RE) RR EN DES E er a et PERLE MR NEE see‘ RE RR) LH ER iur 24 e N u Be a a 5 FR, ET u * I RR Er KEN RER) rt PER PC, FEHLT DE wat, “ “ ‚ et . x EEE SEHE EEE RL a Du “. + a * + FT NE % Lk MR fr EM EH ee « Ay » Prrl s E 2m =“ w ag ae A Tat, . In 7 CHIC ALERT TER, 2 or wintst . “r “ ” u. . sr Fi DENN NN, ” “ .. . er "au PFLÜGER® ARCHIV FÜR DIE GESAMTE PHYSIOLOGIE DES MENSCHEN UND DER TIERE. HERAUSGEGEBEN VON MAX VERWORN PROFESSOR DER PHYSIOLOGIE UND DIREKTOR DES PHYSIOLOGISCHEN INSTITUTS DER UNIVERSITÄT BONN UNTER MITWIRKUNG VON PROF. BERNHARD SCHÖNDORFF IN BONN. BAND HUNDERT UND SECHZIG. MIT 4 TAFELN UND 249 TEXTFIGUREN. 33 BONN, 1915. VERLAG VON MARTIN HAGER. Inhalt. Erstes, zweites und drittes Heft. Ausgegeben am 21. Dezember 1914. Untersuchungen über den Lichtsinn bei Echinodermen. Von Prof. C. Hess in München. (Mit 6 Textfiguren.) (Aus der zoologischen Station in Neapel) . i SER Wassergehalt und Temperatur der ausgeatmeten Luft. Von G. Galeotti. (Mit 1 Textfigur.) (Aus dem Institut für allgemeine Pathologie der kgl. Universität Neapel). Über Vorhofflimmern und Vorhofflattern. Von Brof 04 I. Rothberger und Prof. H. Winterberg. (Mit 12 Text- figuren und Tafel I, II und III.) (Aus dem Institute für allgemeine und experimentelle Pathologie in Wien) Zur vergleichenden Physiologie des His’schen Bündels. III. Mit- teilung. Die atrioventrikuläre Erregungsleitung im Vogel- herzen. Von Ernst Mangold und Toyojiro Kato. (Mit 30 Textfiguren.) (Aus dem physiologischen Institut der Universität Freiburg i. Br.) le Experimentelle Untersuchungen über akute Herzschwäche. Von Ch. Socin. (Mit 28 Textfiguren.) (Aus dem pharmako- logischen Institut der Reichsuniversität Utrecht) . Viertes, fünftes und sechstes Heft. Ausgegeben am 25. Januar 1915. Über die absolute Kraft der Muskeln im menschlichen Körper. Von J.H.O.Reys, Arztim Haag (Holland). (Mit 8 Textfiguren.) Beiträge zur Wirkung der Xanthinderivate. Fünf Mitteilungen von Dr. J. W. Golowinski aus Moskau. Vorwort von Professor Dr. C. Jacobj, Tübingen Seite 27 42 gl 132 183 IV Inhalt. Seite Beiträge zur Frage über die Wirkung der Xanthinderivate, I. Mitteilung. Zur Frage der elastischen Eigenschaften des lebenden Gewebes unter besonderer Berücksichtigung des ruhenden quergestreiften Muskels (Gastroenemius des Frosches). Von Dr. med. J. W. Golowinski, Assistent am physiologischen Institut der Universität Moskau. (Mit 21 Textfiguren.) (Aus dem pharmakologischen Institut der Universität Tübingen). x 7. So Beiträge zur Frage über die Wirkung der Xanthinderivate, II. Mitteilung. Über die Veränderung mechanischer Eigen- schaften des ruhenden quergestreiften Muskels (Frosch- gastrocnemius) unter dem Einflusse der verschieden alky- lierten Xanthine. Von Dr. med. J. W. Golowinski, Assistent am physiologischen Institut der Universität Moskau. (Aus dem pharmakologischen Institut der Universität Pübingen).. Be er REN RE De Beiträge zur Frage über die wirdune der Xanthinderivate. III. Mitteilung. Über den Einfluss der Purinderivate auf die mechanischen Eigenschaften des tätigen Skelettmuskels. Von Dr. med. J. W. Golowinski, Assistent am physiolog. Institut der Universität zu Moskau. (Mit 10 Textfiguren.) (Aus dem pharmakologischen Institut der Universität Tübingen). ia aa Aepe ar De Beiträge zur Frage über die Wirkung der Xanthinderivate. IV. Mitteilung. Zur Frage über den Einfluss der Xanthin- derivate auf die mechanische Arbeitsleistung des Skelett- muskels. Von Dr. med. J. W.Golowinski, Assistent am physiologischen Institut der Universität Moskau. (Mit31 Text- figuren.) (Aus dem pharmakologischen Institut der Uni- versität Pübinsen) ga, nr AB Beitrag zur Frage über die Wirkung der one V. Mit- teilung. Zur Kenntnis der Wirkung der Purinderivate auf den Zirkulationsapparat und das zentrale Nervensystem. Von Dr. med. J. W. Golowinski, Assistent am physio- logischen Institut der Universität Moskau. (Mit 32 Text- figuren.) (Aus dem pharmakologischen Institut der Uni- versität Tübingen) . u mw mn Notizen zur Entwicklungsphysiologie des Seeigeleies. Von Otto Warburg. (Mitglied des Kaiser-Wilhelm - Instituts für Biologie.) (Mit 1 Textfigur.) (Aus der zoologischen Station in Neapel) ... 2.0.2 1 Pu N DL Inhalt. Siebentes und achtes Heft. Ausgegeben am 18. Februar 1915. Weitere Untersuchungen über die thermische Muskelreizung. Von Paul Jensen. (Mit 26 Textfiguren und Tafel IV.) (Aus dem physiologischen Institut der Universität Göttingen) Zur näheren Kenntnis des Verlaufs der postganglionären Sym- pathiecusbahnen für Pupillenerweiterung, Lidspaltenöffnung und Nickhautretraktion bei der Katze. Von A. de Kleijn und Ch. Socin. (Mit 3 Textfiguren.) (Aus dem pharma- kologischen Institut der Reichsuniversität Utrecht) Anatomische Bemerkungen zur vorhergehenden Arbeit von de Kleijn und Socin. Von H. M. de Burlet, Prosektor des anatomischen Instituts Utrecht. (Mit 2 Textfiguren) . Versuche über die Unschädliehkeit der Essigälchen im Menschen- und Tierkörper. Berichterstatter Dr. H. Wüstenfeld. (Mitteilung aus dem Institut für Gärungsgewerbe zu Berlin) Neuntes und zehntes Heft. Ausgegeben am 25. März 1915. Weitere Beobachtungen über Hals- und Labyrinthreflexe auf die Gliedermuskeln des Menschen. Von R. Magnus und A. de Kleijn. (Mit 11 Textfiguren nach kinemato- graphischen Aufnahmen.) (Aus dem pharmakologischen Institut und der neurologisch - psychiatrischen Klinik der Reichsuniversität Utrecht) Vergleich zwischen der Wärmeregulierung der Weissen und der Neger bei Arbeit in überhitzten Räumen. Von Privat- dozent Dr. Robert Stigler, Assistent am physiologischen Institut der Universität Wien Say ; Grundzüge einer physiologischen Theorie der psychischen In- varianten. Von Dr. med. et phil. Robert Heller. (Aus dem gerichtlich- medizinischen Institut der Universität Zürich) RT Theorie der Narkose. Von J. Traube. Versuche über den Bedarf an Eiweiss unter verschiedenen Be- dingungen. Ein Beitrag zum Problem des Stickstoff- minimums.. Von Emil Abderhalden, Gottfried Ewald, Andor Fodor und Carl Röse. (Aus dem physiologischen Institut der Universität Halle a./S.) . . Seite 333 407 416 423 429 445 487 501 5il VI Inhalt. Über die Zusammensetzung des Fleisches bei verschiedener Er- nährung. Von Dr. @. Diesselhorst. Elftes und zwölftes Heft. Ausgegeben am 15. April 1915. Ein neues Verfahren zur Registrierung der menschlichen Herz- tätigkeit.. Von.K. F. L. Kaiser. (Aus dem physio- logischen Laboratorium der Universität Amsterdam.) (Mit 18 Textfiguren) . Über die Kongruenz des psycho-physiologischen Verhaltens der unerregten Netzhautgrube in der Dämmerung und des blinden Fleckes im Hellen. Von Karl L. Schaefer Formveränderungen des V.-E.-G.s in Abhängigkeit von der Lage der ableitenden Elektroden am Herzen. Von Dr. S. Woronzow. (Mit 9 Textfiguren). Seite 522 (Aus der zoologischen Station in Neapel.) Untersuchungen über den Lichtsinn bei Echinodermen. Von Prof. ©. Hess in München. (Mit 6 Textfiguren.) Inhaltsübersicht. Seite I. Eine bisher nicht bekannte Lichtreaktion bei Seesternen. ..... 1 ISalberKden-TIichtsinnäbei Holothurien 2. 0.2... arm... 9 III. Eine neue Lichtreaktion bei Seeigeln .. ..:. 2.2.22 2.0. 10 WAwzusannmenfassunge 0. 0 ee ee NEN. 25 I. Eine bisher nicht bekannte Licehtreaktion bei Seesternen. Die bisher vorliegenden Angaben über den Lichtsinn bei See- sternen zeigen sowohl hinsichtlich des Verhaltens der Tiere zum Lichte, wie auch hinsichtlich des vermuteten Sitzes bzw. der ver- mutlichen Organe ihrer Lichtempfindung so viele Unklarheiten und Widersprüche, dass eine ausführlichere Wiedergabe der einschlägigen Literatur uns nicht fördern könnte. Ich beschränke mich daher auf eine kurze Darstellung des augenblicklichen Standes der Frage und verweise im übrigen auf die Arbeit von Plessner!) (1913), in der man die wichtigsten einschlägigen Angaben zusammengestellt findet. Ehrenberg hat zuerst (1834) auf Grund anatomischer Befunde sowie des Umstandes, dass die Seesterne ihre Armspitzen beim Kriechen oft etwas emporheben, die bekannten, meist roten Punkte an den Spitzen der Seesternarme als „Augenpunkte“ gedeutet. Romanes und Ewart (1881), Preyer (1886/1887) und Pfeffer?) (1901) ver- suchten diese Annahme durch Abschneiden der Armspitzen experimentell zu begründen; sie gaben an, die Seesterne, die normalerweise stets 1) Plessner, Untersuchungen über die Physiologie der Seesterne. ]. Mitt. Der Lichtsinn, in Zool. Jahrb. Physiol. Bd. 33. 2) Pfeffer, Die Seeorgane der Seesterne. Zool. Jahrb. Anat. Bd. 14. Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd. 160. il 9) ©. Hess: —_ zum Lichte oder ins Dunkle kröchen !), täten solches nicht mehr nach Abschneiden der die Augenpunkte tragenden Armspitzen. Zu entgegengesetztem Ergebnisse kam Mangold?) (1909). Er fand ‘bei allen Tieren mit abgeschnittenen Armspitzen die gleichen Lichtreaktionen wie bei den normalen und schloss daraus, dass die „Augenpunkte“ nichts mit Photorezeption zu tun hätten, sondern einem anderen, unbekannten Sinne dienten. Graber (1885) hatte eine Vorliebe der Seesterne für Ultraviolett auch nach Entfernung ihrer „Augen“ finden wollen. Plessner wendet sich nachdrücklich gegen die Darstellung Mangold’s; er sieht (für Asterias rubens und Solaster papposus) die Funktion der „Augen“ darin, jede ferne Helliskeit, „Lichter wie Schatten“ zu perzipieren. Ausserdem sollen diese Arten einen zweiten Lichtsinn in der Funktion der Haut besitzen; letztere vermöge nur auf direkte Belichtung wie Beschattung zu reagieren, dagegen nicht auf ferne Helligkeiten. Systematische Untersuchungen über Lichtreaktionen an zahl- reichen verschiedenen Seesternarten führten mich zu der über- raschenden Entdeckung, dass bei den Astropectiniden die Füsschen einen hohen Grad von Liehtempfindliehkeit zeigen. Da hiermit ein neuer Weg zur Lösung der Frage nach den Lichtreaktionen der Seesterne eröffnet ist, seien die einschlägigen interessanten Erscheinungen an einem Beispiele etwas eingehender geschildert. Astropeeten aurantiacus ist eine im Neapler Golf häufige Art von ansehnlicher Grösse; die von mir untersuchten Exemplare hatten vielfach eine Armlänge von 15 em. Legt man ein solches Tier im Halbdunkel auf den Rücken, so streckt es bald seine sämt- lichen Füsschen — ich zählte deren etwa 800, ca. 160 an jedem Arme — durchschnittlich ungefähr 1 em weit hervor. Sie stellen sich als schmale, kegelförmige, weissliche oder mehr oder weniger rotgelbe Gebilde mit weisser Spitze dar (s. Fig. 1 und 2), die lang- same Bewegungen ausführen und von Zeit zu Zeit langsam „spontan“ eingezogen werden. Die rotgelbe Farbe, die die Füsschen mancher l) Für Asterina gibbosa gibt Preyer an, das Tier gehe zum Lichte, während Driesch (1890) und Pfeffer es als „dunkelhold“ bezeichnen. Ich habe bei 23 Exemplaren dieses Seesternes eine grössere Reihe von Versuchen in zur Hälfte belichteten, zur Hälfte verdunkelten Gefässen angestellt, aber auch bei den normalen Tieren eine konstante deutliche Neigung, die helle oder die dunkle Hälfte ihres Behälters aufzusuchen, nicht nachweisen können. 2) Mangold, Sinnesphysiol. Studien an Echinodermen. Ihre Reaktionen auf Licht und Schatten. Zeitschr. allg. Physiol. Bd. 9. Untersuchungen über den Lichtsinn bei Echinodermen. 3 Exemplare zeigen, ist lichtbeständig, die weissen Füsschen bei anderen Exemplaren zeigen auch nach längerem Dunkelaufenthalte keine etwa auf Sehpurpur zu beziehende Rotfärbung. Biel. Wenn ich mit einer geeigneten Lichtquelle!) einen Teil eines solehen Armes bestrahle, ziehen sich nach durchschnittlich etwa 1 Sekunde die bestrahlten sowie einige der unmittelbar angrenzenden Füsschen lebhaft ein, gleichzeitig verenst sich die Ambulacralrinne, 1) Bei meinen Versuchen leistete mir wieder die früher von mir angegebene, von der Firma C. Zeiss hergestellte „Hammerlampe“ vorzügliche Dienste, indem sie gestattet, ein kreisförmiges Feld von gewünschtem Durchmesser stark und gleichmässig zu beleuchten, während die an dieses Feld grenzenden Teile nur von verhältnismässig sehr geringen Lichtmengen getroffen werden. 1 * 4 C. Hess: indem die ihr zunächst anliegenden, schmal rechteckigen Stacheln über den eingezogenen Füsschen zusammenschlagen. Eine ent- sprechende Bewegung in der Richtung nach der Ambulacralrinne Fig. 2, machen nicht nur die unmittelbar angrenzenden, sondern auch die von ihr weiter entfernten Stachelreihen; selbst an den gerade nach aussen stehenden, angenähert horizontalen Stacheln ist bei jeder Belichtung eine deutliche, wenn auch weniger ausgiebige Einwärts- beweeung nach der Rinne hin wahrzunehmen. Unter sonst gleichen Verhältnissen erfolet das Einziehen der Füsschen nach um so kürzerer Latenzzeit und um so lebhafter, je Untersuchungen über den Lichtsinn bei Echinodermen. 5 grösser die Lichtstärke des Reizlichtes ist. Durch geeignete Be- liehtung der Füsschen allein, während die Ambulacralrinne selbst verdunkelt bleibt (z. B. durch Belichtung von der Seite her, nach passendem Vorschieben eines schwarzen Kartons) überzeugt man sich leicht, dass wirklich die Füsschen selbst die lichtempfindlichen Organe sind; ob nur die weisse Kuppe oder das ganze Füsschen, war mir bisher nicht möglich, sicher zu entscheiden. Auch die Frage, ob es sich bei solcher Bestrahlung nicht etwa um eine vom Rücken her ausgelöste Reaktion handle, konnte ich unschwer be- antworten, indem ich im Dunkelzimmer bei einem frei aufgehängten Astropeeten die Rückenseite mit starkem auffallendem Lichte be- strahlte und dabei die Bauchseite beobachtete. Das Tier erschien im durehfallenden Lichte rötlich durchscheinend; dieses rötliche Licht war ohne Einfluss auf die Stellung der Füsschen; sowie ich aber von der Bauchseite her bestrahlte, wurden sie rasch eingezogen. Die nebenstehenden, etwa 2 Sekunden nach kurzdauernder Be- lichtung eines vorher dunkelgehaltenen Tieres aufgenommenen Blitz- liehtaufnahmen (etwa '/s der natürlichen Grösse) mögen wenigstens eine schwache Vorstellung von den einschlägigen schönen Erschei- nungen geben. In Fig. 1 waren die beiden nach oben gerichteten Arme dunkel gelassen, die Füsschen sind entsprechend weit vorgestreckt; an den drei unteren Armen waren die proximalen Abschnitte auf einer Strecke von etwa 3 cm kurze Zeit belichtet worden. Man sieht, besonders schön an dem gerade nach unten gerichteten Arme, in dem belichtet gewesenen Gebiete die Füsschen völlig eingezogen und die Ambulacralrinne durch Zusammenschlazen der adambularralen Stachelreihe fast geschlossen. | In Fig. 2 ist am rechten oberen Arm der mittlere Teil infolge der Belichtung fast ganz geschlossen, während proximal und distal davon die hier nicht bestrahlt gewesene Rinne offen geblieben ist und die Füsschen weit vorstehen; ähnliches zeigt in geringerem Umfange der linke obere Arm, während der untere in mehr proximal gelegenen Teilen belichtet worden war. Wird die Belichtung ausgesetzt, so beginnen nach etwa 2—3 Se- kunden die Stacheln sich wieder nach aussen zu drehen, und kurz danach werden die Füsschen langsam wieder hervorgestreckt. Wird nur einen Bruchteil einer Sekunde belichtet, z. B. das Licht der Lampe nur einmal rasch über einen Arm hinweggeführt, so erfolgt doch 6 C. Hess: nach 1—2 Sekunden (also jetzt im Dunklen) die Einziehung der Füsschen, die aber diesmal bald wieder hervorgestreckt werden. Berührt man ein Füsschen leicht mit der Spitze einer Nadel, so erfolgt nach viel kürzerer Latenzzeit ein viel plötzlicheres Ein- ziehen des berührten und der nach beiden Seiten benachbarten Füsschen. Der optische Reiz löst also eine weniger rasch ein- setzende und weniger rasch verlaufende Reaktion aus als der me- chanische, wie solches v. Uexküll auch bei Echiniden beobachtete. Ein gleiches fand ich bei entsprechenden Versuchen an den Siphonen der Muschel Psammobia vespertina. Für das Eintreten der Lichtreaktionen ist die Armspitze ohne Belang. Sie erfolgen in gleicher Weise, wenn die Armspitze dauernd belichtet, wie wenn sie verdunkelt ist, an Armen mit abgeschnittener Spitze, also fehlendem „Augenpunkt“ in der gleichen Weise wie an normalen. Schnitt ich einen ganzen Arm an der Wurzel ab, so fand ich seine Ambulacralrinne in den nächsten Tagen etwas enger als bei normalen Armen, und die Füsschen wurden nicht sehr weit hervor- gestreckt. Aber auch an solchen abgeschnittenen Armen konnte ich noch nach mehr als 8 Tagen die charakteristischen Belichtungs- reaktionen der Füsschen wie auch der Stacheln mit aller Deutlich- keit hervorrufen, nur in geringerem Umfange als beim unverletzten Tiere. Selbst an einem nur 2—3 cm langen, aus den mittleren Arm- teilen herausgeschnittenen Stücke kann man noch tagelang das Ein- ziehen der Füsschen bei Belichtung wahrnehmen. Präpariert man die Füsschen von ihrer Unterlage, so sind sie durch den Reiz maxi- mal kontrahiert und zeigen jetzt bei Belichtung keine Reaktion. — Die hier zum ersten Male geschilderten Lichtreaktionen sind genügend ausgesprochen, um über die Art ihrer Abhängigkeit von der Wellenlänge des Reizlichtes wenigstens einigermaassen Aufschluss zu bekommen. Ich benützte dazu farbige Gläser, unter anderem auch die bekannten Zeiss’schen gefärbten Glaskeile, die, je nach- dem man das zur Bestrahlung dienende Licht durch die der Basis oder der Kante näher gelegenen Partien der Keile gehen lässt, ein dunkleres bzw. helleres Rot, Blau, Grün usw. zu verwenden gestatten. Es ergab sich regelmässig, dass ein rotes Licht auf die Seestern- füsschen auch dann ohne Wirkung ist, wenn es uns leuchtend hell erscheint. Wirkt nach diesem Rot ein für unser normales Auge be- trächtlich dunkleres Blau, so erfolgt Einziehen der Füsschen, im Untersuchungen über den Lichtsinn bei Echinodermen. 7 allgemeinen um so rascher und lebhafter, je heller das benützte Blau ist. Hatten sich in dem blauen Lichte die Füsschen eingezogen, und liess ich unmittelbar danach ein für mich viel helleres Rot wirken, so streckten die Tiere die Füsschen bald wieder heraus, so, wie sie es sonst bei Verdunklung tun. Ähnlich wie Blau wirkte Grün; hier konnte ich schon mit einem verhältnismässig sehr dunklen Grün lebhafte Reaktion auslösen. Wenngleich genauere Messungen vor- derhand nicht möglich waren, so folgt doch aus diesen und zahl- reichen ähnlichen Versuchen, die ich anstellte, dass die Art der Abhängigkeit der Reaktionen von der Wellenlänge eine ähnliche oder die gleiche ist wie bei allen bisher von mir untersuchten Wirbellosen und beim total farbenblinden Menschen. Dass auch umfangreiche adaptative Änderungen in den Füsschen vor sich gehen, konnte ich durch Belichtung von Tieren zeigen, die verschieden lange hell bzw. dunkel gehalten waren: Lichtstärken, die bei lange hell gehaltenen Tieren kein oder nur geringes Einziehen der Füsschen hervorriefen, lösten bei dunkel ge- haltenen Reaktionen aus, die um so rascher und lebhafter vor sich singen, je weiter die Dunkeladaptation vorgeschritten war. Um eine Vorstellung von dem Umfange dieser adaptativen Empfindliehkeitsänderungen zu erhalten, ging ich in der Weise vor, dass ich die verschieden lange hell bzw. dunkel gehaltenen Tiere mit einer in ihrer Stärke messbar variablen Lichtquelle bestrahlte und jedesmal die geringsten Lichtstärken bestimmte, die eben noch deutliches Einziehen der Füsschen hervorriefen. Es ergab sich unter anderem folgendes: Hatte ich die kleinste Lichtstärke ermittelt, die bei einem längere Zeit dunkel gehaltenen Tiere noch eben deut- liches Einziehen veranlasste, und brachte ich dann den Seestern 3—4 Minuten ans Helle, so rief nunmehr, wenn ich das Tier rasch wieder im Dunkeln untersuchte, selbst eine 100 fach grössere Licht- stärke keine Reaktion hervor; ja, die hell adaptierten Füsschen wurden bei Bestrahlung mit der so viel grösseren Lichtstärke wieder hervorgestreckt, wie sonst beim Verdunkeln. Der Versuch zeigt, dass bei mässiger Belichtung vorher längere Zeit dunkel gehaltener Tiere die Liehtempfindlichkeit der Seesternfüsschen schon nach 3 bis 4 Minuten weniger als den hundertsten Teil so gross ist als jene bei dunkel adaptierten Tieren. 8 C. Hess: Ich habe bisher nur bei Astropectiniden die fraglichen Reaktionen vefunden. Astropecten bispinosus und Astropeeten pentacanthus zeigten der Hauptsache nach ähnliche, aber nicht so lebhafte Reaktionen wie Astropeeten aurantiacus; diese beiden kleineren Arten hielten für gewöhnlich die Armspitzen etwas nach oben gerichtet; bei Be- strahlung pflegten sie sie etwas nach unten zu senken, doch war dies vielleicht nur Folge der Einziehung der Füsschen und des Schliessens der Ambulacralrinne. Die mitgeteilten neuen Befunde müssen, wie ich meine, nach verschiedenen Richtungen unser Interesse beanspruchen. Einmal ist allgemein biologisch höchst merkwürdig, dass an einem Organ, das nach der herrschenden Meinung ausschliesslich der Fortbewegung dient und an dem bisher keinerlei lichtempfindliche Elemente nach- gewiesen sind, wir den gleichen Eigentümlichkeiten der Lichtempfin- dung begegnen, wie sie die höchst entwickelten Augen unter den Wirbellosen sowie auch jene der bisher untersuchten Fische und des total farbenblinden Menschen zeigen. Zweitens ist es bisher ohne Beispiel in der Tierreihe, dass ein verhältnismässig so grosser Teil der Körperoberfläche eines Tieres, wie ihn die ca. 800 Füsschen der Seesterne darstellen, gleichmässig in so hohem Maasse lichtempfind- lich gefunden wird. Die durchschnittlich 1 em langen Füsschen seben, aneinandergereiht, einen 8 m langen Streifen lichtempfind- licher Substanz bei jedem Tiere! Drittens muss die Frage inter- essieren, wie es kommt, dass unter den einander anscheinend so nahe stehenden verschiedenen Gattungen der Seesterne nur die Astro- peetiniden diese Lichtreaktionen zeigen !), nicht aber die anderen, und welche Bedeutung im Lebenshaushalte der Tiere diese merk- würdige Lokalisation der Liechtempfindung in den Ambulaeralfüsschen haben mag. | Die Frage liegt nahe, ob wir nunmehr auch für die sogenannten phototropischen Bewegungen der Seesterne die Füsschen als die op- tischen Empfangsorgane anzusehen haben. Der Umstand, dass die Füsschen bei anderen Gattungen keine sichtbaren Lichtreaktionen l) Ich habe auf Grund der neuen Befunde alle mir in Neapel zur Verfügung stehenden Seesterne eingehend auf etwaige Lichtreaktionen ihrer Füsschen unter- sucht, ohne etwas dem Verhalten der Astropectiniden ähnliches zu finden. Untersuchungen über den Lichtsinn bei Echinodermen. 9) zeigen, schliesst natürlich nicht aus, dass sie lichtempfindlich sein können und es mag die Vermutung manches für sich haben, dass, wie bei Astropecten, so auch bei anderen Seesternen die Füsschen die optischen Empfänger sind !). Für die heute noch fast allgemein herrschende Annahme, dass die „Augenpunkte“* Lichtempfindungen zu vermitteln vermöchten, haben meine Untersuchungen keine Anhaltspunkte ergeben. II. Über den Lichtsinn bei Holothurien. Über Lichtreaktionen bei Holothurien ist bisher nur wenig bekannt. Quatrefages machte (1842) die Angabe, dass durch Glaslinsen konzentriertes Licht auf Synapta einen schwachen Ein- druck hervorrufe, doch wurde die Richtigkeit dieser Angabe von Semon (1883) bestritten. Pearse (1908)?) gab für Thyone Bria- reus an, dass die Tiere, die vielfach so im Sande stecken, dass nur das higtere Körperende hervorsieht, bei Beschattung des letzteren sich zurückziehen, oft so, dass sie ganz im Sande verschwinden; in gleicher Weise zögen sie sich zurück, wenn das Vorderende oder wenn nur die Tentakeln beschattet würden; sie reagierten nie auf Lichtstärkenvermehrung, sondern nur auf Beschattung, in einseitig belichteten Behältern gingen sie vom Lichte weg. | Ich fand unter verschiedenen von mir untersuchten Arten bis- her Holothuria poli deutlich lichtempfindlich. Wenn die Tiere im Aquarium einige Zeit ungestört sind, Öffnen sie den Mund und strecken ihre Tentakeln mehr oder weniger weit hervor. Bestrahlung 1) Die Frage, ob bei anderen Gattungen, die keine Lichtreaktionen der Füsschen zeigen, doch diese letzteren als optische Empfänger fungieren, könnte möglicherweise auf folgendem Wege beantwortet werden. Wenn bei mikroskopischer Untersuchung der Astropectenfüsschen Gebilde gefunden werden, die sich mit Wahrscheinlichkeit als „Sehzellen“ auffassen lassen, und wenn man danr ähnliche oder die gleichen Gebilde auch bei anderen Arten nach- weisen kann, so wird dies die Vermutung stützen, dass es sich auch hier um licht- empfindliche Organe in den Füsschen handeln kann. Wenn aber die Astropecten- füsschen an ihrer ganzen Oberfläche gleichmässig lichtempfindlich sind, ohne eigentliche Lichtsinnesorgane zu zeigen, dann ist dieser Weg zur Beantwortung der uns beschäftigenden Frage nicht gangbar. Aus solchen Gesichtspunkten habe ich zunächst damit begonnen, bei Astropecten die Füsse mikroskopisch zu untersuchen. 2) Pearse, Observation on the behavior of the holothurian Thyone Briareus (Lesueur). Biol. Bulletin vol. 15 no. 6. 10 C. Hess: derselben mit der Hammer-Lampe (s. 0.) oder auch nur mit einer gewöhnlichen kleinen Taschenlampe hat nach ca. 1—2 Sekunden Einziehen der Tentakeln und Schliessen des Mundes zur Folge; dies geschieht nicht nur bei dauernder Bestrahlung, sondern es genügt, dass das Licht der Lampe nur einen Bruchteil einer Sekunde die Mundgegend trifft: es ziehen sich danach auch im Dunkeln die Ten- takeln nach 1—2 Sekunden ein, und der Mund wird geschlossen. Nach !/«—!/a Minute Öffnet er sich meist wieder, erneute Bestrahlung hat jetzt erst etwas späteres Schliessen des Mundes zur Folge, und es sind dazu nunmehr im allgemeinen etwas grössere Lichtstärken erforderlich; bei einer dritten Wiederholung werden noch höhere Lichtstärken nötig. Dass es sich hier um adaptative Empfindlichkeits- abnahme handelt, kann man durch vergleichende Versuche an lange hell und lange dunkel gehaltenen Tieren zeigen: bei letzteren genügen unter sonst gleichen Verhältnissen viel geringere Lichtstärken, um Einziehen der Tentakeln hervorzurufen, als’ bei den hell adaptierten. Bei Bestrahlung mit farbigen Glaslichtern zeigt sich, dass Rot, auch wenn es uns sehr hell erscheint, ganz oder fast ganz ohne Wirkung auf die Tiere ist, während ein für uns.viel dunkleres Blau stets Schliessen des Mundes zur Folge hat. Lässt man nun unmittel- bar nach diesem dunklen Blau wieder ein helles Rot auf die Tiere wirken, so öffnet sich der Mund, der sich im Blau geschlossen hatte, im Rot, ähnlich so, wie es im Dunkeln der Fall zu sein pflegt. Zu genaueren messenden Untersuchungen waren die bisher von mir gefundenen neuen Reaktionen nicht genügend geeignet. IIf. Eine neue Lichtreaktion bei Seeigeln. Aus Beobachtungen der Sarasin (1887) an Diadema setosum sowie aus den bekannten Untersuchungen v. Uxküll’s an Centro- stephanus longispinus (1896) wusste man, dass verschiedene Arten von Seeigeln die Eigentümlichkeit zeigen, bei Beschattung ihre Stacheln ein wenig zu heben; doch war bisher nicht versucht worden, mit Hilfe solcher Reaktionen Aufschluss über die Sehqualitäten dieser Echinodermen zu erhalten. Im folgenden lernen wir eine neue, höchst eigenartige Lichtreaktion bei Centrostephanus kennen, die sich zudem zu genaueren, messenden Lichtsinnuntersuchungen in besonderem Maasse eignet. Centrostephanus gilt als eine im Neapeler Golf seltene Art; nur in der Nähe von Positano war er gelegentlich gefangen worden. Untersuchungen über den Lichtsinn bei Echinodermen. 138 Herr Kollege Dohrn hatte die grosse Freundlichkeit, auf meine Bitte dort fischen zu lassen; schon beim ersten Zuge wurden aus einer Tiefe von 50 m 16 schöne Exemplare erbeutet, die mir zu den im folgenden geschilderten Versuchen zur Verfügung standen. Meine ersten Beobachtungen galten der von v. Uexküll ein- gehend beschriebenen Bewegung der grossen, zum Teil 10—12 cm langen Stacheln bei Beschattung. Bald aber wurde meine Aufmerk- samkeit auf eine andere, bisher nicht bekannte Lichtreaktion ge- lenkt, die viel eindringlicher und lebhafter ist als jene Stachel- Fig. 3. bewegung und, da sie auch schon bei verhältnismässig sehr geringen Lichtstärkenabnahmen in auffälligster Weise sichtbar wird, sich zu den von mir geplanten Messungen wesentlich geeigneter erwies. In der Umgebung der Analöffrung finden sich bei Centro- stephanus eigentümliche, schön hellviolette Gebilde, die man merk- würdigerweise als „Stacheln“ bezeichnet!), obschon sie weder in ihrer Erscheinung an Stacheln erinnern, noch nach ihrer Funktion diesen zugesellt werden können. Wir wolien sie im folgenden nach ihrem charakteristischen Aussehen als „Kölbehen“ bezeichnen. Es handelt sich um etwa 25—85 feine, ca. 2—3 mm lange und kaum 1) Ich finde sie zuerst bei Hamann beschrieben in „Beiträge zur Histologie der Echinodermen. 3. Anatomie und Histologie der Echiniden und Spatan- giden.“ 1887. 12 C. Hess: l mm dieke weissliche Röhrehen mit einer kolbenförmigen, schön hellvioletten Verdiekung an ihrem freien Ende. Sie sind zu je drei bis vier teils auf den ambulacralen, teils auf den interambulacralen Platten!) in einem Abstande von 1—2 cm vom aboralen Pole auf kleinen flachen Erhebungen so lose befestigt, dass sie schon bei zartem Anfassen mit einer feinen Pinzette sich von der Unterlage lösen. In ihrer Umgebung finden sich in grosser Zahl etwa I—2 cm lange, harte, spitze, weisse Stacheln, die bei jedem Versuche, die Kölbehen mit der Pinzette zu fassen, von allen Seiten wie zum Schutze über ihnen zusammenschlagen. Diese violetten Kölbcehen sieht man häufig lebhaft rotierende Bewesungen ausführen; die dabei von ihnen beschriebene Fläche entspricht etwa einem Kegelmantel mit einem Winkel von ca. 30°. Hamann gab an, sie bewegten sich fortwährend, ob der Seeigel in Ruhe sei oder sich langsam oder schnell vom Orte bewege, und auch bei v. Uexküll finde ich nur die Angabe, dass diese Gebilde, „sobald der Seeigel aus seiner Ruhe gestört wird, lebhaft zu rotieren anfangen“. Ich fand nun die überraschende Tatsache, dass diese rotie- renden Kölbehenbewegungen in erster Linie und in besonders auffälliger Weise bei Belichtungsabnahme auftreten. Da, wie das Folgende zeigt, schon erstaunlich geringe Liehtstärkenverminderungen lebhafte Rotationsbewegungen auslösen können, war hier ein zu genaueren Messungen über den relativen Helligkeitswert verschieden farbiger Lichter für den Seeigel besonders geeignetes Objekt gefunden. Die biologische Bedeutung dieser merkwürdigen Reaktion er- scheint vorderhand noch unklar; während das Aufrichten der langen Stacheln bei Beschattung wohl als eine Schutzvorrichtung gegen nahende Feinde aufgefasst werden kann, lässt sich ein gleiches für die Rotation der kleinen violetten Kölbehen nicht annehmen. Die mikroskopische Untersuchung der letzteren zeigt (Hamann) auf der Fläche der Kölbehen kleine „Sinneshügel“, auf welchen Sinneszellen gruppenweise zusammengetreten seien. Welcher Art letztere sind, lässt sich noch nicht sagen; dass sie nicht etwa den optischen Empfänger für jene Rotierbewegungen darstellen, konnte ich durch 1) Hamann’s Angabe, sie fänden sich nur auf den interambulacralen Platten, ist nicht zutreftend. Untersuchungen über den Lichtsinn bei Echinodermen, 13 folgenden Versuch zeigen. Ich schnitt die violetten Kölbehen selbst mit einem Teile ihres Stieles ab, so dass nur noch ein kaum 1 mm langer Rest des letzteren stehen blieb: Bei Beschattung fingen auch diese kurzen Stümpfe regelmässig an, lebhaft zu rotieren. Es muss Aufgabe neuer histologischer Untersuchung sein, den optischen Empfangsapparat für diese merkwürdigen Bewegungen aufzudecken. Die wesentlichen bei Beschattung wahrzunehmenden Erschei- nungen sind folgende: Bringt man einen möglichst frischen Centro- stephanus in einem geeigneten Glasgefässe ans helle Fenster, so zeigen die Kölbehen in der Regel zunächst lebhafte Rotation, die aber allmählich träger wird und im allgemeinen nach etwa einer Minute aufhört, so dass die Kölbehen nunmehr völlig ruhig stehen. Führt man nun die Hand einmal rasch an der Fensterseite des Ge- fässes so vorüber, dass das Tier für einen Bruchteil einer Sekunde leicht beschattet wird, so beginnen nach einer mittleren Latenzzeit von etwa !/a—?/ı Sekunden die meisten Kölbehen lebhaft zu rotieren; bleibt die Belichtung jetzt unverändert, so wird die Rotierbewegung bald langsamer und hört schon nach ca. 10—30 Sekunden auf. Wiederholt man die Beschattung öfter in kleinen Pausen, so erfolgt stets aufs neue die Rotation, doch ist es zweckmässie, nach einer Reihe von Versuchen eine längere Pause eintreten zu lassen. Zu den im folgenden zu schildernden Untersuchungen ist nicht erforderlich, jedesmal zu warten. bis die Kölbehen wieder zur völligen Ruhe gekommen sind: Wenn man ein Tier, dessen Kölbchen in einem bestimmten Tempo rotieren, beschattet, so wird nach Ye bis ®/a Sekunde das Tempo dieser Bewegungen plötzlich ein viel rascheres, um so rascher, je grösser und je plötzlicher die Lichtstärken- abnahme ist. Liehtstärkenvermehrung löst niemals Bewegung der violetten Kölbehen aus; selbst wenn ich längere Zeit dunkel gehaltene Tiere plötzlich mit dem starken Lichte der Hammer- lampe (s. 0.) bestrahlte, bewegten die ruhenden Kölbchen sich nicht; bei den in Bewegung befindlichen Kölbchen wird das Tempo der Bewegungen bei stärkerer Belichtungszunahme in der Regel deutlich verlanesamt. Hatte ich z. B. ruhende Kölbehen durch Beschattung zu lebhaftem Rotieren gebracht und erhöhte dann die Licktstärke durch Weoziehen der beschattenden Hand oder durch Bestrahlung mit einer lichtstarken Lampe, so wurden die Bewegungen auffallend langsamer und die Kölbchen kamen früher zur Ruhe, als es unter 14 ©. Hess: sonst gleichen Umständen bei geringeren Lichtstärken der Fall zu sein pflegte. Die Auffälligkeit der Erscheinung sowie ihr regelmässiges Ein- treten bei sehr geringen Lichtstärkenabnahmen ermöglichen über- raschend genaue messende Untersuchungen über die relativen Reiz- werte, die verschieden helle und verschieden farbige Lichter für unseren Seeigel haben. Ich bediente mich dazu im wesentlichen zweier Methoden: Die erste lässt sich mit verhältnismässig einfachen SQ Dt Fig. 4. Mitteln und ohne besondere Apparate leicht anwenden, und auch der Ungeübte kann sieh mit Hilfe dieses auch zur Demonstration geeigneten Verfahrens leicht einen Überblick über die wichtigsten einschlägigen Erscheinungen verschaffen. Der Seeigel $ wird in seinem Glasbehälter dem Fenster F gegenüber so aufgestellt, wie es Schema Fig. 4 zeigt, und durch einen vor dem Behälter befindlichen mattschwarzen Karton gegen direkt einfallendes Tageslicht geschützt. Zur Belichtung des Tieres dienen matt farbige und graue Papiere, die auf quadratische Kartons von 40 em Seitenlänge eben aufgespannt sind. Die zwei in ihrer Wir- Untersuchungen über den Lichtsinn bei Echinodermen. 15 kung auf den Seeigel zu prüfenden Papiere P, und P, werden nun dicht hintereinander so, wie es Fig. 4 zeigt, etwa 10—20 Sekunden über den Behälter gehalten, danach wird rasch das vordere Papier P, nach unten weggezogen, so dass nunmehr die von dem zweiten zurückgeworfenen Strahlen das Tier treffen. Wirkte z. B. erst ein weisses oder hellgraues, danach ein schwarzes oder dunkelgraues Papier, so trat sofort lebhafte Kölbehen- bewegung ein, nie im umgekehrten Falle. Da die Meinung ver- breitet ist, bei vielen Tieren sei insbesondere die Fähigkeit der Wahrnehmung von Bewegungen ausgebildet und daher auch die Frage aufgeworfen werden könnte, ob hier nicht etwa die Be- wegungen der vorgeschobenen Hand (Ss. 0.) bzw. des vorgeschobenen Kartons von wesentlichem Einflusse auf die Erscheinung seien, stellte ich Versuche auch in der folgenden Weise an (vel. Fig. 5): IR In einem langen, innen geschwärzten Tunnel 7 ist eine elektrische Lampe Z leicht verschieblich, welche die unter einem Winkel von 45° zur Achse des Tunnels stehende mattweisse Fläche F’ bestrahlt. Das von dieser zurückzeworfene Licht kommt zum Behälter mit dem Seeigel S. Wieder zeigt sich, dass geringfügiges Abrücken der Lampe von der Fläche F genügt, um Kölbehenbewegungen auszulösen bzw. vorhandene zu beschleunigen; hierbei ist natürlich jedeBewegungs- wahrnehmung für die Tiere ausgeschlossen, es mindert sich ledig- lieh die Lichtstärke der Fläche beim Zurückschieben der Lampe. (Auch dieses Verfahren eignet sich gut zu messenden Versuchen.) Man überzeugt sich hier besonders leicht, dass nur plötzliche Licehtstärkenabnahme die fragliche Wirkung auf die Kölbchen hat, während allmähliches Zurückschieben der Lampe viel weniger wirk- sam oder ganz unwirksam ist. Auch das einfache Verfahren der Bestrahlung mit verschieden grauen Kartons kann innerhalb gewisser Grenzen zu messenden Versuchen über die kleinsten Lichtstärkenabnahmen dienen, die eben Fig. 5. 16 C, Hess: noch Kölbehenbewegungen hervorrufen. Ich hatte dazu von einer srösseren Serie von grauen Papieren den „Kreiselwert“ ermittelt, d.h. am Farbenkreisel diejenigen Sektorengrössen einer weissen und einer schwarzen Kreiselscheibe ermittelt, die erforderlich waren, damit beim Rotieren ein dem jeweils benutzten grauen Papiere mög- lichst ähnliches Grau entstand. Die beiden Flächen ?P, und P, müssen genau parallel zu ein- ander gehalten werden, denn schon eine Neigungsänderung um wenige Grade kann eine zur Auslösung von Kölbehenbewegungen genüsende Lichtstärkenabnahme bedingen. Ich bezeichne im folgenden die betreffenden grauen und farbigen Scheiben kurz nach ihren „Kreiselwerten“. Ein Grau vom Kreisel- werte 100, im folgenden kurz Grau, geschrieben, bedeutet also ein solches Grau, das am Kreisel durch Rotieren eines Sektors von 100° Weiss mit einem Sektor von 260° Schwarz zustande kommt usw.!). Es genügte im allgemeinen, dass ich an Stelle des zuerst wirkenden Grau ein für uns nur wenig dunkleres wirken liess, um Bewegungen der Kölbehen hervorzurufen. Hielt ich erst Grau,, vor den Seestern und ersetzte dieses rasch durch das etwas dunklere Graus,, SO er- foleten lebhafte Kölbehenbewegungen, ebenso bei Ersetzen von Graugs durch Grau;,, von Graujor durch Grau,,, von Grau, durch Grau;;, von Grau;; durch Grau;, usw. In weiteren Versuchsreihen ermittelte ich die Wirkung ab- wechselnder Belichtung mit zwei verschieden farbigen, sowie mit einer farbigen und einer grauen Fläche auf die Seeigelkölbehen. Auch für die farbigen Flächen hatte ich den farblosen Helligkeits- wert nach den von E. Hering entwickelten Methoden bestimmt, indem ich sie mit dunkeladaptiertem Auge bei so weit herab- gesetzter Beleuchtung betrachtete, dass sie mir farblos grau er- schienen, und nun am Kreisel die Sektorengrössen der weissen und schwarzen Scheibe ermittelte, die zur Herstellung eines gleich hellen Grau erforderlich waren. | Wir sahen, dass bei Benutzung zweier verschieden heller Grau die Kölbehen sich immer nur dann bewegen, wenn ein für uns 1) Das zu meinen Versuchen benutzte Wollschwarz entsprach einem Kreisel- werte von 6°, d. h. es erschien gleich hell mit einem weissen Sektor von 6°, der vor lichtlosem Grunde rotierte; bei den im folgenden als Kreiselwerte auf- geführten Zahlen sind die betreffenden Werte für den schwarzen Sektor ent- sprechend eingerechnet. Untersuchungen über den Lichtsinn bei Echinodermen. 17 helleres durch ein für uns dunkleres Grau ersetzt wird; bei Be- nutzung farbiger Flächen aber zeigt sich, dass Ersetzen eines für uns ziemlich dunklen Blau durch ein für uns deutlich helleres Rot lebhafte Kölbehenbewegungen auslöst. Bestimmen wir aber den farb- losen Helligkeitswert der beiden Flächen, d. h. also die Helligkeit, die die beiden Flächen für den total farbenblinden Menschen haben, so zeigt sich, dass das Rot einen verhältnismässig kleinen, das Blau einen viel grösseren Helligkeitswert hat, mit anderen Worten, einem solchen Auge erscheint jenes Blau hell grau, das Rot dagegen viel dunkler grau, o5wohl es dem normalen farbentüchtigen Auge heller erscheint. Von einer annähernden Gleichung zwischen zwei verschieden farbigen oder einer farbigen und einer grauen Fläche können wir dann sprechen, wenn weder bei Ersetzen der ersten Fläche durch die zweite, noch bei Ersetzen der zweiten durch die erste eine merkliche Bewegung der Kölbechen eintritt. (Vgl. z. B. die folgenden Beispiele für ein bestimmtes Gelb und Blau, ein bestimmtes Rot und Dunkelgrau usw.) Ich setze nur einige wenige der von mir mit verschieden far- bigen und mit farbigen und grauen Flächen angestellten Versuche zur Erläuterung des Gesagten her: Bei Ersetzen von Rot; durch Gelbıs. erfolgt keine Kölbchen- bewegung, x e BGelbeso »„ Rot,;: lebhafte Bewegung der Kölbehen, 5 . Seo: »„ Grausss: nichts, h 5 „ Grau js „ Rot,s: lebhafte Bewegung, N R N Grrauree „ Gelby4s0: nichts, 5 n .„ (ealbın N Grauess nichts: 2: hr » Weiss zeo „ Gelbıso: lebhafte Bewegung, 5 en 2Gelbheo » Weisszgo: nichts, 5 A „ Hellblau]. „ Rotı;: lebhafte Bewegung, n n „ Hellblau, ,„ Gelbıso: nichts, Y e Gelben „ Hellblau,ss: nichts, . „ nam »„ Oranges;: lebhafte Bewegung, 5 5 „ Gelbgrün,ı „ Grün,s: deutliche, aber nicht sehr starke Bewegung, A * „ Gelberün]s, „ Violett,.: starke Bewegung, Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd. 160. 2 18 C. Heiss: Bei Ersetzen von Violett, durch Rot,;: starke Bewegung, h 3 „ Grausoe „ Violett,,: starke Bewegung, ; „Grüner „ Graujos: lebhafte Bewezung, 3 n „Graue „ Grün,s.s: nichts, o n "GEunTe7 „ Bläulichrot,,; sehr starke Be- wegung, A „ Bläulichrot,; „ Rot,;: lebhafte Bewegung, Ä = ee olnen) „ Rot,;: deutliche, aber nicht sehr lebhafte Bewegung, 5 a „ Gelbgrün ,g „ Gelbrot;,: starke Bewegung, : 3 ‚ Gelbgrün,o „ Grünj,4: deutliche, aber schwache Bewegung, R „ Grün. „ Gelberün,go: nichts, 5 & Blau@os »„ Orange;;: Starke Bewegung; (das Blau ist für unser Auge viel dunkler als das Orange), 7 ® „o Rot; „ Grau,;: nichts; (das Rot ist für uns leuchtend hell und viel heller als das Grau), R R "Graue; „. Rot; nichts: Aus allen diesen oft wiederholten Versuchen ergibt sich folgendes: Zwei farbige Flächen, die auf Centrostephanus wie verschieden helle Flächen wirken, sind in dem gleichen Sinne für den total farben- blinden Menschen verschieden; zwei farbige Flächen, die auf Centro- stephanus wie zwei untereinander angenähert gleich helle Flächen wirken, sind für den total farbenblinden Menschen in der Helligkeit einander sehr ähnlich oder gleich. Mit anderen Worten, die ver- schieden farbigen Flächen wirken auf die Kölbchen dieses Seeigels durchweg ähnlich oder ganz so, wie auf das Auge eines total farbenblinden Menschen, gleichgültig, wie die farbigen Flächen normalen oder partiell farbenblinden Menschenaugen erscheinen. Schon diese einfachen und auch ohne eingehendere Kenntnis der Farbenlehre unschwer zu wiederholenden Versuche genügen, um zu zeigen, dass auch bei Centrostephanus die Sehqualitäten jenen des total farbenblinden und des dunkeladaptierten normalen Menschen sehr ähnlich oder gleich sind. Bei der Empfindlichkeit der frag- lichen Tiere für kleine Lichtstärkenunterschiede schien der Versuch Untersuchungen über den Lichtsinn bei Echinodermen. 19 von erossem Interesse, mit Hilfe eines weiteren neuen, von mir aus- gearbeiteten Verfahrens noch genauere Bestimmungen vorzunehmen. Ich bediente mich dazu eines neuen Apparates, der sich mir auch zu vielen anderen Lichtsinn-Untersuchungen gut geeignet erwies. Über seine Einzelheiten werde ich in anderem Zusammenhange ein- Fig. 6. gehender berichten; im folgenden schildere ich ihn nur so weit, als zum Verständnisse unserer Seeigelmessungen erforderlich erscheint. Von einer bei «a (Fig. 6) befindlichen Nernstlampe wird mit Hilfe eines in der Röhre b angebrachten Linsensystems und einer bei c unter einem Winkel von 45 ® stehenden Spiegelvorrichtung vor dem Apparate eine kreisförmige Fläche in allen ihren Teilen gleichmässig IE 20 C. Hess: und ziemlich stark beleuchtet. Der Durchmesser dieser leuchtenden Fläche beträgt in einem Abstande von etwa 20 em von der Front- linse des Apparates ca. 1,5 em. Dicht vor der Frontlinse ist leicht beweglich ein Doppelrahmen angebracht; seine obere Hälfte dient zur Aufnahme eines Schiebers mit je einem roten, gelben, grünen und blauen Glase; die Durchlässigkeitswerte sind für jedes dieser Gläser genau bestimmt. Die untere Hälfte des Rahmens trägt zwei spitz- winklige, farblos graue Keile, die mittels einer Schraube so gegen- einander verschieblich sind, dass die Menge des von ihnen durch- gelassenen Lichtes innerhalb weiter Grenzen messbar variiert werden kann. Die jeweilige Stellung der beiden Keile wird an einer Skala abgelesen, die entsprechende Menge des durchgelassenen Lichtes ergibt sich aus einem beigegebenen Diagramm. Eine einfache Hebelbewegung gestattet nun, das zu untersuchende Objekt abwechselnd mit einem gesättigt farbigen Liehte und un- nittelbar anschliessend, ohne Zwischenbelichtung, mit dem an- genähert farblosen Lichte zu bestrahlen. Ein mit dem Apparate verbundenes Fernrohr auf kleinen Abstand ermöglicht die Beobachtung des jeweils untersuchten Objektes bei einer zirka achtmaligen Ver- grösserung !). In einer ersten Versuchsreihe wurden bei Centrostephanus, um ein Urteil über die Grenzen zu erhalten, innerhalb derer hier noch genaue Messungen möglich sind, die kleinsten Lichtstärkenverminde- rungen bestimmt, bei welchen noch regelmässig Kölbehenbewegungen auftraten; zu dem Zwecke wurde in der oberen Rahmenhälfte der Schieber mit den farbigen Gläsern durch einen solchen mit ver- schiedenen farblos grauen ersetzt, und nun für ein mittleres Grau durch Beobachtung bei verschiedenen Stellungen der Graukeile er- mittelt, wann bei Belichtungswechsel durch Hebelverstellung in beiden Richtungen keine Kölbchenbewegungen erfolgten. Begannen die Kölbehen bei Übergang von den Graukeilen zum Grauglase zu rotieren, so zeigte dies an, dass die von den Graukeilen durchgelassene Licht- menge zu gross war; begannen die Kölbehen bei Übergang von dem Grauglase zu den Keilen zu rotieren, so war die von letzteren durchgelassene Lichtmenge zu klein. Diese Versuche wurden in einem mässig verdunkelten Zimmer vorgenommen. Jedes Reizlicht 1) Der Apparat wird von ©. Zeiss, Jena, unter dem Namen Differential- Pupilloskop in Handel gebracht. Untersuchungen über den Lichtsinn bei Echinodermen. 21 liess ich vor dem Belichtungswechsel etwa 10—15 Sekunden lang auf die Tiere wirken, nach je 3—4 Versuchen wurde eine Pause von mehreren Minuten gemacht. Die Verstellung der Keile zwischen je zwei Versuchen und die Ablesungen wurden von einem Mitarbeiter mit Hilfe eines Taschenlämpchens mit rotem Lichte vorgenommen. Bei allen folgenden Angaben ist die Menge des von den Grau- keilen durchgelassenen Lichtes in Prozenten der Gesamtlichtstärke des auffallenden Lichtes ausgedrückt. Ich führe nur ein Beispiel von vielen solchen Versuchsreihen an. Bei Belichtungswechsel erfolgte für ein bestimmtes Grau keine deutliche Kölbehenbewegung, wenn die von den Keilen durchgelassene Liehtmenge zwischen 8,3 °/a und 11,8 °o wechselte; betrug die durch- gelassene Lichtmenge mehr als 11,8 %/0, so erfolgte bei Übergang von den Keilen zum Grauglase regelmässig Kölbehenbewegung, be- trug die von den Keilen durchgelassene Lichtmenge weniger als 8,3 %/o, so erfolgte bei Übergang von den Grauglase zu den Keilen regelmässig Kölbchenbewegung!); einmal erfolgten auch bei 8,3 %/o schon Bewegungen der Kölbchen. Zur Beurteilung dieser Werte vergleichen wir dieselben mit der Unterschiedsempfindlichkeit.?2) des normalen Menschenauges für Hellig- keiten unter gleichen Bedingungen. Ich ging dabei in der Weise vor, dass ich an die Stelle der Tiere eine mattweisse Fläche brachte, auf welcher also jetzt eine scharf umschriebene hell beleuchtete kreisförmige Fläche erschien. Es wurden für das gleiche Grauglas jene Stellungen der Graukeile aufgesucht, wo bei Belichtungswechsel die Fläche für unser Auge nicht merklich heller oder dunkler wurde. In einer solchen Versuchsreihe ergab sich, dass bei einem Durchlässigkeitswerte der Graukeile von 11,8°/ und von 10,4 °/o 1) In Versuchen, die diesen Grenzwerten nahe liegen, fangen bei Belichtungs- wechsel in der Regel nicht alle, sondern nur einige wenige Kölbchen an zu rotieren; ihre Bewegungen sind dann nicht sehr lebhaft und kommen bald wieder zur Ruhe. Je grösser die Lichtstärkenunterschiede sind, um so mehr Kölbchen be- wegen sich, und um so lebhafter und länger andauernd sind ihre Bewegungen. 2) Die bei den Tieren erhaltenen Werte dürfen wir noch nicht als Maass ihrer Unterschiedsempfindlichkeit ansehen; denn die kleinsten Werte auf welche die Tiere sichtbar reagieren, brauchen nicht auch die kleinsten von ihnen eben noch empfundenen zu sein; ihre Unterschiedsempfindlichkeit wird also mindestens ebenso gross, im allgemeinen aber noch grösser sein, als den auf dem angegebenen Wege erhaltenen Werten für die kleinsten eben noch zu Reaktionen führenden Lichtstärkenunterschieden entspricht. 22 C. Hess: die Fläche bei Belichtungswechsel ihre Helligkeit für mich nich merklich änderte; auch bei einem Durchlässigkeitswerte von 9,3 %/o konnte ich noch keinen deutlichen Helliekeitsunterschied wahrnehmen. Bei einem Durchlässiekeitswerte von 8,3 °/o wurde die Fläche bei Übergang zur Keilbelichtung eben merklich dunkler (das Grau des Grauglases hatte nicht genau die gleiche Färbung, wie das von den Keilen durchgelassene Grau, doch verursacht dies keinen für die vorliegenden Versuche nennenswert in Betracht kommenden Fehler). Diese Messungenlehren uns die höchstinteressante Tatsache, dass nahezu die kleinsten Liehtstärkenunter- schiede, die von einem normalen Menschenauge noch ebenalsHelligkeitsverschiedenheiten wahrgenommen werden, auch genügen, um bei unseren Seeigeln noch regelmässig Kölbehenbewegungen hervorzurufen — Die messenden Versuche mit farbigen Glaslichtern nahm ich in entsprechender Weise vor und kam dabei zu folgenden Ergeb- nissen: Es wirkte das Grau der Graukeile für Centrostephanus gleich mit dem von mir benutzten Rot bei einer mittleren Durchlässigkeit der Keile = < 0,3 °/o, mit dem von mir benutzten Blau bei einer solchen von 11,1— 14,8 %/o !). Bei meinen bisherigen Untersuchungen über die Sehqualitäten der Tiere hatte ich die bei letzteren gefundenen Lichtreaktionen grossenteils zu den Helligkeitsempfindungen des Menschen in Beziehung gebracht. Man glaubte, hierin einen Einwand gegen meine Untersuchungen finden zu können; für den mit der wissen- schaftlichen Farbenlehre Vertrauten erledigt sich ein solches Be- denken leicht, aber es schien mir in anderer Hinsicht von Interesse, zu zeigen, dass jene Bezugnahme auf unsere Helligkeits- empfindungen durchaus nicht unumgänglich ist, um den Nach- weis der totalen Farbenblindheit für alle bisher untersuchten Wirbel- 1) Alle an den violetten Köibchen vorgenommenen Messungen, über die ich hier kurz berichtet habe, wiederholte ich auch an den langen Stacheln von Centrostephanus, durchweg mit wesentlich gleichen Ergebnissen; ich berichte hierüber nicht im einzelnen, da diese Reaktionen infolge der verhältnis- mässig trägen Bewegungen der Stacheln weniger eindringlich und daher ins- besondere bei kleineren Lichtstärkenunterschieden nicht so leicht zu beobachten sind, auch vielfach schon nach zwei- bis dreimaliger Wiederholung der Versuche undeutlich bzw. ganz unmerklich werden. Untersuchungen über den Lichtsinn bei Echinodermen. 23 losen zu erbringen. Ich nahm daher die Frage wiederum von einer neuen Seite in Angriff, indem ich jene „objektiven Lichtreaktionen“ bei Tieren nicht zu „subjektiven Helligkeitsempfindungen“, sondern zu „objektiven Lichtreaktionen“ beim Menschen, und zwar zum Pupillenspiele in Beziehung brachte. Wir wissen aus Untersuchungen von Sachs (1893), dass für den Grad der Verengerung unserer Pupille bei Bestrahlung mit farbigen Lichtern die Helligkeit massgebend ist, in welcher uns letztere erscheinen; es fehlte aber bisher die Möglichkeit, die fraglichen „pupillomotorischen Reizwerte“ farbiger Lichter für den Menschen zu den Reizwerten der gleichen Lichter für verschiedene Tiere in Beziehung zu bringen und beide messend zu verfolgen. Auch diese Aufgabe konnte ich mit unserem neuen Apparate mit Erfolg in An- eriff nehmen. Ich komme darauf in anderem Zusammenhange aus- führlicher zurück und beschränke mich hier auf die für die Frage nach den Sehqualitäten unseres Seeigels wichtigsten Punkte. In nebenstehender Tabelle habe ich in aller Kürze einen kleinen Teil der Ergebnisse zahlreicher Messungen bei verschiedenen Menschen und Tieren zusammengestellt. Ich bespreche zunächst nur die Reiz- werte der roten und blauen Lichter. Motorische Reizwerte der farbigen Glaslichter. Die Zahlen geben die zu den motorischen Gleichungen erforderlichen Mengen des von den Graukeilen durchgelassenen Vergleichslichtes in Prozenten des auffallenden Lichtes. Ser 2885 Total Cent 23 S=53| Tota entro- | Pram- = a 2 s5= Farben- Taube Nacht Sepia | Bienen | stepha- = = 3 3.2 EE En vogel Re mobia 2 zZ 33 et blinder S Rot 9-11 | 15-22 | <0,6 |7,3-9,3,0,9-1,1| < 0,6 | < (U) << | = ın | {eb} . $, | 2 .D ı Versuchspersonen 95 25 © 3 sl&3 38 Be 8 Eben Ss =} [77] = = =} P7} == N fs} [77] =] =} Seas 5 Es|ssss 5 [3833252 3:5 ee ee g ccm | Liter g ccm | Liter g ccm | Liter Galeotti, Gino. 0,0325 | 715 |7,15 | 0,0342 | 720 |7,20 | 0,0359 | 779 | 8,28 Cicconardi, Gaetano. ... 0,0328 | 743 | 7,65 | 0,0344 | 593 8,29 | 0,0366 | 780 | 7,28 Cicconardi, Giuseppe... — — | — 0,0357 | 446 | 6,77 | 0,0366 | 478 4,77 Pentimalli, | Francesco .. — — | — 0,0342 | 530 | 6,30 | 0,0387 | 542 17,21 nein ee 0,0341 | 665 | 7,25 | 0,0364 | 486 | 7,33 Torsaea,sauce —_ —_—ı— 0,0345 | 627 17,06 | 0,0358 | 627 | 6,71 Signorellj, | | IRITInTeISI Orr: — — | 0,0334 | 626 | 7,53 | 0,0381 | 599 | 6,81 Wassergehalt und Temperatur der ausgeatmeten Luft. 3 o Aus dieser Tabelle ersieht man, dass die in 1 Liter ausgeatmeter Luft enthaltene Wassermenge mit der Temperatur der Umgebung zunimmt. Es lässt sich keine Beziehung feststellen zwischen diesen Mengen und der Atemtiefe und der Zahl der in 1 Minute ausgeatmeten Liter. B. Schwankungen der mit einem Liter Luft ausgeatmeten Wassermenge je nach der Feuchtigkeit und der Temperatur der Umgebung. Ich halte es für zweckdienlich, hier auch die Daten anzuführen, die sich auf die Schwankungen der in 1 Liter Luft enthaltenen Wassermengen beziehen, je nach dem Feuchtiekeitsgrade und der Temperatur der inspirierten Luft, indem ich die Grösse der Atem- tiefe hinzufüze. Diese Bestimmungen wurden an mir selbst ausgeführt, und ich trug Sorge dafür, den Rhythmus so zu regulieren, dass ich zehn vespiratiouen pro Minute ausführte. Die Zahl der in 1 Minute eingeatmeten Liter Luft ergibt sich sofort aus der Atemtiefe, wenn man diese Menge mit 10 multipliziert. Tabelle V. vr Temp. der| Feuchtigkeit - | Menge des mit eingeat- | der eingeat- | Atemtiefe | ein. Liter Luft | 7 surcan: metenLuft| meten Luft ausgeatmeten Unterschied °C, [(H50 pro Liter Luft)| ccm Wassers ( 16 0 623 0,0317 16 | 0,00987 718 0.0337 \ 0,0020 Trockene 16 0 651 0,0335 \ 0.0010 oder feuchte J 16 0,00963 747 0,0345 ) Man, 180 16 0,01125 700 0,0341 ? p- 16 0 721 0,0328 \ 0.0018 (| 16 0,01072 7192 0,0346 2 | < 16 0,00574 zo 0,0312 e Laue oder 40 0.00574 732 0.0368 \ SUEL warme Luft 15,5 0,00545 759 0,0343 0.0045 von mittlerer 50 0,00545 125 0,0388 ’ i ls 16 0,00500 724 0,0347 Feuchtigkeit 50 0.00500 710 0.0 405 \ 0,0058 15 0 743 0,0310 ara 50 0 749 0.0336 \ Ur 3 16 0 767 0,0308 c Ei: warme 45 0 750 0.0338 \ 0,0030 trockene Luft 16,5 N) 773 0,0332 0.0081 50 0 723 0,0353 UT oder feuchte J} 50 | mit Wasser- | 700 0,0530 on 3 dampf ge- Luft bei s00| | sättigte Luft Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd. 160. co 34 G. Galeotti: Aus diesen Versuchen ergibt sich: Die Menge des mit 1 Liter Luft ausgeatmeten Wassers nimmt etwas (um 0,0010—0,0020 g pro Liter) ab, wenn die eingeatmete Luft vollständig trocken ist; diese Menge nimmt beträchtlich (0,0045—0,0058 g) zu, wenn die eingeatmete Luft eine Temperatur von 40—50° C. hat. Hier muss ich beinerken, dass nur dann ein beträchtlicher Einfluss auf die Menge des durch die Lungen abgegebenen Wassers wahrzunehmen ist, wenn die eingeatmete Luft so warm ist; wenn dagegen die Änderungen der Temperatur der eingeatmeten Luft um wenige Grade über der mittleren normalen Temperatur schwanken, und keine vasomotorische Modifikationen der Haut zustande kommen, ändert sich der Wassergehalt in der ausgeatmeten Luft nicht. Bei anderen Experimenten, die ich der Kürze halber nicht be- schreibe, änderte ich die Vorrichtung so, dass ich direkt Luft zu den Lungen gelangen liess, die infolge ihres Durchganges durch ein in Eis liegendes Rohr abgekühlt war. In diesem Falle zeigten sich keine Änderuneen der Menge des mit 1 Liter Luft ausgeatmeten Wassers. Die Atemtiefe war ungefähr dieselbe bei allen Experimenten; mithin hat dies die Schwankungen der ausgeatmeten Wassermenge beeinflusst. II. Bestimmungen der Temperatur der ausgeatmeten Luft. Ich gehe nun dazu über, die Experimente zu besprechen, die gemacht wurden, um die Resultate von Loewy und Gerhartz und meine oben dargelesten Untersuchungen zu kontrollieren. Diese Experimente wurden zum grossen Teil von meinem Assistenten, Dr. Azzo Azzi, ausgeführt. Vor allem muss ich in wenigen Worten die Untersuchungs- methode beschreiben. Einige vorausgehende Versuche haben mir bewiesen, dass, um die Temperatur der ausgeatmeten Luft zu messen, keine Apparate mit grosser Oberfläche verwendet werden können, weil bei letzterer stets etwas Wasser kondensiert wird, das dann im Luftstrom ver- dunstet, weshalb immer eine niedrigere Temperatur als die wahre gemessen wird. Aus diesem Grunde können Thermometer überhaupt nieht dazu dienen. Mit einem einfachen thermo-elektrischen Element erreicht man den Zweck sehr gut. Dieses Element konstruierte ich, indem ich an die beiden Enden eines Eisendrahtes zwei Stücke Nickeldraht a a ne ic Wassergehalt und Temperatur der ausgeatmeten Luft. 35 lötete. Die Drähte hatten einen Durchmesser von ?/ıo mm. Eine Lötung wurde dann in eine Dewar’sche Flasche fest eingeschlossen, die auch ein sehr empfindliches Thermometer enthielt; die andere befand sich in der Atmungsröhre, die ich nun beschreiben will. Die beiden freien Enden der Nickeldrähte gingen zum Galvano- meter. Ich verwendete ein sehr empfindliches Spiegelgalvanometer vom Arsonval’schen Typus (Resistenz 4 2). Mittels einer ge- eigneten Vorrichtung lässt sich erreichen, dass '/ıo Grad Temperatur- steigerung in einer Lötung beinahe genau einem Teilstrich der Skala des Galvanometers entspricht. Um diesen thermo-elektrischen Apparat Fig. 1. zu eichen, genügt es, die Lötung der Atmungsröhre zugleich mit einem in Y/ıo Grade geteilten Präzisionsthermometer in ein Reagenz- glas zu bringen und letzteres in ein Wasserbad einzutauchen, dessen Temperatur man von 32—37° C. variieren lässt. Man liest gleich- zeitig die Verschiebungen des Galvanometers und des Thermometers ab und konstruiert mit diesen Werten eine Kurve, mittels deren man dann bei den einzelnen Versuchen die Verschiebung des Galvano- meters in !/ıo Grade umwandelt. Man muss Sorge dafür tragen, dass alle Drähte und alle elek- trischen Fugen wohl mit Watte bedeckt sind, um den Einfluss der Temperaturänderungen der Umgebung abzuhalten. Diese Graduierung des thermo-elektrischen Apparates muss täglich vorgenommen werden, ehe man eine Versuchsreihe beginnt, oder wenn das Thermometer ‚der Dewar’schen Flasche etwaige Verschiebungen zeigt. 8) SE 36 G. Galeotti: Die Atmungsröhre ist in Fie. 1 dargestellt. Es ist eine Tförmige Glasröhre mit einem Durchmesser von ca. 12 mm. In einen der Seitenschenkel führt man die Lötstelle « ein und be- festigt sie mittels eines Pfropfens. Mit dem vertikalen Schenkel ist ein Gummirohr 5 verbunden. Man muss darauf achten, dass die Lötstelle @« nie die Wand der Röhre berührt. Man führt das dem Punkt a entsprechende Ende der Röhre gut in die Mündung ein und atmet durch die Nase ein, während man die Röhre 5 mit den Fingern verschlossen hält; dann Öffnet man diese Röhre und atmet durch sie aus. Ein Assistent liest unterdessen am Galvanometer ab. Letzteres steigt rasch und erreicht in ca. 2 Minuten eine feste, konstante Lage. Auf diese Weise lässt sich die Temperatur der ausgeatmeten Luft mit einem Fehler messen, der nicht grösser als ein Zehntel Grad ist. A. Temperatur der ausgeatmeten Luft und hygroskopischer Grad derselben bei verschiedenen Personen. Folgende Tabelle enthält die Mittelwerte von ungefähr 70 von meinem Assistent, Dr. A. Azzi, ausgeführten Bestimmungen. In der letzten Kolumne dieser Tabelle finden sich die Verhältnisse der Menge des ausgeatmeten Wassers zu der Menge des Sättigungs- wassers der Luft!) bei der entsprechenden Temperatur, d. h. der hygrometrische Grad der ausgeatmeten Luft. Tabelle VI. i ern Hygro- Umgebungs- ne ne ERDE. metrischer Versuchspersonen temperatur Na SUSE Grad der ausgeatmeten | atmeten Luft | Qusseatmeten oQ, Wassers og, Luft IGaGaleottgrer 16 — 34,62 een IRonnarea 16 — 34,40 == RA ee 22,9 0,0367 39,92 0,91 R. Langilletta . 23 0,0362 35,05 0,92 I% Preallio no: 23 0,0363 | 35,50 0,91 Zasamıe ret: IUen 0,0354 35,50 0,87 lea Azzı.205, 25,6 0,0375 39,67 0,92 KoBoneelliwrr.z 25 0,0369 35,76 0,90 Aus dieser Tabelle ersieht man, dass die Temperatur der aus- geatmeten Luft bei deu verschiedenen Individuen (und bei einer Umgebungstemperatur zwischen 16° und 25° C.) zwischen 34,4° C. h 1) Diese Menge wurde nach der Formel g = 0,2894 PIE berechnet, bei welcher g das Gewicht des in 1 Liter Luft enthaltenen Wassers, £ die Temperatur und Ah die maximale Spannkraft des Wasserdampfes bei derselben Temperatur ist. | | 1 i j Wassergehalt und Temperatur der ausgeatmeten Luft. 37 und 35 7° C. schwankt. Die Temperatur der Umgebung übt einen sewissen Einfluss auf die Temperatur der ausgeatmeten Luft aus. Die ausgeatmete Luft ist nieht mit Wasser ganz gesättiet. Ihr hygrometrischer Grad ist ungefähr 0,9, ein Wert, der nicht un- beträchtlich höher ist als derjenige, welcher in meiner vorherigen Arbeit, ohne Berücksichtigung der richtigen Temperatur der aus- seatmeten Luft, berechnet wurde. B. Einfluss des Atmungsrhythmus. Bei meinen früheren Versuchen ergab sich, dass, wenn man den Atmungsrhythmus ungefähr um die Hälfte verlangsamt, die Menge des mit 1 Liter Luft ausgeatmeten Wassers um ca. 2,5 °o in Ver- gleich zu der bei normalem Rhythmus ausgeatmeten zunimmt. Be- schleunigt man den Rhythmus bis auf beinahe das Vierfache, so nimmt die Menge des ausgeatmeten Wassers ungefähr um 6,5 °/o ab. Hinsichtlich der Temperatur der ausgeatmeten Luft erhielt ich die in der folgenden Tabelle zusammengestellten Werte: Dem Versuch | Temperatur Zahl der Temperatur der Datum unterzogene | der Umgebung | Respirationen en Personen 00, pro Minute °C 12 34,7 1 An ee Galeotti 16 26 34,0 5 34,9 12 34,6 april. 2. Galeotti 16 24 34,0 6 34,8 12 BbR5) MeAprEl.. 2. Azzi 16 30 34,3 5 35,4 11 31 April... . Azzi 16 27 34,6 4 35,1 Aus diesen Werten ergibt sich, dass stets eine Abnahme der Temperatur der ausgeatmeten Luft eintritt, wenn der Rhythmus be- schleunigt wird, und fast immer eine Zunahme, wenn der Rhythmus verlangsamt wird. Diese Schwankungen erfolgen also in demselben Sinne, wie die bezüglich der ausgeatmeten Wassermenge beobachteten, weshalb man auf einen Parallelismus zwischen beiden Erscheinungen schliessen kann. C. Einfluss der zeitweiligen Einatmung warmer Luft. Bei meinen früheren Experimenten ergab sich, dass ein 4—5 Mi- nuten dauerndes Einatmen erhitzter Luft eine solehe Veränderung 38 G. Galeotti: der Lungenverhältnisse bewirkt, dass die mit einem Liter Luft aus- geatmete Wassermenge erheblich zunimmt, auch wenn wieder Luft von 15—16° eineeatmet wird. Ich wiederhole hier die Daten meiner diesbezüglichen Versuche, indem ich die Werte der Atemtiefe hinzu- füge. Bei diesen Versuchen war die Zahl der Respirationen pro Minute stets 10. Tempe-| Feuchtig- men ratur | keit der | gusge- |Atem- Versuchs- Experimentelle derein- ine ee person Untersuchungen geatme- ee ten Luft) atmeten Bar u altenen ® Luft Wassers | CC Unter normalen Bedingungen Il 0,00720 | 0,0345 703 Nachdem 4 Minuten lang Luft bei 50° C. eingeatmet wor- G a leotti, den: war A: 17 0,00720 | 0,0352 798 Gino Unter normalen Bedingungen 16,5 | 0,00618 | 0,0347 835 Nachdem 4 Minuten lang Luft bei 50°C. eingeatmet wor- Us iden:- war... Dr ar 16,5 | 0,00618 | 0,0357 | 397 Unter normalen Bedingungen 16,5 | 0,00720 | 0,0347 589 Nachdem 4 Minuten lang Luft bei 65° C. eingeatmet wor- den war er en re 16,5 | 0,00720 | 0,0379 826 Unter normalen Bedingungen 16,5 | 0,00618 | 0,0343 705 Nachdem 5 Minuten lang Luft Pieces bei 70° 0. eingeatmet wor- arae 3), U denswargsr Bee 16,5 | 0,00618 | 0,0374 | 642 Caelano Unter normalen Bedingungen 15,5 | 0,00350 ' 0,0339 198 Nachdem 5 Minuten lang Luft bei 70°C. eingeatmet wor- den: war... @e.en nr 15,5 | 0,00350 ' 0,0389 602 Unter normalen Bedingungen 14 0,00340 0,0337 796. Nachdem 5 Minuten lang Luft bei 70° C. eingeatmet wor- ulösgenene 14 | 0,00340 | 0,0378 | 775 Ähnliche Versuche machte ich, indem ich zuerst die Temperatur der von der Versuchsperson ausgeatmeten Luft maass. Dann liess ich die Versuchsperson 5—7 Minuten lang durch einen Klappen- apparat atmen, zu dem auf ca. 70° erhitzte Luft gelangte. Hierauf hörte das betreffende Individuum auf, an diesem Klappenapparat zu atmen, atmete einige Augenblicke frei ein, wandte sich dann wieder dem thermoelektrischen Apparat zu, und die Temperatur der aus- geatmeten Luft wurde von neuem unter den gleichen Bedingungen gemessen. Bei allen Versuchen, die auf der folgenden Tabelle angeführt sind, war die Zahl der Respirationen pro Minute stets 12. Wassergehalt und Temperatur der ausgeatmeten Luft. 39 Temperatur der ausgeatmeten Luft Temperatur 5 = nachdem 5—7 Min. Datum N uch U a unter normalen | lang auf ca. 70° Dan ns us Bedingungen erhitzte Luft ein- 00. ı geatmet worden war 13. April Azzi 16 34,9 39,1 14. Azzi 16 35,9 | 36,7 io. 2; Azzi 19 39,4 36,1 19% >, Azzi 1 39,9 39,9 ITS: Zagari 17 39,9 39,9 Ba... Porcelli 22 35,1 35,9 BE Lanzilotta — 34,6 39,0 Da Azzi 18 39,4 36,3 Din, Azzi — 35,6 37,0 Do, Azzi — 39,7 36,4 Vergleicht man diese- beiden letzten Tabellen miteinander, so sieht man, dass sich die Modifikationen der Temperatur der aus- geatmeten Luft und die Modifikationen ihres Wassergehaltes auf gleiche Weise verhalten. Was zu konstatieren für mich von Inter- esse ist, das ist eben die Zunahme der Temperatur der ausgeatmeten Luft, nachdem heisse Luft eingeatmet wurde, obwohl die Tempera- tur der während der Bestimmung eingeatmeten Luft dieselbe bleibt. Es ist wahrscheinlich, dass dies durch eine auf das Einatmen heisser "Luft folgende Gefässerweiterung in den Lungen bedingt ist. D. Einfluss des kalten Bades. Eine letzte Reihe von Versuchen wurde von meinem Assistenten Dr. Azzi gemacht, um zu untersuchen, welchen Einfluss die durch das kalte Bad hervorgerufene Zusammenziehung der Hautgefässe ausübt. Ich führe nur einige von den vielen Versuchen an, die er anstellte, und bezeichne bei ihnen mit Ta die Temperatur der aus- geatmeten Luft, mit Zr die Temperatur des Rectums. Erster Versuch. 18. Mai. 7 Uhr 35 Min abends. Umgebungstemperatur 21° C: vorsdem Bade... ı Ta — 35.9%2C. im Bad bei 14° C. nach Son ze. 2,8 Ta —- 33820. Zweiter Versuch. 19. Mai. 11 Uhr 45 Min. morgens. Umgebungstemperatur 21°C: vorsdem Bad a 222 1a 8358320, 17, —86.0%0. ime Bad nach 10. Min2. 1a — 34.3520. AU G. Galeotti: Dritter Versuch. 20. Mai. 7 Uhr 30 Min. abends. Umgebungstemperatur 21,5° C: vor: dem, Bade 22.2.2027 239, 0 el 305 Eintauchen eines Armes in. Wasser bei 1122.02 707 35. 0.2@: Ganzbad im Wasser bei 17.%.G. .nach29Mın 21a — 833,32. 0 30: Vierter Versuch. 23. Mai. 6 Uhr 20 Min. morgens. Umgebungstemperatur 21,5 °C: vor. dem Bad‘ . . . Ta — 8398%.08 27% 3008 im Bad bei 14° C. nach 5%. Min2 3 au. gear 3310900: nach 19..Mina=...2 710 BIC 2300920 Fünfter Versuch. 26. Mai. 5 Uhr 15 Min. nachmittags. Umgebungstemperatur 22°C. vor. der Abkühlune = Ta 35.522027, IR320 nach Einwickeln des Körpers in ein Bade- tuchn se 0 2 Tor Saale el ae Eintauchen der Beine ins Wasser 7, 710 eis sone: nach 15 Mine 2 21a — 345070: Schon aus diesen wenigen Versuchen ersieht man, dass das ganze Eintauchen des Körpers in kaltes Wasser oder auch das Ein- tauchen eines Armes oder das Einwiekeln in ein Badetuch sofort Herabsetzung der Temperatur der ausgeatmeten Luft bewirkt, welche Abnahme 1 oder 2 Grad erreichen kann. Wahrscheinlich ist, dass bei dieser Erscheinung entsprechende ERunslpEsBnE Erscheinungen in Haut und Lungen eine Rolle spielen. Bei einem verlängerten Bad nimmt die Korperlenmeaan be- deutend ab und alsdann ist dieser Umstand, wie an und für sich klar ist, die Hauptursache der Temperaturerniedrigung der ausgeatmeten Luft. Zusammenfassung. 1. Ich habe die Daten, die sich aus meinen früheren Bestimmungen über die Menge des vermittelst der Atmung ausgeschiedenen Wassers ergaben, in Beziehung zur Temperatur der ausgeatmeten Luft gebracht. Wassergehalt und Temperatur der ausgeatmeten Luft. 41 2. Die mittels eines einfachen thermoelektrischen Apparates bestimmte Temperatur der ausgeatmeten Luft schwankt, unter nor- malen Verhältnissen (Umgebungstemperatur 16—25° C.), zwischen 34,4° und 35,7°. 3. Vergleicht man diese thermoelektrischen Daten mit denen, die sich aus der direkten Bestimmung der in einem Liter aus- seatmeter Luft enthaltenen Wassermenge ergeben, so sieht man, dass der hygrometrische Grad der ausgeatmeten Luft bei normalen Be- dingungen ca. 0,9 ist. 4. Der Atmungsrhythmus beeinflusst die Temperatur der aus- seatmeten Luft. Wird der Rhythmus beschleunigt, so nimmt die Temperatur ab; wird der Rhythmus verlangsamt, so nimmt sie zu. Auf dieselbe Weise nimmt die ausgeatmete Wassermenge ab oder zu. 9. Die Temperatur der Umgebung beeinflusst die Temperatur der ausgeatmeten Luft. 6. Nachdem einige Minuten lang keine Luft und dann wieder Luft von der Temperatur der Umgebung eingeatmet wurde, findet man eine beträchtliche Zunahme der Temperatur der ausgeatmeten Luft und ihres Wassergehaltes. "7. Das ganze oder partielle kalte Bad, oder eine einfache Kältewirkung, wie sie durch das Einhüllen in ein Badetuch hervor- gerufen wird, verursacht fast immer eine Verminderung der Temperatur der ausgeatmeten Luft, die 1 oder 2 Grad erreichen kann, wobei jedoch die Temperatur des Rectums die gleiche bleibt oder nur um einige Zehntel Grad variiert. Bei einem länger dauernden kalten Bad nimmt die Temperatur der ausgeatmeten Luft noch weiter ab, aber auch die Temperatur des Rectums nimmt ab. 8. Diese beiden letzten Ergebnisse (6 und 7), wie auch andere Überlegungen, die schon in meiner oben zitierten Arbeit dargelegt wurden, machen es wahrscheinlich, dass die vasomotorischen Ver- hältnisse der Lungen die Temperatur der ausgeatmeten Luft und infolgedessen ihren Wassergehalt beeinflussen. Es lässt sich auch denken, dass eine gewisse Übereinstimmung zwischen vasomoto- rischen Modifikationen der Haut und der Lungen besteht. Natürlich kann diese Hypothese nur mit Vorsicht aufgestellt werden, auch in Anbetracht der Unsicherheit unserer Kenntnisse über die vaso- motorischen Erscheinungen in ‚den Lungen. 43 ©. J. Rothberger und H. Winterberg: (Aus dem Institute für allgemeine und experimentelle Pathologie in Wien.) Über Vorhofflimmern und Vorhofflattern!). Von Prof. ©. 3. Rothberger und Prof. H. Winterberg. (Mit 12 Textfiguren und Tafel I, II und III.) Einleitung und Fragestellung. Die Ähnlichkeit der Erscheinungen bei der sogenannten Arhythmia perpetua des Menschen und beim Flimmern der Vorhöfe des Säugetier- herzens hatte uns seinerzeit ?) veranlasst, das Flektrokardiogramm nach experimentell erzeugtem Vorhofflimmern zu studieren und mit den elektrographischen Kurven klinischer Fälle dauernd unregelmässigen Pulses zu vergleichen. Bei diesen Untersuchungen fanden wir als konstante und charakteristische Zeichen sowohl des experimentellen Vorhofflimmerns als auch der Arhythmia perpetua eine typische Ver- änderung der Normalform des Ekg. nach zwei Richtungen: 1. dadurch, dass die Vorhofzacke vollständig verschwindet; 2. dadurch, dass die Saite des Galvanometers auch in den sonst ruhigen Intervallen un- aufhörliche Bewegungen zeigt, die im kleinen ein Abbild der beim Flimmern der Ventrikel auftretenden Saitenschwankungen darstellen. Auf Grund dieser Befunde haben wir die Arhythmia perpetua auf Vorhofflimmern zurückgeführt und als „Flimmerarhythmie“ ?) bezeichnet. 5 Wir konnten um so weniger erwarten, dass unsere Auffassung von den Klinikern ohne Widerstand akzeptiert werden würde, als 1) Die Ergebnisse dieser Untersuchungen wurden unter dem Titel: „Über die Pathogenese der Flimmerarhythmie“ in der Wiener klin. Wochenschr. 1914 Nr. 20 vorläufig mitgeteilt. 2) Rothberger und Winterberg, Vorhofflimmern und Arhythmia per- petua. Wiener klin. Wochenschr. Bd. 22 Nr. 24. 1909. 3) Winterberg, Das Elektrokardiogramm, seine theoretische und prak- tische Bedeutung. Med. Klinik Nr. 20 u. 21. 1911. Über Vorhofflimmern und Vorhofflattern. 43 anfangs sogar von seiten der Experimentatoren!) Einwände gegen sie erhoben wurden. Dass dieselbe dennoch früher, als wir voraus- setzen durften, fast allgemein anerkannt wurde, haben wir in erster Linie dem Umstande zu danken, dass unsere Angaben bald darauf durch Lewis?) vollständig bestätigt und durch zahlreiche klinische Beobachtungen dieses Autors und seiner Mitarbeiter erweitert wurden. In den letzten Jahren ist es mit Hilfe der elektrographischen un« der überaus verfeinerten polygraphischen Technik gelungen, einen eigentümlichen Zusammenhang der Arhythmia perpetua mit gewissen Formen tachykardischer Vorhoftätigkeit aufzudecken. Es zeigte sich, dass der dauernd unregelmässige Puls nieht nur mit typischem, durch den charakteristischen elektrographischen Befund erkennbarem Vorhof- flimmern vergesellschaftet auftritt, sondern häufig, nach Fahren- kamp?®°) sogar in der Mehrzahl der Fälle, mit Tachysystolie der Vorhöfe verbunden ist. Die ersten Beobachtungen von extrem frequenter Vorhoftätigkeit sind von Hertz und Goodhart®), Jolly und Ritchie?) und Rihl‘®) gemacht worden. Später haben unter anderen Lewis’), Fulton®) und Fahrenkamp (l. c.) solche Fälle mitgeteilt. Um ihre nähere Analyse hat sich namentlich Lewis verdient gemacht. 1) Hering, Über das Fehlen der Vorhofzacke im Elektrokardiogramm beim Irregularis perpetuus. Münchener med. Wochenschr. Nr. 48 S. 2483. 1909. Dagegen: Rothbergerund Winterberg, Über den Pulsus irregularis perpetuus. Wiener klin. Wochenschr. Bd. 22 Nr. 51. 1910. 2) Lewis, Auricular fibrillation; a common clinical condition. Brit. med. Journ. vol. 2 p. 1528. 1909. — Lewis, Auricular fibrillation and its relations- ship to clinical irregularity. Heart. vol. 1 p. 306. 1909/10. 3) Fahrenkamp, Über das Elektrokardiogramm der Arhythmia perpetua. Deutsches Arch. f. klin. Med. Bd. 112 S. 302. 1913. 4) Hertz and Goodhart, The speed limit of the human heart. Quarterly Journ. of med. vol. 2 p. 213. 1909. 5) Jolly and Ritchie, Auricular flutter and fibrillation. Heart. vol. 2 wel VOTo/LT. 6) Rihl, Hochgradige Vorhoftachysystolien mit Überleitungsstörungen und elektiver Vaguswirkung. Zeitschr. f. exper. Pathol. u. Therap. Bd. 9 S. 277. 1911. 7) Lewis, Observations upon disorders of the heart’s action. Heart. vol. 3 p. 279. 1911/12. — Lewis, ÖObservations upon a curious and not uncommon form of extreme acceleration of the auricle. „Auricular flutter.“ Heart. vol. 4 Palo. 1913. 8) Fulton, „Auricular flutter“ with a report of two cases. Arch. of intern. Med. vol. 12 p. 475. 1913. 44 C. J. Rothberger und H. Winterberg: Die beim Menschen vorkommende Vorhoftachysystolie, von Jolly und Ritchie „Aurieular flutter“, Vorhofflattern, genannt, ist im allgemeinen durch folgende Merkmale ausgezeichnet: 1) durch die Zahl der Vorhofschläge, die gewöhnlich etwa 300 pro Minute beträgt; 2. durch ihren heterogenetischen Reizursprung; 3. durch die Unabhäneiekeit der Vorhoffrequenz von dem Einflusse der Herz- nerven: körperliche Anstrengung oder Druck auf den Vagus be- schleunigen bzw. verlangsamen nur die Kammertätigkeit, ohne die Zahl der Vorhofkontrak‘ionen zu ändern; 4. durch die oft voll- ständige Regelmässiekeit der Vorhofaktion; 5. durch das Bestehen von Herzblock verschiedenen Grades!) und 6. durch die eigentüm- liche Reaktion gegen Digitalis, darin bestehend, dass das Flattern in Flimmern übergeht, worauf sich nach einiger Zeit häufig wieder die normale Herztätigkeit einstellt. Dass zwischen dem Flimmern und Flattern der Vorhöfe engere Beziehungen bestehen, wird fast von allen Autoren angenommen. Die folgenden Untersuchungen wurden zu dem Zwecke unternommen, diesen Zusammenhang näher zu analysieren und insbesondere die Bedingungen kennen zu lernen, welche für den Übergang beider Zustände ineinander maassgebend sind. Bei der Durchsicht der dem „Auricular flutter“ entsprechenden Ekg. fiel uns zunächst ihre grosse Ähnlichkeit mit jenen Kurven auf, die wir zur Illustration des grobschlägigen Flimmerns abgebildet hatten. Wir verweisen diesbezüglich z. B. auf Fie. 36 der in Heart. vol. 4 p. 171, 1913 publizierten Arbeit von Lewis und auf Fig. 3d S. 396 unserer Mitteilung in Pflüger’s Archiv Bd. 131 S. 387, 1910. Wir machten daselbst darauf aufmerksam, dass beim Flimmern der Vor- höfe alle Übergänge von feinsten, kaum merklichen Muskelbewegungen bis zu stürmischen Zuckungen sichtbar sind, und dass den verschiedenen Graden der Intensität des Flimmerns auch verschiedene Formen der Saitenunruhe entsprechen können. Daher lag die Vermutung nahe, 1) Die Kammertätigkeit ist rhythmisch, wenn die Systolenausfälle regel- mässig erfolgen (2:1, 3:1, 4:1 Rhythmus), arhythmisch, wenn der Grad der Leitungshemmung Schwankungen unterliegt. Das Pulsbild kann in letzterem Falle dem der Flimmerarhythmie sehr ähnlich sein. Die Pulsfrequenz ist je nach der Anzahl der übergeleiteten Vorhofkontraktionen erhöht, normal oder herab- gesetzt. Die Diagnose ergibt sich aus dem Venenpulsbilde und dem Ekg., ist aber manchmal auch bei Anwendung dieser Hilfsmittel sehr schwierig, wenn die Vorhofwellen sehr schwach sind oder durch die Kammerwellen, bzw. wenn die P-Zacken von den Potentialschwankungen der Ventrikel überdeckt werden. Über Vorhofflimmern und Vorhofflattern. 45 dass Vorhofflattern und grobschlägiges Flimmern identische Phänomene wären, und es erschien aussichtsreich, hier mit unserer Untersuchung einzusetzen. Untersuchungsmethode. Wie oben erwähnt war uns aus früheren Untersuchungen bekannt, dass nach elektrischer Reizung der Vorhöfe sich anfangs feinschlägiges Flimmern einstellt, welches zusehends heftiger und gröber wird und schliesslich nach Eintritt der postundulatorischen Pause in die normale Schlaefolge übergeht. Die diesen verschiedenen Stadien entsprechenden Vorgänge wurden einerseits mechanisch dureh Suspension der rechten Aurikel, anderseits elektrographisch registriert. Als Versuchstiere benutzten wir morphinisierte, mit Äther in Narkose gehaltene Hunde. Der Thorax war eröffnet, sämtliche Herznerven durchschnitten und mit Reizelektroden versehen. Nach faradischer Reizung ist aber das Flimmern der Vorhöfe von Hundeherzen selbst bei Anwendung starker Reizströme meist von so kurzer Dauer, dass es nur ausnahmsweise möglich ist, die einzelnen Stadien des Flimmerns näher zu untersuchen. Insbesondere gilt dies von der letzten uns anı meisten interessierenden Periode des srobschläeigen Flimmerns. Um länger anhaltendes Vorhofflimmern zu erzielen, bedienten wir uns der Vereiftung mit Physostigmin !) und Muskarin 2). Beide Methoden erwiesen sich als ausserordentlich brauchbar. Das Physostigmin wurde als salizylsaures Salz in einer Menge von 1—2 mg, das Muskarin in Form eines aus Fliesen- schwämmen bereiteten konzentrierten alkoholischen Extraktes zu 0,1—0,5 eem intravenös injiziert. Bei so vorbehandelten Hunden reagieren die Vorhöfe auf eine kurze faradische Reizung, die vorher sehr rasch vorübergehende Flimmeranfälle auslöste, fast regelmässig mit lJangdauerndem Flimmern, das mehrere Minuten bis zu einer Viertelstunde und darüber anhalten kann. Nach der Physostigmin- vereiftung ist es gewöhnlich nötig, die Vorhofsreizung mit Reizung der Vagi zu kombinieren oder ihr wenigstens eine Faradisation der Vagi unmittelbar vorauszuschicken. Nach Anwendung von Muskarin genüst schon die Reizung der Vorhöfe allein. Das l) Winterberg, Über die Wirkung des Physostigmins auf das Warm- blüterherz. Zeitschr. f. exper. Pathol. u. Ther. Bd. 4 S. 636. 1907. 2) Winterberg, Studien über Herzflimmern. I. Mitteil. Über die Be- einflussung des Herzflimmerns durch einige Gifte. Pflüger’s Arch. Bd. 122 S. 861. 1908. 45 ©. J. Rothberger und H. Winterberg: Muskarin bietet ferner bei entsprechender Dosierung die Möglichkeit, verschiedene Formen des Flimmerns erzeugen zu können, indem nach grösseren Gaben dieses Mittels feinschlägiges, nach kleineren Dosen grobsehlägiges Flimmern bzw. Vorhoftachysystolie der Faradi- sation der Vorhöfe folgt. Die individuellen Verschiedenheiten, die schon am normalen Herzen sehr auffallend sind, zeigen sich in ähn- licher Weise auch an den mit Physostigmin und Muskarin be- handelten Tieren. In manchen Fällen sind schon kleine, die normale Herztätigkeit kaum störende Dosen ausreichend, in anderen haben erst grosse Gaben Erfolg. Für die experimentelle Untersuchung ist dies deshalb nicht gleichgültig, weil stärkere Physostigmindosen heftige, allgemeine Zuckungen der Körpermuskulatur hervorrufen, welche die Verzeichnung der Herztätigkeit stören, und weil Muskarin in grösseren Gaben das Herz bereits ziemlich schwer schädigt. Zur Aufnahme des Eke. bedienten wir uns nicht der gewöhnlichen Ableitung von den Extremitäten oder vom Anus und Osophagus; wir wählten vielmehr die von Garten-Clement!) angegebene Methode der Differentialableitung, welche die direkte Untersuchung des elektromotorischen Verhaltens einander nahe benachbarter Punkte der Herzoberfläche gestattet. Dieses Verfahren hat den Vorteil, dass die von der Vorhoftätigkeit herrührenden Schwankungen durch die von der Erregung der Kammermuskulatur bedingten Saitenausschläge nicht beeinflusst werden, und dass auch von den in den Vorhöfen ablaufenden Erregungen nur diejenigen verzeichnet werden, welche gerade die Ableitungsstelle passieren. Nach der Beschreibung von Clement (l. c. S. 111ff.) lässt sich eine möglichst kleinflächige Ableitung in folgender Weise herstellen: „Ein Baumwollfaden von ca. 0,5 mm Durchmesser wird mit einer Pinzette scharf geknickt; seine Enden werden in die Tonpfröpfe von zwei unpolarisierbaren Elektroden geknetet. Setzt man die Spitze des Winkels auf die Oberfläche des Herzens, so genügen trotz dieser praktisch nahezu punktförmigen Ableitung die Stromzweige, welche in die Fäden einbrechen, um deutliche Saitenausschläge zu geben. Bei dieser Art der kleinflächigen Ableitung werden alle Potentialdifferenzen des berührten Flächenteils zu Strömen in dem Bügel e—f (Fig. 1) Anlass geben. Dabei wird aber eine Potentialdifferenz zwischen den Punkten a und b, die in der durch den Fadenbügel gebildeten Ebene liegen, den stärksten Strom in e—f erzeugen. Der Strom in e—f wird aber Null werden, wenn eine Potentialdifferenz zwischen zwei 1) Clement, Über eine neue Methode zur Untersuchung der Fortleitung des Erregungsvorganges im Herzen. Zeitschr. f. Biol. Bd. 58 S. 110. 1912. Über Vorhofflimmern und Vorhoffattern. 47 Punkten in einer auf a—b senkrechten Richtung entsteht. Es werden - also bei dieser Art der Ableitung die Punkte «—b wesentlich bevorzugt. Es ist weiter klar, dass wegen der geringen Ausdehnung der Elektrode nur Potentialdifferenzen solcher Fasern das Galvanometer in stärkerem Maasse beeinflussen können, die ziemlich dicht unter der Oberfläche verlaufen ... .* Statt der Tonelektroden verwendeten wir die unpolarisierbaren Magazinelektroden von Noyons!), welche wegen ihrer reinlichen und bequemen Handhabung nach unseren Erfahrungen sehr zu empfehlen sind. Um die Spitze des ableitenden Baumwollfadens an den Vorhof zu fixieren, verführen wir so, dass wir, ähnlich wie Erfmann und Schneiders?), ein dünnes, 10—12 mm langes Gummiband in leichter Spannung an beiden Enden mit feinen Nähten an geeigneten Stellen des rechten Vorhofes anhefteten. Darunter wurde der mit Kochsalzlösung getränkte Baumwollfaden durchgelei- tet und mit den Dochten der Magazinelektroden ver- knüpft. Die Differential- elektrode wurde gewöhn- lich so angelegt, dass in der Richtung vom Sinus- knoten verlaufende Er gig. 1 nach Clement, I. c. 8.112 Fig. 2. regungen eine Hebung der Saite bewirkten. Die Saitenempfindlichkeit war auf 10 mm für 1 Millivolt eingestellt und wurde nur ausnahmsweise vergrössert, wenn wir zu kleine Ausschläge erhielten. Ergebnisse. Das Differentialelektrogramm (Diff.-Eg.) der flimmernden Vorhöfe. Das Diff.-Eg. des Vorhofs zeigt nach Clement keine konstante Form. Damit stimmen auch unsere Erfahrungen überein. Nicht nur der für die Ableitung gewählte Punkt sondern auch die Aus- 1) Noyons, Über Modifikationen unpolarisierbarer Elektroden. Zeitschr. f. biolog. Techn. u. Method. Bd. 1 S. 265. 1908. 2) Erfmann, Schneiders und Sulze, Über die Verwendung der Diffe- rentialelektroden am Säugetierherzen. Mitgeteilt von Garten. Skand. Arch. f. Physiol. Bd. 29 S. 114. 1913. AS C. J. Rothberger und H. Winterberg: dehnung, in der die Differentialelektrode dem Vorhof anliegt, und die doch nur grob einstellbare Richtung der ableitenden Faden- schleife haben auf die Gestalt der verzeichneten Schwankung grossen Einfluss. Meist erhielten wir einen aus zwei Phasen bestehenden zuerst nach oben, dann nach unten gerichteten steilen Ausschlag von S—12 mm Gesamthöhe, worauf die Saite langsam zur Ruhelage zurückkehrte. Oft war eine der beiden Phasen nur angedeutet, bis- weileu ging die negative der positiven voran. Das Kammerkardio- eramm kommt entweder gar nieht zum Ausdruck, oder es bewirkt kleine, kaum störende Schwankungen der Saite, wenn durch breiteres Anliegen der Diff.-Elektrode oder durch Ableitung in der Nähe der Kammergrenze günstige Bedingungen für das Einbrechen von Strom- schleifen gegeben sind (Taf. I Fig. 5c). Werden die Vorhöfe durch einen faradischen Reiz zum Flimmern gebracht, so gewinnt man im allgemeinen zwar gleichartige Bilder, die aber dennoch in den Details manche interessante Verschiedenheiten aufweisen können. Einige der beobachteten Typen sind in den Ab- bildungen Fig. 2—10 dargestellt. Taf. I Fig. 2 zeigt im Beginn noch das Diff.-Eg. bei normaler Herztätigkeit. Die Ausschläge sind von mittlerer Grösse, die positive Phase tritt hinter der folgenden negativen etwas zurück. Ent- sprechend der Marke bzw. den von Stromschleifen herrührenden grossen ÖOszillationen der Saite wird die rechte Aurikel durch 1,2 Sekunden bei R.-A. 8 cm faradisiert. Nach dem Aufhören der Reizung treten zunächst sehr frequente Schwingungen auf, die pro Minute etwa 3600 betragen. Sie werden anfangs allmählich, dann ziemlich plötzlich langsamer und sinken gegen das Ende der Kurve auf ungefähr 530 pro Minute ab. Die Oszillationen sind nicht überall gleichartig und zeigen sowohl Grössen- als Form- und Richtungs- unterschiede. Obwohl kein regelmässiger Rhythmus vorhanden ist, so ist doch eine Aufeinanderfolge von aus ähnlich gestalteten und gleich frequenten Zacken bestehenden Gruppen nicht zu verkennen. Nach ungefähr 7 Sekunden findet der Flimmeranfall mit dem Auf- treten einer deutlichen postundulatorischen Pause sein Ende. Taf. I Fig. 3 aus demselben Versuche ist ein Beispiel von Vor- hofflimmern nach Faradisation mit einem erheblich schwächeren Strome (R.-A. 14cm), welches die Reizung nur ganz kurz überdauert. Sie unterscheidet sich von der früheren Kurve hauptsächlich dadurch, dass die Frequenz der Oszillationen unmittelbar nach der Reizung Über Vorhofflimmern und Vorhofflattern. 49 viel geringer ist als in Fig. 2. Die niedrigere Oszillationsfrequenz nach der Reizung ist für das durch schwächere Ströme erzeugte Vorhofflimmerre charakteristisch. Im allgemeinen ist nämlich die Zahl der Saitenschwingungen beim Einsetzen des Flimmerns um so höher, je stärker der angewandte Strom war. Doch bestehen hierin sehr bedeutende individuelle Besonderheiten. Eine über 3000 hinausgehende Minutenfrequenz der Saitenbewegungen wie in Fig. 2 ist nach Vorhofreizung am unvergifteten Herzen selbst nach Reizung mit Rollenabstand 0 ziemlich selten. Auch die Dauer des Flimmerns ist nicht nur von der Strom- stärke sondern noch vielmehr von individuellen Bedingungen ab- hängis.. Während bei dem einen Tiere auch durch stärkste Reize kaum einige Sekunden dauerndes Flimmern erzeust werden kann, beobachtet man bei anderen Tieren unter scheinbar gleichen Versuchs- bedingungen Flimmeranfälle, die viele Minuten bis zu einer Viertel- stunde und darüber anhalten. Das Diff.-Eg. des persistierenden Flimmerns zeigt im Prinzipe denselben Verlauf wie Fig. 2, nur sind die einzelnen durch die verschiedene Oszillationsfrequenz ge- kennzeichneten Phasen sehr bedeutend in die Länge gezogen, wobei die eine oder die andere vorzuherrschen pflegt. Meist betrifft dies die mittlere und die Endperiode des Flimmerns, für die wir, da sie in Fig. 2 und 3 nicht genügend typisch zum Ausdruck kommt, in Taf. I Fig. 4 ein weiteres Beispiel geben. Dieses ist ebenfalls im Versuche vom 27. Januar erhalten worden und stellt das Ende eines 3 Minuten langen, durch Vorhofreizung bei R.-A. 4 cm hervorgerufenen Flimmeranfalles dar. Das Diff.-Eg. besteht in diesem Stadium und schon längere Zeit vorher aus gleich- geformten, einer Minutenfrequenz von etwa 514 entsprechenden positiven Zacken, die einen fast vollständig regelmässigen Rhythmus aufweisen. Nur an einzelnen Stellen finden sich Ausschläge von abweichender Gestalt, die zweimal dem normalen Diff.-Eg. des Vor- hofs so sehr gleichen, dass der Schluss berechtigt ist, dass hier be- reits einzelne Kontraktionen mit normalem Erregungsablauf ein- geschoben sind. Sehr häufig ist die Form und der Rhythmus der Ausschläge im Diff.-Eg., sobald diese auf eine Minutenfrequenz von 600—400 abgesunken sind, noch regelmässiger als in Fig. 4, so z. B. in Taf. I Fig. 5 und 6, und in manchen Fällen konnten wir minuten- lang Schwankungen von fast gleichbleibender Gestalt und Frequenz Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd.160. k 4 50 Ö. J. Rothberger und H. Winterberg: verzeichnen, wie z. B. in Fig. 7b—d S. 51—53 aus einem Versuche, in welchem nach einer kleinen Muskaringabe (0,1 cem) durch schwache Faradisation des Vorhofes Flimmeranfälle von 10—20 Mi- nuten Dauer hervorgerufen wurden. In allen diesen Fällen ist anzunehmen, dass unter der ableitenden Elektrode gleichgerichtete und wahrscheinlich auch von einer ge- meinsamen Ursprungsstelle kommende Erregungswellen verlaufen. In anderen lässt sich die Interferenz von zwei entgegengesetzten Kontraktionswellen ziemlich deutlich erkennen. Taf. II Fig. 8 a, nach faradischer Reizung des rechten Vorhofes gewonnen und durch die ungewöhnlich hohen Ausschläge des Diff.-Eg. bemerkenswert, zeigt sehr tiefe, noch ziemlich gleich geformte negative Schwan- kungen. In dem folgenden, die Fortsetzung von Fig. Sa bildenden Kurvenabschnitte Fig. 85 besteht das Diff.-Eg des Vorhofes be- reits aus sehr wechselnden Formen. Neben den vorherrschenden negativen treten auch Gruppen positiver Zacken auf, die ebenso wie die ersteren bedeutende Grössenunterschiede aufweisen. Die Frequenz bleibt dabei überall ziemlich gleich (600 pro Minute), wodurch sich die Interferenz dieser offenbar von annähernd gleich stark tätigen Reizbildungspunkten ausgehenden Frregungswellen leicht erklärt. Je nachdem der eine oder der andere dominiert, herrscht diese oder jene Form vor; fallen die von beiden Richtungen kommenden Erregungen zusammen, so werden die Ausschläge durch algebraische Summierung entsprechend kleiner oder heben einander fast gänzlich auf. Das letztgenannte Phänomen ist im Beginne der Fig. Sc, die in einem späteren Stadium desselben Experimentes nach Physostigminvereiftung aufgenommen wurde, besonders deutlich. Gewöhnlieh sind die Oszillationen bei mittleren Frequenzen am un- regelmässigsten. Gegen Ende des Flimmeranfalls werden sie lang- samer und häufig vollkommen rhythmisch. Aber auch im ersten Beginne des Flimmerns, namentlich bei sehr hoher Frequenz der Öszillationen, ist ihre Regelmässigkeit oft sehr auffallend. Nach einfacher faradischer Reizung des Vorhofes sind diese frequenten, annähernd gleichmässigen Ausschläge verhältnismässig selten; dagegen erscheinen sie häufiger, wenn gleichzeitig die Vagi erregt werden. Wir haben dies in verschiedener Weise durch kombinierte Vorhof- und Vagusreizung, durch eine der Vorhofreizung vorangeschickte Vagus- reizung bei Physostigminvergiftung oder durch Vorhofreizung allein nach Injektion kleiner Muskaringaben erzielt. Die unter diesen “up o1d ETT — zuonbaapswuweyyp “um 01d 095 — zuonbaayjoyio‘ "9J0JsÄsIEmWUEy] Juro Ieua UAUOTIFEIJUON JOUIOA A9TA Hl uy "(ur 0%) LopegFoytoA UOA feguv dopuonepsur] SJoqIoA uoJyo9ı sap Sunziog aayosıpemy wen a) Sy — ‚9gejgdsjoqıoA Adop Sunyoemydsqy ® «(emumy oad 707 — zuonborg) Sunwesdueploaspng “ULIEISHA WO TO NW Sunyysss‘ GoeN "ey Sg — 'aenuef ’0Z woA yansıaa\ °, "ST ‘q, 'Sıq ©. J. Rothberger und H. Winterberg: ‘snwgÄyy 1:8 Aw [:7 004 [osyoM Jomweyyp dop uf oynumm o1d zzG uw arogsÄsiygoeyyoyaor A9p awyeunz SugaajooaYy uayy9a1 sop Sunzioy yoen 9), "ZLd IDSRRRSERSERTERZERDZESBELEESERENONESEHRRHEGHE | U (a6) Über Vorhofflimmern und Vorhofflattern. Die Vorhoffrequenz ist auf 500 pro Minute zurückgegangen und es wird wieder nur jeder vierter Vorhofschlag übergeleitet. ) ul Einige Minuten nach Fig. 7e (S. 52). J = = = x N Du [| — Ex = SS NS ES {as} S = a) > SI S Ex = Fig. 7d. Umständen gewonnenen Diff.-Eg. haben alle denselben Typus wie in Taf. II Fig. 9. In dem betreffenden Experimente war durch Injektion von 0,1 cem Muskarin die Kontraktilität der Vorhöfe sehr abgeschwächt, die Schlasfolge und Reizleitung verzögert worden. Das Diff.-Eg. zeigt nur ganz kleine abwärts gerichtete Zacken, welche eben noch sichtbaren, an der Suspensionskurve aber nicht wahr- nehmbaren Vorhofkontraktionen entsprechen. Nach Reizung des Vor- hofes (R.