkeit eine Schwingungsdauer von 0,0057 Sekunde in Betracht kommt. Hieraus ergibt sich dann weiter die oben mitgeteilte Zahl für die Normalempfindlichkeit. Diese Aufnahme zeigt die Saitenbewegung (im aufsteigenden Teil der Kurve) bei einem Widerstand von ün- gefähr der nämlichen Grösse als bei der gewöhnlichen Elektro- kardiographie vorkommt. Für physiologische Untersuchungen an Muskeln und Nerven liegen die Verhältnisse etwas ungünstiger, so dass mit den 4-u-Saiten nur eine mässige Verbesserung erreicht worden ist. Hier wäre eine dünnere, 2-u-Saite von grösstem Vorteil. j th FerRH Kir.n2. Für oszillographische Zwecke dürfte die 4-u-Saite meistens genügen. Sie kann ohne Schwierigkeit auf kritische oder semi- kritische Dämpfung eingestellt werden. | Falls die Herstellung von 2 « dieken Saiten gelingt, und’ ich zweifle kaum, dass dies der Fall sein wird, so werden hiermit alle bis jetzt mit den 4-u-Saiten erreichten Resultate beträchtlich ver- bessert werden. Da die Firma Heraeus mir mitteilte, dass das Material eine sehr hohe Bruchfestigkeit von 15 kg pro Quadrat- millimeter aufweist, so wird es wahrscheinlich gelingen, auch diese dünnen Saiten, selbst wenn die Länge nicht mehr als 25—830 mm beträgt, bei offenem Stromkreis oder wenigstens bei nicht zu geringem ‘Widerstande im Stromkreis auf kritische Bewegung einzustellen. Wir hätten dann ausserordentlich empfindliche Saiten von einer Periodenzahl von etwa 800—1000 pro Sekunde, wobei schon sehr genaue Kurven aufgeschrieben werden können. - Die Steigerung der Normalempfindliehkeit um das 4- resp. 7 fache gegenüber Quarz- resp. Platinsaiten, und später, wenn 2-u-Saiten Theoretisches und Praktisches zum Saitengalvanometer. 123 hergestellt werden können, um das 8- resp. l4fache bietet zwei weitere Vorteile. Wenn wir untersuchen, bis wieweit wir mit der Normalempfindlich- keit herabgehen können bei der klinischen Elektrokardiographie, ohne dass die Kurven wirklich entstellt werden, so glaube ich als Grenze etwa 0,5:10% angeben zu dürfen. Diese Zahl ist ziemlich willkürlich und darf nur als eine rohe Schätzung betrachtet werden. Immerhin hat eine Vergleichung von Elektrokardiogrammen, die mit einer 2,5 a dicken Platinsaite und von solchen, die mit einer guten Quarzsaite aufgenommen wurden, schon eine wahrnehmbare Abnahme der Genauigkeit bei der Platinsaite ergeben. Ich glaube also, dass meine Schätzung nicht zu sehr von der Wirklichkeit abweicht. Falls nun die 2 «-Aluminiumsaiten gelingen, dürfen wir erwarten, dass schon mit ganz schwachen Feldern von etwa 2000 Gauss richtige Elektrokardiogramme zu bekommen sind, ja, dass auch Saiten- galvanometer mit permanenten Magneten, welche magnetische Felder von etwa 1500 Gauss liefern, recht gute Dienste der klinischen Elektrokardiographie beweisen werden. Vorbedingung bleibt dabei jedenfalls eine vorzügliche optische Ausstattung des Instrumentes, Wir können die Richtigkeit dieser Behauptung noch in anderer Weise darstellen. Samojloff stellt als untere Grenze für die Brauchbar- keit eines Elektrokardiogrammes die Bedingung, dass die Einstellungs- dauer der Saite 0,03 Sekunde nicht übersteige. Nun zeigte eine 4-u-Aluminiumsaite in einem Felde von bloss 2700 Gauss bei 2000 Ohm im Saitenkreis und einer Empfindlichkeit von lem Aus- schlag pro Millivolt eine Einstellungsdauer von 0,026 Sekunde. Nach Samojloff wäre das Feld von 2700 Gauss also stark genug, um . eine noch brauchbare Kurve zu bekommen. Die Normalempfindlichkeit würde in diesem Fall ungefähr 10° betragen haben. Als zweiter Vorteil darf erwähnt werden, dass Aluminium einen srossen Wärmeausdehnungskoeffizienten besitzt, grösser als Kupfer und Messing. Es ist demzufolge wahrscheinlich, dass in ziemlich einfacher Weise eine Korrektionsvorrichtung an dem Saitengalvano- meter angebracht werden kann, wodurch der Einfluss der Erwärmung durch den Erregungsstrom im Elektromagneten unschädlich gemacht werden kann. Mit einer derartigen Einrichtung wird es möglich werden, den Magneten bedeutend stärker zu erregen, als es bis jetzt der Fall war, ohne Wasserkühlung gebrauchen zu müssen. Wünscht man die Grenze der Leistungsfähigkeit zu erreichen, so wird eine Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd. 158. 9 124 J. K. A. Wertheim-Salomonson: Theoretisches u. Praktisches etc. Wasserkühlung oder irgendeine andere künstliche Kühlung der Magnetbewickelung wohl unentbehrlich bleiben. Es fragt sich noch, welches die obere Grenze für die Normal- empfindlichkeit sein wird. Wenn wir hierbei den Gebrauch von 2-u-Saiten voraussetzen bei einer Länge von 56 mm, dann glaube ich behaupten zu dürfen, dass mit einem neuen für mich gebauten Elektromagneten, der sogleich nach der Herstellung ein maximales Feld von 39900 Gauss lieferte und nach der Armierung mit Pol- stücken aus Ferrokobalt 42250 Gauss im Interferrikum zeigte, die erreichbare Normalempfindlichkeit etwa 46-10° betragen wird. Das neue von Heraeus hergestellte Material bedeutet einen sehr grossen Fortschritt bei dem Gebrauch des Saitengalvanometers. Der Fortschritt ist so gross, dass künftig wohl ausschliesslich Aluminiumsaiten für das Galvanometer in Betracht kommen werden. Für einige andere Saiteninstrumente, namentlich das Saiten- ‚elektrodynamometer und das Saitenwattmeter, gilt dies auch. Diese 'beiden Instrumente, von denen ersteres wohl nur von Place und von mir und von denen letzteres wohl nur von mir allein gebraucht ‘worden ist, erhalten durch die Aluminiumsaiten die Möglichkeit zur weiteren Entwickelung und zum praktischen Gebrauch. Für die verschiedenen Saitenelektrometer bedeutet die neue Aluminiumsaite einen Fortschritt gegenüber der Platinsaite, welche 'bei gleichem Durchmesser etwa achtmal schwerer ist. Eine dünne, leiehtversilberte Quarzsaite ist jedoch fast ebenso gut wie eine Aluminiumsaite: ihr gegenüber bleibt nur der Vorteil einer weit ‚einfacheren Herstellungsweise und einer weit grösseren Gleichmässig- - keit des Materials. Jeder, der mit Saiteninstrumenten arbeitet, ist der Firma W. C. Heraeus zu grossem Dank verpflichtet für die Herstellung des neuen Materials. (Aus dem physiologischen Institut der Universität Utrecht.) Über die Untersuchung des Herzens von der Speiseröhre aus. Das Ösophagogramm, die ösophageale Auskultation und die Registrierung der Ösophagealen Herztöne. Von Dr. ©. E. Benjamins, Ohren-, Hals- und Nasenarzt in Utrecht. (Mit 13 Textfiguren.) Einleitung. Hat man bei der Ausführung einer Ösophagoskopie den Wider- stand des Schlundröhrenmundes überwunden, so sieht man das Lumen des ganzen weiteren Ösophagus klaffen, und beim ruhigen Zuschauen bemerkt man an zwei Stellen Pulsationen. Zuerst bemerkt man nahe des Tubusendes, wo das Lumen durch die Nachbarschaft der Bifurkation der Trachea ein wenig verenget ist, leichte Bewegungen, sodann weiter in der Tiefe ein viel heftigeres Hin- und Hergehen. Verlängert man das Ösophagoskop mittels eines Innenrohres auf ca. 32 cm von der Zahnreihe, so ist man etwas oberhalb der Stelle dieser grossen Pulsationen angelangt und kann sie näher betrachten. Synchron mit dem Herzschlage kommt jedesmal von links vorne eine Vorwölbung zum Vorschein, die einige komplizierte Bewegungen macht und danach schnell beinahe ver- schwindet, um nach kurzer Zeit wieder zu erscheinen. Das Herz liest hier zur Untersuchung ausserordentlich günstig, und es ist sonderbar, dass dieser Weg verhältnismässig wenig zur Herzunter- suchung benutzt wird. Schon im Jahre 1877 hat Luciani!) zum ersten Male bei Hunden ösophageale Kardiogramme aufgenommen und die wichtige Tatsache gefunden, dass beim Öffnen der Brusthöhle sich das 1) L. Luciani, Physiologie des Menschen. 1905. 9* 126 C. E. Benjamins: Ösophagogramm ändert. Erst 10 Jahre später wurde von Fred6ricq!) eine eingehendere Arbeit veröffentlicht über das Ösophagogramm bei Hunden. Diese Wahrnehmungen blieben aber ziemlich unberück- siehtigt. Man findet zwar an verschiedenen Stellen die ösophagealen Pulsationen erwähnt, die beim Studium des Schluckmechanismus ?) gefunden wurden, es dauerte aber bis 1905 und 1906, ehe die Kliniker Rautenberg°®) und Minkowski*) unabhängig von- einander die ösophageale Kardiographie zu einer brauchbaren Methode ausarbeiteten und zum Studium der Herzwirkung in normalen und pathologischen Fällen benutzten. Wenn man die kaum zu über- sehene Zahl von Publikationen über die Untersuchung des Herzens ins Auge fasst, so kann man die unseren Gegenstand betreffenden wohl sehr spärlich nennen. Es mögen in den folgenden Zeilen die Befunde beschrieben werden, die ich bei einer Reihe von normalen Personen erhob, wobei ich eine bis jetzt noch nicht angewandte Methode zur Kardiographie benutzte und durch die Auskultation und Registrierung der ösophagealen Herztöne einige neue Tatsachen feststellen konnte. Ich werde die Resultate beider Untersuchungs- methoden getrennt mitteilen. Es möge zuerst die Topographie der Brusthöhle in Erinnerung gebracht werden. Die oberen Pulsationen, die auf ungefähr 25 em von der Zahnreihe liegen, müssen vom Arcus aorta her fortgeleitet sein, der in dieser Höhe, reitend auf dem linken Hauptbronchus, seine Pulsa- tionen an der Trachea mitteilt. Sie sind ziemlich schwach, weil sie fortge- leitetsind, und kommen von links vorn. Der Ursprung der tieferen Pulsa- tionen lässt sich ohne weiteres aus den Fig. 1 und 2, verkleinerten Re- produktionen aus Arbeiten von Sobotta°) und Hinsberg‘), ableiten. 1) L. Fredericq, Exploration des battements du ca&ur par le sonde oesophagienne. Arch. de Biol. t.7 p. 238. 1887. 2) Z. B. in dem Lehrbuch der Physiologie von Zwaard=zmaker, 1910, 1. Teil, wird eine Abbildung der Herzpulsationen gegeben, welche im Jahre 1902 von Kindermann beim Studium der Schluckbewegungen gefunden wurde. 3) E. Rautenberg, Die Registrierung der Vorhofpulsation von der Speise- röhre aus. Deutsches Arch. f. klin. Med. Bd. 91 S. 251. 1907. 4)O. Minkowski, Die Registrierung der Herzbewegungen am linken Vorhof. Berl. klin. Wochenschr. 1907 Nr. 21. 5) J. Sobotta, Topographie des Halses und des Mediastinums im Hand- buch der speziellen Chiurgie des Ohres usw. Bd. 1 1. Hälfte. 1912. 6) Hinsberg, Zwei Todesfälle bei der bronchosk. Fremdkörperextraktion. Zeitschr. f. Ohrenheilk. Bd. 68. 1913. Über die Untersuchung des Herzens von der Speiseröhre aus. 127 Man sieht auf dem horizontalen Querschnitt der Brusthöhle, dass die linke Vorkammer nur durch das Perikard vom Ösophagus getrennt ist, während auch die Aorta descendens der Schlundröhre Pulmo sin. Aorta desc. Ösophagus linke Vorkammer linke Kammer - rechte Vorkammer 7-0 - rechte Kammer Fig. 1. Querschnitt durch die Brusthöhle zur Höhe der Brustwarzen (nach Sobotta). direkt anliegt. Die Figur von Hinsberg zeigt die Brustorgane von hinten gesehen. Der Osophagus und die Aorta descendens sind zum Teil entfernt worden, und so sieht man, wie sich die linke 1 — Ösophagus = — Trachea mit S Bronchien — linkeVorkammer 4 — Diaphragma — Ösophagus Fig. 2. Brustorgane von hinten gesehen (nach Hinsberg). Vorkammer zwischen den beiden Hauptbronchien vorwölbt. Diesen Teil des Herzens müssen wir vom Ösophaguslumen aus beobachten können, während die Pulsationen der Aorta descendens durch die heftigen Bewegungen der linken Vorkammer ganz verdeckt werden. Rautenberg (l. c.) gibt an, dass die Vorkammer in einer Aus- 128 C. E. Benjamins: dehnung von 5—6 cm der Schlundröhre anliegt, während ihre untere Grenze kaum 2 cm vom Zwerchfell entfernt ist. Die Kammern liegen, infolge des schrägen Standes des Herzens, tiefer nach unten so weit von der Schlundröhre entfernt, dass sie kaum zu Pulsationen Anlass geben. Kapitel 1. Das ösophageale Kardiogramm. a) Methodik. In ein ziemlich starkes graues Gummiröhrchen von 1 mm Wand- dicke, 5 mm Innenweite und 75 em Länge, mit einer Zentimeter- einteilung in der Höhe 20-—-40 em versehen, wird an einem Ende ein knopfförmiger Schlauchansatz gesteckt und darüber ein Finger- kondom so fest aufgebunden, dass er das Röhrchen um 3—4 cm überragt. (Rautenberg benutzt eine französische Bougie von 5 mm Weite dazu. Diese ist zur Auskultation nicht so bequem.) Die Versuchsperson, deren Pharynx zuvor nötigenfalls mit ein wenig 5°/oiger Kokainlösung, wozu ein paar Tropfen Adrenalin zu- gesetzt sind, anästhesiert ist !), verschluckt das dünne Röhrchen, das mit Paraffınum liquidum eingeölt ist, leicht, unter ein wenig Nachhilfe. Die Beschwerden sind viel geringer als beim Einführen einer Magensonde, wie alle Untersucher bestätigen. Wie bestimmt man nun die Stelle des linken Atriums? In Kapitel 2 werden wir sehen, dass dieses sehr bequem durch die Auskultation geschehen kann. Sie liest in einer Entfernung von »2—355 em von der Zahnreihe. Man bringe also das Röhrchen bis ungefähr 33 cm ein und ziehe unter Auskultation das Röhrchen zurück, bis man die Vorkammertöne am deutlichsten hört. Bei den Versuchspersonen, die ich ösophaguskopieren konnte, habe ich immer den Abstand der Vorhofspulsation gemessen und feststellen können, dass dieser genau übereinstimmte mit dem Ort der gehörten Vor- kammertöne (siehe weiter Kapitel 2). Aus den Tabellen, die Rautenberg gibt, konnte ich folgende Zahlen entnehmen: 1) Bei den meisten Personen ist es besser, kein Anästhetikum anzuwenden. Sie machen dann viel weniger Schluckbewegungen. Über die Untersuchung des Herzens von der Speiseröhre aus. 129 Untergrenze der Vorhofspulsation lag 3—7 cm von der Kardia und 27—35 em von der Zahnreihe. Obergrenze der Vorhofspulsation lag 9—12 cm von der Kardia und 32—39 cm von der Zahnreihe. (Bei einer besonders grossen Osophaguslänge von 48 cm war die Grenze der Vorkammerpulsation 36—41 em von der Zahnreihe.) Die Aortapulsation fand Rautenberg 26-30 em von der Zahnreihe ab. Bei Kindern wurde der Abstand der Vorkammerpulsation auf: 29—32 em von der Zahnreihe gefunden. Am besten eignet sich die sitzende Stellung zur Untersuchung, weil in der Rückenlage das ganze Herz auf den Kondom drücken würde und die feineren Bewegungen dadurch gehemmt würden. Ist man gezwungen, in liegender Haltung zu untersuchen, so rät Rautenberg zur Bauch- oder Seitenlage. Das Schlucken und Würgen ist sehr lästig; man kann es dadurch wesentlich einschränken, dass man die Versuchsperson etwas vornüber sitzen und mit ihrer linken Hand ein Näpfchen halten lässt zum Auffangen des abfliessenden: Speichels. Das aus dem Mund hervorstehende Röhrchen wird an einem Stirnband befestigt, um das Hin- und Hergleiten zu verhindern.. Hat man nun das Röhrchen bis zu der erwünschten Tiefe ein- geschoben, so wird es mittels einer T-Röhre mit einer Marey’schen Kapsel verbunden. Man ist dann imstande, mit einem Doppelgebläse das Kondom am Ende des Rohres etwas aufzublähen. (Rauten- berg gibt einen Druck von 30 mm Wasser an.) Einen stärkeren Druck anzuwenden schien auch mir im Anfang überflüssig, weil sich doch bei dem negativen Druck in der Brusthöhle die Gummiblase- schon von selbst entfalten wird !). Es gelang mir aber nicht, in dieser Weise konstante Kurven zu bekommen. Ich vermutete, dass die Ursache hierfür darin lag, dass sich das Kondom verschob oder dass sich der Ösophagusmund zeitweise öffnete, wodurch eine wechselnde Ausdehnung der Gummi- blase verursacht wurde. Das einzige Mittel, um diese Fehler der- Methodik zu beseitigen, war Stärkeraufblasen des Kondoms. Ein. 1) Wir wissen ja, dass der Ösophagus nur an seinen beiden Enden geschlossen. ist, dazwischen aber klafft. Im Ruhezustand ist dieses nicht ganz sicher, aber beim Einführen eines Röhrchens ist es bewiesen, (Siehe Brünings, Die direkte- Laryngoskopie, Bronchoskopie und Ösophagoskopie. 1910.) 130 C. E. Benjamins: Druck von 20 mm Quecksilber war nötig, um die erwünschte Auf- blähung zu bekommen. - Unsere gebräuchlichen Registrierkapseln sind bei diesem Drucke nicht zu verwenden, und so kam ich dazu, die schöne Kaiser’sche!) Methode, die sich bei der abdominellen Pulsregistrierung so gut bewährt hatte, auch hierbei zu probieren. Ich war so glücklich, das ganze Kaiser’sche Instrumentarium von ihm leihen zu können, wofür ich ihm an dieser Stelle nochmals herzlich Dank sage. Der in der Zeitschrift für Biologie beschriebene Apparat ist bestimmt für den Gebrauch mit berusster Schreibfläche. Später hat Kaiser nach demselben Prinzip einen kastenförmigen Apparat anfertigen lassen, welcher photographische Registrierung cestattet. Dieser Apparat wird nächstens von ihm selbst beschrieben werden; ich kann daher auf ihn verweisen. Der Apparat hat sich in jeder Hinsicht bewährt. Bei einem Drucke von 20 mm Hg gibt er schöne Kurven; die störenden Einflüsse der Atmung werden durch ihn gänzlich aufgehoben. Zur Kontrolle meiner Versuchsresultate kombinierte ich das Ösophagogramm mit einer der üblichen Herzregistrierungsmethoden. Immer wurde das Elektrokardiogramm mit aufgezeichnet. Da es mir nicht um ein genaueres Studium des letzteren, sondern nur um einen Vergleich zu tun war, benutzte ich den Cremer’schen Kondensator. Immer wurde die Ableitung 2 genommen (linker Fuss und rechter Arm), um die linke Hand der Versuchsperson frei zu bekommen zum Halten des Speichelnäpfehens.. Von den Versuchs- personen wurde festgestellt, dass sie keine krankhaften Veränderungen der Herztätigkeit hatten, besonders keine Geräusche oder Ver- doppelungen von Tönen. b) Versuchsergebnisse. Schon bald stellte sich heraus, dass zwei Arten von Ösophago- grammen vorkommen können: erstens ein einfacher Typus, wie ihn frühere Untersucher beschrieben haben. Derselbe besteht aus drei Gipfeln und drei Tälern und zeiet grosse Ähnlichkeit mit der Vorkammerdruckkurve und mit der Pulskurve der Vena jugularis. Zweitens findet sich ein mehr komplizierter Typus, der ausser diesen drei grossen Gipfeln und Tälern noch einige kleinere aufweist. Den 1) K. F. L. Kaiser, Een nieuw cardiogram. Nederl. Tydschr. v. Geneesk. Bd. 2 S. 692. 1913. — K. F. L. Kaiser, Apparate zur Messung des Druckes in Organhöhlen. Zeitschr. f. biol. Technik u. Methodik Bd. 2. 1912. Über die Untersuchung des Herzens von der Speiseröhre aus. 131 Grund, warum das eine Mal die einfache Form erscheint und das ‚andere Mal die komplizierte, meine ich darin suchen zu müssen, dass .der Ösophagusmund nicht bei allen Personen gleich fest verschlossen bleibt. Klafft der Mund ein wenig, so wird der Druck der Aussenluft eindringen, und die feineren Druckschwankungen können nicht registriert werden (siehe die ‚späteren _ Auseinandersetzungen). Ein Beispiel einer einfachen Kurve gibt die Fig. 3, das Atriogramm des Herrn P. Es wurde gleich- zeitig das Elektrokardiogramm /I ‚aufgenommen. Man sieht deut- lich die drei Gipfel, die ich im Anschluss an Rautenberg As -(Atriumsystole), Vs (Ventrikel- systole) und D (Diastole) genannt habe. Die synchronen Stellen sind mit a und 7—4 bezeichnet, wobei .die durch den registrierenden Appa- rat bedingte Verspätung (0,012 Se- kunde) in Rechnung gezogen wurde. Es ist ohne weiteres klar, ‚dass die ganze As-Zacke in ihrem steigenden und fallenden Teil der Vorhofsaktion zugehört. Dass der steigende Teil ungefähr in der Mitte von P. des Elektrokardiogramms beginnt, ist in Übereinstimmung mit der Tatsache, dass die me- -chanischen Erscheinungen den elektrischen erst nach einiger Zeit folgen. Auch bei Kahn!) finde ich, dass das Ösophagogramm des een | 1 . we 0.03 ooaysek AAhhAAAKAAKAK AA A AA l) Kahn, Das Elektrokardiogramm. Ergebn. d. Physiol. Bd. 14. 1914. 132 C. E. Benjamins: Vorhofs in der Mitte der P-Zacke beginnt. Doch schon zur Zeit desBeeinns. der P-Zacke tritt eine Änderung im Kontraktionszustand der Vorhofs- muskulatur ein, welche eine Richtungsänderung im Atriogramm be- dingt, in dem Sinn, dass die bis dahin stark abfallende Kurve nun. eine horizontale Richtung bekommt (bei a). Die Erklärung für die: Entstehung der As-Erhebung muss in einem Aufwärtsrücken der Atrioventrikulargrenze beim Anfange der Vorhofszusammenziehung gesucht werden. Zum besseren Verständnis dieses Vorganges erlaube: ich mir, eine verkleinerte Reproduktion des instruktiven Bildes zu geben, das Wenckebach!). nach Keith zusammenstellte (Fig. 4). Die Vorkammer wölbt sich bei der Aufwärtsbewegung in das Ösophaguslumen vor und drückt die Gummiblase ein. Inzwischen strömt das Blut in die Kammer ab, was eine Verkleinerung des In- haltes der Vorkammer bedinst und auf das Kondom in gegen- Fig. 4. (Wenckebach.) Das Herz von gestellter Richtung wirkt. So- Sega hen nn Dad die Aufwärtsbemegung Diastole bei A, steigt bei der Vorkammer- des Vorhofs ihr Maximum systole bis ne Kammer- erreicht hat, wird die Ver- kleinerung des Vorhofsinhaltes. in der Kurve zum Ausdruck kommen, und die Linie fällt ab. Dieses Sinken betrachte ich also nicht als den Ausdruck der Er- schlaffung der Vorhofsmuskulatur. Wäre es durch eine Vorhofs- erschlaffung hervorgerufen, so könnte die Linie nicht so steil abfallen, da die sofort sich anschliessende Füllung des Vorhofs im entgegen- gesetzten Sinne arbeiten würde. Im folgenden Kapitel werde ich Weiteres bringen zur Begründung meiner Ansicht, dass die Vorkammersystole bis zum Beginn der Il) K. F. Wenckebach, Klinische voordrachten over hartziekten en eirculatiestoornissen. 3. Nederl. Tydschr. v. Geneesk. Bd. 1 S. 721. 1905. — K. F. Wenckebach, Beitrag zur Kenntnis der menschlichen Herztätigkeit.. Arch. f. (Anat. u.) Phys. 1906 S. 297. Über die Untersuchung des Herzens von der Speiseröhre aus. 738% Kammersystole andauert. Wo die Erschlaffung der Vorkammer an- fängt, ist in unseren Kurven nicht zu sehen. Bei 2 ändert sich die Senkung in eine leichte Erhebung, die bei 3 einen steilen Verlauf bekommt. Die kleine Strecke 2—3° fällt zusammen mit der viel diskutierten AR-Zacke des Elektro- kardiogramms. Sie ist der Ausdruck dafür, dass, zugleich mit dem Besinn dieser elektrischen Schwankung, Kontraktionen in der Kammermuskulatur auftreten. Man könnte diese kurze Strecke die- Zögerzeit des Ventrikels nennen. Erst bei 3 tritt dann eine- deutliche Erhebung als Zeichen der Kammersystole auf. In diesem. Momente schliessen sich die Atrioventrikularklappen, der Inhalt des: Vorhofes wird unter Druck gesetzt, die Wand ausgedehnt und die- Gummiblase eingedrückt. Der Beginn der Verschlusszeit ist also- scharf markiert. Auch die von de Heer!) gefundene Volum- zunahme des Ventrikels im Anfange der Systole wird in gleichem. Sinne wirken. Da sie aber nicht konstant ist, kann sie vielleicht eine Erklärung für die wechselnde Höhe der Vs-Zacke geben. Die Kurve wird steigen bis zu dem Momente, wo die Semilunarklappen sich öffnen; dabei tritt eine Senkung der Atrioventrikulargrenze ein, die durch den Rückstoss (receul ballistique) noch verstärkt wird.. Bald aber füllt sich der Vorhof mit Blut, infolge der systolischen Saugwirkung des Herzens, und die Gummiblase wird wieder ein- gedrückt. Die Linie steigt im Anfange steil an; sowie aber eine- gewisse Füllung erreicht ist, wird sie mehr horizontal und bildet ein Plateau. Bei £, dem Anfang der Kammerdiastole, ist meist eine Schwankung in der Kurve zu sehen (in Fig. 5 besser ausgedrückt). Sie beruht auf dem Schluss der Semilunarklappen. Der nun folgende Akt, die: Öffnung der Atrioventrikularklappen, ist in allen Kurven in der schönsten Weise zu sehen. Die schnelle Volumabnahme der Vor- kammer gibt sich nämlich durch einen steilen Abfall der Kurve- kund. Die Senkung wird dann wieder unterbrochen durch die Initialkontraktion der nächsten Vorhofsystole.. Ich möchte noch aufmerksam machen auf die kleine Frhebung bei , um bei der Besprechung der nächsten Kurve darauf zurückzukommen. Weiter ist auffallend, dass der Gipfel der As-Zacke oft eine Verdoppelung 1) J. L. de Heer, Die Dynamik des Säugetierherzens usw. Pflüger’s. Arch. Bd. 148 S.25. 1912. (Auch Inauguraldissertation. Utrecht 1912.) 134 C. E. Benjamins: zeigt. Dieses könnte ein Zeichen dafür sein, dass zwischen der Öffnung der Semilunarklappen und der Abwärtsbeweeung des Herzens öfters ein kurzes Zeitintervall liegt. Mit diesem Studium des einfachen Atriogrammes kön- nen wir jetzt das zusammen- gesetzte besser verstehen. Fig. 5, gemacht beim Herrn t. D., zeigt uns sofort die drei Erhebungen As, Vs und D mit den zugehörigen Punkte a und 7—5. Auf ein paar Abweichungen will ich aufmerksam machen. Erstens sieht man, dass die Vor- kammererhebung schon beim Anfang der P-Zacke des Elek- trokardiogramms be2innt. Bei 7 wird dann der Anstieg steiler, es formt sich die As- Zacke. Dann gibt die Stelle Veranlassung zu einer Be- merkung. Es ist hier der Anfang der Diastole scharf markiert. Bekanntlich fällt dabei das Herz in seine alte Lage zurück; daher wäre hier ein Ansteigen der Kurve zu erwarten. Wahrscheinlich fällt nun in diesem Falle der Beginn der Diastole zusammen mit der Schliessung der Semi- lunarklappen, die eine Senkung der Linie verursacht, die dann in der Kurve überwieet. Da sich nun immer die Öffnung der Atrioventrikularklappen ‚deutlich markiert, so ist in diesen Kurven sehr schön die diastolische Verschlussperiode, die sogenannte Verharrungszeit, zu bestimmen. ARKÄRRRRRART wm KAAARR ai Er ae KANAKNARF suwwwww Wa PRZR I vr ANSIEE ELF FFINF EA; Fig. 5. AR as Über die Untersuchung des Herzens von der Speiseröhre aus. 135- Am meisten fällt nun in dieser Kurve das Vorkommen von drei kleinen Erhebungen (7—/IT) auf. Ausgeschlossen ist, dass wir es mit Eigenschwingungen der Schreibekapsel zu tun haben, weil erstens die Erhebungen zu regelmässig sind, weil sie zweitens nicht an Höhe abnehmen, sondern stets die zweite am grössten ist, und drittens weil der Apparat bei der plötzlichen Druckprobe sich als: stark gedämpft erwies mit einer Eigenschwingungszahl von 40 pro: Sekunde. Da nun in der systolischen Periode, in welche diese Erhebungen fallen, im Herzen keine Extrabewegungen statthaben, so ist meines. Erachtens die Erklärung für ihr Auftreten ausserhalb des Herzens zu suchen. Ich meine, sie zuschreiben zu müssen an Druck- schwankungen in der Brusthöhle, die auf pletysmographischem Wege von unserem Gummiballon übertragen werden. Hauptbedingung für ihr Entstehen ist ein guter Verschluss des Ösophagusmundes und die Abwesenheit häufiger Schluckbewegungen. Meine ruhigste Ver- suchsperson gab in der Tat die besten Kurven. Ist nun diese An- nahme richtige, so müssen die Erhebungen erstens sichtbar sein in: den Druckkurven der Vena cava bei geschlossenem Thorax, sei es auch in geringerem Maasse, und fehlen bei geöffneter Brusthöhle;; zweitens in noch geringerem Grade sichtbar sein in den Vorkammer- druckkurven (wegen der starren Wand), drittens fehlen in den Kammerdruckkurven, viertens fehlen in den Druckkurven der peripheren Gefässe. Ich habe eine Anzahl Arbeiten darauf nachgeschlagen und fand: unter anderem folgendes: ad 1 und 2: bei Fr&d&riecq!) werden Druckkurven der V. cava abgebildet, die deutlich eine Extraerhebung zeigen, die übereinstimmt mit der Zacke I] in meiner Figur. Wird die Ventrikelaktion gehemmt, so verschwinden auch diese Extrazacken aus den Kurven; es zeigt sich also, dass sie von der Kammersystole abhängig sind. Auch in der Vorhofdruckkurve sind sie zu sehen. Freöd6rieq’s Abb. 16, die ich hier als Fig. 6 reproduziere, zeigt in der Vorhofdruckkurve (O.D.) deutlich eine Zacke nach der tiefen systolischen Senkung. Auch in der berühmten 1) L. Fredericg, La seconde ondulation positive (premiere ondulation "systolique) du pouls veineux physiologique chez le chien. Arch. intern. de Physiol. 1907. 136 C. E. Benjamins: Publikation von Chauveau und Marey!) ist ein schönes Beispiel zu finden, wo in der Vorhofdruckkurve drei sekundäre systolische Erhebungen aufgezeichnet sind. Aus ihrer Anwesenheit schliessen die Autoren auf ein Hin- und Zurückfedern der Atrioventrikular- klappen. Es wurde bis jetzt noch nicht speziell untersucht, ob die sekundären Erhebungen bei geöffneter Brusthöhle verschwinden; doch beschreibt Weber?) ein Verschwinden von den Schwankungen der sogenannten „systolischen Negativität“, sobald der Thorax ge- ‚öffnet wird, was nach ihm den pletysmographischen Ursprung beweist. Was nun Punkt 3 anbelangt, so sind in den älteren Kammer- ‚druckkurven keine Extraerhebungen zu sehen, wohl aber in den Fig. 6. (Fredericq.) ©. D. = rechte Vorkammerdruckkurve. V. D. = rechte Kammerdruckkurve. mit den modernen verfeinerten Apparaten aufgenommenen Kurven; sie sind jedoch nicht mit den unserigen zu identifizieren. So finden wir z. B. bei Piper°) in der Kammer sowohl wie in der Vorhof- .druckkurve im Anfange der Systole regelmässig zwei Erhebungen, die der Autor als Schliessunesschwingungen der Semilunarklappen und der Aortawand auffasst. Aus den Figuren ist zu bestimmen, dass sie ungefähr 0,025 und 0,04 Sekunde vom Anfange der Kammerdrucksteigerung auftreten, also viel früher wie unsere Er- hebungen. l) Chauveau et Marey, Appareils et experiences cardiographiques. Memoires de l’Acad. de Medecine t. 26 p. 298. 1863. 2) A. Weber, Über die Registrierung des Druckes im Vorhof usw. Münch. med. Wochenschr. 1913 Nr. 46. 3) H. Piper, Über die Aorten- und Kammerdruckkurve. Arch. f. (Anat. u.) Physiol. 1913 S. 331. — H. Piper, Der Verlauf und die wechselseitigen Be- ziehungen der Druckschwankungen im linken Vorhof, linker Kammer und Aorta. Arch. f. (Anat. u.) Physiol. 1913. Über die Untersuchung des Herzens von der Speiseröhre aus. 137 Ad 4 kann ich folgendes anführen. In den Druckkurven der ‚Aorta und der peripheren Gefässe sind mit der verfeinerten Methode von Frank!) von ihm selbst und von anderen Untersuchern, unter anderen Müller und Weiss?), verschiedene kleine Erhebungen gefunden, wovon ein Teil in den Anfang der Austreibungszeit fällt and Schwingungen der Aortenwand zugeschrieben wird, während der andere Teil erst am Ende der Systole oder in der Diastole auftritt ‚(Reflexionswellen). Sie sind also auch nicht mit unseren Erhebungen zu identifizieren. Ich komme schliesslich auf die pletysmographische Erklärung zurück. Welches sind nun diese schnell sich folgenden Druckschwankungen in der Brusthöhle? Fasst man mit Mackenzie°) die Pulswelle auf als eine Energiefortpflanzung, so ist es logisch, eine Druck- werminderung anzunehmen, sobald die Pulswelle die Brusthöhle ver- lässt. Im Ösophagogramm wird sich dies kundgeben durch eine Senkung. Es gibt drei Stellen, wo die arterielle Blutwelle das Thoraxinnere verlässt: 1. die obere Brustapertur (Aorta carotis und subelavia), 2. die untere Brustapertur (Aorta abdominalis) und ‘3. der Innenraum der Lungen (Arteriolae der interalveolären Septen). Wenn wir nun die mittleren Zeiten berechnen, innerhalb welchen ‚die Erhebungen oder besser gesagt Senkungen auftreten, so bekommt man für die Welle 7 0,083 Sekunde nach dem Anfange der Kammersystole. Nun wird gewöhnlich für den Zeitpunkt des Auf- tretens des Karotispulses 0,05 Sekunde nach dem Anfange der 'Systole aufgegeben, was gut stimmt mit meiner obigen Annahme. Die fallende Linie der Welle // tritt im Mittel 0,15 Sekunde nach dem Anfange der Kammersystole auf. Für den Menschen konnte ich nur zwei Zeitangaben finden über das zeitliche Auftreten des Bauchaortapulses. Mackenzie gibt an, dass er synchron ist mit dem Radialpulse, woraus folgt, dass er in Wirklichkeit etwas 1) O. Frank, Der Puls in den Arterien. Zeitschr, f. Biol. Bd. 46. 1905. 2) Müller und Weiss, Über die Topographie, die Entstehung und die Bedeutung des menschlichen Sphygmogrammes. Deutsch. Arch. f. klin. Med. Bd. 105. 1911/12. 8) James Mackenzie, The Studie of the Pulse. — James Mackenzie, Deseases of the Heart. Second Ed. 1910, 138 C. E. Benjamins: früher kommt, weil doch der Puls an der Bauchwand ein wenig; verspätet erscheint. Nun kommt der Radialpuls ungefähr 0,1 Sekunde: nach dem Auftreten des Karotispulses, und in unseren Kurven kommt die zweite Senkung im Mittel 0,7 Sekunde danach, was also die ausgesprochene Vermutung ziemlich gut zu stützen scheint. Eine: Bestätigung finde ich ferner in den Zahlen von Kaiser (l. c.). Er fand in seinen abdominellen Pulskurven, dass der Bauchaortapuls. 0,152 Sekunde nach dem Anfang der Kammersystole erscheint. An dieser Stelle will ich darauf hinweisen, dass die Nachbar- schaft der Aorta descendens nur wenig Einfluss auf unsere Kurven. ausübt, weil ihre Pulsationen sehr wenig sichtbar sind bei der Ösophagoskopie. Wenn sie zum Ausdruck in der Kurve kommen, so müssen sie im posi- m m tiven Sinne wirken; es. wäre also möglich, ‚dass der ansteigende Teil der ill Welle Z/ von der Aorta I descendens stammte. | Für die Erklärung DENE | | der Senkung ZT müssen wir die kardiopneuma- tischen Kurven näher be- trachten. Sehr schöne: Figuren bekam Dele&- pine!). Vorstehende verkleinerte Wiedergabe einer seiner Kurven (Fig. 7) zeigt folgendes: Bei 2 fängt eine tiefe Einsenkung an, die allgemein aufgefasst wird als der Ausdruck der systolischen . Saugwirkung des Herzens. Bei 3 aber folgt eine Steigung, wofür keine Erklärung gegeben wird. Aus dem zur gleichen Zeit auf- genommenen Karotispuls hat Del&pine bestimmt, dass bei 7 der Anfang der Kammersystole liegt. Wir können nun berechnen, dass der obenerwähnte Anstieg 0,24 Sekunde nach dem Beginne der Kammersystole auftritt. Überraschend ist nun die Tatsache, dass die dritte Senkung in meinen Kurven sich im Mittel 0,22 Sekunde nach dem Anfang der Ventrikelsystole zeigt. Diese zeitliche Über- einstimmung zwischen dem Kurvenanstieg im Kardiopneumogramm 0,1 ScK. Fig. 7. (Dele&pine.) 1) S. Delepine, The meaning of cardio-pneumatic impulses usw. The: Brit. medic. Journ. 1891 July 25. Über die Untersuchung des Herzens von der Speiseröhre aus. 139 und Abfall im Ösophagogramm erlaubt meines Erachtens die An- nahme einer selben Ursache für beide, die dann zu suchen ist in dem Erscheinen der Pulswelle in den feineren Arterien der Lungen. Natürlich ist mit diesen theoretischen Erwägungen die Sache nicht bewiesen; dies kann nur durch das Tierexperiment geschehen. Die schon von Luciani 1877 gefundene Tatsache, dass das Ösophago- sramm sich ändert bei der Öffnung der Brusthöhle, berechtigt zu ‚ler Erwartung, dass die Frage durch das Experiment zu lösen ist. Zum Schluss möchte ich als Beweis für die Feinheit der Registrierungsmethode auf die kleine Erhebung /V hinweisen, die nur bei einer Versuchsperson zur Beobachtung kam. Auf ihre Be- deutung komme ich später zurück. Absichtlich habe ich keine grossen Zifferreihen von den zeit- lichen Verhältnissen der verschiedenen Teile des Atriogramms gegeben. Bei den zahlreichen Messungen von je zwei Perioden der gelungenen Platten kamen Mittelwerte heraus, die übereinstimmen mit den schon bekannten. Nur für die gefundenen Zahlen der Anspannungszeit und der Verharrungszeit will ich eine Ausnahme machen. Die Werte bei meinen Versuchspersonen variieren von 0,02—0,037 Sekunde für die Anspannungszeit. Weil nun gewöhnlich ungefähr 0,08 Sekunde dafür angegeben wird, war ich im Zweifel über die richtige Deutung meiner Kurven. Doch habe ich in der Literatur auch mit den meinigen übereinstimmende Werte finden können. Beim Menschen seben z. B. Müller und Weiss für die Anspannungszeit 0,02 bis 0,05 Sekunde an. Was nun die Verharrungszeit anbelangt, die so oft schön zu bestimmen war, so fand ich zwar Werte, die übereinstimmen mit den bereits bekannten, z. B. bei einer Versuchsperson 0,04 bis 0,057 Sekunde; aber ich erwähne sie doch, weil Rautenberg!) in einer späteren Publikation nochmals betont, dass die Verharrungs- zeit nicht zu bestimmen ist am Atriogramm, und um die Feinheit der Kaiser’schen Methode nochmals hervorzuheben. Aus der Literatur will ich bloss einige Punkte hervorheben. Erstens die Kontroverse, die, wie es scheint, noch immer besteht zwischen den Meinungen von Rautenberg und Minkowski, was den Anfang der Vorkammerzacke anbelangt. Einzelne Autoren 1) Rautenberg, Elektrokardiogramm und Herzbewegung. Berl. klin. Wochenschr. 1910 Nr. 48. Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd. 158. 10 140 C. E. Benjamins: lassen noch immer, nach dem Vorbilde von Minkowski, die Vorhofsystole anfangen an der Stelle, wo die Linie eine sinkende Richtung annimnit, während Rautenberg den steigenden Kurven- schenkel hinzurechnet. Aus ıneinen Kurven ist zu ersehen, dass Rautenberg vollkommen recht hat. Zweiteus möchte ich erwähnen, dass Rautenberg in scharf- sinniger Weise, durch Vergleich der zeitlichen Verhältnisse der Er- hebungen des Jugularpulses und des linken Atriogramms, zu der Annahme kommt, dass die beiden Vorkammern nicht vollkommen synchron arbeiten, sondern dass eine Differenz von 0,06 Sekunde zwischen den Systolen der beiden Vorhöfe besteht. Auch Rautenberg kommt zu dem Schluss, dass die Vorhof- systole bis zum Beginn der Ventrikelzusammenziehung andauert; infolgedessen wird der Moment der Vorkammererschlaffung von der ‚Kammersystole verdeckt. Näheres hierüber im folgender Kapitel. Zum Schluss dieses Kapitels will ich hervorheben, dass ich mich mit dem Studium des Ösophagogramms beschäftiet habe, mit dem Zweck, die im nächsten Kapitel beschriebenen Ergebnisse besser zu verstehen. Ich bin daher noch nicht dazu gekommen, wie Rauten- berg, Glere et Esmein!) und Joung and Hewlett?) es taten, Kurven von verschiedenen Stellen des Schlundrohres aus auf- zunehmen. Es wäre wohl erwünscht, dass dies auch mit dem Kaiser’schen Apparat geschähe, und ich hoffe, über solche Ver- suche später berichten zu können. Kapitel 1. Die ösophageale Auskultation und die Registrierung der ösophagealen Herztöne. Es ist wohl sonderbar, dass bis jetzt ein Weg, der bis zur Mitte der Brusthöhle führt und diese in der ganzen Länge durch- quert, für die Auskultation unbenutzt geblieben ist. Denn nicht nur zur Untersuchung des Herzens, sondern auch für das Belauschen der anderen Brustorgane kann die Methode Gutes leisten. Ich brauche nur hinzuweisen auf die Schwierigkeiten bei der Diagnose der inter- 1) Erwähnt bei H. Vaquez, Les Arythmies. 1911. 2) Young and Hewlett, The normal pulsation within thr esophagus. Journ. of medic. research. vol. 16. 1907. Über die Untersuchung des Herzens von der Speiseröhre aus. 141 lobulären Pleuritis, der zentralen Pneumonie und anderer ver- borgener Lungenprozesse. Über die Technik kann ich mich kurz fassen. Hat man in der im vorigen Abschnitt beschriebenen Weise das Gummirohr eingeführt, so wird es mittels eines T-Röhrchens an ein binaurales Stethoskop angeschlossen, und man ist fertige. Das T-Röhrchen dient zum Schutz unseres Trommelfelles; der dasselbe seitlich verschliessende Finger wird jedesmal losgelassen, sobald der Patient Würg- oder Schluck- bewegungen macht. Später habe ich eine Membran zwischen T-Röhrehen und Stethoskop eingefügt (wie unten genauer beschrieben); der Schall wird dadurch zwar sehr abgeschwächt, als Ersatz dafür aber die psychische Ruhe des Untersuchers erhöht. Setzt man zum ersten Male das ösophageale Stethoskop an die Ohren, so hört man ein Wirrwarr von Geräuschen!). Es rauscht und bläst und knistert, und erst nach einiger Zeit ist man imstande, Herztöne zu unterscheiden. Kaum aber hält die Versuchsperson den Atem an, so hört man die Herztöne sehr schön und bemerkt dann, dass es nicht nur zwei, sondern vier Geräusche gibt. Man richte zuerst die Aufmerksamkeit auf die zwei lautesten und mehr umschriebenen Laute; sehr deutlich hört man dann einen langen und lauten ersten Ton und einen kürzeren und leiseren zweiten Ton, das gewöhnliche Bild der Herztöne an der Spitze. Lenkt man sich nun von diesen Tönen ab, so bemerkt man noch zwei viel leisere Geräusche, die von der Ferne her zu kommen scheinen?). Es zeigt sich nun, dass der erste dieser zwei Töne anfängt vordem Anfangdesersten Kammertones, mit welchem er noch eine Weile zusammen klingt. Zwischen erstem und zweitem Kammerton hört man dann noch ein zweites kurzes und leises Geräusch. ' Man könnte das Gehörte wie folgt aufzeichnen: ww, ““ ,. Schiebt man nun das Röhrchen tieferein oder zieht es höher herauf, so verschwinden die zwei leisen Ge- 1) Zum Teil stammen diese Geräusche von in die Trachea abfliessendem Speichel. Man könnte, um diesem vorzubeugen, die Mündung der Speicheldrüsen, nach Art der Zahnärzte, mit Watte verlegen oder eine Saugpumpe anwenden. 2) Ein Kollege, der die Töne hörte, machte die Bemerkung, dass es schien, als ob man im angrenzenden Zimmer den Boden kehrte. 1025 142 C. E. Benjamins: räusche, um jedesmal wieder zuerscheinen, wenn man die Höhe der Vorkammer erreicht. Es unterliegt wohl keinem Zweifel, dass wir es hier zu tun haben mit den soviel umstrittenen Vorkammertönen. Es sei hier nochmals daran erinnert, dass ich bei den Versuchspersonen, die einer Ösophagoskopie unterzogen wurden, die Stelle der Vorhofpulsation genau bestimmt habe. Dieselbe kam immer überein mit der Stelle, an welcher die Vorkammertöne am deutlichsten gehört wurden. Ausser diesen vier Tönen kam bei einer unserer Versuchsperson noch ein fünfter vor, der nach dem zweiten Kammerton kam. Das Bild wäre folgender- D vvrmvv weise wiederzugeben: Wr, 72. Binzelheitentoebesieh weiter unten. Es war von grosser Wichtigkeit, diese Vorkammertöne zu registrieren. Fine Schilderung der verschiedenen Methoden zur Registrierung des Herzschalles und der Schwierigkeiten, auf welche man hierbei stösst, findet man bei Gerhartz!), auf den ich verweise. Die Hauptschwierigkeit liegt in der Tatsache, dass nebst den Sehallschwingungen auch Impulse bei der Herzbewegung entstehen, und zwar an der Spitze durch den Stoss gegen die Brustwand, bei der ösophagealen Methode durch die Stösse, welche die Gummiblase erleidet. Um die störenden Impulse fernzuhalten, sind verschiedene Methoden angegeben worden. Einthoven und seine Schüler?) setzten zu diesem Zweck das Rohr, dass das Stethoskop mit dem schallregistrierenden Apparat verbindet, in offene Verbindung mit der Aussenluft, wodurch die Stösse entweichen können. Gerhartz bemerkt hierzu, dass dieses Mittel wohl eine Abschwächung der Impulse hervorruft, sie aber nicht sicher abhält. Er fand in ver- schiedenen Herztonfiguren deutliche Spuren des Spitzenstosses. Wenn man aber die sehr schönen Kurven aus dem Einthoven’schen Laboratorium sieht, so wird man wohl von der Zuverlässigkeit der Methode für die Brustwandtöne überzeugt sein. Ich versuchte sie 1) H. Gerhartz, Die Registrierung des Herzschalles. Berlin 1911. 2) W. Einthoven en Geluk, Het registreeren der harttonen onderz. gedaan in het physiol. lab. te Leiden 1896. — W. Einthoven en Geluk in Pflüger’s Arch. Bd. 57. — G. Fahr, On simultaneous records of the heart sounds and the electrocardiogram. Heart vol. 4 Nr. 2. 1912. — P.J.T. A. Battaerd, Verdere graphische onderzoekingen over de acustische verschynselen van het hart. Dissert. Leiden Dec. 1913. Über die Untersuchung des Herzens von der Speiseröhre aus. 143 auch für die ösophagealen Töne anzuwenden; es ist mir aber nicht gelungen, die starken Kompressionen der Gummiblase auszuschalten. Besser hat sich das Einschalten einer steifen Membran bewährt. Diese Methode ist für die gewöhnlichen Herztöne selten brauchbar, weil sie den Schall zu sehr abschwächt; für die viel lauteren Ösophagustöne ist sie jedoch gut zu verwenden. Nachdem ich ver- schiedene Membranen von Glas und Mika ausprobiert und als wenig geeignet befunden hatte, weil sie entweder den Schall zu viel ab- schwächten oder Impulse mitregistriertten, kam ich dazu, ein Phonendoskop einzuschalten, von der Erwägung ausgehend, dass dieses erfahrungsgemäss geeignet ist für die Übertragung von Herz- tönen. Fig. 8 zeigt die Versuchs- anorduung. Das Phonendoskop P wurde in eine Bleikapsel © luft- dieht mit Wachs eingeschlossen und durch die Zufuhrröhre mit dem Ösophagusschlauch verbunden; die andere Seite wurde mit dem Mikro- phon verbunden. Liess man nun die zweite Öffnung (a) offen, so bliev der registrierende Apparat beim Blasen in oder Drücken auf den Schlauch in Ruhe. Die Ebonit- fussplatte des Phonendoskopes hält also die mechanischen Luftstösse ab; hiermit war die grösste Schwierigkeit gelöst. War auch bei der Auskultation eine starke Abschwächung der Töne zu be- merken, so waren doch die Einzelheiten, auf die es ankam, noch deutlich zu hören. Für die Reeistrierung wurde ferner benutzt ein Mikrophon (verschlossen in eine Camera plumbica) und ein kleines Saitengalvanometer, eine Kombination, welche sich bei früheren Experimenten als geeignet erwiesen hatte für das Aufnehmen von tiefen Tönen [für die Herztöne wurde die Schwingungszahl von Weiss!), Gerhartz u. a. bestimmt auf 50—100). Zu gleicher Zeit wurde das Elektrokardiogramm in Ableitung 2 mit dem grossen Saitengalvanometer aufgenommen, das eine eigene 1) OÖ. Weiss, Phonokardiogramme. Gaupp und Nagel’s Sammlung Nr.7. Jena 1909. 144 C. E. Benjamins: Bogenlampenbeleuchtung hatte. Mittels eines kleinen Schirmes wurden die Lichtkreise der beiden Lampen gegeneinander abgedeckt, so dass jede Lampe die Hälfte des Feldes beleuchtete. In Fig. 9 (Frl. B.) sehen wir die kleinen Ausschläge der Herztöne. Da unsere Aufmerksamkeit hauptsächlich auf die Herztonregistrierung gerichtet war, wurde nicht so sehr auf das Elektrokardiogramm geachtet; dieses ist demzufolge nicht besonders schön gelungen. Doch kann man sich für unseren Zweck genügend daran orientieren. Bei Zv sieht man nun deutlich eine konstant auftretende ziem- lich langsame Schwingung der Saite, die in die Zeit vor den Anfang des systolischen Teiles des Elektrokardio- gramms fällt, also sicher zur Vorkammeraktion gehört. (Bei speziell darauf eingerichteten Versuchen zeigte sich, dass der schall- registrierende Apparat eine kaum messbare Verspätung hatte.) Es ist also gelungen, einen Teil der gehörten Schallwellen zu registrieren. Freilich nur einen Teil, denn der zweite Vorkammerton fehlt; aber der registrierende Apparat, der überdies nur abgeschwächten Schall zugeführt bekommt, muss ja unserem feinhörenden Ohre nachstehen. Man kann daher aus diesen Kurven keinen Schluss ziehen über den Anfang und das Ende der Herztöne, weil die schwachen Anfangs- und Schlussschwingungen nicht verzeichnet worden sind. Von dem ersten Vorkammerton ist nur der lauteste Teil aufgeschrieben, und dieser hat eine Schwingungszahl von ca. 50 pro Sekunde. Die viel stärkeren Kammertöne sind besser aufgezeichnet; sie bestätigen Einthoven’s Befunde über die Form der Herztöne, womit der Beweis geliefert wird, dass seine Methode für die Brust- wandtöne vollkommen zuverlässig ist. Wir sehen nämlich, dass der erste Kammerton aus drei Teilen zusammengesetzt ist (eine langsame Anfangsschwingung, danach die schnelleren Hauptschwingungen und schliesslich das langsamere Ende), während der zweite Ton aus- schliesslich aus schnelleren Schwingungen besteht. Weitere Einzelheiten sehen wir in der Fig. 10 (Herr t. D.), obwohl auch hier die Ausschläge klein sind, infolge der starken Dämpfung. Man bemerkt zuerst innerhalb einer Herzperiode drei scharf voneinander getrennte Gruppen grösserer Schwingungen. Mit / und II sind die gewöhnlichen Kammertöne bezeichnet; sie beginnen an den bekannten Stellen, nämlich auf der Höhe von $ und am Ende von 7 des Elektrokardiogramms. Die Schwingungen, die vor I 145 Über die Untersuchung des Herzens von der Speiseröhre aus. sinne der R-Zacke 'aktion angehören. Ein paar kleine Schwingungen bei X liegen, setzten in einiger Entfernung vor dem Be ein und können uur der Vorkammeı Sie sind mit Zv bezeichnet. 146 C. E. Benjamins: zeigen den eigentlichen Beginn an. Teil ist nicht aufgezeichnet worden. Fig. 11. Der zwisclenliegende leisere Man sieht, dass auch das erste Vorkammergeräusch, gleich wie der erste Kammerton, aus mehreren Teilen von verschie- dener Frequenz besteht. Auf- fallend ist weiter die Stelle, die mit //v angedeutet ist. Man sieht hier, geschieden von den Schwingungen des ersten Kammertones, einige langsame Oszillationen. Es ist mir hier gelungen, etwas von dem kurzen und schwachen zweiten Vor- kammertone zu registrieren. Diese Versuchsperson hatte bei der Auskultation oft deut- lich den dritten Ton von Gibson -Einthoven. Ich sehe nun bei y eine schwache Schwingung der sonst ruhigen Saite; sie ist aber nicht deut- lich genug, um für andere überzeugend zu sein. Noch auf eine andere Weise habe ich versucht, die Herzgeräusche auf- zuzeichnen, nämlich durch die Anfertigung einer Superposi- tionskurve, wie es Gerhartz empfiehlt. Wenn man die Im- pulse unbehindert wirken lässt, so wird der Apparat ein Kardio- gramm aufschreiben, und hierin wird man die schnellen Schall- schwingungen wieder finden können. Die geschlossene direkte Verbindung der Ösophagusröhre gab zu heftige Ausschläge; deshalb wurde ein seitlich offenstehendes T-Stück zwischengeschaltet, etwa in der von Einthoven an- » Über die Untersuchung des Herzens von der Speiseröhre aus. 147 gegebenen Weise. In Fig. 11 (Herr P.), die in dieser Weise ent- standen ist, erkennt man alle Teile des zusammengesetzten Ösophago- eramms. Man vergleiche mit der Fig. 5. Die einander entsprechenden Stellen sind mit den gleichen Bezeichnungen vermerkt (a und 7—5). Sogar die kleinen Erhebungen /—III sind sichtbar... Nun sind deutlich (vor allem bei Lupenbetrachtung) die superponierten Schall- schwingungen zu sehen. Der erste Kammerton fängt gerade bei 3 an, was darauf hinweist, dass hier die Anspannungszeit anfängt. Während nun die Saite ausserhalb der beiden Kammertöne sich ziemlich ruhig verhält, sind in der Vorkammererhebung neben einigen sröberen Ausschlägen viele feine Vibrationen zu sehen, die bis zum Anfang der Kammersystole dauern. Wir haben es wieder mit den Schwingungen des ersten Vorhoftones zu tun, sowohl mit den schnelleren wie mit den langsameren. | In dem sinkenden Teil der Erhebung / sind, obwohl weniger deutlich, einzelne Oszillationen des zweiten Vorhoftones zu sehen. Wie soll man sich nun die Entstehung der Vorkammertöne denken? Allgemein wird angenommen, dass Herztöne entstehen durch Muskelgeräusche, Membranschwingungen (Klappen- oder Gefäss- wandungen) und Stromwirbel. Für den ersten Vorkammerton liegt die Erklärung nahe, die Muskelkontraktion als Hauptsache anzu- nehmen. Somit dauert aber die Vorkammersystole zum mindesten bis zum Beginn der Kammerkontraktion. Dass während der isoelektrischen Periode des Elektrokardio- gramms die Vorkammer sich noch zusammenzieht, zeigt die Koinzidenz der grössten Oszillationen des Vorkammertones mit dieser Periode des Elektrokardiogramms; in der Fig. 10 dauerten sie sogar bis in die R-Zacke hinein fort. Im vorigen Kapitel habe ich schon die Vermutung ausgesprochen, dass der Vorhof sich beim Einsetzen der Kammersystole noch in kontrahiertem Zustand befindet; in dem Ergebnisse der Auskultation und Registrierung der Vorkammertöne finde ich hierfür eine Be- stätigung. Freilich galt es früher für eine ausgemachte Sache, dass nur bei Kaltblütern, z. B. beim Frosche, die Kammersystole erst anfängt, nachdem der Vorhof in Erschlaffung übergegangen ist, dass aber bei Säugetieren die Verhältnisse komplizierter sind. In Donders’ Physiologie, zweite deutsche Auflage 1859, fand ich, „dass bei jedem Rhythmus zunächst die beiden stark ausgedehnten 148 C. E. Benjamins: Vorhöfe sich zusammenziehen und gleich darauf die beiden Kammern, ferner die Vorhöfe sowohl wie die Kammern einen Augenblick im kontrahierten Zustande verharren“. Donders betrachtete die alte Haller ’sche Meinung von dem Ab- wechseln der Vorkammer und Kammerkontraktion für gänzlich widerleet. Auch Schiff stand auf diesem Standpunkt. Es ist merkwürdig, wie trotzdem die Haller’sche Meinung wieder in der Physiologie Ringang gefunden hat. Was nun den zweiten Ton anbelangt, so ist seine Erklärung nicht so einfach. Es wäre möglich, dass Stromwirbel im Spiele sind; auch ist von D. Gerhardt (zitiert durch Wenckebach) die Möglichkeit einer aktiven Muskelarbeit bei der Vorhofdiastole ausgesprochen worden. Ich möchte nun einige Angaben aus der Literatur der Vor- kammertöne anführen. Dabei ist eigentlich nur die Rede von einem einzigen Vorkammerton; der zweite blieb bis jetzt unerwähnt. Im Jahre 1889 beschrieb Krell!) zum ersten Male einen Vorkammerton, den er beim Auskultieren des absterbenden Hunde- oder Kaninchenherzens beobachtete. Die Vorhöfe schlagen noch, während die Kammern bereits aufgehört haben zu arbeiten. Zwischen den Berührungsgeräuschen heraus konnte Krehl „einen Ton ganz vom Charakter des Herzmuskeltones, nur schwächer“ hören. Einige Jahre später hat nun Hürthle?) mittels seiner bekannten Methode der Schallregistrierung eine Reaktion bekommen, die zeitlich dem mechanischen Kardiogramm vorausging. Er betrachtet ihn als Vor- kammerton und beruft sich auf die Beobachtung Krehl’s. Hürthle nennt diesen Ton „Vorton“. | ‘Von den später mitgeteilten Beobachtungen von frühzeitigen Schwingungen bei der Herztonregistrierung werde ich nur einige erwähnen. So finde ich bei Fahr (l. e.) eine Besprechung und Abbildung von sogenannten „Initial vibrations“, die mit der R-Zacke im Elektrokardiogramm zusammenfallen und bekanntlich von den meisten Autoren als den mechanischen Erscheinungen vorangehend betrachtet werden. Fahr aber zählt sie zur Anspannungszeit und schreibt sie den Initialzusammenziehungen der Kammermuskeln zu. 1) L. Krehl, Über den Herzmuskelton. Arch. f. (Anat. u.) Physiol. 1889. 2) K. Hürthle, Über die mechanische Registrierung der Herztöne. Pflüger’s Arch. Bd. 60 S. 263. Über die Untersuchung des Herzens von der Speiseröhre aus. 149 Auffallend ist, dass er sie selten an den arteriellen Ostien registrieren konnte. In einem Falle kamen die „Initial vibrations“ so früh, dass Fahr sie wohl der Vorkammer zusprechen musste. Battaerd (l. ce.) hat deutliche schwache Oszillationen registriert an der Stelle der Vorkammerkontraktion und spricht sich für das Bestenen eines Vortones aus. Auch Weiss (l. ec.) hat dann und wann deutliche Vorschwingungen bekommen und rechnet alles, was dem Karotispuls um 0,075 Sekunde vorangeht, zum Vorton. Es ist klar, dass die schwachen Vorkammertöne an der Brust- wand nicht gehört und nicht konstant registriert werden können. Sie erreichen die Wand erst, nachdem sie ein für die Schall- übertragung ungünstiges Terrain passiert haben. Nach den Ventrikeln zu werden die Töne durch den BJutstrom noch am besten fort- geleitet. Dies gilt aber nur für den ersten Ton; der zweite wird kaum dahin fortgeleitet werden können. Zum Schluss will ich noch näher zurückkommen auf den beim Herrn t. D. gehörten, früher erwähnten diastolischen Ton. Ich meine, dass wir es hier zu tun haben mit dem dritten Ton von Gibson-Einthoven. Bekanntlich fand Gibson!) bei einigen Personen, die eine langsame Pulsfrequenz hatten, eine Extraerhebung im diastolischen Teil der Jugularvenen- kurve, die er „b“-Zacke nannte. Bei solchen Personen hörte er dann und wann einen schwachen dritten Ton. Einthoven?) konnte nun in seinen Herztonfiguren diesen dritten Ton zurück finden in der Form einer schwachen Oszillation, die 0,13 Sekunde nach dem Anfange des zweiten Tones auftrat. Bei unserer Versuchs- person, die eine langsame Pulsfrequenz hat, zwischen 60—70 pro Minute, konnte ich nun sehr oft, aber nicht immer, diesen dritten Ton per oesophageam als leises Geräusch hören?). Der Ton wurde deutlicher, wenn das Röhrchen bis zu 38 cm hinab- geschoben wurde; er entsteht also in der Kammer und. nieht in der Vorkammer. Es war mir möglich, bei der Versuchsperson eine gute Jugular- venenkurve aufzunehmen. Die Fig. 12 zeigt nun sehr deutlich die vierte Gibson ’sche „b*“-Erhebung im diastolischen Teil der Kurve. 1) A. Gibson, The significance of a hitherto undescribed. wave in the jugular pulse. The Lancet Nov. 16 1907. 2) W. Einthoven, Een derde harttoon. Ned. Tydschr. v. Geneesk. Bd. 1. 1907. 3) An der Brustwand war nichts davon zu hören. 150 C. E. Benjamins: Sie ist nicht immer gleich gross und fehlt bisweilen an anderen ‚Stellen sogar ganz. Ich komme nun nochmals auf die Fig. 5, das Ösophagogramm derselben Person, zurück und mache auf die kleine in der Diastole gelegene Erhebung /V aufmerksam, die 0,135 Sekunde nach Linie Z der Schliessungsstelle der Semilunarklappen liegt, also übereinkommt mit der Stelle des dritten Tones. Weiter will ich nochmals auf Fig. 6, die Vorkammerdruckkurve nach Fred6ricg, hinweisen, weil diese ehenfalls bei x eine analoge Zacke zeigt. Bringen wir nun alle diese Tatsachen miteinander in Zusammenhang, also: Entstehung in der Kammer, Erhebung in der Vorkammer- druckkurve sowie in der Jugularpulskurve und im Ösophagogramm, so scheint mir die Erklärung, welche Gibson für das Phänomen gibt, die verständlichste.e Er nimmt an, dass bei stärkerer Füllung oder höherem Druck im venösen System das Blut sehr rasch in die Kammer einfliesst, und dass dadurch Stromwirbel entstehen, die einen vorzeitigen Verschluss der Atrioventrikularklappen veranlassen. Hierbei entsteht ein Ton und eine Behinderung des venösen Blut- abflusses. Der Verschluss dauert nur sehr kurz; erst einige Zeit später erfolgt der definitive Klappenschluss. Ich hoffe, mit den vorigen Zeilen gezeigt zu haben, dass neben der ösophagealen Kardiographie das Auskultieren und Registrieren der ösophagealen Herztöne Tatsachen ans Licht fördern die bei Untersuchung durch die Brustwand verborgen bleiben. Über die Untersuchung des Herzens von der Speiseröhre aus. 151 Kapitel II. Es bleibt mir nun noch übrig, die in den vorigen Kapiteln mit- geteilten Ergebnisse mit anderen bekannten Tat- sachen in ein Schema einzutragen. Ich habe dazu das Schema von Lewis gewählt, aus seinem Buch „Mechanism of the Heart-beat“, und darin sowohl das Öso- phagogramm und die verschiedenen Herztöne sowie die Bauchpuls- kurve von Kaiser ein- getragen (Fig. 13). Es scheint mir angebracht, der Abbildung einige Worte über die Vorhofs- aktion beizufügen, mit Rücksicht auf das früher darüber Gesagte. Erstens möchte ich den für uns so wichtigen Verlauf der Vorkammerdruckkurve, obwohl dieser nur bei Tieren bekannt ist, in aller Kürze skizzieren; ich folge dabei hauptsäch- lich den- Auseinander- setzungen von Porter!). Die erste Erhebung l) W. Townsend Porter, Researches on the filling of the Heart. Journ. of Physiol. vol. 13. 1892. puls.abeloın dat. (KauSer, Fig. 13. 4A.S. — Schliessung der Atrioventrikular- klappen. A.O. = Öffnung der Atrioventrikular- klappen. 5.0. = Öffnung der Semilunarklappen. 8.5.— Schliessung der Semilunarklappen. Zwischen den Linien A4.S. und 8.0. liegt die Ausspannungs- zeit, zwischen den Linien $.S. und A.O. die Ver- harrungszeit. Die gestrichelten Linien bedeuten ein Nichtkonstantsein der betreffenden Strecken. 152 C. E. Benjamins: ist die Folge der Vorhofmuskelkontraktion und wird bald gefolgt von einer Senkung, die Porter als Folge der Muskelerschlaffung auffasst. Ist es aber richtig, dass die Vorkammersystole bis zur Kammerkontraktion dauert, so muss für die Senkung eine andere Erklärung gesucht werden. Sie wäre dann zu finden in dem Abfluss des Blutes nachı der Kammer zu, wodurch eine Druckverminderung statthat. Die Senkung würde einen ziemlich lange dauernden Verlauf haben, wenn nicht die Ventrikelsystole eine zweite Erhebung verursachte (Linie 2). Die Atrioventrikular- klappen werden zugeschlagen und wölben sieh nach der Vorkammer zu vor, wobei sie deren Inhalt unter Druck setzen. Die Steigung dauert bis zum Moment der Semilunarklappeneröffnung (Linie 3). Dabei senkt sich die Atrioventrikulargrenze ein wenig; diese Senkung der Vorkammerbasis setzt sich direkt fort in eine noch tiefere, ver- ursacht durch die Abwärtsbewegung des Ventrikels. Porter zeigte, dass die ganze zweite positive Erhebung fehlt, sobald die Ventrikelkontraktion durch Vagusreizung gehemmt wird. Die Senkung der Atrioventrikulargrenze verursacht im Anfange durch Vergrösserung des Raumes der Vorkammer eine Druck- erniedrigung, übt aber zu gleicher Zeit eine Saugwirkung aus, infolge deren das Blut aus den gıösseren Gefässen zuströmt und die Druck- kurve wieder steigt. Diese dritte positive Steigung erreicht ihr Maximum erst im Beginn der Diastole und durch denselben. Das Herz fällt dabei in seine alte Lage zurück, die Atrioventrikulargrenze steigt wieder, und im Inhalt der Vorkammer findet Druckerhöhung statt. Bald tritt nun wieder eine Veränderung durch das Öffnen der Atrioventrikularklappen ein (Linie /0). Das Blut strömt schnell ab, die Druckkurve sinkt, um erst nach genügender Füllung der Kammer wieder langsam zu steigen bis zur nächsten Vorhofsystole. Die Erklärung der Vorkammerdruckkurve ist zum grössten Teile auch gültig für die Jugularvenenpulskurve. Man unterscheidet nach Mackenzie (l. e.) die a-, c- und v-Erhebungen und die x-, x- und y-Senkungen. Die a-Erhebung wird der Vorkammerkontraktion zu- geschrieben; es entsteht dabei eine Abflussbehinderung, die noch verstärkt wird durch die Zusammenziehung der von Keith ent- deckten Muskeln an der Einmündung der Vena cava superior. Die Vene schwillt an, bis der Abfluss wieder frei wird; es kommt dann zur Senkung x. Man findet allgemein erwähnt, dass dieses durch Erschlaffung der Vorkammermuskulatur geschieht. Nach Über die Untersuchung des Herzens von der Speiseröhre aus. 153 dem früher Gesagten erachte ich es für nötig, eine andere Erklärung dafür zu suchen, und glaube eine solche gefunden zu haben in der Verkleinerung der Vorkammer durch Abfluss des Blutes nach der Kammer. Diese Verkleinerung übt eine saugende Wirkung auf ihre Umgebung aus, vor allem auf die naheliegende Vena cava. Diese erweitert sich, und es fliesst Blut aus der Vena jugularis nach. Bald tritt nun wieder eine Erhebung auf (c), die immer zugleich mit dem Karotispuls erscheint. Durch Maekenzie, Wenckebach u.a. wird sie denn auch für den fortgeleiteten Karotispuls gehalten. Diese Autoren haben aber den absolut sicheren Beweis dafür nicht geliefert. Dagegen hat Frede&riceq (l. ce.) beim Hunde gezeigt, dass die Erhebung c bestehen bleibt nach gänzlicher Isolierung der Vene von der Karotis. Fr&dericg gibt dann noch mehrere Beweise für seine Meinung, dass diese Erhebung eine zentrale Ursache habe. Sie entsteht nach ihm durch das Zuklappen der Valv. trieuspidales beim Anfange der Ventrikelsystole und .hat also dieselbe Bedeutung wie die zweite positive Erhebung in der Vorkammerdruckkurve. Obgleich sie etwas früher wie die arterielle Pulswelle entsteht, kommt sie doch gleichzeitig mit dieser am Halse zum Vorschein, da sie weniger schnell fortgepflanzt wird. (Der arterielle Puls hat eine Fortpflanzungsgeschwindigkeit von 6—8 Minuten, der venöse von 2 Minuten.) Der klinische Gebrauch, die Erhebung c als Zeitmaass für das Auftreten des Karotispulses zu benutzen, wird dadurch nicht beeinträchtiet; nur entspricht die übliche Erklärungsweise nicht der Wirklichkeit. Die jetzt folgende Senkung x’ wird verursacht durch die systolische Saugwirkung des Herzens. Das Blut strömt dabei in die jetzt er- schlaffte Vorkammer frei ab, bis diese eine gewisse Füllung bekommen hat; das Einströmen geht dann langsamer vor sich, bis schliesslich die Kurve wieder allmählich steigt. Beim Beginne der Kammer- diastole folet durch das Zurückfallen des Herzens und die daraus folgende Abflussbehinderung eine mehr rapide Steigung, und die Erhebung » wird geformt. Wenckebach (l. ce.) hat als erster gezeigt, dass diese Erhebung in die Diastole fällt und nicht in die Systole, wie Mackenzie meint. Die obige Wenckebach’sche Erklärung für die Entstehung der v-Zacke ist jetzt allgemein akzeptiert. Über die Senkung y sind alle Autoren einig. Mackenzie betont, dass der Anfang dieser Senkung immer scharf den Augenblick der Trieuspidalklappenöffnung anzeigt, wonach der Blutabfluss aus Vor- 154 C. E. Benjamins: Über die Untersuchung des Herzens etc. kammer und Venen wieder unbehindert stattfindet. Sobald nun Ventrikel und Vorhof eine gewisse Füllung haben, erfolgt das Ein- strömen langsamer, die Vene wird sich wieder erweitern, und die Venenpulskurve wird allmählich steigen, bis auf einmal, bei der nächsten Vorkammersystole, die Erhebung wieder erscheint. Es zeigt sich also, dass im grossen und ganzen die Erklärung für das Zustandekommen der drei Er- hebungen und Senkungeninder Vorkammerdruckkurve und in der Jugularvenenkurve sich deckt mit der Er- klärung der drei Haupterhebungen und Senkungen im Ösophagogramm. Nur sind natürlich die zeitlichen Verhältnisse ein wenig verschieden. Eine noch grössere Übereinstimmung, bis in die sekundären Einzelheiten, weist unsere Kurve mit der schon früher erwähnten rektalen oder vaginalen Bauchpulskurve von Kaiser auf; nur werden die Linien hier einen entgegengestellten Verlauf haben. Geht nämlich das Herz aufwärts, so bekommt die Gummiblase im Ösophagus einen Stoss, während die rektale Blase dann eine Erweiterung erfährt und umgekehrt. Der Eintritt des Aortenpulses in die Bauchhöhle wird einen Druckverlust in der Brusthöhle bedeuten und eine Druckzunahme in der Bauchhöhle usw. Während nun die anderen Erhebungen oder Senkungen mit einer gewissen Verspätung in der Bauchpulskurve zum Ausdruck kommen, wird der Eintritt des Aortenpulses ohne eine solche registriert (bei Ap); wir haben schon in Kapitel I gesehen, wie gut bei unseren von- einander ganz unabhängigen Untersuchungen die zeitliche Über- einstimmung ist. Über die eingetragenen Herztöne habe ich nur zuzufügen, dass die zeitlichen Verhältnisse nicht ganz sicher bekannt sind, vor allem was der wirkliche Beginn und das Ende anbelangt. Die Zukunft wird hier hoffentlich grössere Sicherheit bringen. 155 (Aus dem pharmakologischen Institut der Universität Graz.) Über den Kohlehydratumsatz des isolierten Herzens normaler und diabetischer Tiere !). Von O. Loewi und ©. Weselko. (Ausgeführt mit Unterstützung der Fürstlich Liechtenstein’schen Spende.) Es ist bekanntlich noch immer eine offene Frage, ob beim Diabetes die Verwertung der Glukose von seiten der Organe primär geschädigt ist oder nicht. Die Hoffnung diese Frage entscheiden zu können durch den Vergleich der Zuckerspaltung isolierter über- lebender Organe normaler mit der diabetisch gemachter Tiere schien sich zu erfüllen, als Hamburger?) und Starling?) mit seinen - Schülern bei der Speisung pankreasdiabetischer, Wilenko‘) bei der adrenalintiabetischer Herzen eine geringere Zuckerabnahme der Speisungsflüssigkeit als bei der normaler Herzen fanden. Bevor aber diese Feststellung Bedeutung erlangt für unsere Erkenntnis vom Wesen des Diabetes, muss nachgewiesen werden, ob sie eine primäre Störung der Zuckerverwertung darstellt und nicht etwa die Folgeerscheinung anderer sei es spezifischer oder unspezifischer Änderungen der Herztätigkeit bzw. des Stoffumsatzes bei dieser. Sollte dieser Nachweis sich führen lassen und die Störung als eine 1) Ein Teil der Ergebnisse wurde bereits vorläufig mitgeteilt. Münchn. med. Wochenschr. 1913 Nr. 13. 2) Hamburger, Magyar Orvosi Arch. Bd. 12 S. 279. Zitiert nach Maly’s Jahresb. 1912. 3) Knowlton and Starling, Journ. of physiol. vol. 45 p. 146. 1912. — Patterson and Starling, Journ. of physiol. vol. 47 p. 137. 1913. — Cruishank and Patterson, Journ. of physiol. vol. 47 p. 381. 1913. 4) Wilenko, Arch. f. exper. Path. u. Pharm. Bd. 71 S. 261. 1913. Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd. 158. 11 156 O0. Loewi und O. Weselko: primäre sich ergeben, dann läge die weitere Aufgabe vor, den Mechanismus der Störung womöglich aufzuklären. Diese Gesichts- punkte veranlassten die folgende Untersuchung. In der Versuchsanordnung schlossen wir uns an Locke- Rosenheim!) an in der Art, wie dies im einzelnen Wilenko in seiner im hiesigen Institut ausgeführten Arbeit angegeben hat. Einzelheiten darüber folgen, wo es not tut, an ihrer Stelle. Die diabetische Störung setzten wir durch Injektion von 2 mg Adrenalin 1!/,—1!/sz Stunden bevor das Herz in den Apparat kam. Es wurden nur Kaninchen benützt. I. Nachdem Wilenko nachgewiesen hat, dass bei Durchspülung der Herzen adrenalinvergifteter Tiere wesentlich weniger Glukose aus der Lösung schwindet als bei Verwendung normaler Herzen, war noch zu untersuchen, ob etwa dieser Minderverbrauch ?) nur sekundär bedingt sei durch primären Mehrverbrauch anderer Stoffe. Von diesen könnten a priori in Betracht kommen nur andere Kohlehydrate, die im Herzen selbst verfügbar wären, da eine primäre Steigerung des Verbrauches etwa stickstoffhaltiger Stoffe beim Diabetes nicht vor- kommt. Aber auch ein gegenüber der Norm gesteigerter Verbrauch von Reservekohlehydrat des Herzens unter diabetischen Bedingungen war bei der Wahl des Kaninchens als Versuchstier von vornherein so gut wie ausgeschlossen; denn Camis?) und Gajda*) haben durch zahlreiche genaue Glykogenbestimmungen gezeigt, dass normale mit Locke-Lösung stundenlang durchspülte Kaninchenherzen am- Ende des Versuches im Durchschnitt den gleichen Glykogengehalt haben wie direkt dem Tier entnommene. Wir haben ebenfalls der-, artige Bestimmungen durchgeführt. Die Tabelle I zeigt, dass Herzen nach dem Versuch annähernd den gleichen Glykogengehalt aufweisen wie frisch entnommene. Was 1) Wir bezeichnen mit „Verbrauch“ der Kürze halber bis auf weiteres den Schwund von Zucker aus der Speisungsflüssigkeit des Herzens, ohne damit etwas über die Ursache des Schwundes, sei er nun bedingt durch Kondensation, Spaltung oder Oxydation, aussagen zu wollen. 2) Locke and Rosenheim, Journ. of physiol. vol. 36 p. 205. 1907/1908. 3) Camis, Zeitschr. f. allgem. Physiol. Bd. 8 S. 371. 1908. 4) Gajda, Zeitschr. f. allgem. Physioi. Bd. 13 S.1. 1911. Über den Kohlehydratumsatz des isolierten Herzens etc. 157 Tabelle I. a) Glykogengehalt des Herzens normaler Kaninchen. Datum Glykogengehalt Nummer 1913 eDroyonten Bemerkung M. 15 21. April 0,11 Grünfutter M. 16 21. 0,19 a M. 32 21. Mai "0,20 Ei W.a) 3. November 0,16 Rübenfutter W.b) 3. 5 0,23 x b) Glykogengehalt mit Locke-Lösung durchspülter Kaninchenherzen. Datum Stunden | Glykogengehalt art 1913 des Versuchs | in Prozenten Dunn M. 10 12. November B) 0,24 Grünfutter M. 23 2. Mai 1!/a 0,23 10 Tage Hunger M. 37 28.5 B) 0,3 Heu M.3 DI: 3 0,21 Grünfutter 88 23. Oktober 1!/2 0,18 „ die absolute Grösse desselben anbetrifft, so ist er geringer wie der von Camis mit 0,5°%o, bzw. 0,4°/o ungefähr gleich mit dem von Gajda mit 0,130, bzw. 0,14 °/o ermittelten. Wenn aber in der Norm schon kein Glykogen verbraucht wird, so war kaum zu erwarten, dass unter diabetischen Bedingungen ein solcher Verbrauch nun primär stattfinden würde. Es wäre denn, dass das Glykogen eines diabetisch gemachten Tieres eine Änderung erfahre, die es etwa leichter angreifbar machen würde, oder dass zum unangreifbaren Stammglykogen des Herzens ein leichter angreif- bares vor dem Versuch hinzugekommen wäre. An diese Möglichkeit musste gedacht werden, seitdem Cruishank!) auf Grund von Glykogenbestimmungen bei Hunden die Meinung geäussert hat, es sei der Glykogengehalt der Herzen pankreasdiabetischer Hunde von vornherein grösser als der normaler. Eine Gegenüberstellung seiner Zahlen ergibt als Anfangsgehalt: bei normalen 0,631, 0,43, 0,42, 0,46, 0,63, 0,306, 0,360; bei diabetischen 0,96, 0,925, 0,631, 0,49, 0,634. Es finden sich also in der Tat zweimal Werte höher als bei normalen; berücksichtigen wir aber, dass sogar am Ende eines 1) Cruishank, Journ. of physiol. vol. 47 p.1. 1913. 152 158 O0. Loewi und ©. Weselko: Versuches aus fünfen beim normalen sich der Wert 0,85 fand, so sinkt die Bedeutung der beiden hohen diabetischen Werte. Der Wert 0,85 wurde überhaupt nur in fünf von allen 27 bei diabetischen Herzen vor und nach Durchströmung ausgeführten Bestimmungen überschritten, wobei wir allerdings mangels Vergleichswerten bei normalen die nach gelungener Lävulosefütterung bei diabetischen Tieren gefundenen ausnehmen. Bei dieser Sachlage kann man unseres Erachtens mit Sicherheit nur sagen, dass der Glykogengehalt diabetischer Hundeherzen ebenso hoch wie der normaler sei. Zur Behauptung, er sei höher, reichen unseres Erachtens die vorliegenden Bestimmungen nicht aus. Trotzdem haben auch wir bei adrenalin- behandelten Kaninchen den Glykogengehalt des Herzens bestimmt und mit dem völlig gleichgehaltener normaler verglichen. Tabelle I. Datum Herzgewicht Glykogen in Prozenten Nummer 1913 norm. | diabet. norm. diabet. 107 27. November — = 0,49 0,55 W.a) & n ‚0 5,9 0,16 0,3 W. b) 8. „ „1 4,7 0,23 0,1 W. ec) 3 io — | 3,4 0,22 0,26 | Der Gehalt variiert beträchtlich, aber bei den adrenalin- diabetischen innerhalb gleicher Grenzen wie bei normalen. Die Tatsache, dass diese Grenzen immerhin recht weit aus- einanderliegen und die Misslichkeit, aus blossen Durchschnittszahlen weitgehende Schlüsse auf Beteiligung oder Nichtbeteilieung von Glykogen am Kohlehydrathaushalt des Herzens zu ziehen, liess es uns bei der prinzipiellen Bedeutung der Frage notwendig erscheinen, nach einer Methode zu fahnden, die eindeutig eine eventuelle Mit- beteiligung des Glykogens aufdecken musste. Die Frage, ob der Zuckerverbrauch primär geändert sei, liess sich unseres Erachtens nur entscheiden, wenn wir den Zuckerverbrauch diabetischer mit dem normaler Herzen unter der Bedingung gleicher Glykogen- ausgangswerte bestimmten. Da diese bei Fütterung nicht zu er- reichen sind, kam nur die Glykogenbefreiung vor dem eigentlichen Versuche in Betracht. Es gelang uns zwar, durch dreistündige Strychninvergiftung Herzen völlig glykogenfrei zu machen, aber für unsere spezielle Fragestellung schienen uns derart vergiftete Tiere 159 Über den Kohlehydratumsatz des isolierten Herzens etc. 250'0 ‚ul 18-081 06-081 89 08 ale SL PL0'0 ‚sr ul | PLI 097 | ver0gl UL v0 le LEI eaoy oydemıas yzyamz | 8600 ‚08 us | sIL-0sI | 911261 69 „on '% 6LL odeyrodunn OL 80°0 ‚7 ul | ZI 0 | 050001 ol Salze) | 1Oqwezac "OL OLL uongenuoy eyyoalgag 90:0 ‚sr ul 0LZGET [88007 0.| 9e 8 ld goL 810.0 ‚cr ul 86-001 06 OL ER "08 sol 200 ‚7 ul | Ort=097 | 081-081 19 TORE a9qulaAoN '0g 007 q 8 3 ‘ q ee u une ou oad | aynuıpy oad z19H user &I6L u9sUmyI9WOT eur: -y9ındq) AOp Iyezuajdoı, |zuonbaysing re: ungeq JguwnN -u980NA]Y Jene] IIIMaLH) *U9ZI9UUNEUIIPYV NEST SIERT modunyeg odeL FI wH | 2100 ‚SP ul | GET=0ogT | >&3 zunehmen ist. Damit ist SS 82 Sa “2 bewiesen, dass der ee _— arz ingere Zuckerver serin - S > © - 8es® < = 258 brauch der Herzenadre- = E = = n (pr) . [ . = 52354 Aue SS=@& nalinvereifteter Tiere 5 3= TE bei Durchspülung mit 2, > Locke-Lösung nicht se- D = = on o ER er E 33 za Sz= kundär durch den er os AR JÄN grösseren Glykogen- =} Bo ana NeferYar) ö 5 zZ zur Sehalt bzw. durehen- 7 & tensiveren Glykogen- - = < 2 . 3 . Ze Ser Far abbau bedinst ist; er e5@ a oe! muss vielmehr aurch zu = @) ARE en | r NE ee primäres geringeres Ver- = > 2 en Suun 2 ,;, Mögen, Glukose anzu- orte er 3 de Ne ie) : A E53 | YyYr EYYY greifen, erklärt werden. | = a3 oo Ässa ZH asa ke) 2| En Bene nee Ist somit die Frage, um 4 S ee = 2 2 no > = derentwillen die Versuche an- I Are S ; oe 35 nn S27 gestellt wurden, unseres Er- se. | „2.l.ress|l. > : Se ae ® achtens gelöst, so haben wir Er mm 2.2 nunmehr besonders zu er- 5 = can 253 öÖrtern, wie es kommt, dass “|225 17T... TTT unseren Versuchen zufolge SS zo 2 U oo son ; & 7 ann Sans das ee e in nn der Lage ist, ykogen zu ne oo4 322% spalten, nämlich bei Zucker- | “ [} = r ; mangel, und doch das Defizit =; Den -- an Glukose, das offenbar in- = |® | DIE = no N ; E - ar ‚Q_ Sı:» Sa as folge Beringerer Spaltungs | 5 Hrn =+«@ fähigkeit dieser gegenüber be- 3 [os | “ . Z a Res steht, nicht aus seinem Gly- = 8 kogenbestand deckt. Dass = SR Sr 2 F a R E S 2 dies nicht geschieht, geht ja = = = SR ; gue ses 1) Gewicht vor Beginn der Tr SH .. . ’ NN = san achttägigen Hungerperiode. 162 0. Loewi und ©. Weselko: daraus hervor, dass die Glykogenwerte am Ende der Versuche ebenso hoch, wenn nicht höher, sind!) als die in gleichartigen Ver- suchen zu Beginn bestimmten. Damit ist aber gleichzeitig bewiesen, dass das diabetische Herz nicht etwa auch bei Zuckerregime primär sein Glykogen zersetzt und den Zucker der Lösung nur zu dessen Wiederersatz heranzieht; dann müsste ja entsprechend der geringeren Zuckerspaltung auch der Glykogenersatz ein unvollständiger sein. Die Tatsache, dass die Glykogenspaltung nur bei zuckerfreiem Regime vor sich geht, aber gehemmt ist, bzw. aufhört bei zucker- haltigem, auch wenn infolge herabgesetzter Fähigkeit, Lösungszucker zu spalten, Zuckerbedarf existiert, lässt demnach kaum eine andere Deutung zu als die, dass die Gegenwart von Glukose in der Aussen- lösung die Glykogenspaltung hemnit, und zwar ganz unabhängig von der Grösse des Zuckerbedarfs bzw. Verbrauches. Das gilt nun aber nieht nur für diabetische, sondern auch für normale Herzen: auch bei ihnen ging ja die Glykogenspaltung nicht weiter, sobald sie auf Zuckerresime gesetzt wurden. Dies könnte man a priori so deuten, dass die normalen Herzen zwar weiter Glykogen angreifen können, es aber unterlassen, weil sie jetzt Zucker zur Verfügung haben. Die Tatsache aber, dass, wie wir sahen, die Adrenalinherzen, obwohl sie zuckerhungrig sind, bei Zuckergegenwart Glykogen nicht mehr angreifen können, beweist, dass auch bei normalen die Fähigkeit, Glykogen anzugreifen, durch die Zuckergegenwart gehemmt ist, gleichgültig, ob Bedarf bzw. Verbrauch existiert oder nicht. Wenn diese Deutung richtig ist, sollte umgekehrt Glukosefreiheit der Lösung unter allen Umständen zu Glykogenspaltung führen wiederum unabhängig von Bedarf bzw. Verbrauch. Wir verfügen nun über eine Reihe von Versuchen, deren Ergebnis sehr zugunsten dieser Anschauung spricht. Wir haben nämlich den Glykogengehalt zunächst von Herzen bestimmt, die wir mit caleiumfreier Locke- Lösung 1!/sz Stunden durchspült hatten. In dem einen Teil der Ver- suche war die Lösung glukosehaltige, im anderen nicht. Nummer | Ohne Glukose | Nummer Mit Glukose 131 | 0,03 Yo Glykogen | 136 | 0,12 %0 Glykogen 132 0,02 %0 5 137 0,16 %o E 133 | 0,01 %o hr 138 | 0,1 % n 141 0,12 %0 E 1) Mit Sicherheit eine Glykogenneubildung aus ihnen abzuleiten, dazu sind die Versuche nicht zahlreich genug. Über den Kohlehydratumsatz des isolierten Herzens etc. 163 Obzwar die Herzen in diesen Versuchen infolge der Caleium- freiheit der Lösung nicht gearbeitet haben und ihr Bedarf herab- gesetzt war, verloren sie trotzdem in den Versuchen, wo sie ohne Glukose durehspült wurden, ihr Glykogen bis auf Spuren. Noch beweisender ist das Ergebnis der Glykogenanalysen von Herzen, die 1'/s Stunden am Locke’schen Apparat statt mit Sauer- stoff mit Stickstoff gespeist wurden. Unter solchen Umständen stellt das Herz nach ca. 10—15 Minuten seine Tätigkeit völlig ein und ist am Ende des Versuches ganz unerregbar. In einer Reihe von Versuchen war die Locke’sche Lösung zuckerhaltig. Die Glykogenbestimmung ergab: (Versuch 146) 0,12°/o, (Versuch 147) 0,11%, (Versuch 148) 0,1°o. In zwei anderen Versuchen wurde zuckerfrei durchströmt; hier fand sich überhaupt kein Glykogen im Herzen. Es schien uns nun von Interesse, festzustellen, ob auch die Gegenwart von Zuckern, die vom Herzen nicht angreifbar sind, die Glykogenspaltung hemmt. Ein soleher ist Lävulose, wie zuerst Rona und Neukirch!), später Maclean und Smedley °)gefunden haben. Wir konnten dies Ergebnis in sechs Versuchen völlig bestätigen. Neuer- dings gibt Camis”) im Gegensatze hierzu an, dass Kaninchenherzen Lävulose verbrauchten, und zwar nach Ausweis der absoluten Zahlen offenbar in grosser Menge. Das negative Ergebnis der anderen Unter- sucher erklärt er für bedingt durch die mangelhafte Methodik der Zuckerbestimmung. Sie soll in so verdünnten Zuckerlösungen keine brauchbaren Resultate ergeben. Dieser Einwand ist ganz hinfällig, nachdem die gleiche Methode in gleich verdünnten Glukoselösungen sich bewährte und die Polarisation die Ergebnisse der Reduktions- bestimmung bestätigte. Worauf der Verbrauch in Camis’ Versuchen zurückzuführen ist, ist unklar. Glykogenbestimmungen nun von drei Herzen, die 1!/s bis 2 Stunden mit lävulosehaltiger Locke-Lösung durchspült waren, ergaben 0,04%, 0,04 °/o, 0,02°/o Glykogen, also eine ebensolche Reduktion des Wertes, als seien die Herzen zuckerfrei durchspült worden. Demnach hemmt nicht die Gegenwart eines beliebigen Zuckers, sondern nur eines vom Herzen angreifbaren die Glykogen- spaltung. Die Beobachtung, dass diabetische Herzen ihr Glykogen 1) Rona und Neukirch, Pflüger’s Arch. Bd. 148 S. 285. 1912. 2) Maclean and Smedley, Journ. of physiol. vol. 45 p. 462. 1912. 3) Camis, Arch. ital. de biol. t.60 p. 121. 1913. 164 O0. Loewi und OÖ. Weselko: angreifen, legte es ferner nahe, zu prüfen, ob etwa in diesen Fällen im Gegensatz zu normalen sich Glukose in der Spülflüssigkeit nach- weisen lasse. Zu diesem Behufe engten wir nach dem Versuch die gesamte Durchspülungsflüssigkeit nach Ansäuerung auf ein geringes Quantum ein und prüften mit Bertrand auf Reduktionsvermögen: - aber bei diabetischen Tieren, so wenig wie bei normalen, liess sich eine ausserhalb der Fehlergrenzen der Methode gelegene Zucker- ınenge nachweisen. Es darf dies nicht wundernehmen; übersteigt doch die Menge des auch von einem Adrenalinherzen in 1?/s Stunden zersetzten Zuckers die des aus Glykogenspaltung zu berechnenden. Zusammenfassend können wir demnach sagen, dass Kaninchenherzen, solange sie bei Glukoseregime gehalten sind, ihr Glykogen nicht angreifen können, auch wenn sie wie adrenalindiabetische infolge ge- schwächten Glukosespaltvermögens Glukosebedarf haben. Glykogen kann nämlich nur und zwarauch von Adrenalinherzen gespalten werden, wenn keine Glu- kose in der Lösung ist. Unter dieser Bedingung tritt die Glykogenspaltung immer ein, gleichgültig, ob Bedarf ist(normales, Adrenalinherz) odernicht (durch Kalkmangel oder N stillgestelltes Herz). Die Abhängigkeit der Glykogenspaltung vom Glukoseregime gilt zunächst nur für das Kaninchenherz und für unsere besondere Versuchsanordnung. Sicher ist, dass das Katzen- und Hundeherz unter den gleichen Bedingungen sich anders verhält, nämlich trotz Glukosegegenwart zuerst Glykogen spaltet. II. Nachdem im vorigen eindeutig nachgewiesen wurde, dass das Kaninehenherz nur bei zuckerfreiem Regime sein Glykogen angreift und der geringere Glukoseverbrauch adrenalindiabetischer Herzen bei der Durehströmung mit zuckerhaltiger Lösung nicht Folge von Glykogenmehrverbrauch, sondern eine primäre Erscheinung ist, konnten wir nunmehr der Frage nach der Ursache dieses Minder- verbrauches nachgehen. Bevor dies geschieht, haben wir noch einmal die Unterlagen für die Behauptung des Minderverbrauches zu prüfen. Es ist klar, dass wir einen solchen nur behaupten können, wenn eine bestimmte Grösse des normalen Verbrauches existiert. Dass dies bei Ver- Über den Kohlehydratumsatz des isolierten Herzens etc. 165 wendung unseres Apparates der Fall ist, wurde schon wiederholt festgestellt [Locke und Rosenheim |]. «&., Maclean und Smedley!),Wilenkol.c., Mansfeld?), Rona und Wilenko?°)]. Die relativ grosse Gleichmässigkeit des Verbrauches bei ver- schiedenen Individuen, die nicht nur in den erwähnten Unter- suchungen bei Kaninchen, sondern von Rohde?) auch bei Katzen- herzen gefunden wurde, führte dieser Forscher darauf zurück, dass bei der Locke’schen Anordnung der Druck, unter dem die Flüssiekeit in die Coronarien einfliesst, damit der Durchfluss und damit das Sauerstoffangebot für das Herz so gering sei, dass das Herz über eine gewisse Menge Zucker hinaus gar nicht zu Kohlen- säure verbrennen könne. Diese, von Rohde aus der Grösse der von ihm eefundeneu Durehströmungsgeschwindigkeit berechnete Zuckermenge im Betrage von 15,3—25 mg deckt sich ungefähr mit der von ihm bei Katzenherzen tatsächlich gefundenen. Er erhärtete die Richtigkeit seiner Kritik durch den Nachweis, dass bei erhöhtem Durehfluss der Zuckerverbrauch unter Umständen erheblich in die Höhe ging. Darnach würden die mit der Locke’schen Methode gefundenen Werte bei normalen Herzen bereits Maximalwerte für die mögliche Zuckersetzung darstellen. Dies gilt allerdings nur unter der Voraussetzung, dass der Zucker völlig verbrannt würde. Letzteres trifft aber, wie Gajda gezeigt hat, schon für das Katzen- herz nieht zu. Der Ausfall der unten von uns mitzuteilenden Ver- suche zeigt, dass auch vom Kaninchenherzen unter besonderen Be- dingungen wesentlich mehr Zucker zun Schwund gebracht werden kann, als dies in Versuchen mit normalen Herzen der Fall ist. Dieser mag, entsprechend Rohde und Gajda, gar nicht oder nicht völlig verbrannt, vielleicht sogar nur gespalten werden. Uns kam es nur auf die Beeinflussung des Verschwindens von Glukose selbst an, zunächst ohne Rücksicht auf das Schicksal der verschwundenen, und diese lässt sich mit der Locke’schen Anordnung innerhalb sehr weiter Grenzen nach oben und nach unten durchführen. Zunächst führten wir an normalen Kaninchen eine grössere Reihe von Versuchen durch, um möglichst sichere Mittelwerte zu 1) Maclean and Smedley, Journ. of Physiol. vol. 45 p. 462. 1912. 2) Mansfeld, Zentralbl. f. Physiol. Bd. 27 S. 267. 1913. 3) Rona und Wilenko, Biochem. Zeitschr. Bd. 59 S. 173. 1914. 4) Rohde, Zeitschr. f. physiol. Chemie Bd. 65 S. 181. 1910. 166 0. Loewi und O. Weselko: Tabelle VI. Normale Herzen. 5 8 = I. Periode -P= & =| = |e2jese: le Nän SE 23128]|.25| Puls- | Tropfen- = 3 Datum Hals zu |3 ee mer -2182|8.1|123 A zahl Ren ae pr |8 00 8 Mini Minute ©3535 ea 5 80] 7.Oktober 1913 [0,38 | 3,0 | 11,4 # 120—138 | 134140 | 2,6 So 2a 1913 | 0,34 | 3,6 | 12,2 124—154 184—200 | 2,3 113] 16. Dezember 1913 | 0,32 | 2,4 | 7,3 120—110 | 128 — 134 _— 115] 18. & 1913 | 0,38] 2,1 | 80 130—142 136-133 | — 116| 19. s 1919520272 0232,61 130—121 | Be 1] 9Januar 1944! — | — I 115 122—140 | 128—160 2,6 229 1914 | 0,31 | 24 | 73 80—88 | 90—122| 1,9 130] 80. , 1914 | 0,36 | 3,2 | 11,7 72—118) 80—120 | 2,7 12] 12. Februar 1913 — 54] + 88—122 | 76—92 22 ol 200 2: 1913 — I — | 65] + [116—128| 108—140 | 1,8 139| 4. März 1914 [0,25 | 23 | 571 + 1[140—136 | 146—144 | 3,0 M. 10| 12. April 1913 | 0,24 | 2,5 | 6,0 108—88 | 80—112 | 3,0 Mala 1913 | 0,19] 3,0 | 5,7| + |120-96 |132—-160| 22 MS 1913 | 0,34 | 25 | 86 160—112 160—180 | 2,0 MIST 2322%; 193 | — | — | 70 164—180 180—196 | 2,1 62| 21. Mai 1913 [0,28] 2,7 | 7,6] + 1120—140 | 140-unz. | 1,0 631 28. „ 1913 [0,25 | 23,6 | 6,5] + | 80—140 100-unz. | 1,0 Nik Sol as; 1913 | — | — | 62] + 1[124—144 | 120—144 | 2,0 71\. 5.Juni 1913 | 0,321 2,8 | 90] + ][140—160 unz. 1,4 TA 92, 1913 [0,27 | 24 | 6,4] + 1120—160 unz. 3,6 M741 9775 193 | — I! — | 64| + 84—100 104-152 | 2,3 M. 42| 13. , 1913 | — | — I 831 + 1[128—140 | 214-220 | 2,0 M. 43| 16. „ 1913 | — | — | 5,2] + [128—180 | 124—160 2,6 M. 44| 17. , 193 | — | — | 95 136—156 156—192, 1,1 M. 46| 19. „ 193 | — | — | #7| + [108—128 | 104—120 | 2,6 70 DIE RE 1913 | 0,32] 24 | 88| + | 108—166 | 120—130 1,2 ME A 20ER 1913 — I — | 3834| + 1160-168 | 208—228 | 2,0 zu Alben 1913 | 0,39| 1,6 | 62| + 80—130 110—140 | 2,5 1) + bedeutet, dass vor dem Hauptversuch 1 Stunde der Apparat leer Über den Kohlehydratumsatz des isolierten Herzens etc. Tabelle VI. Normale Herzen. 167 II. Periode I Puls- | Tropfen- B k emerkungen Art | frequenz zahl Zuckerschwund pro pro Minute | Minute | leer —_ _ 0 leer — —_— | 0 Hat einige Tage Glukose er- if: halten, 0,29%/0 Glykogen Herz | 88—72 120—110 1,5mgproGramm u.Std.| 5 Tage Hunger, in I. Pe- Herz | 138—120 | 186—122 Herz | 116—72 126—72 leer — leer — leer — Herz | 80—68 leer — leer — Herz 140—126 Herz | 160-230 Herz 112-100 leer — leer — Herz | 80-68 Herz | 124--128 Herz | 120-180 leer Herz | 96-84 leer — lief, und-dass im 8880 unz.—160 unz. 124—136 10092 200220 120-160 96—112 2,0mgpro Gramm u.Std. | 8 | 2,9mgpro Gramm u.Std.| 9 0,6mgpro Gramm u.Std. 0 10 mg 1,2mgpro Gramm u.Std. 4,2 mg pro Gramm u.Std. 2,2mg pro Gramm u.Std. 0 13 mg 0,9 mg pro Gramm u.Std. 1,2 mg pro Gramm u.Std. 2,3mg pro Gramm u.Std. 0 1 mg pro Gramm u. Std. 0 riode ohne Zucker ge- arbeitet Tage Hunger, in 1. riode ohne Zucker arbeitet Tage Hunger, in I. riode ohne Zucker arbeitet Analyse in Gesamtflüssig- keit ergab das gleiche 0,4°/o Glukose in Lösung, 0,24% Glykogen II. Periode in Brutschrank, 0 Zuckerschwund, 0,33 %/o Glykogen Leerperiode 0 Verlust II. Periode 2 mg Adrenalin zugesetzt Leerperiode 6 mg Verlust, 0,31°/o Glykogen Grünfutter Grünfutter Rüben und Heu Grünfutter Apparat selbst kein Verlust von Glukose eintrat. 168 ©. Loewi und O. Weselko: erlangen, zumal diese in den vorliegenden Untersuchungen zwar in den Händen eines Untersuchers sehr gleichmässige, aber unter- einander sehr verschiedene Werte lieferten, ein Umstand, der zum Teile möglicherweise durch die wechselnde Beschaffenheit der zur Herstellung der Lösungen verwandten Präparate bzw. des Wassers bedingt sein mag (Rona und Wilenko). (Siehe Tabelle VI auf S. 166 und 167.) Die Betrachtung der Werte des pro Gramm Herz und Stunde geschwundenen Zuckers ergibt, dass dieselben schwanken zwischen 1 mg und 3,6 mg. Letzterer Wert, der weit über dem sonst er- reichten Maximum von 3 mg liegt, wurde allerdings nur ein einziges Mal beobachtet. Eine vergleichende Betrachtung der Werte für den Zucker- schwund einerseits, der Kontraktionszahl und der Durchflussgrösse andererseits lässt keinerlei Beziehungen erkennen. Bei gleicher Tabelle VI. Adrenalinherzen. II fg Po 2 5 B | 1. Periode Soja je E —_— N Nur Num- RR E =S & 3 = Puls- Tropfer- E IE mer IS m 5 EB a © & fr equenz zahl > = 52 a a le Pro 72 pro a, N > | Be o [>] So Minute Minute 935 kg | a Le=ie ee IS 105 | 25. November 1913 | 2,3 84 | 0,36 132—160 | 150—164 | 0,5 106 | 26. 1913| 1,9 7,4 1 0,39] + | 124-112 | 140—170 1,1 109 9. Dezember 1913 | 2,7 | 10,4 | 0,39 96—138 160 _ ll 10 2219182091502 0051 120194 | 100130) — — 120 al 00 19a ee oo en ee) — 2 | 14. Januar 1914 — 7,21 — 80—110| 90—114 0,4 126 | 26 E 1914 2,2 6,7 | 0,3 126—120 | 126—131 0 ou len © aa 120 hen 04 120-122 unz.-140, 0 30 3. März 1913 2% 8,8 | 0,32 96 —120 | 106—136 0,7 7 6. Februar 1913 — 71,0 | — 84—140 | 146-152, 1,6 Da oe = 2 en 98 | 15. Mai 1913 2,4 4,7 | 0,2 102—140 | 104—152 N) 59 16 051913 225| 5,8 [0.21 120140 110-150 | 1,0 75 | 10. Juni 1913 2,6 7,2 1928| + 120 120—-150| 11 67 | 29. Mai 1913 1,4 4,4 10,31| + |120—140 140-180 | 09. 155 3. April 1914 2,0 | 6,7 | 0,33 120—122 | 122—124 | 0,8 Über den Kohlehydratumsatz des isolierten Herzens etc. 169 Frequenz und Durchflussmenge können extrem verschiedene Werte für den Zuckerschwund erreicht werden (vel. z. B. Versuch 71 und 74). Andererseits kommen hohe Werte bei geringerer Frequenz und Durchflussmenge und niedrige bei grosser vor (vgl. M. 41 und 62). Auch die in Normalversuchen allenfalls vorkommenden. allerdings wegen mangeluder Vergleichspunkte nicht graphisch registrierten, immer nur sehr geringfügigen Schwankungen der Kontraktilitätsintensität sind nach unseren, nunmehr sich auf mehr als 200 Versuche erstreckender Erfahrungen ohne regelmässigen Einfluss auf die Zuckerwerte. Es ist dies nicht sehr erstaunlich, da ja in unseren Versuchen das Herz keinerlei Arbeit leistet. Betrachten wir diese in einem anderen Zusammenhange, nämlich in dem mit den Monaten, in denen sie erhoben wurden, so finden wir, dass die niedrigsten Werte bis herunter zu 1 mg sich zusammen- drängen in einer bestimmten Jahreszeit, nämlich in den Monaten Tabelle VI. Adrenalinherzen. II. Periode Puls- Tropten- frequen; En Bemerkungen Art a Zuckerschwund | pro pro Minute Minute — ln =: = 0,16% Glykogen Herz 130—98 160--98 | 0,7mgproGrammu.Std. | 9 Tage Hunger, I. Periode | ohne Glykose gearbeitet Herz ' 80 |! 90-60 | 0,97mg p.Gramm u.Std. | 9 Tage Hunger, I. Periode | | ohne Glykose gearbeitet Herz 112—100 120—110 | 0,3mgproGrammu.Std. | 3 Tage Hunger, 1. Periode | | ohne Glykose gearbeitet _ 0,4°/o Glukose; 0,4°/o GlyK. — 0,4 °/o Glukose ; 0,11°/o Glyk. | 0 0,3 Yo Glukose; 1 Stunde bei 38° 0 Zuckerschwund ll Herz | 200—140 | 160—156 | 8mg pro Gramm u. Std. +0,2 3 | Natr. bicarb. leer —_ 0 leer —_— 0 — — 15 mg Grünfutter Herz 140—100 180—60 | 0,7mgproGrammu.Std. | 9mg Verlust in Leerperiode leer — _ | — Das Tier hatte nur 1 mg Adrenalin erhalten 170 O0. Loewi und O. Weselko: Mai und Juni. In diesen Versuchen ist auch der Verbrauch in der II. Periode meist geringer als in der I. In den übrigen Monaten liegen die Werte zwischen 2 und 3 mg; solche Werte wurden auch in den Versuchen von Wilenko in den Monaten Oktober bis Dezember und von Mansfeld im April gefunden. Die auffällig niedrigen Werte konnten herrühren von der besonderen Art der Fütterung; beginnt doch im April die Fütterung mit Grünfutter. Die Bedeutung dieses Faktors konnten wir durch den Nachweis ausschliessen, dass Fütterung von Tieren mit Winterfutter im April und Mai an den niedrigen Durchschnittswerten nichts änderte. Möglicherweise liegt hier ein Einfluss der Jahreszeit auf den Stoff- umsatz vor. Anhaltspunkte für die Bedeutung dieses Faktors bei Kaninchen liegen bereits vor. Kissel!) fand unter identischen Fütterungsbedingungen bei Kaninchen im Winter durchschnittlich dreimal soviel Glykogen in der Leber als im Sommer. Werth- mann?) fand, dass Hungerkaninchen im Sommer viel mehr von ihrem Eiweissbestand leben und die prämortale Stickstoffsteigerung erkennen lassen als im Winter und darum schneller zugrunde gehen. Die Ursache dieser Jahreszeitschwankungen ist unbekannt. Nun haben Seidell und Fenger°) in ausgedehnten Versuchsreihen gezeigt, dass der Jodgehalt der Schilddrüsen von Rindern und Schafen im Sommer nur ein Drittel so hoch ist wie im Winter. Andererseits hat Mansfeld gezeigt, dass nach Exstirpation der Schilddrüse bei Kaninchen die prämortale N -Steigerung ausbleibt, und Maclean‘) fand im hiesigen Institut unter den gleichen Be- dingungen eine merkliche Reduktion des Zuekerschwundes bei der Durchspülung der Herzen. Nach alledem könnte man vermuten, dass es auch in unseren Versuchen sich um Jahreszeitenschwankungen handelt und dass diese mit primären Funktionsschwankungen der Schilddrüse irgendwie in Zusammenhang stehen. Die Versuche in Tabelle VII (S. 168 und 169) bestätigen die Befunde Wilenko’s, dass vorgängige Adrenalinbehandlung von Kaninchen einen sehr viel geringeren Zuckerschwund als bei nor- 1) Kissel s. Gürber, Sitzungsber. d. phys.-med. Gesellsch. Würzburg Ss. 17. 51895. 2) Werthmann, Inaug.-Diss. Würzburg 1894. 3) Seidell und Fenger, Journ. of biol. chem. vol. 13 p. 517. 1912/1913. 4) Maclean, Zentralbl. f. Physiol. Bd. 27. 1913. Über den Kohlehydratumsatz des isolierten Herzens etc. 171 malen bedingt, und dass dieser Unterschied nicht etwa auf mecha- nische Minderleistung des Herzens oder geringeren Durchfluss zurück- zuführen ist. Über das Wesen des herabgesetzten Zuckerverbrauches etwas zu erfahren, war es notwendig, festzustellen, ob er sich beeinflussen lasse. Zunächst untersuchten wir den Einfluss des Zusatzes von Adrenalin selbst, das nachgewiesenermaassen [Rohde!), Evans?)] die Tätigkeit und den Gesamtumsatz des isolierten normalen Herzens wesentlich steigert und offenbar als Partiarfunktion auch den Zucker- schwund (Wilenko). Letzteren Befund konnten wir bestätigen. (Tabelle VIII und IX siehe auf S. 172 und 173.) Versuch 3 in Tabelle VIII zeigt, dass durch Adrenalinzusatz der Schwund ebenso hochgradig beim adrenalinvorbehandelten wie beim normalen Tiere (ebenda, Versuch 14) wird. Nunmehr prüften wir, welchen Einflus Tyrode-Lösung an Stelle Locke’scher habe, nachdem durch Rona und Neu- kirch?) deren bessere Wirkung auf die Herzaktion festgestellt worden war. Auch hier war ebenso wie beim normalen (Tab. VIII, Ver- such 5 und 68, vel. auch Rona und Wilenko) auch beim adrenalinvorbehandelten Herzen (Tab. VIII, Versuch 6 und 28) eine wesentliche Steigerung des Schwundes erkennbar, und zwar liegen die Werte bei beiden annähernd gleich hoch, sind jedenfalls wesent- lich höher als bei Locke-Durchspülung des normalen Herzens. Zu prüfen, welche Faktoren bei Benützung der Tyrode- Lösung diesen Einfluss übten, brachten wir zunächst die Locke- Lösung auf den Natronkarbonatgehalt der Tyrode’schen. Sowohl beim normalen (Tab. VIII, Versuch 69) wie beim adrenalinvorbehandelten Herzen (Tab. VIII, Versuch 31 und 32, Tab. VII, Versuch 7) trat eine Steigerung von annähernd der gleichen Grössenordnung wie bei Durchspülung mit Tyrode-Lösung ein. Darnach lassen Einflüsse, die die Herztätigkeit und damit den Gesamtumsatz steigern — nachgewiesen ist letzteres bis jetzt aller- dings nur für Adrenalin — die spezifische Herabsetzung des Zucker- sehwundes beim adrenalinvorbehandelten Tiere nicht in die Er- scheinung treten. Dass in der Tat nicht von der Tätigkeitssteigerung 1) Rohde und Ogawa, Arch. f. exper. Path. u. Pharm. Bd. 63 S. 401. 1912. 2) Evans, Journ. of physiol. vol. 47. 1914. 3) Rona und Neukirch, Pflüger’s Arch. Bd. 148 S. 285. 1912. Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd. 158. 12 punayas re) ANZ u88 19q| 1890} Zur 0g = == 209] | 87 |0°T-96 | 081-001 ‘op gtr| ze | zueme Izel| Is “qwaIq "EN yı | € SE %.T0 a> 1290} Sur} = — 2007 | 28 90109 | OFT —-0gL| nu 979077 zen 'y |ıe|| 35 a U = = 2001 | 87 |OLI-8EL |TLI-FFL| OpoakL 08 [los | “aaaszlsz|l < 5 pun wuwe.ıH9 ci od 3ucy F9I-9ET | OFT Tom 2‘ |osı—aar |scT—ger| Ppoaky EL | — | aaar'c |9 = 9punIg 000002/7 ex B pun wwe.ao) | umeugapy 2 = © ad Sur g, 080-097 098—06L "TI atm| CF | Fa 097 |'Zun—zey| u oy9orI 02 | 2a [enuer ‘er lg |) >F e | "qIBOIq EN {eb} j %o To E 12307 Sur IT — 2007 | 98 |'zun 0911008081 | Aw oysorT | + | 86 | Te | Tunp'e |69| — & 12307 Su ZI = =. | a | Ron Ian) 88 8 | — > 12904 Sur y = — Ei 98 1 008-F9T 0SI—-gIT| Ppoaky rs| - | aar |e = = 000003/ = punayos | upeuoapy E OPNZO08EIA 0 = — | 2007 | 0% zun—031|081—-0, | mw oyoorg || See © o [ A EN 8 5 & mut | Oynurp] a S | omumm | Synııpı - I punay)s o1d o1d 5 © o1d oad se |. ee 4 & 318 { uosunyaawag -1OY0nZ gez | zuonbaar MY 3 S gez zusnboay | #Sunsorf 3 m 2 3 ST6L = 5 -uopdorg, | -spug 05 -uoydorg| -sıng S|2E SE ua E B E=" eler|5* BE = z EEE ne = iz (72) 9poLag "II aponod I *UOSSHYULT UOAU9PAIHISI9AA AOJum U9ZIAyUNEUAAPY Pun -TEULION au D> . Ei IA STIOAe LT, 173 Über den Kohlehydratumsatz des isolierten Herzens etc. "op sur — — | 499] |Swa‘e |reqjyezun MIO] S Sep 7190498 OH vu | du cp | — —asar 0 rel rel 9/0 810 uodoyig| 0 TE — 2997 |3urc‘T | 9CI 09T 000.008), "IpV + — [Su 80 08T -FaL| — | ZI |Surg‘T | FeI 081 0/0 810 :U980Y4IH) 0 — — | 199] [Sw7y‘T 081 a T — | 2007 [3w6‘T | 067-001 0 088 Rq| Sur = — , 199] |Sug'z "zun—soL N num 35 528 num punayos oud > Se o1d = 1 n Jean -ıayonz 1UeZ B I gs s| I4ez -191U0 -uoJdons, 55 =: E -u9Jdons, [or pomeg "TI on eI6L “ 'oeler DD « = FI6l erjeri|| ® >> [or & B Do, FI ° ZLlrA B' e = FI6LZIEN OL | EFI = & B 2 yosıyojsÄs Auch aeqfyez |wunmeyp9ugo depnsorı | yyoıu 94907 yoemyos Rd %r aqgss 10617851 | 29719071 000 003/; umeusapy + ‘rg Juyo "op _ 971907 rn 9uyo ‘op — opoakL ‘op — ‘op ed Hugo ‘op — 97100 YICMLIS 000 003); uunog umeusapy + nz Joe [y9S pen Puyo wnngyanu) 2 — oY90rJ mu o1d Jaespnd zuonbo.ar Sunsor] Sad es N &0 u "g opo11adıo‘ soJyIIMaBIaL]L, SOPp us}u9zolg] ul zo su9ZzIaH SOp Jy9aInan) SaIOL], SOp PU BJANGFO) FIET Aa "La | 9EL Si te Id elsrmudv tr ITF zZ Ss wnyeq E 2 XI 1194 L a ——————L—L—L————————————————— 174 O0: Loewi und O. Weselko: unabhängige, etwa primäre Wirkungen von Adrenalinzusatz bzw. Tyrode-Durchströmung den Zuckerschwund steigern, geht daraus hervor, dass bei Ausschluss der Tätigkeit durch Weglassung von Calcium aus der Lösung weder Adrenalinzusatz (Versuch 144, Tab. IX) noch Tyrode-Durchströmung (Versuch 143, Tab. IX) steigernd wirken. Darnach könnte es auffällig erscheinen, dass in den Normal- versuchen zutage tretende Tätigkeitsschwankungen ohne erkennbaren besonderen Einfluss auf den Zuckerschwund sind. Hat man aber einmal ein in Locke-Lösung noch so gut schlagendes Herz mit einem in Tyrode-Lösung oder mit Adrenalinzusatz schlagenden vergleichen können, so ist der Unterschied ohne weiteres klar. Denn die letztgenannten Bedingungen ändern die Herztätigkeit ganz ‚gewaltig im Sinne einer maximal gesteigerteu systolischen Wirkung sowohl nach Intensität wie nach Dauer. Oft treten direkt systolische Stillstände ein. Um eine ganz andere Art der Aufhebung der Adrenalin- nachwirkung handelt es sich bei den nunmehr zu besprechenden Versuchen. Die Tyrode- Lösung ist nicht nur durch ihren höheren Gehalt an Natriumbikarbonat, sondern unter anderem auch durch ihren geringeren Kaligehalt von der Locke-Lösung verschieden. Es schien nun von Interesse, festzustellen, ob dieser Unterschied in der Kalikonzentration auch irgendwie von Einfluss sei. Aus diesem Grunde haben wir zunächst an normalen Herzen den Einfluss einer auf die Hälfte der normalen Locke-Lösung herabgesetzten Kali- konzentration geprüft (Tab. X). Vorab sei bemerkt, dass am Herzen ein Unterschied betreffend Kontraktionsintensität, Frequenz oder Durehfluss zwischen diesen beiden Lösungen nicht erkennbar war, auch dann nicht, wenn im gleichen Versuch von halber auf ganze Kalikonzentration übergegangen wurde. (Tabelle X siehe auf S. 175.) Betrachtet man die Werte für den Zuckerverlust, so bewegen sie sich innerhalb der gleichen Grenzen wie bei Durchspülung mit Locke-Flüssigkeit mit normaler Kalikonzentration. Keinesfalls werden so hohe Werte erreicht wie in den eben besprochenen Ver- . suchen, wo die Tätiekeit gesteigert war. Demnach bliebe beim normalen Herzen der Zuckerverbrauch durch Herabsetzung der Kalikonzentration unbeeinflusst. Diesem aus dem Durchschnitte von 15 Versuchen (Tab. X) gewonnenen Über den Kohlehydratumsatz des isolierten Herzens etc. O4 punayag "PS 'n wurean) 0.8400 + 0 :109] eponteg IT| — [Od Sm 1% | F9T—9LT 29-001) ZIeH | 6% |9LI-0°1 091-081 — | 8 | 9% |r16rzem ‘or | zrT ‘op — su c‘, == Er 199] rs 81a -918.|071 911 | + | — | CL | — |EI6T mag ‘or lien IsnIoA Iy9L9]S up -ddy-jpwoponeg'm| — | Fu ıı _ = 290 | 88 [001 #as Forest lt] — | 26 | — jersı me ‘6 [ac FR au SI z= — 99] L, | un —zIe SFI OF — |I&0L| — JEI6I Inf "Te |8F N aaynzunıy | — su gI ZE = 199] BG "zun 08T (F+|8E0| F8 | 88 [erst iunf , | 92 aaymyunag | — su FI = Fr 199] Go | zun—0F1 | 0FT—-01L| + [980 | 86 | 9a |ETeT ıunf 9 | 2 "DIS "N WIUNE.LK) | 0 :a9ay | — | oad Sur c‘T |opT—'zun | 08I—-07T OP IT 7an—097 or -eIıl+| Eo| «2 | «a | EI6T em '03| 09 | IOM PIg 'n unmean) %/or0'0 + | | 10 | od Su 97 [SIT FOL | GI „04 | 88 9EI-081 del — | 01 | — [ersrmady ‘os [za — - = = — eg |zun— 087 86-08 go| e2 | a [est zum 'aı| 65 = mus =: Tee = L’S | 08T 081 | 80T 08 Eo| EI | #5 |EI6T EM TIL | 2 punaypg Q 085 Tag OpomMag "II| — su 9] Sr >: A997 GG | FEI86 | 7808 80| 8 | 8a |EI6T zw OL | 9€ JSnJI9A UN yereddy ur uoyDoy ‚Jay yoeu oponiog ‘IT |800| Fu FI — = 2001 | 8% | 981-008 | 9EI—GEL eol| zz | 8a [rIer ua '92 | ser 200] wc] er or 199] 8a |9TTI 081 | 0208 950| 09 | Es [FI6T "ur '26 | EZ1 II 9po11aq ur punayag uIoy 088 194 ‘aypıo]3 sep 97090498 [IH oIAN|6To| Fu Cor = Fer J99[ Ga 006 -0PL | 98T 081 rE0| 78 | Sa |FI6L"TA9 1 "CZ | FEI er’ su g 23 2 190[ #@ 9al—0IL 081-001 | + | z0| 29 | 08 |FI6T wer '08| Fol DS em| 3 | 4 omum | aynumm 55 mu | opmum a2 o | punmys o1d oad Be: 35| od 02d 5 3] _|= 2 mi J [02] { uagunyrauog = -10onZ iqez | zuombaur — z iqez | zuomba.y E rg & ET ungeq = 08 -ugJdoag, | -snd | -usgdoa, | -smgd [5188| =. 23 8. g &3 IS |Isejl2e = li li spomag "II ‚ 2poMlog "I 3251|” "LOLJEAJUAZUONITEH AOJZIOKHFALAIOU 27, Jane ur U9ZIOH Uofeuntou uw HyonSsaoA X 21l24®L 176 OÖ. Loewi und ©. Weselko: Ergebnis gegenüber kommt es nicht in Betracht, dass in zwei (Versuch 22 und 142) von drei Versuchen, wo in der ersten Periode mit halber, in der zweiten mit normaler Kalikonzentration durch- spült wurde, in dieser der Zuckerverbrauch absank: einmal kommt dies unter anderem auch sonst in der zweiten Periode vor; ferner haben wir die Erfahrung gemacht, dass auch Änderung der Zusammen- setzung der Flüssigkeit als solche oft die Tätigkeit und auch den Zuckerverbrauch ändert. In den folgenden Versuchen durchspülten wir nun adrenalin- vorbehandelte Herzen ebenfalls mit Locke-Lösung, deren Kali- konzentration auf die Hälfte herabgesetzt war. (Tabelle XI siehe auf S. 177.) Ebensowenig wie bei normalen Herzen war bei diesen adrenalin- vorbehandelten eine Änderung des Typus oder der Frequenz der Herzkonzentration erkennbar. Während aber bei normalen Herzen Herabsetzung der Kalikonzentration der Locke-Lösung auf den Zuckerschwund ohne merklichen Einfluss ist, wurde hier der niedrige gerade auf die Grösse des normalen zurückgeführt. Nur in zwei Versuchen blieb dies aus, die in die Zeit fielen, da auch die normalen Herzen einen besonders geringen Schwund aufwiesen, nämlich im Mai; diese Saisonwirkung wird also dem Anscheine nach nicht durch Herabsetzung der Kalikonzentration beeinflusst. Diese beiden Ver- suche sind auch die einzigen mit halber Kalikonzentration angestellten, wo in der Leerperiode, wovon weiter unten noch die Rede sein wird, kein Zuckerverlust eintrat. Wir haben also hier eine von der Tätigkeit und somit höchst- wahrscheinlich auch vom Gesamtumsatz unabhängige einseitige Auf- hebung der Adrenalinwirkung vor uns: der Zuckerschwund wird gerade auf die Norm gebracht. Bevor wir auf die Diskussion dieses Ergebnisses eingehen, seien noch Versuche berührt, in denen wir in anderer Weise die Ionen- zusammensetzung der Locke-Lösung modifizierten. Da wir sonst allenthalben einen Antagonismus zwischen Kalium und Caleium finden, war anzunehmen, dass das Weglassen von Kalium erst recht den Zuckerschwund steigere. Versuch 49 auf Tabelle IX zeigt, dass diese Vermutung zutrifft. Andererseits war zu erwarten, dass das Herabgehen mit der Caleiumkonzentration die Adrenalinwirkung noch mehr zum Ausdrucke kommen liess. In der 177 Über den Kohlehydratumsatz des isolierten Herzens etc. ‘op 0 — 199] zT |zun—:008 |0FT—001 | * | Frol 96 | 88 |eIst “ 85] 99 opung n IOM oynzunan) LWUBIK) O.1d 09/700 -+ Sur () 2.100] su j [zun—0FpT | SIT-051 | 210 geT zun—051 |SFTI—seL| + | so | &2 | 98 |EIST N 22 | 9 - a E = 57 35 sg 1 zun—08T | 361-891 280 | Se | zT |sIeT © Sr] 8$ gl ‘op — su 0g — - 100] gg [zun—09T | 9ET—081 chloy Be) Ko] Kae en punayos -IONONZ 0 :086 194 YRISOUMIOTLT, wt uopungg &/,] 9POMOT "II _: su SL -- = 190] 6% 08T |F8T-001 a ek a Kae is = sur pP] - en 209] 88 | BST—-0OFL | 9SI—FPI 68°0 | 0°% | ET | SIT zu 9 | 88 a) Sur g — = 199] cz | 9ET—081 |8ET—081 | + | 880 | 29 | 2 |FIsı ° CL To Sur OT — 199] 6 zun—opT DEI-SELI + |680 | 08 | 6% I FI6T - "UL 2 Akt) su ST u — 190] 93 |08T-001 | 88T—831| + | IE0 | 67 | ES | FI6T ‘wer ‘ST | Tel 50 su FI — _ 190] #3 008—021|., 091 + I 2r0 | 0°6 | 6T | 8161 "0a 'E3 | 081 | | N N ati 3 | 51 omumm | oymumm 5358| omum | opum a8 ! | 0 I I ® N punayos o1d o.1d ® oxd oad Sen es 2 umz zuonboi HIV ums BZ zusnbou | 8 I8 Fieoaleo = uosumnypouogg | 18 "don 22 ra 555 3° ; ul: D| m$ 3 wınye(l E -oyA9) -uordons, -sng =: -uoJdonT, -smd a Pen] Men: mE 3 er & DB 8 + art Bi " = a a tn er & S 177} a Saas u aponod a “> "IX @1194%8L ‚178 O0. Loewi und ©. Weselko: Tat ist dies der Fall. wenn wir die halbe Caleiumkonzentration an- wenden; in Versuch 145 auf Tabelle IX ist überhaupt kein Zucker aus der. Lösung geschwunden. Liessen wir dagegen das Calcium sanz aus der Lösung fort und setzten damit die Bedingung, unter welcher nach Locke’s und nach einem eigenen Versuche (Tab. IX, Versuch 41) das Herz nicht viel weniger Zucker schwinden macht als bei normaler Caleiumkonzentration, so trat bei Adrenalinherzen sehr unerwarteterweise nicht nur keine Minderung des Schwundes ein, sondern es schwand mehr als bei Lock e- Durchspülung (Tab. IX, Versuch 42, 136). Ob hieran etwa eine durch den völligen Stil- stand bedingte Änderung des Chemismus beteiligt ist, bleibt dahin- gestellt. Es sei aber daran erinnert, dass die Hemmung der Permeabilität roter Blutkörperchen für Urethan in reiner Caleium- chloridlösung wesentlich geringer ist als bei geringer Beimischung von Caleiumehlorid zu der die Permeabilität fördernden Natrium- chloridlösung [Mieulieich!)]