-A. 8 cm) durch 2 Sekunden, deren Anfang und Ende nach Elimination des Mittelstückes in der Kurve verzeichnet ist, vollführt die vorher ganz ruhige Saite rasch ablaufende, Stimmgabel- 54 0. J. Rothberger und H. Winterberg: schwingungen ähnliche Schwankungen, deren Frequenz anfangs 2850 pro Minute beträgt. Dieselben zeigen eine, wenn auch nicht voll- ständige, so doch immerhin überraschende Gleichmässigkeit. Diese einge im weiteren Verlaufe verloren und kehrte erst bei einer Öszillationsfrequenz von 800 wieder zurück. Es ist jedoch bemerkenswert, dass in einzelnen Fällen die Regelmässigkeit der im Diff.-Eg. vorhandenen Schwankungen während des ganzen Flimmeranfalles bestehen bleiben kann. Die schönste diesbezügliche Beobachtung, über die wir verfügen, ist durch die Taf. III Fig. 105—% illustriert. Fig. 10a zeigt das normale Diff.-Fg. des Vorhofes noch vor der Physostigminvergiftung. Nach derselben (0,2 mg Physostigmin), wurde durch Vagusreizung eine intensive Hemmungswirkung erzielt und gleich darauf der Vorhof ganz kurz faradisiert. Während der Dauer des mehrere Minuten anhaltenden Flimmerns wurden eine Reihe von Aufnahmen gemacht, denen die Kurvenabschnitte Fig. 10 6—% entnommen sind. Die Form der elek- trischen Schwankung bleibt in allen diesen Abbildungen im wesent- lichen gleich. Sie besteht überall aus abwärts gerichteten Zacken, die aus einem steil abfallenden und einem immer langsamer zum Ruhestadium ansteigenden Schenkel bestehen. Die Frequenz der Oszillationen ist nach dem Beeinne des Flimmerns am höchsten und nimmt dann sukzessive ab. Sie beträgt pro Minute in Fig. 10 5 2300 und fällt bis Fig. 10 %k auf 500, und zwar nicht sprungweise, sondern in allmählichen Übergängen [1900 (ce), 1100 (d), 1040 (e), 820 (f), 750 (g), 636 (h), 545 () und 500 (k)]. Wenn wir auch den Ablauf dieser Erscheinungen nicht lückenlos darstellen können, so senügen doch die abgebildeten Kurvenausschnitte vollständig, um dies zu zeigen. Zusammenfassend kann man sagen, dass das Flimmern der Vorhöfe im Diff.-Eg. charakterisiert ist durch frequente, in dem ersten und in den letzten Stadien desFlimmerns häufig auffallend rhythmische Oszillationen, die den normalen Ausschlägen bald gleich, bald entgegengesetzt gerichtet sind und die allmählich an Frequenz abnehmen. Diese beträgt beim Hundeherzen im Beginn des Flimmerns im Maxi- mum 3000—3500 pro Minute, gegen Ende meist noch 500—400. SEE ERSTER Über Vorhofflimmern und Vorhofflattern. 55 Vergleich des Differentialelektrogramms der flimmernden Vorhöfe mit den sichtbaren und registrierbaren Bewegungserscheinungen an denselben. Das Flimmern der Vorhöfe von seinem Entstehen durch faradische Reizung an bis zu seinem früher oder später erfolgenden Erlöschen zeigt insofern ein veränderliches Bild, als anfangs nur ganz feine Bewegungen wahrnehmbar sind, die erst allmählich stärker und heftiger werden, um schliesslich in deutliche Zuckungen überzugehen. Schon bei der Beschreibung des durch Ableitung von Anus-Ösophagus gewonnenen Fkg. der flimmernden Vorhöfe haben wir!) darauf hin- gewiesen, dass dem sichtbaren Heftigswerden des Flimmerns ver- schiedene Formen der Saitenunruhe von feinstem Zittern bis zu bogenförmigen Exkursionen entsprechen können. Trotzdem liess sich damals eine konstante Beziehung zwischen den durch das Auge erkennbaren Graden der Intensität des Flimmerns und der Art der Saitenunruhe nicht feststellen. Vergleicht man aber im Diff.-Eg. die durch ihre verschiedene Schwingungsfrequenz charakterisierten Stadien des Vorhofflimmerns mit den Erscheinungen, welche die Vorhöfe bei aufmerksamer Betrachtung darbieten, so ergibt sich, dass die Zahl der Oszillationen in der Zeiteinheit zu der Feinheit und Schnellig- keit der flimmernden Bewegungen in geradem, dagegen zu der Stärke und dem Umfang derselben in umgekehrtem Verhältnisse steht. Unmittelbar nach einer stärker wirksamen Faradisation des Vor- hofs, zu der Zeit, während welcher die Zahl der Oszillationen am höchsten ist, scheint der Vorhof sogar manchmal vollständig stille zu stehen, und erst bei genauer Inspektion bemerkt man, dass un- endlich feine Bewegungen die Muskulatur durchzittern. Namentlich ist dies bei gleichzeitiger Vagusreizung der Fall, und das Flimmern der Vorhöfe gleicht dann, soweit eine Beurteilung durch blosse Be- obachtung überhaupt möglich ist, vollständig den Erscheinungen beim Flimmern der Kammern. Allerdings ist es richtig -—- und das hat der eine?) von uns schon früher hervorgehoben (l. ce. S. 229) —, dass beim Flimmern der Vorhöfe gewöhnlich gröbere, zuckende 1) Rothberger und Winterberg, Über das Elektrokardiogramm bei Flimmern der Vorhöfe Pflüger’s Arch. Bd. 131 S. 387. 1910. 2) Winterberg, Studien über Herzflimmern. I. Mitteilung: Über die Wirkung des N. vagus und accelerans auf das Flimmern des Herzens. Pflüger’s Arch. Bd. 117 S. 223. 1907. 56 C. J. Rothberger und H. Winterberg: Kontraktionen grösserer Muskelgruppen hervortreten. In diesen Fällen sind nun auch die Oszillationen im Diff.-Eg. weniger frequent. Doch tritt feinstes Flimmern ohne jede Andeutung einer Aktion grösserer Muskelpartien bisweilen schon nach einfacher Tetanisierung der Vorhöfe ein und ist dann im Diff.-Eg. von Oszillationen höchster Frequenz begleitet (Taf. I Fig. 2). Je kräftiger im Verlaufe eines Flimmeranfalles die Muskelbewegungen werden, um so lang- samer werden die Ausschläge im Diff.-Eg. Bei der Feststellung dieser Tatsache ist man zum grossen Teil auf die Beobachtung an- gewiesen, da sich die mechanischen Vorgänge namentlich in den ersten, bei stärkerer inotroper Hemmung durch Vagusreizung (Taf. I Fig. 10) sogar noch in den späteren Stadien des Flimmerns nur sehr un- vollkommen ausprägen. Schliesslich werden die Vorhofsbewegungen in der Regel allerdings stark genug, um auch an der Suspensions- kurve deutliche Ausschläge zu erzeugen. Es entspricht dann jeder Schwankung im Diffl.-Eg. eine Erhebung der Suspensionskurve (Fig. 2, 4, 5, 6, 7, 8, 10%, 115, 13, 16). Dieser Zustand lässt sich daher ohne weiteres als aurikuläre und wegen der von der Norm meist deutlich abweichenden Form der elektrischen Schwankungen auch als. heterogenetische Tachysystolie auffassen. Besonders be- merkenswert ist der Umstand, dass sich dieses Endstadium, das wir in unseren früheren Arbeiten als grobschlägiges Flimmern zu be- zeichnen pflesten, ganz allmählich aus dem feinschlägigen Flimmern entwickeln kann (Taf. III Fig. 10), und dass nach Flimmeranfällen von längerer Dauer fast ausnahmslos eine kürzere oder längere Periode extrasystolischer Tachykardie den Übergang zur normalen Herztätig- keit bildet. Grobschlägiges Flimmern und Vorhofflattern. Schon aus den bisher gemachten Feststellungen geht hervor, dass sich das grobschlägige Flimmern mit den klinisch zu beobachtenden Erscheinungen des Flatterns der Vorhöfe in einem wesentlichen Punkte deckt, nämlich darin, dass in beiden Fällen eine hochgradige Tachy- systolie besteht. Es ist nun weiter zu untersuchen, ob beiden Zu- ständen auch andere charakteristische Merkmale gemeinsam sind. Zunächst haben wir dem Verhalten der Herznerven Aufmerksamkeit geschenkt, von denen angegeben wird, dass sie auf die tachysystolischen Vorhofschläge beim Flattern ohne Einfluss sind. Über Vorhofflimmern und Vorhofflattern. 57 Wirkung der Accelerantes auf das Vorhofflattern. Die experimentelle Untersuchung der Nerven — und insbesondere der Acceleranswirkung — ist dadurch erschwert, dass das grob- schlägige Flimmern nicht wie das beim Menschen beobachtete Flattern ein verhältnismässig stationärer Zustand, sondern nur ein vorüber- gehendes Stadium auf dem Wege der Rückbildung des Flimmerns ist, wobei die Frequenz der tachykardischen Kontraktionen schon an sich zur fortschreitenden Verlangsamung neigt. Ferner ist zu be- rücksichtigen, dass die beim Menschen ohne wesentliche Wirkung angewendeten Nervenreize, wie reflektorische Acceleranserregung durch körperliche Anstrengung und Druck auf den Halsvagus, nieht ohne weiteres mit der maximalen Wirkung der faradischen Reizung der Nervenstämme im Tierexperimente verglichen werden können. Dies vorausgeschickt, wäre vor allem zu erwähnen, dass sich die Rück- bildung des Flimmerns zur normalen Schlagfolge unter dem Einflusse der Accelerantes rascher als sonst zu vollziehen pflegt. Diese Tat- sache kann nur aus einem grösseren Versuchsmateriale abgeleitet werden, weil es schwierig ist, das Aufhören des Flimmerns in einem speziellen Versuche mit Sicherheit auf die vorangehende Accelerans- reizung zu beziehen. Die einzelnen Anfälle des faradisch erzeugten Vorhofflimmerns sind auch unter sonst gleichen Bedingungen durch- aus nicht von gleicher Dauer. Eigentlich hat man in jedem Momente mit dem spontanen Sistieren des Flimmerns zu rechnen, und es ist des öfteren das Flattern, als wir gerade im Begriffe waren, den Accelerans zu reizen, in den normalen Herzschlag umgeschlagen. Niehtsdestoweniger haben wir den bestimmten Eindruck gewonnen, dass die Acceleransreizung zur rascheren Wiederherstellung des Sinus- rhythmus beiträgt und namentlich in den Endstadien des Flimmerns wirksam ist. Dass aber der Einfluss der Accelerantes nach dieser Richtung ziemlich begrenzt ist, geht daraus hervor, dass es sehr häufig, namentlich bei dem langdauernden Flimmern des mit Physo- stigmin oder Muskarin vorbehandelten Herzens, nicht gelingt, dieses selbst durch starke Acceleransreizung aufzuheben. Gerade diese Fälle sind aber sehr geeignet, um an ihnen die Wirkung der Accele- rantes auf die Stärke und Frequenz der flimmernden und flatternden Vorhofbewegungen zu studieren. Sehr deutlich tritt stets die Ver- stärkung der Flimmerbewegungen nach Acceleransreizung hervor, und zwar in dem Sinne, dass die sichtbaren Bewegungen kräftiger werden. Dies gilt sowohl für das fein- als auch für das grobschlägige 98 C. J. Rothberger und H. Winterberg: Flimmern. Im letzteren Falle ist die Verstärkung der tachykardischen Vorhofsystolen meist auch an der Suspensionskurve deutlich (Fig. 11). Fig. 12a auf folgender Seite zeigt jeder Schwankung im Diff.-Eg. ent- sprechend eine Erhebung der Suspensionskurve. Nach Eintritt der ge Zu- gerung der Kammer- s I SI nalen g. Vorhoffrequenz Fig. 11b. Flattern nach Vorhofreizun chlag wird übergeleitet. — Fig. 11b. Nach Reizung des Starke inotrope Wirkung auf Vorhöfe und Kammern. Gerin a es ® = Bl 10 u ® & 8 En en 569 pro Minute), bedeutende Stei Frequenz durch Übergang des 2:1 in 3:2 Rhythmus, 8 - - =) o-— " = Ba Ns | 8 SH E- S' IN . 8 S = EN S } 3” ® Z N) ei le S Zede sEı\ı=S ERS Junge Im 035% Eee ae Sn je 2 u. S S- i-=5--) 2ease = S HA = PAST = >25, - S S ‚a3 e: = Bes e S 15 5 Sn o®& : Eee E|I&8 vollen Acceleranswirkung in Fig. 125 ist nicht nur die Frequenz, sondern auch die Grösse der Kammersystolen gesteigert. Dagegen dürfte hier die Verkleinerung und die die tatsächlichen Verhältnisse weit. übertreffende Beschleunigung der Vorhofschläge in der Suspensions- kurve durch einen technischen Fehler vorgetäuscht sein. Die Form Über Vorhofflimmern und Vorhofflattern. 59 des Diff.-Eg. beim Flattern der Vorhöfe wird durch die Accelerans- reizung nicht verändert. Dagegen bleibt die Zahl der Oszillationen in der Zeiteinheit bzw. der Grad der bestehenden Vorhofstachy- systolie nur bei Anwendung schwacher Reize unbeeinflusst, wird aber durch starke mitunter nicht unerheblich vermehrt. Als Beleg für diese nur bei langdauernden Flimmeranfällen mit genügender Sicherheit nachweisbare Wirkung dienen die Fig. 11, 12 und 7. In Fig. 115 sieht man neben der Verstärkung der Vorhofschläge eine Frequenzzunahme von 556 auf 569 pro Minute. Fig. 12a. Versuch vom 16. Februar 1914. Hund unvergiftet. Nach Vorhof- reizung lange dauerndes Flattern. Frequenz — 443 pro Minute. In der Kammer Frequenzhalbierung. In Fig. 12a haben die Vorhofkontraktionen eine Minutenfrequenz von 443, in Fig. 125 nach Reizung des rechten Accelerans eine solche von 450. Dagegen bleibt in demselben Experimente, wie die Abildungen Fig. 13a und 5 zeigen, die Minutenfrequenz der Vorhofschläge nach Reizung des linken Accelerans unverändert 420, während die Stärke und die Zahl der Kammersystolen auch hier erheblich gesteigert wird. In anderen Fällen erhöht der linke Accelerans ebenfalls die Vorhofs- J. Rothberger und H. Winterberg: C. 60 ayıRıS OJnurm Oad snwggÄyy Z:g ur z:7[ sap Juwdasqn yaanp zuanbarpswweyyp dap Sunyoyay 0ocF — zuanbaag aıfogsäsAyaeyoqsorn A9p Swugeunz HduLıon an Be &/ 'sugIofoddaYy usJq9aI SOp Zunziay yoeN AZ "II Über Vorhofflimmern und Vorhofflattern. 61 tachysystolie, wenn auch meist in geringerem Maasse als der rechte. Die Ursache der verschiedenen Wirksamkeit der Accelerantes liegt wahrscheinlich in der individuell besonderen Art der Faserverteilung. Dies geht daraus hervor, dass zwischen rechtem und linkem Accelerans nur dann grössere Unterschiede gefunden wurden, wenn die beiden beschleunigenden Nerven auch auf den normalen Herzschlag eine deutlich differente Wirkung zeigten. In dem Experimente, dem die Fig. 12 und 13 angehören, hatte nur der rechte Accelerans einen Fig. 13a. 10 Minuten nach Aufnahme von Fig. 12b. Das Flattern hält weiter an, die Oscillationsfrequenz ist auf 420 gefallen, die Kammer schlägt wieder im Halbrhythmus. positiv chronotropen Effekt, und die Tachysystolie des Vorhofes wurde auch nur durch diesen erhöht. Der linke Accelerans erzeugte atrio- ventrikuläre Automatie. Sehr deutlich tritt auch in der Fig. 7 die Wirkung des Accelerans auf die Zahl der Flatterbewegungen hervor. In Fig. 7b beträgt die Minutenfrequenz der Vorhofschläge 460, erhebt sich nach Reizung des rechten Accelerans auf 522 in Fig. 7c und sinkt dann wieder mit dem Abklingen der Acceleranswirkung auf 500 in Fig. 7 d ab. C. J. Rothberger und H. Winterberg: "MONIINyu9 SnWwgIÄUT Z:R SURIa[999Yy uaIy99ı sap Sunziaoyy yoeu 9IM Jouwmeyp dop ur Y9IS ey ussasep “oynumm ord Our = Mopusasaun AsejyasjoyIoA dep Zzuanbary oIp YqLafq Sueasfo9ay uoyur sap Sunziay yoeN AqEI 'SLq le Sara — ) Über Vorhofflimmern und Vorhofflattern. 6: o Übereinstimmend mit diesen Befunden hat Rihl (l. e.) in einem Falle eine geringe motorische Acceleration der Vorhoftachysystolie beim Flattern aufgefunden. Die überwiegend negativen Ergebnisse der anderen Autoren erklären sich wohl leicht aus der Unmöglich- keit, die Accelerantes beim Menschen in gleich intensiver Weise zu erregen wie durch die starke faradische Reizung der Ganglia stellata im Tierexperimente. Die Unwirksamkeit schwächerer Reize aber bietet bei der schon bestehenden Tachysystolie nichts Un- erwartetes. Dagegen wird die Schlagzahl der Kammern beim Flimmern und Flattern der Vorhöfe auch durch schwache Erregung der Accele- rantes regelmässig erhöht, und zwar unabhängig davon, ob eine Frequenzzunahme der Vorhofoszillationen nachweisbar ist oder nicht (Fig. 13a und 5b). Dies stimmt mit den klinischen Befunden beim Flattern gut überein. Der linke Accelerans hat dabei denselben, oft sogar einen stärkeren Einfluss als der rechte. Dies beruht darauf, dass die Vermehrung der Kammersystolen, wie später erörtert werden soll, nicht auf die chronotrope, sondern vielmehr auf die dromotrope Acceleranswirkung zu beziehen ist, indem eine grössere Anzahl von Vorhofimpulsen auf die Kammern übergeleitet wird. Wirkung der Vagi auf das Vorhofflattern. Die klinische Erfahrung, dass durch Vagusreizung (Druck auf den Halsvaeus) beim Flattern der Vorhöfe zwar die Zahl der Kammersystolen vermindert wird, die Tachysystolie des Vorhofs hingegen unbeeinflusst bleibt, findet im Tierexperimente nur bei Anwendung sehr schwacher Reizströme ein Analogon. Dagegen ergab sich, dass stärkere Vagusreize selbst dann, wenn sie knapp vor dem zu erwartenden Übergang des Flatterns in die normale Herztätigkeit einfallen, ganz regelmässig zu einer mehr oder weniger vollständigen Rückbildung des grobschlägigen in fein- schlägiges Flimmern führen. Diese Tatsache kann schon durch blosse Beobachtung leicht und sicher festgestellt werden, und ihr Nachweis gelingt ohne weiteres auch bei Tieren, die auf Vorhofreizung nur mit kurzen Flimmer- anfällen reagieren. Löst man solche Flimmeranfälle aus, so verfolgt man am besten ihren Ablauf, bis sich aus den anfangs feineren 64 C. J. Rothberger und H. Winterberg: Bewegungen heftige Zuckungen entwickelt haben, denen im nächsten Augenblick der normale Herzschlag folgen wird. Dann sieht man, wenn die Vagi noch rechtzeitig gereizt werden, dass sich die zuckenden Bewegungen sofort in jenes feine Muskelspiel zurück- verwandeln, aus denen sie sich nach der Vorhofreizung allmählich entwickelt haben. Der weitere Verlauf der Erscheinungen gleicht vollständig dem nach primärer Vorhofreizung: das Flimmern wird immer deutlicher und geht endlich in Flattern über. Durch neuer- liche Vagusreizung kann zum zweiten Male feinschlägiges Flimmern erzeugt werden, und der ganze Vorgang lässt sich durch wiederholte Vagusreizung sogar mehrmals hervorrufen. Durch diese inter- mittierende Erregung der Vagi kann die Dauer des Flimmerns ebenso wie durch „überdauernde Vagusreizung“ (Winterberg |. ce.) sehr erheblich verlängert werden. Betrachtet man die durch Vaegusreizung im Diff.-Eg. bewirkten Effekte, so zeigt sich, dass der Grad der Tachysystolie des Vorhofs nicht, wie man vielleicht erwartet hätte, vermindert wird, sondern dass sich ganz im Gegenteil die für die früheren Stadien des Flimmerns charakteristische hohe Öszillationsfrequenz wieder her- stellt. Die Fig. 6, Sc, 10e, 14a, 5, ce und 155 illustrieren diese sehr bemerkenswerte Erscheinung. In den Abbildungen Taf. III Fig. 10 a—k haben wir den Ablauf eines längeren Flimmeranfalles von seinem Entstehen bis zum Auftreten des Flatterns verfolgt, wobei die Oszillationsfrequenz von 2300 bis auf 500 pro Minute herabsank. In diesem Stadium wurde der rechte Vagus bei R.-A. 5 em kurz gereizt und unmittelbar darauf Fig. 10 aufgenommen. Das Diff.-Eg. der nun wieder ganz fein flimmernden Vorhöfe gleicht vollständig dem der ersten Flimmerperiode in Fig. 105, und die Oszillationsfrequenz beträgt 2500. Darauf wurden zum zweitenmal alle in Fig. 10 5—% dargestellten Stadien durchlaufen, bis sich wieder heftiges Flattern einstellte.. Da eine neuerliche Vagus- reizung unterlassen wurde, trat bald darauf in Fig. 10m der normale Sinusrhythmus hervor. Zwischen rechtem und linkem Vagus besteht hinsichtlich der Fähigkeit, Flattern in Flimmern überzuführen, gewöhnlich insofern ein Unterschied, als beim linken Vagus etwas stärkere Ströme erforderlich sind, um den gleichen Effekt zu erzielen. Die Differenz ist um so grösser, eine je geringere Hemmungswirkung der linke Vagus besitzt. In den Fällen, in welchen beide Vagi die normale Über Vorhofflimmern und Vorhofflattern. 65 Vorhofstätigkeit annähernd gleich stark beeinflussen, ist auch die Wirkung auf das Flattern dieselbe So wird z.B. in Taf. II Fig. Se das Flattern durch Reizung des linken Vagus in feines Flimmern übergeführt. Die Rückverwandlung der späteren Stadien des Flimmerns in frühere ist um so augenfälliger, je grobschlägiger das Flimmern bereits geworden ist. Sie tritt aber auch bei mittleren Oszillationsfrequenzen deutlich hervor. In Fig. Sc wurde nach Auf- nahme der bereits besprochenen Fig. Sa und 5b Physostigmin in- jiziert und durch Vorhofreizung Flimmern erzeugt. Im Diff.-Eg. erscheinen wie in den früheren Abbildungen (Fig. 85) Gruppen bald nach oben, bald nach unten gerichteter, stellenweise sich fast voll- ständig kompensierender Ausschläge. Ihre Minutenfrequenz beträgt ca. 850. Durch Reizung des linken Vagus entsteht wieder ganz feines Flimmern, und die Oszillationsfrequenz wächst auf ca. 3000. Aus dem Flattern entsteht um so feinschlägigeres Flimmern, je stärker unter sonst gleichen Umständen die Vagusreizung ist. Taf. III Fig. 14a, db und c zeigen bei bestehendem Flattern drei Vagusreizungen mit jedesmal steigender Stromstärke: in Fig. 14a bei R.-A. 14 cm, in Fig. 145 bei R.-A. S cm und in Fig. 14c bei R.-A. 4 cm. Aus der stets wachsenden Oszillationsfrequenz ist leicht zu ersehen, dass das Flimmern der Verstärkung der Reize ent- sprechend feiner wird. Denselben Einfluss wie die Steigerung der Stromstärke hat eine Erhöhung der Vaguserregbarkeit. In der Taf. III Fig. 15 @ und b wurde der Vagus bei gleichem R.-A. (8cm) einmal vor, das andere Mal nach Physostigminvergiftung gereizt. Der Unterschied ist in die Augen springend. - Dureh das Diff.-Eg. wird auch die Entscheidung der seinerzeit von Winterberg (l. e. S. 236) offen gelassenen Frage möglich, ob die oft vollständige Stillstellung der fliimmernden Vorhöfe während und unmittelbar nach Vagusreizung auf temporärer Auf- hebung der fibrillären Bewegungen oder auf ihrer Verkleinerung bis zur Unsichtbarkeit beruht. Das sofortige Erscheinen der für das Flimmern so typischen Oszillationen in der Fig. 9 und 15 5 zu einer Zeit, wo die Vorhöfe trotz genauer Beobachtung in vollständiger Ruhe verharrten, beweist, dass die starke inotrope Hemmung die schon an sich schwachen Flimmerbewegungen so klein und kraftlos macht, dass sie nicht mehr wahrgenommen werden können. Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd. 160. 5 66 C. J. Rothberger und H. Winterberg: Die Wirkung des Vagus auf die flimmernden Vorhöfe wurde in neuerer Zeit sehr ausführlich von Robinson!) behandelt. Da die Arbeiten dieses Autors mit unserer Untersuchung viele Berührungspunkte haben, ist es notwendig, näher auf sie einzugehen. Robinson behauptet, dass beim Flimmern der Vorhöfe des Hunde- herzens infolge faradischer Reizung neben frequenten Kontraktionen der Gesamtmuskulatur feine Bewegungen der einzelnen Muskelfasern zu sehen sind, und nimmt an, dass hierbei zwei im Wesen ver- schiedene Formen der Muskeltätigkeit eleichzeitig nebeneinander bestehen, nämlich koordinierte tachykardische Kontraktionen und eigentliches Flimmern (tachycardia and fibrillation). Die Suspensions- kurve soll als Ausdruck der Tachykardie kleine, mehr oder weniger deutliche Ausschläge zeigen, während das echte Flimmern („true fibrillation“) myographisch nicht registrierbar ist. Im Elektrogramm entsprechen nach Robinson der Tachykardie gröbere Zacken (coarser waves) mit einer Minutenfrequenz von 500—600; das Flimmern erzeugt dagegen feinere, noch raschere Ausschläge, welche die gröberen Wellen unterbrechen. Der rechte Vagus hat nach den Befunden von Robinson auf die echten Flimmerbewegungen gar keinen Einfluss, hemmt jedoch die koordinierten tachykardischen Vorhofschläge und verwandelt dadurch das Flattern in Flimmern. Umgekehrt soll der linke Vagus die tachykardischen Bewegungen „klarer, einheitlicher und regel- mässiger“ hervortreten lassen. Obwohl unsere Experimente vielfach mit jenen Robinson’s übereinstimmen, führen sie doch in wichtigen Punkten zu anderen Ergebnissen. Zunächst konnten wir uns auf keine Weise von dem regelmässigen Nebeneinanderbestehen tachykardischer Kontraktionen und feinerer Flimmerbewegungen an den faradisch gereizten Vorhöfen des Hundeherzens überzeugen. Man kann zwar bisweilen durch ein- fache Beobachtung nicht entscheiden, ob die Vorhöfe flimmern oder schlagen, und glaubt dann neben Kontraktionen grösserer Muskel- partien fiimmernde Bewegungen an den Aurikelrändern zu sehen, was wir seinerzeit als „unreines Schlagen“ bezeichneten. Wenn man nun in diesem Stadium den Vagus reizt und sieht, wie die gröberen l) Robinson, The influence of the vagus nerves on the faradized auricles in the dog’s heart. Journ. of exper. Med. vol. 17 p. 429. 1913. — Robinson, The relation of the auricular activity following faradization of the dog’s auricle to abnormal auricular activity in man. Journ. of exper. Med. vol. 18 p. 704. 1913. Über Vorhofflimmern und Vorhofflattern. 67 Bewegungen in feines Muskelzittern verwandelt werden, kann man leicht zu der irrigen Ansicht geführt werden, dass diese feinen Be- wegsungen schon vorher dagewesen und durch die gröberen Zuekungen verdeckt worden seien, sowie dass der Vagus nur diese letzteren unterdrückt habe. In direktem Widerspruch zu dieser Auffassung Robinson’s stehen aber die von uns erhobenen Befunde am Diff.-Eg. und namentlich die durch Vagusreizung hervorgerufenen Ver- . änderungen der elektrographischen Kurve Die Diff.-Eg. zeigen, auch wenn sie alle Stadien vom feinsten Flimmern bis zum deut- lichen an der Suspensionskurve sichtbaren Flattern umfassen, immer nur eine Art von Oszillationen. Sie sprechen ohne Rücksicht auf irgendeine Hypothese in dem einen Sinne, dass vom Beginn bis zum Erlöschen des Flimmerns ein ein- ziger qualitativ gleichbleibender und nur quantitativ allmählich abklingender Vorgang abläuft. Weder sind während der frequenten Schwingungen beim feinen Flimmern andere in langsamerem Rhythmus erfolgende Ausschläge sichtbar, welehe als Ausdruck der tachykardischen Kontraktionen gedeutet werden könnten, noch sieht man während des Flatterns zwischen den den tachykardischen Zuckungen entsprechenden Schwankungen andere Oszillationen von höherer Geschwindigkeite. Würde die Vagusreizung, wie Robinson meint, nur durch den Weefall der Tachysystolie das Flimmern deutlicher hervortreten lassen, dann bliebe der allmähliche Übergang der im Diff.-Eg. sichtbaren Er- scheinungen und die relative Saitenruhe in den aufsteigenden Teilen der einzelnen Zacken ganz unverständlich; denn die rapiden Oszillationen nach der Vagusreizung haben z. B. in Taf. III Fig. 155 eine fast ebenso grosse Amplitude wie vorher die der Tachysystolie entsprechenden Ausschläge. Es kann also nicht angenommen werden, dass diese jene verdecken, etwa so wie die P-Zacke manchmal in der ZA-Zacke verschwindet, wenn beide zusammenfallen. Allerdings sind die Strecken zwischen den beim Flattern im Diff.-Eg. vorhandenen Ausschlägen nicht überall frei von sekundären Schwingungen, wofür man bei Durchsicht der ge- gebenen Abbildungen viele Beispiele findet. Doch sind die letzteren viel zu klein, um als Repräsentanten der nach Vagusreizung so deutlichen rapiden Undulationen gelten zu können. Sie finden sich in gleicher Weise in den isoelektrischen Streeken bei normaler Herztätigkeit sowohl in unseren als auch in den Kurven der meisten 5% 68 C. J. Rothberger und H. Winterberg: Autoren und werden durch Erschütterungen, Zischen der Lampe und andere störende Einflüsse erzeugt [Rothberger und Winterberg!), Kahn?)]. Die Annahme Robinson’s, dass die tachykardischen Kon- traktionen der Vorhöfe durch den Vagus ebenso gehemmt werden wie normale Herzschläge, steht überdies im Widerspruch zu der durch die neueren Forschungen immer klarer werdenden Tatsache, dass die ehronotrope Vaguswirkung auf Sinus- und Tawaraknoten beschränkt ist. Die Tachysystolie beim Vorhofflattern ist aber genau so hetero- genetischen Ursprungs wie die feinen Flimmerbewegungen, was eine ausschliessliche Hemmung der ersteren dureh den Vagus an sich un- wahrscheinlich macht. Endlich führt Robinson selbst im Gegensatz zu seiner Annahme, dass die Tachykardie durch Vagusreizung auf- gehoben wird, an, dass diese in Fällen, wo sie nach Faradisation sofort erlosch, durch Vagusreizung längere Zeit aufrechterhalten werden konnte. „It seemed quite evident that the aurieular tachy- cardia was maintained by vagus stimulation.“ Für eine Beeinflussung der Flimmerbewegungen durch den liuken Vagus im Sinne von Robinson haben wir weder im Diff.-Eg. noch durch Beobachtung einen Anhaltspunkt gefunden. Doch spricht sich auch Robinson hinsichtlich dieses Punktes sehr zurück- haltend aus?). Die Kammertätigkeit während des Flimmerns und Flatterns. Eine ziemlich hochgradige Arhythmie der Kammern gehört zu den gewöhnlichen Begleiterscheinungen des Flimmerns der Vorhöfe. Die Art ihrer Entstehung ist noch dunkel. Die Kainmertätigkeit in | jenen Stadien des Flimmerns, die wir dem klinischen Flattern gleich- stellen zu können glauben, ist aber unseres Wissens noch nicht speziell untersucht worden. Schon aus diesem Grunde war es von Interesse, derselben Auf- merksamkeit zu schenken. Es ergab sich dabei, dass fast alle bei der Vorhoftachysystolie des Menschen bekannten Formen der Kammer- 1) Rothberger und Winterberg, Über das Elektrokardiogramm bei Flimmern der Vorhöfe. Pflüger’s Arch. Bd. 131 S. 387. 1910. 2) Kahn, Das Elektrokardiogramm. Asher-Spiro’s Ergebn. d. Physiol. Bd. 14 S. 18ff. Wiesbaden 1914. 8) Robinson, Journ. of exper. Med. vol. 17 p. 441. Über Vorhofflimmern und Vorhofflattern. 69 tätigkeit auch in den entsprechenden Perioden des experimentell er- zeugten Flatterns wiederkehren. Einen sehr häufigen Befund bildet hier ebenso wie in der Klinik der regelmässige Kammersystolenausfall nach jeder zweiten Vorhof- zuckung. Die Schlagfrequenz der Kammern ist dann halb so gross wie die der Vorhöfe, eine Erscheinung, die in dem abgebildeten Kurvenmaterial in Fig. 6 (Taf. ID), 11a. 12a und 13a zu sehen ist und fast in allen Fällen kürzere oder längere Zeit vor dem Übergange des Flimmerus in die normale Schlagfolge auftritt. Zur leichteren Übersicht des Verhältnisses zwischen Vorhof- und Ventrikelschlägen haben wir unter die betreffenden Figuren mit ge- nauer Übertragung der zeitlichen Beziehungen ein Schema gezeichnet, das aus drei Paaren von Parallelen besteht, die in üblicher Weise (Wenckebach) das Gebiet der Vorhöfe, des Überleitungsbündels und der Kammern darstellen sollen. Die Senkrechten auf das erste Parallelenpaar entsprechen den Vorhofsystolen, jene auf das dritte den Kammerkontraktionen. Die Vorhofschläge, welche eine Kammersystole auslösen, sind mit der entsprechenden Senkrechten durch eine schiefe, das zweite Parallelenpaar durchlaufende Linie verbunden. Die an der Atrioventrikulargrenze blockierten Vorhofkontraktionen sind dagegen nicht weiter fortgesetzt. Die Zeit ist in 0,04 Sekunde in das Schema eingetragen, in dem nun sehr leicht die Zahl der Vorhof- und Ventrikel- schläge, die übergeleiteten und blockierten Vorhofskontraktionen und das Intervall As—Vs ersichtlich sind. Da der Beginn der Vorhof- systole in der Suspensionskurve nicht überall deutlich ist, wurde der Ausschlag des Diff.-Eg. an Stelle des Abhebungspunktes der Vorhof- erhebungen in das Schema eingesetzt. Es ist deshalb zu berück- sichtigen, dass das Intervall As—Vs um die Zeit zu gross erscheint, um welche der elektrische Ausschlag dem mechanischen vorangeht. Dieser Umstand ist namentlich dort wichtig, wo man im Zweifel ist, welcher von zwei Vorhofschlägen eine Systole der Kammer auslöst. Allerdings ist bisweilen die zeitliche Differenz der Erhebungen im Diff.-Eg. und der Vorhofssuspensionskurve recht gering. Sie be- trägt z. B. in Taf. I Fig. 5a bei atrioventrikulärer Automatie nur 0,02 Sekunde, ebenso während des Flatterns in Fig. 5b. Bis zu einem gewissen Grade könnten vielleicht auch Eigenschwingungen der zur Schreibung verwendeten Stahlfeder die mechanische Kurve entstellen. Der Vergleich mit Fig. 5c, wo die Differenz nach Eintritt der normalen Sukzession 0,04 Sekunde misst, lehrt jedoch, dass dieses Moment nicht ausschlaggebend ist, sondern dass vor allem die Lage des Erregungspunktes zum Diff.-Eg. einerseits und zur Suspensionsstelle anderseits bestimmend ist. Die Schwankungen der Dauer der Vorhof- und Kammerperioden in den schematischen Bildern sind zum Teil durch kleine Fehler bei der Ausmessung und Übertragung der Fixpunkte bedingt. Die an- geschriebenen Zahlen sind auf 0,01 Sekunde abgerundet, Die durch diese Ungenauigkeiten verursachten Fehler dürften höchstens 0,01 bis 0.02 Sekunde betragen, 70 C. d. Rothberger und H. Winterberg: Taf. I Fig. 6 zeigt eine rhythmische Vorhoftachysystolie am Ende eines durch Vorhofreizung ausgelösten Flimmeranfalles, der dann durch Vagusreizung verlängert wird. Die Perioden der Vorhöfe sind fast vollständig gleich (0,14 Sekunde). Die Kammern werden nur durch jede zweite Vorhofsystole erregt und schlagen infolge des Schwankens der Überleitungszeit weniger regelmässig als die Vorhöfe. Das Intervall As— Vs ist verhältnismässig lang und beträgt nach ent- sprechender Reduktion 0,17”—0,20 Sekunde. Trotz der Frequenz- halbierung schlagen auch die Kammern tachykardisch, und zwar 2]4 mal pro Minute. Fig. 11a, 12a und 13a sind aus Versuchen entnommen, in denen Vorhofreizung an unvergifteten Tieren zuerst Flimmern und dann Flattern von so langer Dauer erzeugte, dass sie zur Prüfung des Acceleranseinflusses (Fig. 115, 125 und 135) herangezogen werden konnten. Vor der Acceleransreizung besteht in alleu diesen Fällen Frequenzhalbierung. Der Vorhof- und Kammerrhythmus ist in Fig. 11a und 13a regelmässig, wogegen in Fig. 12« namentlich die Kamnmer- perioden stärker variieren. Hier besteht übrigens ein gewisser Zweifel, welche Vorhofsystole auf die Kammer übergeht. Mit Rück- sicht auf die etwas klareren Verhältnisse in Fig. 125, 13a und 135 aus demselben Experimente haben wir die der Vs unmittelbar voran- gehende As als die auf die Kammern fortgeleitete eingezeichnet. Für den Mechanismus der Kammertätigkeit ist es indessen gleich- sültig, ob jeweils der erst- oder zweitvorangehende Schlag als der übergeleitete bzw. blockierte angesehen wird. Die Zahl der Kammerkontraktionen wird, abgesehen von der Schlagfrequenz der Vorhöfe, sehr wesentlich durch den Zustand des Reizleitungssystems beeinflusst. Im Tierexperimente lässt sich dieser sehr einfach durch Nervenreizung oder Gifte variieren. In einigen Ver- suchen haben wir nun die beiden Vagi und den rechten Accelerans durchschnitten, während der linke Accelerans erhalten blieb. Der tonische Einfluss des linken Accelerans bewirkte unter diesen Um- ständen bisweilen atrioventrikuläre Automatie und erhöhte während des Flimmerns und Flatterns infolge der günstigeren Leitungs- bedingungen die Zahl der auf die Kammern übergehenden Kon- traktionsreize. Ein Beispiel hierfür bietet Taf. I Fig. 5a und db. In Fig. 5a sieht man das Bestehen der atrioventrikulären Automatie, in Fig. 55 das Ende eines Flimmeranfalles nach Vorhoffaradisation. Über Vorhofflimmern und Vorhofflattern. z Die künstliche Respiration war vorher durch 1!/s Minuten ausgesetzt worden, so dass zu der tonischen Erregung des erhaltenen linken Accelerans noch ein gewisser Grad dyspnoischer Reizung hinzutritt. Damit hängt einerseits der relativ frühe Übergang des Flatterns in den normalen Herzschlag bei noch recht hochgradiger Tachysystolie der Vorhöfe (Minutenfrequenz — 610), anderseits die hohe Kammer- frequenz (355) zusammen. Am besten geht dies aus dem Ver- gleich mit Fig. 6 hervor, die unmittelbar nach der Aufnahme von Fig. 5 und Durchschneidung des linken Accelerans gewonnen wurde. Als Folge dieses Eingriffes zeiet Fig. 5c das sofortige Erlöschen der atrioventrikulären Schlagfolge. Betrachtet man in Fig. 55 das Verhältnis von Vorhof- und Kammerschlägen, so entdeckt man eine eigenartige Allorhythmie, die gleichsam in einer Mischung der Rhythmen 2:1 und 3:2 besteht. In regelmässigen Gruppen spricht nach je drei Herzrevolutionen im Halbrhythmus der Ventrikel zwei- mal nacheinander auf den Leitungsreiz an, um sofort wieder in Halbrhythmus zu verfallen. Das Schema zu Fig. 5b bringt dies sehr klar zum Ausdruck. Er lässt sich auch in folgender Weise dar- stellen: --u-0-u--u-u-u--, wobei jede Länge einen über- geleiteten, jede Kürze einen blockierten Vorhofschlag bedeutet. Sehr interessant und lehrreich für das Verständnis des Vorganges ist das Verhalten der Überleitungszeit in Fig. 5b und in Fig. 6. Fällt die positiv, chronotrope Acceleranswirkung weg (Taf. I Fig. 6), dann sind die Kammern bei einer Minutenfrequenz von 423 Vor- hofschlägen zwar noch imstande, auf diese im Halbrhythmus zu antworten; das Intervall As—Vs wächst aber sehr bedeutend (0,17”—0,19 Sekunde). Dagegen spricht die Kammer unter der die Leitung fördernden Acceleranswirkung bei der viel höheren Minuten- frequenz von 610 Vorhofsystolen noch auf 58°o derselben an (Taf. I Fig. 5). Das Intervall As— Vs wird, nachdem zwei Vor- hofsystolen unmittelbar nacheinander das Bündel durchlaufen haben, länger, verkürzt sich dann wieder, um neuerdings anzuwachsen, wenn zwei Erregungen hintereinander übergetreten sind. In dem eben beschriebenen Experimente handelt es sich um die Wirkung einer relativ schwachen Acceleransreizung. Beispiele für den Effekt starker Acceleransreizung finden wir unter unseren Abbildungen in Fig. 115, 125 und 135. In allen ‘ diesen Fällen verhält sich vor der Acceleransreizung die Vorhof- zur Kammerfrequenz wie 2:1, auf der Höhe der Acceleranswirkung 12 C. J. Rothberger und H. Winterberg: wie 3:2. Die Steigerung der Ventrikelfrequenz ist viel grösser als die der Schlagzahl der Vorhöfe und, wie Fig. 135 lehrt, von der letzteren in weiten Grenzen unabhängig. Rechter und linker Accelerans sind in gleicher Weise durch Verbesserung der Leitung wirksam. Eine vollständige Suffizienz derselben ist aber auch auf der Höhe der Acceleranswirkung nicht zu erreichen. Ein Dritteil der Vorhof- impulse wird vollständig blockiert, und wo zwei Erregungen nach- einander das Bündel passieren, dort zeigt das Intervall As— Vs Schwankungen, wie sie sonst bei primärer Schädigung des Leitungs- systems aufzutreten pflegen, nämlich Verkürzung der Leitungszeit nach einem Kammersystolenausfall, dann Verlängerung, bis durch einen neuerlichen Ausfall die nötige Erholungszeit gewonnen wird. Sehr schön ist in Fig. 115, 125 und 135 zu sehen, wie durch die Verkürzung der Überleitung nach einem Ausfall und durch ihre dem letzteren vorangehende Verlängerung der Kammer- rhythmus reguliert wird. Die maximalen Differenzen der Kammer- perioden betragen nur 0,04 Sekunde, trotzdem Vorhofschläge von 0,10—0,14 Sekunden Dauer von den Kammern nicht beantwortet werden. Nur in Fig. 125 findet sich an der Stelle, wo ausnahms- weise drei Vorhofimpulse nacheinander die Kammern erregen, einmal eine stärker verkürzte Periode (0,15 Sekunde.) Überhaupt pflegen auffällige, schon an der Suspensionskurve in die Augen springende Störungen des Kammerrhythmus während des Flatterns den Ort zu bezeichnen, wo der regelmässige Kammer- systolenausfall aus irgendeiner Ursache verringert oder verstärkt wird. In Taf. I Fig. 4 tritt die vierte Kammerperiode sofort durch ihre besondere Länge hervor. Die nähere Analyse der Kurve ergibt, dass daselbst die sonst im Halbrhythmus schlagende Kammer auf zwei Vorhofimpulse nicht anspricht. Beim Übergang zweier Rhythmen ineinander herrscht dann selbst durch längere Strecken eine voll- ständige Arhythmie, die der für die Flimmerarythmie charakte- ristischen Art der Kammertätigkeit in allen Stücken gleicht. In Taf. II Fig. Sa und 85 ist diese Erscheinung, wenn auch nicht sehr ausgeprägt, so doch deutlich genug wahrnehmbar. Es kämpfen hier gleichsam zwei Rhythmen 2:1 und 3:1 miteinander, wobei der erstere die Oberhand behält. Den Fig. 4, 8a und 85 ist eine etwas stärkere Insuffizienz der Leitung gemeinsam. In allen diesen Fällen besteht aber eine Über Vorhofflimmern und Vorhofflattern. 73 hochsradige ventrikuläre Tachykardie; die Insuffizienz ist nur relativ, da es sich ja um gesunde und unvergiftete Herzen handelt. Wirkliche durch Affektion des Leitungssystems bedingte In- suffizienz der Reizleitung, die bei der klinischen Flimmerarhythmie häufig vorkommt und auf Miterkrankung der Bündelfasern beruhen dürfte, lässt sich experimentell in allen Abstufungen sehr leicht durch toxische Vagusreizung erzielen. Weniger geeignet ist hierzu die Faradisation der Vagi. Stärkere Reize verwandeln das Flattern sehr leicht in Flimmern; das Aufsuchen der richtigen Reizgrösse ist aber während der am unvergifteten Herzen meist nur kurzen Flimmeranfälle in vielen Fällen nicht durchführbar. Gut brauchbar zum Studium der Kammertätiekeit beim Vorhofflattern und bei gleichzeitig geschädigter Reizleitung ist hingegen die Methode der Muskarin- bzw. Physostigminvergiftung. Grössere Dosen müssen jedoch ebenfalls vermieden werden, weil sie zu vollständiger Unter- brechung der Reizleitung führen, Kammerautomatie erzeugen und weil nach ihrer Anwendung durch Vorhofreizung häufig dauerndes Flimmern eintritt. Am vorteilhaftesten sind kleine Gaben, die den Herzschlag mässig verlangsamen. In Fig. 7a (S. 51) ist nach 0,1 cem unseres Fliegenpilzextraktes die Minutenfrequenz auf 107 herabgesetzt worden. In diesem Stadium wurde durch Vorhof- reizung ein 20 Minuten dauernder Anfall von Flattern hervorgerufen, der dadurch interessant ist, dass durch lange Zeit hindurch konstant nur jeder vierte Vorhofschlag eine Kammersystole auslöste (Fig. 7 b). Dieses Verhältnis 4:1, das auch bei der aurikulären Tachysystolie des Menschen häufig beobachtet wird, wurde durch Reizung des rechten Accelerans unter nicht unbeträchtlicher Zunahme der auri- kulären Tachysystolie (461: 522 Fig. 7c) in der Weise geändert, dass ein Zustand eintrat, in dem Kammerschläge vom Rhythmus 4:1 und 2:1 miteinander wechselten. Infolge der starken inotropen Hemmung sind die gleichsam vorzeitig auf die Kammern übergehenden Impulse nur von schwachen Kontraktionen gefolgt, die nach dem Aussehen der Suspensionskurve leicht für Extrasystolen gehalten werden könnten. Etwas später (Fig. 7 d) ist die Kammertätigkeit zwar noch frequenter, aber wieder regelmässig, weil wie früher nur jeder vierte Vorhofimpuls weitergeleitet wird. Bei stärkerer Ver- giftung mit Muskarin oder Physostigmin wird das Verhältnis der über- geleiteten zu den blockierten Vorhoferregungen immer ungünstiger. Es entfällt dann erst auf 5, 6 oder auf eine noch grössere Zahl von 74 C. J. Rothberger und H. Winterberg: Vorhofkontraktionen eine Kammersystole. In Taf. III Fig. 10% sehöreu z. B. die beiden abgebildeten Kammerperioden einem wechselnden Rhythmus von 5:1 und 4:1] an. Auch bei den stärkeren Graden der Bradykardie ist ihre Entstehung durch Leitungs- störung leicht nachweisbar, wenn die Dauer der Kammersystolen ein ganzes Vielfaches der Vorhofperioden ist. So lange ein Rhythmus vorherrscht, trifft dies in der Regel zu. Dagegen wird die Analyse unsicher oder ganz unmöglich, sobald bei bestehender Bradykardie der Rhythmus der Kammertätigkeit wechselt. Durch die gleich- zeitigen Schwankungen der Überleitungszeit wird die Übereinstimmung der Kammersehläge mit einem Multiplum der Vorhofsystolen auf- gehoben. Beide scheinen ganz unabhängig voneinander zu pulsieren. Versucht man z. B. in der Fig. 16 die Suspensionskurven der Kammer und des Vorhofes bzw. das Diff.-Eg. mit der entsprechenden zeitlichen Verschiebung übereinander zu kopieren, so findet man, dass sich nur der Abhebungspunkt der zweiten und dritten Kammer- systole mit dem Beginn von Vorhoferhebungen bzw. mit Ausschlägen im Diff.-Eg. deckt. Dies ist der einzige Anhaltspunkt für die im Schema gegebene Analyse, und Fig. 16 stellt daher so ziemlich den Grenzfall vor, bei welchem eine Auflösung ähnlicher Kurven noch möglich ist. Der Nachweis, dass die Kammern in Abhängiekeit von den Vorhöfen schlagen, lässt sich bei völligem Fehlen einer Über- einstimmung der beiderseitigen Periodik auch durch die Verzeichnung des Kammer-Eg. nicht erbringen, weil auch bei normaler Form desselben der Einwand offen bleibt, dass automatische Erregungen der Kammer vom Tawara-Knoten ausgehen. In Fig. 16 (S. 75), die aus einem: Experimente entnommen ist, in welchem langdauerndes Flattern durch Vorhofreizung nach Ver- giftung mit Physostigmin erzeugt wurde, ist neben der regellosen Arhythmie der Kammern noch besonders der grosse Zeitunterschied (0,07 Sekunde) bemerkenswert, der zwischen den Ausschlägen im Diff.-Eg. und den Erhebungen in der Suspensionskurve der Vorhöfe vorhanden ist. Auch bei manchen der früher besprochenen Kurven, wie z. B. in Fig. 8a und 5, Fig. 115, 125 und 135 können beim Über- einanderkopieren die Vorhof- und Kammerausschläge nur _ teil- weise oder überhaupt nicht zur Deckung gebracht werden. Infolge der frequenteren Kammertätigkeit lässt sich aber hier der Nachweis des Kammersystolenausfalls viel sicherer führen. Von dem Bestehen U Über Vorhofflimmern und Vorhofflattern. 7: eines bestimmten Zahlenverhältnisses zwischen Vorhöfen und Kammern abgesehen, spricht namentlich die gesetzmässige Verkürzung des Vagusreizung und unmittelbar darauf Faradisation < >, = > > = En] [eb] = S es nm. E85 Te Se © s> os BI 52 P) 88 .. D- ee Hs A UN Fig. 16. Versuch vom 20. Februar 1914. Intervalles As— Vs nach jedem Ausfall und seine Verlängerung nach den übergeleiteten Schlägen für die Richtigkeit der gegebenen Deutung. 76 C. J. Rothberger und H. Winterberg: Ebensowenig wie die Kurvenanalyse während des Flatterns bei bradykardischer Arhythmie gelingt, ist sie bei höheren Graden von aurikulärer Tachysystolie durchführbar, auch wenn die Kammern ebenfalls frequenter schlagen. Im Verhältnis zur Vorhoftätigkeit kann die Ventrikelschlagfolge sehr gut als bradykardisch angesehen werden. Überdies wird mit der Zunahme der Oszillationsfrequenz die Dauer der Einzelschwankungen bald so kurz, dass sich die Kammerperiode immer leichter als ein Vielfaches derselben darstellen lässt. Von der Beibringung spezieller Beispiele hierfür glauben wir Abstand nehmen zu können. Schlussbesprechung. Durch die mitgeteilten Untersuchungen ist unsere Vermutung, dass das sogenannte grobschlägige Flimmern mit dem Flattern bzw. mit der heterogenetischen Vorhoftachysystolie identisch ist, in vollem Umfange bestätigt worden. Wir konnten zeigen, dass alle für das Vorhofflattern beim Menschen angegebenen, in der Einleitung auf- gezählten Merkmale sich auch beim grobschlägigen Flimmern vor- finden und dass Flimmern und Flattern nur verschiedene, ineinander unmittelbar übergehende Stadien eines und desselben Vorganges sind. Unsere Befunde bestätigen und erweitern die namentlich von Wenckebach und Lewis vertretene Änsicht, dass sich das Flattern klinisch und pathologisch enge an das Flimmern anschliesst, und dass zwischen einzelnen und gehäuften aurikulären Extrasystolen, der paroxysmalen Tachykardie und dem Flimmern ein inniger Zusammenhang besteht. „Aurieular flutter is closely related to similar tachycardias of lesser rate on the one hand and to auricular fibrillation on the other. It may pass to one or the other. All such disturbances have a common pathology.“ Dagegen können wir ebensowenig wie Lewis dem Standpunkt Rihl’s beipflichten, der die Ursache der aurikulären Tachysystolie in einem Überwiegen des Sympathieus erblickt. Rihl stützt seine Annahme durch die geringe motorische Acceleration der Tachysystolie nach körperlicher Anstrengung und durch das Fehlen des frequenz- hemmenden Einflusses der Vagi. Auch unsere Experimente zeigen, dass die Vorhoftachysystolie durch Acceleransreizung gesteigert, durch Vaguserregung dagegen nicht gehemmt werden kann, lehren aber gleichzeitig, dass eine Tachysystolie dieser Art ohne Beteiligung Über Vorhofflimmern und Vorhofflattern. 717 der extrakardialen Herznerven durch direkte Beeinflussung des Vorhofes zustande kommt. Jolly und Ritchie legen bei der Unterscheidung von Flimmern und Flattern das Hauptgewicht auf die bei beiden Zuständen etwas verschiedene Beschaffenheit der im Ekg. sichtbaren Wellen. Beim Flimmern sind diese frequenter, irregulärer und bei keiner Ableitung diphasisch, während beim Flattern in Ableitung II und III regel- mässig diphasische Zacken erscheinen. „The two sets of waves are not identical.“ Unsere Erfahrungen sprechen dafür, dass diese Unterschiede nur durch die für diesen Zweck nicht mehr ausreichende Methode bedingt sind. Im Diff.-Eg. sind so durchgreifende Differenzen zwischen Flimmern und Flattern nicht vorhanden. Im Verlaufe des Flimmerns sind mannigfache Formverschiedenheiten der Schwankungen auch im Diff.-Eg. sehr häufig zu beobachten. Dass ihnen aber keine prinzipielle Bedeutung zukommt, zeigen mit Sicherheit jene selteneren Beobachtungen, bei denen die Gestalt und Regelmässigkeit der Zacken des Diff.-Eg. vom feinschlägigen Flimmern bis in die letzten Stadien des Flatterns erhalten bleibt. Bezüglich des Einflusses der extrakardialen Nerven auf das Flattern stimmen die Ergebnisse unserer Experimente nur bei Ver- wendung schwacher Reize mit den Befunden beim Menschen überein. In diesem Falle beschränkt sich ihre Wirkung auf die Förderung bzw. Hemmung des Leitungsvermögens. Auch bei Kranken mit Herzflattern erzeugen, wie z. B. Jolly und Ritchie angeben, schon geringe Anstrengungen oder Erregungen eine merkliche Be- schleunigung des Ventrikelrhythmus. Druck auf den Halsvagus setzt dagegen die Pulsfrequenz fast immer beträchtlich herab, und Rih] nimmt wegen des gleichzeitigen Fehlens des fregquenzhemmenden Vaguseinflusses auf die Vorhoftachysystolie eine „elektive Vagus- wirkung auf die Überleitung an“. Dies ist zwar nicht im Sinne von Rihl, aber doch insofern richtig, als infolge der hohen Vorhof- frequenz die Leistungsfähigkeit des Bündelsystems maximal in An- spruch genommen ist, so dass sich ein labiler Zustand entwickelt, in welchem selbst schwache Nervenreize durch jeden Zuwachs, noch mehr aber durch jede Einbusse an Leitungsvermögen, die sie bedingen, einen deutlichen Frequenzausschlag in den Kammern hervorrufen. Reizung der Accelerantes mit stärkeren Strömen erhöht die Vorhoftachysystolie oft ganz erheblich, und dieser Effekt darf wohl als echte chronotrope bzw. bathmotrope Wirkung angesprochen werden. LS C. J. Rothberger und H. Winterberg: Die Beschleunigung ausserhalb des Sinusknotens gebildeter Vorhof- reize durch Acceleransreizung ist um so weniger auffallend, als ja auch die bei der Barytvergiftung von den tertiären Zentren in den Kammern ausgehenden Reize nach unseren Befunden in gleicher Weise beeinflusst werden. Viel schwieriger zu beurteilen ist die Wirkung der Vaei auf die Tachysystolie der Vorhöfe. Eine Verlangsamung der gebildeten ekto- pischen Reize ist weder hei schwacher noch bei starker Erregung der Hemmungsnerven nachweisbar. Im letzteren Falle tritt sogar eine überraschende, paradox erscheinende Vermehrung der Zahl der Os- zillationen ein, die besonders im Diff.-Eg. deutlich ist, und das Flattern verwandelt sich gewöhnlich in Flimmern. Dieser Übergarg ist auch von Lewis und Schleiter gesehen worden, wenn sie durch Faradisation des Vorhofes Tachysystolie erzeugten und dann den Vagus reizten. „If a regular tachycardia is produced in the auricle by means of a weak faradie current, vacal stimulation will sometimes convert the tachycardia into aurieular fibrillation.“ Ein schönes Bei- spiel hierfür hat Lewis in Fig. 145 seines Werkes „The mechanism of the heart beat“ auf Seite 189 abgebildet. Die Zunahme der Oszillationsfrequenz bei der Umwandlung von Flattern in Flimmern durch Vagusreizung kann gewiss nicht als eine Beschleunigung der Reizbildung aufgefasst werden. Dagegen spricht nicht nur die Grösse der Steigerung der Oszillationsfrequenz, sondern insbesondere die physiologische Funktion der Vagi, an die wohl jeder Erklärungsversuch dieses eigentümlichen Phänomens anknüpfen muss. Bevor wir einen solchen zu geben versuchen, ist aber vor allem Klarheit über die Bedeutung der im Diff.-Eg. vorhandenen elektrischen Schwankungen nötig. Wäre ihre Zahl beim feinschlägigen Flimmern nicht so beispiellos hoch, so würde man wohl nicht zögern, jede Oszillation als besonderen Aktionsstromimpuls anzusprechen und mit einer zugehörigen Vorhofkontraktion in Verbindung zu bringen. Sagt doch interessanterweise erst jüngst Wenckebach!) (S. 130), es liege auf der Hand, anzunehmen, „dass das Vorhofflimmern als Endstadium der Frequenzmöglichkeiten der Vorhöfe zu betrachten ist“, wobei er aber die Zahl der Vorhofkontraktionen beim Flimmern nur auf 400—500 pro Minute schätzt (l. e. S. 137). l) Wenckebach, Die unregelmässige Herztätigkeit und ihre klinische Bedeutung. Engelmann’s Verlag. Leipzig-Berlin 1914. 4 Über Vorhofflimmern und Vorhofflattern. 79 Nun übersteigen aber die Öszillationen beim feinschlägigen Flimmern nicht selten die Zahl 3000 pro Minute, und dieser Um- stand hat uns zunächst von der konsequenten Verfolgung dieses Ge- dankens abgeschreckt. Auch glaubten wir 'eine ausreichende Er- klärung für die überaus hohe Undulationsfrequenz zu finden, indem wir auf die Vorstellung von der Interferenz mehrerer Kontraktions- wellen zurückgriffen, welche von multiplen Reizpunkten ausgehen. Danach war zu erwägen, ob nicht aus verschiedenen Richtungen kommende, die Ableitungsstelle rasch hintereinander passierende Erregungen die hochfrequenten Undulationen im Diff.-Eg. erzeugen. Unter dieser Voraussetzung müsste denselben keineswegs eine ebenso hohe Zahl von an einer Stelle entstandenen, die Vorhöfe durch- laufenden Kontraktionen entsprechen, sondern es würde die Zuckungs- frequenz der einzelnen Muskeipartien nur einen Bruchteil der im Diff.-Eg. gezählten Oszillationen betragen. Nun zeigt das Diff.-Eg. allerdings sowohl beim Flimmern als auch beim Flattern sehr häufig wechselnde Formen der elektrischen Ausschläge. Daraus kann mit Recht gefolgert werden, dass während des Flimmerns ver- schiedene Reizbildungspunkte tätig sein können. Als wir aber sahen, dass dies nicht immer zutrifft, dass in vielen Experimenten während des Flimmerns kleinere und grössere Strecken des Diff.-Eg. aus vollständig gleichartigen, rhythmischen Oszillationen bestehen, ja dass sogar in lange dauernden Flimmeranfällen bei der ver- schiedensten Oszillationsfrequenz die Gestalt der elektrischen Aus- schläge im wesentlichen unverändert bleibt (Taf. III Fig. 10), mussten wir diesen Erklärungsversuch fallen lassen. Mit dem Nachweis, dass das Flimmern auch nur durch kürzere Zeit bestehen bleiben kann, wenn eine einzige Reizbildungsstelle tätig ist, wird aber die prinzipielle Bedeutung, welche der multiplen Reizbildung nach der gegenwärtig fast allgemein akzeptierten [Hering!), Lewis?)] Hypothese Winter- berg’s?) für die Pathogenese des Flimmerns zukommt, sehr in Frage gestellt. Gegen die entscheidende Rolle der Vielseitigkeit der Reiz- bildung beim Flimmern sprechen weiter besondere von uns aus- geführte Versuche, in denen wir den Herzmuskel an vielen Stellen gleichzeitig durch Induktionsschläge reizten. Wir erhielten dabei 1) Hering s. Rihl, Il. ce. S. 313. 2) Lewis, The mechanisın of the heart beat. Cap. 16. 3) Winterberg, Versuch einer Erklärung des Flimmerphänomens. Studien über Herzflimmern. I. Mitteilung (l. c. S. 246). 7) C. J. Rothberger und H. Winterberg: stets eine kräftige Systole, gerade so wie bei Reizung eines einzigen Punktes. Schliesslich kommt ja auch die physiologische Systole der Kammern dadurch zustande, dass die Muskulatur auf dem Wege des Reizleitungssystems an sehr vielen Punkten gleichzeitig erregt wird. Diese Tatsache, mit der seinerzeit bei der Aufstellung der Flimmer- hypothese nieht gerechnet werden konnte, macht es ebenfalls sehr unwahrscheinlich, dass die multiple Reizbildung als die eigentliche Ursache des Flimmerns anzusehen ist. Dagegen stimmt mit den von uns erhobenen elektrographischen Befunden eine andere von Trendelenburg!) stammende Theorie des Flimmerns besser überein. Dieser Autor weist darauf hin, dass durch starkes Tetanisieren die refraktäre Phase maximal verkürzt wird, und dass sodann die Herzmuskulatur den sehr frequenten Reizen mit sehr frequenten Kontraktionen zu folgen vermag. In ähnlicher Weise hat Samojloff?) (l. ec. S. 452) gefunden, dass, wenn am stillstehenden Herzen einem Reiz ein zweiter sofort nach- geschiekt wird, der Verlauf der zweiten elektrischen Schwankung in kürzerer Zeit sich vollzieht als der der ersten. „Daraus kann geschlossen werden, dass man die wirksame Reizdistanz nach dem zweiten Reiz etwas kürzer nehmen darf als diejenige zwischen dem ersten und dem zweiten Reiz. Wenn sich das auch für eine Reihe von Reizen bestätigt, so dass die wirksame Reizdistanz mit der Zunahme der Reizanzahl immer geringer gewählt werden darf, so ist ganz klar, dass man in dieser Weise zu sehr hohen Reiz- frequenzen sozusagen einschleichend gelangen kann.“ .Die Ver- kürzung der Ablaufszeit der Erregung äussert sich nach Samojloff im Eg. dadurch, dass das Zeitintervall zwischen den Zacken R und 7 kürzer wird. Tatsächlich sieht man nun dem Flimmern stets eine Reihe rasch aufeinanderfolgender Kontraktionen vorangehen, durch welche offenbar die refraktäre Phase bis zu dem für den Eintritt des Flimmerns notwendigen Grade verkürzt wird. Denn „das Herz“, sagt Samojloff, „erlaubt wohl eine rasche Reizfolge, es sträubt sich nur gegen eine plötzliche Steigerung der Frequenz“ (l. e. S. 452). Beim Tetanisieren mit starken Strömen dürfte sich 1) Trendelenburg, Untersuchungen über das Verhalten des Herzmuskels bei rhythmischer, elektrischer Reizung. Arch. f. Anat. u. Physiol., physiol. Abt., 1903 S. 308. 2) Samojloff, Weitere Beiträge zur Elektrophysiologie des Herzens. Pflüger’s Arch. Bd. 135 S. 417. 1910. ir: Über Vorhofflimmern und Vorhofflattern. sı die Verkürzung der refraktären Phase wohl in besonders rascher Progression vollziehen. Nimmt man nun weiter an, dass durch die tetanisierenden Ströme nicht nur die an den venösen ÖOstien ge- lesenen !) sondern auch die übrigen reizbildenden Elemente zu hoch- frequenter Reizproduktion angeregt werden, so lassen sich wenigstens die wesentlichen Erscheinungen des Flimmerns leicht erklären. Dazu bedarf es nicht einmal der weiteren Annahme Trendelenburg’s, dass verschiedene Muskelzellen in verschiedener Frequenz oder, wie F. B. Hofmann?) meint, ungleichzeitig in Kontraktion geraten. Auch von einem einzigen Punkte ausgehende Kontraktionswellen werden, wenn sie nur rasch genug aufeinanderfolgen, wegen der bekannten Wechselbeziehungen zwischen Kontraktionsstärke und Kontraktionsfrequenz bald so kraftlos werden, dass sie nur geringe oder gar keine mechanischen Fffekte erzeugen. Erreicht aber die Frequenz der ablaufenden Kontraktionswellen eine gewisse Höhe, so kann das optische Phänomen des Flimmerns entstehen, ohne dass es möglich ist, aus den wegen ihrer raschen Aufeinanderfolge miteinander verschmelzenden Gesichtseindrücken mit Sicherheit zu erkennen, ob die einzelnen Muskelbündel absolut ungleichzeitig oder in regelmässiger wellenförmiger Aufeinanderfolge, in gleicher oder ungleicher Frequenz in Tätigkeit sind. Die Beschreibungen des Flimmerns sind tatsächlich diesbezüglich nicht übereinstimmend. Während wir selbst und andere Autoren (z. B. Lewis) mehr die Unregelmässiekeit der Flimmerbewegungen betont haben, hebt Mc William?) gerade im Gegenteil als für das Vorhofflimmern charakteristisch hervor: „The movements are regular; they seem to consist of a series of contractions originating in the stimulated area and thence spreading over the rest of the tissue. The movement does not show any distinet sign of inco-ordination; it looks like a rapid series of contraction waves passing over the auricular walls.“ Selbst wenn wir gegen diese Schilderung eines so ausgezeichneten Beobachters einwenden wollten, dass sie nur für die späteren Stadien des Flimmerns, für das sogenannte Flattern, zutreffend sei, so mussten wir ihr, abgesehen davon, dass sie den Erscheinungen im Diff-.Eg. 1) Trendelenburs, Kritik bei Winterberg, |. c. S. 248. 2) F. B. Hofmann, Nagel’s Handb. der Physiol. des Menschen Bd. 1 S. 239. Braunschweig 1905. 3) Me William, Fibrillar contraction of the heart. Journ. of Physiol. vol. 8 p. 296. 1887. Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd. 160. 6 82 C. J. Rothberger und H. Winterberg: so vollkommen entsprach, auch deshalb Beachtung schenken, weil wir ja auf Grund unserer eigenen Experimente einen wirk- lichen Unterschied zwischen Flimmern und Flattern nicht an- erkennen. Unsere vorgefasste Meinung, dass den hohen Oszillations- frequenzen von 3000 pro Minute und darüber unmöglich ebenso viele Kontraktionen der Vorhofmuskulatur entsprechen können, wurde aber noch mehr erschüttert, als wir bei der Überprüfung unserer Kurven feststellen konnten, dass selbst bei sehr ansehnlichen Oszillationsfrequenzen nicht selten ebenso viele distinkte Erhebungen der Suspensionskurve des Vorhofes nachweisbar sind. Die Maximal- frequenz, bei welcher jeder elektrischen Schwankung im Diff.-Ee. ein wenn auch flacher, so doch deutlich unterscheidbarer mechanischer Ausschlag von derselben Dauer zugehören kann, liegt nach unseren Erfahrungen bei 800-900. Da sich ferner herausstellte, dass die Grösse des mechanischen Ausschlages ceteris paribus der Oszillations- frequenz umgekehrt proportional ist, so war nicht zu zweifeln, dass es nur der Unvolikommenheit der mechanischen Registrier- methode zuzuschreiben ist, dass der Parallelismus der Schwankungen im Dift.-Eg. und der Erhebungen der Suspensionskurve von einer gewissen Grenze an aufhört. Durch das Gewicht unserer Befunde und der an sie geknüpften Überlegungen gelangen wir daher zu der Annahme, dass das Flimmern des Herzens dureh hochgradige Verkürzung der Refraktärperiode und durch so rasch aufeinander- folgende Kontraktionen bedingt wird, dassihr mecha- nischer Effekt minimal oder gleich Null. wird. Die Zahl der ÖOszillationen im Diff.-Eg. stimmt mit der Zahl der Vorhofkontraktionen überein; sie ist das schon lange vergeblich gesucbte Maass der Frequenz der Flimmerbewegung. Die verschiedenen Stadien des feinschlägigen Flimmerns bis zum ausgesprochenen Flattern entsprechen den Abstufungen in der Dauer der Refraktärperiode sowie der damit gleich gestuften Schlagfrequenz und Kontraktionsstärke. Unmittelbar nach dem Tetanisieren ist die Refraktärperiode am kürzesten, die Schlagfrequenz am höchsten (2000—3000 pro Minute) und die Kraft der Flimmerbewegung am geringsten (feinschlägiges Flimmern); dann wächst allmählich das refraktäre Stadium, die Flimmerbewesungen werden langsamer und stärker und können bei einer Frequenz von a. Über Vorhofflimmern und Vorhofflattern. 83 800 unter sonst günstigen Bedingungen schon mechanisch registrierbar sein. Ist mit der Zunahme der Refraktärperiode die Frequenz auf ungefähr 600 gesunken, so ist das Stadium des grobschlägigen Flimmerns oder Flatterns erreicht, in dem die einzelnen, schon recht kräftigen Zuckungen deutlich wahrgenommen und leicht ver- zeichnet werden können. Bei einer Minutenfrequenz von etwa 400 hört das Flimmern des Hundeherzens gewöhnlich ziemlich plötzlich auf; es kommt. zum postundulatorischen Stillstand, und bald darauf stellt sich die normale Schlagfolge wieder ein. Dass die erstaunlich hohe Schlagfrequenz im Beginne des Flimmerns keine biologische Unmöglichkeit ist, dafür liefern die Feststellungen von Buchanan!) einen gewissen Anhaltspunkt. Nach diesen schlägt das Herz der Maus in der Norm 720 mal pro Minute, bei Erregung 810 mal. Bei Vögeln sind die Maximalwerte noch höher: sie betragen für den Stieglitz (Goldfink) 925, den Grünfink 848 und für den Sperling S50 in einer Minute. Hier sei noch erwähnt, dass der Flügelschlag mancher Insekten unter physiologischen Ver- hältnissen Minutenfrequenzen von 1400 aufweist, weil dies trotz der grossen Verschiedenheit der Objekte, welche allerdings einen direkten Vergleich nicht zulässt, doch ein Bild für die absolute Leistungsfähigkeit der Muskulatur liefert. Ist die Verkürzung der refraktären Phase die letzte und wesent- lichste Bedingung für die Entstehung des Flimmerns, so müssen alle Einflüsse, welche die refraktäre Periode kürzen, das Flimmern begünstigen und alle, welche sie verlängern, das Flimmern aufheben. In der Tat wird durch Abkühlung die refraktäre Phase verlängert und der Eintritt von Flimmern erschwert; Erwärmung dagegen hat auf beide Erscheinungen den entgegengesetzten Einfluss. Kalium, das einzige Mittel, welches wir derzeit besitzen, um das Flimmern der Kammern zu beseitigen, verlängert die refraktäre Phase [Ringer und Sainsbury?)]l. Es ist nun bemerkenswert, dass sich auch der Einfluss der Vagi und der vaguserregenden Mittel auf das Flimmern durch Änderungen der refraktären Phase erklären lässt. Samojloff (l. e. S. 465 und 468) hat die wichtige Be- obachtung gemacht, dass bald nach dem Beginn der Vagusreizung die Zeitdauer der Erregung (R und 7) des Herzens ganz bedeutend 1) Buchanan, The frequency of the heart beat. Journ. of Physiol, vol. 37 p- i9. 1908, and vol. 38 p. 62. 1909. 2) Ringer and Sainsbury, Of the influence of certain drugs on the period of diminished exeitability. Journ. of Physiol. vol. 4 p. 356. 1883. 6 * S4 C. J. Rothberger und H. Winterberg: gekürzt wird. Für das Muskarin, das sich in unseren Versuchen als eines der zuverlässigsten Mittel bewährt hat, um langdauerndes Flimmern oder Flattern zu erzeugen, hat Walther!) eine so bedeutende Verkürzung der Refraktärzeit nachgewiesen, dass im Muskarinzustande sogar echter Tetanus des Herzens erzielt werden kann. Ähnliche Angaben haben schon früher Rouget?) und OÖ. Frank?) gemacht. Da nun bei der Muskarinwirkung „ein nervöser Einfluss, der sich mit der Reizung des Vacus deckt“ [Samojloff®)], aus vielen Gründen angenommen werden muss, so eröffnet sich uns von diesem Standpunkte aus das Verständnis nicht nur für die schon bekannte Tatsache, dass Vagusreizung, Muskarin, Pilokarpin, Physostigmin und andere den Vagus erregende Substanzen die Dauer des Flimmerns verlängern, sondern auch für den inter- essanten Befund, dass Vagusreizung das Flattern in Flimmern zurückverwandelt. Atropin, das den Vagus lähmt und die Muskarinwirkung auf- hebt (Walther), verhindert innerhalb gewisser Grenzen das Nach- flimmern selbst nach starkem und langdauerndem Tetanisieren der Vorhöfe (Winterberg |]. c.), woraus hervorgeht, dass die Mit- reizung der intrakardialen Vagusenden bei der Entstehung des Flimmerns durelı Faradisation eine wichtige Rolle spielt. Auch auf Grund der Hypothese der multiplen Reizbildung liess sich die Vagus- wirkung beim Flimmern in befriedigender Weise dadurch erklären, „dass der Vagus einerseits das Wirksamwerden automatischer Reize fördert, anderseits ihre Fortdauer begünstigt, indem er durch Er- schwerung der Leitung die einzelnen Herde autochthoner Tätiekeit voneinander gleichsam separiert und so verhindert, dass sich wieder ein einheitlicher, von einer Stelle aus bestimmter Rhythmus herstellt“ (Winterberg |]. ce. S. 251). In Anlehnung an diese Anschauung schildert später Lewis’) (S. 239) den Einfluss des Vagus auf 1) Walther, Zur Lehre vom Tetanus des Herzens. Pflüger’s Arch. Bd. 78 S. 597. 1899. 2) Rouget, Le tetanos du c@ur. Arch. de Phys. 5 serie t. 6 p. 397. 1894. 3) OÖ. Frank, Gibt es einen echten Herztetanus? Zeitschr. f. Biol. Bd. 38 S. 300. 1839. 4) Samojloff, Über den Einfluss des Muskarins auf das Elektrokardio- gcamım des Froschherzens. Zentralbl. f. Physiol. Bd. 27 Nr. 1. 5) Lewis, The mechanism of the heart beat. Shaw and Sons. London 1911. Über Vorhofflimmern und Vorhofflattern. 85 das Vorhofflimmern in folgender Weise: „The movements appear to be more finely subdivided, suggesting the establishment of lines of block in the musculature“. Nun ist aber gerade das feine Flimmern nach starker Vagusreizung besonders häufig von sehr regelmässigen Oszillationen im Eg. begleitet, die sich nieht gut auf eine Vielheit von Reizbildungsstellen beziehen lassen. Dadurch und durch die vorher angeführten Gründe sind wir gezwungen, unseren früheren Standpunkt von der Auflösung der Gesamt- kontraktion des Herzmuskels in Partialkontraktionen als Ursache des Flimmerns zu verlassen. Eine der wichtigsten das Vorhofflimmern begleitenden Er- scheinungen ist die Arhythmie der Kammern. Eine befriedigende Erklärung für ihre Genese ist bisher nicht gefunden worden. Ob man annimmt, dass die Vorhofimpulse an sich unregelmässig erfolgen oder dass sie wegen der verschiedenen Richtung, aus der sie kommen, amı Eintritte in das Atrio-Ventrikularbündel miteinander kollidieren und dieses in unregelmässiger Weise passieren [Lewist)], stets wird man auf die erst jüngst von A. Hoffmann’) sehr richtig hervor- gehobene Schwierigkeit stossen, „dass bei den zahlreichen Flimmer- bewegungen der Vorhöfe, immer wenn die Kammern ihre refraktäre Zeit beendet haben, auch ein Reiz zur Stelle ist. Da die refraktären Phasen annähernd gleich lang sind, so müsste ein regelmässiger Puls resultieren“. Wir haben nun gesehen, dass sich die Arhythmie der Kammern im Stadium des Flatterns in vielen Fällen leicht analysieren lässt, und dass ihr stets Überleitungsstörungen zugrunde liegen. Selbst während des Flatterns ist die Vorhoffrequenz so hoch, dass nur ein Teil der Vorhofimpulse vom Ventrikel beantwortet wird. Gewöhnlich tritt wie beim Flattern des Menschenherzens Halbierung der Kammer- frequenz ein, und die Schlagfolge bleibt rhythmisch. Trotzdem ist die Funktionskraft des Überleitungssystems nahezu gänzlich aus- genützt, und in diesem labilen Zustande führt jede weitere Inanspruch- nahme sofort zur Arhythmie. So wird z. B. durch Reizung des Accelerans zwar das Leitungsvermögen gebessert, die Zunahme der 1) Lewis, An observation relating to the nature of auricular fibrillation. Heart. vol. 4 p. 273. 1913. 2) Aug. Hoffmann, Die Elektrographie als Untersuchungsmethode des Herzens und ihre Ergebnisse S. 200. Wiesbaden 1914. te16) ©. J. Rothberger und H. Winterberg: Zahl. der Kammerschläge ist aber verhältnismässig grösser als der Zuwachs an Leitfähigkeit, und die erfolgte Überlastung findet ihren Ausdruck in einem Schwanken der Überleitungszeit von Schlag zu Schlag, das zur Arhythmie der Kammern führt. Doch ist diese nicht hochgradig und wird zum Teil durch die Ventrikelsystolenausfälle ausgeglichen, solange das Verhältnis der blockierten zu den über- geleiteten Schlägen gleiehbleibt. Sowie aber dieses Verhältnisschwankt, wie es z.B. bei den Übergangsstadien von einem Rhythmus zum anderen der Fall ist, tritt absolute Irregularität ein. Vorhof- und Kammerschläge zeisen keine analysierbaren zeitlichen Beziehungen, und nur durch die Verfolgung der Entwicklung dieses Zustandes ist es möglich, die Gesetze seines Zustandekommens zu erkennen. Wir gelangen also zu dem Schlusse, dass beim Flattern vollständige Arhythmie dann eintritt, wenn das vorhandene Leitungsvermögen an der Grenze steht, bei welcher es z. B. bei einem Rhythmus von 2:1 noch unvollständig ausgenutzt, bei dem nächst höheren Rhythmus 3:2 jedoch schon überlastet wird. In diesem Zustande werden geringe Änderungen im Sympathieus- und Vagustonus oder in der Ernährung, kurz, kleinste, nicht mehr erkennbare Einflüsse aller Art zum Rhythmus- wechsel, zu Schwankungen der Überleitungszeit und damit zur absoluten Irregularität führen. Es erhebt sich nun die Frage, ob diese Auffassung von der Ent- stehung der Arhythmie beim Flattern auch für die Irregularität beim Flimmern ausreicht. Wir haben schon früher auseinandergesetzt, dass bei einer gewissen Frequenz der Vorhofaktion die Möglichkeit einer sicheren Analyse von Rhythmusstörungen der Kammer aufhört. Von der gewonnenen Überzeugung ausgehend, dass Flattern und Flimmern wesensgleiche Vorgänge sind, hätten wir trotz der Un- durehführbarkeit einer direkten Analyse doch keinen Grund, für die Flimmerarhythmie eine andere Erklärung zu suchen, wenn dem nicht folgendes im Wege stünde. Beim Flattern ist absolute Irregularität sowohl im Tierexperimente als auch beim Menschen durchaus nicht regelmässig, beim Flimmern dagegen konstant nachweisbar. Es kann aber nicht gut angenommen werden, dass gerade beim Flimmern sich das Leitungsvermögen stets in jenem kritischen Gleichgewichtszustand befinden sollte, den wir für die Arhythmie beim Flattern verantwort- lich gemacht haben. Gerade beim Flimmern wäre im Hinblicke auf die Unzahl von Impulsen zu erwarten, dass sich die Kammern auf eine optimale, nur von der Refraktärperiode abhängige rhythmische er Über Vorhofflimmern und Vorhofflattern. 87 Schlagfolge einstellen würden. Statt dessen sehen wir eine viel hoch- eradigere Rhythmusstörung und begegnen der auffälligen, namentlich aus klinischen Beobachtungen bekannten Tatsache, dass beim Über- gang von Flattern in Flimmern die Tachysystolie der Kammern ge- ringer wird. Für die Kranken liegt darin sogar ein gewisser Ge- winn, so dass Mackenzie!) sagt: „Production of fibrillation may be beneficial.“ Für das volle Verständnis dieser gewiss nicht leicht zu be- “urteilenden Verhältnisse scheint uns nun eine interessante Beobachtung von Trendelenburg von grösster Bedeutung zu sein. In seinen schon erwähnten Untersuchungen über das Verhalten des Herzmuskels bei rhythinischer elektrischer Reizung stellte Trendelenburg ir Übereinstimmung mit unseren Befunden nicht nur das Auftreten stärkerer Arhythmie bei den Übergängen der Rhythmen fest, sondern er konstatiert auch (l. e. S. 285), dass die Erregbarkeitsverhältnisse des Herzmuskels gegenüber schwachen, sogenannten hinreichenden Reizen „unübersehbar sehwankend“ sind. Bei Verwendung der eben wirksamen Reize konnte gelegentlich ein Wechsel zwischen 1/ı-, %/a-, Y/a-, Ys- und "/s-Rhythmus beobachtet werden, ohne dass in der Art der Reizung eine Änderung eintrat. Wir sind gewiss berechtigt, den physiologischen Leitungsreiz als überschwelligen, „un- fehlbaren“ Reiz anzusprechen. Ein solcher „energetischer Reiz- überschuss“ im Sinne von H. Meyer?) kann aber den so überaus fre- quenten Impulsen während des Flimmerns nicht mehr zugestanden werden. Die Reizerösse, welche das Herz innerhalb einer gewissen Zeit aufzubringen vermag, wird beim Flimmern gleichsam in Bruch- teile zersplittert, eine Vorstellung, die an der gleichzeitigen Ver- _ minderung der Kontraktionsstärke und des Leitungsvermögens so kräftige Stützen findet, dass sie geradezu als selbstverständliche Forderung erscheint. | Wir kommen daher zu dem Schlusse, dass die Arhythmie der Kammern beim Flimmern und Flattern der Vor- höfe wesentlich bedingt wird durch zu schwache, l) Mackenzie, zit. nach Lewis, Observations upon disorders - of the heart’s action. Heart. vol. 3 p. 279. 1911/1912. ’ 2) Alcock und H. Meyer, Über die Wirkung des Carpains auf die Herz- tätigkeit. Arch. f. Anat. u. Physiol., physiol. Abt. 1903 S. 225. S8 C. J. Rothberger und H. Winterberg: eleichzeitig aber zu zahlreiche Leitungsreize!). Beim Flimmern sind beide Momente wirksam; die Arhythmie ist daher hier am stärksten ausgesprochen und am häufigsten anzutreffen. Beim Flattern kommt weniger die Schwäche als die Zahl der Reize in Betracht. Neben der absoluten Grösse der Reizstärke und Reizzahl ist auch «das Verhältnis zur Erregbarkeit und insbesondere zum Leitungs- vermögen des Herzens von Bedeutung. Denn es ist klar, dass jede funktionelle oder anatomische Schädigung des Herzens das bestehende Missverhältnis noch verstärken wird. Die Vorraussetzung, dass Erhöhung des Vagustonus im allgemeinen die Arhythmie beim Flimmern und Flattern verstärken, Sympathieuserregung sie ver- mindern wird, findet in unseren Experimenten Bestätigung. Dass im speziellen Falle auch der Accelerans einen bestehenden Gleich- sewichtszustand stören und Arhythmie erzeugen kann, haben wir bei der Umwandlung der Frequenzhalbierung in den Rhythmus 3:2 erfahren. Dass anatomische Schädigungen, auch wenn sie das Reizleitungs- system bei weitem nicht vollständig unterbrechen, trotzdem im Zustande des Vorhofflimmerns zu vollständiger Blockierung und Kammerautomatie Anlass geben können, bedarf keiner weiteren Erörterung. | Zusammenfassung. Der Inhalt der vorliegenden Untersuchungen lässt sich in folgender Weise resümieren: 1. Das Diff.-Ege. der Vorhöfe in den verschiedenen Stadien des Flimmerns besteht aus Oszillationen von verschiedener Form und Richtung, die im Beginne des Flimmerns überaus rasch sind (3000 bis 3500 pro Minute) und deren Frequenz allmählich abnimmt. 1) Aus einem im Zentralbl. f. Herzkrankh. Bd. 6 S. 218. 1914 enthaltenen Referate eines Vortrages von P. Hoffmann und E. Magnus-Alsleben: „Zur Entstehung der Arhythmia perpetua“ am letzten Kongresse für innere Medizin entnehmen wir, dass die Autoren bezüglich der Genese der Arhythmie beim Vorhofflimmern zu einer mit der von uns entwickelten ganz ähnlichen Anschauung gelangt sind, indem sie sagen: „Die Bedingung zur Entstehung der Arhythmia perpetua scheint nicht dadurch gegeben zu sein, dass dem Ventrikel zahlreiche urregelmässige Impulse zustreben, sondern durch Insuffizienz des Bündels gegen- über allzu frequenten Vorhofreizen, selbst wenn diese regelmässig erfolgen.“ Über Vorhofflimmern und Vorhofflattern. 89 2. Zwischen der Frequenz der Oszillationen und der Art der Flimmerbewegung besteht ein inniger Zusammenhang. Beim fein- schlägigen Flimmern ist die Zahl der Undulationen am grössten, beim grobschlägigen Flimmern am kleinsten. 3. Das erobschlägige Flimmern ist mit dem sogenannten Flattern des menschlichen Herzens identisch. Flimmern und Flattern sind verschiedene Stufen eines und desselben Vorganges und durch ver- schiedene Grade aurikulärer Tachysystolie charakterisiert. 4. Das Flattern wird durch schwache Acceleransreizung nicht beeinflusst. Durch stärkere Erresungen, die klinisch nieht in Frage kommen, werden die Flatterbeweeungen verstärkt und die Zahl der Öszillationen manchmal nicht unbeträchtlich, aber doch stets inner- halb enger Grenzen gesteigert, wobei der rechte Accelerans häufig wirksamer ist als der linke. Die Zahl der Kammerschläge wird durch beide Accelerantes erhöht. Die Wirkung auf die Vorhöfe besteht in einer direkten Beschleunigung ihrer Kontraktionen, jene auf die Kammern beruht auf Verbesserung der Leitungsbedingungen. 5. Das Flimmern und Flattern der Vorhöfe wird durch Acceleransreizung keineswegs verlängert, wahrscheinlich. aber ver- kürzt. 6. Die Vagi setzen durch Hemmung der Überleitung die Zahl der Kammerschläge herab. Stärkere Vagusreize führen überdies zur Rückbildung des grobschlägigen in feinschlägiges Flimmern. Je nach der Stärke des Hemmungsreizes wird gleichzeitig die Oszillations- frequenz bis zu den höchsten Graden gesteigert. 7. Die letzte Ursache des Flimmerns liegt wahrscheinlich in einer hochgradigen Verkürzung der Refraktärperiode, die bei gleich- zeitiger Erregung der verschiedenen reizbildenden Apparate durch das Tetanisieren eine maximale Zahl von Kontraktionen ermöglicht, wobei deren mechanischer Effekt minimal wird. 8. Die Zunahme der Oszillationsfrequenz, die Umwandlung des Flatterns in Flimmern und die Verlängerung des Flimmerns durch elektrische, mechanische (Vagusdruck) oder toxische (Muskarin, Physostigmin) Vagusreizung beruht ebenfalls auf Verkürzung der refraktären Phase. 9. Die Zahl der Oszillationen im Diff.-Eg. stimmt mit der Zahl der Muskelkontraktionen überein und misst die Frequenz der / 90 €. J. Rothberger und H. Winterberg: Über Vorhofflimmern etc. Flimmerbewegung. Ihre oft vollkommene Gleichmässigkeit und Regelmässigkeit lässt wenigstens temporär auf einen einzigen Reiz- ursprung schliessen und spricht gegen die Bedeutung der multiplen Reizbildung für die Pathogenese des Flimmerns. 10. Die das Flimmern und Flattern begleitende Arhythmie der Kammern ist die Folge zu schwacher, gleichzeitig aber zu zahl- reicher Leitungsreize, die zu verschiedenen und wechselnden Graden von Überleitungsstörungen führen. Pflüger's Archiv f. d. ges. Physiologie Bd. 160 THTIRITLIERTERTOT ET li AI am MEN IMMER MURAU] ÜETITITITETTTTITITTTEIITITITTITTTTTITITITTTTITTITITTELTTITEITEITEILEHLITTTTTLITITILLITTTTTLITTITITELLILTTITN [DIPITITIPITTTPTTTTITTTTTTTETTPITETTTTETLTDITTITITITITTITITTITITTTETTITTTELILTTLTTLTTTELITTTTLLFELTLLTLETTEILLLITLITELLLLLELT TG EETTTIITEERTITITTELTIITTETITTEITEITTINTTITLTLEITETITITLEITITLLILKEITEGEITTLECLTIDRTTTLLLLTTTLLTTILERTLLTTTIINNN U LLIHILHNL LEN BEER TER h v. 27.1.1914 ETUI AHAAHKIAARIAANIAREANANKUNARRHA HAN Vers Hund ALIETERETITLLLTTIETETERTELTEESTE EFT EHEN Dumm DEREN RENT ERTEETITIEETTISTEEERIETEUHTEEFIGTTEEEKERITRRTITTITTTIRERTITERTERLERTNANTIIECGETRSTEETSTEUNTTEITRURTERNTTTRTEREHRTTTNNN Yı von längerer Dauer nach Endstadium eines (F=S14 7 7.1.1914 ion des recht Die Kammerr M.) Flattern des Vorhof 50 p.M.) Vorhofe hlagen ıs (F=2 Bonn nicht vergiftet a) Versuch vom b) Dyspnoe durch Aussetzen der künstl. Respiration und Vorhofreizung (F=355 p.M.) ce) Nach Durct RER 2. All. 1913 1eidung Vagi und rechter Acc des link Faradische Reizung der recht Übergang von feinschlägigem in grobschlägiges Flimmern (Flattern) Acc Aurikel bei R. A. Bcm a IITEITTTTITITETTTTETTITTETETTEITTTLEITTESTRTTTTTTTTTTTTTTTTLITTTTLETTTTTELSTTITETTTLEITTILEITEITERTTITKITRLTITTTETTTLTLTLITTTLELILTITITIENTN HIERBEI IHREN AHRLIRRILKEEEEELEELKEEHEHHI NEUN Norma durchschnitten, a Successio link. Acc, erhalten. Atrioventrikul. Automatie Flattern (F=610 p. M.) Kammerallorhythmie Tafel | 1 1 \ in URN lan IN HNLAHLAEBEDKILRERBEDEAEILAEIESERTATEADERDLAUELURRSANEHTADBESAHISGEREERSETHLAEFADERELDERDLDRRDENEKBANEDKALAHÜELURLUHAULAREDKERHLAKREAKELANEERÄBUTLADLANRDEADERDENLAHEN AAN EEITTITTITITILLOTITILLLITITITCHRTITTITTIPTTTELITETTITLLIITITTTITTIUOTLLLTLILLETHITITLLEHITICTLLILLLIEIELETN LS LITHITLLUULTEELTUTNTLILL ELLE Kürzerer Anfall von Flimmern nach schwächerer Rei Versuch v. 27.1.14 R. A. 14 cm non PNA KH x11. 1913. Nach Dur Flattern nach Vort Versuch v lere mmer f Bei der Marke E SR au Eee, Pflüger's Archiv f. d. ges. Physiologie Bd. 160 Tafel Il. Fig, Ba MUMTNS Ya ‚npnhan AN HRRBEENENNNN TR KRANK hun INANNANAHHHN \ ul In N ht UL I rn) 2 Ei M i IM An Mm mm Ma TATKHERRIIEN Am ll STEMMIMMUNE Hi h b) Fortsetzung von a. Formwechsel im Diff. Eg. sonst wie a ji Im INNWIMM MM N AMMAEITHIITIT MN MH! MMTTTMTIMIT y TITTIIT 1 rum je Eg. Formen. Oscillationsfreque sehn M a) Versuch v. 27.11.1914, Nach Vergiftung mit ©. cm* Muskarin, Pulsverlangsamung, inotrope Hemmung der Vorhofkontraktionen sin hläa )scillatic arke E inn farad. Vorhofreizung R. A. 8cm b) Ende der Vorhofreizung bei der Marke und feinschlägiges Flimmern. Oscillationsfrequenz anfangs ca. 2800 gegen Ende der Curve ca. 2400 p M Bei de | | de MÄR PHARMA w ww‘ | v Art UM ÄBULNALHDVMUUNHNMARLNN J u iu Li IT ' 11. 1914. Diff. Eg. des recht RIES /- 3 E- / dd AHLARALAEEFTRIRG, / ta Mann II IIND u A ( m mm ttern nach Vorhofreizung. Va, 8 u h min 0,15 < k wie in Fig. l4a R. A, Bcm verwandelt das Flattern in feinschlägiges Flimmern ®@ M j i (Aus dem physiologischen Institut der Universität Freiburg i. Br.) Zur vergleichenden Physiologie des His’schen Bündels. III. Mitteilung. Die atrioventrikuläre Erregungsleitung im Vogelherzen. Von Ernst Mangold und Toyojiro Kato. (Mit 30 Textfiguren.) Inhaltsverzeichnis. ISRinletung > a a ee le ee le u, Mednasik, mo Ware SEN Re RAR ITSseVersucher Pr 2 ea. ER ORDER TE Ber igatur Versuche. en. 2eeDuxehschneidungs-Versucher vu. ns... Neskreehnisen.. 2... re or ae DR LENENE 0 1. Von allgemein herzphysiologischem Interesse... .. 2.2... Beueutungsvon-Exitus und Verblutung 2 2 nu. an. Flimmern und Wogen von Vorhöfen und Kammern. ...... Periodische Verzögerung des As.-Vs.-Intervalls ....... DE entrikelsystolenausfalle 2.2... nenne en. ER ER RueklaungessSchlastolger en. 2 0 nenn. Vorabereehende Dissoziation... 0... 2... cc. D=aeiinsichtlichi der av. Beitungsbahnen ».: . ..2........ NZ sammentassunge. ns ee ee st. I. Einleitung. 91 In mehrfacher Hinsicht erschien es von besonderem Interesse, auch im Vogelherzen die Bahnen der atrioventrikulären Erregungs- leitung experimentell zu bestimmen und so den Kreis zu schliessen, der die Untersuchungen von Nakano!) am Amphibienherzen und 1) J. Nakano, Zur vergleichenden Physiologie des His’schen Bündels. II. Die atrioventrikuläre Erregungsleitung im Amphibienherzen. Pflüger’s Arch. Bd. 154 S. 373. 1913. 92 Ernst Mangold und Toyojiro Kato: die von Laurens!) am Reptilienherzen mit den bekannten Be- funden vom Säugerherzen verbindet. Das Vogelherz weist nämlich einige anatomische und physiologische Eigentümlichkeiten auf, die ihm eine Sonderstellung zukommen lassen und gerade für Unter- suchungen über die Erregungsleitung zu besonderen Erwartungen berechtigten. Erst kürzlich hat der eine von uns hierüber ausführ- lich berichtet ?). Die eine wesentliche Abweichung im Herzen der Vögel, jeden- falls der Hühnervögel, besteht in dem Fehlen der Papillarmuskeln im rechten Ventrikel, wo sich statt dessen eine breite Muskelklappe findet (s. Fig. 1 bei RPV und Fie. 3b bei MK). Diese Tatsache besitzt mit Rücksicht auf die bekannten Beziehungen der Papillar- muskeln zum atrioventrikulären Überleitungssystem wie andrerseits auf die entwicklungsgeschichtlichen Einflüsse der Klappenbildung auf die Reduktion der leitenden A.-V.-Verbindungen in doppeltem Sinne ein hohes Interesse. Ferner liess es die funktionelle Bedeutung der sogenannten spezifischen Muskulatur, der histologischen Differenzierung des mus- kulären Anteils der neuromuskulären Bündel für die Erregungs- leitung, in einem besonderen Lichte erscheinen, dass sich trotz jahrelang fortgesetzter Untersuchungen von Keith?°), Flack und Mackenzie*) immer wieder ergeben .hat, dass das Vogelherz gar kein spezifisches Gewebe besitzt. Auch das erst kürzlich und nach Beginn unserer Versuche in seinem Verlaufe im rechten Herzen durch Mackenzie°) bekanntgegebene atrioventrikuläre Verbindungsbündel 1) H. Laurens, Die atrioventrikuläre Erregungsleitung im Reptilienherzen und ihre Störungen. Pflüger’s Arch. Bd. 150 S. 139. 1913. 2) E. Mangold, Die Erregungsleitung im Wirbeltierherzen. Vortrag in der Freiberger med. Gesellschaft am 17. Februar 1914. Heft 25 der Sammlung anat. und physiol. Vorträge und Aufsätze, herausgegeben von Gaupp und Trendelenburg. Jena 1914; und Deutsch. med. Wochenschr. 1914 Nr. 20. 3) Keith and Flack, The form and nature of the muscular connections between the primary divisions of the vertebrate heart. Journ. of Anat. and Physiol. vol. 41 p. 172. 1907. 4) Ivy Mackenzie, The nodal tissue of the vertebrate heart. The Journ. of Path. vol. 14 p. 404. 1910. — Ivy Mackenzie, Zur Frage des Koordinations- systeıns im Herzen. Verhandlungen d. deutsch. pathol. Gesellsch. 1910 S. 90. 5) Ivy Makenzie, The excitatory and connecting muscular system of the heart. 17. Intern. med. Kongr. 1913. — Mackenzie and Robertson, Recent researches on the anatomy of the birds heart. Med. Jourr. 1910. Zur vergleichenden Physiologie des His’schen Bündels. Ill. 93 (s. Fig. 1) zeigt keine spezifische Struktur. Erst ganz neuerdings ist in noch unveröffentlichten Untersuchungen von Mackenzie im Herzen gewisser Vögel nodales Gewebe gefunden worden, und zwar ziemlich übereinstimmend mit derjenigen Stelle, an der wir!) schon vorher bei Huhn, Ente und Gans experimentell den Erregungs- ursprung nachweisen konnten (s. Fig. 5 die schraffierte Stelle), nur weiter in der Tiefe der Wandung der Sinusgegend gelegen. Diese Verhältnisse machten es um so mehr wünschenswert, im phy- siologischen Experiment festzustellen, an welchen Stellen im Vogelherzen die Erregung von den Vorhöfen auf die Kam- mern überginge, und ob es möglich sei, wie etwa im Säugerherzen, diese Erregungsleitung durch Kontinuitätstrennung in bestimmten Bündeln zu blockieren. Bisher hatte nur Flack?) diese Frage am Hühnerherzen experi- mentell in Angriff ge- Fig. 1°). Verlauf des Atrioventrikularbündels nommen und mitgeteilt, im rechten Ventrikel des Gänseherzens durch die : kleinen Kreise bezeichnet. /.V. Ventrikelseptum. dass nach seinen Ver- R.P.V. Muskelklappe. (Nach Mackenzie.) suchen Ligaturen, die in der Atrioventrikularfurche angebracht werden, nur dann Allor- rhythmie verursachen, wenn sie die Grenze zwischen rechtem Vorhof und Ventrikel in der Nachbarschaft der linken Vena cava superior umfassen. Wir betrachteten es nun als unsere Aufgabe, genauer das in diesem Sinne wirksame Bereich abzugrenzen und 1) Über den Erregungsursprung im Vogelherzen. Pflüger’s Arch. Bd. 157 8.1. 1914. 2) M. Flack, Modifications du rhythme cardiaque et allorhythmie experi- mentale chez le cour d’oiseau. Arch. intern. de physiol. t. 11 p. 120. 1912. 3) Die Figuren 1, 5, 6, 16, 30 wurden bereits an anderer Stelle mitgeteilt. Siehe Mangold, Die Erregungsleitung im Wirbeltierherzen. Jena 1914. 94 Ernst Mangold und Toyojiro Kato: besonders auch an der Innenwand des Herzens die Stellen auf- zusuchen, deren Durchtrennung atrioventrikuläre Allorhythmie her- vorruft, um so nach Möglichkeit den Eintritt und Verlauf der Bündel in den Ventrikeln verfolgen zu können. Einen kurzen Bericht über die Ergebnisse hat der eine von uns bereits an anderer Stelle gegeben!). Wir lassen zunächst einiges über die von uns angewendete II. Methodik. folgen. Die Vorzüge, die das Kaninchen als Hauptvertreter der Säuge- tiere für physiologische Versuche aufweist, finden wir unter den Vögeln beim Haushuhn vereinigt. Ausser der leichten Beschaffung machen es besonders die bequeme operative Handhabung und die mittlere Grösse auch gerade für Untersuchungen am Herzen ge- eignet. So haben wir für die vorliegende Arbeit ausschliesslich Hühner verwendet. Nachdem wir zunächst einige Versuche am iso- lierten Herzen mit künstlicher Durchspülung vorgenommen hatten, wie sie am Hühnerherzen zuerst Kuliabko?°) gelang, fanden wir es einfacher und mit Rücksicht auf die Wahrung möglichst natür- licher Verhältnisse günstiger, am freigelegten und in situ schlagen- den Herzen zu arbeiten und die Herztätigkeit elektrokardiographisch zu registrieren. Für die Freilegung erwies sich uns ein wesentlich anderes Ver- fahren als zweckmässige, als es Jürgens°®) und Flack‘) für ihre Versuche am Tauben- bzw. Hühnerherzen angewendet hatten. Wäh- rend Jürgens nur die linke Seite des Brustknochens längs der Kante des Sternums abtrennte, Flack und Firket?’) dagegen das ganze Sternum entfernten, operierten wir, ebenso wie auch bei 1) Mangold, 1. c. und Deutche physiol. Gesellsch. 1914. Zentralbl. f£. Physiol. 1914. 2) A. Kuliabko, Versuche am isolierten Vogelherzen. Zentralblatt f. Physiol. Bd. 15 S. 588. 1902. 3) H. Jürgens, Über die Wirkung des Nervus vagus auf das Herz der Vögel. Pflüger’s Arch. Bd. 129 S. 506. 1909. 4) M. Flack, Modifications du rhythme cardiaque et allorhythmie experi- mentale chez le coeur d’oiseau. Arch. intern. de physiol. t. 11 p. 120. 1911/1912. 5) P. Firket, Propagation de l’onde de contraction dans le caur des oiseaux. Arch. intern. de physiol. t.12 p. 22. 1912. Zur vergleichenden Physiologie des His’schen Bündels. II. 95 unseren Versuchen über den Erregungsursprung im Vogelherzen !), vorwiegend rechtsseitig in folgender Weise (s. Fig. 2): Nach Ein- bindung der Trachealkanüle und Hautschnitt median im oberen Sternal- gebiet wird der Kropf stumpf kopfwärts gedrängt und die Furcula mit einer Hakenpinzette an ihrer Apophyse ap gefasst und nach Durchschneidung der Muskulatur entlang den Clavikeln c! weit oben durchschnitten und abgetrennt (s. Fig.1 Schnittführung /—II). Dann wird die Brustmuskulatur auf der rechten Seite mit Messer und stumpfem Finder von der Crista sterni und dem übrigen rechts- seitigen Teile des Sternums abgelöst, danach das Sternum entsprechend der Schnittöffnung /IT und IV mit Schere und Knochenzange durch- trennt. Bei Schnitt ZVY und dem zur Vollendung der Fensterung nötigen V müssen zur Schonung des Herzens zuvor die vom Herzbeutel zur DBrustwand herüberziehenden Bindegewebsfäden dicht unter der Sternalwand stumpf abgelöst werden. Um die oberen Partien des Herzens, besonders das rechte Atrium und auch die Gegend der Hohlvenen- mündunge übersichtlich freizulegen, ist es dann au sehr zuedamaesig, Bio Operation u Pieileruge den grössten Teil des Coracoid cor des Hühnerherzens. Schnittführung en enklernen (vn ndrarenım noch eingetragen in eine Zeichnung von Gadow (Bronn’s Klassen und am oberen Ende der Schnitte /V Ordnungen des Tierreichs. Aves. und V sich über die Brustöffnung en. spannenden Muskelzüge mit dem Finder aufzunehmen und zu durchschneiden. Um die anfangs oft Besorenis erregenden, besonders aus grösseren Muskelgefässen und am Ausgange von Schnitt ZV und V, infolge des hohen Blutdrucks ge- legentlich spritzend und stürmisch einsetzenden Blutungen braucht man sich kaum zu kümmern, da sie ebenso schnell spontan wieder zum Stehen kommen. Kauterisierung, wie sie Firket anwandte, ist - ebensowenig notwendig wie Abklemmung. Ein Wattetampon tut den gleichen Dienst. ale: 96 Ernst Mangold und Toyojiro Kato: Nach medianer Spaltung des Perikards wurde dessen Spitze und rechter Rand durch zwei bis drei Nähte mit dem Rande der Wund- öffnung vernäht. Für manche Zwecke kann man die Spitze des durch seine eigenen Pulsationen meist stark bewegten Herzens noch durch ein an dem meist vorhandenen und hierfür sehr geeigneten Fett- träubehen befestigtes Häkchen mittelst Fadens an einem Stativ fixieren. Zur Narkose haben wir Chloroform, wie es Flack und Firket unbedenklich anwendeten, vermieden, zumal ja auch schon am Vogel- herzen verschiedenartige dadurch verursachte Beeinträchtigungen des normalen Schlages von Rasche!) nachgewiesen wurden. Wir gaben vielmehr statt dessen stets I—2 cem einer gesättigten Urethanlösung. Die künstliche Atmung wurde in fast allen Fällen in Gang ge- setzt. Sobald die Operation bis zur oberen Durchtrennung des Schultergürtels fortgeschritten ist, zeigt sich meistens eine ungenügende Sauerstoffzufuhr dadurch an, dass der Kamm seine schön rote Farbe verliert und gegen ein dunkles Blaurot vertauscht, noch ehe dys- pnoische Schnabelbewegungen auftreten. Der Kamm des Huhnes erweist sich durch diesen Farbwechsel als äusserst zuverlässiger In- dikator für den Zustand der Atmung, und besonders der Übergang in die hochrote Färbung beim Einsetzen oder Wiedereinsetzen der künstlichen Atmung ist so eklatant und überzeugend, dass diese Er- scheinung geradezu als Demonstrationsversuch empfohlen werden kann. Wir bedienten uns des in unserem Institut auch für Kaninchen, Katzen und kleine Hunde bewährten Apparates von Ganter?); eine besondere Sauerstoffzufuhr, wie sie Jürgens anwandte, war dabei niemals notwendig. Es ist übrigens bekannt, dass die Eröffnung des Thorax bei den Vögeln keineswegs immer zur Dyspnoe zu führen braucht?); und wir haben auch einige Versuche teilweise, andere ganz ohne künstliche Atmung durchgeführt. Bei Hühnern jedenfalls scheint es aber doch nicht zweckmässig, sich bei geöffnetem Thorax auf diesen Gaswechsel durch die Luftsäcke zu verlassen. Als Registriermethode haben wir die elektrographische verwendet und meistens vom rechten Vorhof und der Herzspitze (linkem Ven- 1) A. Rasche, Über eigentümliche Veränderungen der Herztätigkeit unter dem Einfluss von Chloroform. Zeitschr. f. Biol. Bd. 55 S. 469. 