. Es mag eben das völlige Fehlen eines Ions etwas ganz anderes bedeuten als die blosse auch noch so intensive Konzentrationsherabsetzung. ; Zusammenfassend ergibt sich: Die Herabsetzung des Zuckerverbrauches isolierter Herzen adrenalin- vorbehandelter Kaninchen tritt nicht in die Er- scheinung, einmal, wenn die Herztätigkeit (dureh Adrenalinzusatz oder durch Durchströmung mit Tyrode-Lösung bzw. Konzentrationssteigerung des Natriumbikarbonats) verstärkt wird, zum anderen, wenn die Kalikonzentration der Locke-Lösung aufdie Hälfte reduziert wird; im ersteren Falle steigt auch der Zuckerverbrauch normaler Herzen, im letzteren nieht. Es wirkt mit anderen Worten die Herabsetzung der Kalikonzentration nur auf das Adrenalinherz. II. Wir haben bisher ganz allgemein von vermindertem „Zucker- schwund bzw. Verbrauch“ bei der Durchströmung von Herzen adrenalinvorbehandelter Tiere gesprochen. Bevor wir nun der Frage nach der Ursache der Verminderung nähertreten, haben wir zu er- örtern, was der Zuckerschwund überhaupt bedeutet. Bereits Locke und Rosenheim sowie Mc. Lean und Smedley haben durch 1) Miculicich, Zentralbl. f. Physiol. Bd. 24 S. 523. 1910. Über den Kohlehydratumsatz des isolieıten Herzens etc. 179 Analyse des Zuckergehaltes des Herzens nachgewiesen, dass eine blosse Adsorption durch dies richt statthat. Auch eine Polymerisierung des Zuckers kommt nicht in Frage, wie sie Levene und Meyer!) sowie neuerdings Röhmann?) unter anderen Bedingungen be- obaehteten; weder Locke und Rosenheim noch wir konnten in zahlreichen Versuchen auch nur ein einziges Mal durch Kochen der Spülflüssigkeit mit Salzsäure während 2 Stunden im Wasserbad eine Veränderung des Reduktionsausgangstiters feststellen. Dass auch nicht eine für den Zuckerschwund verantwortliche Polymerisierung zu Glykogen stattfindet, geht aus dem Vergleich der Glykogenwerte vor und nach dem Versuche hervor (s. oben); dort wurden auch die Gründe angeführt, die eine primäre Verwendung des Herz- glykogens und sekundäre Verwendung der Glukose zur Glykogen- bildung ausschliessen. Bleibt also nur die Möglichkeit, dass der Zucker zerstört wird. Den direkten Beweis dafür haben Rohde und Evans erbracht. In den Versuchen des letzteren wurde die Glukose völlig oxydiert. Wo dieser Nachweis nicht, mittels Er- mittlung des R.-Q. erbracht wird, dürfen wir nur schliessen, dass sie mindestens so weit zerstört wurde, dass sie durch Reduktion mit Fehling-Lösung nicht mehr nachzuweisen ist. Diese Stufe der Zer- störung ist es aber gerade, die uns in besonderem Maasse interessiert ; ‘ denn hier setzt ja beim Diabetes die Störung ein. Es entsteht nun die Frage, welcher Art (diese Zerstörung ist. Nach allen Vor- stellungen, die man sich über die erste Stufe des Zuckerabbaues — und nur dieser gelten ja unsere Versuche — bisher gebildet hat, wird Sauerstoff nicht benötigt, und es ist eindeutig nachgewiesen, dass Glykolyse in vitro unter anaeroben Bedingungen eintreten kann und in der Tat in hohem Ausmaasse auftritt [Rona und Döblin?), vgl. auch Griesbach*)]. Sauerstoff soll allerdings fördernd wirken (Rona und Döblin); wohl dadurch, dass er die Weiter- spaltung hemmende Spaltprodukte (etwa Milchsäure) weiter oxydiert ? Für das Herz hat den gleichen Befund bereits Rohde?) erhoben. Wir haben nun geprüft, ob diese Feststellung auch für unsere 1) Levene and Meyer, Journ. of biol. Chem. vol. 9 p. 97. 1911. 2) Röhmann, Internat. Physiologen-Kongress. Groningen 1913. 3) Rona und Döblin, Biochem. Zeitschr. Bd. 32 S. 489. 1911. 4) Griesbach, Biochem. Zeitschr. Bd. 50 S. 457. 1913. 5) Rohde, Internat. Physiologen-Kougress. Groningen 1913. Zentralbl. f. Physiol. Bd. 27 S. 1114. 1914. 180 O. Loewi und O. Weselko: Versuchsanordnung gilt. Zu diesem Behufe durchströmten wir in einigen Versuchen nicht mit Sauerstoff, sondern mit Stickstoff, dessen O;-Gehalt laut eigener Analyse nur 0,60 betrug. Versuche mit N-Durchleitung. Zucker- = = EB) 3 5 Zucker- a a ES schwund S Datum 3=2 A 2 munı in toto Bemerkungen 3 5 5 le [pro Gramm) Tahrend = kg 8 und Stunde Leerperiode 34 17. Oktober | 2,4 8,6 3,8 14 mg In 1]. Herzperiode O Verbrauch 85 18. Oktober | 3, 13,5 2,6 0 146 | 16. März 2,2 6,7 9,4 8 mg 148 21. März 2,15 6,9 39 10 mg Im Brutschrank O Verbrauch 149 | 23. März 1,65 5,0 3,0 —_ 153 | 1. April 11,9) 6,7 3,9 | — Adrenalin- vorbehandelt Durch die Versuche wird dargetan, dass das unter anaeroben Bedingungen nicht oder kaum schlagende Herz sogar wesentlich mehr Zucker spaltet als das oxybiotisch gehaltene. Dieser Befund steht in Analogie zu dem von Embden!), wonach durch Blausäure die Hämoglykolyse stark gesteigert wird, und bestätigt Rohde’s Ergebnisse. Weiter frägt sich, ob die Zuckerzerstörung Folge eines fermenta- tiven’ Vorganges ist. Als J. Müller?) als erster den Zuckerverlust bei Durch- strömung des isolierten Katzenherzens nachgewiesen und daraufhin den Zucker als Quelle der Muskelkraft angenommen hatte, wurde mit Rücksicht darauf, dass die Flüssigkeit ohne Herz weiter Zucker spaltete, der Einwand gemacht [Kolisch?)], es handle sich nicht um spezifischen Verbrauch durch die Muskelarbeit, sondern um die Wirkung eines glykolytischen Fermentes, wie es in den Organen und Organsäften vorkomme. Auch Camis*) sieht einen Gegensatz in der Zuckerzerstörung durch Arbeit bzw. Grundumsatz und durch fermentative Glykolyse. Unseres Erachtens besteht aber zwischen 1) Griesbach, Biochem. Zeitschr. Bd. 50 S. 457. 1913. 2) J. Müller, Zeitschr. f. allg. Physiol. Bd. 3 S. 282. 1904. 3) Kolisch, Zentralbl. f. Physiol. Bd. 17 S. 754. 1904. 4) Camis, Arch. ital. de biol. t. 60 p. 113. 1915. Über den Kohlehydratumsatz des isolierten Herzens etc. 181 Lebenstätigkeit und Fermentwirkung kein Gegensatz. Der Nachweis der Wirkung eines Fermentes ändert gar nichts an der Auffassung der Zuckerzerstörung als eines an das Leben bzw. die Tätigkeit der Zelle geknüpften Vorganges; wenn auch der Vorgang selbst ein fermentativer ist, bleibt doch gerade die quantitative, hemmende oder fördernde Regulierung, sei es der Fermentproduktion, -aktivierung oder -wirkung, eine höchst vitale Funktion. Dass es gelingt, mit Hilfe von nicht geformten Gewebebestand- teilen Zucker zu zerstören, ist eine allgemein bekannte Tatsache [vgl. z. Be Oppenheimer!') und v. Fürth?)]. Dass auch beim Warmblüter diese Fähigkeit nicht an die Struktur geknüpft sein muss, geht besonders schön aus den Versuchen von Rona und Arnheim?) hervor, wonach lackfarbenes Blut, sofern ihm in ent- sprechender Weise Phosphatmischung oder Natriumbikarbonat zu- gesetzt wird, Zucker spaltet. Wir haben nun Beobachtungen gemacht, die a priori kaum anders als durch die Annahme der Wirksamkeit eines auch im Herzen wirksamen glykolytischen Fermentes zu deuten schienen und auf die wir aus mehrfachen Gründen nunmehr einzugehen haben. Wenn wir nach Abnahme des Herzens aus dem Apparat die Flüssigkeit in diesem durch den Druck des Sauerstoffs weiter zirkulieren liessen, trat häufig, wenn auch keineswegs regelmässig, ein weiterer Zuckerverlust in der Flüssigkeit ein. Der Verlust be- trug zwischen 5 uud 30 mg auf 150—200 eem Flüssigkeit im Laufe von 1—1!/2 Stunden. Die Detailangaben darüber finden sich in den früher mitgeteilten Versuchen (unter Leerperiode). Kontrollversuche, in denen wir den Apparat mit Locke-Lösung, aber ohne Herz, bis zu 9 Stunden laufen liessen, ergaben uns sowenig wie Locke und Rosenheim auch nur den geringsten Verlust an Glukose. Er hat also das Herz etwas an die Flüssigkeit abgegeben, das Zucker zerstört. Eine mündliche Mitteilung dieses Befundes an Prof. Starling veranlasste diesen zur Nachprüfung *). Die Ergebnisse dieser waren folgende: 1) Oppenheimer, Die Fermente, 3. Aufl. 1910. 3) v. Fürth, Probleme d. phys. u. path. Chemie. 1913. 3) Rona und Arnheim, Biochem. Zeitschr. Bd. 48 S. 35. 1913. 4) Patterson and Starling, Journ. of physiol. vol. 47 p. 137. 1913. 182 O0. Loewi und ©. Weselko: Tabelle I. Glycolysis in perf. Fluid. Glucosefound] In waterbath Circulat. and at end at 37°C. | Änderung | oxygen. for Änderung of exp. |fortwo hours two hours %o % mg % mg 1, Cats. a, 0,263 0,263 0 0,363 0 DR N 0,247 0,259 +12 0,257 + 10 ER EB RIERT ER 0,273 0,276 En) 0,265 — 8 EN IRRE REN 0,264 — p= 0,248 — 16 5. dog. (diabetic) -0,129 — a 0,130 ı Be 5 0,263. _ — 0,253 — 10 Nie trat im Brutschranke eine Verminderung, einmal allerdings eine fast ausserhalb der Fehlergrenzen gelegene Vermehrung ein. Im Apparate änderte sich zweimal gar nichts, einmal trat eine Ver- mehrung ein, dreimal ein weiterer Zuckerverlust mindestens von der gleichen Grösse, wie wir ihn fanden. Die Ergebnisse decken sich also mit den unserigen; es findet unter Umständen ein Verlust statt. Es frägt sich nun zunächst, ob der Verlust etwa auf Bakterien- wirkung zurückzuführen sei. Letztere glauben wir aus folcenden Gründen ausschliessen zu müssen: Wir haben in nicht einem einzigen Versuche, wo wir Verlust im Apparat hatten, auch nur den mindesten gehabt, wenn wir eine Probe der Flüssigkeit bei 58° im Brutschranke hielten, auch dann nicht, wenn wir sie bis zu 6 Stunden dort beliessen. Damit be- stätigen wir gleichzeitig den Befund von Locke, Rosenheim und Starling. Wäre aber der Verlust in der Flüssigkeit bakteriellen Ursprunges, dann hätte er sich auch im Brutschranke müssen nach- weisen lassen, da alle bakterielle Zuckerzerstörung auch anaerob vor sich geht. Dagegen könnte man einwenden, dass der Sauerstoff im Apparat eine eventuelle bakterielle Wirkung begünstige, und dass der Verlust iım ganzen ein so geringer sei, dass, ohne die begünstigende Wirkung des Sauerstoffes im Brutschranke er gar nicht in die Er- scheinung trete. Dieser Einwand verliert seine Bedeutung gegenüber den folgenden Beobachtungen: Wir haben gerade in den Versuchen, in denen während der Herzperiode wenig Zucker aus der Lösung schwand, auch in der Leerperiode keinen Verlust gehabt. Dass nicht etwa der geringe Verlust in der Herzperiode in diesen Ver- suchen umgekehrt Folge davon ist, dass dabei nicht gleichzeitig in Über den Kohlehydratumsatz des isolierten Herzens etc. 183 der Lösung Zucker zerstört wurde, geht daraus hervor, dass oft hohe Werte in der Herzperiode ohne Verlust in der Leerperiode und, allerdings nur ganz ausnahmsweise, niedrige Werte mit nachträglichem Verlust beobachtet wurden. Demnach hat der nachträglich fest- zustellende Verlust in der Lösung keinen nennenswerten Einfluss auf die Grösse des Verlustes in der Herzperiode. Wäre aber eine bakterielle Wirkung im Spiel, so wäre nicht zu verstehen, warum diese in ihrer Intensität sich nach dem grösseren oder geringeren Verbrauch des Herzens richten sollte. Schliesslich fanden wir den Verlust in der Leerperiode canz regelmässig unter bestimmten Be- dingungen, nämlich in den Versuchen, in denen Locke-Lösung mit halber Kalikonzentration zur Anwendung gelangte. Dass diese serinefügige Modifikation eine Bakterienwirkung fördern sollte, liegt ausserhalb des Bereiches der Wahrscheinlichkeit. Wir schliessen demwach, dass der Verlust in der Leerperiode nicht durch Bakterien bedingt ist. Demnach lag es am nächsten, in Analogie zu anderen Beobachtungen dafür ein elykolytisches Ferment, das je nach den Bedingungen in die Flüssigkeit ab- geschieden wird oder nicht, verantwortlich zu machen. Nun fanden wir aber, wie bereits erwähnt, niemals auch bei 9 Stunden währen- dem Aufenthalte im Brutschranke einen Verlust an Glukose. Wenn er nachweisbar war, so war er es nur bei Zirkulation der Flüssigkeit im Apparate. Beide Befunde sind nicht ohne weiteres vereinbar mit der Annahme der Gegenwart eines Fermentes. Was den ersten Befund anbetrifft, so ist es ohne Analogie, das Stehen bei 39° eine Wirkung nicht nachweisbar werden lassen sollte. Was den zweiten anbetrifft, so ist mindestens bislang eine Schüttelaktivierung nicht nachgewiesen. Allerdings mögen die für bestimmte Fermente nach- gewiesenen Wirkungsmodifikationen nicht für alle Geltung haben. Inder Tat liegen gerade für das glykolvtische Ferment bereits Beobachtungen vor, die an eine aktivierende Wirkung des Schüttelns denken liessen. Rona und Döblin fanden nämlich, dass geschütteltes Blut eine stärkere Glykolyse zeigte als ruhig stehendes. Sie bezogen das auf die fördernde Wirkung des O,. Nun fanden sie aber keine Differenz in der Wirkung von Luft und von reinem O, auf den Grad der Glykolyse, die man vielleicht hätte erwarten können. Des weiteren fanden sie öfters den gleichen Grad der Glykolyse, ob sie das Blut schüttelten oder anaerob hielten (Versuch 34) oder ob sie Sauerstoff oder Wasserstoff durchleiteten. Darnach liest mindestens 184 O0. Loewi und OÖ. Weselko: die.Mösglichkeit vor, dass nicht der Os, sondern die Schüttelung das fördernde Moment in ihren Versuchen darstellte; allerdings waren diese mit Formelementen angestellt und nicht mit Fermentlösungen. Immerhin schien hiernach unsere Beobachtung, wonach Zucker zer- stört wurde, nicht im Brutschranke, wohl aber bei Zirkulation der Flüssigkeit im Apparate, und zwar auch in Fällen, wo reiner Stick- stoff durchgeleitet wurde, nicht gegen den fermentativen Charakter dieser Zerstörung zu sprechen. Doch schien es uns notwendig, dies auf einem direkteren Weg zu prüfen. Zunächst ermittelten wir, ob auch bei Schüttelung ausserhalb des Apparates ein Zuckerverlust eintritt. Zu diesem Zwecke durch- strömten wir das Herz 2 Stunden mit Locke-Lösung mit 0,02 statt mit 0,04 Kaliumchlorid, und zwar diente als Druckquelle nicht eine Sauerstoff-, sondern eine Stickstoffboombe. Am Ende der Herzperiode wurde die Reduktion bestimmt, dann wurden Proben entnommen: a) wurde 1!/a Stunden bei 40° im Brutschranke gehalten, b) wurde in eine Thermosflasche eingefüllt und in dieser durch entsprechende Anordnung die Luft durch Stickstoff verdrängt. Dann wurde sie bei 40° geschüttelt. Nach 1!/s Stunden wurde in beiden Proben die Reduktion bestimmt und mit der verglichen, die zu dieser Zeit in der Lösung, die inzwischen im Apparate weiterzirkuliert hatte (e), sich fand. Es ergab sich in drei Versuchen, dass die im Brut- schranke gehaltene Probe (a) ihren Ausgangstiter behalten hatte. In Probe b hatte die Reduktion abgenommen, und zwar um an- nähernd so viel wie die im Apparat weitergeschüttelte Flüssigkeit (e). Aus diesen Versuchen zeht hervor, dass Schütteln im Gegensatz zur ruhenden Digestion auch ausserhalb des Apparates zu Abnahme der Reduktion führt, und zwar auch dann, wenn kein Sauerstoff vorhanden ist. Um festzustellen, ob die Zuckerzerstörung an die Gegenwart eines selösten Fermentes geknüpft sei oder nicht, gingen wir nun weiter so vor, dass wir die leicht opaleszierende Flüssigkeit, die nach Durchströmung des Herzens resultiert und die, wie wir eben nachwiesen, bei Schüttelung Glukose zerstörte, zentrifugierten und dann den geringfügigen Bodensatz einerseits, die darüber stehende klare Flüssigkeit andererseits auf ihr Zuckerzerstörungsvermögen prüften. Es stellte sich nun höchst unerwarteterweise heraus, dass die Fähigkeit, Zucker zu zerstören, an den Niederschlag gebunden ist, während die abgeheberte Flüssigkeit ohne jegliche Wirkung war. Über den Kohlehydratumsatz des isolierten Herzens etc. 185 Es hat sich also der Nachweis des Austrittes eines glykolytischen Fermentes vom Herzen in die Flüssigkeit nicht führen lassen. Dem- nach bleibt der ganz regelmässige Eintritt der Glykolyse in der Leerperiode unter der Bedingung, dass statt 0,04°%0 nur 0,02 %0 Kalichlorid in der Lösung vorhanden ist, zunächst völlig unverständlich. Andererseits ist natürlich damit nichts gegen die Existenz eines endozellulären glykolytischen Fermentes bewiesen. Es frägt sich nun, ob wir auf Grund des gesamten vorliegenden Materiales uns eine Vorstellung bilden können über die Ursache der verminderten Zuckerspaltung bei adrenalinvorbehandelten Tieren. Nachgewiesen wurde sie ausser am Herzen auch noch am Blute in vitro, und zwar tritt sie auch hier ebenso wie beim Herzen nicht ein bei Zusatz von Adrenalin zum Blute, sondern nur nach Vor- behandlung des Tieres mit Adrenalin: Es wirkt also, mit anderen Worten, auch hier das Adrenalin nicht direkt hemmend, sondern auf einem Umweg. Dies hat, wie nachdrücklich hervorgehoben sei, zum erstenmal L&pine!) gefunden. Vandeput?) hat es in einwandfreien Versuchen bestätigt. Das gleichartige Verhalten von Blut und Herz legt den Gedanken an einen gleichartigen Mechanismus sehr nahe. Vandeput betrachtet die Glykolysehemmung als Folge . von allgemeinen Zirkulations-- und Atmunesänderungen, die der Adrenalininjektion folgen sollen. Nun mögen diese bei Hunden, an denen Vandeput experimentierte, sehr hochgradig sein; an Kaninchen von 1,5—3,0 kg führte die Injektion von 2 mg Adrenalin wohl zu etwas gesteigerter Atmung und Herztätigkeit, aber nicht zu irgendwie schweren Vereiftungserscheinungen. Die Injektion von 1 mg hat über- haupt keine merkliche Störung zur Folge, und doch ist die Störung der Zuckerspaltung nachweisbar (Tab. VII, Versuch 155). Vor allem aber spricht gegen Vandeput’s Deutung die Tatsache, dass die Zucker- zerstörung sowohl von seiten des Herzens (Cruishank) wie von seiten des Blutes [Lepine, Edelmann°), Vandeput] ja auch bei pankreaslosen Tieren herabgesetzt ist, und zwar nicht etwa wenn sie infolge der eben überstandenen Operation noch elend sind, sondern erst einige Tage darnach, wenn die diabetische Störung 1) Lepine, Lyou med. t. 100 p. 91. Zitiert nach Maly’s Jahrb. S. 655. 1903. 2) Vandeput, Arch. int. de physiol. t. 9 p. 292. 1910. 3) Edelmann, Biochem. Zeitschr. Bd. 40 S. 314. 1912. 186 ©. Loewi und ©. Weselko: ihren Höhepunkt erreicht hat. Da die Glykolyse sehr empfindlich ist gegen Säure, andererseits bei adrenalindiabetischen Tieren die Blutalkaleszenz herabgesetzt sein soll [Foä und Gatin-Gruzewskat), Elias?)], konnte daran gedacht werden, dass Säuerung die Ursache der herabgesetzten Glykolyse ist. Mit dieser Auffassung würde übereinstimmen, dass stärkerer Natriumbikarbonatgehalt der Speisungs- flüssigkeit in der Tat die Störung behebt. Schwer verständlich ist dann aber, dass sie auch ausbleibt bzw. behoben wird unter Be- dingungen, wo eine Alkaleszenzsteigerung ausgeschlossen erscheint; solche sind gesteigerte Tätigkeit des Herzens infolge Adrenalinzusatz, ferner Herabsetzung der Kalikonzentration der Locke- Lösung. Darnach ist es nicht wahrscheinlich, das Säuerung als wesentliche, gar als einzige Ursache in Betracht kommt. Es könnte auch daran gedacht werden, dass etwa die sowohl nach Pankreasexstirpation wie nach Adrenalininjektion bestehende Hyperglykämie die Zuckerspaltung von seiten des isolierten Herzens hemme. Dagegen spricht, dass Durchspülung mit 0,4 %o Glukose (Tab. VI, Vers. 130) die Zucker- spaltung nicht herabsetzt und dass auch 1!/estündige Spülung von Adrenalinherzen mit glukosefreier Lösung ohne Einfluss auf die Hemmung der Spaltung ist (Tab. VII, Vers. 109, 111, 114). Nach alldem ist die Hyperglykämie als solche kaum der maassgebende Faktor. Vielmehr dürfte das Adrenalin durch spezifische Beeinflussung eines Organes, das auf chemischen Wege die Zuckerspaltung reguliert, wirken. Der Vorgang, auf den sich diese Regulierung erstreckt, dürfte ein fermentativer sein, nachdem einerseits die Blutglykolyse fermentativ ist (Zustandekommen. in gelöstem Blut), andererseits Adrenalinvorbehandlung diese wie die Glykolyse im Herzen hemnit. Wenn wir versuchen wollen, uns eine Vorstellung von der Art der Beeinflussung des glykolytischen Vorganges zu machen, so kommen wir allerdings über eine blosse Hypothese nicht hinaus. Die Tatsache, dass es gelingt, durch die verschiedensten Eingriffe lie bestehende Hemmung der Glykolyse aufzuheben, spricht dafür, dass nicht etwa Mangel an Ferment besteht, sondern, dass dessen normale Wirkungsbedingungen geändert sind. Suchen wir uns von der Art dieser Änderung eine Vorstellung zu machen, so drängt sich uns die Tatsache auf, dass oft da, wo Hemmung der Glykolyse 1) Foa et Gatin-Gruzewska, Compt. rend. soc. biol. t. 59 p. 144. 1905. 2) Elias, Wiener med. Wochenschr. 1913 S. 1997. _ Über den Kohlehydratumsatz des isolierten Herzens etc. 187 besteht, gleichzeitig die Glykogenolyse gefördert ist, so beim Diabetes und bei Säuerung, dass umgekehrt Alkali die Glykolyse fördert, die Glykogenolyse hemmt. Dies häufige Zusammentreffen von Glykolyse- hemmung und Glykogenolyseförderung lässt nun daran denken, dass möglicherweise das gleiche Moment für den quantitativen Ablauf beider Prozesse bestimmend ist, in der einen Richtung fördert, in der anderen gleichzeitig hemmt und: umgekehrt. Nun hat Lesser') die Entdeckung gemacht, dass die postmortale Glykogenolyse bei Fröschen durch Pankreasexstirpation wesentlich gesteigert ‚wird und hat auf Grund seiner früheren "Untersuchungen diese Erscheinung darauf zurückgeführt, dass dureh die Pankreasexstirpation ein Diffu- sionshindernis, das sonst zwischen Glykogen und Diastase besteht, weggeräumt wird. Entsprechend der obigen Hypothese würde da- - durch gleichzeitig das Zusammenkommen von Glykose und Ferment erschwert sein. Die „Heilmittel“ würden dies Zusammenkommen fördern; also eine Art von Permeabilitätsstörung beseitigen. So ver- lockend es ist, in dieser Art die beiden wesentlichen Störungen beim Diabetes auf eine einheitliche Ursache zurückzuführen, so bleibt doch noch alles zu tun, um eine derartige Anschauung auf ihre Halt- barkeit zu prüfen. Untersuchungen in dieser Richtung sind im Gange. Zusammenfassung. 1. Der Glykogsengehalt von Kaninchenherzen ist vor und nach Durchströmung im Locke’schen Apparat annähernd der gleiche; es wird also bei der Durch- strömung Glykogen nicht angegriffen. 2.°Der Glykogengehalt von Herzen adrenalin- vorbehandelter Kaninchen ist annähernd ebensogross wie der normaler; auch er wird bei der Durch- strömung nicht geringer. 8. Bei Durehströmung mit glukosefreier Locke- Lösung verlieren sowohl normale wie Adrenalin- herzen fast völlig ihr Glykogen, auch dann, wenn statt mit Sauerstoff mit Stickstoff oder wenn mit ealeiumfreier oder mit lävulosehaltiger Locke-Lösung durcehströmt wird; es ist also der Glykogenschwund unabhängig von der Grösse des Glukosebedarfs, ab- 1) Lesser, Biochem. Zeitschr Bd. 55 S. 355. 1913. Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd. 158 13 188 0. Loewi und ©, W. Weselko: Über den Kohlehydratumsatz etc. hängig allein davon, ob Glukose in der Lösung vor- handen ist oder nicht. 4. Hat man durch glukosefreies Regime normale und Adrenalinherzen fast glykogenfrei gemacht und durchströmt sie nunmehr mit glukosehaltiger Lösung, so spaltet auch dann das Adrenalinherz weniger Glukose als das normale; es besteht also beiersterem eine primäre Schwächung der Fähigkeit, Glukose zu spalten. 5. Diese lässt sich auf verschiedene Weise beein- flussen: Steigerung der Herztätigkeit, hervorgerufen dureh Adrenalinzusatz bzw. Durehströmung mit Tyrode-Flüssigkeit, und Durehströmung mit Locke- Lösung ohne Sauerstoff steigert die Grösse der Zuckerspaltung durch die Herzen adrenalinvor- behandelter Tiere ebenso sehr wie die durch die Herzen normaler Tiere. Herabsetzung der Kalikonzentration der Locke- Lösung, die ohne Einfluss auf die Grösse der Zucker- spaltung normaler Herzen ist, hebt die adrenalinvor- behandelter Herzen auf die Norm. Durchströmung mit ealeiumfreier Locke-Lösung steigert deren Glukosespaltung ebenfalls, wenn auch nicht in gleichem Maasse. 6. Wird die Flüssigkeit, cher das Herz damit ‚durchströmt wurde, bei 38° stundenlang stehen- gelassen, so schwindet kein Zucker daraus Wird sie dagegen im Apparat oder ausserhalb desselben bei Gegenwart von Sauerstoff oder bei Verdrängung des- selben dureh Stickstoff geschüttelt, soschwindetmit- unter Glukose, ganz regelmässig, wenn die benutzte Flüssigkeit statt 0,04% nur 0,02% Kaliumehlorid ent- hält. Dieser Glukoseschwund ist an die Gegenwart seformter Elemente gebunden, die vom Herzenin die Flüssigkeit übergetreten sind; denn die durch Zentri- fugieren gewonnene klareFlüssigkeithatkeineglyko- lytischen Eigenschaften mehr. 189 (Aus der zoologischen Station Neapel.) Zellstruktur und Oxydationsgeschwindigkeit nach Versuchen am Seeigelei!'). Von Otto Warburg. (Mit 1 Textfigur und Tafel I.) Auf Grund von früher beschriebenen Experimenten wurde die Theorie aufgestellt, dass die Oxydationsbeschleunigung, die beim Ein- tritt des Spermatozoons in das unbefruchtete Seeigelei erfolgt?), auf einer Veränderung der Zellgrenzschicht beruhe. Die Theorie führt auf folgende Fragestellung: Wirkt die Grenzschicht auf einen von ihr getrennten Reaktionsmechanismus, etwa indem sie Fermente des Eiinnern aktiviert, oder ist der Zusammenhang ein engerer, der- gestalt, dass der Oxydationsanstieg an das Bestehen der Grenzschicht gebunden ist? Im ersten Fall wäre zu erwarten, dass nach Zer- _störung der Grenzschicht der Oxydationsanstieg bestehen bliebe; im zweiten Fall müsste der Oxydationsanstieg bei Zerstörung der Grenzschicht wieder verschwinden. Versuche, die hier entscheiden sollten, wurden schon vor Jahren auf meine Veranlassung von O. Meyerhof?) begonnen. Seeigel- eier wurden mit Sand zerrieben und die Oxydationsgeschwindigkeiten vor und nach dem Zerreiben verglichen. Es ergab sich, dass die Oxydationsgeschwindigkeit nach dem Zerreiben unbefruchteter Eier 1) Die Angaben über den Gegenstand in Asher-Spiro, Ergebn. d. Physiol, Bd. 14 S. 253, werden durch die vorliegende Untersuchung experimertell begründet und ergänzt. 2) Vgl. Hoppe-Seyler's Zeitschr. f. physiol. Chemie Bd. 57 S.1. 1903; dieselbe Zeitschr. Bd. 66 S. 305. 1910; ferner J. Loeb und Wasteneys, Biochem. Zeitschr. Bd. 36 S.351. 1911, und Journ. Biol. Chem. vol. 14 p. 469. 1913. 3) 0. Warburg u. 0. Meyerhof, Pflüger’s Arch. Bd, 154 S. 599. 1913. 13* 190 Otto Warburg: zunächst nur wenig kleiner war als die der intakten Eier, dass sie dagegen beim Zerreiben befruchteter Eier nicht unbeträchtlich ab- sank. Kohlensäurebildung nach dem Zerreiben wurde nicht nach- gewiesen. In einer späteren Versuchsreihe wurden die Eier nicht durch Zerreiben mit Sand zerstört, sondern durch Einbringen in verdünntes Seewasser, wobei der osmotische Überdruck im Innern des Eies zur Cytolyse führte. Diese Versuche führten aus verschiedenen Gründen zu keinem befriedigenden Resultat. Das dritte Verfahren, das in der vorliegenden Mitteilung beschrieben wird, beruht darauf, dassEier, die nach Ent- fernung ihrer Hüllen, Gallerthüllen oder Befruch- tungsmembranen, zu einem dichten Sediment zu- sammen zentrifugiert sind, beim Schütteln sofort zer- fiessen. Es entstehen dabei Körnchensuspensionen, wie sie in dem Mikrophotogramm Fig. 2 Taf. II abgebildet sind; und zwar sind die aus unbefruchteten und befruchteten Eiern!) entstehenden Körnchen- suspensionen so ähnlich, dass eine Unterscheidung auf Grund ul, skopischer Besichtigung bisher nicht möglich war. ‘Die Hauptvorteile der neuen Methode sind: erstens, dass keine langwierigen Operationen, wie Zerreiben mit Sand, erforderlich sind; zweitens, dass der osmotische Druck des Eiinhalts nicht verändert wird, wie bei der osmotischen Cytolyse; drittens, dass der Eiinhalt mit sehr viel weniger Aussenflüssigkeit ver- dünnt wird, als bei den beiden früheren Methoden. Der Erfolg dieser Verbesserungen zeigte sich in einem wesent- lichen Punkt. Während nämlich nach der Zerreibung mit Sand oder nach der osmotischen Cytolyse eine dem Sauerstoffverbrauch ent- sprechende Kohlensäurebildung nicht nachgewiesen werden konnte, verbrauchten die nach dem dritten Verfahren her- gestellten Körnchensuspensionen nicht nur Sauer- stoff, sondern produzierten auch eine dem Sauer- stoffverbrauch an echende Menge Kohlensäure. Sie „atmeten“. Über den Grad der Strukturzerstörung nach dem Z erschütteln gibt besser als jede Beschreibung die Betrachtung des Photogramms (Taf. II Fig. 2) Aufschluss, dem zum Vergleich ein Photogramm 1) Die befruchteten Eier wurden stets im Einzellenstadium zerschüttelt. Zellstruktur und Oxydationsgeschwindigkeit nach Versuchen etc. 191 intakter Eier (Taf. II Fig. 1), bei derselben Vergrösserung, bei- gefügt ist). Was die Oxydationsgeschwindigkeit nach der Strukturzerstörung anbetrifft, so ergab sich: 1. dass das aus unbefruchteten Eiern gewonnene Material zunächst stärker atmet, als die ent- sprechende Menge intakter unbefruchteter Eier; 3. dass das aus befruchteten Eiern gewonnene Material bedeutend schwächer atmet als die ent- ‚sprechende Menge intakter befruchteter Eier; 3. dass zerstörtes Eimaterial, das aus gleichen Mengen unbefruchteter und befruchteter Eier gewonnen ist, keinen oder nur einen geringen Atmungs- unterschied zeigt; dass also der Atmungsunter- schied, der zwischen intakten unbefruchteten und befruchteten Eiern 500—700°/o beträgt, nach der Strukturzerstörung völlig oder fast völlig verschwindet. 4. dass der grössere Teil des Sauerstoffkonsums an abzentrifugierbare Körnchen gebunden ist. Diese vier Behauptungen sollen im experimentellen Teil aus- führlich begründet werden. Anhangsweise ist noch über einen Versuch berichtet, über dessen Ausfall allerdings von vornherein kaum ein Zweifel bestehen konnte. Wenn es wahr ist, dass das Spermatozoon bei der Befruchtung die Oxydationen infolge einer Grenzschichtänderung beschleunigt, so darf Spermazusatz nach Strukturzerstörung keinen Anstieg der Oxy- dationsgeschwindigkeit zur Folge haben. In der Tat konnte die Atmung nach Strukturzerstörung durch Zusatz lebender?) oder eytolysierter Spermatozoen, in grösseren oder kleineren Mengen, nicht beschleunigt werden. | 1) In dem Photogramm, das die intakten Eier zeigt, liegen die Eier viel weniger dicht nebeneinander, als in den zur Strukturzerstörung verwendeten Sus- pensionen. Ganz dichte Suspensionen, wie sie zur Strukturzerstörung verwendet werden, liessen sich nicht gut photographieren. Das in Taf. Il Fig. 2 abgebildete Material stammt also aus einer -Eisuspension, in der die Eier ganz dicht neben- einander lagen. 3 2) Lebende Spermatozoen werden in der Körnchensuspension. bewegungelos; nach Zusatz ‚von viel Seewasser kehrt die Bewegungsfähigkeit zurück. 192 Otto Warburg: Experimente, I. Allgemeines. Alle Versuche wurden mit den Eiern von Strongylocentrotus lividus angestellt. Der Sauerstoffverbrauch wurde in 1,5--2,0 eem Eisuspension nach Warburg-Siebeck!) bestimmt; das Volumen der Schüttel- sefässe, in denen die Druckverminderungen auftraten, war etwa i1 cem. Ein Ausschlag von 1 mm an dem Barcroft’schen Mano- meter entsprach also einem Sauerstoffverbrauch von etwa 1 cmm. Die Messungen sind genau auf 1 im Verhältnis zur Anzahl der verbrauchten Kubikmillimeter. — Die Temperatur des Thermostaten, in dem der Sauerstoffverbrauch gemessen wurde, war 22 0—23°, Die Methode ist der früher von mir benutzten Winkler’”schen oder Schützenberger’schen Sauerstofftitration in jeder Hin- sicht überlegen. Ein Vorteil ist der, dass eine viel kleinere Materialmenge zur Ausführung einer Messung nötig ist. Will man beispielsweise mit der Winkler’schen Sauerstofftitration eine gleiche Genauigkeit wie mit der neuen Methode erreichen, so braucht man etwa zehnmal soviel Eier. Ein zweiter Vorteil ist der, dass die Messungen nicht gestört werden, wenn erhebliche Mengen organischer (jodbindender) Substanzen in der Flüssigkeit gelöst oder suspendiert sind. So wären die Messungen der Oxydationsgeschwindigkeit nach Strukturzerstörang mit der Winkler’schen Methode unausführbar gewesen. Ein dritter Vorteil ist der, dass der „Gang“ der Atmungs- kurven durch Ablesung von 5 zu 5 Minuten innerhalb kurzer Inter- valle beobachtet werden kann. Die Angaben bei Beschreibung der einzelnen Versuche sind in Kubikmillimetern Sauerstoff (0° 760 mm) gemacht. Es sind das also die aus den Manometerausschlägen berechneten Werte. Diese stimmen mit den direkt beobachteten Ausschlägen numerisch fast überein, so dass die Beurteilung der Genauigkeit der Messungen infolge Umrechnung der Manometerausschläge auf Kubikmillimeter in keiner Weise erschwert wird. Jeder Versuch ist im allgemeinen mit den notwendigen Kontrollen 1) Siebeck in Abderhalden’s Biochem. Arbeitsmethoden. Die gelinde Bewegung der Gefässe, in denen sich die Eier während der Messung befinden, ist unschädlich. Die Eier entwickeln sich in den bewegten Gefässen ebensogut zu schwimmenden, hochsteigenden Larven, wie in ruhenden Schalen. Zellstruktur und Oxydationsgeschwindigkeit nach Versuchen etc. 193 so angeordnet, dass er ein in sich abgeschlossenes Ganzes bildet, dass also absolute Beziehungen des Sauerstoffverbrauchs auf Eizahl, Eigewicht oder Eistickstoff überflüssig sind. Vielfach wurde jedoch der N-Gehalt der in ihrer Atmung zu vergleichenden Systeme ge- messen; unter anderem dann, wenn auf die Abmessung mit der Pipette kompliziertere Behandlungen des Eimaterials, bei denen Verluste nicht inmer zu vermeiden waren, folgten. Solche Versuche können Forschern, die später auf dem Gebiete arbeiten, als absolute Maassstäbe dienen. Die Kohlensäureproduktion wurde mit der vor kurzem be- schriebenen Anordnung gemessen, als Differenz der (abgegebenen + präformierten) minus der präformierten !). 2 Was die Mitwirkung von Bakterien anbetrifft, so gilt dasselbe, was in den früheren Arbeiten über den Gegenstand gesagt wurde; die Versuchszeiten waren so kurz, dass eine Mitwirkung von Bakterien als Fehlerquelle der Messungen ausgeschlossen ist. Auch eine andere Fehlerquelle, nämlich die Atmung der überschüssigen Spermatozoen in Versuchen mit befruchteten Eiern, ist bei sachgemässem Arbeiten als nicht vorhanden anzusehen. Der Sauerstoffverbrauch einer Sperma- menge nämlich, die eine bestimmte Kimenge befruchtet, ist etwa 1500 mal kleiner als der Sauerstoffverbrauch der be- fruchteten Eimenge. Schliesslich sei noch auf eine Fehlerquelle hingewiesen, auf die bisher noch nicht aufmerksam gemacht wurde und deren Kenntnis von Wichtiekeit ist, wenn es sich um Feststellung von Unterschieden zwischen unbefruchteten und befruchteten Eiern handelt. Hält man unbefruchtete Eier, nachdem sie aus den Ovarien in Seewasser ge- bracht sind, einige Zeit bei Zimmertemperatur oder auch nahe bei 0% so wächst häufig ihre Atmung spontan, manchmal schon im Laufe von 5—6 Stunden. Solche spontan erregten Eier furchen sich nicht, auch nicht nach Zusatz von Sperma. Der Atmungsanstieg, um den es sich hier handelt, ist nicht unerheblich; er kann 100° betragen, wenn erst ein Bruchteil der Eier be- fruchtungsunfähig geworden ist. Nimmt man an — was sehr wahr- scheinlich ist —, dass der Atmungsanstieg nur auf den befruchtungs- unfähigen Bruchteil eines derartig gelagerten Materials bezogen werden darf, so ist er, nach einigen Schätzungen, nicht geringer als der Atmungsanstieg bei der Befruchtung. l) Hoppe-Seyler’s Zeitschr. f. physiol. Chemie Bd. 88 S. 425. 1913. 194 ; Otto Warburg: Die praktische Konsequenz ist, dass nur mit- ganz frischem Material gearbeitet werden darf, wenn Oxydationsgrössen unbe- fruchteter Eier gemessen werden sollen; zur Prüfung des Materials verwendet man am besten Sperma, nach dessen Zusatz praktisch !) alle Eier schöne Befruchtungsmembranen bilden müssen. II. Die Oxydationsgeschwindigkeit der Eier nach Entfernung der Gallerthüllen und Befruchtungsmembranen. Wie oben erwähnt, wurden die Eier vor der Strukturzerstörung ihrer Hüllen beraubt; es galt zunächst, festzustellen, ob die Entfernung der Hüllen einen Einfluss auf die Oxydationsgeschwindigkeit hat. 1. Eine Bemerkung über das Volumen, das die Eier mit und ohne Hüllen einnehmen, sei vorausgeschickt. Teilt man eine Suspension frischer?) unbefruchteter Eier in zwei gleiche Teile, entfernt in einem Teil die Gallerthüllen und zentrifugiert uun beide Teile gleichzeitig in graduierten Zentrifugierröhrchen, so findet man, dass das Sediment ohne Gallerthüllen nur etwa den dritten bis vierten Raumteil von dem Sediment der Kontrolle ein- nimmt. Vergleicht man in derselben Weise, also durch Zentrifugieren gleicher Eimengen in graduierten Röhrchen, frische unbefruchtete und befruchtete Eier, kurze Zeit nach der Befruchtung, so findet man keine sehr verschiedenen Sedimentvolumina; allmählich jedoch schrumpft die Gallerthülle der befruchteten Eier zusammen, und die Sedimentvolumina unterscheiden sich sehr erheblich; das Sediment- volumen der befruchteten Eier beträgt dann nur noch die Hälfte oder weniger vom Sedimentvolumen der unbefruchteten Eier. — Teilt man eine Suspension unbefruchteter Eier in zwei gleiche Teile, befruchtet einen Teil und entfernt kurz nach der Befruchtung durch Schütteln die Befruchtungsmembranen samt Gallerthüllen, so ver- halten sich die Sedimentvolumina wie 1 (befruchtet ohne Hüllen): 3 oder 4 (unbefruchtet mit Gallerthüllen). — Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Sedimentvolumina von Eiern, die ihrer Hüllen beraubt sind, sich nicht wesentlich unterscheiden; dass die Befruchtungsmembran allein — also zu einer Zeit, zu der die 1) D. h. bei Besichtigung von ca. 100 Eiern sollte man kein Ei ohne Be- fruchtungsmembran finden. In Neapel ist das nicht immer, aber doch in der Regel der Fall, wenn man frisches Material benutzt. 2) Beim Lagern unbefruchteter Eier in Seewasser schrumpfen bekanntlich die Gallerthüllen. > Zellstruktur und Oxydationsgeschwindigkeit nach Versuchen etc. 195 Gallerthüllen schon. geschrumpft sind — das Sedimentvolumen der „nackten“ Eier mehr als verdoppelt, und dass die Gallerthüllen, wie sie frische unbefruchtete Eier umgeben, das Sedimentvolumen der „nackten“ Eier verdreifachen oder vervierfachen. Man sieht aus diesen Zahlen, wie wichtig es ist, nur hüllen- und membranlose Eier zu verwenden, wenn es auf Gewinnung sehr dichter Eisedimente ankommt. — Was das Volumen der Eier selbst anbetrifft, so sagen die angeführten Zahlen nichts darüber aus; geringe Unter- schiede in dem Volumen befruchteter und unbefruchteter Eier selbst, wie sie nach den Längenmessungen einiger Autoren bestehen sollen, würden in die Fehlergrenzen der von mir geübten Messmethode fallen. — 2. Die Entfernung der Gallerthüllen unbefruchteter Kier!) geschah auf chemischem Wege, durch kurze Behandlung mit schwach CO;-haltigem Seewasser; solches Seewasser wird am be- n quemsten gewonnen, indem man zu 100 cem Seewasser 3 cem 10 a NaHCO,, das 10 sich dann mit der Salzsäure zu NaCl und CO, umsetzt. Unbefruchtete Eier wurden, zusammenzentrifugiert in Seewasser, mit dem 10—20fachen Volumen des CO,;-haltigen Seewassers über- gossen; nachdem sie sich zu Boden gesenkt hatten, wurde die über- ‚stehende Flüssigkeit abzehebert und wieder CO,-haltiges Wasser nachgegossen. Nach der zweiten Sedimentierung wurde zur Ent- fernung der CO, zweimal mit Seewasser gewaschen. — Eier, die ihrer Hüllen beraubt sind, dürfen nicht auf der Zentrifuge gewaschen werden, weil ein dichtes Sediment hüllenloser Eier beim Aufwirbeln schon zum Teil zerfliesst; durch freiwilliges Sedimentieren jedoch können hüllenlose Eier ohne Verluste gewaschen werden. — Die Zeit, während der die Eier mit dem CO;-haltigenWasser in Berührung waren, betrug etwa 10 Minuten. _ Wurde die Oxydationsgeschwindiekeit so behandelter Eier ge- messen, so ergab sich kein Unterschied gegenüber der HCl zufügt. In 100 cem Seewasser ist etwa 3 cem 1) Die Entfernung der Gallerthüllen wurde konstatiert durch Betrachtung der Eier in tuschehaltigem Seewasser (auf Rat von Herrn Prof. Boveri). War der ‚breite helle Raum um das Ei verschwunden, so war die Gallerthülle „ver- schwunden“; ob ihre Substanz aufgelöst worden war oder nur sehr stark ver- ‚dichtet, war für den Erfolg, auf den es ankam, gleichgültig. 196 Otto Warburs: Kontrolle nicht vorbehandelter Eier; beispielsweise ver- brauchten gleiche Mengen Eier in 60 Minuten bei 22° C. a) nicht vorbehandelt 20 cmm O,;, b) vorbehandelt 20 emm O,. Die Entfernung der Gallerthüllen also und die mit ihr ver- bundene Behandlung hat auf die Oxydationsgeschwindigkeit der in. Seewasser zurückgebrachten Eier keinen Einfluss; eine Entwicklungs- erregung, wie sie unter dem Einfluss von CO,-haltigem Seewasser- verschiedentlich beobachtet wurde), tritt bei Strongylocentrotus lividus, unter den erwähnten zeitlichen- und Konzentrationsverhältnissen,. nicht ein; ein Resultat, das schon auf Grund der Beobachtung recht wahrscheinlich war, dass die hüllenlosen Eier bei Spermazusatz stets schöne Befruchtungsmembranen bildeten. 3. Nach einer Entdeckung von Driesch?) lassen sich die Be- fruchtungsmembranen der Seeigeleier kurz nach der Befruchtung: durch Schütteln entfernen. Mit den Eiern von Strongylocentrotus: liviaus gelingt das Fortschütteln in der Regel, wenn auch nicht immer, so gut, dass die Mehrzahl der Eier von ihren Membranen befreit wird. Ein kleiner Bruchteil der Eier behält seine Membranen,. ein anderer gleichfalls kleiner Bruchteil „zerfliesst“ oder wird zu Fragmenten zerschüttelt. Lässt man nach einer solchen Zerschütte- lung — es wurde nie länger als einige Minuten geschüttelt — sedimentieren, so erhält man ein Sediment, bestehend aus Eiern. und einem kleinen Teil Eifragmenten, und eine überstehende, durch Membrantrümmer und die Substanz zerflossener Eier getrübte Flüssig- keit. Durch mehrmaliges Aufgiessen von Seewasser mit nachfolgender Sedimentierung kann das Sediment von der trüben Flüssigkeit be- ‘ freit werden. Auch hier ist Zentrifugieren zu vermeiden, weil die: membranlosen Eier beim Aufwirbeln aus einem dichten Sediment zum Teil zerfliessen. Will man die Atmung gleicher Eimengen mit und ohne Be- fruchtungsmembran vergleichen, so erhebt sich zunächst die Frage, ein wie grosser Bruchteil der Eier bei Entfernung der Befruchtungs- membran zugrunde geht. Um einen Anhaltspunkt für die Grösse dieses Wertes zu gewinnen, wurde stets in einem aliquoten Teil so- 1) E. P. Lyon, Americ. Journ. of Physiol. vol. 9,p. 308. 1903. — Godlewski, Arch. f. Entwicklungsmechanik Bd. 26 S. 278. 1908. 2) H. Driesch, Anat. Anz. 8, 348 (1893). Zellstruktur und Oxydationsgeschwindigkeit nach Versuchen etc. 197 wohl der membranlosen als auch der Kontrolleier der Stickstoff nach: Kjeldahl bestimmt, wobei sich, wenn von gleichen Eimengen aus- gegangen war, für die membranlosen Pier ein N-Defizit von etwa 25° ergab. Grösser als dem Betrag dieses N-Defizits entspricht, kann der Verlust an Eisubstanz beim Fortschütteln der Membranen. nicht sein; wohl aber kann der Verlust kleiner sein, denn die Membransubstanz enthält Stickstoff. Wieviel der Membranstick- stoff im Vergleich zum Gesamtstickstoff des Eis ausmacht, lässt sich: jedoch nicht abschätzen, und so ist ein Vergleich der Oxydations- srössen, die auf gleiche N-Mengen umgerechnet werden, mit einem Fehler zugunsten der membranlosen Eier behaftet. (Die Oxydations- srösse der membranlosen Eier wird zu gross erscheinen.) Auf der: anderen Seite wird ein Vergleich der Oxydationsgrössen, bezogen auf gleiche Mengen Eimaterial vor der Zerschüttelung, mit einem Fehler zugunsten der Kontrolleier behaftet sein. (Die Oxydations- srösse der Kontrolleier wird zu gross erscheinen.) Da sich nicht entscheiden lässt, welehe der beiden Rechenweisen richtiger ist, so: sebe ich die Vergleiche sowohl in Beziehung auf gleiche N-Mengen. als auch in Beziehung auf gleiche Mengen Ausgangsmaterial und überlasse es dem Leser, die eine oder andere Vergleichsmethode für: richtiger zu halten. Folgendes Beispiel sei angeführt: a) 2 ccm einer Suspension befruchteter Eier mit Membranen ver- brauchten bei 22° C. in 30 Minuten 23 emm Sauerstoff; 5 cem der- selben Suspension gaben, nach Kjeldahl verascht, 14,8 mg N. In 2 cem also 5,9 mg N. b) 2 cem einer Suspension befruchteter Eier ohne Membranen, die vor dem Fortschütteln der Membranen ebensoviel Eier enthielten wie die 2 cem in a), verbrauchten bei 22° C. in 30 Minuten 21 emm Sauerstoff. 5 cem derselben Suspension gaben, nach Kjeldahl verascht, 11,3 mg N. In 2 ccm also- 4,5 mg N. Es ergibt sich also für den Sauerstoffverbrauch: mit ohne Membr. Membr. bezogen auf gleiche Mengen Ausgangsmaterial. . 23 21 SE: a > ” Stickstoller 22.22.2823 27,9 Nach der ersten Rechenweise wird durch Fortschütteln der: Membranen die Oxydationsgeschwindigkeit etwas vermindert, nach. 198 Otto Warburg: der zweiten Rechenweise um 20°/o vermehrt; höchstwahrscheinlich ist keine der beiden Rechenweisen richtig, und die Atmung wird durch Entfernung der Membranen nicht beeinflusst. III. Zellstruktur und Oxydationsgeschwindigkeit nach Versuchen an unbefruchteten Eiern. Eine Suspension frischer unbefruchteter Eier wurde in zwei gleiche Teile geteilt. Ein Teil wurde zunächst in der beschriebenen Weise mit CO,;-haltigem Wasser behandelt. Dann wurden beide Teile mit einer Flüssigkeit folgender Zusammensetzung gewaschen: 100 cem 0,6 molar. NaCl-Lösung, 2,2 „ 0,6 „. . KCl-Lösung, 2,027,.06 222.830], lösung: Auf 100 ccm dieser Mischung 3 ecm molar. Glykokolllösung und 0,7 cem = CO;-freie NaOH. Die Flüssigkeit soll im folgenden als „S’“ bezeichnet werden. Sie stimmt bezüglich ihres osmotischen Druckes, des Verhältnisses von Na-, K-, Ca- und Cl-Ionen und der OH-Ionen-Konzentration mit dem Seewasser des Neapler Golfs überein. In ihr atmen die Eier mit etwa derselben Intensität, wie in Seewasser und entwickeln sich zu schwimmenden, in den Gefässen jedoch nicht an die Oberfläche steigenden Larven. Die Flüssigkeit „OS“ wurde an Stelle von Seewasser verwendet, weil es für viele Versuche, besonders für CO,-Bestimmungen, wichtig ist, dass die Suspensionsflüssigkeit keine grösseren Mengen von CO, in freiem oder gebundenem Zustand enthält. — Um die Lösung der Salze auf den Ionengehalt des Seewassers zu bringen, würde Zusatz von NaOH genügen; da jedoch, abgesehen von der OH-Ionen-Konzentration, auch die Resistenz der OH-Ionen-Konzentration von Bedeutung ist, wurde das „Puffer“-Gemisch Glykokoll-NaOH zugesetzt }). Nach beendigter Waschung in 87 (Kontrolleier auf der Zentri- fuge, hüllenlose Eier durch Sedimentieren) wurden. beide Teile in graduierte Zentrifugiergläschen übergespült und zentrifugiert, wobei die hüllenlosen Eier auf einen drei- bis viermal kleineren Raum konzentriert wurden, als die Kontrolleier. Von den Kontrolleiern wurde die überstehende Flüssigkeit ziemlich vollständig abpipettiert, das Sedimentvolumen notiert und 2 cem zur Sauerstoffbestimmung 1) Soerensen, Asher-Spiro’s Ergebn. f. Physiol. Bd. 12 S. 393. 1912. Zellstruktur und Oxydationsgeschwindigkeit nach Versuchen etc. 199 entnommen. Von den hüllenlosen Eiern wurde in den ersten Ver- suchen die überstehende.Flüssigkeit gleichfalls vollständig abpipettiert und das diehte Sediment dann zerschüttelt. Die dabei entstehende Flüssiekeit jedoch war so zäh, dass sie sich in den Atmungs- gläschen beim Anstoss kaum bewegte, also eine genaue Atmungs- messung nicht möglich war. In späteren Versuchen wurde deshalb- von der überstehenden Flüssigkeit ein kleiner Teil, etwa ein Drittel des Sedimentvolumens, über dem Sediment zurückgelassen, das. Gesamtvolumen (Sediment + überstehende Flüssigkeit) notiert und nun einige Sekunden geschüttelt!), wobei die Eier zerflossen und eine Granulasuspension, wie in Taf. II Fig. 2 abgebildet, übrigblieb. Ein kleiner Rest intakter Eier, der bei dem kurzen Schütteln manch- mal übrig blieb, wurde durch kurzes Zentrfugieren entfernt. Dann wurden 1,5 cem der Körnchensuspension zur Sauerstoffbestimmung- entnommen. Die Atmungsgläschen wurden mit dem Manometer ver- bunden und 10 Minuten bei offenen Hähnen zwecks Temperaturaus-- gleich bewegt. Darauf wurden die Hähne geschlossen. Die Atmungs- messung begann etwa 12 Minuten, nachdem die Strukturzerstörung‘ vorgenommen war. — Was den Vergleich zwischen intakten und zerstörten Eiern anbetrifft;, so wurden in der Mehrzahl der Ver- suche die Oxydationsgrössen ‘auf gleiche Eimengen umgerechnet, wobei die in dem graduierten Zentrifugiergläschen abgelesenen Suspensionsvolumina der Rechnung zugrunde gelegt wurden. Es. ergab sich regelmässig, dass die Strukturzerstörung eine Oxydationsbeschleunigung von 50—70°o zur Folge hatte. In späteren Versuchen wurde das Material nach beendeter Atmungs- messung nach Kjeldahl verascht und die Oxydationsgeschwindigkeit auf gleiche N-Mengen umgerechnet. Hierbei bestand offenbar nicht die gleiche Schwierigkeit, wie beim Wegschütteln der Befruchtungs- membranen, da der N-Gehalt der so überaus zarten Gallerthüllen im Vergleich zum Gesamt-N des Eies vernachlässigt werden konnte. Die Versuche mit gleichzeitiger N-Bestimmung führten zu demselben Resultat wie die früheren, dass die Oxydationsgeschwindig- keit infolge Zerschüttelung um ca. 65°0 ansteigt. _Da 1) Bei der Zerschüttelung tritt ein intensiver Geruch nach H,S auf; dieses Gas lässt sich auch chemisch, durch Bleiacetat nachweisen, Intakte Eier geben keine nachweisbaren Mengen von H,S ab. Die H,S-Bildung beim Zerschütteln. erinnert an Beobachtungen von M. Hausmann (Biochem. Zeitschr. Bd. 58 S. 65. 1914), der aus Lebergewebe schon bei gelindem Erwärmen H;S abspalten konnte. 200 Otto Warburg: ich die Versuche mit Beziehung auf gleiche N-Mengen für die ge- naueren halte, so seien nur diese angeführt. Die Oxydationsgeschwindigkeit nach Strukturzerstörung war innerhalb der ersten 20 Minuten der Messung fast konstant und sank dann ‚allmählich ab; die Oxydationsgeschwindigkeit der intakten (unbefruch- teten) Eier blieb in der Regel stundenlang konstant. Hinsichtlich der intakten Eier also ist es im Prinzip gleichgültig, ob man ihre Atmung für kürzere oder längere Perioden misst; man wird die Zeiten so wählen, dass die Ausschläge eine passende Grösse erreichen. Die Atmung der zerstörten Eier jedoch sollte über ein Zeitintervall, das 20 Minuten nicht überschreitet, gemessen werden. Da die Messung 12 Minuten nach der Strukturzerstörung begann, so ist also die Atmung gemessen von der 12.—32. Minute nach der Struktur- ‚zerstörung. N eispiele: 1. intakt 5,3 mg N verbrauchten bei 22° in 60 Min. ll cemm O0, Zerstörl. 32.0, , E aa 20 os 2. intakt 9,4 mg N verbrauchten bei 22° in 20 Min. 6cmm 0, zerstört 26,9 „ „ 5 a0 20 Ar Sgaintaktı Stan, se er el... zerstört 27,0 ,„ , & A er Rechnet man diese Werte auf gleiche N-Mengen und gleiche Zeiten um, so erhält man: 20 mg N verbrauchten Oxydations- ? : } ' beschleunigung Nummer Zustand des Materials | in 20’ bei 22° Kubik- infolge Struktur- millimeter Sauerstoff zerstörung intakt 14 ; I zerstört 21 } 50 %/o intakt 13 \ s i | zerstört DR) f 70% intakt 12 \ s \ zerstört | >»1 | j 75 °/o IV. Zellstruktur und Oxydationsgeschwindigkeit nach Versuchen an befruchteten und unbefruchteten Eiern. Teilt man eine Suspension befruchteter Eier, direkt nach der Befruchtung, in zwei gleiche Teile, entfernt in einem Teil durch 'Schütteln die Befruchtungsmembranen, wäscht dann beide Teile mit Zellstruktur und Oxydationsgeschwindigkeit nach Versuchen etc. 9201 .S’ (die membranlosen Eier durch Sedimentieren, die Kontrolleier auf der Zentrifuge), bringt sie in graduierte Zentrifugierröhrchen, zentri- fugiert, zersehüttelt das aus membranlosen Eiern bestehende Sediment, wie in III. beschrieben, misst die Oxydationsgeschwindigkeiten in je 1,5 ecem und bezieht. schliesslich die Oxydationsgeschwindigkeiten auf gleiche Eimengen, so findet man, dass die Oxydationsgeschwindigkeit infolge der Strukturzerstörung auf etwa ein. Drittel abgesunken ist. Die Versuchszeiten betrugen 20 Minuten, und die Versuche begannen etwa 12 Minuten nach der Strukturzerstörung. Innerhalb dieser ‘Zeit ist die Oxydationsgeschwindigkeit des zerstörten Materials fast konstant, ebenso wie die Oxydationsgeschwindigkeit des intakten Materials [die innerhalb längerer Zeiten bekanntlich anwächst Ü)]. Erinnern wir uns hier daran, dass der Oxydationsanstieg 'bei der Befruchtung 500—700°/o beträgt, so würde aus den er- 'wähnten Versuchen zunächst folgen, dass etwa die Hälfte dieses ‚Oxydationsanstiegs infolge Strukturzerstörung wieder verschwindet. Eine solche Rechnung ist jedoch unzulässig, wenn wir die Erfahrungen des vorigen Abschnittes berücksichtigen und bedenken, dass die Oxydationsgeschwindigkeit unbefruchteten Eimaterials infolge Strukturzerstörung ansteigt. Wir dürfen also nicht vergleichen befruchtet zerstört und unbefruchtet intakt, sondern müssen vergleichen: befruchtet zerstört mit unbefruchtet zerstört?). Die Versuchsanordnung war demnach folgende: Eine Suspension unbefruchteter Eier wurde in zwei gleiche Teile geteilt. Ein Teil wurde befruchtet. Die Befruchtungsmembranen wurden durch Schütteln entfernt. In dem anderen Teil wurden die Gallerthüllen durch CO;- 'haltiges Seewasser entfernt (s. Abschnitt II). Dann wurden beide ‘Teile durch Sedimentieren in 87 gewaschen, in graduierte Zentri- fugiergläser übergefüllt, zentrifugiert und die überstehenden Flüssig- 'keiten abgehebert?). Dann wurde in jedes Glas zirka-ein Drittel des 1) Hoppe-Seyler’s Zeitschr. f. physiol. Chemie Bd. 66 S. 305. 1910. 2) Auf diese Verhältnisse ist in dem erwähnten Referat (Asher-Spiro, Ergebn. 14 S. 253) nicht eingegangen worden, sodass die dort gemachten An- gaben zu Missverständnissen führen können. Es verschwindet nicht der Oxy- ‚dationsanstieg, der bei der Befruchtung einsetzt, nach der Strukturzerstörung, ‚sondern, korrekt ausgedrückt, lautet das Resultat so, wie es in der einleitenden ‚Zusammenfassung sub 3 ausgedrückt ist. 3) Die Sedimentvolumina sind annähernd gleich. Unterschiede werden durch ‚Zugabe des $! ausgeglichen, so dass die Volumina der zu zerschüttelnden Sus- jpensionen völlig gleich werden. 202 Otto Warburg: Sedimentvolumens 87 gegeben, zerschüttelt!) und kurz von einer geringen Zahl intakter Eier abzentrifugiert. Je 1,5 cem der Körnchen- suspensionen wurden darn in die Atmungsgläschen eingefüllt. Die mit den Manometern verbundenen Atmungsgläschen wurden in den Thermostaten eingehängt, die Hähne 12 Minuten nach der Struktur- zerstörung geschlossen und die Druckverminderungen im Lauf von. 20 Minuten beobachtet. Die Resultate von fünf Versuchen sind in ‘den: Tabellen I und II zusammengestellt. Tabelle I gibt die direkten. Beobachtungen wieder; im letzten Stab sind die Unterschiede der Oxydationsgeschwindigkeiten, bezogen auf gleiche Mengen Ausgangs- material, berechnet. Tabelle II gibt die Werte, bezogen auf 20 mg N; im letzten Stab sind die Unterschiede der Oxydationsgeschwindigkeiten, bezogen auf gleiche N-Mengen, berechnet (vel. hierzu Abschnitt II, 3). Eabellie TI. N-Gehalt | 1.5 cem Körnchen- UIntersehied di > er au. | „an en, | Vösshen, gramme) | in 20” Kubikmilli- | S°schwindig- in 1,5 ccm | meter Sauerstoff ee Nummer Material aus 1 unbefr. Eiern 26,6 25 \ unbefr. . befr. 3 Dan 21 f 20° mehr 9 unbefr. °, 28,0 22 kein beim = 22,8 23 - Unterschied: e unbefr. 30,8 26 \ > | bein 2 24,0 25 oo ; unbefr. „ 27,3 23 : N De 23,5 22 N do. > unbeies => 29,1 21 unbefr. > befr. - 23,0 19 10% mehr: Nach dem Rechenmodus, der in Tabelle I befolgt wurde, er- gibt sich also, dass nach Strukturzerstörung die Oxydationsgeschwindig- keiten gleich sind bzw., dass das Material aus unbefruchteten Eiern. ein wenig stärker atmet. Nach dem zweiten Rechenmodus ist nach Strukturzerstörung im Mittel ein Unterschied von 15° zugunsten des aus befruchteten Eiern stammenden Materials da. Es sei hier. nochmals daran erinnert, dass der Unterschied in den Oxydations- 1) Zur Zeit des Zerschüttelns waren die befruchteten Eier im Einzellen- stadium, kurz vor der Zweiteilung. Zellstruktur und Oxydationsgeschwindigkeit nach Versuchen etc. 203 Tabelle I. Sauerstoffverbrauch - - ER Unterschied der Nummer Material aus u = An Oxydationsgeschwindig- berechn. auf 20 mgN zen 1 H en Lau 12 N kein Unterschied 0 unbefr. „ 16 Material aus befr. befr. 5 20 Eiern 25 °/o mehr a unbefr. „ 17 Material aus befr. befr. & >21 Eiern 24 °/o mehr A unbefr. „ 17 N Material aus befr. befr. 5 19 Eiern 12°/o mehr 5 unbefr. „ 14,4 Material aus befr. befr. 2 16,5 Eiern 15 °/o mehr befr. Eiern 15°/o mehr | | Im Mittel Material aus geschwindigkeiten des intakten Materials unter sonst gleichen Be- dingungen 500— 700 °/o zugunsten der befruchteten Eier beträgt. Dieser Unterschied verschwindet also bei der Struk- turzerstörung völlig oder bis auf einen kleinen Rest. Die Verwischung des vor der Strukturzerstörung be- stehenden Unterschiedes, der an sich auf mannigfache Art zu- stande kommen könnte, ist, wie aus Abschnitt III und IV hervor- geht, darauf zurückzuführen, dass die Oxydations- seschwindigkeit nach Zerstörung der unbefruchteten Eier ein wenig ansteigt, nach Zerstörung der be- fruchteten Eier sehr erheblich abfällt, so dass, die Oxydationsgeschwindiekeit der intakten unbefruchteten Eier — 1 und die der intakten befruchteten Eier — 6—7 gesetzt, die Oxydationsgeschwindigkeit nach Strukturzerstörung — 1,7—1,9 ist. Was die Deutung der hier bestehenden quantitativen Ver- - hältnisse anbetrifft, so stimmt der starke Abfall der Oxydations- geschwindigkeit bei Zerstörung der befruchteten Eier gut zu der Hypothese, dass die bei der Befruchtung einsetzende Oxydations- beschleunigung auf einer Strukturänderung beruht. — Allerdings verschwindet dieser Oxydationsanstieg bei Strukturzerstörung nicht vollständige; es bleibt — scheinbar wenigstens — ein Bruchteii davon übrig. Uber die Natur dieses Restes, über die wir ohne Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd. 158. 14 204 Otto Warburg: Hypothese nichts aussagen können, habe ich mir folgende Vorstellung gebildet: Die geringe, beim Zerschütteln der unbefruchteten Eier auftretende Oxydationsbeschleunigung beruht auf einer chemischen Milieuänderung und hat mit der bei der Befruchtung auftretenden - Oxydationsbeschleunigung nichts zu tun: beim Zerschütteln der be- fruchteten Eier tritt zweierlei ein: es verschwindet die an die Strukturänderung geknüpfte starke Beschleunigung, gleichzeitig tritt an ihre Stelle eine geringe, auf chemischen Ursachen beruhende Beschleunigung, wie in der Substanz der unbefruchteten Eier. Die Theorie basiert auf der Tatsache, dass die nach Zerstörung der befruchteten Eier übrigbleibende „Restbeschleu- nigung“ numerisch etwa gleich ist dem bei der Zer- störung der unbefruchteten Eier einsetzenden Anstieg. V. Messung der C0,-Produktion nach Strukturzerstörung. Alle Kohlensäuremessungen wurden mit der Körnchensuspension ausgeführt, die man, nach Abschnitt IIl., aus unbefruchteten hüllen- ‚losen Eiern durch Zerschütteln in S7 erhält. Wurden in zwei gleichgrosse Atmunesgläschen je 1,5 cem der -Körnchensuspension pipettiert, und befand sich im Einsatz des einen Atmungsgläschens, wie gewöhnlich, Kalilauge zur Absorption der CO,, im Einsatz des anderen Atmungseläschens jedoch keine Kalilauge, so konnte aus der Differenz der Druckänderungen in den beiden Gefässen mit der Sauerstoffabsorption gleichzeitig die an den Gasraum abgegebene Kohlensäure bestimmt werden. Es er- gab sich, dass in der ersten Zeit nach der Strukturzerstörung eine dem verschwindenden Sauerstoff entsprechende Menge Kohlensäure im Gasraum erscheint, dass aber allmählich die Kohlensäureabgabe nach- lässt, viel schneller als die Sauerstoffabsorption. Da von einer Kohlen- säureretention in der sauren Körnchensuspension keine Rede sein kann, so ist zunächst aus diesen Versuchen zu schliessen, dass längere Zeit nach der Zerschüttelung Kohlensäuremengen, die den absorbierten Sauerstoffmengen entsprechen, nicht mehr gebildet werden. Ob die anfangs im Gasraum erscheinende Kohlensäure präformierte Kohlensäure ist, die allmählich abgegeben wird, oder neuproduzierte Kohlensäure, konnte mit der beschriebenen eiufachen Anordnung nicht entschieden werden. Es wurden deshalb Versuche angestellt, in denen die präformierte und die abgegebene Kohlensäure in Zellstruktur und Oxydationsgeschwindigkeit nach Versuchen etc. 205 früher beschriebener Weise!), durch Absorption in Barytlauge und Titration mit — 00 HCl, bestimmt wurden, gleichzeitig mit der Messung des Sauerstoffverbrauchs. Derartige Versuche sind insofern um- ständlich, als man eine sehr viel grössere Menge Material braucht. Sie ergaben, dass in der ersten Zeit nach der Zer- schüttelung eine dem Sauerstoffverbrauch ent- sprechende Menge Kohlensäure produziert wird. Wir haben es also anfangs mit einer wirklichen Atmung zu tun. Ich lasse zwei Beispiele folgen: 1. Sauerstoff: 1,5 eem Körnchensuspension verbrauchten in 60 Minuten bei 22°C. 71 cmm Sauerstoff (0,760 mm). Kohlensäure: a) Sn Zn BaOH in zwei Absorptions- 100 gefässen, entsprechend 69 cem Er HC. b) 15 eem Körnchensuspension + 20 eem CO,-freies Wasser +50 cem 10°%o H;PO, + 20 a Titeränderung in der Absorptionsflasche von 69 auf 65 cem = HCl. Also in 15 cem Körnchensuspension präformierte CO, = 4cem — — HC] = 440 emm CO, (0,760 mm). ec) Durch 15 eem derselben Körnchensuspension wurde 60 Mi- nuten lang bei 19° C. ein CO,-freier Luftstrom geleitet; dann wurden 20 cem H;0, 50 eem 10% H;PO, und 20 cem Alkohol zu- gegeben und die übrige CO, ausgetrieben. Der mit CO, beladene Luftstrom wurde in die Absorptionsflaschen geleitet und verminderte hier den Titer von 69 auf 60,6 7 Al. Also nn und neugebildet eine CO,- Menge entsprechend 8,4 cem --- HCl oder 920 emm CO, (0,760 mm). d) Also neugebildet 920—440 — 480 cmm CO, (0,760 mm). 1) Hoppe-Seyler’s Zeitschr. f. physiol. Chemie Bd. 88 S. 425. 1913. Zur Absorption des H,S war vor die Baryt-Absorptionsflaschen eine Waschflasche mit saurer CuSO,-Lösung geschaltet. : 14 * 206 Otto Warburg: 15 ecm der gleichen Suspension verbrauchten in der gleichen Zeit 710 cemm Sauerstoff. Der Wert des Quotienten — — (0,68 hat deshalb keine Bedeutung, weil einerseits die Temperaturen bei der Sauerstoff- und Kohlensäurebestimmung nicht gleich waren, weil andererseits im Laufe einer Stunde der Quotient nicht konstant bleibt, sondern allmählich kleiner wird. 2. a) 1 cem Körnchensuspension verbrauchte bei 23° C. in 40 14 emm Sauerstoff (0,760 mm). b) In 25 cem der gleichen Körnchensuspension waren 906 emm CO, (0,760 mm) präformiert. (Abgelesen 4,6 — HC.) c) 25 ecem der gleichen Körnchensuspension gaben nach 40’ langer Atmung bei 22°C. 781 emm CO, (0,760 mm). (Abgelesen n Toll ccm 100 HCI.) d) In 40’ und 25 ccm sind also neugebildet worden 2850 emm CO,, während in der gleichen Zeit und in der gleichen Menge 280 350 emm 0, verbraucht worden sind. Quotient also 350 — 08. VI. Die Sauerstoffzehrung der Körnchen. Nachdem sich gezeigt hatte, dass ein erheblicher Bruchteil der Leberzellenatmung an die Granula gebunden ist!), war es nahe- liegend, zu untersuchen, ob auch in der aus den Eiern erhaltenen Körnchensuspension die Oxydationen vorwiegend an die Körnchen gebunden sind. Das ist in der Tat der Fall. Verwendet wurden die in Abschnitt III beschriebenen und in Fig. 2 Tafel II abgebildeten Körnchensuspensionen aus unbefruchteten Eiern. Beispiel: 3,5 cem Körnehensuspension, durch kurzes Zentri- fugieren von einem kleinen Rest intakter Eier befreit, wurden mit 10 eem einer Flüssigkeit übergossen, die aus 1 Vol. ST und 2 Vol. H,O bestand. Ein Teil wurde in Eis gestellt (I); ein anderer Teil, ö ccm, wurden 10 Minuten auf einer Runne’schen Zentrifuge, die etwa 3000 Touren pro Minute macht, zentrifugiert; es entstanden 1) Pflüger’s Archiv Bd. 154 8.599. 1913. — — > Verbrauchter Sauerstoff in Kubikmillimetern. Zellstruktur und Oxydationsgeschwindigkeit nach Versuchen etc. 207 zwei Schichten: eine tiefe, körnchenreiche, und eine überstehende, sehr körnchenarme; sie wurden wieder vermischt (II); ein dritter Teil, 7 ccm, wurde gleichzeitig mit dem zweiten zentrifugiert; er trennte sich in 4,5 eem überstehende, körnchenarme Schicht und eine tiefere, scharf abgegrenzte körnchenreiche Schicht von 2,5 cem. Beide Schichten wurden getrennt herauspipettiert (überstehend III, unterstehend IV). Dann wurden je 2 ccm von I, II, III und IV in je ein Atmungsgläschen gefüllt und die Oxydationsgeschwindigkeiten gemessen. Der typische Verlauf eines solchen Versuches wird durch folgende Zahlen illustriert: Verbrauchter Sauerstoff bei 22°C. (in Kubikmillimetern): IV III II I nach 20 Minuten 18 4 11 ul N) al 7 1975218 eo) > 45 10 27 26 Die Werte für I, III und IV sind zur Veranschaulichung in nachstehende Zeichnung eingetragen. 50 40 30 = 20 10 5 10 15 20 25 30 35 40 45 50 bb) 60 ——— Minuten Fig. 1. Sauerstoffverbrauch in 2 cem bei 22° C, 2308 Otto Warburg: Zellstruktur und Oxydation sgeschwindigkeit etc. Es ergibt sich also: 1. dass beim Zentrifugieren innerhalb 10 Minuten die Atmung nicht geschädigt wird; 2. dass durch Zentrifugieren körnchenreiche, viel Sauerstoff verbrauchende, und körnchenarme, wenig Sauerstoff verbrauchende Schichten erhalten werden. Diese Messungen stimmen gut zu einer kürzlich erschienenen Arbeit von A. van Herwerden!), nach der das durch Oxydation im Ei entstehende Indophenol in den Granula erscheint. Dass aller- dings die Oxydation vorwiegend in oder an den Granula vor sich gehe, war aus van Herwerden’s Bildern nicht zu schliessen; denn auch Farbstoffe, die nicht durch Oxydation im Ei entstehen, sondern als solche in das Ei hineingebracht werden — beispielsweise Neutral- rot —, erscheinen in den Granula. VII. Der Einfluss intakter und eytolysierter Spermatozoen auf die Oxydationsgeschwindigkeit nach Strukturzerstörung. Durch Zerschütteln unbefruchteter hüllenloser Eier (nach Ab- schnitt III) wurde eine Körnchensuspension hergestellt. Je 2 ccm wurden in drei Atmungsgläschen (1, 2 und 3) pipettiert. 1 blieb ohne Zusatz und diente als Kontrolle. Zu 2 wurde 0,1 ccm einer Sperma- suspension?) in Seewasser gegeben, entsprechend 0,01 cem konzen- trierten Spermas. Zu 3 wurde 0,1 cem einer 10 °/oigen Sperma- aufschwemmung in destill. Wasser gegeben. Es ergab sich: 5 Verbrauchter Sauerstoff bei 22°C. (in Kubikmillimetern): 3 2 1 in 20 Minuten 30 27 29 „ 40 = ol 50 51 „ 60 S zul: 67 67 Die Unterschiede sind innerhalb der Fehlergrenzen. 1) Archives internat. de Physiologie 1913 p. 359 et 1914 p. 5. 2) Die Atmung der zugefügten Spermamenge selbst war so gering, dass sie in die Fehlergrenzen der Messung fiel. 209 Über die Frauenmilch der ersten Laktationszeit und den Einfluss einer Kalk- und Phosphor- säurezulage auf ihre Zusammensetzung. Von Dr. phil. F. Zuckmayer, Elberfeld. Die grosse Bedeutung, die den Mineralsubstanzen der Frauen- milch zukommt, ist häufig die Veranlassung zu der Bestimmung derselben gewesen, und liegt dadurch ein sehr grosses Analysen- material über die Aschenbestandteile der Frauenmilch vor. Da nun aber die Frauenmilch der verschiedensten Laktationsperioden und beliebiger Entnahmen einerseits und oftmals wenig geeignete Methodik andererseits bei den Analysen zur Anwendung gelangten, so ist es nicht verwunderlich, dass die Ergebnisse der Mineralbestimmungen | in der Frauenmilch eine grosse Verschiedenheit aufweisen. In den letzten Jahren hat Schloss sich in seinen Abhandlungen: „Die chemische Zusammensetzung der Frauenmilch auf Grund neuer . Analysen“, Monatsschrift für Kinderheilkunde Bd. 9 Nr. 12 und Bd. 10 Nr. 10, das Verdienst erworben, sowohl die gesamte Produktion der verschiedensten Laktationsperioden getrennt analysiert, als auch die einzelnen Mineralbestandteile nicht aus der Gesamtasche — was zweifellos zu grossen Fehlern führen muss —, sondern soweit nötig (Ca0, P,;O,;, Ci), in der Milch selbst ermittelt zu haben. Schloss stellt dabei eine gleichmässigere Zusammensetzung besonders bezüg- lich der Verbältnisse der Komponenten mit Ausnahme des Fettes, als man nach den älteren Analysen annehmen konnte, fest. Trotz alledem ist es doch kaum möglich, für Frauenmilch im allgemeinen einen Mittelwert anzugeben. Zu Vereleichen dürfte wohl nur die Milch gleicher Laktationszeiten, bei gleicher Art der Entnahme, herangezogen werden können. Unter den Mineralsubstanzen der Frauenmilch haben Kalk una Phosphorsäure, die wichtigsten Ascherbestandteiie für das kindliche Skelett, stets besondere Beachtung gefunden, und nicht unversucht 310 F. Zuckmayer: ist es infolgedessen geblieben, die Frauenmilch an diesen Bestand- teilen anzureichern. Versuche Schabad’s (Jahrbuch für Kinder- heilkunde Bd. 74 S. 5ll, 1911), den Kalkgehalt der Frauenmilch (urch Kalkzufuhr mit der Nahrung zu erhöhen, hatten keinen Erfolg ; ebensowenig gelang dies Bahrd und Edelstein (Jahrbuch für Kinderheilkunde Bd. 72 Ergänzungsheft S. 16, Juli 1910). Dass eine Erhöhung des Kalkgehaltes über die Norm hinaus möglich sein könnte, ist wohl sehr wenig wahrscheinlich. Dagegen lässt sich in Fällen, bei denen in der Frauenmilch eine sehr geringe Kalkmenge vorhanden ist, die Möglichkeit eines Ausgleiches des Kalkgehaltes bis zur Norm durch Zufuhr von Kalk gleichzeitig mit der Nahrung wohl denken. Dass die einmalige oder mehrtägige Zufuhr selbst grösserer Mengen Kalk eine Steigerung des Milehkalkes zur Folge haben muss, ist nieht gut anzunehmen, denn bei Vorhandensein wenig kalkhaltiger Frauenmilch könnte als Veranlassung unter anderem auch an ein Kalkdefizit des mütterlichen Organismus (während der Gravidität durch Abgabe an das kindliche Skelett ent- standen) gedacht werden, das erst behoben sein müsste, ehe der Milchkalk wieder die Norm erreicht und dessen Deckung doch wohl eine längere Zeit in Anspruch nehmen dürfte. Und selbst bei lang- andauernder Zufuhr von Kalk dürfte es bei vorgeschrittener Lakta- tionszeit — also im Stadium des Rückganges des Milchkalkes — kaum zu einer Erhöhung des CaO-Gehaltes der Milch kommen können. Unter Berücksichtigung dieser Annahmen dürfte es noch am ehesten aussichtsvoll sein, während der Gravidität Kalk zu ver- abreichen und in einer grösseren Anzahl solcher Fälle die Milch der Übergangszeit zu vergleichen mit einer Anzahl von Fällen möglichst gleichartigen Materials, bei denen jedoch keine Ver- abreichung von Kalk während der Schwangerschaft stattfand. Zur Anstellung derartiger Versuche dürfte sich das Material in einer Entbindungsanstalt, in der allerdings die Fälle nach kurzer Zeit leider nicht mehr zu erreichen sind, am leichtesten finden. Die Frage, ob es möglich sei, den Milchkalk durch Zulage von Kalk zur Nahrung auf die Norm zu bringen, veranlasste die An- stellung der folgenden Versuchsreihen, die Herr Sanitätsrat Dr. Rühle, Direktor der Hebammenlehranstalt Elberfeld, in seiner Anstalt vor- nehmen zu lassen die Liebenswürdigkeit hatte. Für die gütige Unterstützung und Beschaffung des Analysenmaterials, die mit vielen Schwierigkeiten verbunden war, möchte ich nicht unterlassen, hier Über die Frauenmilch der ersten Laktationszeit etc. ala Herrn Sanitätsrat Dr. Rühle nochmals meinen verbindlichsten Dank auszusprechen. - Als Kalkzulage wurde bei den Versuchen das „Tricalcol*, d. i. kolloidales, alkalilösliches Triealeiumphosphatkasein, zur An- wendung gebracht, einesteils, weil in diesem Präparat sowohl Kalk als Phosphorsäure vorhanden sind, mithin Änderungen in der Phosphorsäurebilanz, wie sie bei alleiniger Zufuhr von Kalk (ohne Phosphorsäure) nicht ausbleiben können, ausgeschlossen sind, anderer- seits, weil Tricalcol, wie die Tierversuche (Arch. f. d. ges. Physiol. Bd. 148 S. 225, 1912) zeigen, vom Darmkanal sehr gut resorbiert und sowohl Kalk wie Phosphorsäure in hohem Maasse retiniert wird. Die Menge des verabreichten Tricalcols betrug für den Ver- suchstag ungefähr 3—6 g, was 0,6—1,2 g Triealeiumphosphat bzw. ca. 0,3—0,6 g CaO entspricht. Die Versuche wurden so angeordnet, dass ein Teil der Personen nach der Entbindung während ungefähr 35 Tagen die Kalkzulage erhielten, während dem anderen Teil der Versuchspersonen die Kalk- zulage schon während der Schwangerschaft kürzere oder längere Zeit verabreicht wurde. Durch diese Anordnung sollte gleichzeitig fest- ‚gelegt werden, erstens, ob sich bald nach Verabreichung der Kalk- zulage nach der Geburt eine Wirkung auf den Kalkgehalt der Milch bemerkbar macht bzw. in allen Fällen normaler Kalkgehalt der Milch erreicht wird, zweitens, ob eine eventuelle Vermehrung des Milchkalkes bzw. Ausgleichung zur Norm nur mit der Ver- abreichung während der Gravidität in Zusammenhang steht. Die Entnahme der Milch geschah täglich dreimal, morgens, mittags und abends, und zwar wurde mit dem Sammeln im all- gemeinen am dritten Tage nach der Geburt begonnen. Zu jeder dieser Tageszeiten wurden vor Anlegen des Säuglings. möglichst ca. 15 cem Milch in ein Fläschchen abgespritzt, und nachdem der Säug- ling längere Zeit gesaugt hatte, ebenso eine gleiche Menge in ein anderes Fläschchen abgezogen. Aus diesen beiden Milchproben wurden, nachdem jede einzelne kräftig geschüttelt war, je 10 ccm (bei geringerer Milchmenge jedesmal nur je 7 oder 5 eem) mit einer Pipette herausgenommen und in einer Sammelflasche, die 5 cem Wasserstoffsuperoxyd enthielt, aufbewahrt. Auf diese Weise ist wohl eine möglichst gute Durchschnittsprobe der Milch erhalten worden, so dass wenigstens die Fehler, welche durch die Entnahme der Milch entstehen konnten, nach Möglichkeit ausgeschlossen waren. 212 F. Zuckmayer: Die Entnahme dauerte in den meisten Fällen 8 Tage, aber auch. einige Male bis zu 10 Tagen. Da vor allem der Gehalt der Milch an Kalk, Phosphorsäure und Stickstoff interessierte, wurde die Analysenmethode einer be- sonders zuverlässigen Ermittlung von CaO und P;O, angepasst. Die Bestimmung des Kalkes und der Phosphorsäure wurde immer doppelt in je 100 g Milch — nicht in der Milchasche — vorgenommen. Zu diesem Zwecke wurden 100 g Milch mit 2—3 g Soda gemischt, auf dem Wasserbade zur Trockne verdampft und die Hauptmenge des Fettes durch Erhitzen auf freier Flamme verbrannt, wobei. der. grösste Teil der Substanz verkohltee Nach dem Erkalten wurde diese Substanz mit einer Mischung von 5 Teilen Salpeter und 1 Teil Soda zerrieben und dann in kleinen Portionen in ein schmelzendes Gemisch von 3 Teilen Salpeter und 2 Teilen Soda langsam ein- getragen und geschmolzen, bis alle Kohle verschwunden war. Bei vorsichtigem Arbeiten verläuft die Schmelze ohne Spritzen in sehr kurzer Zeit. Bei den benützten grossen Substanzmengen bewährte sich die versuchsweise Anwendung der Neumann’schen nassen Veraschung mit Salpeter-Schwefelsäure weniger gut, da sie grosse Mengen Säure notwendig machte und viel Zeit in Anspruch nahm. Zudem ergaben beide Methoden gleiche Resultate. Von jeder Milch- probe wurden die beiden Schmelzen nach zwei Methoden aufgearbeitet. Die erste bestand darin, dass die Schmelze in Wasser gelöst und vom unrgelösten kohlensauren Kalk abfiltriert wurde. Letzterer wurde : mit 1°oigem Ammoniak völlig ausgewaschen, in Salzsäure gelöst, als Oxalat essigsauer gefällt, nochmals umgefällt, abfiltriert, aus- gewaschen, geglüht und als CaO gewogen. In den alkalischen Filtraten wurde die Phosphorsäure nach dem Eindampfen mit Molybdat- lösung gefällt, in Ammonmagnesiumphosphat übergeführt und als Ms;P,0, gewogen. Die zweite Methode bestand darin, dass die Salpeter-Sodaschmelze mit Salpetersäure gelöst, die Phosphorsäure . als Molybdat ausgefällt, abfiltriert und mit Ammonnitratwaschwasser . ausgewaschen wurde. Nach Überführung des Phosphor-Molybdän- säureniederschlags in Ammonmagnesiumphosphat wurde die P,O, als Me;P,O, zur Wägung gebracht. Aus dem Filtrat und den Wasch- wässern der Phosphormolybdänsäure wurde nach dem Eindampfen der Kalk als Oxalat essigsauer gefällt, umgelöst und als CaO ge- gewcgen. Die beiden Methoden ergaben gut übereinstimmende Werte; die Bestimmung des Kalkes nach der ersten Methode jedoch immer Über die Frauenmilch der ersten Laktationszeit etc. 213 um eine Kleinigkeit geringere Zahlen als nach der zweiten. Die Ermittlung des Stickstoffes wurde nach Kjeldahl stets doppelt ausgeführt. Die Trockenbestimmung, welche recht mühevoll war und lange Zeit in Anspruch nahm, aber leider keine übereinstimmenden und zuverlässigen Werte ergab — weshalb die Zahlen in der Zu- samınenstellung nicht erwähnt sind —, wurde in einer Platinschale vorgenommen und diese Substanz zur Bestimmung der Asche benutzt. Auf diese Weise wurde die Milch von 26 Versuchspersonen analysiert. Die nachstehenden Tabellen enthalten die Resultate der Untersuchung. Vorausschieken möchte ich noch, dass es nicht immer selang, die Anzahl der Versuchstage genau einzuhalten; doch dürfte diese nicht ausschaltbare Ungenauigkeit ohne wesentlichen Einfluss bei der Vergleichung der Ergebnisse sein, um so mehr, als der Durchschnitt der Versuchstage nahezu gleich ist. Gegen die Versuchsanordnung könnte vielleicht der Einwand erhoben werden, dass nur die Milch untersucht wurde und nicht auch der Stoffwechsel; aber die Schwierigkeiten sowohl der Material- sewinnung als auch der Analysen würden dann ins Ungemessene gestiegen sein. Ich glaubte um so mehr bei der alleinigen Unter- suchung der Milch mich beruhigen zu können, als die Versuchs- personen ständig die gleiche Nahrung erhielten. Um jedoch einen Einbliek in die Aufnahme der Mineralsubstanz durch die Nahrung zu erhalten, habe ich den Gehalt der Nahrung an CaO und P;O, nach den Angaben von König (Chemie der menschlichen Nahrungs- und Genussmittel) zusammengestellt. Ich fand eine Aufnahme von ungefähr 34,5 g CaO und 58,7 g P;0, für die Versuchszeit, was wohl den Schluss zulässt, dass eine genügende Menge Mineralsubstanz in «der Nahrung vorhanden war, um die Versuchspersonen vor Kalk- bzw. Phosphorsäureverarmung zu schützen. (Tabelle I und II siehe auf S. 214.) Die Tabelle I enthält die Analyse der Versuchsreihe mit der Milch von zwölf Personen, denen nach der Entbindung mit der Nahrung eine Kalkzulage verabreicht wurde. Der Kalkgehalt der von diesen Versuchspersonen aufgesammelten Milchproben zeigt inner- halb ziemlich weiter Grenzen schwankende Werte; wir finden dreimal Zahlen, die zwischen 0,2—0,3 8 CaO pro Kilogramm Milch schwanken, während fünf Werte zwischen 0,3 und 0,4 g liegen und vier Zahlen über 0,4 g betragen. Der ermittelte Durchschnittswert — 0,352 g 214 F. Zuckmayer: Tabelle I. Gesammelte Milch von 12 Frauen, die nach der Entbindung eine Zulage von Tricalcol zur Nahrung erhielten. Tricalcol- Gesammelte : Ne i N Zulage Milch 1 kg Milch enthält in Gramm mer in | mit g |derLakta-| von Tagen | CaO |tionstage | Tagen Asche 2 E20; N 1 6) 2,4 3—8 6 1,79 0,319 0,300 25 2 8 2,4 3—8 6 Ua 0,422 0,434 2,870 3 11 3,83 3—11 9 2,03 0,298 0,370 2,867 4 11 33.1 4-11 8 2,40 0,368 0,352 3,252 5) 9 2,1 3—9 7 2,33 0,363 0,298 2,474 6 10 3,0 3—10 8 1,86 0,262 0,252 2,798 7 11 3,93 3—11 9 1,58 0,227 | 0,356 2,155 8 12 3,6 3—12 10 2,08 0,341 0,338 2,262 9 11 3,3 5—11l 7 2,19 0,404 0,381 2,212 10 il 3,3 4—11 8 1,63 0,357 0,262 2,266 11 10 6,0 4—10 7 1.64 .| 0,83 0,338 2,849 Det Gt ee 0,426 0,402 2,699 InXSummap er 93 23,83 4,223 4,083 30,899 ImaDurchschnities er 7,15] 1,98 0,352 0,340 2,975 Tabelle IH. Gesammelte Milch von 14 Frauen, die während der Gravidität und nach erfolgter Geburt eine Zulage von Tricalcol zur Nahrung erhielten. Tricaleol-Zulage Gesammelte 1. ke Milch enthält & Milch A ann = in der nachder 2 | 2 3 | Gravidität Geburt = der = een, © ın ın Et 10ONS- An oen sche a aUY5 Tagen sul Tagen sad s tage on 1 1) 3,4 | — — 3,4 | 3—8 6 | 2,17 0,490 0,392 | 3,115 2 16 4,8 | 10 3,0 7,3 | 3—10 8 1,92 | 0,407 | 0,322 | 2,430 3 13 9,4 12 3,6 90 | 3—12 | 10 | 2,20 0,426 0,271 | 2,783 4| 25 13,8 11 35 | 1711| 3-11 ) 1,99 | 0,452 | 0,354 | 2,772 || Zul 1262210 6,0 | 18,6 | 3—10 8 | 1,74 | 0,334 | 0,357 | 2,458 6 29 1774| 10 6,0 | 33,4 | 3-10 8 1,62 | 0,291 | 0,287 | 2,120 | 125 ı a5 10 |6o '105| 3-10 | 8 | 159 |0,320|0,348| 2,767 8| 34 | 2041 — — | 20,4 | 3-10 8 | 1,78 0,252 | 0,375 | 2,819 9212266. 2.759,62. .312 7,2 | 46,8 | 3—12 | 10 | 2,58 | 0,457 | 0,399 | 2,457 10 | 66 | 39,6 12 72 46,8 | 4—12 9 | 2,92 0,441 | 0,321 | 2,940 11 39 | 24,0 12 7,2. 312 | 4-12 9 | 2,03 0,319 | 0,240 | 2,614 2| oo |20| ı |66 |186| s-ı1 | 9 | 320 0,431 0442| 2601 13 | 25 | 150 10 6,0 | 21,0 | 3—10 8 | 2,70 | 0,445 0,432 | 2,546 14 1677296280 6,0 | 15,6 | 3—10 8 1,90 | 0,355 | 0,349 | 2,408 In’Summarsa 2% 108 130,34 | 5,420 | 4,889 36,830 Im Durchschnitt. . . 7,71 | 2,17 | 0,387 | 0,349 | 2,630 Über die Frauenmilch der ersten Laktationszeit etc. 915 liegt ungefähr in der Mitte zwischen dem von Schloss festgestellten Wert von 0,335 g für Kolostrum und 0,400 g für Übergangsmilch. Sehen wir von den drei Fällen mit einem CaO-Gehalt zwischen 0,2—0,3 g pro Mille, die vielleicht Ausnahmefälle mit sehr geringem Kalkgehalt vorstellen, ab, so erhalten wir als Mittelwert 0,382 &, was mit den Schloss’schen Zahlen harmoniert. Die Verschiedenheit der einzelnen Werte zeigt, dass auch in der Milch der ersten Laktationszeit starke individuelle Schwankungen vorkommen. Diese Schwankungen lassen sich also durch eine Kalkzulage nach erfolgter Geburt nicht auf- heben, was ja auch im voraus nicht wohl angenommen werden konnte. \ Die Menge der Phosphorsäure beträgt im Mittel 0,340 g P,O, pro Kilogramm Milch und zeigt auch recht wesentliche Verschieden- heiten. Drei Werte liegen zwischen 0,2 und 0,3 g, sieben Zahlen zwischen 0,3 und 0,4 g und zwei über 0,4 g pro Kilogramm. Gegenüber den von Schloss ermittelten Phosphorsäurewerten für Kolostrum mit 0,3804 g und für Übergangsmilch mit 0,3931 g ist der Mittelwert nicht unwesentlich niedriger. Die Hälfte der Werte bewegen sich in ungefährer Höhe der Schloss’schen Zahlen. Auch bezüglich der , Phosphorsäure sind offenbar starke individuelle Schwankungen vorhanden, die allerdings nicht immer konform mit den Kalkwerten sehen, so dass bei niedrigem Kalkgehalt ein hoher P,0,-Wert und bei hohem Kalkgehalt eine relativ niedrige Phosphor- säurezahl vorkommt. Dieses auffällige Verhalten veranlasste ver- schiedentlich die Nachprüfung in einer weiteren Substanzprobe, ohne jedoch zu einer Änderung der gefundenen Zahlen zu führen. Betrachten wir nun die Stickstoffwerte, so finden wir auch hier Schwankungen, die allerdings nur zwischen 2—3 g pro Kilogramm verlaufen. Die Mittelzahl mit 2,575 g Stickstoff entspricht etwa den von verschiedenen Autoren festgestellten Werten für die Milch der ersten Laktationszeit. Auch in der Gesamtasche finden wir nicht geringe Verschiedenheiten; der Mittelwert derselben mit 1,98 g pro Kilogramm liegt niedriger als die Werte von Schloss. Ich möchte jedoch diesem Befunde keine besondere Bedeutung beilegen, da die Herstellung einer Milchasche recht verschiedene Resultate, je nach Arbeitsweise, angewandter Menge und Art der Veraschung ergeben kann. Die Ergebnisse der Analysen von Tabelle I dürften wohl zu dem Schlusse berechtigen, dass die Zufuhr von Kalk und Phosphorsäure 216 F. Zuckmayer: nach erfolgter Geburt auf den Gehalt der Milch an CaO, P,O; und N keinen erkennbaren Einfluss hat, und dass es auf diese Weise nicht gelingt, die Milch des einzelnen Individuums auf die gleiche Höhe des Gehaltes an CaO und P,O, zu bringen. Die Tabelle II gibt die Analysen der Milch von 14 Frauen wieder, die nach Verabreichung von Tricaleol während der Gravidi- tät und nach erfolster Geburt erhalten wurde. Wir finden hier bei 14 Fällen nur 2, die einen unter 0,3 g pro Kilogramm liegenden Kalkgehalt aufweisen, während 4 Fälle zwischen 0,3 bis 0,4 g und 8 über 0,4 g CaO pro Kilogramm Milch liegen. Der Mittelwert ist um etwa 10°o höher — 0,387 g CaO als der bei Verabreichung einer Kalkzulage nach der Geburt (Tab. I) erhaltene —= (0,352 g. Scheidet man in dieser Versuchsreihe die beiden Fälle, welche weniger als 0,3 g CaO aufweisen, als vielleicht abnorm niedrig aus, so erhalten wir auch auf diese Weise einen höheren Mittelwert von 0,406 als der auf gleiche Weise errechnete Mittelwert = 0,380 der Versuchsreihe I. Auch die Kalkzahlen der Tabelle II zeigen wesentliche individuelle Schwankungen, halten sich jedoch über der Höhe der Kalkwerte von Tabelle I, sowohl bezüglich des geringsten (0,252 g) als auch des höchsten Wertes (0,490 &). Wenn sich auch die Kalkwerte bei Berücksichtigung der verschiedenen Grösse der verabreichten Kalkzulagen bezüglich der Wirkung der Mensen der Zulagen nicht ohne weiteres untereinander vergleichen lassen, so zeigt sich doch gegenüber der Versuchsreihe I eine steigende Tendenz der Kalkwerte, die vor allem dadurch dokumentiert ist, dass von 14 Fällen 8 (= 57 °/o) Kalkzahlen, die über 0,4 g liegen, zeigen, während in der Versuchsreihe I von 12 Fällen nur 4 (= 33°/o) über 0,4 g liegende Werte ergeben. Es ist also die Anzahl der Fälle mit mehr als 0,4 g CaO pro Kilogramm von 100 in Tabelle I auf 172 in Tabelle II, also um 72°/o, gestiegen. Aber auch die Durchschnittszahl der über dem zugehörigen Kalkmittelwert (Tab. I = 0,352 und Tab. II — 0,387) liegenden 8 Werte der Versuchsreihe II — 0,444 g ist höher als die Durchschnittszahl der 7 über dem Mittel der Reihe I liegenden Fälle — 0,396 g. Die über den Kalkmittelwerten liegenden Zahlen für Kalk zeigen also ebenso wie die Durchschnittswerte eine Steigerung von 10° in Tabelle II gegenüber Tabelle I. | Die individuellen Schwankungen im Kalkgehalt lassen sich, wie die Zahlen zeigen, durch Verabreichung einer Kalkzulage im Zeit- raum von 1—2 Monaten vor der Geburt nicht ausgleichen. Ob Über die Frauenmilch der ersten Laktationszeit etc. Da ein solcher Ausgleich überhaupt erzielt werden kann, müsste durch eine weitere Versuchsreihe festgestellt werden, bei der vielleicht die - Kalkzulage schon im Anfange der Gravidität verabreicht würde, um einer Kalkarmut des mütterlichen Organismus infolge des starken Kalkbedarfes des Embryos vorzubeugen. Mit einer bei der Mutter vorhandenen Kalkarmut könnte ein geringer Kalkgehalt der Milch sehr wohl im Zusammenhange stehen. Ferner wäre es verständlich, dass eine vorhandene Kalkarmut sich durch Verabreichung einer Kalkzulage zur Nahrung bei den Versuchsbedingungen, das ist 1 bis 2 Monate vor der Geburt, also bei relativ geringer Dauer und zur- zeit eines grossen Kalkbedarfes, nicht beheben lässt, und die Milch, die ein solcher kalkarmer Organismus produziert, trotz des Kalkangebotes kalkarm ist. Diese Erklärungsversuche setzen jedoch voraus, dass einzelne Individuen nicht überhaupt unfähig sind — sei ‘es aus irgend anderen Gründen —, eine normal kalkhaltige Milch zu produzieren, eine Annahme, der. allerdings manches entgegen- gehalten werden kann. Was nun die für P,O, ermittelten Werte anbelangt, so sehen . wir, dass auch hier individuelle Schwankungen, die nicht immer konform dem Kalkgehalt verlaufen, vorhanden sind. Der mittlere Wert des Phosphorsäuregehaltes —= 0,349 & pro Kilogramm liegt auch hier wieder etwas niedriger als bei Schloss’ Analysen, ist aber gegen den Wert der Tabelle I = 0,340 g pro Kilogramm etwas ge- wachsen. Zwei der Zahlen liegen unter 0,3 g, 9 Werte zwischen 0,3 und 0,4 g und 2 über 0,4 g pro Kilogramm. Betrachten wir nun die für den Stickstoff ermittelten Zahlen, so finden wir hier die gleichen, relativ geringen individuellen Schwankungen wie in Tabelle I. Die Durchschnittszahl ist etwas höher —= 2,630 g pro Kilogramm als dort (= 2,575 g); der Stickstoff- gehalt erreicht einmal eine Höhe über 3 g, während er 13mal zwischen 2 und 3 g liegt. Der Durchschnittswert für Stickstoff liegt in der Mitte der beiden Schloss’schen Zahlen. Die Asche ist entsprechend denı erhöhten CaO- und P;0,-Gehalt vermehrt; ihr Mittel beträgt 2,17 g gegen 1,98 g bei Versuch I. Überblieken wir die Ergebnisse dieser Untersuchung, so finden wir: Die Analysen von Schloss für Frauenmilch der ersten Laktations- zeit sowie diejenigen älterer Autoren werden bezüglich Kalk, Phosphor- säure und Stickstoff bestätigt. Bei den Milchproben von 26 Frauen aus der ersten Dekade der Laktationszeit — unter Ausschluss der 318 F. Zuckmayer: Über die Frauenmilch der ersten Laktationszeit ete. ersten Laktationstage — zeigen sich grosse individuelle Schwankungen im Kalk- und Phosphorsäuregehalte, die sich durch Kalk- und Phosphorsäurezulage weder nach der Geburt noch während der letzten 2 Monate der Gravidität ausgleichen lassen. Dagegen lässt sich eine Wirkung der verabreichten Kalk- und Phosphorsäurezulage, das ist des Triealeols, wenn dasselbe schon während der Schwanger- schaft gegeben wurde, im Vergleich mit den Fällen, in denen das- selbe erst nach stattgefundener Geburt zugelest wurde, auf den Kalkgehalt der Milch nicht verkennen. Sowohl der Durchschnittswert für Kalk steigt um etwa 10°o als auch die Zahl der Fälle, die eine Milch mit höherem Kalkgehalt als 0,4 g pro Kilogramm liefern, wächst um etwa 72°/o. Die Werte für P,0O;,, N und Gesamtasche wurden in gleichem Sinne um etwas verschoben. Ob es möglich ist, bei Verabreichung einer Kalkzulage schon im Anfange der Gravidität die individuellen Schwankungen im Asche- gehalt der Milch zu beheben, müssen weitere Versuche, deren An- stellung, sobald Zeit und Material es erlauben, ich mir vorbehalten möchte, zeigen. 219 (Aus dem pharm. Laboratorium der kaiserl. milit.-med. Akademie in St. Petersburg.); | Über die Wirkung der Gifte auf die Lungengefässe. Von Dr. wW. J. Beresin. (Hierzu Tafel III.) Die Meinungen der Forscher über das Vorhandensein von vaso- motorischen Nerven in den Lungen widersprechen sich in hohem Maasse. Eine Reihe Autoren, mit Openchowski und I. Wagner!) beginnend, sind zu dem Schlusse gelangt, dass der Blutdruck im kleinen Blutkreislauf von Vasomotoren nicht beeinflusst wird, weil weder direkte noch reflektorische Reizung der vasokonstriktorischen. Zentren jemals eine derartige Steigerung des Blutdruckes in der Arteria pulmonalis hervorgerufen hat, dass man das Vorhandensein von Vasomotoren in den Lungen anzunehmen berechtigt wäre. Andere Autoren sind nachzuweisen bestrebt, dass die Lungen sowohl mit vasokonstriktorischen als auch mit vasodilatatorischen Nerven ausgestattet sind. Die Vasokonstriktoren verlaufen nach dem Er- gebnis einiger Befunde im Nervus sympathieus. Die Mehrzahl der Autoren behauptet jedoch, dass die Vasokonstriktoren den Wurzeln des dritten bis fünften Brustnerven entspringen und ihren Weg zu den Lungen durch die Äste des N. sympathieus nehmen. Die Vaso- dilatatoren entspringen nach den Angaben anderer Autoren dem Halsteil des N. sympathicus sowie dem N. vagus [Tigerstedt?)]. Nachdem die mächtige vasokonstriktorische Wirkung des Adrenalins auf die peripherischen und auf andere Gefässe nachgewiesen worden ist, begann man den Einfluss des Adrenalins auf die Lungengefässe 1) Openchowski und Wagner, zit. nach A. Velich. 2) R. Tigerstedt, Lehrb. d. Physiol. Bd. 1 8.209 und 211. Russ. Über- setzung. Pflüger’s Archiv für Physiologie, Bd. 158. 15 220 W. J. Beresin: zu studieren, um auf diese Weise an die Lösung der Frage der vasokonstriktorischen Nerven heranzugehen. Jedoch hat ınan auch hier Resultate erhalten, die sich gegenseitig widersprechen. Prof. N. Zybulski!) hat bei intravenöser Injektion von Neben- nierenextrakt bedeutende Erweiterung und Blutüberfüllung der Lungengefässe beobachtet. Velich?) hat die Wirkung des Nebennierenextraktes auf die Lungenblutzirkulation bei Hunden studiert und festgestellt, dass der- selbe, intravenös eingeführt, nur unbedeutende Steigerung des Blut- druckes im kleinen Blutkreislauf hervorruft. Die Hauptursache dieser Steigerung liegt nach Ansicht des Autors darin, dass zum rechten Herzen eine grössere Quantität Blut aus dem Gehirn fliesst, dessen Gefässe unter der Einwirkung des Adrenalins sich erweitern, wobei sich das linke Herz infolge des hohen Blutdruckes in der Aorta un- genügend entleert. Das Vorhandensein eines besonderen vaso- konstriktorischen Apparates, eines zentralen oder peripherischen, für den kleinen Blutkreislauf hält Velich auf Grund seiner Experimente für nicht erwiesen. Gerhardt?) experimentierte auch an Hunden, bei denen er den Druck in der A. carotis und in der A, pulmonalis maass. Auf Grund einer Reihe von Experimenten (ca. 20) ist er zu dem Schlusse gelangt, dass bei intravenöser Adrenalininjektion eine Steigerung des Druckes in der A. pulmonalis entweder überhaupt nicht beobachtet wird, oder derselbe ist sehr geringfügig, indem er ca. 6, höchstens 15 mm He beträgt. Brodie und Dixon‘) studierten den Einfluss des Adrenalins auf die Lungen beim Hunde nach der Methode und mit dem Apparat von Brodie, indem durch die Lungen defibriniertes Blut durch- geleitet wurde (über die Methodik siehe unten). Das Adrenalin wurde in ein Gummiröhrchen vor der blutzuführenden Kanüle in einer Quantität von 5 cem einer Lösung von 1:50000 injiziert. Sie gelangten zu dem Schlusse, dass das Adrenalin eine Verengerung der Lungengefässe nicht hervorruft, und dass letztere folglich vaso- motorische Nerven nicht haben. 1I)N. Zybulski, zit. nach A. Velich. 2) A. Velich, Wiener med. Wochenschr. 1398 Nr. 26. ; 3) D. Gerhardt, Arch. f. exper. Path. u. Pharm. Bd. 44 S. 161. 4) Brodie and Dixon, The Journ. of Physiol. vol. 29 p. 266. 1903, and vol. 30 p. 476. 1904. Über die Wirkung der Gifte auf die Lungengefässe. 92] Plumier!) beschrieb experimentelle Studien über den Einfluss des Adrenalins auf die Lungenblutzirkulation bei lebenden Hunden auch nach der Methode von Brodie. Indem er den Druck in der Lungenarterie maass, fand er, dass nach einer intravenösen Injektion von 1—2 ccm einer Adrenalinlösung von 1: 1000 ein bedeutender Aufstieg des Blutdruckes eintritt. Bei der Untersuchung der Lungen nach Brodie wandte Plumier defibriniertes Blut an, indem er dasselbe durch die Lungen aus einer Bürette unter einem Druck von 30—35 em und bei Körpertemperatur durchleitete. Bei Reizung der Vieusseni’schen Schlinge mit dem elektrischen Strom erhielt der Autor Verengerung der Lungengefässe. Eine ebenso starke Ver- engerung der Lungengefässe entstand auch unter dem Einflüsse des Adrenalins, wobei das Gift in das Röhrchen vor der Arterienkanüle in einer Quantität von 0,2—0,5 mg des salzsauren Salzes eingeführt wurde. Die Nichtübereinstimmung seiner Experimente mit denjenigen von Brodie und Dixon glaubt der Verfasser darauf zurückführen zu können, dass letztere zu geringe Adrenalindosen angewendet haben. Jedoch hat Plumier, der über 20 Experimente nach der be- schriebenen Methode ausgeführt hat, gänzliche Unterbrechung des venösen Abflusses, wie er dies an isolierten Organen, beispielsweise an den Extremitäten von Hunden, gesehen hat, niemals beobachtet. Mellin?) fand, dass das Adrenalin auf den kleinen Blutkreis- lauf bei Kaninchen eine sehr schwache Wirkung ausübt. Möller®) hat bei der Beobachtung der Lungenblutzirkulation beim Frosche unter dem Mikroskop bei lokaler Anwendung selbst konzentrierter Epirenanlösungen (sein eigenes Präparat) irgendeine Wirkung des Epirenans auf die Lungengefässe nicht beobachtet, während das Präparat auf die Gefässe der Schwimmhaut und des Mesenteriums desselben Tieres eine typische Adrenalinwirkung ausübte. Petitjean*) bestimmte den Blutdruck unter dem Einflusse des Adrenalins in der A. carotis und A. pulmonalis beim Hunde und überwachte gleichzeitig die Veränderung der Lungenfärbung. Die zur Einführung gelangten Dosen betrugen 0,25—0,5 mg. Hierbei machte sich neben bedeutendem Aufstieg des Blutdruckes in der 1) Plumier, Journ. de physiol. et de pathol. gener. t. 6 p. 655. 1904. 2) Mellin, Skandin. Arch. f. Physiol. 1904 S. 149. 3) Möller, Therap. Monatshefte 1905 Nr. 11 u. 12 und 1906 Nr. 1 u. 2: 4) Petitjean, Journ. de physiol. et de pathol. gener. t. 10 p. 412. 1903. 1 222 W. J. Beresin: A. earotis auch Aufstieg desselben in der A. und V. pulmonalis be- merkbar. Die Lungenfärbung blieb zu dieser Zeit unverändert. Nach Ablauf einer gewissen Zeit (ea. 1 Minute) bekamen die Lungen eine intensive Rosafärbung, was für Überfüllung derselben mit Blut sprach. Zum Schluss sagt der Autor, dass seine Experimente ihm keine Anhaltspunkte dafür gegeben haben, um irgendwelche bestimmte Schlüsse über die Wirkung des Adrenalins auf die Lungengefässe ziehen zu können. Selbst wenn man seiner Meinung nach eine vaso- konstriktorische Wirkung desselben auf Grund der von anderen Autoren ausgeführten Experimente auch annehmen würde, so könnte eine solche nur unmittelbar zu Beginn der Giftwirkung beobachtet werden; dann aber müsste an deren Stelle passive Erweiterung und Blutüberfüllung der Gefässe treten. Wigegers!) hat bei künstlicher Blutzirkulation in den Lungen bedeutende Abnahme des Durchflusses der Flüssigkeit unter dem Einflusse von Adrenalin beobachtet. O. Meyer?) ist beim Studium der Adrenalinwirkung auf Ab- schnitte der Lungenarterien beim Ochsen zu dem Schlusse gelangt, dass dieses Gift Kontraktion der Lungenarterie hervorruft, wenn auch eine schwächere als in den Aa. subelaviae und in den Karotiden. Letzteres erklärt Verfasser dadurch, dass die Lungenarterien weniger entwickelte Muskeln haben. O. Langendorff°) untersuchte den Einfluss des Suprarenins auf Ausschnitte von Ästen der Lungenarterie beim Schaf, Schwein, Kalb und bei der Katze und fand, dass die Gefässstreifehen in der Mehrzahl der Fälle kürzer werden. Farini*) fand, dass das Adrenalin eine Verengerung der Lungen- gefässe hervorruft. Dieselbe tritt aber langsamer ein und ist weit schwächer ausgeprägt als an den peripherischen Gefässen. Barbour°) studierte den Einfluss des Adrenalins auf ver- schiedene Teile der Lungenarterie nach der Methode von O. Meyer; an auseeschnittenen Streifen fand er, dass der Lungenarterie des Kalbes vor dem Eintritt derselben in die Lungen entnommene Stückchen unter dem Einflusse des Adrenalins sich wenig verändern. 1) Wiggers, zit. nach Biedl, Innere Sekretion Bd. 1 S. 455. 1913. 2) OÖ. Meyer, Zeitschr. f. Biol. Bd. 48 S. 352. 1906. 3) 0. Langendorff, Zentralbl. f. Physiol. Bd. 21 S. 551. 1907. 4) Farini, zit. nach Zentralbl. f. Biochem. u. Bioph. Bd. 11 S. 727. 1911. 5) Barbour, Arch. f. experim. Pathol. u. Pharm. Bd. 68 S. 41. 1912. Über die Wirkung der Gifte auf die Lungengefässe. 293 Beim Kaninchen zeigten Streifen aus dem Hauptstamme der Lungen- arterie unter dem Einflusse des Adrenalins sehr starke Verengerung, während Streifen aus Arterien, die innerhalb der Lungen liegen, eine bemerkbare Veränderung nicht aufwiesen. Prof. N. P. Krawkow!) studierte den Einfluss des Adrenalins und anderer Gifte auf die Gefässe von isolierten Kiemen, die ana- tomisch und physiologisch Analoga der Lungen sind. Er berichtet in seiner Arbeit über eine Reihe von’ Experimenten, aus denen hervorgeht, dass das Adrenalin auf die Kiemengefässe eine starke dilatatorische Wirkung ausübt. Ausser den Experimenten mit Adrenalin wurden in der betreffenden Arbeit auch Experimente mit anderen Giften geschildert: mit Nikotin, Coffein, Chloroform und Chlorbaryum. Diese Gifte übten eine sichere und bestimmte Wirkung aus. | Baehr und E. P. Pick?) studierten den Einfluss einiger Gifte, darunter auch des Adrenalins, auf die Lungengefässe. Die Experi- mente wurden an den überlebenden Lungen von Meerschweinchen ausgeführt. Das Versuchstier wurde tracheotomiert und hierauf bei demselben die künstliche Atmung eingeleitet. Eröffnung des Brust- korbes. In die Lungenarterie wurde eine Kanüle eingesetzt, die mittels Gummiröhrchens mit dem Mariott’schen Gefässsystem in Verbindung stand. Zur Ernährung diente angewärmte Tyrode’sche Flüssiekeit. In den linken Vorhof wurde für die abfliessende Flüssig- keit eine Kanüle eingeführt. Druck 30 em. Die Zählung fand tropfenweise statt. Die Lungen wurden in situ untersucht. Die Verfasser kamen zu dem Schluss, dass das Witte’sche Pepton und das Pilocarpin eine Erweiterung der Lungengefässe hervorrufen. Demgegenüber übte Adrenalin in einer Konzentration von 1: 100 000 sowie Histamin und Coffein in einpromilligen Lösungen auf die Lungengefässe eine bemerkbare Wirkung nicht aus. Aus der oben angeführten Übersicht der Literatur geht hervor, dass die Schlüsse der Autoren in bezug auf die Wirkung des Adre- nalins auf die Lungengefässe miteinander nicht übereinstimmen. Manche Autoren haben unter dem Einflusse des Adrenalins irgendwelche Veränderungen in den Lungengefässen nicht gesehen oder sogar eine, wenn auch nicht aktive, so doch passive Erweiterung derselben be- 1) Prof. N. P. Krawkow, Arch. f. d. ges. Physiol. Bd. 151. 1913. 2) Baehr und E. P. Pick, Arch. f. experim. Pathol. u. Pharm. Bd. 74 8.65. 1913. 224 W. J. Beresin: obachtet (N. Zybulski, Velieb, Gerhardt, Brodie und Dixon, Petitjean, Baehr und E. P. Pick); andere sind zu dem Schlusse selangt, dass das Adrenalin die Lungengefässe verengert (Plumier, Wiggers, Farini). Dementsprechend stellen manche Autoren das Vorhandensein von Vasomotoren in den Lungen in Abrede, während andere im Gegenteil das Vorhandensein von Vasomotoren in den Lungen anerkennen. In Anbetracht dieser Widersprüche sowie auch in Anbetracht des Umstandes, dass die Wirkung der Gifte auf die Lungengefässe bis jetzt überhaupt noch wenig erforscht ist, beschloss ich, Unter- suchungen über den Einfluss des Adrenalins und anderer Gifte auf die Gefässe von isolierten Kaninchenlungen vorzunehmen. Methodik. Von den Methoden, die zur Untersuchung der Lungen angewendet werden und zur Beurteilung des Zustandes des Lumens der Lungengefässe geeignet sind, ist die Methode von Brodie bekannt, die in folgendem besteht: Man öffnet beim Hunde die Brustwand an der linken Seite, ohne den rechten Pleurasack zu verletzen. Dann bindet man eine Kanüle im Anfangsteil der Lungen- arterie, eine zweite im linken Herzen oben fest. Die Herzventrikel sowie die Wurzel der linken Lunge werden so unterbunden, dass für das Experiment die rechte Lunge allein in Betracht kommt. Hierauf wird durch die Lunge Nährflüssigkeit durchgeleitet, und zwar mittels der Vorrichtung, die Brodie für die Untersuchung verschiedener überlebender Organe vorgeschlagen hat!). Als Nähr- flüssigkeit wird defibriniertes Blut verwendet, von dem eine be- stimmte Portion für die ganze Dauer des Experiments dient. Der Druck wird auf 35 cm festgehalten. Das Gift wird mittels einer Spritze in das Gummirohr vor der blutzuführenden Kanüle ein- geführt. Über den Zustand des Gefässlumens urteilt man nach der Kurve, welche man mittels des Plethysmographen und Piston Recorder erhält. Die übrigen Methoden der Untersuchung isolierter Lungen, wie z. B. diejenigen von Ludwig, Embden und Gässner, Müller u. a., sind für die Untersuchung der Lungengefässe aus dem Grunde un- geeignet, weil man bei deren Anwendung eine quantitative Messung der abfliessenden Flüssigkeit nicht ausführen kann. Was die Methode von Brodie betrifft, so muss darauf hin- l) Abderhalden, Handb. d. biochem. Arbeitsmeth. Bd. 3 S. 351. 1910. Über die Wirkung der Gifte auf die Lungengefässe. 225 gewiesen werden, dass die Lungen bei derselben nicht ganz vom Organismus abgesondert, sondern, wie bei der Methode von Baehr und E. P, Pick, in situ untersucht werden. Ausserdem ist die Ver- wendung einer bestimmten Blutquantität während der ganzen Dauer des Experiments, wie dies bei der Anwendung des Brodie’sehen Apparates der Fall ist, einer der wesentlichen Mängel der Methode (Anhäufung von Stoffwechselprodukten), abgesehen davon, dass der Apparat selbst kompliziert ist. Bei meinen Experimenten bediente ich mich folgender einfacher Methode: Das Versuchskaninchen wurde entblutet und mit der Locke’schen Flüssiekeit durch die V. jugularis und A. carotis durch- spült. Hierauf wurde der Brustkorb geöffnet und in den Anfangs- teil der A. pulmonalis eine Glaskanüle mit ziemlich breiter Öffnung eingeführt. Die Lungenvenen wurden unmittelbar an ihrer Austritts- stelle aus den Lungen durchschnitten und das Herz ganz entfernt. Die nach der Eröffnung des Brustkorbes kollabierten Lungen wurden exzidiert und in den Apparat gebracht, den ich für isolierte Frosch- und Fischherzen verwendete!). Zur Untersuchung der Lungen ist die Anwendung dieses Apparates insofern vorteilhaft, als er die Möglichkeit gewährt, bei sehr geringem Druck zu arbeiten, bei dem es nicht so rasch zu Ödem kommt. Die mit dem Apparat in Ver- bindung gebrachten Lungen lagen auf einer schief angebrachten fünfecekigen Platte mit den Venenöffnungen nach oben, so wie die Fischkiemen in der Methodik von Prof. N. P. Krawkow’) zu liegen kommen. Die Locke’sche Flüssigkeit von Zimmertemperatur (ea. 20° C.) tritt in die A. pulmonalis ein, passiert die Lungen, fliesst durch die durchsehnittenen Lungenvenen heraus und fällt von der Glasplatte tropfenweise hinunter. Das Durchfliessen der Flüssig- keit durch die Lungen ist sehr bedeutend, und infolgedessen führte ich zur Erleichterung der Abzählung der Tropfen die Untersuchung bei ziemlich niedrigem Druck, nämlich bei 5—10 cm, der Wasser- säule aus. Ausserdem kann man bei diesem Druck dem Eintritt eines Ödems vorbeugen, welches bei höherem Druck sich relativ rasch einzustellen pflegt. Um eine gewisse Beständigkeit im Abfluss der Flüssigkeit zu erreichen, muss man ziemlich lange, nämlich 1—2 Stunden und noch länger, warten. Die Beständigkeit des Ab- 1) W. J. Beresin, Arch. f. d. ges. Physiol. Bd. 150. 1913. 2) Prof. N. P. Krawkow, Arch. f. d. ges. Physiol. Bd. 151. 1913. 296 W. J. Beresin: flusses abzuwarten, ist aber sehr wichtig. Nur unter dieser Bedingung kann man vertrauenswürdige Resultate erzielen. Sobald der Abfluss der Flüssigkeit konstant geworden ist, wurde durch die Lungen das eine oder das andere in Locke’scher Flüssigkeit von bestimmter Konzentration gelöste Gift durchgeleitet. Die nach der oben beschriebenen Methode isolierten Lungen behalten lange ihre Fähigkeit, auf Gifte zu reagieren. Diese Fähig- keit geht, wie ich mich an der Hand von Experimenten überzeust habe, selbst nach 24 Stunden nicht verloren. Fast jedes Experiment wurde damit begonnen, dass nachgeprüft wurde, ob nicht die Drehung des Hahnes vom Apparat schon an und für sich den Abfluss der Flüssigkeit in irgendeiner Weise be- einflusst. Es stellte sich dabei heraus, dass die geringste Differenz, selbst diejenige um einige Millimeter, zwischen den Spiegeln der Flüssigkeit in den Büretten eine Vergrösserung oder Verminderung des Abflusses um zwei bis fünf Tropfen zur Folge hat. Dem- entsprechend wurde bei den Experimenten die Höhe der Flüssigkeit in den Büretten reguliert. Aber auch unter diesen Bedingungen wird bei der Drehung des Hahnes bisweilen eine Vergrösserung oder Verringerung des Durchfliessens um zwei bis drei Tropfen beobachtet. Ich habe aber diesen Schwankungen keine besondere Bedeutung bei- gemessen (vgl. Tab. und Fig. 5). Ohne die auffälligen Mängel dieser Methode, wie Untersuchung 'bei Zimmertemperatur, bei relativ geringerem Druck im Vergleich zum normalen in der A. pulmonalis, bei Fehlen von respiratorischen Bewegungen, auch nur im geringsten zu verkennen, habe ich die- selbe nichtsdestoweniger angewendet, weil es sich in der Praxis er- wiesen hatte, dass unter diesen Bedingungen durchaus befriedigende Resultate erzielt werden, die Norm sich gut einstellen lässt und die Lungengefässe auf die Einführung des Giftes regelmässig reagieren, wovon man sich an einigen typischen Giften, wie beispielsweise Coffein, Histamin, Nikotin, überzeugen konnte. Ausserdem wurden zu Kontrollzwecken Experimente auch bei Körpertemperatur angestellt. Zu diesem Zwecke wurde der Apparat in den grossen Roux’schen Brutschrank gebracht, den man nur öffnete, um eine Drehung des Hahnes auszuführen. Diese Experi- mente ergaben, dass die Lungen bei Zimmertemperatur auf die Ein- führung von Giften ebenso reagieren wie auch bei 40° C. Aus diesem Grunde wurden die weiteren Experimente bei Zimmer- temperatur vorgenommen. Über die Wirkung der Gifte auf die Lungengefässe. 2337 Die Gesamtzahl der von mir ausgeführten Experimente beträgt 53. Hier gebe ich nur einige derselben, nämlich die am meisten charakte- zistischen, wieder und illustriere sie durch Kurven. Von den Giften wurden untersucht: Adrenalin, Histamin, Nikotin, Coffein, Chlor- ‘baryum; desgleichen wurden einige Experimente mit Pilocarpin und ‚Atropin ausgeführt. Das Adrenalin (von der Firma Parke & Davis) ‘oder das Suprarenin (von der Firma Meister, Lucius & Brüning) wurden gewöhnlich in Verdünnungen von 1:2000000 angewendet; es gelangten aber auch andere Konzentrationen, nämlich solche von 1:10000000 bis 1:200000, zur Verwendung. Das Histamin (Imido- Roche) wurde in denselben Konzentrationen durchgeleitet wie das Adrenalin. Nikotin (Nicotin. puriss. Merck), Coffein (Coffein. puriss.) ‚und Chlorbaryum (Baryum chlorat. puriss. pro analysi) wurden in ‚Konzentrationen von 1:1000 bis 1:2000, das Pilocarpin und Atropin in solehen von 1:5000 angewendet. Tabelle ll. Versuchsprotokolle über die Wirkung des Adrenalins und Histamins. (Siehe Kurve 1.) | | Zeit |Tropfen- Zeit |Tropfen- h ' zahl | Herr. zahl | 11 16 15 1253| 48 14017. 15 12 59 3 11 18 15 100, 44 Adrenalin 1: 2000000 a) i6r 01.'7°47 11 21 16 1:02 47 22 16 1 03 47 11 23 16 1 04 48 11 29 16 1 05 49 11 3 14 | 1 06 5l 11 31 14 12:07 92 11 32 14 | 1 08 52 11 3 16 Adrenalin 1:2000000 | 1 09 53 11 34 24 115 35 Normal 11 35 3l 1.23 39 11 36 37 1 51 44 11 37 39 1 58 40 11 38 42 159 41 2.39 46 2 00 42 11 40 48 2 01 41 11 48 70 | Normal 2 02 41 Histamin 1:2000000 11 53 69 2.03 3) 12 05 56 2 04 17 12 17 50 2 05 g 12 19 46 2 06 6 123 38 41 2209 2 12 39 42 | 2 10 1 | Normal 12 52 43 | 2 16 15 328 W. J. Beresin: Tabelle 2. Versuchsprotokolle über die Wirkung des Adrenalins und Histamins. (Siehe Kurve 2.) Zeit |\Tropfen- Zeit |Tropfen- er zahl - ho zahl 11 43 32 12833 116 11 44 33 12 36 114 11 45 32 198 102 11 50 30 12 93 Si 3 1245 82 11 52 30 12 48 7 11 54 30 259 65 101 55 sv 10% 65 - i Il57 2 Adrenalin 1:2000000| 1 01 63 Adrenalin 1: 2000 00®! 