1911. 2) Ganter und Zahn, Experimentelle Untersuchungen am Säugetier- herzen usw. Pflüger’s Arch. Bd. 145 S. 343. 1912. 3) J. R. Ewald, Diskussionsbemerkung zuMangold,l.c. Deutsch. physiol. Gesellsch. 1914. Zur vergleichenden Physiologie des His’schen Bündels. III. 97 trikel) mit aufgelegter Fadenelektrode zum grossen Seitengalvanometer abgeleitet. Da es uns für unsere Fragestellung nur darauf ankam, - die Koordinationsstörungen zwischen Vorhöfen und Ventrikeln nach den Ligaturen oder Durchschneidungen festzustellen, so haben wir nicht immer darauf geachtet, ob die Einstellung auch so war, dass ein Ausschlag nach -oben wie üblich die Negativität der Basis an- zeiste oder ob z. B. die Spitzenelektrode nach dem rechten Ventrikel- hinüberglitt. Es erwies sich nicht als tunlich, in den gleichen Ver- suchen auch noch die Abhäneiskeit der vielgestaltigsen Form des Ekg. von der verschiedenen Ableitung am Vogelherzen untersuchen zu wollen, Derartige Versuche blieben einer besonderen, übrigens jetzt bereits ausgeführten Arbeit vorbehalten. Die operative Beeinflussung des Herzens, durch die wir die ‚leitenden Verbindungen zwischen Vorhöfen und Ventrikeln, die es für uns aufzusuchen galt, zu durchtrennen suchten, erfolgte ent- weder mittels Durchschneidung oder durch Ligatur. Zuerst haben ‚wir die ganze Serie der Durchschneidungsversuche durchgeführt, bis ‚uns die Flack’sche Arbeit bekannt wurde und die darin angewandte ‚Ligaturmethode sich uns gegen die Erwartung als zweckmässig er- wies. Die Durchschneidungen wurden in der Weise ausgeführt, dass wir mit einem der dazu besonders angefertigten Messer, die die feine Schneide auf der Aussenseite ihrer fast rechtwinkligen Krüm- mung trugen, zunächst durch die äussere Herzwand einstachen. Wenn sich dann die Schneide ganz in der Herzhöhle befand, wurde sie mit leichtem Druck möglichst an der jeweils gewünschten Stelle durch das Endokard und die darunter liegenden Schichten der be- treffenden Ventrikelwand oder des Septums hindurchgezogen und das Messer danach auf dem gleichen Wege wieder entfernt. Die äussere Herzwunde wurde sofort mit einer Hakenpinzette gefasst und abgebunden. Der Blutverlust bei den einzelnen Schnitten war nur äusserst gering, und wir konnten solehe Durchschneidungen hintereinander bis zu sechs- und siebenmal wiederholen, ohne irgendwelche wesentlichen Schädigungen des Herzschlages oder Koordinationsstörungen zwischen A und V zu verursachen, wenn dabei nur die wichtigsten Bündel verschont blieben. Einen: der- artigen Fall zeigt z. B. der Versuch vom 4. August 1913, den wir hier wie alle folgenden in der Weise wiedergeben (s. Fig. 3a und 3b), dass die erhaltenen Kurven mit dem Sektionsbefunde verglichen werden können. Ebenso auch der Versuch vom 18. Juli (s. Fig. 18). Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd. 160. Ü 98 Ernst Mangold und Toyojiro Kato: Die Kurven sind für jeden Versuch zur übersichtlichen Zusammen- stellung von den Orieinalelektrokardiogrammen durch Nachfahren mit einem spitzen In- 1 NUNUMGNEN strument mittels Kohlen- papierss, wie es zum Durehschlag bei der Schutz! Schreibmaschine benutzt >) wird, auf ein darunter a 7; -- liegendes Blatt über- Schnitt II tragen. Da esim wesent- 2: UA au lichen immer nur auf A 7 das Verhalten der Vor- Schnitt II hofszacke zur Ventrikel- S MU Mu Ay gruppe des Ekg. ankam, wurde dabei die Zeit- schreibung der Original- ee kurven fortgelassen. Zur _ 5 bequemeren Beurteilung sind die Vorhofszacken 1 I ! ! ‘ stets durch einen unter oder auch über der Kurve eingetragenen Strich markiert. ieh Der Sektionsbefund \ Varna in ist jedesmal inein Schema | des aufgeschnittenen rech- Schnitt VII ten und linken Herzens 8 eingetragen (s. Fig. 3b). Der rechte Ventrikel». V. ‘ , 7 ist leicht kenntlich an der schwächeren Wandung, Schnitt V [) y2 N) q Koordination noch 1 Stunde p. m. Fig. 3a. dem vorgewölbten Septum S. und dem Ersatz der Papillarmuskeln | dureh eine breite Muskelklappe MX, die an der A.-V.-Grenze | Zur vergleichenden Physiologie des His’schen Bündels. III. 99 AVG ansetz. Im linken Ventrikel sind die Papillarmuskeln und die Aortenklappe A X angedeutet. Schraffierung bedeutet Bluterguss, die breiten Striche vollkommene Kontinuitätstrennung des Endo- und des unmittelbar darunter liegenden Myokards. Die Sehnittverletzungen der Herzinnenwand waren natürlich leicht aufzufinden, aber auch die durch die fest zugezogenen Ligaturen verursachten Kontinuitätstrennungen waren unschwer festzustellen, nachdem die Umstechungsnähte zunächst von aussen her mit einer feinen Schere wieder aufgetrennt waren. Soweit es irgend möglich war, wurde die Reihenfolge der Ligaturen oder Schnitte in jedem Versuche nach dem Versuchsprotokoll festgestellt und zahlenmässig Fig. 3b. mit dem Sektionsbefunde in das Schema eingetragen. Natürlich liess sich dies, besonders bei zahlreichen Schnitten und so auch im vorliegenden Falle (4. August, s. Fig. 3b), nicht für alle Versuche durchführen, da sich die im Herzen gefundenen, oft sehr nahe bei- einander gelegenen oder einander kreuzenden Verletzungen nicht immer mit völliger Sicherheit mit den einzelnen operativen Ein- griffen identifizieren liessen. Gelegentlich ereignete es sich auch, dass die Messerspitze an der Rückseite des Herzens wieder heraustrat und dem Ver- suche durch Verblütung ein vorzeitiges Ende gesetzt wurde. Die Einführung des Messers erfolgte meistens vom rechten oder linken Ventrikel aus, manchmal auch von einem der Atrien. In letzterem Falle wurde das Messer durch das atrioventrikuläre Ostium hindurch- geführt und der Schnitt kam meistens mehr schräg zu liegen als bei Einführung vom Ventrikel aus, wobei er parallel und etwas unter- halb der A.-V.-Grenze gezogen wurde. 7 * 100 Ernst Mangold und Toyojiro Kato: Bei der Ausführung der Umstechungen wurde das Herz von der Spitze aus mittels Hakenpinzette oder eingesetzten Häkchens aufgehoben und eine kleine runde, mit Faden armierte Nadel in dem gewünschten Bereich durch die A.-V.-Grenze gestossen. Hierbei genügte die Ligatur selbst zur Stillung der eingetretenen Blutung. & IIL Versuche. IE Ligatur -Versuche. Dass selbst mehrere ausgedehnte Ligaturen, die absichtlich sogar die verschiedenen Hauptäste der Coronargefässe abschnüren, J 2’ A 4h1 W VER SR ee | Lig. I KEN 4h 15’ a ie 2 / / / / / / k Lig. II ee 4h 17’ r / J L 2 J / . Lig. II 4h 22’ / Exit. 4h 34’ Fig. 4. ebensowenig wie eine Anzahl von Schnittverletzungen zu Koordinations- störungen zu führen brauchen, wenn nicht zugleich auch die leitenden A.-V.-Bündel mit einbegriffen {wurden, liess sich durch besondere Versuche belegen, wie z.B. den in Fig. 4 (Versuch vom 13. November) wiedergegebenen, in dem bei der ersten Ligatur die ventralen, in der Mitte des Herzens verlaufenden, bei der zweiten die rechtsseitig, bei der dritten die dorsal gelegenen Coronargefässstämme abgebunden Zur vergleichenden Physiologie des His’schen Bündels. III. 101 wurden. In einem ‚anderen Falle: erhielten wir dabei vorüber- gehendes Vorhofsflimmern (Versuch vom 12. November). Um vollkommenen Herzblock zu bekommen, musste sich die Ligatur über das in Fig. 5 und 6 angegebene Bereich der A.-V.-Grenze erstrecken. Im einzelnen ging das aus unseren Versuchen. hervor, N = === Viesup.sin. 2 r.A.---- een V.hepat. Vesupdese ee v.c.inf Fig. 5. Hühnerherz. Dorsalansicht mit Angabe der für die totale atrioventrikuläre Dissoziation notwendigen Ausdehnung der Ligatur in der A.-V.-Grenze. f: Fett- streifen an der A.-V.-Grenze. Fig. 6. Entsprechender innerer Sektionsbefund zu Fig. 5. von denen wir im folgenden einige wiedergeben. In dem Versuch vom 8. November (Fig. 7a und b) trat nach der ersten Ligatur Uın- kehr der Schlagfolge, nach der zweiten vollkommene Dissoziation ein, die noch 35 Minuten lang beobachtet werden konnte (s. Fig. 7 a), bis der Tod eintrat. Im rechten Herzen fand sich danach (s. Fig. 7b) völlige Abschnürung eines grossen Teiles der A.-V.-Grenze und aus- giebige Verletzung des Septums am dorsalen Ansatzwinkel, links ein Bluterguss über dem der Aortenklappe benachbarten Papillar- 102 Ernst Mangold und Toyojiro Kato: _ muskel, an einer Stelle, die sich auch in den weiteren Versuchen als typisch erwies. Lig. I 11h 15’ Wh hr V.-A , 1 Y4 / Lig. I! 11h 05’ diss. / / / / / Fig. 7b. Fig. 8a und b zeigen einen Versuch (vom 27. November), in dem noch ausgiebigereVerletzungen durch eine einzige Ligatur, die das Ventrikelseptum rechts und links umfasste, die Koordination zwischen A. und V. aufhoben. Die bedeutende Verlangsamung des Ventrikelschlages war wohl auf den zugleich verursachten Exitus des Tieres zurückzuführen. Zur vergleichenden Physiologie des His’schen Bündels. III. 103 3h 48’ ee ko. / 7 / N Lig. I." 3h 52’ Exit. 3h 54’ diss. 4h 01’ BE ed diss. n (£ , VE ol / / , / ET. / Fig. Sb. In einem weiteren Falle (Fig. 9a und b, Versuch vom 9. Dezember) eelang es durch die ersten drei Ligaturen noch nicht, wohl aber durch eine vierte ausgiebigere, die völlige Dissoziation hervorzurufen, obwohl an der rechten A.-V.-Grenze am Septumrande eine freilich nur schmale Gewebsbrücke intakt geblieben schien. Ein anderes Mal (Versuch vom 19. November) genügte eine solche Gewebsbrücke (Fig. 10b zwischen Lig. 2 und 3), um die nach der dritten Ligatur aufgetretene Dissoziation (Fig. 10a) wieder bis "zum regelmässigen Ventrikelsystolenausfall oder A.-V.-A.-Rhythmus 104 Ernst Mangoldjund Toyojiro Kato: Normal ! Y ko Lig. I / / / y. Lig. III 12h 15” «: ko. Lig. IV 12h 177 diss. Exit. 12h 20’ 12h 25’ 2 28. 9b. auszugleichen, und erst die Durchtrennung auch dieses Bündels durch einen Schnitt (4) führte aufs neue die Dissoziation herbei. ' Blieb eine. solehe Brücke an der gleichen Stelle wie in den beiden vorhergehenden Versuchen bestehen, so glich sich auch in Zur vergleichenden- Physiologie des His’schen Bündels. III. 105 Lig. III 11h 12° klin 35% diss. 11h 22’ Sehnitt IV 10 252 Fig. 10b. anderen Fällen, so in dem Versuch vom 13. Dezember (Fig. 11a und b) die einer Ligatur, hier erst der dritten, folgende Dissoziation nach einiger Zeit wieder aus, wobei dann anfangs Perioden von Koordi- nation und Dissoziation abwechselten und in unserem Falle: schliess- 106 Ernst Mangold und Toyojiro Kato: at | ' | | Koord. 10h 32° Li I In Im I u Ko. 7 y / 1 y ‚ Äiss. 10h 85° RW w | Ko u Au Exit. 11h 14’ Fig. 11b. lieh wieder ein Schwanken der Dauer der As.-Vs.-Zeit einsetzte (s. Fig. 11a bei 115 05°). Zur vergleichenden Physiologie des His’schen Bündels. II. 107 3h 58’ ko. mie: I Syst.-Aust. Ah 08’ diss. 4h 05° / ni / ko. Ah 08’ diss. / 2 / Ve] 4h 13’ ko. Lig. I 4h 15’ Exit. N usa! An N Fie. 12h. 108 Ernst Mangold und Toyojiro Kato: Einen ähnlichen Grenzfall mit vorübergehender Dissoziation und beiderseits unvollkommener Verletzung bot der Versuch vom 24. November (s. Fig. 12a und b). Freilich liesse sich bei den zu- gehörigen Kurven 4h 03’ und 4h 05’ darüber streiten, wie weit hier Ventrikel- bzw. Vorhofssystolenausfall und Wechsel des As.-Vs.-Inter- valles eine Dissoziation vortäuschen, indessen sind die Schwankungen dieses Intervalles um 44 08’ wohl entschieden zu gross, als dass hier nicht wieder einsetzende Dissoziation anzunehmen wäre. Nach- her bestand wieder völlige Koordination. Auch wenn die Ligatur in der A.-V.-Grenze nicht weit genug nach rechts hinüber reichte, bekamen wir Fälle von nur kurz- dauernden und dann wieder vorübergehenden Störungen, die zunächst als Dissoziation auftreten, um dann über einen Zustand mit Ventrikel- systolenausfall und wechselndem As.-Vs.-Intervall zur Koordination überzugehen. So war es z. B. in dem Versuche vom 26. November (s. Fig. 13a und b), bei dem sich vor allem auch im linken Ventrikel an der typischen Stelle keine Verletzung fand. Das Tier wurde 40 Minuten nach der Ligatur von der Aorta aus verblutet. _ Alles in allem führten uns diese und die übrigen Ligatur- versuche zu dem Ergebnis, dass die durch die Abschnürung in der A.-V.-Grenze gesetzte Kontinuitätstrennung sowohl im rechten wie im linken Herzen an einer ganz bestimmten Stelle liegen muss, wenn sofort nach dieser Verletzung eine nicht mehr vorübergehende Dissoziation zwischen Vorhofs- und Kammertätigkeit eintreten soll. Diese Stelle wird durch eine sich nach links eben über die dorsale Mitte der A.-V.-Grenze erstreckende und dadurch noch das Ventrikel- septum von der linken Seite her umfassende Ligatur getroffen, die andererseits rechts bis zur Mitte des Ansatzes der Muskelklappe reicht (s. Fig. 5). Dadurch wird eine Verletzung erzielt (s. Fig. 6), die die anatomische Verbindung zwischen Vorhof und Kammer rechts in dem angeführten Bereiche und noch im ganzen dorsalen Teile der Ventrikelscheidewand durchtrennt und am linken Ventrikel seit- lich der Aortenklappe an der Wurzel des benachbarten Papillar- muskels liegt (s. Fig. 6). In einer grösseren Reihe von Versuchen, zumal in der operativen Herzphysiologie, pflegen auch solehe nicht auszubleiben, deren Er- gebnis sich nicht ganz glatt mit dem der übrigen in Einklang bringen lässt. Bei den experimentellen und klinischen Untersuchungen über das His’sche Bündel des Säugerherzens hat man derartige 3h 49° Lig. 3h 54’ 4h 02’ 4h 12’ 4h 15’ 4h 23 Zur vergleichenden Physiologie des His’schen Bündels. III. / / N l y4 / KH / 2 / / / / / / / / / / ( 109 koord, diss. Vs.-Ausf. koord. A.-V.-A. 110 Ernst Mangold und Toyojiro Kato: Ausnahmefälle mit dem ja auch häufig nachgewiesenen abnormen Verlauf des Bündels oder seiner Schenkel zu erklären gesucht. Das grundsätzliche Gesamtergebnis konnten solche Fälle nicht stören. So glauben wir auch, dass unser Ergebnis nicht durch solche Ausnahme- fälle umgestossen wird, wie es der Versuch vom 6. November war AAUJAA Ad Fig. 14b. (s. Fig. 14a und b), in dem schon bei der ersten Ligatur eine A.-V.-Dissoziation eintrat, die bis zu dem 20 Minuten nach der zweiten erfolgenden Fxitus bestehen blieb, während die Sektion weder rechts noch links eine Septumverletzung, vielmehr nur dicht über der A.-V.-Grenze im Bereich der Muskelklappe eine Durch- trennung ergab. Ein Gegenstück bot der Versuch vom 22. November, Zur vergleichenden Physiologie des His’schen Bündels. III. nl in dem trotz einer beiderseits ausgiebigen Umstechung und starkem Bluterguss im rechten Vorhof oberhalb der A.-V.-Grenze (s. Fig. 15b) erst allmählich die anfangs völlig erhaltene Koordination über Ventrikelsystolenausfall in stärkere Störungen überging (Fig. 15a). Lig. I ) 11h 03’ ko. / / / / / PANZA AV A AV AV AV ANV AV AV 11h 05° NN (diss.} er een Fig. 15b. 1.Ventr- Fig. 16. Sektionsbefunde nach Durchschneidungen, die zu totalem Block führten. 112 Schn. IV Exit. Ernst Mangold und Toyojiro Kato: Fig. 17a. Diss. noch 1 Stunde p. m. 2. Durchschneidungs- Versuche. Bei den in der bereits oben geschilderten Weise durchgeführten Durchschnei- dungsversuchen fielen die Verletzungen fast ausnahms- los unterhalb, im linken Ventrikel sogar meist be- trächtlich unterhalb der A.-V.-Grenze. Wenn wir totalen Block zwischen A und Y hatten registrieren können, so lag der Schnitt im rechten Ventrikel an einer der in Fig. 16 bezeichneten Stellen des Septums, links Zur vergleichenden Physiologie des His’schen Bündels. III. 113 seitlich oder unterhalb der Aortenklappe noch im Gebiete der Kammerscheidewand oder dem der dicht benachbarten Ventrikel- wand und Papillarmuskeln (s. Fig. 16). hai H 1 A, Koord. / p 2 % ‘ Exit. Fig. 18b. Im einzelnen ergab sich die Bedeutung der hier getroffenen Herzteile für die A.-V.-Koordination u. a. aus folgenden Versuchen: Bei dem Herzen vom 6. August 1913 (s. Fig. 17a und b) waren die ersten drei Schnitte erfolglos geblieben. Erst nach dem vierten trat vollkommene A.-V.-Dissoziation ein, die noch 1 Stunde lang aach dem Exitus beobachtet werden konnte. Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd. 160. 8 114 Ernst Mangold und Toyojiro Kato: Das Herz vom 18. Juli (s. Fig. 18a und b), bei dem bereits sechs Durehschneidungen ohne Störung der Koordination verlaufen waren, geriet beim siebenten Schnitt, der zugleich den Exitus hervor- rief, in Dissoziation. Der letzte Schnitt war nach dem Versuchs- protokoll höchstwahrscheinlich einer der beiden, die sich rechts in der A.-V.-Grenze fanden (s. Fig. 18b). Au 5 nr ih uunonalirhun un 4 z Ne vi Vaklirug ANA MAT AM rAtA alt. 10h 56° ET ZN NIT RG UN Ko Schn. II | 5 11h 00°’ Fig. 19 b. Bei einem anderen Herzen (Fig. 19a und b, Versuch vom 13. August) hatte der erste Eingriff, der die linke Ventrikelwand ee ee Zur vergleichenden Physiologie des His’schen Bündels. III. 115 verletzte (s. Fig. 19b), Vorhofsflimmern und Kammerirregularis zur Folge. Eine Stunde später schlug das Herz jedoch wieder völlig normal (s. Fig. 19a bei 10h 56”), eine zweite Durchschneidung, die rechts das Septum traf, verursachte aber eine Dissoziation, die frei- lich noch von koordiniert scheinenden Herzschlägen unterbrochen wurde (s. Fig. 19a, 11h). Für eine absolut vollkommene Dissoziation lag der linksseitige Schnitt offenbar etwas zu tief. Schn. I Nase ko. / / / / Sehn. III u a Na 2 / 7 E Fig. 20b. Ein anderes Mal (s. Fig. 20a und b, Versuch vom 5. Juli) war es ein zweiter, vom linken in den rechten Ventrikel perforierender Sehnitt (3), der die Dissoziation und den Übergang des Ventrikel- schlages in Wogen und Wühlen hervorrief. In anderen Fällen erhielten wir wie in den Ligaturversuchen bei ausgiebigen Verletzungen, die aber doch nicht die wichtigsten Bündel mit betrafen, vorübergehende Koordinations- störungen zwischen A und V. So in einem Versuche vom 12. August (s. Fig. 21), bei dem der erste Schnitt im linken Ventrikel Ss * 116 Ernst Mangold und Toyojiro Kato: wohl die wichtigsten Bündel durehtrennte; da aber nicht zugleich auch rechts eine Verletzung gesetzt wurde, so folgte keine dauernde Störung. Vielmehr trat zunächst Vorhofsflimmern ein, das binnen 15 Minuten spontan wieder zurückging. Nachher kam es aber ohne VER IE RT. Sehnitt 1 5 Afle. - — (\ R MK: nach 15’ Ko RER LET BEER NL oliss nach 20’ j] Kn7/ VERER a z nach 35! NALFANTANTARTANN Ks J ’ / ’ / / Schnitt II Ad ul & / N 1 / ı / Fig. 21. weiteren Eingriff zu deutlicher Dissoziation und Kammerirregularis, die sich jedoch auch bald wieder ausglichen. Danach wurde die wiederhergestellte Koordination auch durch eine zweite Schnitt- verletzung, die im wesentlichen nur einen starken Bluterguss in der Muskelklappe des rechten Ventrikels hervorrief, nicht gestört. Zur vergleichenden Physiologie des His’schen Bündels. II. al Auch nach zahlreichen kleinen und doch im ganzen zur dauernden Dissoziation nicht ausreichenden Schnittverletzungen des Herzinnern wurde vorübergehende Dissoziation beobachtet (s. Fig. 22a und b, Sehnitt IV u.V 4h 25’ 4h 45’ Fig. 22b. Versuch vom 30. Juli), die sich an eine periodische Verzögerung des As.-Vs.-Intervalles anschloss, um sich bald darauf restlos wieder auszugleichen. 118 Ernst Mangold und Toyojiro Kato: In einem weiteren Falle (Versuch vom 12. Juli, s. Fig. 23a und b) lagen die Schnitte zwar so, dass nach den sonstigen Erfahrungen Dissoziationen zu erwarten gewesen wären. Doch hatte der zweite An Nat IMTATIONTN, IM \ A.-Flim. ohne Eingriff Schnitt I u. II A Schnitt DI Brite as on ar Ah Fig. 23b. Sehnitt im Gegensatz zum ersten, der das Septum von Kammer zu Kammer perforiert hatte, dasselbe nur oberflächlich gestreift und offenbar zu seicht verletzt. Der dritte tiefe Schnitt führte nun hier zur Verblutung und Exitus, und bemerkenswerterweise glich sich Zur vergleichenden Physiologie des His’schen Bündels. III. 119 hiernach das Vorhofsflimmern, das bei diesem Herzen gleich nach der Freilegung registriert wurde, ebenso wie der Kammerirregularis wieder aus. Dann allmählich erst trat durch das beginnende Wogen und Wühlen der Kammern eine Dissoziation des Herzschlags ein. IV. Ergebnisse. 1. Von allgemein herzphysiologischem Interesse. 1. Im Anschluss an den eigenartigen Verlauf des letzterwähnten Falles möchten wir hier zunächst noch besonders auf die Be- deutung von Exitus und Verblutung für unsere Versuche eingehen, wie es auch mit Rücksicht auf die Beurteilung der im vorhergehenden dargestellten Versuchsergebnisse notwendig erscheint. Denn in einer Reihe von Versuchen trat die gewünschte Dissoziation zwischen Vorhofs- und Kammertätigkeit erst nach einer Durchschneidung oder einer Ligatur ein, die zugleich den an dem Verlöschen des Hornhautreflexes erkennbaren Eintritt des Todes mit oder ohne Verblutung herbeiführte. Dass beide Er- eignisse an sich die Koordination des Herzschlages nicht zu stören pflegen, geht aus den allgemeinen Erfahrungen am isolierten und durchspülten Herzen genugsam hervor. Wenn das Herz indessen in situ verbleibt, so wäre viel eher durch lokale Gerinnungsvorgänge und auch durch die in den einzelnen Herzteilen wohl kaum voll- kommen gleichmässig verlaufende Abkühlung die Möglichkeit zu Irregularitäten und Überleitungsstörungen gegeben. In erster Linie hat man dabei ja bekanntlich mit Flimmern und Wogsen von Vorhöfen und Kammern zu rechnen. So haben auch wir eine Anzahl von Fällen gehabt, in denen sehr bald nach dem Exitus Flimmern der Vorhöfe oder Wogen der Kammern einsetzte, doch auch Fälle, in denen das Herz 7, 15, 20, 28 Minuten, ja selbst I—1!/s Stunden post exitum noch keine Zeichen von Dissoziation der Vorhofs- und Ventrikeltätigkeit aufwies. In diesen Fällen konnten wir stets eine Verlangsamung des Herzschlags, häufig auch Irregularität, regelmässigen oder unregelmässigenVentrikel- systolenausfall, umgekehrt auch gelegentlich Vorhofssystolenausfall beobachten, niemals aber eine echte und vollkommene Dissoziation, die mit Sicherheit auf eine Unterbrechung der A.-V.-Erregungsleitung 120 Ernst Mangold und Toyojiro Kato: hingedeutet hätte. In manchen Fällen konnten wir sogar nach dem Tode des Tieres noch eine weitere Ligatur legen, ohne, falls die- selbe nicht die rechte Stelle traf, dadurch gleich wesentliche Störungen zu verursachen. So war es z. B. in dem Versuche vom 10. Dezember bei einer erst 9 Minuten nach dem Exitus ausgeführten zweiten Um- stechung (Fig. 24a und b). Lig. I 10h 42’ Exit. 10h 45’ ko. 10h 46' EU f / / Lig. I 10h 54’ ko.! 10h 56° Extras.. Fig. 24b. Nur wenn die operativen Eingriffe bereits vorher Dissoziation verursacht hatten, blieb dieselbe die ganze Zeit noch bestehen, wie z. B. in den Versuchen Fig. 8, Fig. 9 und Fig. 17, oder sie ging, wenn die Verletzungen nicht ausreichend waren, noch wieder zurück. Niemals aber trat in diesen Fällen eine Dissoziation eher ein, als bis sich durch das einsetzende Flimmern der Vorhöfe oder Wogen der Kammern eine. Aufhebung der Koordination zwischen beiden Herzteilen ergab, die ja aber dann ihre wesentliche Ursache nicht in einer Überleitungsstörung, sondern in der Zustandsänderung der schlagenden Herzabschnitte besass. Zur vergleichenden Physiologie des His’schen Bündels. III. 119]: In manchen Fällen gerieten zuerst die Vorhöfe, in anderen zuerst die Kammern in den flimmernden und wogenden Zustand. Wenn das Vorhofsflimmern schon vor dem Tode des Tieres infolge von Durchschneidungen aufgetreten war, ging es in einigen Fällen, z. B. in den Versuchen vom 12. August (Fig. 21) und vom 13. August (Fig. 19) spontan wieder vorüber. In dem bemerkens- werten Versuche vom 12. Juli (Fig. 23) wurde sogar ein plötzliches Verschwinden des Vorhofsflimmerns, das hier schon vor und ebenso nach den ersten Durchschneidungen bestanden hatte, sofort nach dem Exitus registriert, wonach es nun die Ventrikel waren, die zuerst in einen wogenden Zustand verfielen. Noch auf einige weitere Störungen der normalen Schlagfolge wollen wir hier hinweisen, die wir dadurch, vom Herzen der Amphibien, Reptilien und Säuger bereits bekannt, auch für das Vogelherz bestätigen können. Sie traten in unseren Versuchen teils als unmittelbare Folgeerscheinungen der operativen Eingriffe auf, ebenso aber auch als Übergangsstadien zwischen wechselnd disso- ziierten und koordinierten Zuständen. Die bekannte periodische Verzögerung des As.-Vs.-Intervalles konnten wir öfters beobachten, so in einem Falle, in dem sie, wie in einigen bereits erwähnten, allmählich in Dissoziation überging (Versuch vom 15. Juli, Fig. 25). Einen ähnlichen Wechsel des As.-Vs.-Intervalles ohne Übergang in Dissoziation zeigte auch bereits Fig. 11a bei 11h 05”, Ventrikelsystolenausfall wurde sehr häufig registriert, teils vereinzelt (Fig. 13a, 4h 02’) oder so, dass mit periodischer Verzögerung des As.-Vs.-Intervalles jeder dritte Kammerschlag ausblieb (Fig. 12a, 4h 03’), besonders häufig aber so, dass jeder zweite ausblieb, und das Herz im A.-V.-A.- Rhythmus schlug. Diese Störung trat vorzugsweise nach solchen Ligaturen in der A.-V.-Grenze auf, die an der Septumbasis gelegen, nach einer oder beiden Seiten nicht umfassend genug ausgefallen waren. Beispiele für diesen regelmässigen Ventrikelsystolenausfall zeigten bereits die Fig. 10a und 13a bei 4h 12’ und 4h 23”. Fig. 26 (Versuch vom 26. Juli) zeigt den gleichen Zustand als Folge einer Durchschneidung. Auch die Übergänge zwischen verschieden 122 Ernst Mangold und Toyojiro Kato: ENT A oa nun M\V Schnitt I—IV Schnitt V Exit. diss, Fig. 25b. 123 III. Zur vergleichenden Physiologie des His’schen Bündels. Fig. 26. / PEAK TA Nez Ya / '83 314 var 18 BI / / ‚IS YOI ‚87 UOI II "ST nn er Ran BA? A 1 ‘317 124 Ernst Mangold und Toyojiro Kato: hochgradigen Ventrikelsystolenausfällen liessen sich beobachten. So z. B. in Fällen, wo anfangs jede vierte, dann jede dritte und schliesslich jede zweite Vs. ausblieb (s. Fig. 27, Versuch vom 5. No- vember). Auch kam es gelegentlich zur Bildung grösserer, sich wiederholender Perioden, z. B. mit der Schlagfolge AV AV A— AV AV A. In allen diesen Fällen machte es besonders nach dem meist gleichmässigen Abstande der Vorhofszacken voneinander den Ein- druck, dass auch die zweiten Vorhofskontraktionen automatisch und nicht rückläufig entstanden waren. Auch rückläufige Schlagfolge kam indessen vor. So z. B. in dem bereits in Fig. 7a wieder- gegebenen Versuche. Ferner schien auch bei einem vorübergehenden Ventrikelsystolenausfall (s. Fig. 28 bei 10h 48’, Versuch vom 3. Dezember), nach dem wechselnden Abstande der Vorhofszacken Ver v V A VG Fig. 29. voneinander bei gleicher Entfernung von der Ventrikelgruppe zu urteilen, die zweite Vorhofskontraktion jedesmal rückläufig herbei- geführt zu sein. Freilich waren sie kurz darauf (10% 51”) wohl sicher automatisch entstanden. Sicher rückläufige Schlagfolge wurde noch von einem bereits verbluteten Herzen registriert (Versuch vom 5. Dezember, Fig. 29). Dabei folgte aber nur jeder zweiten Ventrikel- systole auch der Vorhof, so dass also gewissermaassen Vorhofs- systolenausfall bestand. In einer ganzen Reihe der oben angeführten Versuche haben wir ferner die Erscheinung der vorübergehenden Dissoziation des Vorhoiskammerschlages registrieren können, wie sie auch Laurens und Nakano bei ihren Durchschneidungsversuchen be- obachteten. In theoretischer und praktischer Beziehung hat diese Erscheinung besonders dureh die Untersuchungen von v. Kries!) 1) J. v. Kries, Über die Bedeutung der Bahnbreite für die Reizleitung im Herzen. Skandinav. Arch. Bd. 29 8.95. 1913. Zur vergleichenden Physiologie des His’schen Bündels. 111. 125 an Bedeutung gewonnen, der nachdrücklich darauf hingewiesen hat, dass keine Berechtigung vorliegt, Zustände wie die pathologischen Überleitungsstörungen einfach mit der Einengung der leitenden Ver- bindungen zu erklären, dass vielmehr der maassgebende Umstand stets in der funktionellen Änderung noch vorhandener Elemente zu suchen sei. Am Herzen des Frosches!) wie der Säuger hat kürzlich Eekstein im hiesigen Institute nachweisen können, dass der vorübergehende „funktionelle Block“ auch durch das gegenüber den Durehschneidungen unschädlichere Mittel der frequenten elektrischen Reizung ganz leicht hervorgerufen werden kann. In unseren Versuchen wurde die vorübergehende Dissoziation offenbar dadurch bedinst, dass die nach einer oder mehreren Um- steehungen oder Durchsehneidungen anatomisch unversehrt ge- bliebene A.-V.-Verbindungsbrücke doch durch eben diese Eingriffe mechanisch, durch Zerrung bei der Ligatur oder auch durch Blut- erguss, bis zur funktionellen Insuffizienz in Mitleidenschaft gezogen wurde, sich aber nach einiger Zeit wieder erholte und nun allein die Erregungsleitung übernehmen konnte. So war es in unseren Ligaturversuchen vom 13. Dezember, 24. November, 26. November (Fig. 11, 12, 13), ferner in den Durchsehneidungsversuchen vom 12. August und 30. Juli (Fig. 21 und 22). 2. Hinsichtlich der a.-v. Leitungsbahnen. Sowohl aus unseren Ligatur- wie den Durchschneidungs- versuchen hatte es sich ergeben, dass eine Kontinuitätstrennung im Endokard und dem darunter liegenden Myokard auch bei den Vögeln (Haushuhn) sowohl im rechten wie im linken Herzen eine ganz bestimmte Lage haben muss, wenn dadurch eine dauernde Dissoziation zwischen Vorhofs- und Ventrikeltätigkeit herbeigeführt werden soll (s. Fig. 6 und 16). Im rechten Herzen ist dazu vor allem eine bis zu einer gewissen Tiefe reichende Verletzung der Kammerscheidewand notwendig, und zwar in ihrem dorsalen, dem Winkel am Ansatz der für das Vogelherz charakteristischen Muskel- klappe benachbarten’ Teile. Bei den Umstechungen, die in die A.-V.-Grenze fielen, war ausser der Verletzung in diesem Bereich auch noch eine unmittelbar anschliessende Abtrennung eines ziemlich 1) A. Eckstein, Zur funktionellen Differenzierung der Herzteile. Pflüger’s Arch. Bd. 157 S. 541. 1914, 126 Ernst Mangold und Toyojiro Kato: orossen Teils der Basis der Muskelklappe erforderlich (s. Fig. 6), während sich eine solche bei den Schnittverletzungen, die zum Teil bedeutend unterhalb der A.-V.-Grenze das Septum trafen, nicht als nötig erwies (Fig. 16). Die Kombination dieser Befunde macht es äusserst wahrscheinlich, dass in dem Winkel zwischen Ansatzstelle der Muskelklappe und Septum dicht unterhalb, d. h. herzspitzen- wärts von der A.-V.-Grenze, atrioventrikuläre Überleitungsfasern vom Ansatzgebiete der Muskelklappe in der A.-V.-Grenze her auf die Kammerscheidewand hinüber umbiegen, wie wir das in Fig. 30 zum Ausdruck gebracht haben, so dass eben eine Septumverletzung unterhalb der A.-V.-Grenze auch diese Fasern mit durchtrennt, r. Ventr l.Ventr. Fig. 30. Verlauf des Atrioventrikularbündels im Hühnerherzen nach dem Er- gebnis der Durchschneidungs- und Umstechungsversuche. p; und 9, der nach dem linken Ventrikel perforierende Bündelschenkel. Die punktierten Linien bezeichnen nur wahrscheinlichen, nicht sicher nachgewiesenen Verlauf. Die schraffierte Stelle entspricht dem Erregungsursprung. während dieselben bei einer Kontinuitätstrennung in der A.-V.-Grenze unterhalb einer solehen Verletzung unversehrt bleiben. Die a.-v. Verbindungsfasern ziehen sich hiernach also im rechten Herzen um die Ansatzlinie der Muskelklappe herum. Wahrscheinlich gehen aber auch auf die Muskelklappe selbst direkte Fasern über (s. Fig. 30: bei MK), da sich dieselbe ihrer Funktion gemäss schon vor der Ventrikelkontraktion schliessen muss und ihre Muskelstärke auf eine beträchtliche Eigenkontraktion schliessen lässt. Andererseits ereab- sich kein Grund zu der Annahme, dass die bei Ligaturen noch er- forderliche Kontinuitätstrennung entlang dem Ansatze der Muskel- klappe etwa deshalb erforderlich gewesen wäre, weil in diesem Be- reiche direkte Fasern von der Vorhofs- auf die Ventrikelwand über- Zur vergleichenden Physiologie des His’schen Bündels. III. 127 eingen. Wir müssten sonst annehmen, dass die von uns in den Durchschneidungsversuchen registrierten Dissoziationen stets eigent- lieh nur vorübergehende gewesen wären und sich bei längerer Er- haltung des Herzschlages wieder ausgeglichen haben würden. Wir glauben um so weniger auf eine solche Ausflucht rekurrieren zu brauchen, als unser Befund des rechtsseitigen Überleitungsbündels, wie er sich nach dem Gesagten aus der Kombination der Ligatur- und Durchschneidungsergebnisse erheben lässt (s. Fig. 30), aufs schönste mit dem anatomischen Untersuchungsresultat von Mackenzie!) übereinstimmt, wie ein Vergleich unserer Fig. 30 mit der seiner Arbeit entnommenen Fig. 1 erkennen lässt. Nach Mackenzie’s Angaben besteht dieses vom rechten Vorhof her an der rechten Wand des Kammerseptums hinabziehende Bündel, das er auch im Krokodilherzen fand und das dem Ohrkanal der niederen Wirbel- tiere homolog sein soll, aus Nerven und Muskelgewebe, das jedoch wie wir eingangs schon hervorgehoben, histologisch keine spezifische Struktur aufweist. Der Übergang der Bündelfasern vom Septum auf die übrige Wand des rechten Ventrikels erfolst offenbar erst ziemlich tief, jedenfalls nach unseren Durchschneidungsversuchen, die ziemlich bis zur Hälfte des Septums hinabreichen, frühestens von dessen herzspitzenwärts gelegener zweiten Hälfte aus, vielleicht noch tiefer. Für den Verlauf der Erregungswelle ergibt sich daraus die Annahme, dass die vom Vorhof kommende Erregung zuerst der Muskelklappe und dann dem Spitzenteil der rechten Kammer- muskulatur, hiernach erst dem Basisteile zugeleitet wird. Auch für das linke Herz gestattet die Kombination unserer Umstechungs- und Durchschneidungsversuche, das A.-V.- Überleitungs- bündel in der Kammerwandung eine gewisse Strecke weit zu ver- folgen. Bei ersteren musste zur Dissoziation die Verletzung in der A.-V.-Grenze an einer noch dem Ventrikelsystem angehörigen Stelle seitlich der Aortenklappe liegen (s. Fig. 6), bei letzterer lag sie stets unterhalb der Aortenklappe in der freien Kammerwand (s. Fig. 16), so dass sich daraus ein Verlauf ergibt, wie er in der Fie. 30 eingetragen ist. Die puuktierten Linien darin sollen den sich mit Wahrscheinlichkeit ergebenden weiteren Verlauf und den Übergang auf die im linken Ventrikel sehr gut ausgebildeten Papillar- 1) Jvy Mackenzie, The excitatory and connecting muscular system of the heart. 17. Intern. med. Kongress 1913. 128 Ernst Mangold und Toyojiro Kato: muskeln andeuten. Der Ursprung des linksseitigen Bündels ist nach unseren Umstechungsversuchen ein gemeinsamer mit dem- jenigen des rechtsseitigen, und zwar erfolet die Trennung in den rechten und linken Schenkel erst in oder unmittelbar oberhalb der A.-V.-Grenze, so dass hier eine perforierende Verletzung noch beide Schenkel gleichzeitig zu durchtrennen vermochte. Das im rechten Herzen verlaufende Bündel erscheint dabei entschieden als das Hauptbündel, von dem erst der Schenkel für das linke Herz ab- zweigt, indem er eben an jener Stelle in der A.-V.-Grenze nach links hinüber perforiert (s. Fig. 30p, und 93). An dieser Stelle möchten wir ein Ergebnis noch besonders hervorheben, das freilich die angeführten Versuche bereits zur Ge- nüge erkennen liessen, dass es nämlich zur Hervorhebung atrio- ventrikulärer Allorhythmie stets notwendig war, sowohl das Bündel der einen wie das der anderen Seite zu durchtrennen, dass sich andererseits jedes einzelne der beiden Bündel als vollkommen aus- reichend erwies, um die a.-v. Koordination aufrecht zu erhalten. Bereits Trendelenburg und Cohn!) hatten bei ihren Durch- schneidungsversuchen am isolierten Säugerherzen gefunden, dass auch in sieben Fällen, in denen der rechte Schenkel völlig durch, der linke teilweise verschont war, der gemeinsame Schlag beider Kammern erhalten blieb, und daraus den Schluss gezogen, „dass die eine von der direkten Bündelverbindung abgetrennte Kammer auf dem Wege der anderen noch hinreichende Impulse erhält“. Auch wir haben am Hühnerherzen niemals ungleiches Verhalten beider Kammern beobachten können, so lange dieselben nicht etwa infolge der experimentellen Schädigung zu wogen anfıngen, und körhien die Tatsache somit für das Vogelherz bestätigen, dass der Ausfall an Erregungsleitung infolge völliger Durchtrennung des Bündels der einen Seite vollkommen durch das der anderen gedeckt wird, SO lange dieses nur funktionsfähig bleibt. Dass das erstere total durch- trennt war, ergab sich in einigen Fällen aus der der Durchtrennung des anderen folgenden A.-V.-Dissoziation. Wir beobachteten Fälle, in denen sowohl das rechtsseitige (18. Juli, Fig. 18, 12. August, Fig. 21, 19. November, Fig. 10, 13. Dezember, Fig. 11) wie auch solche, in denen das linksseitige Bündel (6. August, Fig. 17, 26. November, Fig. 13) allein die Koordination übernahm. 1) A. E. Cohn und W. Trendelenburg, Untersuchungen zur Physio- logie des Übergangsbündels am Säugerherzen. Pflüger’s Arch. Bd. 131 8.1. 1910. Br‘ a A Zur vergleichenden Physiologie des His’schen Bündels. III. 129 [7 Alles in allem ergibt sich, zumal wenn wir noch das Resultat unserer Untersuchung über den Erregungsursprung im Vogelherzen!) mit heranziehen, ein Befund, der auch für das Voselherz eine feine Differenzierung und weitgehende Reduktion der Bahnen für die a.-v. Erregungsleitung beweist und der mit demjenigen am Säuger- herzen erundsätzliche Übereinstimmungen zeigt. - Auch im Vogel- herzen: geht die Erregung von einer dem Sinusknoten funktionell entsprechenden Stelle aus (s. Fig. 5 und 30 die schraffierte Stelle). Die atrioventrikulären Leitungsbahnen sammeln sich dann in der Höhe der A.-V.-Grenze — hier würde ein Atrioventrikularknoten zu suchen sein — zu einem Bündel, das sich alsbald wieder teilt, indem sein Haupt- schenkel im rechten Ventrikel hinabzieht, während ein zweiter Schenkel nach links perforiert und hier die A.-V.-Erregungsleitung vermittelt. Die grosse Ähnlichkeit der Anordnung des Erregungsleitungs- systems mit derjenigen im Säugerherzen muss um so mehr über- raschen, als die Klassen der Vögel und Säuger ja nur eine sehr entfernte stammesgeschichtliche Verwandtschaft verbindet. Sie zeigt andererseits, wie durch die beiden gemeinsame Tendenz zur höheren Organisation und durch die entsprechende anatomische Differenzierung des Herzens, besonders wohl durch eine ähnliche, wenn auch im rechten Ventrikel erheblich abweichende Klappenausbildung, in beiden Fällen eine gleichartige Einengung der Bahnen für die Er- regunesleitung resultiert. Anatomische Untersuchungen von Külbs?) hatten eine viel ge- ringere Einengung der beiderseitigen a.-v. Verbindungen im Vogel- herzen ergeben, die hier ziemlich das ganze dorsale Bereich. der A.-V.-Grenze einnehmen sollten, indem „an der Hinterseite des Herzens die Vorhöfe in Form zweier Halbrinnen in die Ventrikel sich hineinsenken und bald direkt in die Muskulatur übergehen. Dort wo die beiden Halbrinnen oben aufeinander stossen, entspringt aus ihnen ein besonderer Zapfen, der das Bindegewebe, welches Vorhof- und Kammerseptum trennt, durehbricht und schräg von hinten nach vorn und unten verlaufend, in die Muskulatur des Vextrikelseptums sich einsenkt“ ?®). Unsere experimentelle Unter- rin.e. 2) F. Külbs, Über das Reizleitungssystem bei Amphibien, Reptilien und Vögeln. Zeitschr. f. exper. Pathol. u. Ther. Bd. 11 8.51. 1912. 8) F. Külbs, Das Reizleitungssystem im Herzen. Handb. d. inn. Med. Bd. 2. 1913. Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd. 160. 9 130 Ernst Mangold und Toyojiro Kato: suchung hat keinen Anhaltspunkt dafür gegeben, dass es sich bei dem von Külbs beschriebenen anatomischen Befunde um das Sub- strat der A.-V.-Erregungsleitung handelt. Im linken Herzen kann nach dem Verlauf unserer Versuche von einer derartig breiten, die ganze dorsale A.-V.-Grenze einnehmenden Verbindung zwischen Vor- hof und Kammer, wie sie Külbs im Handb. d. inneren Medizin schematisch abbildet, in funktioneller Beziehung jedenfalls gar nicht die Rede sein, und auch für den direkten Übergang von Leitungs- bahnen im gauzen dorsalen Bereiche der rechtsseitigen A.-V.-Grenze — nach dem Kül bs’schen Schema zum mindesten der ganzen Basis der Muskelklappe entsprechend — ergab sich, wie wir oben bereits besprachen, keine Wahrscheinlichkeit. Besser oder vielmehr vollkommen lassen sich dagegen unsere Befunde mit den anatomischen Angaben von Mackenzie in Ein- klang bringen, dessen Abbildung des rechtsseitigen A.-V.-Bündels (s. Fig. 1) wir bereits mit dem von uns konstruierten Verlaufe des- selben (Fig. 30) verglichen haben und dessen allein auf das rechte Herz bezüglichen Angaben durch unsere Untersuchungen auch für das linke soweit ergänzt werden konnten, dass nun eine gewisse Grundlage für ein Gesamtbild des Erregungsleitungssystems auch für das Vogelherz vorliegt. | V. Zusammenfassung. Am Hühnerherzen wurde mittels Durchschneidungs- und Um- stechungsversuchen bei elektrokardiographischer Registrierung der Verlauf der Bahnen für die atrioventrikuläre Erregungsleitung fest- gestellt. Dabei ergab sich, dass vollkommene a.-v. Dissoziation nur dann eintritt, wenn sowohl im rechten als auch zugleich im linken Herzen an ganz bestimmten Stellen Kontinuitätstrennungen im Endokard und den darunter liegenden Schichten verursacht werden. Bei den in die A.-V.-Grenze fallenden Umstechungen fand sich in den Fällen, in denen totaler Block erzielt wurde, die Verletzung rechts und links im dorsalen Teile des Septums, rechts musste dabei auch noch die angrenzende Basis der für das Vogelherz charakte- ristischen Muskelklappe in einer gewissen Ausdehnung durchtrennt sein. Von aussen her hat eine solche Ligatur in der dorsalen A.-V.-Grenze die Basis des Septums nach beiden Seiten und rechts auch noch einen Teil der benachbarten A.-V.-Grenze zu umfassen. Zur vergleichenden Physiologie des His’schen Bündels. III. 131 Bei den unterhalb der A.-V.-Grenze fallenden Durchschneidungen ‘ genügten zur vollkommenen Dissoziation Verletzungen rechts im dorsalen Teil der Kammerscheidewand und links unterhalb der Aortenklappe. Die Bahnen für die Erregungsleitung, auch im Vogelherzen von einer dem Sinusknoten funktionell entsprechenden Stelle ausgehend, sammeln sich demnach in der Höhe der A.-V.-Grenze zu einem Bündel, dessen Hauptschenkel im rechten Ventrikel am Septum hinabzieht, während ein zweiter nach links perforiert und hier die a.-v. Erregunssleitung vermittelt. Das rechtsseitig aufgefundene A.-V.-Bündel stimmt mit einem von Mackenzie beschriebenen Bündel überein, das aus Nerven und Muskelgewebe besteht, jedoch keine spezifische Struktur auf- weist. Im Laufe der Versuche wurden noch über verschiedenartige Koordinationsstörungen , z. B. Vorhofsflimmern, Verzögerung des As.-Vs.-Intervalls, Systolenausfall, rückläufige Schlagfolge und vorüber- gehende totale Dissoziation zwischen Vorhöfen und Kammern, Be- obachtungen gemacht. 9* 132 Ch. Socin: (Aus dem pharmakologischen Institut der Reichsuniversität Utrecht.) Experimentelle Untersuchungen über akute Herzschwäche. Von Ch. Socin. (Mit 23 Textfiguren.) Für das Zustandekommen pathologischer Kreislaufverhältnisse bilden die Veränderungen der Herztätigkeit, welche man unter dem Begriff der „Herzschwäche“ zusammenfasst, eine der wichtigsten Ur- sachen. Die Analyse der einzelnen Faktoren, welche den Symptomen- komplex der Herzschwäche bedingen, ist in der Klinik nur in be- schränktem Maasse möglich, da hier für die Untersuchung des Herzens selbst nur indirekte Methoden anwendbar sind: Die experimentelle Erforschung der Dynamik des schwachen Herzens steht noch in ihren Anfängen. Bezeichnend für diesen Umstand sind die Ausführungen von Moritz!) im Krehl-Marchand’schen Handbuch über den Mechanismus der Herzschwäche; dieselben beschränken sich im wesentlichen auf theoretische Auseinandersetzungen, deren Richtig- keit jedoch schon jetzt z. T. ihre experimentelle Bestätigung erfahren haben. Aus den zahlreiehen experimentellen Arbeiten der letzten zwei Jahrzehnte über die normale Funktion des Herzens lassen sich zwar eine Reihe von Tatsachen herauslesen, welche für die Funktion des geschwächten Herzens von Wichtiekeit sein mögen; dieselben geben jedoch noch keinesfalls ein vollständiges Bild der Dynamik des schwachen Herzens. Systematische Untersuchungen hierüber hat erst in neuerer Zeit Bruns am Froschherzen angestellt; seine Ergebnisse, obgleich mit 1) F. Moritz, Anomalien der Dynamik des Herzens und der Gefässe. Krehl und Marchand, Handbuch der allg. Pathologie Bd. 2 Abt. 2 8.2. Experimentelle Untersuchungen über akute Herzschwäche. 133 völlig verschiedenen Methoden gewonnen, können im Lauf unserer Erörterungen zum Vergleich herangezogen werden. Die vorliegenden Untersuchungen über experimentelle akute Schädigung des Herzens sollen die Fragen zu klären versuchen, welche der verschiedenen Faktoren, die die normale Funktion des Herzens beherrschen, einer Veränderung unterliegen und inwiefern die Regeln, welche für die Dynamik des normalen Herzens gelten, auch für das geschwächte Herz anwendbar sind. Im natürlichen Kreislauf bestehen zwischen der Herztätigkeit und dem Zustand des peripheren Gefässsystems ausserordentlich mannisfaltige Wechselbeziehungen. Da es mir nun zunächst von Wichtigkeit war zu erfahren, welchen Veränderungen die Herztätigkeit an und für sich bei akuter Schädigung unterliegt, musste ich mit einer Methode arbeiten, bei welcher sich die Verhältnisse der peripheren Zirkulation möglichst genau übersehen und beliebig: verändern lassen. Diese Bedingungen sind nur gegeben bei Verwendung eines künst- lichen peripheren Kreislaufes. Meine Versuche sind daher (zum grössten Teil) angestellt an Herzen, die am künstlichen Kreislauf nach der Methode von Starling!) arbeiteten. Zur Erzeugung einer akuten und, was für meine Zwecke wichtig war, reversiblen Schädigung des Herzens benutzte ich Zufuhr von Chloroform mit der Atemluft. Chloroform übt einen sehr beträchtlichen Einfluss auf die Kreis- lauforgane aus. Seine Wirkung auf das Vasomotorenzentrum und das Vaguszentrum fallen, da diese Zentren in unseren Versuchen aus der Zirkulation ausgeschaltet sind, ausser Betracht. — Verände- rungen, die im Verlaufe der Versuche im Kreislauf auftreten, können also nur durch Beeinflussung des Herzens selbst bedingt sein. Ver- suche über die Wirkung des Chloroforms auf das Herz selbst, sowohl nach dem Langendorffverfahren?), wie bei Verwendung eines isolierten Herzlungenkreislaufes ?), ergaben übereinstimmend eine Herab- setzung der Kontraktionskraft: diese Herabsetzung geht dem Prozent- 1) Siehe besonders: F. R. Knowlton und E. H. Starling, Influence of Variations in temperature and Blood-Pressure on the Performance of the isolated mammalian Heart. Journ. of Physiol. vol. 44 p. 206. 1912. 2) 0.8. Sherrington and S. C. M. Sowton, On the dosage of the iNolated mammalian Heart by Chloroform. Brit. medic. Journ. vol. 2 p. 162. 1904. 8) Embley, The causation of death during the Administration of Chloro- form. Brit. medic. Journ. 1902/I p. 817. — J. Bock, Über die Wirkung ver- schiedener Gifte auf das isolierte Säugetierherz. Arch. f. exper. Pathol. u. Pharmakol. Bd. 41 S. 158. 1898. 134 Ch. Socin: gehalt des Blutes an Chloroform parallel'). Es war also zu erwarten, dass sich durch Wechsel in der Konzentration des verwendeten Narkotikums verschiedene Grade von Herzschwäche würden hervor- rufen lassen. ni Schädigung der Reizleitung oder nennenswerte Veränderungen in der Häufigkeit der Reizbildung kamen in meinen Versuchen nie zur Beobachtung, ebensowenig eine wesentliche Steigerung der Er- regbarkeit der tertiären Reizbildungsstätten. = Die Ergebnisse, welche ich bei Einwirkung von Chloroform auf das Säugetierherz am künstlichen Kreislauf erhielte, stellten sich stets als absolut gleichsinnige dar. Es zeigte sich stets eine Herab- setzung der systolischen Kontraktionskraft des Herzens. Die Regeln, welche für die Dynamik des normalen Säugetierherzens gelten, behalten auch für das akut seschädigte Herz ihre Gültigkeit, erleiden jedoch durch die Veränderung der systolischen Kraft des Herzens quantitative Ver- schiebungen der einzelnen zugrunde liegenden Faktoren gegeneinander. Im folgenden soll.zunächst eine Schilderung und Kritik der ver- wendeten Methoden gegeben werden. Iım Anschluss daran werden die Ergebnisse der vorgenommenen Normalversuche besprochen. Im zweiten Teil der Arbeit werden die Veränderungen der Herztätiekeit bei Chloroformeinwirkung analysiert. Zuletzt soll eine Reihe von Versuchen beschrieben werden, in welchen der Druckablauf innerhalb des linken Ventrikels und die gleichzeitig aufgenommenen Kammer- volumsehwankungen beim normalen und beim durch ° Chloroform geschädigten Herzen miteinander verglichen werden können. l 1. Methodik. Als Versuchstiere wurden meistens mittelgrosse Katzen verwendet. Eine Reihe von Experimenten wurden auch an Hunden angestellt; das Hundeherz erwies sich jedoch als viel empfindlicher gegen äussere Eingriffe als das Katzenherz und gab daher bei der verwendeten, ziemlich eingreifenden Operationsmethode keine so guten Resultate. Das Prinzip des verwendeten künstlichen Kreislaufes (isoliertes Herzlungenpräparat nach Starling?) besteht darin, dass das natür- 1) C. S. Sherrington and S. C. M. Sowton, On the dosage of the isolated mammalian Heart by Chloroform. Brit. med. Journ. voi. 1 p. 817. 1902. 2) Eine genaue Beschreibung des übrigens sehr einfachen Apparates kann ich mir ersparen, da erst vor kurzem H. Straub eine solche gegeben hat, siehe H. Straub, Dypamik des Säugetierherzens. Deutsches Archiv für klin. Med. Bd. 115 S.'531. 1914. Experimentelle Untersuchungen über akute Herzschwäche. 135 liche Gefässystem ersetzt wird durch ein Röhrensystem, in welches eingeschaltet sind: a) Ein Windkessel, welcher die elastischen Kräfte der Aorta ersetzt. b) Ein regulierbarer Widerstand, durch welchen der Abfluss des Blutes aus dem arteriellen Röhrensystem in beliebiger Weise ver- ändert werden kann. ce) Ein venöses Reservoir, dessen veränderliche Höhe über dem Versuchsobjekt die Stärke des venösen Zuflusses zum Herzen bedingt. d) Ein Wasserbad für die Erwärmung der kreisenden Flüssigkeit. Aus einem in den arteriellen Teil des Kreislaufes dicht am Herzen eingeschalteten Seitenrohr wird der arterielle Blutdruck mit einem Hg-manometer geschrieben. Zwischen den arteriellen Wider- stand und das venöse Reservoir schaltete ich als Stromuhr einen nach den Angaben von Condon!) konstruierten Apparat ein, welcher automatisch durch elektrisches Signal auf der Kurve eine Marke macht, wenn 10 ccm durchgeflossen waren. Die benutzte Stromuhr gibt, wie Kontrollversuche erwiesen, bei mittlerer Durchflussgeschwindigkeit ganz konstante Werte. Nur bei sehr beträchtlicher Stromseschwindiekeit liegen die erhaltenen Werte etwas über dem Mittel, bei sehr geringem Durchfluss etwas darunter. Die Schwankungen betragen jedoch nach beiden Seiten nur etwa 5°e. Die Verwendung der Stromuhr hat sich als ein ausserordentlich brauchbares Hilfsmittel erwiesen, da durch sie gar kein Hindernis und keine Komplikation in den Kreis- lauf eingeschaltet wird. Besonders wichtig für meine -Zwecke war die Registrierung der Volumveränderungen des Herzens, Ich verwendete dazu den Roth- berger’schen?) Ventrikelplethysmographen. Um den Ab- schluss der Kammern gegen die Vorhöfe und gegen die Aussenluft durch die in der Atrioventrikularfurche liegende durchlochte Gummi- membran dieses Plethysmographen möglichst unverschieblich und sicher zu ‚machen, wurde in allen Fällen das eröffnete Perikard über der Basis des Glasgefässes fest eingebunden. In der Minderzahl der Ver- suche erwies es sich freilich als notwendig, in diesem umgebundenen Perikard über dem linken Vorhof eine kleine Öffnung einzuschneiden; diese Maassregel beeinträchtigte jedoch bei richtig gewählter Weite des in der Ainiovenoilanlkirenenze liegenden: Gummidiaphragmas die er- haltenen Resultate nicht in- merklicher Weise, Für die ziemlich stark wechselnde Grösse der Herzen der Versuchstiere war eine ganze Serie von Glasballons vorrätig. Die Ausschläge des Plethysmographen wurden mittelst eines genau equilibrierten Pistonrekorders auf die Russkurve übertragen. Durch Aichung des Pistonrekorders lassen sich aus den aufgezeichneten Kurven die Schlagvolumina der Ventrikel berechnen. Wenn im Kreislauf konstante Verhältnisse herrschen, muss das Schlagvolum eines Ventrikels 1) N.C.Condon, A magnet tipper for recording outflow. Journ. of Physiol. vol. 46. Proc. of the Physiol. Soc. June 28 1913. 2) C. J. Rothberger, Über eine Methode zur direkten Bestimmung der Herzarbeit in Tierexperiment. Pflüger’s Arch. Bd. 118 S. 353. 1907. 136 Ch. Soecin: senau die Hälfte hiervon betragen. Da sich die folgenden Auseinander- setzungen immer nur auf die Tätigkeit eines (nämlich des linken) Ventrikels beziehen, dürfen aus der Volumkurve nur dann Berechnungen angestellt werden, wenn die obige Bedingung, Konstanz der Kreislaufs- verhältnisse wenigstens annähernd erfüllt ist. Solange dies nicht der Fall ist, ist eine Abgrenzung des Anteiles jedes Ventrikels an den registrierten Gesamtvolumschwankungen nicht möglich. In den auf der Schreibfläche des Kymographions aufgezeichneten Kurven entsprechen die oberen Punkte dem maximalen diastolischen Volum der Ventrikel, die unteren den Systolen. Ansteigen der Kurve im ganzen bedeutet also Dehnung des Herzens und umgekehrt, — Nach den Angaben von Rothberger!) stimmen die Ausschläge des beschriebenen Ventrikelplethysmographen auf wenige Prozent genau mit der Grösse der Ventrikelschlagvolumina überein, welche sich aus gleichzeitig angestellten Stromuhrversuchen berechnen lassen. In meinen Versuchen nun gab der Ventrikelplethysmograph ein manchmal be- deutend grösseres Schlagvolum an, als meine hinter dem arteriellen Widerstand eingeschaltete Stromuhr verzeichnete. Schon bei niederem arteriellen Blutdruck machte in Versuchen, welche ich im übrigen als wohlgeluugen bezeichnen kann, der beobachtete Durchfluss zwischen 60—95 °%/0 (in einem Versuch sogar nur 45/0) der aus dem Piston- rekorderausschlägen berechneten Volumschwankungen des linken Ven- trikels aus; mit Regelmässigkeit nahm die Differenz bei steigendem Druck noch zu. Zur Erklärung dieser Differenz können die Versuche von Mark- walder und Starling°) über die Koronarzirkulation des verwendeten Herzlungenpräparates herangezogen werden, welche zeigen, dass schon bei arteriellen Blutdrucken, welche noch als niedrig anzusehen sind, der Koronarkreislauf einen beträchtlichen Teil des vom Herzen aus- geworfenen Blutquantums ausmacht, und dass sich bei steigendem Druck dieses Verhältnis immer stärker zugunsten des Koronarkreis- laufes verschiebt. Ich gebe als Beispiel folgende Tabellen aus der zitierten Arbeit wieder: Ausfluss aus dem | Gesamte Koronar- Gesamtausfluss aus Arterieller Druck Sinus coronar. zirkulation ‚dem linken Ventrikel (Kubikzentimeter (Kubikzentimeter (Kubikzentimeter mm Hg pro Minute) pro Minute) pro Minute) 50 & _ — 110 27—39 _ _ 140 64—67 — — 32 15 25 344 77 35 58 364 116 96 160 3893 Ar Als 68 346 (Versuchstiere: Hunde von 6—10 kg Gewicht.) 1) €. J. Rothberger, l. c. 2) J. Markwalder and FE. H. Starling, A note on some factors which determine the Blood-Flow through the Coronary eirculation. Journ. of Physiol. vol. 47 p. 275. 1913. SE a Experimentelle Untersuchungen über akute Herzschwäche. 137 Die Markwalder-Starling’schen Zahlen erscheinen gegen- über Berechnungen früherer Autoren über den Koronarkreislauf des Säugetierherzens als ausserordentlich hoch. Sie finden jedoch ihre Be- stätigung in den von Henriques!) neuerdings auf ganz anderem Wege gefundenen Werten für die Koronarzirkulation beim Hunde. Die von Markwalder und Starling beim Hunde gefundenen Be- ziehungen zwischen Koronardurchfluss und Gesamtzirkulation lassen sich wohl auf meine Katzenversuche übertragen, da ich ja die gleiche Versuchsanordnung (Herzlungenpräparatt am künstlichen Kreislauf) benutze. Es würde sich also die strittige Differenz zwischen den mit der Stromuhr gemessenen und den aus den Plethysmographenausschlägen berechneten Schlagvolumenwerten fast völlig durch den Koronar- kreislauf erklären lassen. Ich wage es jedoch nicht, diese Erklärung als ganz ausreichend anzusehen. Es muss wohl angenommen werden, dass ein Teil der Differenz auch auf Versuchsfehlern (Hin- und Her- eleiten des Herzens zwischen den Rändern des Plethysmographen- diaphragmas) beruhen kann. Meine Angaben über Schlagvolumina beziehen sich in den folgenden Auseinandersetzungen stets, soweit nicht anders bemerkt ist, auf die mit der Stromuhr gemessenen Durchflussmengen. Sie sind also jedenfalls Minimalzahlen für die eigentliche Leistung des Herzens bei jeder Systole und stellen gewissermassen den Nutzeffekt der Herzarbeit für den grossen Kreislauf (exklusive Koronarzirkulation) dar. Da nach diesen Betrachtungen die gesamte ausgeworfene Blut- menge nicht genau bekannt ist, verzichte ich auf die Berechnung der vom Herzen geleisteten äusseren Arbeit. Ausser für die Einzelschlagvolumina soll der Ventrikelplethys- mosraph ein Maass geben für dauernde Grössenveränderungen der Ventrikel. Da die hierbei in Betracht kommenden Schwankungen des Plethysmographeninhaltes viel grössere absolute Werte erreichen, als die der Einzelschlagvolumina, so sind hier Versuchsfehler durch geringe Hin- und Herverschiebungen der Abschlussmembren, wie sie bei jedem einzelnen Schlag vorkommen mögen, von viel geringerem Einfluss, Auf kleine Differenzen der aus den Pistonrekorderausschlägen zu be- rechnenden Herzvolumzu- und abnahme darf zwar kein allzu grosser Wert gelest werden. Es kann aber doch angenommen werden, dass während der Dauer eines Versuches gleichen Höhen der Volumkurve auch ziemlich genau gleiche Füllungen der Ventrikel entsprechen. Dies würde nur dann nicht der Fall sein, wenn sich das Herz um ein Beträchtliches durch die Abschlussmembran hindurch nach innen oder aussen verschieben könnte. Eine Verschiebung nach innen wird jedoch erschwert durch die von aussen auf der Gummimembran aufliegenden Herzohren. Andererseits wird eine Verschiebung des Herzens aus dem Plethysmographen hinaus durch das über den Rand der Glasbirne fest- gebundene Perikard verhindert. In einer Minderzahl der Versuche 1) V. Henriques, Über die Verteilung des Blutes vom linken Herzen zwischen dem Herzen und dem übrigen Organismus. Biochem. Zeitschr. Bd. 56 S. 232. 1913. . | 138 Ch. Socin: wurde, wie oben erwähnt, das Perikard zu Beginn des Versuches an einer Stelle eingeschnitten. Dieser stets kleine Einschnitt beeinträchtigte die Fixierung des Herzens im Plethysmographen nicht. — Während der ganzen Dauer der Versuche wurden die Herz- lungenpräparate durch eine in die Trachea eingebundene Kanüle künst- lich geatmet. — Zur Erzeugung von akuter Herzschwäche wurde der Atemluft Chloroform in einem bei den einzelnen Versuchen wechselnden Prozentsatz beigemengt, durch Einschaltung eines Narkoseapparates mit Kronecker’schen Schlitzhähnen in die Atemleitung, Nach einer längeren Reihe von Vorversuchen erwies sich für die Ausführung eines einzelnen Versuches folgende Methode als zweck- mässig: Eine mittelgrosse Katze wird in tiefer Äthernarkose tracheotomiert, in die Trachea eine Kanüle eingebunden, durch welche mit Äther weiter narkotisiert wird. Beide Vagi werden durchschnitten. Letztere Maassregel erwies sich als notwendig, da sonst leicht im weiteren Verlauf der Operation Herzstillstand durch Vagusreizung eintrat, welcher allerdings dann noch durch nachträgliche Vagotomie behoben werden konnte. Der Thorax wird darauf in der Mittellinie gespalten, beide Mammariae sofort unterbunden; die Blutung ist dabei meist eine geringe. Der Thorax wird durch Fäden breit geöffnet gehalten. Nun werden die Nervi phreniei durchschnitten, unter der Vena cava inferior und der Aorta am linken Lungenhilus ein Faden für spätere Unter-.. bindung hindurchgezogen, Vena azygos und Arteria Sublavia sinistra unterbunden und dann in den Truncus anonymus sowie die Vena cava superior eine möglichst weithalsige Glaskanüle eingebunden. Die Narkose wird jetzt abgestellt. Durch die Spitze des Perikards werden vier Fadenzügel gelegt und das Herz mittelst der Zügel in seiner natürlichen Lage fixiert. — Die Kanüle in der Vena cava superior wird darauf mit dem venösen Reservoir des künstlichen Gefässystems in Verbindung gesetzt, jedoch noch geschlossen gehalten. Das Reservoir enthält defibriniertes Katzenblut!). Bei geschlossener Cava superior wird darauf das Tier aus der Anonymakanüle entblutet; sofort nach Beginn der Entblutung wird die Aorta mit dem vorher angelegten Faden endgültig unterbunden. Durch Bauchmassage wird aus dem unteren Teil des Kreislaufes noch reichlich Blut ins Herz getrieben; das aus der Anonyma ausfliessende Blut wird defibriniert und weiter für den Versuch verwendet. Sobald der Aus- fluss aus der Anonyma spärlich wird, wird der Zufluss aus dem venösen Reservoir durch die Vena cava superior allmählich geöffnet und die Vena cava inferior unterbunden. Das. Herzlungenpräparat wird mit ca. 50—100 ccm defibriniertem Blut durchspült; darauf wird die Anonymakanüle mit dem zum arteriellen Widerstand führenden Schlauche verbunden; der künstliche Kreislauf ist nun im Gang, 1) In allen Versuchen wurde als Durchströmungsflüssigkeit unverdünntes defibriniertes arteigenes Blut verwendet. Meist wurden zur Gewinnung des Blutes zuvor zwei bis drei andere Katzen aus der Karotis vo!lständig entblutet. . Experimentelle Untersuchungen über akute Herzschwäche. 139 Die kurzdauernde Durchspülung mit defibriniertem Blut genügt vollständig, um Gerinnung innerhalb des Herzens oder des künstlichen Gefässystems zu verhindern; von der Verwendung von Hirudin konnte daher Abstand genommen werden. Beim Einlaufen des Blutes kommt es in einzelnen Fällen zu sehr rascher Dehnung und zu Stillstand der Ventrikel; kurzdauernde Herz- massage hilft dann meist rasch wieder das Herz zum Funktionieren zu bringen. In einer Reihe von Versuchen trat nach Einlaufen des körper- fremden- defibrinierten Blutes in das Präparat binnen kurzer Zeit hoch- gradige Lungenblähung, offenbar infolge Bronchialmuskelkrampfes, auf; dieselbe liess sich durch sofortiges Zufügen von 2—3 Tropfen al 0/00 igsem Suprarenin zum Durchströmungsblut stets dauernd beheben. Nachdem das Herz am Kreislauf regelmässig schlägt, wird das Perikard geöffnet und der Kammerplethysmograph unter Kontrolle des Blutdruckes angelegt. An Hunden zeigt sich die beschriebene Methode des Vorgehens nicht als anwendbar. Hier trat meist schon während der Entblutung aus der Anonyma aus nicht eruierbaren Gründen Herzstillstand ein: Durch Verwendung von Hirudin nach den Angaben von Starling wurde dieses Misslingen behoben. Die Ergebnisse der Hundeversuche erwiesen sich, wie erwähnt, aus mehreren Gründen als weniger ein- wandfrei als die Katzenversuche. Sie werden daher in den nach- folgenden Erörterungen nur mit grosser Vorsicht verwertet. Sobald im künstlichen Kreislauf konstante Verhältnisse eingetreten sind, wird der arterielle Widerstand stufenweise gesteigert; nach jeder Steigerung um 20—30 mm Hg werden wieder stationäre Zustände ab- gewartet. Die Drucksteigerung wird fortgesetzt, bis der Durchfluss dürch den Widerstand gleich Null ist; dann wird der Druck wieder auf normale Werte erniedrigt. In jedem Versuch werden mindestens drei solcher Drucksteigerungsperioden ausgeführt. Vor Beginn der zweiten Periode wird dem Präparat mit der Atemluft Chloroform zugeführt, bis auf der Kurve eine deutliche Herzwirkung sichtbar. ist. _ Die Chloroformzufuhr wird unterbrochen, sobald die Schädigung des Herzens zu .stark zu werden droht. Mit der ‚dritten Drucksteigerungsperiode wird erst begonnen, nachdem das Herz sich während längerer -Zeit (20—45 Minuten) von der Chloroformzufuhr erholt hat. In drei Ver- suchen wurden zur Kontrolle drei Normalperioden hintereinander ohne Chloroformzufuhr geschrieben. Der venöse Druck wurde in den meisten Versuchen konstant gehalten (auf 14—17 ccm Blut). Kleinere Schwankungen (bis 4 cem Blut) hatten übrigens keinen sichtbaren Einfluss auf die Arbeit des Herzens, wie sich aus häufigen Kontrollen ergab. In zwei Versuchen wurden durch Verstellen des venösen Reseryoirs grössere Veränderungen des Venendruckes hervorgerufen, deren Effekt unten zu beschreiben sein wird. Bei hohem arteriellem Widerstand stellte sich in einigen -an- fänglichen Versuchen Lungenödem ein; dies Vorkommnis liess sich in späteren Versuchen mit Shcherheit dadurch vermeiden, dass: 140 Ch. Soecin: 1. jeder Druck des Plethysmographen auf die Vena pulmonales sorgfältig vermieden wurde, 2. die im Beginn des Versuches bisweilen auftretende Lungen- blähung, welche bei längerer Dauer zu Lungenödem führte, rechtzeitig durch Adrenalinzufuhr behoben wurde, 3. der linke Ventrikel nur gerade solange mit hohen arteriellen Drucken belastet wurde, als für das Konstantwerden des Kreislaufes in jedem Falle nötig war. In einer Reihe von Versuchen wurden nach der von de Heer (s. u.) angewandten Methodik an dem im natürlichen Kreislauf befindlichen Hundeherzen die Druckschwankungen innerhalb der linken Kammer mittelst des Frank’schen Federmanometers bei gleichzeitiger Kammerplethysmographie registriert und der Einfluss einer akuten Stenosierung der Aorta ascendens auf die so erhaltenen Druck- und Volumkurven des Ventrikels beim normalen und beim ge- schwächten Herzen verglichen. 2. Normalperioden. Für das Verständnis der Herzschwächeversuche ist ein Vergleich mit der normalen Funktion des Herzens bei der verwendeten Versuchs- anordnung erforderlich. Es soll deshalb zunächst das Verhalten des normalen Herzens dargestellt werden. Die Ergebnisse, welche die Methode liefert, stehen in allen wesentlichen Punkten in Einklang mit den Regeln, die sich aus früheren Untersuchungen [ich zitiere hier nur eine Reihe der wichtieeren Arbeiten !)| für die Beziehungen zwischen Herzgrösse, k 1) Howell and Donaldson, Experimente upon the Heart of tbe Dog etc. Philosoph. Trans. vol. 175 p. 189. 1884. — H. Dreser, Über Herzarbeit und Herzgifte. Arch. f. exper. Pathol. u. Pharmakol. Bd. 24 S. 22. 1888. — Roy and Adami, Remarks on the Failure of the Heart from Overstrain. Brit. med. Journ. vol. 2 p. 1321. 1888. — I. E, Johansson und R. Tigerstedt, Über die gegenseitigen Beziehungen des Herzens und der Gefässe I und 1. Skandinav. Arch. f. Physiol. Bd. 1 S. 331. 1889; Bd. 2 S. 409. 1891. — R. Tiger- stedt, Studien über Blutverteilung im Körper. Skandinav. Arch. f. Physiol. Bd. 3 S. 145. 1892. — O. Frank, Zur Dynamik des Herzmuskels. Zeitschr. f. Biol. Bd. 32 S. 370. 1895. — F. Moritz, Über ein Kreislaufmodell als Hilfs- mittel für Studium und Unterricht. Deutsches Arch. f. klin. Med. Bd. 66 S. 349. 1899. — Yandell Henderson, The Volume Curve of the Ventrikels of the Mammalian Heart and the Significance of this Curve in Respect to the Mechanics of the Heart-Beat and of the Filling of the Ventricels. Americ. Journ. of Physiol. vol. 16 p. 325. 1906. — F.R. Knowlton u. E. H. Starlingl.c. — J. L. de Heer, Über die Dynamik des Säugetierherzens im Kreislauf. Pflüger’s Arch. Bd. 148 Ss. 1. 1912. — E. Rhode, Über den Einfluss der mechanischen Bedingungen auf die Tätigkeit und dem Sauerstoffverbrauch des Warmblüterherzens. Arch. Experimentelle Untersuchungen über akute Herzschwäche. 141 Schlagvolum und Aortendruck beim normalen Herzen aufstellen lassen. Die einzelnen Punkte werden im Laufe der Beschreibung Erwähnung finden. A. Veränderungen der Herztätigkeit bei steigendem arteriellem Widerstand). Auf Steigen des arteriellen Widerstandes reagiert das Herz in sanz gesetzmässiger Weise mit Veränderungen seiner Grösse und seines Schlagvolums. Die Veränderungen stehen in direktem wechsel- seitigem Zusammenhang, sollen jedoch zunächst gesondert besprochen werden. a) Schlagvolum. Schlag- volum 0,5 0,4 0,3 0,2 ae anamani Blutdruck 80 180 200 220 mm Hg 0,1 ccm Fig. 1. lan ee bei steigenden arteriellem Druck in drei aufeinanderfolgenden Drucksteigerungsperioden. Versuch 64. Katze: Herz-Lungenpräparat am künstlichen Kreislauf. Ordinate: Schlagvolumina in Yıocem. Abszisse: arterieller Blutdruck in mm Hg. x x erste Druck- steigerung. <---->< zweite Drucksteigerung. <<... >< dritte Drucksteigerung. Fig. 1 stellt die Veränderungen der Schlagvolumina des linken Ventrikels bei steigendem arteriellem Druck in drei aufeinander- folgenden Perioden eines meiner Normalversuche dar (die Werte f. exper. Pathol. und Pharmkol. Bd. 68 S. 401. 1912. — Während der Nieder- schrift meiner Arbeit erschien noch die Arbeit von H. Straub, Dynamik des ‚Säugetierherzens. Deutsch. Arch. f. klin. Med. Bd. 115 S. 531. 1914. Dieselbe konnte teilweise noch mit verwertet werden. 1) In allen hier beschriebenen Versuchen wurde der venöse Druck auf konstanter Höhe gehalten. 142 Ch. Socin: für die Schlagvolumina sind aus den mit der Stromuhr gemessenen Durchflussmengen berechnet; auf den Fehler, welchen ich hierbei durch Vernachlässigung der Coronarzirkulation begehe, soll weiter unten eingegangen werden). Die Zahlen sind ausser bei den höchsten arteriellen Druckwerten aus Versuchsperioden entnommen, in welcher nach Vornahme der Widerstandserhöhung wieder Konstanz der Kreis- laufsverhältnisse eingetreten war. Die Schlagvolumina zeigen in allen drei Versuchsserien annähernd gleichbleibende Grösse bis zu einem Druck von ca. 180 mm He. Von diesem Punkte an findet ein rapides Absinken statt; der Null- wert wird bei einem nur 20—25 mm höherem arteriellen Druck erreicht. Minuten- % volum 90 Sl) 79 60 50 40 20 Blutdruck 80 100 120 140 160 180 200 220 mm Hg Fig. 2. Minutenvolumina (Stromuhrwerte) bei steigendem arteriellem Blutdruck in drei aufeinanderfolgenden Drucksteigerungsperioden. Gleicher Versuch wie Fig.1. Ordinate: Minutenvolumwerte in Kubikzentimeter. Abszisse: Arterieller Blutdruck in mm Hg. ><——x erste Drucksteigerung. ><----- > zweite Drucksteigerung. +... x dritte Drucksteigerung. nn ee u le a u Experimentelle Untersuchungen über akute Herzschwäche. 143 Ganz ähnliche Kurven werden erhalten bei Aufzeichnung der Minutenvolumina (siehe Fig. 2). Auch hier ergibt sich ein Gleich- bleiben bis zu ca. 180 mm He., gefolgt von steilem Absinken auf 0. Die fast völlige Ubereinstimmung der Kurve von Einzelschlag- und Minutenvolumina beruht auf der unten zu besprechenden Konstanz der Herzfrequenz bei Veränderungen des Blutdruckes. Ein gleiches Verhalten der Schlag- und Minutenvolumina wie in dem dargestellten Normalversuch wurde in den Normalperioden aller Versuche beobachtet. Die Druckwerte, bei welchen das starke Absinken der Schlagvolumina einsetzte, lagen je nach der individuellen Leistungsfähigkeit der untersuchten Herzen zwischen 156 und 220 mm He. Häufig, aber nicht ausnahmslos, trat das Absinken nach längerer Versuchsdauer und mehrmaliger Widerstandserhöhung etwas früher ein als zu Beginn des Versuches. Wie man aus Fig. 1 und 2 ersieht, reagiert ein und das- selbe Herz auf drei aufeinanderfolgende Druck- steigerungsperioden in ganz gleichmässiger Weise. Dies ist für meine Zwecke von Wichtigkeit, weil nur aus diesem Grunde Änderungen, welche in der zweiten Drucksteigerungsperiode durch Chloroform hervorgerufen werden, ausschliesslich auf die Wirkung dieses Giftes bezogen werden können. Meine Angaben stimmen überein mit den Angaben von Howell und Donaldson!), Roy und Adami?) und H. Straub?°), welche bei Verwendung der Herzplethysmographie Gleichbleiben der Schlag- volumina unter steigendem Aortendruck bis zu hohen Werten ver- zeichnen. Ebenso kann, nach den älteren und neueren Stromuhr- versuchen von R. Tigerstedt*), innerhalb gewisser Grenzen das Schlagvolum von Blutdruck unabhängig sein. De Heer’) konstatierte bei Aortenkompression von dem Augenblick an, wo der maximale Ventrikeldruck zu steigen anfängt, eine Abnahme des Zeitvolums; dieselbe betrug jedoch bis zu fast maximaler Stenose nur 10—20 P/o. — Knowlton und Starling°) fanden bei ihren Versuchen mit künst- liehem Kreislauf, von niederen Druckwerten ausgehend, Ansteigen der Schlagvolumina bis zu einem Optimum, dann Gleichbleiben bis zu hohen Druckwerten. Ein geringgradiges Steigen der Schlagvolumina kam 1) Howell and Donaldson, |. c. 2) Roy und Adami,l. c. SEE Straub, ]. c. 4) R. Tigerstedt, ]. c. Sowie: Untersuchungen über die vom Herzen ausgetriebene Blutmenge. Skandin. Arch. f. Physiol. Bd. 19 S. 1. 1907. Dez) zdeHeer,1.c. 6) F. R. Knowlton and E. H. Starling, |. c. 144 Ch. Socin: auch in vier meiner Versuchsreihen zur Beobachtung. Die relative Seltenheit dieses Vorkommnisses im Vergleich mit den Angaben von Knowlton und Starling erklärt sich dadurch, dass ich stets darauf achtete, den Blutdruck von Beginn des Versuches an nicht unter 80—100 mm Hg sinken zu lassen, um jede vorzeitige Schädigung des Versuchsobjektes zu vermeiden. Am isolierten Froschherzen fanden Dreser!) und Frank?) bei steigendem arteriellem Druck eine konstante Abnahme der Schlag- volumina, wenn sie sowohl den venösen Druck als auch die Herzfüllung dauernd gleichgross hielten. Analog dazu ergibt sich auch in dem Modellversuche von Moritz?) bei Widerstandserhöhung im grossen Kreislauf stete Abnahme des Schlagvolumen des ersten Ventrikels, Nach diesen letztgenannten Versuchen hat Erhöhung des arteriellen Druckes stets primär eine Verminderung der Schlagvolumina zur Folge. Dass diese Regel auch für das Säugetierherz gilt, konnte schon von de Heer gezeigt werden und wird durch die nachfolgenden Be- obachtungen bestätigt. Dass in meinen Versuchen und denen anderer Autoren das Schlagvolum des Herzens bei steigendem Widerstand konstant bleibt, erklärt sich dadurch, dass es hierbei zu einer Zunahme des Ventrikelvolums kommt, welche imstande ist, den vermindernden Einfluss der Widerstandserhöhung auf das Schlagvolum zu kom- pensieren. Unmittelbar nach jeder Widerstandserhöhung, so lange das Ventrikelvolum noch nicht den neuen vergrösserten Wert an- genommen hat und so lange die Kreislaufsverhältnisse noch nicht wieder stationär geworden sind, tritt auch in meinen Versuchen jedesmal eine vorübergehende Abnahme des Sehlagvolums ein. Schlag- volum | 0,30 . Be = En in 138 139 Zeit in Sekunden dsksttzs Blutdruck 96 4 126 136 140 mm Hg. Widerstandserhöhung | Fig. 3. Grössenveränderungen der Schlagvolumina im Verlauf einer Widerstands- erhöhung (Stromuhrwerte). Versuch 65. Katze: Herz-Lungenpräparat am künst- lichen Kreislauf. Ordinate: Schlagvolumina in Yıo cem. Abszisse: Blut- druck in mm Hg. Zeit: Sekunden. 1) 186 DEÄg@r, IL € 2) O, Miraimlk, 6 @ S)aR-mWiomitz, le. Experimentelle Untersuchungen über akute Herzschwäche. 145 Minuten Erle ren volum 85 80 75 60 Be) Zeit in Sekunden Blutdruck 6 4 126 136 138 139 140 mm Hg Widerstandserhöhung Fig. 4. Schwankungen der Minutenvolumina im Verlauf einer Widerstands- erhöhung (Stromuhrwerte). Gleicher Versuch wie Fig. 3. Ordinate: Minuten- volumina in Kubikzentimetern. Abszisse: Blutdruck in Millimeter Hg. Zeit: Sekunden. Fig. 3 und 4 stellen diese Verhältnisse, wie sie sich bei kräftig schlagenden Herzen in normalen Blutdrucklagen einstellen, graphisch dar. Auf Widerstandserhöhung erfolgt unter Zunahme des arteriellen Blutdruckes ein steiler Abfall in der Grösse der Schlag- und Minuten- volumina, welcher gefolst ist von einem allmählichen Widerstands- anstieg bis auf die zuvor beobachteten Werte unter weiterem langsamem Ansteigen des Blutdruckes. In Wirklichkeit geht der Abfall vermutlich noch wesentlich steiler vor sich, als auf der Kurve dargestellt ist; denn für die Feststellung des ersten Punktes der Kurve musste der Durchfluss von 10 cem durch das arterielle System abgewartet werden. In höheren Blutdrucklagen zeigen die Schlagvolumina bei Widerstandserhöhung ähnliche Schwankungen, doch erfolgt hier der Wiederanstieg nach anfänglichem steilem Abfall wesentlich langsamer. In Drucklagen endlich, in welche jede Erhöhung des arteriellen Widerstandes, wie oben geschildert, zu starkem Absinken der Schlag- volumina führt, bleibt die Zunahme vollständig aus. Dabei kommt es dann zu einer besonders starken Grössenzunahme des Ventrikels. Über das Zustandekommen der erwähnten Schwankungen des Schlagvolums wird weiter unten bei Erörterung der Volumverbhältnisse des Herzens zu sprechen sein. Die Berechnung der Schlagvolumina aus den Aus- schlägen des Kammerplethysmographen ergibt ein Resultat, welches im wesentlichen qualitativ mit den Resultaten der Stromuhr übereinstimmt und nur in einigen Punkten von den bisherigen Ergebnissen abweicht. Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd. 160. 10 146 Ch. Soecin Fig. 5. Natürliche Grösse. Versuch 62, Kurve II, 15. Mai 1914. Katze: 2300 g Athernarkose, Vagi durchschnitten. Tracheotomie, künstliche Atmung. Herz- lungenpräparat am künstlichen Kreislauf. Kammerplethysmograph. Im Durch- strömungsblut zwei Tropfen Suprarenin Höchst !/ıooo. Venöser Druck dauernd 15—16 cm Blut. Dreimalige Widerstandserhöhung bis zum Sistieren des peripheren Durchflusses. Die Figur ist der dritten Periode entnommen. Obere Kurve: Plethysmographenausschläge: 7 mm —= 2 ccm. Untere Kurve: Arterieller Blutdruck (Hg-Manometer). Zeit: Sekunden. Die Stromuhrmarkierung ist auf diesen sowie den meisten folgenden Kurven nicht reproduziert. Bei a arterieller Blutdruck 88 mm Hg, bei 5b arterieller Blutdruck 148 mm Hg, bei c arterieller Blutdruck 188 mm Hg; Schlagvolumina von a—c annähernd gleich bei langsam zunehmendem Ventrikelvolum. Bei d arterieller Blutdruck 200 mm Hg; starke Verkleinerung der Schlagvolumina unter beträchtlicher Zunahme der Ventrikel- grösse. Bei e (9 Sek. später als d) arterieller Blutdruck 198 mm Hg; Schlag- volumina nehmen stark zu. Mitralinsuffizienz. Bei f (9 Sek. später) arterieller Druck 208 mm Hg; noch weitere Zunahme der Schlagvolumina. Experimentelle Untersuchungen über akute Herzschwäche. 147 Fig. 5 zeigt, dass die Höhe der Plethysmographenausschläge bei steigendem Druck zuerst annähernd gleich bleibt, sich bei einem Druck von 200 mm He. beträchtlich verkleinert unter Ansteigen des Ventrikel- volunıs, um darauf bei weiterem geringem Anstieg des Blutdruckes sich wieder zu vergrössern. 0,9 0,4 0,3 0.2 0,1 ccm Blutdruck 60 80 100 120 140 160 180 200 220 mm Hg. Fig. 6. Einzelschlagvolumina des linken Ventrikels (Plethysmographenwerte) bei steigenden arteriellem Druck. Gleicher Versuch wie Fig. 5. Ordinate: Schlagvolumina in Yıo cem. Abszisse: Blutdruck in Millimeter Hg. >< >< erste Widerstandssteigerung, Kurve 1. >x<----- x zweite Wider- standssteigerung, Kurve 2. X... >< dritte Widerstandssteigerung, Kurve 3. Die Werte sind hier wie auch in Fig. 7 in Perioden ausgemessen, in welcher Konstanz der Kreislaufverhältnisse herrschte. Nur die letzten Werte der Kurven (von 200 mm Blutdruck an für Kurve 1 und 2, von 188 mm Hg an für Kurve 3) sind bei ansteigendem Ventrikelvolum gemessen und daher nicht völlig genau. In Fig. 6 sind die durch Messung aus den Plethysmographen- ausschlägen gewonnenen Schlagvolumwerte in ihrem Verhältnis zum arteriellen Blutdruck aus drei aufeinanderfolgenden Versuchsserien am gleichen Objekt dargestellt. Die Kurve lässt zuerst ein sehr geringgradiges Absinken der Werte bei steigendem arteriellem Blutdruck erkennen. Von einem Druck an, welcher in allen drei Versuchsserien nahe an 200 mm Hg. liegt, steigt die Grösse der Schlagvolumina jedoch plötzlich wieder beträchtlich an. Dieser Verlauf der Schlagvolumkurven kann als ‚typisch gelten für den grösseren Teil (10 von 14) der Normalserien. 1)“ 148 Ch. Socin: Die Plethysmographenwerte der Schlagvolumina sind, wie Fig. 7 zeigt, stets beträchtlich grösser als die Stromuhrwerte. Diese Differenz entspricht vermutlich zum grossen Teil der Coronarzirkulation; sie bleibt bei mittleren Blutdruckwerten ziemlich konstant. 048 Blutdruck 190 120 220 mm Hg. ccm IEICRT. en (a) und on gemessene Stromuhrwerte (b) im Verlauf einer Widerstandserhöhung. Gleicher Versuch wie Fig. 5. Ordinate: Arterieller Blutdruck Millimeter Hg. Abszisse: Schlagvolumina in "/ıo cem. Der plötzliche Anstieg der Plethysmographenausschläge bei hohem Blutdruck fällt zusammen mit dem starken Absinken der Stromuhr- werte. Einen ähnlichen Anstieg beobachtete de Heer!) bei hoch- gradiger Aortenstenosierung; seine Deutung des Phänomens, die An- nahme einer relativen Mitralinsuffiecienz kann mit grosser Wahrscheinlichkeit auch auf meine Versuche übertragen werden. Kann der Ventrikel einen beträchtlichen Teil seines Inhaltes infolge der Mitralinsuffieienz nach dem linken Vorhof auswerfen, so muss die Blutmenge, welche in die unter hohem Druck stehende Aorta getrieben wird, sehr stark abnehmen. Tatsächlich sinkt auch in meinen Versuchen die das Arteriensystem passierende Blutmenge sehr rasch auf geringe Werte ab. In vier Versuchen ergaben sich keine Anzeichen für das Auftreten von Mitralinsuffieienz. Die Ausschläge des Drlalsrdlenkleersslese: Experimentelle Untersuchungen über akute Herzschwäche.' 149 Plethysmographen zeigten in diesen Versuchen bis zu den höchsten beobachteten Blutdruckwerten, welche völliges Sistieren der peri- pberen Zirkulation bewirkten, wie Fig. 8 zeigt, eine dauernde gering- sradige Abnahme. Fig. 8. Versuch ohne Auftreten von Mitralinsuffizienz. Versuch 52. Kurve 1, 30. April 1914. Katze: 2900 g. Athernarkose, Vagi durchschnitten. Tracheotomie, künstliche Atmung. Herzlungenpräparat am künstlichen Kreislauf. Kammer- plethysmographie. Venöser Druck 16 cm Blut. Widerstandssteigerung bis zum Sistieren des peripheren Durchflusses. Obere Kurve: Plethysmographen- ausschläge.e Untere Kurve: Arterieller Blutdruck (Hg-Manometer). Zeit in Sekunden. Bei a arterieller Blutdruck 124 mm Hg, bei 5 arterieller Blutdruck 174 mm Hg, bei c arterieller Blutdruck 192 mm Hg, bei d arterieller Blutdruck 204 mm Hg. Durchfluss bei diesem Druck = 0. Die Schlagvolumina sind bei a und b annähernd gleich; nehmen bei c und d ab. Keine Anzeichen von Mitralinsuffizienz bei den höchsten Blutdruckwerten. In Fig. 9 sind die aus Plethysmograph und Stromuhr berechneten Schlagvolumwerte in zwei Normalperioden des nämlichen Versuches ohne Mitralinsuffiiienz zum Vergleich untereinandergestellt. Die Differenz zwischen den Plethysmographen und Stromuhrwerten ist, wie oben auseinandergesetzt, wahrscheinlich zum grössten Teil als Coronarzirkulation anzusehen. Das Verhältnis derselben zur Gesamt- zirkulation bleibt bis in hohen Druckwerten annähernd gleich (Kurve 2) 150 Ch. Socin: oder steigt langsam an (Kurve 1). Bei der schliesslichen starken Senkung des peripheren Durchflusses verschiebt sich das Verhältnis sehr rasch zugunsten des Coronarkreislaufs. Zuletzt entsprechen die von Plethysmographen verzeichneten Schlagvolumina ausschliesslich noch der aus der Aorta direkt ins rechte Herz abfliessenden Blutmenge. 0,5 0,4 0,5 0,2 0,1 ccm Blutdruck 60 80 100 120 140 160 180 200 220 mm Hg. Fig. 9. Schlagvolumina in einem Versuche ohne Mitralinsuffizienz bei steigendem arteriellem Druck. Versuch 66. Katze: Herz-Lungenpräparat am künstlichen Kreislauf. Ordinaten: Volumina in Yıo ccm. Abszisse: Blutdruck in Millimeter Hg. Obere zwei Kurven: Plethysmographenwerte. Untere zwei Kurven: Stromuhrwerte. Differenz: (annähernd) Coronarzirkulation. X x erste Widerstandserhöhung, Kurvel. x... > zweite Widerstandserhöhung, Kurve 2. Auch Rothberger!) beobachtete in einem seiner Versuche (Katze) mit dem Ventrikelplethysmographen, dass nach Abklemmung der Aorta das Schlagvolum eines Ventrikels nach 0,5 ccm betragen konnte, während es bei offener Aorta 0,6—1,3 ccm betrug. Roth- berger bezieht diese Erscheinung ebenfalls zum Teil auf die Koronar- zirkulation, zum Teil auf Mitralinsuffizienz. Da sich aus der Plethysmographenkurve das Schlagvolum des linken Ventrikels nur dann durch Halbierung berechnen lässt, wenn die Kreislaufverhältnisse stationär geworden sind, so kann man aus dem Plethysmogramm die vorübergehenden Veränderungen, welche im unmittelbaren Anschluss an eine einzelne Widerstandserhöhung 1) ©. J. Rothberger, l.c. Experimentelle Untersuchungen über akute Herzschwäche. 151 eintreten, nicht -mit derselben Sicherheit ableiten, wie das oben unter Benutzung der Stromuhrwerte möglich gewesen ist. b) Herzvolum. Bei jeder einigermassen beträchtlichen Steigerung des arteriellen Widerstandes tritt eine Veränderung im Gesamtvolum des Herzens ein, kenntlich an einer Veränderung des Abstandes der Fuss- und Gipfelpunkte der Plethysmographenkurve von der Abszisse. Mit wenigen Ausnahmen tritt dabei auf Erhöhung des arteriellen Widerstandes eine Vergrösserung des Herzvolums ein. ) Bere \ı Je Pierre 14 13 12 11 10 | | FFRERREREEN: 44H Ventrikelvolum >= ac ZN „I RER Blutdruck 80 90 100 110 190 200 210 mmHg, Fig. 10 und 11. en. ae os en Druck. Gleicher Versuch wie Fig. 5. Ordinate: Ventrikelvolum in Kubikzentimeter. Abszisse: Arterieller Blutdruck in Millimeter Hg. Eingezeichnet sind die systolischen und diastolischen Volumina beider Ventrikel, bei steigendem Blutdruck. Ansteigen der Kurven bedeutet Dilatation des Herzens. Diese geht in Fig. 10 proportional dem steigenden Blutdruck (gerader Verlauf der Kurve) bis 198 mm Hg. In Fig. 11 nimmt die Dilatation von Beginn an progressiv zu (Kurve konvex gegen die Abszisse). Bei hohen Drucken zeigen beide Kurven eine scharfe Ausbiegung nach oben (Mitralinsuffizienz!). 152 Ch. Soein: Fig. 10 und 11 stellen diese Volumveränderungen beider Ventrikel bei steigendem Blutdruck dar. In den Kurven entspricht die obere Linie den diastolischen, die untere den systolischen Volumina. Da bis zu hohen Druckwerten das Einzel-Schlagvolum annähernd gleichbleibt, steigt das diastolische und das systolische Volum in gleichem Maasse an. Erst wenn der obenbeschriebene starke Abfall in der Grösse der Schlagvolumina einsetzt, muss sich dieses Verhältnis verändern. Die systolische Dilatation wird jetzt stärker als die diastolische. Käme ein vollständiger Verschluss des ganzen Arteriensystems, auch der Coronargefässe, zustande, so müsste offenbar hei Ausbleiben von Mitralinsuffizienz schliesslich das systolische Volum gleich dem diastolischen werden. Das Herz würde sich dann isometrisch kontrahieren, d. h. keine Schlagvolumina mehr fördern, sondern nur noch Druck erzeugen. Diese Bedingung ist jedoch, wie auch die Kurven 10 und 11 zeigen (selbst bei Ausbleiben von Mitral- Insuffizienz), in unsern Präparaten nie erfüllt. Wegen der starken Vermehrung der Coronarzirkulation bei den höchsten Aortendrucken kann nämlich das Herz dauernd eine nicht unbeträchtliche Blutmenge in die Aorta auswerfen. ‘Der Verlauf der Volumkurven ist in allen Versuchen bei Blutdruckwerten innerhalb der physiologischen Breite geradlinig (Fig. 10) oder wenig konvex gegen die Abszisse zu (Fig. 11), d. h. das Herzvolum vergrössert sich annähernd proportional der Steigerung des Blutdruckes. Von dem Punkte an, an welchem die Stromuhr ein starkes Absinken der Schlagvolumina angibt, biegt die Kurve scharf nach oben ab. Die hier,auftretende starke Vermehrung der Herzfüllung fällt zusammen mit der Vergrösserung der Plethys- mographenausschläge bei hohen Drucken, welche als Ausdruck einer Mitralinsuffizienz gedeutet wurden und muss daher auch als die Folge einer solchen angesehen werden. Auch de Heer!) beobachtete ein solches Ansteigen der Volumkurve bei Mitralinsuffizienz. Immerhin muss bemerkt werden, dass auch in Versuchen, in welchen eine Mitralinsuffizienz nicht anzunehmen ist, bei hohen Blut- druckwerten ein stärkeres Ansteigen des Ventrikelvolums zustande kommen kann. Dies lässt die Vermutung zu, dass es sich zum Teil wenigstens auch um eine direkte Schwächung der Kammer infolge des sehr hohen Blutdruckes (Ermüdung, Bruns) handeln könnte. 1) J. L. de Heer, |. c. Experimentelle Untersuchungen über akute Herzschwäche. 153 Aus den Kurven 10 und 11 lässt sich ferner noch ersehen, dass schon vor Eintritt des letzten steilen Anstiegs die systolischen Volumina bei steigendem Druck grösser werden als die beim Anfangswiderstand beobachteten diastolischen Volumina. In zwei Versuchen stellte sich bei Beginn der Widerstands- erhöhung zwischen 140 und 160 mm He. eine Verkleinerung des Herzvolums ein. Dabei kam es in einem Fall zugleich zu einer geringgradigen Vergrösserung des Schlagvolums, ein Zeichen, dass diese Füllungsverminderung im Zusammenhang steht mit einer Zu- nahme der systolischen Kraft des Ventrikels (wohl infolge Verbesserung der Coronarzirkulation). Zunahme des Herzvolums bei steigendem arteriellem Druck be- schrieben schon Roy und Adami!), sowie Johannson und Tiger- stedt?) als regelmässigen Befund bei Plethysmographie des Gesamt- herzens. Bei alleiniger Bestimmung der Ventrikelgrösse konnten ferner de Heer°), Gerhardt®) und H. Straub°) die engen Beziehungen von Herzgrösse und Höhe des arteriellen Druckes nachweisen; auch Knowlton und Starling‘) weisen auf einen solchen Zusammen- hang hin. Die Ursache der vermehrten Ventrikelfüllung ist nach der übereinstimmenden Ansicht der erwähnten Autoren darin zu suchen, dass bei Erhöhung des arteriellen Widerstandes im Ventrikel infolge verminderter systolischer Verkürzung ein wachsender Rück- stand entsteht; da der venöse Zufluss zunächst jedoch gleich- bleibt, muss sich der in der Diastole völlig erschlaffte Ventrikel [van den Velden’), Hendeirson‘°)] dilatieren. Auch aus meinen Versuchen lässt sich ein soleher Entstehungs- mechanismus der Dilatation ersehen (siehe Fig. 12). l) Roy und Adami,. cc. :; 2) Johansson und Tigerstedt, I. c. 8) J. L. de Heer, |. c. 4) H. Straub, I. c. 5) G. E. Knowlton und E. H. Starling, |. c. 6) D. Gerhardt, Zur Lehre von der Dilatation des Herzens. Verhandl. d. Kongr. f. inn. Med. Bd. 30 S. 238. 1913. 7) R. van den Velden, Versuche über die Saugwirkung des Herzens. Zeitschr. f. exper. Pathol. u. Therapie Bd. 3 8. 432. 1906. 8) Yandell Henderson, |. c. 154 Ch. Soein: S ie: re = NE No 5 oe = ERSZSE an Saas Se 2 0,4 ccm Sekunden Blutdruck 112 4 150 158 159 159 mm Hg. Widerstandserhöhung Fig. 12. Vorübergehende Abnahme der Schlagvolumina während einer Druck- steigerung. Versuch 63. Kurve 1. Katze: Herz-Lungenpräparat. Ventrikel- plethysmograph. Ordinate: Volumina in Yıo ccm. Abszisse: Zeit in Sekunden; arterieller Blutdruck in Millimeter Hg. Obere Linie der Kurve: Maximale diastolische Füllungen des linken Ventrikels. Von dieser Linie abwärts sind die Schlagvolumina in den verschiedenen Perioden eingetragen (Stromuhrwerte). Vor der Widerstandserhöhung: Druck 112 mm Hg. Schlagvolumina 0,46 cem. Darauf Erhöhung des Widerstandes. 8 Sek. nach Widerstandserhöhung: Schlagvolumina 0,36 ccm } Blofdenek a" 2 D) ” ” 0, 1482 steigt vom 150 u 0 Die angegebenen Werte für die diastolischen Volumina des linken Ventrikels sind während des Anstiegs des arteriellen Druckes nur als annähernd richtig anzusehen. (Siehe S. 136.) Bei der Erhöhung des arteriellen Widerstandes tritt eine Ver- minderung der Schlagvolumina ein, welche jedoch bei mittleren Druckwerten nur eine vorübergehende ist; dieselbe muss zu einer Vergrösserung des Restvolums des linken Ventrikels und also weiterhin zur Füllungsvergrösserung des Ventrikels führen. h Diese Erklärung der Füllungszunahme des Ventrikels kann nur unter gewissen Voraussetzungen als bewiesen angesehen werden, nämlich wenn wir annehmen, dass die unvollständige Entleerung des linken Ventrikels nicht sogleich rückwärts zu starker Stauung und Druckerhöhung in den Lungenarterien führt. Drucksteigerung in der Arteria pulmonalis müsste zu einer Abnahme der Schlagvolumina der rechten Kammer führen, in gleicher Weise wie eine Steigerung des Aortendruckes auf die linke Kammer wirkt. | Experimentelle Untersuchungen über akute Herzschwäche. 155 Die Angaben der Literatur über die Frage, ob Stauung im linken Herzen zu Drucksteigerung in der Arteria pulmonalis führt, divergieren ziemlich stark. Welch!) notiert bei Unterbindung des gesamten Aortenkreislaufes in den von ihm zitierten Versuchen stets beträchtlichen Druckanstieg in der Arteria pulmonalis, während Sahli?) bei Aortenunterbindung und auch bei Kompression des linken Vorhofes ein wechselndes Ver- _ halten konstatierte. Im Gegensatz dazu erzielten Bradford und Dean?) bei kurz- dauernder Kompression der Aorta und bei elektrischer Reizung des durchschnittenen Halsmarks keine oder nur geringe Erhöhung des Pulmonalisdrucks (im Maximum 6 mm Hs); das gleiche Resultat ver- zeichnet Erikson*) bei Erstickung; Löwit°) konnte zeigen, dass der Druck in der Pulmonalis bei Blutstauung im grossen Kreislauf im wesentlichen vom venösen Zufluss zum rechten Herzen abhänge; er leugnete jede direkte Rückstauung von der linken zur rechten Herzseite, Am künstlichen Kreislauf, bei welchem sich der venöse Zufluss kontrollieren lässt, erhielten Fühner und Starling‘) bei jeder be- trächtlichen Drucksteigerung im grossen Kreislauf auch Ansteigen des Druckes im rechten Herzen. Auch die soeben erschienenen Versuche von H. Straub’) lassen sich ferner für diese Frage verwerten. Straub registrierte die Kammerdrucke im linken und rechten Herzen und sah bei Erhöhung des Widerstandes im grossen Kreislauf und starkem Druckanstieg im linken Ventrikel keine Zunahme des Druckes im rechten Ventrikel auftreten. Bei Durchblutungsversuchen an den isolierten Katzenlungen, welche G. Modrakowski im vorigen Winter im hiesigen pharmakologischen Laboratorium ausführte, ergab sich, dass Drucksteigerung in der Vena pulmonalis den Druck in der Arteria pulmonalis entweder nicht oder nur in ganz geringem Maasse beeinflusst. In diesen Versuchen wurde der Druck in der Pulmonalarterie und den Lungenvenen direkt an den Lungen mit Hg-Manometern gemessen und durch Verengern des venösen Schlauches Drucksteigerung in der Vena pulmonalis hervorgerufen, ohne dass sich sonst etwas am System änderte. Ich teile die Resultate dieser Versuche, welche wohl als die einwandfreiesten für die Frage 1) W. H. Welch, Zur Pathologie des Lungenödems. Arch. f. Pathol., Anat. u. Physiol. Bd. 72 S. 375. 1873. 2) H. Sahli, Zur Pathologie und Therapie des Lungenödems. Arch. f. exper. Pathol. u. Pharmakol. Bd. 19 S. 433. 1885. 8) J. R. Bradford and H. P. Dean, The pulmonary Circulation. Journ. of Physiol. vol. 16 p. 34. 1894. 4)E. Erikson, Zur Kenntnis des kleinen Kreislaufes bei der Katze. Skandinav. Arch. f. Physiol. Bd. 19 S. 46. 1907. 5)H. Löwit, Über die Entstehung des Lungenödems. Beitr. z. Pathol., Anat. u. z. allg. Pathol. Bd. 14 S. 401. 189. 6) H. Fühner and E. H. Starling, Experiments on the Pulmonary Cireulation. Journ. of Physiol. vol. 47 p. 286. 