11 58 46 028 75, 11 59 62 1 03 s0 12 00 69 1 05 83 12 01 75 1 06 86 12 02 82 1 or 90 12 04 99 Normal 1 08 9, 12 05 108 ib 15 109 Normal 12 06 113 1 26 126 12 07 116 1 36 128 12 08 125 1 50 121 12 09 129 I il 98 12 10 138 1 52 97 Histamin 1:2000000 oa 140 1253 56 ; 1212 141 1 54 20 12 18 143 155 8 12 95 140 1 56 4 12 30 130 I 97 2 12 8 122 1 59 0 Tabelle 3. Versuchsprotokolle über die Wirkung des Adrenalins. (Siehe Kurve 3.) Zeit ‚Tropfen- Zeit \Tropfen- h r zahl. Her zahl 12 29 16 12 50 28 12 30 16 1a Sul 29 12 31 16 12952 31 re32 16 10253 34 12 35 16 12 54 35 12 36 16 10% 44 Normal 234 16 a 51 12 38 17 1223 45 122142 17 1 34 36 12 43 17 1 41 30 12 44 17 1 46 27 12 46 18 Adrenalin 1:2000000| 2 21 19 12 Zr all 2225 18 12 48 | 24 226 18 12 49 27 Dan 19 Über die Wirkung der Gifte auf die Lungengefässe, 229: DD PRPFEPRRPPEUODDDDDRDRDDDRRTNMD DD [00] Tropfen- zahl Adrenalin 1: 2000000 Normal | Adrenalin 1: 1000 000 Zeit RR STE KON L ET GES SER SER SER SEN SEN SEE SEEN SEE SETS Tabelle 4. Tropfen- zahl Normal Versuchsprotokolle über die Wirkung des Adrenalins, des Coffeins und des Histamirs. (Siehe Kurve 4.) HS HH HP> Hs Ha HR Hs Hin HH HH HH HH Normal Zeit |Tropfen- h r zahl 4 45 34 502 29 5 38 20 5 42 20 5 43 20 5 44 19 Coffein 1: 1000: 5 45 11 5 46 12 5 14 5 48 13 5 49 16 Adrenalin 1:2000000| 5 50 18 5 Sl 19 5 62 20 E33 22 5 55 26 5 56 28 3 29 5 58 32 5 3%) 32 6 09 3l Normal 6 19 26 ea 19 230 W. )J. Beresin: Zeit |Tropfen- Zeit |Tropfen- h ' zahl hr salr zahl beBp 6 38 16 0233 19 6 39 Ss 6 34 19 6 40 4 6 35 19 6 43 2 6 36 19 Histamin 1:2000000 | 6 44 1 6 37 | Tabelle 5. Versuchsprotokolle über die Wirkung des Adrenalins, des Coffeins und des Histamins. (Siehe Kurve 5.) Zeit \Tropfen- Zeit |Tropfen- h r zahl h r zahl | 4 54 25 6 13 25 4 55 25 6 14 15 4 56 235 6 15 16 4 57 25 6 4.58 25 lee) 4 59 25 6 18 | 5 04 24 6 20 23 | 5 05 25 6 21 24 | 5 06 25 Adrenalin1:2000000 | 6 22 26 | 9 25 6 23 | 5 08 25 6 24 29 5 09 25 6 25 30 5 10 25 6 26 30 5 23 6 27 sl 5 1% 21 6 29 33 Normal 5 18 | 6 41 37 5) 1 an 6 47 35 5 15 21 Normal 6 48 39 5 zil al 6 49 35 Histamin 1:2000000 Sal 26 6 50 3 6 06 25 al 20 6 07 26 d: 52 13 6 08 26 6 53 10 6 11 25 6 54 8 6 12 26 Cofein 1:1000 Tabelle 6. Versuchsprotokolle über die Wirkung des Suprarenins, des Cofteins und des Nikotins. (Siehe Kurve 6.) m | — Zeit |Tropfen- Zeit Tropfen- 2 zahl | new zahl BEI 53 | I 55 2 53 | 3 18 54 re so| 3 3 16 53 Sl 99 Über die Wirkung der Gifte auf die Lungengefässe. 231 Zeit Tropfen- Zeit \Tropfen- me (zahl Bee ezahlı 3 2 55 5 38 35 | 323 55 \Suprarenin 1:2000000| 5 39 35 | Coffein 1:2000 3 24 54 5 40 3 3 2 54 5 41 24 3 26 54 5 42 24 3 27 54 5 43 25 3 28 55 5 44 27 3 29 56 5 45 28 3 30 56 5 46 29 33 56 SALE 3 3 56 5 48 32 338 | 56 Normal 5 49 33 a5 5 50 34 | 3 46 54 5 51 3 3500| 3 5 52 3 4 45 34 5 53 3 4 46 35 5 54 3 4 47 35 5 56 3 4 48 34 |Suprarenin1:2000000| 5 57 | 41 4 49 Bl 5 58 41 | Normal 4 50 37 | 6 26 31 | 4 51 35: | 6 27 31 | 4 52 Se Gase 32 4 53 36 6 29 31 | Nikotin 1:1000 4 54 a 6 30 Ba 4 55 36 | 63 29 | 4 56 36 6 32 28 | Ga a) 4 58 | 37 \Normal ERSE AL 508| 38 | 6 35 a 5 33 38 | 63 26 | 5 34 36 6 3 5 5 35 36 6 38 a 5 36 35 6 3 25 53 35 Tabelle 7. Versuchsprotokolle über die Wirkung des Histamins, des Adrenalins, des Coffeins und Nikotins. (Siehe Kurve 7.) Zeit Tropfen- Zeit Tropfen- ae zahl Be zahl BE Sl 127 11 48 3 11 3 a N 11 52 26 Normal 12 127 ‚Histamin 1:4000000| 12 00 | 32 11 40 | 115 12 10 37 11 41 90 12,17 38 11 42 63 12 22 42 11 43 56 12 26 44 11 44 49 12 3 46 11 45 43 12 41 48 11 46 38 12 50 32 232 W.J. Beresin: Zeit |Tropfen- Zeit ‚Tropfen- perür zahl ar, zahl 1 01 50 4 45 29 1 06 50 4 46 sl 1 09 50 Adrenalin 1:4000000| 4 47 32 1 10 52 4 48 33 l ahl 50 4 49 34 1 12 49 4 50 35 1 18 48 4 51 37 I: 47 4 52 38 ıı 25 47 4 58 38 1 16 47 4 54 41 1 17 47 4 55 42 ı 18 47 4 56 42 Normal 1 19 a7 5 09 36 1 20 47 Normal 5 16 23 125 47 5 A 30 4 29 2A 5 18 30 Nikotin 1:1000 4 30 237 5 20 27 A Sl 27 Del 23 4 32 28 5 2 1 4 35 27 5 23 18 4 36 a Coffein 1:1000 H24: 17 4 38 24 3 25 15 4 39 21 5 26 15 4 40 22 5 14 4 41 27 5 28 1® 4 42 23 5 29 12 4 43 26 5 80 11 4 44 28 Aus den hier angeführten Experimenten sowie auch aus einer Reihe von anderen Experimenten ergibt sich folgendes: | Das Adrenalin bleibt entweder ohne bemerkbare Wirkung auf die Lungengefässe oder bewirkt, was sehr häufig der Fall ist, eine bedeutende Erweiterung derselben, und zwar in demselben Maasse, wie es an den Kiemengefässen beobachtet wird (Prof. N. P.Krawkow). In dieser Beziehung lassen sich die Lungengefässe mit den Kranz- ‚gefässen des Herzens vergleichen, die unter dem Einflusse des Adre- nalins, wie Prof. N. P.Krawkow!) neulich nachgewiesen hat, gleich- falls entweder sich nicht verengern oder, was häufiger der Fall zu sein pflegt, bedeutend erweitern. Ich möchte hier auch darauf hin- weisen, dass die Lungengefässe auch in bezug auf andere Gifte in einer derjenigen der Kranzgefässe sehr ähnlichen Weise reagieren. In einigen Experimenten beobachteten wir bei Durchleitung von 1) Prof. N. P. Krawkow, Russki Wratsch 1914 Nr. 1. Über die Wirkung der Gifte auf die Lungengefäse. - : 938 Adrenalin eine anscheinend sichtbare Verengerung der Gefässe, da eine, wenn auch nicht bedeutende Verringerung der Tropfenzahl nach Umdrehung des Hahnes beobachtet wurde; jedoch konnte ich ‚dieser Beobachtung eine entscheidende Bedeutung nicht beimessen, da dieselbe in denjenigen Fällen gemacht wurde, in denen das Durch- fliessen der Flüssigkeit an und für sich Neigung zur Verringerung zeigte (vgl. Experiment 5). Die übrigen Gifte üben auf die Lungengefässe eine sehr charakte- ristische und konstante Wirkung aus. So gibt das Histamin in denselben Konzentrationen wie das Adrenalin einen sicheren und starken vasokonstriktorischen Effekt. Nikotin, Pilocarpin und Chlor- 'baryum bewirken gleichfalls eine Verengerung der Lungengefässe. Coffein bewirkt zunächst eine gewisse Verengerung der Gefässe. Bei weiterem Durchfliessen des Giftes tritt immer und obendrein ‚eine bedeutende Erweiterung der Gefässe ein. Das Atropin übt irgendeine bemerkbare Wirkung auf die Lungen- gefässe nicht aus; wenn aber die Lungengefässe zuvor durch Pilo- karpin oder Histamin verengt waren, so beseitigt das Atropin diese vasokonstriktorische Wirkung. In bezug auf die pharmakologische Wirkung sind die Resultate von besonderem Interesse, welche in den Experimenten mit Adrenalin erzielt worden sind. Wenn man im Auge behält, dass das Objekt der Adrenalinwirkung ausschliesslich das sympathische Nervensystem ist (Langley), so muss man auf Grund dieser Experimente zu dem Schlusse kommen, dass das sympathische Nervensystem der Lungen, wenn nicht ausschliesslich, so doch hauptsächlich vasodilatatorische Fasern enthält. Die vasokonstriktorischen Fasern gehören haupt- sächlich zum autonomen Nervensystem (Experimente mit Nikotin, Pilocarpin, Histamin), Schlüsse. 1. Das Adrenalin übt in Konzentrationen, welche auf die peri- pherischen Gefässe die intensivste Wirkung haben, auf die Lungen- gefässe entweder keine bemerkbare konstriktorische Wirkung aus :oder bewirkt, was sehr häufig der Fall ist, eine bedeutende Er- weiterung derselben. 2. Nikotin, Histamin, Pilocarpin und Chlorbaryum üben auf die Lungengefässe eine konstriktorische Wirkung aus. 234 W. J. Beresin: Über die Wirkung der Gifte auf die Lungengefässe. 3. Das Coffein bewirkt zunächst eine Verengerung der Lungen- gefässe, an deren Stelle rasch und immer eine bedeutende Er- weiterung derselben tritt. 4, Das Atropin übt eine bemerkbare Wirkung auf die Lungen- gefässe nicht aus. Wenn aber diese zuvor durch Pilocarpin oder Histamin verengt waren, so beseitigt das Atropin diese Verengerung der Gefässe. (Aus dem physiologischen Institut der k. k. Universität T,emberg.) Über Erregbarkeit der Grosshirnrinde und Auslösbarkeit von Rindenepilepsie unter Einfluss von Schlafmitteln wie nach Verabreichung grösserer Bromgaben!). ; Von Prof. Dr. @. Bikeles und Dr. L. Zbyszewski. Zweck dieser Untersuchungen war die Eruierung des Verhaltens der Erregbarkeitsschwelle wie der Summationsfähigkeit behufs Er- zeugung von Jackson ’scher Epilepsie beim Hunde unter Einwirkung sei es verschiedener Schlafmittel, sei es grösserer Bromgaben. Von Sehlafmitteln kamen zur Anwendung: Chloralhydrat, Amylenhydrat, Dormiol, Natriumveronal, Luminalnatrium, Adalin und Bromural, im ganzen bei 30 Versuchstieren. Brom gebrauchten wir ausschliesslich als Natriumsalz, und zwar, sei es per os, sei es als Injektion in die Vena cruralis. Brom als einmalige Gabe wurde bei 14 Versuchstieren verabreicht; bei drei derselben wurde zuvor durch 6—9 Tage kochsalzfreie Nahrung ge- geben. Ausserdem wurde bei drei anderen Tieren Bromnatrium durch eine Reihe von Tagen (von 5—9) bei gleichzeitiger Kochsalzentziehung verabreicht. Das Versuchsverfahren war im allgemeinen folgendes: Zunächst wurde beim Hunde die psychomotorische Region der Hirnrinde auf der einen Seite blossgelest und die Erregbarkeitsschwelle für die hintere und vordere Extremität, eventuell auch für den Orbieularis oculi festgestellt. Dann wurde die Region für die hintere Extremität (in einer Minderheit der Fälle die Region für den Augenschliesser und nur ganz ausnahmsweise die Gegend der vorderen Extremität) sukzessive nach entsprechenden Pausen mit anwachsenden Strom- stärken durch eine jeweilige konstante Anzahl von Sekunden (ge- wöhnlich 30) bis zum Erscheinen eines Anfalls von Rindenepilepsie gereizt. Es sei hier gleich bemerkt, dass in allen Versuchen, in 1) Vorgelegt der Akademie der Wissenschaft. Krakau, am 8. Juni 1914, Erscheint in polnischer Sprache. Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd. 158. 16 236 G. Bikeles und L. Zbyszewski: denen nicht ausdrücklich die Erzeugung des Anfalles als Folge der Reizung einer anderen Region namhaft gemacht wird, die Reizung in der Gegend der hinteren Extremität statthatte. Nach der auf diese Weise erfolgten Feststellung der Erreg- barkeitsschwelle und der Reaktionsweise des betreffenden Tieres in Form eines Anfalles wurde dem Hunde, sei es eines der erwähnten Schlafmittel und dann in der Regel per os, mittels Sonde, sei es Natriumbromat bald per os, bald per venam verabreicht. In allen Fällen einer Verabreichung per os wurde eine entsprechende Menge von (bei gewissen Hypnotika warmer) Flüssigkeit eingeführt. Nach Ablauf einer entsprechenden Zeit wurde nun abermals das Verhalten der Grosshirnrinde bezüglich Erregbarkeit und Auslösbarkeit von Rindenepilepsie studiert. Die auf diese Weise erhaltenen Ergebnisse veranschaulichen die einzelnen beigefügten Tabellen. (Siehe die Tabellen I-IX auf S. 237—247.) Daraus ersieht man vor allem, dass eine Herabsetzung der Erreebarkeitsschwelle und die Aufhebung der Fähigkeit zur Er- zeugung von Jackson ’scher Epilepsie nicht immer einander ganz ent- sprechen. Die Erregbarkeitsschwelle wurde in unseren Versuchen recht auffallend herabgesetzt unter der Einwirkung von Amylenhydrat und Dormiol, durch Amylenhydrat eigentlich noch mehr als durch Dormiol. So sinkt für die hintere Extremität unter Einwirkung von 7 ceem Amylenhydrat bei drei Versuchstieren die Erregbarkeits- schwelle einmal von 180 auf 135 mm R.-A., beim zweiten Hund von 170 auf 125 mm R.-A., beim dritten Hund von 140 auf 90 mm R.-A. Auch nach 6 cem Amylenhydrat wird die Erregbarkeits- schwelle für die hintere Extremität von 150 auf 120 mm R.-A. herab- gesetzt (und selbst nach Verabreichung von nur 4 ccm desselben Schlafmittels fällt die Erregbarkeitsschwelle von 170 auf 150 mm R.-A.). Nach Verabreichung von 8 ccm Dormiol sinkt die Erregbarkeitsschwelle für die hintere Extremität von 175 auf 120 mm R.-A.; nach Ver- abreichung von 4 cem Dormiol bei drei Versuchstieren erniedrigte sich im allgemeinen ebenfalls sichtlich die Erregbarkeitsschwelle, wenn auch nicht so auffallend wie bei Amylenhydrat. Hingegen vermissten wir in unseren Versuchen nach Ver- abreichung von Veronal und Luminal (selbst in sehr beträchtlichen Dosen) eine unzweifelhafte Herabsetzung der zuvor konstatierten Erreg- barkeitsschwelle (vgl. Tab. IV und V). 237 Über Erregbarkeit der Grosshirnrinde etc. SUNYILAUPEN 9Uroy "vy uu 0, pun 08 Rd "v-"y wu}, 19q 188os [fer -uy woum uoA ınds ouray SUnyarMIpeN HUoM "vy wu 08 pun 06 T0q 798 GT U0A AONe(T I9p UOA [feJuV 1901} -T9sqfeg "yY-"y wu 06 Iog "I1eF -uy wouta uoA andg auroy "v-"y uu 00] pun czT I9q . 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Bikeles und L. 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Bikeles und L. Zbyszewsk STAALFZ[ESUI04 98], 9 wosunyaowag OTOAJZIEeSU0N Ifeguv a9sıyrosqpey J9uay9o1dsassne u -y-y wu 08T log Ifeguy dosıposqjey J9uaD0AdsassnEe UISESVER TAU GANSET UOIENWOIIRT uojedoyeje1}uog uop ur uUEHUNNONZ usuasIuop7 UOA Ifeguy Aa9puaanep zn uo 'v-"y LLNSORSPUNSOSTEISE woIg Yoru ITeFuV "y-'y wu 076 75 20 IGIO vy wu 055 "IXHY 'PIOA Aal ww 02% "9X YuıH :107gds "u OF -y-y wu 018085 0 IAIO ya wu 026 9XH "PIOA "vg wu 097 ‘9x YULH :zoyeds "up OF "v4 ww 066 "IXH "DIOA V-y wu 077 ‘9X YULH :a9yeds "up Cr woIg yaeu alfomy9s -SNONIEIOLIN (2 0069 :Iy91IM9H9) 34 ( 0072 :IP1M99) 34 (3 0009 :?q2IMaH) 34 (ageN) woag SI[EANID BUAA 9Ip ur SI[EANAO BU A OIp ur SI[eANID BEA Ip ur Q Ifeuy 193 -nlosqpeyg ‘102 -1eJ8 ul9 "V-"Y wu 067 Toq “AOudemyds um "vg mu 005 199 S119s -gpeg ‘peguv "y-'y wu c0g log ayosqpey ‘ITeF -uy doyoımaop "yv-ywugLr log "UOFEIIWOIIXH AferoyejenyuoN "wo19g ‘feJuy "V-y wur 08] Tag IreguV v-y ww (062) 0F5 90 IAIQ "v-y wur (08%) 085-886 "9X PAOA "y-"y um 075 19x Yu v4 ww (138-085 0 "ANAIQ "yY-y uu0as IX DIOA "v-y u (02%) <07 9x4 YurH VAT wu CI 055 "90 "NAIO v4 wu (GEZ) 083 9X 'PIOA Se wu (088) 016 'YXH JUIH Oo MyasspayIregsadm] III II yons -IO A Tees mm—m—mmll "IA 971948 L 246 Über Erregbarkeit der Grosshirnrinde etc. Tabelle IX, 247 Natrium bromatum und kochsalzfreie Nahrung durch mehrere Tage, 3 Erregbarkeitsschwelle I | Hint. Extr. 190 mmR.-A. Vord.Extr. 130mm R.-A, Orbic. oculi 185-130 mm R.-A. Anfall Bei 180, 170, 160, 150, 140, 130, 120 und 100mm R.-A. kein Anfall (nur ein Strecktonus der hinteren Extremität, eventuell ver- spätet) I | Hint. Extr.210 mmR.-A. | a) Fehlen jeder Spur eines Vord.Extr. 210 mmR.-A. III | Hint. Extr.215 mm R.-A. Vord. Extr. 220-210 mm R.-A, Orb. oculi 225 mm R.-A. klonischen Anfalles nach Reizung bei 200, 190, 180, 170, 160, 150 und 140 mm R.-A. (dagegen kommt zum Vorschein eine toni- sche Verkrümmung des Rumpfes nach derselben Seite und ein Strecktonus der kontralateralen hinte- ren Extremität). b) Bei 130 mm R.-A, ein leichter halbseitiger, klo- nischer Anfall von der | Dauer von 42-43 Sek. Bei 205, 190, 180, 170, 160, 150 und 130 mm R.-A. kein Anfall von klo- nischen Zuckungen (nur bei 140 mm R.-A. einige- mal klonische Zuckungen der vorderen kontra- lateralen Extremität, die aber bald aufhörten). (Bei 180—130 mm R.-A, tonische Erscheinungen an der hinteren kontra- lateralen Extremität, mehr oder weniger deut- lich.) Natrium bromatum Gesamtgabe: Natr. br, 27 2. 3 g täglich durch 9 Tage Kochsalzfreie Nahrung durch 9 Tage (Gewicht: 9000 g) Gesamtgabe: Natr. br: 21 g. 3 g täglich durch 7 Tage Kochsalzfreie Nahrung durch 8 Tage. (Gewicht: 9200 g) Gesamtgabe: Natr. br. 15 g. 3 g täglich durch 5 Tage Kochsalzfreie Nahrung durch 6 Tage (Gewicht: 6700 g) Beachtenswert ist ein analoges Verhalten der Erregbarkeits- schwelle für die peripheren Nerven unter Einwirkung derselben Schlafmittel. In einer Reihe unserer Versuche legten wir nämlich den Nervus ischiadieus der einen Seite bloss (auf Seite der gereizten Hirnrinde) und bestimmten den Rollenabstand, bei dem eben deut- liche klonische Zuckungen der Extremität bei Reizung des Ischiadieus zum Vorschein kamen; geraume Zeit nach Verabreiehung des ent- sprechenden Schlafmittels wurde abermals der Ischiadieus gereizt und der Rollenabstand bei erfolgter Zuckung der Extremität notiert, 248 G. Bikeles und L. Zbyszewski: Es zeigte sich nun, dass bei allen drei Hunden, die je 7 ccm Amylenhydrat erhielten, die Erregbarkeitsschwelle für den Ischiadieus sich ausnahmslos deutlich erniedrigte (von 315—8310 mm auf 275 mm R.-A., von 300—290 mm auf 260—250 mm R.-A., von 270 mm auf 230—220 mm R.-A.). Nach Verabreichung von 8 ccm Dormiol sinkt die Erregbarkeitsschwelle für den Nervus ischiadieus von 3l5 mm auf 280 mm R.-A.; nach 4 cem Dormiol sinkt die Erreg- barkeitsschwelle des Ischiadieus einmal von 370 mm auf 330 mm R.-A.; beim anderen Hund bleibt sie unverändert. Bei Verabreichung von Veronal erfolgt hingegen ( 1,5 g und 3 g) gar keine Erpiedrigung der Erregbarkeitsschwelle für den Ischiadieus. Während die Erregbarkeitsschwelle der psychomotorischen Region nur bei gewissen, d. i. den lipoidlösenden Schlafmitteln recht deutlich ausgesprochen ist, heben die Summationsfähigkeit behufs Erzeugung Jacekson’scher Epilepsie auch Veronal, Luminal, sogar Adalin und Bromural auf. Man könnte von vornherein zur Annahme geneigt sein, dass die Unauslösbarkeit von Rindenepilepsie bei Tieren, die unter dem Einfluss von Schlafmitteln sich befinden, eine der schlaferzeugenden Eigenschaft, also der allgemeinen Herabsetzung der Grosshirnrinden- funktion parallele Erscheinung sei. Bei einer derartigen Annahme würde nun die Aufhebung der Auslösbarkeit von Rindenepilepsie nach Verabreichung erwähnter Schlafmittel nur beim Eintreten einer Schlafwirkung zu erwarten sein. Dies trifft aber keinesfalls zu. Schon die bei manchen Versuchstieren verabreichte Gabe von Veronal war bezüglich Schlafwirkung eine verhältnismässig geringe. Noch auffallender ist das Verhalten in unseren Versuchen mit Bromural; bei fünf Versuchstieren, bei denen wir Bromural verabreichten (0,6 und einmal 1 g), zeigte sich keine Spur von Schlaf, und die Tiere blieben bis zum Schluss des Versuches wach; nichtsdestoweniger aber hörte die Auslösbarkeit von Rindenepilepsie entweder gänzlich auf, oder es wurde dieselbe bedeutend herabgesetzt!). (Ähnlich wie bei Bromural war das Verhalten nach Verabreichung von 1 g Adalin.) Man ersieht daraus, dass Schlafwirkung und Unauslösbarkeit von Rindenepilepsie ganz und gar nicht parallel einhergehen, und 1) In einer Reihe späterer Versuche, betreffend Reizwirkung und Lokalisation an der Grosshirnrinde, wandten wir öfters bei Hunden, die eine grosse Neigung zur Rindenepilepsie zeigten, Bromural 0,6 mit sichtbarem Erfolg an. Über Erregbarkeit der Grosshirnrinde etc. 349 dass vielmehr die Summationsfähigkeit der Grosshirnrinde, die zur Erzeugung von Rindenepilepsie nötig ist, schon bei kleineren Gaben, die noch keinen Schlaf erzeugen, herabgesetzt wird. Damit gewinnt die klinische Verwendung von Luminal bei Behandlung der Epilepsie, die in neuester Zeit viele Anhänger gefunden hat, eine theoretische Grundlage. Ganz anders als nach Schlafmitteln ist das Verhalten nach ein- maliger Verabreichung von Brom. Unsere Versuche mit Natrium bromatum lassen sich folgendermaassen gruppieren: A. bei bisheriger kochsalzhaltiger Nahrung einmalige Bromabgabe, und zwar: a) per os bei sieben Versuchstieren, b) als Injektion in die Vena cruralis bei vier Versuchstieren ; B. bei kochsalzfreier Nahrung (in der Dauer von 6—9 Tagen): a) einmalige Bromgabe als Einspritzung in die Vena cruralis bei drei Versuchstieren, b) per os durch eine Reihe von Tagen bei drei Versuchstieren. In den Fällen nun von einmaliger Bromdarreichung, gleichviel ob per os oder per venam eruralem, bei zuvor kochsalzhaltiger Nahrung bleibt die Auslösbarkeit von Rindenepilepsie im ganzen genommen nicht wesentlich verändert. Man könnte uns bei einigen (Tab. VII) dieser Versuche bei Darreichung per os die Kürze der Zeit — durch unvorhergesehene Zeitknappheit beim Versuch verursacht — für die abermalige Untersuchung der Erregbarkeits- schwelle bemängeln. Allein selbst in diesen Fällen fanden die Unter- suchungen behufs Auslösbarkeit der Rindenepilepsie erst später statt und dauerten auch, indem wir von den schwächsten zu wirksamen stärkeren Strömen gradatim und in Pausen fortschritten, ziemlich lange. Ausserdem wurde in der weit überwiegenden Anzahl der Versuche die abermalige Prüfung der Erregbarkeitsschwelle — wie aus der Tabelle ersichtlich — viel später vorgenommen. In den Versuchen mit Einspritzung von Natriumbromat in die Vene nach vorausgegangener kochsalzfreier Nahrung ist die Wirkung bezüglich Auslösbarkeit von Jackson’scher Epilepsie ebenfalls keine überzeugende; eine deutlichere Herabdrückung in der Auslös- barkeit eines Anfalles ist eigentlich nur in einem Falle (auf 3) vor- handen, also ein recht zweifelhaftes Ergebnis. Kann man auch nicht das Ergebnis von einer Wirksamkeit oder Unwirksamkeit einer Substanz bei einer gewissen Dosis direkt vom Hund auf den Menschen übertragen, so ist doch immer der Kontrast — 250 G. Bikeles und L. Zbyszewski: zwischen dem Verhalten nach Natriumbromat einerseits und Bromural andererseits sehr auffallend. Bromural, in den relativ kleinen Dosen von 0,6 g per 08 ge- reicht, setzt die Auslösbarkeit der Rindenepilepsie sehr bedeutend herab, resp. hebt dieselbe ganz auf; Natriumbromat dagegen in Gaben von 5 g, direkt in die Blutbahn gebracht, bleibt ohne Wirkung. Wir meinen daher, dass eine einmalige Darreichung von Natriumbromat, wenigstens in der von Ärzten gewöhnlich verordneten Dosis von 2—3 g, auch beim Menschen kaum als wirkliches Sedativum gelten kann. Natriumbromat in mässiger Gabe zeigte sich in unseren Ver- suchen nur dann von Einfluss auf die Grosshirnrinde, wenn diese Gabe — selbst per os — durch mehrere Tage (von 5—9) verabreicht worden war (Tab. IX). Während wir bei den übrigen Versuchen mit ganz winzigen Ausnahmen die Erregbarkeit der Hirnrinde und Auslösbarkeit von Jackson’scher Epilepsie vor Anwendung der entsprechenden Substanz und nach Darreichung derselben abermals prüften, haben wir in der letzten Gruppe unserer Versuche die vorhergehende Untersuchung unterlassen. Nichtsdestoweniger über- zeugt das übereinstimmende Resultat bezüglich der Nichtauslösbarkeit resp. der bedeutenden Herabsetzung der Auslösbarkeit von Rinden- epilepsie nach mehrtäegiger Wiederholung mässiger Gaben von Natrium- bromat, dass das Fehlen von klonischen Zuckungen als Nachwirkung wirklich die Folge des in dieser Weise dargereichten Natriumbromats ist. Fragt man, weshalb mässige Gaben von Natriumbromat, durch eine Reihe von Tagen dargereicht, sich wirksamer zeigen, so wäre man von vornherein geneigt, in der grösseren verabreichten Gesamt- menge eine befriedigende Erklärung zu finden. Infolge von Retention von Brom bei tagelanger Darreichung erfolgt jedenfalls eine grössere Anhäufung desselben im Organismus. Wir sind aber der Meinung, dass ausser der Retention von Brom auch noch die Ausscheidung von Chlor [vgl. die Arbeiten von Wyss?)] eine grosse Rolle spielt. Dafür spricht das Verhalten in einem nachträglich ausgeführten Versuch. Bei einem Hunde von 5,5 kg Gewicht injizierten wir in die Vena cruralis eine Lösung von 20% Natriumbromat, zunächst in der Menge von 10 g Natrii bromati. Nach entsprechender Pause (etwa 25 Minuten) erhielten wir nach Reizung, 30 Sekunden lang, 1) Arch. f. exper. Path. u. Pharm, Bd. 55 S. 263 und Bd. 59. Über Erregbarkeit der Grosshirnrinde etc. 251 beim Rollenabstand 200 mm einen heftigen, sehr lange dauernden (4"/2 Minuten) allgemeinen epileptischen Anfall, der nach Aufhören sich noch einmal mit ebensolcher Intensität wiederholte. Nachher wurden demselben Hunde noch 5 g Natriumbromat als 20 P/oige Lösung: in die Vena eruralis eingespritzt. Nach einer Pause von über !/2 Stunde:- wurde die Hirnrinde abermals gereizt, und es resultierte bei 170 mm R.-A. ein deutlicher, den Facialis ebenfalls betreffender, halbseitiger epileptischer Anfall, der 1 Minute dauerte. Trotzt also einer direkt in die Biutbahn eingeführten Gabe von 15 g Natriumbromat ist die Auslösbarkeit von Rindenepilepsie noch: ausgesprochener vorhanden als in den Fällen, in denen wir Natrium- bromat durch eine Reihe von Tagen per os einführten. In letzteren. Fällen betrug die Gesamtmenge durch 5 resp. 7 Tage 15 und 21 g Bromnatrium; die zurückgehaltene Menge war jedenfalls kleiner.. Dabei war das Körpergewicht der Versuchstiere beträchtlich be- deutender als in dem nachträglich ausgeführten Versuch. Dies weist also darauf hin, dass für die Beeinträchtigung der Funktion der Nervenzelle neben der Anhäufung von Brom im Blute- auch die Verminderung des Chlorgehaltes !) in Betracht kommt. Zusammenfassung. 1. Herabdrückung oder Aufhebung der Auslösbarkeit von: Rindenepilepsie geht nicht immer parallel mit einer Veränderung der Erregbarkeitsschwelle einher. 2. Die Unauslösbarkeit von Rindenepilepsie infolge der Ver- abreichung von Hypnotika ist nicht notwendig der Ausdruck einer Aufhebung der Rindenfunktion überhaupt oder proportional der Schlafwirkung, sondern zeigt sich bereits bei zur Schlafwirkung nicht ausreichender Dosis im vollständig wachen Zustand des Tieres. 3. Brom in relativ noch mässiger Dosis als einmalige Gabe, sogar als Einspritzung in die Vene, bleibt ohne Erfolg auf Erreg- barkeit wie auf die Auslösbarkeit von Rindenepilepsie. 4, Mässige Bromgaben zeigen sich wirksam bei Verabreichung derselben durch eine Reihe von Tagen. 1) Vgl. Wyss, l. e., dann Laudenheimer, Neurol. Zentralbl. 1910 S. 461, und Ulrich, Neurol. Zentralbl. 1910 S. 74. Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd. 158. 17 252 Osw. Polimanti: (Aus dem physiologischen Institut der Universität Perugia.) Über die Natur des Winterschlafes. Eine Antwort an Fr. Mares. Von Dr. Osw. Polimanti, Professor der Physiologie. Ich bin MareS sehr dankbar dafür, dass er mir durch seine Kritik!) meiner Abhandlung über den Winterschlaf?) Gelegenheit verschafft hat, die Wahrheit hinsichtlich vieler dieses interessante Thema betreffender Tatsachen festzustellen, die ich in dem erwähnten Buche auseinandergesetzt habe und die er, als der Wahrheit nicht entsprechend, angreift. Jeder Biologe muss den Ausspruch Baco v. Verulam’s: „Ex contentione veritas“ zu seinem eigenen machen. Mares rät mir (S. 412) vor allem, ich solle ins III. Kapitel meiner Monographie (S. 88—89), wo ich von dem „Winterschlaf und dem antiken und modernen Mystizismus“ spreche, statt ins IV. Kapitel (S. 90—121), wo ich den Begriff des Winterschlafes nach den alten und modernen Autoren auseinandersetze, den Teil einsetzen, in welchem ich die Resultate seiner Arbeiten über den Winterschlaf?) zusammenfasse. Er ist der Ansicht, dass ich seine 1) Fr. Mares, Zur Frage über die Natur des Winterschlafes. Pflüger’s Arch. f. Physiol. Bd. 155 S. 411—420. 1914. x 2) Osv. Polimanti, Il Letargo. Tipografia del Senato 1913 p. 683 con 3 tavole. Roma. 3) Fr. Mare$, Über den Winterschlaf der Säugetiere. Sbornik lekarsky Bd. 2 S. 458—527. 1889. Dieses Werk habe ich mir nicht verschaffen können; es wurde jedoch einige Jahre später (1892) in französischer Sprache im Auszug veröffentlicht: Fr. Mares, Experiences sur l’hibernation des Mammiferes. Ü.R. Soc. de Biol. Paris. Seance du 22 octobre 1892, t.4 p. 313—820, IXe® Serie. (44 de la Collection) — J. Mares et B. Hellich, L’abaissement de la tem- perature chez l’homme apres perte de la sensibilitE pour le froid et le chaud, suggeree dans l’etat hypnotique (avant-propos par M. J. Mares). C. R. Soc. Über die Natur des Winterschlafes. 253 Beiträge in sehr sonderbarer und unpassender Weise angeführt habe. Sehen wir nun zu, ob diese Anschuldigung, die MareS gegen mich riehtet, wahr ist. Ich will zum Vergleich alles wörtlich anführen, was ich geschrieben habe und was Mares in seinen Publikationen angeführt hat. Polimanti (1913)}). Mares (1889—1892)2). (Erster Satz.) MareS (1392) [Zum ersten Satze]l (1892, schliesst vollständig aus, dass die p. 319): „Le froid exterieur ne Kälte die Ursache der Lethargie |produit pas l’hibernation.“ sei: Die lethargischen Tiere hätten (p. 320): „A perdu une pro- eine angeborene Fähigkeit, in ihrem | priete acquise par l’evolution, la Nervensysteme die Empfindlichkeit sensibilit6 au froid exterieur.“ ausschliesslich für die äussere Kälte (p. 320): „La cause de l’hiber- verschwinden zu machen, nation est la perte temporaire de ‚la sensibilite du systeme nerveux au froid exterieur,“ (Zweiter Satz.) Diese Fähigkeit [Zum zweiten Satze] (1889, sei einer hypnotischen Suggestion zu- avant-propos par M. J. Mares, zuschreiben, welche atavistisch über- p. 410): „Dans mon me&moire sur tragen wird. ‚le sommeil hibernal chez les mammi- ‚feres, publi6 dans le Sbornik |lekarsky II, 4, 1889 (Archives boh&ämes de me&decine) jai emis idee que ce sommeil est un.ph6&nom&ne de 1l’6tat hypnotique, dans lequel l’animal perd la sensibilit€ pour le froid.“ (1892, p. 320): „L’hibernation 'serait un etat d’atavisme,“ [Zum ersten und zweiten Satze] (1889, p. 414): „Quant au sommeil hibernal, notre experience confirme l’hypothese faite par l’un de nous, ıque c’est un ph&enomene de de Biol. t. 1 p. 410—415, IXe Serie. A. 1889. (41 de la Collection.) (Irrtümlicher- weise wurde J. statt F. und Mares statt MareS$ gedruckt [wie in der oben- erwähnten Abhandlung aus dem Jahre 1892], indem in diesem letzteren Falle die böhmische Bezeichnung durch die französische ersetzt wurde.) 1) Ich bringe hier d’e deutsche Übersetzung, wie sie Mare$ selbst (1914 S. 412) von diesen Sätzen meiner Monographie (S. 116) gibt, in denen ich die Ansichten dieses Autors über den Winterschlaf zusammenfasste. 2) Ich brirge aus MareS’ Arbeiten die Stellen aus seinen Arbeiten (1839 bis 1892) über den Winterschlaf, auf die ich den hier angeführten Auszug stütze, damit der Leser sich auf diese Weise ein genaues Urteil über die Frage bilden kann und so Missverständnisse vermieden werden. hzlse 254 (Dritter Satz.) MareS gründete diese seine Theorie auf eine von ihm und Hellich gemachte Be- obachtung bei einer Hysterischen, welche, wenn sie in den hypnotischen ‚Zustand verfiel, eine enorme Er- Osw. Polimanti: l’etat hypnotique, dans lequel, l’animal perd la sensibilite pour le froid.“ [Zum dritten Satz](1889, p.414, 415): „Elle montre que l’homme aussi, en perdant la sensibilite pour la temperature, tomberait dans un etat analogue au sommeil hibernal, c’est-aA-dire la mort apparente. Les etonnants recits au sujet des fakirs de l’Inde nous apparaissent comme explicables. Probablement les fakirs perdent, dans un etatd’auto-hypnose, qui a ete observe par nous, par auto-suggestion, la sensibilite pour la temperature, peut-&tre la sensi- bilit&E tout entiere; il en resulie une inertie complete du systeme nerveux, cousant une suspension de toutes les fonctions vitales.“ niedrigung ihrer Körpertemperatur ‚zeigte. Mares bringst, um eine Kritik an dem auszuüben, was ich 'bezüglich der Auffassung vorbrachte, die er in den Jahren 1889 und 1892 vom Winterschlaf hatte, nur einen Teil (in welchem er auch noch einige Worte auslässt) von seiner Arbeit aus dem Jahre 1892, ‚so dass der Leser, der nicht bezüglich der Frage unterrichtet ist, sich Keine genaue Vorstellung davon machen und nicht entscheiden kann, auf wessen Seite sich das Recht und auf wessen Seite sich ‚das Unrecht befindet. Ich habe vollständig angeführt, was Mares geschrieben hat und auch das, was ich geschrieben habe, so dass sich beim Vergleich der beiden Reihen klar ergibt, dass der von mir gegebene Auszug aus den Auffassungen Mares’ vollkommen ‘begründet ist und der Wahrheit der von diesem Autor angeführten Tatsachen entspricht; ich habe also an der Zusammenfassung, die ich gebracht habe, auch nicht ein Wort zu ändern. Tatsächlich nimmt er in den Jahren 1889—1892 an, dass die :äussere Kälte den Winterschlaf nicht verursacht, und dass die Winter- schläfer (infolge Evolution) die Sensibilität gegen die äussere Kälte verloren haben. Mares$ schreibt im Jahre 1914 (S. 414): „Von einer hypnotischen ‚Suggestion kann bei einem Ziesel wohl keine Rede sein.“ Wie jedermann sieht, widerspricht er in diesem Punkte voll- ständig dem, was er in den Jahren 1839 —1892 behauptet hat. Über die Natur des Winterschlafes, 255 ad Damals war er nämlich der Ansicht, dass der Winterschlaf durch ‚einen „hypnotischen Zustand“ bedingt sei, und gleichzeitig nahm er an, der Winterschlaf sei „ein atavistischer Zustand‘. MareS hat dies ohne Zweifel geschrieben; nun wohl, ich halte mich auf Grund der elementarsten Logik für berechtigt zu schreiben, dass der hypnotische Zustand dem Winterschläfer atavistisch übertragen wird. Und endlich, vergleicht er nicht den Winterschläfer mit der von ihm und Hellich untersuchten Hysterischen und mit dem indischen Fakir (in welchen Fällen eine Autohypnose, eine Auto- ‚suggestion und demzufolge ein Verlust der Sensibilität für die "Temperatur angetroffen wird)? Ich verweile nicht bei den Fr- 'klärungen, die MareS gibt, um einige seiner Ansichten zu begründen, ‚‚und bei ihrem möglichen Wert, weil hier nicht der Ort dazu ist, da ich in dieser Arbeit nur den Zweck verfolge, die Anschuldigungen, ‚die dieser Autor gegen mich richtet, zu widerlegen. Die von Mares gegen meine Monographie gerichtete Kritik ‘bleibt nicht dabei stehen, sondern bezieht sich auch auf eine von mir im Jahre 1904 geschriebene Arbeit, in der ich meine Ansichten ‚über die wahrscheinlichen Ursachen des Winterschlafes !) auseinander- ‚setzte, die ich auch in meinem Buch (1913, S. 120—121) anführe. In dieser Hinsicht drückt er sich folgendermaassen (1914, S. 415) aus: „Im ganzen ist es ersichtlich, dass meine im Jahre 1892 ver- “ffentlichte Auffassung des Winterschlafes von derjenigen, die sich Polimanti im Jahre 1904 gebildet hat, nicht so sehr verschieden ist, als es nach seiner Darstellung scheinen möchte.“ Ich führe wortgetreu an, was ich in dieser Hinsicht im Jahre 1904 ‚schrieb und was sich auch in meiner Monographie (1903, S. 120) findet: „Kurz, die Murmeltiere und im allgemeinen die Winterschläfer sind Tiere, die nicht imstande sind, niedrigen und hohen Tempe- raturen zu widerstehen; sie haben eine schwache Resistenz des Wärmeerzeugungskoeffizienten und sind deshalb gezwungen, in Winterschlaf zu verfallen, um sich vor einer zu raschen Histolyse und mithin vor dem Tode zu retten.“ 1) Osv. Polimanti, Sulle variazioni di peso delle marmotte in iberna- zione. Bollettino della R. Accademia Medica di Roma, anno XXX fasc. 3. 1904. — -Osv. Polimanti, Sur les variations du poids des marmottes (Arctomys mar- ‚mota) en hibernation. Archives italiennes de Biologie t. 42 fasc. 3. 1904. 256 Osw. Polimanti: Und an einer anderen Stelle: „Meiner Ansicht nach muss dieser spezielle Zustand des Organismus vieler Tiere für eine Übergangs-, Anpassungsform gehalten werden, die sich allmählich in einem un- bestimmbaren Zeitabschnitt entwickelt hat. Mit anderen Worten: Die sogenannte Eiszeit des nördlichen und mittleren Europas hat im Laufe vieler Jahrtausende tiefgehende Veränderungen in der Organisation sehr vieler Tiere veranlasst, die sich in der vorher- gehenden, ausserordentlich heissen pliocenischen Periode in fort- währender Tätigkeit befanden und gezwungen wurden, periodisch winterschlafende Tiere zu werden.“ Wie Mares an ein Plagiat meinerseits denken kann, verstehe ich nicht. Im Jahre 1904 deutete ich auf keine Hypnose hin; erst 1913 stellte ich eine derartige Hypothese auf (S. 655): als Möglichkeit des Verfallens in Winterschlaf; ich sprach im allgemeinen von schwacher Resisteuz des Wärmeerzeugungskoeffizienten und nicht von einem Verlust einer infolge der Evolution erworbenen Eigen- schaft oder vom Verlust der Sensibilität gegen die äussere Kälte, wie dies Mares tut. Ich sprach von „Anpassung“ , welche diese: Tiere erfahren haben, um Winterschläfer zu werden; diese Stelle: kritisiert Mares und bezeichnet eine solehe Anschauungsweise,. indem er deutlich auf mich anspielt (1914, S. 414), als „eine un- kontrollierbare Meinung, wie jene, welche die Winterschläfer von an polare Nächte gewöhnten Gattungen herleiten würde“. Ich habe nichts von ihm entnommen und noch viel weniger etwas von ihm abgeschrieben, denn wenn dies der Fall gewesen wäre, hätte ich kein Bedenken getragen, die Quelle zu zitieren, de» ich diese Anschauungen entnommen hätte; ich hatte keine Ver- anlassung, irgend etwas aus MareS’ Arbeiten zu entnehmen. An einer anderen Stelle (1914, S. 415) spricht er beinahe einen Tadel gegen mich aus, weil ich die Temperaturerniedrigung, die er und Hellich bei der Hysterischen antrafen, als sie in den hypno- tischen Schlaf verfiel, als „enorm“ bezeichnet habe. Ich wiederhole diesen Ausdruck in der nachdrücklichsten Weise und füge hinzu, dass andere Forscher im Interesse der Wissenschaft in dieser Hinsicht Kontrollversuche machen sollten, um tiefer in das Wesen dieser so charakteristischen und interessanten Erscheinungen einzudringen, die: vielleicht viele physiologischen Fragen aufklären könnten, wenn sie zahlreicher wären, und auch besser erforscht und studiert würden.. Ein weiterer Punkt, wegen dessen Mares mich anklagt, betrifft Über die Natur des Winterschlafes. 957 nun die Art und Weise, wie ich seine Arbeiten (1385—1892) über die Ausscheidung des indigschwefelsauren Natrons!) angeführt habe. Er drückt sich folgendermaassen aus (1914, S. 415—416): „Man «darf von einer grossen Monographie erwarten, dass darin besonders ‚auch die tatsächlichen Angaben anderer Autoren genau wiedergegeben werden. Polimanti hat sich nun darin wirklich auf die Mono- eraphie von R. Dubois?) verlassen und meine Beobachtungen über die Ausscheidung des indigschwefelsauren Natrons beim Winter- :schläfer gänzlich nach der Darstellung von Dubois übernommen. Diese Darstellung ist aber unrichtig.“ Was Mares an dieser Stelle sagt, entspricht nicht der Wahrheit. Ich habe seine Arbeit von 1885 und auch die von 1392 gelesen — in der er auch die vorhergehende resümiert —, die Monographie von R. Dubois über den Winterschlaf, sowie die Teile dieser ‘Monographie, in welchen dieser Autor sich mit Mares’ Arbeit über .das indigschwefelsaure Natron beschäftigt. Die Beschuldigung, die MareS in dieser Hinsicht gegen mich richtet, ist, wie ich eben jetzt nachweisen werde, durchaus unbegründet. Ich habe gewissenhaft befolgt, was ich in der Vorrede zu meiner Monographie (1913, S. 2) sagte: „Wo es mir möglich sein wird, jasse ich die Autoren selbst sprechen, da ich der Ansicht bin, dass ich ihre Anschauungen nur umschreiben könnte. Auch wird es hin- sichtlich der Genauigkeit der Arbeit ein grosser Vorteil sein, wenn ich sehr viele Zitate aus den Arbeiten dieser Autoren anführe, usw...“ ‚Auch bezüglich dieser Arbeit von MareS über das indigschwefelsaure Natron habe ich nur fast wörtlich übersetzt, was er über dieses Thema im Jahre 1892 geschrieben hat, in welcher Arbeit er eben auch die Schlussfolgerungen seiner Arbeit von 1885 auführt. Eine ‘Vergleichung der beiden Texte (vom italienischen bringe ich zum besseren Verständnis für den Leser die deutsche Übersetzung) wird ‘bestätigen, was ich hier bestimmt versichere. Polimanti (1913, p. 205206): Mares (1892, p. 313—314): „MareS, der von der Tat-| „Chez la grenouille d’hiver, sache ausgeht, dass beim Winter- | ’indigocarmin injecte dans lalymphe 1) Fr. Mares, Beobachtungen über die Ausscheidung des indigschwefel- sauren Natrons. Sitzungsber. d. k. k. Akad. d. Wissensch. in Wien (mathem.- ‚naturw. Klasse) Bd. 91 Abt. 3 S. 257—270 (mit 2 Tafeln). 1885. 2) R. Dubois, Physiologie comparee de la marmotte p. 268—LXX. ‚119 figures et 125 planches (p. 34—37, p. LV). Paris 1896. 258 frosch das in die Lymphgefässe in- jizierte indigoschwefelsaure Natron weder von der Leber noch von den Nieren abgesondert wird, dagegen in den Kapillargefässen bleibt, so dass eine natürliche Injektion dieser Gefässe zustande kommt, schliesst, dass die Drüsenabsonderung auf- gehoben sei. selbe eintritt, wenn indigschwefel- saures Natron einer winterschlafen- den Zieselmaus injiziert wird. Bei diesen Tieren, wie bei allen Säugern, wird das indigschwefelsaure Natron sehr rasch vom den Nieren ab- gesondert; die Leber beteiligt sich nicht an der Exkretion, wenn dieser Farbstoff nicht in grosser Menge eingespritzt wurde. Beim Winter- schlafe bleiben aber die Nieren vollständig frei von indigschwefel- saurem Natron, und es findet sich keine Spur davon in der Blase; nur in der Leber findet sich das indigschwefelsaure Natron, dort allein, in den Kapillargefässen der Leberarterie, nichts in den Gallen- kanälen; die Exkretion ist also aufgehoben. — Der Autor versucht zu erklären, warum die Nieren, die eine so grosse Anziehungskraft auf das indigschwefelsaure Natron aus- üben, während des Winterschlafes gar kein solches enthalten. Dies erklärt sich nach dem Autor daraus, dass die Blutzirkulation im hinteren Teile des Körpers vollständig auf- gehoben ist. Nach Injektion des indigschwefelsauren Natrons in die Vena jugularis eines im Winter- schlafe liegenden Ziesels beobachtet man, dass die Haut und die Schleim- häute des vorderen TeilesdesKörpers sich sehr rasch blau färben, während der hintere Teil des Körpers un- gefärbt bleibt; das blaue Pigment dringt gar nicht hinein. Die Blut- zirkulation ist im. hinteren Teile des Körpers, in den Nieren, im ganzen Gebiet der V. portae auf- gehoben; die Leber erhält Blut nur Er sieht, dass das- Osw. Polimanti: n’est excrete ni par le foie, ni par- les reins; le pigment reste dans- les vaisseaux capillaires, de sorte- quil se produit une injection: naturelle de ces vaisseux; la se&- eretion glandulaire est sus- pendue. Si l’on injeete de l’indigocarmin: dans la veine jugulaire d’un spermo- phile en hibernation, on voit se: produire un phenomene pareil. Chez ces animaux comme che tous. les mammiferes, l’indigocarmin est excrete rapidement par les reins,. le foie ne partieipant pas A l’ex- eretion, si le pigment n’a pas in- jecte en grande quantite. Mais em hibernation les reins restent entiere- ment libres de l’indigocarmin, il ne s’en trouve pas une trace dans la vessie, c’est dans le foie qu’on trouve l’indigocarmin, mais seule- ment dans les vaisseaux eapillaires- de l’artere hepatique, pas du tout dans les canaux biliaires; l’ex-- cretion est suspendue, Comment s’explique-t-on que: les reius, exercant une si grande: attraction sur l’indigocarmin, n’en contiennentpasäl’etatd’hibernation? C’est que la circulation du sang est entierement sus- pendue dans toutelapartie posterieure du corps. Apres. l’injection de l’indigocarmin dans la veine jugulaire d’un spermophile- en hibernation, on observe que la peau et les muqueuses de la partie: anterieure du corps se colorent en: bleu tres rapidement, tandis que: la partie posterieure du corps reste: incolore, le pigment bleu n’y pene- trant pas. La circulation du sane dans la partie posterieure du corps, dans les reins, dans tout le domaine: de la veine porte est sus- pendue; le foie recoit du sang‘ seulement par les arteres hepatiques;- les vaisseaux capillaires injectes par- l’indigocarmin sont disposes & la Über die Natur des Winterschlafes. aus den Leberarterien; das indigschwefelsaure Natron in- jizierten Kapillargefässe sind an der Peripherie der Leberläppchen an- seordnet. Die Aufhebung der Blut- zirkulation im hinteren Teile des Körpers eines Winterschläfers er- klärt, nach Mare$, eine weitere, merkwürdige Erscheinung, dieschon von anderen Autoren beobachtet wurde, dass nämlich die Temperatur | des hinteren Teiles des Körpers im Winterschlafe merklich niedriger ist, und dass sie während des Er- die durch 259 peripherie des lobules hepatiques. La suspension de la cireu- lation du sang dans la partie posterieure du corps d’un animal en hibernation, ex- plique un autre phenomene curieux, | observe deja par Quincke, c'est que la temperature de la Parade posterieure du corps est en hiber- nation sensiblement plus basse et qu’elle monte pendant le reveil ımoins rapidement que celle de la partie anterieure; fait que !’on peut toujours constater.“ wachens weniger rasch ansteigt als die des vorderen Teiles, was man konstant beobachten kann.“ | Aus der Vergleichung der beiden nebeneinandergestellten Texte ereibt sich also klar, dass das, was ich (1913) bezüglich der Arbeiten von MareS über das indigschwefelsaure Natron (1885—1892) ge- schrieben habe, der Wahrheit entspricht, dass seine Beschuldigungen, die er gegen mich richtet, durchaus unbegründet sind und dass ich mithin die Arbeiten dieses Autors wortgetreu zitiert habe. In meiner Monographie (1913, S. 206) habe ich gesagt, dass „die Injektionsmethode beim indigschwefelsauren Natron nicht zu- verlässig ist, weil, wie derselbe MareS sagt, die Leber auch beim wachenden Tiere sich nieht an der Exkretion des Karmins beteiligt, wenn die Menge nicht sehr bedeutend ist. Diese Einschränkung weist schon darauf hin, dass die Resultate nicht dieselben sind, je nach der Menge des injizierten Stoffes... .“ Und MareS spricht sich in dieser Hinsicht folgendermaassen aus (1885, S. 267— 268): „Beim Säugetiere dagegen beteiligt sich ie Leber an der Ausscheidung des Farbstoffes gar nicht, solange nicht grosse Mengen davon im Körper zirkulieren und längere Zeit nach der Injektion verstrichen ist; die Säugetierleber scheidet den Farbstoff erst dann aus, wenn die Niere durch die Sekretionstätiekeit ermüdet ist und die zirkulierenden Farbstoffmengen nicht mehr be- wältigen kann“. Aus der Vergleichung der beiden Texte ergibt sich, dass ich auch an dieser Stelle nur wortgetreu berichtet habe, was MareS sagt. Hinsichtlich der von MareS bei diesen Injektionen von indig schwefelsaurem Natron verwendeten Methodik bringe ich auch — um 17 xx 260 Osw. Polimanti: stets unparteiisch beim Zitieren der Arbeiten anderer Autoren zu bleiben — einen von Dubois (1896, S. 34) gegen MareS ge- machten Einwand, dass nämlich die Resultate nicht nur variieren je nach der Menge des injizierten Stoffes, sondern (Polimanti, 1913, S. 206) „auch je nach der Kraft und Geschwindigkeit, mit welchen die Injektion vorgenommen wird“ [(Dubois, 1906, p. 34:) „on pourrait ajouter selon la force et la rapidit& avec lesquelles l’injection est poussee“]. Ich halte den Einwand, den Dubois an dieser Stelle Mares gegenüber vorbringt, für vollkommen begründet. Und wenn dies auch nicht der Fall wäre, so glaube ich, dass ein Autor, der sich auf die Anführung von Arbeiten anderer Forscher beschränkt — wie ich dies eben in einigen Kapiteln dieser meiner Monographie (1913, Vorrede S. 1—4) getan habe, da ich nicht immer einen eigenen Beitrag liefern konnte —, annehmen muss, wenn jemand nicht auf eine gegen seine Arbeit gerichtete Kritik antwortet, dass er sich für besiegt hält, dass er die gegen ihn gerichtete Kritik als richtig an- erkennt und keinen Einwand mehr dagesen zu erheben hat!). Übrigens erkennt dies Mare$ selbst an (1914, 8. 416). Ich will mich nicht darauf einlassen, Mares auf viele Einwände zu antworten, die er Dubois gegenüber macht, weil ich mich hier nur mit dem zu beschäftigen habe, was mich persönlich betrifft, und mit der Kritik, die er gegen mich gerichtet hat. Denn wenn ich dies täte, würde ich mich auf ein Gebiet begeben, das anderen, nicht mir, vorbehalten ist. Mares, der vollständig vergisst, was er früher geschrieben hat, fügt in dieser polemischen Schrift hinzu (1914, S. 415): „Über die Gallensekretion und die Harnsekretion im Winter- schlafe habe ich aber kein Wort gesagt. Den Schluss, dass bei Behinderung des Portalblutstromes und des Nierenblut- kreislaufes auch die Gallen- und Harnsekretion aufgehoben werden müsste, habe ich nicht selbst, sondern ein Phantom von mir in den Gedanken Dubois’ gezogen, welches er widerlegen kann.“ Mares hat jedoch vergessen, was er 1892 (S. 313) bezüglich der Leber- und Nierenfunktion bei Frosch und Ziesel im Winterschlaf geschrieben hat: „La seeretion glandulaire est suspendue.“ 1) Diese These dürfte doch wohl keine allgemeine Gültigkeit beanspruchen. (Die Redaktion.) Über die Natur des Winterschlafes. 961 „L’exeretion est suspendue.“ (Ich habe auf S. 257—259 den ganzen Text der MareS’schen Arbeit, in welchem diese beiden Sätze enthalten sind, angeführt, so dass sie leicht und vollständig mit der deutschen Übersetzung verglichen werden können.) Und gerade nach Vergleichung dessen, was Mares 1892 schrieb und was er jetzt (1914) vollständig vergessen hat, mit den genauen Beobachtungen verschiedener Forscher gelangte ich zu der Schluss- folgerung (1913, S. 325, von MareS ins Deutsche übersetzt 1914, S. 412): „Es ist falsch, was MareS behauptet hat, dass die Gallen- sekretion während des Winterschlafes absolut stillsteht,“ und „Es ist absolut falsch, was MareS behauptet hat, dass die Harnsekretion während des Winterschlafes vollständig aufgehoben ist“. Heutzutage weiss jedermann, dass bei den Winterschläfern in der Zeit des Winterschlafes Ausscheidung von Galle und Harn stattfindet. Endlich gibt nun MareS zu, dass eine Harnsekretion während des Winterschlafes stattfindet (1914, S. 419): „Ich selbst habe ja auch die Harnblase des Winterschläfers mit Harn gefüllt, aber ganz frei von Indigokarmin angetroffen; das Harnlassen fand ich als eine der ersten Verrichtungen des erwachenden Winterschläfers“. Dies ändert jedoch nichts daran, dass ich (wie auch Dubois im Jahre 1896) im Jahre 1913 das getreu wiedergegeben habe, was Mares in dieser Hinsicht (1892) geschrieben hatte, dass nämlich während des Winter- schlafes keine Gallen- und Harnausscheidung stattfindet. Wie konne ich wissen, dass Mares inzwischen seine Ansicht geändert hatte, da dies doch aus keiner seiner Arbeiten hervorging? Ferner kann kein Zweifel darüber herrschen, dass ich das nieht unrichtig ausgelegt hatte, was MareS in dieser Beziehung (1892) schrieb, da doch vor mir (1896) ein französischer Autor (Dubois) in demselben Sinne wie ich (S. 36—37) interpretierte, was der böhmische Autor in französischer Sprache geschrieben hatte. Wenn er also geirrt oder seine Ansicht nicht deutlich ausgesprochen hat, so liest die Schuld gewiss nicht auf meiner, sondern sicher ausschliesslich auf seiner Seite. Übrigens können diese beiden Irrtümer von Mares auch zu- gleich mit einem anderen besprochen werden, den er begangen hat und mit dem ich mich in meiner Monographie (1913, S. 177) be- schäftigt habe: er nimmt nämlich an, dass die Winterschläfer während des Winterschlafes kein venöses, sondern nur arterielles Blut haben (1892, S. 317): „Dans le sommeil hibernal, il n’y a pas de sang veineux, tout le sang est arteriel; l’oxygene s’aceumule dans le corps 362 Osw. Polimanti: Über die Natur des Winterschlafes. d’un hibernant, qui se debarasse en m&me temps de tout l’acide carbonique“, : Dies entspricht durchaus nieht der Wahrheit, wie sich klar er- gibt, wenn man das VI. Kapitel meiner Monographie (1913) liest: „Das Blut der Winterschläfer“ (S. 169—195). Bei den Winter- schläfern ist während der Zeit des Winterschlafes venöses Blut und arterielles Blut vorhanden. Und damit erkläre ich diese Polemik meinerseits für geschlossen. Auf Grund der von mir getreu angeführten und wiedergegebenen Beweisstücke mögen nun unparteiische Forscher beurteilen, auf welcher Seite sich das Recht befindet und ob die von MareS gegen mich gerichteten Beschuldigungen und Kritiken irgendwie begründet sind. In dieser Hinsicht kann ich sagen, dass der Ausspruch Goethe’s, den ich in der Vorrede zu meiner Monographie (1913, S. 3—4) an- geführt habe, auf niemanden besser passt als auf MareS, der mich mit Recht (1914, S. 420) darauf aufmerksam macht. Kritiken von dieser Art beleidigen mich nicht, und ich verfolge meinen Weg weiter. en ne { &e d. ges. Physiologie. Verlag von Martin Hager, Bonn. Tafel 1. ia 8 Uno ——, Rod | Ei — 2: = 7 S n . ufeuagpy) — Re T I" 5 il a —t + 8 uluasaudn: = & ! 8 + + 13 ® = ® a R I} 5 la 8 z L = IF E j T 8 Ali . I S s = r 8 2 a ® gezuajdos] IS B P uejsän F tr EI EEE ee PER Mezuaydos, Pe E | re Kl u IK (n < . * S S == Ss 2 12407 | E Fi ® z EI x zz ua09 18 Kazılaani vo j m a | ß ? s ä REN j De N) | | R ce 5 — Se = hl EV | S ao ll Su ST rareTagS fe IS Iyezvaydos, = T 8 \ | 8 8 = h = di Hi S We: 3 PB 5 IR S Ra ® Iyezuajdou, h | 4 f in 8 7 Fi Tr IF 5 = 3 =r [8 L 5 S Y Beer " [le SER FEN Sons Says nern ES 808 IL 1 7 8 am N 8 T R Ä Gzzi & & bıweysäy m | E ® a R | a =} IT. _— - -—r a y z = N a. ENTE Firsie iz: ” r- Zi: =& vıleuas; B o = ® 2! 3 il 8 ji R 4 2) ® + {IS | | k Dal 8 zit a| 2. iii | 8 T a 8 —ıE [& wleuaspy 7 B 2 3 j & BE k ı | 153 = a BEN un Ä kaei Bunn | Te IT BE mE PREV) Fi Zu Iyezehydror Ben % a * 263 (Aus dem physiologischen Institut der Universität Wien.) Uber die Verlängerung der Zeit bis zum Auftreten terminaler Atmungen bei wiederholtem, un- mittelbar aufeinanderfolgendem Aufenthalt eines Warmblüters im abgesperrten Luft- raum!). Von Prof. Dr. Alois Kreidl (Wien) und Dr. Alfred Neumann (Edlach-Wien). (Mit 1 Textfigur.) Wenn man Warmblüter in einem geschlossenen Luftraum so lange atmen lässt, bis deutliche Zeichen der Erstickung auftreten, und sie dann aus diesem Raum befreit, so gelinst es zumeist, die Tiere zu retten, wenn dieselben überhaupt noch spontan atmen. Nach wenigen Sekunden unterscheiden sie sich äusserlich nicht von normalen Kontrolltieren. Man kann den Aufenthalt im geschlossenen Luftraum so weit verlängern, dass eine Weiterführung des Versuches um wenige Sekunden genügen würde, den Tod herbeizuführen. Wenige spontane Atemzüge an der frischen Luft oder, wenn dieselben nicht mehr erfolgen, Einleitung der künstlichen Atmung durch wenige Sekunden genügen, um die normale Atmung wieder in Gang zu setzen, die Tiere aus dem narkoseähnlichen Zustand zu erwecken und sie voll- kommen munter zu machen. Brinst man nun dasselbe Tier sehr bald, z. B. im Laufe der nächsten Minute, in einen gleichgrossen geschlossenen Raum mit frischer Luft und wartet wieder, bis es zu den terminalen Atmungen kommt, so findet man überraschenderweise, dass es nun bis zum Auftreten dieser beträchtlich länger dauert. Bei weiteren Wiederholungen verlängert sich diese Zeit immer mehr und kann schliesslich auf das Vielfache der Zeit beim ersten Versuch steigen. 1) Vorgetragen in der Morphol. physiol. Geselisch. zu Wien. Vgl. Zentralbl. f. Physiol. Bd. 25 S. 1008. Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd. 158. 13 264 Alois Kreidl und Alfred Neumann: Die Ausführung der Versuche, zu denen meistens weisse Mäuse verwendet wurden (einige Male kamen auch Sperlinge, Kaninchen und Meerschweinchen zum Versuch), geschah in der Weise, dass eine Maus in ein zylindrisches Gefäss von 60 eem Luftinhalt, das mittels eines Gummistopfens luftdicht abzuschliessen war, eingebracht und ein gleichgrosses Gefäss für den zweiten Versuch bereitgehalten wurde. Das erste wurde dann wieder, nachdem es durch Verdrängung der Luft mittels Wasser gereinigt war, für die dritte Wiederholung verwendet usw. Es mögen hier einige Beispiele aus der grossen Reihe unserer Versuche Platz finden (Versuche Nr. I bis V). Grösse| Tem- | , Das Tier wurde ee a, Ver- | Versuchs-| d.abge- | peratur | &__ [in den abgesperrten |-2= | vis zum Aut- tier mit |sperrten| des ab- | 5 3 Raum S.@ ı treten der such 2 — 5 | terminalen Gewicht | Luft- |gesperrten| .= 5 z = 5 | Erstiekungs- desselben | raumes | Luft- 2 2 ein- |herausge- es Er cem raumes gebracht nommen 5.2| in Min. Ho De Weisse 60 | Zimmer-| 1 10ES10 E06 1 6 Maus tem- 2 OT 10 29 1 12 14 g peratur | 3 10 380 | 11 00 | — 30 II Weisse 60 do. 1 1! 10 11 15 il 5 Maus 2 11 16 11 24 1 8 18l/2 g 3 11 25 u 8 — 10 III Weisse 60 do. 1 Ira: 11 44 1 ) Maus 2 u Al 1 14 15 g 3 12 00 12 20 | — 20 IV Kanin- 1000 do. il 12 35 12 59 1 20 chen 2 12 56 ı 19) _ 23 500 g 1% Meer- 500 do. 1 305 3 40 1 35 schwein- 2 3 41 4 18 1 37 chen 295 g sone 44 Sehr ausgesprochen war das Phänomen der Verlängerung bei jungen Tieren (Versuche Nr. VI und VI). Grösse Tem- ; Das Tier wurde in e I- N 3 Ver Versuchs-| d. abge- | peratur "| den abgesperrten = z bis zum Auf- EL such | fer mit [sperrten| des ab- | E > Baum Da = Nr Gewicht | Luft- I[gesperrten = 2 5 heraus- = z Erstickungs- 8 LT desselben | raumes | Luft- ie ge iz en 5 com | raumes |" |gebracht „ommen =So| nMin [9 18 tägige 24 Zimmer-| 1 9 45| 9 55 | 1 | 10 Maus 8g temperat.| 2 I 56/10 26] — 30 14 tägige 24 do. 12.2181 0,201E 505 14 VII | Maus 8g 2.110256 7225 59 3 |11 532|)12 47| — 55 tot Über die Verlängerung der Zeit bis zum Auftreten termin. Atmungen etc. 265 Wenig ausgesprochen waren die Verhältnisse bei Sperlingen (Versuche Nr. VIII und’ IX). Grösse | Tem- f Das Tier wurde |= 5 ende 4 Versuchs-[ d.abge-| peratur | & in den ab- le ne Ver- .aDg Pp L-| Eu: bis zum tier mit sperrten des ab- 5 = gesperrten Raum | S 2:2 Auftreten such E k an = 5° | terminaler Gewicht | Luft- [gesperrten] = 5 heraus- | SP = | Erstiekungs- desselben | raumes | Luft- | 2” | einge- Er Ess erschei- esselben E ge De nungen ccm | raumes bracht | nommen | ,E.2, in Min. h 2 h f VIII | Sperling % Zimmer- | 1 3Elor 9525 1 3 tem- 2 2 Ve 1 16 peratur 3 9 46 10 02 1 16 4 10 03 | 10 1942] — 16 IX | Sperling ? do. 1 10 41 | 10 59 1 18 2 11 00°) 11 20 1 20 3 a f 20 4 11 42 | 12 05 — 23 Für gewöhnlich begnügten wir uns mit drei bis vier Wieder- holungen, um das Phänomen darzustellen; doch lässt sich diese Er- scheinung auch bei einer längeren Versuchsreihe in der gleichen Weise hervorrufen. Als Beispiel führen wir Versuch X und XI an. Grösse | Tem- Ver- | Versuchs-| d.abge- | peratur Sch tier mit |sperrten] des ab- Nr Gewicht | Luft- |gesperrten “ | desselben | raumes | Luft- ccm raumes x Weisse 60 Zimmer- Maus tem- 17 8 peratur xI Weisse 60 do. Maus 15 g Erstickungs- N co Heami DHOoo@QJDUPWUODyH XO-JDUPBODHr versuch : > BES Dauer des in den a. 135, [mails gesperrten Raum SEE Auftreten = ji ine: einge- Beraus = = B= a bracht ge =, nungen nie nommen| 3-3 in Min. Dan hen 2 50 3 01 1 11 SE 027 018,23 1 21 3244| 40 1 38 403 | 4 49 1 48 4 50 3 45 1 39 5 46 6 53 1 67 6 54 7 58 1 64 759 | 301 1 62 90 It 1 8 912 2.9023 1 12 9 24 939 1 15 9 40 | 10 00 1 20 10 01 | 10 26 1 25 10 27.1083 1 26 10 54 | 11 26 1 32 1226 211258 1 32 I en 1 32 1273 12210 1 38 al 1 49 1 38 150 | 2 32 1 42 ae | 10 1 43 1sc- 266 Alois Kreidl und Alfred Neumann: Sehon bei Versuch X fällt auf, dass bei der siebenten und achten Wiederholung die Dauer eher kürzer ist als in den unmittelbar vorausgegangenen. Noch auffallender ist dieses Verhalten im Versuch Nr. XII. Grösse Tem- Das Tier wurde in des Io den abgesperrten . | Versuchs- peratur | % _ OL en tier mit De des ab- | 5 Bau Nr, | Sewicht | ug. [gesperrien = 5 | ein- | heraus- desselben | „aumes Lutft- S ge- ge- ccm raumes bracht | nommen nor na XI | Weisse 60 Zimmer 1 10 12 10 22 Maus tem- 2 I) 23 | ld SS 15 g peratur | 3 |10 39 | 10 583 4 025 IE E23 5 il A 8 ai 28 I Al 59 Voraussetzung für das Hervorrufen Dauer des Aufenthaltes bis zum Auf- treten der terminalen Erstickungs- erschei- nungen in Min. je 2 Versuchen in Minuten Intervall zwischen | HHrurHan dieses Phänomens ist, dass zwischen je zwei Wiederholungen keine allzu grossen Pausen gemacht werden; auf Grund zahlreicher Versuche lässt sich sagen, dass es nicht mehr in Erscheinung tritt, wenn das Intervall zwischen zwei Wiederholungen mehr als 15 Minuten beträgt. Beispiele in Versuch Nr. XIII bis XVII. Versuchs- tier mit Gewicht desselben Weisse Maus IT & Weisse Maus 18 g Weisse Maus 20 8 XVI Weisse Maus 15 g Grösse des abge- 60 Tem- “ un peratur &_ des ab- = S gesperrten| -2 & Luft- S 2 raumes Zimmer- | 1 tem- 2 peratur 3 do. 1 2 3 do. 1 2 8 4 5) do. 1 2 3 4 Dauer des Das Tier wurde in| ® = den abgesperrten | 33 „ | Aufenthaltes Baum a S © | bis zum Auf- < 2 = treten der —_,0.= terminalen ein- heraus- = r= Erstickungs- ZN g erschei- ge- ge- oT | nungen bracht | nommen |,S "> in Min. h Y h 1 2 50 2 951 3 7 3.00 8 Al 3 11 3 al DDR — 13 8 41 3 49 10 8 3 99 4 16 10 17 4 26 4 50 — 24 8.0 3.09 10 4 So 19225222 10 b) D» ® 598 10 5) 9 49 9 86 10 7 6 06 6 14 — 6) 3 10 a 18 15 5) 925 Sal 15 6 3 46 3 98 15 7 4 08 4 17 -- 9 Über die Verlängerung der Zeit bis zum Auftreten termin. Atmungen etc. 267 Grösse | Tem- |, Das; Bierwurde | 2. | „Dauer der Ver. | Yersuchs-| d.abge-| peratur En in den ab- es = bis zum tier mit [sperrten] des ab- | S > | gesperrten Raum | S 25 | Auftreten such NER ; az =ı® terminaler Nr. | Gewicht | Luft- |gesperrteni $ 5 | ein-_ | heraus- | E= = | Erückuns- desselben | raumes | Luft- = ge- ge- | 3° ee ccm raumes bracht | nommen | 3.2 in Min. 1 Det: XVII | Weisse 60 Zimmer-| 1 4 25 4 33 15 8 Maus tem- 2 4 48 4 56 15 8 13 g peratur | 3 Sl 3 20 — ) XVII | Weisse 60 do. 1 5 45 3a 20 8 Maus 2 6 13 6.22 20 9 15 g = 6 42 6 51 20 9 7 TE za! —_ 10 Die Zeit, die verstreicht, bis die terminalen Atmungen eintreten, ist abhängig von der Luftmenge, die dem Tiere zur Verfügung steht; es ist demnach begreiflich, dass ein und dasselbe Tier im kleinen Luftraum früher zugrunde geht als in einem grossen; bei den bisher geschilderten Versuchen, bei welchen, wie schon gesagt wurde, der Luftraum 60 ecem betrug, konnten die ca. 15—20 g schweren Mäuse (also Verhältnis von Luftraum zu Tier so wie 3:1 bis 2:1) durch- schnittlich 4—9 Minuten leben. Bei einem Verhältnis von 19:1 betrug dieser Wert 30 Minuten, bei einem solchen von 20:1 1 Minuten. Auch unter solehen Umständen zeigten mehrere aufeinander- folgende Erstickungsversuche eine Verlängerung gegenüber den voran- ‚gegangenen (Ss. Versuch Nr. XIX und XX). Gröse| Tem- |, Das Tier wurde | 5 Ba des 5 = 2a ufenthaltes Vor Versuchs-| d.abge-| peratur | &__ in den ab- 28 ;| bis zum such | er mit |sperrten| des ab- | 3 S gesperrten Raum | S len an = e e Gewicht | Luft- |gesperrten] S5| ein- | heraus- | S> a | Erstickungs- Nr raumes| Luf- |2° ca“ | erschei- desselben S geBE Se Ss” nungen ccm raumes bracht |nommen| 3.3 in Min. ER? hagkt XIX | Weisse 150 | Zimmer- | 1 9715 945 1 3 Maus tem- 2 9 46 |10 22 1 46 15 g peratur | 3 | 10 33 | 11 32 59 XX | Weisse 300 do. 1 DEN >12 51 Maus 2 a l 74 16 g 3 ee Ei — 86 Das genannte Phänomen tritt auch dann auf, wenn die Tiere in verdiehteter oder verdünnter Luft gehalten werden (Beispiele in Versuch Nr. XXI und XXI). 368 Alois Kreidl und Alfred Neumann. Das Tier wurde in Dauer des Ver- Grösse Tem- y e 3 Aufenthaltes ; ” = [Aufenthaltes Ver. [Suchstier|d. abge- | peratur | * den abgesperrten = [bis zum Aut- ANEN mit [sperrten| des ab- | = = _ Raunı Bar dd Bemer- E h | einge- m ar Sen a rn Ss au nungen selben ccm raumes 7 bracht | nommen = © in Min. Ser) h } h h XXI | Weisse 60 Zimmer- | 1 5 08 5 10 2 7 un a 4 5) c 9 we 50 mm Hs os an a 5 12 5) l I verdichtet” g peratur XXNII| Weisse 60 do. 1 9 88 6 08 2 5 Lan auf Maus oe. 05 | 6 mo 6 a 15 3 6 13 6 0| — 7 oO Auch in dem Verhalten des Tieres zeigen sich auffallende Unter- schiede in den unmittelbar aufeinanderfolgenden Versuchen. Beim ersten Aufenthalt zeigt das Tier sehr bald grosse Unruhe. Schon nach 2 Minuten beginnt es in dem ihm zur Verfügung stehenden Raum sich wiederholt umzukehren. Diese Umkehrbewegungen führt das Tier bis kurz an das Ende des Versuches aus, solange es noch die Kraft dazu besitzt. Schliesslich kommt es zu einem narkose- ähnlichen Zustand, der von klonischen Krämpfen besonders der hinteren Extremitäten unterbrochen wird. Dieser bekannte Verlauf bei der Erstiekung im geschlossenen Raum ändert sich bei der zweiten, besonders aber bei den folgenden Wiederholungen. Zunächst dauert es bei diesen länger, bis das Tier den Versuch macht, sich umzudrehen, und entsprechend diesem Verhalten kommt es auch nieht zu so reichlicher Bewegung des Tieres, sondern es verhält sich besonders im Verlauf der späteren Wiederholungen des Versuches mehr oder weniger ruhig. Auch die Krämpfe zeigen eine deutliche Verringerung im Vergleich zu jenen im ersten Versuch, ja schliesslich können dieselben ganz oder fast ganz ausbleiben. Die Zahl der Atemzüge, welche beim ersten Einbringen in den Luftraum zunächst unverändert bleibt, steigt nach einigen Minuten um ein geringes; in den letzten Minuten sinkt sie von 240 Respirationen pro Minute allmählich bis auf 60—40, eine Zahl, die dem Tode un- mittelbar vorausgeht. Unterbricht man jetzt den Versuch und bringt das Tier in ein anderes gleichgrosses Gefäss mit frischer Luft, so beginnt es etwa mit 180 Atemzügen pro Minute, bringt es aber sehr rasch auf 220 und mehr, die später allmählich wieder an Zahl ab- nehmen und schliesslich vor Eintritt des Todes rasch auf ca. 50 Über die Verlängerung der Zeit bis zum Auftreten termin. Atmungen etc. 269 zurückgehen. Diese letzten werden krampfartig ausgeführt, Diese Verhältnisse wiederholen sich nun bei jedem neuerlichen Erstickungs- versuch. Die Körpertemperatur, im After gemessen, nimmt mit den einzelnen Wiederholungen stetig ab und sinkt gelegentlich bis aus 19°C. Die Erklärung dieser auffallenden Erscheinung, dass nämlich Tiere um so später in Erstickungsgefahr kommen, je öfter man sie hinter- einander in dem gleichen Luftraum hält, eine Erscheinung, die zum Teil schon den älteren Physiologen (Cl. Bernard, Lecons de la Phys. 1858, u.a.) bekannt war, soll in dem folgenden versucht werden. Es sind zwei Möglichkeiten ins Auge zu fassen: die eine, dass die Vorgänge, durch welche das Tier zur Erstickung kommt, die Erregbarkeit des Atemzentrums derart beeinflussen, dass es entweder für den O-Mangel oder für die CO,-Überladung weniger empfindlich gemacht wird, die andere, dass die erste Erstickung eine Schädigung des Stoffwechsels bedingt, deren Folgen sich bei den folgenden Wiederholungen geltend machen. Dass es sich bei den geschilderten Beobachtungen nicht um eine Gewöhnung des Atemzentrums an den CO,-Reiz handeln kann, geht aus Versuchen hervor, bei denen die CO, quantitativ zu entfernen gesucht wurde. Wir bedienten uns zu diesem Behufe eines nach dem Prinzip von Regnault und Reiset konstruierten und für unsere Zwecke modifizierten Apparates (s. Fig. 1). Aus dem Gefäss «a, in welchem die Maus sich während des Versuches befand, führt je ein Rohr zu zwei mit Kalilauge gefüllten kommunizierenden Gefässen (b und ec), welche durch einen Wagebalken abwechselnd gehoben und gesenkt werden, dabei die Luft aus dem Gefäss « aussaugen und die CO, absorbieren. Alles übrige ist aus der Zeichnung er- sichtlich. Belässt man in dem Gefäss, dessen Luft also konstant von CO, gereinigt wird, eine Maus bis zum Auftreten der terminalen Atmungen und wiederholt diesen Versuch wie oben mehrmals unmittelbar hinter- einander, so zeigt sich, dass es auch hier stetig zur Verlängerung der Zeit bis zum Auftreten derselben kommt. Der Luftinhalt dieses Aufnahmegefässes war grösser als der bei den früheren Versuchen, daher dauert es bei dem ersten Einbringen länger bis zum Auf- _ treten von terminalen Atmungen (Versuch Nr. XXIII bis XXV]). 270 Alois Kreidl und Alfred Neumann: Ver- | Grösse| Tem- | , Das Tier wurde | 5,3 | Dauer des Ver- ie d.abge- | peratur SE in den ab- Se bis zum N 3 an >, Hunt SAN te o. |sperrten| desab- | 5 | gesperrten Raum | s = ne Bemer- » ’ z n nn en en er aler Nr Sicht Luft- [gesperrten] .= 5 eins heraus- | S 5 [Erstickungs-| kungen an les- [raumes | Luft- |& > | erschei- des- [ea] ge- ge- Sa nungen selben ccm raumes bracht \.nommen|,S.»2 | in Min. r ” ” h { h ö . * XXI | Weisse s0 Zimmer- | 1 9.05 Syn ml 14 Die SO and Maus tempe- | 2 las ya 17 Beeren] 14 & ratur Bo 9 88 I5] — 22 Luftraum konstant Ze R entfernt XXIV | Weisse so do. 1 0102 Dean 15 Maus 2 10 26 | 10 56| — 30 16 © XXV | Weisse s0 do. il 104 11 14| 1 10 Maus 2 nl ee 14 17 8 3 11 30 | 11 48 18 XXVI| Weisse s0 do. 1 11258 1.127047 1 1l Maus 2 12 05 | 1219| — 14 16 & | Ss Das Resultat dieser Versuche spricht gegen die Auffassung, als würde die beschriebene Erscheinung durch die Angewöhnung des Atemzentrums an den CO,-Reiz erfolgen. Denn wäre dies der Fall, so müsste bei der Versuchsanordnung, bei welcher die CO, ent- fernt wird, die Verlängerung ausbleiben. Unsere Versuche zeigen nun aber, dass auch in diesem Fall die Zeit bis zum Auftreten der terminalen Atmuneen länger wird, wenn ein Erstickungsversuch vorangegangen ist, und noch länger, wenn die Tiere ein drittes Mal der Erstiekung nahegebracht werden. Man könnte sich nun vorstellen, dass das Atemzentrum sich an die Verminderung der O-Zufuhr gewöhnt, dass der O-Mangel des Blutes keinen so starken Reiz für das Respirationszentrum abgibt wie unter normalen Verhältnissen, wenn das Tier bereits einmal im abgesperrten Luftraum der Erstickung ausgesetzt war. Ein indirekter Beweis gegen diese Annahme liegt in dem Ergebnis der folgenden Versuche. Wenn man nämlich Tiere mehrmals hintereinander bei erhöhter Temperatur in einen abgesperrten Luftraum bringt, so kommt es nicht zu der gewohnten Verlängerung. Die Ausführung geschah in der Weise, dass die Gefässe vorher in warmem Wasser gehalten wurden, und erst, wenn die Luft in denselben die gewünschte Tem- peratur erreicht hatte, kam das Tier in dieselben. Es zeigte sich nun, dass bei Temperaturen des Luftraumes von über 30° C. die Dauer bei Uber die Verlängerung der Zeit bis zum Auftreten termin. Atmungen etc. 271 den einzelnen aufeinanderfolgenden Erstickungsversuchen gleich blieb, z. B. Versuch Nr. XXVII bis XXX. Ver- | Grösse Tem- Das Tier wurdein == Dauer des m ” 2= lAufenthaltes| 3 Ver- | suchs- |d. abge- peratur | %_ |den abgesperrten|-2= |y;- um aus] & tier mit |sperrten| des ab- |=°S Raum S-= | treten der | = such- |, . PerTTen (vesperrten| 2 Z — 5 | terminalen | = N Gewicht| Laft- Luft- = : | heraus- | = 3 jErstickungs-| © T, des- n >| einge- > erschei- = es raumes raumes |-= — | ge- 5, een z selben | cem oc. [7 | bracht \nommen|S5| in Min. |? a) A, XXVI | Weisse 60 331/2 1 a ya na 6 I. Maus 1026| 82135 6 = 15 g 3133513 411— 6 = XXVII | Weise| 60 | 7-383| ı]3 5035513 3 = Maus 2153 8/4 313 b) = 16 g 314 6|4 W|I3 4 2 414 3|4 7] — 4 29 3 - - z = Ir (= XXIX | Weisse 60 3340 | 114 4|4 383|3 4 : Maus 214 51|1|45] 3 + I = 16 g 314 53!5 01|3 3 Be +15 a 5081 — 4 = XXX [Weisel 60 | 4-42 | 1ı]5 5 5 9|3 4 = Maus 215 2,5 282|3 6 = l5g 31533 5 3713 6 = 415 9. 5 46| — 6 Hier fehlt also die sonst in so charakteristischer Weise auf- tretende Verlängerung der Zeit bis zum Auftreten terminaler Atmungen, trotzdem einerseits die CO, nicht entfernt wurde und andererseits das vorhandene O-(Quantum in den einzelnen Versuchen gleich war. Könnte sich das Atemzentrum an die unzureichende Arterialisierung des Blutes, wie sie gegen Schluss desVersuches stattfindet, gewöhnen, so müsste auch bei erhöhter Temperatur das Phänomen zu beobachten sein. Da aus den vorangegangenen Versuchen hervorgeht, dass die Änderung der Erregbarkeit des Atemzentrums als wesentlicher Faktor zur Erklärung des beschriebenen Phänomens nicht dienen kann, so muss an die zweite Möglichkeit gedacht werden, dass es sich bei der genannten Erscheinung um eine Änderung in den Verbren- nungsprozessen des Tieres handelt. Als deutlicher Ausdruck dieser Stoffwechselstörung ist die Tatsache anzusehen, dass nach den ein- zelnen aufeinanderfolgenden Erstickungsversuchen eine gradatim zu- nehmende Herabsetzung der Körperwärme des Versuchstieres (ge- messen im Rektum) zu beobachten war, z. B. nach dem I. Erstickungsversuch 32° C,, 118 & 28,0 III. 2 23°C. 272 Alois Kreidl und Alfred Neumann: Nach wiederholtenVersuchen fanden sich schliesslich Rektaltemperaturen von 19° C. Das Sinken der Körpertemperatur der Tiere im Laufe der wiederholten Schädigungen und das Ausbleiben der Verlängerung der respektiven Zeiten bis zum Auftreten terminaler Atmungen bei Erhöhung der Aussentemperatur gibt einen Hinweis auf das Zustande- kommen des Phänomens. Nicht schwer zu verstehen ist das Sinken der Temperatur der Tiere während des ersten Aufenthaltes im abgesperrten Raum. Im Anfang atmet das Tier die normale Luft, und sein Stoffwechsel kann = o “Ss = E 3 [2 sich in gewohnter Weise vollziehen. Nach und nach ändert sich aber die Zusammensetzung der Atmosphäre in dem abgesperrten Raum. Die CO,-Spannung wird grösser, die ÖO-Menge wird geringer, und mit jedem folgenden Atemzug tritt ein immer grösser werdender Mangel an OÖ im Blute auf. Es tritt eine Herabsetzung des Stoff- wechsels und damit eine Verringerung der Wärmeproduktion ein. F. Laulani& hat Versuche in dieser Richtung angestellt und gezeigt, dass sich der Gaswechsel hei Verringerung der O-Zufuhr auf ein niedrigeres Niveau einstellt und gleichzeitig damit eine Herabsetzung der Temperatur der Versuchstiere erfolgt. Laulani&’s Tiere (Kaninchen) kamen in einen Käfig, dessen Ventilation beliebig ver-. langsamt werden konnte. Dadurch war es möglich, die Luft, welche Le un. Suche ar Über die Verlängerung der Zeit bis zum Auftreten termin. Atmungen etc. 973 die Tiere einatmeten, CO,-reicher resp. O-ärmer zu machen. Es zeigte sich nun, dass sich der respiratorische Gaswechsel des Tieres auf ein der Verschlechterung der Atmungsluft entsprechendes niedriges Niveau einstellte. Damit trat gleichzeitig Sinken der Körpertemperatur der Tiere ein, welche dem Sinken der O-Aufnahme proportional war. Bringt man also ein normales Tier in einen abgesperrten Luft- raum, so kommt es infolge des stetig abnehmenden Sauerstoffes zu einer Verringerung der Oxydationsprozesse; es leidet die Wärme- bildung, und opwohl das Tier anscheinend normal ist, wenn es im Stadium der terminalen Atmungen aus dem abgesperrten Luftraum befreit wird, so ist es doch wesentlich niedriger temperiert. Wird nun ein solches Tier sofort wieder in einen gleichgrossen abgesperrten Luftraum gebracht, so kann es zufolge des gestörten Stoffwechsels nun mit der gleichen Sauerstoffmenge etwas länger aus- kommen; dabei sinkt die Körpertemperatur noch weiter, und bei einem so künstlich „kaltblütig“ gemachten Tiere kann bei weiteren Wiederholungen infolge des schon darniederliesenden Stoffwechsels das gleiche Sauerstoffquantum in dem abgesperrten Raum genügen, das Leben des Tieres aurch eine Zeit hindurch zu erhalten, «die jene beim ersten Versuche bis auf das zehnfache übersteigt. Die Tatsache, dass Herabsetzung der Körpertemperatur eine Verminderung des Stoffwechsels bedingt, kennt man schon seit langer Zeit. Sanders Ezn!) hat im Ludwig’schen Laboratorium nachgewiesen, dass nicht nur bei Kaltblütern sondern auch bei Warm- blütern eine Abnahme des Gaswechsels bei Abnahme der Aussen- temperatur stattfinden kann, wenn gleichzeitig die Eigentemperatur des Tieres sinkt. Es ist demnach verständlich, dass es bei einem Tier, welches mit niedriger Körpertemperatur in einen abegesperrten Raum gebracht wird, wesentlich länger dauert bis es zu den terminalen Atmungen kommt, als bei einem mit normaler Körpertemperatur. Eine Unter- stützung erhält diese Erklärung durch einen Versuch, bei welchem eine Maus in den gleichen abgesperrten Luftraum bei einer Aussen- temperatur von 5° C. gebracht wurde; bei diesem Tiere traten die terminalen Erstickungserscheinungen erst nach ca. 22 Minuten anf, während sie bei demselben Tiere bei Zimmertemperatur schon nach 6 Minuten zu beobachten waren. l) Sanders Ezn, Ber. d. Kgl. Sächs. Gesellsch. d. Wissensch. 1867. 974 Alois Kreidl u. Alfr. Neumann: Über die Verlängerung der Zeit etc. Nach den bekannten Versuchen von Zuntz und Röhrig, Pflüger u. a. wäre zu erwarten, dass der Stoffwechsel durch Ab- kühlung erhöht wird; die terminalen Erstiekungserscheinungen müssten deimnach früher auftreten. Diese Erhöhung kann aber nur insolange auftreten, als genug Sauerstoff vorhanden ist. Sobald aber der O-Vorrat geringer wird, reicht er offenbar nicht einmal für einen normalen Stoffwechsel aus, und jetzt kann die von aussen stattfindende Abkühlung ihre Wirkung entfalten, das Tier auf eine niederere Temperatur bringen, d. h. in dem gleichen Sinn wirken wie der Mangel an O, und infolgedessen wird jetzt das Tier mit der vor- handenen O-Menge länger haushalten können als normal. Zusammenfassung. 1. Bringt man Mäuse mehrere Male hintereinander in unmittel- barer Aufeinanderfolge in einen kleinen abgesperrten Luftraum, so treten die terminalen Erstickungserscheinnngen um so später auf, je öfter der Versuch wiederholt wird. 2. Die Zeit bis zum Auftreten der terminalen Atmungen kann unter solehen Umständen auf das zehnfache verlängert werden. 3. Das Phänomen tritt nieht auf, wenn zwischen je zwei Ver- suchen eine Pause (d. h. Aufenthalt in frischer Luft) von mindestens 15 Minuten eingeschaltet wird. 4. An diesen Erscheinungen ändert sich nichts, wenn die CO, quantitativ entfernt wird, dieselben bleiben jedoch aus, wenn die Versuche in erwärmter Luft vorgenommen werden. 5. Die Ursache für dieses Verhalten liegt in der durch O-Mangel bedingten Abkühlung der Tiere. 218 (Aus dem physiologischen Institut der Universität Wien.) Ein Beitrag zur Kenntnis der Schmerzleitung im Rückenmark. Nach eleichzeitigen Durchschneidungen beider Rückenmarkshälften in verschiedenen Höhen bei Katzen. Von J3. P. Karplus (Wien) und Alois Kreidi (Wien). (Mit 6 Textfiguren.) I. Die Anschauungen über die Schmerzleitung im Rückenmark zeigen keine Übereinstimmung: die einen glauben, dass die Schmerz- impulse ausschliesslich gekreuzt geleitet werden, während andere auch eine gleichseitige Leitung annehmen. Von einer Reihe von Autoren wird die Schmerzleitung in den Seitenstrang verlegt, von anderen wird auch den Vorder- und Hintersträngen eine Bedeutung zugeschrieben. Die graue Substanz spielt nach der Ansicht der meisten Autoren nur die Rolle, die von den Hinterwurzeln an- langenden Schmerzimpulse auf lange Bahnen der weissen Rücken- markstränge zu übertragen; vereinzelt wird jedoch auch der grauen Substanz eine weitergehende Beteiligung an der Schmerzleitung zu- geschrieben. Durch Untersuchungen der letzten Jahre ist sichergestellt worden, dass zwischen dem Menschen und verschiedenen Säugetier- ordnungen in bezug auf die Organisation der Motilitätsleitung bedeutende Unterschiede bestehen (wir erwähnen beispielsweise die zunehmende Bedeutung der direkten kortikospinalen Bahn bei den höheren Ordnungen). Zahlreiche Befunde weisen auch darauf hir, dass die wesentlich kompliziertere Sensibilitätsleitung gleich- falls in den verschiedenen Ordnungen grosse Differenzen aufweist. Unser Beitrag zur Schmerzleitung gründet sich auf gelegentliche experimentelle Befunde bei Katzen; wir wollen daher zunächst nur 276 J. P. Karplus und Alois Kreidl: die Tierversuche anderer Autoren zum Vergleiche heranziehen und uns bei Folgerungen auf die Verhältnisse beim Menschen die ge- botene Zurückhaltung auierlezen !). Brown-Sequard und Schiff haben vor mehr als 50 Jahren gezeigt, dass, so wie dies van Deen für den Frosch nachgewiesen hatte, auch bei Säugetieren nach beiderseitiger Rückenmarkdurch- schneidung in verschiedenen Höhen noch eine Empfindung an den hinteren Extremitäten zurückbleibt. Viele Jahre später haben diese Angaben in einer sorgfältigen, unter der Leitung von Goltz durchgeführten Untersuchung von Osawa°) eine Bestätigung erfahren. Diese in einer Inaugural- dissertation niedergelegten Ergebnisse Osawa’s haben in den zahl- reichen, das gleiche Thema behandelnden Untersuchungen der letzten Jahrzehnte zumeist gar keine oder doch nicht die verdiente Be- achtung gefunden, was uns veranlasst, etwas ausführlicher auf die- selben einzugehen. Osawa hat an mehr als 30 Hunden mannig- fache Durchschneidungsversuchke am Rückenmark ausgeführt; ein wesentlicher Fortschritt gegenüber den früheren Autoren besteht darin, dass er sieh nicht mit der Autopsie begnügt hat, sondern seine Befunde mikroskopisch kontrollierte. Wir heben die für unsere eigenen Untersuchungen in erster Linie in Betracht kommenden Er- gebnisse hervor. Nach beiderseitiger, in mehrwöchentlichen Inter- vallen durchgeführter Halbseitentrennung im Brustmark wird weder die Sensibilität noch die Motilität der beiden Hinterbeine aufgehoben. Daraus folgert der Autor auf die Existenz von geschlängelten Leitungs- bahnen. Osawa legte den grössten Wert darauf, die Leistungs- fähigkeit der Tiere möglichst spät nach der zweiten Operation zu untersuchen, wenn „die Rückkehr der Funktionen ihren Höhepunkt erreicht hatte“. 1) Bezüglich der umfangreichen Literatur über die Schmerzleitung beim Menschen sei insbesondere hingewiesen auf die Arbeiten von Fabritius, Monats- schrift f. Psych. 1912, Kohnstamm, Verhandl. d. Gesellsch. deutsch. Nervenärzte, 1. Jahresvers., Dresden 1907, S. 57, Petren, Skandin. Arch. f. Physiol. Bd. 13 u. Arch. f. Psych. Bd. 47, und Rothmann, Berl. klin. Wochenschr. 1906, sowie auf die Verhandl. d. Gesellsch. deutsch. Nervenärzte, 5. Jahresvers., Frankfurt 1911, S. 275, und Berl. Gesellsch. f. Psych. und Nervenkrankh. 1912, Neurol. Zentrai- blatt Nr. 31 Bd. 16 S. 1052, und endlich 16. internat. mediz. Kongr. in Budapest 1909, Neurol. Zentralbl. Nr. 28 Bd. 20 S. 1117. 2) Kenge Osawa, Untersuchungen über die Leitungsbahnen im Rücken- mark des Hundes. Inaug.-Diss. Strassburg 1832. Ein Beitrag zur Kenntnis der Schmerzleitung im Rückenmark. DIT In neuerer Zeit wurde diese Frage von Bertholet!) in An- sriff genommen. Dieser Autor hat bei einer Katze und zwei Hunden, eleichfalls in längeren Intervallen, die beiden Hälften des Rücken- markes in verschiedener Höhe durchschnitten und danach vollständigen Verlust der Sensibilität gefunden. Die gegenteiligen Angaben der früheren Autoren führt er auf Unvollständiekeit der Durchschneidungen zurück. Seine eigenen Befunde gewännen durch mikroskopische Untersuchung grössere Beweiskraft. Die Angaben Osawa’s findet Bertholet unklar und widerspruchsvoll, scheint aber übersehen zu haben, dass auch jener seine Angaben durch mikroskopische Nach- untersuchung erhärtet hat. Rothmann?) sah bei einem Hunde nach Ausschaltung der Seitenstränge im mittleren Brustmark eine allerdings herabgesetzte Schmerzempfindung, und diese „wurde auch durch eine spätere Aus- schaltung beider Hinterstränge im oberen Halsmark nicht verändert. Erst die in einer dritten Operation herbeigeführte Zerstörung der Vorderstränge im obersten Halsmarke schädigte die Schmerz- empfindung auf das schwerste“. Rothmann schliesst aus seinen auch mikroskopisch verifizierten Versuchen, „dass selbst bei Aus- schaltung jeder direkten Leitung noch Reste der zur Schmerz- empfindung führenden Reize zum Gehirn gelangen, also nur durch Vermittlung der grauen Substanz den Anschluss an die cerebralwärts von den Rückenmarksläsionen gelegenen Leitungsbahnen gewinnen können“. Simpson und Herring?) haben bei zahlreichen Katzen Ver- letzungen im Dorsalmark gesetzt, deren Ausdehnung sie durch mikroskopische Untersuchung nachträglich festgestellt hahen. Nach vollkommener Zerstörung der grauen Substanz oder bei Verletzungen, die nur die Hinterstränge oder die Vorderstränge oder einen Teil eines Seitenstränges intakt liessen, fanden sie stets noch mehr weniger erhaltene Schmerzleitung. Als Hauptergebnis ihrer Untersuchung fassen die Autoren folgendes zusammen: „Es scheint, dass es bei der Katze keinen spezifischen Trakt für die Leitung des durch Ein- 1) Bertholet, Les voies de la sensibilit& dolorique et calorifiques dans la moelle. Le Nevraxe t. 7 p. 285. 1905. 2) Rothmann, Über die Leitung der Sensibilität im Rückenmark. Berl. klin. Wochenschr. 1906. 3) Simpson und Herring, The conduction of sensory impressions in spinal cords. Brit. med. Journ. vol. 2 p. 1804. 1906. 278 J. P. Karplus und Alois Kreidl: tauchen des Fusses in heisses Wasser entstehenden Schmerzes gibt; wenn irgendein Teil des Querschnittes erhalten bleibt, kann diese Sensation geleitet werden; der Seitenstrang scheint der normale Weg zu sein mit Rücksicht auf die Verlangsamung bei seiner Zerstörung.“ Auf Grund partieller Verletzungen der sensiblen Leitungswege bei Karnivoren haben Bing, Borchert, Marburg, Schuster, Verg& und Soul& u. a. wertvolle Beiträge geliefert. Wir gehen hier auf die Befunde jedoch nicht näher ein, da sie für die von uns speziell ins Auge gefassten Fragen nicht in Betracht kommen. II. Im Rahmen unserer Untersuchungen über Gehirn undSympathieus!) hatten wir nach Halbseitendurchtrennung des Halsmarkes bei Katzen die Wirkung von Schmerzreizen auf die Pupille studiert; bei elek- trischer Reizung jedes der beiden Nn. ichiadiei sahen wir ganz regel- mässig, unmittelbar nach Halbseitentrennung des Halsmarkes, deut- liche Schmerzreaktion des Tieres auftreten, ohne dass ein Unterschied in der Reizwirkung der beiden Nerven zu beobachten war. Diese dort vorläufig nicht veröffentlichten Erfahrungen waren für uns die Veranlassung, das Verhalten von Katzen nach beiderseitiger Hemi- sektion in verschiedenen Markhöhen zu studieren; unsere dies- bezüglichen Beobachtungen bilden den Gegenstand der vorliegenden Mitteilung. Es war uns insbesondere darum zu tun, einen Einblick in die Organisation der Schmerzleitung beim normalen Tiere zu ge- winnen. Wir führten daher beide Halbseitendurchschneidungen un- mittelbar hintereinander aus und prüften das Verhalten der Tiere gegen Schmerzreize auch unmittelbar nach Abklingen der Narkose- wirkung uud vermieden so die Möglichkeit der Ausbildung von Kompensationen. Wir haben im ganzen bei neun Katzen eine beiderseitigeHemisektion des Markes in verschiedenen Höhen in einer Sitzung auszuführen versucht. Die nachträgliche mikroskopische Untersuchung ergab, dass in fünf Fällen tatsächlich das Rückenmark an den beiden Steller zur Hälfte durchschnitten war. Wir teilen Auszüge?) aus den Proto- 1) Siehe Pflüger’s Arch. Bd. 129, 135 u. 142. 2) Beobachtungen aır diesen Tieren, die sich nicht auf die Frage der Schmerz- leitung beziehen, haben wir hier ausgeschieden und berichten darüber an anderer Stelle. Ein Beitrag zur Kenntnis der Schmerzleitung im Rückenmark. 279 kollen dieser fünf Fälle mit und schicken einige technische Vor- bemerkungen voraus. Es empfiehlt sich, jüngere Katzen zu wählen. Wir durchschnitten zunächst immer im oberen Cervicalmark und unmittelbar darauf im unteren Dorsalmark. Auf das oberste Halsmark gingen wir durch die Membrana obturätoria ein; das genügt, um in der Höhe des ersten Cervicalis zu durchschneiden. Wollten wir unterhalb desselben in der Höhe des zweiten oder dritten Cervicalis durchtrennen, so entfernten wir vor Eröffnung der M. obturatoria den hinteren Anteil der obersten Wirbel. Die Mittellinie ist im Cervicalmark als Fort- setzung des Calamus seriptorius deutlich zu verfolgen. Wir führten vor der Halbseitendurchtrennung einen das Mark durchsetzenden, mehrere Millimeter langen Medianschnitt aus und schnitten von diesem medialen Spalt mit einem gebogenen Messer lateralwärts die eine Hälfte durch. Im unteren Dorsalmark legten wir so weit das Rücken- mark frei, dass wir beiderseits die Ansätze einiger hinterer Wurzeln deutlich sehen konnten; auch hier spalteten wir erst in der Mittel- linie und durchtrennten die eine Hälfte durch einen Scherenschlag. Sowohl im Cervicalmark als im Dorsalmark wurde die Wunde mit einem stumpfen Instrument erweitert, bis die Ränder klafften. Die Prüfung auf Schmerzempfindung geschah durch elektrische und thermische Schmerzreize, sowie durch Nadelstiche in die Pfoten, Druck auf die Nervenstämme, Quetschen der Zehen und des Schwanzes. Nach der Tötung des Tieres wurde festgestellt, in welchem Segmente die beiden Verletzungen lagen. Die betreffenden Rückenmarkstücke wurden herausgeschnitten, fixiert, in lückenlose Serien zerlegt und das Resultat in Schemata eingetragen. Versuch 1 vom 12. Dezember 1913. Etwa einjährige Katze. 11 Uhr vormittags. Es wird versucht, links im obersten Cervicalmark, rechts im unteren Dorsalmark eine Hemisektion auszuführen. Um 12 Uhr, !/sz Stunde nach Beendigung der Operation, reagiert das Tier auf Schwanzkneifen mit Abwehr- bewegungen des Kopfes. 4 Uhr nachmittags. Das Tier hat sich erholt, macht lebhafte willkürliche Bewegungen mit der r. v. Extremität; die anderen drei Extremitäten sind vollständig gelähmt. Auf Drücken des Schwanzes sowie der beiden Hinterpfoten lebhafte Schmerzäusserungen, wie Schreien, Beissen und Herumschlasen mit der r. v. Extremität, Auf- Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd. 158. 19 380 J. P. Karplus und Alois Kreidl: reissen der Lider und Pupillenerweiterung. Ähnliche Reaktionen treten bei Reizung der v. Extremitäten auf. Die 1. v. Extremität ist empfindlicher als die r. v. Extremität. Die hinteren Extremitäten und der Schwanz sind deutlich weniger empfindlich als die vorderen Extremitäten. Zwischen beiden hinteren Extremitäten besteht ein seringer Unterschied in der Empfindlichkeit zugunsten der rechten Seite. So wie auf mechanische Reize treten die angegebenen Reaktionen auch auf thermische (Paquelin) und elektrische Reize ein. Fig. 1- Versuch 1 vom 12. Dez. 1913. 1 Hemisektion links im 1. Cervicalsegment. 2 Hemisektion rechts im 9. Dorsalsegment. 13. Dezember 1913. Die hinteren Extremitäten und der Schwanz erweisen sich als etwas weniger empfindlich als am Vortage; doch lässt sich von jeder Körperstelle aus durch heftige Reize Schmerz- reaktion hervorrufen. Sektion am 13. Dezember. Die Verletzung im Cervicalmarke sitzt in der Höhe des Austrittes des ersten Cervicalis, die im Dorsalmarke entsprechend dem neunten Dorsalis. Die mikroskopische Unter- suchung ergibt, dass das Halsmark links vollkommen durehscehnitten ist und dass der Schnitt ein wenie auf den rechten Hinterstrang übergreift (Fig. 1, 7). Im Dorsalmark ist die rechte Hälfte vollkommen Ein Beitrag zur Kenntnis der Schmerzleitung im Rückenmark. 281 durchtrennt, dabei der linke Hinterstrang vollkommen und ein schmaler medialer Streifen des linken Vorderstranges mit durch- schnitten (Fig. 1, 2). Versuch 2 vom 17. Dezember 1913. Halbjährige Katze. 11 Uhr vormittags. Versuch im obersten Cervicalmark links, im Dorsalmark rechts eine Hemisektion auszu- führen. Operationsdauer !/»z Stunde. Fig. 2. Versuch 2 vom 17. Dez. 1913. 3 Hemisektion links im 1. Cervicalsegment. 4 Hemisektion rechts im 9. Dorsalsegment. 12!/s Uhr mittags. Beim Kneifen des Schwanzes sowie jeder der beiden hinteren Extremitäten schreit das Tier laut auf. 4 Uhr nachmittags. Das Tier etwas matter, zeigt noch deutliche Schmerzreaktionen von allen Extremitäten und vom Schwanz. 5 Uhr Sektion. Die Verletzung im Cervicalmark sitzt in der Höhe des Austrittes des ersten Cervicalis, jene im Dorsalmark zwischen der achten und neunten Dorsalwurzel. | Mikroskopische Untersuchung: Das Halsmark links vollkommen durehtrennt, ebenso der mediale Teil des rechten Goll’schen Stranges (Fie. 2, 3). Im Dorsalmark durehtrennt der Schnitt die rechte Hälfte vollkommen und ausserdem den medialen Anteil des linken Vorderstranges (Fig. 2, 2). lg) 282 J. P. Karplus und Alois Kreidl: Versuch 3 vom 27. Januar 1914. Halbwüchsige Katze. Vormittags werden das oberste Halsmark links, das untere Dorsalmark rechts durchtrennt. 4 Uhr nachmittags. Das Tier hat sich von der Operation erholt, trinkt Milch, bewegt die r. v. Extremität lebhaft; die anderen Extremitäten sind gelähmt. Schwache Schmerzreize, welche die v. Extremitäten treffen, werden links besser empfunden als rechts. Die l. h. Extremität erweist sich auf Schmerzreize (Kneten, Faradi- Fig.13. Versuch 3 vom 27. Jan. 1914. 5 Hemisektion links im 1. Cervicalsegment. 6 Hemisektion rechts im 9. Dorsalsegment. sieren) ausserordentlich empfindlich, kaum weniger als die r. v. Extremität, während die r. h. Extremität eine sehr deutliche Hypalgesie zeigt. Keine Verlangsamung der Schmerzleitung. 28. 1. 1914 status idem. Sektion: Die Durchtrennung des Cervicalmarkes liegt in der Höhe des ersten Cervicalis, jene des Dorsalmarkes zwischen der achten und neunten Dorsalwurzel. Mikroskopische Untersuchung: Halsmarkdurchtrennung links voll- kommen mit geringem Übergreifen auf die rechte Hälfte (Fig. 3, 5). Die Dorsalverletzung durchtrennt die ganze rechte Hälfte und greift Ein Beitrag zur Kenntnis der Schmerzleitung im Rückenmark. 283 auf die linke Seite über, so dass nur der linke Seitenstrange, das linke Hinterhorn und ein Teil des linken Hinterstranges undurchschnitten sind (Fig. 3, 6). Versuch 4 vom 3. Februar 1914. Junge, etwa 4 Monate alte Katze. 11 Uhr vormittags. Links Hals- mark- und rechts Dorsalmarkdurehtrennung. 11 Uhr 45 Min. Aus der Narkose erwachend, reagiert das Tier auf Schwanzkneifen bereits deutlich. Fig. 4. Versuch 4 vom 3. Febr. 1914. 7 Hemisektion links im 1. Cervicalsegment. 8 Hemisektion rechts im 10. Dorsalsegment. 12 Uhr mittags. Auf mässiges Drücken der Hinterpfoten sowie der Schwanzspitze reagiert das Tier mit heftigem Schreien, Kopf- wenden, Lidaufreissen und Pupillenerweiterung. 4 Uhr nachmittags. Status idem; beim Eintauchen der hinteren Extremitäten in heisses Wasser schreit das Tier sofort. Sektion: Der Schnitt im Halsmark liest in der Höhe der ersten Cerviealwurzel, jener im Dorsalmark zwischen der zehnten und elften Dorsalwurzel. Mikroskopischer Befund: Das Halsmark links vollkommen durch- trennt, ausserdem rechts auch der Vorderstrang und ein schmaler 284 J. P. Karplus und Alois Kreidl: Streifen des Hinterstranges mit durchschnitten (Fig. 4, 7). Der Schnitt im Dorsalmark durchtrennt die rechte Hälfte vollkommen, den grössten Teil des I. Hinterstranges, die zentrale graue Substanz, einen Teil des linken Hinterhornes und den medialen Anteil des linken Vorderstranges (Fig. 4, 8). Versuch 5 vom 4. März 1914. Halbjährige Katze. 10 Uhr vormittags. Links Halsmark-, rechts Dorsalmarkdurchtrennung. Fig. 5. Versuch 5 vom 4. März 1914. 9 Hemisektion links im 2. Cervicalsegment. 10 Hemisektion rechts im 8. Dorsalsegment. 10 Uhr 45 Min. Auf Kneifen des Schwanzes sowie der hinteren Extremitäten deutliche Zeichen von Schmerzempfindung. 4 Uhr nachmittaes. Tier relativ munter, bewest nur die r. v. - Extremität. Bei Eintauchen der l. h. Extremität in heisses Wasser lautes Schreien, ebenso bei Quetschen oder Faradisieren dieser Extremität. Die r. h. Extremität etwas empfindlicher als die |]., noch empfindlicher die oberen Extremitäten. Auch bei Schmerzreizen auf die hinteren Extremitäten keine Verlangsamung der Schmerz- leitung. Sektion: Halsmarkschnitt in der Höhe des zweiten Cervical- nerven, Dorsalmarkschnitt in der Höhe des achten Dorsalis. Ein Beitrag zur Kenntnis der Schmerzleitung im Rückenmark. 285 Mikroskopischer Befund: Der Schnitt im Cervicalmark durch- trennt die linke Hälfte vollkommen und reicht dorsal etwas auf die rechte Seite (Fig. 5, 9). Das Dorsalmark ist rechts vollkommen durehschnitten und ausserdem noch die medialsten Anteile des Hinter- und Vorderstranges der linken Seite (Fig. 5, 70). II. Durch die vorstehend mitgeteilten Versuche ist der Beweis er- bracht, dass bei Katzen unmittelbar nach gleichzeitiger Durehscehneidung beider Rückenmarkshälften in ver- schiedenen Höhen Schmerzreize durch das Rücken- mark zum Gehirn geleitet werden können. Besonders bemerkenswert ist dabei, dass es sich nicht etwa um eben erkennbare Reste von Schmerzempfindung handelt, sondern dass so operierte Tiere ohne jede Verlangsamung der Schmerzleitung reagieren und gelegentlich noch auf so schwache Reize, das kaum von einer stärkeren Herabsetzung der Schmerzempfindlich- keit gesprochen werden kann. Die Annahme, dass die Schmerz- reize durch gleichseitige und gekreuzte lange Bahnen in der weissen Substanz geleitet werden, ist mit unseren Befunden unvereinbar. Die graue Substanz muss eine wesentliche Rolle bei der Schmerzleitung spielen. Will man nun versuchen, eine Vorstellung über die Organisation des Schmerzleitungsmechanismus zu entwickeln, so muss man im Auge behalten, dass es sich bei unseren Befunden keines- wegs um eine Ersatzfunktion handeln kann, da wir ja unmittelbar nach den Durchschneidungen prompte Reaktion auf Schmerzreize gefunden haben. Wir haben nun versucht ein relativ einfaches Schema zu entwerfen, welches die physiologischen Tatsachen verständlich machen könnte (Fig. 6). Die Bahn 7 soll die in jedem Segment von der Peripherie ankommenden Schmerzimpulse darstellen; ein Teil dieser Impulse wird in jedem Segmente zu der anderen Rückenmarkhälfte geleitet (Bahn 2). Auf der Bahn 3 sollen die Sehmerzimpulse cerebralwärts geleitet werden; dabei muss man sich vorstellen, dass auf dieser auch die Schmerzimpulse aus sämtlichen davon kaudalwärts gelegenen Segmenten derselben und der Gegen- seite geleitet werden. Nehmen wir an, dass, wie in dem Schema angedeutet ist, im Halsmark die linke und im Dorsalmark die rechte 286 I ® oO Sei) n @ / I / / / / O8 / / # / l N / \ ® 2 0) \g j x % Io Se ) © ® ® ie Do io © 3 2 © ) ea R Fig. 6. Schema der Schmerzleitung im. Rückenmark. 1 Bahnen von der Peripherie. 2 Zentrale Bahnen zur Gegen- seite. 5 Gleichseitige zentrale Bahnen. Ce Halbseitendurchtrennung im Cervical- mark. Do Halbseitendurchtrennung im Dorsalmark. J. P. Karplus und Alois Kreidl: Hälfte durchtrennt ist, so ergibt sich ohne weiteres, dass Schmerz- impulse von beiden hinteren Ex- tremitäten zum Gehirn gelangen können. Fragt man sich nun, wie dieses Schema vereinbar ist mit den anatomischen Tatsachen, so wird man zunächst beachten müssen, dass die Bahnen 1, 2 und 3 nicht wie im Schema an eine Zelle herantreten, sondern an eine Anzahl von Kerngruppen, die auf mehrere Segmente verteilt sind; so gäbe es dann unter den Bahnen 2 auch gekreuzte lange und unter den Bahnen 3 auch gleichseitige lange Bahnen (im Schema durch die unterbrochenen Linien angedeutet). Wir sind uns natürlich dar- über vollkommen klar, dass die komplizierten physiologischen und anatomischen Verhältnisse bei der Schmerzleitung durch ein so ein- faches Schema keineswegs voll- kommen zum Ausdruck gebracht werden. Die von uns festgestellten Tatsachen beweisen, dass die sangbare Anschauung über die Schmerzleitung durch lange Bahnen nicht ausreicht, und unser Schema soll veranschaulichen, wie man sick die Beteiligung der grauen Substanz an der Schmerzleitung, auf die man nicht mehr ver- zichten kann, vorstellen könnte. Alle diese Erwägungen wollen wir zunächst nur auf die Karnivoren Ein Beitrag zur Kenntnis der Schmerzleitung im Rückenmark. 287 beschränkt wissen !); es hätte aber keine Schwieriekeit, bei Tier- ordnungen, bei welchen die gekreuzte Schmerzleitung mehr überwiegt sowie auch beim Menschen eine ähnliche Organisation anzunehmen. Es würde dann in unserem Schema von den auf Bahn 7 anlanzenden Impulsen der kleinere Teil auf der Bahn 3 derselben Seite zentral- wärts geleitet werden, während der grössere Teil auf der Bahn 2 die Gegenseite erreicht und Anschluss an die Bahn 3 dieser Seite gewinnt. 1) Unsere Befunde an Katzen haben uns veranlasst, ähnliche Versuche auch an Affen vorzunehmen; bei vier Rhesusaffen mit beiderseitiger Hemisektion (ein- zeitig durchgeführt) konnten wir unmittelbar nach dem Eingriffe nicht einmal Reste erhaltener Schmerzempfindung mit Sicherheit nachweisen. Eine entscheidende Bedeutung kommt diesen wenigen negativen Befunden nicht zu. 2883 Komajiro Nakasbhima: Zur Frage der Resorption des Fettes im Dick- und Mastdarm!). Von Komajiro Nakashima (Tokio). Obwohl vom theoretischen wie vom praktischen Standpunkt aus interessant, hat doch die Frage, ob und in welcher Weise das künstlich in den Diek- und Mastdarm eingeführte Fett zur Resorption gelangte, bis heute noch keine entscheidende Lösung gefunden. Bei der Durchsicht der Literatur findet man ganz verschiedene Angaben. Leube?) gibt nach seinen Beobachtungen an Kranken, bei denen er in den Mastdarm Fett mit Fleischpankreasinjektionsmasse eingeführt hatte, an, dass das Fett als solches im Dickdarm voll- ständig resorbiert werde, wenn die zugesetzte Fettmenge ein Sechstel der eingespritzten Fleischmenge nicht übersteige, obgleich schon vor ihm Voit und Bauer?) erklärt hatten (Versuche an Hunden), dass das Fett vom Diekdarm nicht resorbiert werden kann. Özerny und Latschenberger‘) stellten fest, dass das Fett im Diekdarm nur in Emulsion resorbiert wird, wobei die absolut resorbierte Menge der Konzentration der Flüssigkeit proportional ist. Munk und Rosenstein°) konstatierten durch Versuche, die sie an einem 1Sjährigen Mädchen anstellten, das an dem Ober- schenkel eine Lymphfistel hatte, dass von dem in Emulsionsform per 1) Ausgeführt im Wiener physiologischen Institute unter der Leitung des Herrn Prof. Dr. Alois Kreidl. 2) O0, Leube, Über die Ernährung der Kranken vom Mastdarm aus. Deutsches Arch. f. klin. Med. Bd. 10. 1872. : 3) Voit und Bauer, Über die Aufsaugung im Dick- und Dünndarm. Zeitschr. f. Biol. Bd. 5. 1869. 4) Özerny und Latschenberger, Physiologische Untersuchungen über die Verdauung und Resorption im Dickdarm des Menschen. Arch. f. pathol. Anat. Bd. 59. 1874. 5) Munk und Rosenstein, Zur Lehre von der Resorption im Darm, nach Untersuchungen an einer Lymphfistel beim Menschen. Virchow’s Arch. Bd. 123. 1891. Zur Frage der Resorption des Fettes im Dick- und Mastdarm. 289 Reetum eingeführten Olivenöl 3,7—5,5°/o des in ihm enthaltenen zugeführten Fettes resorbiert werde. Nach den Angaben von Robert und Koch!), die Beobachtungen an einem Menschen mit doppeltem Anus praeternaturalis gemacht haben, werden nur kleine Mengen emulgierten Fettes im Diekdarm aufgenommen, dagegen das nicht emulgierte Fett ganz minimal resorbiert. Stüve?) fand nach seinen Versuchen, die er mit Sesamöl, dem er Kochsalz beigegeben hatte, anstellte, dass fast die gleiche Menge, die vorher hoch in das Rectum injiziert worden war, wieder entleert wurde und, obgleich sie 12—24 Stunden im Darme verblieb, nur ein kleiner Prozentsatz des eingespritzten Öles resorbiert worden ist. Nach Strauss?) verschwanden bei Nährklysmen 9 & (ca. 10 °o) von den injizierten 92 g Fett erst 13 Stunden nach der Einspritzung. Gestützt auf zahlreiche Klistierversuche bei Menschen, gab Deucher*) an, dass unter günstigen Bedingungen pro Tag nicht mehr als 10 g Fett im Dickdarm resorbiert werden könnten. Hamburger’) hält dagegen nach Experimenten an Hunden das fettresorbierende Vermögen des Diekdarms für bedeutend grösser, so dass es dem des Dünndarms nicht nachstehe, und zwar komme eine besonders reichliche Resorption zustande, wenn das Fett in Seifenlösung emulgiert ist. E. Wilh. Baum‘) machte seine Ver- suche mit Jodipin, einem Additionsprodukt aus Sesamöl und Jod, und kam zu dem Ergebnis, dass die Resorption des per Rectum eingeführten Fettes sehr lanesam vor sich gehe, ausgenommen dann, wenn Pankreasferment dem Klysma beigefügt ist; im anderen Falle braucht das Fett zur Resorption durchschnittlich 15 Stunden. Während obige Autoren die Untersuchungen auf chemischem 1) Robert und Koch, Einiges über die Funktionen des menschlichen Dickdarms. Deutsche med. Wochenschr. 1894 Nr. 47. 2) Stüve, Klinische und experimentelle Untersuchungen über einige neuere Nährmittelpräparate. Berliner klin. Wochenschr. 1896 Nr. 11. 3) Strauss, Untersuchungen über die Resorption und Ausscheidung von Zucker bei rektaler Zuckerzufuhr nebst Bemerkungen über die Rektalernährung. Charite-Annalen Bd. 22. 1897. 4) Deucher, Über die Resorption des Fettes aus Klistieren. Deutsches Arch £. klin. Med. Bd. 58. 1897. 5) Hamburger, Versuche über die Resorption von Fett und Seife im Dickdarm. Arch. f. pathol. Anat. u. Physiol. 1900 S. 433. 6) E. W. Baum, Über den zeitlichen Ablauf der rektalen Fettresorption. Therapie d. Gegenw. 1902 Sept.-Heft. 2390 Komajiro Nakashima: Wege vorgenommen haben, hat Köster!) die Vorgänge der Fett- resorption durch eine histologische Untersuchung der Darmschleimhaut zu eruieren gesucht. Vor einigen Jahren erschien von diesem Autor eine Arbeit, in der er das fettresorbierende Vermögen des Dick- darms ebenso wie Hamburger sehr überraschend gross fand. Köster untersuchte histologisch die Schleimhaut des Diekdarmes von Hunden und Katzen und Kkonstatierte, dass Zeichen der Resorption im ganzen Diekdarm bei dem grössten Teil der Versuche fast gleich- mässig, im geringeren Teile aber nur fleckenweise zu sehen waren. Er beobachtete auch bei seinen Versuchstieren, dass die dem Darmlumen zugekehrten Epithelien ganz dicht mit zahlreichen Fett- tröpfehen verschiedener Grösse erfüllt waren, niemals aber konnte er diese Fetttröpfehen in dem kutikulären Saum finden. Ausserdem äussert er die Ansicht, dass die Resorption bedeutend besser sei, wenn man dem Öl Pankreon-Rhenania zusetzt. Auf Anregung des Herrn Professor Kreidl, für dessen freund- liche Unterstützung ich ihm hier meinen besten Dank ausspreche, habe ich nun bezüglich dieses ungelösten Problems eine Reihe von Versuchen ausgeführt, die zum Teil darin bestanden, dass das Blut von Tieren, denen Fett in den Enddarm gebracht wurde, im Dunkel- feld untersucht wurde, zum Teil darin, das parallel damit auch die Diekdarmschleimhaut histologisch durchmustert wurde. I. Beobachtungen im Dunkelfeld. Bei, meinen Untersuchungen wählte ich ausnahmslos weisse Mäuse, die ich vor dem Versuche einen Tag ohne Nahrung liess, so dass sich schon daraus vorteilhaftere Bedingungen ergaben: 1. er- leichterte Blutuntersuchung, 2. mögliche Leerheit des Verdauungs- kanals. Die Tiere erhielten das Fett per Klysma zugeführt; in bestimmten Zeiträumen nach der Fettzufuhr wurde das Blut im Dunkelfeld in bezug auf das Auftreten von resorbierten Fetteilchen geprüft. Betrachtet man normales Blut im Dunkelfeld, so kann man leicht zwischen den Blutkörperchen in den dunklen Plasmaräumen mehr oder weniger feine submikroskopische Teilchen (Hämokonien) 1) G. Köster, Fettresorption im Darme und Gallenabsonderung nach Fett- darreichung. Werner Klinkhardt, Leipzig 1908. Zur Frage der Resorption des Fettes im Dick- und Mastdarm. 291 bemerken, die sich in Brown’scher Molekularbewegung befinden und nur nach Fettnahrung im Biut vorkommen. Das Vorkommen dieser Fetteilchen im Blute wurde vor einigen Jahren von A. Neumann in Versuchen an Menschen konstatiert. Die sonstigen im Dunkelfeld sichtbaren Teilchen im Blut sind meistens mangels genügender chemischer Untersuchungen bis jetzt noch nicht so eingehend studiert worden. Die Anzahl der im Blut vorhandenen Teilchen lässt sich natür- lich nicht vollkommen genau bestimmen, sondern man muss sich auf ihre Schätzung nach dem Augenmaass beschränken und kann dann, bei einiger Übung, guter Beleuchtung und schönen Präparaten, ziemlich geringe Grade des Auftretens der Teilchen bestimmen. Als Lichtquelle diente mir eine helle, elektrische Demonstrations- lampe. In ungewissen Fällen stellte ich mehrere Präparate her, da ich bei unregelmässiger Verteilung des Blutes nur sehr ungenaue Befunde erhielt. Um den Resorptionsgrad leichter verständlich zu machen, habe ich die Anzahl der Fetteilchen im Blute in vier Stufen eingeteilt: wenig, in mässiger Menge, reichlich und massenhaft. Erste Versuchsreihe (Fettdarreichung per os). Bevor die Fettresorption im Dicekdarın und Mastdarm bei Mäusen untersucht wurde, wurden zur Übung und Kontrolle einige Versuche mit verschiedenenen Mengen per os verabreichter Milch per Klysma vorgenommen und das Blut dieser Tiere systematisch mit Hilfe des Dunkelfeldmikroskopes untersucht. Versuch 1. Maus, vor dem Versuche 1 Hungertag. : Fetteilchen Zeit Bemerkungen im Biot 9b 00’ vorm. Blutuntersuchung keine en 5, > Das Tier trinkt 0,5 cem Milch 0 wenig 10h 50’ z in mässiger Menge HERD. „ reichlich 124 20° nah i a nächm. 5 120° „, ; EN, in mässiger Menge 2h 20’ ” „ ” ” Zu, wenig D Neo) ID Komajiro Nakashima: Versuch 2. Maus, vor dem Versuch 1 Hungertag. Fettteilchen Zeit im Blut Bemerkungen 9h 00’ vorm. Blutuntersuchung keine 9h 20’ Das Tier erhält 0,5 cem Milch (ein Teil wird spontan getrunken, ein Teil künstlich zugeführt) n in mässiger Menge 2” 10h 15° 10h 30’ ” ” ” n 10h 45' n 2 ” 27) Bi ” la U, reichlich 11h 15 11h 30’ 11h 45’ 12h 00’ 12h 15’ nachm. | reichlich 20ER; ad, i mE) in mässiger Menge Ih 15’ Ih 50’ ZnEUuE 2h 30’ 3h 00’ » » sh 307 „ wenig ” ” massenhaft ” ” ” Versuch 3. Maus, vor dem Versuch 1 Hungertag. 10h 30’ vorm. Blutuntersuchung keine 10h 45’ , Das Tier nimmt 0,5 ccm Milch zum Teil spontan, zum Teil per Schlund- sonde iln 20°, » I D a8 05 wenig 12h 20’ nachm. reichlich 12h 40’ , nSQ0 In 20) Ih 40’ 2h 00’ 1 2h 20° „ in mässiger Menge 2h 40’ SAU ÜREEER- SLE20 TE 3h 40’ ” 2 46h 00 „ wenig 4h 20’ Versuch 4, e 10h 20’ vorm. Blutuntersuchung keine 100 a Das Tier trinkt 0,7 ccm Milch ROW wenig 11h 20’ 11h 40’ 12% 00775 12h 20’ nachm. 