1913. 7)H. Straub, 1. c. 156 Ch. Socin: der Rückwirkung von Drucksteigerung der Vena pulmonalis auf den Druck in der Arteria pulmonalis angesehen werden müssen, im folgen- den mit: für Ba II IV Anfangsdruck Venöse Arterieller Differenz Peter Hs 3 | Druckerhöhung | Druck darauf [zwischen I u. IV arteriell | venös auf mm Hg mm Hg +34 6 ie) +38 +4 +30 — 2 +17 +32 +2 +32 +6 + 28 +33 +1 +40 sl) +38 +43 +3 + 30 | + 16 + 26 +30 +0 +59 | + 29 + 50 +59 0 +42 +22 + 34 + 42 +0 | | Nach diesen letzten Versuchen braucht also ohne Zweifel eine auch beträchtliche Druckerhöhung in der Vena.pulmonalis nicht auf den Druck im rechten Herz direkt rückzuwirken. Es muss wohl an- genommen werden, dass die Lungengefässe in weitem Maasse dehnbar sind. Infolgedessen kann es zu Ansammlung grosser Blutmengen in den Lungen kommen, ohne dass der arterielle Druck wesentlich zu steigen braucht. Modrakowski!) gibt einige für diese Tatsache sehr instruktive Zahlen. Er erhielt bei Steigerung des venösen Druckes eine Gewichtszunahme der Lungen um 55 g in einem ersten und um 65 g in einem zweiten Versuch, wobei der Druck in der Arteria pulmonalis nur um O0 und um 3 mm Hg anstieg. Es ist also mit grosser Wahrscheinlichkeit anzunehmen, dass der rechte Ventrikel von einer Drucksteigerung im grossen Kreislauf während der ersten Zeit nicht oder nur wenig betroffen wird, dass also dem linken Ventrikel in der Diastole bei der verwendeten Versuchsanordnung eine unverminderte Menge Blut zufliesst. Die Hauptbedingung für das Zustandekommen des oben angenommenen Mechanismus der vermehrten Ventrikelfüllung, nämlich unveränderte Zufuhr von Blut zum linken Ventrikel aus den Lungenvenen, ist also gegeben. Die vermehrte Ventrikelfüllung mussals die direkte Ursache für das Wiederansteigen der Schlagvolumina nach ihrer anfänglichen Verminderung bei arterieller Widerstandserhöhung angesehen werden, d.h. der Ven- 1) G. Modrakowski, Untersuchungen an den überlebenden Katzen- lungen. Pflüger’s Arch. Bd. 158 S. 509. 1914. Experimentelle Untersuchungen über akute Herzschwäche. 157 trikel wird durch seine vermehrte Füllung befähigt, eine grössere Arbeit (gleiches Schlagvolum gegen erhöhten Aortendruck) zu leisten als vorher. Zu dieser Annahme gelangte schon Frey!) in seiner Arbeit über die Dilatation des Säugetierherzens. Frank?) stellte am Froschherzen fest, dass der Ventrikel innerhalb gewisser Grenzen durch wachsende Anfangsfüllung zu steigenden Leistungen befähigt wird. Einesteils war nach diesen Versuchen das isometrisch arbeitende Herz bei er- höhter Füllung imstande, höhere Druckwerte zu erzeugen, andererseits stiegen beim Herzen am künstlichen Kreislauf (Überlastungszuckung) bei Füllungsvermehrung die ausgeworfenen Volumina an. Die gleichen Gesetzmässigkeiten konnte Moritz?) an seinem Kreislaufmodell nach- weisen. Durch die Versuche von de Heer wurde die Übertragbarkeit dieser Resultate auf das Säugetierherz bewiesen. In den Versuchen de Heers*) führte Erhöhung des Aortendruckes durch Stenosierung der Aorta ascendens stets primär zu einer Verminderung des Schlag- volums; jedoch veranlasst „die infolge der Widerstandsvergrösserung entstandene Abnahme der Schlagvolumina . . . eine Belastungs- vergrösserung, wodurch diese weniger hochgradig (in einem Fall sogar völlig kompensiert) wird“. H. Straub°) weist mit besonderem Nach- druck auf die Wichtigkeit der vermehrten Anfangsfüllung des Ventrikels bei steigendem Aortendruck hin. Die vermehrte Ventrikelfüllung befähigt bis zu hohen arteriellen Druckwerten hinauf das Herz, gleichbleibende Schlagvolumina aus- zuwerfen; dabei steigt die äussere Arbeit des Herzens stark an. Während der Dauer der Widerstandserhöhung, also beim Steigen des Blutdruckes, wird es aber stets zu einer vorübergehenden Ver- minderung der Schlagvolumina kommen müssen, welche zur Ver- grösserung der Anfangsfüllung des Ventrikels und dadurch zu ver- mehrter diastolischer Füllung führt. Wird die Füllung des Herzens künstlich konstant gehalten, wie in den Froschversuchen von Dreser und Frank, so kann die durch die Widerstandsvermehrung bedingte Verkleinerung der Schlagvolumina nicht kompensiert werden; es resultiert also eine dauernde Abnahme derselben. — I) M. v. Frey, Physiologische Bemerkungen über Herzhypertrophie und Dilatation des Herzens. Deutsches Arch. f. klin. Med. Bd. 44 S. 398. 1890. EOS Lank, Izc: SER NEorıtz, 1. c. 4) J. L. de Heer, c. D)BERESıt anub, Alec: 158 Ch. Soecin: c) Schlagfrequenz. Die bisherigen Betrachtungen bezogen sich in den meisten Fällen auf das Einzelschlagvolum als Maass für die vom linken Ventrikel geförderte Blutmenge. Nun kann aber durch Veränderung der Puls- frequenz bei gleichbleibendem Schlagvolum das vom Herzen in der Zeiteinheit geförderte Blutquantum (und damit auch die Herz- arbeit) variieren und zwar nimmt dasselbe nach den Angaben von Henderson!) und Frank?) bei sehr langsamer Schlagfrequenz zu, ist bei den unter gewöhnlichen Umständen zu beobachtenden Pulsfrequenzen von der Schnelligkeit der Schlagfolge unabhängig und sinkt bei sehr schnellem Rhythmus wieder mit zunehmender Puls- frequenz ab. Knowlton und Starling?) weisen darauf hin, dass beim isolierten Herzlungenpräparat die Schlagfrequenz einzig von der Temperatur des Blutes abhängig ist, jedoch keine konstanten Be- ziehungen zeigt zu der Höhe des arteriellen Druckes. In Übereinstimmung damit liess sich auch in unseren Versuchen eine Abhängigkeit der Pulsfrequenz vom Blutdruck nicht nachweisen. Die Durchsicht der normalen Versuchsreihen zeigt, dass beim Über- gang von niederen zu den höchsten Widerstandswerten die Frequenz 4mal unverändert blieb, 14mal eine Abnahme und 23mal eine Zu- nahme aufwies; dabei konnte in ein und demselben Versuch bei auf- einanderfolgenden annähernd gleichartigen Widerstandserhöhungen die Frequenzänderung eine gegensinnige sein. Die Schwankungen betragen durchschnittlich nicht mehr als 10 %o. Es können daher ohne grossen Fehler in den meisten Fällen die Schwankungen der Zeitvolumina als parallel gehend angesehen werden mit denjenigen der Schlagvolumina, besonders da starke beschleuni- gende oder verlangsamende nervöse Einflüsse wegen Ausschaltung des Körperkreislaufes nicht in Betracht kommen. d) Wirkung der veränderten Herztätigkeit auf den peripheren Kreislauf. Da bei meiner Versuchsordnung im peripheren Kreislauf elastische Faktoren (Windkessel, Widerstandssystem) eingeschaltet sind, muss 1) Yandell Henderson, |. c. 2) O. Frank, Einfluss der Häufigkeit des Herzschlages auf den Blutdruck. Zeitschr. f. Biol. Bd. 41. 3) F. R. Knowlton und E. H. Starling, |. c. Experimentelle Untersuchungen über akute Herzschwäche. 159 jede Veränderung der Herztätigkeit Füllungsveränderungen in demselben hervorrufen, welche ihrerseits wieder auf das Herz rückwirken können. Erhöhung der arteriellen Widerstände führt bei der verwendeten Versuchsanordnung direkt zu Steigerung des Blutdruckes (durch Er- höhung der Wandspannung bei zunächst gleicher Füllung des Systems); zugleich tritt Abflussbehinderung im peripheren Teil des Widerstands- systems ein. Der vermehrte Blutdruck ruft in der oben geschilderten Weise am Herzen Schlagvolumverkleinerung, Vergrösserung der Herz- füllung und infolge davon wieder Schlagvolumvergrösserung hervor. Durch diese Vergrösserung der Schlagvolumina bei weiter bestehender Behinderung des peripheren Abflusses wird die Füllung des arteriellen Systems und damit der Blutdruck (die Wandspannung) in demselben solange gesteigert, bis das Druckgefälle zwischen dem arteriellen und venösen Teil des Gefässsystemes gross genug geworden ist, um die ganze vom Herzen ausgeworfene Blutmenge durch die verengte Gefässbahn zu treiben. Dieser allmähliche Anstieg des arteriellen Druckes, welcher durch das Anwachsen der Schlagvolumina des Ventrikels bedingt ist, muss natürlich seinerseits wieder auf Schlagvolum und Füllung des Ventrikels zurückwirken. Dieses Hin- und Widerspiel zwischen dem (elastischen) Kreislauf und dem Herzen erklärt, warum in unseren Versuchen nach Erhöhung des arteriellen Widerstandes die Anpassung des Herzens an die neuen Zirkulationsverhältnisse wesentlich langsamer erfolet als Verengerung des Kreislaufes in unmittelbarer Nähe des Herzens (Aortenstenose). Bei Stenosierung der Aorta ascendens sah de Heer Kammer und Herzvolum binnen weniger Schläge auf ein neues der jeweiligen Stenose entsprechendes Niveau ansteigen; es unterliegt jedoch keinem Zweifel, dass diese Regulation unter natür- lichen Verhältnissen, bei welchen ja die Kreislaufsstenosierung zumeist ganz peripher in den Arteriolen erfolgt, nicht mit gleicher Schnellig- keit erfolgt. B. Veränderungen der Herztätigkeit bei sinkendem arteriellem Druck. Die Verminderung des arteriellen Widerstandes muss zu Ver- änderungen von Ventrikelfüllung und Schlagvolum führen, welche genau das Spiegelbild der bei Druckvermehrung zu beobachtenden Veränderungen sind. Wenn der arterielle Druck ein hoher ist, kommt es bei rascher Aufhebung des Widerstandes zu hochgradiger Ver- stärkung des Ausflusses aus dem arteriellen System. In Fig. 13 sind die hierhei gemessenen Stromuhrwerte während einer Widerstandsverminderung dargestellt, bei welcher der Blut- druck von 204 auf 86 mm Hg. sinkt. Bei 204 mm Hg. besteht kein peripherer Durchfluss. Sofort nach Aufhebung des hohen Druckes schnellen die Stromvolumina hochgradig in die Höhe, um dann zuerst rasch, später langsamer auf normale Werte zurück- zugehen. Ein geringer Teil dieser starken Vermehrung der Stromuhr- ek. 2044128 126120 96 80 86 86 Blutdruck mm Hg. Fig. 13. Veränderung der Schlag- volumina bei Verminderung des arteriellen Widerstandes. Gleicher Versuch wie Fig.1.Ordinate:Schlag- volumina in Kubikzentimetern. Ab- szisse: Zeitin Sekunden. Die Schlag- volumina steigen von 0 ccm bei einem arteriellen Druck von 204mm Hg nach Aufhebung des arteriellen Wider- standes auf 1,07 ccm bei 128 mm Druck und auf 1,70 ccm bei 126 mm Druck. Darauf nehmen sie, bei weiter sinkendem arteriellem Druck, zuerst rasch, dann allmählicher auf 0,5 ccm ab. ‚volumina vergrössert Ch. Socin: werte ist zurückzuführen auf eine Füllungsverminderung des arteri- ellen Systems, der grössere Teil auf die Zunahme der Schlagvolumina des linken Ventrikels. Die Volumkurve des Ven- trikels (siehe Fig. 14) sinkt steil ab; dabei ist der Abfall des systo- lischen Volums stärker als der des diastolischen, da die Einzelschlag- sind. Die starke Zunahme der Schlagvolumina kommt dadurch zustande, dass in- folge rascher Widerstandsvermin- derung der Ventrikel sich bei starker Füllung plötzlich nur gegen einen geringen arteriellen Blut- druck zu entleeren hat. Der Ven- trikel ist also relativ zu kräftig und kann daher grosse Schlag- volumina fördern. Sein systoli- sches Restvolum und damit auch seine Füllung nimmt dabei ab. Nach einiger Zeit stellen sich die Schlagvolumina und die Ven- trikelgrösse wieder auf einen gleich- bleibenden Wert ein; dies ist dann der Fall, wenn der Ventrikelzufluss und -abfluss gleichgross ist, und wenn infolge des vermehrten Ab- flusses aus dem arteriellen System der Blutdruck so weit gesunken ist, dass das bestehende Strom- gefälle gerade genüst, um die vom Ventrikel geförderten Blut- mengen durch den arteriellen Widerstand auszutreiben. In den meisten Fällen bleibt nach rascher Drucksenkung nur bei verändertem Widerstand das Herzvolum nicht genau das gleiche, sondern nimmt noch einige Zeit lang progressiv ab unter geringer Zunahme des Schlagvolums; doch sind diese Ver- änderungen immer nur ganz geringe, ein Zeichen, dass der - m TR m nr u Experimentelle Untersuchungen über akute Herzschwäche. 161 Fig. 14. Veränderungen von Herzgrösse und Schlagvolum bei Widerstand- verminderung. Gleicher Versuch wie Fig. 12. Obere Kurve: Plethysmo- graphenausschläge 0,34 cm = 1 cem. Urtere Kurve: Arterieller Blutdruck. Zeit: Sekunden. Darunter: Stromuhrmarkierungslinie (eine Marke = 10 ccm). Venöser Druck dauernd um 16 cem Blut. Bei a arterieller Blutdruck 203 mm Hg, kein peripherer Durchfluss. Bei * Aufhebung des arteriellen Widerstandes. Blutdruck sinkt anfangs sehr steil, dann langsamer ab. Zugleich nimmt die Herzgrösse ab unter starker vorübergehender Zunahme der Schlagvolumina (er- sichtlich aus der Vergrösserung der einzelnen Plethysmographenausschläge und aus der anfangs sehr raschen, dann langsameren Folge der Stromuhrmarken. Bei b wieder konstante Verhältnisse; Blutdruck 133 mm Hg. Ventrikel sich sehr rasch, beinahe vollständig auf die veränderten Zirkulationsverhältnisse eingestellt hat. C. Venöser Druck. In den bisherigen Versuchen wurde der auf dem rechten Herzen lastende venöse Druck dauernd gleichgehalten. Die kleinen Schwankungen, welche er durch Wechsel der Höhe des Blutes im venösen Reservoir bei jeder Entleerung der Stromuhr erleidet (1—2 cm Blut), riefen keine registrierbaren Veränderungen der Schlagvolumina des linken Ventrikels hervor. Offenbar wirkt gegen- über diesen kleinen Schwankungen die Lunge als eine Art von Puffer. — Wohl aber traten bei stärkeren Schwankungen des venösen Druckes beträchtliche Veränderungen der Herztätigkeit ein. Fig. 15 zeiet, dass bei Erhöhung des venösen Druckes von 15 auf 33 cm Blut unter Dehnung der Ventrikel ein Ansteigen des Schlagvolums (kenntlich an der Vergrösserung der Plethysmographen- ausschläge und an dem Zusammenrücken der Stromuhrmarken) ein- Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd. 160. ul 162 Ch. Socin: Fig. 15. Veränderungen von Herzgrösse und Schlagvolum bei steigendem venösem Druck. Versuch 67, 8. Juni 1914. Katze, 2100 g. Athernarkose; Vagi durch- schnitten. Tracheotomie, künstliche Atmung. Herz-Lungenpräparat am künst- lichen Kreislauf. Im Durchströmungsblut zwei Tropfen Suprarenin Höchst "/ıooo. Obere Kurve: Plethysmographenausschläge 0,38 cm = 1 cem. Untere Kurve: Blutdruck. Zeit: Sekunden. Untere Linie: Stromuhrmarken. Bei a arterieller Blutdruck 100 mm Hg. Venöser Druck 15 cm Blut. Schlagvolum 0,31 cem. Bei + Erhöhung des venösen Druckes auf 33 cm Blut. Anstieg des Herz- volums und starke Vergrösserung der Schlagvolumina, kenntlich am Zusammen- rücken der Stromuhrmarken. Bei b Kreislaufverhältnisse wieder annähernd konstant. Schlagvolum 0,53 ccm. Arterieller Druck 150 mm Hg, venöser Druck 33 cm Blut. tritt. In Fig. 16 sind aus einem anderen Versuch die Verhältnisse schematisch dargestellt. Die Schlagvolumina betragen hier vor der Druckerhöhung 0,32 cem; Die Erhöhung des venösen Druckes führt zur Dehnung des linken Ventrikels um 0,7 em.? und zu gleichzeitiger Erhöhung der Scehlagvolumina auf 0,45 cem, trotzdem der arterielle Druck von 101 auf 127 mm Hg gestiegen ist. Aus den angeführten Versuchen ergeben sich für die Normal- funktion des Herzens unter der benutzten Versuchsanordnung folgende für die späteren Betrachtungen wichtige Tatsachen: 1. Widerstandsvermehrung im grossen Kreislauf ohne Veränderung des venösen Druckes führt direkt zur Verminderung der Schlagvolumina des linken Ventrikels. Diese Schlagvolumina- verminderung bedingt zu- nehmende Füllung des Ventrikels, durch welche die anfängliche Schlag- voluminaverminderung wieder auskompensiert wird. Bis zu hohen arteri- ellen Druckwerten (ca. 180 bis 200 mm He) ist diese Kompensation eine voll- ständige. Von diesen Werten an tritt bei weiterer Widerstands- vermehrung rapides Absinken der Schlaevolumina auf O0 ein. Die Ventrikelgrösse steigt in diesem Stadium stets stärker an als vor- her (Mitralinsuffizienz). Bei Ver- minderung des arteriellen Wider- standes treten genau die um- gekehrten Erscheinungen ein. 2. Erhöhung des venö- sen Druckes führt zu Zu- nahme der Herzgrösse und der Schlagvolumina. 3. Die Schlagfrequenz wird durch Druckveränderungen im grossen Kreislauf nicht wesentlich und eindeutig beein- flusst. 0,8 0,7 0,6 05 0,4 0,3 ccm Venöser Druck 16 Arter. Druck 101 26 cm Blut. 127 mm Hg. Fig. 16. Versuch 68. 9. Juni 1914. Katze: 2530 g. Athernarkose; Vago- tomie beiderseits. Tracheotomie; künstliche Atmung. Herz- Lungen- präparat am künstlichen Kreislauf. Ordinate: Volumina in Kubik- zentimetern. Abszisse: Venöser Druck. Bei venösem Druck 16 cm (arterieller Druck 101) beträgt das Schlagvolum 0,31 cem. Der venöse Druck wird auf 26 cm erhöht. Nach Wiedereintreten konstanter Kreis- laufverhältnisse ist das Herzvolum um 0,71 ccm vergrössert; das Schlag- volum hat auf 0,43 ccm zugenommen (der arterielle Druck ist auf 127mm Hg gestiegen). U. Herzschwächeversuche. Zur Untersuchung der Herzfunktion bei akuter Schädigung erwies sich die verwendete Methode, die Zufuhr von Chloroform mit der Atemluft, deshalb als besonders geeignet, weil sie bei vorsichtiger his 164 Ch. Soein: Dosierung nachträglich eine fast vollständige Beseitigung des Giftes gestattete. Nach Abklingen der Chloroformwirkung konnte daher in allen gelungenen Versuchen wieder eine normale Drucksteigerungs- periode geschrieben werden, deren Resultat sich stets mit dem der ersten Normalperiode annähernd deckte. Ein gewisser Nachteil der Verwendung von Chloroform liegt darin, dass, wenigstens bei meiner Versuchsanordnung, die Schädigung des Herzens durch das Narkotikum, wenn überhaupt eine Wirkung bemerkbar wurde, stets eine progressive war, so lange die Chloroform- zufuhr dauerte. Doch ist bei niedrigen Konzentrationen die Pro- gression eine so langsame, dass sie die Berechnung des Schlag- volums und der Herzgrösse aus dem Plethysmogramm nicht wesent- lieh beeinträchtigt. Fig. 17. Veränderung der Herztätigkeit unter Chloroformeinwirkung (starke Konzentration). Gleicher Versuch wie Fig. 9, Kurve 1I. Obere Kurve: Plethysmographenausschläge; 0,38 em = 1 ccm. Untere Kurve: Arterieller Blutdruck. Zeit: Sekunden. a: Beginn der Chloroformzufuhr; arterieller Blut- druck 100 mm Hg. b: 37 Sekunden nach Einschaltung des Chloroforms; arterieller Blutdruck 96 mm Hg. c: 99 Sekunden nach Einschaltung des Chloroforms; arterieller Blutdruck weiter gesunken auf 77 mm, Schlagvolumina haben ab- genommen. Zwischen ce und d und zwischen d und e Widerstandssteigerung im arteriellen System. Bei d und e ist infolge davon der Blutdruck um ein weniges gestiegen, das Herzvolum steigt weiter an. Bei f infolge andauernder Chloroform- einwirkung wieder Abnahme des Blutdruckes unter weiterer Dehnung des Herzens und unter Abnahme der Schlagvolumina, trotzdem der arterielle Widerstand unverändert gelassen ist. Experimentelle Untersuchungen über akute Herzschwäche. 165 Die Stärke der Chloroformwirkung und die Schnelligkeit ihres Eintretens wechselte in den einzelnen Versuchen sehr stark; die erzielte Wirkung war dabei jedoch qualitativ stets dieselbe. Ich verfüge über zwölf verwertbare Versuche mit Chloroform. Im allgemeinen nimmt eine solche Periode etwa folgenden Verlauf. Mit der Zufuhr des Chloroforms wird begonnen, wenn nach der ersten Drucksteigerungsperiode der Widerstand wieder auf normale Werte erniedrigt worden ist und das Herz sich vollständig erholt hat, so dass bei gleichbleibendem Widerstand weder Herzgrösse noch Schlagvolum mehr eine Veränderung zeigen. a Dh € d e Fie. 13. Veränderung der Herztätigkeit unter Chloroformeinwirkung (geringe Konzentration). Versuch 53, Kurve 2, 5. Mai 1914. Katze: 2430 g. Ather- narkose.. Vagotomie beiderseits. Tracheotomie; künstliche Atmung. Herz- Lungenpräparat am künstlichen Kreislauf. Venöser Druck dauernd um 15 cm Blut. Obere Kurve: Plethysmographenausschläge 0,3 cm = 1 ccm. Untere Kurve: Blutdruck in mm Hg. Zeit: Sekunden. «a: Beginn der Chloroform- zufuhr; arterieller Druck 112 mm Hg. b: 159 Sekunden nach Einschaltung des Chloroforms; arterieller Druck 98 mm Hg. Zwischen b und c und zwischen e und d wird der arterielle Widerstand verstärkt; geringer Anstieg des Blut- druckes; Abnahme der Schlagvolumina. Dehnung des Herzens. e: Seit d keine Veränderung des arteriellen Widerstandes mehr. Blutdruck sinkt, Herzvolum nimmt zu. Der Beginn der Chloroformwirkung macht sich, so lange am Widerstand nichts geändert wird, nach Verlauf weniger Sekunden in einer Zunahme des Herzvolums bemerkbar, während Schlag- volum und Blutdruck gleichbleiben können. Nach einiger Zeit tritt 166 Ch. Soein: jedoch stets auch eine Verminderung des Schlagvolums ein und infolge davon ein Absinken des Blutdruckes (ich bezeichne den Versuchsverlauf bis hierher fernerhin als Stadium I der Chloroform- periode). Darauf wurde nun der Widerstand wie in den Normal- versuchen stufenweise gesteigert (Stadium I). Die Widerstands- erhöhung unterbricht zumeist (in neun von zehn in Betracht kommenden Versuchen) den langsamen Abfall des Blutdruckes, das Herzvolum zeigt weitere Zunahme, die Schlagvolumina nehmen während der Widerstandserhöhung stark ab und bleiben auch dauernd vermindert, können aber auch in früheren Stadien der Ver- siftung nach vorübergehender Verminderung wieder etwas ansteigen, gleich wie dies bei normalen Herzen unter physiologischen Blut- druckwerten beobachtet wird. Die periphere Zirkulation sistiert bei bedeutend niedrigeren Widerstandswerten, als in der vorausgehenden und nachfolgenden Normalperiode. Die Kurve der diastolischen und systolischen Ventrikelvolumina bei steigendem. Blutdruck zeigt ein beträchtlich steileres Ansteigen als bei gleichen Druckwerten in den Normalperioden. Die beim Sistieren des peripheren Durchflusses beobachtete maximale Herz- füllung ist jedoch nicht grösser als in der nachfolgenden Normal- periode, sondern stets annähernd gleich. Zeichen von Mitralinsuffizienz waren in keiner der Chloroform- perioden (auch bei stärkster Herzdehnung nicht) vorhanden. Die Coronarzirkulation wies bei steigendem Blutdruck stets eine relative Zunahme auf im Vergleich mit den peripheren Durchfluss- werten; dabei stieg auch ihre absolute Grösse stets an. Ein gleiches Verhalten liess sich auch bei, infolge Schwächer- werden des Herzens, sinkendem Blutdruck beobachten; in der Regel jedoch nahm die absolute Grösse der Koronarzirkulation bei fallendem arteriellem Druck progressiv ab, wobei ihr Verhältnis zur Gesamt- zirkulation ein wechselndes war. Die Einzelheiten der eben beschriebenen Veränderungen in der Herztätigkeit und ihre Folgen für Dynamik des Herzens sind nun genauer zu analysieren. 1. Stadium I der Chloroformperiode. Während dieses Stadiums werden am Widerstandssystem keine Änderungen vorgenommen; die während dieses Zeitraumes auftretenden Experimentelle Untersuchungen über akute Herzschwäche. 167 Schwankungen der Kreislauffaktoren sind also ausschliesslich auf ver- änderte Tätiekeit des Herzens zu beziehen. Gleich nach Einschaltung des Chloroforms in die Atemluft beginnt das Herzvolum anzusteigen. Dieser Anstieg ist bei geringer Chloroformkonzentration zuerst stets ein äusserst langsamer; bei andauernder gleichmässiger Chloroformzufuhr nimmt er jedoch all- mählich einen immer steileren Verlauf. Zugleich mit dem Beginn der Ventrikelvolumzunahme setzt (in 8 von 13 Versuchen) eine Abnahme der Schlagvolumina (und infolgedessen auch ein Sinken des Blutdruckes) ein; je weiter die Chloroformwirkung fortschreitet, desto stärker nehmen die Ver- kleinerung des Schlagvolums und die Vergrösserung der Herz- füllung zu. Als primäre Ursache für diese beiden Erscheinungen muss eine Schwächung der Kontraktionskraft des Herzens dureh das Chloroform angenommen werden. Zu dieser Annahme führen folgende Überlegungen: Es tritt hier bei zunehmender Ventrikelfüllung und sinkendem Blutdruck eine Verminderung der Schlagvolumina auf. Beim normalen Herzen erfolet im Gegensatz dazu auf Vermehrung der Ventrikel- füllung sowie bei Absinken des Blutdruckes Vergrösserung des Schlag- volums. Es könnte sich nun bei der Schwächung des Herzens dessen Dynamik völlig verändert haben, so dass Füllungszunahme des Ventrikels und Sinken des Blutdruckes direkt eine Abnahme der Schlagvolumina zur Folge hätte, statt Zunahme, wie beim normalen Herzen. Diese Annahme trifft, wie wir weiter unten sehen werden, für die in unseren Versuchen beobachtete Form der Herzschwäche nicht zu. Wir müssen also annehmen, dass die systolische Entleerung der Ventrikel selbst aus irgend einem Grunde geschädigt ist. Für eine abnorme Form des Ablaufs der Systole habe ich bei besonders darauf gerichteten Versuchen keine Anzeichen finden können. Die Abnahme der systolischen Entleerung des Ventrikels muss daher auf eine Verminderung der Austreibungskraft des Ventrikels zurückgeführt werden. Diese Verminderung der systolischen Kraft kann dann weiterhin als Ursache der vermehrten Herzfüllung angesehen werden. Die durch sie bedingte unvollständige Entleerung des Ventrikels in der 168 Ch. Soecin: Systole führt zu einem Anwachsen des Restvolums. Da jedoch der Zufluss aus dem venösen Teil des Kreislaufs zunächst der gleiche bleibt, nimmt die Blutmenge im Ventrikel in der Diastole zu. Diese Überlegung gilt genau genommen zunächst nur für den rechten Ventrikel. Denn da wohl angenommen werden muss, dass die Schädigung der rechten und linken Herzhälfte einander annähernd parallel gehen, wird das Schlagvolum des rechten Ventrikels zuerst in gleicher Weise abnehmen wie das des linken. Der Zufluss zum rechten Herzen wird aber in unserem Versuch konstant erhalten; die Füllung des rechten Herzens muss infolge des vermehrten systolischen Rest- volums stark zunehmen. Da nun im geschwächten Herzen gleich wie im gesunden Füllungsvermehrung Schlagvolumvergrösserung bedingt (solange die Schädigung noch nicht gleichzeitig sehr stark zunimmt), so wird die Füllungsvermehrung des rechten Ventrikels sekundär auch eine vermehrte Füllung des linken Ventrikels zur Folge haben. Der gleiche Mechanismus ist auch für den natürlichen Kreislauf an- zunehmen; hier kommt es ja bei „Herzschwäche“ stets zu einem’ An- steigen des venösen Druckes, wodurch einer vermehrten Füllung des rechten Ventrikels Vorschub geleistet wird. Die vermehrte Ventrikelfüllung bei beginnender Herzschwäche käme nach diesen Auseinandersetzungen trotz ungeänderten Wider- standes auf die gleiche Weise zustande wie die Vergrösserung des Ventrikelvolums bei Widerstandserhöhune im grossen Kreislauf. In fünf Versuchen liess sich zu Beginn der Chloroformperiode die Volumvergrösserung des Ventrikels nachweisen, ohne dass es gleichzeitig zu einer messbaren Abnahme der Schlagvolumina (Stromuhrwerte) kam. Diese Erscheinung stellte sich nur bei ganz langsam eintretender Schwächung des Herzens ein. Die dabei gemessenen Volumvergrösserungen der Ventrikel betrugen 0,33—1,33 ceem; dieselben traten stets ganz allmählich ein vom Beginn der Chloroformzufuhr an. Die längste beobachtete Dauer einer solchen Periode war 30 Sekunden. | Als Ursache der vermehrten Ventrikelfüllung muss auch in diesem Fall wohl eine (ganz allmähliche) Vergrösserung des systolischen Rest- volums durch die langsame Abnahme der Schlagvolumina infolge der verminderten Kontraktionskraft des Ventrikels angesehen werden. Die Abnahme der Schlagvolumina ist aber hier eine so geringe (im Durchschnitt ea. 0,5—1°o), dass sie bei der gewählten Versuchs- anordnung nicht messbar ist. Wäre keine Vermehrung der Ventrikelfüllung eingetreten, so müssten die Schlagvolumina infolge der Schädigung des Herzens durch Chloroform deutlich abgenommen haben. Die Vergrösserung Experimentelle Untersuchungen über akute Herzschwäche. 169 der Ventrikelfüllung reicht jedoch hier beischwacher Schädigung des Herzens gerade noch hin, um die geringe Abnahme der Kontraktionskraft zu kompen- sieren. Moritz!) kommt in seinen Ausführungen über die Patho- logie der Herzdynamik an Hand eines Schemas, welches die Be- ziehungen von Ventrikelfüllung, Schlagvolum und Blutdruck darstellt, zum Schluss, dass „der geschwächte Herzmuskel unter Umständen die gleiche Leistung wie ein kräftiger vollbringen könnte, aber nur unter der Voraussetzung, dass dabei seine diastolische Füllung eine grössere wie bei diesem sei“. In den angeführten Versuchen findet diese Betrachtung in sehr anschaulicher Weise ihre Bestätigung. Die Dilatation des Herzens ist hier zwar einerseits eine Folge der Schädigung des Herzens, andrerseits aber auch ein Vorgang, welcher direkt die weiteren Folgen der Herzschwäche, die Verschlechterung der Zirkulation, aufzuheben vermag. Als Ursache für die vermehrte Ventrikelfüllung bei nicht mess- barer Abnahme der Schlagvolumina könnte nun auch noch eine zweite Erklärung in Betracht kommen. Bruns?) konnte am isotonisch arbeitenden Froschherzen, welches er bis zum Eintritt starker Er- müdung zum Schlagen zwang, neben Abnahme der Kontraktionskraft eine beträchtliche Vermehrung der diastolischen Dehnbarkeit feststellen. Es ist nun zuzugeben, dass auch in den vorliegenden Versuchen eine solche vermehrte Dehnbarkeit des Herzens, wenigstens in geringem Maasse, mitwirken könnte bei der Füllungsvermehrung der Ventrikel unter Chloroformwirkung; jedoch liest ein Beweis für diese Annahme in meinen Versuchen nicht vor. (Auch muss bemerkt werden, dass bei der gewählten Versuchsanordnung der direkte Nachweis einer primären ' Veränderung der Diastole nicht geführt werden kann.) In allen fünf Versuchen, welche zunächst eine reine Volum- zunahme aufweisen, tritt nach einiger Zeit allmählich eine messbare Abnahme des Schlagvolums hinzu; daher kommt es mit Regelmässig- keit zu einer Beschleunigung der Zunahme des Ventrikelvolums. Diese Tatsache macht es höchst wahrscheinlich, dass schon von Beginn der Chloroformwirkung an eine geringgradige Abnahme der Schlag- volumina vorhanden ist, welche jedoch der Messung entgeht. DER Moritz, |. c: 2) Bruns, Experimentelle Untersuchungen über das Wesen der Herz- schwäche infolge von Überanstrengungen. Deutsches Arch. f. klin. Med. Bd. 113 S. 179. 1914. 170 Ch. Soein: 2. Stadium II der Chloroformperiode. Auf Widerstandssteigerung reagiert das schon geschädigte Herz durch weitere rapide Abnahme der Schlagvolumina und durch stärkeres Ansteigen der Volumkurve. Widerstandserhöhung bedingt beim normalen Herzen vorüber- gehende Schlagvolumabnahme; die dabei eintretende Füllungszunahme des Ventrikels führt in mittleren Blutdrucklagen häufig zu völliger Kompensation, Auch bei dem schon beträchtlich geschädigten Herzen ist dieser Mechanismus wirksam. 2,0 BErRee BBREu 1,8 1,6 1,4 1,2 1,0 0,8 Ventrikelvolum 0,6 0,4 Blutdruck 142 4 156 156 157 mm Hg. Widerstandserhöhung Fig. 19. Veränderungen von Herzgrösse und Schlagvolum unter steigendem Druck beim geschwächten Herzen. Gleicher Versuch wie Fig. 8. Ordinate: Herzvolum in Kubikzentimetern. Abszisse: Zeit in Sekunden. Obere Linie der Kurve: Diastolische Füllung des linken Ventrikels. Von dieser Kurve ab- wärts sind die aus den Stromuhrwerten berechneten Schlagvolumina in doppelt so grossem Maassstab eingezeichnet. Vor der Widerstandserhöhung: Schlag- volum 0,21 ccm, bei + Widerstandserhöhung. 23 Sekunden später: Schlagvolum 0,11 ccm. 29 Sekunden später: Schlagvolum 0,10 ccm. 27 Sekunden später: Schlagvolum 0,13 ccm. Von hier an gleichbleibendes Schlagvolum unter weiterem Ansteigen des Ventrikelvolums. Experimentelle Untersuchungen über akute Herzschwäche. zalı Direkt auf die Widerstandserhöhung erfolgt hier, gleich wie in den Normalversuchen, eine beträchtliche Abnahme der Schlagvolumina, dieselbe wird aber, trotz der bereits schon weit fortgeschrittenen Schädigung des Herzens durch die Zunahme der Ventrikelfüllung - wieder langsam teilweise ausgeglichen. In der nachfolgenden Normalperiode desselben Versuches betrug das Schlagvolum beim gleichen Blutdruck noch mehr als das Doppelte. Die Schwächung des Herzens in dem durch die Figur dargestellten Moment war also eine sehr beträchtliche. Die eintretende Kompensation ist freilich nicht wie beim normalen Herzen eine vollständige, weil ja bei meinen Versuchsbedingungen während des Ablaufes der Zirkulationsveränderung die Schädigung des Herzens durch das Chloroform, also die Abnahme der Kontraktions- kraft, weiterschreitet. Auch ist für das Eintreten der Kompensation beim geschädieten Herzen, wie ein Vergleich mit Fig. 12 zeigt, eine relativ viel stärkere Füllungsvermehrung des Ventrikels und eine beträchtlich längere Zeitdauer nötig als beim normalen Herzen. Es ist jedoch der Nachweis geleistet, dass für das geschädigte Herz bei stark verminderter Kontraktions- kraft die Regel, dass die Füllungszunahme zu Schlag- volumvergrösserung führt, noch sicher Gültigkeit besitzt. Ähnliche Verhältnisse, wie in dem geschilderten Versuch, lassen sich übrigens auch in allen anderen Chloroformversuchen ‘erkennen, in welchen die Schädigung des Herzens einen mehr all- mählichen Verlauf nimmt. Sobald jedoch schon die allein durch das Chloroform bedingte Schlagvolumabnahme eine rasch fortschreitende ist, kann die bei jeder Widerstandserhöhung hinzutretende weitere Verminderung der Schlag- -volumina nicht mehr durch die rasch ansteigende Füllung des Herzens kompensiert werden; sie bleibt daher dauernd bestehen und nimmt sogar fernerhin an Stärke zu. Infolge der gleichsinnigen Wirkung von Blutdruckerhöhung und Herzschädigung auf die Grösse der Schlagvolumina kommt es bei steigendem Widerstand in allen Chloroformperioden zu einem bedeutend früheren Versiegen des peripheren Kreis- laufs als in den Normalperioden. Nebenstehende Tabelle zeiet, dass in allen Versuchen zwischen Normal- und Chloroform- perioden eine beträchtliche Differenz besteht. Als Vergleich dienen 172 Ch. Socin: die entsprechenden Werte der drei Normalversuche. Die gleiche Tatsache wird durch Fig. 20 dargestellt. Blutdruckhöhe, bei welcher das Versagen des peripheren Kreislaufseintritt. Ver CHENG Be Dean ale: Chloroformperiode Zweite Normalperiode mm Hg mm Hg mm Hg 44 204 72 124 45 224 98 165 46 240 40 nicht bestimmt 48 178 30 = a 5l 186 70 164 52 198 146 178 59 176 120 176 54 238 166 . 238 65 200 124 196 66 196 8 190 Normalversuche Erste Normalperiode [Zweite Normalperiode | Dritte Normalperiode 62 213 218 228 63 206 204 188 64 210 216 220 volum 0,6 0,5 0,4 0,3 0,2 0,1 ccm Blutdruck 60 80 100 120 140 160 180 200 220 240 mm Hg) Fig. 20. Schlagvolumina bei steigendem arteriellem Druck in drei Perioden eines Versuches. Versuch 54. 6. Mai 1914. Katze 2970 g. Herz-Lungenpräparat am künstlichen Kreislauf: Kammerplethysmograph. Ordinate: Schlagvolumina in Kubikzentimeter. Abszisse: Blutdruck in Millimeter Hg. —<----< Schlag- voluminain derersten und dritten Versuchsperiode(Normalperioden). <—— Schlag- volumina in der Chloroformperiode. Experimentelle Untersuchungen über akute Herzschwäche. 173 Die Coronarzirkulation (soweit sie aus der Differenz zwischen Plethysmographen- und Stromuhrwerten berechnet werden darf) lässt beim geschwächten Herzen mit steigendem Blutdruck eine Zunahme erkennen yleich wie beim normalen Herzen; mit sinkendem Blutdruck meist eine Abnahme. Bei steigendem Druck nimmt das Verhältnis von Coronardurchfluss zur Gesamtzirkulation, welches in den normalen Versuchsperioden bis zu hohen Druckwerten annähernd gleichblieb, kontinuierlich zu. Es scheint also, dass bei Abnahme der Gesamtzirkulation infolge Schädigung des Herzens die Coronarzirkulation verhältnismässig viel geringere Veränderung erleidet; vielleicht hängt dies mit einer direkten Wirkung des Chloroforms auf die Coronargefässe zusammen. Die Ventrikelfüllung nimmt bei steigendem Widerstand sehr viel stärker zu als bei der gleichen Widerstandssteigerung in der Normalperiode. Herz- Blutdruck 90 100 110 120 130 140 150 160 170 180 mm Hg. Fig. 21. Zunahme des Ventrikelvolums bei steigendem Blutdruck. Gleicher Ver- such wie Fig. 13. Ordinate: Schlag- und Ventrikelvolumina in Kubikzenti- metern. Abszisse: Blutdruck in mm Hg. Kurve a: Chloroformperiode. Kurve b: Darauffolgende Normalperiode. Zu beiden Kurven sind oben die diastolischen Volumina des linken Ventrikels eingetragen; von dieser Linie nach unten die Stromuhrwerte der Schlagvolumina. Dies zeigt Fig. 21 und 22. In Fig. 21 sind die diastolischen Ventrikelvolumina mit den Stromuhrwerten der Schlagvolumina einer Chloroformperiode und der darauffolgenden Normalperiode in ihrem Verhältnis zum arteriellen Blutdruck schematisch aufgezeichnet. 174 Ch. Socin: e Si Diastolisches Herzvolum D Blutdruck 80 90 100 110 120 130 140 150 160 170 180 190 200 mm Hg. Fig. 22. Versuch 66, Kurve 1 und 2. 22. Mai 1914. Katze: 2850 g. Äther- narkose; Vagotomie beiderseits. Tracheotomie, künstliche Atmung. Herz- Lungenpräparat am künstlichen Kreislauf. Kammerplethysmograph. Im Durch- strömungsblut drei Tropfen Suprarenin. Ordinate: Schlagvolum und Kammer- grösse in Kubikzentimetern. Abszisse: Blutdruck in mm Hg. Kurve 7 und 3: Normalperioden. Kurve 2: Chloroformperiode. Darstellung der Kurven wie in Fig. 21. (Die in Kurve 2 eingezeichneten Füllungen des linken Ventrikels können, da sie stets bei ansteigendem Herzvolum berechnet sind, nur als an- nähernd richtig gelten.) Beide Male geht die Kurve von fast derselben diastolischen Füllung und annähernd gleichem Schlagvolum aus. Der sehr viel steilere Verlauf der Kurve unter Chloroformwirkung steht direkt in Zusammen- hang mit der gleichzeitig auf der Kurve erkennbaren, sehr viel rascheren Abnahme der Schlagvolumina infolge Verringerung der systolischen Kraft des Ventrikels. Diese führt auf die oben aus- einandergesetzte Weise zu viel stärkerer Zunahme des systolischen Rastvolums als in der Normalperiode, also auch zu rascherem An- steigen der diastolischen Füllung. Einen Versuch mit rascher fortschreitender Schädigung des Herzens stellt Fig. 22 dar. In der Chloroformperiode (2) tritt hier von vornherein eine starke Abnahme des Schlagvolums und des Blutdruckes ein unter rapidem Ansteigen der Herzgrösse. Das Absinken des Blutdruckes kann nur ganz vorübergehend durch Widerstandssteigerung unter- Experimentelle Untersuchungen über akute Herzschwäche. 175 brochen werden. Die zwei Normalperioden (1 und 3) zeigen einen gleichmässigen Verlauf; nur ist in Periode 3 die Ventrikelfüllung dauernd um zirka 2 cem grösser als in Periode 1. Bemerkenswert ist ferner, dass die maximale diastolische Ventrikeldehnung in den Chloroformkurven noch um ein weniges hinter der Ventrikeldehnung in den nächsten folgenden Normalkurven zurückbleibt. Dies Verhalten findet sich, mit einer geringen Ausnahme (Versuch 65, Chloroform- periode: Maximale diastolische Füllung + 1,21 cem gegenüber der nächstfolgenden Normalperiode) in allen Versuchen. Die absolute Grösse der Ventrikelfüllung bei Versuchen der peripheren Zirkulation ist also keine derartige, dass sie als pathologisch angesehen werden muss; sie ist abnorm nur in Vergleich mit dem geringen arteriellen Widerstand, durch welchen sie bedingt wird. Diese Tatsache spricht auch stark gegen das Vorhandensein einer vermehrten diastolischen Dehnbarkeit des durch Chloroform geschädigten Herzens. Starke Verminderung des arteriellen Blutdruckes hat bei dem geschwächten Herzen qualitativ die gleichen Erscheinungen zur Folge wie in der Normalperiode: Zunahme der Schlagvolumina und Verminderung der Ventrikelfüllung. Dies tritt jedoch nur ein, wenn die Schädigung des Herzens keine zu hochgradige ist. Erst Abstellen der Chloroformzufuhr führt in letzterem Fall zu allmählicher Verringerung der Ventrikelgrösse unter langsamem Ansteigen der Schlagvolumina. Die Schlagfrequenz zeigt während der Chloroformperioden keine regelmässigen Veränderungen. Bei zunehmender Schwäche des Herzens findet sich sowohl Abnahme (sechsmal) derselben wie Zunahme. (sechsmal); gelegentlich auch völliges Gleichbleiben bei starker Schädigung des Herzens (zweimal). Bei Herzschwäche wird in der Klinik häufig, besonders unter dem Einfluss plötzlich erhöhter Arbeitsleistung, eine Vermehrung der Schlag- frequenz beobachtet. Im Experiment am isolierten Herzen ist eine solche Frequenzvermehrung bei Arbeitserhöhung nicht die Regel; es hängt dies wohl mit dem Fehlen zentral-nervöser Einflüsse auf das Herz zusammen. 3. Venöser Druck. Auf Veränderung des venösen Druckes tritt beim geschwächten Herzen wie in den Normalversuchen eine Vergrösserung des Ventrikel- 176 Ch. Socin: volums ein. Dabei kommt es jedoch wegen Fortschreiten der Chloroformwirkung nicht zu einer Vergrösserung der Schlagvolumina. Zu Fig. 23 stellt die obere Linie das Ansteigen der Zeit- volumina beim Normalherzen unter dem Einfluss einer venösen Druck- steigerung von 10 cm Blut dar. Infolge der zunehmenden Schlag- volumina steigt der arterielle Blut- druck. Bei der gleichen venösen Drucksteigerung vermehrt das durch Chloroform geschädigte Herz (untere, ausgezogene Linie) seine Minutenvolumina nicht; es kommt jedoch während einiger Zeit trotz fortschreitender Chloroformwir- Minutenvolum cem Venöser Druck 16 26 kung zu eleichbleibender Herz- cm u = Art. Druck 101 127 1 o [0% * m 8 10 leistung als Folge der Vermehrung Fig. 23. Gleicher Versuch wie Fig. 14. des Ventrikelvolums; der arterielle ><----><——> Minutenvolumina in 3 der Chloroformperiode. unverändert. Aus den bisher angeführten Versuchen geht hervor, dass beim geschwächten Herzen eine deutliche Verminderung der Kontraktions- kraft nachzuweisen ist. Im weiteren soll untersucht werden, wie sich diese Veränderungen der Herzkraft in der einzelnen Kammersystole geltend machen. Zu diesem Zweck wurden nach der eingangs erwähnten Methode am im Kreislauf befindlichen Hundeherzen der Druck in der linken Kammer und deren gleichzeitige Volumschwankungen registriert bei steigender Kompression der Aorta. Nach Aufnahme einer Normal- periode wurde das Herz unter Chloroformwirkung gesetzt und gleich- falls eine Kompressionsreihe geschrieben. Die Chloroformwirkung macht sich auch in diesen Versuchen bei unveränderter Aortenweite sofort geltend durch eine Zunahme der Kammerfüllung (in einem Versuch trat von Anfang der Chloro- formzufuhr an Abnahme des Kammervolums ein, offenbar infolge peripherer Gefässerweiterung und mangelhaftem Zufluss zum rechten Herzen). Experimentelle Untersuchungen über akute Herzschwäche. 17 =] Auf Kompression der Aorta reagiert das Herz mit weiterer beträchtlicher Füllungszunahme. Dabei steigt der Kammer- druck wieder etwas an. Versuch la. Hund. m] 1. Normalperiode. | 2. Chloroformperiode. Ventrikeldruck __Ventrikeldruck 3. Erholung stand mm Hg mm Hg 10 77 | —_ _ 8 uk | 38 Kar 7 > — — 4 224 | Sl 86 (52 Sekunden nach Ausschalten des | Chloroforms) Obenstehende Tabelle zeigt, dass das Normalherz bei nicht oder wenig verengter Aorta (Kompressoriumstand 10 und 7) bedeutend höhere Kammerdrucke erreicht als das geschwächte Herz bei geringer Kompression (8). Bei starker Verengerung der Aorta (Kompressorium 4) zeigt die Normalperiode einen Anstieg auf 224 mm Hg., während das schwache Herz im Maximum bei gleicher Kompression nur51 mm Hg. erreicht. Dabei besteht in den Chloroformperioden bei der Kom- pression 4 stärkere Ventrikelfüllung als in der Normalperiode. Sobald mit der Chloroformzufuhr ausgesetzt wird, nimmt das Herzvolum wieder ab; trotzdem ist, wie Tabelle zeigt, schon nach 52 Sekunden der maximale Kammerdruck bei gleichbleibender Stenosierung wieder auf 86 mm Hg. gestiegen. Auch aus diesen Zahlen zeigt sich deutlich die verminderte Kontraktionskraft des Ventrikels unter Chloroformeinwirkung. Ergebnisse. 1. Durch Versuche am Säugetierherzen mit künstlichem Kreis- lauf (Starling) lassen sich alle für die Dynamik des Säugetier- herzens gültigen Regeln (vgl. oben 8. 162 f.) bestätigen und in ihrer Wirkungsweise klar demonstrieren. Infolgedessen war es möglich, mit dieser Methode die Dynamik des normalen Herzens ganz durch- ‚zuuntersuchen und mit der Dynamik des geschwächten Herzens zu vergleichen. 2. Akute Schädigung des am künstlichen Kreislauf arbeitenden Herzens durch Chloroform ergab folgende u die Dynamik des schwachen Herzens wichtige Tatsachen: Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd. 1€0. 2 12 Ch. Socin: en I oo a) Die Schädigung des Herzens führt zu einer Herabsetzung der Kontraktionskraft des Ventrikels, betrifft also die Systole. b) Eine Veränderung der Diastole konnte nicht mit Sicherheit nachgewiesen werden. c) Es erwies sich, dass für die Dynamik des akut geschädigten Herzens die gleichen Regeln gelten wie für das normale Herz. In- folge der herabgesetzten Kontraktionskraft erleiden diese Regeln jedoch, im Vergleich mit dem Normalzustand, quantitative Verschie- bungen, die sich folgendermaassen formulieren lassen : 1. Bei konstantem Widerstand und wachsenden Füllungen steigen die Schlagvolumina beim schwachen Herzen weniger an als beim normalen Herzen. — Das systolische Herz- volum und damit auch die Menge Residualblut im Ventrikel ist daher beim schwachen Herzen stets grösser als beim normalen. und steigt mit wachsender diastolischer Füllung rascher an. = 2. Dei gleicher Füllung und wachsendem ai % vell emWiderstand nehmen die Schlagvolumina des geschwächten Herzens, stärker ab als die des normalen Herzens. Das schwache Herz stellt also bei gleicher Füllung die Blutaustreibung schon bei geringerem Widerstand ein als das normale. 3. Um bei wachsendem Widerstand doch gleiche Schlagvolumina auszuwerfen wie das normale Herz, hat das schwache Herz grössere Füllungen nötig. Es wird also denselben maximalen Widerstand wie das normale Herz nur. bei grösserer Füllung überwinden können. 4. Die relativ grosse Dilatation ist also ein Symptom der Herzschwäche, führt aber, wenn die Herzschwäche nicht zu schnell progredient ist, zu teilweiser Kompensation der geschädigten Funktion. Anhang. Im Verlauf der beschriebenen Versuche wurden häufig Unregel- mässigkeiten der Herzschlagfolge beobachtet. Die hierbei aufgezeichneten Kammerplethysmogramme zeigen eine Reihe von Besonderheiten, welche hier noch Erwähnung finden sollen, obgleich die bei langsamem Kymo- graphiongang geschriebenen Kurven eine eingehende Analyse nicht gestatten. a) Normalversuche. In sieben Normalversuchen traten bei hohem arteriellem Druck Extrasystolen vereinzelt oder in Gruppen auf, als deren aus- lösende Ursache sich in den meisten Fällen eine plötzliche Widerstands- Experimentelle Untersuchungen über akute Herzschwäche. 17 steigerung erkennen liess. weist in diesen Versuchen einige bemerkenswerte, tretende Eigentümlichkeiten auf. systolen sind als ventrikuläre anzusehen, Die Form des Ventrikelplethysmogramms sanz konstant auf- (S. Fig. 24 u. 25.) Die Extra- da sie stets von einer deut- lichen kompensatorischen Pause gefolgt sind. Fig. 24. Extrasystolen. Gleicher Versuch wie Fig. 3. Dritte Druck- _steigerungsperiode. Mittlerer ar- ' terieller Blutdruck 196 mm Hg. _ Venöser Druck 15 cm Blut. Regel- mäßige Herzaktion, unterbrochen von vereinzelten Extrasystolen. Diastole vor der Extrakontraktion ‚unvollständig; bei der Extrakon- :. traktion Maximum der Systole wie in den Normalkontraktionen (a) Fig. 25. Extrasystolen. Gleicher Versuch wie Fig. 3. Mittlerer ar- terieller Blutdruck um 200 mm He. Venöser Druck 16 cm Blut. Regel- mäßige Herzaktion, unterbrochen von Extrasystolen. Diastole vor der Extrakontraktion unvollständig. Ent- leerung der Kammer bei der Extra- systole bedeutend vollständiger:als in den Normalperioden. Daärauffolgende | Diastole geht annähernd gleich weit oder etwas höher (b). Darauf- wie in den Normalperioden. folgende Diastole bedeutend aus- giebiger alsin den Normalperioden. Die der Beakonteak on vorausgehende Diastole (auf der Kurve nach oben) ist infolge ihrer abgekürzten Dauer eine unvollständige. Bei der Extrasystole selbst ist die Entleerung des Ventrikels gerade so vollständig wie bei den vorausgegangenen Normalkontraktionen (Fig. 24), häufig sogar noch etwas stärker (Fig. 25). Das geleistete Schlagvolum ist jedoch stets geringer als normal. In der darauf- folgenden Diastole erhält der Ventrikel eine bedeutend stärkere ‚Füllung als normal, offenbar infolge der verlängerten Diastolendauer und der durch die vorhergehende unvollständige Diastole hervorgerufenen venösen Stauung. Eine ähnliche Beobachtung machte Gerhardt!) bei ‚Registrierung von Kammerplethysmogrammen des Kaninchenherzens, in. seinen Versuchen scheint ‘jedoch die starke Diastole bedingt zu sein durch eine unvollständige Entleerung der Kammer während der Extra- 1) D. Gerhärdt, . c. 180 Ch. Socin: systole (Restvolum). Jedenfalls demonstrieren diese Beobachtungen sehr gut die starke Veränderung der Herzkontraktion in der post- extrasystolischen Periode und deren wahrscheinliche Ursachen, Eine bemerkenswerte Form zeigte ferner das Kammerplethys- mocramm der Extrasystolen in V. 66. (Fig. 26.) Fig. 26. Extrasystolen. Gleicher Versuch wie Fig. 9. Mittlerer arterieller Blut- druck 134 und 160 mm Hg. Regelmässige Herzaktion mit serienweise und einzeln auftretenden Extrasystolen. Systolische Entleerung in der Herzperiode vor der Extrasystole stärker als in den Normalkontraktionen. Bei der Extrakontraktion: systolische Entleerung weniger vollständig als in der unmittelbar vorausgehenden Periode, jedoch stärker als in den Normalperioden. Darauffolgende Diastole aus- 2 giebiger als in den Normalperioden. Hier erfolgte mit Regelmässigkeit in der der Extrakontraktion vorausgehenden Systole eine stärkere Entleerung der Kammer als in den vorherigen Normalsystolen; der weitere Ablauf der Extrakontraktion gestaltet sich gleich wie in den übrigen Versuchen. Worauf diese vor der Extrasystole eintretende deutliche Systolenverstärkung beruht, lässt sich ohne weitere Versuche nicht mit Sicherheit angeben. Eine weitere Form unregelmässiger Herztätigkeit, welche in 6 von 16 Versuchen bei hohen Druckwerten über 160 mm Hg auftrat, lässt sich als Alternans deuten. Es zeigt sich hier ein andauernder Wechsel zwischen kleinen und grossen Schlagvolumina von annähernd gleichem Intervall. Wie bei den Extrasystolen beruht die Differenz in der Systolengrösse haupt- sächlich auf einer Verschiedenheit der Diastole. Dieselbe ist vor den kleineren Kontraktionen weniger vollständig als vor den grossen; die maximale systolische Kammerentleerung ist im Gegensatz dazu bei den. kleinen Systolen stärker als bei den grösseren der gleichen Reihe. Wenkebach!) weist in seinem eben erschienenen Buche auf ‚die 1) K.A. Wenkebach, Die unregelmässige Herztätigkeit und ihre klinische Bedeutung. Leipzig 1914. Experimentelle Untersuchungen über akute Herzschwäche. 181 Fig. 27. Alternans. Gleicher Versuch wie Fig. 20. Oben: Volumkurve. Unten: Blutdruck (Hg-Manometer). Zeit: Sekunden. Arterieller Druck 224 mm Hg. Venöser Druck 16 cm Blut. Regelmäßiger Wechsel von kleinen und großen Systolen. Systolische Entleerung bei den kleinen Systolen vollständiger als bei den großen. Diastolische Füllung vor den großen Systolen vollständiger als vor den kleinen. Bei a eine Extrasystole, begleitet von starker Blutdruckschwankung. Möglichkeit einer Erklärung bestimmter Formen des Herzalternans aus Füllungsveränderungen der Ventrikel- infolge geringer Variationen der Diastolenlänge bei bestehendem hohen Blutdruck hin. Die in meinen Versuchen erhaltenen Alternansperioden lassen in der Tat stets wechselnde Füllung der Ventrikel erkennen; eine genauere Analyse lässt sich jedoch leider nicht durchführen. Es soll nur bemerkt werden, dass die beobachtete Alternation nicht als Bigeminie gedeutet werden kann, da sich nicht selten in Perioden von solcher Alternation noch einzelne Extrasystolen einschieben, wie auch Fig. 27 zeigt. Gegen Extrasystolie als Ursache dieser eigen- tümlichen Schlagfolge spricht auch die Beobachtung von Übergangs- perioden der normalen Schlagfolge in die alternierende; dieselbe voll- zieht sich ganz allmählich unter regelmässiger Abnahme der Diastolen- höhen in jeder zweiten Herzperiode. b) Chloroformversuche. Veränderungen der Schlagfolge wurden in den Chloroformperioden meiner Versuche seltener beobachtet als in den Normalperioden. Dies steht damit in Zusammenhang, dass hier nie so hohe arterielle Druck- werte erreicht werden wie bei kräftigen Herzen. Es findet sich: Extrasystolie zweimal (gegen siebenmal in den Normalperioden) und Alternans zweimal (gegen sechsmal in den Normal- perioden. Die Form des Kammerplethysmogramms während dieser Unregelmässigkeiten weicht von der in den Normalperioden beobachteten Form nicht ab. Eine direkte Erregung der tertiären Reizbildungs- . stätte durch die Chloroformwirkung scheint nicht zustande zu kommen, 182 Ch. Socin: Experim. Untersuchungen über akute Herzschwäche. Fig. 25. Gleicher Versuch wie in Kurve 7. Arterieller Blutdruck 234 mm Hg. Venöser Blutdruck 16 cm Blut. Langsamer Übergang von regelmäßiger Herz- aktion zu alternierender Schlagfolge. Auffällig ist die relative Seltenheit des Alternans in den Herz- schwächeperioden gegenüber den Normalperioden, da diese Rhythmus- störung im allgemeinen als Ausdruck einer Herabsetzung der Kon- traktionskraft gedeutet wird. In neuerer Zeit hat Wenkebach!) darauf hingewiesen, dass hoher Blutdruck für das Auftreten von Herzalternans disponierend wirkt ; meine freilich nicht sehr zahlreichen Versuchsergebnisse sprechen ebenfalls deutlich in diesem Sinn. Andererseits kann es keinem Zweifel unterliegen, dass auch Schwächung der Herztätigkeit an sich zu Alternans führen kann. Diese lässt sich besonders am isolierten Herzen bei Verwendung des LangendorftVerfahrens stets beobachten, wenn aus irgendeinem Grunde das Herz schlechter schlägt. 2) Winkebach, 151% 183 Über die absolute Kraft der Muskeln im menschlichen Körper. Von 3. H. ©. Reys, Arzt im Haag (Holland). (Mit 3 Textfiguren.) I. Einleitung. Schon Borelli!) hatte 1680 Versuche gemacht, die Muskeikraft kennen zu lernen. 1837 macht Schwann’?) eingehende Versuche betreffs der Kraft ausgeschnittener Muskeln; dies war Weber aber nicht genug; er wollte die absolute Kraft von Muskeln im menschlichen Körper unter dem Einfluss des Willens kennen. Zu diesem Zwecke suchte er eine Bewegung, welche einfach genug war, um die benötigte Kraft zu berechnen und wählte dazu den Zehenstand?). Von da an bis heute findet man diese Probe jedesmal wiederholt und aufs neue berechnet, aber immer wieder gibt es andere Auffassungen. 1896 schrieb Hermann): Trotz vielfacher, verdienstvoller Arbeiten ist der Gegenstand aber bisher noch immer nicht vollkommen aufgeklärt worden. Und auch jetzt trifft dies noch immer zu. Das Problem ist folgendes: Welche ist die grösste Kraft, die der Körper ausüben kann, wenn er aus dem Stand in den Zehen- stand kommt? Berechnet aus dieser Kraft und dem physiologischen Querschnitt der Muskeln die Kraft per Quadratzentimeter. 1) De Motu animalium Rome 1680 pars prima Propositio XXI, XXVIIJ, XL, XLI, LII, LXXXVI, LXXXVII Von diesem Werke bestehen mehrere Ausgaben. So fand ich, dass es in Leiden erschienen war, während ich ein Werk zu meiner Verfügung hatte, das gezeichnet war: Hagae Comitum apud Petrum Goise 1743.” Im Jahre 1680 erschien die erste Ausgabe in Rom. 2) Müller’s Physiologie Bd. 2. S. 59. 1837. 3) Art. „Muskelbewegung“ in Wagner’s Handwörterb. d. Physiol. Bd. 3. 4) Arch. f. Physiol. Bd. 62. S. 603. 1896. Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd. 160. 13 184 J. H. 0. Reys: In erster Linie wird man sich mit der mechanischen Seite be- schäftigen müssen, und darüber bestehen viele voneinander ab- weichende Meinungen. Der Fuss wirkt bei dieser Bewegung als Hebel. Der Drehpunkt dieses Hebels liegt im Metatarsophalangeal- gelenk der grossen Zehe. Hierhin wird er auch von Weber, Meyer’), Eischer?), Du Bois Reymond>), Hermann) und Grützner?) verlegt, während Henke‘), Koster”), Ewald®) uud Demeny?°) den Drehpunkt in das Knöchelgelenk legen. Wie kommen sie zu dieser fehlerhaften Meinung? Henke und Koster geben keine Erklärung, Ewald wohl, aber jedesmal macht er einen Fig. 2. grossen Fehler in der Beweisführung. Weil der Fuss oft als zwei- armiger Hebel mit dem Drehpunkt im Knöchelgelenk wirkt, will er ihn auch beim Zehenstande so betrachten. Als ob ein Stock nicht hintereinander abwechselnd als Hebel erster, zweiter und dritter Ordnung angewendet werden kann! Auch bestimmt er die Hebel- 1) Statik und Mechanik des menschlichen Knochengerüstes S. 395. 1873. 2) Arch. f. Anat. 1894. 3) Arch. f. (Anat. u.) Physiol. 1895. 4) Die Ablösung des Fusses vom Boden. Pflüger’s Arch. Bd. 62. 1896. — Zur Messung der Muskelkraft am Menschen. Pflüger’s Arch. Bd. 73. 1898. 5) Über den Mechanismus des Zehenstandes. Pflüger’s Arch. Bd. 73. 1898. 6) Zeitschr. f. rat. Med. Bd. 24. 1865, und Bd. 32. 1868. — Beitrag zur Bestimmung der absoluten Muskelkraft. Dissert. Marburg 1865. 7) Ned. Arch. voor Genees- en Natuurkunde p. 34. 1868. 8) Die Hebelwirkung des Fusses, wenn man sich auf die Zehen erhebt. Pflüger’s Arch. Bd. 59. 1894. — Wiener klin. Wochenschr. 1895. — Pflüger’s Arch. Bd. 64. 1896. 9) Mechanisme et Education des Mouvements. Paris 1907. Über die absolute Kraft der Muskeln im menschlichen Körper. 185 arme nach den Abständen, welche die Punkte durchlaufen, aber diese Abstände misst er fehlerhaft. Wo wir mit dem Fuss als Hebel zu tun haben, nimmt Ewald den Abstand, welcher den obersten An- heftungspunkt der Triceps surae durchläuft! Wir haben hier leider keinen Raum, seine Beweise eingehend zu widerlegen. Demeny gibt als Beweis, dass ein einarmiger Hebel unmöglich ist, die Fie. 1 und 2, worin die Person den Schubwagen und das Brett nicht heben kann. Aber diese Zeichnungen sind falsch, und ich nehme mir die Freiheit, die korrigierte beizufügen (Fig. 3 u. 4). Der Drehpunkt des Fusses ist im Metatarsophalangealgelenk der grossen Zehe, das ist der einzige feste Stützpunkt. Fig. 3. Fig. 4. Grützner!) hat Photographien vom sich bewegenden Fusse und Abdrücke auf berusstes Papier gemacht; und diese lehren ihn, dass der Fuss sich abwickelt wie ein Schaukelpferd, so dass eine feste Achse, um welche der Fuss sich dreht, nicht anzugeben ist. Er macht aber seine Photographien von der lateralen Seite. Da es uns jedoch erwünscht erschien, dieselben von der medialen Seite auf- zunehmen, weil doch hauptsächlich die grosse Zehe stützt, wie schon Meyer?) behauptete, haben wir derartige verfertigt. Und diese Photos lehrten uns: 1. Das Köpfehen vom ersten Mittelfussbein war absolut scharf, hatte also ganz still gestanden. 2. Die übrigen Punkte am Fuss beschrieben konzentrische Bogen um diesen Punkt, so dass ich hier ganz im Widerspruch mit Grützner stehe. Der Kraftpunkt, darüber sind alle Autoren einig, liegt im Angriffs- punkt der Achillessehne, der Lastpunkt im Knöchelgelenk. Hier liegt I) IE @ 2) Statik und Mechanik des menschlichen Fusses. 1896. 13° 186 J. H. O, Reys: unseres Erachtens der grosse Streitpunkt. Wenn sich der Körper nach vorne neigt, wie es erforderlich ist beim Zehenstand, drückt nicht mehr das ganze Körpergewicht auf den Fuss, und es fällt die Schwerlinie vor das Knöchelgelenk, aber das ändert nichts am Last- punkt. Immer drückt die Last ganz oder zum Teil im Knöchelgelenk auf den Fuss. Der Zehenstand verläuft nun wie folet: Bevor die Ferse den Grund verlassen kann, muss die Schwerlinie in oder vor die Metatarsophalangealgelenke fallen. Auch hierüber ist viel gestritten worden. Ewald erklärt den Zehen- stand möglich, wenn die Schwerlinie hinter die Gelenke fällt. Hermann!) sagt hierüber: „Daher waren selbst Muskeln vom tausendfachen der vor- handenen Kraft nicht imstande, in dieser Stellung die Fersen auch nur um 1 mm zu heben. Wenn dies scheinbar für einen Moment gelingt, so hat man in Wirklichkeit eine Art Sprung gemacht.“ Fick stimmt Ewald bei?), seine Ansicht wird aber von Hermann bestritten®). Es liegen hier Be einige Missverständnisse vor. Fick macht in seine Berechnungen einen prinzipiellen Fehler. Er lässt in Fig. 5 auf den Unterschenkel de das Moment dk und cn wirken, das sind die horizontalen Kom- ponenten der Muskelkräfte dg und bh. Von d% ist dies richtig, aber cn (das heisst bl) wirkt auf den Fuss und kann niemals auf den Unterschenkel wirken. Einen zweiten Fehler macht er, wenn er sagt, als Schluss seiner Berechnungen: Wenn also bm grösser ist als 3 ce, so muss sich der Fusshebel drehen. Das würde wahr sein, wenn bm einen festen oberen Angriffspunkt hätte. Nun macht der Wadenmuskel eher den Unterschenkelhebel nach hinten drehen. Aber, wie gesagt, es liegt hier ein Missverständnis vor. Fick Va 1) Pflüger’s Arch. Bd. 62. 1896. 2) Pflüger’s Arch. Bd. 75. 1899. 3) Pflüger’s Arch. Bd. 81. 1905. Über die absolute Kraft der Muskeln im menschlichen Körper. 187 behauptet, dass es möglich ist, die Fersen vom Boden zu erheben, wenn die Schwerlinie hinter die Achse der Metatarsal- köpfchen fällt. Und dies ist in der Tat möglich. Hermann be- hauptet, dass in einer solchen Lage der Schwerlinie Gleichgewicht unmöglich ist, und auch dieses ist wahr. Einen wirklichen Zehenstand kann man nicht bekommen. Der Körper fällt immer hinten über. Und das kann aus der Zeichnung leicht berechnet werden. Wir haben dann mit zwei Hebeln «b und cd zu tun. Betrachten wir erst «5b; dann fällt 51 wee, neutralisiert durch die Reibung in a. Wenn cd senkrecht steht, wirkt aufe: cf+ce, und _ auf 5:bm. Wir nennen ce=p und cf = bm. Fürs Gleich- gewicht muss dann bm 108 kg — 374,18 kg. 194 J. H. O. Reys: Der Fuss wirkte hier als reiner, zweiarmiger Hebel, mit Armen, welehe sich verhielten wie 3:1, so dass also an der Achillessehne eine Kraft von 3 X 8374,18 kg — 1122,54 kg wirkte oder in einem Fuss von 561,27 kg. Diese Zahl stimn:nt also sehr gut überein mit der Zahl vom Zehenstand (571,50 kg), so dass ich auch aus diesem Grunde der Probe mit dem Knieheben misstraue. Noch andere Proben wurden von mir angestellt, wobei das Knöchelgelenk festgesetzt wurde, diese befriedigten aber nicht. Man muss sich nicht vorstellen, dass diese Proben so leicht sind, und sehr vieles ist abhängig von den Bedingungen, unter welchen die Probe gemacht wird. Für die Hilfe, welche die Herren Ritter und Fröhlich mir hierbei geleistet haben, spreche ich denselben meinen herzlichen Dank aus. Bei meinen weiteren Berechnungen habe ich nun die mittlere Zahl der Resultate vom Zehenstand und von der Sitzprobe (571,50 und 561,27 kg) als Grundzahl angenommen, nämlich S — 566,40 ke. Nach allen diesen Zahlen will ich noch bemerken, dass ich die Berechnung erst machte, wenn die Probe abgelaufen war; und die Berechnungen wichen bei jeder Probe voneinander ab, so dass die Personen nicht durch das Resultat inspiriert wurden. III. Die absolute Kraft. Es ist selbstverständlich, dass diese Zahl uns wohl interessiert, unter anderem als Last, welche eine Sehne selbst und seine An- heftungspunkte tragen kann. Von der Muskelkraft im allgemeinen sagt sie uns aber noch wenig. Um nun von diesem speziellen Fall zu einer allgeneinen Zahl zu kommen, einer „absoluten Muskel- kraft“, müssen wir uns erst gut vorhalten, was wir darunter zu ver- stehen haben, und daran denken, dass wir ausschliesslich über Muskeln im menschlichen Körper unter Einfluss des Willens sprechen. Wohl geben Weber, Hermann und Frank Definitionen über „das absolute Maass“, aber diese sind hier nicht zu gebrauchen. Weber!) spricht über die Kraft, die den Muskel im Tetanus bis auf seine Länge in Ruhe ausreekt, worauf beide einander im Gleich- gewicht halten. Diese Ruhelänge kommt aber bei Muskeln im Körper nieht vor, abgesehen von pathologischen Fällen, wie Muskel- abreissungen usw., und wir kennen diese gar nicht. Auch der Tetanus 1. e. 8.91. Über die absolute Kraft der Muskeln im menschlichen Körper. 195 ist kein konstanter Zustand. Hermann spricht über „die grösste Kraft, ohne dass der Muskel seine natürliche Länge ändert“, was müssen wir hier aber verstehen unter „natürlichen Länge‘? Frank will ein Maximum von isometrischen Kurven. Diese Definitionen sind also nicht zu gebrauchen für die Muskeln im Körper. Daher kam ich dazu, die folgende Definition aufzusetzen: Die absolute Kraft von Muskeln im Körper unter Einfluss des Willens ist die grösste Kraft, die im Verlauf der Kontraktion in die Längerichtung der Endsehne ausgeübt werden kann. Wir wollen diese die „natürliche absolute Kraft“ nennen. Die gefundene Zahl, dividiert durch die Anzahl Quadratzentimeter des physiologischen Durchschnittes und zurückgeführt zu der Kraft senk- recht auf diesen Durchschnitt, ist die „natürliche absolute Kraft pro Quadratzentimeter“. Wir müssen noch folgendes dabei bemerken: Den Reiz denkt man sich immer maximal. Die letzte Bestimmung ist eingeführt, um hervorzuheben, dass die Kraft, welche auf die Sehne wirkt, berechnet werden muss und nicht die Kraft, welche auf die Extremität wirkt, dass also mit anderen Worten die mecha- nischen Verhältnisse für alle Muskeln gleichgemacht werden müssen. Die Quintessenz dieser Definition liegt aber im Wort „grösste®. Diese Kraft wird man also, infolge des Gesetzes von Schwann, bei der grössten Länge des Muskels finden, so dass die Kraft in diesem Stande berechnet werden muss. Es ist sehr wahrscheinlich, dass diese natürliche absolute Kraft pro Quadratzentimeter von ver- schiedenen Muskelgruppen, grosse Differenzen geben wird, ja, schon jetzt liest es auf der Hand, anzunehmen, dass diese Kraft der proximierenden Muskeln, grösser sein wird als die der distierenden. Gesetzt, viele Experimente hätten in der Tat dieses Resultat gegeben, dann will ich schon jetzt darauf hindeuten, dass das dann noch nicht beweist, dass die Muskelsubstanz in beiden Fällen von unsleicher Kraft ist. Es kann ja ebensogut möglich sein, dass der eine Muskel in seiner äussersten Länge mehr ausgereckt ist als der andere, dass der eine also günstiger wirkt als der andere. Ein grosses Arbeitsfeld liegt noch brach. Es ist für die Bestimmung dieser Kraft nicht nötig, der Be- wegung in allen ihren Phasen zu folgen, um die grösste Zahl zu finden. Denn wir sind schon im Besitze von Zahlen und Figuren, die uns die Veränderungen der Kraft während der Bewegung geben. 196 JH OR ey: M. Herz!) hat dafür einen Apparat verfertiet, das Kymo- sraphion, und damit Kurven gezeichnet, die diese wechselnde Kraft darstellen. Leider hat er nur zwei Kurven publiziert, da er meinte, wie er mir in einer Privatkorrespondenz mitteilte, dass die Frage nicht genug Interesse erregen würde. Ich hin der entgegengesetzten Meinung. Wenn man diese Kurven als richtig anerkannt hat, wird es genügen: 1. Die grösste Kraft bei einer bestimmten Bewegung in einem bestimmten Stande zu suchen. 2. Diesen Wert in die Kurven einzuführen. 3. Die mechanischen Verhältnisse für den höchsten Punkt dieser Kurve in Betracht zu ziehen, um diese Kraft zurückzuführen zu der Kraft, welche auf die Sehne ausgeübt wird. Hätten wir also eine Kurve über die Plantarbeugung des Fusses, dann könnten wir unsere gefundene Zahl einführen und daraus laut unserer Definition die absolute Kraft berechnen. Herz gibt aber diese Kurve nicht, und wir waren noch nicht imstande, selbst eine zu verfertigen. Die von uns gefundene Zahl ist also nicht die absclute Kraft, aber die grösste Kraft bei dem rechtwinklig auf den Unterschenkel gebogenen Fuss. IV. Über den physiologischen Querschnitt. Da Weber, Koster und Hermann die gefundene Kraft zurückgeführt haben zu der Kraft pro Quadratzentimeter, wollen wir dies auch tun, ausdrücklich hinzufügend, dass wir nur die Kraft wissen, wenn der Fuss rechtwinklig auf dem Unterschenkel steht. Wir müssen dann zu dem physiologischen Querschnitt PO kommen. Auch hierüber sind schon viele Meinungen verkündet. Alle Autoren haben jedoch die Peronaei und die Muskeln hinter dem inneren Malleolus vergessen oder vernachlässigt. Ohne Zweifel ist dadurch das Problem unendlich viel einfacher geworden. Einige Autoren geben an, dass sie diese Muskeln vernachlässigen, weil sie so dieht hinter der Knöchelachse laufen und also ein sehr geringes Moment haben. Ich glaube, dass das nicht richtig ist. Will man sie vernachlässigen, gut, aber nicht aus diesem Grunde. Die Wirkung eines Muskels ist ja abhängig: 1) Lehrbuch der Heilgymnastik. Berlin und Wien 1903. Über die absolute Kraft der Muskeln im menschlichen Körper. 197 1. Vom Abstand zwischen Anheftungspunkt und Gelenkachse, und dieser ist bei den meisten dieser Muskeln nicht kleiner als bei den Wadenmuskeln; 2. vom Winkel, unter welchem die Muskeln angreifen. Da dieser sehr klein ist, und da weiter der Querschnitt dieser Muskeln nicht gross ist, wird der gemachte Fehler auch nicht gross sein, und wir wollen ihn auch begehen. Das Problem bleibt doch noch ein sehr schweres. Athabegian, den wir schon zitierten, sagt: „Bei dem un- gemein komplizierten Bau der Wadenmuskulatur, bei unserer noch zu geringen Kenntnis von Konstruktion und Funktion seiner einzelnen Abteilungen sind wir aber ausserstande, die beschriebene Ab- hebum®eer..... “. Das war noch 1903. Allerdings ist der Wadenmuskel ausserordentlich kompliziert. Muskelfasern wechseln mit Bindegewebeblättern ab, die Muskelfasern setzen sich unter verschiedenen Winkeln an der Sehne fest. Und diese Winkel wechseln, werden stumpfer, je nachdem die Kontraktion fortschreitet, so dass dann die Komponente der Kraft in der Richtung der Sehne kleiner wird !). Es ist also nicht leicht, den in Betracht kommenden Querschnitt zu bestimmen. Weber tat dies wie folet: Wenn man das Gewicht der Muskeln dividiert durch das spezifische Gewicht (1,058), bekommt man das Volumen. Dieses Volumen dividiert durch die Länge der Muskel- fasern gibt den Querschnitt. So erzielte er eine mittlere Zahl von 153,15 qem. Koster macht hiergesen Einwendungen. Stellt man sich 153 qem als ein Quadrat vor, mit Seiten von 12!/g cm, sagt er, dann sieht man sofort, dass Weber hier einen grossen Fehler macht. Es gibt keinen Wadenmuskel, der so diek ist. Koster berechnete dann den Querschnitt aus Abbildungen und erreichte eine Zahl von 66 qem. Offenbar vereisst Koster hier, dass die Wadenmuskeln gefiedert sind, und dass also der physiologische Querschnitt genommen werden muss, der doch viel grösser ist als der anatomische, den Koster berechnete. | Hermann teilt den Muskel in Bündel von gleichlaufenden Fasern, schneidet diese durch, drückt sie auf Papier ab und misst 1) v. Frey, Einige Bemerkungen über den physiol. Querschnitt von Muskeln. Sitzungsber. d. physik.-med. Gesellsch. Würzburg 1905. 198 IE, ON Reys:; so ihre Oberfläche. Dann kommt er zu einem Gesamtbetrag von 114,7 qem, welche Zahl also viel grösser ist als die von K oster. v. Frey gibt wohl eine Methode, den physiologischen Querschnitt zu bestimmen, er berechnet diesen aber nicht. Er erwähnt den Winkel zwischen Faser und Achse, nämlich + 13°, so dass nicht die ganze Faserkraft der Sehne entlang wirkt, sondern nur (gesetzt Faserkraft = V), V cos. 13°. Der Kosinus von 13° ist 0,975, so dass 971/2°/o der Faserkraft der Achse entlang. wirkt. Es kommt mir vor, dass Hermann dies vergessen hat. Wohl hat er den richtigen P@ bestimmt, aber nicht der Tatsache Rechnung getragen, dass die gefundene Spannung nicht senkrecht auf diesem Querschnitt steht. Sein Resultat wird "so (21/2 °/o) zu klein sein. Auch berechnet Gans!) einige Querschnitte (unter v. Frey) und zwar wie folgt: Durch rauchende Salpetersäure wurde der Muskel in seine einzelnen Fasern aufgelöst. Diese wurden gezählt. Der Sartorius hat gleichlaufende Fasern, also ist sein anatomischer Querschnitt seinem physiologischen gleich. Er hat bei einem Frosch 509 Fasern. Die Fasern des Gastroenemjus bilden einen Winkel von durchschnittlich 13° mit der Längsrichtung des Muskels und sind zusammen 59485, wovon — 5344 nützlich wirken. Die Querschnitte der Muskeln verhalten sich also wie 509 : 58944 —1: 10,5. Der Querschnitt des Satorius ist 63 qmm. Es scheint mir, dass diese Berechnung richtig sein würde, wenn das beiderseitige Längen- verhältnis der Muskeln eingeführt wäre. Das ist nicht geschehen, und darum kann ich diese Zahlen nicht als richtig anerkennen und diese Methode nicht zur Berechnung des P@ des menschlichen Wadenmuskels brauchen. Im Besitze dieser spärlichen und stark auseinanderweichenden Angaben (153, 116 und 66 qem) fühlte ich mich veranlasst, auch selbst zu versuchen, ein Resultat zu erreichen, und dabei bin ich folgendermaassen zu Werke gegangen. Zur Erklärung meiner Hand- lungsweise lasse ich eine Übersicht vom Bau dieser Muskeln voran- gehen, eine Übersicht, die weder die Lehr- noch die Handbücher der Anatomie geben. 1) Versuche zur Bestimmung des physiol. Querschnittes von Muskeln. Dissert. Würzburg 1905. Über die absolute Kraft der Muskeln im menschlichen Körper, 199 Untersucht wurde ein Triceps surae. Gewicht 630 g, nämlich Soleus 340 g, Gastroenemius 290 g. Sofort zeigte sich, dass der Soleus ausserordentlich viel komplizierter war als der Gastroenemius, ich scheue mich nicht den Bau desselben einfach zu nennen. Die beiden Köpfe des Gastroenemius sind verhältnismässig leicht von- einander zu reissen, wobei dann keine einzige Muskel- faser zerrissen wird. Die Hinterseite zeigt unten die glänzende weisse Sehne, die ‘sich nach oben verbreitert, um plötzlich in ein Sehnen- blatt überzugehen, wo die Muskelfasern hindurchschei- nen. Dasselbe läuft bis auf kurzen Abstand +5 cm vom oberen Anheftungspunkt des Muskels. Auch an der Vorderseite findet man solch ein Sehnenblatt. Wird der Muskel sagittal durchge- schnitten, dann wird keine einzige Muskelfaser berührt, diese laufen also - sagittal, und zwar von oben-rück- wärts nach unten-vorne. Die Fasern laufen von Sehnen- platte oder Bein nach Sehnen- platte oder Sehne, sind durch- schnittlich 5 em lange und bilden einen Winkel von Fig, 8. 15° mit der Sehne. Da ich diesen Winkel maass, als der Muskel schon abgeschnitten war, ist ohne Zweifel die Angabe von v. Frey, 13°, richtiger, und habe ich diese Zahl dann auch bei meinen Berechnungen gebraucht. Der Muskel besteht aus einer Schicht dieser Fasern. Um nun den physiologischen Querschnitt des Gastroenemius zu finden, hätte ich Hermann folgen können, da er die bis jetzt einzige richtige Methode angibt. Es schien mir aber, dass das Abdrücken nicht Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd. 160. 14 200 J. H. O. Reys: leicht geschehen konnte, ohne die Form der weichen Masse zu ändern. Darum wendete ich folgende Methode an: Man denke sich den Muskel (Fig. 8) wie zwei Sehnenplatten ABCDund PORS, wovon die untere übergeht in die Sehne ODE und zwischen welche die Muskelfasern a’a ausgespannt sind, einen Winkel ADS (Aaa') von 13° bildend mit Fläche ABCD. Der P0 steht nun senkrecht auf den Muskelfasern urd ist die Fläche beRS, wobei Winkel 58D = 90° und Winkel 5DS = 13°. Natürlich bildet diese Fläche nur den P@ von jenem Muskelteil, den er in Wirklichkeit durchschneidet, also von jenem Teil (in der Figur dunkler), der umschlossen wird durch die horizontalen Flächen beCDund b’E RS, die vertikalen Seitenflächen 55 $SD undcC RC und die schrägliegenden Vorder- und Hinterfläcken $SRCD und b’ccb. Nun ist: 58 = bD sin 13° oder: Oberfläche bceRS$ —b'CRSsin 13° (oder dbeCDsin 13°). Für den ganzen Muskel muss dies dann einige Male wiederholt werden. (Die Flächen adc'b', HLKJ usw.) Es genügt also zu messen: die Oberfläche des Muskels, an einer Seite natürlich und den Winkel, unter welchem die Muskeln an die Sehnenblätter oder Knochen oder Sehnen angreifen. Diese Ober- fläche fand ich bei Gastroenemii in situ bei zwei Messungen 217,72 und 227,50 qem, also durchschnittlich 222,61 gem. PO ist also 222,61 sin 13°, sin 13° — 0,22495, PQ = 50,075 qem. Der Soleus aber war lange nicht so einfach gebaut. Hier waren mehrere Sehnenblätter, die durch den Muskel liefen und woran sich die Muskelfasern in verschiedenen Richtungen anhefteten (d. h. mehr oder weniger sagittal oder transversal). Doch blieb der Winkel, unter welchem die Fasern angriffen, immer gleich. Darum be- stimmte ich hier P@ in der folgenden Weise. Die Gewichte des Gastrocnemius und Soleus verhielten sich wie 290 ::340 8; das Gewichtsverhältnis scheint ziemlich oft zu wechseln. So fand Weber folgende Gewichte: Gastroenemius Soleus 330 8 333 8 316 8 412 g und Frohse und Fränkel): 1) Handbuch der Anatomie des Menschen von Prof. Dr. K. v. Barde- leben. 1913. Die Muskeln des Beines. Über die absolute Kraft der Muskeln im menschlichen Körper. 201 Gastroenemius Soleus Hrausea 2000002220920; 290 g Mannes rare 400 g Ich berechnete nun den P@ des Soleus auf - von dem des Gastroenemius, das ist auf 58,708 gem, zusammen 108,783 qem. Füst man den M. Plantaris hinzu, den Hermann in Rechnung stellt für 1,78 qem, und den ich nicht berechnete, dann erreiche ich ein Resultat von 110,563 qem, das sehr gut übereinstimmt mit dem, was Hermann auf ganz anderem Wege fand, nämlich 114,70 gem. Da es mir scheinen will, dass diese Methode zur Bestimmung des physiologischen Querschnittes sehr einfach ist, beabsichtige ich später näher hierauf zurückzukommen. Schliesslich wollte ich einen Vergleich anstellen zwischen den von mir untersuchten Wadenmuskeln und denen, welche ich beim Experiment verwendete. Von beiden bestimmte ich das Volumen durch Gipsabdrücke, bei den letzten musste ich natürlich die Dicke der Haut schätzen und in Rechnung bringen. Das Resultat war, dass die Versuchsperson ein grösseres Volumen Wadenmuskeln hatte. Doch schien mir dieses Resultat zu ungenau. Wie ändert sich doch das Muskelvolumen durch Tod und Konservierung! Daher habe ich dieses Resultat nicht in Rechnung gebracht. V. Schlussbereehnung. Wir haben also gefunden, dass ein Muskel in einer Mittelstellung des Gelenkes (Fuss senkrecht auf Unterbein) eine Kraft von 566,40 kg ausüben kann einer Sehne entlang, die einen Winkel von 13° mit den Muskelfasern bildet, das heisst, dass von der totalen Kraft X der Fasern nur, eine Kraft X cos 13° der Sehne entlang wirkt, also - K, da cos 13° — 0,9737. Wir müssen also bei unserer Zahl von 566,40 kg noch !/ss hinzuaddieren und bekommen dann 580,41 kg. Und diese Zahl dividiert durch 110,563 gibt die absolute Muskel- _ kraft pro Quadratzentimeter physiologischen Querschnitt von Muskeln im menschlichen Körper unter Einfluss des Willens, diese ist also 9,252 kg. Vergleichen wir diese Zahl wieder mit den gefundenen Zahlen, dann bekommen wir folgende Reihe: 14 * 202 J. H. O. Reys: Wiebe VS 7uce> Henker. 7112.0374.0000% Kosterseeen nr, ON, Eiemannne a. 22024 Dleiyasan Bo an DZ also stark auseinandergehende Zahlen. Betrachten wir einen Augenblick die Ursache dieser Differenzen. Weber kam zu einem viel grösseren Querschnitt (153 qem), weiter nahm er die Hebelarme wohl richtig, vergass jedoch, dass die Wadenmuskeln auch auf das Knöchelgelenk drücken. Henke vergass dies auch, da er aber die Hebelarme unrichtig nahm, wurde dieser Fehler neutralisiert. Auch er nahm den zu erossen Querschnitt. Rechnet man seine Zahl um, dann findet man 5,56 kg. was also meiner Zahl sehr nahe kommt. Koster tat dasselbe, nahm aber einen viel zu kleinen Quer- schnitt (66 qem). Und endlich nahm Hermann sowohl die gute Berechnung als den guten Querschnitt, bekam aber durch eine fehlerhafte Probe eine zu grosse Kraft. Wenn man bedenkt, dass auch ich den Peronaeus usw. vernach- lässigte und das Volumen der Wadenmuskeln der Versuchsperson grösser glaubte, dann muss die gefundene Zahl eher vermindert als vermehrt werden, so dass ich vorschlagen möchte, die Zahl auf 5 kg festzustellen. Es berührt uns dann einigermaassen sonderbar, be- sonders nach den Berechnungen von Hermann, wenn wir bei Grohmann!) lesen, dass dieser auf Vorschlag von R. Fick die absolute Muskelkraft auf 10 kg per Quadratzentimeter stellt, „ge- mäss Proben von Henke und Koster“. Sehen wir diese aus- einandergehenden Zahlen über dieselbe Muskelgruppe, dann ist es selbstverständlich, dass die weiteren Zahlen über andere Muskel- gruppen uns wenig Vertrauen einflössen. Nur dann, wenn eine’ Differenz zwischen links und rechts konstatiert wird, wofür also die- selbe Probevorrichtung durch denselben Untersucher und dieselbe Methode der Querschnittsbestimmung gebraucht ist, wird diese Differenz uns etwas lehren. Doch sind diese Proben zu wenig an- 1) Über die Arbeitsleistung der am Ellbogengelenk wirkenden Muskeln. Arch. f. Anat. 1902. Über die absolute Kraft der Muskeln im menschlichen Körper. 203 gestellt, und kenne ich nur die von Henke, Knortz, Koster und Haughton. Es lässt sich nicht leugnen, dass die gefundenen Zahlen jetzt fast nur theoretischen Nutzen haben. Doch kann die Bestimmung der absoluten Muskelkraft auch einen grossen praktischen Nutzen abwerfen und zwar z. B. in folgenden Fällen: Besteht eine spezielle Differenz zwischen den Muskelnr echts und links, eine Differenz in der Qualität? Die Proben von Henke und Knortz lassen es vermuten. Fanden diese doch bei den Flexoren des Armes rechts 8,991 ke und links 7,38 ke. Besteht eine gleiche Differenz zwischen verschiedenen Muskeln des menschlichen Körpers, sind namentlich die Beinmuskeln kräftiger als die feineren Armmuskeln? Wenn eine Differenz besteht, ist dann davon die Qualität der Muskeln die Ursache oder die günstigeren Bedinsungen, unter welchen die kräftigeren Muskeln wirken, nament- lich die grössere Ausreckung, wodurch also die ganze Kurve nach oben verschoben wird? Ist die Qualität der Muskeln durch Übung zu verbessern und wenn ja, welche Art Übung ist dann dafür die rechte? Wird durch bestimmte Krankheiten diese Qualität ver- mindert? Hat das Nervensystem Einfluss auf die Qualität? Das sind einige Fragen, deren Wichtigkeit nicht geleugnet werden kann, für deren Beantwortung jedoch noch sehr viel nötig ist. Erstens ein Apparat, womit schnell und genau die grösste Kraft bei verschiedenen Phasen der Bewegung, bei verschiedenen Gelenken bestimmt werden kann. Weiter eine genaue Kenntnis der mecha- nischen Verhältnisse verschiedener Muskelgruppen und eine Methode zur Bestimmung der Querschnitte von Muskeln beim lebenden In- dividuum, und schliesslich eine Uniformität in den Berechnungen. VI. Schlüsse. 1. Der lange Streit über den mechanischen Teil des Problems des Zehenstandes ist dadurch entstanden, dass Weber bei der Be- rechnung den Begriff „Hebel“ einführte. 2. Weber hat die richtige Auffassung vom Fuss als Hebel. 3. Der Fuss wickelt sich nicht ab, wenn er in den Zehenstand kommt, aber dreht sich um die Achse der Metatarsophalangeal- gelenke. 4. Fischer ist der erste gewesen, der die Kräfte richtig be- rechnete. 204 J. H. 0. Reys: Über die abs. Kraft der Muskeln im menschl. Körper. 5. Die „Spannung“ eines Muskels in Kontraktion wird ganz getragen durch die Kontraktion innerhalb der normalen Grenzen. 6. Die Ferse kann den Boden verlassen, wenn auch die Schwer- linie hinter die Metatarsophalangeal-Achse fällt. Es ist aber dann kein Zehenstand, sondern ein mehr oder weniger schnelles Hinten- überfallen. 7. Hermann’s Probe mit belastetem Knie ist unrichtig. 8. Der Trieeps surae an einer Seite eines gesunden kräftigen Mannes ist imstande, eine Kraft von 566 kg zu entwickeln. 9. Die natürliche absolute Kraft von Muskeln im menschlichen Körper unter Einfluss des Willens ist die grösste Kraft, die im Verlauf der Kontraktion in der Längsrichtung der Endsehne aus- geübt werden kann. 10. Der physiologische Querschnitt eines gefiederten Muskels ist gleich der Oberfläche X sin des Winkels, den die Fasern mit der Richtung der Endsehne bilden. ll. Die natürliche absolute Kraft pro Quadratzentimeter physiologischen Querschnitt der Wadenmuskeln bei rechtwinklig ge- bogenem Fuss ist 5,25 ke. Beiträge zur Wirkung der Xanthinderivate. Fünf Mitteilungen von Dr. J. W. Golowinski aus Moskau. Vorwort. von Professor Dr. €, Jacobj., Tübingen. Die im folgenden mitgeteilten Untersuchungen über die Wirkung der Xanthinderivate wurden von Herrn Dr. Golowinski bereits im Jahre 1906 im pharmakologischen Institut zu Göttingen begonnen und die ersten Ergebnisse im Archiv für experimentelle Pathologie und Pharmakologie, Suppl. Bd. 1908 S. 286 veröffentlicht. Im Sommersemester 1908 und 1909 kam Dr. Golowinski auf je 2!/s Monate nach Tübingen, um die Untersuchungen in dem da- mals noch in Einrichtung begriffenen neuen pharmakologischen Institut fortzusetzen. Das Thema war zunächst meinerseits auf eine möglichst gründ- liche Feststellung der Wirkungsunterschiede zwischen Coffein, Theo- bromin; und Theophyllin am Frosch, auf die Muskeln und das Zentral- nervensystem beschränkt, gedacht. Auf Wunsch des Herrn Professor Tsehirwinsky in Moskau, an dessen Institut für Pharmakologie Dr. Golowinski als Assistent angestellt war, wurde die Aufgabe dahin erweitert, dass noch, eine Reihe anderer Xanthinderivate in den Kreis der Betrachtung gezogen und die Untersuchung auf das Zirkulationssystem, sowie auch auf Warmblüter ausgedehnt werden sollte, weil Herr Professor Tschirwinsky die so ausführlichere Arbeit als Habilitationsschrift für Russland zu verwenden Herrn Dr. Golowinski angeraten hatte. Bei der knapp bemessenen Zeit, welche Dr. Golowinski auf die Arbeit bei mir nur zu verwenden in der Lage war, erschien es mir angezeigt, denselben vor allem in die zur Lösung der ge- stellten Fragen in Betracht kommenden Untersuchungsmethoden ein- zuführen. Es wurden deshalb im Tübinger Institut in den zur Ver- fügung stehenden fünf Monaten vor allem nach dieser Richtung hin unter meiner Leitung und persönlichen Mithilfe die im folgenden wiedergegebenen Versuche ausgeführt, wobei allerdings eine Wieder- holung von einzelnen Versuchen mit den verschiedenen Substanzen . 206 Jacobj: Vorwort zu den Beiträgen zur Wirkung der Xanthinderivate. zunächst nicht möglich war, und auch die Versuche auf den Frosch beschränkt bleiben mussten. Ich hoffte, dass Dr. Golowinski im pharmakologischen Institut zu Moskau dann durch Wiederholung der einzelnen Versuche das Versuchsmaterial vergrössern und so die Ergebnisse weiter sicher- stellen und dann die betreffende Arbeit im Manuskript mir zustellen werde, so dass ich in der Lage war, etwa noch nötig erscheinende Ergänzungen zu veranlassen, sowie Änderungen in der Darstellung vorzuschlagen und eine Überredaktion für die Publikation in einer deutschen Fachschrift vorzunehmen. Nachdem ich während drei Jahren wiederholt um Fertigstelluug der Arbeit und Zusendung des Manuskriptes gebeten hatte, was, wie mir Dr. Golowinski mitteilte, leider infolge Krankheit und sonstiger Schwierigkeiten ihm nicht möglich geworden sei, erhielt ich 1913 die bereits fertisgedruckte russische Habilitationsschrift, in welcher sich die in Moskau an Warmblütern noch ausgeführten Ver- suche fanden. Da bei der russischen Publikation ein Einblick in die Arbeit nicht zu gewinnen und eine Verwertung der Versuche deutscherseits so gut wie ausgeschlossen war, so bat ich Dr. Golowinski, als er auf einer Durchreise von Italien mich aufsuchte, im Hinblick auf den von den beiden deutschen Instituten für seine Arbeiten ge- machten Aufwand an Kraft, Zeit und Mitteln doch eine deutsche Übersetzung seiner Habilitationsschrift anzufertigen und dieselbe in einer deutschen Zeitschrift publizieren zu wollen, wozu sich derselbe auch bereit erklärte. Er teilte sodann auch mit, dass die Redaktion dieses (Pflüger’s) Archivs bereit sei, die Untersuchungen in einzelnen Mitteilungen zur Aufnahme gelangen zu lassen. Da die eingesandte Übersetzung im Ausdruck einer Verbesserung. dringend bedurfte, so hatte Herr Privatdozent Dr. Walbaum, Assistent am hiesigen Institut, die grosse Freundlichkeit, auf meine Bitte hin, dieselbe nochmals überzuredigieren. Ich möchte ausdrücklich bemerken, dass es sich bei den folgen- den Mitteilungen nur um die Übersetzung der bereits russisch ge- druckten Arbeit von Dr. Golowinski handelt, und deshalb von in- haltlichen Änderungen, die ich in verschiedenster Richtung veranlasst hätte, wenn mir das ursprüngliche Manuskript zugänglich gewesen wäre, Abstand genommen werden musste. 207 (Aus dem pharmakologischen Institut der Universität Tübingen.) Beiträge zur Frage über die Wirkung der Xanthinderivate. I. Mitteilung. Zur Frage der elastischen Eigenschaften des lebenden Gewebes unter besonderer Berücksichtigung des ruhenden _ quergestreiften Muskels (Gastroenemius des Frosches). Von Dr. med. 3. W. Golowinski, Assistent am physiologischen Institut der Universität Moskau. (Mit 21 Textfiguren.) Zum Studium der verschiedenen Organe, welche unter normalen Bedingungen oder unter dem Einflusse irgend welcher pharmakologischer Agentien eine mechanische Arbeit zu verrichten haben, erscheint die Kenntnis ihrer mechanischen Eigenschaften als natürliche und not- wendige Voraussetzung. Die physiologische Untersuchung der mecha- nischen Eigenschaften des ruhenden Muskels beschränkt sich haupt- sächlich auf das Studium seiner Elastizität in der Längsrichtung, der sogenannten Zugelastizität. Unter Elastizität versteht man ganz im allgemeinen die Eigen- schaft der Körper, ihre Form unter dem Einfluss einer äusseren Kraft (Druck, Zug) zu verändern und nach der Entfernung der wirkenden Ursache wieder in die frühere Stellung zurückzukehren. Je vollkommener das geschieht, desto elastischer ist der Körper. Man muss also bei der Elastizität die Formänderung und die Kraft des hierdurch hervorgerufenen Widerstandes unterscheiden. Je grösser die Veränderung der Form ist, welche der Körper unter bestimmten Verhältnissen erfährt, desto kleiner ist die Kraft seines Widerstandes. Deshalb benutzen die Physiker bei der Beschreibung der elastischen Eigenschaften der Körper gewöhnlich zwei Materialkonstanten: den 208 J. W. Golowinski: Elastizitätskoeffizienten und den Rlastizitätsmodul. Der erstere drückt die Verlängerung aus, welche verschiedene Körper unter denselben Bedingungen — bei 1 m Länge, 1 qem Querschnitt und Belastung durch 1 kg — erfahren. Er drückt also die Grösse der Form- änderung bei gegebener Kraft aus. Der zweite dagegen drückt die Grösse des Elastizitätswiderstandes aus, hat also die umgekehrte Bedeutung des Elastizitätskoeffizienten; er wird um so grösser sein, je kleiner die Formänderung ist. Diese beiden Werte sind für jedes gegebene Material konstante Grössen. Die physikalische Forschung über die Elastizität der anorganischen Materie führte zur Feststellung einiger Gesetze, nämlich: die Dehnung dieser Körper geschieht gleich- mässig; sie ist direkt proportional der Länge des gedehnten Körpers und der Schwere des dehnenden Gewichts, dagegen umgekehrt pro- portional dem Querschnitt des gedehnten Körpers. Es ist dies das Elastizitätsgesetz von Hook und Gravesande, nach welchem die Körper der anorganischen Materie bei der Dehnung eine geradlinige Kurve geben. Dabei ist zu bemerken, dass dieses Gesetz nur in den Elastizitätsgrenzen gültig ist, d. h. unterhalb derjenigen Belastung, bei welcher der Körper nach der völligen Entspannung niemals . mittels seiner elastischen Kraft zu seiner ursprünglichen Länge zurück- zukehren vermag. Diese nachbleibende Deformation (durch Über- lastung) ist nicht mit der nachbleibenden Deformation zu verwechseln, welche man als elastische Nachwirkung bezeichnet und auch bei kleinerer Belastung beobachtet. Die elastische Nachwirkung findet sich innerhalb der Grenzen der Elastizität und gehört eigentlich zur Akkomodation des Materials. / Diese Beobachtungen über die Elastizität der anorganischen Materie sind im allgemeinen auch für organische Körper gültig; aber dabei beobachtet man einige Besonderheiten, welche einigen orga- nischen Körpern in geringerem, anderen in höherem Grade eigen sind, je nach dem Charakter der Struktur, nach der Gleichartiskeit und Gleichmässigkeit der Verteilung der Masse in den zu prüfenden Körpern. Alle Körper der organischen Materie, welche man zunächst im Gegensatz zu den starren als weiche bezeichnen kann, besitzen eine viel grössere Dehnbarkeit. Bei ihnen allen beobachtet man in einem Punkte eine grosse Übereinstimmung: eine einmalige Dehnung führt zu einer nachbleibenden Deformation, die sich bei der Entspannung nieht. wieder völlig ausgleicht; man bekommt dabei die sogenannte Beiträge zur Frage über die Wirkung der Xanthinderivate. 1. 209 nachbleibende Verlängerung. Nachfolgende Dehnungen führen zu im wesentlichen gleichen Ergebnissen, jedoch mit der Einschränkung, dass die nachbleibenden Verlängerungen mehr und mehr abnehmen, bis ein Zustand erreicht ist, der durch die merklich vollkommene Rückkehr in die Ausgangslage gekennzeichnet ist. Ähnliche Fr- scheinungen beobachtet man auch bei der anorganischen Materie, wie oben erwähnt, bekannt unter der Bezeichnung Akkommodation des Materials [Streintz!)]. Aber bei der organischen Materie kommt sie in einer deutlicheren Form zum Vorschein, einmal weil das weiche organische Material dehnbarer ist, infolge der bei diesen Körpern sich findenden schwächeren Verbindung und der leichteren Ver- schiebbarkeit der Molekel gegeneinander, und sodann weil die Masse in demselben ungleichartiger und ungleichmässiger verteilt sein kaıın. In dieser Hinsicht also besteht kein prinzipieller Unterschied zwischen organischer und anorganischer Materie. Das Experiment zeigt, dass die Kurve der elastischen Dehnung z. B. von bestem (d.h. aus ein- heitlichem Material zusammengesetztem) Gummi geradlinig ist, ähnlich wie bei den anorganischen Körpern. Dasselbe beobachtet man auch bei anderen Körpern der organischen Materie, welche nicht zu den tierischen oder pflanzlichen Organismen gehören. Alle exakten Untersuchungen über die Elastizität der organischen Gebilde werden allgemein durch die obenerwähnte elastische Nach- wirkung erschwert, welche von der Zunahmegeschwindigkeit der dehnenden Kraft abhängig ist; sie existiert auch in den anorganischen Körpern, aber nur in unvergleichlich geringerem Grade. Es war daher für die Methodik ein wesentlicher Fortschritt, als Marey?) und Blix?°) Apparate konstruierten, mit deren Hilfe man schnell und ununterbrochen sowohl die Belastung als auch die Entlastung verschiedener organischer Körper erzielen kann, wodurch die Nach- dehnung fast vermieden wird. Loven hat späterhin den Apparat von Blix etwas verändert; Brodie*) und Haycraft?) konstruierten ebenfalls Apparate, welche solche Fehler beseitigten. Alle meine 1) Poggendorff’s Annalen Bd. 153 S. 387. 1874. 2) Marey, Du mouvement dans les fonctions de la vie. Paris 1868. 3) Blix, Oftalmonetrisca studier. Upsala Förhandl. Bd. 15 S. 349—440. 1880. — Skandin. Arch. f. Physiol. Bd. 3 S. 295. 1891. 4) Brodie, The extensibility of muscle. Journ. of Anat. and Physiol. vol. 29 p. 367. 1895. 5) Haycraft, The Journ. of Physiol. vol. 31 p. 392. 1904. 210 J. W. Golowinski: hierher gehörigen Untersuchungen über die Elastizität verschiedener organischer Körper, hauptsächlich der quergestreiften Muskel des Frosches, sind mit Hilfe des Jacobj’schen Apparates!) ausgeführt, weleher eine Modifikation des Apparates Blix-Loven darstellt. Eine genaue Beschreibung dieses Apparates wird demnächst im An- schluss an eine Arbeit aus dem Tübinger pharmakologischen Institute veröffentlicht werden. Prüfen wir nun, wie in dieser Hinsicht sich der quergestreifte Muskel verhält, als ein Organ, welches Bewegungen vollbringt, die bedeutend im Umfang sind und welche eine Entwicklung grosser Kraft verlangen. Die Tätigkeit des Muskels erkennt man an der Verkürzung oder an der Vermehrung der Spannung, welche eintritt, wenn der arbeitende Muskel an der Verkürzung gehindert wird. Dabei tritt sogleich Dehnung ein; da aber der ruhende Muskel während der Dehnung auch verlängert werden kann, indem er Elastizitätseigenschaften zeigt, so ist für das richtige Verständnis des Mechanismus der Muskeltätigkeit unbedingt die Kenntnis seiner Dehnung und die dabei sich entwickelnde Elastizität, sowohl in ruhigem Zustande, als auch im tätigen nötig. E. Weber?) war der erste, der sich mit der Forschung der Elastizitätseigenschaften der quergestreiften Muskel beschäftigte und der die Veränderungen dieser Elastizität unter verschiedenen Be- dingungen streng analysierte. Muskeln sind von weicher, biegsamer und elastischer Beschaffen- . heit und leisten, ganz ähnlich anderen organischen Körpern, indem sie in jedem Zustande eine bestimmte natürliche Form und eine bestimmte Elastizität haben, die ihre Form ändern, den Kräften einen bestimmten Widerstand. Die Beziehung des Muskels zur Dehnung hat eine grosse physio- logische Bedeutung. Der Muskel ist unter der Einwirkung eines Zuges tätig; jede Aktivität aber, die er auf äussere Gegenstände ausübt, wirkt im gleichen Grade auf ihn selber ein. Dank einer gewissen Elastizität kann der Muskel dauernd in gespanntem Zustande bleiben, ungeachtet dessen, dass die Dehnung 1) C. Jacobj, Elastizitätsbestimmung lebenden Gewebes. Sitzungsber. d. med. Gesellsch. in Göttingen 14. Juni 1906. Deutsche med. Wochenschr. 1906 S. 1646. 2) Wagner’s Handwörterb. d. Physiol. Bd. 3 5.29. 1846. Beiträge zur Frage über die Wirkung der Xanthinderivate. 1. 2! zwischen den Stellen seiner Befestigung fortwährender Veränderung unterliegt. Der fortwährend gespannte Zustand des Muskels (Tonus) ist deshalb wichtig, weil er in solchem Zustande bei der Verkürzung keine Zeit verliert. Ausserdem verhütet dieser gespannte Zustand des Muskels sein Zerreissen oder wenigstens eine Verminderung der Muskelfunktion in den Fällen unerwarteter passiver Dehnung; aber die wichtigste Bedeutung besteht darin, dass die Aktivität, ungeachtet der Plötzlichkeit, mit der seine Verkürzung erfolgt, nicht gleich im eanzen Umfang eintritt, sondern relativ allmählich, weil die ver- kürzenden Kräfte zuerst diejenigen elastischen Kräfte in Tätigkeit setzen, die im Muskel verborgen sind und deren Verbrauch auf verhältnismässig lange Zeit verteilt wird. Dadurch werden die Muskelknochen und Gelenke geschont [Hermann!)]. Aus der antagonistischen Tätigkeit zweier Kräfte — der Fähigkeit, sich zu verkürzen und der, sich elastisch auszudehnen — ergibt sich als Endresultat die Tätigkeit, welche der besseren Arbeitsfähigkeit des Muskels zugrundeliegt. Die Grösse der Muskelelastizität kann nicht, wie die eines Metalldrahtes, nur durch eine Zahl — durch den Elastizitätskoeffizienten — bestimmt werden, weil, wie Wertheim?) bei seinen klassischen Untersuchungen gefunden hat, das Dehnungs- gesetz tierischer Gewebe grundverschieden von denen anderer orga- nischer oder unorganischer Körper ist. Die Zahldefinition der Elastizitätsgrösse ist nicht von grosser Bedeutung für Muskeln, da kein Muskel in seiner ganzen Länge denselben Querschnitt hat und ausserdem keine einheitliche und gleichmässige Bauart des Materials aufweist; für den Körper jedoch, welcher eine geradlinige Dehnungskurve hat, und die Länge Z, Quer- el SED d.h. direkt proportional der Länge, dem Verhältnis der Belastung zum Querschnitt und umgekehrt proportional der Zahl E, welche das Material charakterisiert. Wertheim?) und v. Wittich‘) weisen darauf hin, dass feuchte tierische Gewebe im allgemeinen schnitt $ und die Belastung ? ist die Verlängerung ! —= L- 1) L. Hermann, Handb. d. Physiol. Bd. 1 Teil 1. 1885. 2) Wertheim, Memoire sur l’elasticite et la cahesion d. prineipaux tissus d. corps humain. Ann. d. chimie et de physique t. 21 S. 385. 1847. S)ulı cc. 4) Amtl. Ber. über d. Naturf.-Vers. zu Hannover 1865 p. 238. 212 J. W. Golowinski: sich verlängern, nicht proportional der Belastung, sondern nach dem Gesetz y = Vax?+ bzx, wo y = Dehnung, x — Belastung, a und b — konstante Grössen sind. Dieser Ausdruck ist die Gleichung der Hyperbel, und nur ihre Assymptote wird mit dem Dehnungsgesetz der anorganischen Körper übereinstimmen. Beim Eintrocknen der Gewebe wird der Koeffizient 5 immer kleiner und kleiner, und so- Fig. 1. Fig. 3. bald er Null wird, dann werden x und y gegenseitig proportional, wie das bei den Metallen der Fall ist. Die Knochen stellen schon im frischen Zustande solche Verhältnisse dar. Fig. 1 stellt eine elastische Dehnungs- und Rückendehnungs- kurve des isolierten Froschgastrocnemius in Ringer’scher Lösung bei 20° C. dar. Fig. 2 stellt die hyperbolische Kurve der elastischen Dehnung eines frischen Hautstückes, welches vom Bauch eines Frosches ge- nommen ist, dar. Tr Beiträge zur Frage über die Wirkung der Xanthinderivate. I. 213 Fig. 3 — die Kurve der elastischen Dehnung desselben Frosch- hautstückes, welches jedoch dem Prozesse des Austrocknens unter- worfen ist, wodurch seine Dehnungskurve sich in Form einer geraden Linie ausdrückt. Alle Forscher [Marey!), Blix?), Loven?°), Donders‘®), von Mansfelt°), Chauveau*), Laulanie®, Brodie®), Hayceraft’)u. a.] bestätigen die ungefähr hyperbolische Form der Kurve der elastischen Dehnung des Muskels und behaupten ebenfalls, dass die Grösse der Verlängerung des Muskels bei gleichartiger Ver- mehrung der Belastung um so geringer wird, je grösser die Be- lastung ist, wobei die Rückdehnungskurve niedriger liest als die der Dehnung, was gewiss nicht von der Nachdehnung abhängig ist, wenn man dabei für solche Zwecke speziell konstruierte Apparate benutzt. ° Die Ergebnisse von Dreser°) weichen in dieser Hinsicht etwas ab. Er beobachtete, indem er abwechselnd verschiedene Ge- wichte an den in normaler Blutzirkulation befindlichen Froschmuskel anhängte, dass die Dehnungskurve des ruhenden Muskels nicht ganz mit der genauen Gleichung der Hyperbel von Wertheim überein- stimmte. Sie nimmt nach seiner Untersuchung nur bei kleineren . Belastungen den Charakter der Hyperbel an, aber weiterhin geht sie durch die Parabel zur elliptischen Kurve über. Dieses beständig variable Verhältnis des Muskels erklärt sich seiner Meinung nach dadurch, dass man während der Dehnung eine mechanische Reizung ausübt, welche den Muskel unmittelbar oder auch mittels der in demselben sich befindlichen Nervenapparate zur Verkürzung veranlasst. Da man aber den Koeffizient, resp. Elastizitäts- modul unter solchen Bedingungen nicht bestimmen kann, so schlägt 1 ce. 2) Blix, Bidragtill läran om muskelelasticiteten. Upsala läkara-förenings förh. Bd. 9 S. 555—577. 1874. 8) Tigerstedt’s Handb. d. Physiol. d. Menschen Bd. 2 S. 4. 4) Luciani’s Physiol. d. Menschen Bd. 3. 5) v. Mansfelt, Over de elasticiteit der spieren. Dissert. Utrecht 1863. 6) 1. c. Dl.c. 8) Dreser, Über die Messung der durch pharmakologische Agentien be- dingten Veränderungen der Arbeitsgrösse und der Hlastizitätszustände des Skelettmuskels. Arch. f. exper. Path. u. Pharm. Bd. 27 S. 50. 214 J. W. Golowinski: Dreser vor, die Abweichungen der Dehnungskurven von der geraden Linie zu kennzeichnen durch das Verhältnis zwischen der wirklich geleisteten Deformationsarbeit und derjenigen, die aufgewendet werden müsste, wenn die Dehnungskurve eine gerade — die grösste und kleinste Länge des Muskels verbindende — Linie wäre. Auf Grund einer ganzen Reihe von mir gemachter Beobachtungen über die Froschmuskelelastizität muss man einsehen, dass die Be- nutzung eines Apparates, mit dessen Hilfe eine schnelle Spannung und Entspannung des Muskels hervorgerufen werden kann, eine grosse Bedeutung hat für die richtige Beurteilung der wirklichen, im ruhenden Muskel vorhandenen mechanischen Eigenschaften, d.h. seiner Elastizität. Vielleient kann man die Meinungsverschiedenheiten oder die etwas abweichenden Ansichten einiger Autoren über diese Frage Fig. 4. durch die Verschiedenheit der Methoden erklären, da nicht alle eine und dieselbe Methode benutzten, wobei noch die Bedingungen und Eigentümlichkeiten der organisch weichen Körper, welche besonders beim Muskel als einem Gewebe des tierischen Organismus vorkommen können, zu beachten sind. - Oben war schon erwähnt, dass für alle Körper, sowohl der an- organischen äls auch der organischen Natur, eine Rlastizitäts- und Festigkeitsgrenze des Materials existiert. Wenn man nun die Dehnung des Muskels in den Grenzen der Elastizität mit allmählicher Ver- ınehrung des Gewichts ausführt , so bekommt man sowohl eine Dehnungskurve als auch eine Rückdehnungskurve, welche sich etwas von der nachfolgenden mit demselben Gewicht ausgeführten Dehnung unterscheidet, und nur nach mehrfach ausgeführten Experimenten bekommt man endlich eine, was die Form anbetrifft, gleichmässige Kurve. Fig. 4 gibt die anfängliche Dehnung und Rückdehnung des Muskels durch allmähliche Vermehrung des Gewichts an. Beiträge zur Frage über die Wirkung der Xanthinderivate. I, 215 Fig. 5 und 6 zeigen Kurven der elastischen Dehnung und Rück- dehnung desselben Muskels, die beim vierten und fünften Male auf- Fig. 5. Fig. 6. genommen sind und fast keinen Unterschied untereinander darstellen, nieht nur nach der Form, sondern auch nach der Quantität, wie die ausgeführten Berechnungen zeigten. Die Erscheinung zeigt ge- wissermassen eine Anpassung des Materials an die vorgenommene Dehnung, und nur nach der Er- reichung dieses Zustandes können " weitere Beobachtungen unter den verschiedenen Bedingungen ge- macht werden, indem man nun yı den Ausgangspunkt hat, nach dem man über die Veränderung in dieser oder jener Richtung ur- teilen kann. Die von mir ausgeführten Versuche über die Dehnung anderer tierischer Gewebe gaben folgende Resultate. DR Fig. 7 zeigt die Kurve der ela- Fig. 7. I Lunge mit Luft gefüllt, ! II Lunge ohne Luft, III Lunge mit stischen Dehnung der Froschlunge. durchschnittenen grossen Gefässen. Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd. 160. 15 216 J. W. Golowinski: Fig. 8 zeigt die Dehnungskurve des Froschmagens. Fig. 9 zeigt die Dehnungskurve des N. ischiad. des Frosches. Fig. 10 zeigt die Dehnungskurve des Froschdünndarmes. Man kann allgemein sagen, wie Dreser selbst es anerkennt, dass mit der Vergrösserung des Gewichts die Dehnung des Muskels, Fig. 8. Fig. 10. resp. anderer Gewebe des tierischen Organismus sich vermindert und die graphische Darstellung der Dehnung, wie es die Kurven zeigen, der Hyperbel am nächsten steht. Bei meinen Untersuchungen mit dem Apparate von Jacobj beobachtete ich niemals irgendwelche Veränderung der hyperbolischen Kurve während der elastischen Dehnung in dem oben von Dreser erwähnten Sinne, was man da- durch erklären könnte, dass der Muskel bei der Dehnung einen Teil Beiträge zur Frage über die Wirkung der Xanthinderivate. 1. 217 seiner Vorratsenergie infolge der inneren Reibung verbraucht, indem er einen Teil der Arbeit, wie Fick!) gezeigt hat, bei der Deformation in Wärme umwandelt. Deshalb ist er ungeachtet der Reizung, bei der Schnelligkeit der Belastung, welche vom Apparat vollbracht wird, nicht imstande, mit seiner Verkürzung der Dehnung entgegenzuwirken, welcher er bei weiterer Belastung unterworfen ist Die elastische Rückdehnungeskurve äussert sich in solchen Fällen so, dass sie, ausser dem Anfangs- und Endpunkte, nicht mit der Dehnungskurve zusammenfällt, sondern unter derselben liegt. Das Niehtzusammenfallen der Anfangspunkte bei unseren Kurven erklärt sich ohne weiteres aus der Konstruktion des Apparates. Die Kurven müssen einander bedecken, ähnlich den von Nerander?) gefundenen Kurven. Ein entgegengesetztes Verhalten würde auf die Fig. 11. Anwesenheit der nachbleibenden Deformation hinweisen. Es fragt sich nun, ob diese Darstellung der elastischen Dehnungskurve durch die Hyperbel einfach durch anatomische und physikalische Eigen- schaften der Gewebe bedingt werden kann, oder ob sie der Ausdruck einer charakteristischen Eigenschaft des lebenden Protoplasmas ist. Ausser den tierischen Geweben zeigen auch die Pflanzengewebe eine ähnliche Eigenschaft. Fig. 11 stellt eine Kurve der elastischen Dehnung des Stammes der Pflanze Humulus lupulus dar, bei der allerdings der hyperbolische Charakter wenig ausgeprägt ist. Ich stellte mir die Frage, ob man nicht eine ähnliche hyper- bolische Kurve aus einer Vereinigung solcher Elemente bekommen 1) Fick, Experimenteller Beitrag zur Lehre von der Erhaltung der Kraft bei der Muskelzusammenziehung. Untersuch. a. d. physiol. Laborat. d. Züricher Hochschule Nr. 1. Wien 1869. — Fick, Mechanische Arbeit und Wärme- entwicklung bei der Muskeltätigkeit. Leipzig 1882. 2) Tigerstedt, Handb. d. Physiol. d. Menschen Bd. 2 S: 5. joy 218 J. W. Golowinski: kann, von denen jedes für sich genommen eine geradlinige Dehnungs- kurve gibt, wenn man bedenkt, dass zu den Bestandteilen der Ge- webe ungleichartige Elemente gehören, von denen jede einzelne am Zustandekommen der allgemeinen Dehnungskurve beteiligt ist. Fig. 13. Fig. 14. Gummi z.B. ist ein gerade in dieser Hinsicht passendes Material. Wenn man nach dem Vorgange von Dreser einige Gummifäden, möglichst‘;vom gleichartigsten, besten Material und gleicher Länge nimmt, genau das Gewicht in bezug auf das ganze System zentriert und [mit Hilfe des Apparates die Dehnungskurve aufnimmt, dann bekommt man, wie Fig. 12 zeigt, eine geradlinige Kurve der elastischen Beiträge zur Frage über die Wirkung der Xanthinderivate. I. 219 Dehnung. Ändert man nun aber in diesem System die Anfangs- spannung der einzelnen Fäden, so bekommt man eine Veränderung der Dehnungskurve im Sinne der Hyperbel. Fig. 13 und 14 zeigen Dehnungskurven solcher Fäden in ver- schiedener Spannung. Fig. 15 stellt eine Dehnungskurve dar von Fäden, die ausser ihrer verschiedenen Spannung vielfach miteinander verflochten sind. Man bekommt dabei die Kurve in Form einer Hyperbel, welche sich wenig von der Elastizitätskurve des Frosch- gastrocnemius unterscheidet. Auf Grund dieser Beobachtungen ist es möglich, die Bedeutung der Struktur dieses oder jenes Gewebes für das Zustandekommen, der hyperbolischen Kurve, wie dies auch schon früher von einigen Forschern [Goto?!), Dreser?)] ausgesprochen wurde, zu erkennen. Fig. 15. Diese Voraussetzung und Anerkennung der Bedeutung der Struktur auf Grund des Experiments drängt sich einem um so mehr auf, wenn man beachtet, dass auch tierische Gewebe, je nach ihrer Struktur, nicht alle bei der elastischen Dehnung eine Hyperbel zeigen. Da, wo die Bestandelemente nach Möglichkeit gleichartig sind, gleich- mässig verteilt sind und gleichen Anteil an der Spannung nehmen, ist die Dehnungskurve fast geradlinig. In der Tat ist die Sehne ein solches Gewebe, welches dies bestätigt. Fig. 16 zeigt die geradlinige elastische Dehnungskurve der Achillessehne des Frosches. Weiterhin, wenn man eine Fischblase mit Wasser füllt, so dass man wohl annehmen kann, dass unter solchen Bedingungen der An- 1) Goto, Dehnungsversuche an gelähmten Muskeln. Zeitschr. f. Biol. Bd. 46 S. 38. 1904. 2) 1. c. 220 J. W. Golowinski: teil der Bestandelemente an der Dehnung nicht so gleichmässig ist wie bei einer leeren, und dann die Dehnung durch progressive Ver- grösserung der Belastung ausführt, so bekommt man die Kurven, wie Fig. 17 und 18 zeigen. Auch die Beobachtungen über die Rlastizitätsdehnung der Froschlunge rechtfertigen die oben erwähnten Betrachtungen und die Folgerung, dass die Gleichmässiekeit der Spannung der Bestandelemente des Gewebes eine grosse Bedeutung Fig. 17. Fischblase mit Wasser gefüllt. Fig. 18. Fischblase leer. für den Verlauf der Kurven der elastischen Dehnung im Sinne der geraden Linie und bei umgekehrten Verhältnissen im Sinne der Hyperbel hat. Zugunsten dieser Vorstellung sprechen alle Elastizitätskurven des Froschgastroenemius, welche während seiner tetanischen Kontraktionen unter dem Einfluss der elektrischen Reizung aufgenommen sind. Fig. 19 zeigt die normale Dehnungs- und Rückdehnungskurve des Froschgastrocnemius. Fig. 20 zeigt die Kurve der elastischen Dehnung und Rück- dehnung desselben Muskels während des Tetanus, wobei beide Kurven gestreckter sind als die normalen, da unter solchen Bedingungen die Muskelfasern sich in gleichmässigerer Spannung befinden als unter normalen Verhältnissen. Gleiche Resultate bekommt man bei Ex- Beiträge zur Frage über die Wirkung der Xanthinderivate. 1. 231 perimenten über die Elastizität des Froschmuskels bei Veränderung der Struktur infolge von Gerinnung durch hohe Temperatur (Fig. 21). Nach allen diesen Beobachtungen kommt man ohne weiteres zu einer Erklärung der Frage, unter welchen Umständen man eine Dehnungskurve bekommt, welche dem Dehnungsgesetz anorganischen Körper entspricht. Bekanntlich bestehen die Muskeln aus Fasern. Jede einzelne dieser Fasern würde vielleicht eine gradlinige Dehnungskurve ergeben. Da aber weder die Länge noch die Richtuue im Muskel oder der Quer- Fig. 19. Fig. 20. schnitt im Verhältnis zur Länge bei allen Fasern gleich sind, so werden natürlich au der Dehnung sich zunächst nur die gleichen und bezüglich der Belastung zentrierten Bestandelemente beteiligen ; Fig. 21. erst allmählich mit wachsender Belastung schliessen sich andere Fasern an. Auf solche Weise nimmt die Querschnittsfläche allmählich zu, ähnlich wie bei unserem Modell, welches aus Gummifäden be- stand und bei welchem infolge dieser allmählichen Vergrösserung der Querschnitttfläche mit zunehmender Dehnung die Verlängerung allmählich geringer wurde, woraus dann die hyperbolische Form der Dehnungskurve sich ergab. Dieses Verhalten ist bei anorganischer Materie ein gesetzmässiges: Beim Studium der elastischen Dehnung anorganischer Körper ergab sich, dass sie bedeutsamer ist, je grösser die Belastung und je länger der sich dehnende Körper ist, dass sie aber bei gleicher Länge und gleicher Belastung um so geringer wird, je dieker der Körper, d. h. je grösser der Querschnitt ist. An- 222 J. W. Golowinski: Beiträge zur Frage über die Wirkung etc. genommen z. B., der zu untersuchende Körper bestände aus hundert feinsten elastischen Drähten von je 0,001? Durchmesser und man belastete diesen Körper mit einem Kilogramm, so würden auf jeden von den Drähten 10,0 g kommen; bei gleicher Länge und Be- lastung, jedoch doppelter Dicke, dagegen würden auf die Flächenein- heit nur 5,0 g kommen; also müsste die Verlängerung um die Hälfte geringer ausfallen. Dasselbe geschieht prinzipiell auch im Muskel, hier jedoch nicht so proportional, weil infolge ihrer Ungleichmässigkeit die Fasern sich auch ungleichmässig an der Dehnung beteiligen. Daraus ergibt sich die Hyperbelform der Muskeldehnungskurve. Solche ungleich- mässige und ungleichartige Anordnung der Fasern im Muskel ist für seine physiologische Funktion — sowohl im ruhenden als auch im tätigen Zustande — sehr vorteilhaft. Im ersten Falle deshalb, weil so der ruhende Muskel kleinen passiven Bewegungen gegenüber eine nur ebenso geringe Widerstandsfähigkeit entfaltet, wie wenn seine Fasern von gleicher Länge wären. Nur bei grösserer passiver Dehnung könnte die Gefahr des Zerreissens drohen, aber hier wird infolge des Heranziehens anderer Fasern zur Dehnung der Querschnitt vermehrt und dadurch die Dehnung gemildert, während solche von Anfang an bestehenden Abschwächungen ganz zwecklos den Nutz- effekt verringert hätten. Nicht weniger wichtig ist die ungleich- mässige Faserverteilung für den tätigen Muskel. Bei kleinen aktiven Bewegungen treten nicht alle Fasern in Tätigkeit, und dadurch wird vermieden, dass solche Bewegungen grob ausfallen und nutzlos Energie verbraucht wird. Hat die aktive Bewegung dagegen grossen Wider- stand zu überwinden, so wird durch vermehrte Beteiligung der Fasern eine so erhebliche Spannung hervorgerufen, dass sie dem Widerstande (Belastung) das Gleichgewicht halten kann. Am Schluss dieser Arbeit fühle ich mich gedrungen, Herrn Prof. C. Jacobj für die vielseitige Anregung und Unterstützung bei der Anfertigung der Arbeit meinen innigsten Dank zu sagen. 223 (Aus dem pharmakologischen Institut der Universität Tübingen.) Beiträge zur Frage über die Wirkung der Xanthinderivate. I. Mitteilung. Über die Veränderung mechanischer Eigenschaften des ruhenden quergestreiften Muskels (Froschgastroenemius) unter dem Einflusse der verschieden alkylierten Xanthine. Von Dr. med. 3. W. Golowinski, Assistent am physiologischen Institut der Universität Moskau. Nachdem wir in der vorigen Mitteilung die elastischen Eigen- schaften des ruhenden quergestreiften Muskels kennen gelernt haben, können wir uns nun der wichtigen Frage zuwenden, ob und in welcher Weise pharmakologische Agentien imstande sind, diese elastischen Eigenschaften des ruhenden Muskels zu verändern. Die in der Literatur über diese Frage bereits vorliegenden Untersuchungen [Rossbach und Anrep!), Kobert?), Dreser?°), Goto*) u. a.] beweisen, dass die Muskelelastizität durch pharma- kologische Agentien bedeutende Veränderungen erfahren kann. Kobert hat durch seine Versuche festgestellt, dass bei grösseren Coffeindosen der quergestreifte Muskel seine Elastizität allmählich verliert. Von besonderem Werte sind die hierher gehörenden Unter- suehungen Dreser’s mit verschiedenen pharmakologischen Agentien (darunter auch dem Coffein), da hier eine Methode für die genaue mathematische Berechnung der quantitativen Abweichung von der Norm gegeben wird. Der Einfluss des Coffeins ist nach diesen 1) Pflüger’s Arch. f. d. ges. Physiol. Bd. 21. 2) Arch. f. exper. Pathol. u. Pharmak. Bd. 15 S. 22—80. 1882. 8) Arch. f. exper. Pathol. u. Pharmak. Bd. 27 S. 50. 4) Zeitschr. f. Biol. Bd. 46 S. 38. 1904. >34 J. W. Goloewinski: Versuchen sehr abhängig von der Dosis. Kleine Dosen (1—2 mg) erhöhen nach Dreser die Dehnbarkeit des ruhenden Muskels, erössere aber vermindern dieselbe, wobei die Dehnungskurve mehr geradlinig verläuft als beim normalen Muskel. Dreser stellte seine Versuche bei normaler Blutzirkulation in den Froschextremitäten an, führte die betreffenden Substanzen in den Bauchlymphsack ein und nahm die Beobachtungen 2—3 Stunden nach der Injektion auf. Ein so langes Abwarten kann für die Beurteilung der Resultate nicht gleichgültig sein. Einmal können bei solcher Art der Injektion die betreffenden Körper der Xanthingruppe mit allmählich zunehmender Ausbreitung lokale Wirkungen auch auf benachbarte Gewebe aus- üben, und sodann muss wegen der ungleichmässigen Rescrption das quantitative Eintreten der Substanzen in das Blut grossen Schwan- kungen unterliegen. Meine nachfolgenden Versuche über die Wirkung verschieden alkylierter Xanthine auf die elastischen Eigenschaften des ruhenden Muskels wurden mit dem bereits in der letzten Mitteilung erwähnten Apparat von C. Jacobj!) angestellt, und zwar bei völlig erhaltener Blutzirkulation.e Um aber die oben erwähnten Fehlerquellen zu vermeiden, wurden die zu untersuchenden Substanzen nicht in den Bauchlymphsack, sondern direkt in die Bauchvene injiziert. Die Beobachtungen wurden erst 3 Minuten nach der Injektion auf- genommen. Es wurden stets Tiere einer Art (R. eseulenta) und möglichst von gleichem Gewichte verwendet. Die Substanzen wurden proportional ihrem Gehalt an freier Base pro Gramm Körper- gewicht des Tieres berechnet und injiziert. Um die nötige Be- wegungslosigkeit der Frösche zu erzielen, wurden die motorischen Nerven der Extremitäten möglichst hoch durchsehnitten. Die untenstehenden Resultate geben die Berechnungen der Dehnungs- und Rückdehnungskurven des Froschgastroenemius in der Norm und unter dem Einfluss der verschieden alkylierten Xanthine wieder. Diese Berechnungen erfolgten nach der von Dreser?) angegebenen Methode; jedoch wurden die Arbeits- und Dreiecks- flächen durch Wägen bestimmt, wobei die Fehlergrenzen zwischen 0,10—0,25 °/o schwanken. 1) Deutsche med. Wochenschr. 1906 S. 1646 (Vortragsreferat.) AL Beiträge zur Frage über die Wirkung der Xanthinderivate. II. 225 Dehnungsversuche des ruhenden Froschgastroenemius, Trimethylxanthinum. Rana esculenta, & 40,0 g. Arbeitsfläche 0,1240 — _?’ == 0 ort ee N > Arbeitsfläche 0,0971 —4 Ö IE == 2 —— 0 10-2 pro 1,0 des Körpergewichts en 0,1810 74,1 lo. Äthyltheophyllinum. Rana esculenta, 5. 40,0 8. Arbeitsfläche 0,1263 u 2 == 0 Nun Se ten: Da 2 Arbeitsfläche Oo et ER : re) eine 0 10% pro 1,0 des Körpergewichts | Dreiecksfläche 0,2351 74,9 o. Äthyltheobrominum. Rana esculenta, & 395,0 8. Arbeitsfläche 0,1110 = ? — 5 0 Nana or en 0,1690 65,6 %/o. Arbeitsfläche 0,1450 A FR Q N) zu f) 10% pro 1,0 des Körpergewichts en 0.2080 69,7 90 Äthylparaxanthinum. Rana esculenta, &. 40,0 8. Arbeitsfläche 0,0986 ei Kim a nes le a Arbeitsfläche 0,1360 Bu = : un Zum 0 10% pro 1,0 des Körpergewichts en 0.2067 65,7 0. Theobrominum. Rana esculenta, & 40,0 @. Arbeitsfläche 0,1005 n zum nn Tuget io Arbeitsfläche 0,1240 —4 CH _Q Pe b} Ber € X wc) ? 10 pro 1,0 des Körpergewichts 0,1940 63,9 !o Theophyllinum. Rana esculenta, &. 40,0 g. Arbeitsfläche 0,1350 N ee — — 67.400 en ee Dom! Arbeitsfläche Vabazı: 10 Ö ich — — — 74,8 %)o. pro 1,0 des Körpergewichts ee hucte 0,2633 74,8 °/o 226 J. W. Golowinski: Paraxanthinum. Rana esculenta, &. 39,0 8. : Arbeitsfläche 0,0991 Tor ee) = 0 Norm en 0,1651 60,0 ©io. Arbeitsfläche 0,1480 er dr 2 ri BER ) 10% pro 1,0 des Körpergewichts ek 0,2200 67,2 0. Heteroxanthinum. Rana esculenta, &. 39,0 @. - " Arbeitshläche Dog 5 Norm san er none ae rar — 604.8 Arbeitsfläche 0,1185 a = D Be 0 10% pro 1,0 des Körpergewichts Do 0,1710 69,2%. Methoxycoffeinum. Rana esculenta, &. 39,0 8. Arbeitsfläche 0,1200 D Norma ae: aan ode = 028 lo. Arbeitsfläche 0,1160 — .. D = Seren — 1) 10-* pro 1,0 des Körpergewichts eehachn 0,1670 66,4 0. Äthoxyeoffeinum. Rana esculenta, ö&. 36,0 @. Arbeitsfläche 0,1251 : ee = () Norm. nee en 0.1911 65,9 %. Arbeitsfläche 0,1300 — * D zu $) et fi) 10% pro 1,0 des Körpergewichts en 0,1800 68,7 90. Rückdehnungsversuche des ruhenden Froschgastroenemius. Paraxanthinum. Rana esculenta, &. 40,0 g@. Arbeitsfläche 0,1021 D INIOrmE a : eeenadte — 5.1781 — el f Arbeitsfläche 0,0870 An An : ee ee nen 0/g, 10-2 pro 1,0 des Körpergewichts ehe 0,1740 50,0 9/0 Theobrominum. Rana esculenta, 5. 40,0 g@. Arbeitsfläche _ 0,0870 b Norma ea 2 un A Be nen san — 51,4 o. Arbeitsfläche 0,0871 —/l e. . = 6) =— 90) R 10 pro 1,0 des Körpergewichts een 0,1981 43,9 "lo Beiträge zur Frage über die Wirkung der Xanthinderivate. II. DM Theophyllinum. Rana esculenta, &. 38,0 8. Arbeitsfläche 0,0970 0 NIGEIR 6... re rear 0,1900 = 51,0 lo. Arbeitsfläche 0,0880 1 .. . But ’ ee 0/ 102 pro 1,0 des Körpergewichts ee 0,1950 45,1 °/o. Coffeinum. Rana esculenta, &. 40,0 8. f Arbeitsfläche 0,0930 . 3 — —___— /o. em IDsekon oz Arbeitsfläche 0,0990 & ch a 10% pro 1,0 des Körpergewichts Imesteoksnache ww oaıaı 46,4 %/o Äthyltheophyllinum. Rana esculenta, &. 36,0 @. Arbeitsfläche OOSUERE Bor ekenache = 0,1980, 25 a ( Arbeitsfläche‘ 0,0880 10% pro 1,0 des Körpergewichts u: - — DE Dreiecksfläce 0,1820 Äthyltheobrominum. Rana esculenta, 3%. 40,0 g. Arbeitsfläche 0,1240 5 Norma ne, , Gene er — 0,2150 = 57,6 /o. Arbeitsfläche 0,1460 10 pro 1,0 des Körpergewichts es RT 53,6 'o. 2) Äthylparaxanthinum. Rana esculenta, &. 39,0 8. Arbeitsfläche 0,0986 — 7 — 50,0%. z om i en. Vz NR ( Arbeitsfläch 0,0800 10% pro 1,0 des Körpergewichts ren re — Tan — 19. Heteroxanthinum. Rana esculenta, &. 35,0 8. Arbeitsfläche 0,0884 b De A Dreher‘ Arbeitsfläch 6) 10 pro 1,0 des Körpergewichts u a 47,10. ı Dreiecksfläche >S 0,1891 298 J. W. Golowinski: Methoxycoffeinum. Rana esculenta, &. 35,0 g. Arbeitsfläche 0,1160 Norm i SEIEN SEM eaneits 0,2390 a Arbeitsfläche 0,0830 10 pro 1,0 des Körpergewichts J : — = 45,3 lo. Ba un \ Dreiecksfläche 0,1830 a Äthoxyeoffeinum. Rana esculenta, & 40,0 g. Arbeitsfläche 0,0940 Nom | —- — 592 )k- | Dreiecksfläcke 0,1800 N Arbeitsfläche 0,1161 10— pro 1,0 des Körpergewichts — — 49,1%. a nn no ee Tabelle. Verminderung der | Unvollkommenheit d. elastischen Dehnbar- | Energierestituierung Substanzen Dosis keit des Frosch- | bei Rückdehnung d. gastrocnemius Froschgastrocnemius in Prozenten in Prozenten Cofenuma sr > er | 6,4 6,6 Athyltheobronimum. . . 2EC 6,2 1,2 Athyltheophyllinum . . . omE 5,7 71 Athylparaxanthinum. . S=E u 1,6 Paraxanthinum..... a8 12,0 12,7 Theobrominum . .. . . 2 52 11,9 12,6 Theophyllinüum ... .. me 10,9 1.8 Heteroxantkinum . . . . 3: 12,8 12,9 Methoxycoffeinum. . . 358 5,7 6,5 Äthoxycoffeinum . Ber 5,0 5,9 Aus diesen Versuchsergebnissen folgt, dass die Xanthine nicht ohne Einfluss auf die elastischen Eigenschaften des ruhenden Muskels bleiben. Der Charakter der Dehnungskurve bleibt überall gleich, aber die Dehnbarkeit vermindert sich, und die Dehnungskurve nähert sich der geraden Linie. Diese Beobachtungen stimmen vollkommen überein mit den Angaben Dreser’s!) bei mittleren Coffeindosen. Der Unterschied in der Wirkung der einzelnen von mir ge- prüften Xanthinkörper ist lediglich ein quantitativer. Ausser der Dehnungskurve verändert sich, wie aus den vor- stehenden Berechnungen hervorgeht, auch die der Rückdehnung, die unter der Einwirkung der Xanthine noch unvollkommener wird. )elge: Beiträge zur Frage über die Wirkung der Xanthinderivate. II. 229 Alle diese Erscheinungen sind im hohen Grade ‘abhängig von dem Einfluss der Substanzen dieser Gruppe auf die kontraktile Muskel- substanz, die sich in folgenden Veränderungen ausdrückt: Das aller- erste Stadium der Wirkung äussert sich in einer Kondensierung der Eiweissmoleküle; erst nach dieser wird eine feinere Granulierung in der Struktur bemerkbar, die sich durch Trübung charakterisiert und eine Folge besinnender Gerinnung des Myosins darstellt; endlich tritt dann eine vollständige Vernichtung und Zerstörung des Muskel- baues ein. Für kleine und mittlere Dosen kommen nur die ersten beiden Stadien der Wirkung in Betracht, die als reversible Prozesse aufzufassen sind, d. h. nach dem Aufhören der Wirkung kehrt die Struktur zur Norm zurück. Die bei der Wirkung der Xanthinkörper beobachtete Ver- minderung der Dehnbarkeit des Muskels ist danach ganz ver- ständlich; ihre Entstehungsweise zeigt eine weitgehende Analogie zu der Wirkung, wie man sie bei der Tetanisierung des Muskels beobachtet. In beiden Fällen handelt es sich in der Tat um eine Verkürzung einzelner Muskelfasern, und infolgedessen beteiligt sich der Muskel einheitlicher mit seinen Bestandelementen bei der Dehnung. Ein Unterschied besteht lediglich in der Wirkung auf die Rück- dehnungskurve. Unter der Einwirkung der Xanthinderivate beobachtet man, wie aus den Kurvenberechnungen klar hervorgeht, ein stärkeres Hervortreten der sogenannten elastischen Nachwirkung. Bekanntlich verwandelt sich nach den Untersuchungen von Fick!) bei der Dehnung des Muskels ein Teil der Arbeit in Wärme, und diese Umsetzung in Wärme kann unter dem spezifischen Einfluss der Xanthinkörper auf die kontraktile Muskelsubstanz in erhöhtem Maasse vor sich gehen, ähnlich wie dies z. B. bei dem unter Veratrin-Einwirkung arbeitenden Muskel mit Hilfe thermoelektrischer Messungen von Fick und Boehm festgestellt ist. Tritt aber ein derart starker Energieverbrauch bei der Deformation des Muskels durch die Wirkung der Xanthinkörper ein, so kann er natürlich zu einer gegen die Norm unvollkommeneren Rückdehnungskurve führen; denn die in Wärme umgesetzte Energie 1) Untersuchungen aus dem physiol. Laboratorium der Züricher Hoch- schule Nr. 1. Wien 1869. — Mechanische Arbeit und Wärmeentwicklung bei der Muskeltätigkeit. Leipzig 1882. 230 J. W. Golowinski: Beiträge zur Frage über die Wirkung etc. muss nach dem Gesetz der Erhaltung der Energie von der Muskel- arbeit entnommen werden. Bezüglich des Wirkungsgrades der Xanthinkörper auf die elastischen Eigenschaften des ruhenden Muskels ist zu bemerken: Am schwächsten wirken die trialkylierten Xanthine, etwas stärker ist die Wirkung bei den Dimethylxanthinen, und am stärksten tritt sie hervor beim Monomethylxanthin-Heteroxanthin; d. h. je weniger der Xanthinkern der Alkylierung unterworfen wird, um so schärfer tritt der Einfluss auf die Elastizität des Muskels hervor. Zieht man nun den chemischen Aufbau ‚der Purinkörper in Betracht, um die Bedeutung der Methyl- (resp. Methoxy-) oder Äthyl- (resp. Äthoxy-) Gruppen in dieser Hinsicht zu erklären, so erweist sich, dass ein Ersatz des Methyls beim N durch Äthyl die Wirksam- keit des Xanthinkernes gar nicht oder doch höchstens in ganz ge- ringem Grade verändert. Vergleicht man z. B. das Methyltheobromin mit dem Äthyltheobromin, so erhält man einen Unterschied von 0,2—0,6°/o, der ohne Zweifel in den Grenzen des Beobachtungs- fehlers liegen kann. Ähnliche Resultate gibt auch ein Vergleich der Wirksamkeit des methoxylierten und äthoxylierten Coffeins. Eine gewisse Abstufung des Wirkungsserades ist zu bemerken bei Lageveränderung der Methyl- und Äthyleruppen in den isomeren Verbindungen: Äthyltheophyllin, Äthyltheobromin, Äthylparaxanthin, Theophyllin, Theobromin, Paraxanthin, indem die Wirkung von Theo- phyllin zum Paraxanthin zunimmt, wogegen die Wirkung des Coffeins. infolge Anlagerung der Methoxy- und Äthoxy-Gruppe an den C abnimmt. Immerhin handelt es sich auch hier nicht um grosse Unterschiede. Es ist mir eine angenehme Pflicht, zum Schlusse Herrn Prof. C. Jacobj für die Anregung zu dieser Arbeit und seine viel- seitige Unterstützung bei ihrer Anfertigung meinen herzlichsten Dank zu sagen. 231 (Aus dem pharmakologischen Institut der Universität Tübingen.) Beiträge zur Frage über die Wirkung der Xanthinderivate. III. Mitteilung. Uber den Einfinss der Purinderivate auf die mechanischen Eigenschaften des tätigen Skelettmuskels. Von Dr. med. J. W. Golowinski, Assistent am physiologischen Institut der Universität zu Moskau. (Mit 10 Textfiguren.) Myographische Versuche. Bekanntlich zeigt der Muskel ausser der Elastizität noch eine andere wichtige Eigenschaft: die Kontraktilität, welche sich in der Formveränderung (Verkürzung und Verdiekung) unter dem Einfluss eines Reizes äussert. Die Reizquellen können sehr verschieden sein. Als normaler Reiz dient der Nervenimpuls, der dem Muskel mittels des motorischen Nerven zugeleitet wird. Der bei physiologischen Experimenten am meisten gebräuchliche Reiz ist der elektrische Strom, den auch ich bei meinen Versuchen benutzte (Induktionsapparat von du Bois-Reymond in der Ludwig’schen Modifikation mit 10000 W.). Die Reizung des Muskels wurde mit dem Öffnungs- schlag ausgeführt, die Tetanisierung desselben durch öftere Unter- breehungen mit dem Wagner’schen Hammer. Bekanntlich ant- wortet auf die Reizung mit dem einzelnen Öffnungsschlag der Muskel mit einer einzigen Zuckung, und auf der Kurve unterscheidet man dann zwei verschiedene Teile: einen, wo noch keine Veränderungen zu konstatieren sind, obwohl der Reiz schon ausgeführt ist; diese Phase nennt man bekanntlich die Periode der latenten Reizung des Muskels; dann einen anderen: die Kurve, welche der Hebel zeichnet, geht in die Höhe, steht eine kurze Zeit auf derselben und fällt danach auf ihr früheres Niveau. Dieser Teil entspricht dem Stadium der aktiven Zuckung des Muskels und zerfällt seinerseits in zwei Phasen: die aufsteigende Phase oder die der zunehmenden Energie, welche der Verkürzung des Muskels entspricht, und die ab- steigende Phase oder die der abnehmenden Energie, welche der Er- schlaffung des Muskels entspricht, wobei die. letztere etwas länger Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd. 160. 16 232 J. W. Golowinski: dauert als die Verkürzung und nicht gleichmässig schnell vor sich geht. Die Dauer der einzelnen Zuckung in toto sowie die der einzelnen Phasen, einschliesslich der Periode der Latenzzeit, ist von verschiedenen Bedingungen abhängig. Die Latenzperiode wird ge- wöhnlich länger als normal: bei der Ermüdung des Muskels, bei Abkühlung, bei Sistierung der Blutzirkulation, bei Vergrösserung der Belastung, während sie sich bei entgegengesetzten Umständen ver- kürzt. Die Zuckungshöhe, d. h. die Verkürzungsgrösse des Muskels, welche auf die Zuckungskraft desselben hinweist, ist ebenfalls ver- änderlich ; die Ursachen, welche die Reizbarkeit des Muskels schwächen, verkleinern gewöhnlich die Höhe der Zuckungskurve. Um den Wirkungscharakter der Körper der Xanthingruppe auf die Darstellung soleher Kurven zu erklären, habe ich myographische Versuche (isotonische Zuckungskurven) mit dem Froschgastroenemius — bei normaler Blutzirkulation — ausgeführt. Die Tiere wurden bewegungslos gemacht, indem ihnen die motorischen Nerven der vorderen und hinteren Extremitäten durchschnitten wurden; die Reizung des Muskels wurde durch den N. ischiadieus mit Hilfe des für jeden Muskel maximalen Reizes (Öffnungsschlag) ausgeführt. Filehne!) konstatierte bei seinen Beobachtungen über den unmittelbaren Einfluss des Coffeins, Theobromins und Xanthins auf den quergestreiften Muskel, dass die Muskelstarre sehr stark bei Coffeinum, noch stärker bei Theobrominum ausgeprägt ist, dessen ‚Wirkung seinerseits schwächer ist als die des Xanthins. In dem- selben Jahr erschien eine Arbeit von Paschkis und Pa]?), welche im Laboratorium von Stricker eine Reihe von Experimenten mit Fröschen ausgeführt haben, um die Wirkung des Xanthins, Theo- bromins und Coffeins auf die Tätiekeit des Skelettmuskels zu er- forschen. Ihre Beobachtungen zeigten, dass die Reizbarkeit des Froschmuskels bei der Einwirkung kleiner Dosen der obenerwähnten Substanzen sich zuerst bedeutend vergrössert, nach einiger Zeit jedoch ganz verschwindet, wobei die Gesamtdauer der Zuckung am kürzesten beim Coffeinum und am längsten beim Xanthin ist. Obwohl der Charakter der Muskelkurven, welcher an Veratrinwirkung erinnert, gleichartig bei der ganzen Xanthinreihe bleibt, sind die Kraft und die Dauer der Zuckung verschieden. Die Kontraktion ist am längsten beim Coffeinum, weniger beim Theobrominum und am wenigsten 1) Arch. f. Anat. u. Physiol. (physiol. Abt.) 1886 S. 72. 2) Wiener mediz. Jahrb. 1886 Nr. 7. Beiträge zur Frage über die Wirkung der Xanthinderivate. III. 233 beim Xanthin. Während Buchheim und Eisenmenger!) bei ihren vergleichenden Untersuchungen über die Wirkung von Coffein und Theobromin die Verlängerung des herabsteigenden Teiles der myographischen Kurven beobachteten, aber keinen Unterschied in der Darstellung der Form der Kurven bei der Muskelzuckung, be- obachtete Albanese?), indeın er die Wirkung der Monomethyl- xanthine prüfte, dass sie hauptsächlich auf dem quergestreiften Muskel sich zeigt, ähnlich der Wirkung von Xanthin, Muskelstarre erzeugend, wobei Heteroxanthin stärker in dieser Hinsicht wirkt. Solche Wider- sprüche in den erhaltenen Resultaten kann man wahrscheinlich einer- seits dadurch erklären, dass nicht alle Autoren eine und dieselbe Art von Tieren (Frösche) benutzten, und anderseits dadurch, dass sie verschiedenen Fröschen die zu untersuchenden Substanzen in den Bauchlymphsack bald in Form leichtlöslicher Doppelsalze einführten (ohne nähere Angabe über die pro Gewichtseinheit des Tieres an- gewandte Menge der freien Base), bald Lösungen der verschiedenen, im allgemeinen schwerlöslichen freien Basen benutzten. Hieraus konnten verschiedene Bedingungen für die Resorption und folglich auch für die Wirkung entstehen. Die Einführung der Purinderivate in den Bauchlymphsack der Frösche ist — selbst bei leichtlöslichen Salzen — kein gleichgültiger Faktor. Wie wir wissen, üben ver- schiedenartig alkylierte Xanthine quantitativ verschiedene Wirkung auf den quergestreiften Muskel aus. Man behauptet gewöhnlich, dass Rana temp. und Rana escul. auf Xanthinkörper verschiedenartig reagieren, letztere hauptsächlich mit dem Nervensystem, erstere aber mit den Skelettmuskeln (Schmiedeberg). Die beiden folgenden Versuchs- protokolle mögen als Beispiele für diesen Wirkungsunterschied beim Coffein dienen: Versuch 1. Rana temporaria, &. 50 8. 4h 35’: Coffeinum 2.10% pro Gramm des Körpergewichts in den Bauchlymphsack. 4h 40’: Etwas schlaffe Bewegungen. 4h 48’: Bemerkbare Regidität in den hinteren Extremitäten; die Bewegungen sind langsam und werden mit bedeutender Schwierigkeit ausgeführt. 5h 00’: Die Bewegungen der hinteren Extremitäten sind sehr schwierig geworden. Beim Tasten bemerkt man Reflexerhöhung bis zum Ausbruch tetanischer Kontraktionen in den vorderen Extremi- täten, in den hinteren jedoch kaum bemerkbare Zuckungen. 1) Eckhard’s Beitr. z. Anat. u. Physiol. Bd. 5 S. 73—145. 1870. 2) Arch. f. exper. Path. u. Pharm. Bd. 43 S. 305. ie: 234 J. W. Golowinski: 5h 15°: Idem, 5h 25’: Bei der Berührung bekommt man fast gar keine tetanischen Kontraktionen. 5h 32’: Volle Entwicklung der Muskelstarre. 5h 47’: Mikroskopische Struktur des Muskels an verschiedenen Stellen bald verändert, bald nicht. Versuch 2. Rana esculenta, &. 50 8. 10h 30’: Coffeinum 2.10% pro Gramm des Körpergewichts in den Bauchlymphsack. 10h 40’: Reflexe sind etwas erhöht. 10h 45': Starke Erhöhung der Reflexe. 11h 00': Die Reflexe sind bis zum Ausbruch des Tetanus erhöht. Man beobachtet keine Regidität der Muskeln. 11h 15’: Man kann leicht strychninartigen Tetanus hervorrufen. 12h 00’: Idem. 12h 10’: Man beobachtet keine mikroskopische Veränderung der Struktur am Muskel. Obwohl dieser Unterschied in der Wirkung der Xanthine, wie die Untersuchungen von Schmiedeberg!), Jacobj und Golowinski?) zeigen, von der verschiedenen Empfindlichkeit des quergestreiften Muskels und des Zentralnervensystems bei beiden Froscharten ab- hängig ist, so ist dennoch die Hauptursache nicht hier zu suchen. Beide Froscharten zeigen bei der Präparation einen bedeutenden Unterschied in der Entwicklung des Bindegewebes, welches bei Rana escul. verhältnismässig stärker entwickelt ist. Weiterhin ist von Schmiedeberg?), Paschkis und Pal®), Albanese°) fest- gesetzt, dass die Muskelstarre unter dem Einfluss der Xanthinderivate von der Applikationsstelle beginut, sich allmählich auf die benachbarten Stellen ausdehnt und endlich auch auf die weiter abliegenden. Diese Erscheinung wird stets bei Rana tempor. konstatiert; sie fehlt da- gegen bei Rana escul. Wenn man jetzt die bedeutenden Unter- schiede bei diesen zwei Arten von Fröschen in der Entwicklung des Bindegewebes resp. des Perimysiums beachtet, welches gerade bei der Einführung der Xanthinderivate in den Lymphsack als Scheide- wand zwischen den eingeführten Substanzen und dem Muskelgewebe dient, weiterhin die Verwandtschaft dieser Stoffe zur quergestreiften Muskulatur und endlich das Bild der allgemeinen und örtlichen Wirkung dieser Substanzen bei beiden Froscharten, so fragt sich, 1) Arch. f. exper. Path. u. Pharm. Bd. 2 S. 62. 1874. 2) Arch. f. exper. Path. u. Pharm. Supplbd. S. 286. 1908. 31 c. Beiträge zur Frage über die Wirkung der Xanthinderivate. III. 235 ob der obenerwähnte Unterschied in der Wirkung auf diese Frösche nicht hauptsächlich durch die örtlichen Bedingungen in der Ein- führung der Xanthine in den Lymphsack zu erklären ist. Für die Erörterung dieser Frage habe ich einige Experimente bei beiden Froscharten mit Einführung des Coffeinums direkt ins Blut gemacht. Die Ergebnisse dieser Versuche waren von gewissem Interesse, wie es der Versuch 3 zeigen soll. Versuch 3. Rana temporaria, &. 40 g@. 2h 00’: Coffeinum 2-10? pro Gramm des Körpergewichts intra venam abdominalem. 2h 03': Bei der Berührung bemerkt man tetanusähnliche Kontraktionen der vorderen und hinteren Extremitäten. 2h 05’: Idem. 2h 08’: Typischer Tetanus. Keine bemerkbare Erscheinung der Muskelstarre. 32h 35’: Idem. 2h 40': Idem. 2h 50’: Bei der Berührung strychninartiger Tetanus. Regidität der Muskeln fehlt. 3h 00’: Idem. Die mikroskopische Struktur des Skelettmuskels ist nicht verändert. Rana tempor. reagiert also, wie aus diesem Versuche zu ersehen ist, bei intravenöser Einführung des Coffeinums ganz ebenso wie Rana eseul., d.h.. sie zeigt eine erhöhte Reizbarkeit des Zentral- nervensystems, während die sonst hervortretende Muskelwirkung bei solcher Versuchstechnik sieh nicht feststellen lässt. Aus diesen Ver- ‘ suchen geht hervor, dass beide Froscharten fast gleichartig auf die ins Blut eingeführten Substanzen der Xanthinreihe reagieren; folglich muss der bei subkutaner Einverleibung hervortretende Unterschied abhängig sein von den verschiedenen Resorptionsbedingungen und sodann auch davon, dass der Einfluss auf das Zentralnervensystem, schon bei geringer Resorption der betreffenden Substanzen, maskiert wird durch die örtliche Wirkung auf den Muskel. Derselben Meinung ist auf Grund seiner Beobachtungen auch N. P., Krawkow!)). Wenden wir uns jetzt zur Betrachtung der erhaltenen myo- graphischen Kurven. Fig. 1—10 stellen myographische Kurven des Froschgastroenemius dar, welche mit Hilfe der elektrischen Reizung des Muskels durch den Nervus ischiadieus erhalten sind. 1) Grundriss der Pharmakologie (Russisch) 1913 S. 252. J. W. Golowinski: EEE se SNENEIRNETTERE a b Fig. 1. Rana temporaria, ö&. 33 g. a) Norm. b) Coffeinum 2-10-* pro Gramm des Körpergewichts intra venam abdominalem. — 1 Latenzperiode. Reizung mit Öffnungsschlag. Daniel’s Element 1,2 V. Abstand der sekundären Rolle 25 cm. 2 Zeit: 0,01 Sekunde. a b Fig. 2. Rana temporaria, 5. 40 g. a) Norm. b) Äthyltheophyllinum 2-10-* pro Gramm des Körpergewichts intra venam abdominalem. — 1 Latenzperiode. Reizung mit ÖOffnungsschlag. Daniel’s Element 1,2 V. Abstand der sekun- dären Rolle 25 cm. 2 Zeit: 0,01 Sekunde. Beiträge zur Frage über die Wirkung der Xanthinderivate. III. 237 a b Fig. 3. Rana temporaria, 5. 38 g. a) Norm. b) Äthyltheobrominum 2-10-* pro Gramm des Körpergewichts intra venam abdominalem. — 1 Latenzperiode, Reizung mit Öffnunssschlag. Daniel’s Element 1,2 V. Abstand der sekun- dären Rolle 26 cm. 2 Zeit: 0,01 Sekunde. Fig. 4. Rana temporaria, $. 37 g. a) Norm. b) Athylparaxanthinum 2-10? pro Gramm des Körpergewichts intra venam abdominalem. — 1 Latenzperiode. Reizung mit ÖOffnungsschlag. Daniel’s Element 1,2 V. Abstand der sekun- dären Rolle 25 cm. — 2 Zeit: 0,01 Sekunde. J. W. Golowinski 9punyag 100 :19Z 5 "WO 9g ajfoyf uaıgpunyos Jop pueIsqy "A ZI Juoway S,[etueqg Sejyosssunugg u Sunziey apoLisdzusyer] T — "wojeummopge umeuaA eayur sygoImosrsdıoy sap wein od „_Q]-z wnumkgdöoyg (q 'wıon (e ‘3 gg 2 “erreiodue euey °C SL 5 q ® Beiträge zur Frage über die Wirkung der Xanthinderivate. III. uaıepunyas Aop purgsqy "A opunyos 100 :19Z © "wo 77 Aloy I] Juowojy S,[9Tueg "Sejyassäunuyg Ju ZSunzıoy weusa Baur SIQDIMaSIodıoy Ssop wwein od ;„_0]-.z wnummoagoayL (Q "wIoN (& ‘9polmodzuaye]g [ — 'woeurwopge 3, 2 'ereiodus} wuey °9 ‘La J. W. Golowinski 240 gie 100 :90Z a "wo 77 Afoy uaaepunyas dop puwgsqv "A z T Auomayy s,[arueq FegossFunugg Yun zer -opontadzuegerg I "wWIJEULWOPIE WBU9A BAUT SIQOIMASTIÄION SAP nn o1d ‚„-0T zZ wnuryuexoaspof] (q "won (e 8 a, °Q “erneaodusg a ‘8 dL4 NUN ‘Spunyas [00 :79Z 4 "WO cz ajfoy uarepunyos a9p purgsqy "A ZT Juawal S,Joruegq Sejgossgunugg yım Sunziaoyyp 'oporıadzuayer; 7 — "wogumuopge weusA Baur SIQ9IMASILHdIOYJ SEp wweId old 5_ oT: ; wnummuexemeg (q ‘won (e ‘3 gg Q 'erieiodus) vuwy "u. "LT q e 6 KAMM MALUWAANNAVAANAAANANANAAMANAAAAMAMANNNAMMAANANAMNANM — Beiträge zur Frage über die Wirkung der Xanthinderivate, III. 241 zT a b Fig. 9. Rana temporaria, 5. 838 g. a) Norm. b) Methoxycoffeinum 2 - 10-* pro Gramm des Körpergewichts intra venam abdominalem. — 1 Latenzperiode. Reizung mit Öffnungsschlag.. Daniel’s Element 1,2 V. Abstand der senkun- 2 dären Rolle 25 cm. 2 Zeit: 0,01 Sekunde. RR Fig. 10. Rana temporaria, 5. 40 g. a) Norm. b) Äthoxycoffeinum 2. 10-* pro Gramm des Körpergewichts intra venam abdominalem. — 1 Latenzperiode. Reizung mit Öffnungsschlag. Daniel’s Element 1,2 V. Abstand der sekun- dären Rolle 24 cm. 2 Zeit: 0,01 Sekunde. Golowinski: JEHWz 2 74 34 200 | 8200 98 840 seo gg GE EIE “er wnursyooAxogyy 200 G30°0 EL gg0 6T’o 68 88 g'68 | ee EN CE TO LEI NG 800 800 o m sz0 iz 12 7° "rn wnulgyuwxo1s>H 00 | «300 L#9 rl 6T'0 LI 29 63 | USIPUNUOPAE 9 rr mnuIgyuexeIeg Ä ? f i WEUIA EIJUL DE SE an cz00 | 800 968 2a 080 68 68 8 N eenebenbuen ; WNUIWOIGOBL, c200 | 8200 olE El 38°0 08 88 36 sopwweigond || ; ; amunÄgdosq, 800 800 981 64°0 <20 8E 68 88 Sole 0° wnumgurxeredjkugy £0‘0 £0°0 Lol sc‘0 330 gg or TE 009° mnurwoagoaggjÄgyy 200 200 £&8 L o Fig. 18. Vergiftet — Arbeitsfläche 0,1000 Norm — Arbeitsfläicke 0,1420 Versuch 19. Rana temporaria, &. 38 g. Abstand der sekundären Rolle 20 cm. Heteroxanthinum 2 10-* pro Gramm des Deu Körpergewichts intra venam abdominalem Belastung Hubhöhe Mebeit Belastung | Hubhöhe Arbeit g mm mm 100 52,9 5250 100 93,9 5350 200 52 10400 200 52 10400 300 13650 400 6400 500 3500 600 2640 700 2100 Vergiftet — Arbeitslächke _ 0,1110 Norm — Arbeitsläcke 0,1660 182 266 J. W. Golowinski: Versuch 20. Rana temporaria, & 36 g. Abstand der sekundären Rolle 23 cm. Mensen 2. 10-+ pro Gramm ih Norm Körpergewichts intra venam abdominalem Belastung _ Hubhöhe Arheit Belastung Hubhöhe Arbeit g mm g mm 100 44 4400 100 44,5 4450 200 43,5 8700 200 42 8400 300 42,5 12750 300 33 | 11400 400 26,5 10600 400 16,5 6600 500 10 5000 500 6 3000 600 | 6 3600 600 4 2400 700 | 3,9 2450 7090 2,9 1750 [121 ;EEEPSEEEBEE 2: 4 BEEZRZBEBRB SEHEBFESEEFReSEn 5 147 BERBRBEBE 003 J08 JOh 908 009 001. Fig. 20. Vergiftet — Arbeitsfläche _ 0,0982 Norm — Arbeitfläcke 0,1240 Versuch 21. Norm Körpergewichts intra venam abdominalem Belastung | Hubhöhe Arbeit Belastung Hubhöhe Arbeit g | mm g mm 100 40 4000 100 42 4200 200 39 7800 200 40 8000 300 37 11100 300 37 11100 400 20 8000 400 19 7600 500 12 6000 500 7 3500 600 8 4800 600 3,9 2100 700 3 2100 700 2 1400 Eu EHENBRSGERER EERRE Fig. Zale Vergiftet — Arbeitsfläche Norm — Arbeitsfläche _ 0,0981, 8,1180 Rana temporaria, & 35 g. Abstand der sekundären Rolle 23 cm. Äthoxycoffeinum 2. 10-* pro Gramm des Beiträge zur Frage über die Wirkung der Xanthinderivate. IV. 267 Tabelle I. | Verminderung Verminderung der Arbeitsfläche der Arbeitsfläche Substanzen des Muskels in Pro- Substanzen des Muskels in Pro- zenten bei Tetani- zenten bei Tetani- sierung desselben sierung desselben Coffeinum . . . . 17 Theobrominum . 39 Athyltheophyllin. . 16 Paraxanthinum . 42 Athyltheobromin. . 16° Heteroxanthinum. 49 Athylparaxanthin.. 19 Methoxycoffeinum 16 Theophyllinum . . 38 Athoxycoffeinum . 14 Der Gegensatz zwischen den bei dieser Versuchsanordnung und den bei den vorhergehenden Versuchen erhaltenen Resultaten erklärt sich dadurch, dass hier die Muskelarbeit mit grösserem Energie- verbrauch verbunden ist. Der Muskel hatte in diesen Fällen nicht eine einmalige Verkürzung bei schwacher einmaliger Reizung und kleiner Belastung auszuführen; vielmehr nahmen infolge seiner Tetanisierung mit maximaler Reizung während des ganzen Versuches gleichzeitig alle Bestandelemente des Muskels an der Arbeit teil; das Gewicht vergrösserte sich allmählich über die optimale Belastung hinaus. Ausserdem musste die Verkürzung nach vorhergehender Dehnung vollbracht werden, und dabei entwickelt der Muskel nach den Untersuchungen von Blix!) eine grössere Wärmemenge. Diese Verhältnisse sind natürlich als Faktoren anzusehen, die den Einfluss der alkylierten Xanthine, die allein schon, wie oben erwähnt, einen grösseren Energieverbrauch hervorrufen können, unterstützen, so dass der Muskel mit seiner Gesamtarbeitsleistung bei anwachsender Belastung hinter der Norm zurückbleiben muss. Zwar wird, wie man aus den Versuchen mit trialkylierten Xanthinen sieht, im An- fang des Experimentes ein grösserer Nutzeffekt der Arbeit erzielt, aber weiterhin tritt eine Abnahme desselben ein, und zwar schneller als normal, was man als Folge der frühzeitigen Erschöpfung der Vorratskräfte des Muskels ansehen muss. Man beobachtet deshalb eine progressive Verkleinerung der Arbeitsfläche, parallel gehend mit der Verkleinerung der Alkylierung des Xanthins, als Folge stärkeren Einflusses der betreffenden Xanthinkörper, bei denen, wie aus den unten noch zu besprechenden Kurven hervorgeht, die Er- müdung des quergestreiften Muskels schneller eintritt, die Wieder- herstellung der Energie, die in grösserer Menge verbraucht ist, aber 1) Skand. Arch. f. Physiol. Bd. 12 S. 52. 268 J. W. Golowinski: ‚bedeutend langsamer geschieht. Dabei ist zu bemerken, dass die Schwankungen der Verkleinerung der Arbeitsfläche bei Wirkung der trialkylierten Xanthine, resp. äthoxy- und methoxylierten Coffeinen ungefähr in derselben Grenze liegen wie in den vorigen Experimenten. Unter den Dimethylxanthinen — den isomeren Verbindungen — ist die Verkleinerung der Arbeitsfläche am wenigsten bemerkbar beim Theophyllin, schon mehr beim Paraxanthin, am meisten aber beim Monomethylxanthin-Heteroxanthin. Wir sehen also, dass langdauernde Arbeit unter dem Einfluss der obenerwähnten Stoffe, bei gleichzeitig vor- handener Anregung zu vermehrtem Energieverbrauch und bei grösserem Widerstande (Belastung) während der Arbeit um so vorteilhafter ausfällt, je stärker der betreffende Xanthinkörper auf den Muskel einwirkt. III. Ermüdungsversuche am quergestreiften Muskel (Gastroenemius) durch öftere submaximale Beizungen bei optimaler Belastung. Für die Erklärung der Frage, um wieviel schneller in Wirklich- keit der quergestreifte Muskel unter dem Einfluss der Xanthinderivate ermüdet, habe ich Ermüdungsversuche angestellt am Froschgastro- cnemius, durch Reizung desselben vom Nervus ischiadieus aus (Öffnungsschlag: 102 pro Minute), bei optimaler Belastung, die bei den untersuchten Muskeln zwischen 90 und 110 g schwankte. Die Unterbrechung des Stromes geschah mittels eines Metronomes, welches an den obenerwähnten Schlittenapparat von du Bois-Reymond angebracht war. Die Hubhöhe wurde auf einer Trommel registriert, welche durch einen Elektromotor mit Hilfe der entsprechenden Trans- missionen sich sehr langsam drehte. Als primäre Stromquelle diente ein Trockenelement von 1,2 V. Zunächst wurde der normale Muskel nach bestimmten Zwischenräumen — von 1, 2, 5 und 20 Minuten — ermüdet und dabei der Grad der Wiederherstellung seiner Energie kontrolliert. Wie aus den Berechnungen der folgenden Versuchs- ergebnisse zu sehen ist, kehrte der in normaler Blutzirkulation sich befindende Gastroenemius nach 20 Minuten zu seinem ursprünglichen normalen Zustand zurück. 30 Minuten nach der vierten Ermüdung wurde die betreffende, zu untersuchende Substanz intra venam ab- dominalem eingeführt und sodann wieder in denselben Zwischen- räumen die indirekte Reizung bis zur vollen Ermüdung des Muskels ausgeführt. Zum Vergleich wurden die so gewonnenen Arbeits- flächen gewogen urd dann ihr Verhältnis zueinander berechnet. 269 HN "68900 — Sydryspaqıy !(‚osned -SZUNJOUIT uanumm Oz yaeu wnurmpon Yıuı ‘(‚osned -SSUNJoOyIMN uamum G yeu umunmpgon uw ‘(„‚osned -SÖunJoyam uoInumm % yJeu wmulyo) Jıuı ‘(„gsned -SUuUnjogIg omum I y9eu wMULyo) Yu "2180°0 = Oypegspagav !wnuayo,) Ju \ 19p pueisqy 3 c6 Zungsepg ofeundg 'SUNPNW.IT U942J9] A9P YOBU UHYaJSIOA nz dowwp (T ‘06900 = ydrH “ ‘6 -SNagqay :(„osnedsdunjoysg uarmumm 05 yoeu “ ‘(„ssnedsdunjoyig uomumm; c yveu a 7 ‘(„‚osnedssunjoygay uoynumm zZ ypeu ’e ii y) ‘(‚osnedsdunjogag aynuıı T yoeu 2 PAMNSSUNpnWITT °9 "78900 = AUPEgspoqaıy ‘Tewuojsı9 umz 9AınySdunpnwarg °T "wm 8 a]joy uarepunyas -wojsuruopge weusA eur SIyoImadıodıoy sop wwmeid od „_Q]- a 3 ce °Q eyuanasd eueyg EZ YonsıaA = -Sunpnunm u992J9] I9p ydeu uagajsıaA nz Jowwp (T 2 06900 = Jyargspoqay :(osmedssungoy | Zi DEE -I] uanuım 0 qdeu wnummoagoayyAyyy Mu = OL | ‘(‚osnedsdunjoy | -I usjnumm G yoeu wmumoagoagypÄgyy yııu S ‘6 00200 = ICH ‘(‚ osnedsdunjoy -sptaqay *(‚osnedssunjoyim uopnumm 05 ypeu * °C -I] uojmum zZ goeu ummwoagoogyjÄgyy Yu ii ‘8 ‘(‚osnedssunjogim uamumm G ydeu “ 7 ‘(‚osnedsdunjoy ‘(‚osnedsdunjoyay usmum Z ydeu “ e -I7 num IT YPeu wnumoagoagyXyuyy Au ® 2 ° (osnedsdunjogug aynurmmy [ ypeu ER zZ -c980'0= UI HSNOqıy !wnurwoagoagysg} y NW OAANNSSUNnpNWAIT ’9 °o690°0 = FUdepsNagıy ‘Tewusgsıo wnz HAanyssunpnus °L ve 'S4 . 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Golowinski: TI |) I "uw 8z aeg uaaepunyas A9p „3 Puessqy °3 07] Sungsepog sreumdg wofeuruopgqe WEUSA BIJUL syqdImsdıadıoy sep wwein od „_Q] -<‘T wnummuexeredjfiygy > 3 ge 2 ‘eyuapndse Burg °C, YONSIOA Beiträge zur Frage über die Wirkung der Xanthinderivate. IV. ‘@IF0°0 = FyPeygspaqgay ‘(„ssnedsdungoqg -I] uomumm 05 ypeu umursyo9AxoyJo ut ‘(‚gsnedsdunjog I] uaynumm G yowu wnurmpo9ÄxogIoN YIuL ‘( osnedsdunjoy -I7] uojnumm Z yoeu wmMUMWFO9AXogIJoN JLur ‘(‚osnedsdunjoy -Ig oynuım T gPeu umursyoaAxoyyow yıuı [13 ‘OT L -9970°0 = 3yJegsnaqıy !wnuryo9Äxoyypp Aw HAınySsgunpnumm "9 EN Vg ‚Sunpnwing u9720] A9p yoeu uaTegs19A nz aawwf (I "01500 — 9ydep -stqay :(‚ osnedsdunfoyam uaymumm: 0g ypeu 2 1 („‚osnedsdunjoyaq uamumm GC ypeu Re yr ‘(‚osnedsdunjoyagy usynumm zZ ypeu a ;c | ‘(‚ osnedsdunjoyig omumm T yoeu > zZ | "10500 = ITIEHSNIAIY :Tewuslsıa wnz 9Aanysdunpnumg "I ‘md 8z 9][oy uargpunyos op puejsqy ° 06 Junseppg ofeumdog "wojeurwopge ureusA eur sIJqoImadladıoy Sop wweın od „_QT -Gg‘T WNnUTgo9KxoggoW 28 ‘Q ‘ejJuanaso Buey 95 yonsıoa Golowinski: N au Fz800 = PUEHSNOqLY °Gr osnedsdunjoy -I] uamumm 0 yoeu umursyooAxoyyy yıu ‘(‚osoedsdunjoqg -I7 uomumm G ypeu wNnuIpooAxogyy yluı ‘(‚osnedsdunjoy -ı[ uomum g yoeu wnurogooAxoyyy yıu ‘(‚ asned -SBunjoy.1F aynuıpr [ yoeu unnursyosÄxogyy Lu 22800 = Oydepspogıy !wnuryosAxogyy JIW HAınySsZunpnuny «“ 14 “OT ‘9 "a "DIA me A -Junpnum U932J9] I9P yoeu uSgaJsI0A nz Jowu] (T -syragay :(„osnedsZunjoyim uamum 05 ydeu G ‘(‚asnedsdunjogag uaynumm GC ydeu 7 ‘(„osnedsdunjoyag usynumm Z ydeu & ;@ ‘(„osnedsdunjogam] Aynuım] T yoeu 3 I '0880°0 — ay98H 12800 = ayPegsneqiy !Tewusjsı9 wnz 9AInySSunpnunM u U ee "wo 8Z SjIoy uaaepunyas 19p puejsqy '3 001 Zumsepg afeugdg wofeummopge weusA waur syyommedıodıoy sap wuwean o1d „OT: CT wnuragooAxoyIYy 3 ce 2 "eyuopndsa eueyg 23 YOnSIoA 275 "T080°0 — aydegsyoqav :(osned -SZUNJOTLIN uanumm Oz qdeu umurppAydoag L, ur ‘(‚asned -sdunjogAg usynum G yoea wnunpkydoaq L yıuu ‘(‚osned -sdunjogIy uoynumm] Z yoeu wnurpAydoayJ, puı ‘(„‚osned -SdunJjogyIy omumm T yoeu wnunpÄgdoags, pw ‘9E80°0 — Sypegspogay “umunpkydooys Mu [0 [1 ‚Zunpywimg U9)ZJ0] Iop y9eu uaya4sIaA nz Touuf ([ ‘20900 — 9y98H 6 -syraqty :(„osnedssunjoyamy uamumm 05 ypeu “ ‘(„ssnedsdunjoyIg usynum G ypeu * ‘(‚gsnedsdunjoysg uamumy z yoeu x Y ‘(‚ssnedsdunjoyumg amumm I ydeu ar 9AINySsZunpnunmg ’9 -SGeo‘0 = 3ydepspaqıy ‘Tewusjsıo nz HAInySSunpnunmy 278 a: ‘wo 87 a]joy uaIepunyas 19p puesqy 3 c6 Junsepg ofeundg "wapwurwopge weusa eur SIyormadıadıoy sap wwern od „Of cf wnurpÄydoaq, ‘Q ‘ejuajnds9 wuey 85 UOnSI9A "28200 = Sypegspogıy ‘(osnedsdungoq -Ig uejnumml 05 Yeu WINUIMOAGOAUL IL ‘(„‚asnedsdunjoy -Ig uamumy G weu mnummoagoogL Au ‘(‚osnedssunfoy -I] uomum Z Uoeu wmUNmOAgoSyL, yIuL ‘(‚osnedsdunjoy -ı7 mu TI yoeu wunummoagoaqy], yıuL ’8590‘0 — SUMRHSNaqIYy !WnuLwoagoaL Ju «“ ‘Zunpnung uU99270] A9p yoeu uayeajsI0A nz dowmu (T "90200 = aydrH "6 -S119q41Y °(„osnedsdunjoyum uamurn 0z yaeu « “ ‘(‚ssnedsdunjoyag usynumy G yoeu 2 y ‘(‚osnedsdunjogany oynum T yoeu v ‘(‚ssnedsdunjoyag usnumm Z yoeu = °Q °C = SAANnYSgUnpnuuN ‘9 ‘00200 = IDeHSNaqıy !Tewusajsı9 wnz 9AınyJSsSunpnwIg "65 Std EEE ) Ban ww 8z 9][oy uUaaepunyos 19p puejsqy °3 001 Zungseppg ajewgdog "wajeumwopge weusa eur sIqdImasısdıoy sap wwea oad „_Q] ST WnurwoagoagL 376 -Q teyuajndsd eury *°65 YOnSsIaA nm ‘Zunpntiı u972J9] Jap ydeu UHTaJS19A nz Joww] (f > au ER LEEREN 26100 = AyPegspaqay :(„9snedssunjoy -Ig uomumm 0z ypeu wnummuexeieg Mu 5 ‘01 ‘(‚osnedsdunjoy -IJ uomum G yoeu wmurmmjuexeieg yıu = ‘6 ‘0190 = 999% ‘(, 9snedsdunjoy ı -sypoqay :(„osnedsdunjoyisg uamumm; 05 yoeu “ °C -I7] uomum Z ypeu Uumuıyjuexeieg Yıuı 2 Ss ‘(‚ssnedsdunjogay uamuıp G yaeu R 7 ‘(„‚osnedsdunjoy ‘(‚osnedsdunjoyam usmumm; Z yoeu = se] -I7 omum ] yeu wnummwuexereg u E , ‘(„‚osnedsdunjoga] aynuım T yoeu & iQ °GEg00 = IUICHSNOGIY :wnugyaexeieg Ju oAanysdunpnunmg 9 ‘9T90°0 = Sydeyspaqıy :[ewueajsı9a wnz HAdmySsSunpnung °T 08 14 "ud 8Z Joy uaıepunyos 15p pueysqy 3 C6 Sungsejogg ofewnde) "wojeurwopge weusA wıur SyupImadtedıoy sap wurzın o1d +-01 : GT wnummuexeieg 08 9 ‘eJuojndse euey DE YonsıaoA -Junpnunm u972J9] I9P YOBU UHTaFSIHA nz dowu (T 22.100 = 3ydegspagay :(„osaedsdungoy IN uaynumm 05 yaeu wmulyJueXo1sjof] yıluı “ 07 | ‘(‚osnedsdunjoy | "I ueJnum GC yoeu wmumyJugxolej9g Yun = Be FES0°0 = IU9eH ‘(‚osnedsdunjog ' -spiuqay ‘(„osnedsdunjoyaq uemumm 05 yaeu & Te -Ig uonum Z goeu wmurgJuwxXolojofg Jıu & | ‘(‚osnedsdunjoyig uamumy G ypeu = 7 ‘(, osnedsdunjoy | ‘(‚ssnedsdunjoyay uamum g ypeu x “8 14 Saum 7T yoeu wmumyJuexo1s}of] Yıw = N ‘(‚ssnedsdunjogay opnumm [ yoeu % zZ ‘6020°0 = Iydeyspoqıy :umuryJawxo1j977 Ju 9Aınysdunpnwan '9 | "TE80'0 = IYIEHSNIqLY :TeWURJSI9 NZ HAINASSunpnunM 'L TE BA ‘wd 8Z ajfoy Uaaspunyas oo ap paessqy 3.001 Jungseppg ofewndo "wapeummopge ureusa Bıyur SIqoIMaBıadıoy sap wureıd o1d „-Q]-G‘I Wnurg}ueX019}0f] a 3 cg ‘2 ‘ejuapnasa euey °TE YONSI9A Beiträge zur Frage über die Wirkung der Xanthinderivate. IV. 2379 Tabelle III. Zee: 0 5:2 Besser Bis Bess |Se nsanläsee DE lo: na Seen Substanzen | Le: ||se2 53: 2255 35220 2355 ER |gISQo 252 arm2E SE N8- 5 HE 23° sees|l2 5° 5 59|oy25 55° Aa:e a Fer (Sera Fer 1 2 3 4 | 6 T Colemm..... 0,0686 | 0,0690 | 0,0817 | + 184 | 0,0689 | — 15,6 Äthyltheophyllinum 0,0684 | 0,0690 | 0,0820 + 18,8 | 0,0672 | — 18,0 Athyltheobrominum 0,0695 | 0,0700 | 0,0862 -+23,2 | 0,0690 | — 19,9 Äthylparaxanthin. . | 0,0803 | 0,0801 | 0,0992 | + 23,8 | 0,0681 | — 31,4 Methoxycoffeinum . 0,0401 | 0,0410 | 0,0466 +136 | 0,0415 | — 10,9 Athoxycoffeinum. . 0,0821 0,0820 0,0872 | + 6,3 0,0824 | — 53 Theophylliinum . . | 0,0598 | 0,0602 0,0556 | — 7,6 | 0,0301 | — 45,8 Theobrominum . . | 0,0700 0,0706 | 0,0648 | — 82 | 0,0232 | — 64,1 Paraxanthinum . . | 0,0616 | 0,0610 | 0,0539 | — 11,6 | 0,0192 | — 64,3 Heteroxanthinum . 0,0831 | 0,0834 | 0,0709 | — 14,9 | 0,0172 | — 75,7 Aus den erhaltenen Ermüdungskurven geht hervor, dass bei optimaler Belastung der Skelettmuskel unter dem Einfluss alkylierter Xanthine schneller ermüdet als in der Norm. Eine solche schnellere Ermüdung der quergestreiften Muskulatur ist von Rossbach und Harteneck') auch an Kaninchen nach Coffein beobachtet worden. Berechnet man nun aber, wie ich das bei meinen Versuchen getan habe, die bis zur Ermüdung insgesamt geleistete Arbeit, so findet man, dass, ungeachtet seiner früheren Ermüdung, der unter dem Einfluss der trialkylierten Xanthine stehende Muskel eine grössere Gesamtarbeit geleistet hat als der normale. Auch bei methoxy- resp. äthoxylierten Coffeinen und in ihrer Wirkung schwächeren Substanzen ist diese Mehrleistung bemerkbar. Kobert?) hat beim Coffein in der Summe der einzelnen Verkürzungen des Muskels, bis zu seiner Ermüdung, eine grössere Arbeit bekommen als in der Norm. Ebenso wie bei meinen Versuchen erklärt sich dieser Effekt dadurch, dass der Muskel, wenn auch kürzere Zeit, so doch energischer das Heben des Gewichts verübt infolge des obenerwähnten spezifischen Einflusses der Xanthinstoffe. Dieser Fffekt ist um so prägnanter unter dem Einfluss wenig alkylierter und infolgedessen stärker wirkender Xanthine, bei denen die Energie 1) Pflüger’s Arch. Bd. 15 8.11. 2) Arch. f, exper. Pathol. u. Pharmakol. Bd. 15 8. 22-80. Pflüger’s Archiv für Physiologie, Bd. 160. 19 280 J. W. Golowinski: in noch kleinerer Zeitperiode verbraucht wird, so dass, ungeachtet der stärkeren Arbeit im Anfangsstadium, welche die Folge der Er- höhung der Erregbarkeit des Muskelgewebes ist, der Gesamtnutzeffekt der Arbeit, wie aus der Tabelle III zu sehen ist, negativ wird. Dieser quantitatfve Unterschied in der Wirkung der Xanthinderivate tritt noch deutlicher hervor bei wiederholter Ermüdung, was ohne Zweifel für die progressiv verlangsamte Wiederherstellung der bei der Arbeit verbrauchten Energie spricht. Also der quergestreifte Muskel er- müdet am schnellsten und braucht längere Zeit für die Wielder- herstellung der verlorenen Energie bei der Wirkung mehr alkylierter Xanthine. Diese Versuchsergebnisse stimmen vollkommen mit den in meinen früheren Experimenten erhaltenen Resultaten überein. Bei aufmerksamer Betrachtung der Ermüdungskurven fällt ein Unterschied in dem Verlauf der oberen Grenze der Ordinaten auf, welcher bei der Vergiftung eine andere Kontur hat als in der Norm. Beim normalen Muskel bemerkt man im Anfang eine kleine Ver- minderung der Arbeit mit nachfolgender allmählicher Vergrösserung derselben bis zu der Grenze, wo die Periode der mehr oder weniger lange dauernden Ermüdung anfängt. Bei der Vergiftung dagegen bemerkt man ähnliche anfängliche Vertiefungen in der Kontur der oberen Grenzen der Ordinaten nicht; man beobachtet lediglich im Anfang eine Vergrösserung der Arbeit, welche durch gleichmässiges Ansteigen bis zum Beginn der Ermüdung charakterisiert ist; die ganze Kurve verläuft jedoch in kürzerer Zeitperiode. Diese Eigentümlichkeit in der Kontur der Ordinatengrenze, welche bei normaler Ermüdung beobachtet wird, ist leicht durch die Struktur des Skelettmuskels zu erklären, dessen Bestandteile, ähnlich dem Modell aus ungleich langen Gummifäden, in verschiedenen Richtungen liegen und nicht gleichartig zentriert sind mit Rücksicht auf das zu hebende Gewicht. Unter diesen Bedingungen verursacht bei nicht maximaler Reizung die Belastung des Muskels mit einem bestimmten Gewicht zunächst nur die Tätigkeit einzelner Fasern; sie ermüden schnell unter der Belastung dieses Gewichtes und geben die obenerwähnte Vertiefung, die auf den Kurven zu sehen ist. Erst allmählich schliessen sich ihnen andere Fasern an, und zwar in grösserer Menge, was durch die Erhöhung der oberen Grenzen der Ordinaten bezeugt wird; es handelt sich also um eine allmähliche Vergrösserung des Querschnittes des quergestreiften Muskels, durch welche die Vergrösserung der Arbeit bedingt wird; denn, würden Beiträge zur Frage über die Wirkung der Xanthinderivate. IV. 281 die ermüdeten Fasern stets durch eine gleiche Menge neuer ersetzt, so müsste die obere Grenze der Ordinaten die Form einer geraden, der Abszissenachse mehr oder weniger parallelen Linie haben. Ähn- liche Überlegungen stimmen mit den thermoelektrischen Unter- suchungen von Bürker!) überein, welcher festgestellt hat? dass der Muskel bei der Ermüdung allmählich seine Wärmebildung steigert bis zu einer gewissen Grenze, von der an sie progressiv wieder abfällt. Betrachten wir die obere Grenze der Ordinaten bei der Ver- giftung, so beobachten wir, dass diese anfängliche Vertiefung fast völlig fehlt. Diese Erscheinung ist durch den spezifischen Einfluss der Xanthinderivate zu erklären, welche einerseits die Erregbarkeit erhöhen, anderseits aber eine Verkürzung der Fasern bewirken und dadurch verursachen, dass sie sich an dem Widerstande gegen die Belastung von vornherein in grösserer Anzahl beteiligen als in der Norm, was eine grössere Querschnittsfläche bewirkt und dadurch auch eine grössere Arbeit. Eine Bestätigung dieser Erklärung kann man auch darin sehen, dass unter dem Einfluss von mehr alkylierten Xanthinen ähnliche Erniedrigungen der Ordinaten doch in mehr oder weniger geringem Grade vorhanden sind. Gerade diese Substanzen sind aber, wie aus allen vorherigen Experimenten folgt, bezüglich der Veränderung der Faserlänge nnd der Erhöhung ihrer Erregbar- keit weniger wirksam. So: können sie Bedingungen schaffen für die anfängliche Ordinatenvertiefung, während bei weniger alkylierten Xanthinen, als den stärker wirkenden, diese Erscheinung fehlt. . Auf Grund aller meiner Experimente mit dem unter dem Ein- fluss der Purinderivate stehenden quergestreiften Muskel kann man zu den folgenden Schlüssen gelangen: Alle alkylierten Xanthine wirken erregend auf den Skelett- muskel, und diese Vermehrung der Erregbarkeit steht in direkt proportionalem Verhältnis zur Dealkylierung des Xanthinkerns. Wenn der Muskel unter dem Einfluss von mittleren Dosen sich befindet und dabei eine Arbeit leisten muss, wie sie das Heben kleiner und allmählich, ungefähr bis zur optimalen Belastung sich vergrössernder Gewichte bei schwacher Anregung zum Energieverbrauch darstellt, dann bekommt ınan einen positiven Nutzeffekt für die in einer be- stimmten Zeitperiode geleistete Gesamtarbeit, und zwar um so mehr, 1) Pflüger’s Arch. Bd. 80 S. 533; Bd. 81 S. 399; Bd. 109 S. 217. 19* 382 J. W. Golowinski: Beiträge zur Frage über die Wirkung etc. je stärker die entsprechende Substanz wirkt. Wenn der Skelett- muskel eine Arbeit verübt unter dem Einfluss derselben Stoffe und bei etwa derselben Dosierung, aber über die Grenzen der Optimalität hinausgehender Belastung und bei maximaler Reizung mit Unter- brechungtstrom, dann wird der obenerwähnte Nutzeffekt negativ, und diese Verkleinerung der Gesamtleistung wird um so grösser sein, je weniger der Xanthinkern alkyliert ist. Auch der Ermüdungsgrad des unter dem Einfluss von Xanthin- derivaten stehenden Skelettmuskels infolge einer bei optimaler Be- lastung und häufiger submaximaler Reizung geleisteten Arbeit steht in bestimmter Abhängigkeit von der höheren oder geringeren Alky- lierung des Xanthins. Bei der Wirkung mehr alkylierter Xanthine hat die Gesamtarbeit, welche während einer gewissen Zeitperiode bis zu dem vollen Verbrauch aller Vorratskräfte des Muskels ge- leistet ist, noch immer einen in Prozenten ausdrückbaren positiven Wert gegenüber der unter gleichen Bedingungen vom normalen Muskel geleisteten Arbeit. Wenn auch bei der Wirkung dieser Stoffe die Periode der Ermüdung etwas kürzer ist, so ist dafür die Intensität der Arbeit, welche in der Zeiteinheit der Anfangsperiode geleistet wird, im allgemeinen grösser als normal, was den oben- erwähnten Überschuss an Gesamtarbeit ergibt. Bei der Wirkung wenig alkyliertecr Xanthine bekommt man ein entgegengesetztes Resultat; obwohl auch hier die Intensität der Arbeit eine grössere ist, so kann sie doch den infolge eines noch schnelleren Verlaufes der Er- müdungsperiode entstandenen Arbeitsverlust nicht in seinem ganzen Umfange kompensieren, so dass sich ein negativer Gesamteffekt ergibt. Der Ersatz der Methylgruppe beim N. des Xanthinkerns durch die Äthylgruppe bewirkt in quantitativer Hinsicht keinen bemerk- baren Unterschied in der Wirkung; eine etwas deutlichere Differenz (und zwar im Sinne einer Verminderung) beobachtet man bei Methoxy- resp. Äthoxylierung des Trimethylxanthins. Was die Bedeutung der isomeren Stellung der Methylgruppen in den Dimethyixanthinen für die Wirkung betrifft, so hat das Paraxanthin die stärkste, das Theo- phyllin die schwächste Wirkung, während das Theobromin eine mittlere Stellung zwischen beiden einnimmt. Zum Schluss möge es mir gestattet sein, Herrn Prof. C. Jacobj meinen herzlichsten Dank zu sagen für seine, vielseitige Anregung uud liebenswürdige Unterstützung bei Anfertigung dieser Arbeit. 283 (Aus dem pharmakologischen Institut der Universität Tübingen.) Beitrag zur Frage über die Wirkung der Purinkörper. V. Mitteilung. Zur Kenntnis der Wirkung der Purinderivate auf den Zirkulations- apparat und das zentrale Nervensystem. Von Dr. med. I. W. Golowinski, Assistent am physiologischen Institut der Universität Moskau. (Mit 32 Textfiguren.) Über den Einfluss der alkylierten Xanthine auf den Zirkulations- apparat existieren zahlreiche Untersuchungen, sowohl von experimen- teller, als auch von klinischer Seite. Des Öfteren ist in dieser Hin- sicht besonders das Coffein untersucht worden. Die Resultate der Forscher jedoch, welche die Wirkung des Coffeins auf den Blut- zirkulationsapparat prüften, stimmen nicht immer überein. Leven!), Zabelin?), Pässler®), Brown-Sequard®), Santesson?’), Loewi®) u. a. m. beobachteten eine Erhöhung des Blutdruckes. Mit ihnen stimmen überein die Beobachtungen von Schmiedeberg’), Schulz®), Tappeiner°’), Kunkel!), Lauder-Brunton!!), 1) Arch. de physiol. norm. et pathol. t. 1 p. 179—189 et 470—471. 1868. 2) Medizinskii Westnik (russisch) 1861 Nr. 30, 31, 33 und 35. 3) Deutsches Arch. f. klin. Medizin Bd. 64 3. 740—745. 1899. 4) Arch. de physiol. norm. et pathol. t. 3. 1868. 5) Skandinav. Arch. f. Physiol. Bd. 12 S. 259—297. 1902. 6) Arch. f. exper. Pathol. u. Pharmakol. Bd. 53 S. 15-32. 1905. 7) Grundriss der Pharmakologie. 1909. 8) Realenzyklop. d. ges. Heilk. v. Prof. Eulenburg Bd. 4 S. 355—363. 1885. 9) Lehrb. d. Arzneimittellehre. 1910. 10) Handb. d. Toxikologie Bd. 2. 1901. 11) Handb. d. allgem. Pharmakol. u. Therapie. 1893. 284 J. W. Golowinski: während Eichwald!), Aubert?) und Haase?°) in ihren Ver- suchen mit Coffein eine Erniedrigung des Blutdruckes feststellten. Hier ist zu bemerken, dass die Dosierung von den Autoren ganz verschieden genommen wurde, ein Umstand, der gewiss nicht ohne Einfluss auf das Erhalten solcher entgegengesetzter Resultate bleiben konnte. Die Untersuchungen von Binz*), Wagner°), Leblond®), N. P. Krawkow’) u. a. erklären gewissermaassen die oben- erwähnten Widersprüche der verschiedenen Autoren. In ihren Ex- perimenten trat die Erniedrigung des Blutdruckes nur bei Einführung von grossen Dosen ein, mittlere Gaben jedoch erhöhten immer den Blutdruck. Cohnstein°) kam bei Untersuchung des Einflusses von Coffein, Theobromin, Äthyltheobromin und Äthoxycoffein auf den Blutdruck zu dem Schlusse, dass kleine Dosen von Coffein eine Er- höhung des arteriellen Blutdruckes verursachen, grosse aber den Eintritt dieser Erhöhung verhindern. Derselben Meinung ist auch Bock’) auf Grund seiner Beobachtungen. Gewissen Unbeständig- keiten ist der Blutdruck unter dem Einfluss von Coffein nach den Versuchen von Maki'®), Landergren und Tigerstedt!!) unter- worfen. Sie beobachteten entweder für eine kurze Zeit Erhöhung oder von Anfang an Erniedrigung, oder auch gar keine Veränderung des Blutdruckes. Aus der einschlägigen Literatur ist als sicher zu ersehen, dass die entgegengesetzten Resultate einiger Autoren von der Einführung verschiedener Dosen abhängen. Bezüglich Auberts’?) z.B. hat man (Wagner!?), Binz!?), Leech!?) darauf hingewiesen, dass er in seinen Versuchen zu grosse Dosen, die geradezu toxisch 1) Kritik der Dissertation Zabelin’s über die physiol. Wirkung des Coffein. cibric. (russisch). St. Petersburg 1862. 2) Pflüger’s Arch. Bd. 5 S. 589. 1872. 3) Untersuchungen über die Wirkungen des Coffeins. Dissert. Rostock 1871. 4) Arch. f. exper. Pathol. u. Pharmakol. Bd. 9 S. 31. 1878. 5) Experim. Untersuchungen über den Einfluss des Coffeins auf Herz und Gefässapparat. Dissertation. Berlin 1885. 6) Etude physiol. et therapeut. de la coffeine. These. Paris 1883. 7) Grundriss der Pharmakologie. Ausgabe 1913 (russisch). 8) Über den Einfluss des Theobromins, Coffeins und einiger zu dieser Gruppe gehöriger Substanzen auf den arteriellen Blutdruck. Dissert. Berlin 1892. 9) Arch. f. experim. Pathol. u. Pharmakol. Bd. 43 S. 367. 1900. 10) Über den Einfluss des Kampfers, Coffeins und Alkohols auf das Herz. Dissertation. Strassburg 1834. 11) Skandinav. Arch. f. Physiol. Bd. 4 p. 241. 1892. 12) 1. c. 13) The Practiones vol. 24 p. 241—253, 401--412; vol. 25 p.25—34. London 1880. Beitrag zur Frage über die Wirkung der Purinkörper. V. 285 wirkten, angewandt habe, während beim Gebrauch kleiner Gaben eine Erhöhung des Blutdruckes beobachtet wurde (Glupe!). Bei Eichwald findet man auch Versuche, bei denen nach Coffein eine bedeutende Erhöhung des Blutdruckes auftrat. Zur Aufklärung der Frage, wie kaltblütige und warmblütige Tiere auf die Einführung von mittleren Dosen Coffeins und anders als dieses alkylierter Xanthine reagieren, habe ich entsprechende Versuche an Fröschen und Hunden angestellt. I. Die Wirkung auf kaltblütige Tiere (Frösche). a) Blutdruck versuche. Mit der Prüfung des Einflusses der Purinderivate auf den Zu- stand des Blutdruckes bei Fröschen in toto hat sich bisher überhaupt. noch niemand beschäftigt, so viel ich bei sorgfältigem Durchsehen der Literatur sehen konnte. Meine Blutdruckversuche an Fröschen sind nach der Methode von Prof. Jacobj?) in seinem Laboratorium ausgeführt. Der Blutdruck wurde in der linken Aorta gemessen, wobei das Pericardium nicht geöffnet wurde. Die Tiere wurden vorher mit Curare bewegungslos gemacht. Die zu untersuchenden Substanzen wurden langsam intra venam abdominalem eingeführt. Versuch 1. Rana esculenta, &. 33 g. Pulsfrequenz | Blutdruck Zeit pro 1 Min. mm Hg Bemerkungen 11h 0’ 33 20 Curare KineR5, 3 22 11h 10’ 30 19 11b 19’ 34 21 Coffeinum 10-* pro Gramm des Körper- gewichts intra venam abdom. 11h 24' 11h 37° | Puls Blutdruck Fig. 1. Kurve zu dem Versuch 1. 1) Über die Wirkung der Coffeinsalze bei Herzkranken. Dissert. Berlin 1834. 2) Arch. f. experim. Pathol. u. Pharmakol. Bd. 66 S. 261. 986 J. W. Golowinski: Versuch 2. Rana esculenta, &. 40 g. Zeit Pulsfrequenz Blutdruck Bemerkungen pro 1 Min. mm Hg 9 7 39,5 | 24,5 Curare 9h 12’ 40 | 24,5 9h 17’ 42 | 26 R 9h 27’ 39 | 24 Athyltheobrominum 10-* pro Gramm des | Körpergewichts intra venam abdom. g9h 92’ 3 29 9h 37’ 44 3 Fig. 2. Kurve zu dem Versuch 2. Versuch 3. Rana esculenta, &. 40 e. ” | Zeit Pulsfrequenz | ‚Blutdruck Biutdenek pro 1 Min. | in mm Hg 4h 52' 45 22 Curare 4h 57° 46 23 oh 2! 45 25,9 ah 13° 46 25 Methoxycoffeinum 10-* pro Gramm des Körpergewichts intra venam abdom. 5b 18’ 47 26 ah 24’ 48 26 Beitrag zur Frage über die Wirkung der Purinkörper. V. 287 Versuch 4. Rana esculenta, ö. 35 g. Pulsfrequenz Blutdruck Zeit Bemerkungen pro 1 Min. mm Hg sh 5’ 36 23 Curare 3h 10’ 36 27 3h 15’ 36 27 E 3h 27’ 36 28 Athylparaxanthinum 10-* pro Gramm des Körpergewichts intra venam abdom. 3h 32' 39 30 3h 37 39 30 0.00 7 BE=228 Fig. 4 Kurve zu dem Versuch 4. Versuch 5. Rana esculenta, &. 40 2. Zeit Pulsfrequenz ' Blutdruck Bemerkungen pro 1 Min. mm Hg 6h 93’ 36 28 Curare 6h 8 36 28 66 13’ 35 25 x 6h 22’ 36 28 ÄAthyltneobrominum 10-* pro Gramm des Körpergewichts intra venam abdom. 6h 27' 36 3l 6h 32’ 38 5) 288 J. W. Golowinski: Versuch 6. Rana esculenta, &. 36 g. R Pulsfrequenz Blutdruck Ze.t aM ee Bemerkungen 5h 93’ 38 32 Qurare sh 8’ 36 | sl 5h 12’ 38 | 31,5 H 5h 21’ 34 30 Athoxycoffeinum 10-* pro Gramm des Körpergewichts intra venam abdom. 5h 26’ 38 | 32 5h 31’ 3 | 34 Fig. 6. Kurve zu dem Versuch 6. Versuch 7. Rana esculenta, &. 32 g. ® Pulsfrequenz | Blutdruck Zeit en ne Bemerkungen 7h 10’ 39 26 Öurare 7h 15’ 41 27 7h 20’ 39 25 Th 36’ 38 25 Theobrominum 10-* pro Gramm des Körpergewichts intra venam abdom. 7h 41’ 40 | 26 7h 46' 41 27,5 Beitrag zur Frage über die Wirkung der Purinkörper. V. 289 Versuch 8. Rana esculenta, &. 36 g. . Pulsfrequenz, Blutdruck Zeit on nn Hg Bemerkungen 10h 8’ 44 20 Curare 105 15’ 42 19 10h 23’ 42 20,5 Theophillinum 10-* pro Gramm des Körpergewichts intra venam abdom. 10h 28’ 45 21 10h 32’ 45 21 Fig. 8. Kurve zu dem Versuch 8. Versuch 9. Rana esculenta, &. 35 g. Zeit Pulsfrequenz | Blutdruck Bemerkungen pro 1Min. mm Hg 11h 30’ 36 23 Curare 11h 35’ 36 24 11h 40’ 34 3 11h 48’ 32 22 Heteroxanthinum 10-* Gramm des Körper- gewichts intra venam abdom. 11h 53’ 36 23 11h 58’ 38 23,5 173023527 240777487 27584 58’ Puls Blutdruck Fig. 9. Kurve zu dem Versuch 9. 290 J. W. Golowinski: Versuch 10. Rana esculenta, &. 40 g. Pulsfrequenz |) Blutdruck Zeit DR Nm, Tan lei Bemerkunger 4h 9’ 43 | 30 Curare 4h 14’ 41 | 28 4h 19’ 41 | 28 4h 25’ 38 | 26 Paraxanthinum 10-? pro Gramm des | Körpergewichts intra venam abdom. 4h 30' 40 | 23 4h 35’ 44 | 29 EEEENER - ENERBE.E IR Fig. 10. Kurve zu dem Versuch 10. Tabelle I. : Pulsbeschleunigung | Erhöhung des Blut- Substanze im Vergleich drucks im Vergleich Anstanzen zur Norm zur Norm %/o %/o Coflenum es a 12,1 20,0 Athyltheophyllinum . . ....... 10,0 20,0 Methoxycotleinum.. 2.2202 6,6 18,1 Athylparaxanthinum. ........ 83 hl Athyltheobromnum z 2 2 ce 8,9 22,2 Athoxycoffeinum.. 2.222 ren 5,4 9,6 Heteroxanthinum 72 ee 8,9 al Bheophyllnumss es. 4,6 7,6 Iheobrominume. 22 Sr 5,1 9,1 Baraxanthinum 2 ve 7,9 39 Aus diesen Versuchsergebnissen folgt, dass unter dem Einfluss von Xanthinderivaten bei Fröschen eine mehr oder weniger starke Erhöhung des Blutdruckes eintritt. Beim Coffein z. B. steigt der Blutdruek um 20°/o, bei gleichzeitiger Pulsbeschleunigung um 12°/o. Beitrag zur Frage über die Wirkung der Purinkörper. V. 291 Zwar wird das Verhalten des Blutdruckes bei Fröschen von keinem der Autoren irgendwo erwähnt, aber doch finden wir bezüglich der Pulsfrequenz unter dem Einfluss von Coffein ähnliche Angaben bei Mitscherlich!), Leven?), Leblond’°), Voit*), Johannsen?), Hoppe‘), Wagener’), Stuhlmann und Falk°), während Glupe°), Aubert und Haase!) regelmässig eine Verlangsamung der Herztätigkeit konstatierten. Übrigens ist diese Verminderung der Pulsfregquenz auch von früheren Autoren beobachtet worden, entweder aber bei weiterer Entwicklung der Wirkung oder grösseren Gaben, als sie zum Hervorrufen des Tetanus notwendig waren. Auch ich habe in einigen meiner Versuche eine Verminderung der Herztätigkeit an Fröschen beobachtet, aber jedesmal bei Dosen, die ohne Zweifel den Herzmuskel verändert hatten, analog dem Einfluss auf die Skelettmuskulatur, welche dem Herzmuskel bezüglich ihrer Struktur und des Charakters der Kontraktion nahesteht, da die Tiere nach diesen Dosen zugrunde gingen und ich bei der Sektion die Herzventrikel stets in stark systolischer Stellung fand, ähnlich wie das von Albers!!), Johannsen!?), Voit'?), Stuhlmann und Falk!*), Leblond!?) u.a. beobachtet wurde. Maki!°) jedoch fand am isolierten Froschherzen mit Hilfe des William ’schen Apparates keine bemerkbare Beschleunigung und auch keine Verlangsamung der Herztätigkeit. Bei der Wirkung von Trialkylxanthinen entspricht, wie aus der Tabelle I zu sehen ist, dem erhöhten Blutdruck eine grössere Fre- 1) Der Kakao und die Schokolade. Berlin 1859. 2)l.uc. 3). c. 4) Untersuchungen über die Wirkungen des Kochsalzes, des Kaffees und der Muskelbewegungen auf den Stoffwechsel. München 1360. 5) Über die Wirkung des Coffeins. Dissertation. Dorpat 1869. 6) Hoppe’s Schriften (therapeut.-physiol. Arbeiten) Heft III. 1856. 1). 8) Virchow’s Arch. Bd. 11 S. 342. ale: 10) Pflüger’s Arch. Bd. 5 S. 589. 1872. 11) Deutsche Klinik 1853 Nr. 34. ID) le: 13) 1. 19) 1. 15) 1. 16) 1. Ser cRen 292 J. W. Golowinski: quenz der Herztätigkeit. Diese Erhöhung des Blutdruckes ist schon bei Dimethylxanthinen in viel geringerem Grade ausgeprägt, und noch weniger bei Heteroxanthinen, während die Erhöhung der Pulsfrequenz bei letzterem sich der Wirkung bei ersteren nähert. Eine ähnliche* Erscheinung bemerkt man auch bei der Wirkung von Paraxanthin. Ferner Methoxy- und Äthoxyeoffein, die sich bezüglich der Puls- beschleunigung von Dimethylxanthinen nicht unterscheiden, tun dies sehr wohl in der Hervorrufung der Blutdruckerhöhung. Die Steigerung der Pulsfrequenz ist ungefähr dieselbe wie bei den Trialkylxanthinen. Die Blutdruckerhöhung aber nimmt ungefähr eine Mittelstellung ein zwischen Coffein und Theobromin. Also bei der Wirkung mehr de- alkylierter Xanthine beobachtet man eine umgekehrte Proportionalität des Verhältnisses zwischen Blutdruck und Pulsfrequenz. Die in meinen Versuchen beobachtete Erhöhung des Blutdruckes und die Beschleunigung des Pulses können, wie bekannt, entweder von der Erregung der Zentren der Medulla oblongata — Vasomotorenzentrum und Acceleranszentrum —, oder von der Wirkung auf die sogenannten intrakardialen Nervenzentren, oder endlich von dem Einfluss auf die Herzmuskulatur selbst, in Verbindung mit den auf die peripheren Gefässe, oder aber schliesslich von einer Kombination aller dieser Wirkungen abhängig sein. Zur Aufklärung aller dieser Einflüsse habe ich entsprechende Versuche angestellt. b) Versuche am isolierten Froschherz nach der Methode von Prof. €. Jacobj. Um festzustellen, wie gross hier der Einfluss auf das Herz selbst sein kann, unabhängig von der Wirkung auf das zentrale Nerven- system und auf die peripheren Gefässe, war es notwendig, Versuche am isolierten Froschherzen anzustellen. Ich habe solche mit Hilfe des Apparates von Prof. C. Jacobj!) ausgeführt. Dieser Apparat hat besondere Vorzüge vor anderen und ist in dieser Hinsicht vorteil- haft, da hier das isolierte Organ unter normalere Bedingungen gestellt wird als bei den anderen Apparaten: das Herz arbeitet: mittels eigener Klappen, die Vorhöfe sind. während der Arbeit nicht aus- geschlossen, sondern funktionieren normal. Infolgedessen werden bei der Erhaltung der Kurve alle Faktoren berücksichtigt, welche “ notwendig für eine detailliertere Beurteilung der Tätigkeit des iso- 1) Arch. f. exper. Pathol. u. Pharmako). Bd. 44 S. 368. Beitrag zur Frage über die Wirkung der Purinkörper. V. 293 lierten Herzens sind. Als Nährflüssigkeit diente defibriniertes Kalbs- blut verdünnt mit physiologischer Kochsalzlösung (0,64°/o) im Ver- hältnis 1:2; während des ganzen Versuches wurde das Blut arteria- lisiert, indem kleine Sauerstoffblasen durchgeleitet wurden. Die zu untersuchenden Substanzen wurden in der Konzentration von 0,02 Yo der Nährflüssigkeit zugesetzt. Die nachfolgenden Tabellen zeigen die mittleren Werte der erhaltenen Resultate. Versuch 11. Rana temporaria, &. 33 g@. Ansetzung des Herzens auf den Apparat 10h 10". Norm. 10h 45'. 25,5 mm Hg = 21,5 Sek. = 18 Puls = 1,6 ccm = 34,42 cm Ag. Volum pro Minute = 4,4. Arbeit pro Minute — 151,44 g/cm. Puls pro Minute = 50,2. Volum pro Puls = 0,088. Coffeinum mm E| Arbeit Minutenpuls | Minutenvolum i Blutdruck li Pulsvolum Mittel: 25,53 mm Hg. . . . | + 2,7% |+ 86° | + 12,6 %o ,„ Volum pro Min. 43 | + 4,6% | + 11,6 Yo | + 16,2 %/0 Arbeit 147,0... . | +75% | +21,2% + 30,8% Puls pro Minute 50,7 | + 6,9%0 | +15,3%o | + 21,3 %/o Volum pro Puls 0,086 | — 2,30%/0 | — 4,6% — 4,6% Fig. 11. Kurve zu den Versuch 11. 294 J. W. Golowinski: 11h 0’. 25,5 mm Hg = 21,5 Sek. = 18,5 Puls = 1,6 ccm = 34,42 cm Ag. Volum pro Minute = 4,4. Arbeit pro Minute — 151,44 g/cm Puls pro Minute — 51,6. Volum pro Puls = 0,086. 11h 15’. 25.mm Hg = 22 Sek. = 18,5 Puls = 1,6 ccm = 33,75 cm Ag. Volum pro Minute = 4,3. Arbeit pro Minute —= 145,12 g/cm. Puls pro Minute — 50,4. Volum pro Puls — 0,086. Coffeinum in der Konzentration 0,02 %o. 11h7502.7°267mm Hg’ — 21 Sek2 — 19HPuls — 1562cc m —351102cmeRAg: Volum pro Minute = 45. Arbeit pro Minute — 157,95 g/cm. Puls pro Minute — 54,2. Volum pro Puls = 0,084. 11h 45'. 27,5 mm Hg = 20 Sek. — 19,5 Puls — 1,6 ccm — 37,12 cm Ag. Volum pro Minute = 4,8. Arbeit pro Minute = 178,17 g/cm. Puls pro Minute —= 58,5 Volum pro Puls — 0,082. 12h 0’. 285 mm Hg = 19 Sek. = 19,5 Puls = 1,6 ccm = 38,47 cm Ag. Volum pro Minute = 5,0. a Arbeit pro Minute = 192,35 g/cm. Puls pro Minute — 61,9. Volum pro Puls = 0,082. Versuch 12. Rana temporaria, &. 39 2. Ansetzung des Herzens auf den Apparat 9h 0’. Norm. 9h 35’. 40 mm Hg = 18,5 Sek. = 17,5 Puls = 1,6 ccm = 54,00 cm Ag. Volum pro Minute = 5,1. Arbeit pro Minute — 291,60 g/cm. Puls pro Minute — 56,7. Volum pro Puls = 0,091. 9h 50'. 39 mm Hg = 19 Sek. — 17,5 Puls —= 1,6 ccm = 52,65 cm Ag. Volum pro Min. = 5,0 Arbeit pro Minute — 263,25 g/cm. Puls pro Minute 55,2. Volum pro Puls = 0,091. | 10h 5’. 39 mm Hg —= 19 Sek. = 17,5 Puls = 1,6 cem = 52,65 cm Ag. Volum pro Minute — 5,0. Arbeit pro Minute — 263,25 g/cm. Puls pro Minute — 55,2. Volum pro Puls = 0,091. Äthylparaxanthinum in der Konzentration 0,02%. 10h 20’. 42 mm Hg = 18 Sek. = 18 Puls = 1,6 cem —= 56,70 cm Ag. Volum pro Minute 5,3. Arbeit pro Minute = 300,51 g/cm. Puls pro Minute = 60,0. Volum pro Puls — 0,088. 10h 35'. 43 mm Hg, = 17,5 Sek. = 18 Puls — 1,6 ecm — 58,05 cm Ag. Volum pro Minute — 5,4. Arbeit pro Minute — 313,47 g/cm. Puls pro Minute = 61,7. Volum pro Puls = 0,088. Beitrag zur Frage über die Wirkung der Purinkörper. V. 295 10h 50’. 44,5 mm Hg = 17 Sek. = 18,5 Puls = 1,6 ccm — 60,07 cm Ag. Volum pro Minute = 5,6. Arbeit pro Minute — 336,39 g/cm. Puls pro Minute = 695,2. Volum pro Puls = 0,086. Äthylparaxanthinum h— TV 02 Mittel: | 393 mm Hg . . . | + 6,8% | + 94% + 13,200 Volum pro Min. 5,0 | + 6,0 00 + 80%0| + 12,0% Arbeit 272,70 . . . [| +10,100 | + 14,190 | + 23,3% Puls pro Min. 55,7. + 7,70 + 10,7%/0 | + 17,0%0 Volum pro Puls 0,091 | — 33 %o) + 3,3% | — 5,490 Fig. 12. Kurve zu dem Versuch 12. Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd. 160. 20 Arbeit Blutdruck Minutenvolum | Minutenpuls Pulsvolum 296 J. W. Golowinski: Versuch 13. Rana temporaria, & 35 g. Ansetzung des Herzens auf den Apparat 3h 12'. Norm. 3h 40’. 26 mm Hg = 24 Sek. — 22 Puls = 1,6 ccm = 35,10 cm Ag. Volum pro Minute — 4,0. Arbeit pro Minute = 140,40 g/cm. 2 Puls pro Minute = 53,7. Volum pro Puls = 0,074. 3h 55‘. 26 mm Hg —= 24 Sek. — 21,5 Puls = 1,6 cem = 35,10 cm Ag. Volum pro Minute — 4,0. Arbeit pro Minute = 140,40 g/cm. Puls pro Minute — 52,5. Volum pro Puls 0,076. 4h 10’. 26 mm Hg = 23,5 Sek. — 21,5 Puls = 1,6 cem = 35,10 cm Agq. Volum pro Minute = 4,0. Arbeit pro Minute — 140,40. Puis pro Minute = 53,6. Volum pro Puls = 0,076. Athyltheobrominum in der Konzentration 0,02 %/o. 4h 95. 27,5. mm Hg — 23°Sek. — 21,5 Buls_— I6Ieem, 31,12LemaRXq. Volum pro Minute = 4,1. Aıbeit pro Minute —= 152,19 g/cm. Puls pro Minute — 56,0. Volum pro Puls — 0,074. 4h 40'. 28,5 mm Hg = 22 Sek. — 21,5 Puls = 1,6 cem = 38,47 cm Ag. Volum pro Minute — 4,3. Arbeit pro Minute — 165,42 g/cm. Puls pro Minute — 58,6. Volum pro Puls = 0,074. Athyltheobr ominum m —— Minutenvolum Minutenpuls -- Blutdruck Pulsvolum Mittel 26 mm Hg . +5,0% + 96% | + 9,60 Volum pro Min. A ) +25% + 75% | + 7,50 Arbeit 140,10 . . .ı +8,6%0 | +18,0%o | + 18,000 Puls pro Minute 53,2 | +5,2%o | + 10,1% | + 15,20 Volum pro Puls 0,075 | —1 EUR — 1,3% | — 5,30 Fig. 13. Kurve zu dem Versuch 13. Beitrag zur Frage über die Wirkung der Purinkörper. V. 297 4h 55'. 28,5 mm Hg = 22 Sek. — 22,5 Puls = 1,6 cem = 38,47 cm Ag. Volum pro Minute — 4,3. Arbeit pro Minute —= 165, 42 g/em. Puls pro Minute = 61,3. Volum pro Puls = 0,071. Versuch 14. Rana temporaria, & 39 g. Ansetzung des Herzens auf den Apparat 2h 30'. Norm. 3h 0’. 35,5 mm Hg = 16 Sek. = 11,5 Puls = 1,6 ccm = 47,92 cm Ag. Volum pro Minute = 6,0. Arbeit pro Minute = 237,52 g/cm. Puls pro Minute = 43,1. Volum pro Puls = 0,139. ah 15’. 35,5 mm Hg — 16 Sek. — 11 Puls = 1,6 ccm = 47,92 cm Ag. Volum pro Minute = 6,0. Arbeit pro Minute = 237,52 g/cm. Puls pro Minute = 4132. Volum pro Puls — 0,145. Aureylnenpleilliruum —— Arbeit Minutenvolum Minutenpuls Blutdruck Pulsvolum ememmmm em men m mn men Mittel: | 35,5 mm Hg. . +2,8% | +2,8%0 | + 4,2% Volum pro Min. 6, ‚03 +6,1%/0 | +6,1%0 | -+12,7%o Arbeit 289,11 . . +9,0% | +9,0%o | + 17,490 Puls pro Minute 42, 2 +90% | +9,0%0 | + 16,5%o Volum pro Puls 0,148 | — 2,7% | — 237% | — 2,7%0 Fig. 14. Kurven zu dem Versuch 14, 298 3h 30". 3h 45". 4h 0. Ah 15". J. W. Golowinski: 35,5 mm Hg —= 15,5 Sek. = 11 Puls = 1,6 cem = 47,92 cm Ag. Volum pro Minute — 6,1. Arbeit pro Minute — 292,31 g/cm. Puls pro Minute = 42,5. Volum pro Puls = 0,145. Äthyltheophyllinum in der Konzentration 0,02 %o. 36,5 mm Hg = 15 Sek. = 11,5 Puls = 1,6 cem = 49,27 cm Ag. Volum pro Minute —= 6,4. Arbeit pro Minute — 315,32 g/cm. Puls pro Minute — 46,0. Volum pro Puls = 0,139. 36,5 mm Hg = 15 Sek. = 11,5 Puls = 1,6 ccm = 49,27 cm Ag. Volum pro Minute — 6,4. Arbeit pro Minute = 315,32 g/cm. Puls pro Minute — 46,0. Volum pro Puls = 0,139. 37 mm Hg = 14 Sek. = 11,5 Puls = 1,6 ccm = 49,95 cm Ag. Volum pro Minute — 6,8. Arbeit pro Minute = 339,66 g/cm. Puls pro Minute = 49,2. Volum pro Puls = 0,139. Versuch 15. KRana temporaria, &. 33 @. Ansetzung des Herzens auf den Apparat 3h 5’, 3h 40". 3h 55. 4h 10h. ah 25. 4h 40. 4h 55". Norm. 33,5 mm Hg —= 14,5 Sek. = 12,5 Puls = 1,6 cem = 45,22 cm Ag. Volum pro Minute = 6,6. Arbeit pro Minute = 298,45 g/cm. Puls pro Minute = 51,7. Volum pro Puls = 0,128. 34 mm Hg = 14 Sek. = 12,5 Puls = 1,6 ccm = 45,90 cm Ag. Volum pro Minute = 6,8. Arbeit pro Minute = 312,12 g/cm. Puls pro Minute = 53.2. Volum pro Puls = 0,128. 34 mm Hg — 14 Sek. = 12 Puls = 1,6 ccm — 45,90 cm Ag. Volum pro Minute = 6,8. Arbeit pro Minute — 313, 12 g/cm. Puls pro Minute = 51,4. Volum pro Puls = 0,133. Methoxycoffeinum in der Konzentration 0,02 °/o. 34 mm Hg = 14 Sek. = 12,5 Puls = 1,6 ccm = 45,90 cm Ag. Volum pro Minute = 6,8. Arbeit pro Minute = 312,12 g.cm. Puls pro Minute = 53,. Volum pro Puls = 0,128. 36 mm Hg = 13 Sek. = 12,5 Puls = 1,6 cem = 48,60 cm Ag. Volum pro Minute = 7,98. Arbeit pro Minute —= 354, 78 gicm. Puls pro Minute = 57,6. Volum pro Puls = (0, 128. 35 mm Hg —= 13,5 Sek. = 13 Puls = 1,6 cem = 47,25 cm Ag. Volum pro Minute = 7,1. Arbeit pro Minute = 335,47 g/em. Puls pro Minute = 57,17. Volum pro Puls = 0,123. Beitrag zur Frage über die Wirkung der Purinkörper. V. 299 Athoryeofeinum, See Be Arbeit A u . ie Blutdruck Pulsvolum au mm men a | \erzcmore mmmmue \eemumusm, (nummer \omemmuen re Mittel: 33,8 mmHg. . +05% | + 5% | + 35%o Volum pro Minute 6,7 +1,4% | + 89% | + 5,9%0 Arbeit 307,56 ..1 +14% | +15,3%0 | + 9,0% Puls pro Minute 82,2 | +2,4%0 | +10,3%0 | + 10,5°%/0 Volum pro Puls 0,129 | —0,7%0 | — 0,79%/6 a 4,600 Fig. 15. Kurven zu dem Versuch 15. Versuch 16. Rana temporaria, &. 33 g. Ansetzung des Herzens auf den Apparat 8h 30’. Norm. 9h 05’. 27 mm Hg = 27 Sek. — 21,5 Puls = 1,6 ccm = 36,45 cm Ag. Volum pro Minute — 3,5. Arbeit pro Minute = 127,57 g/cm. Puls pro Minute — 47,7. Volum pro Puls — 0,074. 9h 20’. 15 mm Hg —= 27,5 Sek. = 21,5 Puls = 1,6 ccm = 36,45 cm Ag. Volum pro Minute — 3,4. Arbeit pro Minute = 193, 93 g/cm. Puls pro Minute — 46,9. Volum pro Puls = 0,074. 9h 35’. 27 mm Hg = 27 Sek. = 21,5 Puls = 1,6 ccm = 36,45 cm Aq. Volum pro Minute —= 3,5. Arbeit pro Minute — 127, 97 g/em. Puls pro Minute —= 47,7. Volum pro Puls = 0,074. 300 J. W. Golowinski: Athoxyeoffeinum in der Konzentration 0,02 %o. 9h 50’. 