12h 40’ % Me Be) a in mässiger Menge ” ” ” ” ” S ” ” reichlich Zur Frage der Resorption des Fettes im Dick- und Mastdarm. 293 : Fetteilchen Zeit Bemerkungen an Biht 1b 00’ nachm. massenhaft vr 20 2 2 ih 40’ ” 2 2h 00’ ” - ” 2202 , reichlich 2h 40’ „ in mässiger Menge 3h 00° ” ” ” ” 3h 20’ » ) ) » 3h 407 » ) » » 4h 00’ er) ” ” ” 4h 20’ „ : wenig an 40’ ” ” Sn DEE keine Versuch 5. Maus, vor dem Versuche 1 Hungertag. 3h 30’ nachm. Blutuntersuchung keine sh 35’ , Das Tier trinkt 1,0 cem Milch 4h 00° ” 2 » 4h 15’ „ wenig 4h 45’ „ in mässiger Menge 5h 00’ ” ” ” ” Diem reichlich Bel „ 5h 45’ bis 7% 15’ nachn. | | massenhaft Versuch 6. Maus, vor dem Versuche 1 Hungertag. 9h 00’ vorm. Blutuntersuchung keine 9h 35’ bis 9h 50’ vorm. Das Tier nimmt 1,0 cem Milch (un- gefähr die Hälfte spontan, den Rest per Schlundsonde) 1082007 7, » 0 20R 2, e wenig 10h 40’ > Blebe0ı =, in mässiger Menge 1lh a, x reichlich 11h s » 122 0° „ : 12h 20’ nachm. massenhaft 12h 40° „ Ä 11007 5 > h r En: 2 ” 200, reichlich Versuch 7. Maus, vor dem Versuche 1 Hungertag. 10h 00’ vorm. I Blutuntersuchung keine 10nT59, 7, Das Tier trinkt 0,3 ccm Milch mit nr 30°%0o Butter spontan ss wenig une > in mässiger Menge 12h 15 nachm. reichlich 12h 35 ; y Sn 557 i in mässiger Menge 15’ 2 p) ? 2 Ih 35’ 4 wenig Ine557 keine 294 Komajiro Nakashima: Aus den vorstehenden Tabellen ist ersichtlich, dass die Resorption des Fettes bei Mäusen, wenn man dasselbe (Milch) per os gibt, schon 1 Stunde nach der Fettnahrungsaufnahme beginnt, nach 2 bis 3 Stunden ihr Maximum erreicht und nach 6—7 Stunden ab- geklungen ist!). Zweite Versuchsreihe (Fettzufuhr per Reetum). Vor den Klystierversuchen liess ich alle Mäuse 20 —24 Stunden hungern; ausserdem wurden die Klystiere jedesmal vorsichtig, langsam ausgeführt. Darauf habe ich die Analöffnungen der Mäuse mit er- wärmtem Paraffın (Schmelzpunkt 50° C.) verschlossen, um den Rückfluss der injizierten Flüssigkeit vollständig zu verhindern. Während der Blutuntersuchungen wurde immer acht gegeben, dass die Tiere ihre Analgegend nicht belecken konnten; dies gelang mir dadurch, dass ich sie auf dem Rande einer mit Wasser halb gefüllten Flasche sitzen liess. Versuch 8. Maus, vor dem Versuche 1 Hungertag. Zeit Bemerkungen | Fetteilchen | im Blut 9h 30’ vorm. | Blutuntersuchung keine NORD 0,5 cem Milch per Rectum irjiziert OR 20 5 10h 40" ” ” 11h 00’ 11h 20’ 11h 40’ an ON wenig 12h 20’ nachm. „ 5h 00’ nachn. “ Versuch 9. Maus, vor dem Versuche 1 Hungertag. 10h 00’ vorm. Blutuntersuchung | keine 10h 10’ 0,5 ccm Milch per Klysma 10h 30° a 00” ” ” nor wenig al keine 2h 00’ bis 65 00’ nachn. A 1) Diese Befunde decken sich im wesentlichen mit jenen, die Kreidl und Neumann („Über die Fettresorption bei Katzen und Kaninchen nach Blut- untersuchungen im Dunkelfeld“. Sitzungsber. d. kaiserl. Akad. d. Wissensch. in Wien, math.-naturw. Klasse, Bd. 120 Abt. III, 1911) erhoben haben. Zur Frage der Resorption des Fettes im Dick- und Mastdarm. 295 Versuch 10, Maus, vor dem Versuche 2 Hungertage. Fettteilchen Zeit Bemerkungen m Blut 10h 30’ vorm. Blutuntersuchung keine 100, 0,5 ccm Milch per Klysma m, » 12h 20’ nachm. 5 12h 40’ „ „ 2200 „ wenig 1h 20’ keine Ih 40' bis 5h nachm. 2 Versuch 11. Maus, vor dem Versuche 1 Hungertag. 9h 30’ vorm. Blutuntersuchung keine KL 0,7 ccm Milch per Klysma 105 30’ 5 IE Er in mässiger Menge 11h 30’ ” ” ” ” 12h 00° mon » 12h 30’ nachm. „ e „ 1 00° „ keine 1h 30’ 5 2h 00’ bis 6h nachm. s Versuch 12. Maus, vor dem Versuch 1 Hungertag. 9h 30’ vorm. Blutuntersuchung keine In50T5. „ 1,0 ccm Milch per Rectum injiziert 10T. ,; e 10h 80° ,„ » 104 50° , ; 11h 50’ s 12h 10’ nachm. 5 wenig 12h 30 ” ” 12h 50’ keine 1h 00’ bis 4h 10’ nachm. 5 Versuch 13. Maus, vor dem Versuche 1 Hungertag, 9h 20’ vorm. Blutuntersuchung keine 3230, .., 0,5 ccm Sahne per Rectum injiziert NT R 10271027, 5 10b 30° „ n 106507, in mässiger Menge ni 10° ” ” b) ” 11h 30 ” ” » 4 11h 50’ wenig 124 10’ nachm. keine 12h 30’ bis ” 5h 10’ nachm. Tflüger’s Archiv für Physiologie. Bd. 158. 20 296 - Komajiro Nakashima: Versuch 14. Maus, vor dem Versuche 1 Hungertag. Zeit Bemerkungen Bun 2 3h 00’ nachm. Blutuntersuchung - keine SuelO, 0,7 ccm Sahne per Rectum injiziert ua? . : 3h 50’ ” ” Aa : 4h 30° ” ” 4h 50’ „ in mässiger Menge 5h 10’ ” ” 2 R\ ” Dura reichlich Do in mässiger Menge 6710, D) » ” SE | keine Versuch 15. Maus, vor dem Versuche 1 Hungertag. &h 30’ vorm. Blutuntersuchung keine on 2. 0,3 ccm Sahne per Rectum injiziert 9h 40' ” ” 104. 00° 5 : on 2 wenig INA in mässiger Menge 11h 00’ ” ” ” ” a ee, RIO wenig 12150020 keine om u ; 12h 40’ bis 5h 20’ vachn, ” Versuch 16. Maus, vor dem Versuche 1 Hungertag. &h 30’ vorm. Blutuntersuchung | keine n 1 ccm Sahne per Klysma 2: ” 7 ” yh 50’ b) ’ ” 10h 10’ R OR SU, wenig 10h 50° „ in mässiger Menge ” : $)] ” 11h 500. ” wenig " DREIER keine 5410’ nachm. | n Versuch 17. Maus, vor dem Versuche 12 Hungerstunden. 2h 20’ nachm, Blutuntersuchung keine 2hT30222, !/3 cem Milch mit 20° Butter per Klysma Sn 002, 3h 30’ 4h 00’ 4h 30’ R Du 00, in mässiger Menge 9 30 » ” ” ” 6h 00° ” » ” =) 6h 30’. „ - keine | Be m ” » wenig ” Zur Frage der Resorption des Fettes im Dick- und Mastdarm. 297 Versuch 18. Maus, vor dem Versuche 1 Hungertag. Fettteilchen im Blut Zeit Bemerkungen 9h 00’ vorm. Blutuntersuchung keine 9u25307 ;, 0,5 cem Milch mit 50°%o Butter per or Klysma 10h 9’ ” ” E00, „ Bo ., 2 121 00° : 124 30’ nachm. 15 00’ Ih 30’ ” 2 ” ” 2h 00’ ” 2” 2 2 Or keine 31200. , = ” .. . ” in mässiger Menge Versuch 19. Maus, vor dem Versuche 1 Hungertag. 11h 00’ vorm. Blutuntersuchung keine Kihego. . ;, !/ ccm Milch, mit 50°o Butter per Rectum injiziert 255 „ » 12h 15’ nachm. wenig 12795" in mässiger Menge 12h 55 P)] ” 2 ” 1r 15 ” ” „ ” Ih 35 pr] | ” ” ” 1h 55’ 2h 15’ „ ” n 2h 35 „ ziemlich reichlich NEE in mässiger Menge 3b 15’ bis i 4h 15’ nachn. keine Bei den Milchklysmen (Sahne und Milch mit Butter) der Mäuse kommen, wie die angeführten Versuche zeigen, nach gewissen Zeit- räumen meistens in kleiner Menge feine glänzende Teilchen in den schwarzen Plasmaräumen des Blutes vor, die sich als Fetteilchen in jedem der Fälle bestimmen liessen. Nun war die Frage zu entscheiden, ob die im Blute erkennbaren Teilchen tatsächlich von dem Fett herrühren, das im Dick- resp. Mastdarm zur Resorption kam, oder ob die per Klysma verabreichten verschiedenen fetthaltigen Flüssigkeiten, wie Milch und Sahne, bei dem vollständigen Abschluss der Analöffnung über die Bauhin’sche Klappe in den Dünndarm übergetreten und erst dort resorbiert worden sind. Was den retrograden Bewegungsvorgang im Darme anbetrifft, 20 298 Komajiro Nakashima: hatte ihn schon Grützner!) theoretisch nachgewiesen. Seiner Ansicht nach kommt dieser Vorgang durch die Ringmuskel- und Länesmuskelfasern des Darmes zustande. Nach Injektion von 200 & physiologischer Kochsalzlösung mit Semen Iycopodii per reetum konnte er ein Lykopodiumkorn hie und da in dem ausgeheberten Maseninhalt finden; diese Rückwärtsbeweeung dünnflüssiger Massen soll im Hungerzustande und bei geringem Füllungszustand des Darmes besonders schnell und gut vor sich gehen. Ausserdem fand Grützner bei Darmfistelkranken, dass die fetthaltige Nahrung von dem unteren Darmteil nach aufwärts allmählich befördert wurde. Dagegen ist Nothnagel?) der Meinung, dass das Wasser oder Olivenöl ruhig liegen bleiben könne, ohne den Darm zu reizen, während eine konzentrierte Kochsalzlösung den Darm reizt und infolgedessen auf- und abwärts sich bewegt. Dauber?) injizierte einem Hunde 90 g einer mit Alkanna oefärbten Ölemulsion in das Reetum und fand nach 6 Stunden die Injektionsflüssigkeit 10 eem über der Bauhin’schen Klappe. Neuerdings hat auch Köster‘) an Hunden und Katzen die retrograde Bewegung des Darminhaltes studiert; nachdem er den Versuchstieren 2—3 Tage lang fast fettfreie Nahrung (Liebig’sche Fleischextraktfabrikation) verabreicht hatte, führte er ihnen 50—90 g einer Ölemulsion (Olivenöl mit 0,60 Chlornatrium versetzte 1 /oige Sodalösung aa) unter schwachem Druck per Klysma in das Rectum ein und untersuchte histologisch die Schleimhaut. Er fand, dass das Öl nach 7—8 Stunden die Bauhin’sche Klappe nicht überschreitet und niemals in den Dünndarm gelangt. Ganz abgesehen davon, dass durch unphysiologische Vorgänge, z. B. durch eine grössere Menge von Klystierflüssigkeit, oder infolge hohen Druckes beim Klystieren selbstverständlich die Flüssigkeit über die Bauhin’sche Klappe vordringen kann, möchten wir ebenso wie Cannon annehmen, dass das Aufwärtssteigen der reetalinjizierten Flüssigkeit über die Bauhin’sche Klappe ein physiologischer Vorgang sei. 1) Grützner, Über die Bewegungen des Darmiphaltes. Pflüger’s Arch. Bd. 71 S. 492. 1898. — Grützner, Bemerkungen über die Bewegungen des Darminhaltes. Deutsche med. Wochenschr. 1899 Nr. 15. .2) Nothnagel, Beiträge zur Anatomie und Pathologie des Darmes. Zeitschr. f. klin. Med. Bd. 4. 1882. — Nothnagel, Die Krankheiten des Darmes. Teil I. Darmbewegungen. Wien 1895. 3) Dauber, Deutsche mediz. Wochenschr. 1895 Nr. 34. 4)... c. Zur Frage der Resorption des Fettes im Dick- und Mastdarm. 299 Um einen Einblick in die Verhältnisse bei Mäusen zu gewinnen, wurden folgende Experimente gemacht: Wenn man eine verdünnte, wässerige Methylenblaulösung in das Rectum von Mäusen ganz langsam einfliessen lässt, hierauf mit warmem, flüssigem Paraffın die Analöffnung vollkommen verschliesst und nach einigen Stunden die Maus seziert, kann man schon makroskopisch den blauen Farbstoff oberhalb der Bauhin’schen Klappe im Dünndarm sehen. Injiziert man in das Reetum 0,5 ccm Mileh und verschliesst die Analöffnung in der angegebenen Weise, so findet man regelmässig geringe Mengen Milch im Dünndarm ober- halb der Bauhin’schen Klappe; gelegentlich kann man ein solches Übertreten von Milch bei einer recetalen Zufuhr von 0,3 ccm Milch sehen. 0,2 cem Milch füllen den Diekdarm aus, ohne dass ein Rückfluss durch die Bauhin’sche Klappe erfolgt. Um nun das Übertreten der per Klysma eingeführten Flüssig- keit zu verhindern, habe ich folgende Versuche unternommen: Unmittelbar vor dem Klysma eröffnete ich möglichst aseptisch die Bauchhöhle der Versuchstiere unter leichter Äthernarkose und unterband das Dünndarmende nahe der Bauhin’schen Klappe. In einigen Fällen habe ich den untersten Abschnitt des Dünn- darmes an zwei Stellen in einiger Entfernung unterbunden und den- selben zwischen den Ligaturen durchschnitten. Nun war die Mögliehkeit zu erwägen, ob die Äthernarkose einen Einfluss auf das Auftreten der Fetteilchen im Blut der Tiere nimnit, und wurden aus diesem Grunde folgende Versuche ausgeführt. Dritte Versuchsreihe (Athernarkose). Zuerst narkotisierte ich die Mäuse vor der Verabreichung der Fettnahrung ziemlich stark, um sie mit der Operationsnarkose bei Mäusen zu kontrollieren, kurz danach habe ich mit der Pipette ihnen künstlich per os Milch verabreicht und sie dann nach einem gewissen Zeitraume während der Blutuntersuchung narkotisiert. Versuch 20. Maus, vor dem Versuche 1 Hungertag. Zeit Bemerkungen Pen 105 00’ vorm. Blutuntersuchung keine 10h 20’ bis £ 10h 30’ vorm. Athernarkose 10h 40’ , 0,3 ccm Milch per os künstlich 5 .. gegeben BRENNT >, Athernarkose . 300 Komajiro Nakashima: 5 Fettteilchen Zeit | Bemerkungen | imsBler 11h 20’ vorm. g | wenig 11h 40’ „ Athernarkose | in mässiger Menge TE reichlich 12h 20’ nachm. do. n OHZA0 EEE: in mässiger Menge nz 005 ” do. ” ” ” 1h 20’ ” 2 ” ” 1A 40’ ” do. 2 2 2 aa a ; 2h 207 6) do. B) ” ” 2540 , wenig an , : Versuch 21. Maus, vor dem Versuche 1 Hungertag. 9h 30’ vorm. Blutuntersuchung keine 105 10’ bis 10h 20’ vorm. Äthernarkose 104 257 „ 0,3 ccm Sahne per os (mittels Schlund- sonde) 104 50°, i 5 PRO T Athernarkose in mässiger Menge un 0) » ” ) ’ 11h 50’ do. reichlich 12h 10’nachm. = IDRES04 do. n 12 0’ „ » HS: do. n In a0 2 : ln 507, do. a in mässiger Menge au a ” do. » ” ” 2 50° ” m.“ ” ” Sn do. wenig ana ) 5 al ” ” 4nr100 | keine Versuch 22. Maus, vor dem Versuche 1 Hungertag. 10h 00’ vorm. 10h 20’ bis € 10h 30’ vorm. Tiefe Athernarkose keine da | 0,7 cem Milch mittels Schlundsonde RS Äthernarkose S DL 0 5 a do. in mässiger Menge 12h 10’ nachm. e A an 30 » do. ” ” » 150 = 2 seichlich m 107 > do. 5 1 SU: ” ” 19950. do. 5 210% ” ” EN do. M 2h 50’ ” ” Sul) er do. 5; sh 30° „ n sh 807 7, do. in mässiger Menge Zur Frage der Resorption des Fettes im Dick- und Mastdarm. 301 ‚Zeit | = Bemerkungen | en ah 10, | $ | in mässiger Menge al 30 Äthernarkose e n { nn wenig a2 SE do. 5 a EN, keine Durch obige Versuche ist ersichtlich, dass der Äther auf das Verhalten der Fetteilchen im Blute bei der Resorption keinen Ein- fluss nimmt. Vierte Versuchsreihe (Fettzufuhr per Reetum nach Unterbindung des Dünndarmes knapp oberhalb der Bauhin’schen Klappe). Versuch 23. Maus, vor dem Versuche 1 Hungertag. Zeit | Bemerkungen | ln 9h 30’ vorm. Blutuntersuchung keine DanachDünndarmunterbindung knapp oberhalb der Bauhin’schen Klappe; 104 00’ , 0,3 ccm. Milch mit 50°%o Butter per Klysma (Analöffnung mit Paraffın verschlossen) 10b 20’ „bis 5h 20’ nacım. | Alle 20 Minuten untersucht Versuch 24. Maus, vor dem Versuche 1 Hungertag. 11h 30’ vorm. Blutuntersuchung keine 11440’ .. „ DurchschneidungdesDünndarmendes; 11h 50° 0,3 ccm Milch mit 30% Butter per Klysma. (Analöffnung mit Paraffin verschlossen) 12h 10’ nachm. 5 12h 50’ bis 5h 30’. nachm. Alle 20 Minuten untersucht Versuch 25. Maus, vor dem Versuche 1 Hungertag. 9h 00’ vorm. Blutuntersuchung keine 10h 00° , Unterbindung des Dünndarmendes; DER 007 0,3 cem Milch mit 50°/o Butter per we Klysma 1200 ” ; 12% 30° nachm. |, et #. ie . Th 00” nachm. |: : Alle 30 Minuten ‘untersucht 5 302 - Komajiro Nakashima: Versuch 26. Maus, vor dem Versuche 1 Hungertag. 2 Fetteilchen Zeit Bemerkungen Kaps 85h 00’ vorm. Blutuntersuchung keine 86 80’ , Unterbindung des Dünndarmendes; a 0,5 cem Milch mit 50°o Butter per Klysma JIza0L „ 10h 00’ bis 4500’ nachm. Alle Y/’a Stunde untersucht ei 4400’ „ 0,5 ccm Milch mit 50%o Butter per os (mittels Schlundsonde eingeführt) 4h 30 ” ” 5>h 00’ „ anal 3, in mässiger Menge En DE, reichlich GERSU Er massenhaft Versuch 27. Maus, vor dem Versuche 1 Hungertag. 9h 00’ vorm. Blutuntersuchung keine 3740. 7, Durchschneidung des untersten Endes des Dünndarmes 1020: 0,3 cem Milch mit 30°%o Butter per Klysma 10h 40 „ „ 122002 ” ” 1120 %„ » 11h 407 ” „ 1200 ,„ » 12h 20’ bis = 4h 20’ nachn. Alle 20 Minuten untersucht 5 4h 30’ nachm. |0,3 ccm Milch mit 30% Butter per ie os (mittels Schlundsonde eingeflösst) 500 „ D) Su in mässiger Menge 6h 00° » 2) ” x ” 6h 30’ „ reichlich Versuch 28. Maus, vor dem Versuche 1 Hungertag. 9h 30’ vorm. Blutuntersuchung keine Y9h 45’ bis 10500’ vorm. | Unterbindung des untersten Ab- schnittes des Dünndarmes I0BSIOLE 0,5 ccm Sahne per Klysma 10750775 5 105025 " ER I . 302 3: 5 E50 12h 10’ nachm. " 12kE30, 5 ET Ih 10’ bis 6h 10’ nachn. ” Für alle Versuche wählte ich nur natürliche, fein emulgierte Fette, z. B. Milch oder Sahne, die viel leichter resorbiert werden Zur Frage der Resorption des Fettes im Dick- und Mastdarm. 303 können als die verschiedenen künstlichen Emulsionen oder überhaupt nicht emulgierte Fette, z. B. Olivenöl, Lebertran, Butter usw., die bei meinen Klystierversuchen immer negative Resultate ergaben. Die künstlichen Fettemulsionen, welche mit Soda oder Alkohol hergestellt werden, sind nicht indifferent, und beeinflussen die Beschaffenheit des Blutes derart, dass unter diesen Umständen im Dunkelfeld feine Teilchen auftreten, die man nicht leicht von den Fetteilchen unter- scheiden kann. Das Ergebnis der zuletzt angeführten Versuchsreihe lässt sich dahin zusammenfassen, dass nach Verhinderung des Übertrittes von reetal zugeführter Milch in den Dünndarm keine Fetteilchen im Blute nachweisbar sind. Wenn also bei Milchklysmen Teilchen im Blute im Dunkelfeld zur Beobachtung kommen, so stammen dieselben aus den in den Dünndarm übergetretenen geringen Mengen. Il. Die histologische Untersuchung. Nachdem ich sechs Tiere etwa 8 Tage lang nur mit Semmel und Wasser fütterte, um die Darmepithelien möglichst fettfrei zu machen, liess ich sie wenigstens 2 Tage vor dem Versuche ohne Nahrung. Bei drei Mäusen habe ich die Bauchhöhle in Äthernarkose eröffnet und das Dünndarmende in der Nähe der Bauhin’schen Klappe an zwei Stellen fest unterbunden und durchschnitten. Darauf führte ich 0,5 g Sahne (Körpertemperatur) per Klysma in das Reetum ein und verschloss das Diekdarmende mit geschmolzenem Paraffın (Schmelzpunkt 50° C.). Nachdem ich in Zwischenräumen von je 1 Stunde das Schwanzblut einer jeden Maus im Dunkelfeld unter- sucht hatte, tötete ich die Tiere in Intervallen von 3 Stunden und fixierte jedes Diekdarmstück in Flemming’scher Lösung. Als Kontrolle verwendete ich drei andere Mäuse, von denen eine ohne Klysma, die zwei anderen ohne Operation nur nach Sahneklysma in bestimmten Zeitintervallen getötet wurden. Von diesen Tieren fixierte ich verschiedene Dünn- und Dickdarmstücke in Flemming- scher Lösung durch 24 Stunden. Nach gründlichem Auswaschen brachte ich dieselben in steigenden Alkohol, Chloroform und in Paraffin (Schmelzpunkt 52° C.). Die Untersuchung wurde unter flüssigem Paraffın vorgenommen. Wie die folgenden Tabellen zeigen, habe ich gar keine Resorptions- vorgänge im Diek- und Mastdarm histologisch nachweisen können. 304 Komajiro Nakashima: Beobachtung im Dunkelfeld. Alle Tiere vor dem Versuche 2 Tage ohne Nahrung. Tier Nr. 1. Zeit | Bemerkungen | en 8h 30’ vorm. Blutuntersuchung keine 34.00". , getötet Dünn- und Dickdarmstücke in Flemming’scher Lösung. Tier Nr. 2. 8h 30’ vorm. | Blutuntersuchung | keine 102002 == 0,5 ccm Sahne per rectum Al 00’ ” 2 2 "wenig 1h 00’ nachm. getötet mässig Dünn- und Dickdarmstücke in Flemming’scher Lösung. Tier Nr. 3. Blutuntersuchung keine 0,5 ccm Sahne per rectum Sh 30’ vorm. Io 00 00 12.200) » h ” 1h.00’ nachm. wenig 2h 00’ Sn 002 2° 4 00' ” 2 getötet : Dünn- und Dickdarmstücke in Flemming’scher Lösung. —— N S Tier Nr. 4. 83h 30’ vorm. Blutuntersuchung keine 900° ,„ Unterbindung des Dünndarmes knapp oberhalb der Bauhin'schen Klappe 2 30 Be 0,5 ccm Sahne per rectum 10h 30 20% s 12h 30” nachm. getötet Dickdarmstücke in Flemming’scher Lösung. Tier Nr. 5. 83h 30' vorm. Blutuntersuchung keine 9h 00’ Unterbindung des Dünndarmes knapp oberhalb der Bauhin’schen Klappe Ih 30’ 0,5 cem Sahne per rectum 10h 30’ 11h 30’ „ : 2) . 12h 30’ nachm. e ae a 2h 30’ 3h 30’ —— N S getötet Dickdarmstücke in Flemming’scher Lösung. Zur Frage der Resorption des Fettes im Dick- und Mastdarm. 305 Tier Nr. 6. : Fetteilchen Zeit Bemerkungen I Biaie 8h 30’ vorm. Blutuntersuchung keine INN; Unterbindung des Dünndarmes knapp oberhalb der Bauhin’schen Klappe er en > 0,5 cem Sahne per rectum 1 0 2) ” E90, : 12h 30’ nachm. 5 1h 30’ Ih 90’ p)] ” 3h 30’ ” ” u 0 Br : 51307, : 60 5, „ getötet Dickdarmstücke in Flemming’scher Lösung. Histologische Untersuchung. Klar As Ic Fetttröpfchen I Dünndarme a en Spur 2... Dekan 00 60 now 8 0 0 8 oo x keine Tier Nr. 2. InaDickdarnen a es keine DRS) unndarme re ee: sehr wenig Se Dünndarm ee wenig DR Dickdarm a 3 ea Same ner lt keine Tier Nr. 4. Keine Resorptionsvorgänge nachweisbar. Tier Nr. 5. Keine Resorptionsvorgänge nachweisbar. Tier Nr. 6. Keine Resorptionsvorgänge nachweisbar. Resultate. 1. Während nach Zufuhr von mässiger Menge Milch oder Sahre per os im Blute reichlich im Dunkelfeld sichtbare Teilchen als Zeicher. der Fettresorption auftreten, fehlen solche vollständig bei aus- schliesslich reetaler Zufuhr. 306 Komajiro Nakashima: Zur Frage der Resorption des Fettes etc. 2. Wenn grössere Mengen von emulgiertem Fett (Milch oder Sahne) in den Diekdarm eingeführt werden, so treten gelegentlich als Zeichen geringer Resorption Fetteilchen im Blute auf; diese fehlen jedoch dann, wenn vor dem Milehklysma der Dünndarm knapp oberhalb der Bauhin’schen Klappe unterbunden oder durch- schnitten wird. 3. Es findet demnach bei einem Milchklysma vom Reetum aus keine Fettresorption in der Form statt, wie dies bei der Zufuhr von Milch per os vom Dünndarm aus der Fall ist. 4. Ob das Fett nicht in anderer Weise, vielleicht in gelöster Form vom Reetum aus ins Blut aufgenommen wird, lässt sieh durch Blutuntersuchung im Dunkelfeld nicht entscheiden. 5. Auch bei der histologischen Untersuchung des Diekdarmes, bei rectaler Fettzufuhr, lässt sich kein Resorptionsbild erkennen, ähnlich dem, das die resorbierende Dünndarmschleimhaut aufweist. 307 Untersuchungen über die Resorption des Fettes aus der Bauch- höhle mittels Dunkelfeldbeleuchtung !). Von Komajiro Nakashima (Tokio). (Hierzu Tafel IV.) Einleitung. Über die Resorption aus der Bauchhöhle liest eine grosse An- zahl wertvoller Untersuchungen vor; diese beziehen sich grösstenteils nur auf das Studium des Verhaltens der gelösten Stoffe. Die Fette, ungelösten Stoffe und korpuskulären Elemente hat man nur sehr wenig berücksichtigt. Aus diesem Grunde folgte ich gern der Aufforderung des Herrn Prof. A. Kreidl, diese Frage nach der Resorption des Fettes und der ungelösten Stoffe am lebenden Tiere mit Hilfe der Dunkelfeld- beleuchtung zu erforschen. Hamburger?), Cohnstein?) u. a. erklärten die Resorption der Flüssigkeiten aus der Bauchhöhle durch Osmose und Diffusion, während Heidenhain®), Orlow°), Cohn- heim‘), Starling und Tubby’) u. a. sie als einen Lebens- 1) Ausgeführt im physiologischen Institute der Wiener Universität unter der Leitung des Herrn Prof. Dr. Alois Kreidl. 2) H.J. Hamburger, Über Resorption aus der Peritonealhöhle. Zentral- blatt f. Physiol. Nr. 16 S. 484. 1895. — Hamburger, Regelung der osmo- tischen Spannkraft von Flüssigkeiten in Bauchhöhle und Perikardialhöhle. Arch. f. Anat. u. Physiol. 1895 S. 281. 3) W. Cohnstein, Über Resorption aus der Bauchhöhle, Zentralbl. f. Physiol. Bd. 9 Nr. 13 S. 401. 1895. 4) R. Heidenhain, Bemerkungen und Versuche betreffs der Resorption in der Bauchhöhle. Pflüger’s Arch. Bd. 62 S. 320. 1896, 5) W.N. Orlow, Einige Versuche über die Resorption aus der Bauchhöhle. Pflüger’s Arch. Bd. 59 S. 170. 1895. 6) ©.Cohnheim, Über die Resorption im Dünndarm und der Bauchhöhle. Zeitschr. f. Biol. Bd. 37 S. 443. 1899. 7) Starling and Tubby, On the absorption from and secretion into the serous cavities. The journ. of Physiol. vol. 16 p. 140. 1896. 308 Komajiro Nakashima: prozess der Zellen auffassten. Es ist noch nicht entschieden, ob die Resorptionswege durch die Lymphbahn gehen [v. Recklinghausen!), Muscatello?), Cohnstein, Sulzer?) u. a.] oder ob die Stoffe direkt von den Blutgefässen aufgesaugt werden [Heidenhain, Hamburger, Klapp‘®), Clairmont und Haberer?) u. a.]. Ein wichtiges Moment bei der Resorption aus der Bauchhöhle ist die Steigerung des intraperitonealen Druckes®). Durch die äusserst wertvollen Experimente v. Recklinghausen’s an Kaninchen ist es bekannt, dass kleine Partikelehen (Zinnober, chinesische Tusche, Kobaltblau), Olivenöl, Milchkügelehen und Blut- zellen durch die von ihm aufgefundenen Stomata (nach Klein) in die Lymphgefässe des Zwerchfells, besonders des Zentrum tendineum, eindringen können; um den Nachweis zu. erbringen, hatte er das ausgeschnittene Zwerchfell mit einer Lösung von salpetersaurem Silber behandelt und mikroskopisch untersucht. Diese Stomata sind nämlich mit Endothel ausgekleidete Öffnungen, die eine freie Kommuni- kation zwischen Bauchhöhle und Lymphgefässen gestatten. Nach weiteren Forschungen von Nitkin, der den Ductus thoraeieus frei- präparierte und die Lymphe ausfliessen liess, ist es sichergestellt worden, dass die in die Bauchhöhle eingebrachten, fein verteilten Körperchen nach einiger Zeit in der Lymphe des Duetus thoraeicus sich vorfinden. Im Jahre 1871 beobachtete Auspitz’), dass ungelöste, form- beständige Körper, z. B. Stärkemehlkörner, die er in die Bauchhöhle von Kaninchen injizierte, im Blute der Ohrmuschel und nach einigen Stunden in Lunge, Milz, Leber und Niere der betreffenden Tiere l) v. Recklinghausen, Zur Fettresorption. Virchow’s Arch. Bd. 26. 1863. ; i 2) Muscatello, Über den Bau und das Aufsaugungsvermögen des Peri- toneums. Virchow’s Arch. Bd. 142 S. 327. 1895. — Muscatello, Sull’ absorbimento delle sostanze corpusculare per le peritoneo. Estratto de giorn. della R, Accad. di Medic. di Torino 1894 No. 9/10. 3) Sulzer, Über den Durchtritt korpuskulärer Gebilde durch das Zwerch- fell. Virchow’s Arch. Bd. 143 S. 99. 1896. 4) R.Klapp, Über aueltellsesenp ion, Mitteilungen aus dem Grenzgebiet Bd. 10 S. 254. 1902. 5) Clairmont und Haberer, Über das Verhalten des gesunden und ver- änderten tierischen Peritoneums. Wiener klin. Wochenschr. 1902. Nr. 45 S. 1185. 6) H. J. Hamburger, Über den Einfluss des intraabdominellen Druckes auf die Resorption in der Bauchhöhle. Arch. f. Anat. u. Physiol. 1896. 7) Auspitz, Über die Resorption ungelöster Stoffe bei Säugetieren. Mediz. Jahrb., herausgeg. v. d. Gesellsch. d. Ärzte in Wien 1871. S. 283. Untersuchungen über die Resorption des Fettes aus der Bauchhöhle etc, 309 sich fanden. Auch Beck!) hatte verschiedene, in Wasser oder Öl aufgeschwemmte, unlösliche Teilchen von Stärke, Zinnober, Russ usw. in die Bauchhöhle von Kaninchen injiziert und diese Körper nach 1—2 Stunden im Lympbhstrom des Ductus thoraeieus konstatieren können. Dubar und Remy?) hatten angenommen, dass die Resorption der feinkörnigen Stoffe ausser im Zwerehfell durch die Lymph- und Blutwege stattfinden könne, und durch die Untersuchung von Maffucei°) wurde festgestellt, dass ausser dem Zwerchfell auch Netz, Lisamentum latum, Ligamentum gastro-hepaticam und gastro- splenicum, die Douglas’schen Falten, das Mesoreetum und Mesen- terium als Resorptionsstellen in Betracht kommen. Dagegen äusserte Muscatello*) seine Meinung dahin, dass das Diaphragma die einzige Stelle der Serosa sei, die körnige Stoffe aufnehme, und dass fein- körnige Substanzen (wie Karmin) und weiche Körper (wie rote Blut- zellen) die Endothelschicht des Zwerchfells durchwandern, indem sie sich zwischen den Endothelzellen durchdrängen. Der Durchtritt der grössten dieser Körnchen geht durch Vermittlung von Leukocyten vor sich. Im Gegensatz hierzu hat Sulzer?) die Grösse der Griess- körnehen, die sich im Ductus thoraeieus und im Diaphragma be- finden, gemessen und gefunden, dass die Stomata und die Zwerchfell- serosa korpuskuläre Elemente von drei- bis vierfachem Umfang eines Blutkörperchens aufnehmen können, und dass dieselben nicht in ‚Leukocyten eingeschlossen waren. - Mac Callum°), der an Hunden Versuche angestellt hatte, nahm an, dass die Resorption feinkörniger Körper aus der Bauchhöhle überhaupt nur durch Vermittlung der Leukocyten stattfindet, die den Resorptionsweg nach dem Lymphsinus der Mediastinaldrüse bilden, und dass die Resorptionsprozesse durch die respiratorische Bewegung des Zwerchfells gefördert würden. 1) Beck, Über die Aufsaugung fein verteilter Körper aus den serösen Höhlen. Wiener klin. Wochenschr. 1893 Nr. 46 S. 823. 2) Dubar und Remy, Über die Absorption durch das Peritoneum. Schmidt’s Jahrb. Bd. 200 S. 228. 1883. (Journ. del’Anat. etdelaphysiol.t. 18. 1882.) 3) Maffucci, Sull absorbimento del Peritoneo. Giornale internazionale delle Scienze med. anno 4. 1832. 4) Muscatello, |. c. 5) Sulzer, l. c. 6) MacCallum, On the relation of the .lymphatics .to the peritoneal eavity in the diaphragm. and the mechanism of absorption of granular material from.the peritoneum, Anat. Anz. Bd. 23 Nr. 6 S. 157. 1903. 310 Komajiro Nakashima: Nach Schnitzler und Ewald!) werden salzhaltige kolloide Flüssigkeiten langsamer resorbiert als die wässerigen Lösungen dieser Salze, während Danielsen?°), der nach Injektion von kristalloiden und kolloiden Stoffen in die Bauchhöhle diese in der Lymphe des Duetus thoraeieus und im Karotisblute konstatiert hatte, zu dem Schlusse kam, dass kolloide Stoffe durch den Lymphstrom, kristalloide durch den Blutstrom resorbiert werden. Um nun einen klaren Einblick in die Resorptionsvorgänge zu bekommen, habe ich die nachfolgenden Versuche mit Hilfe der Dunkelfeldbeleuchtung ausgeführt, um festzustellen, ob die in die Bauchhöhle injizierten Fette, Kasein und ungelösten Stoffe wirklich in die Blutbahn aufgenommen werden und ob dabei Unterschiede zwischen Kaltblütern (Frösche) und Säugetieren (Mäuse) zu kon- statieren sind. Als Versuchstiere habe ich Frösche und Mäuse ver- wendet. Zuerst injizierte ich diesen intraperitoneal unter möglichst aseptischen Kautelen reine Ölarten, z. B. Olivenöl, Lebertran, Butter usw.; doch konnte ich an beiden Tierarten kein Auftreten dieser Substanzen im Blute nachweisen. Aus diesem Grunde emulegierte ich nunmehr diese Öle mit schwacher, wässeriger Sodalösung oder mit Alkohol; leider waren diese Emulsionen bei so kleinen Organismen nicht indifferent, indem sie als Reiz auf das Peritoneum wirkten und die Beschaffenheit des Blutes der injizierten Tiere stark be- einflussten. Eine 3 /o ige Sodalösung rief schon im Blute massenhafte, feine Teilchen hervor, die durch eine Alkalivergiftung zustande kamen. Auch Alkoholmengen, die das Öl vollständig emulgieren konnten, wirkten reizend auf das Peritoneum und verhinderten daselbst eine Resorption. Ausserdem verursachten sie bei diesen Tieren eine starke Vergiftung und konnten deshalb nicht verwendet werden. Die Tiere wurden wegen der starken Empfindlichkeit der. serösen Häute nach der Injektion solcher Emulsionen meistens sehr krank und gingen nicht selten zugrunde. Daher wählte ieh natürliche Fettemulsionen, nämlich Milch und Sahne, die vor der Injektion vollkommen durch Kochen sterilisiert worden waren. Vor dem Versuche liess ich alle ‚Mäuse einen Tag hungern, 1) Schnitzler und Ewald, Zur Kenntnis der Henitangaler Resorption. Deutsche Zeitschr. f. Chir. Bd. 41 S. 341. 2) Danielsen, Über die Schutzvorrichtungen in der Bauchhöhle mit be- sonderer Berücksichtigung der Resorption. Beitr. zur klin. Chirurgie Bl. 54 S. 458. Untersuchungen über die Resorption des Fettes aus der Bauchhöhle etc. 311 damit die Plasmaräume des Blutes durch Verschwinden der Fett- teilchen vollkommen dunkel bleiben (Fig. 1); sodann machte ich. einen kleinen Hautschnitt an der Unterbauchseite mit der Schere. Die Injektion wurde sehr vorsichtig ausgeführt, ohne die Blutgefässe in der Bauchhöhle und im Darme zu verletzen, wobei die Injektions- stelle mit kleinen Klemmen gefasst wurde. Nach den Milch- (oder Sahne-)Injektionen blieben die Mäuse sehr geschwächt, während die Frösche ganz munter, selbst einige Tage wie normal leben konnten. Bei den Mäusen wurde das Blut durch Abschneiden der Schwanz- spitze gewonnen. Die Untersuchung des Frosehblutes gestaltete sich ziemlich schwierig, da sich dem Hautblute sofort Lymphe beimischte und daher keine deutliche Beobachtung möglich war. Um schöne Präparate zu erzielen, habe ich den Fröschen, die 8 Tage vorher ohne Nahrung blieben, ein kleines Hautstück an der Bauchseite entnommen und an der Vene (Vena cutanea magna) eine kleine Stichöffnung gemacht; dieselbe wurde nach der Blutentnahme mit einer kleinen Klemme geschlossen, da sonst ein zu starker Blut- verlust stattgefunden hätte, so dass man bis zum Ende der Experi- mente nicht genügend Blut zu entnehmen imstande gewesen wäre. Mikroskopiert man reines venöses Blut solcher Hungerfrösche (Fig. 2), so sehen alle Plasmaräume schön tief dunkel aus, und man kann in diesen keine anderen Teilchen bemerken. Die Milch enthält zwei Arten korpuskulärer suspendierter Ele- mente: das Fett und das Kasein. Das erstere ist gleich gut in Hell- und Dunkelfeldbeleuchtung zu sehen; das letztere dagegen ist wegen seines geringen Lichtbrechungsvermögens nur sehr schwer bei Hellfeld-, sehr leicht dagegen bei Dunkelfeldbeleuchtung zu erkennen. Injiziert man nun Milch in die Bauchhöhle und will man den Übergang dieser zwei Substanzen ins Blut nachweisen, so muss man ihre Identität feststellen. Die Fetttröpfehen sind ohne weiteres als solche zu identifizieren; nicht so leicht gelingt dies bei den Kaseinteilchen. Der einzige absolute Beweis, dass es sich im Blute um solche handelt, ist der, dass man zeigt, dass sie durch Lab zur Koagulation zu bringen sind. Diesen Beweis konnte ich stets dadurch erbringen, dass ich der Injektion von Milch in die Bauchhöhle eine solche einer 2 °/oigen Lablösung unter die Haut nachfolgen liess (siehe Versuch Nr. 22 und 23); dabei trat stets eine Labgerinnung im lebenden Froschblute auf. Nach Injektion von Milchserum waren nur verein- zelte Teilchen (Albumin und Globulin) zu sehen. Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd. 158. 21 312 Komajiro Nakashima: Um die Resorptionsgrade verschiedener Teilchen und Fett- tröpfehen leichter verständlich zu machen, habe ich sie in Stufen mit der Bezeichnung „Spur“, „sehr wenig“, „wenig“, „in mässiger Menge“, „reichlich“ und „in kolossaler Menge“ eingeteilt. I. Die Resorption von Fett und Kasein aus der Bauchhöhle. Versuch 1. Maus, vor dem Versuche 1 Tag keine Nahrung. Zeit 9h 30’ vorm. Bemerkungen Blutuntersuchung l cem Milch (35°) intraperi- toneal injiziert 12h 05’ nachm. | Fetttröpfchen (hier und da), ghA5st , 104057 , 10h 25° , 10145’ ms mas 11h 45’ 19no50 19h 45° 1052 nase > 18.457. ., 2h 05’ bis 3h 05’ nachn. an 2 3h 45’ 3 4h 05’ 5 4h 95’ 5, 4h 45’ 3 5h 05’ 5 5h 10’ 5 9h 00’ vorm. OR". 10h 40’ 1200255 DOES In 40 12400’ ,„ 1203027, 15 00’ nachm. 15 30’ 200°” , 2n30' 5 ano > 4h00' 5h0' ) 600’ , 6h30' 6h40 milchiges Aussehen do. Maus schwach Sektion: In der Bauchhöhle keine Spur Milch ” in mässiger Menge ” Fetttröpfchen im Blut sehr wenig keine 2» Spur ” ” ? » 2 sehr wenig N) 2 wenig ” wenig ” in Versuch 2. Maus, vor dem Versuche 1 Hungertag. Blutuntersuchung 2 ccm Milch (35°C.) intra- peritoneal injiziert Fetttröptchen (klein bis gross) do. dose Das Tier gestorben sehr wenig keine ” ” Spur in ” Kaseinteilchen im Blut keine 2 wenig mässiger Menge reichlich ” ” massenhaft . 22) . reichlich mässiger Menge wenig ” ” sehr wenig keine wenig mässiger Menge DEREN n reichlich Untersuchungen über die Resorption des Fettes aus der Bauchhöhle etc. 313 Versuch 3. Maus, vor dem Versuche 1 Hungertag. Zeit | Bemerkungen Lu | an 9h 30’ vorm. Blutuntersuchung keine | keine 350 - , 1,5 cem Milch (35° C.) in- io 10 , traperitoneal injiziert Ä x 20030’ „ n sehr wenig 108750” „ 5 wenig 11 10° ,„ |Fetttröpfehen hier und da Spur 5 a0, „ (kleinZhısZgrose) wenig reichlich 11h 50, ” b>] ” 12h 10, nachm. a r Do, „ Ä | ; 12h 50, ” 2 | ” Bl: Maus gestorben sehr wenig 5 Versuch 4. Maus, vor dem Versuche 1 Hungertag. 9h 30’ vorm. Blutuntersuchung keine keine Vie l cem Sahne (35° C.) intra- 101 35° , peritoneal injiziert i wenig IR 55 „ Fetttröpfchen (klein) Spur in mässiger Menge 15: „ Fetttröpfchen (klein bis gross) sehr wenig 3 2 5 d1h 35° ” do. ” b) » ” 11h 55’ ” do. e)] 2 n 12h 30’ nachm. do. wenig reichlich 100°. , do. 5 a 1130 do. in mässiger Menge 3 2h 00 „ do. wenig 5 2h 30’ bis 4h (0 nachn do. 5 N 4h 300’ „ do. sehr wenig n 5h 00’ BD) do. D) ” ” BE S0' . , do. S - massenhaft 6h 00’ .» do. D) » D) 65 30’ bis 7h 00’ nachn. do. s R reichlich m 30". >, Maus gestorben Spur = Versuch 5. Maus, vor dem Versuche 1 Tag keine Nahrung. 9b 00’ vorm. Blutuntersuchung keine keine an50" 7, 1 cem Sahne (35° C.) intra- . peritoneal injiziert I 10:.;.-; Fetttröpfchen hier und da Spur in mässiger Menge 104730’ , Fetttröpfchen (klein bis gross) wenig reichlich 10h 50° _„ do. H 5 Kin 10’, do. 5 5 h-30” , -, do. 5 5 u 507, do. 5 5 12h 30’ nachm. do. 5 - MR00/ do. 5 massenhaft I , do. » » 2h 00° ” do. ” » 230: do, in mässiger Menge 5 3h 00 bi) do. ” TEE 5) ” 30 -. „ do. wenig : 4h 00’ bis 6h 30’ nachm, do. e 3 8h 00’ vorm. Maus sehr schwach Spur sehr wenig Sektion: Die injizierte Milch vollständig resorbiert. Ze 314 Komajiro Nakashima: Versuch 6. Maus, vor dem Versuch 1 Hungertag. 3 Fetttröpfehen Kaseinteilchen Zeit | Bemerkungen | I am eine 9h 30’ vorm. Blutuntersuchung keine keine . OR 10? 1,5 ccm Sahne (35° C.) intra- peritoneal injiziert LOB 0 Spur wenig 105022, sehr wenig reichlich ll Se wenig 5 1 1 h 30 ! ” ” ” 115 50’ bis 1h 30’ nachm. e ® 2h 00’ nachm. in mässiger Menge " ah 807 D) ” ” D) ” 3h 00 1 ” ” ” £)] 3h 30’ bis 5h 30’nachm. | Maus wurde sehr schwach | „ ,„ 5 massenhaft 65 00’ bis 7h 30’ nachm. do. wenig a 9h 00’ vorm. do. Spur Spur Versuch 7. Maus, vor dem Versuch 1 Hungertag. 9h 00’ vorm. Blutuntersuchung keine keine RE 1,5 ccm Sahne (35° C.) intra- peritoneal injiziert IOREIOSEE Spur wenig IOES0 2, Fetttröpfchen im Blut sehr wenig in mässiger Menge (klein bis gross) 10H 0. wenig reichlich I do. a 5 11h 30’ vorm. bis 4h 00’ nachn. do. & 5 4430’ , do. 4 massenhaft 5h 00’ bis 6h 30’ nachm. | Das Tier sebr abgeschwächt s) 5 8h 00’ vorm. do. Spur Spur Sektion: In der Bauchhöhle gar keine Spur Sahne Versuch 8. Maus, vor dem Versuch 1 Tag keine Nahrung. 9h 00’ vorm. Blutuntersuchung keine keine Da 2 ccm Sahne (35° C.) intra- peritoneal injiziert UNTER 7, Fetttröpfchen im Blut (hier wenig und da) I0hDoL SE, Fetttröpfchen im Blut (klein Spur reichlich bis gross) 10, SSL =, do. wenig 5 Lila 1S° ” do. » „ IMS Rn do. ss massenhaft Ton do. » D) 12h 30’ nachm. do. in mässiger Menge 5 15 00’ 5) do. ” ” ” ” 15h 30’ bis 65 00’ nachm. do. h $ En 5 64 30’ x Das Tier gestorben wenig 5 Untersuchungen über die Resorption des Fettes aus der Bauchhöhle ete. 315 Versuch 9. Maus, vor dem Versuche 1 Hungertag. ; Fetttröpfchen Kaseinteilchen Zeit Bemerkungen in nee nn 1 9h 30’ vorm. Blutuntersuchung keine keme 10210’, 2 ccm Sahne (35° C.) intra- peritoneal injiziert 10530’ ,„ F Ss oniehen ae und da) Spur in mässiger Menge 108307 -, sehr wenig reichlich el. stehe im Blute wenig massenhaft (klein bis gross) BRrS0’ „ - do. © # 11h 50’ do. in mässiger Menge n 12h 30’ nachm. do. n # a RN, do. » D) » » a do. = 3 5 2h—-5h „ do. zahlreich in kolossaler Menge 55307 „ Mikroskop. Bild zeigt fast E 5 H; 5 milchiges Aussehen 65 00° ” a 0. : D) b) D) 7) 6430’ „ Mikroskop. Bild zeigt fast > n 5 : milchiges Aussehen (prachtvolles Bild) 2,007 bi) do. n ” b) b) 30 >, Mikroskop. Bild zeigt fast 5 4 n " milchiges Aussehen (das Tier wurde tot gefunden) Versuch 10. Maus, vor dem Versuch 1 Hungertag. 12 00’ nachm Blutuntersuchung keine keine 1830’ ;, 2 ccm Sahne (35° C.) intra- peritoneal injiziert Bur50) Spur sehr wenig 2a Fetttröpfehen im Blute (klein sehr wenig wenig bis mittelgross) 2180. - „ do. ® 5 in mässiger Menge 20, Fetttröpfehen im Blute (klein wenig reichlich bis gross) SEE (Age do. x > 3h 30’ bis 5h 10’ nachn. do. 2 5 530. ; do. in mässiger Menge massenhaft 5h 50 do. ” „ ” ” 64 10’ bis 65 50’ nachm. do. wenig e 8h 30’ vorm. | Fetttröpfchen im Blute (klein sehr wenig reichlich bis gross) (das Tier sehr ge- schwächt) 12h 00’ ” do. b) b) ” 85 00’ nachm. do. 3 4 in mässiger Menge Sektion: In der Bauchhöhle eine Spur Sahne Versuch 11. Rana esculenta, Weibchen, 27 g. 105 00’ vorm. Blutuntersuchung keine keine 106.05 „ 1 ccm Milch (kalt) intra- peritoneal injiziert 20’ 7, 5 reichlich 1040’ „ Fetttröpfchen (klein bis gross) wenig massenhaft BERE00”N N, do. in mässiger Menge | in kolossaler Menge 316 Komajiro Nakashima: 5 3 Fetttröpfchen Kaseinteilchen Zeit Bemerkungen ehe mc 11h 30’ vorm. | Fetttröpfchen, meist in RE 12b 30’ nachm. 318 002 en, m Sr 28.00 3h 00’ bis 4h 00’ nachn. 4h 50° „ 10h 00’ vorm. 10m Ka a0 10h 40° , tn om Lina? 121.007 , 12h 30’ nachm. 1m 00° 11 30" bis 5h 00’ uachm. 5h 30’ ” 10h 00’ vorm. 10uSl Ua I Od 252 11n 05° , IE 11h 45’ ,„ 12h 15’ nachm. 12h 45’ „ TS 1h 45’ DRS ie 5 ” 5h 15’ nachnm. h20' Klumpen Fetttröpfchen, meist in Klumpen (fast milchiges Aussehen) do. Sektion: In der Bauchhöhle keine Spur Milch Versuch 12. Blutuntersuchung 1,5 ccm Milch (kalt) intra- peritoneal Fetttröpfchen (klein bis do. Fetttröpfchen, meist in Klumpen do. Fast milchiges Aussehen do. Sektion: In der Bauchhöhle etwa die Hälfte der injizierten Milch Versuch 13. Blutuntersuchung 2 ccm Milch (kalt) intra- peritoneal injiziert Fetttröpfchen, meist in Klumpen (klein bis gross) 0. do. do. Fast milchiges Aussehen a | do. Sektion: In der Bauchhöhle geringe Reste von Milch Versuch 14. Rana esculenta, Männchen, 31 g. 9h 50’ vorm. Blutuntersuchung N DAICE gn 55’ ons m Milch (kalt) intra- peritoneal injiziert Fetttröpfchen (klein bis gross) in mässiger Menge n ” ” ” ” ». L ” reichlich ” ” Rana esculenta, Männchen, 28 9. keine ” wenig ” 2 in mässiger Menge reichlich ” „ Rana esculenta, Weibchen, 32 g. keine wenig in kolossaler Menge keine massenhaft ” in kolossaler Menge keine massenhaft . .. . ” - ” in mässiger Menge |in kolossaler Menge ” ” ” ”, x ” reichlich keine wenig keine reichlich Untersuchungen über die Resorption des Fettes aus der Bauchhöhle etc. 317 Zeit Bemerkungen Seuironienen en 105 35’ vorm. | Feittröpfchencktein bisgross), | in mässiger Menge massenhaft meist in Klumpen | 10 h 59 4 » do. ” 2) ” | ) Brei! , do. reichlich | in kolossaler Menge 11h 45’ B VER D) » D) 7) 125 15’ nachm. | Fetttröpfchen (klein bisgrosse), = 5 £ 5 meist in Klumpen (fast milchiges Aussehen) 12h 45’ bis 5500’ nachm. Fetttröpfcher B 515’ ,„ | Sektion: Die injizierte Milch spurlos resorbiert | „ 2 n Versuch 15. Rana esculenta, Weibchen, 56 g. 10h 50’ vorm. Blutuntersuchung keine keine Bew. „ 2 ccm Sahne intraperitoneal injiziert KERAN' „ Fetttröpfchen (klein bis gross), wenig massenhaft meist in Klumpen 1250’ „ do. . 3 12h 20’ nachm. do. in mässiger Menge | in kolossaler Menge 12h 40’ » do. D) a D) ” » » BRON! ; ., do. reichlich 4 : a 2 30° b) do. b) ” ” ” 25 00 D) do. le: » b) D) » 2:30’ „ Fetttröpfchen (klein bis gross), £ n 5 E meist in Klumpen (fast milchiges Aussehen) 3 h 00 i ” do. n ” ” ” 4400’ „ do. massenhaft = x 5 5h 00° b] do. P}) „ „ ” 6 h 00 ” do. 2 ” ” ” 75h 00’ » a 0. . ” D) ” ” RE, Sektion: Alles resorbiert 5 5 a . Versuch 16. Rana temporaria, Weibchen, 43 g. 11h 00’ vorm. Blutuntersuchung keine keine DI 20. -, 3 ccm Sahne intraperitoneal injiziert 11640’ „ Fetttröpfchen, meist in in mässiger Menge | massenhaft Klumpen #00, do. 5 5 s in kolossaler Menge 12h 20’ nachm. do. reichlich: „ 5 3 12h 40’ ” 0. ” » ” » 15 00’ Fetttröpfchen, meist in R 5 = Li Klumpen (fast milchiges Aussehen 15 30’ bis 3h nachm. do. 5 H > 5 4400’ „ Fetttröpfchen, meist in massenhaft 5 & 5 Klumpen (prachtvulles Bild) ar » do. ” = ” ” ” 318 Komajiro Nakashima: Versuch 17. Rana esculenta, Weibchen, 70 g. : Fetttröpfchen Kaseinteilchen Zeit Bemerkungen TEE In 10h 00’ vorm. Blutuntersuchung keine keine 10h45’ „ 5 ccm Sahne intraperitoneai injiziert a, Fetttröpfchen (kleinbisgross), | in mässiger Menge massenhaft meist in Klumpen 109255 do. „ 55 5 in kolossaler Menge 12h 15’ nachm. do. = n 5 5 4 = 12h 45" ” do. ” ” 2 ” 2 P] 1 a 15 ’ ” do. ” ” ” ” ” ” 1 rn 45 N ” do. », 5 » ” ” 2 2 12, 5 de: reichlich a 5 ss 3h 15’ { do. massenhaft & 5 R 4430’, do. 5h 00' g Fetttröpfchen (klein bis gross), x A 2 2 meist in Klumpen (fast wie Sahne) 64 00 ” x do. ” » ” » Sn Sektion: In der Bauchhöhle keine Sahne Versuch 18. Rana esculenta, Weibchen, 50 eo. 3. Juni 9h 00’ vorm. Blutuntersuchung keine keine IHS0lEr 1,5 ccm Milch (kalt) intra- peritoneal injiziert | 990.2 2, ” reichlich 1000 2 Spur massenhaft 10RD0 Fetttröpfchen (hier und da) wenig 10h40’ ,„ Fetttröpfchen, meist in 3 5 Klumpen 11h 00’ do. in kolossaler Menge 11h 30 3 Fetttröpfchen, meist in in mässiger Menge | „ 5 5 Klumpen (fast milchiges Aussehen) 12h 00 ” do. ” ” D) » B) ” 12h 30’ nachm. do. ” D) b) ” 2) ” a 3% » 1% wenig „ „ ” : ” 0. ” 2 n » 3h 30° » do. bi) ” ” ” 4430’ „ do. ö % 5 a SD do. sehr wenig 5 han! ” ” = J 30 » 2) ” ” ” ” . Juni in a vorm. | Leukocyten m. Fetttröpfchen Spur massenhaft 12h 00 do. 64 00’ nachm. do. 4 & 6. Juni 7h 30’ vorm. | Sektion: In der Bauchhöhle n Spur | gar keine Spur von Milch Versuch 19. Rana esculenta, Weibchen, 48 g. 3. Juni 9h 00’ vorm. | Blutuntersuchung keine keine IRIa0l 1,5 ccm Milch (kalt) intra- peritoneal injiziert no Spur reichlich Untersuchungen über die Resorption des Fettes aus der Bauchhöhle ete. 3]9 { Fetttröpfchen Kaseinteilchen Zeit | Bemerkungen m Blut Am Tem 10h 00’ vorm. sehr wenig massenhaft #0R720' - ;, Fetttröpfehen, meist in wenig in kolossaler Menge Klumpen 105 40° ” Een » » 2) 11h 00 R i 1 in mässiger Menge | „ 5 A It 9307 .., Fetttröpfchen, meist in | „ A r 5 5 R Klumpen (fast milchiges Aussehen) 12h 00° D) do. ” ) » ” ” 5) 12h 30 nachm. do. $2) » ” ” » ” Ih 30 do. ” ” 3 ” n ” ” 2h 30’ S do. wenig 5; e c 3h 30 ” do. » ” ” ” A 30 £ ” ” bi) ” ” oh 30 ” ” : ” b) ” he 30 ” ” ” ” B2) . Juni 9h 00’ vorm. | Fetttröpfehen in Klumzen, 5 massenhaft von Leukocyten gefangen 12h 00 B) 0. ” ” 64 00’ nachm. do. a 5 5. Juni 7h 30’ vorm. do. Spur in mässiger Menge Sektion: In der Bauchhöhle gar keine Spur von Milch Versuch 20. Rana esculenta, Weibchen, 56 g. 5. Juni 10h 30’ vorm. Blutuntersuchung keine keine 002 ©; 2 ccm Milch (kalt) intra- peritoneal injiziert 124700. „ wenig massenhaft 1h 00’ nachm. x in kolossaler Menge 2b 00° ” 2 a ) » ” 32200, , j In mässiger Menge | „ = 5 4h 00’ b2) D) ” E ” „ ” ” 5h 00’ ” wenig ” ” ” 6h 00° ” ” » ” ” Th 00 n D) D) ” ” 6. Juni 10h 00’ vorm. Spur “ Spur 2h 30’ nachm. keine keine Versuch 21. Rana esculenta, Weibchen, 80 g. 5. Juni 105 30’ vorm. Blutuntersuchung keine keine B12007.... 3 cem Milch (kalt) intra- peritoneal injiziert 12h 00’ wenig massenhaft ” . .. - . 15 00’ nachm. in mässiger Menge |in kolossaler Menge ui 00° ” k H b) ”, 4 B) ” ” ” &200' _„ Ganz milchiges Aussehen reichlich S 5 a r m: 00 ” ” ” 2 » d h 00 ı ” wenig ” ” ” 320 Komajiro Nakashima: Zeit Bemerkungen a een KasineNen 6. Juni 10h 00’ vorm. Spur massenhaft 2h 30’ nachm. H > 7. Juni 9h 00’ vorm. | Sektion: Die irjizierte Milch keine keine vollständig resorbiert Versuch 22. Rana esculenta, Weibchen, 40 g. 2h 35’ nachm. |3 cem Milch intraperitoneal injiziert 2b Ay) 1 cem 2%oiger Lablösung subkutan injiziert SEA00E Kein Kaseingerinnsel im Blut wenig reichlich 3h 30’ ; do. Er massenhaft 4h 00° . „ do. in mässiger Menge 5 30 Hier und da kleine Kasein-| „ 5 a = gerinnsel im Blut GEROlE 0. & 5 = in kolossaler Menge 9h 00’ vorm. | Kein Kaseingerinnsel im Blut wenig massenhaft Versuch 23. Rana esculenta, Weibchen, 56 g. 2h.25’ nachm. |3 ccm Milch intraperitoneal injiziert ZU Ne 3 ccm 2%oiger Lablösung subkutan injiziert 3h 00’ „| Kein Kaseingerinnsel im Blut wenig massenhaft nz do. 5 = Ah do. reichlich 5 Sr, do. n a Se do. 5 en 62002 Kaseingerinnsel im Blute in - in kolossaler Menge mässiger Menge ER Kleine zahlreiche Kasein- | in mässiger Menge reichlich gerinnsel im Blut Aus.den oben angeführten Experimenten ergibt sich, dass bei der Injektion von Milch oder Sahne in das Peritoneum die Resorption des Kaseins schneller und leichter vor sich geht als die der Fett- kügelchen, und zwar ist dies bei beiden Tierarten der Fall. Bei den Mäusen ist die Zahl der Fetttröpfehen im Blute bei Sahne- injektion grösser als bei der Injektion von Milch, und verhalten sich bei beiden Tierarten die Resorptionsgrade von Fettkügelehen und Kasein wie die injizierte Emulsionsmenge. Ein deutlicher Unterschied tritt bei der Peritonealresorption bei Mäusen und Fröschen zutage; die Resorption der injizierten Flüssig- keit geht bei den Fröschen viel leichter und rascher vor sich als N ER a Untersuchungen über die Resorption des Fettes aus der Bauchhöhle etc. 32] bei den Mäusen. Die resorbierten Fettkügelchen sind bei den Mäusen bedeutend kleiner als bei den Fröschen. Das Blutbild beider Tier- arten weist Fetttröpfehen verschiedener Grösse auf, ebenso wie das mikroskopische Bild von normaler Milch oder Sahne (kleine, mittel- grosse, grosse). Die grössten Fetttröpfehen, die im Mäuseblute er- scheinen, sind kleiner als die roten Blutkörperchen, während sie bei den Fröschen so gross sind wie die roten Blutkörperchen der Mäuse. Aus diesem Grunde kann man ohne weiteres folgern, dass die Re- sorptionswege bei den Fröschen viel breitere sind als bei den Mäusen, andererseits jedoch die Empfindlichkeit des Peritoneums der Frösche gegen fremde Substanzen nicht so bedeutend ist, als dass sie auf die Resorption hemmend wirken könnte. Wie die Tabellen zeigen, beginnt die Resorption der Kasein- teilchen und Fetttröpfehen bei den Mäusen nach 20 Minuten, erreicht ihr Maximum nach 2—3 Stunden (Fig. 3) und ist erst nach 24 Stunden fast völlig abgelaufen. Bei den Fröschen erscheinen nach 20 Minuten schon grosse Mengen von Kasein und geringe Mengen von Fett im Blut, und geht die Kaseinresorption viel schneller vor sich als die Resorption der Fetttröpfehen. Gewöhnlich tritt nach einer Stunde das Maximum ein, und zeigt die Resorption in diesem Stadium ein ganz prachtvolles Blutbild (Fig. 4); es hat den Anschein, als ob in der Milch rote Blut- körperchen schwimmen würden, die ganz dunkel zwischen den mit kolossalen Mengen Kaseinteilchen und reichlichen Mengen Fett- tröpfehen gefüllten, ganz weiss veränderten Plasmaräumen aussehen, während das entnommene Blut selbst Schokoladefarbe zeigt. Die resorbierten Fetttröpfehen verschwinden viel rascher aus dem Blute als die Kaseinteilchen, und scheint zum gänzlichen Ver- schwinden der Kaseinteilchen eine Zeit von mehr als 48 Stunden nötig zu sein. Auch ist bemerkenswert, dass sich bei Fröschen die aufgesaugten Fetttröpfehen meist zu Klumpen ballen, die durch Leukoeyten umfasst werden, während bei den Mäusen die Fetttröpfchen immer einzeln, ohne sich zusammenzuballen, vorkommen. II. Resorption von Lezithin aus der Bauchhöhle. Um die Resorption aus der Bauchhöhle auch an reinen Fett- emulsionen beobachten zu können, habe ich Versuche mit Lezithin unternommen und wollte gleichzeitig feststellen, ob diese Substanz 322 Komajiro Nakashima: u unter allen Fettarten am leichtesten resorbiert wird oder nicht. Nachdem ich eine bestimmte Menge von chemisch reinem Lezithin abgewosen hatte, zerrieb ich es unter Zusatz von sterilisiertem, destilliertem, erwärmtem Wasser und brachte es so zur Suspension. Nunmehr injizierte ich eine bestimmte Menge dieser Suspensions- masse (Temperatur 35° C.) mittels einer Pravaz’schen Spritze vorsichtig und langsam durch einen kleinen Hautschnitt in die Bauchhöhle der Mäuse, ohne dabei die Blutgefässe in der Peritoneal- höhle und die Gedärme zu verletzen. Hatte ich auf diese Weise die Suspensionsmasse in die Bauchhöhle gebracht, fasste ich die Injektionsstelle mit einer kleinen Venenklemme, wie oben ausgeführt, um ein Ausfliessen der in die Bauchhöhle gebrachten Flüssiekeit zu verhindern. Nach den Injektionen mit Lezithin zeieten die Tiere keine Schwäche; sie konnten vielmehr in den meisten Fällen noch ziemlich gut herumgehen und lebten sogar noch einige Tage ohne Nahrung. Die nach Lezithininjektionen resultierenden Blutbilder von Mäusen (Fig. 5) sind sehr charakteristisch. Es lassen sich in den dunklen Plasmaräumen Lezithinteilchen als ganz gleichgrosse, etwas glänzende, feine, dünne, rundliche Scheiben erkennen, die sich auch in Molekular- bewegung befinden. Die Anzahl der Teilchen ist der Konzentration und der Menge der injizierten Suspension proportinal. Um die neu auftretenden Lezithinteilchen in den Plasmaräumen leicht wahr- nehmen zu können, blieben alle Tiere vor dem Versuch einen Tag ohne Nahrung. Fast gleich nach vorgenommener Lezithininjektion verdickt sich in allen Fällen das Blut allmählich. Versuch 1. Kleine Maus, vor dem Versuche 1 Hungertag. Zeit Bemerkungen Lezithinteilchen im Blut 9h 00’ vorm. Blutuntersuchung | keine I0R7002. 0% 1,5 ccm 5%oiger Lezithinsuspen- sion intraperitoneal injiziert 10h 20’ ” ” 101 40° } 112700428; sehr wenig 11h 20” ” 2 .” HRSA ES wenig 122 00° , : 12h 20’ nachm. „ 12h 40' ” ” LE Maus munter 5 200. do. “ eh ee ee ee ee Untersuchungen über die Resorption des Fettes aus der Bauchhöhle etc. 323 Versuch 2. Mittelgrosse Maus, vor dem Versuche 1 Hungertag. Zeit Bemerkungen Lezithinteilchen im Blut 10h 00’ vorm. Blutuntersuchung | keine 10R7L5. >, 1 cem 10 %oiger Lezithinsuspension intraperitoneal injiziert 10h 3 „ ” 1127007 =, in mässiger Menge 11h 30 Pr) 3 H ” ” o) 11E45' „ Von der gleichen Suspension noch 1 ccm intraperitoneal injiziert 120,00: 5 reichlich 12h 20’ nachm. » ET massenhaft h730’ >, Maus munter > Versuch 3. Kleine Maus, vor dem Versuche 1 Hungertag. 9h 50’ vorm. Blutuntersuchung keine 0200/77, 1 ccm 10 %/oiger Lezithinsuspension intraperitoneal injiziert 1020”. „ f 5 AORSANN. .. „ wenig 111 00° 5 : 18 h 20” ” 2” ERz40 reichlich 12702002 ° °, Maus munter Y 12h 20’ bis 65 00’ nachm. alle 20 Minuten untersucht . Versuch 4. Kleine Maus, vor dern Versuche 1 Hungertag. 9h 00’ vorm. Blutuntersuchung keine 320! , 1 ccm 20 /oiger Lezithinsuspension intraperitoneal injiziert Sn UN » ” 108300. „ 5 10NE20L wenig 104 40’ » » RN 5 11h 20’ reichlich ” 11h 40’ bis 15 40’ nachn. on 2007. wenig U, Maus munter R Versuch 5. Mittelgrosse Maus, vor dem Versuche 1 Hungertag. &h 30’ vorm. Blutuntersuchung keine 10.527007, 1 cem 20 %oiger Lezithinsuspension intraperitoneal injiziert 10h 20’ 5. 104 40) i wenig 20, ; 11h 40’ reichlich 12h 00’ bis 3h 40’ pachn. Maus schwach = 3 24 Komajiro Nakashima: Versuch 6. Mittelgrosse Maus, vor dem Versuche 1 Hungertag. Zeit Bemerkungen Dein Ben 10h 00’ vorm. Blutuntersuchung keine 10h 407 „ 1,5 ccm 20 /oiger Lezithinsuspension intraperitoneal injiziert 111 00° , 4 11h 207 ” ” Ilm‘ sehr wenig 12» 0 wenig 12h 30’ nachm. in mässiger Menge 20022008 reichlich 1h 30’ bis 6h 00” nachm. Maus picht geschwächt 5 Versuch 7. Mittelgrosse Maus, vor dem Versuche 1 Hungertag. (Während des Versuches keine Nahrung.) 4, August 9h 30’ vorm. Blutuntersuchung keine Irma 2 ccm 10%oiger Lezithinsuspension intraperitoneal injiziert INS Er Spur oa 30% sehr wenig IOHESUEE: wenig RZS0E, in mässiger Menge 12h 00’ ” ” ” ”» 12h 30’ nachm. 5 3 a 200 reichlich Ih 30’ ” ” 20 „ » NS » 3—7h 00’ nachn. 5 5. August &h 30’ vorm. in mässiger Menge 1a UL Maus munter 5 5 ® 5b 00’ nachm. wenig 6. August &h 30’ vorm. Maus sehr geschwächt 5 7. August 4h 30’ nachm. > 8. August 9h 00’ vorm. gestorben sehr wenig Sektion: In der Bauchhöhle ein wenig Lezithin vorhanden. Versuch 8. Mittelgrosse Maus, vor dem Versuche 1 Hungertag. (Während des Versuches keine Nahrung.) 4. August | 105 00’ vorm. Blutuntersuchung keine LOHED or 2 ccm 10°/oiger Lezithinsuspension intraperitoneal injiziert | 10h 45’ „ Spur Ina sehr wenig ln 257 wenig 11h 45’ , 5 a) in mässiger Menge 12h 30’ nachm. 5 5 e Ih 00° ” ” 2 n ” 1b 30’ reichlich 2— Th 00’ nachm. | Maus munter > Untersuchungen über die Resorption des Fettes aus der Bauchhöhle etc. 325 : Lezithinteilchen Zeit Bemerkungen et 9. August 9h 30’ vorm. in mässiger Menge 122007 7, Maus noch munter wenig 5b 00’ nachm. = 6. August 9h 00’ vorm. Maus sehr geschwächt sehr wenig 7. August &h 00’ vorm. Maus gestorben = 5 Sektion: In der Bauchhöble eine Spur Lezithin vorhanden Versuch 9. Mittelgrosse Maus, vor dem Versuche 1 Hungertag. (Während des Versuches keine Nahrung.) 5. August 9h 30’ vorm. Blutuntersuchung keine 102007, 2 cem 10°%oiger Lezithinemulsion intraperitoneal injiziert 1052207, Spur 10b 40’ „ wenig In >, ; umso, : 12.5200", in mässiger Menge 12h 30’ nachm. r 3 5 en 00° » ” ” » u 30° » ” ” ” 2h 00 .” ) D) 0) 2h 30’ bis 4h 30’ nachn. reichlich 5h 00’ nachm. Maus munter wenig 5b 30’ bis 7h 00’ nachm. 5 6. August 9h 30’ vorm. Maus munter ss 125 00 » D) oh 00’ nachm. 5 7. August &8h 30’ vorm. Maus munter 5 8. August 9h 30’ vorm. Maus schwach x 9. August 9h 00’ vorm. Maus sehr geschwächt sehr wenig 10. August 7h 00’ vorm. Maus gestorben Spur Aus den oben angeführten Versuchen lässt sich der Schluss ziehen, dass die Resorption, obwohl sie gleich nach der Injektion der Lezithinsuspension beginnt, ziemlich langsam vor sich geht; die Lezithinteilchen lassen sich in dem zirkulierenden Blute noch 6 Tage nach Injektion von 2 cem einer 10°/oigen Lezithinemulsion nach- weisen. 326 Komajıro Nakashima: III. Die Resorption des Fettes (Lezithin) aus der Pleurahöhle. Im Anschlusse an obige Versuche und zum Vergleiche mit diesen habe ich auch den Resorptionsverlauf des Fettes, Kaseins und Lezi- thins in der Pleurahöhle experimentell untersucht. Es ist eine wohl- bekannte Tatsache, dass die Resorption von Flüssigkeiten in der Brusthöhle durch das Lymphgefässsystem vor sich gehen kann, welches mit der Bauchhöhle in freier Kommunikation steht. Dybkowsky und Fleiner!) haben schon die Aufsaugung korpuskulärer Substanzen studiert und sich dahin geäussert, dass die Resorption derartiger Stoffe im wesentlichen durch die Pleura costalis und die mediastinalen Lymphwege geschehe, wobei die Lunge die Resorption nur durch die mechanische respiratorische Bewegung zu unterstüzen pflegt. Fleiner geht in seiner Erklärung noch weiter, indem er behauptet, dass die Resorption hochgradig gestört werde, wenn die Lunge bei künstlichem Pneumothorax eine Zusammenziehung erleidet. Grober?), der die resorbierende Kraft der Pleura gegenüber Bakterien experimentall erforscht hatte, nahm an, dass die gesunde Pleura Fremdkörper und Flüssigkeiten auffallender- weise resorbiere, wobei die Resorption hauptsächlich durch Diffusion und Osmose bewirkt und auch durch die Atembewegungen unter- stützt werde, die eine Pumpwirkung auf die interkostalen Lymph- gefässe und einen Druck der Lunge gegen die Thoraxwand aus- zuüben vermögen. Koch und Bucky°) halten nach ihren mit Jodvasogen und Wismutaufschwemmungen vorgenommenen Röntgenuntersuchungen nur das vordere Mediastinum und die Pleura intercostalis für Resorptions- stellen, ohne aber die Lunge mit einzubeziehen. In neuerer Zeit hat Naegeli*) Untersuchungen mit isotonischer Kochsalzjodkalilösung angestellt, um herauszufinden, ob sich die 1) Fleiner, Resorption korpuskulärer Elemente durch Lunge und Pleura. Virchow’s Arch. Bd. 112 S. 97 und 232. 2) Grober, Die Resorptionskraft der Pleura. Ziegler’s Beitr. Bd. 30 S. 267. 1901. 3) Koch und Bucky, Über die Darstellung der Resorption der serösen Höhlen, insbesondere der Pleurahöhle, mittels Röntgenstrahlen. Fortschritte aus dem Gebiete der Röntgenstrahlen Bd. 19 Heft 2. 4) Th. Naegeli, Über die Resorption von Flüssigkeiten aus der Pleura- höhle. Zeitschr. f. d. ges. exper. Med. Bd. 1 S. 165. 1913. Untersuchungen über die Resorption des Fettes aus der Bauchhöhle etc. 327 Lunge selbst an der Resorption von Flüssigkeiten beteilige oder ob diese nur durch die Respirationsbewegung gefördert werde. Auf Grund seiner Versuche kommt er zu dem Schlusse, dass die Re- sorptiot durch die Pleura parietalis und die Lunge hervorgerufen werden könne und dass letztere nieht nur durch ihre mechanische Bewegung die Aufsaugung von Flüssigkeiten erleichtere, sondern selbst eine grosse Rolle bei der Resorption spiele, was besonders für die der Blutwege zu betonen ist. Meine Versuche sollen nur den Zweck haben, festzustellen, ob die Resorption von Fett, Lezithin und Kasein in der Pleurahöhle so eklatant wie in der Bauchhöhle stattfinden könne oder ob die Re- sorption in der Pleura, wie Naegeli bei Benutzung von wässerigen Lösungen gefunden hat, geringer ist. In einer Versuchsreihe habe ich Mäusen in die rechte Pleurahöhle Lezithinsuspension, in einer anderen Versuchsreihe Kaninchen Milch injiziert und den Grad des Auftretens der korpuskulären Elemente der Milch im Blute mit den bei Injektion in die Bauchhöhle gewonnenen verglichen. Versuch 1. (Kontrollversuch.) Maus, vor dem Versuche 1 Hungertag. Lezithinteilchen Zeit | Bemerkungen int: 9h 00’ vorm. Blutuntersuchung keine an; 0,5 ccm 10°/oiger Lezithinsuspension le (35° C.) intraperitoneal injiziert 4 weni 10% 05’ , = 1 Fa in mässiger Menge 10E 45' , 11h 05’ Dos. , a - 11h 45’ reichlich 12h 05’ nachm. 12h 25’ 12h 45’ „ ET I Tun ; 2h 05’ 995 2) 2h4' „ wenig er DD; „ „ Ir en 2 Maus munter 5’ 4h 25’ ” ” ” = Sektion: In der Bauchhöhle bieibt gar keine Lezithinsuspension Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd. 158. 22 328 Komajiro Nakashima: Versuch 2. Maus, vor dem Versuche 1 Hungertag. Zeit Bemerkungen Teil ln 9b 00’ vorm. Blutuntersuchung keine Shn20l zer 0,5 ccm 10%oiger Lezithinsuspension (35° C.) intrapleural injiziert 940’ „ Starke Dyspnöe e 108 005 » 10h 20” ” ” OmU, » 11. MI Spur In a » PIRAOT EN 2) 12200425, » 12h 20’ nachm. 5 BR » 00, „ n2020 7, » A, sehr wenig 2 Ur, von 220° „ Don ah 40° ” ” ” 3 00 » » ” SE a0 Spur 3h 40 ” ” 008 ” „ 4h 20’ , Maus sehr geschwächt 1 4h 30’. „ Sektion: In der Pleurahöhle befinden sich grosse Mengen der injizierten Suspension Versuch 3. Maus, vor dem Versuche 1 Hungertag. 9h 10’ vorm. Blutuntersuchung keine Os 29 5 0,5 ccm 10°/oiger Lezithinsuspension (35° C.) intrapleural injiziert IRAS Das Tier stark dyspnöisch 5 5 Spur ” ” ” x U sehr wenig ” sehr wenig "Spur" Das Tier sehr geschwächt » Sektion: In der Pleurahöhle Reste u der Suspension vorhanden Untersuchungen über die Resorption des Fettes aus der Bauchhöhle etc. 329 Versuch 4. Maus, vor dem Versuch 1 Hungertag. Zeit 30’ 40' 00’ 20’ 40’ 00’ 20' 40' 00’ 20’ 40’ 00’ 00’ 00’ 00’ 00’ 00’ 10’ 30’ 50’ 10’ 30’ 50’ 10’ 30’ 50’ 10) 30’ 50’ 10’ 30’ 50' 10’ 00’ 00’ 20' 40' 00’ 20' 40' 00’ 20" 40’ 00’ 20’ 40' 00’ 20° 40' 00’ vorm. 2 ” nachm. : Fetttröpfchen Bemerkungen ah Blutuntersuchung keine 0,6 ccm Milch (35° C.) in die rechte Pleurahöhle injiziert Das Tier stark dyspnöisch 5 2 » ” ” ” Spur „ b3] keine Das Tier stark geschwächt Versuch 5. Kaninchen, 1200 g. Blutuntersuchung keine 40 ccm Milch (35° C.) in die rechte Pleurahöhle injiziert Das Tier stark dyspniösch n Sektion: In der Pleurahöhle noch der grösste Teil der injizierten Milch vorhanden Versuch 6. Kaninchen, 1400 g. Blutuntersuchung keine 50 cem Milch (35° C.) in die rechte Pleurahöhle injiziert Das Tier sehr stark dyspn. + Spur Kaseinteilchen im Blut keine ” 2 sehr wenig ” ” ” ” Spur keine Spur sehr wenig keine Spur sehr wenig » DM) wenig » R sehr wenig ” ” 2 B>] ” ” Spur keine ” 330 Komajiro Nakashima: Aus den vorstehenden Versuchen resultiert, dass die Resorption aus der Pleurahöhle bedeutend geringer ist als aus der Bauchhöhle. Das Auftreten von Fetttröpfehen, Kasein- und Lezithinteilchen er- folgt sehr spät, und lassen sich diese Substanzen nur einige Stunden im zirkulierenden Blute nachweisen. IV. Resorption einer Gummigutlösung aus der Bauchhöhle. Seit den Untersuchungen v. Recklinghausen’s!) über die Resorption von Fremdkörpern in der Bauchhöhle wurden viele Fx- perimente auf diesem Gebiete ausgeführt [Auspitz?), Maffucei?), Beck*), Muscatello?°), Sulzer‘), Mac Callum’?), Herzen?)]; doch waren dieselben meist nur auf das Lymphsystem beschränkt. Um den Resorptionsverlauf noch weiter in der Blutbahn, und zwar direkt im zirkulierenden Blute, verfolgen zu können, habe ich die nachfolgenden Versuche gemacht. Hierzu habe ich im wesentlichen eine verdünnte, wässerige Gummigutlösung verwendet, die ich in die Bauchhöhle von Fröschen und Mäusen brachte und auch in diesem Falle das Blut mit Hilfe des Dunkelfeldes untersuchte. Nach dem bisherigen Stand der Re- sorptionstheorie der verschiedenen korpuskulären Elemente in den serösen Höhlen ist die Frage noch nicht entschieden, ob diese Resorption hauptsächlich durch die Lymphbahn erfolgt oder ob sie durch Ver- mittlung der Leukoeyten vor sich geht. Ich habe folgende Versuchsreihen angestellt: 1. Injektion einer Gummigutlösung mit dem gleichen Quantum Milch vermengt in die Peritonealhöhle von Fröschen. 2. Injektion einer reinen Gummigutlösung in die Peritonealhöhle von Fröschen. 3. Injektion einer reinen Gummigutlösung in die Peritonealhöhle von Mäusen. 1) v. Recklinghausen, |. c. 2) Auspitz,. c. 8) Maffucei,l. c. 4) Beck, ]. c. 5) Muscatello, 1. c. S6)ESulZern le: 7) MacCallum, |. c. 8) Herzen, Zur Frage der Resorption der Nierengewebeemulsion aus der Bauchhöhle. Zeitschr. f. exper. Path. u. Therapie Bd. 9. 1911. Untersuchungen über die Resorption des Fettes aus der Bauchhöhle etc. sol Zur Injektion verwendete ich 0,5—1/oige wässerige Gummigut- lösungen, die mit sterilisiertem, destilliertem Wasser hergestellt worden waren. Untersucht man diese Lösung im Dunkelfeld, so sind überall ganz kleine, rundliche, mit einem zarten Hof umgebene Teilchen, deren Zentrum ganz milchigweiss aussieht, in molekulärer Bewegung zu beobachten. Diese eigentümlichen, formbeständigen Teilchen kann man bei einiger Ubung auch unschwer im Blute von injizierten Tieren antreffen. Versuch 1. Rana esculenta, Weibchen, 29 g. Zeit 19. April 11h 30’ vorm. 11h 45’ e}] 12 05’nachm. ia 257 12h 45’ 15h 05’ Ih 25’ ih 45’ ar 15” 2h 45’ Sl ah 45’ bla 15 Sa“ 20. April 9h 30’ vorm. 19. April | 11h 30’ vorm. 11h 50’ p)] 12h 10’nachm 12h 30’ 12h 50’ RZ ih 30’ ih 50’ 2h 10’ «25 40" 3h 10’ 3h 40’ 4h 10’ 5h 10’ 20. April 9h 30’ vorm. Bemerkungen Blutuntersuchung 1,0 cem Milch-Gummigut- Mischung intraperitoneal injiziert Sektion: In der Bauchhöhle keine Spur der Lösung 5) Versuch Blutuntersuchung 2 cem Milch-Gummigut- Mischung intraperitoneal injiziert Sektion: In der Bauchhöhle keine Spur der injizierten Flüssigkeit Gummigut- teilchen keine wenig in mäss. Menge reichlich P}] ” er} ” ” 5) » 2 pr?) Spur keine wenig in mäss. Menge reichlich 2 ) ” ) P} ” massenhaft P}] ” wenig | Fetttröpfehen keine sehr wenig wenig! sehr wenig Rana esculenta, Weibchen, 41 g. keine sehr wenig wenig ” | in mäss. Menge ” >} ” | ” ” ” wenig | ” P)] sehr wenig Kasein- teilchen keine | reichlich ı massenhaft keine massenhaft 392 Komajiro Nakashima: Versuch 3. Rana esculenta, Weibchen, 65 g. } Gummigut- Se Kasein- Zeit Bemerkungen leihen Fetttröpfchen en 19. April ; 11h 35’ vorm. Blutuntersuchung keine keine keine 11h 50’ 3 cem Milch-Gummigut- Mischung intraperitoneal injiziert 12h 10’nachm. reichlich wenig massenhaft 12h 30 ” ” ” „ iat 07 , 5 : : Ih 10 ” ” ” ” gen 30 ” ” “ ” ” 1550.27, massenhaft | in mäss. Menge m ah 10° ” ” ” ” ” ” 2 40° ” „ ” ” ” » sh 10° » » ER? ” ” 3h 40 ” ” N) ” ” ” 20 10) » dene DE? 7 ” SU reichlich wenig n 20. April 9h 00’ vorm. | Sektion: In der Bauchhöhle | in mäss. Menge | sehr wenig 5 keine Spur der Mischung Versuch 4. Rana esculenta, Weibchen, 73 8. 5 3 Gummigutteilchen Zeit Bemerkungen nn 7h 30’ vorm. Blutuntersuchung wenig Shen zer 3 ccm Gummigutlösung (0,5 °/o) intra- peritoneal injiziert She20l 5 in mässiger Menge en 40’ , reichlich 300° „ » AN. ) 9n 40 ” ; OR » 10h 20’ op ” IOZAQ U} Meist an Teilchen in mässiger Menge 11h 00’ 0. 5 Ilns0r do. an, ar do. & Be 12h 30’ nachm. do. wenig In2000 25 do. 5 a } do. ? 2 N EN MU or, Sektion: In der Bauchhöhle keine Spur Spur von Gummigut Versuch 5. Rana esculenta, Weibchen, 56 g. 7h 30’ vorm. Blutuntersuchung keine Salon 2 ccm Gummigutlösung (0,5°/o) intra- peritoneal injiziert Sun o in mässiger Menge Shadsu reichlich 9105, 5 ” Untersuchungen über die Resorption des Fettes aus der Bauchhöhle etc. 335 Zeit Bemerkungen Gummigutteilchen im Blut 9h 45’ vorm. reichlich 19:05, in mässiger Menge 10h 25’ » ” ” » 10h 45 $)] ” ” ” RD. wenig 11h 30, » 1200 „ „ 12h 30’ nachm. Das Tier gestorben Versuch 6. Maus, vor dem Versuche 1 Hungertag. 8h 00’ vorm. Blutuntersuchung keine Sur. 1,5 cem Gummigutlösung (0,5 °%/0) in- traperitoneal injiziert Sme90. N, Spur. gh 30° „ sehr wenig I Sr ” Spur” 1282002, , Das Tier gestorben Sektion: Die injizierte Flüssigkeit vollständig resorbiert ” Versuch 7. Maus, vor dem Versuche 1 Hungertag. 9h 00’ vorm. Blutuntersuchung keine 1,5 ccm Gummigutlösung (1°/o) intra- peritoneal injiziert N ale sehr wenig b}] E50, 12h 10’ nachm. Das Tier gestorben Überblickt man obige Versuche, so ergibt sich, dass die Re- sorption der Gummigutlösung in der Bauchhöhle gegen Erwarten ziemlich prägnant vor sich geht und dass dieselbe, insbesondere wenn die Gummigutlösung mit Milch gemischt injiziert wurde, bei Fröschen viel günstiger ausfiel als bei Mäusen. Bei beiden Tierarten war schon nach 20 Minuten das erste Auftreten von Gummigutteilchen im zirkulierenden, peripheren Blute zu konstatieren, und erreichte die Anzahl der Gummigutteilchen bei Fröschen nach 40 Minuten, bei Mäusen bedeutend später ihr Maximum. Wesen Zugrundegehens der Tiere konnten bei den Mäusen die Be- 394 Komajiro Nakashima: obachtungen nicht zu Ende geführt werden, und verhindert wahr- scheinlich eine bei diesen Tieren auftretende Peritonealreizung die Resorption der Gummigutlösung; tatsächlich kamen die Tiere nach der Injektion stark herunter und starben insgesamt nach einigen Stunden. Ganz eigentümlich ist beim Frosch das Blutbild im Dunkelfeld nach der Injektion einer Gummigutlösung (Fig. 6). Die Gummigut- teilchen befinden sich in den dunklen Plasmaräumen in molekulärer Bewegung, ohne jedoch von Leukocyten umfasst zu sein. V. Die Resorption von Fett und Kasein aus der Bauchhöhle nach chemischer Reizung des Peritoneums. Die Frage nach dem Einflusse der durch verschiedene Reize verursachten Bauchfellentzündungen auf die Resorption gelöster Stoffe beschäftigte seit langem viele Autoren; doch ist dieselbe trotz zahl- reicher Versuche bis jetzt zu keiner befriedigenden Lösung gelangt. Mit der Resorption ungelöster Stoffe hat man sich nur wenig be- schäftigt. Nach den Experimenten von Pawlowsky!), der Krotonöl als chemisches Reizmittel für das Peritoneum benutzte, kann die grosse Fibrinmenge, welche bei der hämorrhasischen Bauchfellentzündung der injizierten Tiere ausgeschieden wird, die Resorption der gleich- zeitig an denselben Tieren intraperitoneal eingebrachten Bakterien verhindern. Ebenso stellte Cohnheim) fest, dass das Resorptions- vermögen der Serosa durch Injektion von in Zucker gelöstem und intraperitoneal injiziertem Fluornatrium hochgradig gehemmt werden kann. Auch Schnitzler und Ewald°) konnten konstatieren, dass eine durch Bakterientoxine und Proteine verursachte Peritonitis die Resorption der wasserlöslichen Stoffe verzögere, und nahmen diese Autoren als Ursache dieser Verzögerung die Exsudatauflagerung pseudomembranöser Adhäsionen und herabgesetzte Peristaltik an; auch fanden sie, dass die Resorption in der Bauchhöhle durch den 1) A. D. Pawlowsky, Beiträge zur Ätiologie und Entstehungswesen der akuten Peritonitis. Zentralbl. f. Chir. Nr. 48 S. 881. 1887. 2) Cohnheim,l. c. 3) Schnitzler und Ewald,|. c. Untersuchungen über die Resorption des Fettes aus der Bauchhöhle etc. 335 mechanischen Reiz von sterilem Streusand geschädigt werden konnte. Dagegen zeigten Clairmont und Haberer!), die 2 °/oige Jodkali- lösung zu ihren Versuchen verwendeten und das Auftreten und Ver- schwinden dieser Suspension im Harne qualitativ untersuchten, dass sterilisierte, differente Flüssigkeiten, wie Harn, Darminhalt, und toxisch wirkende chemische Mittel, wie Krotonöl, wenn dieselben intraperitoneal injiziert worden waren, nicht nur auf die Resorption nicht hemmend wirken, sondern selbst im Beginne der Peritonitis die Resorption beschleunigen und nur im Endstadium dieser Er- krankung die Aufsaugung verlangsamen. Um diese Streitfrage weiter zu klären, hatte Glimm?) noch eingehendere Experimente unternommen. Er injizierte Hunden und Kaninchen 40—60 ccm einer 4,8—5,2°/oigen Milchzuckerlösung in die Bauchhöhle, nachdem er die Tiere 1—2 Stunden vorher mit 3 cem alter Bouillonkultur von Bacterium coli behandelt hatte. Als Ergebnis seiner Unter- suchungen fand er, dass bei der bakteriellen Peritonitis die Resorption der Zuckerlösung beschleunigt, aber niemals verlangsamt werde. Nach seiner Angabe ist es möglich, nicht nur wasserlösliche, sondern auch wasserunlösliche. Substanzen nach bakterieller Infektion der Bauchhöhle zur beschleunigten Resorption zu bringen. Ein anderes Resultat eibt Freytag?) an, der seine Versuche mit Milch- zucker und Jodkalilösung ausführte und als Reizmittel Physostigmin, Terpentinöl und Adrenalin verwendete. Nach ihm verursacht eine leichte Peritonitis eine Steigerung der Resorption, schwere dagegen eine Hemmung. Da die bisherigen Versuche in bezug auf die Resorption wasser- löslicher Substanzen rein chemisch gemacht worden waren, hatte man die Beeinträchtigung der Nierenfunktion gar nicht berücksichtigt, welche doch sicherlich die Ausscheidung zu beeinflussen imstande ist. Diese Frage in bezug auf die wasserlöslichen Stoffe möchte ich hier auch weiter gar nicht berühren, sondern meine Beobachtungen über den Einfluss chemischer Reizmittel, wie Terpentin, auf die Resorption von Fett und Kasein mitteilen. 1) Clairmont und Haberer,l. ce. 2) Glimm, Über Bauchfellresorption und ihre Beeinflussung bei Peritonitis. Deutsche Zeitschr. f. Chir. Bd. 83 S. 254. 1906. 3) Freytag, Über peritoneale Resorption. Zentralbl. f. Physiol. Nr. 19. 1906. 336 Komajiro Nakashima: Versuch 1. Rana esculenta, Weibchen, 60 g. | ; Fetttröpfchen Kaseinteilchen Zeit Bemerkungen a Diet Ina 16. April | | 4h 30’ nachm. | 0,3 ccm Terpentingeist intra- peritoneal injiziert 17. April 9h 10’ vorm. | Blutuntersuchung (das Tier keine keine sehr geschwächt) OEIDENR ,, 2 ccm Milch intraperitoneal injiziert ag Das Tier sehr krank wenig reichlich has Sa do. 5 massenhaft I0hSlag> do. 5 in kolossaler Menge 10h 35 ” do. Altern ” ” ” 10h 5’ „ do. reichlich Rt h ” 11h 15’ bis 2h 05’nachm. do. H 5 “ 5 Versuch 2. Rana esculenta, Weibchen, 50 g. 9h 15’ vorm. [0,5 ccm Terpentingeist intra- peritoneal injiziert RN, Blutuntersuchung keine keine N, 3 ccm Milch intraperitoneal injiziert OR SD Das Tier sehr geschwächt wenig reichlich 10215223 5 massenhaft 10h 35’ ,„ in mässiger Menge | in kolossaler Menge 10h 55’ en) ” ” ” ” ” ” 11h 15’ bis 2h 05’nachm. ” ” ” ” ” ” Versuch 3. Normale Maus. 9h 00’ vorm. Blutuntersuchung keine keine Y9h 40’ , 0,2 ccm Terpentingeist intra- peritoneal injiziert Ih As En, Blutuntersuchung 5 fr VEN; 1,5 cem Milch (35° C.) intra- peritoneal injiziert 10 20’ ” ” ” 10h 40’ ” ” ” - 11h 00’ bis 3h 00’nachm. x . Versuch 4. Normale Maus. 10b 00’ vorm. Blutuntersuchung keine keine 10510277, 0,15ccm Terpentingeist intra- peritoneal injiziert 10h 45’ „ 1,5 cem Sahne intraperitoneal injiziert 11h 00’ ” ” ” 11h 20° ” „ » 11h 40’ bis 6h 00’nachm. Das Tier sehr krank Untersuchungen über die Resorption des Fettes aus der Bauchhöhle etc. 337 Versuch 5. Normale Maus. Fetttröpfehen | Kaseinteilchen Zeit | Bemerkungen a meBine 8b 30’ vorm. Blutuntersuchung (wenig keine keine Fetteilchen) N)... 0,1 ccm Terpentingeist intra- peritoneal injiziert 2210, 1,5 ccm Sahne intraperitoreal injiziert a 307 ” ” }) 9h 50’ bis 4h 00’ nachm. | | E R Wie die obigen Protokolle zeigen, wird die Resorption des Fettes und Kaseins in der Bauchhöhle von Mäusen nach Terpentininjektionen vollständig aufgehoben. Bei Fröschen jedoch geht die Resorption des Fettes und Kaseins nach Terpentininjektion in normaler Weise vor sich, vermutlich weil die Frösche auf den starken chemischen Reiz weniger reagieren. Aus dem früher Gesagten lässt sich der Schluss ziehen, dass die an Säugetieren durch chemische Reize hervorgerufene Peritonitis die Resorption wasserunlöslicher Substanzen, seien sie geformte oder kolloidale, vollständig verhindert. VI. Einfluss des Adrenalins auf die Resorption von Fett und Kasein der Milch in der Bauchhöhle. Aus theoretischem Interesse habe ich einige Experimente mit Adrenalin unternommen, um den Einfluss zu studieren, den eine in die Bauchhöhle eingebrachte Adrenalinlösung auf die Resorption wasserunlöslicher (Fetttröpfehen) und kolloidaler Stoffe (Kasein) ausübt. Exner!) hat eine bedeutende Verzögerung in der Resorption verschiedener Gifte, wie Strychnin, Physostigmin, Cyankalium und indigoschwefelsaures Natron, die er in die Bauchhöhle von Kaninchen und Meerschweinchen einspritzte, durch Adrenalin nachgewiesen. Dieser Autor hat weitere Versuche mit Paraffinemulsion an mit Adrenalin vorbehandelten Kaninchen angestellt. Diese Experimente führten zu dem Resultate, dass die mit Adrenalin vorbehandelten Tiere eine bedeutend geringere Fettmenge im Blute aufwiesen als normale 1) A. Exner, Über die durch intraperitoneale Adrenalininjektion veränderte Resorptionsfähigkeit des tierischen Peritoneums. Zeitschr. f. Heilk. H. 24. 1903. 333 Komajiro Nakashima: Tiere. Dieselben Versuche wurden auch mit einer 24 Stunden alten Kultur von Proteus vulgaris, aufgeschwemmt in physiologischer Koch- salzlösung, vorgenommen und ergaben eine Resorptionshemmung der intraperitoneal injizierten Bakterien im Blut. Um diese Frage in gesetzmässige Bahnen zu leiten, injizierte ich mit Adrenalin vorbehandelten Mäusen Milch intraperitoneal. Es zeigte sich, dass schon eine sehr verdünnte Adrenalinlösung die Re- sorption von Kasein und Fett der Milch stört. Da mir aber diese Resultate nicht einwandfrei erschienen, weil bei’ der geringen Blut- menge so kleiner Tiere ein selbst kleines Flüssigkeitsquantum, das aus der Bauchhöhle der Tiere ins Blut aufgenommen wird, infolge der übermässigen Blutverdünnung schon allein genügen könnte, ein geringes Auftreten derartiger Stoffe im Blute zur Folge zu haben, habe ich dieselben Experimente nochmals, aber mit Sahne wiederholt. Von Wichtiekeit war die Entscheidung der Frage, ob das Adrenalin nur durch den auf das Peritoneum ausgeübten Reiz oder durch seine spezifische Wirkung hemmend wirke. Zu diesem Zwecke wählte ich für meine Versuche nicht nur Mäuse, sondern auch Frösche, die gegen allgemein chemische Reize nicht so stark reagieren. Ich begann meine Experimente mit verdünnter wässeriger Adrenalinlösung, deren Konzentration ich sukzessive, bis sich eine Wirkung zeigte, steigerte, wobei ich natürlich darauf achtete, dass die Tiere nicht durch zu starke Konzentration an Vergiftung zu- srunde gingen. Kurze Zeit nachdem sich die Adrenalinwirkung eingestellt hatte, injizierte ich den Mäusen Sahne und den Fröschen Milch und be- obachtete in bestimmten Intervallen das Auftreten von Kaseinteilchen und Fetttröpfehen im Blut bei Dunkelfeldbeleuchtung. Versuch 1. Normale Maus. a : Fetttröpfchen Kaseinteilchen Zeit Bemerkungen im Blut im Blut 14. August 9h 20’ vorm. |1 ccm 1: 100000 Adrenalin- lösung intraperitoneal in- Jiziert IET902 1,5 ccm Sahne intraperitoneal injiziert YRSnlL.an, Blutuntersuchung Spur Spur 10h 10’ pp) D7] » 10h 30° „ : wenig Untersuchungen über die Resorption des Fettes aus der Bauchhöhle ete. 339 Zeit 105 50’ vorm. 15. August” 8h 30’ nachm. 16. Juli 9h 30’ vorm. 9 40’ „ 10007, E20 >, 10h 40’ BER 00”, 120: €, ze 128700° „ 12h 30’ nachm. IS ie 3020, 28 00’ ’ „ 2uE30L. 2 4h 00° „ San, 302, ,; 622007 x, 17. Juli &h 30’ vorm. 10h 00’ vorm. HOR107 10h 90° 10h 45° ) 11n 00° ., ir 307 *, Bemerkungen Fetttröpfchen im Blut | Spur 2” ” sehr wenig b ” Spur 2 Versuch 2. 1 ccm 1:100000 Adrenalin- lösung intraperitoneal inji- ziert 1,5 cem Sahne intraperi- toneal injiziert keine ” Spur „ ” ” sehr wenig ” ” Spur P}] keine Versuch 3. 1 cem 1:10000 Adrenalin- lösung intraperitoneal inji- ziert 1 ccm Milch intraperitoneal injiziert Maus, vor dem Versuche 1 Hungertag. Kaseinteilchen im Blut wenig ” ” in mässiger Menge 2” ” ” e)] ” ” R >) reichlich keine ” Spur ” ” sehr wenig Maus, vor dem Versuche 1 Hungertag. 340 Komajiro Nakashima: : 2 Fetttröpfchen Kaseinteilchen Zeit Bemerkungen im Blut im Blut 12h 00’ vorm. keine keine 12h 30’nachm. n » In2002 2, Spur Spur En a, 2 e] ” 2h 30’ 5 keine keine 3h 00” ” er} 2 3h 30" ” ” ” | Versuch 4. Rana esculenta, Weibchen, 35 g. 2h 00’ nachm. Blutuntersuchung | keine keine 28 2 .- 2 ccm 1:10000 Adrenalin- lösung intraperitoneal inji- ziert an 3 ccm Milch intraperitoneal injiziert 2h 40° wenig massenhaft Sn 00 in mässiger Menge |in kolossaler Menge 3h 40’! Das Blutbild zeigt ganz reichlich = a 5 milchiges Aussehen zul 40° » N do. 2 t „ ” » » 5h 00 s Sektion: wenig resorbiert 2 h cs n | Versuch 5. KRana esculenta, Weibchen, 19 9. 2h 00’ nachm. Blutuntersuchung keine keine AAN © 1 ccm 1:10000 Adrenalin- lösung intraperitoneal inji- ziert 2 0290 0 l cem Milch intraperitoneal injiziert 2A wenig massenhaft a 2 m in mässiger Menge |in kolossaler Menge a A. Das Blutbild fast milchig |, _. a \ ni en e reichlich 2 a 3 4h ei ” ” ” 2 ” 5h 00° | Sektion: fast alles resorbiert 4 Er 2 Versuch 6. Rana esculenta, Weibchen, 30 g. 2h 00’ nachm. Blutuntersuchung keine keine AD 0,7 ccm 1:1000 Adrenalin- lösung intraperitoneal inji- ziert AR 3 cem Milch intraperitoneal injiziert en 20 wenig massenhaft a a ” ” ” ° h ; ” 5 RES 2 4 00° 5 in mässiger Menge n 5b 00 4 n n ” Untersuchungen über die Resorption des Fettes aus der Bauchhöhle etc. 341 Wie aus den Versuchen hervorgeht, konnte eine unverdünnte Adrenalinlösung, die intraperitoneal injiziert worden war, auf die Kasein- und Fettresorption bei Fröschen keinen merkbaren hemmenden Einfluss ausüben, während dagegen bei Mäusen schon eine Adrenalin- lösung von 1: 10000 genügte, um die Resorption zu verhindern. Da nun die Wirkung des Adrenalins auf die Gefässe auszu- schalten ist, bleibt nur übrig, anzunehmen, dass das Adrenalin hier ebenso wie andere chemische Reizmittel auf das Peritoneum (bei Warmblütern) reizend wirkt, wodurch allerdings die Resorption ge- stört wird, ohne dass jedoch die Lymphgefässe beeinflusst werden. Wenn Adrenalin auf die Lympbgefässe kontrahierend wirken würde, so müsste die Resorption auch bei Fröschen gestört werden. Aus dem Vorhergehenden ergibt sich nunmehr die Hauptfolgerung, dass das Fett und Kasein mittelbar aus der Lymphbahn durch Stomata in die Blutbahn aufgenommen wird, wie bisher einige dies- bezügliche Beobachtungen gezeigt haben. VII. Zusammenfassung. 1. Das Fett wird in korpuskulärer Form aus der Bauchhöhle in die Blutbahn aufgenommen. 2. Die Resorption des Fettes aus der Bauchhöhle erfolgt bei Kaltblütern prompter als bei Warmblütern. 3. Kasein wird aus der Bauchhöhle noch leichter als Fett resorbiert. 4. Das Fett sowie das Kasein erscheint bei Mäusen schon inner- halb 20 Minuten im Blute und lässt sich durch fast 24 Stunden in demselben noch nachweisen; bei Fröschen sind beide Substanzen schon nach 10—15 Minuten nachweisbar und bleiben es durch ca. 48 Stunden. 5. Die Resorption von suspendiertem Lezithin erfolgt aus der Bauchhöhle ziemlich langsam und hält längere Zeit an; die Lezithin- teilchen verschwinden erst nach längerer Zeit aus dem Blute. 6. Die fettresorbierende Kraft der Pleurahöhle ist viel schwächer als die der Bauchhöhle. 7. Wasserunlösliche formbeständige Elemente (z. B. Gummigut) werden aus der Bauchhöhle bei Kalt- und Warmblütern in die Blut- bahn aufgenommen, und lässt sich ihr erstes Auftreten schon nach 20 Minuten im Blute erkennen. 342 Komajiro Nakashima: Untersuchungen über die Resorption etc. 8. Bei dem durch chemische Mittel entzündeten Peritoneum ist die Resorption bei Fröschen fast normal, bei Mäusen vollständig gehemmt. 9, Eine intraperitoneale Adrenalininjektion kann bei Säugetieren die Fettresorption aus der Bauchhöhle hemmen. In diesem Falle wirkt Adrenalin als reizendes Gift ebenso wie andere Reizmittel auf das Peritoneum, ohne einen Einfluss auf die Fettresorption durch seine eigene gefässkontrahierende Kraft auszuüben. 10. Die Resorption von Fett und Kasein aus der Bauchhöhle wird durch die Lymphbahn vermittelt, ohne dass sich die Blutgefässe direkt daran beteiligen. Für die besonders freundliche Unterstützung bei Abfassung dieser Arbeit Herrn Prof. A. Kreidl zu danken, ist mir eine an- genehme Pflicht. Figurenerklärung der Tafel IV. (Vergrösserung Zeiss’ Ultrakondensor, Objektiv D, Okular 12.) Fig. I. Mäuseblut nach einem Hungertage, a = rote Blutkörperchen, D = weisse Blutkörperchen, e = Plasmaräume. Fig. II. Frisches venöses Froschblut (Rana esculenta). a = rote Blutkörperchen, b — weisse Blutkörperchen, ce = Plasmaräume. Fig. III. Mäuseblut, 6 Stunden nach intraperitonealer Sahneinjektion (1,5 g). a —= rote Blutkörperchen, b —= weisse Blutkörperchen, ce — Plasmaräume, d = Kaseinteilchen. Fig. IV. Froschblut (Rana esculenta), 3 Stunden nach intraperitonealer Milch- injektion. «a — rote Blutkörperchen, b — weisse Blutkörperchen, ce = Fett- kügelchen, d = Kaseinteilchen. Fig. V. Mäuseblut, 4 Stunden nach intraperitonealer Lezithininjektion (1 g einer 10°/oigen Suspension). a = rote Blutkörperchen, b — weisse Blutkörperchen, ce = Lezithinteilchen. Fig. VI. Froschblut (Rana esculenta). eine Stunde nach Injektion von 3 ccm einer 0,5°/oigen Gummigutlösung. a = rote Blutkörperchen, bD = weisse Blutkörperchen, c = Gummigutteilchen. 343 Eine Methode zur Untersuchung der Ruhe- und Aktivitätsperioden bei Tieren!). Von Dr. 3. S. Szymanski. (Mit 35 Textfiguren.) I. Einleitung. Das Verständnis für das Verhalten eines Organismus wird durch eine eingehende Analyse seiner motorischen Aktivität gewonnen. Diese Analyse zerfällt in zwei Hauptteile, und zwar sind zunächst die Bedingungen zu untersuchen, welehe die allgemeine motorische Tätigkeit im positiven bzw. negativen Sinne zu beeinflussen ver- mögen. Diese Bedingungen können ausserhalb, aber auch innerhalb des Organismus liegen. Erst dann ist es angebracht, zum Studium der organisierten Bewegungen, die unter dem Einfluss der richtung- bestimmenden Reize zustande kommen, überzugehen. In Wirklichkeit schlug die Forschung den umgekehrten Weg ein: Man begann mit der Erforschung der organisierten Aktivität, und bloss hier und da, ziemlich allgemein, versuchte man, die Unbeständigkeit der Reaktionen auf die richtungbestimmenden Reize bzw. deren unregel- mässigen Verlauf in verschiedenen Zeitperioden durch den Hinweis auf den wechselnden „physiologischen Zustand“ der Organismen zu erklären. Es fehlte auch bisher an einer objektiven Methode?), welche 1) Diese Arbeit wurde im physiologischen Institut der Universität Wien unter der Leitung von Herrn Prof. A. Kreidl ausgeführt. Es ist mir eine an- genehme Pflicht, Herrn Prof. Kreidl meinen besonderen Dank für sein ständiges Entgegenkommen, für seine wertvollen Ratschläge bei der Konstruktion der Apparate und für seine Kritik meiner Versuche an dieser Stelle auszusprechen. 2) Wenn die Beobachtungen über diesen Gegenstand gelegentlich angestellt wurden, bediente man sich der Methode der direkten Beobachtung (vgl. die aus- gezeichneten Arbeiten von G. Bohn, Pie&ron, Polimanti, Gibbs and Dellinger [The daily life of Amoeba Proteus. Americ. Journ. of Psychol.. vol. 19 p. 232. 1908], Matisse [Les variations de l’activit€ motrice avec la temperature, et ses rhytlımes dans le temps. Bull. de l’Inst. gen. Psychol. 12 Annde p. 177. 1912] u. a. Neuerdings versuchte Slonaker die Schwankungen der normalen Aktivität in Abhängigkeit von verschiedenen Lebensperioden bei Ratten durch die Zahl der auf einem Kymographion registrierten Drehungen, in welche Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd. 153. 23 344 J. S. Szymanski: eine genauere Analyse der Schwankungen der allgemeinen motorischen Erregbarkeit des Organismus als ganzen zulassen würde. Ohne Kenntnis dieser Schwankungen ist es kaum möglich, in das geordnete Verhalten der Organismen tiefer einzudringen. Diese Überlegungen lagen dem Entschluss, diese Arbeit zu unternehmen, zugrunde: Ich wollte eine Methode schaffen, die es ermöglichen sollte, die zunächst unter normalen Bedingungen ver- laufenden, dann aber auch durch Einwirkung des veränderten Milieus bewirkten Schwankungen der Motilität zu untersuchen. Die unter normalen Bedingungen verlaufenden periodischen Fluktuationen der allgemeinen Motilität sind in erster Linie Ruhe- und Aktivitätsperiode bzw. Schlaf- und Wachperioden, welche ein Organismus im Verlaufe der 24stündigen Zyklen in regelmässiger Aufeinanderfolge aufweist. | | Die Erscheinung der 24stündigen Rhythmizität im Leben der Organismen wollte ich zum Prüfstein meiner Methode machen. Mit dieser Erscheinung beschäftigt sich auch hauptsächlich die vorliegende Untersuchung. Meine Versuche habe ich an Insekten bis zum Säuger angestellt. Da die Apparate, mit Hilfe deren ich die Ruhe- bzw. Aktivitäts- perioden im Verlaufe einer Zeitperiode registrieren wollte, und die Versuchsanordnung beinahe in jeder Versuchsreihe verschiedenartig waren, will ich im folgenden jede Tierklasse separat behandeln. Ich möchte bloss der Kürze wegen und um Wiederholungen zu ver- meiden, die Apparate, welche ad hoc für jede Tierklasse konstruiert waren, mit dem gemeinsamen Namen der Aktographen!) belegen. ein Tier einen Apparat täglich setzte, festzustellen (Slonaker, The normal Activity of the albino rat from birth to natural death; its rate of growth and the duration of life. Journ. of anim. Behavior vol. 2 p. 20. 1912). Schliesslich beschrieb in allerneuester Zeit (1913) Hegendorf einen Apparat („Terragraph“), mit dessen Hilfe er versuchte, auf elektrischem Wege zu registrieren, wie oft ein Tier (Vogel bzw. Säuger) im Freien sein Nest verlässt bzw. es wieder betritt; der Apparat sollte auch dazu dienen, „die Tiere in ungezwungener Freiheit... automatisch auf die photographische Platte zu fixieren* (Hegendorf, Der Terragraph; ohne Datum). Pieron endlich gibt eine zusammenfassende Darstellung über das Problem des Schlafes im Tierreiche in seinem jüngst erschienenen Werke: '„Le probleme physiologique du sommeil“ 1913 (Introduction: La Biologie du sommeil). 1) Alle Apparate konstruierte für mich der Universitätsmechaniker Herr L. Castagna (Wien IX, Währingerstrasse 13a, Physiologisches Institut). Herrn Castagna bin ich für die geschickte und sorgfältige Ausführung der Apparate zum besten Dank verpflichtet. Eine Methode zur Untersuchung der Ruhe- und Aktivitätsperioden etc. 345 II. Insekten. Der Aktograph für Insekten wurde unter Zugrundelegung des Prinzipes der chemischen Wage verfertigt (Fig. 1). Der Hauptbestandteil des Apparates bildete ein kleines Prisma aus gehärtetem Stahl; an diesem Prisma wurde eine kleine Aluminium- platte in Form eines umgekehrten U (N) befestigt; auf die herab- hängenden Schenkel derselben wurden je ein Aluminiumstäbchen wagerecht aufgeschraubt. Das eine dieser Stäbchen trug an seinem Ende einen Haken zum Befestigen des Käfigs für das Insekt. Das andere Stäbchen war rund gedrechselt und mit spiralen Ausschnitten versehen, auf denen ein Laufgewicht vorgeschoben werden konnte; Prisma Laufgewicht Schreibspitze Fig. 1. das äusserste Ende dieses Stäbchens wurde in eine feine Spitze für die Aufnahme eines Strohhalmes mit einer unter einem Winkel von 90° nach oben gebeugsten feinen Aluminiumnadel aufgezogen. Auf den aufrechtstehenden Teil der Nadel konnte eine feine Aluminium- schreibspitze aufgesetzt werden. Die äussersten Enden des Prismas mit der ganzen Platte ruhten jedes in einer halbmondförmigen Ver- tiefung. Das ganze System konnte mittels einer Schraube höher bzw. tiefer gestellt werden. Es wurden zweierlei Arten von Käfigen verwendet: entweder solche aus dünnem Aluminiumblech mit ver- schiebbarem Deckel aus Glimmerplättchen (Aluminiumkäfige) oder solche aus Organtin, die in Form einer Schachtel zusammengenäht bzw. mit Syndetikon zusammengeklebt waren (Organtinkäfige). Die Wirkung des Apparates war folgende: Nachdem das Tier in die Mitte des Käfigs gesetzt war und mittels des Laufgewichtes das Gleichgewicht beider Hebelschenkel in horizontaler Lage her- 23° 346 J. S. Szymanski: gestellt war, blieb das ganze System in Ruhe. Sobald jedoch das Tier die geringste Bewegung ausführte, war das Gleichgewicht ge- stört; dabei verschob sich die Schreibspitze nach oben, sobald das Tier lateral — von der Mitte des Käfigs gerechnet — lief; und umgekehrt senkte sich die Schreibspitze nach unten, sobald das Tier sich medial bewegte. Auf diese Weise konnte ich eine Kurve mit mehreren Staffeln bekommen; jede Staffel entsprach dem Aufent- haltsort des Tieres an einer bestimmten Stelle des Käfigs, wie dies aus der Fig. 2 zu ersehen ist. Die Kurven liess ich auf einem ad hoe konstruierten Kymo- graphion aufschreiben. Da dieses Kymographion in 24 Stunden zwei Umdrehungen machte und dabei nach dem Verlauf der ersten Fig. 2. 12 Stunden sicb um ca. 2 cm tiefer automatisch einstellte, erhielt ich auf diese Weise zwei übereinander registrierte Kurven, welche in ununterbrochener Aufeinanderfolge den Verlauf der Aktivität in den 24 Stunden, während welcher sich das Tier in jedem Zeit- abschnitt an der entsprechenden Stelle aufhielt, zeigten. Da ich weiter die Länge der 24stündigen Kurve (= 1,98 m), also in 1 Stunde 8,3 em, und die Zeit, in welcher das Tier in den Apparat gesetzt worden war, genau wusste, konnte ich durch Teilung der Kurve in die Abschnitte von 8,3 cm mit einem wahrscheinlichen Fehler von weniger als 15 Minuten ermitteln, wie sich das Tier zu der be- stimmten Tages- bzw. Nachtstunde verhielt. . Der Aktograph für Insekten hat sich als ein ausserordentlich empfindlicher Apparat, der selbst die Bewegungen einer kleinen Fliege und Schmetterlinge (Kohlweisslinge) zu registrieren vermochte, erwiesen. . | Eine Methode zur Untersuchung der Ruhe- und Aktivitätsperioden etc. 347 Versuche mit Küchenschaben. Als Hauptobjekt für meine Versuche dienten mir Küchenschaben, als die einzigen Insekten, welche ich im Winter in grösserem Quantum erhalten konnte. Aber auch sonst schienen mir diese Insekten günstige Objekte zur Prüfung meines Apparates zu sein, und zwar weil die Reaktionen der Küchenschaben (als Schädlinge) im erossen und ganzen bekannt sind. Auf diese Weise bot sich mir die Möglichkeit, die durch das Experiment gewonnenen Daten mit den Erfahrungen des Alltagslebens prüfend zu vergleichen. Die Küchenschaben gelten als Abendtiere, „wärmeliebend“ und „licht- scheu“. Diese letztere Reaktion, der negative Phototropismus, wurde übrigens von:Graber!), mir selbst und neuerdings von Turner auch wissenschaftlich untersucht. Um zunächst die Ruhe- und Aktivitätsperioden im 24stündigen Zyklus zu prüfen, bediente ich mich eines Aluminiumkäfigs (s. oben), dessen Dimensionen 3%X2,5><12 cm waren. Das Versuchstier wurde mit etwas Nahrung und ein paar Tropfen Wasser, die je au beiden Enden des Käfigs untergebracht wurden, in den Käfig gesetzt und durch einen Schirm vor dem Lichte geschützt. Die Versuche fanden in einem Raum statt, dessen Temperatur (im Durchschnitt ca. 13° bis 22° C.) der Temperatur des ständigen Aufenthaltsort der Tiere annähernd glich. Alle Versuche, auch die mit anderen Tierklassen, wurden in demselben Raume und bei annähernd derselben Temperatur ausgeführt. Nach Verlauf von genau 24 Stunden wurde der Ver- such beendist. | Um nun nicht bloss die einzelnen Perioden miteinander ver- gleichen, sondern auch die Gesamtaktivität durch eine Zahl aus- drücken zu können, dividierte ich die Zahl der Stunden, während welcher das Tier in Bewegung war, durch die Zahl der Ruhestunden in je einem 24stündigen Zyklus. Die gewonnene Zahl, die ich Beweglichkeitsquotient (Q) nennen möchte, erlaubte, die Aktivität der verschiedenen Individuen und die Aktivität des gleichen Individuums an verschiedenen Versuchstagen bequem miteinander zu vergleichen. Auch bei den Versuchen mit den anderen Tierklassen berechnete ich stets den Beweglichkeitsquotienten. 1) Graber hat auch eine Reihe der Untersuchungen über die thermische Reaktion der Schabe angestellt (Graber, Thermische Experimente an der Küchen- schabe. Pflüger’s Arch. Bd. 41 S. 240. 1837). 348 J. 8. Szymanski: se Die Arten der Kurven, welche P= die Versuche mit den Schaben =: zeigten, waren folgende (Fig. 3): “= l. eine gerade Linie, deren sS Verlauf auf gleichem Niveau blieb; 5 S diese Linie entsprach dem Zu- In stande der Ruhe (Abb. 3); = 2. eine leicht gewellte Linie, = deren Verlauf auf gleichem Niveau blieb; diese Linie entsprach dem Zustande der geringen Beweg- lichkeit, mit anderen Worten: das Tier bewegte sich nur wenig, ohne eine bestimmte Stelle im Käfig zu verlassen (Abb. 2); 9. .eine Linie mit starken Zacken; diese Linie entsprach dem Zustand der lebhaften Beweg- lichkeit, mit anderen Worten: das Tier führte ausgiebige Be- wegungen aus und änderte öfters die Stelle im Käfig, und zwar verblieb die Schabe auf dem Ni- veau A—D mehr im lateralen Teile des Käfigs, auf dem Niveau C - D ungefähr in der Mitte und auf dem Niveau #—F' mehr im medialen Teile des Käfigs (Abb. 1). Was die Linie der Ruhe be- ‚trifft, so konnte ich noch zwei 2 Herabgesetzte Beweglichkeit. 3 aufgenommen (Nr. 1 von 8'/s bis 11 Uhr abends, Nr. 1 Erhöhte Beweglichkeit. vormittags, Nr. 3 von 3 bis 4 Uhr früh). am 13.—14. Dez. 191 6) >) ei {eb} Be} Ss =] (>) un = {eb} E=urS) = & es Unterarten unterscheiden, und Be) D . 8 zwar: die absolute Ruhe, wenn die So Sne : an Linie absolut gerade war, und die So ; SS relative Ruhe, wenn der gerad- = 06 ö SE linige Verlauf der Kurve hier und Sie da durch eine kleine Zacke!) (77) on= S Se 1) Dass diese Zacken nicht auf die Störungen, sondern wirklich auf die Eine Methode zur Untersuchung der Ruhe- und Aktivitätsperioden etc. 349 unterbrochen wurde; diese letztere Abart der Kurve tritt übrigens ‚bei den Schaben ziemlich selten auf. | Zwecks der bequemeren Bearbeitung der Kurven trug ich die ‘bei jeder Kurve beobachteten Ruhe- und Aktivitätsperioden auf einem Diagramm auf, auf dem, wie dies z. B. Fig. 4 zeigt, fünf kon- zentrische Kreise eingetragen waren. Gegen das Zentrum hin be- trachtet,{beziehen sich die Kurvenabschnitte, die auf dem äussersten Kreis”eingetragen waren, auf die Perioden der lebhaften Beweg- lichkeit. Auf dem nächsten Kreis waren die Perioden der geringen Fig. 4. Die Kurve der Aktivitäts- und Ruheperiode bei der Küchenschabe Nr. 3 (21. Dezember 1913). Beweglichkeit markiert. Der nächstfolgende gestrichelte Kreis soll die Beweglichkeitsperioden von den Ruheperioden trennen. Für die Ruheperioden dienten zwei weitere Kreise, und zwar der grössere für relative und der kleinere für absolute Ruhe. Die Kreise wurden durch radial verlaufende Linien in 24 Teile geteilt, deren jeder 1 Stunde bedeuten sollte. Die Stundenzahlen befinden sich über jeder radialen Linie eingetragen; dabei ist zu beachten, dass in Bewegungen der Versuchstiere zurückzuführen waren, konnte ich dadurch be- urteilen, dass die Zacken, welche durch solche Störungen bedingt waren, ganz abweichenden Charakter trugen. 350 | J.-8S. Szymanski: sämtlichen Diagrammen das obere 12 Mittag, das untere Mitternacht “ bedeutet. Die obige Erklärung bezieht sich auf sämtliche Diagramme, die im weiteren Verlauf dieser Arbeit zu treffen sind. Fig. 4 und 5 zeigen uns die zwei für die Schabe typischen Kurven der Ruhe- und Aktivitätsperioden. Wie die Kurven zeigen, verhielten sich die Schaben den Tag und die Nacht über meistens in vollkommener Ruhe; bloss in den Abendstunden zeigten sie eine längere Periode der lebhaften Beweg- = a Fig. 5. Die Kurve der Aktivitäts- und Ruheperioden bei der Küchenschabe Nr. 3 (13. Dezember 1913). lichkeit; diese Periode sei die Hauptperiode der Aktivität genannt. Die zahlenmässigen Resultate der Versuche sind in der Tabelle I zusammengefasst; dabei ist zu erinnern, dass @ den Beweglichkeits- quotienten bedeutet, mit anderen Worten: die Zähler der in der Rubrik „Q“ eingetragenen Brüche bedeuten Stunden der Aktivität, die Nenner die Stunden der Ruhe im 24stündigen Zyklus. Die in .der letzten Rubrik eingetragenen Zahlen bedeuten die Abendstunden, in welche die Hauptperiode der Aktivität fiel. Eine Methode zur Untersuchung der Ruhe- und Aktivitätsperioden etc. 351 Ze Teen en er IE Die en ee periode der Ak- a ereS Datum Q tivität dauerte und von — bis Geschlecht (abends) 2,50 ; 1 11° Dezember. 1913 a0 ll |tonısrii 12u30 6,25 1 ee me 085 6400’, 9h45 2,50 p} m : p) 29 I oe a 20 a IST — 0,50 Gh00’Lis YhAsr 29 15 Tanuar 1911 I an 7h00’ „ 10n30’ anuar 17% 95 —— Vor ” 39 3. Dezember 1913 675 _ 036 8h15’ 11h15’ 17,95 „ 39 91 1913 en 8h00’ , 11130’ & „ 17, 50 ” 6,50 = h r h r 39 16° Yomar 1914 m 087 8400’ „ 12100 4 19 1914 Se 05 5h00' , Thas' 2 a a n 5& 20 1914 ki 9400’ „10h45’ | en 31,50 ee re rn n | Mm Durchschnitt: | @=09 |marnisnsr Im Durchschnitt: 02 2029 | 7h7’ bis 10h 37 Aus der Tabelle ergibt sich, dass die Schaben in den Monaten Dezember und Januar im Durchsehnitt ein Drittel dieser Zeit in der Aktivität verbringen, den Rest verbleiben sie im Zustande der absoluten Ruhe (Fig. 3 Abb. 3); die Hauptperiode der Aktivität (Fig. 3 Abb. 1) dauert im Durchschnitt von ca. 7—10!/2 Uhr abends. Anwendung der Aktographen für Insekten zur Untersuchung der tropischen Reaktionen. Die Eigenschaft des Aktographen, die mehrstaffelige Kurve zu schreiben in Abhängigkeit von der Stelle im Käfige, welche das Insekt in einem bestimmten Zeitabschnitte einnimmt, lässt sich auch für Untersuchung der tropischen Reaktionen im Verlaufe des 24stündigen Zyklus ausnützen. Ein Umstand muss nur dabei be- rücksichtigt werden. Wie die Fig. 2 verarschaulicht, hebt sich der Käfig beim Laufen des Tieres medial (vom Mittelpunkte aus be- rechnet) schief unter einem Winkel « nach oben; und umgekehrt 352 J. 8. Szymanski: beim Laufen des Tieres lateral senkt sich der Käfig unter demselben Winkel & nach unten: Es entsteht die Frage, ob die geotropisch empfindlichen Tiere nicht etwa diese oder jene Lage von Anfang an bevorzugen werden. Jedoch angesichts dessen, dass erstens der Winkel « bei nicht allzu grosser Länge des Käfigs sehr klein ist (Fig. 2), und dass zweitens, wenn das Tier von der Mittellage aus sich in beliebiger Richtung, (lateral oder medial) entfernt, es sich immer dem Erdzentrum nähert, und umgekehrt, wenn das Tier von der medialen zur lateralen Lage der Mittellage sich nähert, es sich immer vom FErdzentrum entfernt (vgl. Fig. 2) — und dadurch kompensiert es sozusagen die frühere Fig. 6. Bewegungsrichtung —, angesichts dessen glaube ich, kann dieser Um- stand kaum das Zustandekommen der anderen tropischen Reaktion störend beeinflussen. Auf jeden Fall ist es angezeigt, bevor man zur Untersuchung der tropischen Reaktion schreitet, das Tier in bezug auf die Häufigkeit des Verweilens an dieser oder jener Stelle ‚des Käfiges unter normalen Bedingungen zu prüfen. Erst wenn sich erweist, dass das Tier gleich häufig an allen Stellen des Käfigs ver- weilt, kann man mit der Untersuchung der tropischen Reaktionen beginnen. Geotropisehe Reaktion. Ganz einfach ist die Prüfung dieser Reaktion iım Verlaufe des 24stündigen Zyklus: Es ist bloss nötig, den Käfig unter einem Winkel, der grösser bzw. kleiner als 90° ist, zur Längsachse des Hebelschenkels zu stellen (Fig. 6). (Wenn der Neigungswinkel gerade 90° beträgt, bekommt man be- greiflicherweise keine mehrstaffelige Kurve.) Eine Methode zur Untersuchung der Ruhe- und Aktivitätsperioden etc. 353 Der Käfig, welehen ich für die Untersuchung der geotropischen Reaktion anwendete, war ein Organtinkäfig (s. oben); seine Dimen- sionen waren 4 x 4,5 < 12,5 em; der Neigungswinkel betrug ca. 120°. Auf diese Weise bezog sich die obere Staffel der Kurve auf den Aufenthalt des Tieres im oberen Teile des Käfigs (negativer Geo- tropismus), die mittlere auf den Aufenthalt in der Mitte und schliess- lich die untere auf den Aufenthalt im unteren Teile (positiver Geotropismus). Die von mir geprüfte Schabe, die durch einen Schirm vor dem Licht geschützt war, zeigte bei ziemlich gleichbleibender Temperatur keine ausgesprochene geotropische Reaktion: Während 24 Stunden blieb die Schabe 13,25 Stunden unten, 8,75 Stunden oben, und während 2 Stunden wechselte sie öfter die Lage im Käfige. Besonders Fig. 7. Von A bis B verblieb die Schabe im oberen Teile des Apparates; zwischen B und C begab sich das Tier in den unteren Teil; von (C bis D blieb die Schabe im unteren Teile. bemerkenswert ist das letztere Verhalten. Die 2 Stunden, während welcher die Schabe in einem fort die Lage wechselte, fallen gerade in die Hauptperiode der Aktivität; die Fig. 7 zeigt einen Kurven- abschnitt aus dieser Periode. Wenn also die Schabe selbst ein kleines Übergewicht der positiv- geotropischen Reaktion (13,25) über die negativ-geotropische (8,75) zeigte, so wurde jegliche geotropische Reaktion in der Hauptperiode der Aktivität verwischt, d. h. durch innere Impulse überwunden. Phototropische Reaktion. Der Verlauf der phototropischen Reaktion während eines 24stündigen Zyklus lässt sich durch eine recht einfache Versuchsanordnung registrieren: Die Fig. 8 zeigt diese Anordnung. Die laterale Hälfte eines Organtinkäfigs (3x4 15,5 cm) wurde durch Einschieben in einen Kasten aus schwarzem Papier verdunkelt; die Dimensionen des Kastens waren so gewählt, dass der Käfig bei den durch die laufenden Schaben verursachten Be- 394 J. S. Szymanski: wegungen die Wände des Kastens nicht berührte. Die mediale Hälfte des Käfigs wurde mit einer elektrischen 16 kerzigen!) Lampe, die oben in einer Entfernung von 0,5 m angebracht war, beleuchtet. Der Versuch wurde in einem vollkommen verdunkelten Zimmer bei ziemlich gleichbleibender Temperatur ausgeführt. Fig. 8. Der Verlauf des Versuches war folgender (Fig. 9). Eine lichtadaptierte Schabe wurde in den Apparat. gesetzt (11!/’& Uhr vormittags 4. Februar 1914); sie blieb zunächst bis 6"/a im beleuchteten Teil (bis A); um 64 Uhr abends ist sie in den ver- dunkelten Teil herübergegangen (von A—D); im verdunkelten Teil ist das Tier bis zum Auftreten der Aktivitätsperiode (1 Uhr nachts) sitzen geblieben (Abb. 1); zwischen 9—] Uhr bewegte sich die Schabe hauptsächlich im verdunkelten Teil (Abb. 2); während der Hauptaktivität (1—5 Uhr früh) war die negative Lichtreaktion auf- gehoben (Abb. 3 bei C); das Tier lief aus dem verdunkelten Teil in den beleuchteten (von C—D), dann wieder in den verdunkelten (von D--E) (Abb. 3). Zum Schluss, der Hauptaktivitätsperiode (um 5 Uhr früh) kam die Schabe in den verdunkelten Teil (Abb. 3 von F—G) und blieb daselbst bis zum Ablauf des Versuches sitzen (bis 11%/’a Uhr vormittags 5. Februar 1914). Die Versuche ergaben also, dass die Schabe währeni der Ruhe- periode 14 Stunden im verdunkelten und 6 Stunden im beleuchteten 1) Ich habe leider versäumt, die Intensität des Lichtes zu notieren; jedoch erinnere ich mich ziemlich genau, dass die Lampe 16kerzig war. Eine Methode zur Untersuchung der Ruhe- und Aktivitätsperioden etc. 355 Teil des Käfies verbrachte. Die ganze Zeit, welche die Schabe im beleuchteten Teil verbrachte, fällt auf den Anfang des Versuches; dieses längere anfängliche Verbleiben im Licht lässt sich dadurch erklären, dass ich, wie schon erwähnt, eine lichtadaptierte Schabe zu dem Versuche verwendete. Wenn wir diesen Umstand in Be- tracht ziehen, lässt sich behaupten, dass die Schaben, wie dies schon seit Graber wohlbekannt ist, negativ pbototropisch sind. Fig. 9. Besonders bemerkenswert war das Verhalten während der Haupt- periode der Aktivität, die volle 4 Stunden dauerte und erst un- gewöhnlich spät auftrat (von 1 Uhr nachts bis 5 Uhr früh). In dieser Zeit war jede phototropische Reaktion aufgehoben: Die Schabe lief fortwährend vom beleuchteten in den verdunkelten Teil des Käfies und umgekehrt (Fig. 9 Abb. 3). Wenn also die Schabe während der Ruheperiode im allgemeinen den negativen Photo- tropismus zeigte, wurde jegliche phototropische Reaktion in der Hauptperiode der Aktivität verwischt, d. h. durch innere Impulse überwunden. = Thermotropische Reaktion. Hier galt es zunächst, eine ziemlich ‚grosse Schwierigkeit zu überwinden, nämlich eine 396 J. S, Szymanski: — wenigstens während 12 Stunden — wärmeausstrahlende Fläche herzustellen. Nach vielen Versuchen ist es endlich gelungen, und zwar auf folgende Weise: Der kleinste käufliche elektrische Ofen, System „Quartzalite* (A.-E.-G. Union - Elektrizitäts - Gesellschaft), wurde von seinem Aluminiumschutzkorbe befreit, und statt dessen in eine im Querschnitte birnenförmige Hülle aus dünnstem Schwarzblech gekleidet (vgl. in Fig. 10 den Querschnitt #'G durch-den Ofen). Der untere, bauchförmige Teil des Ofens war mit Asbest belegt (E), so dass bloss der obere verjüngte Teil als wärmeausstrahlende Fläche (FF) fungierte; das Lumen zwischen beiden Wänden der verjüngten Teile war bloss 0,5 em; oben blieb die Hülle offen, um die Überheizung der Heizröhren (BB) zu verhindern. Ein so ein- gerichteter Ofen hielt 12 Stunden der ununterbrochenen Arbeit aus. Der Käfig, den ich für diese Versuche verwendete, war ein Organtin- käfıg, dessen Dimensionen 2>X3><30 cm waren. Der Käfig war zusammengenäht, denn Syndetikon wollte ich nicht verwenden, da ich etwaige Geruchreize, welche der erwähnte Klebstoff eventuell bewirken könnte, ausschalten wollte. Bevor ich zum definitiven Versuch schritt, blieben noch zwei Umstände zu prüfen, und zwar lag zunächst die Gefahr vor, dass die Strömungen der erhitzten Luft Eigenbewegungen des Käfiges verursachen können; ich liess also zunächst bei der unten zu beschreibenden Versuchsanordnungs den Käfig ohne das Insekt seine Eigenbewegungen reeistrieren. Es hat sich aber erwiesen, dass die kleinen Zacken, die durch diese Be- wegung bewirkt waren, auf keinen Fall den staffelförmigen Verlauf der Kurve — und um einen solchen handelt es sich ausschliesslieh — beeinflussen könnten. Diese Zacken waren identisch mit denen, die z. B.. auf der Abb. 1 der Fig. 11 links von B auf der Kurve sichtbar sind. Der zweite Umstand, den ich berücksichtigen musste, war die beträchtliche Länge des Käfigs (30 em). Da der Winkel « (Fig. 2) bei den Bewegungen der Schabe in ziemlich weiten Grenzen schwanken musste, war es notwendig, zunächst unter normalen Um- ständen nachzusehen, ob die Schabe nicht dieses oder jenes Ende ddes Käfigs bevorzugen würde. Der Vorversuch ergab, dass die Schabe 9,25 Stunden medial, 10,25 Stunden lateral und 3 Stunden (während der Hauptperiode der Aktivität) bald da und bald dort blieb. Erst nach diesen Vorversuchen führte ich den Hauptversuch aus. Die Versuchsanordnung war folgende (Fig. 10). Der Käfig A, Eine Methode zur Untersuchung der Ruhe- und Aktivitätsperioden etc. 357 der durch einen Asbestschirm C von dem Ofen BB getrennt wurde, war so gestellt, dass sein laterales Ende von den Wärmestrahlen, die an der Fläche F'F' ausströmten, getroffen wurde. Auf dem gleichen Niveau mit dem Käfig wurden die Thermometer D und D aufgehängt. Schliesslich wurde die Schabe durch einen Schirm vor dem Lichte geschützt. Der Verlauf des Versuches war folgender: Die Schabe wurde um 5!/ Uhr nachmittags in den Apparat gesetzt; sie ist bis 5°/s medial (21° C.) sitzen geblieben; von 5°/s ist das Tier lateral (ca. 32° C.) hinübergegangen und ist dort bis 9 Uhr geblieben; von 9 bis Fig. 11, 358 J. 8. Szymanski: 10 Uhr 25 Min. abends (Abb. 1), von 12 Uhr 5 Min. bis 1 Uhr nachts (Abb. 2) und von 2 Uhr 30 Min. bis 3 Uhr nachts (Abb. 3) wechselte die Schabe öfters den Aufenthaltsort und verweilte ent- weder lateral (Fig. 11 Abb. 2 A—b) oder medial (£—D—(C); alle übrige Zeit, bis 7 Uhr 30 Min. früh, blieb die Schale lateral sitzen; _ von 7 Uhr 30 Min. bis zum Ende des Versuches (bis 9 Uhr 30 Min. vormittags), nachdem die Temperatur sich ungefähr von 7 Uhr früh lateral bis auf 33° C., medial bis auf 26° erhoben hat, blieb das Tier in der Mitte des Apparates sitzen (Fig 11). Die Versuchsergebnisse waren also, dass die Schabe während der Ruheperiode 12,25 Stunden in dem wärmeren (ca. 32°C.) Teil des Käfigs und bloss 0,5 Stunden (am Anfang des Versuches) in dem kühleren Teil (ca. 21° C.) sitzen blieb. Besonders bemerkenswert war das Verhalten der Schabe während der Hauptperiode der Aktivität, welche übrigens sehr schwach aus- gesprochen war (Fig. 11 Abb. 1), und während der zwei darauf- folgenden Nachperioden der Aktivität (Fig. 11 Abb. 2 und 3). In dieser Zeit (2!/s Stunden) war die thermotropische Reaktion auf- gehoben (vel. z. B. CD Fig. 11 Abb. 1). Die Schabe lief ab- wechselnd entweder in den wärmeren oder in den kühleren Teil des Käfiıgs. Wenn also die Schabe während der Ruheperiode stark ausgesprochenen positiven Thermotropismus zeigte, so wurde diese Reaktion in der Hauptperiode (und in zwei Nachperioden) der Aktivität verwischt, d. h. durch innere Impulse überwunden. Die geringe Zahl der Versuche, welche ich bloss an einer Tier- art ausgeführt habe, berechtigt nicht zu irgendwelchen Schluss- folgerungen. Die vorliegende Arbeit bezweckte auch sonst nichts weiter als die Ausarbeitung einer Methode; systematische Unter- suchungen, welche erlauben, Schlüsse zu ziehen, müssen der Zukunft vorbehalten bleiben. Indessen brachten schon diese Vorversuche eine äusserst bemerkenswerte Tatsache, deren Tragweite weit über den Rahmen einer Spezialwissenschaft hinausgeht, ans Licht; ich meine das Verhalten der Schaben gegen die sonst wirksamen äusseren Reize in den Hauptperioden der Aktivität. In allen von mir ge- prüften Fällen verhielten sich die Schaben so, als ob die inneren Eine Methode zur Untersuchung der Ruhe- und Aktivitätsperioden etc. 359 Impulse die Oberhand über die äusseren sonst wirksamen Reize in der Hauptperiode der Aktivität nehmen), Angesichts dessen und da der Wege, auf dem dieses Problem sich weiter in Angriff nehmen lässt, gegeben ist, möchte ich diese Frage in der Zukunft, wenn die Umstände es erlauben, weiter aus- arbeiten. III. Fische. Zwecks der Untersuchung der Ruhe- und Aktivitätsperioden bei Fischen habe ich die Versuche an Goldfischen angestellt. Die Ver- suchsanordnung war folgende (Fig. 12): Unmittelbar an die Membran einer Marey’schen Kapsel war ein Haken befestigt; auf dem Haken war eine Zugrolle aus Aluminium angehängt. Über die Zugrolle war ein dünner seidener Faden geführt; an das kürzereEnde des- Schreibspitze X Zelle selben war ein Gewicht (0,2—0,3 g) gebunden. Das längere Ende war an den Fisch, der sich in der darunterstehenden Glas- wanne (Länge 30 cm, Breite und Höhe je 20 em) befand, befestigt (Fig. 12). Das Gefäss, in dem sich bei jedem Versuche etwas Nahrung (Tubifex) befand, war bis zwei Drittel Höhe mit Wasser gefüllt, das die gleiche Temperatur wie das Wasser des ständigen Aufenthalts- ortes der Fische hatte. Die Versuche wurden in einem Raume aus- geführt, der eine gleiche Temperatur hatte wie der Raum, in dem die Fische ausserhalb des Versuches untergebracht waren. Um den Fisch an den Faden befestigen zu können, habe ich ein an einem Ende zugespitztes Stück sterilisierten Aluminiumdrahtes (ea. 0,5 mm im Durchmesser) durch die Muskel auf dem Niveau des vorderen Endes der Rückenflosse durchgestochen; darauf wurde der Draht Membran einer Mareyschen Kapsel 1) Wenn dieses Problem weitere Bestätigung findet, lassen sich vielleicht dadurch manche widersprechende Resultate erklären, die verschiedene Forscher bei Untersuchungen des gleichen Tropismus bei derselben Tierart erhalten haben. Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd. 158. 24 360 J. S. Szymanski: zu einem Ring gebogen; an dem Ring war der Faden befestigt ) (Fig. 13). Selbstverständlich habe ich die frisch onarlran? Fische nicht gleich zu Versuchen verwendet, sondern erst nach ca. 10 Tagen, nachdem die Wunde einigermaassen geheilt war. Die Art, wie der Fisch mit dem Schreibapparate in Varkikne stand, erlaubte ihm, sich nach Belieben im Gefässe zu bewegen; bei jeder Bewegung verschob sich auch das Gewicht, welches, neben- bei bemerkt, sehr leicht sein muss, sonst reisst es den Fisch in einer den Versuch störenden Weise; die Eigenbewegungen des Fisches übertragen sich dann durch Vermittlung der Zugrolle und der Membran auf die Schreibspitze. Fig. 13. Ich möchte gleich bemerken, dass diese Versuchsanordnung nicht so zweckmässig war wie die anderen bereits beschriebenen oder noch zu beschreibenden; denn erstens war die Empfindlichkeit des ganzen Systems nicht so gross wie die der Aktographen für Insekten und Landtiere, und zweitens musste der Fisch verwundet werden und blieb nicht frei, sondern stand mittels des Fadens mit der Schreibvorrichtung in Verbindung. Immerhin konnte ich mit dieser Versuchsanordnung mein Ziel erreichen, d. h. die Rhythmizität der Ruhe- und Aktivitätsperiode im 24stündigen Zyklus untersuchen. Die Kurvenarten, welche die Schreibspitze registrierte, waren dreifach: ; | 1. eine gerade Linie mit wenigen, kaum merklichen Zacken; diese Linie entsprach dem Zustande der relativen Ruhe (Fig. 14 Abb. 2); 1) Zu diesem Verfahren war ich durch einen Aufsatz von Prof. v. Stummer- Traunfels angeregt. (Eine neue Methode zur Zeichnung von Salmoniden. Österreichische Fischereizeitung 10. Jahrg. S. 387. 1913.) Eine Methode zur Untersuchung der Ruhe- und Aktivitätsperioden etc. 361 2. eine leicht gewellte Linie; diese Linie entsprach dem Zustande der geringen Beweglichkeit: mit anderen Worten: der Fisch bewegte sich nur wenig, ohne eine bestimmte Stelle im Gefässe gänzlich zu verlassen (Fig. 14 Abb. 3); 3. eine Linie mit stärkeren vertikalen Strichen; diese Linie entsprach dem Zustande der lebhaften Beweglichkeit, d. h. das Tier führte ausgiebige Bewegungen aus und wechselte öfters die Stelle im Gefäss |Fig. 14 Abb. 1]'). 0 sea tete. Leib ha 1, MAL. Fig. 14. Die Kurvenaiten des Goldfisches entsprechen: 7 der lebhaften Beweg- lichkeit; 2 der relativen Ruhe; 3 der geringen Beweglichkeit. (Die Kurven Nr. 1 und 2 beziehen sich auf den Goldfisch Nr. 2: Nr. 1 von 7—8 Uhr vor- mittags, Nr. 2 von 5—6 Uhr früh, aufgenommen am 2. Dez. 1913. Die Kurve Nr. 3 bezieht sich auf Fisch Nr, 5, aufgenommen am 26. Januar 1914 von 10 bis 11 Uhr abends.) Fig. 15. Die Kurve Nr. 1 zeigt den Übergang von der Ruhe zur Aktivität in den Morgenstunden, die Kurve Nr. 2 zeigt den Übergang von der Aktivität zur Ruhe in den Abendstunden. (Beide Kurven beziehen sich auf den Goldfisch Nr. 1, aufgenommen am 2.—3. Dez. 1913.) 1) Die Abhängigkeit zwischen der Art der Kurve und der Art der Be- wegung konnte ich durch unmittelbare Beobachtung feststellen. Diese Bemerkung bezieht sich auch auf die anderen Tierklassen. 24* 962 J. S. Szymanski: Fig. 16. Die Kurve der Aktivitäts- und Ruheperioden bei Goldfisch Nr. 3 (8. Januar 1914). Fig. 17. Die Kurve der Aktivitäts- und Ruheperioden bei Goldfisch Nr. 3 (7. Dezember 1913). Eine Methode zur Untersuchung der Ruhe- und Aktivitätsperioden ete. 363 Die Verteilung der Perioden der relativen Ruhe und der Aktivität fällt im grossen und ganzen mit der Wechselfolge der Tages- und Nachtstunden zusammen, und zwar so, dass die Perioden der Aktivität auf die Tages- und Abend-, die der relativen Ruhe auf die Nacht- stunden fallen (Fig. 15). Selbst in den Fällen (s. unten Tab. II), in welchen der Fisch während 24 Stunden eine ununterbrochene Tätigkeit zeigte, fiel die Periode der lebhaften Beweglichkeit auf die Tagesstunden, die der herabgesetzten Tätigkeit auf die Nachtstunden. Um nun zwei Bei- spiele des typischen Verlaufes eines 24stündigen Zyklus anzuführen, möchte ich auf Fig. 16 und 17 hinweisen (Erklärungen siehe oben im Kapitel über Insekten). Die zahlenmässigen Resultate der Versuche sind in Tabelle II zusammengefasst; die Tabelle ist nach demselben Schema wie Tabelle I zusammengestellt. Tabelle II Nummer des Tieres Datum Q 8,75 Q 3 2 — (,57(? 1 3. Dezember 1913 15,25 0,57. 3 ) } 2 Da 15 — 960 c 9 3 0 ae 15 = 060 3 3° Tannar 1914 N 1 17,75 2 5) SD 3 a, Ko Ga 20 3 oa = — 2,00 13,75 2 [9] Ve ART € 4 a Dezamiar 1018 [055 14 5 17 Tanuar 19% = Be 5 nen z a 5 on - a 8 6 21. 1914 (SR n = 50 9 6 Did IE R 5 — 960 364 J. S. Szymanski: Aus der Tabelle ergibt sich, dass in den Monaten Dezember und Januar der Bewegelichkeitsquotient zwischen 0,50 (Nr. 6) und co (Nr. 5) schwankt; die Aktivität der Goldfische zeigt also grosse individuelle Unterschiede. Wie schon oben erwähnt, lässt sich eine Abhängigkeit zwischen den Tagesstunden und den Aktivitätsperioden einerseits, zwischen den Nachtstunden und den Perioden der relativen Ruke (bzw. der herabgesetzten Beweglichkeit bei Nr. 5), feststellen. Um diese Ab- hängigkeit näher zu präzisieren, habe ich die Tabelle III zusammen- gestellt; in der Tabelle ist die Stunde, in der ein Fisch von der Nachtruhe zur Tagesaktivität übergegangen ist, und die Stunde des Sonnenaufganges!) am korrespondierenden Versuchstage einerseits, andererseits die Stunde, in der ein Fisch von der Tasesaktivität zur Nachtruhe übergegangen ist (vgl. Fig. 15), und die Stunde des Sonnenunterganges!) am korrespondierenden Versuchstage für jedes Tier angegeben (Tab. IM). Tabelle II. Nummer Anfang des Datem der Tag- Sonnen- Anfang der Sonnen- Ahkeees entöt aufgang Nachtruhe | untergang f 3. Dez. 1913 Th 45’ Th 33’ 4h 30' 4h 06’ 2 22 219132122 6:07457 Th 32’ 4h 15’ 4h 07' 3 le OS 64 15’ Th 38’ 6h 30’ 4h 05’ 3 8. Jan. 1914 6h 15’ 7h 52’ 6h 45’ 4h 23’ 3 23. „ 1914 3 7h 42’ 6h 30’ 4h 42’ 3 Au, eilal 5h 7h 37 Th 4h 49' 4 8. Dez. 1913 6h 7h 39’ 6h 30’ 4h 05’ 5) 17. Jan. 1914 sh 7h 47' 2 4h 33’ 5) oe 6h 15’ Th 43’ 6h 45’ 4h 41’ b) 26. „ 1914 6h 45’ Th 38’ 5h 4h 47' 6 a alaıel 6h 30’ Th 44' 2 - 4h 39’ 6 253, | 7h 7h 40’ 5h 15’ 4h 46’ Durchschnitt een a: 6h 35’ 7h 40’ 5h 54' 4h 27' Differenz 0 2.023 — 15 05’ —_ + 15 27’ == Aus der Tabelle ereibt sich, dass die Goldfische im Durch- schnitte in den Monaten Dezember und Januar ihre Tagesaktivität 1 Stunde vor dem Sonnenaufgange und ihre Nachtruhe 1'/2 Stunden nach dem Sonnenuntergange beginnen. 1) Die Stunden des Sonnenaufganges und Sonnenunterganges habe ich dem „Astronomischen Kalender für 1913, herausgeg. von der k. k. Sternwarte zu Wien“ entnommen. Eine Methode zur Untersuchung der Ruhe- und Aktivitätsperioden etc. 365 Die Goldfische gehören also zu den Tag- und Abendtieren, denn ihre Perioden der Ruhe und Aktivität werden scheinbar durch das Licht reguliert. Der letzte Befund steht im Einklange mit den Beobachtungen von Polimanti!), der dem Licht neben den Temperaturschwankungen die Hauptrelle in der Regulation der Aktivität bei Seefischen und Seetieren überhaupt zuschreibt; bloss die Seetiere seien im Gegenteile zu den Goldfischen hauptsächlich Nachttiere. IV. Amphibien. Der Aktograph, den ich für Amphibien und höhere Landtiere (s. unten) benützte, war folgendermaassen konstruiert. In einem Holzbrett war eine Vertiefung ausgehöhlt und mit einer dünnen Guttaperchamembran von oben luftdieht geschlossen. Der so ent- standene zylindrische Luftraum (1 em hoch, 9 em im Durchmesser, also Volumen —= 63,5 eem) stand durch einen Kanal mit der Aussenwelt in Verbin- dung. Das äussere Ende des Kanals war mittels eines Schlauches mit einer Marey- schen Schreibkapsel ver- bunden. _ Auf der Membran, die Schlauch zur den Luftraum von oben ab- ae ee schloss , war eine dünne Fig. 18. Aluminiumplatte mit einem in der Mitte vertikal stehenden Aluminiumstabe; auf den letzteren wurde ein runder Aluminiumkäfig (20 em Durchmesser, 5 em hoch) aufgeschraubt. Der Käfig wurde von oben mit einem Deckel aus Drahtnetz bedeckt (Fig. 18). ‚Schon diese kurze Beschreibung und die Figur veranschaulichen die Wirkung des Apparates. Diese war gleich der Wirkung einer grossen Marey’schen Kapsel. Die Bewegungen des Versuchstieres im Käfige wurden durch den Käfigboden, den Käfiestiel bis zum Luftraume geleitet, wo die Luftwellen erzeugt wurden, die durch den Schlauch zu einer auf der Fig. 18 nicht sichtbaren Marey’schen Käfıg Membran 1) Polimanti, Activite et repos chez les animaux marins. Extr. du Bull. de /’Inst. Gen. Psych. 1911, 11me an. 366 .J. 8. Szymanski: Kapsel geleitet wurden; eine auf der letztgenannten Kapsel an- gebrachte Schreibspitze registrierte dann die Bewegungen auf der Trommel des oben beschriebenen Kymographions. Ich möchte gleich hier erwähnen, dass der Apparat sich als ausserordentlich empfindlich erwiesen hat. Als Versuchstiere habe ich Feuersalamander, die ich mit etwas feuchtem Moos und ein paar Mehlwürmern in den Apparat setzte, benützt. Die Versuche fanden in einem Raum statt, der ungefähr die gleiche Temperatur hatte wie die Temperatur des ständigen Aufenthaltsortes der Tiere. Da ich meine Versuche in den Monaten Fig. 19. I Typische Kurven für Salamander (Nr. 6: 22. November 1913 von 81/e—91/2 Uhr vormittags). II Die einzige beobachtete Bewegungsart (Nr. 2: 8. November 1913 von 8%/a—91/4 Uhr abends). November bis Januar angestellt habe, waren die Salamander im Zu- stande der Winterstarre. Die einzige Kurvenart, die ich bekommen habe, war in der Form einer geraden, nicht gewellten Linie; bloss ein einziges Mal bei einem einzigen Tiere (2) zeigte die Linie kleiue Zacken, die jedoch so klein und undeutlich waren, dass man nur schwer von einer richtigen Bewegung reden kann (Fig. 19). Die Wirkung des Apparates kontrollierte ich in der Weise, dass ich im Anfang des Versuches genau die Lage des Tieres im Käfig auf einem Papierstück markierte; nach dem Schluss der Versuche, also nach Verlauf von 24 Stunden, verglich ich die früher markierte Lage mit der, die ich jetzt vorfand; in den meisten Fällen war die Lage gar nicht geändert; nur selten war die relative Lage der einzelnen Körperteile verschoben. Auf Grund dieser Befunde möchte ich glauben, dass die Sala- mander in den Monaten November bis Januar sich im Zustande der Eine Methode zur Untersuchung der Ruhe- und Aktivitätsperioden etc. 367 absoluten Ruhe befanden. Die typische Aktivitätskurve für diese Tiere in der obenerwähnten Jahreszeit hätte also die Form, welche die Fig. 20 zeigt. Dementsprechend war der Beweglichkeitsquotient gleich Null, wie dies die Tabelle IV ergibt, welche die Übersicht über die Ver- suche geben soll (Tab. IV). Fig. 20. Für Salamander typische Kurve in den Monaten November bis Januar. Tabelle IV. Nummer des Tieres Datum | Q 29. Oktober 1913 ) 17. Dezember 1913 11. Januar 1914 8. November 1913 18. 5 1913 L n 1913 2. e 1913 18. Dezember 1913 21. November 1913 228 A 1913 J S[OUUPBVDHrHH m co 368 J. S. Szymanski: V. Vögel. Für die Vögel wurde der gleiche Aktograph wie für die Unter- suchung der Salamander verwendet, mit dem einzigen Unterschied, dass der Aluminiumkäfig oben offen gelassen wurde; auf dem Boden desselben wurden zwei getrennte vertikale Stäbchen mit Sitzstangen befestist. Über das Ganze wurde ein von oben und unten offener Glaszylinder (22,5 em im Durchmesser, 26 em hoch) derart gestellt, dass die unteren Ränder desselben sich auf der hölzernen Fassung, in deren Mitte sich der Luftraum befand, stützten; zwischen den Wänden des Käfigs und den Wänden des Zylinders war ein Abstand von über 1 cm, so dass der Käfig in keine Berührung mit dem Zylinder kommen konnte; von oben war der Zylinder mit einem Drahtnetz bedeckt. Auf diese Weise wurde das Käfigvolumen ver- grössert, ohne die Empfindlichkeit des Apparates herabzusetzen. Als Versuchstiere dienten mir Kanarienvögel (gemeine deutsche Rasse), mit Ausnahme von Nr. 4 sämtlich Weibchen. Bei jedem Versuch wurde den Vögeln in den Käfig Futter, Sand und Wasser mitgegeben; die Versuche fanden in einem Zimmer statt, das an- nähernd die gleiche Temperatur hatte wie die Temperatur des ständigen Aufenthaltsortes der Tiere. Die Kurvenarten, welche die Schreibspitze registrierte, waren viererlei (Fig. 21): l. Eine gerade Linie ohne irgendwelche Zacken; diese Linie ent- sprach dem Zustande der absoluten Ruhe (Fig. 21 Abb. 4). 2. eine gerade Linie mit vereinzelt stehenden kleinen vertikalen Strichen; diese Linie entsprach dem Zustande der relativen Ruhe (Fig. 21 Abb. 3). 3. eine Linie, die aus dicht nebeneinanderstehenden kleinen vertikalen Strichen bestand: diese Linie entsprach dem Zu- stande der geringen Beweglichkeit, d. h der Vogel führte bloss Bewegungen mit einzelnen Körperteilen aus, ohne eine bestimmte Stelle im Käfig zu verlassen (Fress-, Putz-, Kratzreflexe usw. (Fig. 21 Abb. 2). 4. eine Linie, die aus dicht nebeneinanderstehenden vertikalen Strichen von bedeutender Höhe bestand; diese Kurvenart ent- sprach dem Zustande der lebhaften Beweglichkeit, d. h. der Vogel wechselte den Platz im Raume (Flug- und Hüpfbewegungen) (Fig. 21 Abb. 1). eg Eine Methode zur Untersuchung der Ruhe- und Aktivitätsperioden etc. 369 Die Verteilung der Ruhe- und Aktivitätsperioden bzw., wie dies sich bei Vögeln und Säugern (siehe weiter unten) wohl sagen lässt, Schlaf- und Wachperioden war ausserordentlich scharf und präzise Fig. 21. Kuwvenarten der Kanarienvögel: 1 lebhafte Beweglichkeit, 2 geringe Beweglichkeit, 3 relative Ruhe, 4 absolute Ruhe. (7 und 2 bezieht sich auf den Kanarienvosel Nr. 4, 14. Nov. 1913 von 1!/.—2!/a Uhr nachmittags. 3 und 4 be- zieht sich auf den Kanarienvogel Nr. 5, 13. Nov. 1913 von 5—5?/4 Uhr nachmittags.) Fig. 22. Die Kurve 1 zeigt den Übergang von der Ruhe zur Aktivität in den Morgenstunden (Erwachen); die Kurve 2 zeigt den Übergang von der Aktivität zur Ruhe in den Abendstunden (Einschlafen). Beide Kurven beziehen sich auf den Kanarienvogel Nr. 4, Kurve 17 am 16. Dez. 1913, Kurve 2 am 15. Dez. 1913 aufgenommen. ausgesprochen, und zwar fällt die Aktivitätsperiode mit den Tages- stunden, die Ruheperiode mit den Nachtstunden zusammen. Der Übergang zwischen beiden grossen Perioden war deutlich und scharf, wie dies Fig. 22 zeigt. 370 J. 8. Szymanski: Um nun einen typischen Fall des Verlaufes eines 24 stündigen Zyklus in den Herbstmonaten anzuführen, möchte ich auf das nächst- folgende Diagramm hinweisen (Fig. 23). Das in der Fig. 23 abgebildete Diagramm ist typisch für die Verteilung der Ruhe- und Aktivitätsperioden in den Herbstmonaten. Was zunächst die Aktivitätsperiode betrifft, zeigt dieselbe eine grosse und langdauernde Steigerung in den Morgenstunden; in den Nachmittagsstunden fällt die Aktivität, um mit grosser Konstanz vor Fig. 23. Für Kanarienvögel charakteristische Kurve während der Herbstmonate (Nr. 1: 1. Okt. 1913). dem Eintreten der Nachtruhe wieder 'eine Steigerung zu zeigen, nach welcher der Schlaf mehr oder weniger unmittelbar eintritt. Dieser Verlauf der Wachkurve stimmt vollkommen mit dem Verlauf der Wachkurve des Menschen überein, wie dies sich aus dem folgenden Charakteristikum dieser Kurve beim Menschen, das ich Helpach!) entnehme, ergibt: „Die Wachkurve würde kurz nach dem Erwachen rasch auf ihren Gipfel steigen, dort kürzer oder länger verweilen, dann absinken und nieht weit vor dem Übergang zum abendlichen Schlafbedürfnis noch einen kleinen Anstieg aufweisen.“ 1) Helpach, Die geopsychischen Erscheinungen S. 183. 1911. Eine Methode zur Untersuchung der Ruhe- und Aktivitätsperioden etc. 371 Die Schlafkurve scheint sich in Abhängigkeit von der Jahres- zeit zu ändern: In den Herbstmonaten (Oktober) sinkt die Kurve in den ersten Nachtstunden bis zur absoluten Ruhe (grosse Schlaf- tiefe); nach Mitternacht bis zum Erwachen steigt hier und da die Kurve auf das Niveau der relativen Ruhe (mehr oberflächlicher Schlaf, vgl. Fig. 23). Dies stimmt wieder im grossen und ganzen mit dem Verlauf der Schlafkurve beim Menschen). In den Winter- monaten (November—Januar), wenn die Periode der Tagesaktivität Fig. 24. Die Kurve zeigt einen mehr oberflächlichen Schlaf in den Nachtstunden während der Wintermonate (Nr. 5: 15. Nov. 1913). kürzer, die Nachtruhe länger wird, scheint die Schlaftiefe weniger gross zu sein; denn die Schlafkurve verbleibt fast während der ganzen Nacht auf dem Niveau der relativen Ruhe, wie dies in Fig. 24 deutlich zu sehen ist. Es scheint also ein Antagonismus zwischen der Schlafdauer und Schlaftiefe zu bestehen. Als Seitenstück möchte ich gleich in diesem Zusammenhang eine andere Tatsache erwähnen, und zwar scheint es, 1) Vgl. hierzu „Normale Schlaftiefenkurve“, welche Kraeplin auf Seite 239 des ersten Bandes seiner „Psychiatrie“ (8. Aufl. 1909) gibt; oder „Courbe de la profondeur du sommeil“ (in Claparöde Esquisse d’une theorie biologique du sommeil,. Arch. de Psych. t. 4 p. 267 fi. 1905). 312 J. S. Szymanski: Tabelle V. Nummer des Tieres Datum Q und Geschlecht - 12 12 1. Oktober 1913 re | same | Bi ar 1 11,25 1.® 3% „ 1913 10,5 — (0,88 11,75 19 Tr 15 0 125 12 9. is 1913 10,15 — (,88 | 10,50 [9] b) 1 ® 12. E 1913 13,50 0,77 12 22 2, x 1913 2 1 11,75 22 4. A 1913 19.25 — 0,95 12 2 — = 22 6. hs 1913 19 1 as a 22 8. 5 1913 25 0,95 11,50 9 I NpeL 22 10. 5 1913 12,50 0,92 29 13. ‚Novbr. 1913 ee geo || Ku Dineh.einnu: 14,75 1195 im Oktober —= 0,89 39 16. Oktober 1913 —— = 0,88 „ Novbr. = 0,66 12,75 10 „ Dezbr. = 0,72 39 16. Novbr. 1913 mi = 0,71 „ Januar = 0,58 11,25 4& 14. Oktober 1913 95 — (0,88 DNS 4d 14. Novbr. 1913 105 — (HS 4& 15. Dezbr. 1913 n- — UM N 1 Amen 1 > — 0,60 59 | 15. Oktober 1913 5 _ go 5 Ei 10 52 15. Novbr. 1913 Tre — (0,71 99 14. Dezbr. 1913 — — (N x 8,75 59 13. Januar 1914 15,25 —097 62 94. Novbr. 1913 2 — 0,71 8,25 79 5 ale 175 02 Eine Methode zur Untersuchung der Ruhe- und Aktivitätsperioden etc. 373 als ob die Intensität der einzelnen Bewegungen mit der Verkürzung der ganzen Aktivitätsperiode sich steigerte; wenigstens habe ich be- obachtet, dass die Höhe der einzelnen Ausschläge in den Herbst- monaten (Oktober), wo die Aktivitätsperiode länger dauerte, grösser war als in den Wintermonaten (November— Januar), in welchen die Aktivitätsperiode kürzer währte (Fig. 25). Fig. 25. Die Kurven sollen die Steigerung der Kraft der einzelnen Bewegungen in Abhängigkeit von dem Jahresmonat veranschaulichen. Beide Kurven beziehen sich auf den Vogel Nr. 5, beide in gleicher Tageszeit (von 7% bis 8/4 Uhr vormittags) aufgenommen; Kurve 7 am 16. Okt., Kurve 2 am 16. Nov. 1913 aufgenommen. Ich will nun zu zahlenmässigen Resultaten übergehen, die in der Tabelle V (S. 372) zusammengefasst sind. Wie die Tabelle zeigt, ändert sich der Beweglichkeitsquotient in dem Sinne, dass er von Oktober bis Januar im Durchschnitt ab- nimmt; d.h. die Aktivitätsperiode wird immer kürzer, die Ruhe- periode im Gegenteil verlängert sich mehr. Tabelle VI. Anfang der Anfang der Dakar Tagestätigkeit Sornez- Nachtrahe Sonnen- (Mittelzahl von aufgang (Mittelzahl von | untergang Nr. 4 und 5) Nr. 4 und 5) 15. Okt. 1913 6h 07’ 6h 20’ Huloy DES 15. Nov. 1913 6h 30' 7h 08’ 4h 22 4h 21’ 15. Dez. 1913 7h 15’ 7h 46’ 4h 15’ 4h 05' 15. Jan. 1914 zn 15" 7h 49' 4h 30' 4h 30’ Durchschnitt. . . 6h 46’ 7h 12' 4h 32' 4h 928’ Differenz . .. . — 26’ — +04’ — Um diese Erscheinung, welche augenscheinlich in Abhängigkeit von den Veränderungen der Tages- und Nachtdauer stand, näher J. S. Szymanski: Fig. 26. Die Kurven sollen die Beziehung zwischen Licht- und Aktivitätsperioden bei den Kanarien- vögeln veranschaulichen. Die Kurve I zeigt die Beziehung zwischen Erwachen (ausgezogene Linie) und Sonnenaufgang (gestrichelte Linie. Die Kurve ZI zeigt die Beziehung zwischen Einschlafen (ausgezogene Linie) und Sonnenuntergang (ge- strichelte Linie). (In beiden Kurven sind auf der Ordinate Monate, auf der Abszisse Vormittags- beziehungsweise Nachmittagsstunden aufgetragen.) Die Kurve III zeigt die Beziehung zwischen Be- weglichkeitsquotient (ausgezogene Linie) und dem Verhältnis zwischen Tagesdauer zur Nachtdauer (gestrichelte Linie); auf der Abszisse sind die Monate aufgetragen. (Auf ?/s verkleinert.) zu analysieren, wählte ich zwei Vögel: Nr. 4 & und Nr.59. Diese Vögel wurden vom Oktober bis zum Januar immer am 15. jedes Monats unter- sucht (vgl. Tabelle V). Dann stellte ich in der Tabelle VI zusammen einerseits die Stunden (Mittelzahl von beiden Vögeln) des Anfanges der Tagesaktivität bzw. der Nachtruhe, andererseits die Zeit des Sonnenauf- ganges und Sonnenunter- ganges (Tab.VI, S. 373). Die Tabelle ergab, dass die Kanarienvögelin den Monaten Oktober bis Januar ihre Aktivität eine halbe Stunde vor dem Sonnenaufgang be- einnen und dieselbe ge- nau mit dem Sonnen- untergang beendigen. Die Beziehungen zwischen Licht und Ak- tivität sollen auch auf der Fig. 26 graphisch dargestellt sein. Die Kanarienvögel haben sich also als aus- gesprochene Tagtiere er- wiesen, was übrigens schon längst allen Ka- narienzüchtern wohlbe- kannt ist. Nun wollte ich den Einfluss der Eine Methode zur Untersuchung der Ruhe- und Aktivitätsperioden etc. 375 Dunkelheit auf den Verlauf der Ruhe- und Aktivitätsperioden unter- suchen. Zwecks dieser Untersuchung liess ich die Vögel die Kurven schreiben, indem der Versuchsraum während der ganzen Dauer des Versuches, also während der 24 Stunden, verdunkelt war. Alle anderen Versuchsbedingungen blieben unverändert. Das Diagramm in Fig. 27 zeigt deutlich den Einfluss der Dunkel- heit auf den Verlauf des 24stündigen Zyklus. Fig. 27. Die Kurve zeigt die Herabsetzung der Beweglichkeit der in Dunkelheit gehaltenen Kanarienvögel (Nr. 4: 22. Okt. 1913). Aus dem Diagramm, das einen typischen Fall darstellt, ergibt sich zunächst, dass die Verteilung der Ruhe- und Aktivitätsperioden im grossen und garzen unverändert bleibt. Was die Kurve im Ver- eleieh mit der normalen Kurve auszeichnet, ist die quantitative Herabsetzung der Aktivität in der Tageszeit und zeitweise anormale Unterbrechung der Nachtruhe durch kurzandauernde Perioden der herabgesetzten Aktivität, was ich in der normalen Kurve nie be- obachtet habe. Die Tagesaktivität erreichte nie die Stufe der leb- haften Beweglichkeit, und sie sank öfters bis zur absoluten Ruhe; die Perioden der Ruhe in der Tageszeit habe ich bei den Kanarien- vögeln, die unter den normalen Bedingungen untersucht wurden, nie beobachtet. Um den Unterschied zwischen den Vöceln, die unter Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd. 158. 25 310 J. S. Szymanski: normalen Bedingungen untersucht worden waren, und solchen, die in der Dunkelheit untersucht wurden, klar zu zeigen, möchte ich auf die Fig. 28 hinweisen, welche die Unterdrückung der Aktivität durch die Dunkelheit besonders gut demonstriert. Fig. 23. Hemmung der Beweglichkeit durch Dunkelheit. Beide Kurven beziehen sich auf denselben Vogel Nr. 3, aufgenommen in derselben Tageszeit (von 7—8 Uhr vormittags); Kurve 7 am 28. Nov. 1913 (Vogel in Dunkelheit gehalten), Kurve”2 am 16. Nov. 1913 (unter normalen Verhältnissen). Die Dunkelheit unterdrückte nicht bloss die Intensität der einzelnen Bewegungen; sie setzte auch den Gesamtbetrag der Aktivität herab. Diese Tatsache ergibt sich aus der Tabelle VII, in welcher _ die Werte der Beweglichkeitsquotienten für sämtliche von mir unter- suchten Fälle angegeben. sind. Tabelle Vl. Nummer | des Tieres Datum Q u. Geschlecht | 4,25 a (9) ? Rs 22 20. Oktober 1913 19,15 0,26 8,50 [9] ? BEE 32 28. 5 1913 1550 0,61 3 en, 4d 22. 1913 1650 0,45 E r Be 62 26. November 1913 17,50 0,37 78 7 oa m gs Eine Methode zur Untersuchung der Ruhe- und Aktivitätsperioden etc. 377 Der Durchschnittswert des Beweglichkeitsquotienten für die Vögel Nr. 2, Nr. 3 und Nr. 4 im Oktober war 0,90; der Durchschnitts- wert des Quotienten für dieselben Tiere, welche in demselben Monat in Dunkelheit untersucht waren, ist bloss 0,44. Die gleichen Zahlen für die-Nr. 6 und Nr. 7 im November waren 0,61 und 0,40. Die Dunkelheit kann also den Gesamtbetrag der Aktivität auf die Hälfte reduzieren. Ein anderer Versuch, der den Einfluss der Dunkelheit auf den normalen Verlauf des 24stündigen Zyklus zu prüfen bezweckte, be- Fig. 29. Vermutlicher Einfluss des vorhergehenden längeren Verweilens in Dunkelheit (vom 25. Nov. 1913 bis 5. Febr. 1914); die Kurve wurde in Dunkel- ‚heit aufgenommen (am 5. Febr. 1914, Nr. 7). stand darin, dass ich die Vögel Nr. 6 und 7 zunächst unter normalen Bedingungen und in der Dunkelheit untersuchte (vgl. Tab. V und VI). Nachdem ich festgestellt hatte, dass die Tiere in beiden Fällen keine Abweichungen von der Norm zeigten, hielt ich die Tiere ununter- brochen während der 73 Tage (vom 25. November 1913 bis 5. Fe- bruar 1914) in vollkommener Dunkelheit. Unmittelbar nachher unterzog ich die Vögel der Untersuchung, ohne sie dem Lichte aus- zusetzen, zunächst in der Dunkelheit und nachher, nachdem die Vögel einige Stunden im halbdunklen Zimmer untergebracht worden waren, unter normalen Verhältnissen. Die beiden Kurven, die unter normalen DIE 378 J. S. Szymanski: Bedingungen aufgenommen waren, und die Kurven von Nr. 6 in der Dunkelheit zeigten keine nennenswerten Abweichungen von der Norm. Anders aber die Kurve von Nr. 7, die in der Dunkelheit aufgenommen wurde. Diese Kurve zeigt die Verschiebung der Aktivitätsperiode um ca. 5!/e Stunden; d.h. der Vogel begann seine Tagesaktivität erst um ®/a12 Uhr vormittags und beendigte sie um ca. !/al0 Uhr abends. Die Fig. 29 zeigt das diesbezügliche Diagramm. Die ganz ungewöhnliche Verschiebung lässt sich vielleicht als Nachwirkung der vorher längere Zeit einwirkenden Dunkelheit auf- Fig. 30. Prämortale Hyperaktivität (Polimanti). (Nr. 1 wurde in der Dunkel- heit vom 21.—22. Okt. 1913 gehalten, am 23. Okt. 1913 gestorben.) fassen. Jedenfalls taucht hier ein Problem auf, und zwar das: ob nicht durch genügend langes Halten der Tiere in der Dunkelheit sich ein von der Norm ganz abweichender Typus in bezug auf die Ruhe- und Aktivitätsperioden erzeugen liesse? Besonders aussichts- voll wäre es, die Versuche an neugeborenen Vögeln zu unternehmen. Zum Schluss möchte ich noch einen Fall, welcher mir bemerkens- wert erscheint, kurz erwähnen. Der Vogel Nr. 1, der vom 21. bis 22. Oktober 1913 in der Dunkelheit untersucht wurde, zeigte eine ungewöhnliche motorische Erregung. Seine Aktivitätsperiode dauerte 22 Stunden, und bloss 2 Stunden blieb er in der relativen Ruhe (Fig. 30). Eine Methode zur Untersuchung der Ruhe- und Aktivitätsperioden etc. 379 Der Charakter der Beweglichkeit war von der Norm durchaus abweichend; der Vogel führte während der 5—10 Minuten ein paar kräftige Bewegungen aus, dann blieb er eine Zeitlang (ca. 15 Mi- nuten) ruhig, um sich wieder 5—10 Minuten zu bewegen usw. (Fig. 31 Abb. 2). Einen Tag nach dem Versuch starb der Vogel. Es handelte sich hier augenscheinlich um eine krankhafte Erreeung infolge der Reizung durch pathogene Agentien, oder, um mit Polimanti!) zu reden, der Vogel zeigte die Erscheinung der „prämortalen Hyper- aktivität“. Fig. 31. Prämortale Hyperaktivität (Nr. 1 und Nr. 2 in den gleichen Nacht- stunden, und zwar von 121/«—1!/4 Uhr aufgenommen); Kurve 7 am 1. Okt. 1913 (diese Kurve dient zum Vergleich), Kurve 2 am 21. Okt. 1913. Beide Kurven beziehen sich auf denselben Vogel Nr. 1 VI. Säugetiere. Als Versuchsobjekte dienten mir weisse und graue Mäuse; der Aktograph und die Versuchsanordnung waren dieselben wie bei den Versuchen mit Salamander mit der Ausnahme, dass statt feuchten Mooses trockene Baumwolle und statt der Mehlwürmer das ent- sprechende Futter und Wasser gegeben wurden. Die Versuche fanden in einem Raum statt, der annähernd die gleiche Temperatur hatte wie der ständige Aufenthaltsort der Tiere. Um mit den weissen Mäusen zu beginnen, waren die Kurven- arten, welche die Schreibspitze registrierte, dreifach (Fig. 32): 1. eine gerade Linie mit vielen, ganz kleinen vertikalen Strichen; diese Linie entsprach dem Zustande der relativen Ruhe (Fig. 32 Abb. 1); 1b) Io @& 380 J.S. Szymanski: „ 2. eine Linie, die aus dicht nebeneinanderstehenden vertikalen Striehen bestand; diese Linie entsprach dem Zustande der geringen Beweglichkeit, d.h. es führte die Maus bloss Bewegungen mit Hahn emo zn Fig. 32. Kurvenarten der weissen Maus: Kurve 1 relative Ruhe, Kurve 2 geringe Be- weglichkeit, Kurve 3 lebhafte Beweglichkeit (Nr. 4: 6. Dez. 1913 von 51/a—6 Uhr nachm.). einzelnen Körperteilen aus, ohne eine bestimmte Stelle im Käfig zu verlassen (Fress-, Putz-, Kratzreflexe usw.) (Fig. 32 Abb. 2); 3. eine Linie, die aus dicht nebeneinanderstehen- den vertikalen Strichen von bedeutender Höhe bestand; diese Kurvenart entsprach dem Zustande derlebhaften Beweglichkeit; d.h. es wechselte das Tier als ganzes den Platz im Raume (Fig. 32 Abb. 3). Fig. 33. Für weisse Maus charakteristische 24-Stunden-Kurve (Nr. 2: 4.—5. Dez. 1913). ‚Die Verteilung der Ruhe- und Aktivitätsperioden bzw. Schlaf- und Wachperioden war bei den weissen Mäusen ausserordentlich interessant. Der 24stündige Zyklus bestand nämlich nicht aus je einer grossen Ruhe- und Aktivitätsperiode wie bei Kanarienvögeln (Augetiere), sondern aus vielen kleinen regelmässig wechselnden Eine Methode zur Untersuchung der Ruhe- und Aktivitätsperioden etc. 38] Schlaf- und Wachperioden. Das Diagramm in Fig. 33, welches einen typischen Fall darstellt, zeigt diese Verhältnisse besonders deutlich. Die Anzahl dieser kleinen Perioden im Verlaufe eines 24stündigen Zyklus war bei weissen Mäusen im Durchschnitt je 16,2 Aktivitäts- bzw. Ruheperioden; der Beweglichkeitsquotient war im Durchschnitt ca. 1, d.h. der Gesamtbetrag der Aktivität war annähernd gleich dem Gesamtbetrag der Ruhe. Diese Daten ergeben sich unmittelbar aus der Tabelle VIII, welche die zahlenmässigen Resultate der Ver- suche zusammenfasst. Babelle vie Die Anzahl der Nummer 3 : - | Ruhe- (bzw. Ak- des Tieres Datum Q tivitäts-) Perioden und Geschlecht in 24 Stunden : 12 180) 30. Oktober 1913 mo! 14 1 1. November 1913 ” ? 12 202 7: n 1913 = 1 14 200 4. Dezember 1913 = — 8 16 ; I 30EE DEN 3. Januar 1914 25 0,91 17 32 9. November 1913 = — a8 14 12,50 P 6) ES 32 9. Dezember 1913 11,50 1,08 15 12,25 302 4. Januar 1914 RT u 1,04 10 Los 4& 6. November 1913 1395 0,81 21 4d 6. Dezember 1913 28 1,23 22 ö DS. ® = 12,25 4d 5. Januar 1914 117 1,04 19 | Im Durchschnitt: 1,047 | 16,2 Jede Aktivitätsperiode bestand meistens aus den beiden Arten der Beweglichkeit (der geringen und der lebhaften), manchmal aber bloss aus der herabgesetzten Beweglichkeit. In solchen Fällen, wie ich dies manchmal beobachten konnte, konnten sich die Bewegungen auf die Fressrefiexe beschränken. Die Schlaftiefe der weissen Mäuse 382 J. S. Szymanski: war äusserst oberflächlich (vgl. Fig. 32 Abb. 1); absolute Ruhe war nie längere Zeit zu beobachten. Ähnliche Verhältnisse zeigten die von mir untersuchten grauen Mäuse, mit dem Unterschied, dass in diesem Fall die Anzahl der Ruhe- und Beweglichkeitsperioden im Durchschnitt zusammen je 19,25 war und dass @ — 0,75 war (Fig. 34, Fig. 35 und Tabelle IX). | ea ee 1 Se HN als a nr REES er Fig. 34. Kurvenarten der grauen Maus: Kurve 7 relative Ruhe, Kurve 2 geringe Beweglichkeit, Kurve 3 lebhafte Beweglichkeit (Nr. 5: 11. Nov. 1913 von 81/a Uhr bis ca. 9 Uhr 40 Minuten abends). an lie I 2 Fig. 35. Für die graue Maus charakteristische 24-Stunden-Kurve (Nr. 6: 12.—13. Nov. 1913). (Tabelle IX siehe auf S. 383.) - Die Ergebnisse meiner Versuche an den Mäusen möchte ich kurz folgendermaassen formulieren: In 24 Stunden weist die weisse Maus im Durchschnitt 16 Ruhe- (Schlaf-) und 16 Aktivitätsperioden auf; je eine Periode dauert also Eine Methode zur Untersuchung der Ruhe- und Aktivitätsperioden etc. 383 Tabelle IX. Die Anzahl der Nummer und Geschlecht Datum Q ee des Tieres in 24 Stunden ee LTR j 59 11. November 1913 Dr; m 0,95 | 20 | OS, LU 5 59 9. Januar 1914 Er 0,81 15 10,25 Ir [9] In eh { 64 12. November 1913 13,75 0,74 23 850 6& | 10. Januar 1914 1550 954 19 | Im Drmaisdhmikie | 0,76 19,25 im Durehschnitt 45 Minuten. In der gleichen Zeit erlebt die graue Maus im Durchschnitt 19 Ruhe- (Schlaf-) und 19 Aktivitätsperioden ; je eine Periode dauert also im Durchschnitt 37,9 Minuten. Während der Ruheperioden schläft die Maus wirklich, wie ich dies durch wieder- holte Beobachtungen feststellen konnte (Schlafstellung, geschlossene Augen usw.); die Schlaftiefe ist aber sehr gering. Um nun die Be- deutung dieser Tatsache in die gewöhnliche Redeweise zu übertragen, kann man sagen, dass, während ein Augetier (Goldfisch, Kanarien- vogel, Mensch) in 24 Stunden bloss eine grosse Wachperiode und eine grosse Schlafperiode erlebt, die Maus in der gleichen Zeit 16 (bzw. 19) Wachperioden und 16 (bzw. 19) Schlafperioden durchmacht. Statt also eine „Nacht“ und einen „Tag“ zu erleben wie ein Auge- tier, macht sie 16 (bzw. 19) „Nächte“ und ebenso viele „Tage“ durch; statt einmal „schlafen zu gehen“ legt sich (im wahren Sinne des Wortes!) die Maus in der gleichen Zeit 16 (bzw. 19) Mal nieder, und sie steht in der gleichen Zeit ebenso viele Male auf. Hier liegt ein ausserordentlich interessantes Problem für die weitere Forschung vor. Es scheint nämlich, als ob die Verteilung der Ruhe- und Aktivitätsperioden von der Präponderanz dieses oder jenes Sinnes in dem normalen Leben der Spezies abhängen sollte. Wenn die Hauptrolle im Sinnesleben der Spezies das Auge spielt, ist es das Licht, das das Verhalten in bezug auf Ruhe und Aktivität regelt. Bei der Präponderanz, die die anderen Sinne haben (Geruchs-, Gehör-, kinästetischer Sinn), sind es andere Faktoren, welche eine abweichende Verteilung der Ruhe- und Aktivitätsperioden herbei- 384 J. S. Szymanski: führen. Welcher Art sind nun diese Faktoren? Steht die ver- schiedene Verteilung der Ruhe- und Aktivitätsperioden in kausalem Zusammenhang mit den verschiedenen Reaktionszeiten und mit dem verschiedenen Grad der Muskelermüdbarkeit bei verschiedenen Tier- arten? — Das sind Fragen, welche, wie es mir scheint, zunächst ihrer Lösung harren. Vo. Schlussbetraehtung. Obwohl diese Arbeit lediglich die Prüfung der Methodik be- zweckte, ergaben sich dennoch aus den Versuchen einige Resultate, die ich folgendermaassen kurz zusammenfassen möchte: 1. Die Schaben bleiben den Tag und die Nacht über meistens in vollkommener Ruhe; bloss in den Abendstunden zeigen sie die längere Periode der lebhaften Beweglichkeit. Diese „Hauptperiode der Aktivität“ dauert im Durchschnitt von 7 Uhr bis 10 Uhr 30 Min. abends. 2. In allen von mir geprüften Fällen verhielten sich die Schaben so, als ob die inneren Impulse die Oberhand über die äusseren sonst wirksamen Reize (Licht, Temperaturdifferenzen, Schwer- kraft) in der Hauptperiode der Aktivität hätten. | 3. Die Verteilung der Perioden der relativen Ruhe und der Aktivität bei Goldfischen fällt mit der Wechselfolge der Tages- und Nachtstunden zusammen, und zwar so, dass die Perioden der Aktivität auf die Tages- (und an die der relativen Ruhe auf die Nachtstunden fallen. | 4. Die Salamander befanden sich in den Monaten November bis Januar im Zustande der absoluten Ruhe. 5. Die Verteilung der Schlaf- und Wachperioden ist bei Kanarienvögeln scharf und präzise ausgesprochen, und zwar fällt die Aktivitätsperiode mit den Tagesstunden, die Ruheperiode mit den Nachtstunden zusammen. | 6. Der Verlauf der Wachkurve bei den len röraln stimmt vollkommen mit dem Verlauf der Wachkurve des Menschen überein; ebenfalls zeigt der Verlauf der Schlafkurve die Überein- stimmung mit dem Verlauf der Schlafkurve bei Menschen. 7. Es scheint bei Kanarienvögeln ein Antagonismus zwischen der Schlafdauer und Schlaftiefe zu bestehen. 8. Die Dunkelheit unterdrückt bei Kanarienvögeln nicht bloss die Intensität der einzelnen Bewegungen, sie setzt auch den Gesamtbetrag der Aktivität herab. Eine Methode zur Untersuchung der Ruhe- und Aktivitätsperioden etc. 385 9. In 24 Stunden weist die weisse Maus im Durchschnitt 16 Ruhe- (Schlaf-) und 16 Aktivitäts-(Wach-)Perioden auf; je eine Periode dauert im Durchschnitt 45 Minuten. In der gleichen Zeit erlebt die graue Maus im Durchschnitt 19 Schlaf- und 19 Wach- perioden; je eine Periode dauert also im Durchschnitt 37,9 Minuten. Während der Ruheperioden schlafen die Mäuse wirklich; die Schlaf- tiefe ist aber sehr gering. 386 J. S. Szymanski: Lernversuche bei weissen Ratten !). Von Dr. 3. S. Szymanski. (Mit 5 Textfiguren.) I. Einleitung. Die vorliegende Untersuchung bezweckte, folgende Probleme in Angriff zu nehmen: 1. Die Schnelligkeit festzustellen, mit welcher die Ausbildung einer durch verschiedene Sinnesorgane vermittelten Assoziation zustande kommt; 2. zu prüfen, in welcher Weise der nicht unmittelbar rezipierte, früher wirksame Reiz das Verhalten (die gewohnheitsmässige Be- wegungsrichtung) ändern kann; 3. zu versuchen, die individuellen Differenzen in der Assoziations- bildung und die Gedächtnistypen festzustellen ; 4. das Verhältnis zwischen dem Verlauf des Frlernens und dem Verlauf des Vergessens zu erforschen. Das letztere Problem konnte ich infolge verschiedener Umstände, die keineswegs von mir abhingen, überhaupt nicht in Angriff nehmen. Die übrigen Versuche aber fasse ich lediglich als methodische Vor- bereitung zu weiteren, vollständigeren Untersuchungen auf, die ich in Zukunft, wenn es die Umstände erlauben, ausführen möchte. II. Methodik. Die Methode, die zur Untersuchung dieser Probleme dienen sollte, bestand darin, dass ich in einem Apparate die Vorbedingungen zur sukzessiven Ausbildung der verschiedenen Assoziationen verbinden 1) Diese Arbeit wurde im physiologischen Institute der Universität Wien unter der Leitung des Herrn Prof. A. Kreidl ausgeführt. Es ist mir eine angenehme Pflicht, Herrn Prof. A. Kreidl meinen besonderen Dank für sein Entgegenkommen und für seine Kritik meiner Versuche an dieser Stelie auszusprechen. Lernversuche bei weissen Ratten. 387 wollte; die Tiere sollten, sozusagen in einem Zug, direkt aufeinander- folgende Teile eines einheitlichen Apparates durchlaufen. Jeder dieser Teile sollte die zur Ausbildung der verschiedenen Assoziationen notwendigen Vorbedingungen bieten. _ Da ich die Versuche an weissen Ratten anstellen wollte, war der Apparat in seinen Dimensionen der Grösse der Tiere angepasst. Der Apparat selbst war ganz einfach; er © stellte die direkt aufeinander- folgende Verbindung eines‘ Labyrinthes (Smill, Wat- son usw.) mit einem leeren re- 3. lativ grossen Raum und einem sich daran anschliessenden Raum, dessen Einrichtung zur Prüfung der optischen Rezep- RB tionen mit Hilfe der elek- trischen Methode (Yerkes) dienen sollte, dar. Im ersten Teile des Apparates, den ich im weiteren der Kürze wegen durch A bezeichnen möchte, 2 sollten die Assoziationen auf Grund der kinästhetischen Re- zeptionen entstehen. Der A zweite Teil (DB) diente zur Prüfung der Überwindung der positiv stereotropischen Reaktion im Verlaufe der Aus- bildung der neuen Gewohnheit Fig. 1. Grundriss des Apparates zur n Untersuchung der Assoziationsbildung (= auf kürzestem Wege den ea INA. < Apparat zu verlassen). Der dritte Teil (CO) war zur Untersuchung der Assoziationsbildune auf Grund von optischen Rezeptionen bestimmt. Den Grundriss des Apparates, der bloss aus 30 cm hohen schwarz angestrichenen Seiten- wänden bestand, zeigt Fig. 1. HR 1: 388 48. Szymanski: Der Teil des Apparates, welcher zwischen 1—1—2—2 an- geschlossen ist, entspricht dem Teil A. Dieser Teil bestand aus den 8 em breiten Gängen (von d&—d) und aus einem 10 cm breiten Vorhof (a—b). Der Vorhof konnte durch zwei hölzerne Türen @ und 5b abgesperrt werden. Durch die Wand mn und die Tür c wurde dem Tiere der direkte Zugang in die Abteilung B gesperrt. Die Tür ec, die aus Drahtnetz hergestellt war, konnte entweder zwischen sp oder zwischen rt? befestigt werden; bei meinen Ver- suchen war sie stets bei »s angebracht. Das Versuchstier musste also erlernen, beim Verlassen des Vorhofes «b nach rechts zu laufen, um auf dem kürzesten Wege die Abteilung B zu erreichen. Die Wand mn war ebenso hoch wie die Seitenwände des Apparates (30 em); sie verdeckte vollkommen die Tür e und die nächst- folgenden Teile des Apparates. ee Die Glastür d, die nach Belieben durch ein System von Zug- rollen in jedem Moment von dem hinter dem Vorhof stehenden Beobachter geschlossen werden konnte, führte in die zweite Ab- teilung B (2—2—3—3). Diese Abteilung stellte einen 50x50 em grossen leeren Raum dar. Wie schon bekannt!), sind die weissen Ratten positiv stereotropisch; eine der Äusserungen dieses Tropismus besteht darin, dass die Ratten in einem grossen Raum stets entlang der Wände laufen, ohne sich in die Mitte zu wagen. In Abteilung D soll geprüft werden, ob die Ratten zu erlernen vermögen, den Punkt e von d aus auf dem direkten, kürzesten Wege d—e, statt auf dem Umwege d—2—3—e zu erreichen. Die Glastür e, die ähnlich wie die Tür d nach Belieben von dem hinter dem Vorhof stehenden Beobachter geschlossen werden konnte, führte in die Abteilung © (3—3—4—4). In der Abteilung C sollte die Fähigkeit der Ratten, sich von den optischen Reizen leiten zu lassen, geprüft werden. Diese Abteilung war 40 cm lang; ihre grösste Breite betrug ebenfalls 40 cm. Durch den 30 cm hohen hölzernen Kasten, welcher die Form eines Prismas hatte (u— x —y— u) und durch eine ebenso hohe 10 cm lange Scheidewand yz war die Abteilung C in zwei getrennte Räume geteilt. Der Ausgang aus derselben konnte durch die Tür g, die aus Drahtnetz verfertigt war, entweder links (9—x) oder rechts (« —-y) abgesperrt werden. Auf dem Niveau g—y endiste der eigentliche Apparat; denn 1) Vgl. z. B. meine Arbeit in Pflüger’s Arch. Bd. 143 (S. 46 ff). 1911. Lernversuche bei weissen Ratten. 389 der kurze 10 em lange Gang g—k—I—y diente bloss als Ver- bindungsstück zwischen dem Apparat und dem daran anschliessenden Wohnkäfig des Versuchstieres. Der prismatische hölzerne Kasten, dessen vordere Seite (u—y—u) 22 cm lang, dessen Länge (y--«) 12 em war, war folgendermaassen eingerichtet. In seiner ganzen Höhe war der Kasten durch eine Scheidewand xy, deren unmittel- bare Fortsetzung die Wand yz bildete, in zwei dicht voneinander abgeschlossene Teile (xyw) geteilt. In jedem Teil wurde eine elektrische Lampe aufgehängt, wie dies die Fig. 2 zeigt. Um die Wärme nach Mög- liehkeit zu eliminieren, wurde die Lampe in einen Asbest- . zylinder, der um 7 cm kürzer war als die Höhe des Kastens, eingeschlossen. Die Vorder- wände beider Teile des Kastens (Fig. 1 uy) entbehrten einer Holzwand; sie waren bloss durch eine Mattscheibe, die Holzwand his an den Boden reichte und % durch einen Schirm aus schwarzem Karton, der im Asbest Abstande von 7 em vom Boden Fig. 2. Parallel zur Achse xy (Fig. ı) Aufhörte, verschliessbar. Da durchgeführter Längeschnitt durch den die Breite eines jeden Kastens Kasten yan. (Fig. 1 uy) 9 cm betrug, konnte man auf diese Weise eine beleuchtete Pläche von 172 em im unteren Teil jeden Kastens erhalten. Vor dem Kasten, der die Lichtquellen Sinschloss, wurde eine Vorriehtung angebracht, die dem Versuchstiere einen elektrischen Schlag zuzuschicken ermöglichte. Diese Vorrichtung bestand darin, dass auf dem Boden eines mit Linoleum bespannten Brettes, auf welches der ganze Apparat gestellt wurde, vor dem Kasten uxu acht isolierte Metallplatten (je ca. °/s cm breit) befestigt wurden (Fig. 1 ff); die Entfernung zwischen zwei nebeneinanderliegenden Platten betrug ca. 0,2 cm. Alle geradzahligen Platten einerseits, alle ungeradzahligen Platten andererseits waren an ihren Enden miteinander verbunden. Die Verbindungsstücke waren mit einem Induktionsapparat verbunden, der durch einen Akkumulator betrieben SEhWanzeSERe ee, Papier Mattscheibe 390 J. S. Szymanski: wurde. Auf diese Weise konnten beim Durchfliessen des Stromes die paarigen Platten als eine, die unpaarigen als zweite Flektrode fungieren. Der Schlüssel zum Induktorium war am Tisch neben dem Vor- hof so befestigt, dass der Beobachter, der sich während der Versuche hinter dem Vorhofe befand, nach Belieben den Stroın auf das Ver- suchstier einwirken lassen konnte. Was die Intensität der Lichtreize betrifft, habe ich zunächst zwei Lampen, von zehn und zwei Kerzen, benützt; von diesen Lampen befand sich eine beim Versuche links, die andere rechts — oder umgekehrt. Auf der Seite, auf welcher die zweikerzigse Lampe brannte, wurde der Ausgang durch die Türe g abgesperrt; ich wollte auf diese Weise bei den Versuchstieren die Assoziation des stärkeren Lichtes und freien Ausganges entstehen lassen. Die Unterscheidung zwischen zehn und zwei Kerzen ist für das normale menschliche Auge ausserordentlich leicht. Da die bisherigen Untersuchungen !) vermuten liessen, dass die weissen Ratten ein nur schwaches Seh- vermögen besitzen, wählte ich diese für Menschen leicht zu unter- scheidende Lichtintensitäten. Nachdem indessen selbst diese leichte Unterscheidung sich nach ca. 50 Versuchen als zu schwer erwiesen hatte, verwendete ich bei jedem Versuche bloss eine zehnkerzige Lampe, welche in der einen Abteilung des Kastens untergebracht wurde, während die zweite Abteilung überhaupt ohne Licht blieb. Da ich aber befürchtete, dass die Wärme, welche trotz der Asbestumhüllung der nun bloss in einer Abteilung untergebrachten Lampe die Bewegungsrichtung beeinflussen könnte, liess ich in beiden Abteilungen je eine zehn- kerzige Lampe brennen. Bloss in der Abteilung, die dunkel bleiben sollte, verdeckte ich von innen die beleuchtete Fläche (vel. Fig. 2) licehtdieht mit schwarzem Papier. 1) Vgl. z. B. die folgenden Arbeiten: Watson, Kinaestetic and organic sensations; their role in the reactions of the white rat to the maze. Psych. Rev. Mon. Sup. vol. 8. 1907. — Bogardus and Henke, Experiments on tactual sensations in the white rat. Journ. of an. Beh. vol.1 p. 125. 1911. — Szymanski, Versuche, das Verhältnis zwischen modal verschiedenen Reizen in Zahlen aus- zudrücken. Pflüger’s Arch. Bd. 143 S.46ff. 1911. — Vincent, The function of the vibrissae in the Behavior of the white rat. Rev. Mon. vol. 1. 1912. — Lashley, Visual discrimination of size and form in the albino rat. Journ. of an. Beh. vol. 2 p. 310. 1912. Lernversuche bei weissen Ratten. 391 Um der mit Sicherheit zu erwartenden Entstehung einer auf der Wirkung kinästhetischer Reize basierenden Gewohnheit vorzubeugen, brachte ich in beiden Versuchen die wirksame Lichtquelle nicht etwa so an, dass einen Tag das Licht von rechts, den darauffolgenden Tag von links usw. auf das Tier wirkte, sondern die Reihenfolge war canz unregelmässig; die gleiche Serie wiederholte sich erst nach 20 Versuchen. Wenn der Buchstabe ! bedeutet, dass beim Versuche das Licht im linken Kasten untergebracht war, der Buchstabe », dass dasselbe für den rechten Kasten bestimmt war, so war die Reihenfolge !): an ae a erelelaln:: Die Versuche fanden in einem Zimmer statt, dessen Fenster mit schwarzen Vorhängen von solcher Dichte verdeckt waren, dass sie ebensoviel Licht durchliessen, als nötig war, um die Versuchs- tiere im Apparate sehen zu können. Die Versuche fanden immer um dieselbe Tageszeit (von I—3 Uhr Nachmittag) in demselben Raum bei ungefähr gleichbleibender Temperatur statt; täglich wurde mit dem Tier bloss ein Versuch ausgeführt. Nach jedem einzelnen Versuch mit jedem Tier wurde der ganze Apparat mit Wasser und Seife gereinigt, um etwaige Geruchsreize zu verwischen. Die Versuche habe ich mit zehn Tieren, fünf 2 und fünf & (Nr. 3, 4, 5, 6, 10) begonnen; nach kurzer Zeit sind sämtliche Weibchen infolge von Ektoparasiten zugrunde gegangen ?); die Männchen blieben von Parasiten verschont und waren bis zum Ende der Versuche lebhaft und fresslustig; im Verlaufe der Untersuchung hat sich als nötig erwiesen, noch vier Männchen (Nr. 11, 12, 13, 14), die zur Kontrolle dienen sollten, zu Versuchen zu verwenden. Da ich als Impuls zum Lernen hauptsächlich den Hunger ver- wenden wollte, erhielt jedes Tier das Futter und Wasser bloss einmal in 24 Stunden, und zwar gleich nach dem Versuche. Nach 2 bis 3 Stunden wurde der Rest des Futters und Wassers aus dem Wohn- käfıg entfernt, so dass das Tier bis zum nächsten Versuch, also 24 Stunden, fasten musste; die Ratten ertragen, soweit sich dies beurteilen lässt, sehr gut diese Diät. 1) Vgl. hierzu Szymanski, Lernversuche bei Hunden und Katzen. Pflüger’s Arch. Bd. 152 S. 310. 1913. 2) Alle Maassregeln, die ich ergriffen habe (wiederholte Reinigung der Wohn- käfige mit Lysol, Ol. anysi, Herb. absynthi pulv.), erwiesen sich als vollkommen unwirksam. Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd. 158. 26 392 J. S. Szymanski: Der Verlauf eines jeden einzelnen Versuches war folgender: Nachdem die Ratte in den Vorhof (Fig. 1 ab) gesetzt war und der Wohnkäfig (mit Futter und Wasser!) mit aufgehobener Seiten- wand dicht an den Ausgang des Apparates k—I gestellt war, wurde die Tür d aufgesperrt. Da der linke Ausgang von der Abteilung A in allen meinen Versuchen durch die Tür d abgesperrt war, musste die Ratte nach vielen Fehlern (im Anfange der Versuche!) schliesslich die Stelle pr erreichen (die Türen d und e blieben stetshinaufgezogen!!). Von der Stelle d lief das Tier entlang der Wände 2—3 (im Anfang der Versuche!) bis zum Eingang in die Abteilung © (bis h—i). Da in der Abteilung © bloss der Ausgang, der sich auf der gleichen Seite mit dem stärkeren Licht be- fand, offen blieb, musste schliesslich das Tier durch diesen Ausgang den Apparat verlassen, um den Wohn- käfıg mit Futter und Wasser zu finden. Das Resultat wurde als positiv aufgefasst, wenn die Ratte nach vielen Versuchen schliesslich erlernt hatte, den Apparat auf dem kürzesten Weg zu verlassen. Die gestrichelte Linie in der Fig. 3 zeigt diesen Weg. Während des Versuches befand a sich der Beobachter hinter dem Vor- Fig. 3. Der kürzeste Weg, auf dem hof; vor ihm lagen drei Stoppuhren un at N und für jedes Tier ein lithographierter Grundriss des Apparates im Maass- stabe 1:10 (gleich dem, der auf der Figur abgebildet ist). Mit der Stoppuhren maass ich die Zeit, die das Versuchstier für das Durch- laufen jeder Abteilung brauchte; auf dem Schema des Apparates wurde mittels einzelner Striche markiert, wie viele Male das Tier Sn S ad ara HT TEIc r Lernversuche bei weissen Ratten. 393 jeden Gang passierte. Da ich die Länge jeden Ganges genau kannte, konnte ich nachher berechnen, wieviel Zentimeter ein Tier in jeder Abteilung zurücklegte. Nr. 107. | Tier Nr. 3 3 März 1914 Fig. 4. Die Fig. 4 zeigt die zwei Protokollblätter; beide beziehen sich auf das Tier Nr. 3; das linke zeigt den Verlauf des fünften Ver- suches, das rechte den Verlauf des 107. Versuches. Die Rolle des Beobachters beschränkte sich während des Ver- suches nicht nur auf die Messungen; in der Versuchsserie, in der die Ratte einen elektrischen Schlag in der Abteilung C bekommen sollte, schickte der Beobachter dem Versuchstier, falls das letztere 26 * 394 er J. S. Szymansk : den falschen Gang betreten hat, einen elektrischen Schlag zu, und eleich darauf schaltet er wieder aus. Da ich die Schnelligkeit der Assoziationsbildung in allen Ab- teilungen vergleichen wollte, wollte ich zunächst in der Abteilung C keinen elektrischen Schlag verwenden. Nachdem jedoch nach ca. 30 Versuchen kein Erfolg zu verzeichnen war, schickte ich dem Versuchstier immer einen Schlag zu, wenn es in den Gang kam, der durch die zweikerzige Lampe beleuchtet war. Auch dieses Ver- fahren führte nach ca. 20 weiteren Versuchen zu keinem Ziel; dann änderte ich, wie schon oben gesagt, die Lichtreize so, dass bloss eine zehnkerzige Lampe eingeschaltet wurde; hingegen war der andere Gang in der Abteilung Ü im Dunklen gelassen. In diesen letzteren Versuchen bekam die Ratte immer einen Schlag, falls sie den dunklen Gang erwählte. Zum Vergleich, ob es nicht gelänge, bei dieser letzteren Ver- suchsanordnung ohne elektrischen Schlag zum Ziel zu kommen, stellte ich ausserdem die Versuche mit den Ratten Nr. 11, 12, 13, 14 an, ohne die „Strafmethode“ zu verwenden. Die Ratten 11 und 12 wurden gelehrt, in der Abteilung C den beleuchteten Gang zu wählen; die Ratten 13 und 14 wurden gelehrt, den dunklen Gang zu wählen. Die Tabelle 1 gibt die Übersicht über die Lichtreize und die Anwendung der „Strafmethode“ in der Abteilung C an. Tabelle ll. Nummer Nummer Intensitäten der INokeischen des der optischen Reize Schl Tieres Versuche in Normalkerzen gaeıs f 1—39 j 10 >2 ohne u 39—59 10 >=2 mit \ 59109 10>=0 mit 123 10 x2 ohne A 23—42 10 x<2 mit 42—93 10 ><0 mit 1—33 10 x<2 ohne er re 33—54 10 ><2 mit 54—105 10 ><0 mit — 91 10 ><2 ohne Ve ae Sl 5 10><2 mit 53—104 10><0 mit 1—29 10 >=<2 ohne AD Sen EN A 29 —49 10 ><2 mit 49— 100 100 mit IE N | 1-50 10>0 ohne Lernversuche bei weissen Ratten. 395 Um den Vergleich der Versuchsergebnisse übersichtlicher zu machen, habe ich ein Berechnungsverfahren angewendet, das auf folgenden Überlegungen basierte. Die fortschreitende Entstehung einer gewohnheitsmässigen Fort- bewegung lässt sich in unseren Versuchen durch die fortschreitende Vereinfachung des Verhaltens erkennen. Mit anderen Worten: es wird die Zeit vom Reaktionsanfang bis zum Reaktionsschluss (= Erreichung des Zieles) immer geringer, um schliesslich bei der vollendeten Ausbildung der Gewohnheit mehr oder weniger stationär und konstant zu bleiben; gleichfalls wird der Weg, den das Lebe- wesen zurücklegen muss, um das Ziel zu erreichen, immer kürzer und kürzer, big schliesslich, nachdem die Gewohnheit sich gänzlich ausgebildet hat, das Ziel auf dem kürzesten Weg erreicht wird. Angesichts dessen haben für die Beurteilung des fortschreitenden Lernvorganges nicht die absoluten Werte des bei jedem Versuche zurückgelesten Weges bzw. der Zeit die grösste Bedeutung, sondern relative Werte in bezug auf einen definitiven Grenzwert, dessen Erreichung als Maass des vollendeten Lernvorganges aufgefasst werden kann. Für uns kommen zwei Grenzwerte in Betracht: der des Weges und der der Zeit; die Vereinigung beider Werte in einem dritten Wert würde uns einen Lernkoeffizienten für den voll- endeten Lernvorgang liefern. Die beiden Grenzwerte lassen sich leicht berechnen, und zwar wird der Grenzwert für den Weg durch die unmittelbare Messung der kürzesten Strecke, auf der ein Lebe- wesen das Ziel erreichen kann, gefunden. Den Grenzwert für die Zeit kann man finden, indem man die geringste Zeit, in welcher der Organismus im Verlaufe des Lernvorganges das Ziel erreichte, als diesen Wert annimmt. Bezeichnen wir nun diese beiden Werte, welche augenscheinlich für jedes Tier konstante Grösse sind, durch: A, — Zeitgrenzwert ho —= Weggrenzwert. \ Um nun für jeden Versuchstag ermitteln zu können, wieviel- mal der Weg bzw. die Zeit die entsprechenden Grenzwerte überstieg, dividiert man den bezüglichen absoluten Weg (in Zentimetern) bzw. die bezügliche Zeit (in Sekunden) durch die entsprechenden Werte. Bezeichnen wir diese neuen Werte als: r —= Zeitquotient (für einen beliebigen Versuchstag) o —: Wegquotient(„ ,„ Be 5 ) 396 J. S. Szymanski: Je mehr sich die beiden Quotienten dem 1 annähern, desto weiter wird augenscheinlich die Gewohnheit ausgebildet, und schliess- lich, wenn sie ihren limes (= 1) erreichen, bezeugt dies (ie voll- endete Bildung einer Gewohnheit. Um nun beide Werte in einem definitiven Werte zu vereinigen, möchte ich folgendermaassen verfahren: Da beide Werte z und e gecen den gleichen limes = 1) hin konvergieren und beide den momentanen Stand der entstehenden Gewohnheit zeigen, lässt sich vielleicht der jedesmalige Lernquotient d rein empirisch als die Durchschnittszahl. aus den beiden Werten bestimmen, so dass $ = Zu wäre. Der limes für d ist — 1; je weiter der Wert für dö sich in einem Versuchstag von 1 entfernt, desto weniger deutlich eibt sich die neue Gewohnheit kund !). Ich möchte gleich zufügen, dass möglicherweise die weiteren Untersuchungen zeigen werden, dass die Relation zwischen z und 0 komplizierter sei; ich will deshalb die Formel für Öd bloss als ersten Versuch auffassen, der bezweckt, die Vereinfachung des Verhaltens bei Zustandekommen einer gewohnheitsmässigen Fortbewegung durch einen Wert, der beide Variable z und o einschliesst, auszudrücken. Ich möchte an dieser Stelle bloss bemerken, dass im grossen und ganzen, nachdem die Gewohnheit festgebildet ist, der Weg- quotient viel konstanter als der Zeitquotient bleibt. Um nun auf unsere Rattenversuche zurückzukommen, möchte ich auf dieselben die obige Berechnung anwenden. Wie die direkte Messung des Apparates zeigte, waren die Weg- grenzwerte (A,) für die Abteilung A des Apparates (Fie. 3 ab) 83 cm, für die Abteilung B (Fig. 3 bc) 50 cm, für die Abteilung © (Fig. 3 cd) 45 cm (vgl. auch Tab. 2). Die Zeitgrenzwerie (A,) für jedes Tier sind in der Tabelle 2 zusammengefasst. Um nun in einem konkreten Falle zu zeigen, wie ich die Zahlen der weiter angeführten Tabellen bekommen habe, möchte ich die 1) Es scheint mir, dass diese Berechnung überall dort sich anwenden lässt, wo es sich um die Entstehung einer gewohnheitsmässigen Fortbewegung handelt; als auch in einigen psychotechnischen Versuchen. Vgl. hierzu Taylor, The prinziples of scientific Management 1913 (auch in deutscher Übersetzung). — Gilbreth, Motion Study 1911. — Münsterberg, Psychologie und Wirtschafts- leben 1912. Lernversuche bei weissen Ratten. 397 Tabelle 2. Nummer 2z in Sekunden ko in Zentimetern des Tieres A b C A B (6 ee 1 1 1 8 50 45 A ..:. 1 1 1 83 50 45 Be... .: 3 1 1 83 50 45 Be. 1 1 1 83 50 45 I) Se 1 1 1 83 50 45 en. 2 1 1 83 50 45 12 il 1 1 8 50 45 18 0 Be 1 1 1 8 50 45 ee... 1 1 il 83 50 45 Berechnung der Weg-, Zeit- und Lernquotienten in den Versuchs- tagen, deren Protokolle in der Fig. 4 gezeigt sind, wiedergeben. Am fünften Versuchstage hat die Ratte Nr. 3 die Abteilung A in 4 Minuten 37 Sekunden (= 277 Sekunden), die Abteilung 5 in 4 Sekunden und die Abteilung C in 15 Sekunden absolviert. Da ich durch die Striche markierte, wievielmal die Ratte jeden Gang zurückgelegt hatte, konnte ich den absoluten Weg der Versuchstiere in jeder Abteilung (die Länge sämtlicher Gänge war mir genau be- kannt) berechnen. Es ergab sich, dass die diesbezüglichen Werte für A ='339 em, für B = 90 em, für C = 135 em waren. Um nun den Zeit- und Wegquotienten zu finden, brauchte ich bloss die entsprechenden Zahlen durch die entsprechenden Grenz- werte zu dividieren; also ergab sich: £ BR EL NER ES für 4A: T = Sr = Dad: ® — 83 = 3,8 En N fün B: = 7 — AO gene Ip . ——— 15 —— . 25 = un On 108.0 ee Den Lernquotienten d habe ich gefunden, indem ich die korre- spondierenden Zeit- und Wegquotienten addierte und die Summe durch 2 dividierte. Es ergab sich: A ge Ag für B: do = a = 2% me, 398 J. S. Szymanski: Am zehnten Versuchstage waren für dieselbe Ratte (vgl. Fig. 4) die Zeit-, Wee- und Lernquotienten folgende: er ee Ss e Sesiye für ea 0 So 5 O8 5, 02 a ae ee für Be= —-be=,-bi=- — —1 RE DL nase eo ür oe 7 ee 5 Lö ) 15 III. Versuchsergebnisse. Die Versuchsergebnisse zeigen die Tabellen Nr. 3 (für die Ratte Nr. 3); Nr. 4. (für die Ratte Nr. 4)); Nr. » (für Nr. 5), Nezordiir Nr 6) Nr 7 dur Nr 10) EN228 de Nr EN IHREN N Nr. 10 (für Nr. 15), Nr. 11 (für Nr. 14). In jeder Tabelle werden die Zeit- (z), Weg- (oe) und Lernquotienten (d) für jeden Versuchstag und für jede Abteilung angegeben. In der Rubrik „Schl“ wird durch das gleiche Symbol bezeichnet, an welchem Versuchstage das Tier einen Schlag erhalten hat. Die letzten drei Rubriken beziehen sich auf die Lichtreaktion in der Abteilung C; dabei ist zu bemerken, dass das +-Zeichen die gewünschte Bewegungesrichtung, das —-Zeichen die falsche (entgegengesetzte) Bewegungsrichtung bedeutet. Das Zeichen > bedeutet diejenigen Fälle, in welchen das Tier über- haupt die Abteilung A nicht verlassen wollte; dasselbe musste nach der Zahl der Sekunden, die dem Zeichen > folgen, durch leichtes Schieben von rückwärts in die Abteilung B befördert werden. Der Buchstabe 7 und r bedeutet links bzw. rechts; sie sollen die Be- weeungsrichtung (ob gegen den linken Gang oder rechten Gang hin) des Tieres in der Abteilung C zeigen. Die starke Trennungslinie in sämtlichen Tabellen bedeutet, dass vom unten folgenden Versuche an die Lichtreize von 10x 2 Kerzen auf 100 Kerzen geändert wurden (Tab. 3—11). 399 Lernversuche bei weissen Ratten. (Ratte Nr. 3.) Tabelle 3. 9 ur SunggoLe -SIUNSIMAT 60 uryyar] °P . m er Me Et Re EI See Rah rel Ja juli e Kkieı Pegel ve = x a ss a x spp a ss am ser rRs seem A ur JOLIWImN. „wWON 919g rr Lama am a m mm L ı nm ann m ı nm Am, L mr ac kam a mm im a mm So ae samen J9TITOM UOA ur Jyd1 ı el ee ee elle Feed ae uoryeay ee! Kl lu u ga I En u 3 5) o Do oo oo 2) oW>) 02802) an om Ye) NoßYolYaRYel'e) Ye) No) Sa nn Am 19m No Ye) Noto) Ne) > ana TORE Reine mimnugd a a KAP) aaa = DPF © Oo >72 D 2, En Sokue ba hau lcHochnanlcchmkccks Lich kit TccXschemlccHrNkmlcchslcchehhmlcckchmlcchmicchmämlä ZzaS ua lapk „ Kanklar) S MERO-LHEHONE THOM EONnDat-waoHBor-Smnanr-- Taumeonm aaa DIN Dmı9 2 — San a — & ANA HHHNN Sal, No No ef VoY ara BD Se Tor) an ET Er 2 nn ee an) MOM 0000. ao, a, = S Dr Hrn Hmmm rmreHnmHmrnn aanmgda later ir görnt » oaartH-HrH Hmmm NH HM NH HH NH Hm m QHTVdrmmNSHrHmHmrmmmıd aA Ka Bm Ba mama Amin anım Nol NoX nn mm Ne) Mol NN.) =) Sana ann ol ne anne am mann in © en SE m RN x HANS Hmm m m m m m m m Ser m m m m m m m m m m mern mm Am m {or} STANS Om SOON AN OoT OS Od mm Ham meh HAHmm& Io) » rm Da u Sn [OS En | [ex 5 Kap) na RE STH [ep) ar ap) Y31 Im nn nn nn SIUINSIOA " THAI ISDP-ODOHMTNAHIOST-OOHTNAHIST-IOSSTNHHIOST-ODOSTNNHIOD O0 SO-amxı u AP HAHN AN AA AA AAN MINDER FHHHHHHTHHN HIı9ı9 19 1910 J. S. Szymanski: 400 9 um SunyydLı Prem = po Ser rpbrorecvrrprrrrrn op Su rem om m > io mom In SIT -sdundomag | ——m—— un I _—_—_ 1 ge Dur Iyar] "pP aay9joM UoA Our yyary ne uoyyeoy u; ++++ | + ++ | I + | | +++ H+ | HHH HH HH HH Hl HH HH HH HH HH HH HH HH [= m m m nm mo I m mm DS DI — SS Se SZ = Ze RS 3) (3) RS} oO 0° o o SO 0 2) 02) ca eo nn a 2) nn Kontor bo Untionior InkioRioR um konionionior or DoR ungionion m Ko man üokioRtoking In) Im Im le) > Amon ATMNAHT HH Mrs daemon r 5) & mm nm Hmmm Hm rm mm mm ro nr HHH8 9% m m mem rm rm rm rm rm Hm Hr Hm Hm » [os Ken En on Sessel zrS IT oA HENIKTTINIANDANFITS —— NoR'oani dr AU a am NORTON Non B'oXtox m Net'oRtoR Nee Yo) NoBYe) Ne) = arm o ee esse nase ee ee ee u] De} Ss a I Om "oo Hear Ara mrmrmHmmmaHmHmrHmmarmmHarmrmrarHaarHmarHrarrHHrHrmrmreHarrm rm HmrrmrHaHnn > Die zelkee! HAMRSERATAAANFHAHAAARHROASHAHAINA-ROHOHR- AA HAD TR BERN nel | AR ee Bl, LE Tara Te 5 Er 2 EHE EL DEREN. FE EEE RE TEN ET! Door mm re NoR erR oe oR NoX man 3m Nok\ol NoR Noßtorink No Ye) S ES An ao Ernie Haag ou sersnNVaunnaaondnanrTaannHinnnannaurn au A & en) SS Butler SQ Ne) AH, mm mm mm m mm m m mm m mm mm m m m m m md er m m mm m m m mm mm NO oO m Sn HH &0 1900 19 19 CO SOSE IENIDDEIEN ADRIAN IT SOLHAITI ON SR » = S Ayen r Aa — nimm rm a . no 2.00) oma Ye) sopnsoyp| 2252 | BBS888: JowwunN 401 Lernversuche bei weissen Ratten. (Ratte Nr. 4.) Tabelle 4. 9 u SunyydLu -SIUNDINAT ywwor 9198 AOTIJIM UOA —— I Schl eOULIUOITT"P 9 ur Jyorg ne uoyyeoy Seh a leere tralsstzei , 1 6) Son - mo - Seo - So breeo seo mn Fr | ee elle nn ana NapYe) NmpYe) NoR'oRlogio: KokingioRie) Nox Er AST Hr SsÄinnand ua an) rm m m nn m m m m m m I+II+1+-+|| 2 aan 0 Hope) NoWioWie) PDS ro m ms m Som C @ 3) nel 3 HMMM UT THAT ma 1,8 | Pause von 21 Tagen HS FNPAZAHR HT RONWoon mx ma aarr- un] {op} Non „Io\,. malen zielen Arm oo [0 0X0.0) mM mm m m, m y A mM m mmm m- Tan GC Yolrz lirzifr ink lErzctärn JEtzstErs igten ISStlErzelir lite Herz LEI Anm en A'P JowwnN = Pause von 12 Tagen eu lapler) [9 u Da KON Kap) 15) ap) u BEER | mmo aaaırrT aan Do | H en | um! PER EEE EEE {orY [0 0) YoR\oR'oRton NoRYolpoXe okac) eoR aA AA Notoploh/oN HH a He wonnanasaa Armin us San DFrosn- |osorm => DI ri EN 5 mac sa or [os Kor) - — Ye) a m, DIE Sn sera a an SU E= Da a ee BE er mr rHAmm yremrmhm rHHm-m Su HMTDOOocsıoı9 SOSOOSwa am 19 HAITI ONO a SO-WAI NH oO OO“ sooax ” Ne) HI @OooOcs OA X = mm Hama Sayanm dar Hmma mar Ye) Too H%o000 so na ar on] op) - U let NN nn RT FR .n PER << HTUNAIOm X SOMINUNHIOT-OCHO MINI ODLD OO rm a HOLD o—a na DYmKle) Da BD au Do m Du a Km Du m De ON KL Ko Ko Ko Kos Ko Ks Ks Ent Eonlanken) Ankarkarkarkarkenkarbnılennn Hui J. S. Szymanski: 402 Our sungydLI -SIUNDIMAN eOULPUTT’P JWWON 9PLOS FERIEN" WUCYN mm m m m m m m u m ms m m m SS m m m m m DS m m m m m m DS m m m m ur 3yo1T Den: IF I ++ I I + I I #1 ++ I + ++ + | ##+ | II 44H IT 4tH Hr + | ne uoryeayg m m rm nm m nm ms m [ng m m ms nm m I m m mn 3 m nd > >.» me > On CS > — > > > 5 = un Se Su o&, Sa a ae ee nes DS ls 'S | [02) nn a2 nn na 2 an a nn 0 an nn % nn nn (02) PR a am ma a mamma am am am Noßtol No \oR'oN AHTAatTosnHinnr r am am ee [ex KUo Kos Kon! [os | ®) & [6,0% -m:)emm amd ml [e 9 u PIE us Du KARA) ame Nm hu 6 u Do Du | | aHDmda. NAH ae [anklox DYakon Kos En nn) HN NIN OD oO Hı9 yeoaxxı [ap) » (as = eV & am aan HL Haan HH HEiHiTNarayıı vyaaı 9% AH arms ES WEHEN Kernen KOrKeN Kon Kan za Ken] qaaär-a ri na} & 0, co 000, eoR [FoXe.oXe oXo oXe oX> oe oXe oXe oXe oXe oXe oXe ON eK oXe oXe 0X OR Km Du u U vu u DD zu © 09 u Du ON | | HHmHearHrind RAR mHmHPÄHmm Bm u Do u Wa ho] D ya .mMTmmaoaam-m ınD HTmMaaa rim ER el Se el [pa Kon Kap) [es] a man amın Mm nr an mn mama am ann = Mohn ‚SJoıaas =H EG&) aQmroso #aı9 [orferW Yo Ken Ken Kapkapkaı Has Kos! DI HN {op} mm — An Ye) Hr iD -— — Sp en m, = ON Di S Hemer m m Hmmm & [orp en) Le I u u Ki zu Di u Wa ze mM... ,mHrmmm mon A] rl00 ODOOSHOLITO LIION 2er tage a HTNAÄTOSHNIS WAS AN ooasx (> Ö AA Ha m a” am TI nn EN EDS Nr NN en N „NN en | pl ln en ES EN R SEESEES soqyansaoA‘ "Pp Rs AOWUMNT DOSOSTANAHHIOSP-OSOHFTNAHIOL-ROROMHMAUNAHNIOST-ODOH-TNAAISOT-WOSTNN HAHN SOSOGOGOGSOSOT-- DD I-D- I - D- I- RDXRIDODLORDONON INN 409 Lernversuche beı weissen Ratten. (Ratte Nr. 5.) aipielliews: 9 ur gungyaLa Dr rm mo mo mo DO ms m JHWUnN -Sdund9MagT I UryyarT'p yuwoN 9aS Sr - Sm Sr mr m cc m om ss Arm reisen - am om sm mm I Sseotırm anrro A9UIJIM UOA Our Igor] 'p Jul 5 | | | Z Sen SR SS SS oO SS RS) S S RD) So S 62) nun a n a n an u Noir SE} an mm Da an a5 un > SATTE Tanwangsnaunteimn {er} SPIOT-IANNANANFIO AAN NIS om - ae Ka | x am u] = = &n DS 7 AT MNATMTNHT AI ıHNNIADH ap) NN MM PET II ATI IND [apklap) & N 2 A S SZ DEITTDND Yo) SOFT OEIOPCIOENE [ori] au [ex Kap) arm Hama au — Hem Sa op) | ARDNDDH OA da DD Da Ha Noll no wann m = > Ba Hu zu Du Di zu Du zu Dh a Du zu Du Du ze RL ONN zu Du zu Du „. ar Hr Hmmm man Dr > [0,055 u} a © [02] rg RR ROM © 00 Mn 0 MM 0. nn m MA, oo = D7 Sa a a a a a 0 Ya me Da Da Da Da Da Da az Da Da Ama] Rau DO vu 1 zu 1 zu zu DD a u vo DD DD m Du arm a Som u mamma NoRloR a x nom NoR Nor ol NoR > SAD ANS HAHN naar He {+ To dSHar Aare maäango 9oS ar [ON u Yon nn ne ma [pin le Pe >} Sn en. om | o SSR Nee Bmlo sn oma rH Tr m Hmmm 919 Nnkenkapl mu) OXHOoaıhaıhısamdya- © SB NND or I TAT HAT Hyamoxı OOo Hari an ar «FoyanadrT u Korn Banken] SOON —d ® rm 20) No) {ae} ap) DANN Sn nn nn NN. 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Tabelle 6. 9 ur SunyydLL -SIuNgaMag so UTIUITTD JWULON 9JTaS REN BIGH WILDEN om m ku AA vrvrovrrtrtrtrnrrmtsretVvshHreorsmvtbmrtbvubmrtrmrmrVrtn Are Am AH nos arm rm ıavrdreoAıa vr arm Arm arm Aa ma am armer 2 so vrceavnavnmn ä = = S = = - - ae vente sOyonsIHA 'p JowwunN UI Jydl-T ° Dad 220 DU] EEE BET Te EB BE ea DE ED ee Be Fa ee De Sa ea een een er er FIG UONIYBOY an || III —— m mem m r nm mm "S Sog Ss Ss (02) nwmunn nn (02) an oBtot'oRloR\e} mn an fan DUMM ann am Ammann man ol Noll > Sn losen) Sonate = Seine ee le Lo Se Orion Tau Tl . 8 o [0,0% DoR 08 En 0X DZ ÄHMHR9THT HT TH Ta HT TI TI T YTHT Ta HT HT MM NM NAT HT nN & Hmmm S EEE TEE TER EHE SEC SRH LS ENESENESESBERSTSTSLSBEISESTIESESENEN NNDSSONT IHN Hut ay a mHMrmnm arm A) ee — e AHA HN Hd Nm Ne) = Nolan em VOR =) SEES VEN VE Dr REIFE SR RE EEE ER SS EEE N, TREE DEE TR RE DEE Er Er GE En a en er EeN Bo Ken Dornen! ©) [NS Di m vu DO zum vum Dh zu BLOSS U | _ 2 rg HOMO MM [0 OK 67 Hu eoR 6.0) S nn a FH Rn I vu DO u Di zu DL vn De Di zu Di u S I ae DIS a re Sr ee a LE N er rm el ee ea een en > SINANSSTSTWASÄHR Henn ES Er Ken Ken Br KarXarkarken Yen Karlususlarken ku Ken] our 9aar arm | Se So a 2 ST ÄANTNHTmrerrmrerHrerrrHrm rm m m mm m m m m, m m mm mm mm mrmrmrnmrmHmnmn LOTTO L-TSosr-osS su an sHr- SSOWAANN-IANSIHIHXHHAUWNOHAH [en DS Kon Koax BJoE nn Kon) [2 SODANN DCTN or um] AP) ri J. 8. Szymanski: 406 sey9nsIaA "p a op) 9 ur dunyyoLX JOULWNN -sgundonag ar Pop spbrerrerm Ss Ss Sn SS SS SS LS SS ST SS SRH rn ren 2 mp ini res am m Im u u u 0 ULIUOT]'P yuwwoN 919g Sa opera se srerspr tim ioonrsreiarcreriarerırnoırnr tieren im arm ao A9TITIM UOA TI nn TG Te FT re ur IyarT ° ODE BE Bee Be [EEE ES TE ee ET ES Be BEE Pe es Bere ee Eee ee Be Be ee EB ee er ren ne uonyeay Z = Sees SS = = Sees = = SS Sen = ’S S I SS Ss Ss 'S S SD Ri S SE SS Ss S 'S (02) {02} nn nun % an [02] 02) nn mn u (02) nn u na n (2) es OR aamın NoRloXer] No NoX No Toß\ol NoY No nam aan mm amım Noß'oRYe) ec) AH HTaa-Haaa- dam nam drama aa NAH Heat HmTaaunHrHmmnrer S oo. 0. > 9 | Ma Ha HH HA HH HT IHT AHA HTA HI HH HD HAI AD HHTOadN HT HH Haren Hmn S ax ATADARDAU VD THATVEANA-RRHOAWNSAT- INA. 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Tabelle 7. 9 ur SunyydLL JowwmN en —— ER go urayar "pP JwwmoN 9y19S ec armen - Seo Sonwan mm S Au Sm Tom Aa am armm am nm Se sum um JOUITIA uor ß ur Jyd1T °P gu s | | ı | IS | ee ee ee leer ++ +4+4+#+[| | 5> nm 3 rm 0 nm mr rm rm S So SS SSH DIE o oO oO N) Oo RS) SS) „So 02) na an nn na n aM nn NoX in an Noßtol NoRtoR NoR'atinigte) Im an Napie) NoY > Sana nsen- desintenn- AarmnanatrrtTra- sen = Nr aaro» = [«b} a on Oo > NIIT IM MT I HAM IT MIT NINMIrTANTHIanAn = Hmmm NN > XQOSYIy DIA TODD Nora mh ea NNINDNIINOHT INT OD UDO a AHINNTINANNNn H a An KON] Hm mma un] - Am al Lan! a A! | Ss SICHERN I Se nn co 29 a = am > oT Hm mm See m m m m m m m mM mM m m m m m em m m, a Na em OS SDOPOIDTEORN - [os En | © Nu un! rg & RR an. 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Pflüger’s Archiv für Physiologie, 9 u dunggont DO UrIgar]'p YJwwuoN 9198 m Sroeoe So oem oo oe su Seo Ss avec So nr Seo oo Sceh- term 4m & mn Do > A9TIJOM uox i UT IQOrT °P pauele a uote | et et | eu leiten ta le — m — — nr — and R) oO I) oO So RS) oO (62) 02) nn 2 02R02) nn 2 PR hoR un an am Aandıam m nm nn mama a oe ao} nn aaa arana Header dsannadHadane damame dann HansaHtanandimdcnn = oO >7, Harman mm m m m m m DD Hrn m m m, md m am mm em m m m m m mn m m m mm = S Bw IDEEN TITAN DEIN FF ENESHYI TEA DOTFTIEN DATA a aA A S ann nnamamıin am er] NoKer! NoWYoR\ol ol a > STEH Ammann HSsHm Hmmm Anamnese . r,- dp} S rg en CADSE ea ea er) — armer vo$oyrnm rm m m m m m, m, m rm m m m m m yo aA mar mA Ammann rn.m,,nmnm ’ S SON NNDONY NH AH am ms HH Hmm Ho He AHA Ana coamam m m oO sam mm am Am on | pe un] a 1m oR mo DoloR mm ın noX DoR ie) Date) oR um late) o>X or] Logan nz > Saas ern nennen ennmümm eng ingn — - = x: a 0% (0,0% SL 7 I rm... 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Tabelle 8. 9 ur SungyaLL -SEUMDIMIG JWUWOM 3198 Jul ygorg sep ne uoyeay =) SINENOINE > A9U9JOA UOA Beoezar ns Enrı zer ern erzeeeeeeeee nn ma arm opel mann 1m io Noll a Mae Im anımın ANO A Dam) LIES CSETS BE nn Sr (& AT MHHARMAAAM NND NNNNNIANTN TAT nn SODASS DIR er RL [e,0X an a ori SO Kon Ba Ba EA Ko Ks lu Da a Da a Da Ka az a Da KON Dh Da Fa Da Da Ka 1 MT az Da Ka DK az Da az Aa Da a > > a. 00) oo Ne) [00) an, 0.0) RAT] mm m m [m mM m mM m mm m mem m mV Hmmm Seo} | -i ri ua man a un un) ooginkenk [SR 2a Ta Non) H Kogtantor an or an) es ee ee Se | il om a Sart H Sr Sr a Sl AN HHÄ\HmHmHm mm em m md Hmmm St Hmmm Hmm m m m m m m m m m m m m m m ms m J9UUNN soyausaa‘"p Eee le ao Kal STE USER GE U SIT EV E TE EEE N Se | T-TNINHIOST- OHIO MTNNAHIOP-ODOHTNAHNIOT-OSOoO!NNHIOT-ODTOANNAHAST-ONO Hmmm mmmm mm aasıNINANIAIANNNAANNANDNIDAN HM HÄHHEHEH EHE NND J. S. Szymanski: 410 (Ratte Nr. 12.) Tabelle 9. 9 ur Sunygora -STUNDININ 0 Urar] "pP Juwoy 9og JOT9JIA UOA D ut yyoır] sep ne Melt ee een uol34e94Y Nor Non NapYe) Ye) Yo) NaplaYe) NopYe) YonlonYapiei Inktor'ontiairiox Note) NoWYoßYolYnWYap Yale) =) oc SS Asa AAO een Amar iS) u Fnlarlar) (op) Homann HR HAT TITAN HT AH TAT AH HT THAT nNnAT ukorKen| [es] HOMNUNHHE DNA FHNODVANAHAHT Hoya aAaT ao Hy Hamm oOoH B aaa a - {ex} - - = SE IE nn Han Nor Ne) [6.6] [orY a Ya) un a —_ Nolapllar) a) Ra ErHH Herrmann Hamann | & [eoXeo) Qe) [0 oXe an) eoR 60% r mem - Addon ee S ee [es] See ee ee ee een Ye -— ee EEE Noel NoR na »naDn ww DTrmn am Ne) NoltoR\oRtokiok Noß'opYol\ol NoX eo) Tom Ye) SSH Hana nmaddaddnnaitgsinn and u a Kor) ap) nm 2; ml a erN = Ne) HH HH = SI = Kan mn Dura] ri Ta arnar Haan man Hana mmmemmameeem Ar aeNeSor een near sonen anne ante n = ONNYOTOoRn oa HA [ex Karkapen sen, Nam enN.N „N. N.N sqonsioA Ssop JOWWNN 411 Lernversuche bei weissen Ratten. (Ratte Nr. 13.) (Die Ratte wurde gelehrt, in der Abt. © den dunklen Gang zu wählen.) Tabelle 10. 9 ur Sunygara -SdUNSOMAT GOLITYGOLTIEP JwwoN 919g A9T9]9M UOA en mo 2 SAAL ArDPrO A ve Arm a Sms mo rl ls aorceo Loc -urcmtHrsem .- „mnrmn ne, ur ou DO ur ea ee ES Er Es ne en zus uor?eay Hol in De ıD Ye) > Ne) im Noß Ye) Naila Ye) Ye) Ye) Ye) Nolte) NoR\oR'oRien NoRlen — nmaa REES VS TOK u B 3 lox Ko Hrn Ba Ba 1 En KOcES SYS Sc BEE ner E nn En EOS Kan ba zB SER Neck Be u En B. a OP] AP) -— Ye) = SH. DZ DET ION SR Dan rel m] TON ,.ATUDE AUCH HNAT DRAN AHA HAAN HT STH ya aay HT TNAND 1 ag ee) [es] - - N 220200000 nn NapYe) NokKer) un] ım vo Non > PERF 070: GER EEE EEE ER: EDER EEE DEE BEE BEN SR BE SGEE RT OEES een Re Br Rica Bo Be Ba Ki Da Bas Dar Da Hs Da az a Da DH az Da Az Hz Ka SH HH HH Harman mm Ho Hamm Namen mamma [os] nn m nm DI DT CI CU 19 Nokiokios NaßYol'onton'e} nor Nor NoR nm an um SER ale eiruRen [ser er Ser er = HH HH SNaNHmrerHm TH em Hemmoor mmmanmmmmmnmmmemmmm syonsto A‘ sap JOWLUnN DOHHDAHOooH- nn aa aka a-d ae rdHdeamHam mam an manmammeagemDm au am a nn en )387 HTNIHMHIOT-ONMO as ri rm 13 14 15 16 7 18 19 20 _ - J. S. Szymanski: 412 (Ratte Nr. 14.) Tabelle 11. (Das Tier wurde gelehrt, in der Abt. © den dunklen Gang zu wählen.) 9 ur SJunggoLa ae ssundanag pp = a At or Spore rorcrvrvrrtm &ermmnHh Seorcrererorcrorecrbenrenmrtnun = ammnm Do Duo NS ng ns so arıyar "pP KELRIEN WON 9 ur yoy pywq op] +++ | + | | I II = I II IH ll Fl Irre IFrl Hr lee u uonNeay in NoßYol Non nm nam mama Ne) > ARNSASARX aa AHAAA NR AHRARR HAAR AAD AAN Henn SS) >% HAMM RHNARHTAAHMT HH HTN HN AH AH HAHN HN HT - IH HT HATT I} => — SS AD DONE YA THAN NIDDA IM mm rm Sum SANT EN HT dm oOo m - Hmm aa an an Si ron = a > oO» NH HH Hmm rm m m md m, m m, m m m m, m m m m m m em m m md m m m m m m m m m m m m m m Sm a Geox 2} [o.0K0.0% 0.0) H 0,6) Se ne) ; Sr +4 Hr mm mm mm m m m m m mm m m mm m m mm om mm mn m m m m m m m mm mm mm 17 SO» A arm NrHeHTH-YV rm m m ed m m m m m m, m m m m m m, m m m m m m m m m m m m m m m ad m 2 AAN man Ve ee In Ne Ne > ERS E LI ITLNT el e B n e r l a ea a = = Max u SS =? 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Nach wieviel Ver- Nach wieviel Ver- | Nach wieviel Ver- suchen hat die Ratte | suchen hat die Ratte | suchen hat die Ratte Nummer erlernt, die Abtei- erlernt, die Abtei- | erlernt, die Abteil. € des Tieres lung A auf dem | lung B auf dem | (10 Kerzen 0) auf kürzesten Weg zu | kürzesten Weg zu | dem kürzesten Weg durchmessen ? durchmessen ? zu durchmessen ? 3 15 17 19 4 14 12 — 5 7 28 — 6 8 291 — 10 18 11 in 11 8 15 — 12 27 19 — 13 10 2 — 14 10 5 — Aus der Tabelle 12 ergibt sich erstens, dass bloss zwei Ratten (Nr. 3 und Nr. 10) zwischen zwei Lichtquellen 10 xX0 Kerzen zu unterscheiden gelernt hatten, und zweitens, dass bei diesen Tieren, die erlernt hatten, sich von optischen Reizen leiten zu lassen, die kinästhetischen Reize relativ weniger wirksam als bei den übrigen Ratten sind. Denn wenn wir eine Durchschnittszahl der Versuche 1 6,5), welche die Ratten 3 und 10 erforderten, um die Abteilung A auf dem kürzesten Wese zu verlassen lernen, mit der Dureh- schnittszahl der Versuche (9,5), die alle übıigen Ratten!) zu dem- selben Zweck brauchten, vergleichen, so ergibt sich, dass bei den Ratten Nr. 3 und 10 die Bildung der Assoziation auf Grund der kinästhetischen Reize 1'/gmal langsamer als bei anderen Ratten vor sich gegangen ist. Der Verlauf der Erlernung, die Abteilung ZB auf dem kürzesten Wege zu durchmessen, bietet kein besonderes Interesse dar. Die Tiere liefen in den ersten Versuchstagen entlang den Wänden, um . dann allmählich den positiven Stereotropismus zu überwinden und die Abteilung B auf dem kürzesten Wege zu verlassen (vgl. die 1) Mit Ausnahme der Ratte Nr. 12, die eine Abnormität zeigte; die Kopf- haltung dieser Ratte wich von der Norm ab. Der Kopf war stets schief nach rechts gedreht. 414 J. S. Szymanski: * Wege der Ratte 3 in Abteilung BD auf der Fig. 4). Das Verhalten der Tiere in der Abteilung C soll die folgende Tabelle zeigen. Diese wurde so hergestellt, dass ich, von dem Versuchstage an- gefangen, an welchem die Lichtintensitäten (10 0 Kerzen) ver- wendet wurden, für jedes Tier und für je zehn aufeinanderfolgende Versuche berechnete, in wieviel Prozent der Fälle das Tier die Bewegungsrichtung gegen das Licht hin einschlug (Tab. 13). Tabelle ]3. Bewegungsrich. Bewegungsrich- Nummer | Nummer |tung in der Ab- Nummer | Nummer |tung in der Ab- des teilung C gegen des teilung © gegen Jreres derVersuche | das Licht hin | Tieres der Versuche | das Licht hin in Prozenten | in ea 59—68 70 1—10 60 69 —78 60 11—20 20 3 79— 88 90 11 21-80 0 89— 93 el) 31—40 20 99—109 100 41—50 10 43—52 60 1—10 3 33—62 40 11—20 50 4 63—12 50 12 21—30 50 73 —82 60 31— 40 50 83 —92 60 41—50 50 59—64 60 1—10 50 69— 14 3 11—20 70 5) 79 —84 60 13 21—30 50 SH 40 31—40 70 95 —104 60 41—50 70 54—63 50 1—10 50 64— 73 60 11—20 40 6 74--83 50 21-30 50 8493 60 14 31-40 50 94—103 70 41—50 60 50—59 60 | 60—69 90 10 70—79 90 | 8089 100 90—99 100 In Übereinstimmung mit dem oben Gesagten erhöhte sieh die Prozentzahl der richtigen Fälle bloss bei Nr. 3 und 10 von 70 bzw. 60 bis zu 100 %o; bei den übrigen Tieren blieb diese Prozentzahl der richtigen Fälle annähernd konstant und gleich der Prozeutzahl der falschen Fälle. Eine Ausnahme machte bloss die Ratte Nr. 11, bei der die Prozentzahl der richtigen Fälle im Verlaufe der Versuche von 60% bis auf 10% fiel. Die Ratte erlernte also, statt gegen das Licht hin gegen die Dunkelheit hin zu laufen. - Lernversuche bei weissen Ratten. 415 In der Tabelle 14 schliesslich habe ich zusammengestellt, wie- vielmal jede Ratte in der Abteilung C nach rechts und wievielmal sie nach links gelaufen ist. Tabelle 14. Wievielmal Wievielmal Nummer ist das Tier in der | ist das Tier in der En des Tieres Abteilung © nach | Abteilung C nach R rechts gelaufen (r)? | links gelaufen (2)? 3 49 60 0,80 4 26 67 0,38 5 20 85 0,23 6 47 57 0,82 10 5l 49 1,04 11 22 28 0,79 12 40 10 4,00 13 16 34 0,46 14 14 36 0,38 Selbstverständlich war das Verhältnis zwischen beiden Fällen bei den Tieren, die sich von den optischen Reizen leiten liessen, also bei Nr. 3, 10, 11 und ausserdem bei Nr. 6, ungefähr 1. Die Tiere Nr. 4, 5, 13, 14 sind dreimal so oft nach links als nach rechts und das Tier Nr. 12 ist viermal so oft nach rechts als nach links gelaufen. Diese Tatsache bestätigt die allgemeine Regel, welche ich be- reits früher formuliert habe. Wenn man nämlich bei den Lern- versuchen findet, dass statt der angestrebten eine andere Assoziation, in welcher der geprüfte Reiz nicht mitbegriffen ist, entstanden ist, so bedeutet dies die Unzulänglichkeit (aber nicht schlechthin die Unwirksamkeit) desselben, die Aufmerksamkeit des Versuchstieres bei der gegebenen Versuchsanordnung aktiv derart zu erwecken, dass dieser Reiz als Assoziationsglied in die auszubildende Gewohn- heit aufgenommen werden bzw. als richtungbestimmender Faktor dienen kann!)., Zum Schluss möchte ich noch auf eine Tatsache die Aufmerksamkeit lenken. Es hat sich nämlich herausgestellt, dass die frühere Erfahrung, die ein Versuchstier in der Abteilung (© erlebt hat, in den nächsten Versuchen das Verhalten des Tieres in der Abteilung A modifizieren kann, obwohl, während das Tier sich in Abteilung A befindet, demselben die unmittelbare Rezeption der Abteilung C nicht zugänglich ist. 1) Vgl. Pflüger’s Arch. Bd. 152 8. 316. 1913. 27 +% 416 J. S. Szymanski: Obwohl ich diese Erscheinung bei allen Ratten, die mit der elektrischen Methode geprüft wurden, beobachtet habe, war sie be- sonders stark bei den Ratten Nr. 4 und 5 ausgesprochen. | Ich konnte nämlich feststellen, dass, nachdem diese Tiere bereits erlernten, die Abteilung A’ auf dem kürzesten Wege zu verlassen, sie wieder „verlernt“ wurde, sobald das Tier während einiger aufeinanderfolgender Versuche in der Abteilung C die elektrischen Schläge zu spüren bekam. Dieses „Verlernen“ bestand darin, dass die Tiere zunächst längere Zeit im Vorhof bewegungslos sitzen blieben; nachher bewesten sie sich in dem Gang, der hinter der Wand mn (Fig. 1) lag, bzw. sie liefen in den durch die Tür ce abgesperrten, also falschen (linken) Gang (smp) hinein; den richtigen (rechten) Gang (fnr) vermieden sie beharrlich. Dementsprechend stieg der Zeitquotient wie auch der Wegquotient wieder enorm in die Höhe. Während indessen die Tiere sich in dem ersten Gang der Abteilung A und dem Vorhof befanden, blieb die Abteilung © durch die Wand mn (Fie. 1) voll- kommen durch die Wand verdeckt. Um nun noch genauer fest- zustellen, dass die direkte Rezeption der Abteilung C, in der erst das Tier die Erfahrung mit dem elektrischen Schlag gemacht hatte, nieht unbedingt verantwortlich für die Verwirrung in der Abteilung © war, verdeckte ich am 60., 62. und 64. Versuchstage!) bei dem Tier Nr. 4 und am 72., 74., 76. Versuchstage bei dem Tier Nr. 5 den Eingang in die Abteilung C mit einem schwarzen Schirm voll- kommen (in der Linie —: der Fig. 1); das Licht in der Abteilung C wurde dabei abgedreht. Nichtsdestoweniger blieb die Verwirrung bestehen.: Der Verlauf der Reaktion in der Abteilung A schwankte dabei in Abhäneigkeit von der Häufiskeit der Schläge, die das Tier in der Abteilung (C erhalten hat. Wenn die Schläge häufiger wurden, steigerte sich die Verwirrung in der Abteilung A in den nächst- folgenden Versuchen; wenn die Schläge seltener wurden, kam wieder die erworbene Gewohnheit, die Abteilung A auf dem kürzesten Wege zu verlassen, zum Ausdruck. Die Fig. 5, die den Reaktions- verlauf der Ratten Nr. 4 und 5 in der Abteilung A zeigt, ver- anschaulicht am besten diese Abhängigkeit zwischen der Frequenz der Schläge in © und dem Grad der Verwirrung in A. 1) Diese Versuchstage sind in der Tabelle 4 und 5 durch das Zeichen (—- 0), das bei den Nummern des Versuchstages steht, bezeichnet. Lernversuche bei weissen Ratten. ; 417 Fig.5. Die Kurven sollen den Einfluss der früheren Erfahrung ‘in der Abteilung © auf den Verlauf der Reaktion in der Abteilung A zeigen. Auf der Abszisse sind die Versuchstage, auf der Ordinate die Werte für den Lernquotienten (d) in der Abteilung A eingetragen. Die kleinen Pfeile (unten) zeigen die Versuchstage, an welchen das Tier in der Abteilung Ü einen elektrischen Schlag erhielt; die grossen Pfeile (oben) markieren die Versuchstage, an deren die Abteilung C dunkel ge- lassen und durch einen schwarzen Schirm vollkommen. verdeckt wurde. Die Klammern (unten) zeigen die Versuchstage, an denen das Tier nur wenige Schläge : 105 + bekommen hat. Die Kurve I bezieht sich auf die Ratte i Nr. 4, die Kurve H bezieht sich auf. die Ratte Nr. 5. ı SQ = ; ; In H in . 1 8 oo) ' {a >) Fer nn Sale E [en } N So on 2.0. I Ei iS Oo > > oe) e. = =} =Q oO + In io „oe... De = (— = _— = — [} [ 2 8 pre C— = | n F de) - > x $= - oO - - g. > — ’ = ı : © : > = ' : o ’ Ss> = = oO == - = In nn E Le ] ea {a2} = >3 in 3 a (=) = =) aM mn E | 2 — - In in 75 B) 100 50 2 =) S -_ N u TrTı a A Demon 90 Tube, 418 J. S. Szymansky: Lernversuche bei weissen Ratten. Es scheint also, dass die Ratten sich nach einem nicht direkt zu rezipierenden Bilde eines Reizes, der aber im früheren Verhalten ein richtungbestimmender Faktor war, orientieren können. IV. Zusammenfassung. Obwohl ich meine Versuche bloss an wenigen Individuen an- gestellt habe, fühle ich mich immerhin berechtigt, die Resultate folgendermaassen zusammenzufassen: 1. Weisse Ratten bilden Assoziationen auf Grund kinästhetischer Reize viel leichter als auf Grund von optischen Reizen. 2. Einige Individuen sind fähig, zu erlernen, zwischen der Liehtintensität von zehn Kerzen und der Dunkelheit zu unterscheiden ; andere wieder sind in der gleichen Zeit nicht fähig, dies zu erlernen. 3. Die Tiere, die erlernt haben, sich von den optischen Reizen leiten zu lassen, bildeten die Assoziationen auf Grund der kin- ästhetischen Reize 1!/emal langsamer als die anderen Ratten, die nicht fähig waren, in der gleichen Zeit optische Assoziationen zu bilden. | 4. Bei den Ratten, die keine optischen Assoziationen bildeten, entstanden statt dessen Assoziationen auf Grund von kinästhetischen Reizen. 5. Die frühere Erfahrung kann das spätere Verhalten der Tiere modifizieren; dabei ist es nicht nötig, dass der Reiz, welcher die frühere Erfahrung bewirkte, fortdauert. Pflüger's Archiv f.d. ges. Physiologie, Bd.158. TatVa /erlag v. Martin Hager, Bomn. Läth. Anst. v. F.Wirtz , Darmstadt. 419 | Über glatte Muskelzellen mit myogenem Rhythmus. Von Fritz Verzär. Die Untersuchungen über den Ursprung der rhythmischen Kon- traktionen von Herz, Darm und anderen Organen haben zu der Frage geführt, ob es überhaupt Muskelzellen gibt, welche ohne Nerven- einflüsse rhythmische Kontraktionen. ausführen, oder ob man den Rhythmus für eine spezifische Eigenschaft der Nervenzelle ansehen muss. Vom embryonalen Herzen ist es sicher, dass es sich kontrahiert, ehe es nervöse Elemente enthält. In bezug auf die Herzen von Kaltblütern sind die Angaben widersprechend. Carlson wies zu- letzt am Herzen von Limulus nach, dass der Rhythmus nicht myogen, sondern neurogen ist (Literatur s. Nagel’s Handbuch Bd. 1 S. 229). Auch für die elatten Muskelzellen des Darmes gilt es seit den Untersuchungen von Magnus!) für bewiesen, dass der Rhythmus neurogen ist. Es dürfte deshalb von Interesse sein, auf ein Organ hinzuweisen, in dem typische glatte Muskelzellen — solche, wie sie im Körper der Vertebraten allgemein vorkommen — thythmische, sicher myogene Kontraktionen ausführen. Dieses Organ ist das Amnion des Hühnchens. Nach der Be- schreibung von Preyer?) kontrahiert sich dieses etwa 16mal in der Minute, indem die Kontraktion wellenförmig vom Kopf bis zum Fussende läuft. Histologisch besteht das Amnion aus einer einfachen Lage glatter Muskelzellen, die mit einer Plattenepithelschicht bedeckt sind. Die Muskelzellen bilden, wie ich das früher zeigen konnte?), sehr charakte- ristische Figuren, die sogenannten „Kreuzungsfiguren“, die wahr- scheinlich als funktionelle Einheiten zu betrachten sind. 1) Pflüger’s Arch. Bd. 102 S. 349. 1904. 2) Spezielle Physiologie des Embryos S. 406. 1885. 8) Intern. Monatsschr. f. Anat. u. Physiol. Bd. 24 S. 292. 1907. Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd. 158. 28 420 Fritz Verzär: Über glatte Muskelzellen mit myogenem Rhythmus. Bisher lagen nur einige alte Beobachtungen von Remak (1854), Vulpian (1857) und Kölliker (1861)!) vor, nach welchen im Amnion keine Nervenfasern wären. In Anbetracht dessen, dass die histologische Technik jener Zeit noch nicht sehr vollkommen war, konnte jedoch auf diese Angaben kein grosses Gewicht gelegt werden. Auf meine Bitte hatte deshalb Herr Dr. T. Pe&terfi die Güte, im hiesigen I. Anatomischen Institut an zahlreichen Amnions, deren Be- wegung ich am 5.—8. Tage der Bebrütung beobachtet hatte, mit verschiedenen Methoden zu untersuchen, ob irgendwelche Nerven- elemente in ihnen vorkommen. In keinem einzigen von sehr vielen Präparaten, die nach Bielschofsky oder mit Goldimprägnation nach Cajal oder mit Methylenblau gefärbt wurden, konnten Nervenfasern oder Nerven- zellen nachgewiesen werden ?). Demnach sind die rhythmischen Kontraktionen der glatten Muskelzellen des Hühneramnions rein myo0- senen Ursprunges. Es ist zu erwähnen, dass diese Amnion- kontraktionen nach Langley°) durch Adrenalin gehemmt und durch Nikotin gefördert werden. Diese Substanzen wirken nach seiner Ansicht auf die glatten Muskelzellen. Diese Lehre wird durch den sicheren Nachweis, dass im Amnion keine nervösen Gebilde vor- kommen, gestützt. 1) Zitiert bei Preyer. 2) Siehe auch P&terfi, Anatom. Anz. Bd. 45 S. 165. 1913. 8) Journ. of physiol. vol. 33 p. 406. 1905. 421 Untersuchungen zur Theorie der sogenannten Veratrinkontraktion. Die Wirkung von Aldehyden auf die Kontraktion des quergestreiften Muskels. Von Fritz Verzär und Magda Felter. (Mit 9 Textfiguren.) - Vergiftet man einen quergestreiften Muskel mit Veratrin, so kontrahiert er sich bekanntlich auf einen Einzelreiz (Induktions- schlag) auf sehr charakteristische Weise. Während beim normalen Muskel der Einzelreiz von einer Zuckung gefolgt wird, führt ein solcher vergifteter Muskel nach der Zuckung bzw. noch ehe. der Muskel wieder seine Anfangslänge erreicht hat, eine zweite, sehr lange, „tonische*“ Kontraktion aus (Fie. 1). Bis zur jüngsten Zeit hat sich eine grosse Zahl von Autoren mit dieser merkwürdigen Wirkung des Veratrins befasst. Die ältere Literatur über diesen Gegenstand ist neuerdings wiederholt referiert worden, z. B. im Handb. f. experim. Pathol. von Heinz!), und ‚wir begnügen uns deshalb mit einer Anführung jener Arbeiten, welche im Laufe der letzten drei Jahre hierüber erschienen sind. Deren Zahl beweist, wie sehr diese Frage im Vordergrunde des Interesses steht. Es sind zu nennen: Lamm?°), P. Hoffmann?), v. Frey, Quaglia- rello°), Boehm?°). Die neueren Theorien der Veratrinkontraktion. Das Interesse an dieser Frage erklärt sich hauptsächlich aus der Annahme, dass die zwei Phasen der Veratrinkontraktion der 1) Bd. 1.2 S. 566—575. 1905. 2) Zeitschr. f. Biol. Bd. 56 S. 223. — Zeitschr. f. Biol. Bd. 58 S. 37. 3) Zeitschr. f. Biol. Bd. 58 8. 55. 4) Sitzungsber. d. physik.-chem. Gesellsch. Würzburg 1912. 5) Zeitschr: f. Biol. Bd. 59 S. 469. 1913. 6) Arch. f. exper. Pathol. Bd. 71 S. 269. 1913. 28* 422 Fritz Verzär und Magda Felter: Beweis dafür sind, dass der Muskel zwei verschiedene Kontraktions- formen besitzt und dementsprechend in ihm auch zwei verschiedene kontraktile Substanzen vorhanden sind, deren eine sich rasch ver- kürzt und deren Erregung die Zuckung bewirkt und eine zweite, deren Kontraktion nur sehr langsam verläuft und prinzipiell ver- schieden von der ersteren ist und die tonische Kontraktion hervor- ruft. Diese Theorie wurde von Bottazzi!) aufgestellt. Ohne einen direkten Beweis hierfür zu bringen, nimmt er an, dass die rasche Kontraktion in den Fibrillen, die langsame im Sarkoplasma abläuft. Ihm schlossen sich Mostinsky?) und Joteyko°) und in seinem Lehrbuch der Physiologie auch Luciani*) an. Diese Theorie hat eine recht allgemeine Verbreitung erlangt, auch noch in der letzten Zeit, was wohl damit zusammenhängt, dass man auch sonst den zwei verschiedenen Kontraktionsformen des Muskels erneutes Interesse schenkt. Da schien es nur willkommen, dass man im Veratrin eine Substanz besass, die scheinbar gestattete, die tonische Kontraktions- form isoliert zu studieren. Nun haben aber v. Frey und seine Schüler, Lamm und P. Hoff- mann neuerdings in einer Reihe von ausserordentlich sorgfältigen und systematischen Untersuchungen die ganze Veratrinfrage wieder bearbeitet, und sie kommen zu dem Ergebnis, dass man nicht berechtigt ist, in der Veratrinkontraktion eine Doppelerregung der Muskeln, eine Zweiteilung der Kontraktion der schnell und der langsam reagierenden Substanz zu sehen, sondern, dass im Gegenteil die tonische Verkürzung der Veratrinkontraktion ein auf die Anfangs- zuckung folgender Tetanus ist, so wie es bereits Bezold und Hirt’) sich vorstellten ®). Diese Ansicht wird am meisten wohl durch P. Hoffmann’s Elektrogramme von mit Veratrin vergifteten Muskeln gestützt. Be- 1) Journ. of Physiol. Bd. 21. 1897. — Arch. f. Anat. u. Physiol. 1901 S. 376. 2) Schmiedeberg’s Arch. Bd. 57 S. 310. 1904. 3) Trav. du labor. de physiol. publ. par P. Heger 1902 p. 229. 4) Lehrbuch Bd. 3 8. 37. Deutsche Übersetzung. 5) Unters. aus dem physiol. Laborat. Würzburg Bd. 1 S. 75. 1867. Zit. nach P. Hoffmann. 6) Wir benutzen die folgende Nomenklatur: Veratrinkontraktion und veratrinförmige Kontraktion für die an mit Veratrin vergifteten Muskeln beobachtete Kontraktionsform. Den ersten Teil derselben bezeichnen wir als Anfangszuckung, den zweiten langen Teil als tonische Verkürzung, womit aber nichts über die Natur dieser zweiten Phase ausgesagt werden soll. Untersuchungen zur Theorie der sogenannten Veratrinkontraktion. 493 reits vor längerer Zeit hatte Garten!) u. a. den Aktionsstrom der Veratrinkontraktion mit dem Kapillarelektrometer registriert und dabei der Anfangszuckung entsprechend einen regelrechten zwei- phasischen Aktionsstrom, während der „tonischen“ Verkürzung da- segen nur eine lang andauernde Negativitätswelle beobachtet. Das sprach durchaus dafür, dass die tonische Verkürzung kein Tetanus, sondern eine Verkürzung anderer Art als die Zuekung ist. Mit dem Saitengalvanometer weist nun aber P. Hoffmann?) nach, dass besonders in den früheren Stadien der Vereiftung auf die Anfangs- zuckung mit ihrem starken zweiphasischen Aktionsstrom eine rhythmische, also tetanische Aktionsstromwelle folgt; die langsame Verkürzung ist also ein Tetanus. Nur bei den stärkeren Graden der Vergiftung verschwimmen nach und nach die einzelnen Wellen derart miteinander, dass man den Eindruck einer kontinuierlichen Nesativitätswelle erhält. Der Grund für dieses Zusammenfliessen der Aktionsstromwellen ist nach der sehr überzeugend wirkenden Darstellung Hoffmann’s der, dass beim schwervergifteten Muskel alle Teile oleichzeitig in Kontraktion geraten und dadurch keine Potentialdifferenzen auf den verschiedenen Teilen des Muskels und deshalb auch keine Negativitätswellen entstehen). Es scheint uns also, dass auf Grund dieser Untersuchungen die Veratrinkontraktion vollkommen beschrieben ist als ein auf eine Einzelzuckung folgender Tetanus, „der sich nur durch die Unregel- mässigkeit, mit der die einzelnen Fasern an ihm teilnehmen, von jeder anderen schlechthin tetanisch genannten Kontraktion unter- scheidet“ (S. 27). | v. Frey sowie Lamm entwickeln nun folgende Theorie der Veratrinkontraktion: Auf einen einzelnen Induktionsschlag führt der mit Veratrin vergiftete Muskel zuerst eine Zuckung und dann einen Tetanus aus, welch letzterer durchaus jenen Tetani ähnlich ist, welche durch die verschiedensten chemischen Substanzen bewirkt werden. „Wie bei der chemischen Erregung handelt es sich um 1) Pflüger’s Arch. Bd. 77 S. 505. 2) & 3) Auch S. de Boer hat mit dem Saitengalvanometer das Elektromyogramm des veratrinisierten Muskels registriert. Im Gegensatz zu PaulHoffmann hält er aber an der Lehre von der Doppelerregung fest (Zeitschr. f. Biol. Bd. 61 S. 143. 1913). 494 Fritz Verzäar und Magda Felter: ungeordnete, bald da bald dort auftretende sogenannte fibrilläre Erregungen“* — wie das aus den unregelmässigen mechanischen und elektrischen Oszillationen des Muskels hervorgeht. Bei der Zuekung entsteht nach ihrer Annahme eine Substanz, welche mit dem Veratrin reagiert, wodurch ein Körper entsteht, welcher den chemischen Tetanus bewirkt. Für den Veratrintetanus ist also „ein un- bekannter Bestandteil des tätigen, nicht ermüdeten Muskels, dureh den das Veratrin erst in wirksame Form übergeführt wird“ (S. 11), verantwortlich. Wie sie sich diese Reizwirkung weiter vorstellen, geht aus den folgenden Zeilen hervor: „Irgendeines der (bei der Kontraktion) entstehenden Produkte ....... ist dann befähigt, mit dem vorhandenen Gift zu reagieren und es in eine Verbindung zu überführen, durch welche die Oberfläche der Muskelfasern verändert (gelockert) wird, dass, wie bei einer Verletzung, Verbrühung oder Anätzung, Flimmern oder Wühlen des Muskels entsteht, das sich zu einem mehr oder weniger vollkommenen Tetanus zusammensetzen kann“ (8. 12). Lamm ging sogar so weit, dass er versuchte, diese hypothetische, mit dem Veratrin reagierende Substanz aus arbeitenden Muskeln zu isolieren, allerdings ohne beweisenden Erfolg. Wenn nun nach der Theorie von v. Frey und Lamm das Veratrin auch nicht mehr deshalb interessant ist, weil es eine „Doppelerregung“ der Muskelsubstanz bewirkt, so wie man früher annahm, so ist es nun von einem ganz anderen Gesichtspunkte aus wichtig geworden, denn es scheint, dass es uns die Möglichkeit gibt, etwas über jene Vorgänge zu erfahren, die bei der Kontraktion bzw. bei der Erschlaffung im Muskel vor sich gehen. Ein Veratrintetanus entsteht nach ihrer Auf- fassung nur, wern der Reiz eine Zuckung bewirkt hat. Ganz all- gemein gefasst gehört also irgend etwas, das bei der Zuckung entsteht, dazu. Ferner ist für das Verständnis wichtig, dass man häufig beobachten kann, dass besonders bei den schwächeren Vergiftungs- graden zuerst mehrere Reize notwendig sind bzw. mehrere Zuckungen erfolgen müssen, bis eine Veratrinkontraktion (Anfangszuekung + tonische Verkürzung) auftritt. Es muss also eine gewisse Substanz (oder eine gewisse Änderung) in genügend hohem Grade vorhanden sein, ehe es zur nachträglichen Verkürzung kommt. Andererseits sieht man fast regelmässig bei wiederholter Reizung nach mehreren Veratrinkontraktionen endlich wieder normale Zuckungen auftreten to Untersuchungen zur Theorie der sogenannten Veratrinkontraktion. 425 (Fig. 1, 2). Die entstandene „Substanz“ wird also aufgebraucht und dann kommt kein chemischer Tetanus mehr zustande. Alle diese Tatsachen lassen den Gedanken von v. Frey und Lamm, dass bei der Kontraktion ein Prozess abläuft, der es erst möglich macht, dass das Veratrin einen Tetanus bewirkt, sehr gut begründet er- scheinen. Die Hoffnung ist also berechtigt, dass wir hier, wie ge- sagt, die Möglichkeit haben, etwas über die während bzw. nach der Kontraktion im Muskel ablaufenden Vorgänge zu erfahren. (v. Frey selbst bemerkt auf S.14: „Der Veratrintetanus kann als ein Zeichen gelten, dass die durch den Momentanreiz ausgelöste Zuckung von Fig. 1. Versuch vom 17. Mai 1913. Veratrin 1:5000000. 2 Normale Zuckungen. 2 1 Stunde nach der Vergiftung. Bei wiederholter Reizung verschwindet die „Veratrinkontraktion*. 3 Nach 6 Stunden. Stoffwandlungen begleitet ist, die viel länger dauern als die sichtbare Formänderung‘“.) Welcher Art sind nun jene Änderungen, die bei der Kontraktion entstehen, oder — um uns enger an den Gedankengang der Schule von v. Frey zu halten — was für Substanzen sind es, die während der Kontraktion entstehen, mit dem Veratrin reagieren und dadurch einen Tetanus verursachen ? Eine Lösung dieser Frage wird sich vielleicht so finden lassen, dass man nach Substanzen sucht, welche eine ähnliche Wirkung wie das Veratrin auf die quergestreifte Muskelfaser entfalten und dann nach gemeinsamen Eigenschaften forscht, welche diesen Substanzen zukommen. 426 Fritz Verzar urd Magda Felter: Wir haben uns deshalb vor allem einer bestimmten Gruppe von Körpern, den Aldehyden, zugewendet, von welchen sich zeigte, dass sie in ihrer physiologischen Wirkung weitgehende Ähnlichkeit zum Veratrin zeigen. Um jedem Missverständnis vorzubeugen, präzisieren wir hier noch einmal, was wir für charakteristisch für die Veratrinkontraktion an- sehen und womit wir unsere Befunde vergleichen: vor allem die auf einen Einzelreiz eintretende Zuckung mit nachträglicher tonischer Verkürzung. Ganz isoliert sind beide nur in den schwächsten Stadien der Veratrinvergiftung; später verschwimmen sie zu einer gemein- samen langgestreckten Welle. Ferner das Auftreten der typischen Wirkung nach wiederholter Reizung und das Verschwinden oder die Abschwächung der Wirkung nach mehreren Reizen. Zum Vergleich empfehlen wir besonders die Kurvenserien in der Arbeit von Lamm!), wo jede der in Betracht kommenden Formen aufgefunden werden kann. Die Wirkung von Aldehyden auf den Muskel. Methodik. Der Muskel befand sich in einem Glasbehälter, der durch eine seitliche Röhre mit einem zweiten Gefäss verbunden war. Die zu untersuchende Substanz war in Ringer-Lösung gelöst, und der Muskel konnte in dieselbe eingetaucht und herausgehoben werden, in- dem man das zweite Gefäss hob und senkte. Zuerst wurden immer einige normale Zuckungen aufgenommen, dann wurde in das Gefäss zum Muskel Giftlösung eingelassen. Bei der Reizung wurde diesclbe - immer wieder entfernt. Meistens wurde der M. gastrocnemius von grossen ungarischen Esculenten (Winterfröschen) benutzt; doch haben wir unsere Resultate auch an anderen Muskeln (Sartorius usw.) ge- prüft. \ Der Muskel zog an einem Grützner’schen Federmyographion. Federspannung 75 g. Hebelvergrösserung 3,7 fach. Direkte Muskel- reizung mit maximalen Öffnungs-Induktionsschlägen. Umdrehungs- mm geschwindigkeit der Kymographiontrommel 10 —. sec. Vor einigen Jahren hat der eine von uns?) beobachtet, dass Formaldehyd (H-COH) typische Veratrinkontraktionen bewirkt. In Fig. 2 geben wir eine Reihe von Kurven, die die Entwicklung der „Veratrinkontraktion“ zeigen. Auf einen Einzelreiz zuckt der vergiftete Muskel, verlängert sich dann wieder und beginnt nun eine zweite langgestreckte Kontraktion (Fig. 2, 5). In späteren Stadien I) @ 2) Pflüger’s Arch. Bd. 128 S. 398—420. 1909. Untersuchungen zur Theorie der sogenannten Veratrinkontraktion. Erklärung der neben- stehenden Fig. 2: Versuch vom 6. Februar 1913. —- Form- aldehyd. Genese der Aldehyd- wirkung. 1 41 50’ normale Zuckungen (gleich darauf ein- getaucht in die Giftlösung). 3 4h52'.-3 Ah55'. 45h. Das. 65613’. 7 55 29”. verschwindet die Teilung zwischen der ersten und der zweiten Phase immer mehr. Die tonische Ver- kürzung ist manchmal ganz later (z. BD. Fig. 3, 3), manchmal oszillatorisch (Fig. 2, 6 und 7). Ebenso wie bei der Veratrinver- siftung haben wir auch hier jenen Fall, welcher bei den schwächsten For- men jener Vergiftung be- obachtet wird, eine Zuk- kung und danach eine ganzisoliertetonische Verkürzung gesehen (Fig. 3,4). Als bereits wirk- same Konzentration erwies a 38 sie eine 70, Lösung; ganz : : RT sicher wirkt eine og; Auch in dieser bleibt der Muskel lange reizbar. Inssllie? 