27,5 mm Hg — 25 Sek. — 21,5 Puls = 1,6 com = 37,12 cm Ag. Volum pro Minute = 3,8. Arbeit pro Minute — 141,05 g/cm. Puls pro Minute —= 51,6. Volum pro Puls = 0,074. 10h 05’. 27,5 mm Hg = 25 Sek. — 22 Puls = 1,6 ccm = 37,12 cm Ag. Volum pro Minute = 3,8. Arbeit pro Minute = 141,05 g/cm. Puls pro Minute = 52,8. Volum pro Puls = 0,072. 10h 20'. 28 mm Hg = 24 Sek. = 22,5 Puls = 1,6 ccm = 37,80 cm Ag. Volum pro Minute = 4,0. Arbeit pro Minute = 151,20 g/cm. Puls pro Minute = 56,2. Volum pro Puls = 0,071. Äthoxycoffeinum —— j(———— Minutenpuls Minutenvolum Blutdruck] er re min N | os mmmmzu mu, Juur zum zu | Nass mc ru m ne Mittel: | 2 mm Hoi. 202 1 800 18 En Volum pro Min. 3,4 | + 11,7% | + 11,7% | + 17,60 Arbeit 126,35 . + 11,6% | +11,6%0 |; + 19,6°%/0 Puls pro Minute 47,4 | + 8,8% + 11,3%/0 | + 18,5%0 Volum pro Puls 0,074 0% | — 2,700 | — 4,0%0 Fig. 16. Kurven zu dem Versuch 16. Versuch 17. Rana temporaria, & 32 g. Ansetzung des Herzens auf den Apparat Sh 30’. Norm. 8h 55'. 30 mm Hg —= 19 Sek. = 17,5 Puls = 1,6 cem = 40,50 em Ag. Volum pro Minute = 5,0. Arbeit pro Minute = 202,50 g/cm. Puls pro Minute = 55.2. Volum pro Puls = 0,091. 9h 10”. 30 mm Hg = 19,5 Sek. — 17,5 Puls = 1,6 ccm = 40,50 cm Ay. Volum pro Minute — 49. Arbeit pro Minute — 198, 45 glcm. Puls pro Minute = 53,8. Volum pro Puls = 0,091. Beitrag zur Frage über die Wirkung der Purinkörper. V. 301 9h 25’. 30 mm Hg = 19 Sek. = 17 Puls = 1,6 cem = 40,50 cm Ag. Volum pro Minute = 5,0. Arbeit pro Minute — 202,50 g/cm. Puls pro Minute —= 593,6. Volum pro Puls = 0,094. Theophyllinum in der Konzentration 0,02 o. 9h 40’. 31,5 mm Hg = 18 Sek. —= 17,5 Puls = 1,6 ccm = 42,52 ccm Ag. Volum pro Minute = 5,3. Arbeit pro Minute — 225,35 g/cm. Puls pro Minute = 58,3. Volum pro Puls = 0,091. 9h 55'. 31,5 mm Hz = 18 Sek. — 18 Puls = 1,6 ccm = 42,52 cm Ag. Volum pro Minute — 5,3. Arbeit pro Minute —= 225,35 g/cm. Puls pro Minute —= 60,0. Volum pro Puls = 0,088. 10h 10’. 32 mm Hg = 17,5 Sek. — 18,5 Puls = 1,6 ccm = 43,20 cm Ag. Volum pro Minute = 5,4 Arbeit pro Minute — 233,28 g/cm. Puls pro Minute = 63,4. Volum pro Puls = 0,086. Theophyllinum m Arbeit rn Minutenpuls SE Faen Ne Minutenvolum Gr Blutdruck N IN Zen a Bi: En N Bee Tree FEEn Be... ee — Mittel: 30 mm He. . . ..| + 5,0% | + 5,0% | + 6,6% Arbeit 201,15 . . . | +12,0 Yo | +12,0 Yo | +15,9 %/o Volum pro Min. 5,0 | + 6,0% | + 6,0% | + 8,0 %o Puls pro Minute 54,2 | + 7,5% +10,7°/o , +16,9 %/o Volum pro Puls 0,092 | — 1,0% | — 4,3% | — 6,5 9/o Fig. 17. Kurven zu dem Versuch 17. Versuch 18. Rana temporaria, &. 40 g. Ansetzung des Herzens auf den Apparat 3h 0. Norm. 3h 25’. 32 mm Hg = 18 Sek. = 16 Puls = 1,6 ccm = 43,20 cm Ag. Volum pro Minute = 5,3. Arbeit pro Minute = 298, 96 g/em. Puls pro Minute = 53,3. Volum pro Puls = 0,100. sihyoyl 4h 10”. 4h 25. J. W. Golowinski: 32,5 mm Hg = 17,5 Sek. = 16 Puls 1,6 cem = 43,87 cm Ag. Volum pro Minute —= 95,4. Arbeit pro Minute — 236,89 g/cm. Puls pro Minute — 54,8. Volum pro Puls = 0,100. 32 mm Hg = 18 Sek. = 16 Puls = 1,6 ccm = 43,20 em Ag. Volum pro Minute = 5,3. Arbeit pro Minute —= 228,96 g/cm. Puls pro Minute — 53,3. Volum pro Puls = 0,100. Theobrominum in der Konzentration 0,02 %o. 33,5 mm Hg — 1X Sek. = 16 Puls —= 1,6 cem — 45,22 cm Ag. Volum pro Minute —= 5,6. Arbeit pro Minute — 253,28 g/em. Puls pro Minute = 56,4. Volum pro Puls — 0,100. 34,5 mm Hg = 16,5 Sek. — 16,5 Puls = 1,6 ccm = 46.57 cm Ag. Volum pro Minute — 5,8. Arbeit pro Minute — 270,09 g/cm. Puls pro Minute — 60,0. Volum pro Puls = 0,09. Theobrominum | Arbeit Minutenpuls ) Minutenvolum Blutdruck Pulsvolum 32,1 mm Hg. . . | +42% | + 7,4% | + 10,5% Volum pro Min. 5,3 | +5,6% | + 9,4% | + 13,2% Arbeit 231,63 . . I +9,3%0 | + 16,6% | + 24,10 Puls pro Min. 53,8 | +5,1%0 | + 11,5%0 | + 18,490 Volum p. Puls 0,100 0% | — 4,0% | — 6,0% Fig. 18. Kurven zu dem Versuch 18. Beitrag zur Frage über die Wirkung der Purinkörper. V. 303 4h 40’. 35,5 mm Hg —= 16 Sek. — 17 Puls = 1,6 ccm = 47,92 cm Ag. Volum pro Minute = 6,0. Arbeit pro Minute = 287,52 g/cm. Puls pro Minute — 63,7. Volum pro Puls = 0,09. Versuch 19. Rana temporaria, &. 33 g. Ansetzung des Herzens auf den Apparat 4h 5’, Norm. 4h 40’. 28 mm Hg — 21,5 Sek. = 15,5 Puls — 1,6 ccm = 37,80 cm Ag. Volum pro Minute = 4,4. Arbeit pro Minute = 166, 32 g/cm. Puls pro Minute = 43.2. Volum pro Puls —= 0,103. 4h 55’. 27,5 mm Hg = 22 Sek. — 15,5 Puls = 1,6 cem — 37,12 cm Ag. Volum pro Minute = 4,3. Arbeit pro Minute —= 159, 61 g/cm. Puls pro Minute = 4222. Volum pro Puls = (0, 103. oh 10’. 27,5 mm Hg — 22 Sek. — 15,5 Puls — 1,6 ccm = 37,12 cm Aq. Volum pro Minute — 4,3. Arbeit pro Minute = 159, 61 g/cm. Puls pro Minute —= 42.2. Volum pro Puls = 0,103. Barazankhinum FEEFEEEERBE Arbeit Minutenvolum Minutenpuls Blutdruck Pulsvolum Fe 27,6 mm Hg. . +14% | +3 Volum pro Minute4, 3 +2,3%0 ı +4 el Arbeit 161,84 . . . | +2,7%0 |; +6.9%0 , + 18,1%/o Puls pro Minute 425 | +49% | +7,5% |+1 Volum pro Puls 0, 103- —2,90%/0 N —_ Fig. 19. Kurven zu dem Versuch 19. 304 & an Seo 5h 40. oh 55". J. W. Golowinski: Paraxanthinam in der Konzentration 0,02 %o. 23 mm Hg = 21,5 Sek. = 16 Puls = 1,6 ccm = 37,80 cm Ag. Volum pro Minute = 4,4. Arbeit pro Minute = 166,32 g/cm. Puls pro Minute — 44,6. Volum pro Puls = 0,100. 28,5 mm Hg — 21 Sek. = 16 Puls = 1,6 cem = 38,47 cm Ag. Volum pro Minute —= 4,5. Arbeit pro Minute = 173,11 g/cm. Puls pro Minute — 45,7. Volum pro Puls = 0,100. 29,5 mm Hg = 20 Sek. = 16,5 Puls = 1,6 ccm = 39,82 cm Agq. Volum pro Minute = 4,8. Arbeit pro Minute — 191,14 g/cm. Puls pro Minute — 49,5. Volum pro Puls —= 0,09. Versuch 20. Rana temporaria, & 32 g. Ansetzung des Herzens auf den Apparat 9b 45’. 10h 15”. Norm. 23 mm Hg = 23,5 Sek. = 17 Puls = 1,6 ccm = 31,05 cm Ag. Volum pro Minute = 4,0. Arbeit pro Minute = 124,20 g/cm. Puls pro Minute — 43,4. Volum pro Puls = 0,094. Heter oxanthinum — Arbeit en BEEBESBnBATE en ar m Minutenpuls Fr ar Blutdruck ade SEEN Q a Pulsvolum Mittel: | 23 mm Hg . +21% | +43%o | + 8,7%o Volum pro Minute4, 0 + 2,50/o | +5,0%0 | -+ 10,0% Arbeit 124,20 . .. | +47%o | +9,5%0 | + 19,8%0 Puls pro Minute 43,9 | + 6,8%0 | +9,3%0 | +20,7%/0 Volum pro Puls 0,092 | —4,3°/o | —4,3% | — 8,7% Fig. 20. Kurven zu dem Versuch 20. Beitrag zur Frage über die Wirkung der Purinkörper. V. 305 10h 30°. 23 mm Hg = 23,5 Sek. = 17,5 Puls = 1,6 ccm = 31,05 cm Ag. Volum pro Minute — 4,0. Arbeit pro Minute = 194, 20 g/cm. Puls pro Minute = 44,6. Voium pro Puls = 0,091. 10h 45’. 23 mm Hg —= 24 Sek. = 17,5 Puls = 1,6 ccm = 31,05 cm Ag. Volum pro Minute —= 4,0. Arbeit pro Minute = 194, 20 g/cm. Puls pro Minute = 43,7. Volum pro Puls = 0,091. Heteroxanthinum in der Konzentration 0,02 /o. 11h 0°. 2385 mm Hg = 23 Sek. = 18 Puls = 1,6 ccm = 31,72 cm Ag. Volum pro Minute = 4. Arbeit pro Minute = 130, 05 g/em. Puls pro Minute — 46,9. Volum pro Puls = 0,088. 11h 15’. 24 mm Hg = 22,5 Sek. = 18 Puls = 1,6 ccm = 32,40 cm Ag. Volum pro Minute = 42. Arbeit pro Minute — 136,08 g/cm. Puls pro Minute = 48,0. Volum pro Puls = 0,088. llh 30”. 25 mm Hg = 21,5 Sek. — 19 Puls = 1,6 ccm = 33,75 cm Ag. Volum pro Minute — 4,4. Arbeit pro Minute — 148,50 g/cm. Puls pro Minute = 53,0. Volum pro Puls = 0,084. Tabelle Il. Arbeits’ A \ Nerane runs 2 - e Substanzen erhöhung ı Pulse S es %/o 0/0 %/o Coflemnmian. Sa 30,8 21,3 — 4,6 Athbyltheobrominum . ...... 18,0 15,2 — 93 Methoxyeofenum.. . ......... 15,3 10,3 — (0,1 Äthylparaxanthinum . ...... 23,3 17,0 — 9,6 thoxycofeinume. . una. 19,6 15, — 4,0 Äthyltheophyllinüum . ...... 17,4 16,5 — 2,7 Rheobrominum er ee 24,1 18,4 — 6,0 kheophyllinum.. 0... 2... 20% 15,9 16,9 — 6,5 Baraxanthınume ee see, 18,1 16,4 — 6,7 Eleteroxanthinume . 2 2.22... 19,3 20,7 — 9,7 Die Resultate dieser Versuche zeigen, dass alkylierte Xanthine die Tätigkeit des isolierten Herzens erhöhen. Das kann aber bei der getroffenen Versuchsanordnung nur vom Einfluss auf den Herz- muskel allein oder von der Kombination desselben mit der Ein- wirkung auf die intrakardialen Nervenapparate abhängen. Leblond!) kam auf Grund seiner Untersuchungen am isolierten Froschherz zu dem Schluss, dass das Coffein zweifellos den Herzmuskel angreift, Del: 306 J. W. Golowinski: wie seine Beobachtungen über die Herzspitze zeigten, und damit die Tätigkeit desselben erhöht. Derselben Ansicht sind Hoppe), Wagner?), Favel°®) und Glupe*). Auch Dreser?) fand, dass unter dem Einfluss von Coffein die absolute Kraft des Herzens, ähnlich wie die des Skelettmuskels, sich vermehrt, obwohl nach Frank und Weinland‘) diese Kraftvermehrung unbedeutend und für Coffein nicht charakteristisch ist. Maki’) fand bei der Wirkung des Coffeins auf das isolierte Froschherz, dass es imstande ist, eine sehr unbedeutende, kurz dauernde Verstärkung der Herzkontraktion hervorzurufen, dass diese aber oft ausbleibt, und dass bei Vermehrung der Dosen anfänglich sogar eine bedeutende Verminderung der Tätig- keit des Herzens eintritt, das in halbsystolischem Zustande arbeitet: eine Folge des Einflusses auf den Herzmuskel. Johannsen?) konstatierte an dem ausgeschnittenen, in eine coffeinhaltige physio- logische Kochsalzlösung gebrachten Frosehherzen mikroskopische Ver- änderungen im Herzmuskel — den Verlust seiner Struktur; Glause?) eibt sogar Versuche wieder, in denen das mit Muskarin zum Still- stand gebrachte Froschherz nach dem Coffeineinfluss wieder zu arbeiten angefangen hat, nnd sogar stärker als in der Norm. Heubel'!°) beobachtete ferner unter dem Einfluss von Coffein ein Starrwerden des Froschherzens, welches nach der Ausspülung wieder verschwand, ähnlich den Beobachtungen von Fürth!!) am Skelettmuskei des Kaninchens. Haynes'?) fand, indem er die Tätigkeit des isolierten Froschherzens unter dem Einfluss von Theobromin registrierte, eine Verstärkung der Herzkontraktionen ohne Beschleunigung. Albanese!?) beobachtete, indem er den Einfluss von Heteroxanthinen auf das isolierte Froschherz studierte, keine Beschleunigung des Herzschlages Delsc 2) 12 c. 3) De l’action de quelques medicaments sur le c@ur. These. Lyon 1878. 4) 1. c. 5) Arch. f. exper. Pathol. u. Pharmakol. Bd. 24 S. 211. 1888. 6) Sitzungsber. der Gesellsch. f. Morphol. u. Physiol. in München Bd.15. 1899. Al, c. a „1. c. | 9) Zur Kenntnis der Hemmungsmechanismen desHerzens. Dissert. Bern 1884. 10) Heinz, Handb. d. exper. Pharmakol. u. Pathol. Bd. 1 S. 2. 11) Arch. f. exper. Pathol. u. Pharmakol. Bd. 37 S. 389. 12) Folia Therapeutica Oktober 1907. 13) Arch. f. exper. Pathol. u. Pharmakol. Bd. 43 S. 305. Beitrag zur Frage über die Wirkung der Purinkörper. V. 307 wie bei Coffein. Nach der Meinung von Lazzaro!) aber ist sein Ein- fluss auf das Herz weniger ausgeprägt als bei Theobromin. Die Resultate meiner Versuche am isolierten Froschherzen zeigen, dass. die Wirkung um so grösser wird, je weniger der Xanthinkern alky- liert ist. Allerdings schwankt die Pulsfreauenz durchschnittlich un- gefähr in denselben Grenzen; auch zeigt die Erhöhung der Herz- arbeit keine bedeutenden Schwankungen, dafür aber tritt eine Ver- änderung des Pulsvolums im Sinne der Verminderung ein, wie aus den Zahlen klar zu sehen ist. Diese Erscheinung — bei sonst etwa gleichbleibenden Resultaten — muss ohne Zweifel einen inten- siveren Einfluss auf den Herzmuskel bedeuten, dessen elastische und kontraktile Eigenschaften in entsprechender Weise verändert werden, was mit dem gleichartigen Einfluss der Xanthinderivate auf die Skelettmuskulatur sehr übereinstimmt und auf die grosse Ähnlichkeit beider Muskelarten bezüglich ihrer Struktur und des Charakters ihrer Kontraktion hinweist. Ein derartiger Einfluss auf das isolierte Froschherz zeigt sich am stärksten beim Heteroxanthin, ihm folgen die Dimethylxanthine, und letztere ihrerseits haben einen grösseren Einfluss als die Trialkylxanthine. Die bei den früher wiedergegebenen Versuchen an kaltblütigen Tieren in toto beobachtete Erhöhung des Blutdruckes bei trialkylierten Xanthinen muss zweifellos, wie das weiterhin zu beweisen sein wird, sich erklären durch ihren grösseren Einfluss auf das zentrale Nervensystem, resp. auf die Vasomotoren- zentren der Medulla oblongata, welche durch die von ihnen ver- anlasste Gefässverengerung zu einer Steigerung des Blutdruckes führen können. Bei der Wirkung der weniger alkylierten Xanthine kann zwar ein derartiger Einfluss auf das Zentralnervensystem vorläufig nicht ausgeschlossen werden, aber in der Hauptsache liegt hier der Angriffs- punkt doch mehr peripherwärts, im Herzen selbst, wo gewiss, sowohl der Muskel, als auch die intrakardialen Nervenzentren betroffen werden können. Obwohl die Kraft der Herzkontraktion unter dem Einfluss dieser letzteren Stoffe einen bedeutenden Grad. erlangen kann, so ist dieser Einfluss — wie die früheren Versuche zeigen — in seinem Endresultat doch nicht stärker als der der Trialkylxanthine, welcher, wie gesact, durch ihren stärkeren Einfluss auf das Zentralnerven- system zu erklären ist. Bei der Einführung der Xanthinderivate in 1) Annali d. Farmakol. et Terapia 1890. 308 J. W. Golowinski: den Organismus kaltblütiger Tiere bekommt man also einen anderen Endeffekt der Herztätigkeit, als wenn man die Substanzen auf das isolierte zentrale Organ des Blutkreislaufes wirken lässt. c) Versuche mit der künstlichen Durchblutung des Frosch- organismus nach der Methode von Prof. C. Jacobj. Zur Aufklärung der Frage, inwieweit an der Erhaltung solcher Resultate das zentrale Nervensystem mit den in demselben sich be- findenden Zentren teilnimmt, habe ich ebenfalls entsprechende Ex- perimente angestellt. Cogsweli!), der zuerst die physiologische Wirkung des Coffeins bei Fröschen prüfte, beobachtete tetanische Kontraktionen, die sehr ähnlich denen von Strychnin waren. Er nahm an, das Coffein sei ein Gift, welches stark auf das Rückenmark wirke. Alle übrigen Forscher stimmen darin überein, dass das Coffein eine er- regende Wirkung auf das zentrale Nervensystem ausübt. Albers?) beschreibt konvulsivische Erscheinungen an mit Coffein vergifteten Fröschen und weist auf die Ähnlichkeit dieser Konvulsionen mit denen bei der Strychninvergiftung hin. Diese Beobachtungen wurden durch die Arbeiten von Falk und Stuhlmann?), Mitscherlich‘%), Hoppe°), Aubert®), Haase’), Kurzak®), Leven?°), Voit!®), Peretti!'), Buchheim und Eisenmenger!?), Schmiede- berg%), Filehne'%) u. v. a. vollkommen bestätigt. Was die Literatur über den Einfluss auf das zentrale Nervensystem sonstiger alkylierter Xanthinderivate betrifft, so verneint Filehne!°) die Er- 1) Lancet. vol.2 p. 491. 1852. 2) Deutsche Klinik 1852 Nr. 51 S. 537—577. D)elacc. 4) 1. c. 5) Hoppe’s Schriften (therapeut.-physiol. Arbeiten) H. 3. 1856. 6) ]. c. 7) Untersuchungen über die Wirkung des Cofteins. Dissert. Rostock 1871. 8) Zeitschr. d. k. k. Gesellsch. d. Ärzte zu Wien 1860 S. 626. H).1.:c. 10) 1. c. 11) Zur Toxikologie des Coffeins. Dissert. Bonn 1875. 12) Eckhard’s Beitr. z. Anat. u. Physiol. Bd. 5 S. 73—145. 1870. 13) Grundriss der Pharmakologie 1909. 14) Arch. f. Anat. u. Physiol. (physiol. Abt.) 1886 S. 72. 15) 1. c. Beitrag zur Frage über die Wirkung der Purinkörper. V. 309 regung des zentralen Nervensystems der Frösche durch Theobromin, während Neumann!) bei demselben sogar Konvulsionen beobachtete, was mit den Untersuchungen von Jacobj und Golowinski?) übereinstimmt. Man fand eine erhöhte reflektorische Erregbarkeit des Rückenmarkes der Frösche auch bei Theophyllin (Jaeobj und Golowinski°). Bei Paraxanthin beobachtete Salomon“) Ver- minderung der Reflexerregbarkeit, ähnlich wie Krüger und Salomon?) dieselbe Abschwächung der Reflexe ohne vorherige Er- höhung bei der Wirkung von Heteroxanthin beobachteten. Albanese®) jedoch konstatierte bei der Wirkung des letzteren vor dem Eintritt der Lähmung einen leichten Tetanus. | Äthyltheobromin ruft nach Kotlar’) bei Rana temp. eine Lähmung des zentralen Nervensystems ohne vorherige Erregung hervor, bei beliebiger Dosierung. Derselbe Einfluss auf Rana temp. ist von Filehne®) bei Äthoxycoffein beobachtet worden, während Rana escul. jedesmal mit Erhöhung der Reflexe reagierte, manchmal sogar bis zum Tetanus gesteigert. Cohnstein°’), welcher die Wirkung von Äthyltheobromin an Fröschen studierte, beobachtete nur tetanische Konvulsionen. Bei der Einführung der Xanthinkörper in den tierischen Or- ganismus, welche bekanntlich eine quantitativ verschiedene chemische Atfinität zum zentralen Nervensystem, zum Skelettmuskel und zum Herzen haben, kann eine verschiedenartige Verteilung derselben entstehen. Deshalb sind auch verschiedene Wirkungsbilder möglich, besonders in Bezug auf das Herz; denn die unter dem Einfluss der Xanthinkörper verminderte Herztätiekeit wird infolge der gleich- zeitie eintretenden unregelmässigen Blutzirkulation die Verteilung der Substanzen noch mehr zu verändern imstande sein. Unter solchen Umständen ist es dann sehr schwierig oder sogar fast un- 1) Über toxikologische Verschiedenheiten funktionell verschiedener Muskel- gruppen. Dissertation. Bern 1883. 2) Arch. f. exper. Pathol. u. Pharmakol. Suppl.-Bd. S. 286. 1908. Dalzzc, 4) Zeitschr. f. physiol. Chemie Bd. 13 S. 187. 1883. 5) Zeitschr. f. pbysiol. Chemie Bd. 21 S. 169. 1895. 6) Arch. f. exper. Pathol. u. Pharmakol. Bd. 43 S. 305. 7) Wratsch 1898 Nr. 40, 41 u. 42. (Russisch.) Selac: Yale: 310 J. W. Golowinski: möglich, das richtige Bild des Einflusses auf das Nervensystem in quantitativer Hinsicht festzustellen. Will man also genau verfolgen, inwiefern sich die einzelnen Xanthinderivate bezüglich ihrer Wirkung auf das Zentralnervensystem quantitativ voneinander ur.terscheiden, so ist eine andere Versuchsanordnung notwendig, bei der die störende Wirkung auf das Herz ausgeschlossen wird. Diese Bedingung erfüllt die von Prof. Jacobj!) angegebene Durchblutung mit künstlichem Herzen, deren ich mich deshalb bei meinen diesbezüglichen Ver- suchen bedient habe. Der von Jacobj konstruierte Apparat stellt ein künstliches Herz dar, mit dessen Hilfe man unter beliebigem Druck und Rhythmus die Nährflüssigkeit in den Aortenbulbus der Frösche einführen kann und die Tätigkeit des normalen Herzens vollständig zu ersetzen vermag, so dass die Tiere auf jede Reizung vollkommen normal reagieren. Nach der Zeit, die für das Ausfliessen einer bestiinmten Blutmenge nötig ist, kann man über den Zustand des Gefässlumens urteilen, das bei der Kontraktion der Gefässwände sich verengt, unter umgekehrten Bedingungen sich erweitern soll. Diese Methode unterscheidet sich von allen übrigen dadurch, dass hier bei künstlieher Durchblutung das Tier in natürlichere Ver- hältnisse gestellt ist, da das Blut in die Aorta unter den gleichen Druek und Rhythmus eintritt, wie das bei Fröschen in der Norm geschieht. Ausserdem sind natürlich unter diesen Bedingungen die zu untersuchenden Substanzen nicht imstande, die konstante Tätig- keit des künstlichen Herzens zu verändern und dadurch die oben- erwähnten Bedingungen hervorzurufen, die durch Schädigung der Blutzirkulation eine unregelmässige Verteilung der Stoffe im Orga- nismus verursachen würden. Bei dieser Methode kann man mit Hilfe der Gefässreaktion nicht nur den Einfluss auf das zentrale Nervensystem quantitativ feststellen, sondern auch nach der Aus- schaltung desselben über die periphere Wirkung auf die Gefässe selbst. urteilen, da die. Reaktion . bei intaktem Seryenyalem sicher die Summe dieser beiden Einflüsse darstellt. 2 Die zu untersuchenden Substanzen wurden in der Konzentrahan von 0,05% eingeführt, wobei als Nährflüssigkeit defibriniertes Kalbs- blut diente, verdünnt mit physiologischer Kochsalzlösung (0,64 °/o) im Verhältnis 1:2. Die Tiere wurden bewegungslos gemacht, indem man ihnen die motorischen Nerven der vorderen und hinteren Ex- l) Arch. f. exper. Path. u. Pharmak. Bd. 66 S. 282. 40 Beitrag zur Frage über die Wirkung der Purinkörper. V. 311 tremitäten durchschnitt. Zuerst wurde 15 Minuten lang reine Nähr- flüssigkeit durchgeleitet und dabei — in Pausen von je 5 Minuten — die Norm registriert. Alsdann wurde ebenfalls 15 Minuten lang mit der vergifteten Nährflüssigkeit durchblutet; auch hierbei wurden die Registrierungen alle 5 Minuten vorgenommen. Auf diese Weise wurde der Gesamteinfluss, d. h. zentraler und peripherer Einfluss, der betreffenden Substanzen erhalten. Hierauf wurde das Tier wieder mit normaler Nährflüssigkeit ungefähr bis zum normalen Zustande aus- gespült. Dann wurden, wobei die Bedingungen des Experiments voll- kommen unverändert blieben, mit einer glühenden Platinnadel das Gehirn, Medulla oblongata und das Rückenmark zerstört; nach der Einstellung der neuen Norm wurde dann wieder vergiftete Nähr- flüssigkeit durchgeleitet. Jede nach der Ausschaltung des Nerven- systems noch beobachtete Veränderung konnte lediglich auf einer Peripherwirkung beruhen, und zur quantitativen Bestimmung der zentralen Wirkung war es unbedingt nötig, diese Peripherwirkung von dem vorher erhaltenen Gesamteinfluss abzuziehen. Die nach- folgenden Kurven stellen die Resultate solcher Experimente mit alkylierten Xanthinen dar. Versuch 21. Rana esculenta, &. 41 g. Normale Nährflüssig- systems. Zerstörung des zentralen Nerven- keit. Coftein in der Konzentration Coffein in der Konzentration Normale Nährflüssigkeit. > 0 o rd en 17} un = = - E-| :8 zZ © -— 8 Eee = e) Zi soBesas Fig. 21. Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd. 160. 21 312 J. W. Golowinski: Versuch 22. Rana esculenta, &. 37,0. 1 u ' = =) = ‚S om =) a a a) - om - = Ar = Re 1,5 rn | 5 en = 22 ‚A ad an & a0 = SD 3 ©) E. on 3S in = =< z = 3 SE Er : ‚Sın 2 s A= 07) =] 3 5 NR 25 =] em =] on er E = a SE 5 keu) 38 ei Ir B=! a Be Ai EDiB« Sn Se Se Enge) E ER: ® ES 35 3 SE 3 SE =E 5 a8 5 En ER ‚2 an ‚2 Do Ara an 2 << A N De Fig. 22. Versuch 23. Rana esculenta, &. 39 g. ı U = 2.0 = o Er) {=} ri 20 > „ SE = 3 es 3 = = SE = 2 A B = 3 & S „eo 28 = en = 2 HE 5 2) 219 = SS 20 =} so He} Sm Bei} 5 ES = a5 Es R=| ° a= BA {5} 18 =} Ss aa z 2.8 Z ap; ee en 5 © 358 oR = SE = SSH => 3 EI 5 2e3 SE = Be Em) ms iS 5 Sn [= © m Zn v4 : a) {ap} a 38 2. Rana esculenta, &. Versuch 27. '0/o90°0 uolyeay -u9ZzUoM AOp ur wnuIyyuexere] “nor -ZISSHFIUEN afeuton "suegsÄs -U9AION UHJE.LJUSZ SEP JUnIOISIOZ "NONSISSUYAUEN OTEULION °o/og0‘0 uoryery -U9ZUOY EP um wnurmjwuexereg "NONYSISSNYAURN OTEUMON | [1 u 1 & [ | | ı 5 [| [| [1 u Beitrag zur Frage über die Wirkung der Purinkörper. V. 315 Versuch 28, Rana esculenta, &. 40 g. ı = = 80 = © Sr = N >nm SI = Bi = {=} = ra = = = == 'o & e) SZ u ra rg ra 8 rg &0 Be 528 'z = 7 = =] {7 = 22) og = 3 S SB sn=S =] =) = G=| » = ie) = = 2 Er 3 3S = Sri 38 zZ B= z 20; SS = = Ss ® 58 x =e: s5 Pr Sem = SR “ Bm = 25 = EI a8 ©. 2 © a am + zZ - Ai N = Versuch 29. Rana esculenta, &. Konzen- c ee co in der Konzen- 3 (=) Normale Nährflüssig- 0. oO systems. Zerstörung des zentralen Nerven- keit. Normale Nährflüssigkeit. Normale Nährflüssigkeit. Theophyllinum in der tration 0,'50%0 Theophyllinum tration 0,0 316 J. W. Golowinski: Versuch 30. Rana esculenta, &. 39 g. Ü == ı er Fe E80 AS &0 Sei Sie 'n Zt zZ oOUo8, BE n E35 77 Nb a, ar = = 1 Anm =) e=! iS) ce neo %® BE = >=! - Az EB P-| "zo = =} A 80 5 18 Ss 13 u ES E S 2 Bar A Pe E35. iS AS & EaSE Bi Ss- Eu Sz od > Ne} 53 E58 53 mTEnE IS 5= oo 5“ + wA o=o A ae) 2 IS en Fig. 30. Tabelle 14. ma Gefäss- == a Gefässverenge- verengerung bei rung nach Aus- : Substanzen enter intakten schaltung des rung infolge der Nervensystem | zentr. Nerven- zentralen in Proz. systems in Proz. | Wirkung in Proz. BSP] Te Ar le Coffeinum. . . ERS 38 — 38 Äthyltheophyllinum RL 3 — 37 Äthyltheobrominum . . .. 38 _ 38 Äthylparaxanthinum . . . . 28 _ 28 Methoxycoffeinum . . : 20 —_ 20 Äthoxycoffeinum. a 15 — 15 Theobrominüum . . .... 24 14 10 Theophyllinüum . ..... 20 12 & Paraxanthinum . ..... 25 17 8 Heteroxanthinum . ... . 25 21 4 Die Resultate dieser Experimente sprechen dafür, dass alle untersuchten trialkylierten Xanthine auf das zentrale Nervensystem wirken, und dass die von ihnen hervorgerufene Verengerung der Gefässe zum grössten Teile abhängig ist von ihrer erregenden Wirkung auf das Vasomotorenzentrum in der Medulla oblongata, resp. auf die sukzessorischen Vasomotoren, die sich im Rückenmark befinden; denn nach der Zerstörung dieser Zentren veränderte sich die Schnellig- keit des Ausfliessens einer bestimmten Blutmenge nicht. Diese Ver- Beitrag zur Frage über die Wirkung der Purinkörper. V. 317 suchsergebnisse stimmen mit den Beobachtungen über die Veränderung des Blutdruckes bei Fröschen in toto überein. Hier beobachtete man die stärkste Erhöhung des Blutdruckes bei eben diesen trialkylierten Xanthinen; schwächer war die Erhöhung des Blutdruckes bei den Dimethylxanthinen, weil diese, wie aus Tabelle 3 ersichtlich ist, das Nervensystem weniger stark reizen; und am schwächsten ist dieser pressorische Einfluss bei Monomethylxanthin-Heteroxanthin ausgeprägt. Es besteht also einerseits ein gewisser Parallelismus zwischen der Alkylierung der Xanthine und der Stärke ihrer erregenden Wirkung auf das zentrale Nervensystem; andererseits wächst nach der Zer- störung desselben, wie aus den Versuchen zu ersehen ist, parallel mit der Abnahme der Methylgruppen im Xanthinkern der Wider- stand der Blutzirkulation an der Peripherie. Letzterer Umstand kann abhängen entweder von der Wirkung auf die Gefässwand oder von dem spezifischen Einfluss auf den Skelettmuskel, welcher, wie unsere Versuche gezeigt haben, um so stärker ist, je weniger Xanthin alkyliert ist (Zusammenpressen der Gefässe und dadurch Behinderung der Blutzirkulation), oder endlich von der Kombination beider Wirkungen. Dieser periphere Einfluss auf die Blutzirkulation, welcher nur bei Dimethyl- und Monomethylxanthinen beobachtet wird, trifft sogar mit der isomeren Stellung der Methyleruppen bei Dimethyl- xanthinen zusammen, welche am stärksten auf die Muskeltätigkeit wirken. Zurzeit ist es schwer zu sagen, welcher Einfluss hier vor- wiegend oder als einziger in Betracht kommen kann. Bei Trialkyl- xanthinen beobachtet man keine Verengerung oder Erweiterung der Blutgefässe, und man kann kaum voraussetzen, dass die letztere bei den weniger alkylierten Xanthinen durch den Einfluss auf die Muskel maskiert wird. Übrigens stimmen die Ergebnisse dieser Versuche, aus denen ein direkter Einfluss auf die Gefässe hervorgeht, mit einigen Angaben der Literatur nicht überein. Hoppe!) und Voit?) kamen auf Grund ihrer Beobachtungen an Fröschen zu der Über- zeugung, dass z. B. das Coffein vielleicht gefässerweiternd wirkt. Beyer?), der Ringer-Lösung mit Coffein durch Froschgefässe leitete, beobachtete eine Erweiterung der Gefässe; dieselben Resultate erhielt 1) Günsberger Zeitschr. 1859 N. F. Bd. 1. 2) 1. c. 8) Heinz, Handb. d. exper. Pharmakol. u. Pathol. Bd. 2 T. 2. 318 J. W. Golowinski: Pisemski!), der mit der Methode von Prof. N. Krawko w arbeitete (am isolierten Kaninchenohr); allerdings beobachtete er im Anfang des Versuches auch eine bedeutende Gefässverengerung. Haynes?) bekam bei der Durchleitung von Kochsalzlösung mit schwachem Theobromingehalt durch die Froschgefässe eine grössere Menge der während einer Minute zirkulierenden Flüssigkeit als in der Norm. Andere Autoren bestehen auf der elektiven gefässerweiternden Wirkung des Coffeins und ihm verwandter Verbindungen, wie Theobromin und Theophyllin, in den Nieren der Warmblüter [Loewi°), Fletscher?°), Henderson?®), Roy*), Bradford und Philipps’), Starling®), Gottlieb und Magnus’), Landegren und Tigerstedt?), Zakussow°)], was einigen Autoren die Veranlassung gibt, diesen Einfluss bei der Erklärung der beobachteten Erscheinungen auf die Gefässe anderer Organe auszudehnen, z. B. des Gehirns (Gottlieb '°), des Herzens [Hebdom!!), Loeb!?), Bego und Plumier®), Haynes'*)]. Dabei ist zu bemerken,. dass fast alle Autoren be- haupten, die obenerwähnten Dimethylxanthine überträfen, was die Wirkung auf die Gefässe anbetrifft, das Coftein.e. Munk!?) nimmt auf Grund seiner Untersuchungen an, dass dabei ein unmittelbarer Einfluss auf die Ringmuskeln der Gefässe ausgeübt wird, nicht aber auf die Nervenelemente, die sich in denselben befinden. Loeb'°) fand mit der Methode von Langendorff keine Vermehrung der Blutzirkulation in den Kranzgefässen unter dem Einfluss von Coffein ; nur beim Theobromin war eine solche etwas mehr ausgeprägt. Bego 1) Zur Methodik der Untersuchungen gefässerweiternder Substanzen (russisch). Ruski Wratsch Nr. 8 p. 264. 1912. Online: 3) Arch. f. exper. Pathol. u. Pharmakol. Bd. 53 S. 15. 1905. 4) Proc. of the Cambridge philos. Society vol. 4 p. 110. 1883. 5) The Journ. of Physiol. vol. 8 p. 117—132. 1887. 6) Journ. of Physiol. 1901 p. 259. 7) Arch. f. exper. Pathol. u. Pharmakol. Bd. 45 S. 223—247. 1901. S)ALzC- . 9) Ruski Wratsch Nr. 15 p. 530. 1904. 10) H. Meyer und Gottlieb, Die exper. Pharmakologie. 1911. 11) Skandinav. Arch. f. Physiol. Bd. 9 8.1. 12) Arch. f. exper. Pathol. u. Pharmakol. Bd. 51 S. 64. 8) Journ. d. Physiol. et d. Pathol. gener. t.3 no. 1 p. 10—21. 1906. 14) 1. c. 15) Virchow’s Arch. Bd. 107 S. 291—855. 1887. 16) 1. c. Beitrag zur Frage über die Wirkung der Purinkörper. V. 319 und Plumier!) kamen zu dem Resultate, dass Theobromin und Theophyllin auf die Gefässe der Extremitäten fast ebenso wirken wie auf die Nierengefässe, nur bedeutend weniger intensiv; die lokale Wirkung des Coffeins aber zeigt sich nach ihren Untersuchungen zuerst in einer Verengerung der Gefässe, der dann eine geringe Er- weiterung folet. Kobert?), der zahlreiche Versuche mit künstlicher Durchblutung von Organen und anderen Teilen des Organismus ver- schiedener Tiere anstellte, fand beim Coffein keine besondere peri- phere Wirkung auf die Gefässe. Seine Beobachtungen stimmen mit Fig. 3l. Dehnungskurve des Froschmagens in Ringer. Fig. 32. Dehnungskurve desselben Froschherzens in Ringer + Coffeinum. den Resultaten meiner Versuche an Fröschen vollkommen überein. Im allgemeinen also muss man sagen, dass die Untersuchungen der verschiedenen Autoren bezüglich des Einflusses der alkylierten Xanthine auf die Gefässwandungen zu voneinander abweichenden Resultaten geführt haben. Es ist schwer, mit Bestimmtheit zu sagen, welches die Gründe für das Erhalten so verschiedener Resultate sind. Am wenigsten wahrscheinlich ist jedenfalls eine gefässerweiternde Wirkung der alkylierten Xanthine, besonders im Hinblick auf ihren Einfluss auf die glatten Muskelfasern.. Die glatte Muskulatur ändert nämlich zweifellos unter dem Einfluss z. B. des Coffeins ihre elastischen Eigenschaften, insofern als sie, ähnlich dem quergestreiften Muskel, weniger dehnbar wird (vel. Fig. 31 und 32), und das ist sicherlich )1. c. 2) Arch. f. exper. Pathol. u. Pharmakol. Bd. 22 S. 77. 320 J. W. Golowinski: keine günstige Bedingung für eine Erweiterung der Gefässe, weil das Gefässlumen sich unter solchen Umständen verkleinert, nicht aber vergrössert. Fragt man sich, welche Bedeutung die Stellung der Alkylgruppen in den Trialkylxanthinen für die erregende Wirkung auf das Zentral- nervensystem hat, so muss man konstatieren, dass in dieser Hinsicht das Äthylparaxanthin am schwächsten wirkt. Ferner ist zu bemerken, dass der Ersatz des Methyls beim N. im Xanthinkern durch Äthyl keine Bedeutung für die Qualität der Wirkung hat, und dass der quantitative Unterschied in sehr unbedeutenden Grenzen schwankt, abgesehen vom Äthylparaxanthin. Bei diesem ist die im Vergleich zu anderen Äthyl-Dimethylxanthinen erheblich schwächere Wirkung durch die Stellung der Methylgruppen zu erklären, da diese schon paraxanthinartige Verbindung am vorteilhaftesten für die Muskel- wirkung ist, wie das aus allen meinen Beobachtungen über ihren Einfluss auf den quergestreiften Muskel hervorgeht. Die Untersuchungen von Kotlar!) über das Äthyltheobromin stehen in Widerspruch zu der obenerwähnten Behauptung. In seiner Arbeit (1898), in der er die Resultate der Experimente über den Einfluss dieses Stoffes auf Frösche mitteilt, spricht er die Ansicht aus, dass das Äthylbromin, dank der Anwesenheit der Äthylgruppe, paralysierend auf das zentrale Nervensystem wirke. Sechs Jahre vor ihm waren ähnliche Untersuchungen mit demselben Stoff von Cohnstein?) ausgeführt, welche zu ganz anderen Resultaten ge- führt hatten: „Die augenfälligste Wirkung des Giftes ist eine krampf- erregende“, sagt Cohnstein. Dabei erwähnt er nicht, welche Froschart er für seine Untersuchungen genommen hat, während Kotlar mit Rana temp. experimentierte; die zu untersuchende Sub- stanz wurde von beiden Autoren in den Bauchlymphsack eingeführt. Meine diesbezüglichen Untersuchungen mit trialkylierten Xanthinen an Rana temp. und Rana escul. gaben nach der Einführung der Stoffe in den Bauchlymphsack ganz dieselben Resultate wie mit Coffein; d.h. bei Rana temp. beobachtete ich die Wirkung nach Kotlar, bei Rana escul. die nach Cohnstein. Dagegen ist bei der Einführung der Substanzen direkt in die Vene bei beiden Frosch- arten nur eine Erregung des zentralen Nervensystems zu beobachten, die der Wirkung des Coffeins nicht nachsteht. Der oben genannte ID), & 2) 1. c. Beitrag zur Frage über die Wirkung der Purinkörper. V. 551 Unterschied in den Resultaten beider Autoren erklärt sich dadurch, dass sie mit verschiedenen Froscharten arbeiteten, welche bei Ein- führung von Xanthinstoffen in den Bauchlymphsack, wie schon oben nach Coffein bewiesen wurde, sehr verschieden reagieren; ein Unter- schied, der jedoch bei der intravenösen Einführung ganz verschwindet. Wie früher beim Coffein, habe ich diesen Unterschied nun auch bei anderen Äthyldimethylxanthinen beobachten können (vgl. u nach- folgenden Versuchsprotokolle). Versuch 1. Rana temporaria, &. 40 8. 11h 35’. Äthyltheobromin 2-10* pro Gramm des Körpergewichts ° in den Bauchlymphsack. 11h 45’, Die Bewegungen sind träge; keine Erhöhung der Reflexe. 11h 53’, Bei Berührung des Tieres keine erhöhte Reflexerregbarkeit. Die Bewegungen sind langsam. 12h 5’ Etwas Muskelrigidität; wenn das Tier auf den Rücken gelegt wird, kann es sich nicht umwenden. 12h 14’. Idem. 12h 30'. Herabsetzung der Reflexe. Keine willkürlichen Bewegungen. 12h 45’ Idem. Versuch 2. Rana temporaria, 5. 38 @. 3h 4’, Äthyltheophyllin 2-10 pro Gramm des Körpergewichts in den Bauchlymphsack., 3h 15’. Trägheit der Bewegungen. Erhöhung der Reflexe in beiden vorderen und der hinteren linken Extremität angedeutet. 3b 25’. Keine Erhöhung der Reflexe. Die Trägheit in den Be- wegungen schreitet fort. Besonders schwer ausführbar sind Bewegungen der hinteren Extremitäten. 3h 30’. Eine gewisse Spannung in den Muskeln der hinteren Ex- tremitäten. Die Reflexe sind herabgesetzt. 3h 47’. Idem. 4h 00'. Das Tier ist fast bewegungslos, die Hüften sind adduziert. Versuch 3. Rana temporaria, &. 41 g. 10h 8”. Äthylparaxanthin 2-10” pro Gramm des Körpergewichts in den Bauchlymphsack. 10h 20’. Die Bewegungen werden träge uud bedeutend erschwert; keine Erhöhung, sogar Herabsetzung der Reflexe. 10h 35’. Das Tier kann sich aus der Rückenlage nicht umdrehen. Die Reflexe sind fast erloschen. 10h 45’, Idem. 10h 55’. Entwicklung der Muskelstarre. Versuch 4. Rana esculenta, &. 36 g. 11h 20’. AÄthyltheobromin 2-10 pro Gramm des Körpergewichts intra venam abdominalem. 11h 25’. Erhöhte Reflexerregbarkeit bis zu tetanischen Zuckungen. 392 J. W. Golowinski: 11h 40‘. Beim Klopfen auf den Rücken beobachtet man einen deut- lich ausgeprägten Tetanus. 12h 00'. Bei Berührung tetanische Muskelkontraktionen der Extremi- täten und des Rumpfes. 12h 15’. Idem. 12h 30'. Tetanische Kontraktionen. Keine Rigidität der Skelett- muskulatur in der Periode der Erschlaffung. Versuch 5. Rana esculenta, ö&. 35 g. 10h 30’. Äthyltheophyllin 2-10 pro Gramm des Körpergewichts intra venam abdominalem, 10h 35'. Erhöhung der Reflexe beim Klopfen auf den Tisch und bei Berührung des Tieres. Die Schwimmhäute sind angespannt. 10h 40’. Bei Berührung tetanische Muskelkontraktionen. 10h 55’. Idem. 11h 15’. Strychninartiger Tetanus. 11h 25’. Idem. Versuch 6. Rana esculenta, &. 38 g. 4h 05'. Äthylparaxanthin 2-10 pro Gramm des Körpergewichts intra venam abdominalem, 4h 10’. Beim Klopfen auf den Tisch und bei der Berührung des Tieres erhöhte Reflexe. 4h 17'. Idem. 4h 25’. Reflexe bis zu tetanischen Zuckungen gesteigert. 4h 35’. Idem. 4h 48'. Tetanische Zuckungen der Skelettmuskulatur. 4h 53’. Deutlich ausgeprägter Tetanus. 5h 10'. Idem. 5h 15°. Keine Muskelrigidität. Mikroskopisch findet man keine bemerkbare Veränderung in der Struktur des quergestreilten Muskels. Die Experimente widersprechen also der Behauptung von Kotlar, dass der im Xanthinkern bei N. sich befindenden Äthyl- gruppe dieselbe Bedeutung in bezug auf das zentrale Nervensystem zukommt, wie sie ihr Baumann!) bei Ketonen zuschreibt. Etwas andere Resultate bekommt man bei der Wirkung von methoxy- resp. äthoxylierten Coffeinen auf kaltblütige Tiere. Von diesen Substanzen wäre, infolge der grösseren Alkylierung des Xanthinkerns a priori eine intensivere Erregung des zentralen Nervensystems zu erwarten; man bekommt jedoch das Umgekehrte, wie das schon von Filehne?) beobachtet wurde. Die erregende Wirkung des Coffeins mildert sich 1) Zeitschr. f. Physiol. Bd. 14 S. 52. 2) Arch. f. Anat. u. Physiol. (Physiol. Abt.) 1886 S. 72. Beitrag zur Frage über die Wirkung der Purinkörper. V. 323 nur dabei, verschwindet aber nicht ganz. Dieser Umstand erklärt sich dadurch, dass die hier dem C und nicht dem N angelagerten Methoxy- und Äthoxygruppen eine Komplexverbindung in dem Nerven- gewebe bilden, welche eine schwächere Erregung hervorruft als die im Xanthinkern bei N sich befindenden Alkylgruppen. Dieser Unter- schied in dem Einfluss von Alkylen, die sich in der Verbindung mit C und N befinden, wird durch die Blutdruckversuche an Fröschen bestätigt, wo ihre blutdrucksteigernde Wirkung eine bedeutend ge- ringere als beim Coffein, und zwar infolge der schwächeren Erregung des Vasomotorenzentrums. Für diese Anschauung sprechen die Ver- suche mit künstlicher Durchblutung des Froschorganismus. Dabei ist zu bemerken, dass die paralysierende Wirkung der Äthoxygruppe im Coffein die Wirkung der Methoxygruppe übertrifft. Es ist mir eine angenehme Pflicht, zum Schlusse Herrn Prof. C. Jacobj für das stets bewiesene Interesse an meiner Arbeit und für seine vielseitige Anregung und Unterstützung meinen innigsten Dank auszusprechen. 324 Otto Warburg: (Aus der zoologischen Station in Neapel.) Notizen zur Entwicklungsphysiologie des Seeigeleies. Von Otto Warburg. (Mitglied des Kaiser-Wilhelm-Instituts für Biologie.) (Mit 1 Textfigur.) Im Lauf des verflossenen Winters wurden einige Versuche wiederholt, die vor 6 Jahren!) mit den Geschlechtszellen von See- iseln angestellt worden waren. Dabei konnten, durch Anwendung neuer Methoden, einige Fragestellungen befriedigender als früher beantwortet werden. So liess sich der „respiratorische Quotient“ mit einiger Genauigkeit berechnen; die Sperma- atmung wurde genauer bestimmt; vor allem aber wurde die Änderung der Eiatmung in den ersten 24 Stunden der Entwicklung messend verfolgt. Eine kurze Beschreibung der Versuche, die alle mit Ben Ge- schlechtsprodukten von Strongylocentrotus lividus angestelit wurden, sei im folgenden gegeben. I. Die Atmungsgrösse der Spermatozoen. Die Hoden von einem Tier wurden sauber präpariert in ein Glasschälchen gebracht. Nach etwa 10 Minuten, wenn eine ge- nügende Menge Samen ausgeflossen war, wurden je 0,5 cem in zwei Atmungsgläschen pipettiert, in das eine 0,5 ceem Seewasser, in das andere 1,5 ccm Seewasser gegeben, so dass das Sperma im ersten Glas mit 1 Vol., im zweiten Glas mit 3 Vol. Seewasser verdünnt 1) ©. Warburg, Hoppe-Seyler’s Zeitschr. f. physiol. Chemie Bd. 57 Sel-721908: Notizen zur Entwicklungsphysiologie des Seeigeleies. 325 war. Dann wurde der Sauerstoffverbrauch nach der manometrischen Methode!) gemessen. Folgende Zahlen wurden beispielsweise erhalten: Sauerstoffverbrauch in Kubikmillimetern (0,760 mm) bei 23° C. Verdünnung 0,5:1 Verdünnung 0,5:2 Nach 20 Minuten . . 20 19 on: 35 oe 49 Die Verdünnung mit Seewasser, ob 0,5:1 oder 0,5:2, war also ohne wesentlichen Einfluss auf die Grösse der Atmung, die im Lauf einer Stunde langsam absank. — Der Berechnung der Oxydations- grösse wurde der Sauerstoffverbrauch der ersten 20 Minuten zugrunde gelegt, in denen er fast konstant war; er wurde auf 20 mg Spermastick- stoff bezogen. 0,5 cem Sperma gaben 6,1 mg Stickstoff nach Kjeldahl. Diese 6,1 mg verbrauchten bei 23° in 20 Minuten 20 emm Sauerstoff oder 20 mg N bei 23° in 20 Minuten: 66 cmm Sauerstoff (0,760 mm). Sehr ähnliche Werte für die Spermaatmung wurden in anderen Versuchen gefunden. Der Abfall der Oxydationsgeschwindigkeit im Laufe einer Stunde war in einigen Fällen grösser als in dem ange- führten Beispiel; wie mir schien, immer dann, wenn das Sperma aus den Hoden verschiedener Männchen gemischt war (Isolysine?) II. Die Atmungsgrösse unbefruchteter Eier. Wie schon früher erwähnt), steigt die Atmung unbefruchteter Eier beim Lagern in Seewasser häufig spontan, wobei das Material befruchtungsunfähig wird. Die Eier müssen also möglichst frisch zum Versuch verwendet und stets durch Spermazusatz auf Befruchtungsfähigkeit geprüft werden. Auch sollte das Zeitintervall, über das die Atmung gemessen wird, nicht grösser als eine Stunde sein. Hält man diese Bedingungen ein und misst die Atmung in Seewasser, so sind die Atmungsgrössen, bezogen auf gleiche Stickstoff- mengen, recht regelmässig. 20 mg Ei-N verbrauchen bei 23° in 20 Minuten 10—14 emm Sauerstoff (0,760 mm). Es ist mir wahrscheinlich, dass die Atmung der Eier im ÖOvarium, in der Ovarialflüssigkeit, bedeutend kleiner ist als in See- 1) Siebeck in Abderh alden’s Biochem. Arbeitsmethoden. 2) Pflüger’s Arch. Bd. 158 S. 189. 1914. 3936 Otto Warburg: wasser; denn einerseits sind in einem reifen Ovarium die Bedingungen für die Sauerstoffversorgung der Eier sehr schlecht, andererseits ist nicht anzunehmen, dass sich die Eier im Ovarıum unter Sauerstoff- mangel befinden. III. Der Anstieg der Atmungsgrösse im Lauf der Entwicklung. Die Temperatur, bei der die Eier sich entwickelten, war ca 16°. Die Atmung wurde iu passenden Interwallen, bei 23° gemessen. Es ergab sich, dass nach der Befruchtung die Oxydations- geschwindigkeit sehr schnell, im Lauf von weniger als 10 Minuten, auf etwa das 6fache ansteigt; dass sie weiterhin viel langsamer steigt, beispielsweise nach 6 Stunden etwa das 12fache, nach 12 Stunden etwa das l6fache, nach 24 Stunden etwa das Z2fache der Oxydations- geschwindigkeit der unbefruchteten Eier beträgt. (Siehe Fig. 1.) : Die Oxydationsgeschwindigkeit wächst also dauernd im Laufe von 24 Stunden; wir haben kein Maximum, keine s-förmige Kurve!) und keine „rhythmische“ ?) Atmung. Im ganzen wurden vier 24stündige Versuche angestellt und gut übereinstimmende Zahlen erhalten; war in dem Experiment, das Fig. 1 wiedergibt, nach 24 Stunden die Oxydationsgeschwindigkeit auf das 22fache gestiegen, so betrug sie in den drei anderen Experimenten nach 24 Stunden das 26-, 24- und 20 fache. Die Grösse der Atmungssteigerung — mehr als 2000°% im Laufe von 24 Stunden, in einem Zellmaterial, dem von aussen keine Stoffe zugeführt werden — ist eine ganz ausserordentliche — Die Frage, ob eine Proportionalität zwischen Oxydations- geschwindigkeit und Geschwindigkeit der sichtbaren Veränderungen, wie Vermehrung der Kernmasse, des Kernvolums usw., besteht, lässt sich heute nicht beantworten, weil die notwendigen morpho- logischen Daten für einen Vergleich fehlen oder doch so von- einander abweichen, dass man je nach Benutzung der einen oder andern die verschiedensten Beziehungen herausrechnen kann. Nur 1) Wie sie Buglia für die Entwicklung von Aplysia beobachtete. 2) Wie sie nach Lyon (Sciences N. S. t. 19. 1904) die Seeigeleier zeigen sollen. ‘ Notizen zur Entwicklungsphysiologie des Seeigeleies. 3927 so viel können wir sagen, dass mit der Zunahme der sicht- baren Struktur eine Zunahme der Oxydationsgeschwindigkeit ver- bunden ist. Die Technik der Versuche war folgende: Fine Stammsuspension frischer, in Seewasser gewaschener unbefruchteter Eier, die in 10 eem etwa 10 mg Stickstoff enthielt, befand sich in Eis. Zur Messung 240 Gastrulae 220 200 Abwerfung der Dotterhaut 140 + FESEESIGENGE 100 —> Oxydationsgeschwindigkeit, D (>) 20 je 3 befruchtet unbefruchtet 2 4 6 8 1022312: 14 16 18 20 22% 24 —— Stunden nach der Befruchtung. Fig. 1. Zunahme der Oxydationsgeschwindigkeit bei einer Entwicklungstemperatur von 16° C. (Oxydationsgeschwindigkeit“ — verbrauchte Kubikmillimeter Sauer- stoff in 20 Minuten bei 23°, bezogen auf 20 mg Eistickstoft). der Oxydationsgrösse der unbefruchteten Eier wurden 10 cem herauspipettiert, die Eier durch Zentrifugieren auf 2,5 cem gebracht, 2 cem in ein Atmungsgläschen eingefüllt und dann in der üblichen Weise mit dem Manometer verbunden. Nach einer Stunde wurde die Druckverminderung abgelesen und darauf der Inhalt des Gläschens nach Kjeldahl verascht. — Zur Bestimmung des Anstiegs bei der Befruchtung wurden 10 cem in ein Zentrifugiergläschen Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd. 160. 22 328 Otto Warburg: pipettiert, eine Spur Sperma zugegeben, gemischt und sofort auf ca. 2,5 ccm zusammenzentrifugiert. 2 ccm des Sediments wurden dann in ein Atmungsgläschen gefüllt, das samt Manometer so vor- bereitet war, dass 10 Minuten nach der Befruchtung der Hahn ge- schlossen werden und die Messung beginnen konnte. Die Atmung wurde dann von 5 zu 5 Minuten beobachtet, wobei sich zeigte: erstens, dass sie sich innerhalb der ersten 20 Minuten merklich nicht änderte, und zweitens, dass sie, bezogen auf den später bestimmten N-Gehalt, von vornherein ca. sechsmal so gross war, wie die der unbefruchteten Eier. Der Oxydationsanstieg von 500% ist also 10 Minuten nach der Befruchtung schon da. Näher an den Augenblick der Befruchtung heranzukommen, ist mir bis jetzt aus verschiedenen Gründen nicht gelungen. — Zur Bestimmung des Atmungsanstiegs im Lauf der Entwicklung kamen je 10 cem der Stammsuspension mit je 100 ecem Seewasser in flache, sich langsam bewegende Schalen. Von Zeit zu Zeit wurde das Wasser gewechselt, wobei Eiverluste nicht zu vermeiden waren; die Ge- nauigkeit der Resultate wurde dadurch nicht beeinträchtigt, weil in jeder Probe nach der Atmungsmessung der Stickstoff bestimmt und alles auf gleiche Stickstoffmengen bezogen wurde. Der Inhalt der Schalen wurde nach den in der Figur markierten Zeiten durch Zentrifugieren auf 2,5 cem gebracht, 2 ecem des Sediments in ein Atmungsgläschen pipettiert, innerhalb 20 Minuten der Sauerstoff- verbrauch gemessen und schliesslich der Inhalt des Gläschens nach Kjeldahl verascht. Ein derartiger 24stündiger Versuch ist nicht gerade schwierig, aber recht mühsam. Damit sich keine Bakterien in den Kulturen entwickeln, muss das Seewasser zeitweise erneuert werden. Damit der Versuch brauchbar ist, muss die Kultur besser sein, als es für irgendwelche morphologischen Untersuchungen nötig ist. Praktisch alle Eier müssen befruchtet sein; sie müssen gleichzeitig befruchtet sein, und sie müssen sich alle gleich- zeitig entwickeln. Bleibt ein nennenswerter Bruchteil der Eier in der Entwicklung stehen, entwickeln sich nicht praktisch alle Eier zu schwimmenden Blastulae und Gastrulae, so ist der Versuch un- brauchbar. — In den vier Versuchen, über die oben berichtet BUu war diesen Bedingungen Genüge getan. Notizen zur Entwicklungsphysiologie des Seeigeleies. 329 IV. Der respiratorische Quotient. Wenn Zucker unter Sauerstoffaufnahme zu Kohlensäure und Wasser verbrennt, so erscheint an Stelle eines Moleküls ver- schwundenen Sauerstoffs ein Molekül Kohlensäure. Verbrennt da- gegen Eiweiss oder Fett, so erscheint auf ein Molekül ver- schwundenen Sauerstoffs nicht ein Molekül Kohlensäure, sondern weniger. Der „respiratorische Quotient“ Molzahl der produzierten Kohlensäure Molzahl des verschwundenen Sauerstoffs ist für die Verbrennung der in Zellen verbreitetsten Brenn- stoffe 0,7—1,0. Für die Atmung des befruchteten Eies ergab sich, dass der respiratorische Quotient ca. 0,9 ist, ein Wert, der mit einer. Genauigkeit von etwa 5°/o gemessen werden konnte und der innerhalb des Bereichs der bei vollständiger Verbrennung zu erwartenden (Quotienten liegt. Jedenfalls die Hauptmenge des veratmeten Sauerstoffs also geht im Molekül der Kohlensäure und des Wassers wieder aus dem Ei heraus. Durch die Reaktionen, in die der Sauerstoff eingeht, gewinnt die Eimaschine Arbeit, nicht aber eine sauerstoffreichere Zusammen- setzung. Was die Bestimmung des Quotienten anbetrifft, so wurden Sauerstoffverbrauch und Kohlensäureproduktion gleichzeitig, in einer Probe, nach dem vor kurzem angegebenen Verfahren be- stimmt!). Folgende Werte wurden beispielsweise erhalten. [Die Eier waren, wie stets für CO,-Bestimmungen, nicht in Seewasser, sondern in einer praktisch bikarbonatfreien Salzlösung suspen- diert 2).] 1. Sauerstoff: 2 cem einer Suspension befruchteter Eier ver- brauchten bei 23° C. in 180 Minuten 300 emm Sauerstoff (0,760 mm). 2. Präformierte Kohlensäure: 2 ecm derselben Suspension gaben bei direktem Ansäuern mit Phosphorsäure 46 emm CO, (0,760 mm). 1) Hoppe-Seyler’s Zeitschr. f. physiol. Chemie Bd. 92 S. 231. 1914. 2) Vgl. Pflüger’s Arch. Bd. 158 S. 189. 1914. 22 * 390 Otto Warburg: 3. Präformierte + neugebildete Kohlensäure: 2 eem derselben Sus- pension gaben nach 180 Minuten langer Atmung bei 25° C. und darauffolgendem Ansäuern 318 emm CO, (0,760 ccm). Es waren also verbraucht nach 180 Minuten bei 23° C, 300 emm Sauerstoff und nach der gleichen Zeit neugebildet 272 cemm Kohlen- 272 säure. Quotient s00 == 0,9. V. Vergleich der Atmungsgrössen von Ei- und Samenzelle. Vergleicht man die in Abschnitt I angegebene Atmungsgrösse des Spermas mit der Atmungsgrösse der Eier in ihren verschiedenen Stadien, so findet man, dass Sperma und frisch befruchtete Eier etwa gleich stark atmen, wenn man die Atmung auf gleiche Stickstoffmengen bezieht (20 mg N, Sperma-N oder Ei-N, verbrauchen bei 23°C. in 20 Minuten ca. 60 cmm Sauerstoff). Annähernd heisst das, dass gleiche Substanzıengen von Sperma und von frisch befruchteten Eiern gleich stark atmen. Da die Samenzelle sehr viel kleiner ist als die Eizelle, so haben wir hier zwei Zellen der- selben Tierart, in deren Substanz unter gleichen Milieu- und Temperaturverhältnissen, trotz enorm verschiedener Ent- wicklung der Zelloberfläche, die gleiche Stoffwechsel- intensität herrscht. Wie gross der Unterschied der Ober- flächenentwicklung in gleichen Substanzmengen von Ei- und Sperma- zelle zu schätzen ist, könnten wir berechnen, wenn wir die relative Zellenzahl von Sperma- und Eizelle in einer bestimmten Substanz- menge kennen würden. Noch von einem anderen Gesichtspunkt aus ist die Kenntnis dieser Relation wichtig. Bei der Messung des bei der Befruchtung einsetzenden Atmungsanstiees wurde die Atmung der zugefüsten Spermatozoen selbst vernachlässigt und angenommen, dass weder die Atmung des in das Ei eingedrungenen Spermakopfes noch die Atmung überschüssiger, am Ei haftender Spermatozoen gegenüber der Ei- atmung in Betracht käme. Zu dieser Annahme berechtigte ein früher!) vorgenommener Versuch, in dem einerseits die Atmung beider Zell- 1) Hoppe-Seyler’s Zeitschr. f. physiol. Chemie Bd. 57 S.1. 1908. Notizen zur Entwicklungsphysiologie des Seeigeleies. 351 arten gemessen, andererseits ihre Zahl dureh Auszählung: bestimmt worden war. Damals ergab sich für den Quotienten Atmung eines Spermatozoons ee zei Atmung eines unbefruchteten Eies = 300 oder für den Quotienten Atmung eines Spermatozoons Atmung eines befruchteten Eies i 1 die Zahl 350° Da die Auszählung, besonders der Spermatozoen, methodisch etwas bedenklich ist, so habe ich zur Bestimmung der gesuchten Beziehung einen anderen Weg eingeschlagen. Von einer Spermasuspension in Seewasser (Sperma ganz frisch, von einem Männchen) wurden stufenweise Verdünnungen in See- wasser herges'ellt und von diesen je 10 ccm zu gleichen Mengen un- befruchteter, in lebhafter Bewegung gehaltener Fier zugetropft. Es wurde dann beobachtet, welche Spermaverdünnung zur Be- fruchtung gerade ausreichte. Die Stickstoffgehalte der Sperma- verdünnungen und der zu befruchtenden Eimengen waren bekannt, und so konnte berechnet werden, wieviel Spermastickstoff gerade ausreicht, um eine bestimmte Menge Eistickstoff zu befruchten. Es ergab sich dabei, dass mit 0,004—0,005 mg Spermastiekstoff' 7—8 mg Eistiekstoff befruchtet werden konnte. Um eine Eimenge — Img N zu befruchten, reicht also eine Spermamenge — „ bis — mg N aus. Da nun, wie wir oben sahen, die Atmung von Spermazellen und frisch befruchteten Eizellen, bezogen auf gleiche N-Mengen, gleich ist, so folgt, dass die zur Befruchtung einer bestimmten Eimenge nötige Spermamenge 1500 bis 2000mal so schwach atmet wie die befruchtete Eimenge, dass also die Spermaatmung in die Messungen der Eiatmung nicht einmal als Korrektionsglied ein- geht !). Die Daten, aufdenen unsere Rechnung beruht, sind N-Bestimmungen, und das Resultat der Rechnung ist so sicher und genau wie eine N-Bestimmung nach Kjeldahl. Anders steht es mit dem Ver- hältnis der in gleichen Stickstoffmengen vorhandenen Zellenzahlen. 1) Natürlich vorausgesetzt, dass man zur Befruchtung nicht einen enormen Überschuss an Sperma nimmt. 332 Otto Warburg: Notizen zur Entwicklungsphysiologie des Seeigeleies. Wenn es gelänge, die Befruchtung so zu leiten, dass jedes zugegebene Spermatozoon ein Ei befruchtete, so könnten wir aus unseren Daten, mit der Sicherheit der Kjeldahl- Bestimmung, die relativen Zellenzahlen berechnen. Hier stossen wir jedoch auf die Schwierigkeit dass man stets einen Überschuss an Sperma- tozoen zur Befruchtung braucht, auch wenn man noch so vorsichtig — unter Schütteln und mit ganz verdünntem Sperma — befruchtet. Unsere Zahlen geben uns also bezüglich der Zellenzahl nur eine Grenze, diese aber mit der Sicherheit der Kjeldahl-Bestimmung. Der N-Gehalt eines Spermatozoons ist mindestens 1500 bis 2000 mal so klein als der N-Gehalt einer Eizelle; ein Spermatozoon atmet mindestens 1500 bis 2000 mal so schwach wie eine eben befruchtete Eizelle. (Aus dem physiologischen Institut der Universität Göttingen.) Weitere Untersuchungen über die thermische Muskelreizung. A. Einleitung B. Zur Kritik der Untersuchungen von A. Mayer C. Experimenteller Teil I. Zur Methodik II. Versuche und ihre Ergebnisse 2) b) ) d) Pflüger ’s Archiv für Physiologie. Bd. 160. 23 Von Paul Jensen. (Mit 26 Textfiguren und Tafel IV.) Inhaltsübersicht. EN EIER DEINEN DR OEOEMTERO SEVEN OR OR RSTORTSTIENE ET RER EN ORERRO her een enter. leiguest-Nen te OT TOT OEL OF DEE TOT EN NOT: ESCHER OR EL) RENOVIERT ONCE TORE VE TODE BOUK PO) OCT LTE SE BO ERTESHONNCEHE Abhängigkeit der thermischen Kontraktion von der Belastung. Mersucherund. Brgebnisser su u. ee 1. 'Thermische Kontraktion bei sehr geringer Belastung 2. Thermische Kontraktion bei verschiedenen Belastungen . 3. Einfluss der Belastung urtersucht an Kraftkurven. .... . Die Beziehungen der thermischen Kontraktion zur Wärmestarre 1. Isotonische thermische Kontraktion und Wärmestarre . . RE VEHSUCHen Re BISBTGEbNISSEe... er et eV 2. Kraftkurven des thermisch kontrahierten und des wärme- starren Muskels O)Versucher er a N RL ae Blreirgebnisseree. se. a0 an. a Se Re Ser Thermische Kontraktion bei Horizontallagerung des Muskels . Thermische Reaktionen von Muskeln, die verschiedene Zustands- andezungenserfahren- haben... ;.%, „u ea en ee, 1. Abgestorbene Muskeln. Versuche und Ergebnisse 2. Reversibel elektrisch unerregbare Muskeln. Versuche und Ergebnisse GE TONKAROE EEK SR TEE EEE NEE HER OO N TANMICHER DET WRPEL ET 3. Durch Kälte irreversibel elektrisch unerregbar gewordene Muskeln. Versuche und Ergebnisse 334 Paul Jensen: D. Zur Analyse der thermischen Kontraktion .. . .». .. 2. 2 22.2.0. 377 I. Primäre autoelektrische Reizung). 0. 0.200 318 11. Sekundäre /autoelektrische Reizung. 2... 379 III... .Chemische.Reizungida a ee ee ee 380 IV. Durch die Erwärmung unmittelbar hervorgerufene reversibele chemisch - physikalische Änderung der von den Temperatur- änderungen betroffenen Muskelfasern oder partielle Wärmestarre? 380 A)NDISKUESION. Te ee Re a I 380 1.» Verkürzungsphaser 2.8.02 1202. 8.00 ee 382 2 Verlangerungsphase 7.4. vr Luna 386 bD)&.Ergebnis.. 70022. 2 ee 389 V. Wirkt bei der thermischen Kontraktion neben den reversibelen chemisch-physikalischen Änderungen die Wärmestarre in nennens- wertem: Maasse, mit? 2 era Ne 390 VI. Thermische Reizung oder unmittelbare thermische Einwirkung auf die.;Muskellibrillen &. . 02 u 0 00 Sn ae 392 E. Über den Mechanismus der thermischen Reizung... ....... 396 FF, Zusammenfassung. 4... . 2.2 ro oe en a ee 406 A. Einleitung. In zusammenfassenden Übersichten über die verschiedenen „Reize“ findet man wohl angegeben, dass auch die Wärme zu diesen gehöre. Was aber dann von Wirkungen dieser „thermischen Reize“ angeführt wird, ist fast stets ausserordentlich dürftig‘). So heisst es z. B. in der neuesten Auflage (VII) des hochgeschätzten Lehrbuches der Physiologie von R. Tigerstedt (S. 79): „Nur in verhältnismässig wenigen Fällen scheint die Wärme eine direkt er- regende Wirkung auf die lebendigen Zellen auszuüben. Bei den höheren Tieren werden eigentlich nur die Endapparate gewisser zentripetaler Nervenfasern von der Wärme in Tätigkeit versetzt; vielleicht können auch gewisse Teile des zentralen Nervensystems durch Veränderung der Bluttemperatur erregt werden.“ Im übrigen werden an derselben Stelle vorwiegend nur noch einige Hinweise auf Erregbarkeitsänderungen infolge von Temperaturänderungen gegeben und hierbei erwähnt, dass ein ausgeschnittener Froschmuskel sich bei Erwärmung von 28° C. an im Kochsalzbade verkürze. 1) Eine der wenigen Ausnahmen macht wohl nur M. Verworn’s Lehr- buch der allgemeinen Physiologie, wo freilich der Begriff des „Reizes“ sehr viel weiter gefasst ist, als es dem üblichen, freilich sehr inkonsequenten Sprachgebrauch entspricht. Weitere Untersuchungen über die thermische Muskelreizung. 335 Endlich wird daselbst noch der Thermotaxis Erwähnung getan!). Und ähnlich sind fast alle anderen einschlägigen Darstellungen. Danach müsste man also annehmen, dass Temperaturänderungen nur in. wenigen Spezialfällen die Rolle von Reizen spielen können. Da nun einerseits Temperaturänderungen sehr häufig im Bereich lebendiger Systeme auftreten und andererseits Temperaturerhöhungen die verschiedensten chemischen Reaktionen sehr bedeutend, z. T. stürmisch beschleunigen können, so liegt doch von vornherein die Vermutung nahe, dass sie auch auf die Lebensprozesse in ähnlicher Weise wirken möchten. Aus solchen Überlegungen heraus habe ich vor einigen Jahren die Wirkungen von Temperaturänderungen auf den Froschmuskel untersucht, zuletzt diejenigen bei sehr kurzdauernder beträcht- licher Erhöhung der Temperatur?). Aus diesen Versuchen ging nach meinem Dafürhalten schon mit Bestimmtheit hervor, dass ge- eigenete Erwärmungen Froschmuskelfasern direkt zu erregen imstande sind, so dass ähnlich wie bei einfacher elektrischer Reizung rasch nacheinander eine Verkürzung und Wiedererschlaffung eintritt. Und wenn das für den Muskel gilt, so dürfte die Folgerung nahe liegen, dass sich auch andere lebendige Systeme ähnlich verhalten. Wie es aber nach den obigen Literaturhinweisen scheint, hat meine Auf- fassung keinen allgemeinen Beifall gefunden. Und in einer Arbeit von A. Mayer?) aus M. v. Frey’s Laboratorium ist versucht worden, meinen experimentellen Ergebnissen eine von der meinigen wesentlich abweichende Deutung zu geben. In Anbetracht der allgemeinen Bedeutung des Problems habe ich dieses daher noch weiter verfolgt und die Eigentümlichkeiten der thermischen Reizung und Erregung näher untersucht. Und ich 1) Ob es freilich zweckmässig ist, solche Wirkungen von Temperaturdifferenzen, wie sie bei der Thermotaxis vorliegen, als Wirkungen von „Reizen“ zu be- zeichnen, erscheint mir fraglich, Auf diese den Reizbegriff betreffende Frage, die ich schon a. a. O. (vgl. den Artikel „Leben“ im Handwörterbuch der Natur- wissenschaften. Jena 1912) kurz berührt habe, gedenke ich demnächst aus- führlicher zurückzukommen. 2) P. Jensen, Die Länge des ruhenden Muskels als Temperaturfunktion. Verworn’s Zeitschr. f. allgem. Physiol. Bd. 8 S. 291. 1908 und Über thermische Muskelreizung. Verworn’s Zeitschr. f. allgem. Physiol. Bd. 9 S. 435. 1909. | 3) A. Mayer, Versuche zur Frage der thermischen Erregung. Zeitschr. f. Biol. Bd. 57 S. 507. 1912. 2 3936 Paul Jensen: glaube durch diese Versuche zugleich derartige Beweise für die Richtigkeit meiner Auffassung erbringen zu können, um auch den äussersten Skeptiker überzeugen zu können. Zunächst wende ich mich zu den Untersuchungen A. Mayer’s, in denen er meine Auffassung zu widerlegen sucht. B. Zur Kritik der Untersuchungen von A. Mayer. Mayer hat zunächst meine Versuche, in denen ich den Muskel ganz kurze Zeit mit heissen Flüssigkeiten erwärmte, wiederholt und bestätiet. Er findet dann aber eine andere Methode, nämlich die Erwärmung mit heissem strömendem Dampf, zweckmässiger und kommt schliesslich auf Grund der so erzielten experimentellen Ergebnisse zu folgenden Schlüssen (l. e. S. 524): „Kurzdauernde Verbrühungen des Muskels durch heisse Flüssig- keiten oder strömenden Dampf bringen in der Regel Verkürzungen hervor, an denen nachweislich zwei verschiedene Vorgänge beteiligt sind. „Die eine Art von Verkürzungen entspricht der partiellen oder totalen Wärmestarre aller oder eines Teils der Fasern des Muskels. Mechanisch äussert sich diese in Verkürzungen, die um so ansehnlicher sind, um so rascher entstehen und um so langsamer rück- gängig werden, je länger die Einwirkung der hohen Temperatur gedauert hat. Die Gesamtdauer der Umformung, die übrigens auch wesentlich von der Spannung abhängig ist, beträgt das Zehn- bis Vielhundertfache einer Zuckung. Je höher die Spannung, desto rascher und vollständiger kehrt der Muskel in seine Ausgangslage zurück. Spannungen über 15 g (für den Muse. sartor.) führen zu einer negativen Starreverkürzung, d. h. zu einer Verlängerung des Muskels meist nach vorgängiger Verkürzung. „Diese Form der Verkürzung tritt an gelähmten Muskeln so gut wie an frischen auf, sie gilt ebenso für die erste wie für eine nach- folgende Verbrühung, vorausgesetzt, dass der Muskel nicht schon völlig wärmestarr ist. Es ist nicht zwecekmässig, diese Art der thermischen Verkürzung als „Zuckung“ zu bezeichnen. „Dauert die Einwirkung des strömenden Dampfes, wie in den meisten meiner Versuche, nur kurze Zeit (0,25 Sekunden und weniger), so werden nur die oberflächlichen Fasern des Muskels und diese vorwiegend am Knieende abgetötet und wärmestarr, wie ich durch Weitere Untersuchungen über die thermische Muskelreizung. 337 die nachträgliche Färbung und mikroskopische Untersuchung nach- weisen konnte. Diese Fasern, welche bei ihrer Starreverkürzung das spannende Gewicht allein heben müssen, können dem Zuge der- selben nicht lange widerstehen, sie werden gedehnt bzw. zerrissen, und so entsteht der Anschein einer Restitutio ad integrum, eines Schwindens der Starreverkürzung.“ — — „Die andere Art der Verkürzung hat oszillatorischen Charakter und erscheint durchaus unter dem Bilde fibrillärer Zuckungen.“ — „Sie treten nur nach kurzdauernden Verbrühungen frischer Muskeln auf, haben demnach zur Voraussetzung, dass neben abgetöteten Faseranteilen sich noch genügend lebenskräftige vor- finden, so dass es zur Ausbildung von Demarkationsströmen kommen kann. Hier handelt es sich also um wirkliche Erregungen, die durch thermische Einwirkung zwar erzielt, aber nicht unmittelbar veranlasst sind; es liegt vielmehr, wie bei der chemischen Reizung, eine Selbst- erresung des Muskels vor, verursacht durch die in ihm auftretenden elektrischen Ströme.“ Zu diesen Darlegungen Mayer’s habe ich zunächst zu bemerken, dass sie zum Teil, wenn auch durchaus nicht vollständig, für seine eigenen- Versuche mit strömendem Dampf zu Recht bestehen dürften, Aber nicht für die Versuche nach meiner Methode; denn ein Ver- gleich meiner Muskelkurven mit den nach der Mayer’schen Dampf- methode gewonnenen und ebenso der Vergleich meiner Methode mit der Dampfmethode zeigen ohne weiteres, dass die Art der Reaktion des Muskels und die Art der thermischen Einwirkung in beiden Fällen sehr erheblich verschiedene sind. Die Dampfmethode Mayer’s ist nämlich sehr wenig dafür geeignet zu entscheiden, ob es eine direkte thermische Erregung gibt oder nicht, da sie eine solche, auch wenn sie vorhanden wäre, gar nicht eindeutig und un- verhüllt in die Erscheinung treten liesse. Denn aus der im wesent- lichen irreversibelen Verkürzung, die bei der nachhaltigen Ein- wirkung des Dampfes eintritt, ist in der Tat nicht mit Sicherheit zu erkennen, ob dieser Starreverkürzung eine direkte Erregung voraus- ging, d. h. eine Verkürzung, der bei genügend kurzer Einwirkungs- dauer der hohen Temperatur wieder eine „aktive“ Erschlaffung des Muskels folgen würde. Mayer hat die mit diesem prinzipiellen Nachteil behaftete Methode hauptsächlich gewählt, um einer Störung aus dem Wege zu gehen, die nach meiner Flüssigkeitsmethode eintreten kann, sich 398 Paul Jensen: aber bis zum Verschwinden reduzieren lässt!). Diese etwaige Störung besteht darin, dass der senkrecht aufgehängte Muskel durch die beim Eintauchen an ihm vorbeigeführte reibende Flüssigkeit und durch den Auftrieb passiv ein wenig mitbewegt wird und infolge des letzteren etwas verlängert bleibt. Um diese Störung durch Mit- bewegung möglichst klein zu machen, hatte ich in meinen früheren Versuchen das breitere und schwerere proximale Ende des Sartorius unten angebracht und das verjüngte distale Ende nach oben gerichtet, zur Verbindung mit dem Schreibhebel. Demgegenüber hat Mayer das breitere proximale Ende des Muskels nach oben gerichtet und ferner, um eine Abschnürung der Sehne zu vermeiden, in bekannter Weise ein Stück Beckenknochen zur Verbindung mit dem Schreibhebel benutzt. Wenn er, wie es der Fall gewesen zu sein scheint, diese Anordnung auch bei seinen anfänglichen Er- wärmungsversuchen mit heisser Flüssigkeit getroffen hatte, so wundert es mich nicht, dass er grössere und mehr störende passive Mit- bewegungen des Muskels erhielt als ich; denn wenn so die Er- wärmungsflüssigkeit von dem schmalen, leichter zu dehnenden Muskel- abschnitt gegen das schwerere und eine grössere Reibungsfläche bietende Ende hingeführt wird, so wird eine stärkere Dehnung des Muskels eintreten müssen als bei meinen Versuchen, wo der Sartorius mit seiner breiten Basis fest auf dem Glasstab aufsass. Eine dieser letzteren ähnliche Befestigungsweise des Muskels aber ohne Abbindung der Sehne werde ich nachher angeben. ' Doch möchte ich betonen, dass alle die genannten passiven Be- wegungen,. selbst wenn sie von merklicher Grösse sind, gegenüber der aktiven Hauptbewegung stets ganz belanglos sind. | Wegen des eben besprochenen Umstandes wäre also die Dampf- methode meines Erachtens nicht nötig gewesen; ebensowenig aber wegen einer etwaigen besseren Beherrschung der Intensität und des zeitlichen Verlaufs der Erwärmung. Denn in meinen früheren Ver- suchen sind eben diese Bedingungen durch graphische Registrierung ganz genau angegeben und liessen sich für verschiedene spezielle Zwecke noch weiter ausbilden. Dagegen ist gerade beim strömenden 1) Ein weiterer Vorteil, den Mayer in seiner Dampfmethode findet, nämlich die bessere Beherrschung der Schnelligkeit und Dauer des Eintauchens, scheint mir ebenfalls recht problematisch zu sein; vgl. auch unten. Weitere Untersuchungen über die thermische Muskelreizung. 339 Dampf die Erhitzungsdauer gar nicht genau zu begrenzen, wie schon aus den Kurven von Mayer hervorgeht; denn hier ist die Nach- wirkung des heissen Mediums, auf deren Ausschaltung ich bei meiner „Durchtauch“-Methode besonderen Wert gelegt hatte, gerade nicht vermieden, und sie wird noch begünstigt durch die bei der Konden- sation des Dampfes auf der Muskeloberfläche freiwerdende Wärme. Die Mayer’sche Methode ist also für die Lösung des von mir ge- stellten Problems nicht nur nicht geeigneter als die meinige, sondern sie ist hierfür sogar sehr ungeeignet. Daher können auch die mit ihr gewonnenen Einwände gegen meine Auffassung nicht viel Ge- wicht beanspruchen. C. Experimenteller Teil. Im folgenden seien einige Reihen von Versuchen mitgeteilt, durch welche die Bedingungen und Eigenschaften der „thermischen Kontraktion“, wie ich die durch relativ kurzdauernde Erwärmung eines Muskels bewirkte Verkürzung mit einer auch bei geringer Belastung!) rasch nach- folgenden Wiederverlängerung künftig kurz nennen werde’), noch näher charakterisiert werden sollen. Die Versuche betreffen: 1. die Abhängigkeit der thermischen Kontraktion von der Be- lastung, und zwar a) ihren Verlauf bei sehr geringer Belastung, b) bei verschiedenen anderen Belastungen, c) den Einfluss der Belastung, untersucht an Kraftkurven; 2. die Beziehungen der thermischen Kontraktion zur Wärmestarre, und zwar a) bei Isotonie, b) hinsichtlich der Kraftentwieklung bei isometrischer Verkürzung; 1) Diese Beschränkung ist deshalb zu machen, weil bei grösserer Be- lastung, nämlich 5—10 g für einen mittelgrossen Sartorius, und bei länger- dauernder hochgradiger Erwärmung Längenänderungen des Muskels erfolgen können, die zwar eine oberflächliche Ähnlichkeit mit der „thermischen Kon- traktion“ besitzen, aber auf wesentlich anderen Vorgängen beruhen (vgl. S. 337 f.). 2) Von „prägnanter thermischer Kontraktion“ spreche ich künftig dann, wenn bei sehr kurzdauernder und hochgradiger Erwärmung die Ver- kürzung und Wiederverlängerung des Muskels etwa nach Art einer gewöhn- lichen Zuckung erfolgen. 340 Paul Jensen: 3. die thermische Kontraktion bei Horizontallagerung des Muskels; 4. die thermische Reaktion nach verschiedenen Zustands- änderungen des Muskels. Zunächst seien einige Worte über die bei den meisten Ver- suchen benutzte Methodik eingeschaltet. Besondere, nur für einzelne Versuche verwendete Maassnahmen werden später bei der betreffenden Gelegenheit Platz finden. I. Zur Methodik. Als Objekt habe ich stets den etwa 30 mm langen Muse. sartorius von mittelgrossen Exemplaren der Rana fusca be- nutzt, und zwar, wenn nichts anderes bemerkt, von solchen Tieren, die einige Tage vor dem Versuch im Arbeitszimmer gehalten worden waren. Die Versuche fielen in die Zeit vom Oktober bis Februar. Um bei der Anbringung des Sartorius am Muskelschreiber : die kleinen oben erwähnten Störungen möglichst zu vermeiden, verfuhr ich folgendermaassen: Am proxi- malen Ende des Muskels wurde ein Stück des Beckenknochens daran- gelassen und dieses mittels zweier Biel alarm au 20 Igelstacheln an einer senkrechten | Schnittfläche eines Korkstopfens an- geheftet (s. Fig. 1). Der letztere war in das kurze Ende einer U-förmig gebogenen Glasröhre hineingesteckt. Sonst war die An- ordnung im wesentlichen wie in meinen früheren Versuchen; nur sei noch erwähnt, dass ich diesmal einen zweiarmigen Hebel aus Aluminium benutzte, um für das Eintauchen mehr Spielraum zu haben. Die Hebelvergrösserung war eine 1,5 fache. Unter solchen Umständen sind die beim Eintauchen des Muskels auftretenden passiven Mitbewegungen (vgl. S. 338) selbst bei geringer Belastung so unbedeutend, dass sie praktisch vernachlässigt werden können. Die Zeitmarken bedeuten stets !/ı Sekunden. Ferner habe ich bezüglich der Eintauchflüssigkeiten eine Änderung getroffen. Um die Verwendung des heissen Öles, das ich vordem Faden ......... zemuer, Sartorius ---.-- ı I ! ı l ı n ı Igelstachel ., Beckenknochen mit E Ursprungssehne ..- Kork hı A u h Ri u H R Glasrohr Weitere Untersuchungen über die thermische Muskelreizung. 341 über die kalte wässrige Salzlösung schichtete, zu vermeiden, habe ich mich bemüht, nur wässrige Lösungen von hoher und niedriger Temperatur übereinander anzuordnen. Das erreichte ich in der Weise, dass ich ein grosses Becherglas zu zwei Dritteln mit der Lösung füllte — es war in den folgenden Versuchen stets 0,7 °/o Kochsalzlösung — und etwa 1 Stunde lang in eine Kältemischung von Eis und Kochsalz stellte, so dass sich überall an der Wand des Glases eine dünne Eisschicht bildete. Dann wurde durch einen ca. 2 cm breiten Reifen von Zinnblech, der in das Becherglas leicht hineinpasste, eine Scheibe Filtrierpapier so in dieses hineingedrückt, dass sie gerade auf die Oberfläche der Flüssigkeit zu liegen kam. Auf diese Scheidewand wurde dann die heisse Kochsalzlösung ge- schichtet, und zwar derart, dass sie auf eine dicht über die Papier- fläche gehaltene grosse Zinnblechscheibe gegossen wurde, von wo sie dann die Scheidewand überrieselte. Die letztere habe ich in einer Anzahl von Versuchen erst beim Eintauchen des Muskels durch- stossen, wobei dann besondere Vorkehrungen getroffen waren, um ein Anstossen des Muskels oder des zum Schreibhebel führenden Fadens an die unregelmässigen Ränder des Loches in der Papier- membran zu verhindern. Später entschloss ich mich aber, die letztere vor dem Eintauchen des Muskels ganz wegzuräumen, was natürlich nicht ohne Verminderung der Temperaturdifferenz zwischen oben und unten geht. Immerhin konnte ich auch so noch beim Über- schiehten mit siedender Flüssigkeit in dem oberen Abschnitt des Becherglases Temperaturen über 80° C. erhalten, während in der Gegend, wo der Muskel nach dem Passieren des heissen Teiles anlangte, eine Temperatur von etwa 5° bestand. So konnte also der Muskel nach der flüchtigen Berührung des ca. 80° heissen Wassers sofort stark abgekühlt werden, so dass eine merkliche Ver- brühung nicht stattzufinden brauchte. Gegen Schluss meiner Untersuchungen habe ich als Scheidewand auch eine grosse Irisblende verwendet, die von einem kurzen in das Becherglas eingepassten Messingzylinder umfasst war und trotz der grossen Temperaturdifferenzen ganz glatt funktionierte. Sollte der Muskel aus der Flüssigkeit herausgenommen werden, ohne nochmals die heisse Schicht zu passieren, so wurde das hoch- gehaltene Becherslas unterstützt, die heisse Flüssigkeit abgehebert und nötigenfalls noch etwas kalte Lösung daraufgegossen. In all solehen Fällen, wo der Muskel durch heisse Flüssigkeit, 2 Paul Jensen: 342 beispielsweise von 80°, in kalte, beispielsweise von 5°, durchgetaucht wird, spreche ich künftig kurz von Durchtauchen 80°/5°., II. Versuche und ihre Ergebnisse, a) Abhängigkeit der thermischen Kontraktion von der Be- lastung. Versuche und Ergebnisse. Für die Erklärung der thermischen Kontraktion ist es wünschens- wert, ihre Abhäneigkeit von der Belastung und den Verlauf ihrer Kraftentwicklung zu kennen, da hieraus unter anderem auf die bei der Wiederverlängerung wirksamen Kräfte und auf die Zahl der bei der Kontraktion beteiligten Fasern des Muskels gewisse Schlüsse gezogen werden können. 1. Thermische Kontraktion bei sehr geringer Belastung. Um zu ermitteln, wieweit die Wiederverlängerung bei der thermischen Kontraktion eine passive, durch Belastung bewirkte sei, wurden Versuche mit möglichst geringer Belastung ausgeführt. Es konnten Gewichte von wenigen Dezigrammen an- gewendet werden, da selbst bei so geringen Spannungen die Störungen durch Mit- bewegungen (vgl. S. 338) nicht in Betracht kamen. Es seien nur zwei Beispiele gewählt. Versuch 1 (Fig. 2). 2 i i Sartorius. Belastung nicht Fig. 2. Prägnante thermische Kontraktion (vgl. S.339 Anm. 2). Erläuterung s.Versuch 1. ganz 0,4 g. Der Muskel wurde durchgetaucht durch Kochsalzlösung von 71° in solche von 4°, also 71°/4°. Die Linie links von der Kontraktionskurve wurde bei stillstehender Trommel gezogen. Man sieht, dass der (etwa 30 mm lange) Muskel eine wirkliehe Verkürzung von 14 mm und eine unmittelbar darauffolgende Wieder- verlängerung von 12 mm zusammen innerhalb 1 Sekunde ausführt. Nach weiteren 2 Sekunden ist nur noch ein Verkürzungsrückstand von 1,4 mm vorhanden, der aber in wenigen Minuten ebenfalls ver- Weitere Untersuchungen über die thermische Muskelreizung. 343 schwindet; nach dieser Zeit wurde von dem Schreibhebel die Linie mn gezeichnet. Versuch 2 (Fig.3). Analoger Versuch bei grosser Umdrehungs- geschwindigkeit der Trommel. Sekundenmarken. Durchgetaucht 70°/8° C., das heisst also durch 70° C. in 8° C, Hier nimmt der grösste Teil der ganzen thermischen Reaktion fast nur '/s Sekunde in Anspruch. Die beiden mitgeteilten Versuche zeigen deutlich, dass auf eine beträchtliche thermische Verkürzung, die mindestens die Höhe einer gewöhnlichen maximalen Zuckung erreicht, selbst bei kleinster Belastung fast ebenso unmittelbar und rasch wie bei Fig. 3. Prägnante thermische Kontraktion bei grosser Trommelgeschwindigkeit. Erläuterung s. Versuch 2. einer gewöhnlichen Zuckung die Wiederverlängerung folet und schon in etwa !/ı Sekunde mehr als die Hälfte der Ver- kürzung rückgängig gemacht haben kann. Neben diesen typischen thermischen Kontraktionen kommen nun aber auch solche vor, bei denen der Muskel, anstatt sich wieder zu verlängern, im wesentlichen seine Verkürzung längere Zeit bei- behält, die kleinere oder grössere Oszillationen aufweisen kann. Ein Beispiel hierfür zeigt ar Versuch 3 (Fig. 4). Durchtauchen 72° /5° mit derselben Geschwindigkeit wie in dem vorigen Versuch, bei 0,4 g Belastung. Die Dauerverkürzung bewahrt ihr Maximum etwa 5 Sekunden und geht dann ganz langsam zurück. Der Muskel zeigte schon bei der Präparation eine grosse mit längerdauernden Kontraktionen einher- gehende mechanische Erregbarkeit. 344 Paul Jensen: Fig. 4. Abnorme. thermische Kontraktion... Erläuterung s. Versuch 3 (S. 343). 2. Thermische Kontraktion bei verschiedenen Belastungen. Bei grösseren Belastungen findet die thermische Kontraktion im wesentlichen in derselben Weise statt wie bei den besprochenen geringen. Und es werden auch bei verhältnismässig niedrigen Temperaturen Gewichte von mehreren Gramm nicht unerheblich ge- hoben. Hierfür sei ein Beispiel angeführt: Versuch 4 (Fig.5 a, 5b und 5 e). Hier wurde derselbe Muskel bald nacheinander einige Sekunden lang in Flüssigkeit von 39° und 38° bei 4 g Belastung und von 37° bei 6g Last versenkt und dann wieder ausgetaucht. Die kleine „Nase“, mit der die Dekreszente der Kurve beginnt, kommt durch das Nachlassen des Auftriebes beim Austauchen zustande. Bei der Einwirkung von 39° tritt in der . Kreszente der Kurve eine Reihe rhythmischer Kontraktionen auf. 3. Einfluss der Belastung, untersucht an Kraft- kurven. Bezüglich der Methodik sej erwähnt, dass als Spannungsmesser eine Spiralfeder aus Stahldraht diente, deren Eichungslinien für die Spannungen von (5), 10 und 20 g auf den Kurvenblättern mit- verzeichnet sind. Es sei betont, dass die Nullinie eine Anfangs- spannung von 2 g bedeutet. Daher gibt die Linie für 10 g einen Spannungszuwachs von 10 g und eine Gesamtspannung von 12 g an. Wo im folgenden Zahlenwerte für die vom Muskel ent- wickelte „Kraft“ oder „Spannung“ angegeben werden, da ist Weitere Untersuchungen über die thermische Muskelreizung. 345 Fig. 5a. Erläuterung s. Versuch 4 (S. 344). 44 38 Fig. 5b. Erläuterung s. Versuch 4 (S. 344). Fig. 5c. Erläuterung s. Versuch 4 (S. 344). stets nur der Spannungszuwachs gemeint. Die Kraftkurven sollten zwei Fragen beantworten helfen: 1. Ein wie grosser Teil der gesamten vom Muskel aufzu- bringenden Kraft kann bei der thermischen Kontraktion ent- wickelt werden? Was können wir aus der Antwort auf die erste Frage für Schlüsse ziehen auf die Anzahl der Muskelfasern, die sich je nach Temperatur und Eintauchungsdauer an der ther- mischen Kontraktion beteiligen ? D 946 Paul Jensen: Da der Muskel seine stärkste Kraftleistung bei elektrischer Tetanisierung aufweist, so musste auch diese zum Vergleich heran- sezogen werden. Es wurden daher von dem Muskel nacheinander Kraftkurven bei maximaler elektrischer Zuckung, bei kurzem elektrischen Tetanus!) und bei Erwärmung aufgezeichnet, Versuch (Fig. 6). Der Muskel zeigt bei elektrischer Maximal- zuckung (El. Z.) eine Kraft von mehr als 20 g, beim Tetanus (El. Tetan.) eine solche von etwa 50 g. Beim schnellen Durchtauchen Fig. 6.. Kraftkurven. Erläuterung s. Versuch 5. Fig. 7. Kraftkurven. Erläuterung s. Versuch 6 (S. 347.) 81°/4° wird eine Kraft von 20 g entwickelt, die nach 20 Se- kunden bis auf wenige Gramm zurückgegangen ist. Im Anschluss an die thermische Kontraktion wurde dann der Muskel etwa 20 Se- kunden einer Temperatur von ca. 70° ausgesetzt, so dass Wärme- starre (W.-St. 70°) eintrat. Diese Kurve habe ich trotz der unter- 1) Diese kurze Bezeichnung möge hier und im folgenden gestattet sein statt der umständlichen Ausdrücke wie „die durch maximalen elektrischen Reiz bewirkte Zuckung“ usw. Weitere Untersuchungen über die thermische Muskelreizung. 347 brochenen Kreszente und der fibrillären Zuckungen hauptsächlich deshalb zur Mitteilung ausgewählt, um auch hieran den später zu besprechenden Unterschied zwischen thermischer Kontraktion und Wärmestarre zu demonstrieren. Versuch 6 (Fig. 7). Nach der elektrischen Einzelreizung und Tetanisierung sehr schnelles Durchtauchen bei 74° / 3°, Hierbei leider gegen die Registriervorrichtung gestossen, wodurch die Null- linie nach oben verschoben wurde, noch ehe der Muskel sich wieder vollständig hatte verlängern können. Bei der so veränderten Null- Fig. 8 a—c Kraftkurven. Erläuterung s. Versuch 7. Fig. 8. d Kraftkurve. Erläuterung s. Versuch 7. stellung wurde dann durch die etwa noch 70° heisse Schicht in die Luft von 13° ausgetaucht (70° / 18°) und endlich bei etwa 69° der Muskel in Wärmestarre versetzt (W.-St. 69°). Versuch 7 (Fig. 8, a«—d) soll die Abhängigkeit der Kraft von der Eintauchsdauer zeigen und die relativ geringe Schädigung der elektrischen Erregbarkeit durch wiederholte und beträchtliche Kraft leistungen infolge Erwärmung. Nach elektrischer Maximalzuckung (a) wurde zunächst ziemlich schnell (5) und dann sehr rasch (c) bei 61° / 10° durchgetaucht; hierauf wurde zweimal schnell bei 60° ein- und ausgetaucht (c) und dann nochmals langsamer bei 60° / 10° durchgetaucht (d); zum Sehluss fand zur Ermittlung des Grades der Schädigung wieder eine elektrische Maximalzuckung statt (d), die noch etwa 70°/o derjenigen des frischen Muskels beträgt. 348 Paul Jensen: Versuch 8 (Fig. 9) gibt ein Beispiel einer atypischen Kraft- kurve, die der oben mitgeteilten atypischen isotonischen Kurve des Versuches 3 entsprieht!). Zwar dauerte im vorliegenden Versuch die Einwirkung der 81° etwas länger als etwa in Versuch 5, aber kaum länger als in Versuch 7 (Fie. 8d). Es wurde nämlich diesmal bei 81° nieht durchgetaucht, sondern ein- und ausgetaucht, aber doch möglichst schnell. Nach dem Austauchen wurde der Muskel dann in Kochsalzlösung von 18° versenkt. Das bis zum Eintauchen in 15° andauernde Verharren des Muskels im Spannungszustande von beinahe 15 g ist wohl im wesentlichen auf eine individuelle Figen- ümlichkeit desselben zurückzuführen, die auch schon in der langsamen Erschlaffung nach der elektrischen Reizung zum Ausdruck kommt. Fig. 9. Kraftkurven. Erläuterung s. Versuch 8 Nach den vorliegenden Versuchen beantworten sich die Seite 345 aufgeworfenen beiden Fragen etwa folgendermaassen: 1. Die höchste Kraft, die bei den innerhalb weniger Sekunden zum grössten Teil wieder zurückgehenden thermischen Kon- traktionen erreicht wurde, beträgt beim mittelgrossen Sartorius etwa 20 &; sie kann grösser werden als diejenige bei maximaler elektrischer Zuckung und kommt dem halben Wert der Kraft des elektrischen Tetanus nahe. Bezüglich der Zahl der bei der thermischen Kontraktion be- teiligten Muskelfasern lässt sich etwa folgendes sagen: Wäre der Energieumsatz einer Faser bei grösstmöglicher thermischer Reaktion etwa eleich dem bei maximaler elektrischer Zuckung, so müsste man annehmen, dass bei ersterer sämtliche Muskel- m 1) Vgl. S. 343 £. Weitere Untersuchungen über die thermische Muskelreizung. 349 fasern sich mit maximaler thermischer Kontraktion beteiligen. Wenn dagegen der Umsatz bei der thermischen Kontraktion etwa denjenigen bei elektrischem Tetanus erreichte, so wäre zu folgern, dass sich bei höchster thermischer Kontraktion höchstens nur die Hälfte der Fasern kontrahiert. Vielleicht liegt die Wirklichkeit in der Mitte zwischen den beiden ge- dachten Möglichkeiten. Die späteren Versuche werden in dieser Frage weitere Aufklärung bringen }). b) Die Beziehungen der thermischen Kontraktion zur Wärmestarre. Hier erschien mir zunächst die Beantwortung folgender Fragen erwünscht: 1. -] Bei welcher Eigentemperatur beginnt ein Muskel seine ther- mische Kontraktion zu zeigen, d.h. eine Verkürzung, die in- folge der Abkühlung auch bei geringster Belastung schnell wieder zum grössten Teil zurückgeht? | Bei weleher Eigentemperatur beginnt die Reversibilität der thermischen Verkürzung erheblich abzunehmen, also Wärme- starre deutlich zu werden? Wie gross wird die thermische Kontraktion eines Muskels bei verschiedenen Temperaturen, wenn man solange wartet, bis alle Fasern je dieselbe Temperatur angenommen haben? Tritt bei Konstanthaltung einer bestimmten Temperatur eine bestimmte konstante thermische Verkürzung ein? Wie wirkt in solehen Fällen die Abkühlung ? Wie verhält sich bei den verschiedenen Temperaturen die elektrische Erreebarkeit ? Welche Werte zeigt die Dehnbarkeit resp. die Kraft bei den verschiedenen "Temperaturen ? Diese Fragen wurden teils bei isotonischer Registrierung teils an Kraftkurven untersucht. 1. Isotonische thermische Kontraktion und Wärmestarre. «e) Versuche. Über diesen Gegenstand gibt es zwar in der Literatur mancherlei Angaben’), die aber nur zum kleinen Teil für meinen Zweck brauch- 1) Vgl. S. 356 f. 2) Siehe besonders E. Gotschlich, Pflüger’s Arch. Bd. 54 S. 109. 1893, und P. Jensen, Verworn’s Zeitschr. f. allg. Physiol. Bd. 8 S. 291. 1908. Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd. 160. 24 350 P. Jensen: bar sind. Die etwa in Betracht kommenden Versuche sind nämlich im allgemeinen so ausgeführt, dass das Medium, in dem sich der Muskel befand, schneller oder langsamer bis zu einer bestimmten Temperatur erwärmt wurde, während es mir hauptsächlich darauf ankam, festzustellen, wie der Muskel auf konstante Temperaturen verschiedener Höhe reagierte. Versuch 9 (Taf. IV Fig. i). Belastung 0,3 g. Zunächst maxi- male elektrische Zuckung (El. Z.), dann der Reihe nach längeres Eintauchen (nebst Austauchen) in Kochsalzlösungen von verschiedener Temperatur. Zuerst Eintauchen in 37° C.; hierbei erfolgt gleich zu Anfang eine kleine „spontane“ Zuckung; daran schliesst sich eine geringe Verlängerung des Präparates, die einerseits eine thermische Reaktion der bindegewebigen Teile!) des Muskels, andererseits die Wirkung der passiven Mitbewegung des absichtlich besonders schwach belasteten Muskels ist. Nachdem die Verkürzungskurve fast hori- zontal geworden ist, wird ausgetauscht; hierbei bildet sich zunächst eine kleine „Nase“ durch den Wegfall des eine Verlängerung des Präparates bewirkenden Auftriebes ?), dann folgt ein langsames Sinken der Kurve, das durch das anschliessende Eintauchen in 0° C. vorüber- gehend erheblich beschleunigt wird?). Während des späteren lang- sameren Absinkens zeigen sich kleine fibrilläre Zuckungen. Hierauf wird der Muskel in analoger Weise in 39° und 0°, in 42° und 0°, in 45° und 0°, in 52° und endlich in 77° C. eingetaucht. Die Erfolge dieser Einwirkungen sind aus der Kurve zu ersehen. Hervor- zuheben ist, dass die Verkürzung, die durch eine etwa halbminutige Einwirkung von 42°C. entstanden ist, weder durch Abkühlung noch durch steigende Erwärmung bis über 50° C. hinaus merklich ver- ändert wird und dass selbst die Erhitzung auf 77 ° C. jetzt nur einen sehr geringen Verkürzungszuwachs liefert. Das trepperförmige Ende der Kurve zeigt die Dehnbarkeit resp. Zerreissbarkeit des völlig wärmestarren Muskels. An dem Punkte, auf den Pfeil 1 hinweist, ist der Muskel während seiner konstanten Belastung von 0,3 g mit einer scharfen Schere zur Hälfte quer eingeschnitten worden, so dass die Brücke noch 3 mm breit 1) Siehe P. Jensen, Die Länge des ruhenden Muskels als Temperatur- funktion. Verworn’s Zeitschr. f. allg. Physiol. Bd. 8 S. 307. 1908. 2) Vgl. oben S. 338. 3) Zu einem kleinen Teil ist diese Erscheinung jedenfalls durch die passiven Mitbewegungen bedingt; vgl. Anm. 2. Weitere Untersuchungen über die thermische Muskelreizung. 351 war; der Erfolg war eine geringe Verlängerung. Dann wurde bei gleicher Belastung die Brücke auf 1,5 mm (Pfeil 2) und endlich auf etwa 0,53 mm (Pfeil 3) verschmälert. Diese ausserordentlich dünne Brücke wurde durch Gewichte von 2 g (Pfeil 4) und 5 g (Pfeil 5) zwar erheblich gedehnt, aber nicht zerrissen. Versuch 10 (Taf. IV Fig. 2) war im wesentlichen dem vorigen gleich; aber es wurde hier nicht zwischen den Erwärmungen mit steigenden Temperaturen jedesmal in 0° C. abgekühlt, und ferner wurde nach jeder Erwärmung eine maximale elektrische Reizung ausgeführt. Der Verlauf der thermischen Reaktionen ist analog dem des vorigen Versuches. Bezüglich der elektrischen Zuckungen finden wir, dass die im Anschluss an die erhebliche ther- mische Verkürzung durch 37 °C. ausgeführte sogar etwas grösser ist als die des frischen Muskels, indem sie selbst von der noch erheblich ge- hobenen Abszissenlinie ein wenig höher aufsteigt als die erste elek- trische Zuckung. Dagegen sind die zwei Zuckungen, die nach der Erwärmung auf 39° C. auf den zurzeit noch sehr beträchtlichen Verkürzungsrückstand aufgesetzt sind, nur noch ziemlich gering, und vollends nach einer etwa halbminutigen Erwärmung auf 42°C. bleibt die elektrische Reizung erfolglos. Die am Schluss des Versuches vorgenommene Untersuchung auf Dehnbarkeit und Zerreissbarkeit lieferte ein ähnliches Ergebnis wie der vorige Versuch. Der im wärmestarren Zustand 6 mm breite Muskel war der Reihe nach auf 3 mm, 1,5 mm und 0,5 mm eingeschnitten; das Nähere zeigt die in die Kurve eingetragene kleine Tabelle. Bemerkt sei, dass die nur etwa 0,5 mm dicke Brücke durch eine Belastung von 4 g nicht zerrissen wurde. Versuch 1l (Taf. IV Fig. 3) ist hier angegliedert, um zu zeigen, wie sich die bei der Wärmestarre von 44° C. stattfindende Ver- kürzung verhält zu der erreichbar grössten physiologischen Ver- kürzung, nämlich der beim vollkommenen elektrischen Tetanus. Die Belastung betrug 0,45 g; es wird zuerst eine maximale elektrische Zuckung registriert, hierauf ein kurzer elektrischer Tetanus mit er- heblichem Verkürzungsrückstand, dessen Nachlassen bei stillstehender Trommel abgewartet wird, dann folgt die Versenkung in Salzlösung von 44° C. und endlich Prüfung der Dehnbarkeit und Zerreissbar- keit des Muskels. Hierbei wurde letzterer, der sich von etwa 32 mm auf ca. 12 mm verkürzt und auf fast 9 mm verbreitert hatte, bei der gleichbleibenden Belastung von 0,45 g derart quer durchschnitten, DAS 352 P. Jensen: dass der Reihe nach noch Brücken von 5 mm, 3 mm, 2 mm und 0,5 mm vorhanden waren. Das weitere zeigt die Kurve. 6) Ergebnisse. 1. Bei einer mehrsekundigen Erwärmung des Sartorius auf 37° C., wobei jedenfalls seine ganze Masse diese Temperatur an- nimmt, verkürzt er sich schon etwa in demselben Maasse wie bei maximaler elektrischer Zuckung. Nach 20—30 Sekunden wächst die Verkürzung nur noch sehr wenig, ohne indessen ganz konstant zu werden. [Dass bereits bei Temperaturen, die selbst bei längerer Einwirkungsdauer nicht zur Wärmestarre führen, ja bei Temperatur- erhöhungen zwischen 10° und 20° und zwischen 20° und 30° C. reversible Verkürzungen auftreten können, geht besonders aus früheren Untersuchungen von Gotschlich und mir hervor').] 2. Bei Abkühlung geht die genannte Verkürzung binnen 30 bis 40 Sekunden um 60—75°/o zurück, und aus der Form der De- kreszente der Kurve ist, auch im Hinblick auf die Textfiguren 5a—6 (S. 345), wohl zu entnehmen, dass die Wiederverlängerung etwa im Verlaufe einer weiteren Minute ziemlich vollständig geworden sein dürfte. 3. Nach der genannten Erwärmung und kurzdauernder Ab- kühlung ist der Muskel nicht merklich geschädigt, da die Zuckungs- höhe bei maximaler elektrischer Reizung sogar etwas grösser ist als zuvor, obeleich sie zudem noch auf einen Verkürzungsrückstand auf- gesetzt ist. | 4. Bei der durch 37° C. erzielten thermischen Verkürzung kann ebensowenig wie etwa bei denjenigen, die schon unterhalb 30° C. oder gar 20° C. auftreten?), von Wärmestarre die Rede sein. 5. Da die Wiederverlängerung erst im Augenblicke der Abkühlung und selbst bei der geringen Belastung von 0,3 g erfolgt, und da durch frühere Untersuchungen?) der Nachweis geliefert worden ist, dass derartige bei Abkühlung stattfindende Verlängerungen auf Stoff- wechselveränderungen der lebenden Muskelsubstanz beruhen müssen, 1) E. Gotschlich, Über den Einfluss der Wärme auf Länge und Dehn- barkeit des elastischen Gewebes und des quergestreiften Muskels. Pflüger’s Arch. Bd. 54 S. 109. 1893. — P. Jensen, Die Länge des ruhenden Muskels als Temperaturfunktiin Verworn’s Zeitschr. f. allg. Physiol. Bd. 8 S. 291. 1908. 2) Vgl. P. Jensen, 1. c. Weitere Untersuchungen über die thermische Muskelreizung. 353 so kann es sich auch bei den vorliegenden Verlängerungsprozessen nur um solehe handeln und nicht etwa um passive, durch Dehnung (oder Zerreissung) bewirkte Erscheinungen. 6. Beim Eintauchen in 39° C. wird eine Verkürzung erreicht, welche die bei 37° C. auftretende um 20—30°/o übertrifft. Sie wird nach einer Einwirkungsdauer von 40—50 Sekunden konstant. 7. Mit der Abkühlung erfolgt wieder sofort eine Verlängerung, die jetzt einen erheblich langsameren Verlauf zeigt, so dass wohl erst nach einigen Minuten der grössere Teil der Verkürzung zurück- segangen sein dürfte. Dass dies zu erwarten ist, lehren schon die Untersuchungen von Gotschlich!). 8. Auch jetzt ist der Muskel noch elektrisch erregbar und setzt auf den erheblichen Verkürzungsrückstand derartige Zuckungen auf, dass die so erhaltene Gesamtverkürzung merklich grösser wird als bei allen früheren elektrischen Zuckungen. 9. Das Eintauchen in 42° C. erhöht die vorherige maximale thermische Verkürzung noch um etwa 30°o. Der Anstieg erfolgt in zwei Stufen. 10. Bei der Abkühlung bleibt diese Verkürzung unverändert bestehen. ll. Die elektrische Reizung ist jetzt erfolglos. 