3, 7 und 2 haben wir Fälle registriert, in welchen ebenso wie bei Veratrinvergiftung zuerst wiederholte Reizungen nötig waren, um eine Veratrinkontraktion her- a: Or j 427 00L u "SI6T Tenıgag 'qG WwoA yonsıoa — 'aoyeds yoou oyioassunyanz g Ioyeds sem ayraassungonz & ‘uauoryerjuoy 007 UHSTULIQFULIYE.IHA UOA UHWAYMY yoeu pun yoeu “oyrsasdungonz LT "PÄyapfewaog Elan jady '[I woA yonsıoy ge "Srq "u9UOFFEAUOY OfBuIou pun Hdturıgyurıeasa pufosgange “ayraassungdnzZ F 'pÄyappewsoy rzar und Magda Felter: » Fritz Ve 428 Untersuchungen zur Theorie der sogenannten Veratrinkontraktion. 4929 vorzurufen. So wechselt z. B. in Fie. 3, £ mit einer Veratrin- kontraktion eine normale Zuckung ab. Es bedarf also zuerst einer Zuckung, um eine Veratrinkontraktion zu verursachen, eine gewisse „Substanz“ muss sich also zuerst genügend ansammeln; andererseits wird aber diese durch die Veratrinkontraktion „verbraucht“, und nun folgt wieder eine normale Zuckung. | Diese Wirkung des Formaldehyds ist also bis auf Einzelheiten vollkommen analog der des Veratrins. Die einfache chemische Struktur des Formaldehyds legte nun den Gedanken nahe, ob es wohl die Aldehydgruppe sei, welche diese Wirkung hat, oder ob möglicherweise irgendeine andere Eigenschaft desselben hier wirkt. Wir haben deshalb untersucht, ob auch andere Aldehyde eine ähnliche Wirkung auf die Kontraktionskurve des Muskels haben. Die Präparate bezogen wir von Schuchardt in Görlitz. Die Lösungen wurden immer frisch hergestellt und die Substanz immer in Ringer-Lösung gelöst. Wir fingen die Prüfung mit möglichst kleiner Konzentratien an und gingen, wenn sich keine Wirkung zeigte, bis zu solehen Konzentrationen, welche den Muskel rasch unerregbar machten. Tabelle. N Gibt Wirksame Su Chemische Formel | Veratrin- Kon- Anmerkung des Aldehydes kurven zentration m Formaldehyd ..-. .- HZEHO tete 0 mw Eyoxal ..... CHO - CHO ie, - | Acetaldehyd . . CH, - CHO +44 —— = Paraldehyd. . . (CHs-CHO, |++++-—| m Acrolein. ... . - @H,- CHO +++ ar Glycerinaldehyd n. CH.0,-CH0: le + er: —_ = iso C,H,0,; - CHO — | — (Glycerose) -‚Propylaldehyd . . (Hz - CHO — _ Glyoxalsav. ... . COOH - CHO — —_ Butylaldehyd n. . G,H- : CHO — —_ ” iso . C,H, - CHO — —. Valeraldehyd n. . | C,H, - CHO — = 5 iso . C,H; - CHO = = Onanthol® ... ... C;H;3 : CHO — _ Benzaldehyd . . . C,H; - CHO — Oxybenzaldehyd p C;H,0H : CHO | = a h) C,H,0H - CHO — — Yanılin.. . .. C;Hz-OH-OCH;-CHO ae = (Acid. salicylosunı) 430 Fritz Verzär und Magda Felter: In Tabelle I sind die untersuchten Aldehyde zusammengestellt }). Ausser Formaldehyd, das immer die typische Wirkung hatte, gab Glyoxal und Aerolein immer „Veratrinkontraktionen“. Acet- aldehyd hatte unter fünf Fällen dreimal, Paraldehyd unter sechs Fällen viermal, Glycerinaldehyd n unter fünf Fällen zweimal eine typische Wirkung. Alle anderen Aldehyde gaben niemals bei sehr zahlreichen Prüfungen und in keinerlei Konzentration Veratrin- kontraktionen. Die Tabelle zeigt deutlich, dass je höher ein Aldehyd in der Reihe steht, um so geringer seine Wirkung wird. Warum Acetaldehyd, Glycerinaldehyd und Paraldehyd nicht immer ge- wirkt haben, können wir nicht erklären. Die Präparate waren dieselben und die Lösungen waren immer frisch). Es scheint also von den individuellen Verschieden- heiten der Muskeln abzuhängen, wie diese Substanzen wirken. & Fig. 4 Versuch vom 22. März 1913. m Glyoxal. 1 Normale Zuckung. 2 Zwei aufeinanderfolgende Zuckungen im früheren Stadium der Vergiftung. Zunahme der „tonischen* Verkürzung. 3 Drei aufeinanderfolgende Zuckungen im späteren Vergiftungsstadium. Abwechselnd stärkere und schwächere „tonische“ Verkürzung. Als Beispiel führen wir eine Anzahl von Kurven an, welche die Wirkung dieser Substanzen illustrieren. Aus ihnen geht wohl mit Sicherheit hervor, dass diese Wirkung eine Aldehydwirkung ist unl 1) Ein + -Zeichen gibt an, dass die Substanz „veratrinförmige“ Kontraktion verursacht. Sind +- und —-Zeichen vorhanden, so gibt deren Zahl an, wie oft die Wirkung in den untersuchten Fällen positiv war. 2) Beim Paraldehyd hatten wir positive Erfolge mit einem älteren, negative Erfolge mit einem neueren Präparate. Wir halten es zwar für unwahrscheinlich, können es aber nicht von der Hand weisen, dass also hierbei möglicherweise eine Zersetzung des Präparates gestört hat. Untersuchungen zur Theorie der sogenannten Veratrinkontraktion. 43] dass dieselbe durch Einführung anderer Gruppen in das Molekül zurückgedrängt werden kann. Im einzelnen sei zur Erklärung der Kurven das folgende erwähnt: Glyoxal (Fig. 4). Kurve 7 zeigt die normale Zuckung. Nachdem der Muskel mit einer 105 Gyoxallösung vergiftet war, registrierten wir in Kurve 2 zwei Zuckungen nacheinander. In der ersten zeigt sich eine schwache tonische Kontraktion, in der zweiten ist diese Wirkung schon viel stärker. Mit Zunahme der Reize nimmt also auch die „veratrin- förmige“ Wirkung zu. Andererseits ist die Wirkung nach einer Veratrinkurve schwächer, um dann wieder zuzunehmen wie in Kurve3. A Acetaldehyd (Fig. 5) gab ausserordentlich charakteristische Kurven, z. B. in Kurve 2, wo eine Zuckungsreihe registriert ist. Die Kurven gleichen durchaus den Veratrinkurven. In der ersten sieht man während der tonischen Kontraktion noch einige Oszillationen, später nicht mehr. Die tonische Kontraktion nimmt mit jeder Zuckung mehr und mehr ab. In Kurve 7 sieht man umgekehrt, dass es zuerst mehrerer Reize - bedarf, ehe die tonische Kontraktion auftritt. Hier ist dieselbe voll- kommen getrennt von der ersten Zuckung, so wie bei den schwächsten ‘ Graden der Veratrinvergiftung (besonders deutlich in der siebenten . Zuekung). Später wechseln veratrinförmige Zuckungen mitnormalen ab. Paraldehyd (Fig. 6). 1 zeigt Kurven, die den schwächsten Stadien der Veratrin- vergiftung, 2 solche, die den stärkeren Vergiftungsgraden entsprechen. Deutlich ist das Verschwinden der Wirkung bei wiederholter Reizung. Aecrolein (Fie. 7). Kurven 1, 2, 3 zeigen die Entwicklung der Vergiftung von der normalen Zuckung bis zur veratrinförmigen. Eine vollkommene Trennung der Zuckung von der tonischen Kontraktion kam nicht zur Beobachtung. Kurve £ zeigt sehr deutlich, wie sich der Erfolg im Laufe einer Zuckungsreihe entwickelt. Ausserordentlich instruktiv sind Kurven 5 und 6. Kurve 5 zeigt normale Zuckungen, Kurve 6 die vergifteten. Bei wiederholter Reizung löst sich nach und nach die „tonische Verkürzung“ in einzelne rhythmische Oszillationen auf (jede dieser merkwürdigen Kontraktionen entstand, das ist nicht zu vergessen, auf einen Einzelreiz!). Die Auflösung geht immer weiter: Fritz Verzär und Magda Felter -UOIJEIUOM AOSTULIOFULIYEIIA UOA U9ULIOT OYSYaRIg zZ "Sunzroyg 199 ZunyarM Iop uapumyosIoA "Dunyamyro aop Suezuy z 'erederg sayfe) pAgopreag DI I9JJOTIIPaIM "ZI6I T9qwaZag "9] woA yonsıoA 9 BL -u9dunyonZ HIWIOFULIEIOA APuspurmyosı9A yavu pun yaeu ‘ayasıdAkL & PÄyapeIodv en "SI6T ıqzaq "ST WoA yonsıaA -- "wnıpeys -sduBJuy w uodunyaonZ U9SIMIOFULIEIOA U0A UOPUIMY9SsIoA pun uoamy I -pAgoppeggay OT "CI6T Tenıgag "TI WOA yonsıoy °C "SLq u er 433 Untersuchungen zur Theorie der sogenannten Veratrinkontraktion. -u9uroy9sıg UESUNNINZ Hfeuntou Yaıppua sıq ‘Me ussunyonZ 9AıyoWm U UOINEAUOM OSLULIOFULIE.IOA HLP YDIS 380] uszıoy usyjoy1apeIm T9g 'oyraeassungonz 9 "uedunsyonZ afeumon G "uojoroy eo "EI6T TEnIqOT '0g WOA Yonsı9A — "UHUOIFEAJUON HSIWMIGJULIEIOA YIIS UJOYOIM -Ju9 eu pun yoeN oyloassanyonzZ F 'Ulefoldvy & "EI6T TenIgd AT 'zZ WOA yansı9A — "SunyLAyTH op Yyundoyof FE "U9UoNNELJUOy uEZTUnEJuLYEIEA uop -upo79IAFu9 yaIs yowu pun yoeu yuı oyloassungonz "DunyamypIg a9p Sueguv % u "SIEHT enagaT ‘OT OA yonstoA °, DL ‚SunyonZ ABUMON T "U[oAYy = 1 a 434 Fritz Verzär und Magda Felter: fünf, vier, drei, zwei und endlich folgt nur noch eine schwache Welle, und zuletzt sind die Zuckungen ganz normal, wenn auch bedeutend niedriger, weil der Muskel er- müdet ist. Diese Kurve beweist sehr hübsch, dass die scheinbar tonische Ver- kürzung sich aus einer Reihe von Er- regungen zusaınmensetzt, also nichts anderes als ein Tetanus ist. Man erinnert sich bei ihrer Betrachtung an jene allbekannten Kurven, mit welchen die Genese eines Tetanus künstlich demonstriert wird. Sie kann als Beweis dafür dienen, dass man es hier mit einem oszillatorischen Vor- gang (Tetanus) und nicht mit einer „tonischen“ Innervation zu tun hat. Trotz- dem es uns nicht gelang, einen solchen Fall zum zweitenmal zu reproduzieren, bilden wir hier diese einzigartige Kurve ab (allerdings haben wir auch nicht viele Glycerinaldehyd. 7 Normale Zuckungen. 2 Veratrinförmige Kontraktion, abwechselnd mit an 10 normalen Zuckungen. — Versuch vom 9. April 1913. Fig. 8. Versuch vom 26. März 1913. Glycerinaldehyd. 3 Schwächste Form der veratrinföürmigen Zuckungen. Die u 10 Wirkung erscheint bei wiegerholten Reizen nach und nach und verschwindet dann wieder. Untersuchungen zur Theorie der sogenannten Veratrinkontrahtiin. 435 Versuche mit Acrolein gemacht, denn das Arbeiten mit diesem Körper stellt wegen der unangenehmen Dämpfe gar zu grosse An- forderungen an die Überwindungskraft des Untersuchers). Glycerinaldehyd (Fie. 3). Kurve 7 zeigt normale, Kurve 2 veratrinförmige Kontraktionen. In der Zuekungsreihe hat jeder zweite Reiz eine normale Zuckung zur Folge. Kurve 3 zeigt eine sehr schwache veratrinförmige Wirkung. Die tonische Verkürzung entwickelt sich erst nach und nach und ist von der Anfangszuckung vollkommen isoliert, als zweite schwache Erhebung sichtbar und verschwindet bei wiederholter Reizung wieder. Wie man sieht, erhielten wir manchmal nur jene Form der Veratrinkontraktion,, welehe bei den allerschwächsten Formen der Veratrinvergiftung zu beobachten ist, nämlich nach einer anfänglichen Zuckung eine ganz seichte tonische Kontraktion. In anderen Fällen wieder zeigte sich nur eine den starken Graden der Veratrinvergiftung entsprechende Form. Wir heben ausdrücklich hervor, dass wir also meistens nicht vollkommene Analoga zur Veratrinwirkung haben, indem wir nicht alle Phasen der Veratrinwirkung nacheinander sich entwickeln sehen; konstant ist aber, dass wie bei der Veratrin- vergiftung auf einen Einzelreiz eine Anfaneszuckung und nach dieser noch eine tonische Verkürzung folgt. Alle die verschiedenen Kurven- formen hier, ebenso wie beim veratrinvergifteten Muskel, sind nur quantitativ voneinander verschieden, indem: die tonische Verkürzung früher oder später nach dem Gipfel der Anfangszuckung beginnt und länger oder kürzer, stärker oder schwächer ist. Ganz charakteristisch ist auch das Auftreten der veratrinförmigen Kontraktionen nach einigen normalen Zuckungen und ebenso das Abnehmen der Wirkung bei wiederholter Reizung, wie es mit den verschiedensten Substanzen ganz regelmässig beobachtet wurde. Die Wirkung verschiedener Substanzen auf die Kontraktionsform des Muskels. Ein Studium der Literatur über. die Wirkung verschiedener Substanzen auf die Kontraktionsform des Muskels hat uns zu dem etwas überraschenden Resultat geführt, dass ausser dem Veratrin noch eine ganze Reihe von Körpern bekannt sind, von denen hie und da beschrieben wurde, dass sie veratrinförmige Kontraktionen bewirken. Es ist dies deshalb überraschend, weil man im allgemeinen in der Literatur dem Veratrin eine ganz spezifische Rolle einräumt. Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd. 158. 29 436 Fritz Verzär und Magda Felter: Tabelle II. Veratrinförmige Wirkung haben: Elektrolyte: Chloride von Ba, Ca, Rb, Ytt, Na, Ba, Ste, Betz Cs ee es [Brunton u. Cash]!) RbClse u 2 N Sn ee [Blumenthal]?) OSClE a re Re [Blumenthal] NaCl re [Blumenthal u. Locke]?) NaCLO, 0 0 9 ee [Kerry u. Rost] ®) Na a re: [Blumenthal] NaBre re ge. a een [Blumenthal] HEN tn) a Be [Schenk]°) Organische Säuren und Salze: Propionsäuremr ee [Blumenthal] Buttersäures. Waren [Blumenthal] Na-Oxalatee Er [Bottazzi]®) Alkaloide und Glykoside: Helleborein 22 u ver. [Bottazzi] Dieitalin ea a 2 a [Bottazzi] AtROPpIn. Ce ee TER [Bottazzi] StEyChHnInE A Da ee [Bottazzi] 2 Gollein CN Graitan ner [Bottazzi] 14Colchieing. Bars rare ze BaeobylQEr Oxydieolchiens re er: [Jacoby] ’) Glycerin(o) 2 a ea: [Santesson]°) Eat Jtte Bereits Bottazzi°’) hat jedoch auf einige Substanzen hin- gewiesen, welche eine ganz ähnliche Wirkung wie Veratrin haben, und besonders zahlreiche Angaben findet man auch in einer Arbeit vonBlumenthal!°P) Letzterer nennt (nach Funke) die Anfangs- 1) Philosoph. Transact. Bd. 175 S. 197. 1884. 2) Pflüger’s Arch. Bd. 62 S. 513—542. 1896. 3) Pflüger’s Arch. Bd. 54 S. 501. 1893. 4) Arch. f. exper. Path. u. Pharm. Bd. 39. 5) Pflüger’s Arch. Bd. 8 S. 236, 513. O)alze: 7) Arch. f. exper. Path. u. Pharm. Bd. 27. 8) Verh. d. Vers. nord. Naturforscher in Helsingfors 1902. Skand. Arch. Bd. 14 S.1. 1902. a) Ih (& 10) 1. c. {0} Untersuchungen zur Theorie der sogenannten Veratrinkontraktion. 437 zuckung „Nase“ und gibt von einer Reihe von Elektrolyten an, dass auf einen Einzelreiz eine längere Kontraktion am Anfang mit einer „Nase“ folgt. Als Beispiel, was er hiermit meint, verweisen wir auf seine Figuren Tafel XIX, 4, 7, 15, 16, wo man auch sieht, wie sich die Wirkung in einer Zuckungsreihe erst nach und nach ent- wickelt und dann wieder abklinet. In Tabelle II haben wir jene Substanzen- zusammengestellt, von welchen Angaben über mehr oder weniger „veratrinförmige“* Kon- traktionen, das heisst auf einen Einzelreiz eintretende Zuckung und darauffolgende (tetanische oder) tonische Verkürzung, vorliegen. Es muss bemerkt werden, dass die tonische Verkürzung sich bei diesen Substanzen, soweit sich aus den bisher abgebildeten Kurven ersehen lässt, nicht so ununterbrochen gleichmässig äussert wie beim Veratrin, sondern häufig oseillatorischer Natur ist, also auch damit ihren tetanischen Charakter verrät. Mansieht ferner aus der Zusammen- Fig. 9. Versuch vom 18. Februar 1913. Glycerin (2). 1 Normale Zuckungen. 2 Zuckungen nach Vergiftung mit Glycerin. stellung, dass diese Substanzen zu den verschiedensten chemischen Gruppen gehören. Es sind darunter Elektrolyte, organische Säuren und Salze, Glykoside und Alkaloide. Wir wollen nicht verschweigen, dass es uns möglich erscheint, dass manche der in dieser Tabelle aufgenommenen Substanzen eine andersartige, mit der Wirkung des Veratrins nicht ohne weiteres vergleichbare Wirkung haben. So ist es nicht unmöglich, dass es sich in manchen der erwähnten Fälle nur um Verkürzungsrückstände handelt, wie es z. B. ermüdete Muskeln zeigen, die äusserlich gewissen Stadien der Veratrinkontraktion ähneln können. Beim Glycerin haben wir selbst in einigen Versuchen, entsprechend den Angaben von Santesson (l. c.) Anfangszuckung mit nach- träglicher tonischer (tetanischer) Verkürzung gesehen, so wie beim Veratrin (Fig. 9, 2). Aber sonst ist eine derartige vergleichende Untersuchung, welche direkt von diesem Gesichtspunkte ausgehen 295 438 Fritz Verzär und Magda Felter: würde, so wie wir es oben für die Aldehyde vorgenommen haben, für diese verschiedenen Substanzen noch nicht durchgeführt, und wir können deshalb auch noch nicht endgültig entscheiden, wie weit die Analogie mit der Veratrinwirkung geht. Eine derartige vergleichende Untersuchung, besonders auch vom elektrophysiologischen Stand- punkte, möchten wir später noch ausführen. In der Tabelle III endlich haben wir eine Reihe von ganz ver- schiedenen Substanzen zusammengestellt, die wir in verschiedenen bis zu den tödlichen Konzentrationen untersucht haben und die niemals eine auch nur entfernt veratrinähnliche Wirkung auf die Kontraktionskurve hatten. Tabelle II. Keine veratrinförmige Wirkung!) haben: Organische Säuren Andere organische Elektrolyte sans Alkohole ae KOH Milchsäure Methylalkohol Chloroform Na0H Essigsäure Äthylalkohol Urethan FeSO, Oxalsäure Propylalkohol (Bl.) Morphin CuSO, Buttersäure ?) Butylalkohol (Bl.) Toluol ZnSO, Weinsäure Amylalkohol (Bl.) Hydrochynon HCl Ameisensäure ?) Acetal H,SO, Natriumoxalat HNO, Capronsäure (Bl.) KCN NaCNS H;PO; (Bl.) Zur Theorie der Veratrinkontraktion. In dem bisher Gesagten wurde gezeigt, dass erstens die niederen Aldehyde charakteristische veratrinförmige Kontraktionen bewirken, so dass sich alle prinzipiell wichtigen Eigen- heiten der Veratrinwirkung mit diesen Substanzen nachahmen lassen ; zweitens wurde darauf aufmerksam gemacht, dass in der Literatur noch zahlreiche Substanzen aus den verschiedensten chemischen Gruppen bekannt sind, die eine prinzipiell dem Veratrin ähnliche Wirkung haben. Was für Folgerungen eraelen sich nun hieraus für die Theorie der Veratrinkontraktion ? Wir rekapitulieren, dass nach der wohlbegründeten Lehre von v. Frey, Lamm und Hoffmann die Veratrinkontraktion eine 1) Untersucht von Blumenthal: (Bl.). 2) Haben nach Blumenthal veratrinähnliche Wirkung. Untersuchungen zur Theorie der sogenannten Veratrinkontraktion. 439 auf einen Einzelreiz folgende Zuckung mit nachträelichem Tetanus ist, welcher durchaus einem „chemischen Tetanus“ gleicht. ‘Bis hierher können wir uns ohne weiteres der Theorie von v. Frey anschliessen. Wir können nicht nur nichts dagegen einräumen, sondern im Gegenteil haben auch unsere Beobachtungen gezeigt, dass die „tonische Verkürzung“ häufig sich in oseillatorische Er- rezungen, also einen Tetanus, auflöst, wie z. B. in dem interessanten Fall in Fig. 7, 6. Der zweite Punkt der v. Frey’schen Theorie sagt jedoch aus, dass bei der Kontraktion eine Substanz entsteht, welehe mit dem Veratrin reagiert, und das Reaktionsprodukt bewirkt erst den chemischen Tetanus. Der Gedanke, dass bei der Kontraktion etwas entsteht, was zum Zustandekommen des Tetanus vorhanden sein muss, ist sehr glücklich, denn er erklärt alle die beobachteten Erscheinungen ausgezeichnet. Jedoch erscheint es uns, dass die Annahme, dass eine Substanz entsteht, welche mit dem Veratrin reagierend den Tetanus bewirkt, nach dem Vorangehenden nicht mehr haltbar ist. Man müsste nämlich, nachdem nun von den Aldehyden ausführlich, von verschiedenen anderen Substanzen mit grosser Wahrscheinlichkeit eine prinzipiell mit dem Veratrin identische Wirkung nachgewiesen ist, annehmen, dass alle diese Substanzen mit jener hypothetischen Substanz, welche im Muskel bei der Kontraktion entstehen soll, reagieren und dann einen chemischen Tetanus bewirken. Das ist, da diese Substanzen zu den verschiedensten chemischen Gruppen ge- hören, nicht annehmbar. Man musste sich also nach irgendeinem anderen gemeinsamen Gesichtspunkte umsehen, der die Wirkung dieser Substanzen erklärt. Dabei fiel es uns auf, dass von den meisten dieser Körper bekannt ist, dass sie in genügend grosser Konzentration angewandt von selbst (ohne dass der Muskel elektrisch gereizt wird) einen „chemischen Tetanus“ bewirken. Es scheint nun, dass sie in solchen Kon- zentrationen, in welchen sie sonst noch keinen spontanen Tetanus hervorrufen, bereits einen solchen verursachen, wenn vorher durch einen Reiz der Muskel erregt worden ist. Durch die Zuckung scheint also die Reizbarkeit des Muskels gesteigert zu werden. Die Theorie von v. Frey wäre demnach dahin ab- zuändern, dass bei der Kontraktion des Muskels eine Änderung (Substanz?) entsteht, welche die Reizbarkeit des Muskels gegenüber den vorhandenen schwachen chemischen Reizen erhöht. Dadurch 440 - - —- Fritz Verzär und Magda Felter: bewirken Substanzen, die sonst nur in weit grösseren. Konzentrationen als Reiz wirken, einen Tetanus. Damit die Reizbarkeit genügend erhöht sei, müssen eventuell besonders bei geringeren Graden der Vergiftung mehrere Zuekungen vorangehen, ehe ein chemischer Tetanus erfolgen kann. Die Erhöhung der Reizbarkeit kann vielleicht dadurch bewirkt werden, dass die Permeabilität der Plasmahaut durch ein bei der Kontraktion gebildetes Stoffwechselprodukt zunimmt und dadurch die als Reiz wirkende Substanz rascher eindringen kann. Zugunsten dieser Annahme spricht, dass durch eine Änderung der Plasmahaut- Permeabilität durch Ca und K die charakteristische Wirkung des Verätrins aufgehoben werden kann, wie das Lamm und v. Frey bereits hervorheben. Mit diesem Mechanismus liesse sich auch erklären, warum nach einigen Reizungen die Veratrinkontraktion verschwindet. Wenn nämlich die als Reiz wirkende Substanz in das Innere der Faser diffundiert ist, so wird es einer gewissen Zeit bedürfen, ehe genügend neue Substanz wieder von aussen bis zur Fibrille diffundiert, um den chemischen Tetanus zu bewirken. Man wird aber mit Recht auch noch nach anderen Anhalts- punkten dafür verlangen, dass nach einer Zuckung die Reizbarkeit des Muskels gesteigert ist. Solche sind auch vorhanden. So hat erst neuerdings wieder Beritoff') in Bestätigung der älteren Untersuchungen von Wedensky?), F. B. Hoffmann?) und Samojloff*) gezeigt, dass nach der refraktaeren Periode eine Periode der gesteigerten Erregbarkeit folgt, welche bis zu 0,4 Sekunde dauert („Fxaltationsphase“). Sie lässt sich beim Muskel ebenso wie beim Nerv nachweisen, wo sie besonders auch von Adrian und Lucas?) beobachtet wurde. Sie wird besonders deutlich bei schwachen und nichtfrequenten Reizungen und bedingt das Anwachsen der Fffekte im Laufe der Reizung. Sie lässt sich nach Samojloff auch so nachweisen, dass man zwei Reize nacheinander auf den Muskel wirken lässt. Nach Ablauf 1) Beritoff, Zeitschr. f. Biol. Bd. 62 S. 177—178. 1913. 2) Wedensky, zitiert nach Beritoff. 3) F. B. Hoffmann, Pflüger’s Arch. Bd. 103 S. 291. 1904. 4) Samojloff, Arch. f. Physiol., Suppl. Bd. 1. 1908. 5) Adrian und Lucas, Journ. of Physiol. vol. 44 p. 68. 1912. - Untersuchungen zur Theorie der sogenannten Veratrinkontraktion. A41 der refraktären Periode sieht man dann, dass der gleiche Reiz einen grösseren Aktionsstrom hervorruft als vorher. Der erste Reiz hat also den Muskel in einen Zustand erhöhter Reizbarkeit versetzt. F. B. Hoffmann bemerkt, dass man die Zunahme der Zuckungen nach einer Reizung auch so erklären könne, „dass ge- wisse Stoffwechselprodukte in ganz geringen Konzentrationen eine Erhöhung der Leistungsfähigkeit hervorrufen, wie sie ja A. Waller und Boruttau insbesondere für die Kohlensäure angegeben haben“ (l.e. S.306). Das passt durchaus in unseren obigen Gedankengang !). Es wäre jetzt nur noch zu erklären, warum das Veratrin diese Wirkung in so ausserordentlich starker Weise zeigt, schon in Kon- zentrationen von 1 zu mehreren Millionen. Die Erklärung scheint die zu sein, dass das Veratrin von den Muskelfasern sehr stark adsorbiert wird. Lamm hat nachgewiesen, dass das Veratrin aus der Lösung, in welcher ein Muskel gehalten wird, verschwindet. Herr Dr. Berczeller hatte die Freundlichkeit, auf meine Bitte die Oberflächenspannung von Veratrinlösungen zu messen, und konstatierte eine starke Verminderung der Oberflächenspannung des Wassers durch Veratrin. Das erklärt genügend, dass das Veratrin sich in den Oberflächen, also an den Fibrillen der Muskelfaser, ansammelt. Es wird deshalb dort sehr stark und je länger, je mehr konzentriert vorhanden sein. Deshalb beobachtet man beim Veratrin um so stärkere Wirkung, je länger sich der Muskel in der Lösung befindet. Bei den Aldehyden, die die Oberflächenspannung nicht oder nur un- bedeutend beeinflussen und deshalb nicht adsorbiert werden, ist das nicht oder nur viel weniger der Fall. Deshalb beobachtet man bei diesen oft stundenlang nur dieselbe Phase der Wirkung, die — je nachdem sich das Reizmittel in genügend grosser Konzentration zwischen Lösung und Muskel verteilt — schwächer oder stärker ausfällt. Zusammenfassend können wir also über diesen Abschnitt sagen, dass die Theorie von v. Frey, dass die Veratrinkontraktion ein auf einen Einzelreiz erfolgende Zuckung mit nachfolgendem chemischen Tetanus ist, wohl zu Recht besteht, dass dagegen die weitere An- nahme, dass bei der Kontraktion eine Substanz entsteht, welche mit dem Veratrin reagiert, fallengelassen werden muss. Eine Erklärung für die auf die Anfangszuckung folgende tonische Verkürzung lässt sich aber vielleicht darin finden, dass die durch 1) Es sind aber auch andere Erklärungen möglich! 442 Fr. Verzär und Magda Felter: Untersuchungen zur Theorie ete. die Zuckung erhöhte Reizbarkeit des Muskels es möglich macht, dass Substanzen, die sonst nur in viel grösseren Konzentrationen als chemischer Reiz wirken, einen Tetanus hervorrufen. Das Veratrin hätte also nur insofern eine spezifische Wirkung, als es bereits in sehr kleinen Mengen und sehr regelmässig wirkt. Die vorstehende Arbeit ist im Institut für allgemeine Pathologie und physiologische Chemie der Universität Budapest ausgeführt worden, zur Zeit, als die Leitung desselben in den Händen des Herrn Prof. F. Tang] lag. 443 | Über den Einfluss der Ausschaltung der Kehlkopf- nerven auf das Wachstum des Kehlkopfes. Von Ernst v. Elischer. ir Es wurden an verschiedenen Tieren (Kaninchen, Katze, Hund, Pferd) vielfach Versuche darüber angestellt, welchen Einfluss die Ausschaltung der Kehlkopfnerven auf die Funktion des Kehlkopfes und auf die Stimmbildung hat, und welche Veränderungen sich mit dem Kehlkopfspiegel nachweisen lassen. Diese Versuche wurden aber alle nur an vollkommen entwickelten Tieren ausgeführt; zum Teile wurden sie durch klinische Beobachtungen ergänzt. Meine Aufgabe, die mir Herr Prof. F. Tang] stellte, war, das Wachstum des Kehl- kopfes nach Ausschaltung der Kehlkopfnerven zu be- obachten, also einen Teil der bisher an entwickelten Tieren an- gestellten Versuche an jungen, in Entwicklung begriffenen Tieren (Hunden) zu wiederholen. Die Durehtrennung des Muskelnerven erzeugt Atrophie des be- treffenden Muskels; dies ist auch der Fall bei der Durchtrennung der einzelnen Kehlkopfnerven. Der N. lar. sup. und inf. enthält aber ausser den motorischen auch sensible Nervenfasern; auch die Ausschaltung der letzteren kann einen gewissen Einfluss haben auf das Wachstum des Kehlkopfes. Da die halbseitige Resektion der Nerven keinen bemerkenswerten Einfluss auf das Wachstum des Kehlkopfes hatte (weder die Maasse der Knorpel noch die Stimmbandlänge hatte sich nach der Nerven- durchtrennung wesentlich geändert), habe ich die beiderseitige Durch- trennung der oberen bzw. unteren Kehlkopfnerven angewendet. Nach doppelseitiger Durchtrennung des N. lar. inf. konnte ich die Tiere nicht am Leben erhalten. Die Ausschaltung der oberen Kehlkopfnerven ruft die Inaktivität der M. thyreocrieoidei hervor. Das Fehlen dieser Muskelfunktion 444 Ernst v. Elischer: stört die Stimmbildung bedeutend, denn die M. cricothyreoidei be- wirken ja die „grobe“ Einstellung der Stimmbänder (die „feine“ Einstellung geschieht nach der allgemeinen Annahme durch die M. thyreoaryth. ext. und int. [bzw. beim Hunde sup. und inf.]). Es war von Interesse, zu untersuchen, welchen Einfluss die Aus- schaltung der beiden Mm. thyreocricoidei auf die Stimmbildung hat, je nachdem die Ausschaltung durch Nervendurchtrennung oder durch Entfernung der Muskeln mit dem Messer erzeugt wird. Da die ein- seitige Nervendurchtrennung bzw. Muskelausschaltung keine wesent- lichen Veränderungen des Kehlkopfwachstums hervorrief, so unter- suchte ich hauptsächlich diejenigen Veränderungen, die nach doppel- seitiger Funktionsausschaltung der Mm. thyreoecricoidei auftraten. Bevor ich auf die Beschreibung meiner Versuche eingehe, will ich einen kurzen Überblick über die Literatur der aufgeworfenen Fragen geben. Den Musculus thyreocricoideus des Hundes versorgt der Nervus vagus mit motorischen Nervenfasern. Diese Fasern können entweder direkt im äusseren Aste des N. laryng. sup. verlaufen oder in dem zuerst von Exner beschriebenen N. laryng. medius, der ein Ast des Plexus pharyngeus nervi vagi, und zwar des sogenannten N, pharyngeus medius [Katzenstein!)] ist, in welchen durch Anastomose Fasern aus dem Laryng. sup. gelangen. Die Durchtrennung des N. laryng. medius verursacht nicht die Degeneration des ganzen Muskels; sondern nur wenn gleichzeitig auch der N. laryng. sup. durchschnitten wird (Exner?). In vielen Fällen trat nach Durchtrennung des Laryng. medius, mehr noch bei beiderseitiger Resektion der Rami communicantes Degeneration im grössten Teile des Muskels ein [Onodi°®), Livon®)], nur ein kleiner median gelegener Teil des Muskels wies keine Degeneration auf; vielleicht wurde eben dieser Teil durch den äusseren Ast des N. laryng. sup. versorgt. In einzelnen Fällen trat nach Durchtrennung des äusseren Superiorastes Atrophie des M. thyreocricoideus ein [Simanowsky?°)], auch die Funktion des Muskels war gestört; in anderen Fällen zeigte 1) Katzenstein, Weitere Mitteilungen über die Innervation des M. cricothyr. Virchow’s Arch. Bd. 136. 1894. 2) Exner, Bemerkungen über die Innervation des M. cricothyreoideus. Pflüger’s Arch. Bd. 43. 1888. 3) Önodi ‚ Die Anatomie und Physiologie der Kehlkopfnerven. Berlin 1902. — Önodi, Zentralbl. f. d. med. Wissensch. 1838 Nr. 51. 4) Livon, Arch. de physiol. 1890. 5) Simanowszky, Über die Schwingungen der Stimmbänder bei Lähmungen verschiedener Kehlkopfmuskeln. Pflüger’s Arch. Bd. 42. 188. e.) Über den Einfluss der Ausschaltung der Kehlkopfnerven etc. 445 sich keine Degeneration [Mandelstamm!)]. Aus all dem scheint zu folgen, dass es im Fasernverlauf mehrere Varianten gibt; auch scheint es nicht ausgeschlossen zu sein, dass in einzelnen Fällen der M. thyreo- 'ericoideus seine motorischen Nervenfasern durch Faserntausch von der anderen Seite erhält [Weinzweig ?)]; dieser Nervenfaserntausch ist im Kehlkopfgebiete nicht selten [Onodi?)]. Die Innervation des M. thyreocricoideus geschieht auf keinen Fall durch den N. laryng. inf.; nach Durchschneiden dieses Nerven trat im M. thyreocricoideus nie Degeneration auf [Klemperer*)]. Die Funktion des M. thyreocricoideus ist hauptsächlich das Spannen der Stimmbänder; der Muskel ist also einer der wichtigsten Muskeln der Stimmbildung [Simanowski?)]. Einige Autoren sind der Meinung, dass die ganze Funktion des Muskels nur in der Stimmbandspannung bestehe [Katzenstein, Mehring, Zuntz, Scheck®)]; andere schreiben dem Muskel auch die Rolle eines Adduktoren zu [Grossmann”), Onodi°), Grabower, Wagner, Neumayer?’)| und sind der Ansicht, der Muskel wäre allein imstande, die Stimmritze zu schliessen. —.Grabower!®) be- wies, dass nach Rekurrensdurchtrennung ungefähr 4 Tage lang der M. thyreocricoideus imstande ist, die Medianstellung des Stimmbandes hervorzubringen, nach 4 Tagen aber gelangt das Stimmband wieder in die Kadaverstellung. Jeleuffy!!) teilt den Muskel in drei Teile und schreibt diesen eine gesonderte Tätigkeit zu. Die Funktion des Muskels, den Ringknorpel dem Schildknorpel zu nähern, wurde auch mit X-Strahlenbeleuchtung bewiesen [Jörgen Möller und Fischer'?2)]. Grossmann!?) hält den Muskel in ge- 1) Mandelstamm, Studien über Atrophie und Innervation der Kehlkopf- muskeln. Sitzungsber. d. Akad. in Wien 1882. 2) Weinzweig, Sitzungsber. d. Akad. Bd. 86 Abt. 3. Wien 1882. 3) Onodi, Beiträge zur Kenntnis der Kehlkopfnerven. Arch. f. Lar. Bd. 9. 4) Klemperer, Über die Stellung der Stimmlippen nach Recurrens und Posticusdurchschneidung. Arch. f. Lar. Bd. 8. 189. 5) Simanowszky, Über die Schwingungen der Stimmbänder bei Lähmungen verschiedener Kehlkopfmuskeln. Pflüger’s Arch. Bd. 42. 1888. 6) Scheck, Experimentelle Untersuchungen über die Funktionen der Nerven und Muskeln des Kehlkopfes. Zeitschr. f. Biol. Bd. 9. 7) Grossmann, Über den M. crieothyreoideus. Monatschr. f. Ohrenheil- kunde 1900. 8) Onodi, Die Funktion des M. cricothyr. Zentralbl. f. Lar. Bd. 10. 9) Neumayer, Urtersuchurgen über die Funktion der Kehlkopfmuskeln. Arch. f. Lar. Bd. 4. 1896. 10) Grabower, Funktion des M. thyreocricoideus. Intern. Kongr. f. Lar. 1911. 11) Jeleuffy, Der M. cricothyr. Pflüger’s Arch. Bd. 7. 1873. 12) Jörgen Möller und J. F. Fischer, Über die Wirkung der Mm. ericothyr. und thyreoaryth. int. Arch. f. Lar. Bd. 15. 1904. 13) Grossmann, Funktionelle Beziehung der Kehlkopfmuskeln. Arch. f. Lar. Bd. 18. 1906. 446 Ernst v. Elischer: wissem Sinne für den Antagonisten des M. vocalis, indem nämlich dieser Muskel durch seine Kontraktion den Abstand zwischen den vorderen Teilen der beiden Knorpel (Schild- und Ringknorpel) ver- grössert; auch fand Grossmann nach Ausschaltung des M. thyreo- cricoideus im M. vocalis Zeichen von Degeneration. Er ist der ° Meinung, dass nach Ausschaltung des M. thyreocricoideus die Arbeit des M. vocalis eine viel geringere sei, was mit der Zeit zur Degene- ration führt. Die Funktion des M. thyreocricoideus kann entweder durch Ent- fernung des Muskels oder Durchtrennung seiner motorischen Nerven aufgehoben werden. Nach halbseitiger Nervendurchtrennung ist die aktive Spannung des gleichseitigen Stimmbandes keine vollkommene; das Stimmband ist schlaffer, kürzer [Scheck !)] als das der gesunden Seite; bei Phonation schliesst sich die Stimmlippe nicht mit scharfen geraden Rändern [Simanowszky?)], es bleibt auf der kranken Seite eine gestreckte halb ovale Ritze; nach der Auffassung vieler Verfasser schmiegt sich das gelähmte Stimmband bei Inspiration stärker an die Kehlkopfwand als das Stimmband ‘der gesunden Seite, welches durch seine Straffheit der Abduktion scheinbar besser widersteht [Neumann?), Schmidt). Auch wurde von einzelnen Verfassern beobachtet, dass bei halbseitiger Ausschaltung des M. thyreocricoideus die Stimmritze schief steht, als wenn der vordere Teil nach der gesunden Seite hin verlagert wäre, was besonders beim Tongeben auffällt. Diese schiefe Stellung der Glottis findet in der stärkeren Funktion des gesunden Muskels ihre Erklärung [Neumann°), Neumayer*), Mygind?)]. Mit ähnlichen Veränderungen geht auch die halbseitige Lähmung bzw. Entfernung des M. thyreocricoideus einher. Die beiden Stimm- bänder schwingen bei Phonation nicht synchron [Simanowszky?°); besonders fällt das bei tieferen Tönen auf; bei hohen Tönen (Winseln des Hundes) ist die Schwingung der beiden Stimmbänder eine gleich- zeitige; dies lässt sich auch durch die stärkere Aktion des gesunden Muskels erklären. Nach halbseitiger Muskelentfernung mit gleichseitiger Rekurrenz- durcehtrennung wird das Stimmband auch gespannt durch den Muskel der gesunden Seite [Neumann?®)]. Bei halbseitiger Lähmung ist das kranke Stimmband kürzer, der hintere Abschnitt des Stimmbandes liegt höher, der Kehldeckel ist etwas zur gesunden Seite hingezogen [Moeser®)]. 1) Scheck, Experimentelle Untersuchungen über die Funktionen der Nerven und Muskeln des Kehlkopfes. Zeitschr. f. Biol. Bd. 9. 2) Simanowszky, Zentralbl. f. Lar. Bd. 4. 3) Neumann, Die Kräfte für die Stimmbandspannung. Zentralbl. f. Lar. Bd. 11. 4) Neumayer, Untersuchungen über die Funktion der Kehlkopfmuskeln. Arch. f. Lar. Jg. 4. 1896. 5) Mygind, Die Paralyse des M. cricothyreoideus. Arch. f. Lar. Bd. 18. 1906. 6) Moeser, Das laryngoskopische Bild bei vollkommener einseitiger Vagus- lähmung. Zentralbl. f. Lar. Bd. 2. 1886. Über den Einfluss der Ausschaltung der Kehlkopfnerven etc. 447 Nach doppelseitiger Lähmung oder doppelseitiger Entfernung des M. thyreocricoideus werden die Stimmbänder nicht mehr gespannt, sie werden schlaff, ihre freien Ränder sind gewellt, ihr Schwingen aber ist bei Phonation synchron [Scheck!)]. Die Stimmritze ist kürzer; ihr vorderer Teil bleibt bei Phonation ein wenig geöffnet [Klemperer?)]. Beim Durchziehen der Luft flattern die schlaffen Stimmbänder wie Segel, die im Winde stehen [Mackenzie, Mygind®)]; der Luft- druck wölbt die schlaffen Stimmbänder nach oben zu. Auf die Stimmbildung hat die Ausschaltung des M. thyreocricoideus einen grossen und interessanten Einfluss, Nach halbseitiger Nerven- durchtrennung verliert die Stimme auf einige Tage ihren Klang, sie wird rauh [Klemperer?), Scheck')], erhält aber ihre originale Tonhöhe und ihren früheren Klang nach wenigen Tagen wieder zurück [Klemperer?°)]. Bei tieferen Tönen ist die Bewegung der beiden Stimmbänder keine synchrone, sie wird aber eine gleichzeitige bei höheren Tönen [Simanowszky*)]; es scheint der Muskel der ge- sunden Seite allein die beiden Stimmbänder genügend spannen zu können. Fällt die Funktion beider Mm. thyreocricoidei aus, so erfährt die Stimmbildung einen wesentlichen Schaden, der früher hohe scharfe Ton wird rauh, heiser, monoton und verliert bedeutend an Höhe Neumann), Klemperer?’), Bose, Scheck!)]. Der Ton sinkt um ungefähr 1'/s Oktave, d.i. mit zwölf Tönen [Simanowszky®)], auch der Umfang der Stimme wird geringer |Neumayer®)|, die Stimme ist nicht modulationsfähig, das Versuchstier (Hund) ist nicht imstande, hohe Töne zu erzeugen [Scheck)]. Diese tiefere Stimmlage kann aber künstlich erhöht werden, wenn man die vorderen Ränder des Ring- und Schildknorpels einander nähert und so die fehlende Funktion des M. thyreocricoideus ersetzt [Longet?)]. II, Als Versuchstiere wählte ich 4—6 Wochen alte, einem Wurfe entstammende Hunde. Das Wachstum der einzelnen Tiere war ein ziemlich gleiches, so dass es möglich war, die Resultate direkt mit- einander zu vergleichen. 1) Scheck, Experimentelle Untersuchungen über die Funktionen der Nerven und Muskeln des Kehlkopfes. Zeitschr. f. Biol. Bd. 9. 2) Klemperer, Über die Stellung der Stimmlippen nach Recurrens und Posticusdurchschneidung. Arch. f. Lar. Bd. 8. 1898. 3) Mygind, Die Paralyse des M. cıicothyreoideus. Arch. f. Lar. Bd. 18. 1906. 4) Simanowszky, Zentralbl. f. Lar. Bd. 4. 5) Neumann, Die Kräfte für die Stimmbandspannung. Zentralbl. f. Lar. Bd. 11. 6) Neumayer, Untersuchungen über die Funktion der Kehlkopfmuskeln. Arch. f. Lar. Bd. 4. 1896. 7) Longet, Recherches experiment. sur les fonctions des nerfs et muscles du larynx ete. Gazette medicale de Paris 1841. 448 - Ernst v. Elischer: Bevor ich auf die Beschreibung der einzelnen Versuchsreihen eingehe, möchte ich erwähnen, dass ich die gleichzeitige doppelseitige Durehtrennung des N. laryng. inf. bei mehreren Hunden versuchte; die Tiere gingen aber in kurzer Zeit zugrunde unter den Symptomen srösster Atemnot; bei der Sektion wurde Schluckpneumonie kon- . statiert. Alle übrigen Versuche, über welche ich berichte, beziehen sich auf den N. laryng. sup. und den durch ihn versorgten M. thyreo- ericoideus und bezweckten, den Einfluss kennen zu lernen, den die Resektion des N. laryng. sup. (besonders des den M. thyreocricoideus versorgenden N. laryng. medius) auf das Wachstum des Kehlkopfes ausübt. Zu Beginn des Versuches, d.i. zur Zeit des operativen Ein- griffes, nahm ich an dem Versuchstiere folgende Messungen vor: a) die Distanz, zwischen dem unteren Rande des Zungenbeines und dem unteren Rande des Ringknorpels; b) die ganze Breite des Ringknorpels. Diese zwei Maasse wählte ich darum, weil sie ohne grössere Schwierigkeit leicht zu bestimmen waren, sogar mit gewisser Korrektion auch durch die Haut hindurch. Die Länge der Stimmbänder wurde immer unter streng gleichen Verhältnissen bestimmt, und zwar so, dass ich bei der Sektion den Kehlkopf hinten in der Medianlinie aufschnitt und so weit öffnete, bis die Stimmbänder eben gespannt wurden. Die Messungen wieder- holte ich öfters und fand immer die gleichen Resultate. Die Laryngoskopie vollführte ich an dem an den Operationstisch festgebundenen Tiere, und zwar teils mit, teils ohne Kehlkopfspiegel (Laryngoscopia directa). Die mikroskopischen Untersuchungen bei der ersten und zweiten Versuchsreihe wurden nach Celloidineinbettung und van Gieson- Färbung ausgeführt. Der Erwähnung wert scheint es mir, dass ich an vielen Hunden sogenannten Prolapsus ventrieuli Morgagni fand, welchem Befunde aber nach Jörgen-Möller!) kein besonderer Wert beizulegen ist. Dies ist bei Hunden beinahe physiologisch. Zur Übersicht habe ich für jede Versuchsreihe die Ergebnisse der Messungen in Tabellen zusammengestellt. l) Jörgen Möller, Bemerkungen über den sogenannten Prolapsus ventri- culi Morgagni. Arch. f. Lar. Bd. 17. 1905. Über den Einfluss der Ausschaltıng der Kehlkopfnerven etc. 449 Erste Versuchsreihe. Fünfeinem Wurfe entstammende ungefähr 4-6 Wochen alte Hunde. Versuchstier 1. Kontrolltier, wurde nicht operiert. Nach 103 Tagen getötet. Normaler Sektionsbefund. Die mikroskopische Untersuchung der Muskeln und des Kehlkopfes fand normale Verhältnisse. Versuchstier 2. Durehtrennung des rechten N. laryng. inf. und Entfernung eines 1,5 em langen Teiles des Nerven. Nach der Operation trat Heiser- keit auf. Bei der Laryngoskopie war das rechte Stimmband in Medianstellung, der Rand war konkav, das Stimmband bewegte sich picht, nach 4—5 Tagen nahm es die Kadaverstellung ein. Sektion 121 Tage nach der Operation. Der makroskopische und mikro- skopische Befund des M. thyreocricoideus war normal. Die übrigen Kehlkopfmuskeln der rechten Seite waren stark geschwunden; be- sonders fiel die Atrophie des M. cericoaryth. postieus auf. Bei der mikroskopischen Untersuchung fand sich an den rechtsseitigen Muskeln relativer Muskelfaserschwund. Die linksseitigen Muskeln waren mikroskopisch normal. Die Grösse des Sell, die Maasse der einzelnen Knorpel waren normal. Versuehstier 3. Aus dem N. laryng. sup. und aus dem vom Plexus pharyngeus, Nn. vagji zum M. thyreocricoideus ziehenden Nervenzweig wurden 1—1!/s em lange Stücke entfernt. Das Bellen des Hundes war eine Zeitlang nach der Operation rauh; diese Heiserkeit verlor sich bald, die Höhe der Stimmlage blieb aber dieselbe. In der Bewegung und Funktion der Stimmbänder war nichts Abweichendes zu finden. Sektion 105 Tage nach der Operation. Weder makroskopisch noch mikroskopisch liess sich in den beiden Mm. thyreocrieoidei und auch in den anderen Kehlkopfmuskeln etwas Abnormes feststellen. Die Grösse des Kehlkopfes, die Maasse der Knorpel waren ungefähr dieselben wie beim Kontrolltiere. Weder im rechten noch im linken M. thyreocricoideus waren Anzeichen von Degeneration oder Atrophie zu finden. Es kommt mir wahrscheinlich vor, dass der linke ge- sunde M. thyreocricoideus den rechten Muskel passiv in Bewegung hielt, und dass diese Bewegung das Auftreten der Atrophie des sea Muskels verhinderte. 450 Ernst v. Elischer: Versuchstier 4. Resektion beider Nn. laryng. sup. und beider vom Vagusgeflecht zum M. thyreoericoideus ziehenden Nervenäste. Das Bellen des Hundes war nach der Operation heiser; die Höhe sank um ungefähr eine Oktave. Die Stimmbänder schliessen sich bei Phonation nicht ganz; es bleibt zwischen ihnen eine langgestreckte ovale Ritze. Beim Schlürfen der Milch aspiriert das Tier von der Flüssigkeit und hustet. Dieses Husten nach Nahrungsaufnahme gibt sich in einigen Tagen. Auffallend ist die Stimmlosigkeit des Tieres; es ist kaum zum Bellen zu bringen; der Hund bellt hauptsächlich nur bei der Laryngoskopie, wenn die Zunge hervorgezogen wird. Sein Bellen ist dann sehr rauh und monoton. Sektion nach 100 Tagen. Schon makroskopisch waren die beiden Mm. thyreocricoidei blasser als die anderen Kehlkopfmuskeln; unter dem Mikroskop fanden sich die Anzeichen degenerativer Atrophie. Die Muskelfasern waren schmäler, einzelne nur 5 «u breit; die Zeichnung war verblasst, die Zellenkerne und das Bindegewebe waren relativ vermehrt. — Das mikroskopische Bild der anderen Kehlkopfmuskeln war normal. Am dorsalen Ende der beiden Stimmbänder einander genau gegenüber war je eine krater- förmige, vertiefte, 1 mm breite Erhebung von harter Konsistenz. Diese beiden Knötchen erwiesen sich unter dem Mikroskop als Pachydermien. Ihre Entstehung könnte man vielleicht mit der Anästhesie der Glottisschleimhaut in Zusammenhang bringen. Versuchstier 5. Resektion eines Stückes beider Nn. laryng. sup. und des Nerven- astes, der vom Vagusgeflecht zum M. thyreocricoideus zieht. Die Stimme des Hundes wurde durch die Operation rauh und heiser und sank um eine Oktave. Zwischen den beiden Stimmbändern blieb bei Phonation eine ovale langgestreckte Ritze. Beim Schlürfen der Milch aspirierte der Hund so wie das Versuchstier Nr. 4, doch er- lernte es bald, die Flüssigkeit ohne Husten, also ohne Verschlucken, zu sich zu nehmen. Zum Bellen war er, wie Nr. 4, sehr schwer zu bewegen; beim Herausziehen der Zunge liess er ein heiseres, mMono- tones Bellen ertönen. — 98 Tage nach der Operation Sektion. Unter dem Mikroskop konnte man eine gleichmässige Schwellung der Fasern des beiderseitigen M. thyreocricoideus bemerken im Vergleiche zu den anderen Kehlkopfmuskeln, ausserdem besonders in den peripheren Partien der beiden Muskeln Zunahme des Bindegewebes. 451 Über den Einfluss der Ausschaltung der Kehlkopfnerven etc. ordogsosukare] a9p ' 190 adunz A9p uayoIzsne1on umaq anu 9][9qQ AOL] SeAq "9ABINO I Ayejodun un yues pun yne.ı uome.ıodg a9p yoeu IBM Sol], SIp 9wwmS 9Iq ) %) EIL, Sl &L vs AN 0065 | 00FI orwudopÄydeg Jopurq -wung J9pIeq uapum uajes -10p up uy '9rdoysosukaer] N ap Toq 93unZ Jap uayaızsnEL -19F] wıagq anu Jfoq AOL] SEAL "9ABINO) T Aqejodun un Yues pun ynea uoeasdg a9p yoeu JBeM Saal], Sop auuns ad 9 9 el ja! ol 66 II 0017 | 0081 19stoyg pun yneı uomerodg ap yowu Sue] HdR], Hd aM Sopunp] Sop owwmg 9ld 3 8 Gl 6l at SE LL 0008, | 0061 | 6 6 21 6 al Gr sI or&r | 0061 Jonjfo.yuoN Svpunsor) 8. 3 ja! 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Elischer: Beim Vergleiche der in der Tabelle zusammengestellten Maasse fällt auf, dass die Länge des Kehlkopfes (Distanz zwischen den unteren Rändern des Zungenbeines und des Ringknorpels), die Maasse der Knorpel beim Versuchstiere Nr. 4 und 5 etwas kleiner sind als beim Kontrolltiere, so dass man den Kehlkopf im allgemeinen kleiner nennen könnte. Noch auffallender aber ist die Stimmbandlänge. Die Stimmbänder der Tiere Nr. 4 und 5 sind um 1,5—2 mm kürzer als die der Tiere Nr. 1 und 3. Bei halbseitiger Resektion des N. laryng. inf. bzw. sup. ist in den Maassen nichts Abweichendes zu bemerken. Bei den Versuchstieren Nr. 4 und 5 (beiderseitige Resektion der Nn. laryng. sup.) fehlte die Funktion der beiden Mm. thyreo- ericoidei; das bewies das Verhalten der Stimme der Hunde und das laryngoskopische Bild. Das Ausfallen dieser Muskelfunktion scheint auch aller Wahrscheinlichkeit nach das Kürzer- bleiben der Stimmbänder hervorgerufen zu haben. Das Zurückbleiben des Kehlkopfwachstums und insbesondere das Kürzerbleiben der Stimmbänder musste ich mit dem Funktions- ausfall beider Muskeln in Zusammenhang bringen. Zur Prüfung der Richtigkeit dieser Deutung habe ich noch eine ähnliche Versuchs- reihe ausgeführt. Zweite Versuchsreihe. Vier einem Wurfe entstammende ungefähr 4 Wochen alte Hunde. Versuchstier Nr. 1. Gesundes Kontrolltier. Versuchstiere Nr. 2, 3 und 4. Allen drei Tieren entfernte ich Stücke der beiden Nn. laryng. sup. und jener Nervenäste, die vom Vagusgeflechte zum M. thyreo- cricoideus- verlaufen. Nach der Operation. wurde das Bellen der (drei Hunde rauh und tiefer. Zwischen den Stimmbändern war bei Phonation eine schmale ovale Ritze zu sehen. Nach 22 Tagen ver- endete das eine Versuchstier, die anderen erkrankten, so dass ich gezwungen war, die Tiere zu töten, um wenigstens die bis dahin aufgetretenen Veränderungen beobachten und vergleichen zu können. Makroskopisch war in allen drei Fällen an den Mm. thyreocricoidei nichts zu bemerken; unter dem Mikroskop konnte man Anzeichen beginnender Atrophie erkennen 453 Uber den Einfluss der Ausschaltung der Kehlkopfnerven etc. ‘dns ‘ref "un A9s11osıopragq | umpung { G AL 66 05 08 86 009T | O0FI 35 |[dunuuoggaamg| FIN üneı pun ‚dns ‘ep ‘UN 391 uomerdg Ip yaaınp dOS1T98A9PIIq | urpuny Ar SE EUREN 7 7 6 m | oT | a | 08 | 01T | 00T | 75 [Funuuongmg| & IN ‘dns *ıep "UN | A9S119SIHPIIq | pung &) 9) 01 61 ST cs 61 0075 | 0005 r7 |[Sunuuoyyamq| 3 IN urpunf Jon[o4Uoy SOpunsog) ‘9 .g9 6 LI 9T Is 6L 0081 | 0081 76 er” EIN uuu ww uw uu ww | ww ww 3 3 ode, = opuny uurwog| apum | uursagg | apumy |uursag soyansIa‘ SOp opuy we we nz uw nz us nz | uoreı spodaouygurg -sdg.1ap a uadunyıawag odur] odurt oyyerd d \ uoryerodg sqons ; A sppdıouy pun sauroq yeu [ -puaeq | -puwq | -jodaoug | _ -U9SUNZ SOP -19A nn en Sur Sp | .nugypuoragun | Ma) | zonep ertoiee |Demoodis | eg | EN ‘opuny oe uoyoM F Ayejodun opuouwEISJu9 aan WOUTD AOIA "OUTIASUONSTOA OOMZ "I eIIo2qaeL 30 * 454 Ernst v. Elischber: Da die Versuchsreihe bereits 22—24 Tage nach der Operation beendet wurde, war sicherlich nicht Zeit genug, dass die fehlende Funktion der Mm. thyreocricoidei einen grösseren Einfluss auf das Wachstum des Kehlkopfes und der Stimmbänder ausübe. Die Knorpel- maasse ergeben nichts; auffallend aber sind doch die kürzeren Stimm- bänder der operierten Tiere. Trotzdem dies wegen der Kürze der Zeit nicht viel beweist, so lässt es sich doch andererseits nicht leugnen, dass auch diese Resultate bezüglich der Stimmbandlänge mit der ersten Versuchsreihe im Einklange stehen. Wenn wir nun annehmen, dass das Fehlen der Funktion beider Mm. thyreocricoidei schuld sei an dem Zurückbleiben des Wachstums des Kehlkopfes und der Stimmbänder, so müsste die totale Exstir- pation beider Muskeln auch denselben Einfluss ausüben. Um dies zu entscheiden, führte ich weitere Versuche aus. Dritte Versuchsreihe. Sechs ungefähr 4 Wochen alte, einem Wurfe entstammende Hunde. Versuchstier Nr. 1. Das Tier wurde zu Beginn des Versuches getötet, um vergleichen zu können, in welchem Maasse sich die Kehlköpfe der anderen Tiere während der Versuchszeit entwickelten. Versuchstier Nr. 2. Der rechte M. thyreocricoideus wurde ohne Verletzung der um- liegenden Gebilde gänzlich entfernt. Auf kurze Zeit war das Bellen des Hundes rauh und tief, erlangte aber in 4—6 Tagen wieder die . frühere Höhe. Bei der Laryngoskopie konnte eine gewisse Schlaff- heit des rechten Stimmbandes bemerkt werden, besonders war das auffallend beim tiefen Bellton; die Schwingung beider Stimmbänder war dabei keine gleichzeitige; bei hohen Tönen war die Schwingung synchron, das Bellen war klar und klangvoll. Bei Phonation war der schwingende Rand des rechten Stimmbandes schwach konkav gerundet; es blieb zwischen den Stimmbändern eine schmale halb- ovale Spalte... Bei tiefer Inspiration verschwand das rechte Stimm- band beinahe: gänzlich in der Kehlkopfwand. Beim wiederholten Kehlkopfspiegeln war der Befund stets derselbe. Mehrmals konnte man bei kräftiger Phonation bemerken, dass die Stimmritze vorn etwas nach links verschoben war. Der Bellton des Hundes war Über den Einfluss der Ausschaltung der Kehlkopfnerven etc. 455 modulationsfähig und genügend rein, nur zeitweilig rauh; die obere Tonhöhe war d’'’ bis dis’”. Bei der Sektion nach 162 Tagen fand ich an Stelle des ent- fernten Muskels nur loses Bindegewebe; der linke M. thyreoericoideus war auffallend stark entwickelt und 10 mm breit. Die einzelnen Maasse der Knorpel sind in Tabelle III (S. 456 u. 457) ersichtlich. Versuchstier Nr. 3. Beide Mm. thyreocricoidei wurden entfernt. Die Bellstimme sank durch die Operation um 1—1!/s Oktaven; das Bellen war rauh und monoton. Nach 2—3 Monaten bekam das Bellen mehr Klang, blieb aber tief (bis czs’); das Winseln des Hundes war oft viel höher (bis d’’”); in dieser Tonhöhe konnte das Tier aber nicht bellen, die Stimme schlug dann plötzlich in die tiefe Lage um. Zwischen den Stimmbändern war bei Phonation ein ovaler Spalt, die Stimm- bänder waren schlaff, wölbten sich nach oben zu, ihr schwingender Rand war wellig, bei kräftigem Bellton war die Schwingung eine gleichzeitige. Öftere Untersuchungen gaben dasselbe Resultat. Sektion nach 161 Tagen. Die Mm. thyreoerieoidei fehlten, nur hinten, knapp vor dem Ansatze der Mm. ericopharyngei, waren einzelne Muskelfaser- bündel, die sich wahrscheinlich aus ein bis zwei bei der Operation zurückgelassenen Muskelfasern entwickelten. Versuchstier Nr. 4. Beiderseits wurde der M. thyreoericoideus entfernt. Durch die Operation sank die Stimme um 1—1!/a Oktaven, das Bellen wurde rauh und monoton und blieb so bis zum Ende des Versuches; der höchste Ton, den das Tier hervorbrachte, war ungefähr h. Die Stimmbänder waren schlaff, schlossen sich bei Phonation nicht ganz, so wie beim Tier Nr. 3; ihre wellenartig laufenden, ungleich schwingenden freien Ränder wölbten sich bei Phonation nach oben zu und flatterten beim Durchziehen der Respirationsluft wie im Winde stehende Segel. Der laryngoskopische Befund war stets der gleiche. Bei der Sektion nach 161 Tagen war an Stelle der gänzlich fehlenden Mm. thyreocrieoidei nur wenig loses Bindegewebe. Versuchstier Nr.5 und 6. Gesunde Kontrolltiere. Der Bellton der Hunde war sehr ‚scharf und hoch (bis c’’’) und änderte sich während der Versuchszeit nicht. 456 Ernst v. Elischer: Tabelle Il. Dritte Versuchsreihe. Sechs einem Wurfe 3 Distanz Lebens- zwischen a Breite A ä t Ränd. ; Ver- Se Gewicht Be re Een: des Ring- uch Onerstion nac beines und knorpels : De der Ope- Zuce Rirgknorpels tier ration des Ver- zu am | suchs zu am.| zu am Beginn, Ende Beginn | Ende | Beginn| Ende Tage g g cm mm mm | mm | mm Nr. 1 _ 0 100° — — 20 _ 12 _ Hündin Nr. 2 | Exstirpation 162 1570 | 5800 64 23 30 13 15 Hund des rechten M. thyreocric. Nr. 3 | Exstirpation 161 1330 | 4700 59 20 28 11 14 Hündin beider Mm. thyreocr. Nr. 4 | Exstirpation 161 1580 | 6000 63 20 26 14 16 Hund beider Mm. thyreocr. Nr. 5 — 162 1790 | 7800 71 25 33 14 13 Hund Nr. 6 — 160 1530 | 6000 64 20 30 13 15 Hund Die Bewegungen der Stimmbänder waren normale; auch sonst war in der Funktion des Kehlkopfes nichts Abweichendes zu bemerken. Sektion nach 160 bzw. 161 Tagen. Die Mm. thyreocricoidei waren stark entwickelt und ungefähr 10—12 mm breit. Beim Versuchstiere Nr. 3 fällt auf, dass das Tier trotz des tiefen Belltons auch hohe Töne (besonders beim Winseln) hervor- bringen konnte. Bei der Sektion wurden einige Muskelfaserbündel des M. thyreocricoideus gefunden. Es ist nicht ausgeschlossen, dass die Kontraktion dieser Fasern genügte, um den Stimmbändern die zur Erzeugung hoher Töne notwendige Spannung zu geben, dass also die Stimme des Hundes ihre Modulationsfähigkeit nicht ganz verlor. Über den Einfluss der Ausschaltung der Kehlkopfnerven etc. entstammende 4—6 Wochen alte Hunde. 457 Tabelle II. 22 |s8|,8|,8s| $ E=|1=58,55|8s | 23 | Höchster Bellton Hu o58 [=] == B<-| ee |28 | 25 S3|55 Ren: 2 E Fee 23153 Körperlänge =) : ma | =53 77 7 vor | sofort Stimmband- Bemerkungen = 2 2 | der | Bach | um länge am Ende des Versuches Ope- om Ende a ——| ration B mm | mm | mm | mm | mm ration ) | 15 122026 6 ec" —_ — — Zu Beginn des Ver- m er suches sgetötetes zu Beginn des Versuchs Kontrolltier 15 21 12 E15 | 12 A Wersie Ld2ı 983 Einige (4) Tage nach (640:12) | der Operation war die Stimmerauh u. tief; später wurde sie wieder normal 135 | 19 13 9 g a CE Fer7s2t) 66 (590 : 9) 15 20 12 10 10 E a’ b’ 63 Stimme nach der (630 :10) | Operätion bis ans EndedesVersuchs monotonrauh und tief 14 23 13 12,5. 1239| ce = d'" 57 Gesundes Kontroll- (710:12,5)| tier 16 21 142) 19 12 De asil 53 Gesundes Kontroll- (640 :12) | tier Vergleichen wir die in den Tabellen enthaltenen Maasse, so be- merken wir, dass bei den beiderseits operierten Tieren die Grösse des Kehlkopfes etwas geringer ist; die Knorpelmaasse sind kleiner als bei den gesunden Kontrolltieren und dem halbseitig operierten Versuehstiere Nr. 2. Dieser Unterschied in den Maassen ist aber nur sehr gering. Auffallend ist der Unterschied zwischen der Stimmbandlänge der einzelnen Versuchstiere. verlor die Bellstimme vorübergehend an Höhe, das Stimmband der Nach halbseitiger Muskeleutfernung 1) Beim Winseln war die Stimme hoch (bis d’”), schlug aber beim Bellen in die tiefe Lage um. 458 Ernst v. Elischer: operierten Seite war schlaffer (Versuchstier Nr. 2), die Stimme er- lanste ihre frühere Höhe bald zurück, das Stimmband war um 0,5 mm kürzer als das der gesunden Seite. Dass der Unterschied zwischen den beiden Stimmbändern nach halbseitiger Muskelentfernung nicht grösser war, dass auch in der Tonbildung keine wesentliche Störung eintrat, kann man sich mit der gesteigerten Funktion des gesunden Muskels erklären, dessen kräftige Kontraktion scheinbar allein ge- nügte, die zur Bildung hoher Töne, also zum ganzen Schliessen der Stimmlippen nötige Spannung der Stimmbänder zu erzeugen. Nach beiderseitiger Entfernung der Mm. thyreocricoidei (Ver- suchstier Nr. 3 und 4) blieb die Stimme beständig tief; auch die. Stimmbänder waren um 2—2,5 mm kürzer als die der Kontrolltiere. Bei fehlenden Mm. thyreocrieoidei ist die Spannung der Stimmbänder unvollkommen, dementsprechend ist die Stimme tief; zugleich ist das Längenwachstum der Stimmbänder gestört, weil der Faktor der voll- kommenen Stimmbandsparnung (die Kontraktion der genannten Muskeln) fehlt. Der dritte Vergleich der einzelnen Maasse wird nicht nur durch das gleiche Alter und die gleiche Grösse der Tiere ermöglicht, sondern auch dadurch, dass wir es mit Geschwistertieren zu tun haben, deren Wachstum unter gleichen Verhältnissen erfolgte. Um für die Veränderung der Länge der Stimmbänder ein ver- lässlicheres Maass zu erhalten, habe ich die Länge der Stimm- bänder zu der Körperlänge in Beziehung gebracht und prüfte dieses Verhältnis bei den operierten und einer Anzahl nicht operierten Tieren. Es stellte sich zunächst die interessante Tatsache heraus, dass bei normalen Tieren zwischen diesen beiden Grössen ein ziemlich konstantes Verhältnis besteht. Als Körperlänge maass ich die Distanz zwischen der Nasenspitze und dem ersten Schwanzwirbel des auf den Operationstisch ausgestreckt aufgebundenen Tieres. In der dritten Versuchsreihe war bei dem halbseitig operierten Tiere und bei den zwei nicht operierten das Verhältnis X:$ (K = Körper- länge, $— Länge der Stimmbänder) ber. 53, 57 und 53. Ich habe ausserdem noch bei elf anderen normalen Hunden X: S bestimmt; ‘die Zahlen enthält die folgende kleine Tabelle auf S. 459. Bei normalen Tieren beträgt also der Quotient X:8 46—57. Dagegen ist er bei den beiderseitig operierten Tieren Nr. 3 und 4 der dritten Versuchsreihe 66 bzw. 63. Die Stimmbänder sind also im Verhältnis zum Körperlängenwachstum zurückgeblieben. Über den Einfluss der Ausschaltung der Kehlkopfnerven etc. 459 K Ss Tier 2 A Stimmband- Pr Nummer I BE NE länge S mm mm 1 650 | 13 50 2 650 14 46 3 620 12 52 4 650 | 13 50 h) 690 | 3 53 6 640 | 13 49 7 600 nl 55 8 720 | 3 | 55 9 610 | 12 2] 50 10 730 | 16 | 46 11 640 | 12 | 3 Diese Erfahrungen bestätigen, glaube ich, meine Voraussetzung, dass das Fehlen der Funktion der Mm. thyreocrieoidei das Zurück- bleiben im Längenwachstum der Stimmbänder verursacht. Vierte Versuchsreihe. Vier einem Wurfe entstammende, ungefähr 3—4 Wochen alte Hunde. Versuchstier Nr. 1. Das Tier wurde zu Beginn des Versuches getötet, um die Maasse mit den am Ende des Versuches erhaltenen vergleichen zu können. Versucehstier Nr. 2. Es wurde der rechte M. thyreocrieoideus gänzlich entfernt. Die Bellstimme des Hundes war 2—3 Tage lang nach der Operation rauh; später erhielt sie ihren Klang wieder zurück. Das rechte Stimmband war etwas schlaffer als das linke; die Glottis schloss sich aber bei Phonation gänzlich. Nach 60 Tagen Sektion. Der linke M. thyreocriecoideus war auffallend stark entwickelt (7 mm breit); das rechte Stimmband war makroskopisch schlaffer, dünner als das linke. Versuchstier Nr. 3. Beiderseitige Exstirpation der Mm. thyreocricoidei. Das Bellen des Hundes wurde durch die Operation rauh und tief und blieb auch so bis zum Ende des Versuches. Die Stimme sank durch die Ope- ration um ungefähr 1 Oktave. Der iaryngoskopische Befund war: Schlaffheit beider Stimmbänder, die sich auch bei Phonation nicht gänzlich berührten, so dass die Stimmritze eine schmale ovale Spalte bildete. Die freien Ränder der Stimmbänder waren bei Phonation in starker Schwingung begriffen. Das Tier winselte nie, ein Zeichen, dass es nicht imstande war, hohe Töne zu erzeugen. Ernst v. Elischer 460 291) pung -IoAyuoy sopunseg | <<, 2 i20 8 sT 6 6 8 9T | FI | 088 | 085 | 0008 | 082 | 09 =; “N uadnazıa Fyaru JOL], Sep 9Juuoy (ujasury\) ug], 9031ÄyJ ayog 'yneı pun "un go 9Auy1Q [ un JopIaq uoneaadg'pydeu uon uıpung TB NZOWUNGSTIOCT 1) ) 6 8 tej 6 8 L 9T | ST | OF | 08a [0 = A. u.V. ren. sin. Fig. 2. Dementsprechend schlingt sich der rechte Splanchnieus um die mediale Fläche der V. cava inf. herum und tritt dann in das obere Ganglion ein. Die vom unteren Pol der rechten Nebenniere kommenden Fasern ziehen ebenfalls an der medialen Fläche der Cava gegen das Ganglion hin. Beim Operieren in dieser Gegend müssen folgende Variationen beachtet werden: 1. Der linke Splanchnieus kann fast bis zum Hilus der linken Nebenniere hinziehen. 2. Die Nebennierenfaser kann vom Splanchnieus in verschiedener Höhe unter Umständen sogar erst unmittelbar vor dem Ganglion selbst abgehen. 3. Statt des Über den Mechanismus der Pigtre-Glykosurie. 481 einen über der Cava gelegenen Ganglions können zwei vorkommen ; dann nimmt das weiter rechts, im Mesenterium gelegene, den rechten Splanehnieus und die rechten Nebennierennerven auf. Entsprechend unserem Versuchsplan hatten wir die im Schema (Fig. 1) mit @ und 5 bezeichneten nervösen Verbindungen zu durch- schneiden. Da aber die Verhältnisse der Nervenversorgung der rechten Nebenniere nicht immer mit Sicherheit zu übersehen sind, andererseits die zentrale Glykosurie nach Exstirpation einer Neben- niere noch zustande kommt, gingen wir so vor, dass wir zunächst den rechten Splanchnieus durchschnitten. Dann wurden links die ent- sprechenden Durchtrennungen vorgenommen: zunächst wurde das spindelförmige Ganglion unter der A. mes. sup. (Fig. 2) durchschnitten, hierauf alle nervösen Elemente, welche über die Aorta und A. mes. sup. von links nach rechts ziehen, durchtrennt. Die V. cava liegt dann völlig frei und wird nur mehr von der A. mes. sup. überquert, die jetzt von etwa anhaftendem Nervengewebe befreit werden kann. Die Ganglien wurden meist entfernt. Bei der ganzen Operation bleibt vermöge der günstigen anatomischen Verhältnisse die die Nebenniere ver- sorgende Faser ganz unberührt. Es bleibt demnach die linke Nebenniereinnerviert, das gesamte übrige Splanchnicus- endgebiet ist sowohl vom Zentrum wie von der Neben- niere nervös isoliert. . In einigen Versuchen sind wir so vorgegangen, dass wir sämtliche Ganglien entfernten. Wie aus der Abbildung hervorgeht, wird damit ebenfalls unser Zweck erreicht, und zwar bei erhaltener Innervation beider Nebennieren. Wegen des Vorkommens vielfacher Variationen im Verhalten der Ganglien schien uns diese Methode nicht von der- selben absoluten Sicherheit wie die oben beschriebene. Da die unter anderem von Rose!) genauer untersuchte Operationshyperglykämie die Anstellung akuter Versuche zur Ent- scheidung derartiger Fragen von vornherein ausschliesst, wurden die Versuche erst einige Tage nach.der Operation, wenn sich die Tiere wieder erholt hatten, ausgeführt. Die Blutzuckerbestimmung erfolste nach vorhergehender Enteiweissung nach Schenk nach der Methode von Bertrand, die Glykogenbestimmung nach der vereinfachten Pflüger’schen Methode. Unmittelbar nach dem 1) Rose, Arch. f. exper. Path. u. Pharm. Bd. 50 p. 15. 1903. 482 Adolf Jarisch: Versuch wurden die Nebennieren zur histologischen Untersuchung in Chromlösung fixiert. Die Pigüre wurde nach der Methode Eckhard’s!?) scmen Nach Spaltung der Membrana atlantooceipitalis post. wird der Kopf des aufgebundenen Tieres von einem Assistenten erhoben und in starker Flexionshaltung fixiert; auf diese Weise kommt der Boden der Rautengrube in eine annähernd horizontale Lage. Hierauf wird eine Lanzettnadel, die 10 mm hinter der Spitze eine Marke trägst, in horizontaler Richtung, parallel zur Mittellinie und 2—3 mm von derselben entfernt, so weit in den Ventrikel eingeführt, bis die Marke in die Höhe der durch die auseinanderweichenden Hinterstränge ge- bildeten Spitze des Calamus seriptorius zu liegen kommt. Hierauf wird der hintere Teil der Nadel erhoben und eingestochen. Das- selbe geschieht in der Mittellinie und auf der anderen Seite. Das Tier wird unmittelbar vor dem Einstich mit Äther leicht narkoti- siert; es hält dann ruhig, und es besteht nicht die Gefahr, durch das sonst regelmässige Auffahren eine grössere Verletzung zu setzen, als unbedingt nötig ist. Wenn der Stich so ausgeführt worden war, wurden niemals Krämpfe oder Atemstörungen beobachtet. Manche Tiere verhielten sich überhaupt normal und schieden doch innerhalb der ersten 3 Stunden bis zu 2 g Zucker aus. Es wurde regelmässig durch Obduktion kontrolliert, ob der Stich die richtige Stelle traf; dabei konnte festgestellt werden, dass Kleinhirnverletzungen niemals vorgekommen waren. Die Vermeidung jeder das Maass des absolut Nötigen überschreitenden Verletzung des Zentralnervensystems schien darum wünschenswert, weil Atemstörungen nachgewiesenermaassen und Muskelkrämpfe möglicherweise auf peripherem Wege eine Hyper- glykämie hervorrufen. Hauptversuche. Die Tiere sind so operiert, dass allein die linke Neben- niere innerviert blieb, das ganze übrige Splanchnicusendgebiet vom Zentrum und von der Nebenniere nervös isoliert wurde. Nr. 31. 2900 g. 7. Jan.: Operation. 8. Jan.: Munter, frisst. 9. Jan.: Frisst. 15 g Rohrzucker per os. 1) Eckhard, Beitr. z. Anat. u. Physiol. Bd. 4 S. 11. Giessen 1869. Über den Mechanismus der Pigüre-Glykosurie. "483 10. Jan.: .2650 .8.: 39,6% C. Harn: Reduktion! 0. 9h 30°: Pigüre. Bis 12h 35’: 44 cem Harn. Reduktion: 0. Blut: 0,164 /o Zucker. Glykogen in der Leber: 0. Linke Nebenniere: Fettgehalt normal, chromaffine Substanz fast völlig ‚verschwunden, nur in den Venen spärliches Sekret. Rechts dieselben Verhältnisse wie links. Nr. 34. 2050 8. 15. Jan.: Operation. 16.—17. Jan.: Munter, frisst. 18. Jan.: Frisst. 15 g Rohrzucker per os. 19. Jan.: 1750 g. 39,4°C. Harn: Reduktion: 0. 12h: Pigüre. Bis 3h: 16 cem Harn. Reduktion: 0. Blut: 0,134 °/o Zucker. Gly- kogen in der Leber: 1,12°o. Linke Nebenniere: Reichlicher Fett- gehalt in allen Schichten der Rinde. Keine Hyperämie. Markzellen teils schwach, teils gar nicht chromiert; in den Venen kein Sekret. Rechte Nebenniere: Markzellen dunkel chromiert, in den Venen kein Sekret. Beide Nebennieren unterscheiden sich demnach hinsichtlich ihres Chromgehaltes bedeutend. Nr. 39. 2300 g 30. Jan.: Operation. 1. Febr.: Frisst. 19 g Rohrzucker per os. 2. Febr.: Frisst. 3. Febr.: Frisst. 15 g Rohrzucker per os. i 4, Febr.: 1800 g. 39,3°cC. Harn: Reduktion: 0. 2h 30': Pigüre. Bis 4h 30’: 13 ccm Harn. Reduktion: 0. ‚38: al C. Blut: 0,224 0/o Zucker, Versuch nach Asher: Maroieie Medullotomie, künstliche‘ en Blutdruckschreibung. Ligatur der A. coeliaca, A. mesenter sup. und inf. Die Reizung des linken Splanchnicus auf tiefliegenden Elektroden ist ohne Einfluss auf den Blutdruck. Nr. 40. 1800 g. 30. Jan.: Operation. 1. Febr.: Frisst. 10 g Rohrzucker per os. 2. Febr. : Desgl. Be 3. Febr.::1650 g. 39,1°C. Harn: Reduktion: 0. 25h 30’: Pigüre. Bis 4h 30’: 25 ccm Harn. Reduktion: 0. Blut: 0,24 %o Zucker. Linke Nebenniere: In der Rinde starke Fettverarmung. Keine Chromierung im Mark. Kein Sekret. Rechte Nebenniere: Fett wie links. Markzellen unchromiert. In den Venen reichlich Sekret. Die Nebennieren unterscheiden sich hinsichtlich ihres Chromgehaltes deutlich, Nr. 45. 1550 g. 9. Febr.: Operation. 10. Febr.: Frisst, we 11. Febr.: Frisst. 15 g Rohrzucker. 12. Febr.: 1450 g. 38,9° C. Harn: Reduktion: 0. 11h 30’: Pigüre. Bis 4h 30’: 9,5 cem Harn. Reduktion: 0. 37,10 C. Blut: Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd. 158. 32 484 Adolf Jarisch: 0,126°/o Zucker. Glykogen in der Leber: 1,330. Linke Neben- niere: Bedeutende Fettverarmung der Fasciculata, Glomerulosa fast fettfrei, im Mark deutliche Hyperämie kleinste kapilläre Blutungen, Keine chromaffine Substanz. Rechte Nebenniere: Fett wie links. Keine Hyperämie, keine Blutung. Markzellen unchromiert, in den Venen massenhaft Sekret. Die Nebennieren unterscheiden sich hinsichtlich ihres Chromgehaltes deutlich. Nr. 49. 2000 g. 13. Febr.: Operation. 14. Febr.: Frisst. 15. Febr.: Frisst. 15 g Rohrzucker per os. 16. Febr.: Desgl. 17. Febr.: 1750 g. 38,9°C. Harn: Reduktion 0. 10h 45’: Pigüre. Bis 12h 45': 9 ccm Harn. Reduktion: 0. 35,0° C.. Blut: 0,10 °/e Zucker. Glykogen in der Leber: 0,72%. Linke Nebenniere: Fettverarmung aller Schichten. Rindenzellen sehr fein gekörnt, wie bestäubt aussehend. Im Mark keine chromaffine Substanz. Rechte Nebenniere: Etwas mehr Fett wie links. Rindenzellen wie links, Markzellen ungleichmässig und schwach chromiert. In den Venen reichlich Sekret. Unterschied zwischen beiden Nebennieren deutlich. Paraganglion abdominale: Die Zellen sind deutlich chromiert. Nr. 51. 1900 g. 16. Febr.: Operation. 17. Febr.: Frisst. 18. Febr.: Frisst. 10 g Rohrzucker per os. 19. Febr.: Frisst. 15 g Rohrzucker per os. 20. Febr.: 1700 g. 39,8%. Harn: Reduktion: 0. 9h 45’: Pigüre. Bis 11h 15’: 3 cem Harn. Reduktion: ++. Blut: 0,28 %o Zucker. Glykogen in der Leber: 0,283. Linke Nebenniere: Ausserordentlich reicher Fettgehalt, alle Rindenzellen mit lipoiden Granulis vollgepropft, hirsekorngrosse Nekrose (Infarkt?), in deren Bereich die Zellen ihre Kernfärbbarkeit verloren haben. Der Herd ist von einem Lymphocytenwall umgeben. Markzellen unchromiert, ihr Protoplasmaleib kleiner als gewöhnlich. In den Venen kein Sekret, Rechte Nebenniere: Fettgehalt wie links. Markzellen sehr schwach chromiert. In den Venen Sekret. Unterschied zwischen den Neben- nieren: Deutlich. Nr. 52. 1800 g@. 19. Febr.: Operation. 20. Febr.: Frisst. 21. Febr.: Frisst. 10 g Rohrzucker per os. 22. Febr.: Desgl. 23. Febr.: 1500 g. 39,4° C. Harn. Reduktion: 0. 8h50': Pigüre. Bis 11h 50’: 9 cem Harn. Reduktion: 0. 39° C. Blut: 0,1730 Zucker. Glykogen in der Leber: 0,85°o. Linke Neben- niere: Starke Fettverarmung. Hyperämie des Markes. Markzellen unchromiert, verkleinert. In den Venen kein Sekret. Rechte Nebenniere: Starke Fettverarmung, Nekroseherd (Infarkt?), der über zwei Drittel Über den Mechanismus der Pigtre-Glykosurie. 485 der Rinde betrifft. Markzellen ungleichmässig, aber doch ziemlich gut chromiert. In den Venen kein Sekret. Unterschied zwischen den Nebennieren: deutlich. Nr. 54. 1600 eg. 21. Febr.: Operation. 22.—23. Febr.: Frisst. 24. Febr.: Frisst. 15 g Rohrzucker per os. 25. Febr.: 1350 g. 39,4°C. Harn: Reduktion: 0. 8h 40’: Pigüre. Bis 11h 40’: Kein Harn. 38,5°C. Blut: 0,205 %/o Zucker. Glykogen in der Leber: 2,134. Linke Nebenniere: 1/s der Rinde durch einen Infarkt zerstört. Markzellen klein, die Mehrzahl nicht chromiert, der Rest nur schwach. In den Venen kein Sekret. Rechte Nebenniere: Markzellen von normaler Grösse unchromiert. In den Venen und Kapillaren reichlich Sekret. Unterschied zwischen den Nebennieren: Sehr deutlich. Nr. 55. 1900 g. 21. Febr.: Operation. 22. Febr.: Frisst. 23. Febr.; Frisst. 15 g Rohrzucker per os. 24. Febr.: 1600 g. 37,2° C. Durchfall. Harn. Reduktion: 0. 8h 35’: Pigüre. Bis 11h 35’: 6 cem Harn. Reduktion: 0. Blut: 0,218 °/o Zucker. Glykogen in der Leber: 0,22°/o. Linke Nebenniere: Sehr starke Fettverarmung. Starke Hyperämie des Markes und der Rinde, vereinzelte kapillare Blutungen. Markzellen stark verkleinert, zum grossen Teil nicht, der Rest jedoch deutlich chromiert. Infarkt. Rechte Nebenniere: Fett wie links, mässige Hyperämie des Markes und der Reticularis. Markzellen normal gross, fast unchromiert. In den Venen viel Sekret. Unterschied zwischen den Nebennieren nicht hoch- gsradig, aber deutlich. (Tabelle I siehe auf S. 486.) In diesen zehn Versuchen trat neunmal keine Glykosurie auf. Dagegen war, worauf es allein ankommt, der Blutzucker siebenmal erhöht, und zwar überschritt er fünfmal den Wert von 0,2°0 und erreichte einmal 0,23°o; in diesem Falle trat auch Zucker in den Harn über. Die histologische Untersuchung ergab, dass in fünf Versuchen die linke Nebenniere völlig, in den bleibenden fast völlig frei von . chromaffiner Substanz war. Da die rechte Nebenniere immer wesent- lich höheren Gehalt an chromierbarer Substanz aufwies wie die linke, ist bewiesen, dass durch die vorgenommene Operation die vom Zentrum zur linken Nebenniere ziehende Nervenbahn nicht be- schädigt worden war. 32* ; E ‘ MOpmmunıea Yau)s os a J19PuLunıaA 2330 | SIEO == 9 { I 3 ne \ 8 it 8 al Sa ‚| 0061 | < Ü a ee a og8e or6e | zIuo 3 “uoqn IL; Fi 0.38% < WIOPUIULIOA Fels | <080 0 Ure 8 06Z v zayon Au u GL zuedt Id 009T yS. ° BER 1% 2 ) < yepumma | co | ro | — | 6 {| a \; vorne 7 Teuz wsanı N ee ß% 0. < mopumm | eo | sol + | e { | de } 7 | zoyonzıgoy 8 gr ‘or “woanı | oesı | 1« ) < yopuluoa wol oo|— |e { a Y; 1oyppnzıyoy 357 jewxz “uoguy | 0008 | 6r 1: =. c ‘ De ‘ ‚ 1T2Eg 06.88 7 ONZIUOUT 3 ‘usan 5 0 < AIapurunoA set | 9510 = 146 SR 3 001 8 Frau el Den |. 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Jan.: Frisst. 15 g Rohrzucker. 2 Jan 2100 22,539. 12 & Ham Reduktion: 0: , Li 307: Pigüre. 15 30’: Harn. Reduktion: + +. Es trat reichlich Zucker im Harn auf. Da unter diesen elf Versuchen, in denen allein die Nebenniere innerviert, jegliche nervöse Bahn zur Leber aber durchschnitten war,. achtınal der hyperglykämische Effekt auftrat, ist sicher, dass bei der Pigüre durch vermehrte Adrenalinsekretion allein die Glykogenolyse in der Leber zustande kommen kann. Was nun das erwähnte Ergebnis der histologischen Untersuchung anlangt, so wird durch die zwei folgenden Versuche bewiesen, dass die Veränderung im Marke der Nebenniere durch die Piqüre selbst veranlasst ist. Es wurde nämlich in zwei weiteren Versuchen, in denen sämtliche Nerven der linken Nebenniere durchschnitten waren, ebenfalls gefunden, dass in der mit dem Zentrum in Verbindung stehenden Nebenniere die chromaffıne Substanz schwand. In diesen beiden Fällen wurde die Piqüre vier Tage nach der Operation aus- geführt; entsprechende Kontrollversuche !) belehrten mich, dass zu dieser Zeit die in einer früheren Mitteilung beschriebene Verarmung einer Nebenniere an chromierbarer Substanz, welche binnen 2 Stunden nach Durchschneidung des Splanchnieus der Gegenseite auftritt, nicht mehr nachweisbar ist; um diese Zeit unterscheiden sich die Neben- nieren nicht mehr in ihrem Chromgehait. Demnach ist die Chrom- verarmung als sichere Folge der Piqüre aufzufassen und bildet die anatomische Unterlage für die aus unseren Versuchen mit Notwendig- keit hervorgehende Annahme einer vermehrten Adrenalinsekretion ins Blut. In einem scheinbaren Widerspruch hierzu steht, dass diese Chromverarmung in drei früheren Versuchen?) an nicht operierten Tieren nach der Pigüre nicht nachweisbar war. Er wird durch den Nachweis gelöst, dass unter gewissen Bedingungen, die an anderer 1) H. Pfeiffer u. Jarisch, derzeit noch unveröffentlichte histologische Untersuchungen. 2) Jarisch, Zeitschr. f. exper. Path. u. Ther. Bd. 13 S. 520. 1913. 488 Adolf Jarisch: Stelle!) besprochen werden sollen, das auch dort?) nachgewiesene Stadium der Sekretausstossung nicht unter allen Umständen als Ver- armung an chromaffıner Substanz zum Ausdruck kommen muss. Haben wir somit nachgewiesen, dass die Adrenalinsekretion allein die Ursache der Pigüre-Glykosurie bilden kann, so haben wir nun- mehr festzustellen, weshalb in den meisten Versuchen der Effekt geringer als unter normalen Bedingungen war. Ziehen wir die möglichen Ursachen, die dafür verantwortlich gemacht werden können, in Betracht, so sind es: 1. allgemeine Operationsfolgen ; 2. solche, die durch unser spezielles operatives Vorgehen be- dingt sind. ad 1. Zunächst könnte man an die Möglichkeit einer Beschädigung der Nervenbahn vom Zentrum zur Nebenniere durch Zerrung bei Tabelle Il. Glykogengehalt der Leber nach verschiedenen Operationen. ZeG ; u EI 2 = a) = | Ge- ; Fütterung S == S® S ich Operation j salesı= = wicht nach der Operation SO 58 |5- "3|s |" 23 | 1950 | Laparatomie, Exposition | Rüben, 20 g Trauben- | 2 — 10,95 der Därme zucker 21 | 2000 | rechte Splanchnikotomie | Rüben, 20 g Trauben- | 2 | 100 | 11 zucker 22 | 1500 | linke Splanchnikotomie | Rüben, 20 g Trauben- | 2 | 100 | 1,36 zucker 18 2000 linke Splanchnikotomie — 1 — I 131 183 | 2200 linke Splanchnikotomie | Rüben, 20 g Trauben- | 2 — | 6,92 zucker 15b | 1940 | linke Splanchnikotomie | Rüben, 15 g Trauben- | 3 — 0,11 zucker 13 | 1950 | beiderseitige Splanchniko- | 20 g Traubenzucker 2 | 200 | 12 tomie 32 | 2530 | beiderseitige Splanchniko- 15 g Rohrzucker, 6 | 150 ı 2,44 tomie Rüben nach 6 Tagen: Pigüre: Blutzucker nach 3h 0,132%/o 1) H. Pfeiffer und Jarisch, derzeit noch unveröffentlichte histologische Untersuchungen. D)Jarısich-2l, e, 8.527: RS Über den Mechanismus der Pigüre-Glykosurie. 489 der Operation oder durch nachträgliche Vernarbung denken. Diese Annahme ist hinfällig, denn es war ja eine im histologischen Bilde nachweisbare Differenz beider Nebennieren vorhanden, womit die ungestörte Funktion der Nervenbahn bewiesen ist. Da das Zustandekommen der Pigtre-Glykosurie vom Glykogen- gehalt der Leber abhängig ist, wäre es ferner möglich, dass im Anschluss an die Operation eintretender Glykogenmangel schuld an dem abgeschwächten Pigüre-Effekte sei. Zunächst haben wir fest- zustellen, ob nach Operationen tatsächlich ein Glykogenschwund auf- tritt. Der Glykogengehalt der Leber, mehrere Tage nach ver- schiedenen Operationen, ist aus aus Tabelle II (S. 488) ersichtlich. Der Glykogengehalt schwankte somit zwischen 0,11 und 6,92 /o. Die meisten Werte liegen allerdings um 1/o. Der Glykogenvorrat normaler Kaninchen ist beträchtlich höher: so fand Kissel!) nach Fütterung mit zuckerreichen Rüben in der Leber durchschnittlich 11° im Winter und 4,25 °/o Glykogen im Sommer. Rosental?) fand 5—8°/o bei Sommerkaninchen. Demnach tritt im Anschluss an Operationen im Abdomen eine erhebliche Abnahme des Glykogenvorrates der Leber ein. Dieselbe ist völlig unspezifisch und tritt auf, gleichgültig, ob eine blosse Laparotomie, ob einer oder ob beide Splanchniei durchschnitten worden waren. Die Werte schwanken bedeutend, wie ja der Glykogen- gehalt der Leber auch innerhalb physiologischer Grenzen stark schwankt. Immerhin ergibt sich, dass man bei Kaninchen innerhalb einer Woche nach einer abdominellen Operation einen Glykogen- gehalt von ca. 1°/o in der Leber erwarten darf, vorausgesetzt, dass die Tiere die Operation gut überstanden haben (nicht fiebern!) und am Abend vorher 15—20 g Traubenzucker per os erhalten haben. Über die Fütterung: Da die Kaninchen nach der Operation nur sehr wenig fressen, ist die Tatsache des Fressens nur als ein Zeichen des relativen Wohlbefindens der Tiere anzusehen, und es muss Zucker verfüttert werden, sofern man Glykogen in der Leber zum Ansatz bringen will. Es ist nicht gleichgültig, ob Trauben- oder Rohrzucker gegeben wird. Külz?) fand an Karenzkaninchen 1) Kissel, zit. nach Gürber, Sitzungsber. d. physik.-med. Gesellsch. zu Würzburg 1895 Nr. 2 S. 18. 2) Rosental, Arch. f. exper. Path. u. Pharm. Bd. 75 S. 99. 1914. 8) Külz, Festschrift für Karl Ludwig. Marburg 18%. 490 Ve Adolf Jarisch: 12 Stunden nach der Einverleibung von Traubenzucker im Mittel 0,348 g, nach Rohrzucker 1,129 g, also fast das Dreifache. Das Maximum der Glykogenanhäufung findet sich nach Ott!) um die 15. Stunde nach der Zuckerzufuhr. Um in unseren Hauptversüuchen die für die Glykogenanreicherung günstigsten Bedingungen zu schaffen, haben wir den Tieren 14—16 Stunden vor Ausführung der Pigüre 10—20 g Rohrzucker in 100 cem Wasser, auf Körpertemperatur erwärmt mit. der. Schlundsonde zugeführt. Wir haben es vermieden, grössere Zuckermengen zu geben, da wir bei operierten Tieren Durchfall auftreten sahen. ‚Es frägt sich nun, ob er von uns ach Operationen sefndene Glykogengehalt von ca. 1°/o ausreicht, um eine zentrale Glykosurie zu ermöglichen. Dass dem so ist, geht aus den positiv verlaufenen Versuchen von Nishi?) und aus. den lediglich zur Kontrolle von uns angestellten, nunmehr mitzuteilenden Pigüre-Versuchen hervor. In beiden Fällen handelt es sich um operierte Tiere, bei denen man auf Grund unserer vergleichenden Untersuchungen einen Glykogen- gehalt von ca. 1°/o erwarten darf. Br) Nr. 27. 2300 e. 30. Dez.: Durchschneidung des linken Splanchnicus nach Abgang der Nebennierenfaser und der vom Ganglion zur Nebenniere ziehenden Nerven. | 2.6. Jan.: Frisst, gesund. ». | la Jan.: 14 g Rohrzucker per os. 8. Jan.: 2100 g. 39,50 C. Harn: Reduktion: 0. 9b 30": Pigüre. Bis 11h 30’: 45 cem Harn. Reduktion: ++.: Obduktion: Der rechte Splanchnicus und das rechts liegende Ganglion erhalten. Nr. 47. 1800 g. 19. Febr.: Durchschneidung' des linken Splanchnieus und sämt- licher Nerven der linken Nebenniere. 11.—12. März: -Frisst. A: 13. März: 15 g Rohrzucker. Sn 14. ‘März: 1650 g.. 39,0.° ‘Harn: Reduktion: 0. 8h 55': Pigüre. Bis 12:h: 82 ccm: Harn mit 0,498: Zucker. Blut: 0,286 °/o Zucker. Linke Nebenniere: Äussere Ha cicnlata arm an Fett, mittlere Fasciculata und: ‚Reticularis fettreich; Markzellen elle chro- miert, wenn auch schwächer als normal. Rechte Nebenniere: Fett wie links, Markzellen schwach und ungleichmässig, stellenweise gar nicht chromiert. In den Venen kein Sekret. Unterschied beider Nebennieren im Chromgehalt deutlich. Re 1) Ott, Deutsches Arch. f. klin. Med. Bd. 71 8..263.. 1901. 2) Nishi, Arch. f. exper. Path. u. Pharm. Bd. 61 8.401. 1909. Über den Mechanismus der Pigüre-Glykosurie. 491 Nr. 48. 1800 e. 10. Febr.: Durchschneidung des linken Splanchnicus und der von der linken Nebenniere zum Ganglion ziehenden Nerven. 11.—12. Febr.: Frisst. 18. Febr.: 15 g Rohrzucker per os. 14. Febr.: 1600 g. 39,1°.C. Harn: Reduktion: 0. 9h 25’: Pigüre. Bis 12h 30’: 40 cem Harn mit 1,48 g Zucker. Blut: 0,279 Oo Zucker. Linke Nebenniere: Äussere Fascienlata arm an Fett, mittlere Fascieulata und Reticularis fettreich. Keine Hyperämie, keine Blutung. Markzellen schwach chromiert, reichlich Sekret in den Venen. Rechte Nebenniere: Fett wie links. Keine Hyperämie, keine Blutung. Mark- zellen unchromiert. In den Gefässen nur spärlich Sekret. Unterschied im Chromgehalt sehr deutlich. Da in diesen Versuchen der glykosurische Effekt eintrat, genügt also ein Glykogengehalt von ca. 1°/o für das Zustandekommen der Pigüre- Glykosurie. Geht schon aus dem Mitgeteilten hervor, dass unsere Tiere mit einem Glykogenvorrat von ca. 1 in den Versuch eintraten, so zeigt eine Durchsicht der Glykogenwerte unserer Tabelle I, wo 3 Stunden _ nach der Pigüre der Glykogengehalt .bestimmt wurde, dass sogar um diese Zeit in drei Versuchen mehr, in zwei weiteren Versuchen annähernd 1°/o Glykogen in der Leber vorhanden war. Wenn trotz- dem die Hyperglykämie ausblieb oder geringfügig war, so ist damit bewiesen, dass nicht Glykogenmangel an dem abgeschwächten Effekte der Pigüre in unseren Versuchen schuld ist. Eine weitere Frage ist, ob der Umstand, dass nur eine Neben- niere vom Reiz getroffen wurde, den Pigüre-Effekt abzuschwächen imstande ist. Dies ist nach den mitgeteilten Versuchen Nr. 47 und 48, wo nur eine Nebenniere mit dem Zentrum in Verbindung war, nicht der Fall. Übrigens ist es, wie aus Tabelle III hervorgeht, ziemlich gleichgültig, ob eine oder zwei Nebennieren vorhanden sind. "Tabelle Ill. Zeit Blut- Zucker u DeL Glykogen nach-der | zucker Harn . im Harn Im AR EL Er Ger bener Herzen Pigüre 0/0 Drceme rl. 0 22.1590 0/0 1 = = 4 0,398 19 1,8 4,48 0,341 0,214 32 0,51 0,34 0,25 N 1 Oh 03 18 0.92 on | | h 0,273 37 1,42 1.05 1.009928 Kaninchen 3h 20' 0,35 60 2,07 0,07 Vater) Er 2h 0,286 82 0,498 \ _ Kaninchen 2h 0,279 40 1,84 mit einer Nebenniere 492 Adolf Jarisch: Der Pigüre-Effekt betrug demnach bei fünf normalen Kaninchen binnen 2—3 Stunden durchschnittlich: Blutzucker 0,319°%o, Harn- zucker 1,394 g; der in der Leber nach dem Versuch gefundene Glykogenwert schwankt zwischen 0,07 und 4,48°/o; bei Kaninchen mit nur einer nervös beeinflussbaren Nebenniere war der Blut- zucker nach 3 Stunden durchschnittlich 0,282 %, und im Harn wurden 1,16 g Zucker ausgeschieden. Mit Rücksicht auf die zeit- liche Differenz ergibt sich keine merkliche Differenz im Pigüre- Effekt zugunsten der Normaltiere. ad 2. Nachdem bei der bisherigen Analyse derVersuchsbedingungen ein Anhalt für die Ursache des schwächeren Ausfalles der Pigüre sich nicht ergeben hat, ist nunmehr zu untersuchen, ob die von uns vorgenommene Nervendurchschneidung eine Rolle spielt. Es könnte der schwächere Pigüre-Effekt durch Wegfall einer in der Norm beteiligten, direkten nervösen Nervenwirkung auf die Leber be- dingt sein. Zur Entscheidung dieser Frage wurde zunächst untersucht, ob der Hauptstamm des Splanchnieus glykogenolytische Fasern führt. Es wurde die rechte Nebenniere exstirpiert und sämtliche Nerven der linken Nebenniere durchschnitten. Der linke Splanchnicus blieb unberührt; da es a priori möglich erschien, dass der Nerv durch die Operation Schaden leide, wurde nach den Versuchen an dem Effekte, den seine Reizung auf den Blutdruck ausübt, seine funktionelle Tüchtigkeit erwiesen. Bei analog operierten Tieren fand Nishı nach Diuretininjektion keine Steigerung des Blutzuekers; nun ist aber das Diuretin ein schwächerer Reiz als die Piqüre, denn während Nishi nach Durchschneidung des linken Splanchnieus nur mässige Hyperglykämie ohne Glykosurie bekam, war die Pigüre unter diesen Bedingungen voll wirksam. Darum waren wir gezwungen, die Ver- suche mit der Piqüre als Reiz zu wiederholen. Exstirpation der rechten Nebenniere, Durch- schneidung aller Nerven der linken Nehenniere. Nr. 41. 1700 ge. . Febr.: Operation. . Febr.: Munter, frisst. . Febr.: Frisst. 10 g Rohrzucker per os. . Febr.: Desgl. [0 EL Korisı Über den Mechanismus der Pigüre-Glykosurie. 493 9. Febr.: 1500 g. 39,2°C. Harn: Reduktion: 0. 11h: Pigüre. Bis 2b: 13 ccm Harn. Reduktion: 0. 36,7°C. Blut: 0,103 %/o Zucker, Glykogen in der Leber: 0,91°/o. Laparotomie; Blutdruck 38 mm, nach Reizung des linken Splanchnicus 56 mm Hg. Nr. 42. 1700 g. 5. Febr.: Operation. 6.—7. Febr.: Munter, frisst. 8. Febr.: Frisst. 10 g Rohrzucker per os. 9. Febr.: Desgl. 10. Fekr.: 1550 g. 37,9°C. Harn: Reduktion: 0. Durchfall. 1h 30’: Pigüre. Bis 4h 30’: 8cem Harn. Reduktion: 0. 35,0°C. Blut: 0,09% Zucker. Glykogen in der Leber: 0%o. Nr. 50. 2000 8. 16. Febr.: Operation. 17. Febr.: Frisst. 18. Febr.: Frisst. 20 g Rohrzucker per os. Ras Wehr. 1750 2. 38,82°C. Harn: Reduktion: 0. 8 45.: Pigüre. Bis 11h 50’: 9 ccm Harn. Reduktion: 0. 37,6°C. Blut: 0,148 °/o Zucker. Glykogen in der Leber: 0,528°%o. Laparatomie; Blutdruck 40 mm, nach Reizung des linken Splanchnicus 56 mm Hg. Nr. 53. 2400 @. 19. Febr.: Operation. 20. Febr. bis 1. März: Gesund, frisst. 2. März: Frisst. 15 g Rohrzucker per os. 3. März: Desgl. 4. März: 1950 g. : 39,1°C. Harn: Reduktion: 0. 8h 45’: Pigüre. Bis 11h 45’: 10 cem Harn. Reduktion: 0. Blut: 0,167 %o Zucker. Glykogen in der Leber: 0,86 °/o. Nr. 61. 1800 g@. 26. Febr.: Operation. 27. Febr. bis 8. März: Gesund, frisst. 9. März: Frisst. 15 g Rohrzucker per os. 10. März: Frisst.. 20 g Rohrzucker. 11. März: 1380 g. 39,2°cC. Harn: Reduktion: 0. 95 15’: Pigüre. Bis 12h 15’: Accm Harn. Reduktion: 0. 35,7°C. Blut: 0,112 °/o Zucker. Glykogen in der Leber: 1,4°o. Laparatomie; Blutdruck steigt nach Reizung des linken Splanchnicus um ca. 16 mm Hg. (Tabelle IV siehe auf S. 494.) In .diesen fünf Versuchen war der Blutzucker dreimal ‘normal, zweimal lag er an der oberen Grenze des Normalen. Die Versuche geben darum ebensowenig wie die von Nishi einen sicheren An- halt dafür, dass im Splanchnicus glykogenolytische Fasern verlaufen, 494 Adolf Jarisch: Tabelle IV. Exstirpation der rechten Nebenniere; nervöse Isolierung der linken. Pigüre. Zen =] zo - [) >| Ss ' . = Ge- Fütterun Ss 328 =&23|6& a =5 Er = [wicht 5 "81858%|3e5S|5 |3|ss ee = nach der Operation SS E23 = As == = 55 Se g RS 555 San“ | cm < A=15% 41 | 1700| Rüben, 2mal 10 g Rohrzucker 4| a om his — 0,103 | 0,91 44 [1700| Rüben, 2mal 10 8 Rohrzucker s{ nn an \ sI-[0,09 | o 50 [2000| Rüben, 20 g Rohrzucker s{ | ee \ 9 | [0,148 | 0,528 53 [2400 | Rüben, 2 mal 15 g Rohrzucker 14 | use ho — [0,167 [0,86 61 [1800| Rüben 15 g, 20 g Rohrzucker 13 20 | Sn \ a dass somit das Zentrum auf direktem Nervenwege einen Einfluss auf die Glykogenolyse in der Leber habe). Nun haben Macleod und Pearce?) auf Grund von akuten Versuchen am Hunde die Meinung vertreten, dass aus dem Splanchnieus stammende glykogenolytische Nerven im Plexus hepaticus verlaufen, deren Wirksamkeit an die Gegenwart der Nebennieren im Organismus gebunden sei. Demnach käme dem Adrenalin eine sensibilisierende Wirkung für diese Nervenendigungen zu. Abgesehen davon, dass eine derartige Wirkung unter den übrigen des Adrenalins ohne Analogon wäre, können wir auf Grund der zuletzt mitgeteilten Ver- suche, wo die Nebennieren ja im Organismus vorbanden waren, eine derartige Wirkung für das Kaninchen in Abrede stellen. Es frägt sich nun, wieso es kommt, dass Macleod und Pearce bei Reizung des „hepatie plexus“ nach FExstirpation der Nebennieren die Hyper- glykämie vermissten, bei intakten Nebennieren sie jedoch beobachteten. Die erste Erscheinung steht im Einklang mit den Erfahrungen, wo- nach eine zentrale Glykosurie ohne Nebennieren nicht zustande 1) Anmerkung bei der Korrektur: Auf-Grund soeben erschienener Unter- suchungen von Freund und Marchand (Arch. f. exper. Path. u. Pharm. Bd. 76 S. 324. 1914) enthalten wir uns in dieser Frage einer entgiltigen Stellungnahme. - 2) Macleod und Pearce, Americ. Journ. of Physiol. vol. 29 p. 419. 1912. Über den Mechanismus der Pigüre-Glykosurie. 495 kommt. Die zweite Beobachtung stützt sich auf zwei Versuche, Von diesen scheidet einer aus, da in diesem Versuche der Blut- zucker von Anfang bis zum Ende kontinuierlich ansteigt, so dass der Effekt der dazwischen gesetzten Reizung nicht erkennbar ist; die Autoren meinen infolge des niederen Blutdruckes. Es bleibt demnach nur ein Versuch, wo bei der Reizung der Blutzucker an- stieg, um nach derselben wieder abzufallen. Im ersten Teil dieses ‚Versuches wurden die Nerven in der Kontinuität gereizt und damit gleichzeitig zentripetale Fasern, was in einer hochgradigen Steigerung des Blutdruckes zum Ausdruck kommt. Im zweiten Teil des Ver- suches waren die Nerven durchschnitten; trotzdem kam es noch zu einer leichten Blutdrucksteigerung, Nachdem bei einem Rollenabstaud von 4 em, mit einem Strom also, den die Autoren selbst als einen sehr ‘starken bezeichnen, gereizt wurde, lassen sich Stromschleifen als Ursache dieser Drucksteigerung nicht ausschliessen. Solange aber die Möglichkeit einer zentralen Reizung vorhanden ist, lässt sich auch nicht ausschliessen, dass in diesem Versuche reflektorisch die Nebennieren zu gesteigerter Sekretion veranlasst wurden. Bei dieser Sachlage erscheint dieser eine Versuch kaum ausreichend, um eine direkte nervöse Bahn zur Leber zu beweisen. . Zur Aufklärung der bestehenden quantitativen Differenz im Aus- fall des Pigüre-Effektes in unseren Versuchen und unter normalen Bedingungen müssen schliesslich die Möglichkeiten berücksichtigt werden, die dadurch gegeben sind, dass bei unseren Tieren die gesamte. Splanchnieusperipherie ausser der einen Dun] aus- geschaltet wurde. a) Die nervöse Isolierung des gesamten Shlänehmienseehiere: wie wir sie in unseren Hauptversuchen durchführen mussten, ist für Kaninchen ein schwererer Eingriff als eine einseitige Splanchnikotomie. Während letztere regelmässig gut vertragen wird, sterben nach ersterer viele Tiere wenige Stunden nach der Operation, wenn sie sich auch anfangs gut erholt hatten. Bei der Untersuchung des Einflusses von Operationen auf die chromaffıne Substanz der Nebennieren !) konnte nun festgestellt werden, dass die Chromaffinverarmung um so inten- siver. auftritt, je grösser der Eingriff für das Tier war. So war z. B. 4 Stunden nach Exstirpation der linken Nebenniere eines 1400 g schweren Kaninchens und der Eckhard’schen Vorbereitungsoperation elanrısich,.l.c: 496 Adolf Jarisch: für den Zuckerstich in der rechten Nebenniere überhaupt keine chrom- affıne Substanz nachweisbar. Demnach ist zweifellos auch in unseren Hauptversuchen nach der Splanehnieusausschaltung in der innerviert gebliebenen Nebenniere ein beträchtlicher Chromaffinschwund ein- getreten, und es frägt sich nun, ob die chromaffine Substanz bzw. der Adrenalinvorrat sich bis zum Versuch, d.h. binnen 4 Tagen, wieder voll regeneriert haben kann. Wie aus den zitierten ge- meinschaftlichen Untersuchungen mit Herrn Prof. Pfeiffer hervor- geht, schwindet die nach Durchschneidung eines Splanchnicus binnen 2 Stunden in der Nebenniere der Gegenseite auftretende Chromaffin- verarmung, .die von Anfang an keine hochgradige ist, erst binnen 3 Tagen. Es ist sehr wahrscheinlich, dass in unseren Hauptversuchen die linke Nebenniere entsprechend den individuellen Verschieden- heiten der Tiere noch von der Operation her verminderten Adrenalin- vorrat hatten und dass darin der Grund des abgeschwächten Pigüre- efektes lag. Eine Bestätigung dieser Ansicht ist damit gegeben, dass in unseren Fällen bedeutender Fettschwund auftrat; nur im Fall 5l, wo es zur Glykosurie kam, war der Fettgehalt normal. Schliesst man sich auch nicht der Ansicht an, dass die Lipoide der Rinde die Muttersubstanz des Adrenalins seien, so beweist doch die erwähnte Tatsache, dass in = LUT 080 her 61 13 { JTOPULULIOA — JIopuunıaA el 96.0 52 or ‚G UG { Syum SaJaa 014 at | 2014 U |nreryu w9 | uonyoluf zuesqng aougpeworge |UEBoNA]s | aayonz | ayonz | urepg [PP Toeu ue u9datuuageN Aap Hegag | -aageg | :ynıq y19Z 0888 } I 8 007 oT'68 3 068 } I { u uoneısdg -woL, pu auugeug® ar -SIUIIMIL) ruall AOyOnzıyoy WII 0% Ll Vi uoneıodg A9p qdeu Sunayng | JawwunN aayanz -uoqnel], 3 CI euz woang ‚uepmygqns umsanıq SO3T0/,QT WOO 05 :uonyaluy = -Jayfeyosadsne 451 yorgagsnorupurjdg adrıqn sep Yıolarauur purs uaIatuuageN »pIoq !snoe1809 snxajg sap uoredansx = NZITSITENT, ler) 2 | S ZIOpUNWIAAgs SEE - SS —i ce ee PS ea = DS eu oo a & eis e a uch 3 a a. mu =) = S a. * = S 5 ke jan! 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Die histologische Untersuchung der Nebennieren, die in zwei Fällen ausgeführt ‘wurde, ergab normalen Gehalt an chromaffıner Substanz und damit keinen Anhaltspunkt dafür, dass es sich etwa um eine direkte Wirkung des Diuretins auf die Nebennieren handle Gegen die Annahme, dass es sich bei der peripheren Wirkung um eine Adrenalinwirkung handle, könnte auch die Beobachtung von Miculicich!) herangezogen werden, wonach Hirudin die Adrenalin-, nieht aber die Diuretinglykosurie zu hemmen vermag. Ergotoxin hemmt allerdings beide Glykosurien; unter diesen Um- ständen kann eine Entscheidung nicht getroffen werden. Wie erwähnt, hatten wir den negativen Ausfall der Diuretin- versuche nach doppelseitiger Splanchnikotomie in den Versuchen von Pollak und Nishi auf die möglicherweise nicht zureichende Glykogenanreicherung der Leber in diesen Versuchen zurückgeführt und darum unsere Versuchsanordnung gewählt. Nun war zwar in sämtlichen Versuchen der Glykogenwert ‘höher als in den früheren Versuchen (Tab. I und U), in denen keine Hyperglykämie auf- getreten war. Immerhin sind die Differenzen nicht so hochgradig, dass wir mit Sicherheit in der Höhe des Glykogengehaltes allein die Ursache für den positiven Ausfall der letzten Versuchsreihe sehen möchten. Es sieht vielmehr aus, als ob gerade die Fütterung mit Rohrzucker das Auftreten der Hyperglykämie begünstigen würde. Mindestens ist es auffällig, dass in den beiden Versuchen 17 und 26 der Tabellen I und II, den einzigen, wo Hyperelykämie auftrat, Rohr- zucker gegeben worden war. Dabei betrug der Glykogengehalt in Ver- such 26 nur 0,13°/o, während in Versuch 7, wo die Hyperglykämie nach Traubenzuckerfütterung ausblieb, 1,1 °/o gefunden wurde. Was die Diurese betrifft, so war sie namentlich in den Ver- suchen nach doppelseitiger Splanchnikotomie sehr geringfügig. Da in diesen Versuchen im Gegensatz zu den Versuchen an normalen Tieren nach der Diuretininjektion regelmässig eine hochgradige wässerige Diarrhöe auftrat (Wegfall der Splanchnieushemmung), lag darin wohl der Grund für die Diuresehemmung. Durch den Nachweis, dass das Diuretin auch nach doppelseitiger Splanchnikotomie hyperglykämisch wirken kann, wird der Befund l) Miculicich, Arch. f. exper. Path. u. Pharm. Bd.69 S.128 u. 133. 1912. 508 Adolf Jarisch: Über den Mechanismus der Diuretinglykosurie. von Pollak und Nishi, wonach dem Diuretin eine zentrale Wirkung analog der Pigüre zukommt, nicht widerlegt, sondern nur erweitert. Denn auch wir konnten feststellen (vgl. unten Versuch 10 und 20), dass, solange die Splanchniei intakt sind, unter Bedingungen, die unzureichend sind für den Eintritt einer peripheren Wirkung, prompt und regelmässig Glykosurie eintritt. Nr. 10. 2100 eg. 24. Nov.: Durchtrennung der vom Ganglion solare über der m nach aufwärts ziehenden Fasern. 25. Nov.: Frisst. 26. Nov.: Frisst. 15 g Traubenzucker per os. 28. Nov.: 2000 g. 39,1° C. Harn. Reduktion: 0. 8h 35’: 20 cem 10°/oiges Diuretin subkutan. Bis 10h: 46 ccm Harn, Re- duktion: + +. Blut: 0,365 0/o Zucker. Glykogen in der Leber: 0,6 %). Nr. 20. 2000 2. 15. Dez.: Splanchnikotomie rechts. 16. Dez.: Frisst nicht. 17. Dez.: Frisst nicht. 20 g Traubenzucker per os. 18. Dez.: Desgl. 19. Dez.: 1750 g. 39,0°C. Harn. Reduktion: 0. Weiche Stühle. 10h: 20 cem 10°/oiges Diuretin subkutan. Bis 10h 45’: Kein Harn. Starker Durchfall. Blut: 0,333%/o Zucker. Glykogen in der Leber: 0,574 /o. Diese Hyperglykämie ist nach dem Mitgeteilten zentralen Ur- sprungs und nach Art der Piqüre entstanden zu denken. Wenn in den Versuchen 1, 7, 8, wo ausschliesslich die Leitung vom Zentrum zur Nebenniere erhalten war, die Blutzuckersteigerung ausblieb, so führen wir dies auf dieselben Ursachen zurück, welche in der vorigen Mitteilung für den negativen Ausfall einiger Pigüre-Versuche ver- antwortlich gemacht wurden. Ergebnis. Das Diuretin macht Hyperglykämie: l. durch chemische Reizung des Zuckerzentrums; 2. durch eine periphere Wirkung, welche nach Durehsehneidung beider Splanchnici bei Einhaltung bestimmter Bedingungen beobachtet werden kann. 09 (Aus dem pharmakologischen Institut der Reichsuniversität Utrecht.) soon Teen an der überlebenden Säugetierlunge. I. Mitteilung. Durchströmungsgeschwindigkeit und Verhalten des Tonus der Gefässe und Bronchien an der überlebenden Katzenlunge. Von Georg Modrakowski. (Mit 16 Textfiguren.) Die hohe Vervollkommnung der Apparate zur Durchströmung überlebender Organe erlaubt uns gegenwärtig, die Tätigkeit der einzelnen Organe, losgelöst vom Einflusse des Zentralnervensystems und den übrigen Teilen des Körpers, bequem und eingehend zu untersuchen. Als einer der vollkommensten, in Konstruktion und Gebrauch einfachsten hat sich der Durchblutungsapparat von Brodie bewährt, wie er in der vor kurzem erschienenen Arbeit von Magnus, Sorgdrager und Storm van Leeuwen: „Über die Undurchgängig- keit der Lunge für Ammoniak“ !) genau beschrieben und abgebildet ist. Mit Hilfe dieses Apparates untersuchte ich die Bedingungen des Entstehens von Lungenödem am isolierten Organe. Dabei ergab sich die Notwendigkeit eines genaueren Studiums der Zirkulations- verhältnisse in der überlebenden Lunge, über dessen Ergebnisse ich im folgenden berichten möchte. Der Brodie’sche Apparat gibt alle dazu erforderlichen Hilfsmittel in die Hand. Zum besseren Verständnis möchte ich die wichtigsten Bestandteile des Apparates ins Gedächtnis zurückrufen mit Benutzung der in der zitierten Arbeit gegebenen Abbildung, die in Fig. 1 reproduziert ist. Aus dem venösen Gefässe B, in dem sich das aus dem durchbluteten Organe 2) Pflüger’s Arch. Bd. 155 S. 275. 1914. 510 Georg Modrakowski: kommende Blut ansammelt, wird es durch eine Pumpe C mit regulier- barem Schlagvolumen in das arterielle Gefäss 7’ befördert. In diesem wird durch eine Wasserstrahlpumpe ein bestimmter Druck hergestellt. Aus dem arteriellen Gefässe gelangt das Blut dann unter diesem bekannten Drucke in das isolierte Organ und durch dessen abführendes Gefäss zurück in den venösen Behälter. Dieser sowie das arterielle Gefäss sind mit einem dünnen Gummikondom versehen, der allen Druckschwankungen nachgibt, aber die Berührung des Blutes mit Transmission G3. —— Druckluft Vom Organ N; ZIEER \ j ZUR EGERERGRREIE ; ; dk OL 7, 0 a Wal Fig. 1. der Luft ausschliesst. Man kann durch einen durchbohrten Stopfen das venöse Gefäss verschliessen und mit einem geeichten Piston- rekorder verbinden. Lässt man Pulsfrequenz und Schlagvolumen der Pumpe ungeändert, so ändert sich die Blutmenge im Reservoir D allein bei Zu- oder Abnahme des Blutflusses aus dem Organe. Infolge- dessen kann man mit dem Pistonrekorder Änderungen der Kreislauf- geschwindigkeit durch das Organ graphisch registrieren. Ausserdem wird bei jedem einzelnen Pulse der Pumpe (,„Systole“) eine bestimmte Blutmenge aus dem venösen Reservoir herausgepumpt, die während der „Diastole“ der Pumpe vom Organ her wieder ersetzt wird. Beobachtungen ‘an der überlebenden Säugetierlunge. 1. 511 Auch diese Pulse des Apparates werden durch den Pistonrekorder genau registriert; man kann daher die Grösse des „Schlagvolumens“ der Pumpe direkt auf der Kurve ablesen. Das Produkt von Schlag- volumen und Pulszahl ergibt die Durchblutungsgrösse des Organs. Der Pistonrekorder war wiederholt geeicht, teils durch Injektion eines bekannten Luftvolumens mit einer graduierten Spritze, teils in Ver- bindung mit dem Durchströmungsapparate durch Einfliessen ab- semessener Quantitäten Flüssigkeit. Ferner‘ wurden blinde Versuche, bei denen an Stelle der Lunge eine Gummischlauchverbindung zwischen _ zu- und abführender Kanüle bestand, ausgeführt. Dabei wurde bei verschiedenen Drucken — wie im Experiment — aus der Pumpen- kurve die Durchströmungsgeschwindigkeit berechnet und verglichen mit der Flüssigkeitsmenge, die in derselben Zeit bei Ableitung der ausströmenden Flüssigkeit statt in das venöse Gefäss in einen graduierten Zylinder ausströmte. Die berechnete Flüssigkeit stimmte dabei gut mit der gemessenen überein. Bei dem Abfliessen nach aussen sank natürlich die Pumpenkurve um ein entsprechendes Stück nach unten. Die Grösse dieser Senkung entsprach wieder genau der Menge der abgelaufenen Flüssigkeit. Schliesslich lässt sich in der Höhe der Lungenarterie und -vene je ein Quecksilbermanometer einschalten, auf dem der jeweils in den Lungengefässen herrschende Druck abgelesen werden kann. Der arterielle Druck kann durch das Quecksilberventil 7 variiert werden; der venöse Druck wird am besten zu Beginn der Versuche zunächst einige Millimeter unter Null gehalten und kann dann durch Ver- engerung des venösen Schlauches mit einer Klemmschraube beliebig erhöht werden!),. Zur Bestimmung der Strömungsgeschwindigkeit wurden die Lungen, die stets von Katzen stammten, mit reinem defibrinierten Katzenblute durchblutet. Obwohl für eine normale Durchblutung das Blut des Tieres, von dem die Lunge stammte, genügt hätte, musste ich doch das Blut von zwei, manchmal auch drei Katzen verwenden, da ich im weiteren Verlaufe der einzelnen Versuche Stauung in den Lungen erzeugte, wozu sehr viel Blut nötig war. Das wesentlichste Moment für eine gute Durchblutung liegt in der Vermeidung aller Gerinnsel. Das liess sich mit Sicherheit nur 1) In anderen Versuchen wurde der venöse Druck durch Höher- oder Tiefer- stellen der Lunge verändert ohne Verengerung des Abflussrohres. Siehe die II. Mitteilung. 512 Georg Modrakowski: durch Durchspülung des Tieres mit defibriniertem artgleichem Blute erreichen. Auf diese Weise erhielt ich eine sehr schöne und reich- Alle Kurven sind auf die Hälfte verkleinert und von links nach rechts zu lesen. Die obere Kurve registriert auf allen Versuchen das Volumen der künstlich geatmeten Lunge, die untere die Durchblutung. Zeitschreibung in Sekunden. Als Nullinie des exspiratorischen Lungenvolumens wird die Verbindungslinie der unteren Spitzen der Lungenkurve angenommen. Abweichungen darüber oder darunter werden in den späteren Abbildungen desselben Versuches (Fig. 3—8) in Millimetern Abstand von der angenommenen Nullinie angegeben. 5 mm der Atemkurye entsprechen 1 ccm Luft, 3 mm der Durchblutungskurve 1 ccm Blut. ni " ki il Fig. 2. Versuch XXX. 3h 15’. Während Fig. 3. Versuch XXX. 3h 32’. Arte- des ganzen Versuches je 48 Atemzüge und rieller Druck 16 mm Hs, venöser 0 mm. 96 Pumpenpulse in 1’. Höhe der Atem- Gefälle 16 mm. Höhe der Pumpenpulse exkursionen 31,4 mm = 6,28 ccm Luft. 3,6 mm. Durchströmungsgeschwindigkeit Höhe der Pumpenpulse 3 mm. Durch- 115,2 ccm. Exspiratorisches Lungen- strömungsgeschwindigkeit 96 ccm Blut in niveau auf 7 mm unter die Nullinie ge- 1’ bei 18 mm Hg arteriellem und + 1 mm sunken. venösem Druck, also bei Gefälle von 17 mm. liche Durchblutung der isolierten Lunge. Der Verlauf des einzelnen Experimentes war also folgender: Die Katze wurde in Äthernarkose tracheotomiert und künstliche Atmung eingeleitet. Dann wurde eine Vena jugularis mit einer Kanüle Beobachtungen an der überlebenden Säugetierlunge. I. 513 versehen und aus der einen Karotis entblutet. Während des Verblutens wurde laparotomiert, die Aorta unter dem Zwerchfell unterbunden und dann der Hinterkörper des Tieres an einem Gestelle aufgehängt, um eine möglichst ausgiebige Entblutung zu erreichen; dann wurde auch die Cava inferior unterbunden und nun, als das Tier schon zum grössten Teil entblutet war, das eigene defibrinierte Blut oder das einer vorher entbluteten Katze in die V, jugularis aus einer Bürette eingeführt. Dabei schlug das Herz kräftig weiter, so dass die Prozedur zwei- bis dreimal wiederholt werden konnte, bis man sicher war, dass der Vorder- körper der Katze mit defibriniertem Blute gefüllt war. Nun erst wurde endgültig entblutet. Dann wurde der Thorax in der Mittellinie er- öffnet, durch einen Einschnitt in den rechten Ventrikel eine Glaskanüle in die Art. pulmonalis, in den linken Vorhof eine zweite Glaskanüle für die V. pulmonales eingeführt und festgebunden. Die Herzkammern wurden durch Tabaksbeutelnaht abgeschnürt; dann wurde die Lunge vorsichtig dem Thorax entnommen, mit dem arteriellen und venösen Schlauche des Durchblutungsapparates verbunden und in den Plethys- mographen gebracht. Dieser bestand aus einem Glasgefäss mit vier- fach durchbohrtem Gummistopfen; durch zwei der Öffnungen wurde der arterielle Zufluss und venöse Abfluss, durch die dritte die Tracheal- kanüle zur künstlichen Atmung geleitet. Die vierte diente zur Ver- bindung mit dem Volumschreiber (Brodie-Bellows). Während der eben beschriebenen Vorbereitungen wurde die Lunge ununterbrochen ausgiebig ventiliert. Aus einer grösseren Reihe von Versuchen füge ich den folgenden - als Beleg an. Versuch XXX. Katze von 1720 g Gewicht. Operation wie beschrieben. Lunge im Plethysmographen. Beginn der Durchblutung um 2h 20’; die Temperatur des durchfliessenden Blutes ist 31° C., steigt aber all- mählich auf 33,5° C. und bleibt dann konstant. Während der ganzen Versuchsdauer je 48 künstliche Atemzüge und 96 Pumpenpulse in der Minute. Je 5 mm Ausschlag des Brodie- Bellows entsprechen 1 cem Luft, je 3 mm Ausschlag der Pumpenkurve 1 cem Blut. Im vorliegenden Versuche wurde der arterielle Druck auf 13 mm Hg, der venöse auf + 1 mm Hg eingestellt, was etwa den normalen Verhältnissen an der lebenden Katze entspricht. In der Zeit von 3h 10' bis 3h 29° — Fig. 2 — beträgt die Höhe der einzelnen Pumpen- schläge 3 mm, woraus die Durchströmungsgeschwindigkeit mit 96 ccm in der Minute berechnet wird. Die Höhe der durch den Brodie- Bellows verzeichneten Atemzüge beträgt 29—31 mm, also 5,3—6,2 ccm Luftvolumen; das exspiratorische Niveau der Lungenkurve wird als Nullinie für Abweichungen nach oben und unten im weiteren Verlaufe des Versuches angenommen. Dann zeigt ein allmähliches Ansteigen der Pulskurve eine Erweiterung der Strombahn, also eine Abnahme des Tonus der Lungengefässe an. Es wird nun der arterielle Druck auf 16 mm Hg, der venöse auf O0 eingestellt; gleichzeitig werden die 514 Georg Modrakowski: Pumpenschläge auf 3,6 mm erhöht, wodurch das Gleichgewicht zwischen Zu- und Abfluss wieder hergestellt ist (Fig. 3). Die Durchströmungs- geschwindigkeit wird aus der Pulskurve auf 115,2 ccm berechnet. Die Messung des Ausflusses in einen graduierten Zylinder ergibt in 10 Se- kunden 20 ccm, also 120 cem in der Minute. Bei unwesentlicher Zu- nahme der Atemgrösse ist das exspiratorische Lungenniveau auf 7 mm unter die Nullinie von Fig. 2 gesunken. Fig. 4. Versuch XXX. 3538’. Arterieller Druck Fig. 5. Versuch XXX. 4h 2’, Ar- 15 mm Hg, venöser”-+F5 mm. Gefälle 10 mm. terieller Druck 21 mm Hg, venöser Höhe der Pumpenpulse 2,7 mm. Durchströmungs- +9 mm. Gefälle 15 mm, Höhe der geschwindigkeit 86,4 ccm Blut in 1'. Der Abfall Pumpenpulse 6,5 mm. Durchströ- der Durchblutungskurve ist durch Abfluss von : mungsgeschwindigkeit 208 ccm Blut 14 ccm Blut nach aussen bedingt. Exspiratorisches in 1’. Exspiratorisches Lungen- Lungenniveau 6 mm unter der Nullinie. Atem- niveau 12 mm unter der Nullinie, grösse 45mm —= 9cem Luft. Atemgrösse 46 mm = 9,2 ccm Luft. Gegen 3h 37’ wird das Lumen des das Lungenblut abführenden Schlauches ganz wenig durch leichtes Anziehen der Schraubenklemme verengt, so dass sich der Druck auf + 15 mm Hg auf der arteriellen, + 5 mm auf der venösen einstellt, also mit einer Druckdifferenz von 10 mm statt 17 mm wie zu Anfang. Infolgedessen sinkt der Ausfluss Beobachtungen an der überlebenden Säugetierlunge. 1. 515 aus der Lunge rapid, so dass das Schlagvolumen der Pumpe verkleinert werden muss. Die Kurve des Lungenvolumens ist durch die gering- fügige Stauung ein klein wenig gehoben; gleichzeitig sind die Atem- exkursionen auf 45 mm = 9 ccm Luftvolumen angestiegen. Durch Einstellen der Pumpenexkursionen auf 2,7 mm wird das Gleichgewicht zwischen Ein- und Ausfluss durch die Lunge wieder hergestellt (Fig. 4); Fig. 6. Versuch XXX. 4h5’. Arterieller Druck 21, venöser +3 mm Hg wie auf Fig. 5. Bei a Erhöhung des venösen Druckes auf + 6 mm Hg, bei d auf +12 mm, so dass das Gefälle nur noch 9 mm statt 13 beträgt. Das exspiratorische Lungenniveau erhebt sich nun 20 mm über die Null- linie. Die Atemgrösse sinkt auf 34 mm = 6,8 ccm Luft. Die Durch- strömungskurve fällt steil ab; nach Regulierung der Pumpe verläuft sie bei Ausschlägen von 4,4 mm wieder geradlinig. Durchströmungs- geschwindigkeit 140,8 ccm Blut in 1’. dabei ist die Durchströmungsgeschwindigkeit 86,4 ccm Blut pro 1 Minute. Bei direkter Messung ergab sich ein Ausfluss von 14 ccm in 10 Se- kunden, als 84 cem in der Minute. Um 4b wird der Druck auf 21 mm Hg arteriell und + 3 mm venös, also mit einer Differenz von 158 mm gegen 10 mm vorher eingestellt. Dabei muss die Pumpe zur Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd. 158. 34 516 Georg Modrakowski: Erzielung des Durchströmungsgleichgewichtes auf 6,5 mm reguliert werden, woraus sich eine Durchströmungsgeschwindigkeit von 208 cem pro 1 Minute ergibt. Das exspiratorische Lungenniveau geht dabei bis auf 12 mm unter die Nullinie.e Die Atemgrösse beträgt 46 mm — 9.2 ecm Luft. Fig. 7. Versuch XXX. 4h 22’. Anfäng- Fig. 8. Versuch XXX. 4h 27’. . liche Druckwerte: 23 mm Hg arteriell, Arterieller Druck 20 mm He, + 15 mm venös wie auf der vorher- venöser + 3 mm, Gefälle 17 mm. gehenden Figur. Verminderung des Höhe der Pumpenpulse 5,5 mm. venösen Druckes auf +3 mm und des - Durchströmungsgeschwindig- arteriellen auf 20 mm, so dass das keit 176 ccm Blut in 1’. Atem- Gefälle von 8 auf 17 mm steigt. So- grösse 29 mm —= 5,8 cem Luft. fortiges Absinken des exspiratorischen Lungenniveaus von 5 mm über der Null- linie auf 17 mm unter dieselbe. Atem- grösse 33 mm — 6,6 cem Luft. Die Durchblutungskurve steigt infolge des vermehrten Abflusses aus der Lunge steil an. Regulierung der Pumpe. Erschwerung des venösen Abflusses durch Erhöhung des Druckes auf 12 mm, so dass das Gefälle auf 9 mm sinkt, bewirkt starke Ver- minderung des Ausflusses und deutliche Zunahme der Blutfülle in der Beobachtungen an der überlebenden Säugetierlunge. I. b) af Lunge. Die Volumenkurve derselben steigt jetzt um 20 mm nach oben; die Atemgrösse fällt dabei auf 34 mm = 6,8 ccm Luft. Durch Verkleinerung der Pumpenschläge von 6,5 mm auf 4,4 mm wird das Gleichgewicht zwischen Zu- und Abfluss mit 140,8 cem Durchströmungsgeschwindigkeit wieder hergestellt (Fig. 6). Fig. 9. Versuch XXX. 4h 34’. Im Beginn 20 mm arterieller, + 7” mm venöser Druck. Das exspiratorische Lungenniveau wird als neue Nullinie angenom men. Atemgrösse 41 mm = 8,2 ccm Luft. Erhöhung des Druckes auf 24 mm arteriell und + 19 mm venös (Gefälle also 5 mm) bewirkt Erhebung des exspiratorischen Lungenniveaus auf 20 mm über die Nullinie. Dabei Verkleinerung der Atemgrösse auf 33 mm — 6,6 ccm Luft. Gleichzeitig fällt die Durchblutungskurve rapide ab. Nach Regulierung der Pumpe beträgt die Höhe der Pulse 3 mm, die Durchströmungsgeschwindigkeit 96 cem in 1’. Am Ende des Kurven- ausschnittes Absinken der Durchblutungskurve, bedingt durch Ab- fliessen von 8 ccm Blut in 5” in einen Messzylinder. Gegen 4h 22’ wird die Erschwerung des venösen Abflusses be- hoben und der Druck auf 20 mm Hg arteriell und + 3 mm venös eingestellt (Fig. 7). Als unmittelbare Folge sinkt das Niveau des Lungenvolumens von 5 mm über der Nullinie auf 17 mm unter die- selbe. Der Ausfluss steigt steil an, so dass die Pumpenschläge auf 34 * 518 Georg Modrakowski: 5,58 mm vergrössert werden müssen, was einer Durchströmungs- geschwindigkeit von 185,6 cem in der Minute entspricht. Nachdem das gestaute Blut aus der Lunge abgeflossen ist, sinkt die Pumpen- kurve, als Zeichen, dass mehr Blut durch die Pumpe ausgeworfen wird als von der Lunge zufliesst. Daher werden die Pumpenschläge auf 5,5 mm herabgesetzt, womit das Gleichgewicht hergestellt ist. Die Durchströmungsgeschwindigkeit wird nun auf 176 ccm in der MM ver ANIAAREAMMAAANAANRN Fig. 10. Versuch XXX. 4h 55’. Atem Fig. 11. Versuch XXX. 4h 56’. kurz vorher neu eingestellt. Atemgrösse Atemgrösse 48 mm — 9,6 ccm Luft. 59 mm = 11,8 cem Luft. Arterieller Arterieller Druck 24mm Hg, venöser Druck 24 mm Hg, venöser + 4 mm. +4 mm Hg, Gefälle 20 mm. Höhe Gefälle 20 mm. Höhe der Pumpenpulse der Pumpenpulse 8,5 mm. Durch- 8 mm. Durchströmungsgeschwindigkeit strömungsgeschwindigkeit 272 ccm 256 cem in 1’. inal:z Minute berechnet; die direkte Messung ergibt 176,4 ccm, die Be- rechnung aus dem Abfall der Pumpenkurve 178,4 ccm (Fig. 8). Da. die einzelnen Atemzüge eine zunehmende Tendenz zur Verkleinerung zeigen, wird die Lunge einigemal kräftig ventiliert. Die Atemgrösse beträgt danach 41 mm = 8,2 ccm Luft. Gegen 4h 35’ wird die Durchblutung wieder erschwert, indem der arterielle Druck auf 24 mm Hg, der venöse auf + 19 mm, also mit einem Gefälle von nur 5 mm, etwa 4 Minuten lang gehalten wird. Dabei steigt das Niveau des Lungenvolumens sofort bis 20 mm über . Beobachtungen an der überlebenden Säugetierlunge. TI. 519 die neue Nullinie, wobei die Atemexkursionen auf 33 mm = 6,6 ccm Luft heruntergehen. Gleichzeitig fällt die Pumpenkurve rapid ab. Durch Regulierung der Pumpe auf 3 mm Pulshöhe wird der Zufluss dem Abfluss wieder gleich. Dabei wird aus Pulszahl und -höhe eine Strömungsgeschwindigkeit von 96 ccm berechnet. Die gleiche Zahl ergibt die Messung des Abfalles der Pulskurve bei Aus von 8 cem in 5 Sekunden nach aussen (Fig. 9). Um 4b 53’ wird der das Lungenvolumen und die Atemgrösse registrierende Brodie-Bellows neu eingestellt. Das Niveau der Kurve des Lungenvolumens verläuft nun 104 mm über der untersten geraden Linie mit einer Atemgrösse von 49 mm == 9,8 ccm Luft. Bei einem arteriellen Drucke von 24 mm und einem venösen von + 4 mm, was ein Gefälle von 20 mm ergibt, erreichen die Pumpenpulse jetzt die Höhe von 8 mm (Fig. 10) und dann sogar von 8,5 mm (Fig. 11), woraus sich die kolossalen Durchströmungsgeschwindigkeiten von 256 und 272 ccm in der Minute berechnen. Die direkte Messung zwischen Fig. 10 und 11 ergibt 264 ccm. Der Versuch wurde dann noch bis 6h 20’ fortgesetzt, dauerte also im ganzen 4 Stunden; doch wurden dann nur noch Beobachtungen über Stauung und Ödem angestellt, auf die ich an dieser Stelle nicht einzugehen habe. : Die angeführten Bestimmungen der Durchströmungsgeschwindig- keit beziehen sich auf Druckwerte, wie sie wohl normal an der lebenden Katze vorkommen. Nach Tigerstedt!) beträgt der Druck in der Lungenarterie bei der Katze im Mittel 13 mm He, wobei die Grenzwerie 7,5—24,7 mm Hg betragen. Der Druck im linken Vorhof darf mit etwa 1 mm angesetzt werden, wobei natürlich erhebliche Schwankungen nach oben anzunehmen sind. Die Gesamtblutmenge des Versuchstieres von 1720 e darf nach der üblichen Berechnung — 7 °/o auf etwa 120 ccm veranschlagt werden. Es ergibt sich also, dass bei durchaus normalen, keineswegs hohen Druckwerten beträchtlich mehr als das Doppelte der Blutmenge des Körpers in einer Minute die Lunge passieren kann (256—272-cem bei einem Druckgefälle von 20 mm; der arterielle Druck betrug 24 mm Hg, der venöse + 4 mm). Allerdings ist an- zunehmen, dass es sich dabei um erschlaffte Gefässe handelt, nachdem der anfänglich vorhandene Tonus der Lungengefässe mehr und mehr einer Erweiterung Platz gemacht hatte; denn im Anfange des Ver- suches ergibt ein Druckgefälle von 17 mm He die Durchströmungs- geschwindigkeit von 96 ccm, während später das gleiche Gefälle 176 eem in der Minute durch die Lungengefässe treibt. 1) Tigerstedt, Der kleine Kreislauf. Ergebn. d. Physiol. Bd. 2 T. 2. 1903. 920 Georg Modrakowski: Versuch XXVII. Katze von 3050 g Gewicht. Es durchfliessen die Lunge in je 1 Minute bei bei a Kubikzentimeter arteriellem Druck venösem Druck Gefälle Blut 16 mm Hg 0 mm Hg 16 83,2 2 Bear te Ve en 21 121,6 Sn, Ne 30 160 Sl: Tas ars 17 86 Versueh XXVIH. Katze von 1720 g Gewicht. Es durchfliessen die Lunge in je 1 Minute bei bei % Kubikzentimeter arteriellem Druck venösem Druck Gefälle Blut 20 mm Hs + 3 mm Hg 17 72 30 ” » Ar 2 » ” 28 120 Se a 17 84 SE En Slayer 5 17 96 Versuch XXXI. Katze von 1600 g Gewicht. Es durchfliessen die Lunge in je 1 Minute bei bei = Kubikzentimeter arteriellem Druck venösem Druck Gefälle Blut 15 mm Hg + 2 mm Hg 13 60 22 ” br) ] ze &) 5) ” 14 108 0 2 SL 15 108 dan SEID Eu 17 120 DO Ola: 27 150 Versuch XXX. Katze von 1720 g Gewicht. Es durchfliessen die Lunge in je 1 Minute bei arteriellem Druck bei Ge venösem fälle Kubikzentimeter Blut Druck S + 1mmHg 17 96 während der ersten Stunde U 16 115,2 der Durchblutung Fon 10 86,4 I 20 I as während der zweiten Stunde £) $ I ia 72717 | 18566is 176 EI 5 96 un ee 20 256 bis 272 während der dritten Stunde Beobachtungen an der überlebenden Säugetierlunge. 1. 521 Die Menge von 96 ccm fliesst dann schon bei einem Druck- unterschied von 5 mm Hg zwischen Pulmonalarterie und Vene durch die Lunge. Das angeführte Experiment XXX zeichnete sich durch eine be- sonders gute Durchströmung der überlebenden Lunge aus. Ich er- hielt zwar auch in anderen Ver- suchen ähnlich hohe Zahlen; doch war dann dem Blute physiologische Kochsalzlösung zugesetzt. Wenn deren Menge auch sehr gering war, so können diese Versuche doch nicht hier berücksichtiet werden. Dann habe ich eine Anzahl Versuche ge- macht mit Blut, aus dem im Ver- such vorher Lungenödem transsudiert war; hier war wegen der höheren Viskosität die Durchströmungs- geschwindigkeit erheblich geringer. Ich führe daher nur noch die Zahlen aus drei Versuchen an, bei denen reines frisches Blut verwandt war. In diesen Versuchen wurden die Messungen bei Versuch XXVII (S. 520) in der ersten halben Stunde, bei Versuch XXVII (S. 520) und XXXI (8. 520) in der ersten Stunde ausgeführt, wo der Tonus der Lungen- gefässe noch nicht sehr nachgelassen hatte. In dem oben ausführlich be- schriebenen Versuche XXX (S. 520) fielen die hohen Durchströmungs- wertein diezweite Hälfte der zweiten und in die dritte Stunde. Da die mehr oder minder aus- giebige Ventilation keinen bemerk- Fig. 12. Durchströmungskurve aus einem blinden Versuche, welche die durch die Apparatur bedingten rhyth- mischen Schwankungen zeigt. baren Einfluss auf die Durchströmungsgrösse hatte, lasse ich zur besseren Übersicht die Atemzahlen fort und führe nur die Druck- werte und die dabei in der Minute die Lunge durchströmende Blut- menge in Kubikzentimetern an. 522 Georg Modrakowski: Zum Vergleich führe ich auch die in Versuch XXX (8. 520) in der ersten und den folgenden Stundeu erhaltenen Werte in der gleichen tabellarischen Form noch einmal an. Aus der allmählichen Zunahme der Durchströmungsgeschwindig- keit durch die isolierte Lunge, die nach der ersten Stunde bei gleichen Drucken erheblich grösser ausfällt als vorher, schliesse ich, dass eine Zeitlang ein ausgeprägter Tonus der überlebenden Lungengefässe N \\\) | I h In Fig. 13 aus Versuch VIIIa zeigt Tonusschwankungen der Gefässe der überlebenden Lunge bei Druckwerten von 30 mm Hg arteriell ] und — 4 mm venös während der ersten halben Stunde der Durchblutung. besteht. Dafür sprechen auch das Auf- und Abschwanken der Durch- blutungskurven bei unveränderter Pumpengrösse, wie sie oft Besallan in der ersten Zeit der Durchblutung auftreten. Diese Tonusschwankungen sind wohl zu unterscheiden von rhyth- mischen, durch die Apparatur bedingten Schwankungen. Ich führe zunächst auf Fig. 12 eine Pumpenkurve aus einem blinden Versuch Beobachtungen an der überlebenden Säugetierlunge. I. 5233 ohne Lunge mit Wasser an bei einem Drucke von 21 mm auf der arteriellen und + 14 mm auf der venösen Seite. Diese rhythmischen Schwankungen kommen bei grösseren Pumpenausschlägen in allen ge almuskulatur 25 mm Hg Die Höhe der Atemzü der Durchblutungskurve bei Druckwerten, alben Stunde des Versuches. 39 mm, was auf Nachlassen des Tonus der Bronchi ) ) beruht. sen auf Aus der ersten h 3 E E E 3 E 3 E E E E SE F E 3 3 3 E E 3 3 F 3 E E E E E -E E Ef E E B). E E E E £ Er | El. 3 £ AA 3 Ef “E E E Ma: E E ‚ER E. SEEN Ey E “E ‚we Fig. 14 aus Versuch XVI. Tonusschwankun arteriell und — 4 mm venös. steigt allmählich von 19,5 mm auf Versuchen zum Vorschein (siehe besonders deutlich Fig. 10 und 11). Dagegen führe ich auf Fig. 13 einen Kurvenausschnitt aus Ver- such VIlla an, der aus der ersten halben Stunde der Durchblutung bei Druckwerten von 30 mm He arteriell und, — 4 mm. venös stammt. Dabei waren die Pumpenpulse während über 20 Minuten nicht ge- 524 Georg Modrakowski: ändert worden. Ähnliche Tonusschwankungen, nur noch ausgiebiger, sehen wir auf Fig. 14. Die Kurve stammt von Versuch XVI bei einem arteriellen Druck von 25 mm Hg und einem venösen von — 4 mm aus der ersten halben Stunde. Hierbei blieben die Pumpen- pulse fast eine Stunde lang ungeändert, ebenso die anfangs ein- gestellte Atmung. An der Lungenkurve ist ein ständiges Anwachsen Fig. 15. Versuch XXI. Zunahme der Atem- exkursionen bei Zusatz von 0,0005 Suprarenin Höchst zum venösen Blute. der Atemgrösse zu beobachten, die zu Anfang 19,5 mm, am Ende dagegen 39 mm beträgt, eine Erscheinung, die offenbar auf einen allmählich nachlassenden Bronchialtonus hinweist. Ähnliehe Beobachtungen wurden in vielen Versuchen gemacht. Analog dem Tonus der Gefässe liess auch der der Bronchien all- mählich nach. Da nun bekanntlich Adrenalin die Bronchialmuskulatur erschlafft, lag es nahe, es als Reagens auf vorhandene Kontraktion der Bronchien Beobachtungen an der überlebenden Säugetierlunge. .1. 5925 zu benutzen. Dabei erhielt ich meistens eine geringe Zunahme der Atemexkursionen. In einem Versuche jedoch ergab sich eine !so gewaltige Zunahme der Atmung, dass ich ihn hier besonders anführe. Versuch XXI. Kleine Katze von 1800 g Gewicht; um °/ı1ll bh Gross- und Klein- hirn zu anderen Zwecken entfernt. Von 3/11 h ab künstlich geatmet. nn III N n Fig. 16. Versuch XXI. Seit Fig. 15 sind 20’ verflossen. Die Atemgrösse ist über das 1'/2fache der Norm angestiegen. Um 12h werden die Lungen in den Plethysmographen gebracht. Gute Durchblutung bei 23 mm Hg arteriellem und 0 venösem Druck. Um 12h 39’ Druckwerte: 27 mm Hg arteriell, + 10 mm venös. Dabei ebenfalls gute Durchströmung. Es wird mit 140 cem un- verdünntem Blut durchspült. 5236 G. Modrakowski: Beobachtungen an der überleb. Säugetierlunge. I. Um 1h 9’ Zusatz von 0,0005 g Suprarenin zum venösen Blute. Auf Fig. 15 ist das Fallen der Durchblutungskurve als Ausdruck der Gefässverengerung und das ganz ausserordentliche Ansteigen der Atem- exkursionen zu sehen. Sie betrugen anfangs 45 mm — 9 cem Luft und stiegen dann (Fig. 16) bis auf 115 mm = 23 ccm Luft. Dieser gewaltige Atem blieb bis zum Schluss des Versuches um 2 h bestehen. Auf die Gefässwirkung des Suprarenins gehe ich nicht weiter ein, da meine diesbezüglichen Untersuchungen nicht zum Abschluss gekommen sind. Nur möchte ich bemerken, dass ich mit Suprarenin — Höchst mit Dosen von 0,06—0,3 mg auf 100 eem Durchströmungs- flüssiekeit in manchen Fällen Verengerung, in anderen starke Er- weiterung der Gefässe an der überlebenden Katzenlunge erhalten habe. Als Resultate der vorliegenden Untersuchungen sind hervorzuheben: 1. In der mit defibriniertem artgleichem un- verdünntem Blute durcehströmten überlebenden Katzenlunge besteht ein allmählich nachlassender Tonus der Gefässe. 2. Die Durchströmungsgeschwindigkeit kann bei Druckwerten, wie sie etwa dem Durchschnitt am nor- malen Tierentsprechen, bei einem Gefällevon 20 mm Hg bis zu 272 cem Blut in 1 Minute betragen. 3 Es besteht auch ein allmählich nachlassender Bronchialtonus, wie diespontane oder dureh Suprarenin bewirkte Erhöhung der Atemexkursionen bei gleich- bleibender künstlicher Atmung beweist. 527 (Aus dem pharmakologischen Institut der Reichsuniversität Utrecht.) Beobachtungen an der überlebenden Säugetierlunge. II. Mitteilung. Über die experimentelle Erzeugung von Lungenödem. Von Georg Modrakowski. (Mit 14 Textfiguren.) Wie über viele physiologische und pharmakologische Fragen, so vermag uns das Studium der isolierten Organe auch über patho- logische Probleme Auskunft zu geben, insbesondere, soweit es sich um veränderte Zirkulationsbedingungen, wie verschiedener Durch- blutungsdruck, Stauung usw., handelt. Von diesen Gesichtspunkten aus lag es nahe, die Bedingungen der Entstehung von Lungenödem am isolierten Organ zu unter- suchen, da hierbei durch Ausschaltung des Herzens das Problem sich einfacher und leichter übersehbar gestaltet. Die Arbeiten von Magnus, Sorgdrager und Storm van Leeuwen!) sowie meine?) Mitteilung haben gezeigt, dass mit dem Brodie’schen Apparate durchströmte isolierte Katzenlungen viele Stunden in ausgezeichnetem Zustande erhalten werden können. Die in den angeführten Arbeiten beschriebene Anordnung des Apparates gestattet, die Lunge unter einem beliebigen ablesbaren Drucke zu durchbluten und dem Abfluss des Lungenblutes einen grösseren oder geringeren, ebenfalls in Millimeter Hg ablesbaren Widerstand ent- gegenzusetzen. Wie ersichtlich, sind das die beiden Momente, die 1) Magnus, Sorgdrager und Storm van Leeuwen, Über die Un- durchgängigkeit der Lunge für Ammoniak. Arch. f. d. ges. Physiol. Bd. 155 S. 275. 1914. 2) Modrakowski, Beobachtungen an der überlebenden Säugetierlunge. I. Mitt. Pflüger’s Arch. Bd. 158 S. 509. 1914. 528 Georg Modrakowski: von Welch!) in seiner unter Cohnheim’s Leitung ausgeführten Arbeit für die Entstehung des Lungenödems herangezogen werden: erschwerter Blutabfluss aus der Lunge infolge Erlahmen des linken Ventrikels bei hohem Druck in der Pulmonalarterie, der durch den rechten Ventrikel unterhalten wird. RP Nachdem schon Friedländer?) durch Unterbindung der Aorta ascendens — also durch extremste Erschwerung des Blutabflusses aus den Lungen — Ödem erzeugt hatte, erreichte Welch das ebenfalls mit Regelmässigkeit beim Kaninchen durch Unterbindung des Aortenbogens zwischen Tr. anonymus und linker Subelavia sowie von zwei Ästen des Tr. anonymus. Liess er mehr als ein Abfluss- rohr aus der Aorta offen, so trat Lungenödem nicht mit Sicherheit ein. An Hunden war die Erzeugung von Lungenödem noch schwieriger; hier trat es selbst bei Unterbindung von allen Aortenästen mit Aus- nahme der A. vertebralis nicht konstant ein. In seinem positiven Ver- such 3 erhob sich nach dieser Unterbindung der Druck in den Lungen- arterien für 5 Minuten von 13 auf 60 mm He, um dann allmählich abzusinken. Hierbei kam es zu Lungenödem. War der rechte Ven- trikel dagegen zu schwach, um einen so hohen Druck zu erzeugen — betrug er z. B. wie in Versuch 4 nur 35 mm Hg —, so trat kein Lungenödem ein. An. Kaninchen erhielt Welch konstant Lungenödem durch Quetschung des linken Ventrikels, so dass dieser seine Tätigkeit einstellte, während der rechte Ventrikel noch weiter arbeitete. Welch fand ferner an Kaninchen, dass, wenn man von den Lungenvenen aus Ödem erzeugen will, man alle Venen, mit Aus- nahme eines „Astes zweiter Ordnung“, unterbinden muss. Lässt man einen grösseren Abflussweg offen, so steigt der Druck in der Pulmonalarterie nicht hoch genug an. Hebt man dagegen den Blut- abfluss aus der Lunge ganz auf, so kommt es nicht zu Ödem, sondern zu vollständiger hämorrhagischer Infarzierung. L. Mayer?) bestätigte und erweiterte die Resultate von Welch, indem er zeigte, dass man unter Umständen beim Kaninchen Lungen- 1) Welch, Zur Pathologie des Lungenödems. Virchow’s Arch. Bd. 72 S. 375. 1878. 2) C.Friedländer, Untersuchungen über die Lungenentzündung. Berlin 1873. 8) S. Mayer, Bemerkungen zur experimentellen Pathologie des Lungen- ödems. Sitzungsber. d. Wiener Akad. d. Wissensch., mathem.-naturw. Klasse Bd. 77—78 Abt. 3 8.262. 1878. Beobachtungen an der überlebenden Säugetierlunge. II. 529 ödem erzeugen kann, auch wenn die Aorta nicht unterbunden ist, sondern nur der Tr. anonymus und die Arteria subelavia. Waren nämlich die Tiere nicht euraresiert, so verfielen sie in heftige Krämpfe, und es trat sehr starkes Lungenödem ein. Dagegen blieb es bei euraresierten Tieren aus, ebenso, wenn nicht euraresierten Kaninchen vorher der Bauch geöffnet und durch das Zwerchfell ein doppel- seitiger Pneumothorax erzeugt wurde, was der Autor durch das Fehlen der akzessorischen, das Blut in das rechte Herz treibenden Kräfte erklärt, das sind Saugkraft des Thorax und Kontraktion der Bauchmuskeln. Sahli!) konnte an Hunden durch Verschluss des gesamten Aortenkreislaufes mit Ausnahme der Coronararterien den Druck im Lungenkreislauf nur ganz unbedeutend steigern. Es gelang ihm auch nicht, den linken Ventrikel des Hundeherzens durch Quetschen isoliert zu lähmen. Weder auf die eine noch auf die andere Weise konnte er Lungenödem erzeugen; dagegen konnte er durch Kom- pression des linken Vorhofes Lungenödem hervorrufen, jedoch nicht konstant. Das gelang ihm aber immer, wenn er unter den obigen Bedingungen noch NaCl-Lösung injizierte. Der Ausfall seiner Versuche veranlasste Sahli zu dem Schluss- satze, dass Lungenödem (beim Menschen) niemals nach der Theorie von Welch zustande kommt. Allerdings gibt er zu, dass es ein, wenn auch seltenes und wohl nur bei Herzaffektionen vorkommendes Stauungsödem gibt, welches unter bestimmten Verhältnissen durch Regurgitation des Blutes vom linken Ventrikel her zustande kommt. Auf die Arbeiten der Basch’schen Schule, die das Lungenödem als Folge der durch „Lungesschwellung“ und „Lungenstarrheit“ be- dingten Blutüberfüllung der Kapillaren deuten wollte, brauche ich, da diese Theorie wohl als erledigt anzusehen ist, nicht weiter ein- zugehen. Löwit?) stellte fest, dass Aortenwurzelsperrung nur dann Er- höhung des Druckes in der Art. pulm. und eventuell Lungenödem hervorruft, wenn ausserdem noch vermehrter Zufluss zum rechten Herzen erfolgt. Da das nicht der Fall zu sein braucht, so ergibt 1) Sahli, Zur Pathologie und Therapie des Lungenödems. Arch. f. exp. Pathol. u. Pharm. Bd. 19 S. 432. 2) Löwit, Über die Entstehung des Lungenödems. fBeitr. z. pathol. Anat. u. z. allg. Pathol. Bd. 14 S. 401. 1893. 530 er Georg Modrakowski: die Abklemmung der Aortenwurzel nicht konstant Lungenödem. Wohl aber erreichte Löwit das immer, wenn .er gleichzeitig durch Injektion von 10—20 cem NaCl-Lösung in die Vena jugularis oder durch Injektion von 1—2 ccm Digitaleinlösung für vermehrten Zu- fluss zum rechten Herzen sorgte. Er schliesst aus seinen Versuchen, dass zum Zustandekommen eines Stauungsödems in der Lunge er- schwerter Abfluss aus der Lunge und vermehrter Zufluss von Blut zur ‚Lunge gleichzeitig vorhanden sein und einige Zeit andauern muss. Damit ist die Reihe der wichtigen älteren Arbeiten über die mechanische Seite der Entstehung des Lungenödems erschöpft. Auf die Arbeiten, die sich mit toxischen und anderen Momenten, die Lungenödem bewirken, befassen, habe ich bei der vorliegenden Be- arbeitung des Themas nicht weiter einzugehen. In neuester Zeit ist die Frage des Lungenödems von F. Kraus 1) wieder aufgerollt worden. Der Verfasser machte Kaninchen und Katzen durch. Injektion grosser Quantitäten physiologischer Kochsalz- lösung. in Mengen, die die Blutmenge der Versuchstiere erreichten und überstiegen, stark plethorisch. Solche Tiere bekommen, wie aus den ;Versuchen von Cohnheim und Lichtheim bekannt, kein Lungenödem. Kraus fand nun, dass, wenn er den vor- behandelten Tieren die .Nervi vagi durchschnitt, zwar nicht ohne weiteres Lungenödem auftrat, wohl aber, wenn er nunmehr noch 50—100 cem Kochsalzlösung in die V. jugularis injizierte. Ebenso erhielt. er regelmässig akutes, sehr profuses Lungenödem, wenn er von vornherein :die Vagi durchschnitt und dann erst die Kochsalz- infusion. vornahm.. ‘Die Frage der Entstehung von insel an derisolierten Säugetierlunge ist bisher noch nicht systematisch bearbeitet worden, doch finden sich in den Mitteilungen aller Forscher, die sich mit der Durchblutung der überlebenden Lunge beschäftigt haben, Klagen über das leichte und häufige Entstehen von Ödem (Jakobj, Brodie und Dixon, Jerusalem und Starling, Evans, Evans und Starling). Mit der besseren Durchblutungstechnik, Vervollkommnung der Apparate und vor allem Anwendung von wenig verdünntem defibrinierten Blute desselben Tieres wurde das Auftreten von Lungen- ödem erheblich seltener. Eine interessante Angabe findet sich in l) F. Kraus, Über Lungenödem. I. Mitteilung. Zeitschr. f. exp. Pathol. u. Therap. Bd. 14 S. 402. 1913. Beobachtungen an der überlebenden Säugetierlunge. II. 531 einer Mitteilung von Knowlton und Starling?!), die den Einfluss von Temperatur und Blutdruck auf die Funktion ‘des isolierten Säugetierherzens untersucht. Die Autoren arbeiteten am isolierten Herz-Lungenkreislauf von Katzen mit‘ der bekannten Methode von Starling, bei der das Blut aus dem Herzen durch ein Röhren- system, in dem ein beliebiger‘ Widerstand erzeugt werden kann, in ein venöses Sammelgefäss fliesst und von hier aus zum rechten Herzen zurückgeleitet wird; durch Erhöhung dieses Gefässes kann das Blut unter höherem oder niederem Druck dem rechten Herzen zugeführt ‚werden. Nachdem die Forscher festgestellt haben, dass bei 3—7 mm Hg venösen Druckes das Herz gut arbeitet, sagen sie weiter, dass beim Versagen des Herzens das erste Zeichen eine Erhöhung des venösen Druckes ist. Wird das venöse Gefäss allmählich mehr und mehr gehoben, so wächst der Druck im rechten Ventrikel nicht wesentlich, solange das Herz die grössere zufliessende Blutmenge noch aus- werfen kann. Sobald aber „der Maximumauswurf“ des Herzens er- reicht ist, steigt der venöse Druck rapid, und es tritt dann stets Lungenödem ein. Knowlton und Starling Hähen diese Beobachtungen nicht weiter ausgearbeitet; aber es wäre der Mühe wert, das Ödemproblem mit dieser Methode, mit welcher der Anteil des Herzens bei der Entstehung von Lungenödem gut studiert werden kann, weiter zu untersuchen. | Die Arbeitsmethode an der isolierten Lunge bietet dagegen den Vorteil, die Bedingungen der Ödembildung unabhängig vom Ver- sagen oder Nichtversagen des Herzens kennen zu lernen. Im An- schluss an die dabei gefundenen Resultate wäre dann das Problem weiter in Verbindung mit. der Tätigkeit des Herzens zu erforschen. Ich habe meine Versuche zunächst nur an Katzen angestellt, deren Lungen nach den Erfahrungen ‘des Utrechter Laboratoriums besonders widerstandsfähig sind. Evans?) hatte zwar gefunden, dass Katzen zu leieht Lungenödem entwickeln und darum seine Untersuchungen über den Gaswechsel von Herz und Lungen an 1) Knowlton and Starling, The influence of variations in temperature and Blood-pressure on the performance of the isolated Mammalian heart. Journ. of Physiol. vol. 44 p. 207. Bm 2) Evans, The gaseous Metabolism of the heart and lungs. Journ. of Physiol. vol. 45 p. 213. Nee St ; Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd. 158, ah) Ha SER: Georg Modrakowski: Hunden vorgenommen, doch dürfte es sich dabei wohl nur um tech- nische Unzuträslichkeiten gehandelt haben, denn ich machte bei meinen Versuchen sehr bald die Erfahrung, dass die Schwierigkeit nicht im Vermeiden, sondern im Erzeugen von Lungenödem bestand. Die Operation und Präparierung der Lungen erfolste in der- selben Weise, wie in meiner vorhergehenden Mitteilung beschrieben. Doch wurden die ersten 30 Versuche mit verdünntem defibrinierten: Katzenblute, etwa ein Viertel bis ein Drittel physiologische Koch- salzlösung auf drei Viertel bis zwei Drittel Blut, gemacht; dann folgten etwa zehn Versuche mit unverdünntem defibrinierten Blute,. wobei jedoch zur Verbindung mit den Gefässkanülen einige Kubik- zentimeter Kochsalzlösung verwendet wurden. Dazu kommen noch zehn weitere. Versuche, wobei auch diese Verbindungen mit defibriniertem Blute hergestellt wurden. Nur bei letzteren Versuchen wurde-das. Versuchstier, wie in meiner zitierten Arbeit ausgeführt, mit, defibri- niertem Blute durchspült. i ER er Die Druckwerte, bei denen Lungenödem aufkrader waren Der ver- dünntem Blute (aber nicht mehr als ein Drittel der Blutmenge Koch- salzlösung) im ganzen dieselben. In einigen Versuchen wurde die Dürchströrhungapeschwindielesn. in gleicher Weise wie in meiner ersten Mitteilung bestimmt; die betreffenden Zahlen finden sich in den Protokollen angegeben. Um über den Blutgehalt der gestauten Lungen ein Urteil zu gewinnen, wurden sie in einer Reihe von Versuchen am Schluss des Experimentes gewogen, teils nachdem vorher bei dem betreffenden hohen Druckwerte die Lungengefässe unterbunden waren, teils bei 0 mm Druck. Um Vergleichszahlen zu haben, wurde eine Anzahl note Katzenlungen gewogen. Dabei ergab sich, dass die Lunge mit dem nach dem Tode vorhandenen Blutgehalte bei Katzen von 3—8!/2 kg im Durchschnitt 22 g wog, bei Katzen von 2—2!/e kg 17 g, bei kleineren Katzen nur etwa 12 g. -Allerdings handelte es sich um Tiere, die infolge experimenteller Eingriffe viel Blut verloren hatten. Aus Cloetta’s!) Zahlen des Gewichtes und Blutgehaltes von Katzenlungen ergibt sich, dass die Lungen ohne Blut bei Gewicht der Tiere von 2950—3500 g 22—31 g wogen. 1) M.Cloetta, Eine neue Methodik zur Untersuchung der Lungenzirkulation. Arch. f. exp. Pathol. u. Pharm. Bd. 63 S. 147. Beobachtungen an der überlebenden Säugetierlunge. II. 533 Um ein sicheres und eindeutiges Kriterium zu haben, werden in meinen Versuchen nur die Fälle als Ödem bezeichnet, bei denen das Transsudat in der Trachea sichtbar wurde oder bei leichtem Druck auf die Lunge ausfloss. Solche Lungen liessen sich stets ıaximal aufblasen, kollabierten aber nur unvollständig. Die Versuche wurden nach folgender Fragestellung vorgenommen; 1. Macht arterieller Hochdruck bei ungehindertem Abfluss des Blutes Lungenödem ? 2. Macht Erhöhung des venösen Abflussdruckes bei konstantem oder steigendem arteriellen Finlaufsdrucke Lungenödem und bei welchen Druckwerten ? Dabei wurde besonders Wert auf eine akute Erzeusung von Lungenödem gelest und darum im allgemeinen die Einwirkung der verschiedenen abnormal hohen Druckwerte nicht länger als°5 Minuten beibehalten. Ob dabei mehr oder weniger ausgiebig oder auch gar nicht geatmet wurde, machte keinen wesentlichen Unterschied in bezug auf das Erscheinen des Ödems. I. Versuche mit Erhöhung des Druckes in der _ Art. pulmon. bei ungehindertem venösen Abflusse. Versuch XXXV. In diesem Versuche wurde die Durchströmungsgeschwindigkeit in derselben Weise wie in meiner ersten Mitteilung aus dem Produkte von Schlagvolumen und Pulszahl der Pumpe bestimmt. Die Pumpe machte während der ganzen Versuchsdauer 96 Pulse in der Minute; 3,2 mm Ausschlag auf der Durchblutungskurve entspricht 1 ccm Blut. 48 künstliche Atemzüge in der Minute; auf den Atemkurven zeigen je5 mm 1 ccm Luft an. Die die unteren Spitzen der Atemexkursionen auf Fig. 1 ver- bindende Linie wird als Nullinie des exspiratorischen Lungenvolumens angenommen. Erhebungen darüber oder darunter dürfen im allgemeinen auf einen grösseren oder geringeren Blutgehalt der Lunge bezogen werden. Sie werden im folgenden als Erhebungen oder Senkungen über die Nullinie angeführt. : Katze von 1800 g, mit defibriniertem Katzenblute durchspült; Durchströmung der isolierten Lunge mit reinem Blute, das im Versuche vorher (XXXIV), bei dem Lungenödem auftrat, verwendet war. Es ist darum etwas dickflüssiger als frisches Blut. Lunge im Plethysmographen. Beginn der Durchblutung um 75h. Die einmal eingestellte künstliche Atmung wird während des ganzen Versuches nicht geändert. Die Tem- peratur des durchströmenden Blutes beträgt 35° C. Die Lunge wird etwa 1 Stunde lang bei einem arteriellen Druck von 24 mm Hg und einem venösen von — 4 mm, also mit einem Gefälle von 28 mm, 35* 534 Georg Modrakowski: durchströmt. Um 7h 40’ (Fig. 1) Atemexkursionen 48 mm — 9,6 cem Luft, exspiratorisches Lungenvolumen Nullinie, Höhe der Pumpenpulse 1,9 mm, woraus sich eine Durchströmungsgeschwindigkeit von 57 ccm in 1 Minute ergibt. Alle Kurven sind auf die Hälfte verkleinert und von links nach rechts zu lesen. Die obere Kurve registriert auf allen Figuren die Volumenänderungen der künstlich geatmeten Lunge, die untere die Durchblutung. Zeitschreibung in Sekunden. Als Nullinie des exspiratorischen Lungenvolumens wird die Verbindungs- linie der unteren Spitzen der Lungenkurve angenommen. Schwankungen darüber oder darunter werden in den folgenden Abbildungen dieses Versuches auf die angenommene Nullinie bezogen und in Millimeterabstand von ihr angegeben. 5 mm der Atemkurve entsprechen 1 ccm Luft. 3,2 mm der Durchblutungskurve 1 cem Blut. Während des ganzen Versuches je 48 Atemzüge und 96 Pumpen- pulse in 1 Minute. 1 llhlullı M I Fig. 1. Versuch XXXV. 7h 40’. Auf der Figur beträgt die Höhe der einzelnen Atemzüge je 48 mm — 9,6 ccm Luft, die Höhe der Pumpenpulse je 1,9 mm. Daraus be- rechnet sich die Durchströmungsgeschwindigkeit auf 57 cem in 1’. Arterieller Druck 24 mm Hg, venöser — 4 mm. ; Gefälle 23 mm He. # Auf Fig. 2 ist das exspiratorische Lungenniveau, ohne dass eine Änderung im Durchblutungsdruck erfolgt war, auf 12 mm unter die Nullinie herabgesunken, der Atem dagegen auf 66 mm — 13,2 ccm Druckwerte 24 mm arteriell, Beobachtungen an der überlebenden Säugetierlunge. II. Zu Anfang — links — — 4 mm venös, exspira- torisches Lungenniveau 12 mm unter der Nullinie von Fig. 1. Atemgrösse 66 mm —= 13,2 ccın Luft. Druck an der Stelle der ersten Erhebung auf 35 mm arteriell, —4 mm venös, an der zweiten stärksten Erhebung der Atemkurve auf 55 mm Hg arteriell und 0 mm venös eingestellt. Am rechten Ende Lungenniveau auf 24 mm über die Nullinie angestiegen, Pumpenpulse auf 7,7 mm vergrössert. Durchblutungsgeschwindigkeit 231 cem in " bei einem Gefälle von 55 mm Hg. Die Schwankungen der Durchblutungskurve in der rechten Hälfte der Abbil- dung sind durch Regulierung der Pumpenschraube bedingt. Fig. 2. Versuch XXXV. 8h 7’, Luft?!) angewachsen. Um Sh : 535 Fig. 3... Versuch XXXV. 85h 12!. Arterieller Druck 75 mm Hg, venöser +6 mm. Exspiratorisches Lungen- niveau 50 mm über der 2 Nullinie. Atem- grösse etwa 50 mm 10 cem Luft. Pumpenpulse 11 mm Eisen: Durch- strömurgsgeschwindigkeit 330 cem. 7' wird der arterielle Druck auf 35 mm Hg erhöht, so dass das Gefälle bei gleichem venösen Druck (von — 4 mm Hg) 1) Da die Atemgrösse von selbst, ohne jede Änderung am Atemapparat, zunimmt, muss das auf eine Abnahme des Tonus der Bronchialmuskeln bezogen werden; vgl. meine erste Mitteilung. 936 Georg Modrakowski: von 28 auf 39 mm ansteigt. Nun erhebt sich das Lungenniveau wieder auf die Nullinie; die Pumpenpulse betragen 3,7 mm, woraus sich eine Durchströmungsgeschwindigkeit von 111 ccm ergibt. Nach etwa 2 Minuten wird der arterielle Druck auf 55 mm Hg, der venöse auf 0 eingestellt. Dabei muss die Pumpe auf Pulsationen mem. Fig. 4 Versuch XXXV. 8h 17’. Von links nach rechts erst bei a Erhöhung des venösen Druckes auf + 2% mm bei dem vorigen arteriellen Drucke von 75 mm, Ansteigen des Lungenvolumens. Dann stufenweise Herabgehen des Druckes bei 5 auf 55 mm arteriell, + 4 mm venös, bei c auf 45 mm arteriell + 2 mm venös und schliess- lich bei d auf 25 mm arteriell — 2 mm venös. In derselben Reihenfolge Abnahme des Lungenvolumens; am rechten Ende der Figur exspiratorisches Lungenniveau 21 mm über der Nullinie. Atem- grösse 9l mm —= 10,2 cem Luft. Zunehmende Verkleinerung der Pumpenpülse durch Verstellung der das Schlagvolumen regulierenden Schraube. Dadurch sind die unregelmässigen Schwankungen der Durchblutungskurve bedingt. Beobachtungen an der überlelenden Säugetierlunge. 1. 537 von 7,7 mm Höhe reguliert werden, was einer Durchströmungs- geschwindigkeit von 231 cem in 1 Minute entspricht, Das Lungen- volumen .erhebt sich auf 24 mm über die Nullinie; die Atemexkursionen sinken auf 48 mm = 9,6 ccm Luft. Um 8h 12’ wird der arterielle Druck auf 75 mm Hg gesteigert; der venöse Druck muss auf + 6 erhöht werden, da die Pumpe die grossen zufliessenden Blutmengen nicht bewältigen kann. Wir sehen auf Fig. 3 die grossen Pumpenausschläge von 11mm Höhe, die einer Durchströmungs- geschwindigkeit von 330 ccm pro 1 Mi- nute bei einem Gefälle von 69 mm Hg entsprechen, Die Lungenkurve befindet sich jetzt 50 mm über der Nullinie:; die Atemgrösse beträgt 50 mm = 10 ccm Luft. Da die Pumpe ein so grosses Strömungsvolumen auf die Dauer nicht fördern konnte, musste behufs Ver- kleinerung des Schlagvolumens der venöse Druck auf + 22 mm Hg er- höht werden, was weitere Zunahme des Lungervolumens zur Folge hatte. Um 8h 17’ wurde der Druck ab- satzweise auf 65 mm arteriell + 4 mm venös, 45 mm und + 2 mm, dann auf 25 mm — 2 mm erniedrigt, was sehr schön im Abfall des Lungenvolumens und in der Zunahme der Atemgrösse auf Fig. 4 zum Ausdruck kommt. Die Pumpenresistrierung zeigt dabei infolge der notwendigen Regulierung unregel- mässige Schwankungen. Auf Fig. 5 sehen wir das Lungenvolumen auf 2 mm über die Nullinie und dann sogar 5 mm darunter abfallen, was der zu Anfang des Versuches eingestellten Norm un- gefähr entspricht. Die Atemgrösse ist mit 66 mm = 13,2 cem Luft wieder Fig.5. Versuch XXXV. Sh 23’, gleich der auf Fig. 2 beobachteten TS DEIN Pi 1DKS mm uber, rechts mm 2 unnz: unter der Nullinie. Arterieller Diet ah A h Druck 21mm Hg, venöser —4 mm. le Lunge Ist ın ıhrem Aussehen Atemgrösse links 58 mm, rechts gar nicht verändert. Der Versuch zeigt, 66 mm — 13,2 cem Luft, wie zu Anfang von Fig. 2. welch hohen Durchblutungsdruck die normale Katzenlunge aushalten kann (bis 75 mm arteneller Druck), ohne dass Ödem oder sonst eine Schädigung des Organs resultiert, vorausgesetzt dass das Blut ungehindert abfliessen kann. Eine Reihe ähnlicher Versuche mit unverdünntem oder ver- dünntem Blute fielen ganz in gleichem Sinne aus. Nur wiesen die 538 a Georg Modrakowski’ mit verdünntem Blute durchspülten Lungen zahllose Eechymosen auf, was bei unverdünntem Blute nicht der Fall war. In dem angeführten Versuche wurde nachher durch Änderung der Versuchsbedingungen Ödem erzeugt; ich führe daher das Protokoll über das Aussehen der Lunge einer kleinen Katze von 1?/ı kg Ge- wicht nach hohen arteriellen Drucksteigerungen von Versuch XVI an. Die Lunge war mit einer Mischung von 150 ccm defibrinierten Blutes und 50 ccm physiologischer Kochsalzlösung etwa 1!/a Stunde durchspült worden; dabei war der arterielle Druck bis auf 75 mm Hg gesteigert worden. Die Lunge liess sich vollkommen aufblasen und fiel danach wieder ganz zusammen. Sie zeigte kein Odem und keinerlei Hepatisation, nur zahllose Eechymosen. Die Lungengefässe wurden im Momente des höchsten Druckes unterbunden und dann das blut- gefüllte Organ gewogen; das Gewicht war 53 g. Die Versuche mit arterieller Drucksteigerung zeigten ausnahmslos, dass gesunde Katzenlungen selbst durch exorbitant hohe Drucksteigerungen, wie sieim Leben niemals vorkommen dürften, nicht ödematös werden. Es wurde dabei manchmal Zerreissung des Lungen- sewebes mit Blutentleerung beobachtet, aber kein Ödem. II. Versuche mit Erschwerung des Blutabflusses aus der Lunge durch Erhöhung des Druckes in der Vena pulmonalis. Diese Versuche wurden auf zweierlei Art vorgenommen, ohne dass die Resultate sich voneinander unterschieden. Einmal wurde durch Aufstellung des Lungenplethysmogsraphen mit samt den Manometern auf einem vertikal verstellbaren Tisch eine ausgiebige Steigerung von arteriellem und venösem Druck zugleich ermöglicht. Dabei blieb also das Druckgefälle dasselbe. War z.B. anfangs ein arterieller Druck von. 20 mm Hg und ein venöser von 0 mm eingestellt, so konnten die Drucke gleichzeitig auf 30 mm arteriell und 10 mm venös oder 60 mm arteriell und 40 mm venös durch einfaches Drehen der die Tischhöhe regulierenden Schraube gebracht werden. Wollte man das Druckgefälle verkleinern, so wurde durch ent- sprechende Einstellung des mit der Druckpumpe verbundenen Queck- silberventils {) der arterielle Druck erniedrigt. Bei diesem Verfahren 1) Siehe Fig. 1 4 der vorigen Mitteilung S. 510. Beobachtungen an der überlebenden Säugetierlunge. II. 999 der Erhöhung des venösen Druckes wurde das venöse Ausflussrohr ‚also nicht verengert. Die zweite Methode bestand einfach starkem Zuziehen einer Schraubenklemme, venösen Quecksilbermanometer und dem venösen Sammelgefässe befand. Die Resul- tate waren bei beiden Methoden die- selben. Ich machte zunächst eine Anzahl von Versuchen, in denen ich bei mässigem arteriellen Drucke den venösen mehr und mehr ansteigen liess, so dass der Druck- unterschied sehr gering wurde oder auch ganz aufhörte. Dabei erhielt ich bei arteriellen Drucken unter 355 mm Hg nie- mals Ödem. Ja, selbst bei Erhöhung des venösen Druckes über den arteriellen hin- aus, so dass also die Durchströmung in um- gekehrter Richtung erfolgt (vgl. nächstes Protokoll), entsteht, wenn der Druck nicht hoch ist, kein Ödem. Versuch XV. Eine kleine Katze wurde von 9h 30’ bis 11h 30’ nach der Dezerebration bei künstlicher Atmung zu Reflexversuchen ver- wandt. Danach wurde die Lunge in be- kannter Weise zur Durchströmung in den Plethysmographen gebracht. Von 12h 40’ bis 12h 46’ wurde die Lunge mit einem arteriellen Drucke von 21 bis 27” mm Hg und einem venösen von — 2 mm bis +6 mm durchströmt. Dabei waren Atmung und Durch- fluss gut. Dann wurde durch Umschaltung der Schlauchverbindung der Blutstrom in umgekehrter Richtung durch die Lunge ge- leitet mit einem venösen Drucke von + 27 mm und einem arteriellen von + 3 mm. Nach 6 Minuten wurde wieder der normale Blut- strom hergestellt. Schädigung auf. in mehr oder weniger die sich zwischen dem Fig. 6. Gute Atmung und Durch- Versuch XVIl. blutung bei arteriellem Druck von 27 mm und venösem von +3 mm Hg bei einer Katzenlunge, die vorher 6' lang in um- gekehrter Richtung bei +27 mm ‘venösem und +3 mm arteriellem Druck durchspült worden war. Die Lunge wies danach weder Ödem noch sonstige Fig. 6 zeigt um 1h 17’ bei arteriellem Druck von 21 mm und einem venösen von + 6 mm eine sehr reichliche Durch- strömung und eine gute Atemkurve. 540 Georg Modrakowski: Versuch XXVIL. Katze von 1720 g Gewicht. Tier mit defibriniertem Blute durch- spült; Bestimmung der Durchströmungsgesehwindigkeit, 96 Pumpenpulse in der Minute. 3,2 mm Ausschlag auf der Durchströmungskurve ent- sprechen 1 ccm Blut. Um 25h 19’ wird die Lunge in den Plethysmo- graphen gebracht und irrtümlich die Pulmonalvene mit dem Zufluss- rohr, die Arterie mit dem Abflussrohr verbunden. Infolgedessen wird die Lunge von 2h 19’ bis 2h 34’ in umgekehrter Richtung durch- strömt mit einem Druck von 20 mm in der Pulmonalvene und von + 3 mm in der Arterie, also Gefälle von 17 mm. Dabei betrug die Durch- ' ul ii ; Air a Ay, Eee un ERSRERER BE: so hy a" Fig. 7. Versuch XXVII. 35 10’. Kleiner Atem, aber gute Durchblutung einer in umgekehrter Rich- tung durchströmten Lunge. Bei Druckwerten von 20 mm He in der Pulmonalvene und +3 mm in der Arterie beträgt die Durchströmungsgeschwindig- keit 105 cem in 1. strömungsgeschwindigkeit 105 cem pro 1 Minute. Man sieht auf Fig. 7 eine gute Durchflusskurve bei niedriger Atmung, was durch Druck der falsch verbundenen Kanülen auf die Trachea bedingt war. Die 15 Mi- nuten dauernde Durchspülung in umgekehrter Richtung hatte der Lunge nicht im geringsten geschadet, so dass der Versuch erfolgreich weiter- geführt werden konnte. Auf Fig. 8 sehen wir, wie zu en bei einem arteriellen Drucke von 30 mm Hg und einem venösen von + 2 mm, die Volumenkurve der Lunge auf der Nullinie; dabei beträgt die Durchströmungs- geschwindigkeit 120 ccm pro 1 Minute. Erhöhung des venösen Druckes auf + 13 mm bewirkt Ansteigen des Lungenvolumens um 10—15 mm Beobachtungen an der überlebenden Säugetierlunge. II. 541 ohne wesentliche Änderung der Atmung. Auf der Figur sind die bei der Regulation des Pumpenauswurfes auftretenden Schwankungen zu sehen. Bei einer Durchströmungsgeschwindigkeit von 105 ccm pro 1 Minute, also derselben Zahl wie vorher bei Durchblutung in um- gekehrter Richtung, verläuft die Durchflusskurve wieder in gerader Linie. Auf Fig. 9 ist der arterielle Druck wie bisher 30 mm Hs, der venöse auf + 16 mm gesteigert, ohne dass eine Änderung in der A Pe WILL VI VL ÄREN f | Fig. Ss. Versuch XXVII. 55 40’. Zu Anfang der Kurve — links — exspiratorisches Lungenniveau auf der Nullinie. Arterieller Druck 30 mm Hg, venöser + 2 mm. Gefälle 23 mm. Durchströmungsgeschwindigkeit 120 ccm in 1’. Erhöhung des venösen Druckes auf + 13 mm bei gleichbleibendem arteriellen, so dass das Gefälle 17 mm beträgt. Das exspiratorische Lungen- volumen verläuft dann zwischen 15 mm und 10 mm über der Nullinie. Die Schwankungen der Durchblutungskurve sind durch Regulierung der Pumpenschraube bewirkt. Durchströmungsge- schwindigkeit 105 ccm in 1’; also dieselbe Zahl wie auf Fig. 7 bei dem gleichen Gefälle in umgekehrter Richtung (von der venösen zur arteriellen Seite). Kurve des Lungenvolumens oder. der Pumpe erfolgte. Weitere Er- höhung des venösen Druckes bis auf + 26 mm, so dass also ein Druckgefälle von nur 4 mm besteht, bewirkt weiteres mässiges An- steigen des Lungenvolumens.. Dabei beträgt die Durchströmungs- geschwindigkeit pro 1 Minute nur 36 ccm. Innerhalb der folgenden 542 Georg Modrakowski: Minuten, in denen der Druck nicht geändert wird, zeigt sich ausser etwas Absinken der Lungenkurve, also Zurückgehen der Stauung, keine Veränderung. Erst bei Erhöhung des arteriellen Druckes auf 50 mm Hg und des venösen auf + 42 mm tritt Lungenödem auf. ii | rn a Han Fig. 9. Versuch XXVIIl. 35 50'. Zu Anfang der Kurve — links — arterieller Druck 30 mm Hg, venöser +16 mm. G>fälle 14 mm. Durchströmungsgeschwindigkeit 105 ccm in 1’. Lungenkurve zunächst 8 mm über der Nullinie von Fig. 8. Steigerung des venösen Druckes auf +26 mm Hg, bei demselben arteriellen Drucke von 30 mm, Ge- fälle also nur 4 mm. Dabei beträgt die Durchströmungsgeschwindig- keit nur 36 ccm in 1’. Das exspiratorische Lungenniveau erhebt sich um 5 mm, also 13 mm über die Nullinie. Im vorhergehenden Abschnitte wurde festgestellt, dass selbst hoch- gradig ‚ste Erschwerung des venösen Abflusses an der ausgeschnittenen Katzenlunge kein Ödem macht, solange der Druck im Gefässsystem der Lunge 35 mm Hg nicht übersteigt. Damit ist eigentlich die Frage, unter welchen Druckbedingungen nun wirklich Lungenödem entsteht, schon nach der Richtung der unteren Grenze hin beant- wortet. Das dürfte ‘aber das Wesentlichste sein. Wie hoch der kritische Druck von 35 mm Hg bei gleichzeitiger venöser Stauung überschritten :werden muss, um in akuter Weise nach wenigen Mi- Beobachtungen an der überlebenden Säugetierlunge. II. 548 nuten einen sichtbaren Ödemerguss in die Bronchien hervorzurufen, hänst natürlich von mannigfachen Umständen, wie vom Alter des Tieres, der Zeitdauer des Versuches, der Art der vorgenommenen Eingriffe, ab, vor allem aber auch davon, ob die Lunge des unter- suchten, Tieres gesund war. Ich führe zunächst zwei Versuche, in denen an gesunden Katzen- lungen Odem erzeugt wurde, an. Versuch XXXII. Die Lunge stammte von einer Katze von 1700 g Gewicht. Das Tier war vorher mit defibriniertem Blute, das schon in Versuch XXXI verwandt war, durchspült. Da auch dieser Versuch Ödem ergeben hatte, so war das Blut infolge der Transsudation dickflüssiger als normal; deshalb wurden auf 180 ccm Blut 30 ccm physiologischer Kochsalzlösung zugesetzt. Trotzdem war die Durchströmungsgeschwindig- keit gering, Das ist der Grund, warum ich diesen und nicht einen der anderen Versuche anführe; denn bei der geringen Durchströmung waren erhebliche Änderungen. in der Grösse der Pumpenausschläge nicht notwendig, so dass die mit der Drucksteigerung verbundene, dem Ausbruch des Ödems vorangehende Blutstauung in der Lunge und das gleichzeitige Absinken der Durchströmung besonders illustrativ zur Geltung kommen (Fig. 10). Beginn des Versuches um 7h 47’, Die Durchströmung kommt erst nach mehrmaligem kurzdauernden Steigern des arteriellen Druckes bis auf 70 mm Hg richtig in Gang. Von 8h 14’ ab beträgt die Durchströmungsgeschwindigkeit bei einem arteriellen Druck von 45 mm Hg und einem venösen von — 4 mm 32 ccm pro 1 Minute; dann wird um 8h 20’ der Druck auf 45 mm Hg arteriell und und + 32 mm venös und gleich darauf weiter auf 67 mm arteriell und 48 mm venös bzw. 68 mm und 54 mm gesteigert, wobei sofort die Lungenkurve hoch austeigt und der Atem kleiner wird, Gleichzeitig sinkt die Durch- blutungskuryve — als Ausdruck der Stauung in der Lunge — rapid nach unten, und in der Trachea wird Ödemflüssigkeit sichtbar. In Versuch XXIII trat Ödem schon bei erheblich niedrigeren Druckwerten auf. Hier handelte es sich um einen langdauernden Ver- such zu anderen Zwecken, in dem auch Adrenalin verwendet wurde, was vielleicht nicht ohne Einfluss auf die Entstehung des Ödems war. Die Lunge stammte von einer mittelgrossen Katze und wurde mit einer Mischung von 120 ccm defibrinierten Blutes und 15 cem physio- logischer Kochsalzlösung durchspült. Beginn des Versuches um 3h 8’; um 4h 6’ und 4h 10’ Zusatz von je 0,2 ecm einer Suprareninlösung (Höchst, 1: 1000). Um 55h 5’ bei einem arteriellen Drucke von 40 mm und einem venösen von 0 ziemlich gute Durchströmung. Sehr grosse Atemzüge nach Adrenalin. Um 55h 10’ wird der venöse Druck auf 30 mm ge- steigert. Sofort erfolgt starke Stauung in der Lunge, Verkleinerung HA4E se Georg Modrakowski: - des -Atems,: die durch das unmittelbar einsetzende Lungenödem be-- dinst ist‘ Der steile Abfall der Durchströmungskurve. wird. durch Verkleinerung. des .Pumpenschlagvolumens ausgeglichen (Fig. 11). Sn Fig. 10. Versuch XXVII. Zu Beginn der Kurve — linke Seite — bei arteriellem Druck von 45 mm Hg und venösem von 32 mm Gleichgewicht zwischen In- und Abfluss; daher Durchblutungskurve geradlinig. Dann Erhöhung auf Druck- werte: 67 mm arteriell und +48 mm venös. Abfall der Durchblutungskurve als Ausdruck der Blutstauung in die Lunge; aus demselben Grunde hochgradiges Ansteigen der Lungen- kurve; Verkleinerung des Atems. Lungenödem. In den beiden angeführten Versuchen war das Durchströmungs- blut mit kleinen Mengen physiologischer Kochsalzlösung vermischt. Beobachtungen an der überlebenden Säugetierlunge. II. 545 Versuche mit ganz unverdünntem Katzenblute fielen in derselben Weise aus. Zur Illustrierung führe ich auf Fig. 12 noch den Kurven- teil während des Odemausbruches bei einem solehen Versuche an. Hakan ill Hin N UNTUN NUN] INISIRSU NIM | rn lm Im { | | hi IRBRIMN | A INN.) UNININNIN I Ill I} K IK1F I} { le BEE | Fig. 11. Versuch XXIII. Grosse Atemexkursionen nach Adrenalin. Arterieller Druck 40 mm Hg, venöser 0 mm. Druckgefälle 40 mm. Durchblutungskurve gleichmässig. Durch Erhöhung des venösen Druckes auf +30 mm Hg sinkt das Gefälle auf 10 mm. Sofort steiler Abfall der Durchblutungskurve, dem aber durch Regulierung der Pumpe entgegengearbeitet wird; daher die Schwankungen. Starker Anstieg des Lungenvolumens, ausgesprochene Ver- kleinerung des Atems, bedingt durch Lungenödem. 546 Georg Modrakowski: & FERN ana Fig. 12. Versuch XXVII. Durchströmung mit reinem defi- brinierten Katzenblute.e Zu Anfang gleichmässige Kurve des Lungenvolumens und der Atmung bei 5l mm Hg arteriellem und 0 mm venösem Drucke, also Gefälle von 5l mm, Dann ‚ wird der venöse Druck plötzlich auf + 36 mm Hg gesteigert; als unmittelbare Folge Abfall der Durchblutungskurve, der jedoch durch Regulierung der Pumpe ausgeglichen wird; steiles Ansteigen der Lungenkurve mit Verkleinerung der Atmung. Lungenödem. Nunmehr sofortige Aufhebung des hohen venösen Druckes. Wiedereinstellung auf 51 mm arteriellem und 0 mm Hg venösem Druck. Infolge des freien Blut- abflusses sinkt das Lungenvolumen, kehrt jedoch nicht mehr — wie auf Fig. 4 und 5 — zur Norm zurück; die Atem- exkursionen bleiben klein. Versuch XXVII. Katze von 3050 g Gewicht, Da dieser Versuch auch zur Be- stimmung der Durchströmungsgeschwindigkeit diente, wurde das Tier Beobachtungen an der überlebenden Säugetierlunge. II. 547. mit defibriniertem Katzenblute durchspült. Nachdem die Lunge in den Plethysmographen gebracht war, wird um 5h 28’ mit der Durch- strömung mit frischem, unverdünntem Katzenblute begonnen. Bis 65 50’ werden bei arteriellen Druckwerten von 16 mm bis zu 5l mm Hg — ohne venöse Stauung — Bestimmungen der Durch- strömungsgeschw indigkeit vorgenommen, _ Auf Fig. 12 sehen wir die Kurve des Lungenvolumens und der Durchblutung zunächst bei 51 arteriellem und‘ 0 mm Hg venösem Drucke. Dann .wird plötzlich der venöse Druck auf + 36 mm ge- steigert, so dass also das Gefälle von 51 auf 16 mm absinkt. Sofort steigt die Kurve des Lungenvolumens unter starker Verkleinerung der Atemgrösse steil nach oben, und Ödem bricht aus. Nach etwa 1 Minute wird die Erschwerung des venösen Abflusses wieder behoben, und der frühere Druck von 51 mm arteriell und 0 mm Hg venös wiederher- gestellt. Da es aber inzwischen zu Lungenödem gekommen ist, so kehrt weder das exspiratorische Lungenvolumen noch die Atemgrösse auf die anfängliche Norm zurück — im Gegensatz zu Versuch XXXV, in welchem es bei dem hohem arteriellen Drucke von 75 mm Hg, aber ohne venöse Stauung, weder zu Ödem noch zu einer sonstigen Schädigung der Lunge gekommen war (sel. Fig. 4 und 5). Einen Überblick über die Druckwerte, die in den ee Versuchen Ödem ergaben, bringt die auf S. 548 folgende Tabelle. Es handelte sich um Tiere von 1700—3050 g Gewicht. Das Lungen- ödem trat gewöhnlich im unmittelbaren ‚Anschluss an die angeführten Druckwerte ein. Nur in Versuch x dauexlezt es 9 Inn in Ver- such XXI 6 Minuten. Die Lungengewichte Beziehen sich auf den Blutgehalt des Organs während des ‚betreffenden Druckes ausser bei den mit einem Sternchen bezeichneten Gewichten, bei denen vor der Wägung der Nulldruck hergestellt war, wobei stets eine grössere Blutmenge aus der Lunge in die Gefässe des Apparates abfloss. ) Wenn wir berücksichtigen, dass nach Openchowskis) bei der Erstickung der Druck in der Pulmonalarterie bis 65 mm Hg ansteigen kann, so liegen die angeführten Drucke mit Ausnahme von Versuch XXVI innerhalb dieser Grenzzahl. Dabei kann, wie in Versuch VII und XXVI, bei Druckgefällen von 19 und 15 mm, die nach Tigerstedt an der Katze normal sind, Lungenödem ein- treten. In Versuch XXX beträgt das Gefälle 15 mm, also eine normale Zahl, und es tritt bei Drucken von 44 mm in der Art. pulm. und 29 mm in der V. pulm. Lungenödem ein. Aber auch 1) Zitiert nach Tigerstedt, Der kleine Kreislauf, Ergebn. d. Physiol. Bd. 2 8.2. 1903. Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd. 158. 36 548 Georg Modrakowski: Druckgefälle von 7,5 und 8 mm Hg sind als untere Grenzwerte aus den Angaben Tigerstedt’s zu entnehmen), so dass wir also bei ziemlich normalem Gefälle, wenn nur die Drucke in der Art. und V. pulm. genügend hoch steigen, an gesunden Katzenlungen Ödem erhalten. Dabei muss der Druck in der Art. pulm., der bei der Katze nach Tigerstedt in der Norm durchschnittlich 13 mm Hg beträgt, mindestens auf das Doppelte gesteigert sein. Lungenödem trat auf Gewicht bei arteriellem | bei venösem der ödem. in Versuch Druck Desek also Gefälle Lunge in mm Hg inmmHg | mmHs | g vl 63 + 44 | 0 lu 58 + 39 19 64 VIlla 65 + 86 29 105 IX 55 + 50 5 = XIX 39 +32 7 65* XXI al +33 8 100 XIV 40 +35 5 100 u 58 +51 7 65* XXVuU 5l 1836 15 78% XXVI 50 49 8 er ARX 44 + 29 15 = XXXI 59 +58 6 60* AXXII 68 + 54 14 60* XXXII 60 +54 6 106 XXXV 35 +27 8 60* Die ödematösen Lungen mittelgrosser Katzen wiegen mit dem während der hohen Drucke vorhandenen Blutgehalte 96—120 9; lässt man das Blut bei Aufhebung des Druckes freiwillig heraus- fliessen, so wiegen solche Lungen immer noch 60—70 S. Da nach Cloetta Lungen von mittelgrossen Katzen 22—31 8, nach meinen Wägungen nur 17—22 g wiegen, so ist ersichtlich, welch grosse Blutmenge in der gestauten Lunge Platz findet. Da jedoch hierbei die in die Bronchien und das Lungengewebe trans- sudierte Ödemflüssigkeit mit gewogen wurde und von dem Gewichte 1) Fühner und Starling (Journ. of Physiol. vol. 47 p. 286. 1913) geben als mittlere Werte für den isolierten Herz-Lungenkreislauf des Hundes in der Pulmonalarterie 15 mm Hg, im linken Vorhof 5 mm Hg, demnach ein Druck- gefälle von 10 mm Hg, bei Aortendruck von 80—100 mm Hg. Beobachtungen an der überlebenden Säugetierlunge. II. 549 der Blutmenge nicht zu trennen ist, stellte ich in einigen Versuchen den Plethysmographen auf eine Briefwage von 1 kg Tragkraft und konnte so die Zunahme des Lungengewichtes während des Versuches direkt auf der Wage ablesen. Wenn auch diese Bestimmungen in- folge der Schlauchverbindungen zum Durchblutungsapparate keinen Anspruch auf absolute Genauigkeit haben, so können sie uns doch eine annähernde Vorstellung von der Blutzunahme in der Lunge geben. Versuch XVIII. Fette Katze von 3020 g Gewicht. Durchströmung der Lunge mit etwas verdünntem Blute. Anfangsdrucke: arteriell 35 mm Hg, venös + 3 mm; also Gefälle 32 mm. Bei Erhöhung des venösen Druckes auf + 32 mm, so dass das Gefälle nur 3 mm beträgt, nimmt das Gewicht des Plethysmographen mit der Lunge von 765 g auf 820 s zu, so dass also der Blutgehalt des Orsans um 55 g angestiegen ist. Versuch XIX. Katze von 2630 g Gewicht. Die Lunge wird mit 200 g reinem Blute durchströmt mit Druckwerten von 30 mm arteriell und + 3 mm venös. Bei Erhöhung des arteriellen Druckes auf 33 mm und des venösen Druckes auf + 28 mm, also Erniedrigung des Gefälles auf 5 mm, steigt das Gewicht des Plethysmographen mit der Lunge von 730 g auf 795 g, was ein Anwachsen der Blutmenge um 65 gin der Lunge ergibt. ; Versuch XXI. Katze von 1800 g Gewicht. Durchströmung der Lunge mit reinem Blute bei Anfangsdrucken von 23 mm arteriell und O mm Hg venös; Gefälle von 23 mm. Bei Erhöhung der Druckwerte auf 41 mm Hg auf der arteriellen und 33 mm auf der venösen Seite, so dass das Gefälle 8 mm beträgt, steigt das Gewicht des Plethysmographen mit der Lunge von 715 g auf 780 g, woraus sich die Zunahme des Blut- gehaltes der Lunge um 65 g berechnet. Bei diesen Druckwerten stellte sich allmählich im Verlauf von 6 Minuten Ödem ein. Das Ge- wicht der aus dem Plethysmographen herausgenommenen Lunge betrug dann, nach Unterbindung der Gefässe bei dem angegebenen Drucke, 100 8. Nehmen wir den Durchschnitt der Gewichte der drei Katzen mit 2500 g an, so würde ein solches Tier bei der üblichen Be- rechnung (7°/o) etwa 175 g Blut haben; davon sammeln sich nach den obigen Wägungen bei Stauung etwa 60 g in der Lunge, also zirka ein Drittel des Gesamtblutes, an, die sich zu dem normalen Blut- gehalte, 13—19 & (nach Cloetta’s Versuchen), hinzuaddieren, so dassunter Umständen wohlbis zur Hälfte des Gesamt- blutes sieh in den Lungen stauen kann. 96 * 550 Georg Modrakowski: Aus den angeführten experimentellen Belegen geht hervor, dass sich an der isolierten Katzenlunge ein typisches Stauungsödem er- zeugen lässt. Es fragt sich nun, wie weit dieser Befund- für die menschliche Pathologie verwertet werden kann. Nach Sahli ist.das Stauungsödem, wobei die Lunge im ganzen hocheradig mit Blut überfüllt ist, äusserst selten. Meist sind beim Menschen nur. einzelne Lappen Öödematös, die Lunge ist blass. Demgegenüber: ist zu be- merken, dass es sich bei den menschlichen Lungen doch meist nicht um gesunde Organe handelt, an denen in kurzer Zeit durch Stauung Ödem entstanden ist. Hier muss zur Stauung noch ein zweites Moment hinzukommen, das wir in Veränderungen des Alveolarepithels oder der Gefässwände zu suchen haben, so dass die Durchlässigkeit des Lungengewebes grösser wird. = Einige Versuche mit kranken Katzenlungen sprechen dafür, dass. viel geringere als die von mir normierten Druckwerte genügen, um durch das entzündlich oder anderweitig pathologisch veränderte Lungen- gewebe Ödem hindurchtreten zu lassen. Ich führe zwei derartige Versuche als Beispiele an. Versuch \. Katze von 2700 g Gewicht. Bei Eröffnung des Thorax zeigt es sich, dass der teilweise hepatisierte rechte Unterlappen nicht mit atmet. Die Lunge wird in den Plethysmographen gebracht und mit einer Mischung von 140 ccm Blut und 40 cem physiologischer Kochsalzlösung durchströmt. Es wird zunächst bei einem arteriellen Drucke von 20 mm Hg und einem venösen von — 7 mm, also einem Gefälle von 27 mm, 10 Minuten lang durchströmt; dann wird der arterielle Druck auf 30 mm, der venöse auf + 14 mm erhöht, so dass das Gefälle nun 16 mm beträgt. Sofort wird der Atem kleiner, das Lungenvolumen nimmt zu, und Ödem bricht aus. Die Lunge wiegt 134 g. Versuch XXXIV. Katze von 2170 g Gewicht. Da in diesem Versuche Be- stimmungen der Durchströmungsgeschwindiskeit erfolgen sollten, wurde das Tier mit defibriniertem Blute durchspült und dann erst der Thorax ‚eröffnet. Dabei zeigte sich jedoch, dass je ein linker und rechter mittlerer Lungenlappen nicht atmete. Hepatisation war nicht erkennbar. Herzbeutel mit perikarditischen Auflagerungen. Offenbar handelte es sich um eine abklingende Pneumonie. Um 4!/ah Beginn der Durch- blutung bei 20 mm Hg arteriellem und — 3 mm venösem Druck; also Gefälle von 23 mm. Beobachtungen an der überlebenden Säugetierlunge. I. 551 -Da der Durchfluss ungenügend ist, wird um 5h 5’ der arterielle Druck auf 42 mm Hg erhöht, so dass bei gleichem venösen Druck von — 3 mm nun ein Gefälle von + 45 mm besteht (Fig. 13). PPRRRERRRT a "TTS. 277122 2 1722ER EN TEEN Fig. 15. Versuch XXXIV. 55 5’. Fig. 14. Versuch XXXIV. Atmung und Durchblutung einer 5h 26’. Profuses Lungen- Katzenlunge mit Zeichen von ödem bei arteriellem überstandener Pneumonie bei Druck von 42 mm Hg 42 mm Hg arteriellem und und venösem von — 3mm, — 3 mm venösem Drucke, also also Gefälle 45 mm, ohne Gefälle von 45 mm. dass es zu Stauung in der Lunge gekommen ist. Das exspiratorische Lungen- niveau ist nicht angestie- gen, die Durchblutungs- kurve nicht abgefallen (Gegensatz zu Fig. 10). Der Durchfluss ist jetzt gut, doch wird der Atem zunehmend kleiner, und um 5h 26’ schiesst profuses Lungenödem durch das Trachealrohr bis weit in den Atemschlauch hinauf (Fig. 14). 952 Georg Modrakowski: Leider wurde die Lunge nicht gewogen. Aber aus dem Kurven- verlauf ist zu ersehen, dass es zu keiner irgendwie ausgesprochenen Stauung in der Lunge gekommen ist; denn es ist im Gegensatz zu Fig. 11 weder Ansteigen des exspiratorischen Lungenniveaus noch Ab- fallen der Durchblutungskurve erfolgt. Da der venöse Durchfluss nicht erschwert war, lag ja auch kein Grund zur Stauung in der Lunge vor. Der Versuch ergibt also bei einer Lunge nach abgelaufener Pneumonie durch einfache arterielle Drucksteigerung profuses Ödem. Im vorhergehenden Versuche X handelt es sich dagegen um eine bestehende Entzündung. Hier entsteht bei mässiger Steigerung des arteriellen Druckes, welche die normalen Grenzen nicht wesentlich übersteigt (30 mm He), bei etwas erschwertem Abfluss, so dass das Gefälle — 16 mm — noch normal ist, Lungenödem. Diese beiden Versuche deuten uns die Rolle der Druckerhöhung und Stauung in der menschlichen Pathologie an, indem sie zeigen, wie bei pathologischen Veränderungen des Lungengewebes eine an sich ungefährliche Drucksteigerung in der Pulmonalarterie mit und ohne venöse Stauung Lungenödem hervorrufen kann. Es ist klar, dass bei erheblicher Schädigung des Lungengewebes auch ohne die Mitwirkung von erhöhtem Drucke in den Lungengefässen Ödem erfolgen kann, und zwar Fälle von entzünd- lichem und toxischem Lungenödem. Das lässt sich experimentell mit ver- schiedenen Substanzen demonstrieren, unter anderem auch sehr schön mit Ammoniakzusatz zu dem die Lunge durchströmenden Blute. In der zitierten Arbeit von Magnus, Sorgdrager und Storm van Leeuwen finden sich auf Seite 305 und 306 zwei diesbezügliche Versuche, die ich nebst drei weiteren, die aus unveröffentlichten Protokollen zu der zitierten Arbeit stammen, hier anführe. Versuch V. Katzenlunge mit einer Mischung von 64 ccm defibrinierten Blutes und 35 ccm NaCl-Lösung durchströmt; arterieller Druck 53 mm Hg, venöser unter 0. Es werden in Abständen von 8 Minuten zweimal je 2 cem 0,85 %oiger NH, zugesetzt. Nach 10 Minuten erscheint NH; in der Exspirationsluft, und gleichzeitig tritt starkes Lungenödem auf. Versuch VII. Katzenlunge bei 35 mm Hg arteriellem Druck (unter 0 mm venös) mit einer Mischung von 58 cem Blut und 35 ccm NaÜl-Lösung durch- strömt. Nach Injektion von 2 cem 0,85 /oigem NH, Lungenödem. Beobachtungen an der überlebenden Säugetierlunge. II. 553 Versuch \X. Katzenlunge bei 20 mm Hg arteriellem und negativem venösen Druck mit einer Mischung von 60 ccm Blut und 35 ccm NaCl-Lösung durchströmt. Nach Zugabe von 6 cem 0,85 /oigem NH, Lungenödem. Versuch XVI. Katzenlunge bei 35 mm Hg arteriellem und negativem venösen Druck mit einer Mischung von 110 cem Blut und 35 ccm NaCl-Lösung durchströmt. Nach Injektion von 9 ccm 0,78 /oigem NH, Lungenödem. Versuch XVIII. Katzenlunge bei 40 mm Hg arteriellem und negativem venösen Druck mit einer Mischung von 70 cem Blut und 35 ccm NaCl-Lösung durchströmt. Nach Zufügung von 2!/g ccm 0,78 %/oigem NH, bei einem Gehalte von 0,013 °o NH, in der Durchströmungsflüssigkeit Lungenödem. Aus den oben angeführten Versuchen ist ersichtlich, dass durch Ammoniakzusatz zum Durehströmungsblute an Katzenlungen Ödem entstehen kann bei normalem Durchblutungsdrucke — Versuch X mit 20 mm Hg arteriellem Druck — oder auch bei erhöhtem arteriellen Drucke, jedoch stets ohne Erschwerung des venösen Abflusses, also unter Verhältnissen, bei denen an der nicht geschädigten Katzen- lunge niemals Ödem eintritt. Als Resultate der vorliegenden Untersuchungsind anzuführen: 1. Dureh arteriellen Hochdruck kannan der über- lebenden künstlich durchbluteten Katzenlunge kein Ödem erzeugt werden. Es wurden Drucke bis zu 75 und 82 mm Hg untersucht. 2. Falls die hohen Druckwerte nur kurze Zeit an- dauern, werden sie ohne Schädigung von der Lunge vertragen. Lungenvolumen und Atemexkursionen kehren nachher zu der gleichen Grösse wie in der Normalperiode zurück. 3. Venöse Stauung, so dass dieDurehströmung der Lunge stillsteht oder selbst umgekehrt wird, bewirkt kein Ödem, solange die Druckwerte 35 mm Hg nicht übersteigen. 4. Lungenödem entsteht, wenn beiarteriellem Druck von nicht weniger als 35 mm Hg der venöse Abfluss so erschwert wird, dass dasGefälle auf8SmmHegsinkt; 554 G. Modrakowski: Beobachtungen an der überleb. Säugetierlunge. I. doch tritt Ödem auch beieinem Gefälle von 13—29 mm He, wobei die Durchblutung der Lunge recht gutsein kann, auf, wenn der arterielle Druck entsprechend hoch liegt: 44--65 mm He. 5. An pathologiseh veränderten Lungen können Druckwerte, welche die Norm nur wenig übersteigen, bei gleichzeitiger mässiger Erschwerung des venösen Abflusses (Gefälle von 16 mm Hg) Ödem hervorrufen. Ja, sogar einfache arterielle Drucksteigerung ohne jede venöse Stauung vermag an kranken Lungen Ödem zu erzeugen. 6. Bei Gegenwart von Substanzen im Durch- strömungsblute, die das Lungengewebe schädigen, z.B. von Ammoniak, kann Lungenödem bei normalem Blutdrucke und Gefälle oder beisoleceher Druck- erhöhung auftreten, die an sich niemals Ödem macht. 999 (Aus dem physiologischen Institut der Universität Kyoto, Japan.) _ Über den Einfluss warmer Bäder auf den Blutdruck und auf die Bu uenz des Kaninchens. Von Dr. Yas Kuno. (Mit 10 Textfiguren.) Von allen Wirkungen der Bäder auf den Organismus ist der Einfluss auf den Zirkulationsapparat der wichtigste, und es liegen über ihn zahlreiche Untersuchungen vor. Die Ergebnisse der über den Blutdruck angestellten Versuche zeigen, dass kalte Bäder meist eine Steigerung des Blutdruckes bewirken. Eine solche Steigerung wurde beobachtet von Lehmann, Schweinburg und Pollack, Oertel, Colombo und Verhoogen; Tschlenoff stellte bei kalten Bädern mitunter gleichfalls eine Steigerung des Blutdruckes fest; in anderen Fällen sah er aber überhaupt keine Veränderung des Blutdruckes auftreten. Hinsichtlich der warmen Bäder gehen die Meinungen der Forscher auffallend auseinander; Schweinburg und Pollack!), Colombo?) und Winternitz°) beobachteten stets ein Sinken des Blutdruckes; Tschlenoff*) konnte in vielen Fällen eine geringe Blutdruck- senkung, aber auch häufig gar keine Veränderung feststellen. Im 1) Schweinburg und Pollack, Wirkung kalter und warmer Sitzbäder auf den Blutdruck. Blätter f. klin. Hydrother. 1892. 2) Colombo, Untersuchungen über den Blutdruck etc. Internat. Kongress. Rom 1894. 3) Winternitz, Die Hydrotherapie auf physiologischer und klinischer Grundlage. 1890. 4) Tschlenoff, Über die Beeinflussung des Blutdruckes durch hydriatische Prozeduren und Körperbewegungen. Zeitschr. f. diät. u. physik. Therapie Bd. 1. 1898. : 556 Yas Kuno: Gegensatz zu diesen Angaben fand Komiyama!) bei warmen Bädern von 35,5 °C., ebenso wie Grefberg?) Blutdrucksteigerungen, die 40 mm Hg betragen konnten. Kluge?) hat bei Dampf- und Heissluftbädern eine Herabsetzung des Blutdruckes um 20 mm Hg, Frey und Heiligenthal‘) dagegen bei Heissluftbehandlung eine vorübergehende Steigerung mit nachfolgender Blutdrucksenkung be- schrieben. Ebenso gehen die Ergebnisse bei indifferent warmen Bädern weit auseinander; so wollen z.B. Riess°) und Tschlenoff keine Veränderung, Sakimoff und Mongrovius®) und Milaewski’) eine Herabsetzung, Colombo sogar eine Steigerung des Blutdruckes beobachtet haben. Eingehende Versuche über die Wirkung verschieden temperierter Bäder hat Müller°) an drei Männern angestellt. Im Anschluss an diese Versuche stellte er eine schematische Kurve für das Verhalten des Blutdruckes während eines Bades auf. Die Kurve weist folgende Merkmale auf: Zu Beginn des Bades steigt der Blutdruck vorüber- gehend an, um aber bald wieder etwas abzusinken. Diese Senkung ist sowohl bei kalten als auch bei heissen Bädern nicht sehr be- deutend; am deutlichsten ist sie während lauwarmer Bäder zu be- obachten, weniger deutlich bei kalten oder heissen Bädern. Schliesslich folgt noch während der Dauer des Bades auf die eben erwähnte Senkung abermals ein Anstieg des Blutdruckes. Müller suchte für diesen dreiphasischen Kurvenverlauf eine theoretische Deutung zu geben: Er bezog die erste Blutdrucksteigerung auf die erhöhte 1) Komiyama, Über den Einfluss heisser Bäder auf den Blutdruck. Annal. d. allg. städt. Krankenhauses zu München 1899. 2) Grefberg, Über den Einfluss warmer Bäder auf Blutdruck und Harn- sekretion. Zeitschr. f. klin. Mediz. Bd. 5 S. 71. 1882. 3) Kluge, Die Messung des Blutdruckes beim Menschen. Dissertation. Kiel 1893. 4) Frey und Heiligenthal, Die heissen Luft- und Dampfbäder in Baden- Baden. Leipzig 1831. 5) Riess, Über die Wasserausscheidung des menschlichen Körpers durch ‘Haut und Nieren bei thermisch indifferenten Bädern. Arch. f. experim. Path. u. Pharmak. Bd. 24 S. 65. 1888. 6) Sakimoff und Mongrovius, Dissertation. Petersburg 1883. 7) Milaewski, Petersburger mediz. Wochenschr. 1888. 8) Müller, Über den Einfluss von Bädern und Duschen auf den Blutdruck beim Menschen. Deutsches Arch. f. klin. Mediz. Bd. 74 S. 316. 1902. Über den Einfluss warmer Bäder auf den Blutdruck etc. 557 Muskeltätigkeit und auf die thermischen und mechanischen Haut- reize, die zu Beginn des Bades auftreten; die nunmehr folgende Senkung erklärte er durch das allmähliche Erlöschen jener Reize und durch die Erweiterung der peripheren Gefässe; die letzte Blut- drucksteigerung endlich soll bei kalten Bädern durch die Verengerung der Gefässe, bei warmen durch die Erhöhung der Pulsfrequenz zu- standekommen. Was die Pulsfrequenz betrifft, so stimmen die Versuchsergebnisse der verschiedenen Autoren dahin überein, dass sie durch kalte Bäder erniedrigt, durch warme erhöht wird. Eigene Versuche. I. Die allgemeine Wirkung von Bädern auf den Blutdruck und die Pulsfrequenz. Bei meinen Versuchen habe ich durchwegs Kaninchen ver- wendet, die mit Urethan (per os) narkotisiert worden waren. Das Versuchstier wurde auf ein Brett geschnallt, das mittels vier Drähten an der Decke des Zimmers so aufgehängt war, dass das Tier sich in schräger Lage, den Kopf nach oben, befand; der Winkel zwischen der Körperachse und der Horizontalen betrug etwa 30°. In dieser Lage wurde das Tierbrett ausserdem noch von einem starken Stativ festgehalten. Die als Badegefäss dienende Blechwanne stand direkt unter dem Kaninchenbrett auf einer mittels Trieb in der Höhe ver- stellbaren Unterlage. Zu Beginn des Bades wurde die Unterlage so weit in die Höhe geschraubt, dass das Tier bis zum Hals in Wasser zu liegen kam; durch Senkung der Badewanne wurde dann das Tier aus dem Wasser herausgehoben. Um die Temperatur des Badewassers konstant zu erhalten, wurde es durch einen unter die Badewanne gestellten Gasbrenner erwärmt, dessen Flammengrösse durch einen in das Badewasser versenkten Thermoregulator ge- regelt wurde. Das Versenken und Herausheben des Tieres in und aus dem Badewasser dauerte etwa je 10 Sekunden, und es fand hierbei so gut wie keine Lageveränderung des Tieres statt. Der Blutdruck wurde mittels eines Quecksilbermanometers in der üblichen Weise in der Karotis registriert. Die Aufgabe meiner Versuche bestand speziell in der Unter- suchung der Wirkung warmer und heisser Bäder, weshalb ich meist Bäder von 39—45° C. verwendete. Zu Vergleichszwecken wurden 558 En - Yas Kuno: auch vier Versuche mit kalten Bädern angestellt. Die Dauer der einzelnen Bäder schwankte zwischen 7 und 16 Minuten, betrug aber meistens 15 Minuten. Die bei diesen Versuchen erhaltenen Blutdruckkurven zeigen untereinander recht beträchtliche Abweichungen; doch konnte ich an ihnen folgende Merkmale als konstant feststellen: Sobald das Tier mit dem Wasser in Berührung kam, sank der Blutdruck zunächst ein wenig („initiale Depression“), stieg dann aber sofort wieder bis zu einer bestimmten Höhe — und zwar stets über die Norm — an, auf der er sich während der weiteren Dauer des Bades meist ziemlich konstant erhielt. Während das Tier aus dem Bade herausgehoben wird, sinkt der Blutdruck wieder steil ab, und zwar ist der tiefste Punkt dieser „terminalen“ Depression unmittelbar nach der erfolgten Herausnahme erreicht, und der Druck steigt nunmehr wieder ziemlich rasch an. --- Der Grad der Steigerung des Blutdruckes während des Bades selbst ist in erster Linie von der Temperatur des Badewassers abhängig; kommt die Wassertemperatur der Bluttemperatur des Tieres nahe, so ist die Steigerung nicht bedeutend; entfernt sie sich aber von der Bluttemperatur nach oben oder nach unten, so ist, die Steigerung ziemlich erheblich. Die Schwankungen des Blutdruckes während der Dauer des Bades sind verschieden gross, aber im all- gemeinen, abgesehen von Ausnahmefällen, nicht sehr beträchtlich. Die von Müller beobachteten drei Phasen der Blutdruckkurve waren auch bei meinen Versuchen sehr oft zu bemerken, doch blieben sie meist nur angedeutet. Bei warmen und heissen Bädern habe ich oft gesehen, dass der Blutdruck nach 12—14 Minuten, also während der letzten Minuten der von mir verwendeten Badezeit, etwas absank; nur in einem Falle (Nr. 9, Fig. 2 VII, Badetemperatur 41°C.) begann der Blutdruck schon etwa 2 Minuten nach Beginn des Bades nach einer vorübergehenden Steigerung allmählich, aber recht beträchtlich abzusinken, ohne dass ein Grund für dieses abweichende Verhalten nachzuweisen gewesen wäre. Was die Pulsfrequenz anbetrifft, so ist sie der Wassertemperatur fast proportional. Ist die Wassertemperatur höher als die Blut- temperatur, so ist die Pulsfrequenz über die Norm erhöht und um- gekehrt. Nach meinen Untersuchungen besteht zwischen den Blut. druckkurven und den Kurven der Pulsfrequenzen meist kein direkter Zusammenhang; in der Regel steigt die Pulsfrequenz während der Über den Einfluss warmer Bäder auf den Blutdruck etc. 559 Dauer des Bades entweder gleichmässig an, oder sie nimmt andauernd und gleichmässig ab. Wohl aber habe ich gesehen, dass der Blut- druck bei heissen Bädern im Falle einer starken Erhöhung der Puls- frequenz während der Dauer des Bades meist etwas anstieg. Nur in einem Falle verlief die Blutdrucksteigerung der Erhöhung der Pulsfrequenz fast parallel (Fig. 10). o ie 150 140 (normalen) Druckes. gemessenen „m JE o 2 4 6 8 10 12 14 157 Fig. 1. Temperatur des Bades und mittlerer Blutdruck vor Beginn des Bades bei den einzelnen Versuchen: I 45—44° C., 68 mm Hg. II 45° C., 64 mm Hg. III 45° C., 866 mm Hg. IV 43°C., 70mm Hg. V 45°C., 62 mm He. VI 45° C., 64 mm Hg. VII 44° C., 92 mm Hg. VIII 44° C., 100 mm Hg. 130 Il 2 4 6 10 12 14 167° Fig. 2. Temperatur des Bades und mittlerer Blutdruck vor Beginn des Bades bei den einzelnen Versuchen: I 40° C., 62 mm Hg. II 40° C., 65 mm Hs. III 40° C., 61 mm Hg. IV 40° C., 75 mm Hg. -V 40° C., 108 mm He. VI 39° C., 90 mm Hg. VII 41° C., 104 mm Hg. Yas Kuno: 60 a man n nr eken| Sa xy 2 (Orr) mm a am nn one) okar) rn ++ ++ 4++ ++ ++ nn Dom zuonbaazspug uoyurumgsog opel wop A0A dop 'MzAq sSOYOnIpInLg UOUPSSAWLEHFOPT ULOP 0A SEP UAFUEZOIT UT IN ed A: | Su ra MB al re a Bar 2 =d er al Ol War a (4) zuanboauy -sjng op pun Sy wur ut (g) sSONPNAPINIT SEP oe M Srnjosqe sopeg] sIp pusayem zuanba.uy -sIng A9p 'AZq SOYdnıpynig sap Funyuemyag AEWIXEN za ge an: da ee a ar 88: —d I NONE 380 OT le FAR ORTS 0 0L =a | 87 |8 Sure ea Is >= ME ee Ne (Mr RI T 946 666 = d — —.. 8 el Nele elle a Bine Vale Cord envale) Zee ro Re en. So are Wer ee Rz 0 —=d == 7.66 90 ei VOTE IE ec 0160 Fe 001 =4 | #7 |9 008 ,8lE — 766 — Y66 — 086 — 916 OLE 793 845 846 99% 076 076 788 786 =d | 02 1001 — F01 = Ol — OL — CO 001 26 S6 I6 68 06 06 «899 Bye ze — 908|8IE 908 768 — SE — 018 — 088 018 018 798 8% 656 666 — 076° =d a a a Me ee ee ee Are 1 0) — ze ET NINE EIER) wel 2) N) la a Ya. 1 OA a Te ee ee) ze, Gero IT ITS ee 0 ENELOTEIOT 500 I Zee sten Ar gene ar ara no a ae ee (ur od) | Do opeg wep sne "D’A en an = = ” I9uUY99193 uR Sopeg] SOp uuldag UOA 3 Ual—al SE 5 ‘(aaynump]) ua Sp wu: | SS | 5 num) U9N97Z oprquop | >| = aoayonıp | @ & Slkelztel I 08909 UA Aoped I eII948L | 561 Über den Einfluss warmer Bäder auf den Blutdruck etc. - zuonhborgsng uoyurutsog opegl wop 104 op "MzZA soyanıpnIag ueuassoweZgepTeg uep OA SOP UOFUAZOLT UT el Sl w+-—aq ed Br dl el g+—d 5 el sl id Al ar — al rd la El Ol It ar == Oz TEE (4) zuenba.rg -spug op pun Sp wur ur (g) SONINAIPNIT SOp ao M oynfosqr sopeg] Sop puamgem zuanbay "sing d9p "Azq SONOnIpIuIg sop JUnyueMmyuog HBULKXEHL 0 > soll OTL Esel Fol 866 #9 | <8 STENDESODEST ET EL AT u opteq uoep SHE OWUBU -SNEIOH 68 |SOT 001 86 +6 018 — Al [e) [6] SH 56 86 976 00T GOL FOL 00T 80T 801 66 86 1664 Io — UF 016 — all = 66 — Roll I 061 8 UOA TOped "5 o[[9deL JOUT991S U SOpeg] SOp uULagT UOA ‘(uaynuıpy) uoyoz] a al 61 066 666 666 866 — ‚888 FR Te 666 = d 20T 90T SOT 80L 00T 00T OT S0OI 8, | IS —=A 81 076 — 978 Se Se 79% 796 796 916 018 =d rel — 98L IEL 8EL SEL SEI 8EL 00106 | FOL —A Ai 666 — 848 845 846 845 796 8416 796 01,6: = d scl — 05L STIL 6LT 05T ELLI FII 60188 | 88 =A 91 986 TSG 686 686 816 316 SL6 896 995 89ge —=d % 6 26 26 6 66 6 1ISZ-ILI|06 =AI be 618 048 885 686 0%8 Ofe 76 076 076 = d s816%6%6 1% 06 8-7 |GL =a4 vI 086 — 916 915 686 916 916 8% Ere 79 = d LIT TIT E31 GEL Fol 6lL 821-801] SOTI—=A el a N HN [RS rel ol a | a NO Dr) it II cs 99 99 9 CI S9 FI 79 69 19° — a 01 6 76 26 00T SOL 80T LOL 901 LOT rI=a4 6 Ze a | ne) © opegq 'p’A zuonba.uy er zZ smg=d a 5 sp uuu|®e|5 opeg op | >3| 5 ao yonıp | ? 5 mı—q "DI 066 To 19 U0OA AOpEAd ‘s 21l2geL Blutdruck in Prozenten des vor dem Bade gemessenen (normalen) Druckes, 562 Yas Kuno: Die Tabellen 1—3 auf S. 560 u. 561 und die Figuren 1—3 sollen die Ergebnisse dieser Versuche an intakten Kaninchen veranschaulichen. Die Tabellen dürften ohne weiteres verständlich sein. Die Figuren, die nach den Angaben der Tabellen gezeichnet sind, zeigen den Ver- lauf des Blutdruckes während der Dauer der Bäder, und zwar bedeuten die ÖOrdinatenwerte Prozente des vor Beginn des Bades 2 4 6 8 10 12 14 Fig. 3. Temperatur des Bades und mittlerer Blutddruck vor Beginn des Bades bei den einzelnen Versuchen: I 20°C,, 81 mm Hg. II 25° C., 83 mm Hg. III 20°C., 104 mm Hg. IV 19° C., 84 mm Hg. gemessenen Blutdruckes, so dass also aus den Kurven der Figuren die jeweilige Steigerung oder Senkung des Blutdruckes direkt in Prozenten des normalen Wertes ablesbar ist. Um Komplikationen zu vermeiden, habe ich die Veränderungen (Senkungen) des Blut- druckes während der ersten halben Minute des Bades in die Figuren nicht eingezeichnet. Die Änderungen der Pulsfrequenz bei ver- schieden temperierten Bädern ist auf der Kurve der Fig. 4 ersichtlich. Die Kurven lassen erkennen, dass die charakteristische Änderung der Pulsfrequenz im Sinne eines Anstieges oder eines Abfalles erst. 2—4 Minuten nach Beginn des Bades merklich wird. Bei der Wirkung von Bädern auf den tierischen Organismus sind in erster Linie zwei erregende Faktoren zu berücksichtigen, nämlich mechanische und thermische Reize. Die mechanischen Reize können sowohl durch den Wechsel des Mediums als auch durch die unvermeidliche Bewegung des Wassers während des Bades gesetzt werden, und zwar dürfen wir wohl annehmen, dass die mechanischen Reize zu Beginn des Bades am stärksten sind und mit der Dauer desselben allmählich abnehmen. Der thermische Reiz ist je nach der Wassertemperatur verschieden stark. Diese beiden Faktoren können nun sowohl auf die Herztätigkeit als auch auf den Tonus Über den Einfluss warmer Bäder auf den Blutdruck etc. 563 2 4 6 8 10 12 14 Bäder von 3—450 0, ==. Bäder von 20—2509 C. Fig. 4 Temperatur des Bades und Pulsfrequenz vor Beginn des Bades bei den einzelnen Versuchen: 7 43°C., 228 pro Min. II 44° C., 252. III 45° C., 240. His 1020, 234. v7 MIC. 248. VE 20°C, 222° VII 253%C, 2. VIII 20I2€,,270: der Gefässmuskulatur einwirken, und ich versuchte mir darüber Auf- klärung zu verschaffen, inwieweit sie beide oder einzeln an den von mir beobachteten Wirkungen warmer Bäder beteiligt sind. II. Versuche über die Wirkung der Bäder speziell auf den Blutdruck. Die Hautgefässe des Kaninchens kontrahieren sich, wenn das Tier abgekühlt wird, und sie erweitern sich, wenn die Körpertemperatur des Tieres steigt. Dieser Tatsache entsprechend müssten die Haut- sefässe des Kaninchens sich in einem warmen Bade erweitern, und der Blutdruck des Tieres müsste infolgedessen sinken. Meine Ver- suche hatten aber ein von diesem Postulat abweichendes Ergebnis, so dass also bei der Wirkung der Bäder auf den Blutdruck ausser der Weite der Hautgefässe noch andere Faktoren: mitspielen müssen. Es ist eine bekannte physiologische Tatsache, dass sich nie sämtliche Gefässe des Körpers gleichzeitig kontrahieren oder gleichzeitig er- schlaffen. Es scheint vielmehr ein gewisser Antagonismus zwischen den Gefässen der äusseren Körperoberfläche und den Gefässen der Eingeweide zu bestehen (Dastre-Morat’sches Gesetz), und es liegen über diesen Antagonismus mehrere Arbeiten vor. Wenn man die Steigerung des Blutdruckes während warmer Bäder durch eine Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd. 157. 37 16’ 564 Yas Kuno: Tabelle 4. = B=Blut- Datum | 38 | druck vor _ D t Su = 29 d 5 5 | dem Bade Zeiten (Minuten), = es 27 | inmmHg ; E I Bade- E83 P—Puls- von Beginn des Bades an gerechnet Opestin | vous |" | ten, [ee een 20 | 2. Nov.| 5. Nov.| 45 | B= 97 92—108 102 — 110 — 121 — 21 | 1. Nov.| 4. Nov.| 45 | B= & 0-91 92 — 101 — — 38 P = 236 —_— 232 — 22 — — 276 22 | 20. Okt. |. 26. Okt. | 44 = 12 4 — 10 — 13 — 114 BT 260 24 — 264 — 273 — 270 23 | 2. Nov.| 5. Nov.| 40 | B= % 94—105 102 105 — 108 — 106 El P = 230 240 224 222 — 22 — 224 24 | 1. Nov.| 4. Nov.| 40 | B= 8% a3 4 —- 2 — — 85 P = 264 — 290 — 212 — — 27% 25 | 20. Okt. | 26. Okt. | 40 | B= 84 | 70-86 — 837 86 97100 — P—_2l0 208 — 230 230 225 240° — Überkompensation der Erweiterung der peripheren Blutgefässe durch Kontraktionen in einem anderen Gefässbezirke erklären wollte, so käme als ein solches Gebiet zunächst wohl das vom Nervus splan- chnieus versorgte Eingeweidegefässgebiet in Frage (Francois-Frank). Von dieser Annahme ausgehend, habe ich bei einer Reihe von Kaninchen die Nn. splanchniei beiderseits durchschnitten und dann an ihnen Badeversuche angestellt, so wie es vor mir bereits Hegglin!), Afanassiew?) und Grefberg°) getan hatten. Hegelin und Grefberg hatten behauptet, dass die Durchschneidung der Splanchniei die Wirkung der Bäder auf den Blutdruck nicht verändert, während Afanassiew bedeutende Änderungen im Effekte der Bäder be- obachtet hatte. Wie aus der vorstehenden Tabelle ersichtlich ist, habe ich im ganzen sechs diesbezügliche Versuche angestellt. Es. wurde hierbei die Bauchhöhle durch einen medianen Schnitt in der Linea alba eröffnet, der linksseitige Splanchnicus unmittelbar unter- halb des Diaphragmas, der rechtsseitige oft (von einem Einschnitte im Diaphragma aus) oberhalb dieses Muskels durchschnitten oder, in selteneren Fällen, so wie der linksseitige auch erst innerhalb der 1) Hegglin, Experimentelle Untersuchungen über die Wirkung der Dusche. Zeitschr. f. klin. Mediz. Bd. 26 S. 15. 1894. 2) Afanassiew, Petersburger mediz. Wochenschr. 1892. 3) Grefberg, ].c. en {oe} oO m or [>] m [eV] o „m DD oO gemessenen Druckes. m jr oO Blutdruck in Prozenten des vor dem Bade Über den Einfluss warmer Bäder auf den Blutdruck etc. 565 Tabelle 4. Maximale Schwankung des Blutdruckes bzw. der Puls- frequenz während des Bades Zeiten, (Minuten) von Beginn des Bades an gerechnet absolute Werte in Prozenten des vor des Blutdruckes (dem Bade gemessenen Herausnahme (B) in mm Hg b Bin gu dem Bade > und der Puls- Bade, hetimnten 3 0 12 1 en DE pulekeinenz — — 183l — — — 18 — 15 11 = B= +34 + 35 —- 1 — — 1 - —- — 4 6 % B=+15 + 17,4 — 26 — — 32 — — — 3355| — 312 P=+ 99 + 41,9 =- = - 9-0 -— 112 | 2 — 0 — B=+42 + 58,3 ee 75002 5050 Zee pr +173 — — 10 — — 10 — — %| 70 — B=+ 14 + 14,6 —_— — 240 — — 268 — — 2776| — — P=+46 + 20 — — 4 — — 4 — - 832/60 — B=+5 + 6,3 — — 280 — — 280 — — 28341230 — P=+20 | + 76 = ID Be non B=722 + 26,2 os 50 . 2.0.2, mr para +21 Bauchhöhle. 2—3 Tage nach dieser Operation, nachdem die Wunde vollständig verklebt war, wurde der Badeversuch an dem so operierten Tiere ausgeführt. Um hierbei auch eine eventuell mögliche kompen- — Tr _ Be | are Sr / en Pa en en / >= — 7 > ı ai ” NE REN: VI 100 ET 2 Bäder von 45—449 0. -———_— Bäder von 4009 C. Fig. 5. Temperatur des Bades und mittlerer Blutdruck vor Beginn des Bades bei den einzelnen Versuchen: I 44° C., 72 mm Hg. II 45° C., 97 mm Hg. IIT 40° C., 84 mm Hg. IV 45° C., 866 mm Hs. V 40° C., 80 mm He. VI 40° C., 96 mm Hg. satorische Kontraktion der Kopfgefässe auszuschalten, wurde jeweils vor dem Badeversuch auch der Halssympathieus beiderseits durehschnitten. Die Versuchsergebnisse an den so operierten Kaninchen sind aus der Tabelle 4 bzw. der Fig. 5 zu ersehen. Wenn wir die 37% II 566 Yas Kuno: durchsehnittlichen Werte für die Blutdrucksteigerung einerseits bei normalen Tieren, andererseits bei solchen, deren Splanchniei durch- schnitten waren, vergleichen wollen, so finden wir aus der Takelle 1, also bei Bädern von 43—45° C., eine durchschnittliche Blutdruck- steigerung von 393,80, aus Tabelle 2, also bei Bädern von 39 bis 41° C., eine durchschnittliche Blutdrucksteigerung von 15,1°/o und schliesslich aus der Tabelle 4, an operierten Tieren bei Bädern von 45 bzw. 40° C., Blutdrucksteigerungen von 36,9 bzw. 15,70. Bäder von gleicher Temperatur zeigen demnach in ihrer Wirkung in beiden Versuchsreihen nur einen unbedeutenden Unterschied. Wir können hieraus wohl den Schluss ziehen, dass die blutdrucksteigernde Wirkung der Bäder nicht auf eine Erregung der Nn. splanchniei zurück- zuführen ist. Nun habe ich bei meinen Versuchen zwar die Nn. splan- ehniei möglichst vollkommen zu durchschneiden versucht, doch wäre es immerhin denkbar, dass in einem oder dem anderen Falle einzelne Nervenfasern übersehen wurden. Um vollkommen sicher zu gehen, habe ich deshalb eine weitere Versuchsreihe an Kaninchen angestellt, bei denen ich den Einfluss der Nn. splanchniei von vornherein in der Weise ausschaltete, dass ich die wichtigsten Eingeweidegefässe unterband. Es wurden unterbunden die Aorta coeliaca, die A. mesen- terica superior und inferior, eine Nierenarterie und die Pfortader; hierauf verschloss ich die Wunde mit dichtgesetzten Nähten, verklebte sie mit Kollodium und stellte unmittelbar darauf den Badeversuch an. Die Ergebnisse dieser Versuche sind aus der Tabelle 5 (S. 568) bzw. Fig. 6 zu ersehen. Wenn auch der Zustand des Tieres nach diesem Eingriffe so stark verändert ist, dass sich die Ergebnisse dieser Versuche mit denen der früheren Versuche nicht unmittelbar quantitativ vergleichen lassen, so konnte ich doch feststellen, dass auch unter diesen Versuchsbedingungen die Bäder eine starke Steigerung des Blutdruckes bewirkten. Auch diese Beobachtungen beweisen also, dass die durch heisse Bäder bewirkte Blutdrucksteigerung nicht auf eine Überkompensation der peripheren Vasodilatation durch eine Kontraktion der Eingeweide oder Kopfgefässe zurückgeführt werden kann. Um diese Tatsache noch weiter zu erhärten, habe ich schliesslich bei zwei Kaninchen das Rückenmark in der Höhe des dritten Brustwirbels durchsehnitten, wodurch die Gefässe der unteren Körperhälfte von den Wärmezentren und den bulbären Gefässzentren ausgeschaltet wurden, und an diesen Tieren dann die Badeversuche angestellt. Auch in diesen Versuchen Blutdruck in Prozent. Über den Einfluss warmer Bäder auf den Blutdruck ete. 567 kam, wie die Tabelle 6 (S. 568) bzw. Fig. 7 zeigt, die blutdrucksteigernde Wirkung bei heissen Bädern immer noch zum Ausdrucke. „u [0.0] (<>) ”>e- --- ----e-------]] III m {er} oO en nz o 120 Blutdruck in Prozenten des vor dem Bade gemessenen Druckes. 100 2 4 6 8 10 12 14’ Bäder von 45° ©. ——--- Bäder von 40 und 38° C. Fig. 6. Temperatur des Bades und mittlerer Blutdruck vor Beginn des Bades bei den einzelnen Versuchen: I 40° C., 33 mm Hg. II 33° C., 22 mm Hs. IIT 45°C., 85 mm Hg. IV 45°C. 36 mm Hg. V 45° C. 104 mm He. des vor dem Bade gemessenen Druckes. 2 4 6 8 10 12 Ps) Fig. 7. Temperatur des Bades und mittlerer Blutdruck vor Beginn des Bades bei den einzelnen Versuchen: I 39° C., 60 mm Hg. II 44° C., 57 mm Hg. Da die bisher besprochenen Versuchsergebnisse keine Erklärung der blutdrucksteigernden Wirkung der Bäder ergeben hatten, musste ihre Ursache in anderen Umständen gesucht werden. Alle Blutdruck- kurven zeigen, dass der Druck zu Beginn des Bades rasch ansteigt, um beim Herausheben des Tieres nach dem Bade sofort wieder steil abzusinken. Diese terminale Blutdrucksenkung setzt in dem Momente ein, in dem das Tier eben das Wasser zu verlassen beginnt, und es ist dabei bemerkenswert, dass sie nur so lange andauert, bis das El ar Cr ud 686 1086 68 LG — 686 — OLE 015 798 796 796 846 868 848 076 = d 0'sT + ic a a eo ze ae A ee 09 = 4 | 68 | 65 69 061 r —d — 089,8 — 015 796 — 66 — 0ve VE6 666 918 Ole 005 98T HL IT =d Moll ar Il 5 = d SEI ee ee re WR Id Emile ‘9 oII9qgeL 19 En ol dl Shen akehl al 7. al — BL Bel oe el == 86 = 1601 + rr=a ee Eier ci 0. 2 00 er er ir ER a 8 | 08 ro + etr—d TEN ER NERAT: 866 166 — 866 — 666 — 916 — SIE 008 = clo —=d sg + oa il SE a On OS eV SC IE Ze EEE ee 6 —a | 07 | 65 = Llr ai; 06 7 —d 0081908 008 — 786 886 016 796 095 — 086 066 Ss — al 5 Eee Ar ll RT NEE 68 \OIT III — EIL EIl EIL 91T SIT — 6IL 651-101 | VOI=4 | CF | 8% = GH ir er SEN er a Kelten Io. de le Tee RO ER 866 — = Se T Ole Fre ION A A a ee ee Tr yo “| 2 Ir ze cl — — 088 468 — 088 9I8 — 008 — IL — 8GT OST — E91 851 Paz 09T 6069 + (OA tel —7.@8 | | Te erg Te er ee er re 8 al 1. zuonDborzspug (q) zuomba.rg LI 9I 5 2 v1 €8I SI II 91 6 8 H 9 G Y & 6 ii E0—0 (ur 01d) I | el u -sng op pun na won A opegq D’A e nenne zu Eu wur UT (a) SWUYLUSNEIOH zuonba.r 55 zZ uouessauesapeg ursp | "LOLAPIUIT SOP ae ae ‚0A s9p ueyuezorg ur | COM vMTosqe Joug991ad us sopeq SOp uursag uoA el al ie | 5 = ‘(majnump]) uayraz SENUNBNE Bele b . | ® sopeg SOp pusayem zuanbaxr spequop|IozZ| -sIng 19p 'Azq SOyonapynıg, 10A JOnıp © SsOp FUNYUEALIS OTBWIXENT et & 2 '< oı[oqeı. Über den Einfluss warmer Bäder auf den Blutdruck etc. 569 Tier völlig aus dem Wasser herausgehoben ist. Der Grad dieser Blutdrucksenkung ist bei den einzelnen Versuchstieren verschieden, in der Regel bei heissen und warmen Bädern relativ hoch, bei kalten geringer. Das Minimum der terminalen Blutdrucksenkung liegt nach heissen und warmen Bädern fast immer unter der Höhe des nor- malen Blutdruckes vor dem Bade. Anders ist es nach kalten Bädern; hier liegt auch das Minimum der terminalen Blutdrucksenkung immer noch etwas höher als der normale Blutdruck vor dem Bade. Diese Verhältnisse sind in der folgenden Tabelle 7 veranschaulicht. NEbellie 7. ri 33: Erniedrigung des Blutdrucks Tempe- Blutdruck in mm Hg Ba; ne Flerassnahrme ratur aus dem Bade, ausgedrückt Nummer des vor Be- sofort pen n vor .. A roZ Bades ae endigung nach in "les Dinmelkas vom Be- 0. des Bades demBade| mm Hg | endigung des Bades nl 45 86 116 75 41 35,3 ) 2 45 64 88 60 28 3 3 45 64 79 54 25 31,6 I 4 45 62 82 52 30 36,6 U Mittel b) 45 —44 63 100 70 3 30,0 300] 6 44 100 106 92 14 sera 7 44 92 108 75 33 30,6 8 43 70 94 65 29 30,9 J g 41 104 8 64 DIA 10 40 61 Ge 64 Se 4,5 | iu! 49 62 aa 33 18 25,4 Im 12 40 68 au 359 13 18,1 % Mittel 13 40 108 114 82 3 28,1 | 23,9 Yo 14 40 75 Se 39 27 33,3 15 39 90 90 | 60 30 33,3 16 25 83 123 114 - 13) 17 20 104 ee 14 10,4 | Akt 1 18 20 81 1052,10 15 12.0 £ 118 0, 19 19 34 108 89 9, 170, 48% Ich habe nun einige Versuche in der Weise ausgeführt, dass ich das Tier während der Registrierung seines Blutdruckes drei- bis viermal hintereinander rasch in das Bad versenkte und unmittelbar danach wieder herausnahm. Hierbei habe ich beobachtet, dass der Blutdruck immer wieder sofort steigt, wenn das Tier in das Bad versenkt wird, um wieder abzusinken, sobald es aus dem Bade empor- gehoben wird. Aus diesen Tatsachen können wir wohl schliessen, dass gerade dem Wechsel des Mediums eine wichtige Rolle bei der blutdrucksteigernden Wirkung der Bäder zufällt. Der Übergang aus Blutdruck in,Prozenten des vor dem Bade gemessenen Druckes. 120 570 Yas Kuno: Tabelle ®. Temperatur alunlene Zeiten (Minuten), von Beginn Nummer | des Bades ee des Bades an gerechnet Vo ne re © 33 . 40 112 116-105 104 101 9% 99 98 99 34 43 97 7—110 8 86 85 86 85 86 dem Medium Luft in das Medium Wasser wirkt mechanisch zunächst komprimierend auf die Gefässe des grossen Kreislaufess. Wenn nun auch die warmen Bäder infolge der Herabsetzung der Wärmeabgabe auf die Hautgefässe des Tieres erweiternd wirken, so wird diese Vasodilatation andererseits doch durch die Kompression der Haut- gefässe gewissermaassen überkompensiert, so dass sie nicht in Form 90 80 2 4 6 8 10 12 14 Fig. 8. Temperatur des Bades und mittlerer Blutdruck vor Beginn des Bades bei den einzelnen Versuchen: I 40° C., 112 mm Hs. II 43° C., 97 mm Hg. einer Blutdrucksenkung in Erscheinung treten kann. Erst nach dem Bade tritt die früher maskierte Gefässerweiterung als Blutdruck- erniedrigung deutlich zutage, da nunmehr der Druck des lastenden Wassers fortgefallen ist. Die Tatsache, dass der Blutdruck nach der terminalen Senkung sofort wieder ansteigt, lässt sich dadurch er- klären, dass durch die plötzliche Abkühlung infolge des von der Körperoberfläche verdunstenden Wassers die Hautgefässe wieder zu einer Kontraktion angerest werden. Wenn diese Annahme richtig ist, so muss der Grad der Blutdrucksteigerung während eines Bades von dem jeweiligen Spannungszustand der Hautgefässe vor dem Bade abhängig sein. Um dies festzustellen, habe ich an zwei Kaninchen folgenden Versuch angestellt: Das Versuchstier wurde zwecks Verengerung seiner Hautgefässe 10 Minuten in einem kalten 15’ Über den Einfluss warmer Bäder auf den Blutdruck etc. 571 Tabelle 8. Maximale Schwankung Zeiten (Minuten), von Beginn während des Bades des Bades an gerechnet Herausnahme In in Proz. des vor aus dem Bade = d. Bade gemesse- 7.8. een mm Hg | nen Blutdruckes 39 999 8 — 8 — % 9 | 18 93 —17 | — 15,2 5-95 -— 8 — N — 71/5 56 — 20 — 20,6 Bade von 20° C. gehalten; einige Minuten nach der Beendigung dieses Bades wurde das Tier in ein warmes Bad versenkt, wobei ich beobachten konnte, dass der Blutdruck zwar zu Beginn des Bades noch etwas anstieg, aber ‚schon nach einer Minute deutlich zu sinken begann. Zur Illustration dieser beiden Versuche dienen Figur und Tabelle 8. Dass die Blutdruckänderungen während eines Bades nicht aus- schliesslich auf solche grob mechanische Einwirkungen auf das Gefäss- system zurückzuführen sind, geht ohne weiteres daraus hervor, dass 500€. 5.8 130 =24000. ©5892 120 Es Amann 2 3000. 525-110 25 ze 05 = 4 Bor 5a 2000. 5-5 10 = Bars 100 C ns E29 2 4 6 8 10 12 14° BRie. 9, Blutdruck. ---—- Temperatur des Dampfbades. der Grad der Blutdrucksteigerung von der Temperatur des Bades abhängig ist. Bei Heissluft- oder Dampfbädern sehen wir eine Blut- druckänderung auftreten, obwohl sich das Medium hierbei nicht ändert. Willenbrand!) sah den Blutdruck während einer Heissluft- behandlung deutlich ansteigen. Auch ich habe an vier Kaninchen Dampfbadversuche angestellt und sah hierbei bei relativ hohen Aussen- temperaturen den Blutdruck steigen. In einem Falle blieb der Blut- druck relativ konstant, bis die Aussentemperatur 40° C. erreichte, zeiste dann aber einen plötzlichen Anstieg (Fig. 9). In den übrigen Fällen begann der Blutdruck erst bei Aussentemperaturen von über 1) Willenbrand, Zur Physiologie und Klinik der Heissluftbehandlung. Skandin. Arch. f. Physiol. Bd. 19 S. 123. 1907. SR Yas Kuno: 40°C. anzusteigen. Bei Aussentemperaturen zwischen 30 und 37°C. ist der Blutdruck zunächst meist viel niedriger als bei gewöhnlicher Zimmertemperatur. Es erscheint demnach sehr wahrscheinlich, dass auch thermische Reize an dem Zustandekommen der Blutdruck- steigerung beteiligt sind. Damit hängt es vielleicht auch zusammen, dass wir bei warmen Bädern von 39—41° C. (Tab. 2) den Blut- druck während der ersten 2—4 Minuten höher finden als während der weiteren Dauer des Bades. Möglicherweise kommt’ in diesem Verhalten eine Adaptation an den thermischen Reiz zum Ausdruck. Ferner sei erwähnt, dass ich in einigen Fällen das Wasser des warmen Bades durch Zugiessen von etwas heissem Wasser in die Wanne plötzlich erhöhte und auch hierbei meist einen plötzlichen Anstieg des Blutdruckes beobachtete. Herausnahme aus dem Bade. 160 150 | 140 130 120 110 100 90 > L 4 6 8 10 12 14 16 Minuten. Fig. 11. ——- Blutdruck und ----- Schlagfrequenz in Prozenten der vor dem Bade gemessenen (normalen) Werte. Dass die veränderte Herztätiekeit keine wesentliche Rolle für die Veränderung des Blutdruckes während warmer Bäder spielt, er- gibt sich aus der Tatsache, dass die Pulsfrequenz (wie die Tabellen 1 bis 3 zeigen) in den ersten 2—4 Minuten des Bades anfangs un- verändert bleibt, dann allmählich ansteigt, während der Blutdruck unmittelbar nach der flüchtigen initialen Senkung steil ansteigt. Die Schlagfrequenz des Herzens nimmt während der Dauer eines warmen Bades mit der Zeit zu, beeinflusst aber den Blutdruck nur wenig. Nur während heisser Bäder tritt mitunter eine langsam, aber kontinuierlich zunehmende Erhöhung des Blutdruckes ein, die vielleicht auf eine Steigerung der Pulsfrequenz zurückzuführen ist. Ein Fall, bei dem der enge Zusammenhang zwischen der Blutdruckkurve und der Kurve der Pulsfrequenzen auffällt, ist in Fig. 10 wieder- geceben. Über den Einfluss warmer Bäder auf den Blutdruck etc. 573 In diesem Zusammenhange sei auch auf den Unterschied hin- gewiesen, der sich bei einem Vergleich zwischen dem Minimum der terminalen Blutdrucksenkung einerseits nach heissen Bädern (43 bis 45° C.), andererseits nach warmen Bädern (39—41°C.) zeigt. Wie sieh aus Tabelle 7 berechnen lässt, beträgt der minimale Blutdruck während der terminalen Senkung unmittelbar nach Bädern von 43 bis 45°C.: 87, 94, 84, 84, 103, 92, 82 und 93° von dem zu Beginn des Versuches, vor dem Bade geniessenen Druck; das Mittel dieser Werte beträgt 89,9°/o. Die analogen Werte unmittelbar nach den Bädern. von 39—41° C. betragen 105, 85, 87, 76, 73 und 67 %o, das Mittel 82,5 %o. Der Unterschied zwischen diesen beiden Mittel- werten ist wahrscheinlich auf die stärkere Erhöhung der Pulsfrequenz während der heissen Bäder zurückzuführen. Wie die Tabellen 9, 11 und 12 zeigen, ist die Blutdrucksteigerung während der Bäder bei Kaninchen, denen zuvor beide Nn. vagi durehsehnitten oder (bzw. und) die Ganglia stellata exstirpiert worden waren, ebenso gross wie bei normalen Tieren. Reflektorische Ein- flüsse auf das Herznervensystem spielen demnach bei der Blutdruck- steigerung während eines Bades wohl keine wesentliche Rolle. Die bedeutende Blutdrucksteigerung während kalter Bäder (vgl. Tab. 3) ist höchstwahrscheinlich auf eine durch die Wärme- entziehung hervorgerufene Verengerung der Hautgefässe zurück- zuführen. III. Die Versuche über die Wirkung der Bäder auf die Puls- frequenz. Die Erzebnisse meiner Versuche stimmen mit denen früherer Auteren dahin überein, dass warme Bäder die Pulsfrequenz erhöhen, kalte sie erniedrigen (Tab. I—3, Fig. 4). Meines Wissens ist aber hierbei noch nicht die Frage erörtert worden, ob diese Veränderungen der Pulsfrequenz von einer direkten Wirkung des erwärmten oder abzekühlten Blutes auf das Herz oder von einer reflektorischen Er- regung des Herznervensystems herrühren. An mehreren Kaninchen habe ich beiderseits die Nn. vagi durchschnitten, ehe ich sie in ein warmes Bad versenkte. Diese Versuche ergaben, dass der Blut- druck und die Pulsfrequenz durch die Bäder bei vagotomierten Kaninchen fast in gleicher Weise verändert wurden wie bei normalen Tieren (Tab. 9). 574 Yas Kuno: Tabelle 9. Vagotomie. nn I B= Blutdruck in = ee mm Hg Zeiten (Minuten), = e P—P ulsfrequenz von Beginn des Bades an gerechnet = Bades pro Minute ai 6 vor der |vordem : Vagotomie | Bade 005 Te 3) 45 B—= 12 86 —9—- 831 -— — P = 208 206 — 210 337 — 292 — — 36 45 B— — 98 96—109 103 105 108 108 108 108 = — 212 — 208 216 222 222 225 224 97 40 B= 60 76 67 67 — P— — 220 —_— 28 — 230 — — 23 38 40 B= 63 70 68—92 97 99 103 102 — 101 P = 300 00 — 296 303 — 315 315 — Ferner habe ich an fünf Kaninchen die Nn. accelerantes aus- geschaltet. Nach den Angaben von Bezold u. Bever!) und Bever?) gehen die Acceleransfasern beim Kaninchen durch das Ganglion stellatum, zum Teil aber auch durch die benachbart ge- lesenen Grenzstrangeanglien zum Herzen. Um sämtliche Accelerans- fasern mit Sicherheit auszuschalten, ist es daher nötig, ausser dem Gangl. stellatum noch die benachbarten Ganglien zu exstirpieren. Ich verfuhr hierbei in folgender Weise: Die Haut wurde in der Medianlinie am Halse und über dem oberen Teil der Brust durch- schnitten, und sodann wurde der Griff des Sternums in einer Länge von ca. 2 cm gleichfalls in der Medianlinie gespalten. Nunmehr suchte ich die Nn. sympathiei auf und verfolgte sie möglichst weit nach unten, wobei man unschwer hinter der Gabelungsstelle der A. carotis und subelavia das Gangl. stellatum findet. Auf diesem Wege kann man ohne jede Verletzung der Gefässe das dritte Cervicalganglion, das erste Thoracalganglion und häufig auch noch das zweite Thoracalganglion exstirpieren. Bei der ersten Serie dieser Versuchstiere führte ich die Operation 2 Tage vor dem Badeversuch 1) von Bezold und Bever, Von den Bahnen, auf welchen die Be- schleunigungsnerven zum Herzen treten. Untersuch. aus d. physiol. Laborat. in Würzburg Bd. 2 S. 235. 1867. 2) Bever, Über die anatomischen Verhältnisse des Ganglion stellatum bei Kaninchen. Untersuch. aus d. physiol. Laborat. in Würzburg Bd. 2 S. 248. 1867. Über den Einfluss warmer Bäder auf den Blutdruck etc, 575 Tabelle 9. Vagotomie. Maximale Schwankung des Blutdruckes (B) in mm Hs und der Puls- Herausnahme frequenz (P ährend aus dem Bade q ( Rn Zeiten (Minuten), von Beginn des Bades an gerechnet SER DND des Bad a» a ner ee ao Zee Ba . —- za een Pen Be 00 - 109° 101 10) 72 8 Be u Be Bahn - zen Ben - zu eerıe Bes) on — Te ee Bee en u Te Baia aus. Eine Abweichung im Verhalten der so operierten Tiere von dem - normaler Tiere war nicht zu beobachten (Tab. 10, S.576 u.577). Zunächst ist die Pulsfrequenz nach der Durchschneidung der Nn. accelerantes deutlich verkleinert (Acceleranstonus), doch steigt sie mit der Zeit allmählich wieder an. Da immerhin die Möglichkeit vorliegt, dass dieser allmähliche Anstieg der Pulsfrequenz auf ein stärkeres In- aktiontreten der bei der Operation zufällig verschont gebliebenen Acceleransfasern zurückgeführt werden muss, habe ich bei der zweiten Serie von Versuchstieren die Badeversuche unmittelbar an die Fxstirpation der sympathischen Ganglien angeschlossen. Die Resultate dieser Versuche sind in Tabelle 11 (S. 576 u. 577) zusammengestellt. Wir sehen, dass auch an den so operierten Tieren die Puls- frequenz während des Bades deutlich ansteigt. Nun ist aber bei diesen Tieren die Pulsfrequenz vor dem Bade infolge der Accelerans- durchschneidung abnorm niedrig, so dass eine Umrechnung der Puls- frequenzsteigerung in Prozente der Ausgangsfrequenz keinen rechten Vergleich mit den Verhältnissen bei normalen Tieren ermöglicht. Aus der Tabelle 11 ist zu ersehen, dass die Pulsfrequenz auch ‘während der Steigerung durch heisse bzw. warme Bäder noch nicht die Höhe erreicht, die sie vor der Durchschneidung der Nn. accele- rantes hatte. Ferner habe ich noch an drei Kaninchen sowohl die Vagi durch- schnitten als auch die Accelerantes ausgeschaltet. Badeversuche an 576 Yas Kuno: Tabelle 10. Acceleransdurchschneidung. „|s2 Datum Pulsfrequenz pro Minute | Zeiten (Minuten), u = von Beginn des E|:s der A ler der | vor dem Bades 3l& er des Bade-| vor der |nach der le an gerechnet Alo ce. | Operation) versuches [Operation | Operation yersuch Bon 89 | 45 | 30. Okt. . Nov 220 — 200 220 230 — — 40 | 45 | 31. Okt. | 2. Nov. 320 258 270 276 — 296 — 41 | 45 | 11. Nov. | 13. Nov 174 112 140 168 — — — 42 | 41 | 30. Okt. | 1. Nov _ _ 200 204 216 — 216 43 | 40 | 31. Okt. | 1. Nov — —_ 300 292 296 — — Tabelle 11. Acceleransdurchschneidung. B— Blutdruck in mm Hs VRR 2 & | Temperatur | P=Pulsfrequenz pro Min. an Alinuten) = | A von Beginn des Bades an gerechnet = Ra vor der nach der Z Durch- Durch- 0. schneidung | schneidung | 005 12 345% +4 45 B = 100 63 76 2 — — — W 92 P = 240 190 — 20206 — — — 215 45 45 — MM 82 81—100 — 118 117 — 115 114 IB 2705 195 — — 216 225 — 228 231 46 45 B— 268 59 92-62 — 8 — 71 -— 14 21196 156 — 164180 — 184 — 18 47 45 Br 39 99—77 102 104 107 108 109 — D — 10) 142 — 144 146 153 156 156 — 48 43 B= 100 61 58—64 67 — 57 60 — 65 | | PB=243 160 Il -— 160 168 170 180 — 185 yarbieiiien]2: Vagotomie + Acceleransdurchschneidung. Blutdruck in mm Hg Temp.