12. Hier haben wir also vollkommene Wärmestarre vor uns. Wir können daher wohl die bei 39° C. auftretenden Erscheinungen als Übergang von der „thermischen Kontraktion“ zur „Wärmestarre“ auffassen. 13. Erwärmung auf 45° C. und nachfolgende Abkühlung haben keinerlei sichtbaren Erfolg mehr. 14. Bei der Erwärmung über 45° C. hinaus zeigt sich in den vorliegenden Versuchen auffallenderweise keine grössere Zunahme der Verkürzung mehr; nur ein sehr kleiner Zuwachs erfolgt noch jenseits 70° C. Gewöhnlich findet wohl zwischen 50 und 75° noch zweimal eine recht merkliche Verkürzungszunahme statt ?). Vielleicht ist hier das abweichende Verhalten durch die längere Dauer der vorangegangenen geringeren Erwärmungen bedingt? Dale: 2) Vgl. M. v. Frey, Beobachtungen über den Vorgang der Wärmestarre (nach Versuchen von M. Reissner). Sitzungsber. d. phys.-med. Gesellsch. zu Würzburg Jahrg. 1905 S.5 und C. Inagaki, Zeitschr. f. Biol. Bd. 48 S.311. 1906. 354 Paul Jensen: 15. Die maximale Verkürzung bei der völligen Wärmestarre von 44°C. ist etwa gleich derjenigen bei vollkommenem elektrischem Tetanus. 16. Die Dehnbarkeit und Zerreissbarkeit der wärmestarren Muskelfasern erweist sich schon nach diesen Versuchen als eine sehr viel geringere, als man nach dem Mayer’schen Erklärungsversuch !) für die Wiederverlängerung des thermisch kontrahierten Muskels annehmen müsste. Selbst ein Faserhündel von etwa 0,3 mm Durch- messer wurde durch 2 g nur mässig gedehnt und selbst durch 5 g noch nicht zerrissen. Das stimmt ganz zu den älteren Ergebnissen von Gotschlich?) und wird durch die nachfolgenden Kraftmessungen des erwärmten Muskels noch in umfassendem Maasse bestätigt?). 17. Aus den besprochenen Versuchen ergeben sich schliesslich noch weitere Anhaltspunkte für die Beantwortung der Frage, wie viele Fasern ungefähr bei kurzdauerndem Eintauchen (resp. Durch- tauchen) eines Muskels in heisse Flüssigkeit zur thermischen Kon- traktion gebracht werden). Da nämlich durch die bisherigen Unter- suchungen’) bereits festgestellt ist, ob und in welchem Maasse die Muskelfasern sich bei bestimmten Änderungen ihrer Temperatur kontrahieren, braucht man für den genannten Zweck jetzt nur noch zu ermitteln, welche Temperaturen die einzelnen Schichten des Muskels während des Eintauchens in Flüssiekeiten von bestimmter Temperatur annehmen. Das beim Eintauchen resp. Durchtauchen durch eine heisse Flüssigkeit im Muskel sich ausbildende Temperaturgefälle liesse sich . wohl auf Grund der spezifischen Wärme des Muskels, seines Wärme- leitungsvermögens usw. berechnen. Da ich aber von den hierfür in Betracht kommenden Differentialgleichungen keine Integralformeln er- halten konnte, so habe ich auf dieses Verfahren verzichtet und versucht, das Temperaturgefälle experimentell zu ermitteln. Eine solche Be- stimmung hat jedoch mit erheblichen Schwierigkeiten zu kämpfen, deren völlige Überwindung ich zurzeit nicht anstreben konnte, weshalb ich mich damit begnügt habe, eine ungefähre Vorstellung der gewünschten Temperaturkurve zu gewinnen. Die Temperaturbestimmung wurde 1) Siehe oben S. 336 f. a) 6 @ 3) S. 357 ff. 4) Weitere Aufschlüsse über diese Frage geben die späteren Kraftmessungen bei thermischer Kontraktion. 5) Vgl. oben die Ergebnisse 1, sowie auch 2 bis 9. Weitere Untersuchungen über die thermische Muskelreizung. 355 thermoelektrisch mittels einer sehr feinen Thermonadel aus Kupfer- Konstantan ausgeführt‘). Um die Messung vor Störungen durch die bei der Erwärmung des Muskels stattfindende thermische Kontraktion zu bewahren, wurden die zum Versuche benutzten Sartorien vorher isometrisch wärmestarr gemacht. Nun wurde zunächst die maxi- male Temperatur ermittelt, welche die Oberfläche des Muskels beim Durcehtauchen annimmt, indem :die Thermonadel der letzteren ganz dicht angelegt wurde; sodann wurde die Temperatur der mittelsten Schicht untersucht, indem die Thermonadel möglichst genau in diese hineingeschoben wurde; endlich wurden auch Versuche derart an- gestellt, dass zwei Sartorien ganz glatt aufeinandergenäht und die Thermonadel in die Mitte zwischen sie gebracht wurde. Die Schwierigkeiten, denen eine genaue Ermittlung der ge- wünschten Daten begegnet, finden ihren Grund vor allem darin, dass das Galvanometer (Deprez-Galvanometer) den rasch verlaufenden Temperaturveränderungen viel zu langsam folgt, was dazu führt, dass die Temperaturen im allgemeinen zu niedrig und ausserdem ver- spätet angegeben werden. Unter Berücksichtigung dieser Fehler- quellen habe ich versucht, auf Grund der annähernd bestimmten Temperaturen die Kurve des Temperaturgefälles zu konstruieren, das sich im Muskel beim Durchtauchen durch eine heisse Flüssigkeit ein- stellt. Die Fig. 10 zeigt eine solche Kurve für ein Durchtauchen 70°/5°, wobei der Muskel etwa 0,5 Sekunden lang mit der heissen Schicht der Flüssigkeit in Berührung kam. In der Figur ist ein Längsschnitt durch den Sartorius gezeichnet, der senkrecht zur Breit- seite des Muskels durch seine Längsachse geht und seine Dicke (Tiefe) daselbst zur Anschauung bringt. Für diese Dicke, die ja nach dem Rande des Sartorius und seinen Enden zu abnimmt, ist ein Durchschnittswert von 1 mm angenommen worden. In diesen Längsschnitt des Muskels wurde das beim Durchtauchen auftretende Temperaturgefälle eingetragen, das ın dem Augenblick vorhanden ist, wo das erwärmte Präparat im allgemeinen seine höchsten Temperaturen erreicht hat. Es ist dann die Temperatur an der freien Oberfläche °) am grössten und nimmt in dem vorliegenden Längsschnitt nach der Längsachse zu in Form einer parabelähnlichen Kurve ab. Für die 1) Näheres über die allgemeine Methodik solcher Versuche siehe bei P. Jensen und H. W. Fischer in Zeitschr. f. allg. Physiol. Bd. 11 S. 38. 1910. 2) Als diese ist, wie gesagt, die Breitseite des Muskels gedacht. 356 Paul Jensen: Darstellung dieser Kurve ist als Ordinatenachse, und zwar als Temperaturachse, die Längsachse des Muskels gewählt. Die Abszissen- achse, die in der Richtung der Diekendurchmesser (Tiefendurchmesser) des Präparates liegt, gibt die Entfernung der verschiedenen Punkte des Muskels von der Längsachse in Millimetern an. So haben die beiden Oberflächen des Muskels die Abszissenwerte 0,5 mm. Da die Ausgangstemperatur des Muskels 18° C. betrug, so wurde sie als Nullpunkt für die Temperaturänderungen genommen, und durch den entsprechenden Ordinatenpunkt wurde, als Nullinie für die Temperatur- änderungen, die Abszissenachse gelegt. o 70 axeinjyelsdwa] pun SNLIOJIES SOP axesdue] Breitseite des Sartorius SNLIONIES SOP aNOsIIg — a a a ala a ae Dicke des Sartorius = 1 mm. Fig. 10. Temperaturgefälle in einem kurzdauernd erwärmten Sartorius. Abszissenachse — mittlere Dickenachse (Tiefenachse) des Muskels und Nullinie der Temperatur, indem 15° C.—0 gesetzt ist. Erläuterung S. 355f. Wir sehen nun, dass die Oberfläche des Muskels resp. die ober- flächlichste Lage von Muskelfasern, eine Temperatur von 50° C. er- reicht, während die Längsachse etwa bis 23° C. und die zwischen diesen beiden liegenden Fasern etwa auf 32° C. erwärmt werden. Da aber. oberhalb 30° bereits recht beträchtliche thermische Kon- traktionen stattfinden, die bei 37°C. bereits die Höhe der maximalen Weitere Untersuchungen über die thermische Muskelreizung. 357 elektrischen Zuckung erreichen, so können wir sagen, dass im vor- liegenden Falle sich etwa die Hälfte der Fasern des Sartorius stark an der thermischen Kontraktion beteiligt, dass sich aber auch alle übrigen Fasern, zum Teil erheblich, zum Teil in geringerem Maasse, aktiv mitverkürzen. 32. Kraftkurven des thermisch kontrahierten und des wärmestarren Muskels. «) Versuche. Zunächst wurden analog den oben mitgeteilten isotonischen Ver-- suchen Kraftmessungen bei Temperaturen von 37, 39, 42°C. ete. ausgeführt !). Versuch 12 (Taf. IV Fig. 4). Nachdem zuerst eine maximale elektrische Zucekung registriert worden ist (#l. Z.), wird der Muskel der Reihe nach in Flüssigkeit von 37, 39, 42, 45, 48, 52 und 55° C. getaucht, ganz analog dem isotonischen Versuch 9 (S. 18). Hierbei erfolgt gleich zu Anfang eine kleine „spontane“ Zuckung mit einer Kraft von etwa 7 g?), an die sich die durch 37° C. hervorgerufene thermische Kontraktion mit einer recht konstantbleibenden Kraft von etwa 4 g anschliesst. Das Weitere möge aus den Kurven oder auch der Zusammenstellung der Ergebnisse (S. 361 ff.) ersehen werden. Versuch 13 (Taf. IV Fig. 5). Die Ausführung des Versuchs war im wesentlichen der des vorhergehenden gleich; doch wurde der Muskel nach der Erwärmung mit 37 und 39° jeweils in 0° C. ab- gekühlt. Gegenüber dem vorigen Versuch fällt die erheblich grössere Kraftentwicklung bei 37° C. auf. Versuch 14 (Taf. IV Fig. 6) glich im wesentlichen dem vorigen; nur dauerte die jeweilige Erwärmung und die fast stets eingeschaltete Abkühlung bei 0° C. etwas länger als zuvor. Während der Ein- wirkung von 37°C. hatte (bei 7-B g) eine unbeabsichtigte Änderung der Umdrehungsgeschwindigkeit des Kymographiums stattgefunden. Da die vorstehenden drei Versuche zeigen, dass bei Temperaturen über 45°C. die Kraft des Muskels abnimmt resp. seine Dehn- barkeit wächst, so ist zu erwarten, dass die Kraftkurven eines 1) Über die Methodik siehe 8. 344. 2) Bei der Abmessung aller dieser Kraftwerte ist zu berücksichtigen, dass der Nullinie schon eine Kraft von 2 g entspricht, die also zu allen über diese Linie sich erhebenden Ordinaten addiert werden muss (vgl. S. 344 f.). 358 Paul Jensen: durch hohe Temperaturen sehr schnell zur thermischen Kontraktion oder zur Wärmestarre gebrachten Muskels die Folgen dieser er- höhten Dehnbarkeit auch zum Ausdruck gelangen lassen müssen. Und das ist in der Tat in sehr ausgeprägtem Maasse der Fall. Es Erläuterung s. Versuch 15. Kraftkurven. Fig. 11. seien daher hier einige Versuche angeschlossen, die zeigen, in. welcher Weise die Form der Kraftkurven von der durch hohe Temperaturen bewirk- ten vergrösserten Dehnbar- keit abhängt. Versuch Io sie): Nach einer maximalen elektrischen Zuckung wird der Muskel etwa 50 Sekunden Jang in 46° C. und danach in 84°C. eingetaucht. Man sieht, dass die Kraftkurve, die bei konstanter Einwirkung von 46° C. eine Höhe von ungefähr 35 g erreichte und dann nach einer Senkung von ein paar Gramm horizontal wurde, bei Er- wärmung auf 84° C. plötzlich steil abfällt und rasch auf etwa 15 g zurückgeht. Etwa 25 Sekunden nach dieser Temperaturerhöhung reisst die Sehne ab. Analoge Wirkungen finden wir auch in den folgenden Versuchen. Versuch 16 (Fig 12). Nach einer maximalen elektrischen Zuckung und einem kurzen elek- trischen Tetanus wird der Muskel länger als 20 Sekunden in Flüssig- keit von 50° C. versenkt. Die Kurve der Wärmestarre bei 50° C. ist die Resultierende aus dem Zusammenwirken der verschiedenen Faserschichten!) des Muskels, 1) Siehe hierüber auch S. 354 ff. Weitere Untersuchungen über die thermische Muskelreizung. 359 deren jede sich zuerst verkürzt und sodann oberhalb 45° C., im Zustand der Wärmestarre, an Dehnbarkeit zunimmt. Es sei besonders betont, dass die so erfolgende Dehnung, wie der Augenschein lehrt, sich stets nicht etwa nur auf die dünneren Sehnenenden , sondern auf den ganzen Muskel erstreckt. Nur da, wo infolge der Er- wärmung eine Sehne abreisst, liefert sie kurz vor diesem Vorgang noch einen speziellen Dehnungszuwachs. Fig. 12. Kraftkurven. Erläuterung s. Versuch 16 (S. 358). Versuch 17 (Fig. 13). Auf eine maximale elektrische Zuckung folgt zuerst eine thermische Kontraktion infolge ganz kurzdauernden Eintauchens in 60° C. Nachdem durch das Austauchen die Kraft- Fig. 135. Kraftkurven. Erläuterung s. Versuch 17. zunahme des Muskels innerhalb einiger Sekunden zum grössten Teil wieder zurückgegangen ist, wird durch länger dauerndes Versenken in 60° C. Wärmestarre bewirkt, die nach wenigen Minuten zum Durchreissen einer Sehne führt. Eine Vergleichung der Wärmestarre-Kraftkurven bei 50° C. (Fig. 12) und 60° C. (Fig. 13) zeigt, dass die Muskeln hinsichtlich 360 Paul Jensen: ihrer Dehnbarkeitszunahme bei der Wärmestarre erhebliche individuelle Unterschiede aufweisen!). Davon hängt es dann auch ab, ob bei einem solchen Versuche eine Sehnenzerreissung stattfindet oder nicht. Im allgemeinen erfolgt nur dann ein Durchriss, wenn die Kraft des Gesamtmuskels in der Wärmestarre einen verhältnismässig hohen Wert behält), so dass die mehr und mehr sich auflockernden Sehnen die starke Spannung der Feder des Kraftmessers nicht mehr aus- halten können. Der Durchriss findet bald an der proximalen bald an der distalen Sehne des Sartorius statt. Versuch 18 (Fig. 14) gleicht im wesentlichen dem Versuch 16; nur wurde hier die Wärmestarre bei 64° C. bewirkt. Diesmal ist Fig. 14. Kraftkurven. Erläuterung s. Versuch 18. das Kraftmaximum verhältnismässig geringer als in Versuch 16, und zwar wohl deshalb, weil die äusseren Fasern des Muskels den Höhe- punkt ihrer Kraft bereits überschritten haben, wenn die inneren den ihren erreichen. Versuch 19 (Fig. 15) zeigt das Letztgesagte noch deutlicher. Hier wurde nach dem Austauchen aus 83° C. nochmals erwärmt (mit 75° C.), wobei man sieht, dass jetzt nur der kurz vor der vorhergehenden Abkühlung vorhandene Kraftwert wieder erreicht wird, ein Verhalten, das zu den von Engelmann?) und Gotschlich‘*) 1) Vgl. hiermit auch Fig. 14, 15 und 16. 2) Wie bei Versuch 15 (Fig. 11) und Versuch 17 (Fig. 13) sowie früher bei Versuch 12 (Taf. IV Fig. 4) und Versuch 14 (Taf. IV Fig. 6). 3) Engelmann, Über den Ursprung der Muskelkraft, 2. Aufl. Leipzig 1893. 4) Gotschlich, Bemerkungen zu einer Angabe von Engelmann, be- treffend den Einfluss der Wärme auf den totenstarren Muskel. Pflüger’s Arch. Bd. 55 S. 339. 1893. Weitere Untersuchungen über die thermische Muskelreizung. 361 festgestellten Erscheinungen der isotonisch registrierten Wärmestarre („Eiweissstarre“) passt. Versuch 20 (Fig. 16) ist analog dem Versuch 16 und 18, und die dortigen Darlegungen gelten im wesentlichen auch für die Wärmestarre bei 90° C. Fig. 16. Kraftkurven. Erläuterung s. Versuch 20. ß) Ergebnisse. Aus diesen Versuchen ergeben sich weitere Antworten auf die S. 349 gestellten Fragen, indem die Ergebnisse der vorletzten Ver- suchsreihe teils bestätigt, teils erweitert werden. 1. Die Kraft der thermischen Verkürzung kann schon bei 37° C. einen Wert von etwa 10 g erreichen (Taf. IV Fig. 5); sie ist kleiner als die bei elektrischer maximaler Zuckung. 2. Das erreichte Kraftmaximum bleibt konstant, solange die genannte Tenıperatur einwirkt. Es kann daher nicht die Rede davon sein, dass etwa bald nach Erreichung des Kraftmaximums die Dehnbarkeit des Muskels zunehme und eine Verlängerung bedinge. 3. Eine Abnahme der Kraft erfolgt aber sofort bei der Ab- kühlung, und schon nach wenigen Sekunden ist beinahe die An- fangsspannung erreicht. 362 Paul Jensen: 4. Bei Erwärmung auf 39° C. kann eine Kraft von mehr als 20 g entwickelt werden, die etwa gleich ist der einer maximalen elektrischen Zuckung. Bezüglich des Konstantbleibens der Kraft bei konstanter Temperatur und bezüglich der Abnahme der Kraft bei der Abkühlung gilt im wesentlichen das für 37° C. Ausgeführte. 5. Die Erwärmung auf 42° C. kann eine Kraft von mehr als 30 g auslösen, die bei unveränderter Temperatur zunächst einige . Sekunden konstant bleibt und dann im allgemeinen sehr langsam abnimmt. Diese Kraft erreicht nur in einzelnen Fällen etwa das Doppelte derjenigen bei maximaler elektrischer Zuekung (Taf. IV Fig. 4) und somit etwa zwei Drittel derjenigen bei elektrischem Tetanus. 6. Eine Abkühlung, selbst auf 0° C., hat jetzt keine merkliche Wirkung mehr. Hier liegt also offenbar Wärmestarre vor. 7. Auch eine weitere Erwärmung bis etwa 52° C., sei es ohne oder mit zwischengeschalteter Abkühlung auf 0° C., beeinflusst die im allgemeinen ganz langsam fallende Kraftkurve nicht. 8. Erst bei Erwärmung auf 55° C. und mehr treten wieder deutlichere Änderungen auf, aber niemals eine Zunahme, sondern stets nur eine Abnahme der Kraft. Das Sinken der Spannungskurve beruht in wechselndem Maasse auf der durch Er- wärmen über 42° C. erhöhten Dehnbarkeit einerseits der kontrak- tilen Muskelsubstanz andererseits der Sehnenenden. Dass aber die Dehnbarkeit des Muskels selbst bei hochgradiger Wärmestarre nicht derart wächst, dass man etwa die Wiederverlängerung bei der thermischen Kontraktion auf sie zurückführen könnte, lehren sowohl die isotonischen Versuche der Taf. IV Fig. 1, 2 und 3 (vgl. S. 350f. und 354, Nr. 16) als auch die Kraftversuche, aus denen hervorgeht, dass der wärmestarre Muskel bis etwa 45 bis 50°C. im allgemeinen eine Kraft von 20—30 g behält und oberhalb dieser Temperaturen eine solche von etwa 5—20 @. 9. Seine höchste Kraft entwickelt ein Muskel, sowohl bei der thermischen Kontraktion als auch bei der Wärmestarre, nicht bei der höchsten Temperatur, sondern bei einer mittleren Erhitzung. Das wird für die thermische Kontraktion veranschaulicht z. B. durch die Figuren 6 (S. 346) und 9 (S. 348), wo die durch hohe Temperaturen erzielten Kontraktionen nicht die Kraft der elektrischen Zuckungen erreichen, während in Fig. 8 (S. 347) die beim Durehtauchen 60 °/10° C. auftretende Kontraktion (8d) die Weitere Untersuchungen über die thermische Muskelreizung. 363 maximale elektrische Zuckung (8a) an Kraft erheblich überragt. Für die Wärmestarre ergibt sich Analoges aus der Vergleichung der Figuren 11, 12, 13, 14, 15 und 16. 10. Da die Kraftkurven des wärmestarrwerdenden Muskels eine gewisse Ähnlichkeit mit denen der „thermischen Kon- traktion“ zeigen, die den Nichteingeweihten zur Identifizierung der beiden verleiten könnte, so sei auf ihre prinzipiellen Unter- schiede hier hingewiesen: a) Zunächst muss beachtet werden, dass die Wärmestarre eine der thermischen Kontraktion ähnliche Kraftkurve, d. h. eine solche mit relativ steiler Dekreszente, nur dann liefert, wenn die Hauptmasse des Muskels sehr rasch auf mindestens 50° er- wärmt wird!) (vgl. Fig. 11—16 und die bezüglichen Ausführungen auf S. 357 ff... Bei geringerer Erwärmung als 50° behält der Muskel im wesentlichen seine Verkürzung. Daher ist auch bei einem Muskel, der durch die Wärmestarre derartig dehnbar ge- worden ist, dass seine Kraftkurve eine aktive Erschlaffung vortäuschen könnte, die elektrische Reizbarkeit und die Fähigkeit, eine thermische. Kontraktion auszuführen, völlig erloschen. b) Bewirkt man bei sehr hohen Temperaturen (80—90° C.) einerseits eine thermische Kontraktion, nämlich durch sehr kurzdauerndes Eintauchen resp. Durchtauchen, andererseits Wärme- starre, nämlich durch längerdauerndes Eintauchen, so findet man im allgemeinen, dass die Kraftkurven der thermischen Kontraktion höher ansteigen, einen spitzeren Gipfel haben und trotz des grösseren Maximums auf einen geringeren Endwert sinken als die Kurven der Wärmestarre (vgl. z. B. Fig. 6, 14 und 15). c) Thermische Kontraktion bei Horizontallagerung des Muskels, Im Hinblick auf die später noch zu erörternde Frage, ob etwa Demarkationsströme einzelner nur streckenweise wärmestarr werdender Muskelfasern zu den Bedingungen der thermischen Kon- traktion gehören, wurden horizontal ausgestreckte Muskeln in heisse Flüssigkeit getaucht. 1) Hierzu sei jedoch bemerkt, dass in den weitaus meisten Fällen die Dehn- barkeit bei 50° C. noch nicht so gross ist wie in Fig. 12, dass vielmehr eine solche Zunahme der Dehnbarkeit im allgemeinen erst bei 60° C. erreicht wird. 364 Paul Jensen: Für diese Versuche waren folgende besondere Maassnahmen getroffen: Über den langen Schenkel der u-förmigen Glasröhre war ziemlich weit nach unten ein Kork geschoben, der so zurecht- geschnitten war, dass an ihm das Beckenende des Sartorius mittels zweier durch das Knochenstückchen gesteckten Igelstacheln zwecks horizontaler Ausspannung geeignet befestigt werden konnte. An dem kurzen Ende der Glasröhre wurde eine kleine Rolle angebracht und unter dieser der das distale Ende des Muskels fassende Faden auf- wärts zum Registrierhebel geführt. Der Muskel hatte eine streng horizontale Lage. Bei solcher Anordnung fallen die früher be- sprochenen passiven Bewegungen des Muskels verständlicherweise grösser aus, lassen sich jedoch nötigenfalls durch eine Belastung von Fig. 17a. Fig. 17b. Fig. 17a. Passive Bewegung eines horizontal gelagerten Muskels. Erläuterung s. Versuch 21 (S. 365). — Fig. 17b. Thermische Kontraktion des horizontal gelagerten Muskels. Erläuterung s. Versuch 21 (S. 365). einigen Gramm erheblich einschränken. Aber selbst bei geringer Belastung können diese Bewegungen eine beim Durchtauchen auftretende thermische Kontraktion nicht in nennenswerter Weise stören, wie aus der Kurve der Fig. 17a hervorgeht, die durch Ein- tauchen eines mit 0,5 g belasteten Muskels in zimmerwarme Flüssig- keit gewonnen wurde; denn erstens dürfte sowohl der aufsteigende als auch der absteigende Teil der rasch verlaufenden passiven Be- wegung gleicherweise in die verhältnismässig länger dauernde Kres- zente der thermischen Reaktion fallen und zweitens sind die beiden entgegengesetzten Ausschläge der passiven Bewegung nahezu gleich, so dass ihre Summe fast gleich Null ist. Die nach der angedeuteten Methode gewonnenen Kurven der thermischen Reaktion des Sartorius sind den bei senkrechter Auf- u Weitere Untersuchungen über die thermische Muskelreizung. 365 hängung erzielten im wesentlichen gleich, was durch ein Beispiel erläutert sei. Versuch 21 (Fie. 17): Die Belastung betrug 0,5 g. Es wurde durchgetaucht bei 62°/4° C. Auf dem Höhepunkt der thermischen Kontraktion und in der unteren Hälfte ihrer Dekreszente fand je eine kleine „spontane“ Zuckung statt. d) Thermische Reaktionen von Muskeln, die verschiedene Zustandsänderungen erfahren haben, Für die Erkenntnis der der thermischen Kontraktion zugrunde liegenden chemisch-physikalischen Änderungen der Muskelsubstanz ist es wichtig, zu wissen, in welcher Weise die thermische Kon- traktion vom Zustand der Muskelsubstanz abhängt. Es könnte näm- lich entweder sein, dass sie bei keinem, gleichviel auf welche Weise abgestorbenen Muskel mehr möglich ist, was dafür spräche, dass sie eine Lebenserscheinung, und zwar eine Reiz- wirkung darstellt; oder es könnte sein, dass sie auch bei ab- gestorbenen Muskeln noch zu erzielen ist, wofern diese noch gewisser Zustandsänderungen, z. B. der Wärmestarre, fähig sind. Das ist eine der hier untersuchten Fragen. Eine zweite Frage gilt dem Zusammenhang zwischen elektri- scher Reizbarkeit und thermischer Kontraktion. Die erstere kann bekanntlich reversibel aufgehoben sein, also ohne dass der Muskel abgestorben ist, wie z. B. durch Auslaugen mit iso- tonischer Rohrzuckerlösung, bei Narkose durch Alkohol usw. Ver- suche mit derartig behandelten Muskeln hat bereits Mayer (|. ce.) ausgeführt, ohne aber aus ihnen meines Erachtens die richtigen Schlüsse gezogen zu haben. Endlich gibt es noch eine dritte Kategorie von Zustandsände- rungen des Muskels, die gewissermaassen zwischen den beiden vorher genannten stehen: Änderungen, die mit einem irreversiblen Verlust der elektrischen Reizbarkeit verbunden sind und auch bald zum Tode (Totenstarre) führen, diesen Abschluss aber noch nicht erreicht haben; solche Änderungen stellen sich ein nach dem Gefrieren!) 1) Näheres über die Eigenschaften solcher Muskeln siehe bei P. Jensen und H. W. Fischer, Der Zustand des Wassers in der überlebenden und ab- getöteten Muskelsubstanz. Zeitschr. f. allg. Physiol. Bd. 11 S. 61ff. 1910, und H. Brunow, Der Kältetod des isolierten und durchbluteten Froschmuskels. Zeitschr. f. allg. Physiol. Bd. 13 S. 367. 1912. Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd. 160. 25 366 Paul Jensen: unter —3° C. und nach einer Unterkühlung auf —6° bis — 7°C. Wie fällt bei derartig behandelten Muskeln die thermische Kontraktion aus? l. Abgestorbene Muskeln. Versuche und Ergebnisse. Abgestorbene Muskeln können, je nach den Bedingungen des Absterbens, sehr verschiedene Änderungen zeigen. Mit Umgehung der Frage, wann wir einen Muskel „abgestorbenen“ oder „tot“ nennen sollen, ist hier nur an solche Muskeln gedacht, die sich im weitesten Sinne als „starr“ bezeichnen!) lassen, wenn man mit dieser Be- nennung alle die Fälle kolloidaler Zustandsänderungen des Muskels umfasst, die optisch oder mechanisch in die Erscheinung treten und mit irreversibler elektrischer Unerregbar- keit einhergehen?). Von solchen „starren“ Muskeln könnte man bei besonderer Berücksichtigung der Formänderungen und der Wasser- verhältnisse etwa vier Gruppen unterscheiden: 1. Starre ohne Verkürzung und ohne merkliche Wasseraufnahme, Starre ohne Verkürzung, mit Wasseraufnahme, Starre mit Verkürzung, ohne merkliche Wasseraufnahme. Starre mit Verkürzung und mit merklicher Wasseraufnahme. a © Für den vorliegenden Zweck kamen nur Muskeln in Frage, die ohne Verkürzung starr geworden waren oder bei denen die Ver- kürzung wieder zurückgegangen war. Als Beispiele seien gewählt: Versuch 22 (Fig. 18) betrifit einen in Ringer-Lösung ohne Starre-Verkürzune der Zeitstarre verfallenen Muskel. Der anfangs normal reizbare Muskel war 3 Tage in täg- lieh gewechselter Ringer-Lösung aufgehängt gewesen®?). Danach 1) Über diesen Gegenstand siehe auch: J. Bernstein, Über die Be- ziehungen zwischen Kontraktion und Starre des Muskels. Untersuchungen aus dem physiologischen Institut der Universität Halle a. S., 2. Heft, Halle 1890; ferner E. Rossi, Über die Beziehungen der Muskelstarre zur Eiweissgerinnung und zur chemischen Muskelreizung. I. Zeitschr. f. Biol. Bd. 54 S. 299. 1909. 2) Eine strenge Grenze gegen die S. 372f. zu besprechenden Änderungen des Muskels ist freilich nicht anzugeben. 3) Es kommt ja bekanntlich öfter vor, dass Muskeln unter solchen Be- dingungen ohne Verkürzung starr werden. Ein solcher Muskel schien mir für meinen Zweck besonders geeignet, obgleich wohl kaum anzunehmen ist, dass seine chemischen Änderungen viel weniger tiefgehend sind als die. eines mit Verkürzung erstarrten und erst nachher wieder verlängerten Muskels. Weitere Untersuchungen über die thermische Muskelreizung. 367 war er ganz schlaff, etwas länger als zu Anfang, elektrisch unerreg- bar, hatte ein weisslich opakes Aussehen und schwachen Fäulnis- geruch !). Bei einem jetzt vorgenommenen langsamen?) Durch- tauchen 75°/8°C. zeigt der Muskel eine ganz geringe (ca. 1 mm), langsam ansteigende und nur ganz wenig wieder zurückgehende Ver- kürzung. Hier ist also von der typischen, hohen, zuckungsähnlichen thermischen Kontraktion nichts mehr wahrzunehmen. Gleichwohl war die Fähigkeit, wärmestarr zu werden, in un- vermindertem Maasse vorhanden; denn beim Versenken des Muskels in 45°C. zeigte er jetzt eine Verkürzung von fast 2,5 em. Fig. 18. „Zeitstarrer* Muskel.“ Erläuterung s. Versuch 22 (S. 366). Versuch 23 (Fie. 19, « und 5), an einem in 7 MgCl,- Lösung ohne Verkürzung abgestorbenen Muskel?). Für einen derartig behandelten Muskel dürfen wir wohl ein mittleres Maass von Gerinnung seiner Eiweisskörper annehmen. Der Muskel war, nachdem er zunächst normale elektrische Erregbarkeits- verhältnisse bewiesen, in dauernder Verbindung mit dem Schreib- hebel und bei einer Belastung von 0,5 g während 24 Stunden in die MeC],-Lösung versenkt worden. Nach dieser Zeit hatte er sich 1) Im Anschluss an die Anschauungen von O. v. Fürth und E. Lenk (Die Bedeutung von Quellungen und Entquellungsvorgängen für den Eintritt und die Lösung der Totenstarre. Biochem. Zeitschr. Bd. 33 S. 341. 1911) dürfen wir hier wohl ein relatives Mindestmaass von Eiweissgerinnung bei nicht merk- licher Quellung annehmen. 2) Langsam deshalb, damit der Muskel genügende Zeit zur etwaigen Auslösung einer thermischen Kontraktion haben sollte. 9) Das MgCl, wurde auf Grund der Untersuchungen von A. Moore, On the effects of solutions of various electrolytes and non-conductors upon rigor mortis and heat rigor. Americ. Journ. of Physiol. vol. 7 p. 18. 1902, für den vorliegenden Zweck gewählt. 25 * 368 Paul Jensen: um etwa 4 mm verlängert, war elektrisch völlig un- erregbar und blieb es auch, als er 1,5 Stunden in Ringer - Lösung verweilt hatte. Beim langsamen Durchtauchen 76°/8° er- folgte, ähnlich wie beim vorigen Versuch, eine ganz geringe, sanft ansteigende Verkürzung (von weniger als 1 mm) ohne nennenswerte Wiederverlängerung. Als danach das Präparat für ca. 8 Sekunden in 74°C. versenkt wurde, setzte eine langsame stärkere Verkürzung ein, die durch Abkühlung in 8° C. aufgehalten und anfangs schneller, später ganz allmählich, im ganzen etwa um 500, rückgängig ge- macht wurde. Danach fand beim Eintauchen in 95° C. eine noch grössere und steilere Verkürzung statt, die nach dem Austauchen wiederum nicht unbeträchtlich nachliess. o A: ad Fig. 19a. Fig. 19. m Fig. 19a und b. 7 MgOl,-Muskel. Erläuterung s. Versuch 23 (S. 367). Auch hier sehen wir, dass eine thermische Kontraktion nicht mehr möglich war, obgleich die Disposition für eine er- hebliche Wärmestarreverkürzung noch erhalten war. Doch sei darauf hingewiesen, dass der durch Wärmestarre verkürzte MgCl;- Muskel bei der Abkühlung eine verhältnismässie grössere Ver- längerung erfährt als anders vorbehandelte Präparate. Versuch 24 (Fig. 20a und b) wurde an einem kurarisierten in 5 Rhodan-Kaliumlösung abgestorbenen Muskel aus- geführt. Von einem derartig behandelten Muskel war nach den Untersuchungen von O. v. Fürth'), E. Rossi?) u. a. anzunehmen, 1) ©. v. Fürth, Über die Einwirkung von Giften auf die Eiweisskörper des Muskelplasmas und ihre Beziehung zur Muskelstarre. Arch. f. exper. Pathol. u. Pharmakol. Bd. 37 S. 389. 1896; und ©. v. Fürth und C. Schwarz, Über die Steigerung der Leistungsfähigkeit des Warmblütermuskels durch gerinnungs- befördernde Muskelgifte. Pflüger’s Arch. Bd. 129 S. 525. 1909. 2) E. Rossi, Über die Beziehungen der Muskelstarre zur Eiweissgerinnung und zur chemischen Muskelreizung. II. Zeitschr. f. Biol. Bd. 56 S. 253. 1911. ‘ Weitere Untersuchungen über die thermische Muskelreizung. 369 dass er unter beträchtlicher Gerinnung seiner Eiweiss- körper sich zuerst verkürze und,dann wieder ver- längere. Von dem kurarisierten Muskel wurden bei einer Belastung von 0,5 g zuerst zwei maximale elektrische Zuckungen registriert, dann folete die Versenkung in CNSK ze Die hierbei auftretende sehr Fig. 20a. - CNSK-Muskel. Erläuterung s. Versuch 24 (S. 368). steile und beträchtliche Verkürzung sing im Laufe von 1 Stunde voll- ständig zurück, während welcher Zeit das Kymographium nur einige -Male für kurze Strecken in Gang gesetzt wurde. .Der Muskel war | r\ PIE jetzt etwas länger als zu Anfang, weisslich verfärbt, etwas gallertig 5 : Fig. 20b. Fortsetzung von Fig. 20a, gequollen, viel weniger schlaff als Erläuterung s. Versuch 24. normal und elektrisch unerregbar. Als nun in 83° C. mässig schnell ein- und ausgetaucht wurde, verkürzte sich der Muskel um etwa 1,4 mm und verlängerte sich tfotz Abkühlung in 2° C. nur allmählich im Laufe von etwa 10 Minuten wieder um denselben Betrag. Eine zu dieser Zeit vorgenommene mehrstündige Versenkung in 45° C. blieb ohne siehtbare Wirkung, erst ein etwas länger dauerndes Eintauchen in 78° C. (Fig. 20 b) hatte eine beträchtlichere Verkürzung zur: 370 Paul Jensen: Folge, die beim Austauchen um ca. 25°/o und bei Einwirkung von 5° um einen weiteren kleinen Betrag nachliess. Es ergibt sich also, dass der mit 5 ONSK behandelte Muskel keiner thermischen Kontraktion mehr fähig ist, er hat freilich auch das Vermögen, bei 45° C. wärmestarr („totenstarr“) zu werden eingebüsst, während die Wärmestarre oberhalb 70° C. („Eiweissstarre“ nach Gotschlich) noch möglich ist. Die vorstehend mitgeteilten Versuche lehren, dass selbst solche Muskeln, die mit einem relativen Mindestmaass von chemischen Veränderungen abgestorben sind, d. h. solehe, die noch die typische Wärmestarre-Verkürzung bei 45° C. liefern können, einer (reversiblen) „thermischen Kontraktion“ nicht mehr fähig sind (Ver- such 22 Fig. 15). Sind die Zustandsänderungen des Muskels durch die Vorbehandlung noch weiter getrieben, so dass bei Einwirkung von 45° C. keine Verkürzung mehr auftritt, sondern erst bei Temperaturen über 70° C. (Versuch 24 Fig. 20), so ist erst recht keine thermische Kontraktion mehr zu erzielen. Die geringe, langsame, nur ganz allmählich und teilweise wieder zurückgehende Verkürzung, die statt der hohen schnellen thermischen Kontraktion beim kurzdauernden Eintauchen oder Durchtauchen durch heisse Flüssigkeiten erfolst, ist zweifellos auf die bei höheren Temperaturen eintretende Wärmestarre zurückzuführen. Dafür spricht auch der Umstand, dass diese Verkürzung überhaupt nur dann einen merklichen Wert gewinnt, wenn das Präparat erheblich länger, als zur Erzielung einer thermischen Kontraktion erforderlich ist, in der heissen Flüssigkeit verweilt, so dass die äusserste Muskelschicht hier- bei eine Temperatur erreichen kann, bei der selbst ein Muskel, der sich bei 45° C. nicht mehr verkürzt, bereits zu einer Wärme- starre-Verkürzung zu bringen ist. 2. Reversibel elektrisch-unerregbare Muskeln. Versuche und Ergebnisse. Die folgenden Versuche wurden an Muskeln ausgeführt, die mit Rohrzucker- und Alkohol-Lösungen vorbehandelt waren. Versuch 25 (Fig. 21): mitRohrzuckermuskel. Der mit 2 g belastete Muskel wurde, nachdem zwei maximale elektrische Zucekungen registriert worden waren, in kalte 6°/o ige Rohrzucker- lösung versenkt. Als er nach 1 Stunde elektrisch völlig un- Weitere Untersuchungen über die thermische Muskelreizung. ayrl erregbar war, wurde ein ziemlich schnelles Durchtauchen 74°/5°C. ausgeführt, wobei er eine hohe, innerhalb 1 Sekunde fast ganz ab- gelaufene, thermische Kontraktion vollbrachte. Danach wurde der Muskel in 0,7 lo ige NaCl-Lösung von Zimmer- temperatur versenkt, worin seine elektrische Erregbar- keit bereits nach 2 Minuten zurückkehrte, so dass er jetzt maximale elektrische Zuckungen -von etwa 75 /o der zu Anfang gewonnenen lieferte. Fig. 21a und b. Rohrzucker-Muskel. Versuch 26 (Fig. 22). Erläuterung s. Versuch 25 (S. 370). Alkohol-Muskel. Das Präparat vom vorigen Versuch wurde etwa 1,5 Stunden in zimmer- warme Ringer-Lösung gebracht, der 5°/o Äthylalkohol zugesetzt waren. Danach war die elektrische Reizbarkeit völlig erloschen. Als jetzt sehr rasch in 81° C. ein- und aus- getaucht wurde, stellte sich eine hohe ther- mische Kontraktion ein, von deren Ver- kürzung diesmal nur etwa 20° in der ersten Sekunde zurückgingen, während nach 37 Se- kunden die Wieder- Fig.22. Alkohol-Muskel. Erläuterung s.Versuch 26. verlängerung etwa 70 °/o und nach mehreren weiteren Minuten, während deren das Kymo- graphium meistens stillstand, schliesslich 87 °/o betrug. Versuch 27 (Fig. 23a, b undc). Alkoholmuskel. Nach- gem von dem mit 2 g belasteten Muskel eine maximale elektrische Zuckung registiert worden war, wurde er in Ringer-Lösung + 5°o Äthylalkohol versenkt. Etwa 1 Stunde später war die elektrische Zuckung um mehr als die Hälfte vermindert und sehr gedehnt (Fig. 23b), und etwa !/s Stunde darauf war die elektrische Erregbarkeit verschwunden. Beim nunmehrigen Durch- Mieehts De Paul Jensen: tauchen 84° / 3°C. erfolgte eine hohe thermische Kontraktion von ähnlichem Verlauf wie im vorigen Versuch. Als der Muskel danach für einige Minuten in zimmerwarme Ringer-Lösung ver- setzt worden war, war er wieder elektrisch erregbar und lieferte eine Zuckung von der halben ursprünglichen Höhe und fast nor- malem Verlauf. Diese Versuche mit Rohrzucker- und Alkoholmuskeln lehren, dass bei Änderungen des Muskels, die mit einer völligen, aber reversiblen Aufhebung der elektrischen Reizbarkeit verbunden sind, die Fähigkeit zur thermischen Kontraktion unvermindert fortbestehen kann. & Fig. 23a—c. Alkohol-Muskel. Erläuterung s. Versuch 27 (S. 371). EN 847,0 8. Dureh Kälte irreversibel elektrisch-unerregbar sewordene Muskeln. Versuche und Ergebnisse. Die hier mitzuteilenden Versuche betreffen die Beziehungen zwischen der thermischen Kontraktion und einerseits dem Gefrieren des Muskels, anderseits seiner Unterkühlung bis zu einem ge- wissen Grade. Bezüglich der Unterkühlung wurden keine besonderen Versuche angestellt; da aber bei zweien der Versuche eine beträcht- liche Unterkühlung zustande kam, so kann man aus diesen auch einen Schluss auf die Wirkung der Unterkühlung ziehen. Versuch 28 (Fig. 24a und b). Die erforderliche Abkühlung des Sartorius bis zu einer bestimmten Temperatur und die Ver- folgung seiner Temperaturänderungen geschah im Zusammenhang mit den übrigen Oberschenkelmuskeln, da eine Temperaturmessung am isolierten Sartorius in diesem Falle manche Unzuträglichkeiten gehabt hätte, sodass etwa nur noch die thermoelektrische Temperatur- bestimmung zweier aufeinandergelegter Sartorien !) in Betracht ge- 1) Vgl. hierzu auch S. 355. Weitere Untersuchungen über die thermische Muskelreizung. 373 kommen wäre. Zu dem genannten Zweck wurde der zu unter- suchende Sartorius in seiner ganzen Länge freipräpariert, aber mit dem Beckenknochen in Verbindung gelassen. Dann wurden die übrigen Oberschenkelmuskeln am Knieende des Femur losgelöst, der Knochen möglichst schonend bis zum Becken freigemacht und ex- artikuliertt. An die Stelle des Knochens wurde dann ein Thermo- meter, das unterhalb des Nullpunktes der Skala recht lang war, in Fig. 24a. Durch Gefrieren irreversibel elektrisch-unerregbarer Muskel. Erläuterung s. Versuch 28 (S. 372 ff.). in 67° 4 in 10° Fig. 24b. Fortsetzung von Fig. 24a. Erläuterung s. Versuch 28 (S.[372 ff.). die Muskelscheide hineingeschoben und peinlichst dafür gesorgt, dass das Quecksilbergefäss vollständig von den Muskeln bedeckt war. Diese wurden an ihren Knieenden auf der Thermometerröhre fest- gebunden und die hierzu verwendeten Fäden wurden, um ein Ab- rutschen der Muskelmassen zu verhindern, in einem Kork fest- seklemmt, der oberhalb des Quecksilbergefässes über das Thermo- meterrohr geschoben war!). Bei dieser Anordnung der Muskeln 1) Bei dieser Anordnung war es auch leicht, gegebenenfalls die Kontraktion des ganzen Muskelkomplexes etwa vor und nach der Abkühlung zu registrieren. Hierzu wurde der Kork und die Muskelmasse um ca. 1 cm an dem Thermometer- rohr nach unten verschoben, wodurch die Muskeln für ihre Verkürzung genügend Spielraum erhielten. 374 Paul Jensen: erhielt der freipräparierte Sartorius wieder Seine normale Lagerung und schmiegte sich seiner Unterlage fest und glatt an. Unter solchen Umständen konnte man annehmen, dass bei nicht zu schneller Ab- kühlung des ganzen Komplexes der Sartorius ziemlich genau die vom Thermometer angezeigten Temperaturen der inneren Muskel- massen besitze. Zum Zwecke der Abkühlung wurde das ganze Präparat in das Luftmantelrohr eines Beekmannschen Gefrier- apparates gebracht, in dem es Spielraum genug hatte, um nirgends die Glaswand zu berühren. Als Kältebad diente eine Eis-Kochsalz- mischung von etwa — 18° C. Bezüglich des Abkühlungsverlaufes des Muskels sei nur bemerkt, dass seine Temperatur nach etwa 9 Minuten auf seinen Gefrierpunkt [ea. —0,5° C.!)] gesunken war, diesen aber, ohne dass Gefrieren eintrat, bis zu —6,3° C. nach unten überschritt. Nachdem das Präparat sich also soweit „uanterkühlt“ hatte, trat das Gefrieren desselben ein, womit die Gefrierpunktstemperatur wieder erreicht wurde?). Es wurde nun gewartet, bis die Temperatur wieder auf — 3,5°C. gesunken war, dann wurde das Glasrohr mit dem Präparat aus der Kältemischung herausgenommen und der Zimmertemperatur ausgesetzt, bis die Muskeln ebenfalls diese Temperatur wiedererlangt hatten. Die aufgetauten Muskeln waren zunächst noch nicht totenstarr?), aber elektrisch völlig unerregbar. In diesem Zustande wurde nun der Sartorius der Wärme- einwirkung ausgesetzt und zeigte beim Durchtauchen 800/10° C. und einer Belastung von 2 g eine hohe prägnante thermische Kontraktion, deren anfänglicher geringer Verkürzungsrückstand sich in einigen Minuten fast vollkommen zurückbildete. Danach wurde die Reaktionsfähigkeit des Präparates auf — CNSK geprüft, wobei eine mässige, rasch ihr Maximum erreichende Ver- 1) Siehe hierüber P. Jensen und H. W. Fischer, Der Zustand des Wassers in der überlebenden und abgetöteten Muskelsubstanz. Zeitschr. f. alle. Physiol. Bd. 11 S. 64. 1910. Es sei daran erinnert, dass verschiedene Muskeln desselben Individuums, wie es scheint, verschiedene Gefrierpunkt® besitzen können, und dass der Gefrierpunkt ferner von der Vorbehandlung des Muskels abhängt. Er wird daher vielleicht auch durch eine vorhergehende Unterkühlung beeinflusst. 2) Näheres hierüber bei Jensen und Fischer, |. c. 3) Nach den Untersuchungen von H. Brunow (Der Kältetod des isolierten und durchbluteten Froschmuskels. Zeitschr. f. allg. Physiol. Bd. 13 S. 16.1912) wären die ersten Anfänge der Totenstarre etwa nach 15 Minuten zu erwarten. Weitere Untersuchungen über die thermische Muskelreizung. 375 kürzung zustande kam, die nach 20 Minuten einer Verlängerung des Muskels über seine Anfangeslänge hinaus wich. Endlich folgten nochmals einige thermische Einwirkungen: Ein Durchtauchen 71°/8°C. veranlasste jetzt eine minimale langsame Verkürzung, so wie die abgestorbenen Muskeln in Versuch 22, 23 und 24. Das gilt im wesentlichen auch für die Folgen längerdauernder Erwärmung und Abkühlung, wie sie Fig. 24b zum Ausdruck bringt. Versuch 29 (Fie. 25a, b und ce). Das Präparat war in wesentlich derselben Weise vorbehandelt wie im vorigen Versuch. Jedoch ging die Unterkühlung diesmal bis — 7° C. Im Augen- bliek, wo die Eisbildung begann, wurde der Muskel aus der Kälte- Fig. 25.a—c. Durch Gefrieren irreversibel elektrisch-unerregbare Muskel. Erläuterung s. Versuch 29, mischung herausgenommen und seine elektrische Reizbarkeit geprüft). Dann wurde er ein zweites Mal abgekühlt, unter- kühlte sich abermals bis — 7° C. und erreichte bei der nun be- sinnenden Fisbildung eine Gefrierpunktstemperatur von —0,5° C. Der gefrorene Muskel wurde dann bis — 4° C. abgekühlt, hier- auf mit dem Luftmantel-Gefäss aus der Kältemischung heraus- genommen und langsam auf Zimmertemperatur erwärmt. Danach war der nun zum thermischen Versuch genommene Sartorius ganz schlaff und elektrisch vollkommen unerregbar. Beim 1) Der Muskel lieferte bei maximaler Reizung eine Zuckung von etwa ?/s der normalen Höhe. Solche Zuckungen liessen sich dann noch zweimal hervor- rufen, hierauf war noch eine Minimalzuckung zu erzielen, und nach dieser war der Muskel völlig unerregbar. Diese und ähnliche Versuche lehren, dass eine grössere Unterkühlung des Muskels, auch ohne Eisbildung, schon eine tief- gehende Schädigung zur Folge hat. 376 Paul Jensen: Durchtauchen 70°/5° C. erfolgte eine hohe prägnante thermische Kontraktion gleich der des frischen überlebenden Muskels; ein geringer Verkürzungsrückstand glich sich in einigen Minuten zum grössten Teile aus. Nach 48 Stunden war der in 0,7 °/oiger Kochsalzlösung ver- senkte Muskel, der inzwischen eine geringe Starreverkürzung gezeigt hatte, ein wenig über seinen Anfangswert verlängert. Er unterlag jetzt beim ziemlich langsamen Durchtauchen 78°/3°C. einer Fig. 26a und b. Erfrorener Muskel mit beginnender Totenstarre. Erläuterung s. Versuch 30. - I Fig. 26c. Fortsetzung von Fig. 26 a und » Erläuterung s. Versuch 30. minimalen langsamen Verkürzung (Fig. 25b). Bei mehr- sekundigem Versenken in 50° C. stellte sich auch nur eine eben merkliche Verkürzung ein, die bei 60° C. einen grösseren Wert erreichte), der endlich bei 80°C. nochmals erheblich stieg (Fig. 25 e). Versuch 30 (Fig. 26a, b und e). Die Vorbehandlung war im wesentlichen dieselbe wie in den vorigen Versuchen. Jedoch war das zuerst bis — 3,8° C. unterkühlte, dann gefrierende und endlich bis — 6,3° C. abgekühlte Präparat nach dem Auftauen so- 1) Während des Verkürzungs- und Wiederverlängerungsvorgangs wurde das Kymographium einige Male für kurze Zeit angehalten. Weitere Untersuchungen über die thermische Muskelreizung. 377 lange aufbewahrt worden, bis die beginnende Totenstarre zu einer Verkürzung von etwa 20°/o geführt hatte. Jetzt fand ein Durchtauchen 75°/8&°C. statt, das zuerst eine geringe Verlängerung des Muskels und danach eine minimale langsame Verkürzung zur Folge hatte. Bei etwas längerem Eintauchen in 60 und 80°C. fanden je etwa grössere Verkürzungen statt, mit geringen Verlängerungen nach den Austauchen (Fig. 26 b und e). Aus den letzten drei Versuchen ergibt sich zunächst, dass Muskeln, die im gefrorenen Zustande auf —3,5° C. und tiefer abgekühlt waren und dabei ihre elektrische Erregbarkeit völlig eingebüsst haben, trotz dieser schweren irreversibelen Schädigung die Fähigkeit, eine hohe thermische Kontraktion “auszuführen, noch unverändert besitzen, solange sie nicht toten- starr geworden sind. Ferner lehrt Versuch 29, dass auch ein Muskel, der durch Unterkühlung auf — 7°C. seine elektrische Erregbarkeit eingebüsst hat, trotzdem!) der thermischen Kontraktion fähig bleibt. Endlich aber sehen wir, dass mit dem Einsetzen der Totenstarre die thermische Kontraktion unmöglich wird. D. Zur Analyse der thermischen Kontraktion. Auf Grund der mitgeteilten Versuche kann jetzt eine Ent- scheidung darüber getroffen werden, wie wir uns das Zustandekommen der thermischen Kontraktion etwa vorzustellen haben. Ich gehe auf diese Frage etwas ausführlicher ein, als es vielleicht zunächst er- forderlich erscheinen könnte, da das Ergebnis dieser kritischen Untersuchung in verschiedener Hinsicht von Bedeutung ist: 1. nämlich nicht nur bezüglich der Frage, ob die thermische Konstruktion auf einer unmittelbaren thermischen Reizung der Muskelfasern beruht, sondern 2. würden sich aus der Bejahung dieser Frage auch wichtige Folgerungen ergeben bezüglich der thermischen Reizbarkeit von Muskeln, die für elektrische Reize reversibel oder selbst irreversibel ünerregbar geworden sind, und 3. scheint eine gewisse Verwandtschaft zwischen der thermi- schen Kontraktion und den Erfolgen der „chemischen Reizung“ 1) In dem genannten Versuch kam ausserdem, wie oben angegeben, das Gefrieren bis — 3,5 C. hinzu. ’ 378 Paul Jensen: des Muskels dureh Chloroform, Ammoniak, Äther usw. zu bestehen !), so dass die die thermische Reizbarkeit des Muskels betreffen- den Ermittlungen und Überlegungen zum Teil auch für die chemische Reizbarkeit gelten dürften, womit die vorliegende Untersuchung von allgemeinerer Bedeutung für die Theorie der Muskelreizung wird. Es seien zunächst der Reihe nach alle für die Erklärung der thermischen Kontraktion etwa in Betracht kommenden Faktoren und alle Erklärungsmöglichkeiten durchgesprochen. I. Primäre autoelektrische Reizung? Man könnte vielleicht daran denken, dass infolge geringer Ver- letzungen des Muskels bei der Präparation zwischen verschiedenen Punkten desselben von vornherein elektrische Potential- differenzen bestehen, die beim Eintauchen in die Elektrolyt- lösung elektrische Ströme liefern, die das Präparat reizen. Solche seit langem bekannte Reizung des Muskels durch Schliessung oder auch Öffnung seines eigenen Demarkationsstromes habe ich als „auto- elektrische“ bezeichnet ?). Dass die thermische Kontraktion im wesentlichen nicht auf autoelektrischer Reizung beruht, wird bewiesen durch die Tatsache, dass der Rohrzuckermuskel, der Alkoholmuskel und der unter —53°C. abgekühlte Muskel noch eine ausgeprägte thermische Kontraktion zeigen, obgleich sie gerade für elektrische Reize völlig unerregbar sind. Dass aber auch da, wo die elektrische Reizbarkeit noch vor- handen ist, die thermische Kontraktion nicht durch autoelektrische Reizung bedingt ist?), habe ich schon früher nachgewiesen: Der 1) Siehe die älteren Untersuchungen von J. Bernstein (Über die Be- ziehungen zwischen Kontraktion und Starre des Muskels. Untersuchungen aus dem physiologischen Institut der Universität Halle a. S., 2. Heft, Halle 1890) urd seinen Schülern; ferner E. Rossi, Über die Beziehungen der Muskelstarre zur Eiweissgerinnung und zur chemischen Muskelreizung. Mitt. I. Zeitschr. f. Biol. Bd. 54 S. 299. 1910, wo auch neuere Literatur. 2) P. Jensen, Über thermische Muskelreizung. Zeitschr. f. allg. Physiol. Bd. 9 S. 442. 1909. 3) Gewisse unregelmässige Zuckungen, die bei der Erwärmung eines Sartorius neben der thermischen Kontraktion noch auftreten können (vgl. Taf. IV Fig. 1, 2, 4 und Textfig. 5a) möchte ich in den meisten Fällen nicht sowohl Weitere Untersuchungen über die thermische Muskelreizung. 379 Sartorius zeigte bei der von mir angewandten Präparationsweise niemals autoelektrische Zuckungen, wenn er kurzdauernd in zimmer- warme 0,7°/oige NaCl-Lösung oder Ringer-Lösung eingetaucht wurde. Aber selbst für den Fall, dass einmal neben der thermischen Kontraktion eine autoelektrische Zuckung auftreten sollte, so würde man sie sofort an ihrem viel rascheren Verlauf erkennen). II. Sekundäre autoelektrische Reizung? Ferner wäre bei der Erklärung der thermischen Kontraktion wohl die Möglichkeit in Betracht zu ziehen, dass durch die Er- hitzung des Muskels die Bedingungen für eine autoelektrische Reizung erst geschaffen werden, was Mayer?) zur Erklärung gewisser unregelmässiger Kontraktionen annimmt, die bei Einwirkung heissen Dampfes auftreten. Man könnte sich etwa vorstellen, dass zwischen der eben in die heisse Flüssigkeit eingetauchten Muskel- strecke und dem noch nicht von ihr berührten Abschnitt eine elek- trische Potentialdifferenz entstehe, indem die eben erhitzte Strecke zum Teil wärmestarr würde. Diese Potentialdifferenz könnte dann innerhalb der Muskelmasse elektrische Ströme erzeugen, die im Augenblicke ihres Entstehens und Vergehens [Schliessung und Öff- nung eines konstanten Stromes?)] eine autgelektrische Reizung der noch nicht von der Erwärmung betroffenen Muskelteile bedingen. Die Unhaltbarkeit einer derartigen Deutung der thermischen Kontraktion wird ebenfalls durch die im vorigen Abschnitt an- geführten Tatsachen bewiesen: nämlich das Verhalten des Rohr- zueker-, Alkoholmuskels usw. und den relativ langsamen Verlauf der thermischen Kontraktion. Dazu kommt die gleichfalls schon früher mitgeteilte Tatsache, dass die beim Eintauchen in heisse Flüssigkeiten erfolgenden Be- weegungen des Muskeis ganz streng auf die eingetauchte Strecke desselben beschränkt bleiben *), womit bewiesen ist, dass wirk- als autoelektrische auffassen als vielmehr darauf zurückführen, dass durch die erhöhte Temperatur die Erregbarkeit der Muskelsubstanz so beträchtlich zu- genommen hat, dass sie jetzt „automatischer“ („spontaner“) Erregungen fähig ist (vgl. auch später S. 400). 1) Siehe P. Jensen, 1. c. S. 440 ff. 2) Siehe S. 337 ff. 3) Vgl. W. Kühne. Zeitschr. f. Biol. Bd. 26 S. 203. 1890. 4) Siehe P. Jensen, 1. c. S. 468 ff. 380 Paul Jensen: same Reizströme, die von den eingetauchten Muskelpartien zu den nicht eingetauchten gehen, nicht vorhanden sind. In demselben Sinne endlich sprechen die obigen Versuche mit dem horizontal ausgespannten Sartorius!), in denen die Möglich- keit des Zustandekommens etwaiger autoelektrischer Reizung gegen- über den Bedingungen bei senkrechter Aufhängung des Muskels noch mehr verringert ist: einerseits dadurch, dass die Erhitzung den ganzen Muskel fast gleichzeitig ergreift und andererseits dadurch, dass hier die etwaigen autoelektrischen Reizströme im wesentlichen quer durch die Muskelfasern hindurchgehen müssten, also in einer Richtung, in der die Reizwirkung eines elektrischen Stromes be- kanntlich minimal ist. Aber auch unter diesen einer autoelektrischen Reizung besonders abholden Bedingungen erhält man die typische thermische Kontraktion. III. Chemische Reizung? Dass die thermische Kontraktion auf einer chemischen Reizung durch die heisse Flüssigkeit beruhe, wird wohl kaum jemand an- nehmen wollen. Diese Frage habe ich auch schon früher in ver- neinendem Sinne behandelt ?). IV. Durch die Erwärmung unmittelbar hervorgerufene reversibele chemiseh-physikalische Änderung der von den Temperatur- änderungen betroffenen Muskelfasern oder partielle Wärmestarre? a) Diskussion. Wir kommen jetzt zu der. auf Grund der Experimente zu ent- scheidenden Frage, ob die thermische Kontraktion auf eine durch die Temperaturerhöhung unmittelbar bedingte reversibele chemisch-physikalische Änderung der von den Tem- peraturveränderungen betroffenen lebendigen Muskelfasern zurückzuführen ist oder auf eine partielle Wärmestarre, wie dies. von Mayer im Anschluss an seine Versuche mit strömendem Dampf im wesentlichen angenommen wird. Es sei gleich hier bemerkt, dass die obige Bezeichnung „re- versibele chemisch-physikalische Änderung“ deshalb absichtlich etwas 1) Siehe oben S. 363 ft. 2) P. Jensen, Über thermische Muskelreizung. Zeitschr. f. allg. Physiol. Bd. 9 S. 446. 1909. Weitere Untersuchungen über die thermische Muskelreizung. 381 allgemein gehalten wurde, weil sie noch zwei verschiedene Er- klärungsmöglichkeiten umfassen soll: nämlich einerseits die Möglich- keit, dass die thermische Kontraktion auf einer unmittelbaren ther- mischen Reizung beruht, die den normalen Weg über das Sarko- plasma zu den Fibrillen nimmt, andererseits die Möglichkeit, dass die Temperaturänderung gewissermaassen mit Überspringung des Sarkoplasmas auf die Muskelfibrillen wirkt, d.h. ohne dass besondere Stoffwechseländerungen des Sarko- plasmas (Erregung) mitzuspielen brauchen. Auf diese Alter- native soll erst später eingegangen werden, nachdem die in der Überschrift dieses Abschnittes angedeutete Frage beantwortet ist. Da Mayer seine Deutung der durch strömenden Dampf hervor- gerufenen Muskelbewesungen auch auf die von mir festgestellten und registrierten thermischen Kontraktionen übertragen hat und meine Auffassung einer direkten thermischen Erregung!) glaubt widerlegt zu haben, so muss ich auch auf den Versuch einer Erklärung durch partielle Wärmestarre näher eingehen; freilich möchte ich gleich hier gestehen, dass sich meines Erachtens schon allein beim Anblick meiner früheren und meiner neuen Kurven der thermischen Kontraktion ohne weitere Diskussion die Undurchführbarkeit einer derartigen Deutung aufdrängt. Wenn ich Mayer richtig verstehe, so führt er die thermische Verkürzung und nachfolgende Wiederverlängerung darauf zurück, dass die an der Oberfläche des Muskels gelegenen Fasern infolge der Erhitzung wärmestarr werden und sich dabei zunächst verkürzen, ‚dann aber teils zerrissen teils wegen vermehrter Dehnbarkeit wieder sedehnt werden; dieses Zerreissen und Gedehntwerden könnte einer- seits durch die Belastung des Muskels bewirkt werden anderer- seits durch die nicht wärmestarr gewordenen inneren Fasern des Muskels, die vorher passiv deformiert werden und sich nach- her vermöge ihrer elastischen Kräfte wieder strecken. Danach wäre also die Wiederverlängerung der zuerst die Verkürzung des Muskels bewirkenden Fasern ein rein passiver Prozess, nicht ein aktiver, in einer reversiblen Stoffwechseländerung bestehender Vorgang, wie er in der Erschlaffungsphase des Erregungsprozesses gegeben ist. 1) Und damit, allgemeiner ausgedrückt, die Annahme einer reversiblen chemisch-physikalischen Änderung der von der Temperaturänderung betroffenen Muskelfasern (vgl. S. 336 f.). Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd. 160. 26 382 Paul Jensen: Wir wollen im folgenden die beiden sich gegenüberstehenden Auffassungen gegeneinander abwägen, und zwar soll die Ver- kürzungsphase und die Wiederverlängerungsphase der thermischen Kontraktion zunächst gesondert besprochen werden. l. Verkürzungsphase. Wenn wir zunächst von der Reversibilität der Verkürzung ganz absehen, so könnte in gewissen Fällen die Verkürzungsgrösse und -kraft der thermischen Kontraktion wohl auch durch Wärme- starre erklärt werden. In vielen anderen Fällen aber wäre selbst für die Verkürzung allein diese Erklärung ausgeschlossen, wie die folgenden Tatsachen beweisen: a) Thermische Kontraktionen treten schon auf bei genügend schnellen Temperaturerhöhungen zwischen 5 und 30°C. und werden schon recht beträchtlich bei 37° C., und zwar bei einer kurzen Einwirkungsdauer !). Selbst in dem letzten Falle kann aber von einer Wärmestarre noch nicht die Rede sein, da eine solche (nicht aktiv?) reversible) Starreverkürzung erst bei langdauernder Ein- wirkung von 37°C. eintritt®). Somit ist in allen diesen Fällen von thermischer Kontraktion die Mayer’sche Erklärung von vornherein ausgeschlossen und es bleibt keine andere Auffassung als die einer reversiblen chemisch-physikalischen Änderung der lebenden Muskel- substanz übrig. Wenn wir aber sehen, dass thermische Kontraktionen auf dem letzteren Wege zustande kommen können, so macht es keine Schwierigkeit und ist sogar naheliegend, anzunehmen, dass dies immer der Fall sei. b) Gegen die Mayer’sche Hypothese spricht ferner die Tat- sache, dass die thermische Kontraktion bei abgestorbenen Muskeln nicht mehr möglich ist, selbst wenn diese noch in vollem Maasse bei 45° C. und bei höheren Temperaturen der Wärmestarreverkürzung fähig sind. ec) Und in gleichem Sinne spricht ausdrücklich die auch von Mayer bestätigte Tatsache, dass sich bei demselben Muskel mehr- mals ziemlich gleich grosse thermische Kontraktionen unter ziemlich 1) Vgl. S. 352. 2) D. h. bei Wiederherstellung der Anfangstemperatur der durch die Er- wärmung veränderten Muskelfasern. 3) Vgl. Gotschlich, 1. c. Weitere Untersuchungen über die thermische Muskelreizung. 383 den gleichen Bedingungen auslösen lassen), Wenn nun die Ver- kürzung durch Wärmestarre bedingt sein soll, so können bei Wieder- holung einer etwa gleichstarken Erwärmung doch vorwiegend nur die schon vorher wärmestarr gewordenen Fasern des Muskels wieder affıziert werden. Es ist aber eine längstbekannte Tatsache, dass ein bereits wärmestarrer Muskel bei einer wiederholten Erwärmung in der Regel erst dann, wenn er eine Temperatur von gegen 60° C. erreicht hat, eine nennenswerte weitere Verkürzung er- fährt, die aber jetzt unvergleichlich viel langsamer und geringer ist als die erste Starreverkürzung?). Also selbst wenn man an- nehmen wollte, dass beim schnellen Durchtauchen oder kurzdauernden Eintauchen in Flüssigkeiten von 60 bis 30°C. sich die oberflächlichen Muskelfasern bis gegen 60° C. erwärmten?), so könnte doch diese zweite Verkürzung nur eine um ein Vielfaches niedrigere und lang- samere Verkürzung bewirken als eine etwas schwächere erste Er- wärmung. Also die Wiederholung derselben thermischen Kontraktion an demselben Präparat ist nach Mayer’s Hypothese nicht erklärbar. d) Die Undurchführbarkeit der Mayer’schen Hypothese lässt sich ferner zahlenmässig beweisen durch die Kraftmessung mehrerer nacheinander an demselben Präparat erzielten thermischen Kontrak- tionen. Wir wollen an den Versuch 7 mit Fig. 8Sa—d 8. 347) anknüpfen: In dem Versuch fanden vier schwächere und eine stärkere thermische Kontraktion statt; eine nach ihnen vorgenommene maximale elektrische Reizung fiel nicht viel geringer aus als die vor den thermischen Kontraktionen ausgeführte, Aus diesen wie.aus allen derartigen Versuchen ist zu entnehmen, dass die Summe der durch wiederholte thermische Kontraktionen des- selben Präparates erzielten Kraftleistungen um ein mehrfaches grösser ist als die durch Wärmestarre des- selben Objektes zu erreichende Kraftsumme. Das lässt sich beweisen auf Grund der folgenden drei unanfechtbaren Voraus- setzungen: 1) 1. ec. S.511 und Fig. 5 und 6. 2) Gotschlich, 1. c. S. 124; ferner v. Frey, Beobachtungen über den Vorgang der Wärmestarre. Sitzungsber. d. phys.-med. Ges. zu Würzburg 1905 u. C. Inagaki, Beiträge zur Kenntnis der Wärmestarre des Muskels. Zeitschr. f. Biol. Bd. 48 S. 311. 1906. 3) Siehe hierüber auch oben S. 356. 26 * 384 Paul Jensen: 1. Eine Muskelfaser, die bei einer Temperatur von 42° C. und darüber wärmestarr geworden ist, wobei sie ihre höchste durch Erwärmung erzielbare Kraft erreicht, entwickelt bei noch- maliger Erwärmung keine merkliche Kraft mehr). 2. Die maximale durch Wärmestarre erreichbare Kraft eines Sartorius beträgt höchstens so viel wie das Doppelte der Kraft seiner maximalen elektrischen Zuckung?). 3. Die Kraft, die ein Muskel bei der Wärmestarre entwickelt, ist cet. par. der Zahl der wärmestarr gewordenen Fasern pro- portional; d. h.: liefert ein Muskel bei einer kurzdauernden Erwärmung allein?) infolge von (partieller) Wärmestarre eine Kraft von beispielsweise 25 °/0 seiner bei totaler Wärmestarre erzielbaren maximalen Kraft, so darf man daraus schliessen, dass etwa 25°/o seiner Fasern wärmestarr geworden sind usw. Sehen wir nun nach, ob sich auf Grund dieser Voraussetzungen die Kraftleistungen des Muskels in dem letztgenannten Beispiel im Sinne der Mayer’schen Hypothese auf Wärmestarre zurückführen lassen: Zunächst ist zu bemerken, dass der Muskel, entsprechend der Voraussetzung 2 und 3, bei totaler Wärmestarre (d. h. bei gleich- mässiger Beteiligung aller Fasern an der Starreverkürzung) eine maximale Kraft von höchstens 28 g geliefert hätte, da seine maximale Kraft bei elektrischer Zuckung 14 g betrug *). Beruhten die Kraftleistungen der einzelnen thermischen Kon- traktionen des Versuches 7 auf wiederholter partieller Wärmestarre, so müssten nacheinander wärmestarr geworden sein: Bei der ersten thermischen Kontraktion entsprechend einer Kraft von etwa 3°) ungefähr 10,7 °/o aller Muskelfasern; bei der zweiten 1) Vgl. Versuch 12, 13 und 14 mit Taf. IV Fig. 4, 5 und 6. 2) Bei den hier benutzten mittelgrossen Sartorien betrug die maximale durch Wärmestarre erzielbare Kraft höchstens etwas mehr als 30 g. Näheres hierüber siehe S. 357 ff. und S. 362. 3) Hierbei ist entsprechend der Mayer’schen Hypothese Rage dass bei der Erwärmung eines Muskels neben den auf Wärmestarre beruhenden Verkürzungskräften weitere (etwa. auf reversiblen chemischen Änderungen be- ruhende) Verkürzungskräfte nicht auftreten. 4) Siehe S. 347 Versuch 7 Fig. 3a. 5) Bezüglich aller Zahlenangaben für die Kraftwerte sei an das S. 3441. Ausgeführte erinnert. Weitere Untersuchungen über die thermische Muskelreizung. 385 thermischen Kontraktion, entsprechend einer Kraft von etwa 4 g weitere 14,3°/o der Muskelfasern usw., wie es folgende Tabelle angibt: Zahl der be- Thermische N | teiligsten Muskel- Kontraktion | fasern g | 0/9 erste 2 a 3 10,7 zweite ..... 4 14,3 dritte.0..2.00.00:7% 4 14,3 Vierte en, 99 | 19,6 künitee m 20 71,6 Summarı u. 36,5 | 130,5 Aus der Tabelle ersehen wir, dass der Muskel, um durch sukzessives Wärmestarrwerden seiner Fasern die Kraftsumme von 36,5 g aufzubringen, 30° mehr Fasern hätte haben müssen als er wirklich besass. Wollte man sich aber auch damit noch abfinden, so sollte man dann doch wenigstens erwarten, dass jetzt alle Fasern des Muskels wärmestarr und damit einer weiteren Kraftentwicklung nicht mehr fähig seien. Aber weit entfernt! Aus dem Erfolg der jetzt ausgeführten elektrischen Reizung des Muskels ergibt sich, auf Grund einer analogen Berechnung wie zuvor, dass immer noch 74°/o seiner Fasern ihre ursprüngliche Kraft besitzen!). Also ist der Muskel durch die fünfmalige Erwärmung nur soweit geschädigt worden, wie es der Fall sein würde, wenn etwa 26 °/o seiner Fasern wärmestarr geworden wären. Diese 26°/o Muskelfasern hätten aber bei gleichzeitigem oder in Etappen erfolgendem Starrwerden nur eine Kraftsumme von 7,3 g aufbringen können. Also eine quanti- tative Zurückführung der bei thermischen Kontraktionen freiwerdenden Kräfte auf die von der irreversiblen Wärmestarre erzeugten ist ausgeschlossen. Dass bei einer solchen wiederholten Erwärmung ein kleiner Teil der Muskelfasern wärmestarr werden und sich auf diesem Wege an der Kraftproduktion beteiligen kann, soll selbst- verständlich nicht in Abrede gestellt werden ?). 1) Vor der fünfmaligen Erwärmung zeigte der Muskel bei maximaler elek- trischer Reizung eine Kraft von 14 g, nachher von 10,5 g. 2) Dieser von der Wärmestarre etwa gelieferte Kraftanteil könnte im obigen Beispiel, entsprechend dem Betrag von 7,3 g, höchstens 20% der ganzen Kraft- summe (36,5 g) betragen, was aber in Anbetracht der bisherigen und der nach- folgenden Überlegungen wahrscheinlich viel zu hoch gegriffen ist. 386 Paul Jensen: Da demnach für die Verkürzungsphase der thermischen Kon- traktion im wesentlichen keine andere Erklärung übrig bleibt als Zurückführung auf eine reversible chemisch-physikalische Änderung der von der Temperaturänderung betroffenen Fasern, so kann auch die Tatsache, dass der elektrisch unerregbare Rohrzucker- und Alkoholmuskel usw.!) noch thermische Kontraktionen liefern, nicht als Einwand gelten. Vielmehr ergibt sich aus eben diesen Tatsachen, zugleich mit den späteren Folgerungen, der wichtige Schluss, dass der Muskel unter Umständen, wo eine elektrische Reizung nicht mehr möglich ist, durch Temperaturänderungen noch zu grossen reversiblen Verkürzungen gebracht werden kann. Wenn somit schon die Verkürzungsphase der thermischen Kon- traktion die Undurchführbarkeit der Mayer’schen Hypothese be- weist, so gilt das noch in sehr viel höherem Maasse für die 2. Verlängerungsphase. Die Wiederverlängerung des Muskels in der zweiten Phase der thermischen Kontraktion ist nach den vorliegenden Versuchen un- möglich als eine passive, durch erhöhte Dehnbarkeit oder Zer- reissung wärmestarr gewordener Fasern bedingte aufzufassen, sondern als eine aktive, auf der Umkehrung der zur Verkürzung führenden stofflich-energetischen Änderungen. Das lässt sich durch folgende Tatsachen und Überlegungen beweisen: I. Die mikroskopische Untersuchung der bei meinen neuen Versuchen benutzten Muskeln zeigte selbst nach Anwendung von Temperaturen von 80° C. keine erheblichen morphologischen Ver- änderungen. Von Zerreissungen der oberflächlichen Muskel- fasern war niemals das geringste zu bemerken, und feinere histo- logische Änderungen?) fehlten entweder ganz oder beschränkten sich darauf, dass an den dünnsten Stellen des Muskels mitunter einmal eine Faser an ihrem äusseren Rand vereinzelte kleine Partien einer körnig zerfallenen Querstreifung zeigten, die sich aber niemals um mehr als eine halbe Radiuslänge in das Innere der betreffenden Muskelfaser erstreckten. Beim nicht zu langsamen Durchtauchen durch 70° C. und niedrigere Temperaturen fehlten alle morpho- logischen Änderungen. Eine Zurückführung der Wiederverlängerung 1) Siehe S. 370 ft. 2) Vgl. hierüber Mayer, l. c. und oben S. 336 f. Weitere Untersuchungen über die thermische Muskelreizung. 387 der thermisch kontrahierten Muskeln auf Zerreissungen oder sonstige Zerstörungen von Muskelfasern ist also in meinen Versuchen ausgeschlossen. ll. Die Annahme einer passiven Wiederverlängerung lässt sich ferner besonders widerlegen durch einen Vergleich der Be- dingungen und des Charakters, den diese Verlängerung des Muskels bei der thermischen Kontraktion und bei der Wärmestarre zeigt. Und zwar wollen wir die erstere einerseits mit der totalen, anderseits mit der partiellen Wärmestarre vergleichen. Da die totale Wärmestarre die wesentlichen Eigen- schaften der wärmestarren Muskelsubstanz am deutlichsten in die Erscheinung treten lässt, so wollen wir unsere Betrachtung mit dieser beginnen, obgleich für die Zurückführung der thermischen Kontraktion auf Wärmestarre nur die partielle Starre in Frage kommen könnte. 1. Wir wollen zunächst noch einmal das Wesentliche der Be- dingungen und die Charakteristik der Wiederverlänge- rung bei der thermischen Kontraktion zusammenfassen. Da ist dann Folgendes hervorzuheben: a) Die thermische Kontraktion tritt, selbst bei grosser Belastung (20 g und auch mehr) nicht schon während der Er- wärmung ein. b) Sie kommt nur bei einer der Erwärmung folgenden Abküh- lung zustande. e) Sie verläuft in den prägnanten Fällen so schnell, dass schon in ca. 1 Sekunde 70°/o einer sehr beträchtlichen !) Ver- kürzung zurückgehen können. d) Dies alles geschieht auch bei der minimalen Belastung von 0,3 @. e) Nach Eintritt der Wiederverlängerung nach einer selbst sehr beträchtlichen Verkürzung ist der Muskel noch fähig, nahezu seine normalen elektrischen Maximalzuckungen und weitere erhebliche thermische Kontraktionen auszuführen. 2. Bezüglich der Bedingungen und der Charakteristik der Wiederverlängerung bei der Wärmestarre haben wir ausser der totalen und partiellen noch zwischen Wärmestarre bei etwa 40—50° C., bei etwa 50—65° C. und über etwa 65° C. zu unter- scheiden. 1) S. 342£. 388 Paul Jensen: a) Beginnen wir mit der Wiederverlängerung des Muskels bei totaler Wärmestarre, und zwar a) bei Temperaturen zwischen etwa 40° und 50°C. aa) Bei soleher Wärmestarre zeigt sich überhaupt keine nennenswerte Wiederverlängerung, weder während der Erwärmung noch bei der Abkühlung, selbst bei einer Belastung von etwa 20 g@. #8) Die Dehnbarkeit eines in solchem Zustande befind- lichen Muskels ist sehr gering, so dass im allgemeinen erst durch Belastung von mehr als 25g grössere Ver- längerungen resp. Zerreissungen eintreten können. Hiermit ist also gesagt, dass ein unter 45—50 °C. total wärme- starrer Muskel vollständig unfähig ist, die Erscheinungen einer ther- mischen Kontraktion zu zeigen. ß%) Wenden wir uns zur Wiederverlängerung bei totaler Wärme- starre zwischen etwa 50° und 65° C.). aa) Sie wird allein schon durch die Erwärmung des Muskels auf eine von Fall zu Fall verschiedene Tem- peratur zwischen 50° und 60°C. ausgelöst und durch Abkühlung nicht nennenswert beeinflusst. ß8P) Sie erreicht nur bei grösserer Belastung des Muskels (etwa 10 g und mehr) erheblichere Werte. yy) Sie ist dadurch ausgezeichnet, dass der Muskel in diesem Zustande irreversibel elektrisch un- erregbar ist und auch keine thermische Kontraktion mehr auszuführen . vermag. 06) Solche Verlängerungen sind auch an Muskeln zu er- zielen, die schon vor der Versetzung in Wärmestarre abgestorben waren. Dass die unter ß) geschilderte Art der Wiederverlängerung grund- verschieden ist von der Wiederverlängerung bei der prägnanten thermischen Kontraktion, liegt auf der Hand. y) Wir kommen endlich zu Wiederverlängerungen von Muskeln, die oberhalb 65°C. total wärmestarr geworden waren ?). 1) Hier und im folgenden ist abgesehen von Verlängerungen, die bei längerer Einwirkung der höheren Temperaturen infolge Auflockerung der Sehnen erfolgen ; vgl. S. 358 ff. 2) Vgl. S. 388 Ann. 1. RE | Weitere Untersuchungen über die thermische Muskelreizung. 389 aa) Sie verhalten sich bei grosser Belastung (10 8 und melır) etwa wie die unter %) behandelten Verlängerungen. ßB) Sie treten auch bei geringer Belastung auf, aber nur bei Abkühlung!). yy) Diese letzteren Verlängerungen sind sehr langsam und sehr gering!). Die unter y) angeführten Verlängerungen sind zweifellos ganz anderer Artals diejenigen bei prägnanter thermischer Kontraktion; denn erstens sind sie viel geringer und langsamer und zweitens treten sie erst oberhalb 65° C. auf, während die hohen und steilen Dekreszenten der prägnanten thermischen Kontraktionen schon beim Durehtauchen durch 60° C. erfolgen, wo der Muskel höchstens?) eine Temperatur von gegen 50°C. und auch diese nur in den ober- flächliehen Schichten erfahren kann. b) Beim Versuch einer Zurückführung der Wiederverlängerung bei thermischer Kontraktion auf partielle Wärmestarre erhebt sich zunächst die Frage nach der Zahl der Muskelfasern, die etwa wärmestarr werden müssten, um eine prägnante thermische Kontraktion zu liefern. Diese Zahl wurde schon in dem Beispiel auf S. 384f. berechnet. Dort sahen wir, dass bei einer Kontraktion mit einer Kraft von 20 g etwa 72° der Fasern wärmestarr werden. In solchem Falle würde sich der Muskel also schon fast wie ein total wärmestarrer verhalten. Daher ist eine Zurückführung der prägnanten thermischen Kon- traktion auf partielle Wärmestrare ebenfalls ausgeschlossen. b) Ergebnis. Aus dem auf S. 352—389 Ausgeführten ergibt sich mit Not- wendigkeit, dass weitaus der grösste Teil der bei der thermischen Kontraktion eines Muskels vollbrachten mechanischen Leistungen nicht durch Wärmestarre erklärt werden kann. Es bleibt daher nichts anderes übrig, als die thermische Kontraktion im wesentlichen auf eine durch die Erwärmung unmittelbar hervor- gerufene reversible chemisch-physikalische Änderung der Muskelfasern zurückzuführen. l) Siehe Gotschlich, Bemerkungen zu einer Angabe von Engelmann, betreffend den Einfluss der Wärme auf den totenstarren Muskel. Pflüger’s Arch. Bd. 55 8. 339. 189. 2) Vgl oben 8.356 f. 390 Paul Jensen: Das ist also ein analoges Ergebnis wie dasjenige, zu dem Rossi bei der Analyse der durch kurzdauernde Einwirkung von Chloro- form, Äther und Ammoniak hervorgerufenen Muskelbewegungen kam, dass diese nämlich auf einer chemischen Reizung, also einer (aktiv) reversiblen Änderung der Muskelfasern beruhen !). V. Wirkt bei der thermischen Kontraktion neben den rever- siblen chemisch - physikalischen Änderungen die Wärmestarre in nennenswertem Maasse mit? Es ist schon mehrmals darauf hingewiesen, dass bei der prägnanten thermischen Kontraktion die Verkürzung zu einem kleinen Teil durch partielle Wärmestarre mitbedingt sein kann. Wir wollen jetzt noch nachsehen, ob bei partieller Wärmestarre vielleicht auch die Bedingungen für eine merkliche Wieder- verlängerung des Muskels vorhanden sein können, ob also die Möglichkeit gegeben ist, dass eine solche, wenigstens zu einem kleinen Teil, auch bei der Wiederverlängerung des thermisch kontrahierten Muskels mitwirke. Nehmen wir beispielsweise eine partielle Wärmestarre von 30°/o der Muskelfasern an. Durch diese kommt eine mässige Verkürzung zustande, mit einer Kraft von 8—9 g?). Bezüglich der Wieder- verlängerung wollen wir zwei Fälle untersuchen, nämlich den, wo die gedachten 30 %o der Muskelfasern unterhalb 50° C. wärme- starr gemacht sind, und den, wo ein grösserer Teil dieser 30 %o der Wärmestarre oberhalb 50° C. verfallen ist. 1. Gesetzt den Fall, 30 %o der Fasern werden wärmestarr etwa zwischen 40 und 50° C. und verkürzen sich mit einer Kraft von 8,4 g°). Die wärmestarren Fasern haben dann das Bestreben ver- kürzt zu bleiben, auch bei Abkühlung und selbst bei Belastung von etwa 8,4 g*). Könnte ein Muskel, bei dem sich 30° Fasern in dieser Weise verhielten, während die übrigen stofflich in keiner Weise alteriert wären, in sich selbst die Bedingungen für eine Wiederverlängerung tragen? 1) E. Rossi, Über die Beziehungen der Muskelstarre zur Eiweissgerinnung und zur chemischen Muskelreizung. I. Zeitschr. f. Biol. Bd. 54 S. 318ff. 1910. 2) Vgl. S. 384 f. 3) Siehe S. 384 f. 4) Siehe S. 362. Weitere Untersuchungen über die thermische Muskelreizung. 391 Für eine solche könnten nur die elastischen Kräfte der nicht alterierten inneren Fasern des Muskels in Betracht kommen, die durch die verkürzten wärmestarren äusseren Schichten de- formiert sind. Diese elastischen Kräfte reichen aber offenbar nicht ohne weiteres aus, um die Verkürzungskraft von 8,4 & zu überwinden, denn sonst würde sich der Muskel überhaupt nicht verkürzen. Es bliebe daher nur die Annahme übrig, dass diese elastischen Kräfte erst durch die Abkühlung so erhöht würden, dass sie jetzt das Übergewicht über die Verkürzungskraft gewinnen. Eine solche Annahme müsste aber als völlig unbegründet abgelehnt werden, da wir ja gerade im Sinne der Mayer’schen Hypothese voraus- gesetzt haben, dass die nicht wärmestarren Fasern durch die Temperaturänderungen keine nennenswerten unmittelbaren mecha- nischen Änderungen erfahren. Es sei noch bemerkt, dass bei der isometrischen thermischen Kontraktion ein Erschlaffungsmecha- nismus der angedeuteten Art schon deshalb nicht in Betracht kommen kann, da in diesem Falle die Deformation der Innenmasse des Muskels nur gering ist. | 2. Komplizierter werden die Verhältnisse, wenn ein Teil der Muskelfasern eine erheblich über 50° C. liegende Temperatur er- reicht, da dann eine Schicht nach innen angrenzender Fasern zu- gleich wärmestarr unter 50° C. werden muss. Nehmen wir an, etwa 15 °/o der Fasern des ganzen Muskels seien wärmestarr zwischen 65 und 50° C. geworden und ebenfalls etwa 15°/o ebenso zwischen 50 und 40° C. Die Belastung betrage 0,5 @. Unter diesen Bedingungen werden die 15% auf 65—50° C. erhitzten Fasern sich zuerst verkürzen und dabei ungefähr eine Kraft von 4,2 g!) aufbringen. Dann wird aber, nach Überschreitung einer Temperatur von etwa 50°C. dureh die jetzt vermehrte Dehnbarkeit der Fasern die Möglichkeit einer Wiederverlängerung dieser Fasern gegeben sein. Diese wird aber praktisch gleich Null sein, da ein Muskelfaserkomplex, auch wenn er zwischen 65 und 50° C. eine erhebliche Zunahme seiner Dehnbarkeit erfährt, doch noch mindestens !/ seiner grössten bis dahin erreichten Kraft behält?); das wäre in unserem Falle immer noch mehr als 1 2°). Die 15°/o zwischen 1) Vgl. S. 390. 2) Das ergibt sich aus Fig. 11—16. 3) Nämlich = 8. 399 Paul Jensen: 40 und 50° C. wärmestarr gewordenen Fasern baben ferner das Bestreben, mit einer Kraft von 4,2 g verkürzt zu bleiben. Somit ergibt sich bei der Belastung des Muskels mit 0,5 g folgende Sachlage: Die über 50°C. erhitzten Fasern sind zwar dehn- barer als zuvor geworden, aber die Belastung von 0,5 & würde nicht ausreichen, um eine merkliche Dehnung herbeizuführen; einer Wieder- verlängerung wirken aber sehr entschieden entgegen, die durch Wärmestarre unter 50° C. mit einer konstanten Kraft von 42 & verkürzten Fasern; im Sinne einer Verlängerung endlich betätigen sich die 70°/o nach unserer Voraussetzung nur passiv deformierten Binnenfasern vermöge der so in ihnen erzeugten elastischen Kräfte. Es erhebt sich nun die Frage, ob diese elastischen Kräfte so gross sind, dass sie die obengenannten Verkürzungskräfte von 4—5 8 überwinden können? Will man diese Frage bejahen, wozu man sich wohl nicht leicht entschliessen wird, so kann man also bei einem Muskel, der etwa in der geschilderten Weise wärmestarr geworden ist, eine Wiederverlängerung annehmen, die aber gewiss nur sehr sering und langsam sein wird. Und es wäre ferner denkbar, dass diese Wiederverlängerung nur im Anschluss an eine Abkühlung zu- stande käme, indem durch sie das Fortschreiten der Wärmestarre nach dem Inneren des Muskels gehemmt und so den passiv de- formierten inneren Fasern die erforderliche Zeit gelassen würde, die wärmestarren Faserkomplexe zu strecken. VI. Thermische Reizung oder unmittelbare thermische Einwirkung auf die Muskelfibrillen ? Wir kommen endlich zur Frage, ob die thermische Kontraktion auf einer Reizung im gewöhnlichen Sinne, also einer Stoffwechsel- änderung des Sarkoplasmas und der Fibrillen beruht oder vielmehr vorwiegend oder sogar ausschliesslich auf einer unmittelbaren ther- mischen Beeinflussung der Fibrillen, indem das Sarkoplasma nur der Zuleitung der Wärme diente. Eine Reihe von Erfahrungen könnte uns vielleicht zunächst der letzteren Annahme geneigt machen: nämlich die Tatsache, dass der durch Auslaugen in Rohrzuckerlösung!) und der durch Narkose?) reversibel elektrisch unerregbar gemachte Muskel, ja selbst der durch 1) Siehe oben S. 370f. 2) Siehe oben S. 371f. Weitere Untersuchungen “über die thermische Muskelreizung. 393 tödliche Abkühlung !) irreversibel elektrisch unerregbare Muskel noch eine prägnante thermische Kontraktion zeigen. Es liesse sich etwa vorstellen, dass bei einem Muskel, der nicht mehr elektrisch reizbar ist, das Sarkoplasma überhaupt nieht mehr in Erregung versetzt werden könne und sich somit durch Stoffwechseländerungen nicht mehr an der Muskelkontraktion beteilige.e. Wenn der Muskel trotz- dem noch zur thermischen Kontraktion zu bringen ist, so müsse diese unmittelbar durch eine Erwärmung und Abkühlung der Fibrillen hervorgerufen werden. Gegen eine solche Vorstellung sprechen aber verschiedene Gründe: 1. Am schwersten fallen hier wohl ins Gewicht die neueren Feststellungen von A. V. Hill, dass unter bestimmten Um- ständen fast die ganze Energie, die bei dem Verkürzungs- :vorgang des Muskels umgesetzt wird, freie Energie und zwar mechanische Energie ist, und dass die Hauptproduktion von Wärme erst in der Erschlaffungsphase der Muskeltätigkeit auftreten kann?). Das widerstreitet in zweifacher Hinsicht der An- nahme einer unmittelbaren thermischen Verkürzungsreaktion der Fibrillen, wie überhaupt jeder „thermodynamischen“ Verkürzungs- theorie im Sinne Engelmanns°), denn wir finden in dem ge- dachtenFalle nicht nur eine Verkürzung des Muskels resp. Ent- wicklung von Verkürzungskraft ohne eine grössere vorhergehende ‘oder gleichzeitige Wärmeproduktion, sondern vielmehr wird ganz vorwiegend nur während der Erschlaffung Wärme gebildet. Daraus muss man schliessen, dass die Erwärmung nicht dasjenige ist, was die Fibrillen zur Verkürzung bringt, sondern dass die Er- wärmung unter Umständen eher die Erschlaffung begünstigt. Beiläufig möchte ich bemerken, dass ich den schon von A. Fick segen die thermodynamische Quellungstheorie Engelmanns er- hobenen und häufig zitierten Einwand *) nicht glaube für meine hier vorliegende Beweisführung in Anspruch nehmen zu dürfen. Denn 1) Siehe oben 8. 372 ff. 2) A. V. Hill, Journ. of Physiol. vol. 40 p. 389. 1910; vol. 42 p. 1. 1911; vol. 44 p. 466. 1912; vol. 46 p. 28. 1913; vol. 47 p. 305. 1913/14. 3) Th. W. Engelmann, Über den Ursprung der Muskelkraft, II. Auf. Leipzig 1893. 4) A. Fick, Einige Bemerkungen zu Engelmann’s Abhandlung über den Ursprung der Muskelkraft. Pflüger’s Arch. Bd. 53. 1893, und ferner Bd. 54. 1893. 594 Paul Jensen: dieser Einwand!) ist nicht unbedingt stichhaltig: er würde nur unter der Voraussetzung gelten, dass die ganze bei der Verkürzung des Muskels auftretende freie Energie direkt und ausschliesslich aus der chemischen Energie herstamme, die im Beginn der Kontraktionsphase der Muskelerregung umgesetzt wird; indem diese chemische Energie zuerst vollständig in Wärme verwandelt werde, von der dann entsprechend dem mechanischen Wirkungsgrad der Muskelmaschine die ganze mechanische Arbeit bestritten werde. Diese Annahme, dass die gesamte mechanische Energie des Muskels aus dem genannten Wärmequantum gewonnen werde, ist aber für die thermodynamische Quellungstheorie nicht unbedingt notwendig. Denn es wäre auch möglich, dass die Erwärmung nur das „aus- lösende“* Moment darstellte, das die Umwandlung einer anderen potentiellen Energiemenge, beispielsweise der Quellungsenergie, in mechanische Arbeit veranlasse ?). Es erhebt sich dann die Frage, wie die Auslösung stattfindet und auf welche Weise die Quellungsenergie immer wieder angesammelt wird. Die „potentielle Quellungsenergie“, d.h. die Energie des Systems: quellungsfähige Substanz + ein davon räumlich ge- trenntes Quantum Wasser könnte beispielsweise entweder in der Weise „ausgelöst“ werden, dass die vorher sehr geringe Quellungs- geschwindigkeit durch die Erwärmung beträchtlich erhöht wird ?); oder so, dass ihr Quellungsmaximum erheblich vergrössert wird, sei es unmittelbar durch die Temperaturerhöhung ®), sei es durch 1) Der gedachte Einwand lautet etwa: Die mechanische Energie des tätigen Muskels kann nicht aus Wärme entstehen, da man sonst ein unwahrscheinlich grosses Temperaturgefälle im erregten Muskel annehmen müsste, um den be- trächtlichen mechanischen Wirkungsgrad des Muskels herauszubringen. 2) Diese Ansicht ist implizite in der schon früher von mir wiederholt ge- äusserten Hypothese enthalten, dass ein Teil der bei der dissimilatorischen Spaltung freiwerdenden Energie für die nachfolgenden Assimilationsprozesse der kontraktilen Substanzen verwendet werde; vgl. P. Jensen, Pflüger’s Arch. Bd. 87 S. 382 Anm. 1. 1901; ferner Ergebn. d. Physiol. Bd. 1 S. 42 Anm. 1. 1902, und Deutsches Arch. f. klin. Med. Bd. 77 S. 248 und 272. 1903. Neuer- dings sind auch von A. Bethe, Pflüger’s Arch. Bd. 142 S. 334f. 1911, und W. Pauli, Kolloidchemie der Muskelkontraktion S. 18. Dresden und Leipzig 1912, verwandte Anschauungen geäussert worden. 3) Vgl. A. Müller, Handb. d. angew. physik. Chemie Bd. 8 S. 102. Leipzig 1907. 4) Das wäre wohl nicht wahrscheinlich. Weitere Untersuchungen über die thermische Muskelreizung. 395 eine von der letzteren bewirkte chemische Änderung der quellungs- fähig gedachten Fibrillensubstanz. Die Wiederherstellung der poten- tiellen Quellungsenergie würde dann jedesmal den Hauptarbeits- aufwand erfordern, für den der grösste Teil der bei dem gesamten Erregungsprozess umgesetzten chemischen Energie Verwendung fände. Auf Näheres sei hier nicht eingegangen. Wenn somit der Fick’sche Einwand gegen die thermodynamische Theorie Engelmann’s nicht stichhaltig ist und daher auch nicht gegen die Auffassung der thermischen Kontraktion als einer unmittel- baren thermischen Reaktion der Fibrillen (etwa einer thermischen Quellung) ins Feld geführt werden kann, so werden doch, wie schon oben betont, alle Anschauungen der letztgenannten Art durch die erwähnten Feststellungen A. V. Hill’s ausgeschlossen. 2. Ferner spricht gegen die Auffassung der thermischen Kon- traktion als einer unmittelbaren thermischen Beeinflussung der Fibrillen der Umstand, dass bei den ohne Verkürzung abgestorbenen resp. starr- gewordenen Muskeln eine thermische Kontraktion nicht mehr möglich ist!). Das legt die Vermutung nahe, dass chemische Änderungen des lebenden Muskels, bei denen man wohl besonders an solche des Sarkoplasmas denken wird, bei der thermischen Kontraktion eine wesentliche Rolle spielen. 3. Diese Vermutung wird unterstützt durch die von Fletcher ermittelte Tatsache, dass bei der Erwärmung eines Muskels sehr beträchtliche Mengen Milchsäure gebildet werden: Muskeln, die 1 Stunde lang auf einer Temperatur von 40° C. gehalten worden sind, zeigen einen mehr als doppelt so grossen Milchsäuregehalt wie durch Tetanus stark ermüdete?). Mag man nun die Milchsäure als „Verkürzungssubstanz“ ansehen oder nicht, jedenfalls weist ihre reichliche Entstehung auf intensive chemische Prozesse hin, die von der Mehrzahl der Autoren in das Sarkoplasma verlegt werden dürften. Wir können in dieser Hinsicht für die Wärmewirkung wohl Ähn- 1) Vgl. oben S. 366 ft. 2) W. M. Fletcher and F.G. Hopkins, Lactic acid in Amphibian muscle. Journ. of Physiol. vol. 35 p. 247. 1906/07. Während der ruhende möglichst un- geschädigte Muskel durchschnittlich 0,03 %/o Zinklaktat und der stark ermüdete durchschnittlich 0,22 %0 lieferte, enthielt der 1 Stunde lang auf 40° C. erwärmte Muskel durchschnittlich etwa 0,45°0 Zinklaktat. 396 Paul Jensen: liches annehmen wie für die Chloroformstarre, da bei beiden die Milchsäureproduktion etwa denselben Wert erreicht). Demnach kommen wir zu dem Ergebnis, dass die thermische Kontraktion nieht auf einer unmittelbaren thermischen Einwirkung auf die Fibrillen beruhen kann, sondern jedenfalls vorwiegend auf eine am Sarkoplasma angreifende Reizwirkung zurückzuführen ist. E. Über den Mechanismus der thermischen Reizung. Versuchen wir uns ein Bild vom Mechanismus der thermischen Reizung zu machen, so haben wir zunächst zu der schon früher er- wähnten Tatsache?) Stellung zu nehmen, dass bei der Erwärmung eines Muskels neben der relativ langsam verlaufenden thermi- schen Kontraktion flinkere, zum Teil rhythmische Zuckungen auftreten können. Diese beiden Formen von thermischen Reaktionen erionern offenbar an Erscheinungen, die bei chemischer Reizung, z. B. mit Nikotin, vorkommen. Hier hat Langley ähnliche zwei Kontraktionsformen gefunden, die er als „tonische Kontraktionen“ und als „Zuckungen“ unterscheidet®). Dass unter gewissen Be- dingungen auch bei mechanischer und elektrischer Reizung solche verschiedene Kontraktionen zu beobachten sind, ist lange bekannt ?). Ob diese beiden Formen von Muskelbewegungen prinzipiell von- einander verschieden sind, d. h. ob zwischen ihnen keine Übergänge bestehen, möge hier unerörtert bleiben. Wenden wir uns zunächst wieder zu den beiden verschiedenen thermischen Reaktionen des Muskels. Hier sind für die Erklärung zwei Möglichkeiten gegeben: entweder sind es zwei verschiedene Bewegungsmechanismen resp. Stoffkomplexe, an denen sich die flinken Zuckungen und die langsameren thermischen Kon- traktionen vollziehen, oder es ist im wesentlichen derselbe Mechanismus resp. Stoffkomplex, nur in etwas verschiedenen Zu- ständen resp. unter verschiedenen Bedingungen. 1) Siehe S. 395 Anm. 2. 2) Siehe S. 344 und 350 und Textfig. 5a und Taf. IV Fig. 1, 2 und 3. 3) J. N. Langley, On the contraction of muscle, chiefly in relation to the presence of „receptive“ substance. I. Journ. of Physiol. vol. 36 p. 347. 1907/08; II. Journ. of Physiol. vol. 37 p. 165. 1908; III. vol. 37 p. 285. 1908. 4) Eine Übersicht hierüber findet man bei P. Jensen, Über thermische Muskelreizung. Zeitschr. f. allgem. Physiol. Bd. 9 S. 480 ff. 1909. Weitere Untersuchungen über die thermische Muskelreizung. 397 1. Was die erste der genannten Möglichkeiten betrifft, so ist an Theorien nach Art der von Bottazzi zu denken, der das Sarkoplasma als den Erzeuger der langsamen Kontraktionen und die Muskelfibrillen als den der flinken Zuckungen anspricht!). Diese dualistische Theorie, wie ich sie kurz nennen will, erscheint zunächst einfach, erfordert aber, wenn man mit ihr operieren will, wieder allerhand Hilfshypothesen. Man müsste, um z. B. den mannigfaltigen Erscheinungen der elektrischen Zuckungen und des Tetanus gerecht zu werden, wohl annehmen, dass das Sarkoplasma im allgemeinen schwerer zur Kontraktion zu bringen sei als die Fibrillen. Dem widerspricht aber das Verhalten bei der thermischen Reizung: hier treten die langsamen Kontraktionen schon bei sehr geringen Temperaturen ?) ein, während schnelle Zuckungen erst bei 37° C. beobachtet wurden®). Ferner ist zu bedenken, dass die Erregung, um zu den Fibrillen zu gelangen, das Sarkoplasma zu passieren hat; es müsste also bei der Zuckung, wo sich doch die Fibrillen wohl allein kontrahieren sollen, das Sarkoplasma erregt werden ohne sich zu kontrahieren, was wieder Hilfshypothesen ver- langt. Sodann ergeben sich Schwierigkeiten für die dualistische Theorie aus folgendem Umstande: Verkürzungen und Kraftleistungen des Muskels, die diejenigen seiner maximalen elektrischen Zuekung übertreffen, also nach der dualistischen Theorie auf ein Zusammen- wirken von Sarkoplasma und Fibrillen zurückzuführen wären, ver- laufen bald schnell (elektrischer Tetanus) bald langsam (thermische Kontraktion); es ist aber nach der dualistischen Theorie nicht zu verstehen, warum hier bald die langsame Sarkoplasmabewegung durch die Fibrillenzuekung verdeckt wird und bald das Umgekehrte der Fall ist. Andere Bedenken gegen diese Theorie habe ich früher seäussert ®). 2. Daher möchte ich mich vorläufig jedenfalls für die andere der beiden gedachten Theorien entscheiden, die ich kurz die unistische nennen will: hiernach würde es von dem augen- blieckliehen Zustande der Muskelsubstanz und von der 1) Phil. Bottazzi, Über die Wirkung des Veratrins und anderer Stoffe auf die quergestreifte, atriale und glatte Muskulatur. Arch. f. Physiol, 1901 S. 377. 2) Siehe oben 8. 352. 3) Siehe oben S. 344 (Versuch 4), S. 350£. (Versuch 9) und S. 357 (Versuch 12), 4) Siehe P. Jensen, Über thermische Muskelreizung. Zeitschr. f. allg. Physiol. Bd. 9 $.483. 1909. Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd. 160. 27 398 Paul Jensen Reizart abhängen, ob schnelle oder langsame Bewegungen, in unserem Falle also „thermische Zuckungen“ oder „thermische Kon- traktionen“ erfolgen. Um das näher zu erläutern, sei zunächst an gewisse Eigen- tümlichkeiten der thermischen Kontraktion als eines Vertreters der langsamen Kontraktionen angeknüpft. Von solchen Eigentümlichkeiten treten nach den bisherigen Untersuchungen zwei besonders hervor, die mir überhaupt von allgemeiner Bedeutung für das Problem der Muskelreizung zu sein scheinen, nämlich a) die Tatsache, dass die thermische Erregung von der er- wärmten Stelle zur nicht erwärmten im allgemeinen nicht fortgeleitet wird !), und b) dass eine thermische Reizung noch möglich ist, auch wenn die Erreebarkeit für elektrische Reize reversibel völlig aufgehoben, ja selbst wenn sie unter bestimmten Bedingungen irreversibel verschwunden ist ?). Diese beiden Eigentümlichkeiten der thermischen Reizung, die in ähnlicher Weise auch der chemischen Reizung?) mit Chloroform, Äther usw. und der mechanischen Reizung durch allseitige Kom- pression*) zukommen dürften, lassen darauf schliessen, dass es neben den Reizungsvorgängen, die mit lokalen Konzentrations- änderungen von kKristalloiden Elektrolyten resp. Ionen beginnen, wie es wohl bei der elektrischen Reizung der Fall ist, auch solche vorkommen, wo die Erregung auf anderem Wege in Gang gesetzt wird. Für die langsame thermische Kontraktion liegt es nahe anzunehmen, dass sie nicht mittels Elektrolyt- verschiebungen zustande kommt, und zwar wegen der beiden oben- 1) Siehe P. Jensen, 1. c. S. 466. 2) Siehe S. 370 ff. und S. 372 fi. 3) Dass ein reversibel elektrisch unerregbarer Muskel noch chemisch reizbar sein kann, lässt sich aus den Versuchen von E. Rossi (Über die Beziehungen der Muskelstarre zur Eiweissgerinnung und zur chemischen Muskelreizung. I. Zeitschr. f. Biol. Bd. 54 S. 326. 1910) entnehmen; ob das auch für die irreversibel elek- trisch unerregbaren gilt, ist nicht mit Sicherheit zu erkennen (vgl. den II. Teil der Untersuchungen von E. Rossi in Zeitschr. f. Biol. Bd. 56 S. 256. 1911). Ob die durch chemische Reize bewirkte Erregung sich in normaler Weise fortpflarzt, scheint mir noch nicht untersucht, aber in Anbetracht ihres ganzen Verhaltens unwahrscheinlich zu sein. 4) Siehe U. Ebbecke, Wirkung allseitiger Kompression auf den Frosch- muskel. Pflüger’s Arch. Bd. 157 8. 93 ff. 1914. Weitere Untersuchungen über die thermische Muskelreizung. 