| Datum Dat : > 2 a d. Durch- N bzw. Sulieanenz Zeiten (Minuten), von Beginn = schnei- en des Bades an gerechnet = Bades dung des Vago- |yor der nach der nach der 0.0, [Aerelerans] tomie [Gerrit oprettönee| og, ı 08 3 a 49 | 45 | 11.Nov. | 13.Nov. |B= — 65 92 5568 66 8 — — = — | 180 | 153 — 12167 — — 50 | 45 | 30.Nov. | 30.Nov. B=-| — 83 83-93 9 89 85 89 P=255| 154 | 160 — 160 164 176 180 5l | 40 | 30.Nov. | 30.Nov. B=- — 12 68—83 87 80 76 72 >= — | — 152 — 152 160 162 165 Über den Einfluss warmer Bäder auf den Blutdruck etc. 577 Tabelle 10. Acceleransdurchschneidung. Zeiten (Minuten), Maximale Schwan- von Beginn des Bades an gerechnet kung der Puls- Beauadıns MEER während aus dem Bade es Bades En 3 10 11 a me pro Minute a — an Sa a la + 90 3l6 — — 3283 — — 330 — 336 — 3361336 — 336 + 66 — 200 — 204 — — 230 — 230 — — 2371219 — +9 — — 220 — 230 — 230 — 225 — 2830| — 230 — +30 32 — — 312 — — 315 — — — 312/312 312 — +15 Tabelle 11. Acceleransdurchschneidung. Zeiten (Minuten), Maximale Schwankung von Beginn des Bades an gerechnet des Blutdruckes in Hehe mm Hg und der Puls- aus dem Bade frequenz während des 2 om an BRETT a ie nime 8 — 8 - 3— —-— 71 54 — — B=+ 3% 220 25 5 — 40 — — 1245 240° — P=+5 — 109 — 165 — 10 — — 1I0| 38 — — B=7536 a um — 24 — 246 36 — — P— +51 — 4 — 3—- N — 69 — 66| 5 — B-+21 200 — 200 — 204 — 212 — 212,208 — P=+56 19 — m — 12 — 110 — I7| 2 — — B=+13 164 — 168 1714 — 174 — 17,178 — 174 P=+3 _—— —- 91 9 — 67 — 7 67 46 — B=+39 — — — 1% 19 — 200 — 200 200200 — P=+46 Tabelle 12, Vagotomie + Acceleransdurchschneidung. Maximale Schwan- Zeiten (Minuten) Bra kung des Blut- von Beginn des Bades an gerechnet aus dem | drucks (B) n mm Hg Bade bzw. der Puls- Bol oa la 15 ar |Hequenzi(®)pro>Min- Bern 0 —- —-'—-. 3,8 B=+14 Den 2 m —- is Ber 2 ee ee a, 182 186 — 186 — 198 — 198 04 — 1981198 — P— +44 Be 5: 22,802 > B=+ 8 am - ea zZ P=+2 578 Yas Kuno: Über den Einfluss warmer Bäder auf den Blutdruck etc. diesen Tieren ergaben gleichfalls eine deutliche Erhöhung der Puls- frequenz, auf deren quantitatives Verhältnis wegen der geringen Zahl der Einzelversuche nieht näher eingegangen werden soll. Nach diesen Versuchen scheint mir die Erhöhung der Pulsfrequenz bei warmen und heissen Bädern in erster Linie auf einer direkten Wirkung der Wärme auf den Herzmuskel zu beruhen. Ob daneben noch eine Acceleranserregung mitspielt, muss dahingestellt bleiben. Zusammenfassung. Es wurde an Kaninchen in Urethannarkose der Blutdruck während warmer und heisser Bäder verzeichnet. Zu Beginn des Bades tritt eine unregelmässige initiale Blutdrucksenkung auf, die aber nur Bruchteile einer Minute währt. Unmittelbar danach steigt der Blutdruck an und bleibt während der ganzen Dauer des Bades über die Norm erhöht. Diese pressorische Wirkung der Bäder ist in erster Linie auf die Kompression der Gefässe des grossen Kreislaufes durch den hydrostatischen Druck des Badewassers zurückzuführen, in zweiter Linie wohl auch auf eine reflektorische Wirkung des thermischen Reizes. Letztere spielt eine wesentliche Rolle bei kalten Bädern, die eine starke Kontraktion der Hautgefässe bewirken. Die Ausschaltung der Nn. splanehniei oder die Ligatur der grösseren Arterien der Baucheingeweide ändert an dem Effekte der Bäder nichts. Die Pulsfrequenz ändert sich während eines Bades je nach der Temperatur. Bei warmen Bädern steigt sie, bei kalten sinkt sie. Dies gilt auch für Tiere, deren Herznervencystem ausgeschaltet ist, so dass es sich hierbei wohl in erster Linie um eine direkte Wirkung der Bluttemperatur auf den Herzmuskel handelt. 979 (Aus dem physiologischen Institut der Universität Strassburg i. E.) | Über die willkürliche Beschleunigung des Herz- schlages beim Menschen. Von Max Koehler, Cand. med. (Mit 4 Textfiguren und Tafel V.) Wenn die meisten Physiologen den direkten Einfluss der Willens- äusserung auf die Frequenz der Herztätigkeit in Abrede stellen, so soll diese für fast alle Menschen bestehende Tatsache nicht be- stritten werden, aber es gibt doch Personen, . die ohne jeden Zweifel rein willkürlich einen ziemlich bedeutenden Einfluss auf die Herztätigkeit, jedenfalls auf deren Beschleunigung, ausüben können. Zu diesen Personen gehöre auch ich, da ich imstande bin, jeder- zeit allein durch den Willen und eine durch den Willen hervor- gebrachte Anstrengung die Zahl der Herzschläge bedeutend zu er- höhen. Als ich durch Zufall vor ca. 4 Jahren beim Zählen meines Pulses den Versuch anstellte, die erhaltene Pulsfrequenz willkürlich “durch einen direkten Willensimpuls zu erhöhen, stellte sich sofort eine Erhöhung der Pulszahl um 20 Schläge pro Minute ein. Dieser :öfters wiederholte Versuch war auch stets von demselben Erfolge begleitet, nur hielt ich diese Fähigkeit der Pulsacceleration damals weder für besonders auffällig, noch stellte ich irgendwelche weiteren Beobachtungen und Versuche über diese Eigentümlichkeit an. Erst durch das Studium der Physiologie angeregt, erkannte ich das Aussergewöhnliche dieser Funktion und fasste gleichzeitig den Plan, mich genauer mit dieser abweichenden Art der Pulsbeschleunigung zu befassen, um vielleicht eine Gesetzmässigkeit und die Ursachen für diese Beschleunigung feststellen zu können. Mit dieser Absicht wandte. ich mich ‚zur: Zeit meines Strassburger Studienaufenthaltes Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd. 158. 38 580 Max Koehler: an Herrn Prof. J. Rich. Ewald, der mir in liebenswürdiger Weise die Gelegenheit bot, mein Vorhaben auszuführen und mich mit Rat und Tat bei meinen Versuchen unterstützte. Einen Hinderungsgrund für die Weiterführung der begonnenen Versuche bildete die Frage, ob die willkürlich hervorgebrachte Änderung der normalen Pulsfrequenz nicht für die Funktionen des Herzens und den Organismus schädlich sei, zumal in den Arbeiten über die Fähigkeit der willkürlichen Pulsbeschleunigung von der- artigen Versuchen dringend abgeraten und auf die Fälle verwiesen wird, wo ohne Zweifel infolge der Pulsacceleration eine Schädigung des Körpers durch die Anstrengung des Herzens zu beobachten war. Ich erwähne hier nur den von Tarchanoff beobachteten Fall und verweise auf die Anmerkung in Nagel’s Handbuch der Physiologie: „Die Versuche sind gefährlich“. Bevor ich daher meine Versuche fortsetzte, kam es mir vor allem darauf an, durch persönliche Beobachtungen festzustellen, ob dureh die willkürliche Beschleunigung der Herzfrequenz schädliche Wirkungen und Veränderungen im Körper hervorgerufen würden. Wie die klinische Untersuchung, über die ich unten ausführlicher berichten werde, ergab, konnten bei wenigen Versuchen in längeren Abständen, die dabei mit grosser Vorsicht ausgeführt wurden, nicht die geringsten schädlichen Folgen festgestellt werden. Vor anhaltenden und oft sich wiederholenden Versuchen muss jedoch wieder gewarnt und abgeraten werden, da sie ohne jeden Zweifel eine dauernde Schädigung des Herzens herbeiführen können. Wenn daher die Beobachtung der Fälle über willkürliche Pulsbeschleunigung, die sicher in grösserer Zahl als bekannt vorkommen, von grösstem Interesse sein dürfte, so wird es schon aus diesem Grunde schwer sein, völlige Klarheit über die Ursachen dieser Fähigkeit zu schaffen, zumal die Literatur nur sehr wenige derartige Fälle aufweist, die an sich in vielen Dingen differieren und die Versuche am lebenden Menschen und besonders an der eigenen Person mit grossen Schwierig- keiten verknüpft sind. Die Fälle, die in der Literatur verzeichnet sind !), wo es Personen möglich war, aus freiem Willen einen bedeutenden Einfluss auf ihre Herztätigkeit zu deren gänzlichem Stillstand oder Verlangsamung 1) Weber, Müller’s Arch. f. Anat. u. Physiol. Bd. 51; daselbst ältere Literatur, und Tarchanoff, Pflüger’s Arch. Bd. 85 S. 109fi. 1885. Über die willkürl. Beschleunigung des Herzschlages beim Menschen, 581 auszuüben, können wir an dieser Stelle unberücksichtigt lassen, da die Angaben bezüglich des freien Willens mit Vorsicht aufzufassen sind und wir es auch bei allen diesen Fällen nie mit einer Be- schleunigung der Herzfrequenz zu tun haben. Erwähnt wird zum erstenmal ein derartiger Fall von willkürlicher Pulsacceleration von Tüke!), während einige Zeit später Tarchanoff?) einen weiteren Fall dieser Fähigkeit beschreibt und auch gleichzeitig die Ursachen für die Eigentümlichkeit der Pulsbeschleunigung ausfindig zu machen sucht. Tarchanoff fand die Fähigkeit der willkürlichen Puls- beschleunigung bei einem seiner Schüler und behandelt aufs aus- führlichste diese rein durch die Willenskraft herbeigeführte beschleunigte Herzfrequenz nebst ihren Folgen und Begleiterscheinungen, wobei er zu der Ansicht kommt, dass diese Beschleunigung nur durch eine direkte Nervenverbindung zwischen dem Grosshirn und dem Herz- beschleunigungszentrum ermöglicht werden könne und somit eine direkte Erregung dieses Accelerationszentrums gegeben wäre. Da Tarchanoff bei seiner Versuchsperson und auch bei allen anderen in dem Anhang zu seiner Arbeit: erwähnten Personen, die durch die Fähigkeit der willkürlichen Pulsbeschleunigung ausgezeichnet waren, eine besonders gute Beherrschung ihres Skelettmuskelsystems be- obachten konnte, so gelangte er zu der Überzeugung, dass diese Fähigkeit in innigem Zusammenhang mit der Acceleration stehen müsse, und beurteilt infolgedessen die Fälle der Pulsbeschleunigung durch den Willensimpuls gleichsam als spezielle Fälle einer besonderen muskulären Organisation, die darin besteht, z. B. die dritte Phalanx der Finger, die Ohrmuscheln und einige Hals- und Arnmuskelgruppen getrennt bewegen zu können, die im allgemeinen dem Einflusse des Willens nicht unterliegen. Einen weiteren Fall von willkürlicher Pulsbeschleunigung finden wir bei Pease°), der bei seiner Versuchsperson eine rein willkür- liche Erhöhung der Pulsfrequenz bis zu 27 Schlägen pro Minute feststellen konnte. Auch hier findet sich eine besondere Beherrschung des Muskelsystems, da erwähnt wird, dass es sich um einen Menschen handelt, der eine gewisse Herrschaft über seine Ohrmuskeln und 1) Daniel Haek Tüke, Illustrations of the Influence of the Mind upon the Body in Healh and Disease designed to elucidate the Action of the Imagi- nation. London 1872. 2) Tarchanoff, Pflüger’s Arch. Bd. 35 8. 109 ff. 1885. 3) Pease, Boston medical and surgical journal vol. 120 p. 526. 1889. 38 * Denn Max Koehler: sein Platysma myoides besitzt, wenn auch in diesem Falle weder von einer besonderen Erregbarkeit des Individuums noch von einer Labilität des vasomotorischen Gleichgewichts wie bei den Fällen von Tarchanoff gesprochen werden kann. Dass jedoch die Fähigkeit der Pulshöschffnnieine durch den - Willensimpuls keineswegs an eine übermässige Beherrschung des Muskelsystems gebunden zu sein braucht, hat Th. H. van der Velde!) bewiesen, der bei sich selbst und auch bei weiteren fünf anderen willkürlich ausgewählten Personen, denen jede spezielle neuromuskuläre - Organisation -fehlte, eine deutlich nachweisbare willkürliche Puls- erhöhung feststellen konnte, sich aber durch die Mahnungen Tarchanoff’s veranlasst sah, von dem Reeistrieren und dem genaueren Studium dieser Fälle Abstand zu nehmen. Trotz der Hoffnung vanderVelde’s, „durch seine Publikation zu eingehenderen Untersuchungen anzuregen“, war es mir nicht möglich, eine weitere Publikation über willkürliche Pulsbeschleunigung zu finden; die Angaben über direkte Einwirkung der Suggestion auf den Rhythmus des Herzschlages wie bei H. Beaunis?) kommen für die eigene rein willkürlich hervorgebrachte Pulsbeschleunigung nicht in Betracht. Eigene Versuche. Von einer besonderen neuromuskulären Organisation kann in meinem Falle nicht die Rede sein, da, ausgenommen von einer guten Bewegungsmöglichkeit des Platysma, jede übermässige Beherrschung des Muskelsystems fehlt, ebenso keine Beweglichkeit der Ohrmuscheln oder der dritten Phalanx der Finger je festzustellen war. Infolge dieser Tatsachen kann ich mich nur den Ausführungen van der Velde’s anschliessen, der den Zusammenhang dieser Fähigkeit mit der willkürliehen Pulsbeschleunigung in Abrede stellt, andererseits aber der Ansicht hinneigt, dass die besprochene Fähigkeit der Puls- beschleunigung eine allgemein vorhandene sei. Diese letzte Behauptung ist wohl schon aus dem Grunde nicht aufreehtzuerhalten, da trotz vieler Beobachtungen die Fälle der willkürlichen Pulsbeschleunigung sehr selten zu finden sind, und es mir leider unter einem grossen Bekanntenkreis nicht gelang, Personen 1) Th. H. van der Velde, Pflüger’s Arch. Bd. 66 S. 232 fi. 1897. 2) Beaunis, Le Somnambulisme. Etudes physiologiques et psychologiques. Paris 1886. Über die willkürl. Beschleunigung des Herzschlages beim Menschen. 583 ausfindig zu machen, die in grösseren Umfange allein durch den darauf gerichteten Willensakt die Zahl der Pulsschläge zu vermehren vermochten; so musste ich mich auf die Versuche an meiner eigenen Person beschränken und will die Vermehrung der Pulsfrequenz durch den Willen nebst ihren Begleit- und Folgeerscheinungen, sowie die Gründe für diese Beschleunigung im folgenden darzustellen ver- suchen. Die klinische Untersuchung, die Herr Prof. Wenckebach in Strassburg in liebenswürdiger Weise vornahm, ergab keinen abnormen Befund vor und nach mehreren bis 30 Sekunden lang dauernden Beschleunigungsperioden: Temperatur normal, Puls 76—80 pro Minute, am Herzen keine Veränderungen nachweisbar. Die Periode der Acceleration ist von einem nicht ständig auftretenden Geräusch über der Herzgegend begleitet, wie es nur bei Muskel- kontraktionen auftritt und daher auch nur als Muskelgeräusch ge- deutet werden konnte; sowie die Beschleunigung ihr Ende erreicht hat, ist auch von dem Geräusche keine Spur mehr wahrzunehmen, ebenso fehlt es bei geringer willkürlicher Beschleunigung regelmässse. Nach einem längeren Versuche ist noch eine etwas erhöhte Pulszahl vorhanden, die aber ziemlich schnell auf die normale, öfters sogar unter dieselbe herabsinkt, auch ist nach lang ausgedehnten Be- schleunigungsperioden eine gewisse kurz anhaltende Müdigkeit fest- zustellen, doch sind bereits I—2 Minuten nach beendeter Anstrengung keine Merkmale zu finden, die mit dem vorangegangenen Versuche in Beziehung stehen. Die später ausgeführte Röntgenuntersuchung ergab eine normale Grösse und Lage des Herzens vor, während und nach der willkürlichen Beschleunigungsperiode. Diese Ergebnisse der Untersuchung veranlassten mich, die be- sonnenen Versuche wieder aufzunehmen, doch erschien es mir ratsam, auch jetzt vorsichtig vorzugehen; deshalb dehnte ich die Dauer einer Aeccelerationsperiode nie über längere Zeit als über Y/„—-1 Minute aus, liess zwischen den einzelnen Versuchen längere Pausen und begnüste mich mit einer Zahl von Versuchen, die nötig war, um brauchbare Kurven herzustellen, die den Verlauf der Versuche mit ihren Nachwirkungen sowie die Atem- und Blutdruckschwankungen während der Zeit der Beschleunigung klar erkennen liessen, während ich von der Wirkung von Arzneimitteln auf die Fähigkeit der Be- sehleunigung vollkommen Abstand nahm. Dass die Fähigkeit der Pulsbeschleunigung nicht die Folge einer 584 Max Koehler: krankhaften Veränderung im Organismus sein kann, geht schon daraus hervor, dass mein Gesundheitszustand stets der beste war; ohne je eine Herz- oder schwerere Kinderkrankheit durchgemacht zu haben, bin ich von kräftigrem Körperbau, sportlich gut trainiert, habe ge- dient und auch nach grösseren Anstrengungen keine anormalen Folge- erscheinungen feststellen können. Es liegen also in keiner Weise Veränderungen gegenüber einem völlig gesunden Organismus vor. Voraussetzung für das gute Gelingen eines Versuches ist die Konzentrierung der Willenskraft auf den Akt der Pulsacceleration; die Gedanken müssen sich einzig und allein mit der zu erzielenden Acceleration des Herzschlages beschäftigen, wie sich stets die gesamte Aufmerksamkeit bei einer grösseren Anstrengung, zu der die willkür- liche Pulsbeschleunigung auch zu rechnen ist. auf die zu leistende Arbeit zu richten hat. Allein die blosse Konzentrierung auf die Tätigkeit des Herzens und der Wille, die Acceleration hervorzurufen, genügen noch nicht, um die Zahl der Schläge zu erhöhen, sondern esist eine durch den Willen hervorgerufene Anstrengung nötig, eine Art Reiz, wie er zurBewegung der quergestreiften Muskulatur erteilt wird und nur mit einem solchen verglichen werden kann. Die Empfindung bei Erteilung dieses Reizes gleicht völlig derjenigen, die bei stark angestrengter Kon- traktion beliebiger Muskelgruppen hervorgebracht wird; auch lässt sich die Stärke des Reizes für die Pulsacceleration bis zu einem gewissen Grade modifizieren. Wie ich einen Muskel stark oder schwach kontrahieren kann, so liegt es auch in meiner Willkür, eine verschiedene Stärke der Beschleunigung hervorzurufen, die sich allerdings nicht in dem Masse beeinflussen lässt, wie es bei der quergestreiften Muskulatur der Fall ist. Der gesteigerten An- strengung folgt zwar nicht immer eine gesteigerte Beschleunigung; es gelingt also nicht immer, durch verschieden starke Reize eine dementsprechende veränderte Acceleration hervorzurufen, eine Er- scheinung, die wohl von den verschiedenartigen Umständen abhängt, unter denen die Versuche vorgenommen wurden. Stets dagegen ist es mir aus eigener Empfindung möglich, nach Beendigung des Versuches genau anzugeben, ob die Beschleunigung schwach, mittelstark oder stark vor sich ging. Zur Konzentrierung der gesamten Willenskraft auf den Versuch sind alle störenden Momente, wie Geräusche, Beobachtung der Über die willkürl. Beschleunigung des Herzschlages beim Menschen. 585 Apparate und anderes mehr nach Möglichkeit zu vermeiden. Die Versuche lassen sich am besten ausführen, wenn zuvor der Körper wenig angestrengt war; nach grösseren Anstrengungen, z. B. nach einem längeren Weg oder nach Heben eines schweren Gegenstandes besteht zwar das Gefühl, dass die Acceleration besser vor sich ginge; wie sich jedoch aus den Messungen gezeigt hat, ist die Beschleunigung selbst. gleich oder kleiner. Zwar ist die Endzahl des Pulses höher als im ersteren Falle, jedoch die Differenz zwischen Anfangs- und -Endpuls gleich oder geringer, da die Pulsfrequenz infolge der An- strengung vor diesen Versuchen beträchtlich höher war. Stärkerer Alkoholgenuss und reichliches Tabakrauchen sowie vorhergegangene starke körperliche Anstrengungen heben die Fähigkeit der. Pulsbe- schleunigung bei mir nicht auf und haben nur unbedeutende Schwan- kungen zur Folge. Während esjederzeit gelingt, willkürlich eine Beschleunigung der Herzfrequenz herbeizuführen, ist es mir nicht möglich, eine Verlangsamung des Pulses zu erzielen und konnte eine solche trotz vielerindieserRichtung angestellter Versuche in keinem Falle beobachtet werden. Während des Experimentes sind keine Besonderheiten zu be- merken, keine Rötung des Gesichts oder Schweissekretion, nur bei langer oder besonders starker Anstrengung tritt ein geringes Zittern der Muskeln, besonders des Halses und der Arme ein; zur besseren Konzentrierung der Willenskraft ist es vorteilhaft, die Augen zu 'schliessen und jede Gedankenablenkung zu vermeiden, auffällig ist eine sofort beim Erteilen des Reizes deutlich wahrnehmbare Er- weiterung der Pupillen. Während der Accelerationsperiode besteht das Gefühl einer gewissen Beklemmung in der Herzgegend, auch macht sich ein intra- thorakales Druckgefühl bemerkbar; ich bin imstande, deutlich die Lage des Herzens, allerdings ohne bestimmte Grenzen, zu bestimmen, während die einzelnen Herzschläge selten und nur nach besonders starker Anstrengung zu fühlen sind. Ein Gefühl des Gespanntseins der Halsmuskeln und in der Herzregion, wie es Tarchanoff be- schreibt, liegt in meinem Falle ebenfalls stets vor, doch lassen sich Zeichen einer Kontraktion bei den meisten Versuchen nicht nach- weisen; das Zittern in den Hals- und Armmuskeln tritt nur bei ganz starker, langer Beschleunigungsperiode auf. | Die Vermutung, dass bei der Fähigkeit der willkürlichen Acceleration eine gewisse Übung und Gewöhnung an die Versuche 586 { Max Koehler: starken Einfluss ausüben könne, hat sich durch meine letzthin an- gestellten Versuche vollkommen bestätigt. Schon Tarchanoff erwähnt in dem Anhang zu seiner Arbeit einen Arzt F., der bei ‚lem ersten angestellten Versuche eine willkürliche Pulserhöhung von 20 Schlägen bewirken konnte, die sich durch ständige Übung in kurzer Zeit bis auf 75 Schläge pro Minute steigern liess. Wenn auch in meinem Falle von einer ständigen Übung zum Ausführen der Ver- suche nicht gesprochen werden kann, so besteht doch kein Zweifel, dass die häufige Zahl der Versuche, die”bisweilen wochenlang täglich - ausgeführt wurden, von wesentlicher Bedeutung auf die Fähigkeit der Pulsbeschleunigung gewesen sind. Während ich mich bei meinen ersten Versuchen über die Accelerationsmöglichkeit nur auf eine Steigerung der Puülszahl um. 10—20 Schläge in der Minute besinnen kann, gelang es mir, während der Zeit der häufigsten Versuche diese Beschleunigung ohne ver- mehrte Anstrengung auf 30—35 Schläge zu erhöhen. Setzte ich die Versuche monatelang aus, wie es jetzt geschehen ist, so ist bei den neu angestellten Proben bei starker Anstrengung anfangs nur eine Erhöhung von 20 Schlägen festzustellen, die sich durch öfters wiederholende Versuche jedoch leicht wieder auf 30—85 steigern lässt. Die verkleinerte Reproduktion einer aufgenommenen Kurve (Taf. V Fig. 1) gibt uns deutlich den Verlauf eines der Versuche wieder. R2 ERIEER Die oberste Kurve zeigt den Verlauf der Atmung an, die durch eine auf die Brust geleste Trommel aufgenommen und mittels einer Marey’schen Kapsel und rotierendem Zylinder in üblicher Weise registriert wurde. Die aufsteigende Linie bedeutet Inspiration, die - absteigende Exspiration. Die untere Kurve zeigt die einzelnen Pulse der Arteria radialis, die auch mittels der Marey’schen Kapsel und Luftübertragung erzielt wurden. Die dritte Linie gibt die Zeit an, bei diesem Versuch "ss Sekunde; das durch Sprechen erteilte Zeichen zum Beginn und Schluss der Beschleunigung wurde _ durch Gegenschlagen gegen den Hebel mit der Hand aufgezeichnet. Die ersten sichtbaren. Pulse lassen den normalen Puls von 68 Schlägen in der Minute, gemessen auf 6 Sekunden, erkennen, die Pulse zeigen das normale gewöhnliche Aussehen und folgen in regelmässigen Abständen; dann erfolst im Ausenblicke der willkür- lichen Beschleunigung (Zeichen = auf Fig. 1 Taf. V) ein Sinken der Pulshöhe und eine gering Acceleration, die schnell immer mehr Über die willkürl. Beschleunigung des Herzschlages beim Menschen. 587 zunimmt und gegen ihr Ende hin das Maximum erreicht; die Puls- zahl beträgt während der Mitte der Beschleunigungsperiode, auf 6 Sekunden ausgezählt, 91 pro Minute, gegen das Ende der Acceleration hin 98, es ist also eine Gesamtbeschleunigung von 30 Schlägen pro Minute festzustellen. Beim Aufhören der willkür- lichen Anstrengung (Zeichen x auf Fig. 1 Taf. V) steigt die Pulshöhe nach ein bis zwei Kontraktionen bedeutend, ja über das Anfangs- mass hinaus, die Pulszahl vermindert sich gleich. Bei diesem Ver- suche sinkt sie auf 91, dann auf 83; plötzlich erfolgt wieder eine geringe Beschleunigung auf 90 Schläge für einige Sekunden, dann sinkt die Pulszahl im weiteren Verlauf des Versuches rapide auf die normale Zahl, in diesem Falle auf 68, auch kehrt die Form des Pulses auf die ursprüngliche zurück. Nachdem die ursprüngliche Pulsfrequenz wieder erreicht ist, zeigen die folgenden Pulsstösse eine weitere Abnahme der Pulszahl auf 65 pro Minute; die Form lässt keine Veränderung gegenüber der normalen erkennen, und in kurzer Zeit ist auch wieder die Pulsfrequenz erreicht, die vor dem Versuche gemessen war. Die Folgen der willkürlichen Beschleunigung für die Höhe und Zahl der Pulsstösse ändern sich mit Dauer und Stärke der Accelerationsperioden und sind auch abhängig von der Zahl der aufeinanderfolgenden Versuche; unser Fall bestätigt wiederum die Be- obachtung, dass stärkere Beschleunigung kleinere Pulshöhe aufweist und lang anhaltende Beschleunigungsperioden eine schwächere Acceleration der Herzfrequenz hervorrufen. Auf die Veränderungen der Pulsform und die Nachwirkungen der Beschleunigungsperiode werden wir später genauer einzugehen haben, hier handelt es sich lediglich um die Grösse der Beschleunigung, die durch viele Versuche festgestellt wurde. Zu diesen Versuchen benutzten wir das Sphygmographion nach Frey mittels Luftübertragung und Marey’scher Kapsel, das uns brauchbare Kurven zum Auszählen der Pulsstösse lieferte, während die Atmung auf folgende Weise reeistriert wurde: Um die Brust in der Höhe der Brustwarzen wurde eine Kette festgelegt, zwischen die ein kleiner Gummischlauch geschaltet war, der im Innern eine Spiralfeder enthielt; der Gummischlauch stand durch ein T-Rohr mit einer Marey’schen Kapsel in Verbindung. Bei der Inspiration dehnte sich der Schlauch auf der Brust aus, die Luft wurde angesogen, und der Hebel auf der Kapsel sank, während bei der Exspiration das Entgegengesetzte eintrat. Die 588 Max Koehler: Versuche wurden teils im Sitzen, teils im Liegen ausgeführt, dabei jedes Konzentrieren der Aufmerksamkeit auf die Apparate durch Entfernen derselben von der Versuchsperson vermieden; das Zeichen zum Beginn und Schluss der Beschleunigung wurde durch Glocken- signal gegeben, das gleichzeitig mit Hilfe eines Elektromagneten eine Erkennungsmarke auf dem Papierstreifen schrieb. Die Versuche zeigen, dass regelmässig mit dem gegebenen Zeichen eine Pulsbeschleunigung gemessen werden konnte, die teils stärker, teils schwächer hervortritt; die angeführten Proben lassen gut erkennen, wie die Versuche ausgeführt wurden, und welche _ Resultate sie ergaben. Bei den hier angeführten Tabellen sind aus einer grossen Reihe von Versuchen diejenigen ausgeschaltet worden, bei denen dureh irgendwelche Umstände, sei es durch Störungen in den Apparaten, sei es durch Bewegungen, Sprechen und andere Zu- fälle, die Versuche entweder ungenaue Resultate ergaben oder unterbrochen bzw. öfters wiederholt wurden und somit das Ergebnis des Versuches durch den schon vorher auf die Herztätigkeit will- kürlich ausgeübten Reiz beeinträchtigt war. Die zu Anfang auf- genommenen Kurven lieferten uns höhere Beschleunigungszahlen als die späteren, die aber auf die erstmalige Erregung zurückzuführen sind und infolgedessen hier auch nicht aufgeführt wurden; alle in dieser Arbeit zusammengestellten Tabellen wurden aus Kurven ent- nommen, bei denen die Versuche ohne jede Störung verliefen und daher für unser Endergebnis allein gewertet werden konnten. Die Kurven ‘befinden sich in meinem Besitz; folgende Tabellen geben das zusammengestellte, aus ihnen gewonnene Resultat an. Die Zahl der Pulse ist auf 1 Minute umgerechnet angegeben. Versuch I. Zustand beim Versuch Pulszahl An a den | Ruhe ea nal 80 6 Ruhectatsnna Dane 82 6 Beschleunigung (Anfang). . . 87 6 Beschleunigung (Mitte). . . . 98 6 Beschleunigung (Ende). . . . 105 6 Buühetaast ne 92 12 Ruhe. vn a 86 6 Ruhe. ee Nee 88 6 Ruhe. ee ie 90 6 Ruhe. 0.3. 2 Feaenerneike 85 12 sinkt bis auf 75 in 35 Sek. Über die willkürl. Beschleunigung des Herzschlages beim Menschen. 589 Versuch II. Zeitdauer Zustand in Sek. beim Versuch Pulszahl | Atmung e Ruhe 5 21 ube 2 - 21 6 Ruhe 84 2] g normal 6 Ruhe 85 21 12 Beschleunigung 105 35 flach 6 Ruhe 95 13 6 Ruhe 100 13 7 tief 6 Ruhe 80 18 6 Ruhe 75 15 6 Ruhe 70 18 ? normal Ruhe steigend auf 75 20 I} Versuch IH. : Zeitdauer Zustand beim Versuch Pulszahl INeSeR INDIE N s0 6 alles re 82 6 Nuhese een Bach 54 6 Beschleunigung... 2. 22. 105 6 Beschleunigung. 7 2°. ..,. 100 6 Beschleunigung... .... 112 12 VID LET 105 6 Ruhe el 100 6 Ruheserse Sean Se, 95 6 Buhe@ee 2 are 90 6 INuleksstez re eure: &0 6 IR 85 6 Nubert er. 80 6 Ruheserrs ri ee: 18 6 Die folgende Tabelle gibt einen Versuch wieder, bei dem die Be- schleunigung zweimal beim Aufzeichnen einer Kurve wiederholt wurde. - Zeitdauer Zustand beim Versuch Pulszahl uses INuhessse Sr ee 70 6 Rh ee ee 12 12 Beschleunigung . . ..... 80 6 Beschleunigung . . . .. . » 88 6 Huhn ee 80 12 ruhen een 83 6 IRuhewes a rer 84 6 Nahe. ni en serien 75 bis auf 70 in ca. 1 Min. IR RE 79 12 INuUhesas am 68 6 Beschleunigung... .. . » 85 12 Ruhesse ee ee ee: 80 6 Buena eng 78 6 IRuherae rn er 70 6 INuhegaet ers er eee 15 6 590 Max Koehler: Die Zahlen beweisen, dass die Beschleunigung das zweite Mal ebenso regelmässie einsetzt und ungefähr ebenso stark war wie das erste Mal; eine dreimalige Beschleunigung bei ein und demselben Versuch gibt folgende Tabelle wieder: Zustand beim Versuch Pulszahl Zeitdaueı in Sek. Rule am ae are 78 15 Buhes sep es 75 6 Beschleunieunge ze 2 90 15 Kühe ar? 82 6 innerhalb Kühe ee 70 I 60 Sek. Ruhess Ewa 70 6 Beschleunieung 2 22 27% 85 6 Beschleunigung... .... 88 6 Ruhe sea Sek ee 78 6 Rune Se bi SR ehS 73 6 Rohe aan 80 6 Ruhesee ss 72 6 sinkt auf 62 in 60 Sek. Huber u ae ee 62 6 Beschleunigung. ..... . 80 6 Beschleunigung . .. .... 82 6 Ruhe ee 73 6 Ruhe Ro Re 70 6 Ruhe Denen 65 6 Ruhe 70 6 und sinkt bis auf 65 in 10 Sek. 2—8 Minuten nach dem Versuche hat der Puls wieder seine ursprüngliche Zahl erreicht, was durch Auszählen mit der Uhr fest- gestellt wurde, da der berusste Zylinderstreifen sein Ende erreicht hatte. Eine grosse Reihe von weiteren Versuchen ergab mit geringen Abweichungen dieselben Resultate. : Aus den. letzten Tabellen erkennen wir deutlich, dass bei wiederholter willkürlicher Anstrengung auch stets wieder eine beträchtliche Beschleunigung eintritt, die sofort mit Erteilung des Signals einsetzt, dass ferner diese Acceleration bei sich gleich bleibenden Willensimpulsen, auf die bei diesen Versuchen besonders geachtet wurde, gegen ihr Ende hin das Maximum erreicht, um beim Ertönen des zweiten Signals erheblich zu sinken. Die Puls- zahl zwischen den einzelnen Beschleunigungsperioden ist je nach Stärke und Dauer der vorausgegangenen Acceleration verschieden. Die Dauer, in der der durch die Willkür beschleunigte Puls wieder auf die Norm zurückkehrt, schwankt zwischen 20 und 40 Sekunden. Ist die Pulszahl nach beendetem ‚Versuche bedeutend gesunken, so Über die willkürl. Beschleunigung des Herzschlages beim Menschen. 591 findet sich die Eigentümlichkeit, dass regelmässig wieder eine un- willkürliche geringe Beschleunigung für wenige Sekunden eintritt, bis der Puls stark sinkt, und zwar mitunter bedeutend unter seine Anfangsfrequenz. Diese letzte Erscheinung ist wohl als Ermüdung ‚aufzufassen, die sich auch am ganzen Körper bemerkbar machte, ein Grund, weshalb ich von öfters hintereinanderfolgenden Beschleunigungs- perioden Abstand nahm und die Versuche nie bis zu dem Punkte der Erschlaffung trieb, wo selbst bei grosser Anstrengung eine Be- . schleunigung nicht mehr zu erzielen wäre. Weiter interessant und auffällig ist das ständige Abnehmen der Pulsfrequenz nach den einzelnen wiederholten Accelerationsperioden. Während der Puls im Zeitlaufe einer Kurve mit dreimaliger Be- schleunigung nach der ersten auf eine Frequenz von 70 Schlägen ‚herabsinkt, weist er nach beendeter zweiter Periode nur eine solche ‚von 62 auf, nach Schluss der dritten nur 60 Stösse, pro Minute ‚berechnet; eine Erscheinung, die ebenfalls nur als Anzeichen einer ‚Erschlaffung gedeutet werden kann. Einfluss der Atmung auf die normale und willkürlieh erhöhte Pulsfrequenz. Entgegen den Angaben Tarchanoff’sund vander Velde’s, die bei der willkürlich modifizierten Herzfrequenz erhebliche ‘Schwankungen der Atmungstätigkeit nicht beobachten konnten, finden sich bei meinen Versuchen beträchtliche Änderungen in der Art und dem Rhythmus der Respiratiin. Schon Pease erwähnt AÄtem- schwankungen bei der willkürlichen Beschleunigung seiner Versuchs- personen, und zwar war die Accelerationsperiode von tieferen Inspirationen begleitet und von kürzerer Exspiration gefolst, bei Beginn der Beschleunigung wird vor Erteilung des Rejzes der Atem in mittlerer Thorakalstellung angehalten, und bei stärkster Be- schleunigung findet sich ein ziemlich langer Atemstillstand in dieser Stellung. Einen Teil dieser Beobachtungen können wir auch bei unseren Kurven wiederfinden; wird das Zeichen zum Einsetzen der Acceleration gegeben, so bleibt die Atmung bei Beginn der „Anstrengung einen Augenblick stehen, wobei es einerlei ist, ob sich der Thorax in In- oder Fxspirationsstellung befindet; dann erfolet während der ganzen Beschleunigungsperiode hindurch schnelleres, oberflächlicheres Atmen und beim Aufhören der Acceleration ein bis drei, bei langer. Beschleunigungsperiode mehrere tiefe Atemzüge, bis 592 Max Koehler: die normale ruhige Atmung wieder einsetzt. Diese mit der willkür- lichen Beschleunigung zusammen auftretenden Modifikationen des Atmungsrhythmus sind so auffällig, dass man die Acceleration des Herzschlages nur als eine Folge dieser Atemschwankungen ansehen und dementsprechend einen direkten Einfluss auf das Herz leugnen könnte; infolgedessen war es nötig, die Wirkung der primär modi- fizierten Atmung auf den Herzschlag näher zu verfolgen und fest- zustellen, ob die bewusste Nachahmung der bei der Beschleunigung unwillkürlich stattfindenden Differenzen in Zahl und Art der Respiration uns denselben Erfolg wie die direkt hervorgebrachte Pulsbeschleunigung |liefert. Die Abhängigkeit des Herzschlages von der Atmung ist eine allbekannte und von vielen Forschern bestätigte Tatsache, so wird der Puls schon bei jeder Inspiration frequenter, bei jeder Exspiration seltener; dieser öfters schon bei normalem Atmungsrhythmus auf- tretende „Pulsus respiratorius“ kommt augenblicklich nicht in Frage und ist im folgenden noch besonders behandelt; hier handelt es sich darum: erstens, ob starke willkürliche Änderung der Respiration von entsprechenden Frequenzänderungen des Herzschlages begleitet sind, zweitens, ob die sich ergebenden Differenzen mit der bei der willkürlichen Anstrengung erhaltenen Fulserhöhung identisch sind. Die Versuche von Hering!) am Kaninchen haben gezeigt, dass ein Einfluss der Atmung auf die Herzfrequenz besteht, und „zwar in dem Sinne, dass durch tiefes und beschleunigtes aktives und passives Atmen die Pulsfreguenz der Herzschläge gesteigert wird“. Beim Menschen haben besonders Brasch und Guttmann?) die Abhängigkeit des Pulses von der Respiration besonders eingehend studiert und uns gezeigt, „dass sich eine mässige Erhöhung der Puls- frequenz selbst schon durch eine geringe Beschleunigung der Atmung hervorrufen lässt, und zwar eine Erhöhung von 3—12 Schlägen in der Minute, und dass eine willkürlich foreierte Atmung die Pulszahl konstant um etwa 15—18 Schläge in der Minute steigert, unabhängig vom Ernährungszustand, Temperament und Befinden‘. In letzter Zeit haben Albrecht°) und vor allen Dingen Putzig) sich eingehend mit der Änderung der Pulsfrequenz durch 1) Hering, Pflüger’s Arch. Bd. 60 S. 460. 2) Fortschritte d. Med. Bd. 18 H.4 S. 61. 1900. 3) Albrecht, Die Atmungsreaktion des Herzens. 1910. 4) Putzig, Zeitschr. f. exper. Path. u. Therap. Bd. 11. 1912. Über die willkürl. Beschleunigung des Herzschlages beim Menschen, 593 die Atmung beschäftigt; Putzig, der in seiner Arbeit uns gleich- zeitig die Ergebnisse der bisherigen Untersucher gut zusammengestellt wiedergibt, kommt auf Grund vieler Versuche unter anderem zu dem Resultat, „dass unter normalen Verhältnissen bei schneller oberflächlicher Atmung eine Erhöhung der Durchschnittsfrequenz im allgemeinen resultiere, dass bei Atenıstillstanud in Inspirationsstellung sich im Durchschnitt während des aktiven Inspiriums eine Be- schleunigung um 12,6 Pulse pro Minute, in der ersten Phase des Dauerinspiriums eine Verlangsamung um 12 Pulse pro Minute finden lässt, dann kehrte die Frequenz zur Norm zurück und blieb bis auf eine kurze Beschleunigung auch in der Nachwirkungsperiode un- verändert“. „Bei den Fxspirationsversuchen (Atemstillstand in Fxspirationsstellung) fand sich während der aktiven Exspiration keine über die Norm hinausgehende Verlangsamung, in der Zeit des Dauerinspiriums eine geringe Beschleunigung, in der Nachwirkungs- periode kehrte die normale Frequenz wieder.“ Weiter besteht die Erfahrung, dass rare Respiration, die durch tiefe Inspirationen unterbrochen wird, eine auffällige Verlangsamung der Herzschläge bewirkt, während frequentes oberflächliches Atmen zum Gegenteil führt. Tiefste Inspiration mit dem Versuche zur Exspiration (Valsalva’s Versuch) hat, wie Knoll!) gezeigt hat, eine Beschleunigung mit nur vorausgehender Verlangsamung der Herzfrequenz zur Folge, während Sommerbrodt?) Beschleunigung während und gleich nach dem Versuch, später Verlangsamung der Herztätigkeit fand. Bei dem Müller’schen Versuche — tiefste Exspirationsstellung mit dem angestrengten Versuche zur Inspiration — fand Knoll während des Versuches eine Erhöhung, nach dem Versuche Abnahme der Herzfrequenz. Ähnliche Einflüsse, wie die direkt modifizierte Atmung, können foreierte Kontraktionen der gesamten Atemmuskulatur auf die Frequenz des Herzschlages ausüben, wobei sowohl der intrathorakale Druck wie die starke Muskelbewegung mitbeteiligt sind; auch kommen Frequenzänderungen durch aktives Pressen, doch nur bei grosser und zugleich langer Anstrengung zur Geltung, wobei die darauf beruhende Erhöhung der Pulsfrequenz zumeist an die beginnende Dispnöe gebunden ist, 1) Knoll, Lohe’s Jahrb. ft. Naturwissensch. 1880. 2) Sommerbrodt, Zeitschr. f. klin. Med. Bd. 2. 1881. 594 Max Koehler: Meine Versuche, die sich auf die Abhängigkeit des Herzschlages von der Atmung beziehen, wurden teils mit der graphischen Methode, teils durch direkte Beobachtungen ausgeführt und ergaben in allen Fällen eine Abhängigkeit des Pulses von der Art und dem Rhythmus der Atmung, die jederzeit in der Norm beobachtet wird und auch bei nicht zu übertriebenen Versuchen, die ja bei der willkürlichen Pulsbesehleunigung ebenfalls nieht in Betracht kommen, eine Puls- differenz bis zu höchstens 15—18 Schlägen pro Minute aufweist. Schon dieses Ergebnis beweist, dass bei einer Pulsbeschleunigung bis zu 35 Schlägen Differenz pro Minute noch andere Umstände mitspielen müssen. Die Versuche zur Feststellung der durch die Atmung erfolgten ‚Pulsdifferenz sind leicht anzustellen und auch jederzeit zu wieder- holen; ich gebe hier auf einer Tabelle ein durchschnittliches Resultat meiner Versuche wieder, das wohl als normal zu bezeichnen ist. Die Atemzüge und die Pulszahl wurden auf "/» Minute ausgezählt und auf 1 Minute umgerechnet angegeben. Atemzüge Ak (willkürlich ver- Pulszahl T Thoraxstellung ändert) der Atmung 16 70 - normal mittel 60 68 flach exspiratorisch ns 64 tief normal 0 68 — tiefste Inspiration 0 78 _ tiefste Exspiration Der Valsalva’sche Versuch ergab wie der Müller’sche auf 1/a Minute stets Beschleunigung, aber nie stieg diese Erhöhung der Pulsfrequenz über 16 Schläge pro Minute gegenüber der normalen. Die Tabelle ergibt als grösste Pulsdifferenz bei willkürlicher Atem- differenz 14 Schläge pro Minute, bei anderen Versuchen erhielt ich Differenzen bis zu höchstens 18 Schlägen pro Minute. Diese hohen Zahlen erhielt ich jedoch nur beim Messen der Pulszahl zwischen häufigen tiefen Atemzügen und langanhaltendem Atemstillstand in Exspirationsstellung; versuchte ich die zusammen mit der willkürlichen Pulsbeschleunigung auftretenden Atem- schwankungen, die aus den diesbezüglichen Kurven ersichtlich sind, nach Zahl und Tiefe genau nachzuahmen, so ergaben sich Puls- differenzen bis zu höchstens 8 Schlägen pro Minute; verband ich mit diesen Atemmodifikationen noch Kontraktionen der Thoraxmuskeln, Über die willkürl. Beschleunigung des Herzschlages beim Menschen. 595 wurde also noch ein künstlicher starker Druck ausgeübt, so betrug die Differenz bis zu 12 Schlägen; nie war es dagegen möglich, auf diesem Wege eine beträchtlichere Pulserhöhung zu erzielen. Es unterliegt demnach keinem Zweifel, dass die bei der Be- sehleunigung zu beobachtenden Respirationsschwankungen bei mir nicht als die primäre Ursache für die Beschleunigung in Frage kommen, zumal dieselben völlig unwillkürlich auftreten; als weiteren triftigen Beweisgrund füge ich noch hinzu, dass es mir gelang, bei vollkommenem Stillstand der Respiration durch den erteilten Willens- impuls zur Pulsbeschleunigung noch eine Erhöhung der Pulsfrequenz um 18—20 Schläge maximal pro Minute zu bewirken. Ein Gefühl des Pressens oder der Atemnot tritt bei den Ver- suchen nie auf, während ein gewisses Beklemmungs- und Druckgefühl sich meist bemerkbar macht; das schon erwähnte Gefühl der Spannung in den Halsmuskeln dehnt sich auf die Thoraxmuskulatur nicht aus. Eine endgültise Entscheidung über die Bedeutung der Innervation der Atemmuskeln zur Frage der Pulsbeschleunigung liefert uns das Verhalten des Zwerchfells, das mit Hilfe der Röntgenstrahlen während der Periode der Beschleunigung beobachtet wurde. Herr Professor Brugsch, der in liebenswürdiger Weise die Röntgenuntersuchung vornahm, konnte im Augenblicke des Beginnens der willkürlichen Be- schleunigung einen Stillstand des Zwerchiells feststellen; während der Accelerationsperiode und nach derselben jedoch waren keine Diffe- renzen gegenüber der bei gewöhnlicher Atmung beobachteten Be- wegungen zu sehen; selbstverständlich stieg die Zahl der Bewegungen entsprechend der erhöhten Frequenz der Atmung. Wir haben infolge- dessen keinen Grund zu der Annahme, dass eine bedeutende Inner- vation der Atmungsmuskulatur erfolge, die in so grossem Masse die Frequenz der Herztätigkeit zu ändern imstande wäre, und können somit die Beteilieung der Atmungsmuskulatur an der willkürlich erhöhten -Pulsfrequenz völlig ausser acht lassen. Da wir demnach die Schwankungen im Respirationsrhythmus nur als Erscheinungen ansehen können, die durch den Impuls zur willkürlichen Acceleration hervorgerufen werden, dieselbe begleiten, dagegen nicht erst die Acceleration bewirken, so fragt es sich, wie wir die beobachteten und ständig mit der Beschleunigung auftretenden Atmungsänderungen erklären können. Es ist möglich, dass gleich- zeitig mit den Zentren für die Regulierung der Herzfrequenz ein dementsprechender Reiz auf die Zentren der Respiration ausgeübt Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd. 158. 39 596 Max Koehler: wird; doch scheint es mir wahrscheinlicher, dass reflektorisch eine Änderung des Respirationsrhythmus hervorgerufen wird, die uns leicht verständlich wird, wenn wir die Anstrengung zur Erhöhung der Pulsfrequenz mit einer beliebigen starken Muskelanstrengung vergleichen. Bei starken Muskelkontraktionen finden wir ebenfalls schnelleres flacheres Atmen und längere tiefe Atemzüge nach Be- endigung der Anstrengung. Auch der augenblickliche Stillstand der Atmung beim Einsetzen des Reizes lässt sich auf diese Weise erklären; jedoch spielt hierbei die gespannte Aufmerksamkeit auf die plötzliche Erteilung des Reizes sicher eine nicht unbedeutende Rolle. Der Einfluss des Blutdruckes auf die Herztätigkeit und seine Änderung infolge der willkürlichen Beschleunigung. Sind somit die Atmungsdifferenzen als direkte Ursache der will- kürlich erhöhten Herzfrequenz auszuschalten, so müssen wir weiter forschen, ob die willkürliche Pulsacceleration von einer Änderung des arteriellen Druckes begleitet ist und ob die etwa sich ergebenden Blutdruckschwankungen als Grund für die Pulserhöhung in Betracht kommen. Tarchanoff stellte über diesen Punkt weitgehende Versuche an und gelangte zu dem Resultat, dass zwar „eine beträchtliche ‚Erhöhung des Blutdruckes stattfindet, diese aber nur eine Begleit- ‚erscheinung sein kann, da die Blutdruckerhöhung der Herzschlag- ‚beschleunigung durchaus nieht vorangeht, sondern nur dieselbe begleitet und um eine beträchtliche Zeit überdauert“. Die Messungen, die Tarcehanoff mit dem Sphygmomanometer von Basch anstellte und bei denen er genaue Blutdruckschwankungen von wenigen Millimetern festzustellen glaubte, sind wohl heute als vollkommen unzureichend zu betrachten, da die Apparate viel zu viel Fehlerquellen aufweisen und geringe Blutdruckschwankungen mit der Beschleunigung gar nicht in direktem Zusammenhang zu stehen brauchen, zumal Tarchanoff mit einer ausserordentlich hohen Erregbarkeit des vasomotorischen Systems seiner Versuchs- ‚person rechnen musste. In meinem Falle ist diese leichte vaso- motorische Erregbarkeit wohl auszuschliessen, da bei meinen Ver- suchen weder eine Rötung des Gesichtes noch Temperaturunterschiede der Haut festzustellen waren und auch sonst der Gleichgewichts- zustand des vasomotorischen Systems als vollkommen normal zu bezeichnen ist; ebenfalls fehlt das Auftreten von Schweiss auf Stirn Über die willkürl. Beschleunigung des Herzschlages beim Menschen. 597 und Händen und folgender Kopfschmerz, der bei den Versuchen von Pease zu beobachten war. Ich habe den Blutdruck vor, während und nach dem Versuche bestimmt. Dazu benutzte ich die Tonometer von Gaertner und von Potain. Die Messungen mit dem ersten Apparat, der durch seine Ein- fachheit den geringsten störenden Einfluss auf die Fähigkeit der Beschleunigung ausübt und uns den arteriellen Druck im Finger angibt, zeigte nach verschiedenen Messungen einen durchschnittlichen Druck von 118 mm der Quecksilbersäule. Während der Beschleunigungs- periode liessen sich mit diesem Apparat die Messungen auf Millimeter nicht ausführen; dagegen konnte auf folgende Weise eine Erhöhung des Blutdrucks festgestellt werden. Der Apparat wurde so eingestellt, dass der Druck in dem um- gelegten Gummiring ganz wenig grösser war als der Blutdruck im Finger, was durch vorhergehende Messungen und durch Pulsation im Finger festgestel& wurde. Wenige Sekunden nach Beginn der willkürlichen Anstrengung begann der Finger distal vom Ring sich zu röten, ein Zeichen, dass eine Blutdruckerhöhung durch den Be- schleunigungsakt hervorgerufen wurde. Dieser Versuch könnte auch gleichzeitig zeigen, dass, wie auch Tarchanoff angibt, die Erhöhung des Blutdruckes nicht augen- blicklich, sondern erst kurze Zeit nach Beeinn der Beschleunigung einsetzt; doch muss man in dieser Beziehung vorsichtig sein, da der normale Blutdruck stets schwankt und eine selbst plötzlich ein- tretende Blutdruckerhöhung noch nicht auszureichen braucht, um den Überdruck im Gummiring, der ja nur ungefähr richtig auf den Grenzpunkt eingestellt werden kann, augenblicklich zu überwinden. Die Messungen mit dem Apparat von Potain beruhen darauf, dass mit Hilfe eines kleinen mit Luft gefüllten Gummiballons, der mit einem Manometer verbunden ist, die Arteria radialis zusammen- gepresst wird, bis distal von dieser Stelle der Puls nicht mehr fühlbar ist. Die Versuche, die schon infolge des subjektiven Empfindens des Beobachters nicht als genau anzusprechen sind, ergaben als Durch- schnitt verschiedener Messungen folgendes Resultat: 39 * 598 Max Koehler: A | ner) | Blutdruck in mm Hg I. a a VE 80 143—145 Beschleunigung 104 150 j Ruhe so ee el) 145 I. Ruhe Beer 82 142 Beschleunigung . . . . 96 150 Ruhe.se ne 76 147 Ruhere.BAnRE IR BEE, s0 142 Buhes neu. Non a2 82 145 Puls auf eine Minute ausgezählt. = Die Resultate dieser Blutdruckbestimmungen ergaben zwar ebenfalls eine Steigerung des arteriellen Druckes, die mit der Acceleration Hand in Hand geht, doch wäre es unrecht, endgültige Schlüsse aus diesen Messungen wegen der unzureichenden Methode der Beobachtung zu ziehen. Ein ganz anderes Bild ergaben die Versuche, die in neuester Zeit mit dem Sphygmanometer von Uskoff ausgeführt wurden, wo der Druck der Arteria brachialis graphisch reeistriert wird. Eine Reihe von Versuchen, die bei normaler und bei willkürlich beschleunigter Herztätigkeit mit diesem Apparat ausgeführt wurde, lieferte folgendes Ergebnis: Höchster Niedrigster Nr. Eulzaıl Druck Druck Normaler Puls. 1 70 144 98 2 70 142 93 3. 16) 150 96 4 68 144 102 b) 16 146 96 Beschleunigter Puls. 1 85 162 118 2 90 158 112 3 92 164 ? Durch diese Messungen ist die durch die ersten Versuche erhaltene Blutdruckerhöhung durch die Acceleration vollauf bestätigt worden, und zwar beträst sie bei einer Beschleunigung von ca. 15 bis 20 Schlägen pro Minute bis 20 mm Quecksilber, wobei die Be- Über die willkürl. Beschleunigung des Herzschlages beim Menschen. 599 schleunigung ca. 5 Sekunden vor dem Schreiben der ersten Zacke einsetzt. Die Versuche, den Blutdruck direkt nach der Beschleunigungs- periode festzustellen, wurden so ausgeführt, dass der Apparat sofort nach vollendeter willkürlicher Acceleration in Betrieb gesetzt wurde; diese Methode hat sich jedoch nicht bewährt und auch ein negatives Resultat ergeben, da der in der Manschette herrschende Druck von 200 mm Quecksilber stark die willkürliche Beschleunigung wegen der grossen Unbequemlichkeit und Ablenkung von den auf die Acceleration gerichteten Gedanken hindert. Entfernt man diesen Druck dadurch, dass man die Manschette erst nach beendeter Be- schleunigung aufpumpt, so sind zwischen beendeter Acceleration und Blutdruckmessung bereits 30—40 Sekunden vergangen, eine Zeit, die bei unseren Versuchen stets zenügte, um eine etwaig die Accelerationsperiode noch überdauernde Blutdruckerhöhung auf die Grösse sinken zu lassen, die vor der Beschleunigung gemessen war. Fassen wir die erhaltenen Ergebnisse kurz zusammen, so ergibt sich eine ständige Erhöhung des arteriellen Druckes, verursacht durch die willkürlich vermehrte Schlagfrequenz des Herzens; die Blutdruckerhöhung ist durch die verschiedenen Messmethoden stets: festgestellt worden, schwankt aber in den Zahlen und steigt bei den Messungen mit dem Uskoff’schen Sphygmanometer bis auf 20 mm Quecksilber zegenüber dem normalen Druck. Eine Latenzzeit zwischen Acceleration und Erhöhung des Blutdruckes scheint eben- falls vorhanden zu sein; dafür sprechen die Versuche mit dem Gaertner’schen Apparate, während eine die Acceleration stark überdauernde Erhöhung des Blutdruckes nicht festgestellt werden konnte. Da demnach nach unseren Versuchen eine Erhöhung des Blut- druckes stets mit der Pulserhöhung Hand in Hand geht, so fragt es sich, ob nicht diese Erhöhung des arteriellen Druckes direkt durch den Willensimpuls hervorgerufen wird und ob erst sekundär eine Beschleunigung der Herzfrequenz dadurch hervorgerufen wird. Die Wirkungen, die Änderungen des Blutdruckes auf die Frequenz des Herzens ausüben, sind der Gegenstand vieler Forschungen gewesen und haben, soweit es sich um Tierversuche handelt, bei denen die extrakardialen Nerven ausgeschaltet waren, auch zu sicheren Re- sultaten geführt. Da es sich aber bei uns um einen unverletzten 600 Max Koehler: Organismus handelt, so können diese Ergebnisse für uns nicht in Betracht kommen; wir müssen uns vielmehr auf die Beobachtung stützen, dass Steigerungen des Blutdrucks eine Verlangsamung der Herzfrequenz, Abschwächung desselben eine Erhöhung der Pulszahl bedingt. Es ist nach Cyon wahrscheinlich, dass Drucksteigerungen vorwiegend auf die Zentren der Nervi vagi, Druckverminderung auf die Zentren der beschleunigenden Nerven einwirken. Wenn wir in unserem Falle also eine primäre Erhöhung des Blutdrueks annehmen, so könnte diese höchstens eine Verlangsamung der Herzfrequenz nach sich ziehen, nie dagegen eine Beschleunigung hervorrufen; ebenfalls müsste die Druckerhöhung bereits vor dem Eintreten der Acceleration festzustellen sein, während unsere Ver- suche eher auf ein Latenzstadium zwischen Beschleunigung und er- höhtem Druck schliessen lassen. Da aber bei Reizung der den Herzschlag beschleunigenden Nerven mit der Erhöhung der Herzfrequenz auch eine Steigerung des Blutdruckes nachgewiesen werden konnte, so ist es leicht verständlich, wenn wir in unserem Falle mit der Acceleration einen erhöhten Blutdruck beobachten können; demnach besteht also kein Zweifel, dass die Blutdruckerhöhung erst durch die eingetretene beschleunigte Herzfrequenz hervorgerufen wird; ob eine vom Herzen ausgehende reflektorische Erregung oder eine direkte Reizung des Blutdruckzentrums stattfindet, lässt sich nieht ohne weiteres ent- scheiden und kommt für unseren Beweis auch nicht weiter in Betracht. Die Form des Pulses. Wenden wir uns zur Form des Pulses und deren Veränderung infolge der willkürlichen Acceleration. Die Kurven, die vom normalen Pulsschlag mit dem Sphygmographen von Jaquet hergestellt wurden, zeigen einen guten normalen und regelmässigen Puls, wie er auf Fig. 1 zu sehen ist. Die Versuche, mit Hilfe dieses Apparates die Periode der Be- schleunigung aufzuzeichnen, gaben mir weniger glückliche Resultate, da der Gang des Apparates nur auf kurze Zeit beschränkt ist und geringe Bewegungen der Armmuskeln, die bei der Beschleunigung öfters unwillkürlich stattfinden, gleich eine starke Verschiebung des Hebels zur Folge haben und mir Formveränderungen lieferten, die zum erössten Teil als Kunstprodukte anzusehen sind. Fig. 2 zeigt den Puls inmitten der Accelerationsperiode mit diesem Apparate; die Form des Pulses weist zwar Veränderungen 601 Über die willkürl. Beschleunigung des Herzschlages beim Menschen. EN NN NN De a a Ne aa REG Te GER ae EEE Tu VB GR ER N GE VS WER GB ES VEN GER GE GERD ER GERNE ERREGER ED GER RE ERREGER EEE GER GER EEE GERN ER GER EEE REED EEE GERT — | BESAEN 602 Max Koehler: gegenüber der normalen auf, doch ist keine Unregelmässigkeit des Pulses, wie sie Tarchanoff beobachtete, festzustellen; auch zeigt der Puls nach der Beschleunigungsperiode dasselbe Aussehen wie vor der Acceleration. Dieses Abweichen von den Beobachtungen Tarehanoff’s, der am Ende der Accelerationsperiode einen kleinen unregelmässigen Puls registrierte, wird wohl dadurch erklärt, dass bei seinen Ver- suchen die Zeit der Acceleration stark ausgedehnt und meistens bis zur Ermüdung der Versuchsperson betrieben wurde, während ich meine Versuche vorsichtshalber nie bis zu der Zeit der Erschlaffung fortgesetzt habe. Zur Kontrolle der durch den Apparat von Jaquet erhaltenen Formveränderungen benutzte ich wieder die schon vorher erwähnte Methode durch Luftübertragung und erzielte damit Resultate, die deutlich die Veränderungen der Pulshöhe und Pulsform erkennen lassen. Im Augenblicke der Acceleration erfolgt, wie auch aus Fig. 1 (Taf. V) ersichtlich ist, ein Sinken der Pulshöhe um zirka ein Viertel der normalen; dieses Sinken nimmt bis zur Mitte der Beschleunigung zu, bis der Puls nur zwei Drittel seiner ursprünglichen Höhe er- reicht. Dort erfolgt ein geringer Stillstand der Verkleinerung, um im weiteren Verlauf der Beschleunigungsperiode wieder etwas zu steigen, ohne jedoch die ursprüngliche Höhe zu erreichen. Beende ich die willkürliche Anstrengung, so schnellt die Pulshöhe nach ein bis drei Kontraktionen empor, und zwar über das Anfangsmaass hin- aus, bleibt mit geringen Schwankungen auf dieser Höhe, um allmählich auf die Höhe vor der Beschleunigung zurückzukehren. Dieses Bild wiederholt sich mit geringen Modifikationen bei allen gut gelungenen Versuchen. Mit der Höhe geht gleichzeitig eine Veränderung der Pulsform einher; es erfolgt vom Momente der Acceleration an eine sich ver- stärkende Ausbildung des Dikrotismus, der immer mehr zunimmt und noch lange Zeit nach Beendigung der Beschleunigungsperiode bestehen bleibt; er verliert sich erst !/’—1 Minute rach beendeter Accelerationsperiode. Der Abfall des Pulses ist bedeutend steiler, und es tritt ein deutliches Verschwinden der kleinen Zacken ein. Diese Erscheinung macht sich besonders bei den Pulsen nach beendeter Accelerationsperiode geltend und schwindet eberfalls kurze Zeit nach Eintritt der Ruhe. Über die willkürl. Beschleunigung des "Herzschlages beim Menschen. 603 Die Schwankung der Pulsfrequenz durch Inspiration und Ex- spiration, ihre Beeinflussung dureh die willkürliche Acceleration. Weiter auffällig stark ausgeprägt ist die starke Abhängigkeit des Pulses von der Inspiration und Exspiration bei denjenigen Herz- schlägen, die kurze Zeit nach Beendigung der willkürlichen Be- schleunigung aufgezeichnet wurden. Die Unregelmässiekeit des Pulses zur Zeit der Inspiration und Exspiration ist ein häufig beobachtetes Phänomen und von vielen Autoren, wie von Klemenscewiez!), Riegel?), Fredericq°) und besonders von Wertheimer-Meyer‘), genau studiert und beschrieben worden. Letztere Autoren kommen auf Grund vieler Versuche zu dem Ergebnis, „dass beim Menschen und besonders bei: jungen Leuten der Puls periodisch mit dem Rhythmus der Atmung unregelmässig ist, und zwar bei der Inspiration nimmt die Frequenz zu, bei der Exspiration tritt das Gegenteil ein“. Diese Erscheinung macht sich besonders bei tiefer regelmässiger Atmung bemerkbar; zugleich ist der Puls bei der Inspiration kleiner, bei der Exspiration grösser, was mit dem bei veränderter Herzfrequenz ver- ändertem Blutdruck zusammenhängen soll. Ebenso meint Hering?), dass die Beschleunigung beim Inspirium, die Verlangsamung beim Exspirium normalerweise nur bei nicht zu flacher Atmung auftrete und pathologisch sei, wenn sie schon bei leichter Atmung hervortrete. Putzig‘) fand ebenso bei normaler Atmung und mittlerer Puls- frequenz während der Inspiration eine Beschleunigung, während der Exspiration eine Verlangsamung, im ganzen eine durchschnittliche Spannungsgrösse von 12 Pulsen pro Minute; bei tiefer Atmung stieg diese auf 26 Pulse pro Minute. Untersuche ich bei gewöhnlicher Atmung meinen Puls durch Befühlen, so ist kaum etwas von dieser Unregelmässigkeit zu spüren, was sich auch aus den Kurven ergibt; jedoch bei tiefer Atmung ist diese Erscheinung deutlich zu fühlen und auch in Fig. 3 deutlich sichtbar. Die Kurven sind mit dem Uskoff’schen Apparat bei konstantem 1) Sitzungsber. d. Wiener Akad. Bd. 74 S. 487. 1876. 2) Berliner klin. Wochenschr. 1876. 3) Arch. de Biol. belges 1882 p. 55. 4) Wertheimer-Meyer, Arch. de Physiol. norm. et pathol. 1889 p. 24. 5) Hering, Die Unregelmässigkeiten der Herztätigkeit. 23. Kongr. f. innere Med. 1906. SeButzio. l..c. EREMURIRA| FAHRERN RAS a EEEERRENRE Max Koehler ‘SD 604 u Über die willkürl. Beschleunigung des Herzschlages beim Menschen. 605 Druck von 100 mm Quecksilber aufgenommen. Diese während der normalen Atmung nicht sehr auffallende Erscheinung tritt plötzlich einige Zeit nach vollendeter Accelerationsperiode ganz sichtbar zutage, ohne dass irgendwelche Differenzen in der Zahl und Art der Atmung gegenüber den vorangegangenen Atemzügen vorliegen; ebenfalls schwindet diese merkwürdige Erscheinung in Ys—1 Minute nach ihrem Auftreten bis auf die minimalen Unterschiede, die bei ganz genauen Messungen vor und auch kurz nach der Beschleunigung festzustellen sind. Während der Acceleration selbst ist die Atmung so flach, dass der Einfluss der Atmungsperioden zu minimal ist, um Schwankungen dieser Art hervorzurufen. Auch ist es eigentümlich, dass die mit der Atmung periodisch auftretende Unregelmässiekeit erst dann am sichtbarsten hervortritt, wenn die Pulszahl auf das Minimum nach der Beschleunigung ge- sunken ist und sich wieder mit ansteigender Pulsfrequenz auch dem- entsprechend verliert. Fig. 4 zeigt die besprochene Erscheinung bei einer Kurve, die eine Minute nach beendeter Beschleunigung registriert wurde. Die Gründe für diese Figentümlichkeit sind nicht mit Bestimmtheit teszustellen; doch scheint es mir, dass die stärker sichtbare Abhäneig- keit des Pulses von der Inspiration und FExspiration durch die tieferen Atemzüge bedingt ist, die infolge der Ermüdung und inneren An- strengung regelmässig einer starken Beschleunigungsperiode folgen. Diese Unregelmässiekeit tritt aber erst dann deutlich zutage, wenn die Pulsfrequenz ziemlich niedrig ist, weshalb es auch dann am besten zu beobachten, wenn die Pulszahl nach der Acceleration auf ihr Minimum gesunken ist; diese Annahme würde auch das Ver- schwinden der Erscheinung bei wachsender Herzfrequenz erklären. Die von Nicolai!) gemachte Beobachtung, dass bei respiratorischer Arhythmie auf dem Elektrokardiogramm bei den kurzen Pulsperioden die gewöhnliche Atriumzacke öfters fehlt, hat sich auf unseren Kurven auch bei ausgeprägter respiratorischer Arrhythmie nicht bestätigt. Versuche mit Hilfe des E.K.G. Zur endgültigen Kontrolle der stets auf mechanischem Wege registrierten willkürlichen Beschleunigung der Herztätigkeit nahm ich die Methode zu Hilfe, mittels des Elektrokardiogramms die ver- 1) Kraus-Nicolai, Das Elektrokardiogramm an gesunden und kranken Menschen S. 239. Leipzig 1910. 605 " Er Mas Koenler mehrte Herzfrequenz direkt aufzunehmen und aus etwaigen Zacken- veränderungen auf die Art und Weise der erfolgten Acceleration schliessen zu können. Die ersten Versuche in dieser Richtung hin wurden unter gütiger Mithilfe von Herrn Professor Piper in Berlin ausgeführt und bestätigen vollkommen die durch die vorher erwähnten Methoden erhaltenen Resultate. Die Versuche wurden so ausgeführt, dass nach Möglichkeit jedes störende Moment und jede Fehlerquelle vermieden wurde. Um keine Extraströme zu erhalten, wurden die „unpolarisierbaren Elek- troden“ an die rechte Schulter und linke Hüfte angelegt; der Apparat befand sich entfernt von der Versuchsperson, und jeder Lichtreiz und jedes Sprechen wurden vermieden. Die Kurven stimmen genau mit den später dargestellten Elektrokardiogrammen überein, so dass es genügt, die aus den ersten Kurven erhaltenen Ergebnisse ohne Abbildung hier mitzuteilen. Vor dem Versuch betrug die Pulszahl 78, im Augenblicke der Beschleunigung steigt sie auf 90. während der Zeit von 12 Sekunden, dann auf 100 während 9 Se- kunden, fällt nach der Accelerationsperiode auf SO und 70, steigt von neuem unwillkürlich auf 85, um dann auf 76 und 72 im Laufe von 9 Sekunden zu fallen. Ein zweiter Versuch, bei dem leider keine Marken bei Beginn und Schluss der Acceleration gegeben wurden, zeigt auch einen Anfangspuls von 78, der infolge der Beschleunigung auf 102 steigt, um dann wieder auf 78 zu fallen. Die weiteren Versuche mit Hilfe der elektrokardiographischen Methode wurden in der zweiten medizinischen Klinik der Königlichen Charit& zu Berlin ausgeführt und ergaben ungefähr das gleiche Resultat. Da es nieht möglich ist, die fortlaufenden Streifen des Elektrokardio- gramms hier ganz abzubilden, so beschränke ich mich auf je ein Stück des Streifens vor, während und nach der Accelerationsperiode (Fig. 2, 3, 4 auf Taf. V). Die obersten Zacken stellen dieZeit dar, jede Zacke gibt V/1oSekunde an, dann folgen die Herzschläge, und die untere Kurvegibt die Atmung an, registriert durch einen auf die Brust geschnaliten Gummiballon. -Die Elektrokardiogramme zeigen in Form und Höhe der einzelnen Zacken das Aussehen eines normal und rhythmisch gut schlagenden Herzens. Bemerkenswert ist, dass zwischen den normalen und will- kürlich accelerierten Herzschlägen keine Veränderung im Aussehen der Zacken nachgewiesen werden kann; selbstverständlich schiebt Über die willkürl. Beschleunigung des Herzschlages beim Menschen. 607 sich infolge der erhöhten Frequenz das ganze Bild einer Einzel- kontraktion zusammen. Auch die Höhe der Zacken bleibt mit ge- ringen Schwankungen der J-Zacke, die auf den veränderten Blut- druck schliessen lässt, stets die gleiche. Weiter bemerkenswert ist es, dass die Beschleunigung weniger durch eine Verkürzung der Systolendauer, als vielmehr in einer solchen der Herzpause zustande kommt, worauf wir später genauer eingehen werden. Zum Zeichen, mit welcher Promptheit und Energie das Herz auf den zur Beschleunigung erteilten Willensimpuls reagieren kann, gebe ich eine Kurve wieder, die auch mit Hilfe der elektrokardio- graphischen Methode mit dem Edelmann’schen Apparat auf- genommen wurde (Fig. 5 auf Taf. V). Die erteilte Anstrengung wurde absichtlich gleich zu Beginn der Beschleunigung auf das Maximum getrieben, liess dagegen während der Accelerationsperiode bedeutend nach, was auch aus den Zahlen deutlich ersichtlich wird. Puls je auf 3 Sekunden ausgezählt, aber auf Minute berechnet angegeben. Zeitdauer Zustand b. V. - Pulszahl sek ukere en oe 60 20 Beschleunigung, Anfang. . . 80 6 Beschleunigung, Mitte. . .. 72 6 Beschleunigung, Mitte. ... . 78 6 Beschleunigung, Ende. ... . 18 6 Huber ee een 60 6 Ruhe or are 62 6 Ruben re art. 60 6 Buben Hs. en 58 6 Der Puls erhöht sich bei diesem Versuche fast augenblicklich um 20 Schläge pro Minute und fällt auch sehr schnell auf die Anfangsfrequenz; ebenso zeigt dieser Versuch, dass die Acceleration nicht im geringsten am Schlusse der Beschleunigungsperiode ihr Maximum zu erreichen braucht, sondern dass die Frequenz in der Acceleration ganz von der Stärke des erteilten Reizes abhängig ist. Auch bei dem Registrieren mit diesem Apparat sind keine Zacken- differenzen ersichtlich. Die elektrokardiographische Registrierung bestätigt uns in aus- sezeichneter Weise die hervorgebrachte erhöhte Herzfrequenz, und aus dem Gleichbleiben der Zacken können wir zugleich schliessen, dass der zu dieser Acceleration erteilte Reiz bereits auf Nerven 608 Max Koehler: ausserhalb des Herzmuskels wirken muss, sei es, dass er direkt auf die Zentren oder auf die peripheren Bahnen der Nerven wirkt und reflektorisch dann die Zentren in Erregung versetzt. Obgleich schon aus den Elektrokardiogrammen zu ersehen ist, dass durch die willkürliche Beschleunigung keine Unregelmässigkeit in der Schlasfolge des Herzens hervorgerufen wird, lag mir viel daran, das Verhalten des Venenpulses während der Periode der Beschleunigung noch zu beobachten. Die Messungen am Venenpuls, die mit dem Ohm’schen Apparat von Herrn Stabsarzt Ohm selbst in liebenswürdiger Weise ausgeführt wurden, stehen im Einklang mit unseren bisherigen Beobachtungen. Dabei ist zu erwähnen, dass die Registrierung des Venenpulses bei dieser Methode an einen Atemstillstand gebunden ist; es musste also eine Beschleunigung durch den Willensimpuls bei Stillstand der Respiration erfolgen, was auch in hinreichender Weise gelang. Fig. 6 u.7 (Taf. V) zeigt als untersten Bewegungsablauf den gut registrierten Venenpuls, in der Mitte ist der Radialispuls registriert, oben die Herztöne; die Zeit ist durch die Schatten auf dem Papier angegeben, der Abstand zwischen zwei Zeitmarken beträgt etwas über !/ Sekunde. Die stark willkürliche Beschleunigung ist aus der Differenz in den Entfernungen der Einzelpulse gut ersichtlich; die Linie der Herztöne weist zwar bei den in der Beschleunigung registrierten Pulsen zwischen den Zeichen der Einzeltöne grössere Zacken auf, doch sind diese auf geringes Zittern und Bewegen zurückzuführen; der Venenpuls lässt eine normale gute Arbeits- leistung des rechten Herzens erkennen; ausserdem treten bei der ‚ersten Aufnahme des normalen Pulses die einzelnen Schwankungeu des Venenpulses gut hervor. Differenzen im Venenpuls zwischen normaler und willkürlich beschleunigter Herztätigkeit sind nicht festzustellen. Die in dieser Figur ersichtliche etwas höhere systolische Welle fand sich in anderen Versuchen nicht bestätigt; der Anstieg der ganzen Kurve ist durch eine ganz geringe, andauernd etwas zunehmende intrathorakale Druckerhöhung bedingt, wie es bei un- willkürlichem Pressen der Fall ist. Dieses Pressen, das mit der Ohm’schen Registriermethode, auch wenn noch so gering, schon einen stark sichtbaren Anstieg der Kurve bedingt, ist jedoch so minimal, dass es keinen grossen Einfluss auf die Beschleunigung selbst ausüben kann. Die Messungen am Venenpuls bestätigen uns Über die willkürl. Beschleunigung des Herzschlages beim Menschen. 609 "die Regelmässigkeit des Herzschlages während der Beschleunigungs- periode; ferner können wir aus diesen Versuchen den Schluss ziehen, dass die Arbeitsleistung des rechten Herzens auch während der Acceleration dieselbe bleibt, und sind gewissermaassen berechtigt, das Gleichbleiben der Arbeitsleistung auch auf das ganze Herz aus- zudehnen. Zwei weitere in dieser Hinsicht angestellte Versuche ergaben dasselbe Resultat. Auch im vorliegenden Falle könnte der Einwurf gemacht werden, dass es sich bei der Beschleunigung der Pulsfrequenz nur um eine gesteigerte Abhängigkeit von der psychischen Gehirnfunktion handele. Bekanntlich steht die Frequenz der Herztätigkeit stark unter dem Einfluss von Gefühlen und Affekten; so ist schon der Gedanke an freudige Ereignisse mit einer Erhöhung der Pulsfrequenz ver- bunden, ebenso können das Denken und die Konzentration auf einen bestimmten Gegenstand, Änderung im Respirationsrhythmus und angenehme Vorstellungen erhebliche Änderungen im Herzrhythmus herbeiführen. Bezüglich dieser dureh Vorstellungen und Affekte hervor- gebrachten Pulsacceleration verweisen wir auf die von Tarchanoff angeführten Fälle und auf die psychologische Literatur. Die Möglichkeit einer Modifikation der Pulsfrequenz von der Psyche aus glauben wir mit vollem Recht für unseren Fall ausschliessen zu können, denn es findet zwar bei dem Gedanken an freudige Ereignisse eine messbare Pulsbeschleunigung bei mir statt, doch ist diese Acceleration unbedeutend im Vergleich zur willkürlichen; ferner setzt sie nie so augenblicklich ein wie letztere, und schliesslich, was die Hauptsache ist, sind im Augenblicke der willkürlichen Be- schleunigung die Gedanken einzig und allein auf die Acceleration gerichtet, und diese kann auch nur bei konzentrierter Aufmerksamkeit auf den Willensakt gut ausgeführt werden. Wie die Herztätigkeit unter dem Finflusse von Vorstellungen steht, die eine Änderung des Gemütszustandes herbeiführen , so ist es auch möglich, dass die Suggestion eine gewisse Rolle bei der Acceleration mitspielen könnte. Dass es möglich ist, durch Ver- stärkung der psychischen Erregung bei Menschen, die der Suggestion leicht zugänglich sind, eine Erhöhung der Pulsfrequenz zu erzielen, hat Beaunis deutlich bewiesen, der bei seiner Versuchsperson je nach der Art der Suggestion eine Verlangsamung, aber auch eine Beschleunigung der Pulsfrequenz bewirken konnte. 610°. elle IKoalnllers Die Beschleunigung durch Suggestion ist in, unserem Faile natür- lich gänzlich auszuschalten, wenn man nicht eine gewisse Auto- suggestion annehmen wollte. . Die Autosuggestion, d. h. der Wille, etwas zu tun, verbunden at ; der Überzeugung, dass die Tat auch dem Willen gemäss gelingt, mag wohl bei der willkürlicben Beschleunigung mitspielen, doch erklärt sie keineswegs die Vorgänge bei der Acceleration selbst und ist auch nicht. als Grund für dieselbe anzusehen. ' Die Vermehrung der Herzfrequenz durch stärkere Muskelaktion ist in unserem Falle ebenfalls auszuschliessen, da die Versuche stets in völliger Ruhe, teilweise sogar im Liegen ausgeführt wurden; auch findet keine mechanische Reizung irgendwelcher Nerven statt. Da wir die Atmung- und Blutdruckveränderungen während der Zeit der willkürlichen Beschleunigung als Grund für dieselbe bereits oben ausgeschlossen haben, so besteht kein Zweifel, dass es sich in unserem Falle um eine Beschleunigung der Herzfrequenz handelt, die nur dureh den Willen, verbunden mit einer durch diesen Willen hervor- gerufenen Anstrengung zur Acceleration, hervorgerufen werden kann. Diese Acceleration der Herzfrequenz kann einzig und allein durch eine direkte Beeinflussung des Nervensystems herbeigeführt werden. Es kann demnach die Acceleration durch eine Nervenverbindung der Grosshirnrinde und den Zentren oder peripheren Nerven für die Frequenzregulierung der Herztätiskeit bedinet sein; derartige Ver- bindungen, die die Tätigkeit der Grosshirnrinde auf die Herz- zentren vermitteln, müssen ja vorhanden sein, da nur durch sie eine Frequenzabhängigkeit des Herzens von Vorstellungen und Affekten zu erklären ist; nur sind diese Nervenbahnen für die: meisten Menschen nicht für den vom Grosshirn direkt geschickten Willens- impuls durchgängig. Schon Tarchanoff nimmt eine. solche Ver- bindung der Grosshirnrinde mit den direkten Zentren der herz- beschleunigenden Nerven an, und auch für uns liegt kein Grund vor, eine für den direkten Willensimpuls durchgängige Reizleitung zwischen Rinde und Herzzentren in der Medulla oblongata zu leugnen; im Gegenteil würde für diese Annahme sprechen, dass ausser in unserem Falle der direkte Einfluss des Willens auf die Herztätigkeit tatsächlich öfters beobachtet ist und die Fälle auch mit geringen Abweichungen in der Art übereinstimmen, wie dieser Reiz zur lleızacceleration erteilt wird. Falls aber der Einwand erhoben würde, eine solche direkte Über die willkürl. Beschleunigung des Herzschlages beim Menschen. 611 Reizleitung zwischen Grosshirnrinde und Zentren für die Herzfrequenz sei unmöglich, so müssten wir eine Reizleitung vom Grosshirn auf irgendwelche untergeordnete Zentren oder Ganglien des Herzens annehınen, die ihrerseits reflektorisch wieder die direkten Zentren für den Herzmechanismus in Erregung versetzen. Ob diese Annahme die richtige ist, und welchen Weg die Reizleitung in diesem Falle sich bahnt, lässt sich nicht angeben. Es käme für unseren Fall ein Einfluss der Grosshirnrinde auf die Cervicalganglien des Sympathieus in Betracht, deren Erregung entweder eine direkte Reizung der Nervi accelerantes zur Folge haben würde oder — was wahrscheinlieher ist — reflektorisch einen Reiz auf die Hauptzentren der herz- beschleunigenden Nerven ausübten. Besteht aber, wie wir angenommen haben, ein Einwirken auf die Zentren der Herznerven, so fragt es sich, welche Nerven erregt bzw. gehemmt werden müssen, um diese Beschleunigung der Herz- frequenz hervorrufen zu können. Da es sich in unserem Falle hauptsächlich um eine chronotrope Nervenwirkung handelt, so sind zuerst die Nerven zu berücksichtigen, die eine Beschleunigung oder eine Verminderung der Herzfrequenz verursachen können. Für die Beschleunigung kommen die im Sympathieus verlaufenden Nervi accelerantes, für die Hemmung der Herzteil des Nervus vagus in Betracht. Die Physiologie dieser Nerven bedarf einiger näherer Angaben. Wirkung der Acceleratoren. Nach Entdeckung der Nervi accelerantes musste die Frage auf- geworfen werden, ob die herzbeschleunigenden und hemmenden. Nerven eine absolut antagonistische Wirkung auf das Herz ausüben. Trotzdem sich die Gebrüder Cyon nach der Entdeckung der Acceleratoren bereits für den absoluten Antagonismus dieser Nerven entschieden hatten, schienen die Versuche von Schmiedeberg!) am Frosch eher gegen einen solchen Antagonismus der Nerven zu sprechen. Schmiedeberg beobachtete, dass bei gleichzeitiger gleich starker Reizung beider Nerven die Wirkung der Hemmung überwiegt, und dass nach beendeter Reizung die Nachwirkung der Accelerantes stark in den Vordergrund tritt, während Baxt?) auf 1) Schmiedeberg, Sächs. Berichte Bd. 23 S. 155 f. 1871. 2) Baxt, Arbeiten d. pbys. Inst. zu Leipzig 1875. Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd. 158. 40 612 : IE Max Koehler: Grund seiner Versuche zu dem Ergebnis kam, dass die Vaguswirkung stets die des Accelerans unterdrücke und die nach Aufhören der Vagusreizung auftretende Pulsbeschleunigung nicht durch die be- schleunigenden Nerven verursacht sei. Dieser Ansicht traten sowohl Strieker und Wagner!) wie Meltzer?) entgegen, die aus den Tabellen von Baxt nachwiesen, dass die Herzfrequenz bei gleich- zeitiger Vagus- und Acceleransreizung stets höher war als wenn der Vagus allein gereizt wurde. Ferner ergaben die Versuche von Frank°) und Reid Hunt), dass Acceleransreizung auch bei er- haltenen Vagis und Vagustonus eine Beschleunigung herbeiführt, und ebenso gelang es Bayliss und Starling’), bei Accelerans- reizung trotz vorhergegangener Vaguserregung eine Frequenzerhöhung herbeizuführen. Diese schon für sich beweisenden Tatsachen wurden von Hunt noch dadurch tatsächlich klargestellt, dass bei geeigneter Abstufung der gleichzeitigen Vagus- und Acceleransreizung sich ihre Wirkung in bezug auf Frequenz und Stärke ausgleichen lässt und die Nerven insofern als reine Antagonisten zu betrachten sind, als ihre Reizung Änderung des Rhythmus der Ventrikelkontraktionen zur Folge hat. Die von Hunt an Hunden, Katzen und Kaninchen gemachten Ver- suche wurden von Cyon durch gleichzeitige Versuche bestätigt, der zur Lösung der Frage noch die Latenzdauer der auf die Reize reagierenden Nerven berücksichtigte. Wenn wir also in bezug auf die Herzfrequenz einen Absaltien Antagonismus der herzbeschleunigenden und hemmenden Nerven annehmen können und den rhythmischen Herzschlag nach Hunt als eine verschiedene Erregung der Zentren dieser beiden Antagonisten uns verursacht denken, so kann eine Änderung der normalen Herz- frequenz in einer Änderung dieser Erregungen bestehen, und zwar können wir mit demselben Recht, da es sich bei uns nur um eine beschleunigende Wirkung handelt, eine stärkere Erregung des Acceleranszentrums bzw. eine Abschwächung der bestehenden Er- regung des Vaguszentrums für unsere willkürliche Acceleration an- nehmen; doch müssen wir auch hier wieder betonen, dass wir es 1) Stricker und Wagner, Wiener med. Jahrb. 1878. 2) Du Bois’ Arch. 1872 S. 476. 3) Sitzungsber. d. Ges. f. Morphol. 1897. 4) Americ. Journ. of Physiol. vol. 2 p. 422 ff. 5) Journ. of Physiol. 1892. Über die willkürl. Beschleunigung des Herzschlages beim Menschen. 613 mit Versuchen am lebenden Organismus zu tun haben und wir bei diesem nie mit einer völlig reinen hemmenden oder beschleunigenden Wirkung rechnen können, da die Wirkung eines Nerven stets mit einer begleitenden bedeutend schwächeren des entgegengesetzt wirken- den verbnnden ist und der endgültige Effekt nur von einer verschie- denen Kombinationswirkung der einzelnen Nerven abhängt. Von dieser Kombinationswirkung müssen wir jedoch vorläufig vollkommen absehen, und die an Tierversuchen bei Reizung der herzhemmenden bzw. herzbeschleunigenden Nerven gemachten Er- fahrungen mit unseren Resultaten in Einklang zu bringen versuchen. Tarchanoff erklärt die Fähigkeit der willkürlichen Puls- beschleunigung durch eine direkte Einwirkung auf die beschleunigenden Nerven, während Hunt in dem Kapitel seiner Arbeit „Voluntary Acceleration of the heart“ mit Berücksichtigung der Arkeiten von Tarehanoff, Pease und van de Velde auf Grund seiner Ver- suche über die beschleunigenden Nerven am Säugetierherzen zu dem entgegengesetzten Schlusse kommt, nämlich dass, wie die meisten Fälle von schneller Herzaktion durch eine Verminderung der tonischen Erregung des Herzhemmungszentrums zu erklären sind, es sich bei der Beschleunigung durch den Willensimpuls auch nur um eine Herabsetzung des Vagustonus handle. Können wir uns für eine dieser Erklärungen endgültig ent- scheiden? Zuerst müssen wir berücksichtigen, welche direkten Ein- flüsse einer Reizung der Acceleratoren bei Tieren sich bemerkbar machen. Reizt man isoliert die Neıvi accelerantes, so ergibt sich be Reizung der nur für die Herzfrequenz in Betracht kommenden Fasern eine Beschleunigung der Pulszahl, verbunden zugleich mit einer Abnahme der Pulshöhe; ihre Wirkung besteht nur in einer veränderten Arbeitsverteilung des Herzens in der Zeit. Diese von Cyon und Bezold vertretene Ansicht wurde auch durch die Ver- suche Schmiedeberg’s, Boehm’s und Bowditsch’s sowie von Baxt bestätigt, wenn auch viele Autoren, wie Heidenheim, Gaskell, Roy-Adami u. a. m., die entgegengesetzte Ansicht vertraten, dass nämlich die Reizung der Acceleratoren mit der Be- schleunigung zugleich eine Erhöhung der Pulskurve mit sich brächten. Dass die Ergebnisse dieser Forscher scheinbar denen ihrer Vorgänger widersprechen, legt Cyon in seinem Werke aus-. führlich klar, und wir können auch für unsere Versuche annehmen, 40 * 614 Max Koehler: dass bei einer Beschleunigung durch direkte Einwirkung auf die Acceleratoren mit der Erhöhung der Frequenz zugleich eine Ver- kleinerung der Pulshöhe einhergehen müsse. Reizt man dagegen nicht nur die rein beschleunigenden Fasern, so erhält man ausser Frequenzänderung noch Blutdruckänderungen und auch Modifikationen im Kontraktionszustande des Herzens. Diese letzte Beobachtung verdanken wir besonders Löwitt!), der bei seinen Versuchen am Froschherzen Kurven erhielt, wie bei Acceleransreizung „die während der Acceleratorreizung verkleinerten Einzelpulse wieder an Grösse zunahmen, trotzdem die Beschleunigung noch weiter anstieg“. Diese Ergebnisse veranlassten Löwitt, „die wesentliche Bedingung für die Verkleinerung des Einzelschlages während der Acceleration in einem geänderten Kontraktionszustande der Herzmuskulatur zu erblicken“ und „die beschleunigte Herztätigkeit nicht als den alleinigen Grund für die Verkleinerung der Einzel- schläge anzunehmen‘, d. h., es ginge bei Acceleratorreizung mit der chronotropen Wirkung eine durch entsprechende Fasern verursachte inotrope Nervenwirkung einher. — Weiter ergibt sich bei Reizung der Nervi accelerantes eine von Baxt?) und Frank°) beobachtete starke Verkürzung der Systolen- dauer, während nach Mackenzie*) und Frank?) der Vagus seine Wirkung nur auf die Pause zwischen zwei Herzschlägen ausübe; Einthoven®) stellte am Katzenherzen bei Frequenzabnahme eine geringere Verlängerung der Systole, eine grössere der Diastole fest; ebenso zeigen die neuesten Versuche von Blumenfeldt-Putzig’) am Hunde, dass entsprechend der Frequenzänderungen des Herzens, hervorgerufen durch den Nervus vagus, die Herzpause grössere Schwankungen aufweist als die Systole. Ausserdem hat uns Stewart?°) gezeigt, dass zwischen Reizung der Accelerantes und Erhöhung der Pulsfrequenz einige Sekunden vergehen, und dass die erhöhte Schlagfrequenz die Periode der Beschleunigung um zirka 1) Pflüger”’s Arch. Bd. 60. 2) Baxt, Du Bois’ Arch. 1878 S. 132. 3) Frank, Sitzungsber. f. Morphol. u. Physiol. S. 59. München 1897. 4) Mackenzie, Lehrb..der Herzkrankheiten, übers. von F. Grothe. 1907. 5) Frank, ]. c. 8.59. _ 6) Einthoven-Wieringa, Pflüger’s Arch. Bd. 149. 1912. 7) Blumenfeldt-Putzig, Pflüger’s Arch. Bd. 155 S. 450. 8) Stewart, Journ. of Physiol vol. 13 p. 93. 1892. Über die willkürl. Beschleunigung des Herzschlages beim Menschen. 615 dieselbe Zeit überdauert; Boehm!) hat darauf aufmerksam gemacht, dass sich durch Reizung der Accelerantes nur ein konstantes “ Maximum der Beschleunigung erreichen lässt, welches unabhängig ist von der Herzfrequenz vor der Reizung; ebenfalls lässt sich eine Ermüdung dieser Nerven durch dauernde Reize nicht falls nicht diese Reizung sehr lange Zeit anhält. Vergleichen wir die Ergebnisse der Tierversuche mit den aus meinen Versuchen erhaltenen Resultaten, so fällt zunächst auf, dass mit der Beschleunigung eine starke Verkleinerung der Pulshöhe einhergeht, die im vorigen bereits geschildert wurde. Die Abnahme der Pulshöhe jedoch entspricht nicht genau der Zunahme der Frequenz; im Gegenteil tritt bei stärkerer Acceleration wieder eine Zunahme der bereits stark gesunkenen Pulshöhe ein, und ebenfalls ist bei den Pulsstössen nach beendeter Beschleunigungsperiode trotz ziemlich starken Modifikationen in der Frequenz eine dauernde sich gleichbleibende Abnahme der emporgeschnellten Pulshöhe bis zur Norm festzustellen. Da wir es bei einer Reizung der Herzzentren nie mit einer ausschliesslichen Acceleransreizung zu tun haben, sondern sicher noch ein Einfluss auf die benachbarten vasomotorischen und die den Kontraktionszustand des Herzens betreffenden Zentren ausgeübt wird oder auch die wieder zunehmende Pulshöhe reflektorisch erfolet, so können wir von dieser noch während zunehmender Beschleunigung wieder anwachsenden Pulshöhe absehen und eine Beschleunigung wie in unserem Falle als eine direkte Wirkung der Accelerantes be- trachten. Aus dieser Tatsache können wir auf einen deutlich hervortretenden Einfluss der. Nervi accelerantes. bei der Puls- beschleunigung durch den Willensimpuls schliessen, doch braucht diese Acceleration nicht auf einer direkten Reizung oder einer Tonuserhöhung des Beschleunigungszentrums beruhen, sondern es kann nur die Wirkung der Acceleratoren besonders deutlich her- vortreten, da die diesen Nerven entgegengesetzt gerichtete Kraft, nämlich die durch die Nervi vagi hervorgebrachte Hemmung, be- deutend herabgesetzt ist. Es steigt also die Herzzahl durch die Acceleranswirkung nicht, weil ein Reiz auf diese Nerven ausgeübt wird, sondern weil die hemmende Wirkung fortfällt und demnach eine den Herzschlag beschleunigende Kraft frei wird. Dass diese 1) Boehm, Arch. f. exper. Pathol. Bd. 4 S. 365 und 407 ff. 1875. 616 Max Koebhler: Kraft dieselbe Wirkung ausüben muss, wie eine durch Reizung hervorgebrachte Acceleransreizung, liegt auf der Hand. Aus dem Gesagten geht zwar deutlich ein Einfluss der Nervi accelerantes auf die Fähigkeit der Beschleunigung hervor, doch lässt sich aus dem Verhalten zwischen Pulshöhe und Pulsfrequenz keines- wegs die für uns entscheidende Antwort geben. Veränderung der Systolendauer. Was die Länge der Systolendauer betrifft, so ist es schwierig, genaue Schlüsse aus den mit Luftübertragung gewonnenen Kurven zu ziehen, während uns zur Entscheidung dieser Frage die an- gefertigten Elektrokardiogramme von grösstem Nutzen sind. In der Bezeichnung der einzelnen Zacken des Elektrokardiogramms richte ich mich nach der von Nicolai!) angegebenen; falls also eine Verkürzung der Systolendauer stattfindet, müsste die Ausdehnung der die Ventrikelschwankung anzeigenden Zacken geringer sein oder die Zacken J und 7 einander näherliegen. Die genauen Ent- fernungen an den Elektrokardiogrammkurven : zwischen den in Be- tracht kommenden Zacken wurden mit einem Zirkel ausgemessen, wobei sich eine geringe Differenz bereits in den Zackenentfernungen bei den einzelnen normalen Pulsstössen ergab; ein Unterschied zwischen den Pulsen vor und während der Beschleunigung ist bei ganz genauer Messung festzustellen, doch ist diese Differenz der Zackenentfernung minimal im Verhältnis zu der auffällig starken Verkürzung der Herzpause, ersichtlich auf den Figuren. Die starke Änderung in der Herzpause gegenüber der geringeren der Systole liesse eber auf eine überwiegende Vaguswirkung- bei der Be- schleunigung durch den Willensimpuls schliessen; da jedoch bei jeder Beschleunigung der Herzfrequenz die Verkürzung der Herz- pause sanz bedeutend die der Systolendauer überwiegt, so weist doch schon diese geringe Verkürzung der Systolendauer auch auf eine Beteiligung der Nervi accelerantes an der willkürlich hervor- gebrachten Pulsbeschleunigung hin. Anderung der Latenzdauer. Kontrollieren wir meine Kurven, ob sich zwischen erteiltem Reize und dem Eintreten der Beschleunigung eine Latenzdauer finden lässt, I) IE & Über die willkürl. Beschleunigung des Herzschlages beim Menschen. 617 so ist stets eine Latenzzeit zwischen erteiltem Reize und erfolgter Beschleunigung festzustellen, die sich auf ein bis zwei Pulsstösse ausdehnen kann, mitunter allerdings geringer ist. Von einer mehrere Sekunden lang dauernden Latenzzeit kann in unserem Falle aller- dings nicht gesprochen werden; aber die in ‘dieser Richtung hin angestellten Versuche beziehen sich auch nicht auf den menschlichen Organismus, wo wir von vornherein eine so lang ausgedehnte Latenzzeit nicht anzunehmen berechtigt sind. Fig. 1 (Taf. V) zeigt uns sehr deutlich, wie zwar die ersten Pulse schon eine geringe Beschleunigung aufweisen, dass aber erst nach diesen Pulsen die Wirkung der Acceleration deutlich zutage tritt. Dass diese Latenz- zeit nur sehr geringe Zeit in Anspruch zu nehmen braucht, ist aus Fig. 5 (Taf. V) deutlich ersichtlich, wo die Ausdehnung des ersten Pulses nach registrierter Beschleunigung nur drei Viertel des letzten Pulses vor derselben beträgt; doch muss man hinzufügen, dass bei diesem Versuche der Augenblick, in dem der Reiz erteilt wurde, nicht ganz genau festgelegt wurde. Nachwirkung der Beschleunigung. Wie die Beschleunigung mit einer messbaren Latenzzeit beginnt, so können wir auch eine Nachwirkung der Accelerationsperiode beobachten. Die Pulszahl sinkt zwar gleich nach beendeter willkür- licher Beschleunigung ziemlich rapide, doch ist stets eine Erhöhung der Frequenz gegenüber der Pulszahl vor eingetretener Beschleunigung festzustellen; ebenfalls können wir eine sich geltend machende Nachwirkung darin erblicken, dass bei fast allen Versuchen nach dem ersten Sinken der Pulsfrequenz unwillkürlich wieder eine Be- schleunigung zu verzeichnen ist, die desto länger anhält und um so stärker ist, je länger die vorangehende Accelerationsperiode gedauert hat, was auch aus den erst angeführten Tabellen ersichtlich ist. Dass die Pulszahl im Augenblicke beim Aufhören des erteilten Reizes so stark sinkt, könnte wohl damit erklärt werden, dass der Reiz auf die Acceleratoren plötzlich aussetzt und die hemmende Wirkung der Nervi vagi sich stark geltend macht, bis durch die noch be- stehende Acceleranserregung wieder ein Kompensationszustand eintritt, der vorerst noch eine Beschleunigung hervorruft, dann durch Erholei von dem Reize aber eine Verlangsamung, bis der normale Gleich- gewichtszustand der beiden antagonistischen Nerven wiederhergestellt ist. Dementsprechend finden wir auch nach der zweiten unwillkürlich 618 BR Max Koehler: stattfindenden Acceleration stets ein allmählich gleichmässiges Sinken der Pulsfrequenz unter die vor dem Versuche gemessene Zahl und eine ebenso langsam sich wieder herstellende normale Herzfrequenz. Die subjektive Empfindung der einzelnen Herzschläge nach lang an- haltenden Beschleunigungen ist ebenfalls als eine noch anhaltende Wirkung des Reizzustandes aufzufassen. Hätten wir es nur mit einem Nachlassen des Vagustonus zu tun, so wären alle diese Er- scheinungen viel schwerer verständlich; im Gegenteil müsste nach meiner Ansicht bei Wiederherstellung des Tonus nach beendetem Impuls eine ausgeprägt stark hemmende Wirkung zu beobachten sein. Maximum der Beschleunigung. Wie verhält es sich nun bei mir mit dem bei Acceleratorreizung von der Herzfrequenz unabhängigen Maximum der Beschleunigung ? Das Maximum der willkürlichen Beschleunigung habe ich mit 35 Schlägen pro Minute beobachtet, dech war es gleich, ob die Pulszahl vor willkürlicher Acceleration 62 oder 80 Schläge pro Minute betragen hat; es scheint uns demnach eher ein Maximum der zu erreichenden Beschleunigung zu bestehen, als das einer durch diese Beschleunigung hervorgebrachten erhöhten Pulsfrequenz; doch ist es leicht möglich, dass das zu erreichende Maximum bei Aecelerator- reizung noch keineswegs erreicht ist, da die Pulszahl bei hoher An- fangsfrequenz des Pulses plus willkürlicher Acceleration nie über eine solche von 135 Schlägen pro Minute stieg. Ob das beobachtete Maximum der willkürlichen Pulsbeschleunigung mit 35 Schlägen noch bei bestehender Pulsfrequenz von über 100 Schlägen pro Minute erreicht werden kann, vermag ich nicht zu entscheiden, da ich bei diesen Versuchen, wo die erhöhte Pulszahl auf eine körper- liche. Anstrengung zurückzuführen war, nie die willkürliche An- strengung bis zum äussersten trieb, sondern mich mit der Tatsache begnüste, dass auch bei einer derartig gesteigerten Herzfrequenz die Beschleunigung durch den Willensimpuls zu erreichen ist. Ebenso vermag ich kein Urteil über die bei der Reizung ein- tretende Ermüdung abzugeben, da ich meine Versuche nie über 1 Minute ausdehnte und die auftretende Ermüdung des Körpers mit der Anstrengung selbst, aber nicht mit einer Ermüdung der Nerven in Zusammenhang gebracht werden kann. Ein trotz grosser An- strengung erfoletes allmähliches Nachlassen der erreichten Be- schleunigung habe ich erst bei den ersten über 1 Minute lang fort- Über die willkürl. Beschleunigung des Herzschlages beim Menschen. 619 gesetzten Beschleunigungsperioden beobachten können. Gerade dieser Umstand veranlasste mich, die Periode nie über diese Zeit aus- zudehnen. : Erklärungsversuch der willkürlichen Beschleunigung. Die Vergleiche der an Tieren gemachten Beobachtungen mit den Resultaten meiner Versuche lassen stets ein deutliches Hervor- treten der Acceleratorenwirkung auf den Herzschlag erkennen; ich möchte mich infolgedessen zugunsten einer direkten Wirkung dieser den Herzschlag beschleunigenden Nerven entscheiden. Für diese Annahme spricht noch die Mög- ‚ liehkeit, durch verschiedene Modifikationen in Zahl und Stärke der Reize eine dementsprechende Änderung in der Grösse der Acceleration zu be- wirken. Der Reiz nämlich, der zur Beschleunigung erteilt wird, ist nicht eine dauernde, ständig fühlbare Willensanstrengung, sondern eine Reihe von aufeinanderfolgenden Impulsen, zwischen denen teils kürzere, teils längere Pausen unvermeidlich sind. Schon Pease weist darauf hin, dass zur Acceleration nicht ein einziger starker Impuls, sondern eine Folge von kurzen allmählich stärker werdenden Anstrengungen nötig sind. Die oben besprochene Fähigkeit der modifizierten Beschleunigungsstärke ist demnach zum grossen Teil wohl auch auf die Zahl und die Stärke der einzelnen Impulse zurückzuführen. Dass wir es aber mit einer unzweifelhaften Er- regung im Gebiete des Sympathieus zu tun haben, dafür spricht mit Sicherheit die bei Erteilung des Reizes zur Pulsbeschleunigung sofort eintretende Erweiterung der Pupille, die eine Reizung des Muse. dilatator pupillae und somit eine Erregung des Sympathicus bestimmt erkennen lässt. Bei genauer Beobachtung dieser Erscheinung finden wir, dass je nach der Stärke des angewendeten Reizes eine dem- entsprechende Pupillenerweiterung auftritt, die sofort beim Aufhören der willkürlichen Aecceleration schwindet. Ebenso variiert die Grösse der Pupille entsprechend der Zahl der erteilten Willens- impulse, was sich bei genauer persönlicher Beobachtung durch abwechselndes Verengen und Erweitern der Pupille entsprechend den ruckweise erteilten Reizimpulsen gut zeigen lässt. Ob es sich bei Er- regung der herzbeschleunigenden Nerven um eine primäre Erhöhung des Acceleratorentonus handelt oder erst um eine reflektorische Er- regung dieses Zentrums der beschleunigenden Fasern, ausgehend von ‚untergeordneten Zentren, ist auch aus diesen Überlegungen nicht 620 Max Koehler: ersichtlich; die letzte Tatsache der Pupillenerweiterung kann sowohl für eine direkte Einwirkung der Grosshirnrinde auf den Sympathieus oder vielmehr auf dessen Ganglien sprechen, die ihrerseits die höheren Zentren, so besonders das der Nervi accelerantes, in Erregung ver- setzen, oder es kann durch Erregung der im Sympathieus verlaufenden Nervi accelerantes eine sekundäre Erregung der Nerven für die Pupillenerweiterung stattfinden; sicher feststellen können wir jedoch, dass die Beschleunigung der Herzfrequenz hauptsächlich und primär durch eine Reizwirkung auf die den Herzschlag beschleunigenden Nervi accelerantes verursacht wird. Ebenso stimmt die mit der willkürlichen Beschleunigung einhergehende Blutdruckerhöhung mit den vorher schon erwähnten bei Acceleransreizung gewonnenen Resultaten _ durchaus überein. Wenn wir also geneigt sind, die Hauptwirkung der Pulsbeschleunigung auf eine Erregung der Nervi accelerantes oder deren Zentren zukommen zu lassen, so ist es doch möglich und sehr wahr- scheinlich, dass die durch die primäre Reizung der Accelerantes hervorgebrachte Beschleunigung des Herzschlages von einer sekundären Abnahme des die Herzfrequenz hemmenden Vagustonus unterstützt wird, zumal eine leichte Labilität des Vagus bei uns vorhanden ist. Dafür spricht schon der ausgeprägte „Pulsus respiratorius“, ferner die Tatsache, dass bei geringer Vaeusreizung durch einseitigen Druck auf den Nerven an der Karotis schon eine starke Verlang- samung der Herzschläge mit langen Herzpausen hervorgerufen werden konnte. Die erhaltenen Kurven zeigen keine wesentlichen Ver- änderungen gegenüber der normalen Pulsform ; ich brauche sie daher nicht abzubilden; ebenso unterliess ich es, nach dieser Feststellung weiter in dieser Hinsicht Versuche anzustellen. Zur Entscheidung der Frage, ob der Vagus wesentlich bei der Acceleration durch den Willen beteiliet ist, wäre es nötig, die Wirkung einiger bekannter Herzeifte, wie das Coffein, Atropin, Adrenalin usw., auf die Fähigkeit der Pulsbeschleunigung hin zü prüfen; doch musste ich von diesen beabsichtigten Versuchen auf die Warnungen und das Zureden einiger Ärzte Abstand nehmen, zumal bereits die letzten Versuche mit dem Uskoff’schen Apparat uns einige Unregelmässigkeiten lieferten, die ich nicht allein einer Be- wegung des Armes zuzuschreiben vermag. Das Nachlassen des Vagustonus, verbunden mit Reizung der Nervi accelerantes oder deren Zentren, ist schon deshalb wahrscheinlich, da die durch den Willensimpuls hervorgebrachte Pulsbeschleunigung Über die willkürl. Beschleunigung des Herzschlages beim Menschen. 62] immerhin ziemlich bedeutend ist und, wie ich bereits hervorgehoben habe, wir es mit so komplizierten Innervationsverhältnissen des Herzens zu tun haben und somit nie mit einer einheitlichen Wirkung einer Art von Nerven rechnen können. Diese Annahme wird noch dadurch bekräftiet, dass wir zusammen mit der willkürlichen Puls- beschleunigung unwillkürlich stattfindende Erregungen der Atmungs- und vasomotorischen Zentren beobachten können, die uns zwar das Zusammenarbeiten der einzelnen Organe und deren Funktionen im Körper deutlich vor Augen führen, aber leider dementsprechend die Deutung des Falles an sich sehr erschweren. Fassen wir die Hauptpunkte unserer Ausführungen hochmals zusammen, so ergibt sich: 1. Es ist mir möglich, jederzeit rein willkürlich durch einen be- stimmten Willensimpuls die Zahl der Herzschläge um 10—535 Schläge pro Minute zu erhöhen, unabhängig von der Herzfrequenz vor Er- teilung des Reizes. 2. Die Frequenzerhöhung der Pulszahl ist begleitet von Ände- rungen der Atmung und Erhöhung des Blutdrucks, die stets mit der Beschleunigung einhergehen, aber nicht als die Ursache für die Acceleration angesehen werden können. 3. Die willkürliche Pulsbeschleunigung bewirkt eine Ver- kleinerung der Pulshöhe. und ein deutlicheres Hervortreten der einzelnen Pulszacken, während sie weder eine Unregelmässigkeit noch eine Änderung in der Arbeitsleistung der Herztätigkeit zur Folge hat. 4. Die Beschleunigung des Herzschlages wird wahrscheinlich durch eine primäre Reizwirkung auf die den Herzschlag beschleunigen- den Nervi accelerantes bewirkt. 5. Es ist weiter anzunehmen, dass bei starker Beschleunigung die Wirkung der Nervi accelerantes durch eine Abnahme des Tonus der herzhemmenıden Nerven und deren Zentren unterstützt wird, so dass dadurch die normale Wirkung der Acceleratoren besser zur Ent- faltung kommen kann. Tafelerklärung. Fig. 1. Kurve der willkürlichen Beschleunigung mittels Luftübertragung. Oberste Linie gibt Atmung an (aufsteigende Linie — Inspiration, absteigende — Ex- spiration. Mittlere Kurve stellt den Puls der Art. radialis dar, die unterste die Zeit, jeder Strich = !/a5s Sek. + = Zeiten zum Beginn der Beschleunigung, ++ = Zeiten zum Schluss der Beschleunigung. 622 Max Koebler: Über die willkürl. Beschleunigung des Herzschlags etc. Fig. 2, 3, 4. Streifen aus einer Kurve der willkürlichen Beschleunigung mit Hilfe des E.K.G. Die Zacken oben geben die Zeit an, je '/ Sek., die mittlere Linie zeigt die Herzkontraktionen, die unterste die Atmung an. Fig. 2: Puls vor der Beschleunigung beträgt 64 pro Min., Fig. 3: Puls während der Beschleunigung beträgt 80 pro Min., Fig. 4: Puls nach der Beschleunigung beträgt 62 pro Min. Fig. 5. Ganzer Verlauf eines Versuchs mit Hilfe des E.K.G. Beginn und Schluss der Beschleunigung durch + und +-+ gekennzeichnet. Fig. 6. Kurven, aufgenommen mit dem Ohm’schen Venenpulsapparat. Oberste Linie gibt die Herztöne wieder, die mittlere den Radialpuls, die unterste den Venenpuls. Die Zeit ist durch die Schatten angedeutet. Puls ist normal. Fig. 7. Gleich Fig. 6, nur Puls während der willkürlichen Beschleunigung. 623 Nachtrag zu meiner Arbeit: Über die mit Hilfe des Stereoskopes .nachweisbare Verschieden- heit der Lokalisation zwischen den in den ge- kreuzten und ungekreuzten Sehnervenfasern fortgeleiteten Gesichtsempfindungen. Von Dr. Emil Berger, ausl. korresp. Mitglied der kgl. belg. und kgl. span. Akademie der Medizin. (Mit 3 Textfiguren.) Im letzten Hefte dieses Archivs (Bd. 156 S. 602) habe ich den Nachweis geliefert, dass es mit Hilfe des Stereoskopes gelinge, die Lokalisation der in den gekreuzten und den ungekreuzten Seh- nervenfasern fortgeleiteten Gesichtsempfindungen, jede für sich ge- sondert, zu prüfen. Wenn man die Sehnervenfasern nach der Netz- haut, von welcher sie ihren Ursprung nehmen, bezeichnet, so kann man die Resultate meiner Untersuchung am besten in folgender Weise resumieren: Die Gesichtsempfindungen werden in den links- seitigen ungekreuzten Sehnervenfasern nach rechts, in den links- seitigen gekreuzten Sehnervenfssern nach links, in den gekreuzten rechtsseitigen Sehnervenfasern nach rechts und in den rechtsseitigen ungekreuzten Sehnervenfasern nach links projiziert. Diese Ergeb- nisse dürften insbesondere Neurologen (Lokalisation von Hirntumoren) interessieren. Herr Dr. Ed. Claparede, Professor der experimentellen Psychologie an der Genfer Universität, welcher meine Tafeln seinen Hörern demonstrierte, machte mich darauf aufmerksam, dass man gegen die Versuchsanordnung den Einwand erheben könne, dass das Gehirn die farbigen Papiere gemäss ihrer Lage zu den Fixierpunkten sich projiziert vorstelle, und dass dadurch sich die Verschiedenheiten in den beiden Versuchen erklären lassen. Herr Prof. Claparede hob auch die infolge der Verschiedenheit der Konvergenz auf- tretende Verschiedenheit der Lokalisation hervor und betonte diese 624 Emil Berger: insbesondere mit Hinweis auf die bekannten stereoskopischen Tafeln von Kroll, von welchen z. B. bei jener, welche einen Käfig auf der einen und einen Vogel auf der anderen Seite darstellt, je ach der Verschiedenheit der Konvergenz des Beobachters, der Vogel ent- weder innerhalb des Käfigs oder rechts oder links ausserhalb des- selben erscheinen kann. Fig. 1. Stereoskopische Tafel. nen anhersnahenn der Tafel im Stereoskope. Um diesem Einwande zu begegnen, habe ich den zweiten Ver- such so ausgeführt, dass ohne Angabe von Fixierpunkten und ohne Einfluss der Konvergenz die Untersuchung der mit un- gekreuzten Sehnervenfasern ver- sehenen Netzhautteile ('/s der Gesamtfasern) erfolgt. Ich habe zu diesem Zwecke die in Fig. 1 dargestellte Tafel konstruiert, auf welcher im rechten oberen Teile des linken Gesichtsfeldes ein grünes und im linken unteren Teile des rechten Gesichtsfeldes ein rotes Quadrat angebracht sind. Welche Lage immer die Gesichtslinien bei der Wahr- { f nehmung dieser Tafel haben en 5 u mögen, das Resultat ist stets > ee 18.2 qgasselbe: das grüne Quadrat erscheint rechts, das rote links (vgl. Fig. 2). Blicke ich jedoch nach dem rechten Rande des oberen grünen Quadrates, wobei dessen Bild schon auf die mit gekreuzten Sehnervenfasern versehene Netzhauthälfte fällt, so verschwindet für mich wenigstens bereits das Bild des roten Quadrates. ’ Kernfläche Ster. Tafel Nachtrag zu meiner Arbeit: Über die mit Hilfe des Stereoskopes etc. 625 Die Erklärung der in Fig. 2 dargestellten Wahrnehmung dürfte darin zu suchen sein, dass das Gehirn bei der Betrachtung im Stereoskope die farbigen Quadrate (vgl. das Schema in Fig. 3 gu. r) nach der im Vereinigungspunkte der beiden Gesichtslinien (77) ge- legenen Kernfläche projiziert. Wie aus dem Schema hervorgeht, würde das auf der linken Hälfte der stereoskopischen Tafel an- gebrachte rote Quadrat nach rechts und das in der rechten Hälfte der stereoskopischen Tafel angebrachte rote Quadrat nach links vom Vereinigungspunkt der beiden Gesichtslinien (7) projiziert werden. Die gleichen Erscheinungen erhalte ich übrigens auch ohne Stereoskop, wenn ich die stereoskopische Tafel (Fig. 1) stark den Augen nähere, wobei mir die beiden Quadrate umgekehrt angeordnet (das rote links, das grüne rechts) in Zerstreuungskreisen erscheinen. In dieser Weise gedeutet, würde auch der zweite Versuch (Fig. 3, 4 und 6, S. 604 und 606), ebenso wie der erste, im Sinne der nati- vistischen Theorie zu erklären sein. 626 Richard Cords: (Aus der kgl. Universitäts-Augenklinik zu Bonn.) Bemerkung zu der Arbeit von Berger: Die mit Hilfe der Stereoskopie nachweisbare Verschiedenheit etc.!). Von Privatdozent Dr. Richard Cords. (Mit 2 Textfiguren.) Berger berichtet über zwei stereoskopische Versuche, mittels deren er die Verschiedenheit der Lokalisation zwischen den in den gekreuzten und ungekreuzten Sehnervenfasern fortgeleiteten Gesichts- empfindungen nachweisen zu können glaubt. Die Versuche lassen sich leicht nachprüfen und sowohl bei der Betrachtung der Figuren mit parallelen Blicklinien als auch im Stereoskop ohne weiteres bestätigen. Ist man aber berechtigt, so weitgehende Schlüsse aus denselben zu ziehen, wie Berger es tut? Ich bilde die beiden Berger’schen Figuren hier nochmals ab, nur mit dem Unterschiede, dass ich nicht die Farbe durch Tüpfe- lung markiere, sondern die auf der Doppelnetzhaut sich deckenden Partien schraffiere bzw. weiss lasse (Fig. 1 und Fig. 2). Man braucht sich nur die mit einer Klammer versehenen Hälften übereinander- geschoben zu denken, um die Deckung bei der stereoskopischen Be- trachtung zu verstehen. Wird in Fig. 1 der Punkt f im Stereo- skope fixiert, so fällt die grüne Hälfte des vom linken Auge ge- sehenen Bildes auf dessen nasale Netzhauthälfte, die weisse Hälfte des vom rechten Auge gesehenen Bildes auf dessen temporale Netz- hauthälfte.e Da die Punkte dieser Netzhauthälften im Doppelauge Deckstellen sind und der linken Gesichtsfeldhälfte entsprechen, wird auf der linken Seite gesehen: Grün (mit Pfeilspitze) + Weiss. Und da das Weiss im Wettstreite der Sehfelder grösstenteils ausgelöscht 1) Pflüger’s Arch. Bd. 156 S. 602. Bemerkung zu der Arbeit von Berger: Die mit Hilfe der Stereoskopie etc. 527 wird, bleibt somit Grün (mit der Pfeilspitze). Ebenso wird auf der rechten Seite gesehen: Rot + Weiss = Rot (mit dem Pfeilende). Ebenso verhält es sich mit Fig. 2. Hier decken sich, wie man sieh durch Übereinanderschieben der Figuren leicht deutlich machen kann, in der linken Gesichtsfeldhälfte das Weiss des linksäugigen Bildes und das Rot (+ Pfeilenden) des rechtsäugigen; es resultiert Rot (mit den Pfeilenden). In der rechten Gesichtsfeldhälfte decken sich das Weiss des rechtsäugigen Bildes und das Grün des lınks- äusigen, es resultiert Grün (mit den Pfeilspitzen). In allen Ver- suchen ist das Rot sowohl wie das Grün infolge des Wettstreites der Sehfelder mehr weissverhüllt, insbesondere um die Pfeilstücke. Es ergeben sieh also die Resultate der Berger’schen Versuche sanz einwandfrei aus der Überlegung, welche Teile der Figur auf l.Auge r. Auge I. Auge r. Auge Deckstellen fallen. — Sehen wir also schon theoretisch keine Ver- anlassung, hier eine verschiedene Funktion der gekreuzten und ungekreuzten Nervenfasern zu suchen, so wird diese Deutung durch einen ergänzenden Versuch ad absurdum geführt. Man stelle im Stereoskop die Figuren ein, indem man zunächst den Punkt f fixiert, und erhält den beschriebenen Eindruck. Nun- mehr wende man den Blick nach rechts oder links. Der Eindruck bleibt derselbe, obwohl nun nicht mehr nur gekreuzte und un- gekreuzte Nervenfasern verschieden erregt werden. Man kann dabei mit grossen Stereoskoplinsen so weit zur Seite sehen, dass beide zu- erst auf heteronymen Netzhautstellen abgebildeten Farben auf homo- nyme Stellen fallen. Nach Fertigstellung dieser Bemerkung kam mir der vorstehende Nachtrag!) der Berger’schen Arbeit zur Kenntnis. Es geht aus 1) Pflüger’s Arch. Bd. 158 S. 62. Pflüger’s Archiv für Physiologie, Bd. 158, 4l 628 Richard Cords: Bemerkung zu der Arbeit von Berger etc. demselben hervor, dass Claparede bereits den gleichen Einwand wie ich machte, der Autor aber trotzdem an seiner Auffassung fest- hielt. Natürlich gilt auch für seinen neuen Versuch dasselbe wie für die alten. Betrachtet man die neue Fig. 1 im Stereoskop, so fällt das kleine grüne Quadrat in die temporale Gesichtsfeldhälfte des linken Auges, wird also nasal, d. h. nach rechts lokalisiert; das kleine rote Quadrat fällt in die temporale Netzhauthälfte des rechten Auges, wird also ebenfalls nasal, d. h. nach links lokalisiert. Infolge- dessen wird nun das erüne (Quadrat rechts, das rote links gesehen. Berger selbst kam auch auf meinen ergänzenden Versuch. Sagt er doch: „Welche Lage immer die Gesichtslinien bei der Wahr- nehmung dieser Tafel haben mögen, das Resultat ist stets dasselbe.“ Er würde auch die folgende Einschränkung nicht gemacht haben, wenn er bei Betrachtung mit parallelen Blicklinien weit genug zur Seite gesehen oder genügend grosse Stereoskoplinsen angewandt hätte. Von einer falschen Lokalisation der auf dem Wege der ge- kreuzten Sehnervenfasern zur Hirnrinde geleiteten optischen Fr- regungen kann somit nicht die Rede sein. Pierersche Hofbuchdruckerei Stephan Geibel & Co. in Altenburg. d. ges. Physiologie Bd. 158 N ee BBRR NN ANNE INN 7 N ii Ne AT “ Su — HANSE NN. N Hrn \ | ARE 9 a en en Ve Ve, 4) Ne enivwann j\ in “ une 1 NN Pe „ u IN iu ‘ y) i # AN j in N HR in N N ah MOFA de I N ( X : ALIEN £ N NEN DU OKE 4 hi Dann sl ! KK DRAN A] l ik 5 WHSE