399 senannten Eigentümlichkeiten; nämlich einerseits deshalb, weil der thermische Reiz auch noch am ausgelaugten, elektrisch nicht mehr reizbaren Rohrzuckermuskel anzugreifen vermag, und andererseits deshalb, weil die thermische Kontraktion sich auf die nicht vom Wärmereiz getroffenen Muskelfasern nicht fortpflanzt, was man eben- falls am einfachsten auf ein Ausbleiben von Elektrolytverschiebungen zurückführen kann. Von solehen Verschiedenheiten der Reizungsweisen, wie sie hier eben angedeutet wurden, könntevielleicht sanz allgemein der Unterschied zwischen flinker Zuekung und langsamer Kontraktion abhängen. Es sei mir gestattet darzulegen, wie sich eine derartige Hypothese etwa gestalten würde. Gehen wir aus von dem, was meines Erachtens diesen beiden Reizungsweisen und überhaupt der Mehrzahl!) der unter sehr ver- schiedenen Bedingungen stattfindenden Erregungsvorgänge des Muskels gemeinsam ist: Mag die Erregung durch Verschiebung der im Muskel befindlichen Elektrolyte zustande kommen, wie das bei der elektrischen Reizung der Fall zu sein scheint ?); mag sie durch den Mangel an Ca oder durch Einwirkung von Na,C0O, oder Na;HPO, bedingt sein, was sich im Auftreten von spontanen, fibrillären und rhythmischen Zuckungen äussert?); mag sie auf Aus- troeknung oder übermässiger Wasserzufuhr beruhen, die zu fibrillären Zuckungen führen; mag sie in einer durch Chloro- form, Äther usw. hervorgerufenen langsamen Kontraktion zum Ausdruck kommen); mag sie durch Nikotin usw.’) bewirkt sein, also teils in Zuckungen teils in langsamen Kontraktionen in die Erscheinung treten; mag sie bei allseitiger Kompression mehr oder minder langsame Kontraktionen veranlassen %); mag sie 1) Ob einige Erregungsvorgänge auszunehmen sind, mag hier dahingestellt bleiben; vgl. auch S. 402 Anm. 1. 2) Über diese wohl hauptsächlich von Hermann begründete und von Nernst genauer formulierte Theorie und was mit ihr zusammenhängt siehe z. B. R. Höber, Physikalische Chemie der Zelle und der Gewebe, 4. Aufl., S. 552ff. Leipzig und Berlin 1914. 3) Eine Übersicht hierüber bei M. v. Fr ey, Handb. d. Physiol. des Menschen von W. Nagel Bd. 4 S. 506. Braunschweig 1907. 4) Siehe E. Rossi, |. c. 5) Siehe J. N. Langley, l. c. . 6) Siehe U. Ebbecke, |. c. Due 400 Paul Jensen: bei der Erwärmung Zuckungen oder langsame thermische Kon- traktionen zur Folge haben usw.: immer, scheint mir, kann man das Zustandekommen der Erregung zurückführen auf eine Erhöhung der Labilität desjenigen Stoffkomplexes, der nach der Ansicht verschiedener Autoren gewissermaassen die „treibende Kraft“ des Stoffwechsels darstellt und den ich möglichst allgemein als „labilen Komplex“ bezeichnen will!). Diese Erhöhung der Labilität, die in irgendeiner chemisch-physikalischen Änderung des labilen Kom- plexes bestehen mag, hat zur Folge, dass letzterer sich jetzt mit einer grösseren Geschwindigkeit von selbst?) umsetzt. Und bei dieser Umsetzung könnte beispielsweise, um an eine bekannte Vor- stellung anzuknüpfen, im Sarkoplasma Milchsäure entstehen und zu einer Säurequellung der Fibrillen führen °). Je nachdem nun, ob die Reizung des Muskels zu einer Zuckung oder zu einer langsamen Kontraktion führt, ist nach der vor- liegenden Hypothese die chemisch-physikalische Änderung des labilen 1) Andere Bezeichnungen für verwandte Begriffe sind: „Lebendiges Eiweiss“ (E. Pflüger), „Biogen“ (M. Verworn), „Bioproteide* (P. Jensen), „unstable substance* (A. V. Hill). Derartige Anschauungen sind jüngst von Höber (Physikalische Chemie der Zelle und der Gewebe, 4. Aufl., S. 663. Leipzig und Berlin 1914) kategorisch abgelehnt worden. Wenn sich dieser Widerspruch nur gegen die Vorstellung richtet, dass diese „labilen Substanzen“ das „spezifisch Lebendige“ seien, oder dass „sich gerade an ihnen das Leben abspiele“ u. dgl., so kann man dem nur beipflichten (vgl. P. Jensen, Artikel „Leben“ im Hand- wörterbuch der Naturwissenschaften Bd. 6 S. 68f. und 83f. Jena 1912). Anders, wenn das Postulat eines „labilen Komplexes“ überhaupt geleugnet und das grosse Problem der „Reizbarkeit“ durch den Hinweis auf Enzyme erledigt wird. Dann müsste doch wenigstens irgendein Weg angegeben werden, wie man sich mit Hilfe von Enzymen die Reizbarkeit in allen ihren Äusserungsweisen ver- ständlich machen könnte. 2) Danach bestände kein wesentlicher Unterschied zwischen „auto- matischen“ oder „spontanen“ und den durch „Reize“ und sonstige Faktoren bedingten „Erregurgen“ oder besser „physiologischen Schwankungen der statio- nären Lebensprozesse“ (vgl. P. Jensen, Artikel „Leben“ im Handwörterbuch der Naturwissenschaften Bd. 6 S. 72 und 76ff. Jena 1912). 3) Ob diese Theorie, die unter den vielen heutigen Kontraktionstheorien zurzeit wohl am meisten einnimmt (vgl. auch P. Jensen, Artikel „Allgemeine Physiologie der Bewegung“ im Handwörterbuch der Naturwissenschaften Bd. 1 S. 1062ff. Jena 1912), richtig ist, erscheint noch sehr unsicher; vgl. auch die neueren Bedenken von G. Schwenker, Über Dauerverkürzung quergestreifter Muskeln, hervorgerufen durch :chemische Substanzen. Pflüger’s Arch. Bd. 157 S. 414ff. und 448. 1914. Weitere Untersuchungen über die thermische Muskelreizung. 401 Komplexes, die zur Erregung und ihrem mechanischen Erfolg führt, eine verschiedene; im ersteren Falle geht diese Änderung, um einen ganz allgemeinen Ausdruck zu gebrauchen, mit Mobilisierung von Elektrolyten einher, im anderen Falle ohne Mobili- sierung von Elektrolyten. Betrachten wir diese beiden Fälle etwas näher: 1. Erregungen „mit Mobilisierung von Elektrolyten‘“ stelle ich mir in zweierlei verschiedener Weise zustande kommend vor; die eine Art dürfte z. B. bei der polaren elektrischen Erregung verwirklicht sein, die andere bei der Reizung eines noch ruhenden Muskelfaserabschnittes durch einen benachbarten bereits erresten. Im ersteren Falle, wobei wir an die Kathodenschliessungserregung denken wollen, könnte diese so entstehen, dass die frei im Muskel befindlichen (nieht etwa die durch chemische Umsetzungen bei der Erregung erst freiwerdenden) Elektrolyten !) resp. Ionen durch den Reizstrom lokale Anhäufungen erfahren, durch die daselbst die Er- höhung der Erregbarkeit des labilen Komplexes und damit seine Umsetzung herbeigeführt wird. Durch eine derartige Hypothese liesse sich das Auftreten der Erregung an einer Reizelektrode, nicht aber ihre Fortleitung verständlich machen. Wenden wir uns zu dem zweiten oben angeführten Fall, nämlich der Fortleitung der zuvor besprochenen polaren Erregung oder mit anderen Worten, der Reizung eines noch ruhenden Muskelabschnittes durch einen erregten. Hier können wir von der Hermann’schen Theorie?) der Erregungsleitung durch kurzgeschlossene Aktionsströme Gebrauch machen. Im Anschluss an diese Theorie könnte man etwa folgendermaassen sagen: Die Mobilisierung von Elektrolyten kommt hier erst durch die Umsetzung des labilen Komplexes infolge des Reizes zustande: bei dieser Umsetzung könnten Elektrolyten frei werden, die unter Mitwirkung der schon vorher disponiblen Elektro- lyten kurzgeschlossene Aktionsströme entstehen lassen; diese schaffen zu den bisher noch ungereizten Teilen des Muskels gewisse Elektro- lyten, durch die daselbst die Empfindlichkeit des labilen Komplexes soweit erhöht wird, dass jetzt seine Umsetzung von selbst erfolgt. 1) Hierbei kommen sowohl die Elektrolyten der „Zwischenflüssigkeit“ als auch diejenigen des Sarkoplasmas und der Fibrillen in Betracht. 2) L. Hermann, Kleinere Beiträge zur Kenntnis der polaren Erregung und des galvanischen Wogens am Muskel. Pflüger’s Arch. Bd. 45 S. 593. 1889. 402 Paul Jensen: Wenn nun z.B. bei der elektrischen Reizung die Erregung mit Mobilisierung von Elektrolyten in der geschilderten Weise vonstatten geht, indem sie in der vorhin geschilderten Weise zunächst bei der Reizelektrode beginnt und dann von Querschnitt zu Querschnitt fort- geleitet wird, so findet unter weiteren bestimmten Bedingungen eine Verkürzung mit der für die Zuekung charakteristischen Geschwindig- keit statt: wenn nämlich in der ganzen Muskelfaser normale Erreg- barkeit und Leitungsfähigkeit vorhanden sind. Und es ist wohl ver- ständlich, dass unter diesen Umständen auch die Geschwindigkeit der Wiederverlängerung der Faser derjenigen der Verkürzung entspricht. Ähnlich wie bei der elektrischen Reizung mag der Erregungs- vorgang, sofern er sich in einer Zuckung äussert, auch bei der chemischen, thermischen und bei manchen Fällen von mechanischer !) Reizung verlaufen. Verschieden ist nur die Art und Weise, wie an der primär vom Reiz getroffenen Stelle durch die verschiedenartigen Einwirkungen (Wasserentziehung, Einwirkung von Salzen und Giften, Erwärmung, Erschütterung, Druck mit Deformation) die zur Um- setzung des labilen Komplexes führende Erhöhung seiner Labilität veranlasst wird ?). 2. Unter Erregung „ohne Elektrolytmobilisierung“ denke ich mir eine solche, wobei die kristalloiden Elektrolyte nicht eine so hervorragende Rolle spielen, wie zuvor angedeutet. Damit soll durchaus nicht iu Abrede gestellt werden, dass sie sich auch am Reizungsvorgang beteiligen, vielmehr ist mit der obigen Be- zeichnung nur gemeint, dass die Art der Beteiligung der Elektrolyten eine andere und quantitativ geringere ist. Und zwar könnte man sich etwa folgendes vorstellen: Bei der Erregung ohne Elektrolyt- mobilisierung besteht die Wirkung des Reizes darin, dass er lokal die Labilität des labilen Komplexes erhöht und so seine Umsetzung herbeiführt, ohne dass hierbei an der gereizten Stelle in genügendem Maasse freie Elektrolyten angehäuft und gebundene freigemacht werden, um durch Aktionsströme die Nachbarschaft zu erregen. In dieser Art könnte man vielleicht ganz allgemein den chemischen 1) Im Bereich der mechanischen Reizung (Erschütterung, Stoss, Druck mit Deformation, allseitige Kompression ohne Deformation) dürfte es recht ver- schiedene Reizungsarten geben, vielleicht noch mehr als bisber besprochen; vgl. auch 8. 399 Ann. 1. 2) Vgl. oben S. 400. Weitere Untersuchungen über die thermische Muskelreizung. 403 Vorgang charakterisieren, der der langsamen Kontraktion zugrunde liegt. Mittels der angedeuteten Hypothese lässt sich zunächst die Tat- sache erklären, dass die Erregung sich bei der langsamen ther- mischen Kontraktion nicht durch Fortleitung innerhalb der lebendigen Substanz der Muskelfasern fortpflanzt, sondern dass statt dessen nur ein Fortschreiten der Erregung mit dem örtlichen Fortschreiten der erregenden äusseren Einwirkung stattfindet‘). Hiermit dürfte dann auch der langsame Verlauf der Kontraktion zusammenhängen, der aber vielleicht auch dadurch mitbedingt ist, dass die erregbare Substanz bei dieser Art der Umsetzung eine geringere Reaktionsgeschwindigkeit erhält als bei der Erregung mit Elektrolytmobilisierung ?). Solche langsamen Kontraktionen, die also auf Erregungen „ohne Elektrolytmobilisierung“ zurückgeführt werden können, kommen zu- nächst bei verschiedenen alterierten Muskeln vor, die nicht mehr elektrisch reizbar sind und keine Zuckungen mehr liefern. Da ist in erster Linie der Rohrzuckermuskel zu nennen, bei dem ein Teil der Elektrolyten ausgelaugt ist, weshalb hier eine Erregung ohne Elektrolytmobilisierung besonders verständlich wäre; ferner gehört hierher der reversibel elektrisch unerregbare Alkohol- muskel und der durch Abkühlen auf — 4° irreversibel elektrisch unerreebare Muskel. Aber auch elektrisch erregbare Muskeln vermögen langsame Kontraktionen, also nach unserer Hypothese Erregungen ohne Elektrolytmobilisierung, zustande zu bringen. Hier ist nochmals zu scheiden zwischen solchen, bei denen die Er- regbarkeit für den elektrischen und für jeden vom Nerven kommenden Reiz nur gering ist, und zwischen normal erreg- baren Muskeln: Bei den ersteren ist die Fähigkeit für langsame Kontraktionen unvermindert, während die für Zuckungen 1) Wie schon auf S. 398 Anm. 3 bemerkt wurde, ist es mir wahrscheinlich, dass dies nicht nur für die thermische Kontraktion sondern für alle langsamen Kontraktionen gilt. 2) Es sei hier darauf hingewiesen, dass mir die Erklärung, die Hermann (Kleinere Beiträge zur Kenntnis der polaren Erregung und des galvanischen Wogens am Muskel. Pflüger’s Arch. Bd. 45 S. 593. 1889) für die durch elektrische und mechanische Reizung bewirkten langsamen Kontraktionen gibt, nicht befriedigend erscheint; dies um so mehr, als eine Verallgemeinerung dieser Erklärung für alle langsamen Kontraktionen wegen des Vorkommens von solchen bei elektrisch unerregbaren Muskeln nicht möglich ist. Vgl. auch S. Saito, Über Dauerverkürzungen an gelähmten Muskeln. Zeitschr.f. Biol. Bd.48 S.311. 1906. 404 Paul Jensen: verschieden stark herabgesetzt erscheint, weshalb auch im allgemeinen fibrilläre, überhaupt „spontane“ Zuckungen nicht mehr möglich sind und z. B. durch Nikotin nur noch langsame Kontraktionen ausgelöst werden!). Bei den normal erregbaren Muskeln sind es besondere Arten von Reizen resp. äusseren Einwirkungen, die neben Zuckungen häufig in vorherrschendem Maasse langsame Kontraktionen zur Folge haben; das gilt in hervorragendem Grade für die Erwärmung, von der wir also anzunehmen hätten, dass sie ganz vorwiegend nur die Umsetzung des labilen Komplexes ohne Elektrolytmobilisierung be- günstige. Und dasselbe würde auch für die Wirkungen von Chloro- form, Äther2), Nikotin?) usw. und vielleicht auch von allseitiger Kompression) zu folgern sein. Wir sehen also, dass es teils vom Zustand des Muskels teils von der Art des Reizes ab- hängt, ob der Muskel mit einer Zuckung oder einer langsamen Kontraktion reagiert. Wie schon bemerkt, ist es fraglich, ob ein prinzipieller Unter- schied zwischen Zuckung und langsamer Kontraktion besteht, da, wie es scheint, Übergänge vorhanden sind. Zudem kommen gleich- zeitig und nacheinander an demselben Muskel Zuekungen und lang- same Kontraktionen vor, die sich wohl auf verschieden bedingte örtliche und zeitliche Differenzen des Erregbarkeitszustandes des Muskels zurückführen lassen. Vielleicht hängt es damit auch zu- sammen, dass eine als Zuckung beginnende Bewegung in eine lang- same Kontraktion auslaufen kann usw. Nach dieser allgemeinen Charakteristik der langsamen Kon- traktionen und ihres Verhältnisses zu den schnellen Zuckungen mögen hier noch einige Bemerkungen Platz finden, die speziell für die (langsame) thermische Kontraktion gelten. Wie schon gesagt, gehört die Wärme zu denjenigen Reizen resp. äusseren Faktoren, auf die der Muskel nach unserer Hypothese besonders leicht und vorwiegend mit einer Erregung ohne Elektrolytmobilisierung und so- mit mit einer langsameu Kontraktion reagiert. Ferner sei mir im Hinblick auf ähnliche Äusserungen von Pflüger und Engelmann?) 1) Vgl. oben S. 399 nebst Anm. 5 2) Vgl. E. Rossi, ]l. c. I. Abhandlung S. 317 ft. 8) Vgl. J. N. Langley,. cc. 4) Vgl. U. Ebbecke,l. c. 5) Siehe Th. W. Engelmann, Über den Ursprung der Muskelkraft, 1I. Aufl., S.9ff. Leipzig 1893. Weitere Untersuchungen über die thermische Muskelreizung. 405 die Bemerkung gestattet, dass der Muskel durch eine sehr kurz- dauernde!) Erwärmung selbst über eine Temperatur, bei deren etwas längerer Einwirkung eine hochgradige Wärmestarre eintreten würde, vielleicht ohne eine grössere Schädigung in Erregung ver- setzt werden könnte? Und endlich sei nochmals der Rolle der Wärme bei der Erschlaffungsphase der thermischen Kontraktion ge- dacht. Wenn wir uns daran erinnern, dass ganz allgemein auch der Erschlaffungsprozess der Muskelkontraktion bis zu einer bestimmten Temperaturgrenze durch Erwärmung beschleunigt wird?), und dass ferner nach A. V. Hill?) der Muskel während der Expansion noch einen erheblichen Betrag von Wärme produziert, die offenbar für die Restitutionsprozesse®) verbraucht wird, so erscheint es naheliegend an- zunehmen, dass die Erwärmung des Muskels zwar zunächst zur ther- mischen Verkürzung führt, dann aber nach Erreichung einer für die Assimilierung günstigen Temperatur am Ende des Dissimilierungs- prozesses nun auch die Assimilierung und die Weeschaffung der Dissimilierungsprodukte beschleunige. Zugunsten dieser Vorstellung dürfte auch die Tatsache sprechen, dass die Expansionsphase der thermischen Kontraktion infolge der Abkühlung, d. h. der Gewinnung einer für die Assimilierung günstigen mittleren Temperatur, häufig überraschend schnell einsetzt und grösstenteils mit beträchtlicher Ge- schwindigkeit verläuft. Nur hinweisen möchte ich auf die auffallende Tatsache, dass auch der durch Abkühlung auf etwa — 4°C. irreversibel elektrisch unerregbare und dicht vor der Totenstarre stehende Muskel nach der thermischen Verkürzung sogar noch eine aktive Erschlaffung, also noch Restitutionsprozesse zeigen kann. Es erhebt sich hier also die Frage, worin diese irreparable Schädigung des Muskels, die doch noch Restitutionsprozesse zulässt, bestehen mag. 1) Eine so kurzdauernde hochgradige Erwärmung ist wohl nur durch schnelles Durchtauchen durch sehr heisse in sehr kalte Flüssigkeit zu erzielen. Vgl. oben S. 341 ft. 2) Siehe hierüber z. B. F. W. Fröhlich, Über den Einfluss der Tem- peratur auf den Muskel. Iund II. Zeitschr. f. allg. Physiol. Bd. 7 S. 461. 1908, und Bd. 9 S. 515. 1909. 3) Siehe oben S. 393. 4) Zu den Restitutionsprozessen rechne ich die etwaige „sekundäre Oxy- dation“ der Dissimilierungsprodukte, die Wegschaffung der letzteren und die „kompensierende Assimilierung“ (vgl. P. Jensen, Zur Analyse der Muskel- kontraktion. Pflüger’s Arch. Bd. 86 S.51ff. 1901. 406 P. Jensen: Weitere Untersuchungen über die therm. Muskelreizung. F. Zusammenfassung. 1. Es werden der Verlauf der „thermischen Kontraktion!)*, ihre Abhängigkeit von der Belastung und ihre Kraftkurven näher untersucht und mit den Verkürzungen sowie den unter Umständen vorkommenden Wiederverlängerungen des Muskels bei der Wärme- starre im einzelnen verglichen. 2. Hierbei zeigt sich, dass die Erscheinungsweise der thermischen Kontraktion und der Wärmestarre und die Bedingungen, unter denen bei beiden Verkürzungen und Wiederverlängerungen auf- treten, scharf voneinander zu scheiden sind. 3. Ferner wird festgestellt, dass ohne Verkürzung abgestorbene (starr gewordene) Muskeln zwar noch die wesentlichen Erscheinungen der Wärmestarre, nicht aber die der thermischen Kontraktion zeigen, dass jedoch reversibel elektrisch unerregbare Muskeln, ja selbst ge- wisse irreversibel elektrisch unerregbare, sich die. Fähigkeit der thermischen Kontraktion bewahren können. 4. Das Durchsprechen aller Erklärungsmöglichkeiten der thermi- schen Kontraktion führt zu dem Ergebnis, dass diese auf einer reversiblen chemisch-physikalischen Änderung der von den Temperaturänderungen betroffenen Muskelfasern beruht, und dass diese Änderung unmittelbar durch die Wärme hervorgerufen wird (und nicht etwa durch Vermittlung „autoelektrischer Reize ?)“ usw.). Im besonderen wird auf Grund der quantitativen Bestimmung der Kraft- leistungen des Muskels bei der thermischen Kontraktion und bei der Wärmestarre nachgewiesen, dass bei der typischen thermischen Kon- traktion eine partielle Wärmestarre nur in geringem Maasse mitwirkt. 5. Die Alternative, ob es sich bei der thermischen Kontraktion um den Erfolg einer echten „thermischen Reizung“ oder um eine unmittelbare thermische Einwirkung auf die Muskel- fibrillen handle, wird zugunsten der ersteren Ansicht entschieden. 6. Aus den Eigentümlichkeiten der thermischen Reizung, zu- sammen mit solchen der chemischen Reizung, werden Schlüsse ge- zogen auf den Mechanismus der Muskelerregung im allgemeinen und der thermischen Erregung im besonderen. 7. Somit ergibt sich, dass der in der Einleitung betonte Hin- weis auf die Bedeutung der Wärme als „Reiz“ berechtist ist. 1) Vgl. oben S. 339. 2) Vgl. oben S. 378. Fhysiologie, Bd 160 wrlıı Aullıstıtı aus tag* he INURBURSRUTTULTRUTRTLRURENMITTTTTTOTETRRTINTTETRTRRRENEN t 17 lin44° Wärmestarre 20 q oa AOZ29 LLLULIEUULEUUUNUUUNNUNUUUN UN. 1 UI TELEELELL TE LITT TH HT ERUSBTTERORTeTTeeTTTeereeeoogeuureuusTORBTRRTENTTTITTTTETEROTETTRRTORTETEUTETTETTURUETTTTTTTETHTETSTLTTITTETETTTTTTTTEROESTTRRETURTURRTTUTTTITTTTTTUFTTIRTERTTTTTTTETTERTTNTETTEETERUENERUENTTUNENUEUBERTEUNTTNEEEUETERBUELUERUTEBURUERLTICKILTIETTERTELTERTEETEE rt t t 4 ! 2 t t t ! 2 2 r n39° aus inyO In 45 7 ELZ in37° T-Bg aus in 0° in 39° aus in 0° in #2 nd 145 407 (Aus dem pharmakologischen Institut der Reichsuniversität Utrecht.) Zur näheren Kenntnis des Verlaufs der post- ganglionären Sympathicusbahnen für Pupillen- erweiterung, Lidspaltenöffnung und Nickhaut- retraktion bei der Katze. Von A. de Kleijn und Ch. Socin. (Mit 3 Textfiguren.) In einer früheren Mitteilung !) berichtete einer von uns über eine Reihe von Versuchen, in welchen der Nachweis geführt wird, dass die postganglionären sympathischen Fasern für Lidspaltenerweiterung, Retraktion der Niekhaut und Pupillenerweiterung bei der Katze auf dem Wege vom Ganglion cervicale supremum zum Auge durch das Mittelohr gehen?). Sie verlaufen daselbst an der Basis des Pro- montoriums und können dort isoliert durchtrennt werden. Diese Tatsache wurde durch folgenden Versuch belegt: Bei einer Katze wird in Äthernarkose zunächst durch Reizung des Halssympathiceus die bekannte Trias: Pupillenerweiterung, Lid- spaltenöffnung und Nickhautretraktion an der gereizten Seite hervor- gerufen. Freilegung und Eröffnung der Bulla ändert an diesem Resultate nichts, ebensowenig wie das Fortmeisseln der knöchernen Scheidewand des Mittelohrs.. Kaum hat man aber die Mucosa des Mittelohrs an der Basis des Foramen rotundum zerstört, so wird jede Reizung des Halssympathieus auch mit dreimal stärkeren Strömen ganz wirkungslos. Reizung an der nicht operierten Seite hatte dann jedesmal noch den typischen Erfolge. 1) A. de Kleijn, Zentralbl. f. Physiol. Bd. 26 Nr.1. 1912. 2) Dass pupillodilatorische Sympathicusfasern durch das Mittelohr verlaufen, wurde kürzlich von Metzner und Wölfflin für das Kaninchen bestätigt. Zentralbl. f. Physiol. Bd. 23 Nr. 12 und Bd. 29 Nr. 4. 1914. 408 A. de Kleijn und Ch. Socin In der vorliegenden Arbeit sollen nun die Wege, auf welchen die postganglionären Sympathicusbahnen für das Auge vom Halse zum Mittelohr und von hier zum Auge gelangen, näher untersucht werden. In allen Versuchen wurden die Versuchstiere (Katzen) in tiefer Äthernarkose tracheotomiert und weiter mit ätherhaltiger Luft künst- lich geatmet. Dann wurden beide Karotiden unterbunden, der Hals- sympathicus einer Seite (meistens mit dem Vagus zusammen) frei- gelegt, kaudalwärts durchtrennt und in eine Sherrington-Elek- trode gelegt. Nach darauffolgender Dezerebrierung mit vollständiger Ausräumung des Grosshirns wurde ohne Äther weiter künstlich ge- atmet. Durch Reizung des Sympathicus mit schwachen faradischen Strömen liess sich an solchen Präparaten die Sympathicustrias am Auge immer deutlich hervorrufen. Nun wurde, ausgehend vom Ganglion cervicale supremum, der Verlauf der Bahn nach vorne zu in der Weise festgestellt, dass diejenigen Stellen am Halse und Schädel aufgesucht wurden, deren Zerstörung zur Aufhebung der Reaktion vom Halse aus führte. Als Kontrolle wurde Reizung der unverletzten andern Seite verwendet. Nachdem der Verlauf der Bahn bekannt war, wurde die- selbe an verschiedenen Stellen unipolar oder mit der Platinelektrode gereizt. Versuchsergebnisse. 1. Zunächst konnte festgestellt werden, dass in der Sympathicus- bahn peripherwärts von der Bulla keine Ganglienzellen mehr eingeschaltet sind. Bei einer dezerebrierten Katze wurde durch Reizung des Hals- sympathicus deutliche Reaktion von Pupille, Lidspalte und Nick- haut festgestellt. Nachdem das Tier 2 cem 1P/oige Nikotinlösung intravenös erhalten hatte, war die Reizung des Halssympathicus vom Halse aus ganz erfolglos. Durch direkte Reizung der Schleimhaut an der Basis des Promontoriums liess sich jedoch die Symptomen- trias am Auge noch hervorrufen. 2. Verlauf der Bahn vom Ganglion cervicale supremum ins Mittelohr. Nach Austritt aus dem Ganglion cervicale supremum legen sich die Fasern an die Carotis interna an, folgen derselben in den Canalis caroticus und treten aus diesem durch mehrere feine knöcherne Kanäle lateralwärts in die Bulla ein. Daselbst verlaufen sie, wie schon erwähnt, an der Basis des Promontoriums nach vorne (sa Eicası)): Zur näheren Kenntnis des Verlaufs der postgangl. Sympathicusbahnen etc. 409 In diesem ganzen Verlauf lässt sich die Bahn bei vorsichtiger Präparation isoliert darstellen... Durch elektrische Reizung dieser Fasern lässt sich dann stets die typische Symptomentrias auslösen ; nach Durehtrennung bleibt Reizung vom Halse aus erfolglos. Dieses Resultat ergab sich aus zehn vollkommen übereinstimmenden Versuchen. o ‚ Fig. 1. 1 Sympathische Fasern, 2 A. carotis interna, 3 Eintrittsöffnung der sympathischen Fasern, 4 Mittelohr, 5 Foramen rotandum. 3. Verlauf der Bahn von der Bulla bis zur Orbita. Nach ihrem Verlauf über das Promontorium tritt die Bahn in die Schädelbasis ein, verläuft im Knochen der Schädelbasis nach vorne, und zwar stets lateral vom Nervus Vidianus und tritt auch lateral von diesem Nerven ins Schädelinnere ein (s. Fig. 2). Diese Angaben gründen sich auf folgende Versuche: a) In zwölf Versuchen wurde nach der Dezerebrierung die Dura der mittleren Schädelgerube vollständig abgezogen, das 410 A. de Kleijn und Ch. Soecin: freigelegte Ganglion Gasseri samt der Radix Nervi V so- wie die drei Augenmuskelnerven in der Schädelhöhle und die Carotis exzidiert und die Schädelbasis in dem Bereich a, b, c, d Fig. 2 vollkommen blossgelegt und ausgeputzt, so dass überall der Knochen glänzend zutage lag. Prematillary, Lachrymal Canal, Lachrymal. Superior End of Ethmo-lurbfnal. Opening between Cavllies of Frontal Sinus Postorbilal Process of Frontal. Postorblital Process of Malar, Cribriform /F, ‚Piate of- Eihmord. 4 Alisphenoid, 1 Anterior Ctifoia af h Process. ENT grand Posterfor Ctnotd Mr. 3 5 2 $ ER DIE = = 4 Faramen 2 R » ; h # A _Rotundum. on ß } Groore for Sinus. Middle Laceraled Foramen. “ Foramen Ovale. 5 Ei N = 4 Alisphenoidal part Apex of Petrous of Temporal. NE : 7 > \ Tentorium. Parietal part of Tentorium. Aquzduelus Frllopii. x ’ e INNERE Auditory Mealiis. > nr R Groove for Blood-sinus. i Fossa for Lobe of Cerebeilum. - 1 ; ar = Smooth Surface for Pons Petrous of Temporal, 3 Be x Mastoid of Temporal. Jugular Foramen E : a For L«teral Sinus, - Near Operiug of Poslerior = N / e/ 1 Condyloid Foramen. = Anterior Condylold Foramen. Occipital Condyle Supraoccipllal Fig. 2. (Nach H. Jayne, Mammalian Anat. Part. 1.) Reizung des Halssympathicus rief nun noch typische Reaktion am Auge hervor. b) In vier weiteren Versuchen wurden an der ventralen Seite der Schädelbasis vor der Bulla ossea die Tuba Eustachii Zur näheren Kenntnis des Verlaufs der postgangl. Sympathicusbahnen etc. 411 und der direkt lateral von derselben eine Strecke an der Schädel- basis verlaufende Nervus Vidianus!) exstirpiert. Der Knochen konnte darauf wie im Schädelinnern von der Bulla nach vorne sowie lateral- und medialwärts völlig bloss- gelegt werden. In einem Versuch wurde darauf der N. Vidianus in seinem Verlauf durch den Knochen bis ins Schädelinnere frei- gelegt und zerstört. In allen vier Versuchen blieb nach diesen Eingriffen der Erfolg der Sympathicusreizung vom Halse aus bestehen. Die beschriebene Präparation muss mit grosser Vorsicht ausgeführt werden, da be- sonders ein allzu starkes Ziehen an der Tuba zu Aufhebung der Reaktion führen kann, vermutlich durch Zerrung an der Schleimhaut des Promontoriums. Hierdurch misslangen uns zwei Versuche. Aus a) und b) folgt, dass die Bahn in der Schädel- basis verläuft. Das wird bestätigt durch die folgenden Versuche: c) In fünf Versuchen wurde der Knochen der Schädelbasis lateral vom Verlauf des N. Vidianus an verschiedenen Stellen von oben und von unten her durchmeisselt. Dadurch konnte der Effekt der Halssympathieusreizung mit Sicherheit aufgehoben werden. Da dieser Erfolg auch eintritt, wenn die Verletzung streng auf den Ort der Durchmeisselung beschränkt ist, so ist anzunehmen, dass die gesamte Halssympathicusbahn für das Auge hier verläuft. 4. Eintrittsstelle der Sympathicusfasern in das Schädelinnere. Die Eintrittsstelle der untersuchten Bahn ins Schädelinnere liest ein wenig lateral von der Eintrittsstelle des N. Vidianus und medial vom Foramen rotundum nervi trigemini II (s. Fig. 2). Die Bahn lässt sich an dieser Stelle nicht isoliert darstellen, da sie in einer dichten Sehnenmuskelmasse eingebettet ist. Eine an dieser Stelle gesetzte Verletzung hebt den Effekt der Halssympathikusreizung mit Sicher- heit auf. Zerstörung des N. Vidianus hat dagegen, wie oben be- merkt, keinen Einfluss. 1) Der N. Vidianus verlässt bei der Katze die Bulla mit der Tuba Eustachii und verläuft darauf ein kurzes Stück frei an der Ventralseite der Schädelbasis. Weiter nimmt er seinen Weg im Knochen der Schädelbasis etwas medialwärts und tritt ins Schädelinnere an der oben bezeichneten Stelle ein (Fig. 2). 412 A. de Kleijn und Ch. Socin: 5. Weiterer Verlauf der Bahn bis zur Peripherie. Gleich nach dem Eintritt in die Schädelhöhle trennen sich die Nervenfasern für die Pupille von den der Lidspaltenerweiterung und Niekhautretraktion dienenden ab. Wir besprechen daher diese Bahnen gesondert. a) Pupillenfasern. Die Pupillenfasern treten von der Eintrittsstelle des Nerven in den Schädel aus direkt an den Ramus I Trigemini heran und verlaufen, wie wir in Übereinstimmung mit früheren Autoren an- geben können, in den Nervi eiliares longi zum Bulbus. Sie laufen also nicht durch das Ganglion Gasseri und vereinigen sich erst hinter dem Ganglion mit Trigeminus 1. Folgende Versuche demonstrieren diese Tatsache. Durchschneidung des Ramus I Trigemini dieht am Ganglion Gasseri sowie Exstirpation des Ramus II und II bis zur Peripherie sowie aller Augenmuskelnerven, des Ganglion eiliare und der Nervi ciliares breves stört den Effekt der Halssympathicusreizung nicht. Durehtrennung des Ramusl einige Millimeter peripherwärts vom Ganglion Gasseri hebt den Effekt der Reizung auf. Isolierte Reizung der Nn. eiliares longi hat partielle Pupillen- erweiterung zur Folge. In einem Versuche gelang es bei sorgfältiger Präparation des Ramus I festzustellen, dass in diesen unweit des Ganglion Gasseri zwei feine Nervenfäden eintreten, die aus der Richtung der oben beschriebenen Eintrittsstelle der Sympathieusbahn in die Schädel- höhle nach dem Stamm des Trigeminus I zu verlaufen. ß) Fasern für Lidspaltenerweiterung und Nickhaut- retraktion. Der Verlauf der Sympathieusbahn für Lider und Nickhaut von der Eintrittsstelle in den Schädel aus bis zu den Endorganen liess sich nicht isoliert feststellen. Mit Sicherheit kann ausgeschlossen werden, dass sie in einem der uns bekannten Nerven in der Orbita verläuft. Wir müssen also annehmen, dass diese Fasern als selbständige Bahn(en) zu den Endorganen gehen. Zur näheren Kenntnis des Verlaufs der postgangl. Sympathicusbahnen etc. 413 In 25 Versuchen konnte der Bulbus samt Opticeus und dessen Umgebung (Nn. eiliares longi et breves, Ganglion eiliare) sowie die vier geraden und zwei schiefen Augenmuskeln (unter Schonung ihrer Ursprungsstelle) samt Augenmuskel- nerven exstirpiert werden, ohne dass dadurch die Reaktion auf- gehoben wurde. Gleicherweise konnten der ganze Ramus I sowie Ramus II und III Trigemini bis zur Peripherie ex- stirpiert werden ohne Beeinträchtigung der Reaktion. Es ist eine sehr anschauliche Demonstration, wenn man nach “völliger Ausräumung der Orbita bis auf die Lider und die Niekhaut auf Reizung des Halssympathieus kräftige Retraktion der Niekhaut erzielt. Zusammenfassung. Die Bahn verläuft vom Ganglion cervicale supremum ein kurzes Stück mit der Carotis interna, verlässt diese dann und tritt lateral- wärts in das Mittelohr, verläuft dort an der Basis des Promontoriums medial vom Foramen rotundum nach vorne, verlässt das Mittelohr lateralwärts von der Tuba Eustachii und verläuft von da nach vorne innerhalb der knöchernen Schädelbasis etwas lateralwärts vom Nervus Vidianus. Sie tritt dann zwischen dem Foramen rotundum nervi trigemini II und der Eintrittsstelle des N. Vidianus in die Fissura orbitalis su- perior und teilt sich dann. Die pupillenerweiternden Fasern treten als mehrere feine Fäden in den Stamm des Ramus trigemini I und gelangen von da durch die Nn. ciliares longi zum Bulbus. Die Fasern für die Lidspaltenöffnung und Retraktion der Nick- haut treten nieht in den Ramus I n. trigemini, sie verlaufen auch nicht mit den Augenmuskelnerven und den Ciliarnerven, sondern schlagen eine besondere Bahn zur Nickhaut und zum Augenlide ein. Die sympathischen Bahnen für das Auge verlaufen also entgegen der bisher herrschenden Ansicht ein nur ganz kurzes Stück mit der Carotis interna, treten erst an der Fissura orbitalis superior in das Schädelipnere und verlaufen deshalb bis auf diese letzte Strecke ausserhalb der Schädelhöhle. Sie gehen weder durch die Radix N. Trigemini, noch durch das Ganglion Gasseri, noch durch den zweiten und dritten Ast des Trigeminus. Sie passieren weder das Ganglion oticum, noch das Ganglion sphenopalatinum, noch das Ganglion eiliare. Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd. 160. 28 414 A. de Kleijn und Ch, Socin: Zu Pupille Zu Niekhaut und Augenlid Ramus II Ramus III N. trigem. = Gangl. Gasseri NE Vidianuse er nie = Mittelohr u --- Foramen rot. SE I N Art, earot. int. -- -- - - ----—- Gangl. cerv. sup. Fig. 3. Schematische Darstellung der sympathischen Fasern für das Auge nach den Reizungsversuchen. >< Sympathische Fasern für das Auge. --- Verlauf im Knochen. Linke Seite von der ventralen Seite gesehen. Auch durch den N. optieus, oculomotorius, trochlearis und abducens verlaufen sie nicht. Im Gegensatz zu den Angaben, welche Metzner und Wölfflin für das Kaninchen machen, verläuft bei der Katze die ganze Sym- Zur näheren Kenntnis des Verlaufs der postgangl. Sympathicusbahnen etc. 415 pathieusbahn für das Auge durch das Mittelohr und den Knochen der Schädelbasis. Die Resultate sind aus nebenstehender schematischer Zeichnung (Fig. 3) zu ersehen. ‚Bemerkung: In einer Arbeit von Schiff und Herzen (Über die Veränderungen der Erregbarkeit in dem durch schwache, kon- stante Ströme. polarisierten Nerven. Moleschott, Untersuchungen zur Naturlehre des Menschen und der Tiere Bd. 10) findet sich schon eine Bemerkung, aus welcher hervorgeht, dass nach der Ansicht Schiff’s wahrscheinlich .pupillenerweiternde Fasern durch das Cavum tympani verlaufen. Schiff gründet diese Ansicht auf zwei Katzen- versuche, welche nicht näher beschrieben werden. Er betrachtet diese Fasern als eine besondere Bahn unbekannten Ursprungs, die weiterhin durch das Ganglion Gasseri verläuft und nichts zu tun hat mit der schon älteren Autoren bekannten, von uns oben genauer be- schriebenen direkten Bahn durch den Ramus trigemini ]. Ausserdem berichtet Francois-Franck über Versuche am Hunde (Travaux du laboratoire de M. Marey, IV, 1878&—1879, S. 1), nach welchen Reizung von sympathischen Nervenfasern, die aus dem Canalis carotieus in das Mittelohr treten, Pupillenerweiterung be- wirkt. Durchschneidung des Ramus I n. trigemini vor dem Ganglion Gasseri hebt die pupillenerweiternde Wirkung der Reizung des Halssympathieus auf, während Durchschneidung in der hinteren Hälfte des Ganglions Gasseri den Reizerfolg nicht stört. Auf diese Arbeit von Francois-Franck wurden wir erst nachträglich durch die Mitteilung von Metzner und Wölfflin aufmerksam gemacht. Weitere Angaben in der Literatur haben wir nicht auffinden können. 28 * 416 H. M. de Burlet: Anatomische Bemerkungen zur vorhergehenden Arbeit von de Kleijn und Socin. Von H. M. de Burlet, Prosektor des anatomischen Instituts Utrecht. (Mit 2 Textfiguren.) Anschliessend an die obigen Ergebnisse physiologischer Versuche sei hier mitgeteilt, was sich anatomisch durch Untersuchung von Sehnittserien embryonaler Katzenköpfe über das Verhalten des zum Auge verlaufenden Kopfsympathieus dieser Spezies feststellen liess (vgl. Schema Fig. 1). Verlauf der sympathischen Fasern vom Ganglion cervicale superius ins Mittelohr. Die Arteria carotis interna, auch in älteren Embryonalstadien noch ein kräftiger Gefässstamm, ist dort, wo sie sich der noch knorpeligen Pars cochlearis capsulae auditivae (dem späteren Petrosum) nähert, umgeben von zahlreichen sympathischen Nervenbündeln. Fasern aus dem benachbarten N. glossopharyngeus (N. tympanieus) vermischen sich mit den sympathischen Fasern und bilden mit diesen den Plexus tympanicus. Der Sympathiecus hat an dessen Aufbau jedoch bei weitem den grösseren Anteil. Die Karotis, von den Nerven umgeben, verläuft um den medialen Rand der Paukenhöhle und liest nun vorläufig der unteren Fläche der knorpeligen Cochlea angeschmiegt. Das Gefäss sowie die jetzt lateral von demselben ausgebreiteten sympathischen Fäden (Plexus tympanicus) sind nur durch eine Schleimhaut bedeckt und durch diese von der Paukenhöhle getrennt. Beim erwachsenen Katzenschädel ist der Zustand anders ge- worden. Das Entotympanicum, bekanntlich eines der zuletzt auf- tretenden Schädelelemente, ist bei den untersuchten Embryonen noch Anat. Bemerkungen zur vorhergeh. Arbeit von de Kleijn und Socin. 417 nicht vorhanden. Dieser morphologisch so interessante Knochen (vielleicht das Reptilienpterygoid) bildet gemeinschaftlich mit dem Tympanicum die im physiologischen Teil als Bulla ossea beschriebene Vergrösserung der Paukenhöhle. Art cn mt... _ Fig. 1. Schematische Darstellung des Verlaufs der sympathischen Bahnen vom Halssympathicus durch das Mittelohr zum Auge. Nach anatomischen Unter- suchungen an Serienschnitten beim Katzenembryo. Rechte Seite von oben gesehen. x» Sympathische Bahn zum Auge. Das Entotympanieum umscheidet bei der erwachsenen Katze teil- weise die nun rückgebildete Arteria earotis interna; nur die obere Wand des Karotiskanals wird durch das Petrosum gebildet. In diesem knöchernen Kanal verläuft neben dem Gefäss ein Teil der 418 H. M. de Burlet: sympathischen Fasern, nämlich diejenigen, die nicht an dem Aufbau des Plexus tympanicus beteiligt sind. Aus ihnen geht der N. petrosus profundus hervor. Der übrige grössere Teil der sympathischen Fasern gelangt in das Innere der Bulla durch mehrere sehr feine Kanäle, welche in der unmittelbaren Nähe der Eintrittsstelle des Karotiskanals gelegen sind. Die Wand dieser feinen Öffnungen wird ebenfalls durch das Entotympaniecum und das Petrosum (dorsal) gebildet. (Fig. 2b.) Das Paukenhöhlenende der letzteren Kanäle liest am distalen medialen Rand des Promontorium. Die hier austretenden Fasern verlaufen auf das Promontorium weiter; wie die Schnitte zeigen, sind es zahlreiche Faserbündel, welche hier nebeneinander nach vorne verlaufen. Verlauf des Sympathieus von der Bulla bis zur Orbita. Auf Grund der Schnittserien lässt sich folgendes feststellen: Die unter der Schleimhaut der Paukenhöhle nach vorn ver- verlaufenden Fasern des Plexus tympanicus bleiben der knorpeligen Cochlea bis zu ihrem vorderen Ende angelagert. In dieser Gegend verläuft der aus dem Ganglion geniculi des N. facialis kommende N. petrosus superfieialis major; er kreuzt die sympathischen Fasern, wobei manche von ihnen durchbohrt werden. Ob an diesen Durch- bohrungsstellen ein Faseraustausch stattfindet, ist anatomisch nicht festzustellen. Am Vorderende der Pars cochlearis capsulae auditivae angelangt, biegen die meisten Fasern des Sympathicus dorsalwärts um und be- treten durch einen Spalt, welcher sich zwischen dem hinteren Rand des Alisphenoids und der Cochlea befindet, die Hirnkapsel (genauer das Cavum epiptericum). Dieser Spalt lässt sich auch am erwachsenen Schädel leicht nachweisen (Fig. 2 ec), er ist dort gar nicht besonders klein und liegt lateral von der Öffnung, durch welche die Art. carotis das Schädelinnere betritt. Auf dem Alisphenoid !) unter dem Ganglion Gasseri lassen sich nun die sympathischen Bahnen weiter verfolgen. Es lässt sich fest- stellen, dass manche Fasern in das Trigeminus-Ganglion eindringen, 1) Wie aus dem physiol. Versuch hervorgeht, ist die Bahn bei der er- wachsenen Katze im Bereich des Alisphenoids von einer Knochenlamelle bedeckt, so dass der Nerv ganz im Schädelknochen aufgenommen ist. | bier ATS PER - Anat. Bemerkungen zur vorhergeh. Arbeit von de Kleijn und Socin. 419 andere dagegen kann man noch neben dem N. ophthalmicus als selbständige Bündel verfolgen. Bedauerlicherweise entstehen an dieser Stelle durch die Sehnitt- richtung bedingte Schwierigkeiten, die einem weiteren Verfolgen der uns interessierenden Bündel eine Grenze setzen. Auf den Schnitten findet man in der Fissura orbitalis superior ein Nervenkomplex, das aus den Nn. III IV V, und VI besteht; diese lassen sich alle gut diagnostizieren. Unter und bei diesem Komplex, und hier noch deutlich von den genannten grossen Nerven geschieden, liegen die feinen sympathischen Bündel, deren Verlauf weiter nach vorne in die Orbita sich leider nicht feststellen liess. Auf zweckmässig ge- richteten Schnittserien durch diese Gegend der erwachsenen Orbita liessen die betreffenden Fasern sich ohne Zweifel weiter verfolgen, leider standen solche nieht zur Verfügung. Es wurde oben gesagt, dass die meisten Faserbündel des Plexus tympanieus durch den Spalt zwischen Hinterrand des Alisphenoids und Vorderwand der Cochlea das Cavum epiptericum betreten. Einige andere Fasern jedoch verlaufen an der ventralen Seite des Alisphenoids nach vorne; sie begeben sich zum Ganglion oticum und entsprechen dem N. petrosus superfieialis minor. Dieser Nerv gelangt demnach nicht in die Hirnkapsel. Ebenso wenig ist das mit dem Nerv petrosus superfieialis major der Fall, was ja nicht ausschliesst, dass er vom Schädelinnern aus auffindbar ist. Medial von der Tuba auditiva verlässt der Nerv den vom Tympanieum gebildeten vorderen Ab- schnitt der Bulla tympanieca. Wie schon gesagt, kreuzt und durch- bohrt er vorher die von lateral an ihn herantretenden Bündel des Plexus tympanicus; nach dieser Kreuzung nimmt er den N. petrosus profundus auf. Er lässt sich weiter als N. parabasalis (Gaupp) (N. Vidianus) an der ventralen Seite des Alisphenoids verfolgen, wo er als kräftiger Stamm medianwärts und zugleich nach vorn ver- läuft. Er bleibt zunächst medial vom Parasphenoid (Pterygoid) und gelangt erst etwas weiter vorn auf die dorsale Fläche dieses Knochens dadurch, dass er das hintere Ende des Knochens durchbohrt. Auf diese Weise gelangt ‘der N. parabasalis zwischen Vorderrand des Alisphenoids und obere Fläche des Parasphenoids auf den Boden der Fissura orbitalis superior. Die oben beschriebenen sympathischen Nervenbündel liegen streckenweise lateral von ihm. Kurz nachdem der N. parabasalis die Fissura 420 H. M. de Burlet: betreten hat, tritt er auch schon wieder durch dieselbe in die Orbita aus und begibt sich zum Ganglion sphenopalatinum. Die Darstellung, nach welcher die für die Augenhöhle be- stimmten sympathischen Nerven via Carotis- Plexus eavernosus die Orbita erreichen würden !), trifft, was die Katze anbelangt, für den grössten Teil der Fasern sicherlich nicht zu. Zum Schluss sei es gestattet, die Frage anzudeuten, ob viel- leicht die Rückbildung der Arteria carotis interna etwas mit dem Sympathieusverlauf zu tun haben kann. Die Arteria ophthalmieca, der Führer sympathischer Fasern zur Orbita, ist bei der Katze ein Zweig der Arteria carotis externa. Auf Grund der im Vorstehenden gewonnenen anatomischen und physiologischen Kenntnisse ist es nun auch möglich gewesen, die Sympathieusbahn zum Auge auf ihrem Wege durch das Mittelohr und die Schädelbasis an Präparaten von der erwachsenen Katze aufzufinden.- Fig. 2a—c zeigt das aufs deutlichste. Man sieht auf einem Horizontalschnitt, der die Bulla (3), die Paukenhöhle (72), die Schnecke (72), die Schädelbasis (7, 4, 5), das Ganglion Gasseri (9) trifft, die Bahn (15) bei ihrem Eintritt ins Mittelohr auf das Promonlorium. Fig. 2b zeigt die Eintrittsstelle bei stärkerer Vergrösserung und die Bahn nochmals auf dem Promontorium getroffen (73, 13). Darauf sieht man die Bahn wieder (Fig 2a und 2c) in der Pauken- höhle gegenüber dem Hammerstiel dem Petrosum anliegend und sieht ferner (Fig. 2a und 2c) die Bahn die Paukenhöhle verlassen, um im Knochen zwisehen Petrosnm und Alisphenoid gegen die vordere Spitze des Ganglion Gasseri zu verlaufen. Die Vereinigung der Bahn mit Tripeminus 1 ist auf der Figur nicht sichtbar. Zusammenfassung. Zusammenfassend lässt sich also auch, überein- stimmend mit den physiologischen Versuchen, ana- tomisch nachweisen, dass sympathische Fasern via das Promontorium zur Orbita gelangen. 1) Vgl. Schema von Müller, Edinger, Nervöse Zentralorgane, 8. Aufl. S. 104, 105. 421 Anat. Bemerkungen zur vorherg. Arbeit von de Kleijn und Socin. "U9NOF9FIHPIIM HLIAS UAANJISIEP UONIUYIS YaR uop UI puIs u9][ossyLiysnYy pun -urg ol 'oTgoquayneT aıp yaanp 88a weAgT Jae MIOSEJUHAION Oyasıyyeduäs’gL ‘gsIowwer] Ju [ferfoWwwoa] OT ‘TIOSsex) uorsueg 6 “Ale 8 “umnaruedws4ogung g wunorueduä], 5 ‘wunsoyogT '"azyeyy uauasydem "SI 2 14 10y88 ez Ag u SunIasso01.10 AOION Z Ss 199 “u9y9oadsju9 u9sIaıyy Uo} ‘sHAUO UHAISSUY SOp [odxouyy doryund up aydfom “wag90) CT ‘zZ pun qg uaandıy ‘orgoquayned ZT jngqıpuep; 9 ‘wunsourenbs G ‘prouaydsıy 7 19p OINOyuaANeqg HIp pun ued.1o1ogaN) sep yoanp YıuyospeJuozLiof ‘gg "19 422 H. M. de Burlet: Anat. Bemerkungen zur vorhergehenden Arbeit etc. Es konnte anatomisch eine Bahn nachgewiesen werden, welche vom Ganglion cervicale superius eine Strecke mit der Carotis interna verläuft, diese dann verlässt und lateralwärts in das Mittelohr eintritt, hier an der Basis des Promontoriums verläuft und sich vom Mittelohr als ganz selbständige Bahn lateral vom N. vidianus nach vorne zur Fissura orbitalis superior begibt. ae, 425 (Mitteilung aus dem Institut für Gärungsgewerbe zu Berlin.) Versuche über die Unschädlichkeit der Essig- älchen im Menschen- und Tierkörper. Berichterstatter Dr. H. Wüstenfeld. In Speiseessigen, die durch Essiggärung hergestellt wurden, findet sich zuweilen das sogenannte Essigälchen, ein kleines 1—2 mm langes, mit unbewaffnetem Auge eben noch sichtbares Wesen, das zur engeren Familie der Anguilluliden (Kleisterälchen, Weizenälchen u. a.) gehört, welche wieder der grösseren Gruppe der Nematoden zugeteilt sind. Meist kommt es nur vereinzelt im Essig vor; es kann jedoch in verdünnten nährstoffreichen Essigen bei Luftzutritt und Wärme nach Wochen unter Umständen zu stärkerer Vermehrung gelangen, so dass bei Verwendung derartigen Essigs zu Salaten kleine Mengen der lebenden Tiere in den Magen und Darm des Menschen geraten können. Wenn nun auch älchenhaltiger Essig seit Menschengedenken von Millionen von Menschen ohne gesundheitsschädliche Folgen ge- nossen wurde, so sind doch einzelne Fälle aus der Literatur be- kannt, wo angeblich Magen- und Darmerkrankungen durch Sach- verständige auf den Genuss älchenhaltigen Essies zurückgeführt wurden. Dass dies irrtümlich geschehen ist, werden die im folgen- den beschriebenen Versuche lehren. Man hat insbesondere die Verwandtschaft des Essigälchens mit einer im Dünndarm des Menschen lebenden parasitären Wurmart, der Rhabditis intestinalis!), ferner mit Älchenarten, welche nach Lindner die Schleimflüsse der „bierbrauenden Bäume“ be- 1) Eine sehr hübsche Abbildung dieser Art findet sich in Linäner’s „Atlas der mikroskopischen Grundlagen der Gärungskunde“, 2. Aufl., S. 161. Der Bau der sogenannten Spiculae zeigt ohne weiteres, dass diese Art durchaus verschieden ist vom Essigälchen. 494 H. Wüstenfeld: wohnen (Rhabditis dryophila Ludwig) und von den Kostgängern dieses „Naturgetränkes“ — das sind so ziemlich alle tierischen Be- wohner des Waldes — mitgenossen werden, als Grund für die Möglichkeit einer Gesundheitsschädlichkeit des Essigälchens angeführt. Erst neuerdings hat Dr. F. Sacher- Düsseldorf mit der gleichen Begründung in der Chemiker-Zeitung die Forderung aufgestellt, dass das Essigälchen vom Genussmittelmarkte verschwinden müsse, ohne allerdings Beweise für diese Forderung zu erbringen. Es war daher von wissenschaftlichem und praktischem Interesse, durch Tier- und Menschenversuche festzustellen, inwieweit dieser Forderung Berechtigung innewohne. Frühere Arbeiten. Schon im Jahre 1900 hat W. Henneberg in seiner Abhand- lung „Zur Biologie des Essigaals“ ') über Fütterungsversuche mit lebenden Älehen an Mäusen und Fröschen berichtet, welche ergaben, dass die Älchen im Verdauungskanal der Mäuse abstarben, dagegen in demjenigen der Frösche am Leben blieben. Sämtliche Versuchs- tiere hatten während der dreiwöchentlichen Versuchsdauer keinerlei Schaden gelitten. Weitere von Henneberg mit menschlichem Magensaft, der auf seine verdauende Wirkung eigens geprüft worden war, bei 37—38° C. im Thermostaten vorgenommene Verdauungs- versuche an lebenden Essigälchen hatten nur ein teilweise positives Ergebnis, da die Älehen bei 0,17 %o freier Salzsäure am Leben blieben und erst nach Erhöhung des Salzsäuregehalts auf 0,23 °/o nach 24 Stunden abstarben. Es war nach diesen Ergebnissen im höchsten Grade wahrscheinlich, dass die Essigälchen auf die Dauer der Einwirkung der Salzsäurekonzentration des Magens erliegen mussten, die ja bis 0,5 °/o betragen kann. Eigene Versuche. a) Versuche am Hund. Die betreffenden Versuche wurden in der Ernährungs- physiologischen Abteilung des Instituts für Gärungsgewerbe an einem Foxterrier ausgeführt. Dem Vorsteher der Abteilung, Herrn Privatdozent Dr. Völtz, sei an dieser Stelle für die sach- kundige Hilfeleistung der Dank des Berichterstatters ausgesprochen. 1) Sonderabdruck aus „Die deutsche Essigindustrie“. 1899. Versuche über die Unschädlichkeit der Essigälchen. 495 1. Die Herkunft der Essigälchen und deren Vorbehandlung. Die Älehen entstammten dem Ablaufessig eines im Laboratorium des Instituts aufgestellten Essiebildners. Täglich wurde ein be- stimmtes Quantum Essig (ca. 2 Liter) filtriert, der die Älchen enthaltende Filterrückstand mit Leitungswasser vom Filter gespült, in Wasser suspendiert und dem Hund anfangs mit Hilfe der Schlund- sonde, später mit dem Futter vermengt, eingegeben. Das täglich einmal morgens verabreichte Futter bestand aus Küchenabfällen; zu- weilen wurde zur Anregung der Fresslust rohes gehacktes Pferde- fleisch gereicht. 2. Menge der täglich zugeführten lebenden Essigälchen. Während einer Versuchszeit von 5 Wochen erhielt der Hund täglich ca. '/; Million Essigälchen, so dass die Zahl der im ganzen eingeführten Tiere rund 18 Millionen betrug. Der Hund befand sich während der ganzen Zeit bei bestem Wohlsein. 3. Kotuntersuchungen. Von Zeit zu Zeit wurden die Exkremente des Hundes auf lebende Essigälchen in folgender Weise geprüft: Sie wurden zunächst mit Essig übergossen und einige Stunden bis zum Zerfall sich selbst überlassen. Hierauf wurde die Masse in einem ca. 1 Liter fassenden Standzylinder mit Wasser verrührt und 24 Stunden absitzen lassen Da die Essigälchen infolge ihres aussesprochenen Luftbedürfnisses die Eigenschaft besitzen, nach kurzer Zeit an die Oberfläche der Flüssigkeiten emporzuschwimmen und sich hier dauernd aufzuhalten, mussten sich alle noch lebenden Tiere im oberen Teil des Zylinders angesammelt haben. Dieser obere Teil wurde daher abgegossen und mit verdünntem sterilen Essig wiederum vermischt. Sobald sich die Flüssigkeit in dem Zylinder nach einigen Stunden geklärt hatte, wurde sie mit Hilfe einer Lupe besonders in ihrem oberen Teile sorgfältig durchgesehen. Ergebnis: Es konnten bei keiner der zahlreichen vorgenommenen Kotuntersuchungen Älchen wieder- sefunden werden. 4. Untersuchungen des Mageninhaltes. Versuch 1. (4 Stunden nach der Älchenaufnahme.) Ein Schlauch wurde in den Magen des Hundes eingeführt, hierauf liess man ca. 1 Liter Wasser durch den Schlauch in den 426 H. Wüstenfeld: Magen einfliessen, und die eingeführte Flüssigkeit wurde nach kurzer Zeit wieder abeehebert. Ergebnis: Es fanden sich in der Tat einzelne Exem- plare lebender Essigälchen in der Flüssigkeit. Ent- weder hatte also die kurze Zeit der Einwirkung des Magensaftes zur Abtötung der Essigälehen nieht genügt, oder aber, die Älchen waren, dem erwähnten Triebe nach oben folgend, in die Mundhöhle zurückgeklettert. Noch wahrscheinlicher ist, dass einzelne Älchen noch von der Aufnahme her in der Mundhöhle zurückgeblieben waren. Derselbe Versuch wurde daher nach längerer Einwirkung wiederholt. Versuch 2. (24 Stunden nach der Älchenaufnahme.) Die Versuchsanordnung war genau dieselbe wie bei 1. Ergebnis: In der abgeheberten Masgenflüssigkeit konnten diesmal keine lebenden Essigälchen mehr vorgefunden werden. 5. Die Untersuchung des Gesamtinhaltes des Magen- und Darmkanals. Um zu einem einwandfreien Urteil kommen zu können, musste der Hund, nachdem er längere Zeit regelmässig Älchen erhalten hatte, getötet und der Magen, Dünndarm und Diekdarm getrennt untersucht werden. Dies geschah 12 Stunden nach der letzten Älehennuahlzeit. Die einzelnen Absehnitte des Verdauungstraktus wurden geöffnet, ihr Inhalt unter wiederholtem Nachspülen mit Wasser und Essig in hohe Standzylinder gegeben und wiederum wie oben auf lebende Essigälchen untersucht. Der Mageninhalt . reagierte sauer (die Titration ergab einen Verbrauch von 7,5 cm 7 NaOH = 0,27 g freie Salzsäure auf die Gesamtmenge), der Inhalt des Dünndarms neutral, der des Diekdarms ganz schwach alkalisch. Die Untersuchungen ergaben ein vollkommen negatives Resultat. Die Essigälchen waren mithin verdaut worden. Während der fünfwöchentlichen Versuchs- periode hatte keine Ansiedelung der Tiere im Magen oder Darm bzw. Akklimatisation stattgefunden. Wenn auch der Hund als ausgesprochener Fleischfresser eine besonders starke Eiweissverdauung besitzt, so konnten dennoch die Versuche unbedenklich auf menschliche Verhältnisse übertragen werden, da Versuche über die Unschädlichkeit der Essigälchen. 427 die Ernährungsweise des Haushundes derjenigen des Menschen sehr ähnlich ist. Dennoch wurden weitere Versuche am Menschen vor- genommen. b) Versuche an Menschen. Herr Professor Dr. Paul Lindner und der Bericht- erstatter selbst haben die betreffenden Versuche an sich vor- genommen!), Es wurden täglich morgens ca. 200000 bis 300 000 lebende Älchen in verdünntem Essig aufgeschwemmt aufgenommen ?). Es ist dies eine tägliche Menge, wie sie der normale Mensch selbst unter besonders ungünstigen Umständen während seines ganzen Lebens auch nicht entfernt geniessen dürfte. Die Versuche wurden von seiten des Herrn Professor Dr. P. Lindner 14 Tage, vom Bericht- erstatter 3 Wochen lang fortgesetzt. Irgendwelche nach- teilige Wirkungen, wie Appetitlosigkeit, Magen- oder Darmverstimmungen usw. wurden sowohl während des Versuchs wie nachher nicht beobachtet. Wiederholt ausgeführte Kotuntersuchungen ergaben wie beim Tierversuch in beiden Fällen die Abwesenheit leben- der Essigälchen. Es ist durch diese Versuche der Beweis geliefert, dass Essig- älchen selbst in aussergewöhnlich grossen Mengen längere Zeit hin- durch von Menschen ohne gesundheitlichen Nachteil genossen werden können. Ein anderes Ergebnis war bei den biologischen Eigenschaften der Essigälchen nicht zu erwarten. Die Tiere haben, wie erwähnt, ein derartig ausgesprochenes Luftbedürfnis, dass sie stets das Bestreben haben, aus den Flüssig- keiten heraus an die Oberfläche zu kommen, ja an den Wänden der Gefässe emporzuklettern. Es ist durch frühere, von ver- schiedenen Forschern ausgeführte Versuche erwiesen, dass die Älchen bei Luftabschluss nur wenige Tage am Leben bleiben können. 1) Herrn Professor Dr. Paul Lindner sei für seine gütige Mithilfe bei diesem Versuch gleichfalls der Dank des Berichterstatters ausgesprochen. 2) Die Feststellung der Zahlen geschah einerseits nach einer Verdünnungs- methode, indem eine abgemessene Menge Flüssigkeit so lange mit Wasser versetzt wurde, bis die Zahl der Älchen in einem bestimmten Volumen durch direkte Zählung feststellbar war, andererseits nach einer neuen von P. Lindner an- gegebenen Methode, der Schattenbildphotographie mit parallelem Licht. Beide Zählungen führten zu gleichen Resultaten (4000 Älchen in 1 ccm). > 428 H. Wüstenfeld: Versuche über die Unschädlichkeit der Essigälchen. Ebenso nachteilig wirkt der Aufenthalt in einer Kohlensäure-, Wasserstoff- oder Schwefelwasserstoffatmosphäre. Wie sollten sie den anaeroben Verhältnissen im Magen und Darm und dem schädi- genden Einfluss der Darmgase auf die Dauer widerstehen können? Ferner liest das Temperaturmaximum für das Essigälchen nach W. Henneberg bei 34° C., dagegen konnten sich die Tiere bei Temperaturen von 38—39° C., wie sie im menschlichen Magen und Darm herrschen, nach Henneberg’s Versuchen nur 3 Tage lebend erhalten. Endlich dürfte, selbst wenn die Salzsäurekonzentration des menschlichen Magensaftes nicht immer zur sofortigen Abtötung genügen sollte, die Vernichtung der Tiere im Dünndarm durch den alkalischen Pankreassaft oder im Diekdarm unter dem Einfluss des eärenden Darminhaltes mit Sicherheit erfolgen. Von einer dauernden Ansiedelung und Vermehrung im menschlichen Verdauungskanal jedenfalls kann unter diesen denkbar ungünstigen Bedingungen nicht die Rede sein. Zum Schlusse sei auf einen Ausspruch Paul Lindner’s!) in der Sitzung der wissenschaftlichen Abteilung der Versuchs- und Lehranstalt für Brauerei in Berlin hingewiesen, in welcher der Autor die Ansicht vertritt, dass die Älchen bei ihrer stark ausgesprochenen Eigenschaft der Selbstverdauung und bei ihrem Eiweiss- und Glykogen- gehalt vielleicht das Verdaulichste seien, was es an Nahrung über- haupt gäbe. Er führt weiter aus: „Warum sollen wir uns ekeln vor einer Nahrung, die gar nichts Fkelhaftes an sich hat, vor der wir uns nur ekeln aus anerzogenem, höchst unwissenschaftlichem Vorurteil.“ 1) Jahrb. d. Versuchs- u. Lehranstalt f. Brauerei S. 506. Berlin 1913. (Aus dem pharmakologischen Institut und der neurologisch-psychiatrischen Klinik der Reichsuniversität Utrecht.) Weitere Beobachtungen über Hals- und Labyrinthreflexe auf die Gliedermuskeln des Menschen. Von R. Magnus und A. de Kieijin. (Mit 11 Textfiguren nach kinematographischen Aufnahmen.) In einer Reihe von Arbeiten aus dem hiesigen Institut!) konnte gezeigt werden, dass bei Säugetieren tonische Reflexe, welche vom Hals und von den Labyrinthen ausgehen, einen grossen Einfluss auf die Körperstellung ausüben. Unter normalen und pathologischen Bedingungen wird durch die jeweilige Stellung des Kopfes zum Rumpf und zum Raum ein Dauereinfluss auf die Muskulatur des Rumpfes und der Glieder ausgeübt, durch welchen die Haltung des Körpers der jeweiligen Kopfstellung angepasst wird. Die bei diesen Reflexen in Wirkung tretenden Muskeln, Zentren und afferenten Bahnen sind im wesentlichen ermittelt worden. Auch beim Frosche sind derartige Reflexe nachweisbar. Schon im Beginn unserer Untersuchungen haben wir uns die Frage vorgelegt, ob sich entsprechende Reflexe beim Menschen auf- finden lassen. Bei diesem sind ja durch den Erwerb des aufrechten Ganges die Beziehungen des Kopfes zur Körperstellung andere ge- worden als bei Katze, Hund, Kaninchen und Meerschweinchen. Tat- sächlich haben wir bereits in unserer ersten Mitteilung?) in diesem Archiv über eine Reihe von Beobachtungen berichten können, bei denen sich unter pathologischen Bedingungen auch beim Menschen 1) Pflüger’s Arch. Bd. 145 S. 455. 1912; Bd. 147 S. 1. 1912; Bd. 147 S. 403. 1912; Bd. 149 S. 447. 1913; Bd. 154 S. 163 und 178. 1913; Bd. 159 S. 157, 218, 224, 251. 1914. 2) Pflüger’s Arch. Bd. 145 S. 455. 1912. = Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd. 160. 29 430 R. Magnus und A. de Kleijn: ganz Ähnliche Reflexe auf die Extremitätenmuskeln nachweisen liessen, wie bei den untersuchten Tieren. Bei allen diesen Fällen war durch irgendeine Hirnerkrankung die Grosshirnfunktion mehr oder weniger vollständig ausgeschaltet worden, so dass ein ähnlicher Zu- stand hervorgerufen war, wie er sich im Tierexperiment durch Dezerebrieren erzielen lässt. Die bisher vorliegenden Beobachtungen sind kurz zusammen- sefasst folgende: Fall I. 6 jähriges Kind mit hochgradigem Hydrocephalus, bei dem die Grosshirnfunktion so gut wie vollständig ausgeschaltet ist. Vestibularis- reflexe auf die Augen erhalten. Auf Drehen des Kopfes nach links erfolgt tonische Streckung des linken Armes und Beines, manchmal gepaart mit Beugung des rechten Armes. Auf Drehen des Kopfes nach rechts erfolgt sofortige Hemmung des Strecktonus der linken Ex- tremitäten, manchmal gepaart mit aktivem Beugetonus. Diese Reflexe dauern so lange, als der Kopf in der betreffenden Stellung gehalten wird. Es handelt sich um einen Halsreflex, der unabhängig von der Lage des Kopfes im Raume durch Stellungsänderung des Kopfes zum Rumpfe ausgelöst wird. Während sich das Vorhandensein von Halsreflexen bei diesem Falle mit Sicherheit nachweisen liess, blieb es zweifelhaft, ob auch tenische Reflexe vom Labyrinth auf die Körpermuskeln vorhanden waren (inkonstante Reaktionen; Unmöglichkeit, bei den Bewegungen den schweren Kopf gegen den Rumpf vollständig zu fixieren). Fall II. 3 jähriger Junge mit hochgradigem Hydrocephalus. ’ Grosshirn- funktion weniger vollständig ausgeschaltet als in Fall-I. Vestibularis- reflexe auf die Augen vorhanden. Drehen des Kopfes nach links be- wirkt Hemmung, Drehung des Kopfes nach rechts Zunahme des Quadrizepstonus im rechten Bein. Es handelt sich um einen reinen Halsreflex. ‘ Fall II. (Beobachtung von Prof. Winkler-Amsterdam.) 69 jähriger Mann. Frische rechtsseitige Apoplexie mit Durch- bruch in die Hirnventrikel. Drehung und Wendung des Kopfes gegen die Schulter bewirkt Hebung und Streckung beider Oberarme, während die Ellbogen gebeugt bleiben und die Finger Schreibstellung annehmen. Da auf Drehen und Wenden des Kopfes beide Arme sgleichsinnig reagieren, handelt es sich vermutlich um einen Labyrinth- reflex. Genauere Untersuchung wurde: durch den Tod des Patienten unmöglich gemacht. Fall IV. Neugeborenes Kind mit Blutungen in die beiderseitigen Linsen- kerngegenden infolge Geburtstrauma. Vestibularisreflexe auf die Augen vorhanden. Hals- und Labyrinthreflexe beim Menschen. 431 Halsreflexe: Drehen des Kopfes (bei jeder Körperlage) be- wirkt starken Strecktonus und Hemmung des Beugetonus im „Kiefer- arm“, starken Beugetonus und Hemmung des Strecktonus im „Schädel- arm“. Die Beine reagieren gleichsinnig, aber schwächer. Die Reaktion dauert so lange, als der Kopf in der gedrehten Stellung gehalten wird. Labyrinthreflexe: Wird der Kopf aus der vertikalen (stehenden) in die horizontale (liegende) Stellung gebracht, so werden beide Arme im Schultergelenk abduziert, im Ellbogen gestreckt, häufig auch die Finger gespreizt. Die Reaktion hat tonischen Charakter, geht aber nach einiger Zeit vorüber. Bei vertikaler Stellung des Kopfes sind die Arme gebeugt und führen Bewegungen aus. Diese Reaktion er- folgt gesetzmässig in derselben Weise, einerlei ob der Kopf allein be- wegt wird oder der ganze Körper des Kindes (so dass die Stellung des Kopfes zum Rumpf ungeändert bleibt). Fälle IVa. Im Anschluss an Fall IV wurden 26 Säuglinge untersucht. Bei keinem von ihnen liessen sich tonische Halsreflexe auf Kopfdrehen nachweisen. Dagegen war der in Fall IV beschriebene Labyrinth- reflex (Abduktion der Oberarme, Streckung der Ellbogen, Spreizen der Finger beiderseits, manchmal auch Streckung der Beine, sobald der Kopf aus der vertikalen in die horizontale Lage gebracht wurde), bei 23 von 26 untersuchten Säuglingen nachweisbar. Die Reaktion war rascher und von kürzerer Dauer, also weniger tonisch als in Fall IV. Bei einer Frühgeburt im 7.—8. Monat fehlten zunächst alle Re- flexe von den Labyrinthen; nach 6 Tagen traten die Labyrinth-Augen- reflexe auf, nach 20 Tagen die Reflexe von den Labyrinthen auf die Gliedermuskeln. Die geschilderten Labyrinthreflexe lassen sich mit Sicherheit nur bis zum Alter von etwa 31/2 Monaten nachweisen, nachher werden die Spontanbewegungen zu lebhaft. . Fall V. Kind von 9 Monaten mit eitriger Meningitis, komatös. Labyrinth- Augenreflexe vorhanden. Halsreflexe: Kopfdrehen führt zu aktiver tonischer Streckung im „Kieferarm“ und „Kieferbein“ und zu aktiver Beugung und Hemmung des Strecktonus im „Schädelarm“ und „Schädelbein“. Die Reaktion wird durch Veränderung der Stellung des Kopfes zum Rumpfe ausgelöst. Labyrinthreflexe: Wird das Kind im Bette aufgesetzt, so werden beide Arme nach vorne bewegt, bis sie horizontal und parallel stehen, und fallen dann langsam, der Schwere folgend wieder herab. Legt man darauf das Kind hintenüber, bis der Rücken horizontal liegt, so erfolgt dieselbe Reaktion wie in Fall IV. Die Arme fahren nach beiden Seiten auseinander, werden abduziert, bis sie rechtwinklig zum Thorax stehen, und die Ellbogen werden gestreckt. Die Reaktion ist ausgesprochen. tonisch. Nach einiger Zeit nimmt der Tonus wieder ab, ohne jedoch ganz zu schwinden. Dieselbe Reaktion erfolgt, wenn der Rumpf nicht bewegt und nur der Kopf allein aus der vertikalen in die horizontale Stellung gebracht wird. 295) 432 R, Magnus und A. de Kleijn: Fall VI. Zu diesen fünf in unserer ersten Arbeit mitgeteilten Beobachtungen fügt sich noch ein Fall von Weiland!), Gumma cerebri und Para- Iyse (?), bei dem im Koma (paralytischer Anfall ?) typische Halsreflexe an den oberen Extremitäten beobachtet wurden, die mit Nachlassen des Komas und hkückkehr des Bewusstseins verschwanden. Fall VII. Später haben wir dann noch über Beobachtungen an einem 9 jährigen hochgradig idiotischen Kinde berichtet!), bei dem von höheren Grosshirnfunktionen nichts mehr nachzuweisen war, das blind und taub war und keine Labyrinth - Augenreflexe zeigte. Bei ihm fehlten alleLabyrinthreflexe auf die Glieder. Dagegen liessen sich die typischen Halsreflexe auf Drehen und Wenden des Kopfes als tonische Reaktionen mit einer maschinenmässigen Regel- mässigkeit auslösen, wie wir es bis dahin noch nicht gesehen hatten. „Kieferarm“ und „Kieferbein“ wurden gestreckt und zugleich der Tonus der Beugemuskeln gehemmt, „Schädelarm“ und „Schädelbein“ wurden aktiv gebeugt und zugleich der Tonus der Streckmuskeln ge- hemmt. Es handelte sich um exquisite Dauerreaktionen. Von diesen Reflexen konnte eine kinematographische Aufnahme gemacht werden, welche auf dem Groninger Physiologenkongress 1913 demonstriert wurde. Die angeführten Fälle zeigen, dass sich unter be- stimmten Bedingungen auch beim Menschen sowohl Hals- als auch Labyrinthreflexe auf die Gliedermuskeln nachweisen lassen. Die Halsreflexe auf Drehen (und Wenden) des Kopfes sind bisher ausschliesslich unter pathologischen Bedingungen beobachtet worden, und zwar in Fällen, in denen durch verschiedenartige Er- krankungen die Grosshirnfunktion mehr oder weniger vollständig aufgehoben war. Diese Halsreflexe charakterisierten sich als tonische Reaktionen, welche in geeigneten Fällen so lange andauerten, als der Kopf in seiner gedrehten Lage festgehalten wurde. Sie gehorchten denselben Regeln, wie wir sie bei Tieren festgestellt hatten. Die Extremitäten der rechten und linken Körperhälfte wurden stets gegen- sinnig beeinflusst. Zunahme des Strecktonus ging mit Hemmung des Beugetonus gepaart und umgekehrt (reziproke Innervation). Die „Kiefer“extremitäten wurden gestreckt, die „Schädel“extremitäten gebeust. 1) Münchener med. Wochenschr. 1912 S. 2539. 2) R. Magnus und A. de Kleijn, Ein weiterer Fall von tonischen Hals- reflexen beim Menschen. Münchener med. Wochenschr. 1913 S. 2566. Hals- und Labyrinthreflexe beim Menschen. * 433 Damit sind die wesentlichen Tatsachen für die Kenntnis der Halsreflexe beim Menschen festgestellt. Zu ermitteln bleibt noch, ob auch bei gesunden Menschen derartige Reaktionen bei der normalen Körperstellung und bei Bewegungen mitspielen, oder ob es sich um gewöhnlich richt benutzte Reflexe handelt, die erst unter patho- logischen Zuständen frei werden. Ferner bleibt noch zu untersuchen, ob auch auf Heben und Senken des Kopfes beim Menschen Hals- reflexe auftreten. Demgegenüber sind unsere Kenntnisse über tonische Reflexe von den Labyrinthen auf die Gliedermuskeln noch sehr viel weniger vollständig. Dass sie auch beim Menschen vorhanden sind, lehren die Fälle IV und V. Sie lassen sich nicht nur unter patho- logischen Bedingungen feststellen, sondern sind auch beim normalen Säugling in den ersten Lebensmonaten nachweisbar. Es harren aber noch eine Reihe von Fragen der Lösung: Handelt es sich um konstante Reflexe, die stets in derselben gesetzmässigen Weise auf- treten? Spielen sie bei den normalen Stellungen und Bewegungen des Erwachsenen eine Rolle? Sind es wirklich tonische Reflexe, wie es nach Fall IV und V wahrscheinlich erscheint, oder nur vor- übergehende Reaktionen, worauf die Beobachtungen an Säuglingen zu deuten scheinen? Sind es Reflexe der Lage, wie bei den Tieren, bei denen der Einfluss vom Labyrinth andauert, solange sich der Kopf in einer bestimmten Stellung befindet, oder werden die Reaktionen durch Bewegungen des Kopfes, also durch Winkel- beschleunigungen, ausgelöst? Gibt es gesetzmässige Stellungen des Kopfes im Raume, bei denen der Tonus bestimmter Muskelgruppen maximal, und andere, bei denen er minimal ist? Wieviele solcher Stellungen gibt es? Und wo liegen sie? Bis diese Fragen gelöst sind, ist die Mitteilung weiterer ein- schlägiger Beobachtungen erwünscht, und wir möchten daher [im folgenden noch einen Fall mitteilen, in dem wir unsere früheren Erfahrungen über Halsreflexe bestätigen und einige neue Fest- stellungen über Labyrinthreflexe beim Menschen machen konnten. Wir verdanken die Kenntnis dieses Falles und die !Möglichkeit, denselben in der hiesigen psychiatrisch-neurologischen Klinik genauer zu untersuchen, Prof. Karl Heilbronner 7. Fall VII. Amaurotische Idiotie, K., 16 Monate alter Junge, ist normal geboren und hat sich in den ersten Monaten bei Brustnahrung normal entwickelt; konnte an- 434 R. Magnus und A. de Kleijn: fangs sehen. Im Alter von 3 Monaten wurde er anders als normale Kinder, lag stets still, spielte nicht. Danach hat er sich in geistiger Hinsicht nicht weiter entwickelt, lernt nicht stehen und laufen, spricht nicht. In körperlicher Beziehung entwickelt sich das Kind ungefähr ebensogut wie normale Kinder. Die Mutter weiss nicht mit Sicher- heit anzugeben, ob es zurzeit sehen kann. Das Kind hat noch fünf normale Schwestern und einen normalen Bruder, frühgeborene Zwillinge sind bei der Geburt gestorben, ein Kind ist vor 8 Jahren jung ge- storben, gelähmt und blind geradeso wie dieses Kind. Kein Abortus. Vater und Mutter sind gesund, nicht blutverwandt, beide Israeliten. Grosseltern mütterlicherseits stammen aus Deutschland, väterlicherseits aus Holland. Alle Brüder des Vaters und deren Kinder sind gesund. Status: 19. Mai bis 1. Juli 19]4&. — Ophthalmologisch: Der Augenhintergrund bietet beiderseits das typische Bild der amauro- tischen Idiotie dar, einen dunkelroten runden Fleck in der Makula- gegend, umgeben von einem breiten weissgrauen Saum. Sonst im Augenhintergrund nichts Abnormes. Pupillen sind nicht vollkommen rund, reagieren auf Licht, auch konsensuell. Rechte Pupille stets etwas weiter als linke. Augenbewegungen intakt. Das Kind sieht zweifellos, auf Vorhalten eines glänzenden Gegenstandes öffnet es den Mund oder macht Saugbewegungen. Horizontaler Nystagmus beider Augen beim Sehen nach rechts und nach links. Der Nystagmus hat eine langsame und eine schnelle Komponente, letztere meist nach links, seltener nach rechts. Die Stärke des Nystagmus wechselt an ver- schiedenen Tagen, manchmal fehlt er beim ruhigen Geradeaussehen vollkommen. Kurz vor den unten zu beschreibenden Anfällen wird er stets stärker. Cornealreflex beiderseits schwach posit v. Interner Befund: Das Kind ist klein für sein Alter. Leichte rachitische Knochenveränderungen. Frontooceipitaler Kompfumfang 451/a cm. Herz normal. Harn ohne Eiweiss und Zucker. Wasser- mannreaktion negativ. Temperatur normal, an einzelnen Tagen leichte Temperatursteigerungen bis 35° C. Das Kind ist inkontinent, Stuhl- gang normal. Ronchi über beiden Lungen, keine deutliche Dämpfung. Patient liegt still, apathisch, schreit und weint nicht. wie das normale Kinder tun. Das einzige Zeichen von Anteilnahme, das an ihm wahr- zunehmen ist, ist manchmal ein kaum erkennbares Lachen. Flüssige, in den Mund gebrachte Nahrung. wird gut heruntergeschluckt. Trotz guten Appetites nimmt das Kind doch stets ab. Unter Temperatur- steigerung, stets schlechterem Puls und sehr schneller Atmung stirbt es am 1. Juli 1914. Sektion verweigert. Neurologisch: An den Extremitäten sind leichte Spasmen wechselnden Grades wahrzunehmen. Chvostek beiderseits positiv, links stärker als rechts, vor allem an den mentalen Fazialisästen. Alle drei Bauchreflexe beiderseits vorhanden. Patellarreflexe und Achillesreflexe lebhaft, kein Klonus. Fusssohlenreflexe vom medialen Fussrand aus plantar, vom lateralen Fussrande aus manchmal dorsal. Oppenheim plantar. Links sind alle diese Reflexe stärker als rechts. Das Ge- sicht ist in der Ruhe symmetrisch. Während des Aufenthaltes in der Klinik bekommt das Kind mehrere epileptiforme Anfälle, die von Erbrechen eingeleitet werden. Hals- und Labyrinthreflexe beim Menschen. 4835 Dieselben charakterisieren sich als klonische, meistrhythmische Zuckungen im Gesicht und in den Extremitäten, bei denen nur selten das Glied als Ganzes bewegt wird, so dass der Eindruck von Willkürbewegungen entsteht. Meistens handelt es sich vielmehr um Zuckungen in einzelnen Muskelgruppen, von denen jede ihren eigenen Rhythmus besitzt. Die Muskelgruppen geraten in den verschiedensten Kombinationen in Tätig- keit, ruhen dann wieder, wenn andere von den Krämpfen ergriffen werden, so dass ein sehr wechselvolles Bild entsteht. Selbst einzelne Muskelgruppen des Fazialisgebietes bewegen sich gleichzeitig mit ver- schiedenen Rhythmen. Einer dieser Anfälle dauerte mit kurzen Zwischen- pausen 3 Stunden. Das Kind ist während der Anfälle bleich, manch- mal leicht cyanotisch, Puls stark beschleunigt, 140—160 in der Minute. Atmung nicht beschleunist. Nach dem Anfall bekommt das Kind wieder seine gewöhnliche Gesichtsfarbe, sieht gut aus und schläft ruhig ein. Otologisch: Trommelfelle nermal. Starke Hyperakusis. Bei starken Geräuschen streckt Patient plötzlich alle vier Extremitäten. Die scheinbar spontanen Bewegungen treten auch fast ausschliesslich auf akustische Reize ein. Diese Hyperakusis nimmt bis an den Tod stark zu. Beim Auslösen von calorischem und Drehnystagmus erweist sich das Labyrinth als stark übererregbar; es kommt zu heftigem rota- torischen und horizontalen Nystagmus in typischer Richtung. Rhinologisch: Nichts Abnormes. Es handelt sich um einen typischen Fall von amaurotischer Idiotie bei einem 16 Monate alten Knaben, der progredient verlief, und bei dem es zu einer so gut wie vollständigen Ausschaltung der normalen Grosshirnfunktion gekommen war. Krampfanfälle, wahr- scheinlich kortikalen Ursprunges, traten zeitweise auf. Die Reflexe vom Labyrinth auf die Augen waren vorhanden und abnorm stark. An den Gliedmaassen waren leichte Spasmen nachweisbar. Die Untersuchung auf Hals- und Labyrinthreflexe bei dem kleinen Patienten ergab am 18. und 26. Juni folgende Befunde, die durch zwei kinematographische Aufnahmen festgelegt werden konnten: A. Halsreflexe. Patient liegt in Rückenlage mit gestreckten Beinen und ge- beugten Ellbogen (Fig. 1). Auf Drehen des Kopfes nach links (Fig. 2) erfolst tonische Streckung des linken Armes, der dabei rechtwinklig zum Körper gestellt wird. Das linke Bein wird im Hüftgelenk etwas gehoben und im Kniegelenk kräftig tonisch gestreckt. Der rechte Arm wird im Schultergelenk gehoben und kopfwärts geführt, der Ellbogen aktiv gebeugt, so dass die Hand sich dem Hinterkopf nähert. Das rechte Bein wird in Hüfte und Knie gebeugt (diese 436 R. Magnus und A. de Kleijn: Beugung des rechten Beines ist auf Fig. 3 besser zu sehen, die einer anderen Kinoserie entstammt). Der Tonus in den Gliedmaassen auf der linken Körperseite äussert sich durch spontane Streckung und durch kräftigen Wider- Fig. 3. stand gegen passive Beugung, auf der rechten Körperseite durch spontane Beugung und durch deutlichen Widerstand gegen passive Streckung. ER: Auf Drehen des Kopfes nach rechts nehmen die Extremitäten die spiegelbildlich umgekehrte tonische Stellung an. Hals- und Labyrinthreflexe beim Menschen. 437 Wird bei Rückenlage des Kindes z. B. der rechte Oberschenkel um etwa 30° mit dem Finger in die Höhe gehalten, dann ist auf Rechtsdrehen des Kopfes die tonische Streckung des Unterschenkels im Kniegelenk deutlich sichtbar. Wird der Kopf dann nach links gedreht, so fällt der rechte Unterschenkel auf die Unterlage herab, und es lässt sich durch Widerstand gegen passive Streckung ein deutlicher Beugetonus im rechten Knie nachweisen. Diese Reaktionen werden bedingt durch die Stellungsänderung des Kopfes zum Rumpf und treten bei verschiedenen Lagen des Körpers im Raume auf. Es handelt sich also um typische Halsreflexe, welche genau das gleiche Verhalten zeigen, wie wir es in den früheren Fällen am Menschen nachgewiesen haben. Sie ge- horchen denselben Gesetzen wie beim Tier. B. Labyrinthreflexe. Das Kind zeigt denselben Labyrinth- reflex, wie er in den oben referierten Fällen IV und V festgestellt wurde. Setzt man es im Bette auf, so dass die Wirbelsäule vertikal steht (Fig. 4), so hängen die Arme nach unten und zeigen bei passiven Bewegungen einen mittleren Grad des Tonus der Muskeln. Legt man es dann hintenüber in Rückenlage, ohne den Stand des Kopfes gegen den Rumpf dabei Fig. 4. Fig. 5. Fig. 6. zu ändern, so fahren die Arme seitlich auseinander (Fig. 5 und 6) und werden stark tonisch gestreckt. Die Beine werden im Hüft- gelenk etwas gehoben und ebenfalls kräftig tonisch gestreckt. Der Streckstand. der vier Extremitäten bleibt einige Zeit bestehen, nimmt dann aber allmählich ab. 438 R. Magnus und A. de Kleijn: Wird das Kind aus der Rückenlage in Seitenlage oder Bauch- lage gebracht, wobei sorgfältig darauf geachtet wird, dass die Stellung des Kopfes zum Rumpfe sich nicht ändert, so verschwindet die Streekung der Gliedmaassen. Wird dagegen das Kind aus Bauch- oder Seitenlage in Rückenlage umgelegt, so erfolgt wieder die kräftige Streckung der vier Extremitäten. Diese Reaktionen sind, wie sich aus dem Vorstehenden ergibt, nicht abhängig. von Änderungen der Stellung des Kopfes zum Rumpf, sondern von Änderungen der Stellung des Kopfes im Raume. Sie sind Labyrinthreflexe. Sie liessen sich bei dem Kinde mit voll- ständiger Regelmässigkeit und Sicherheit hervorrufen. Nach diesen Feststellungen erhob sich nun die Frage, ob, geradeso wie bei unseren früheren Tierversuchen, sich eine und nur eine Stellung des Kopfes im Raume feststellen liesse, bei der der Streck- stand der Gliedmaassen maximal, und nur eine Stellung im Raume, bei der er minimal ist. War das der Fall, so musste sich die Lage dieses Maximums und Minimums ermitteln lassen. Bei den Tier- versuchen war zur Prüfung dieser Verhältnisse in der Weise vor- gecangen worden, dass, um alle Halsreflexe durch Bewegungen des Kopfes gegen den Rumpf mit Sicherheit auszuschalten, Kopf, Hals und Rumpf des Tieres fest eingegipst wurden und nun der Körper als Ganzes in verschiedene Lagen im Raume gebracht wurde, wobei sich dann der Strecktonus der Extremitäten in gesetzmässiger Weise änderte (vel. Fig. 2, Pflüger’s Arch. Bd. 145 S. 473. 1912). Dieses Verfahren verbot sich natürlich aus Rücksicht auf den kleinen Patienten. Wir erreichten aber dasselbe Ziel, indem wir ein ge- nügend grosses Brett sorgfältig polsterten, das Kind in Rückenlage darauf lesten und den Kopf und den Thorax mit Bindentouren darauf fixierten. Auf diese Weise wurde eine bequeme Lagerung erreicht, bei welcher der Kopf gegen den Rumpf sicher fixiert war, ohne den Patienten zu belästigen und seine Atmung usw. zu be- hindern. Wird das Brett mit dem Kopfende gehoben, bis die Wirbelsäule vertikal steht (Fig. 7 und 8), so erfolgt keine aktive Bewegung der Gliedmaassen. Passive Beugung im Ellbogen (Fig. 7) oder in Hüfte und Knie (Fig. 8) stösst auf keinen deutlichen Widerstand. Wird nunmehr das Kopfende sehr langsam und allmählich gesenkt, wobei immer zwischendurch die jeweilige Stellung eine Zeitlang beibehalten wird (um alle Reflexe, die etwa durch Winkel- Hals- und Labyrinthreflexe beim Menschen. 439 beschleunigungen im Labyrinth ausgelöst werden könnten, zu ver- meiden), so kommt es, noch ehe die Wirbelsäule horizontal steht, zur Abduktion und Streckung der Arme, während die tonisch ge- streckten Beine durch leichte Beugung im Hüftgelenk von der Unter- lage abgehoben werden. Bei horizontaler Lage der Wirbelsäule wird Fig. 7. Fig. 8. die Streekung der Extremitäten stärker (Fig. 9). Passive Beugung im Ellbogen und Kniegelenk stösst nunmehr auf starken Widerstand. Wird das Kind längere Zeit in dieser Rückenlage gehalten, so geht - nach einiger Zeit der Streektonus deutlich zurück, ohne jedoch völlig zu schwinden. Vielmehr bleibt immer noch eine dauernde - tonische Streekung im linken Ellbogen und in beiden Knien nach- weisbar. Wird das Kopfende des Brettes nun weiter gesenkt (Fig. 10), ALO R. Magnus und A. de Kleijn: bis die Wirbelsäule mit der Horizontalen einen Winkel von 45° bildet, so wird die tonische Streckung der Glieder maximal. Das Kind kann aber nicht dauernd in dieser Stellung gelassen werden, weil es dabei unruhig wird. Fig. 9. Nunmehr wird das Kopfende wieder gehoben. Sobald der Kopf etwa 45° über die Horizontale gehoben: ist, lässt die Streckung der Fig. 10. Extremitäten nach, Beugung im Kniegelenk stösst aber immer noch auf merklichen Widerstand. Beim Fortsetzen der Drehung des Brettes nimmt der Streektonus weiter ab und ist völlig verschwunden, nachdem die Wirbelsäule die Horizontale um 20—30° überschritten hat (Fig. 11). In dieser: Stellung ist aktive Beugung des Ell- bogens vorhanden. | Hals- und Labyrinthreflexe beim Menschen. 441 Um die Lage der Maximum- und Minimumstellung noch genauer zu bestimmen, wird mit dem Kinde durch Drehen um die bitem- porale Achse ein vollkommener Zirkel beschrieben. Dabei wird der Strecktonus der vier Extremitäten maximal, wenn das Kopfende bei Rückenlage des Patienten um 45° unter die Horizontale gesenkt wird (Fig. 10). Er bleibt noch stark, wenn der Kopf senkrecht nach unten steht. Bei Fort- setzung der Drehung nimmt er dann ab und erreicht anscheinend das Minimum, wenn der Körper mit dem Kopfe nach oben steht und das-Kopfende 0—45° nach vorne ge- senkt ist (Fig. 11). Fig. 11. Wird das Kind aus der Rückenlage um die Wirbelsäule als Achse in Bauchlage gedreht, so nimmt der Strecktonus der Glieder dabei schrittweise ab. Wird dagegen aus der Bauch- in die Rücken- lage gedreht, so erfolgt wieder die tonische Streckung. Bei allen diesen Bewegungen wird dauernd kontrolliert, dass sich der Stand des Kopfes zum Rumpfe nicht ändert. Dureh diese Versuche, die mehrfach mit dem gleichen Resultat wiederholt ‘wurden, ist festgestellt worden, dass für die bei unserem Patienten nachweisbaren Labyrinthreflexe auf die Extremitäten eine und nur eine Stellung des Kopfes im Raume existiert, bei der der Tonus der Streekmuskeln aller vier Gliedmaassen maximal, und eine, bei der er minimal wird. Beide Stellungen sind um 180° voneinander verschieden. Es: gelten also hier die- 449 R. Magnus und A. de Kleijn: selben Gesetze wie bei den untersuchten Tieren. Es fragt sich, ob die Lage des Maximums und Minimums bei unserem Patienten auch mit der bei den Tieren gefundenen übereinstimmt. Bei diesen wird nach unseren früheren Feststellungen der Strecktonus der Glieder maximal, wenn bei Rückenlage des Tieres die Mundspalte um etwa 45° über die Horizontale gehoben wird. Ein Blick auf Fig. 10 zeiet, dass, wenn man die Lage der Mundspalte als Orientierungslinie be- nutzt, auch beim Menschen dieselbe Lage für das Maximum sich findet. Ebenso lehrt ein Blick auf Fig. 11, dass auch beim Menschen, gerade so wie beim Tier, in der Minimumstellung die Mundspalte um etwa 45° unter die Horizontale gesenkt ist. Ob tatsächlich, wie diese Feststellung wahrscheinlich macht, die Lage der die tonischen Labyrinthreflexe auslösenden Formelelemente des Labyrinthes (Otholithen ?) zur Mundspalte beim Menschen an- nähernd dieselbe ist wie bei den untersuchten Tieren, müssen weitere anatomische Untersuchungen ergeben. Aus den Beobachtungen an dem Patienten ergibt sich ferner, dass die geschilderten Reflexe wirklich Reflexe der Lage sind und nicht etwa durch Winkelbeschleunigungen ausgelöst werden. Das folgt erstens aus der Tatsache, dass zur Auslösung der Reaktionen die Bewegungen des Kopfes oder Körpers durchaus nicht schnell sein müssen, sondern dass dieselben im Gegenteil am allerschönsten zu studieren sind, wenn sie ganz langsam und mit Unterbrechungen ausgeführt werden. Mit Sicherheit folgt es aber daraus, dass die zu jeder Kopfstellung zugehörige Tonusreaktion der Glieder ganz in derselben Weise erfolgt, von welcher Seite her auch diese Kopfstellung erreicht wird. Ob man sich der Maximumstellung (Fig. 10) durch Drehung um die Bitemporalachse aus der Rückenlage oder aus der Bauchlage nähert, oder ob man sie von der Bauchlage aus durch Drehung um die Wirbelsäule als Achse erreicht, immer wird die maximale Streckung der Gliedmaassen er- folgen. Umgekehrt wird der ganze Zyklus von Streckung und Beugung der Extremitäten durchlaufen, wenn man aus der Rücken- lage durch gleichmässige Drehung um die Bitemporalachse einen vollständigen Zirkel mit gleichförmiger Geschwindigkeit und Richtung beschreibt. Daraus ergibt sich, dass es tatsächlich die Lage des Kopfes bzw. der Labyrinthe im Raume ist, die die beschriebenen Tonus- reaktionen veranlasst. Hals- und Labyrinthreflexe beim Menschen. 448 Im Gegensatz hierzu ist vorläufig die Frage, inwieweit es sich bei den beobachteten Labyrinthreflexen des Menschen um Dauer- reaktionen handelt, nicht mit Sicherheit zu beantworten. Bei den untersuchten Säuglingen (Fälle IVa, s. S. 431) dauerte die Reaktion der Arme auf Veränderung der Lage des Kopfes im Raume nur kurze Zeit an. Bei Fall IV war sie tonisch, ging aber nach einiger Zeit vorüber. Bei Fall V war sie stark tonisch, nahm aber allmählich an Intensität ab, ohne jedoch ganz zu schwinden. Bei dem in dieser Mitteilung beschriebenen Fall VIII trat ebenfalls, sobald der Kopf in Maximumstellung gebracht oder ihr genähert wurde, eine starke tonische Streckung der Arme und Beine auf. Der Strecktonus nahm nach einiger Zeit deutlich an Intensität ab, ohne jedoch völlig zu schwinden. Vielmehr blieb im linken EIl- bogen und in beiden Knien noch eine nachweisbare tonische Streckung erhalten. Es war unsere Absicht gewesen, das Kind für längere Zeit in Rückenlage in einem Bette zu lagern, dessen Fuss- ende erhöht war, um festzustellen, ob bei dieser Lagerung die Glieder einen stunden- bzw. tagelang andauernden Strecktonus zeigen würden. Leider liess sich diese Absicht nicht verwirklichen, weil dem kleinen Patienten diese Lage deutlich unangenehm war, und weil der pro- grediente Krankheitsverlauf eine derartige Prüfung verbot. Es konnte daher nur festgestellt werden, dass, als das Fussende des Bettes eine Minute lang hochgestellt wurde, der Strecktonus der Extremitäten eine Minute lang nachweisbar gesteigert blieb. Die Beantwortung der Frage, ob es sich bei diesen Labyrinthreflexen auch beim Menschen, geradeso wie beim Tier, um Dauerreaktionen handelt, muss daher weiteren Untersuchungen vorbehalten bleiben. Dann wird auch erst entschieden werden können, ob das Vorübergehen der Reaktion, wie es beim normalen Säugling beobachtet werden kann, darauf beruht, dass die Labyrinthe, wenn sie in eine neue Lage gebracht werden, eine dauernde Erregung produzieren, auf welche die Gliedmaassen nur vorübergehend reagieren, oder ob die Labyrinthe selbst nur vorübergehend in Erregung geraten. Beim Tier haben unsere früheren Versuche gezeigt, das die Labyrinthe auch ohne Änderung ihrer Lage im Raume Dauererregungen produ- zieren können. Es liegen einige klinische Beobachtungen vor, welche möglicher- weise mit den von uns beschriebenen Reflexen in Beziehung stehen. 444 R. Magnus u. A. de Kleijn: Hals- u. Labyrinthreflexe beim Menschen. Brudzinski!) hat angegeben, dass bei Meningitis auf Ventralbeugung des Kopfes bei Rückenlage des Patienten Beugung beider Beine in Hüfte und Knie eintritt. Ob es sich hierbei um einen Hals- oder Labyrinthreflex handelt, wäre noch festzustellen. Bondi?) sah bei verschiedenen Hirnerkrankungen (Meningitis, Abszess, Apoplexie) auf Drehen des Kopfes gleichsinnige Beugebewegungen beider Beine auf- treten, welche nach freundlicher Mitteilung des Autors nicht tonisch, sondern kurz und ruckartig waren. Um Halsreflexe kann es sich hierbei nicht handeln, da die Bewegungen der Beine keine gegen- sinnigen sind. Ob es sich, wie man vermuten könnte, um Labyrinth- reflexe handelt, bedarf weiterer Untersuchung. Zusammenfassung. Beim Menschen lassen sich in Fällen, bei denen durch Er- krankungen des Hirns und seiner Häute die Grosshirnfunktion mehr oder weniger vollständig ausgeschaltet ist, sowohl Hals- als auch Labyrinthreflexe auf die Gliedermuskulatur nachweisen. Die Halsreflexe werden durch Drehen (manchmal auch durch Wenden) des Kopfes ausgelöst und bestehen in tonischer Streckung der Glieder auf der „Kieferseite* und in Hemmung des Strecktonus und tonischer Beugung der Glieder auf der „Schädelseite“. In ge- eigneten Fällen dauert die Reaktion so lange, als der Kopf in seiner sedrehten Lage gehalten wird. Die Labyrinthreflexe werden durch Veränderung der Stellung des Kopfes im Raume ausgelöst. Sie sind Reflexe der Lage. Es gibt nur eine Stellung des Kopfes im Raume (wenn bei Rückenlage der Kopf um ca. 45 ®° unter die Horizontale gesenkt wird), bei dem der Strecktonus der vier Extremitäten maximal ist, und nur eine um 180 ° davon verschiedene Stellung, bei der er minimal ist. Die Reaktion der Glieder ist tonisch, nimmt aber nach einiger Zeit an Intensität ab. Bei normalen Säuglingen lässt sich bis zum Alter von etwa 3!/g Monaten derselbe Labyrinthreflex auf die Gliedmaassen nach- weisen. Die Reaktion ist aber weniger tonisch und von kürzerer Dauer. 1) J. Brudzinski, Un signe nouveau sur les membres inferieures dans les meningites chez les enfants (signe de la nuque). Arch. de medecine des enfants Bd. 12 p. 745. 1909. 2) S. Bondi, Über reflektorische Bewegungen bei Kopfwendung in cere- bralen Affektionen. Wiener klin. Wochenschr. 1912 Nr. 41. 445 Vergleich zwischen der Wärmeregulierung der Weissen und der Neger bei Arbeit in überhitzten Räumen. Von Privatdozent Dr. Robert Stigler, Assistent am physiologischen Institut der Universität Wien. Mit Rücksicht auf die Kolonisation ist die Frage sehr wichtig, ob wir Weisse den Anforderungen, welche die tropische Hitze an den körperlich arbeitenden Menschen stellt, ebenso gewachsen sind wie die Eingeborenen. Die praktische Erfahrung verneint sie: die schweren Arbeiten, z. B. Feldarbeit, Lastentragen, können in den Tropen von den Weissen nicht ohne Gefahren für die Gesundheit geleistet werden. Trotzdem die Körpertemperatur der Weissen und Schwarzen bei Ruhe und bei leichter Arbeit auch in den Tropen gleich ist !), ist die Akklimatisation der Weissen in den Tropen bis auf unsere Zeit nur relativ geblieben: der Weisse kann mit ver- einzelten Ausnahmen in den Tropen nur dann leben, wenn der ‚Schwarze für ihn körperlich arbeitet. Die Untersuchung der Ursachen der verschiedenen Widerstandsfähigkeit der Weissen und Schwarzen gegenüber der tropischen Hitze lässt sich in folgende Abschnitte eliedern: I. Reaktion und Durchlässigkeit der Haut für 1. chemische Strahlen, 2. Lieht- und Wärmestrahlen; II. Verhalten gegenüber dem Sonnenstich; III. Schweissabsonderung ; IV. Schutz gegen Wärmestauung (Hitzschlag) durch Wärmeabgabe. 1) Vgl. A. Lode, Das Klima. Handb. d. Hygiene von Rubner-Gruber- Ficker Bd.1 S. 696. 1911. Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd. 160. 30 446 Robert Stigler: I. Das physiologische und physikalische Verhalten der Haut gegenüber der Bestrahlung. Dieser Abschnitt ist der Hauptsache nach ein Referat, dessen Ausdehnung mir darum gerechtfertigt erscheint, weil die Ergebnisse der hier referierten Untersuchungen einerseits bisher in die Hand- bücher der Physiologie nieht aufgenommen worden sind, anderseits aber ihre Kenntnis für das Verständnis der weiteren Abschnitte unerlässlich ist. 1. Die Wirkung der chemischen Strahlen auf die Haut. Der auffallendste Unterschied zwischen den Weissen und den Eingeborenen der Tropen liegt in deren Hautfarbe; deren physio- logische Bedeutung wird daher besonders zu betrachten sein. Der Zusammenhang des Pigmentes mit dem Sonnenlicht ist dadurch allgemein bekannt, dass Sonnenbestrahlung eine Steigerung der Pigmentierung hervorruft, welche, je nach dem Grade der Be- strahlung, tage- bis wochenlang anhält. Hinlängelich starke Sonnen- bestrahlung der Haut bewirkt: l. ein unmittelbar während oder nach der Bestrahlung erscheinen- des Wärmeerythem, welches, wenn keine Verbrennung zu- standegekommen ist, innerhalb weniger Stunden wieder ver- schwindet; ein erst nach einer gewissen Latenzperiode auftretendes photo- chemisches Erythem (Sonnenbrand), welches länger anhält als das Wärmeerythem und stets von einer Abschuppung der Ober- haut und einer vermehrten Pigmentierung gefolgt ist. D 2 & 2. Die Durchlässigkeit der weissen und schwarzen Haut für chemische Strahlen. Es ist seit den Untersuchungen von Widmarck, Hammer, Finsen n. a.!) bekannt, dass namentlich die unsichtbaren, kurzwelligen Strahlen des Sonnenlichtes das photochemische Erythem erzeugen, und dass den sichtbaren Strahlen des kurzwelligen Anteiles des Sonnenspektrums bloss eine geringe photochemische Wirkung zukommt. Nach den Untersuchungen von L. Freund) und 1) Vgl. A. Jesionek, Lichtbiologie S. 117ff. 1910. 2) L. Freund, Physiologische und therapeutische Studien über die Licht- wirkung auf die Haut. Wiener klin. Wochenschr. 25. Jahrg. Nr. 5. 1912. Vergleich zwischen der Wärmeregulierung der Weissen und der Neger etc. 447 H. v. Schroetter!) kommt der Sonnenbrand durch Strahlen von 380—325 uu zustande. Von dem zur Erde gelangenden Licht wird der noch kurzwelligere Teil von 325—292 uu schon in der ober- flächlichsten nicht reaktionsfähigen trockenen Epidermisschicht ab- sorbiert?). Auch die übrigen chemischen Strahlen werden nach dem Ergebnisse zahlreicher Untersuchungen ?) schon in der Oberfläche der Haut absorbiert. Nach K. A. Hasselbach *) dringen von den Strahlen der Wellenlänge A = 436 — 313 uu einer Kromayer- schen Quecksilberdampfquarzlampe durch eine Hautschicht von 1 mm Dieke nur 0,5 — 0,006 °/o durch. Ganz besonders werden die chemischen Strahlen von bluthaltigem Gewebe absorbiert. So fand Busek°), dass die Fähigkeit der blauvioletten Strahlen, auf einen lichtempfindlichen Stoff zu wirken, beim Durchgang durch ein Kaninchenohr mit normaler Blutfülle um beinahe 99°o herab- gesetzt wird. L. Freund‘) fand, dass Sonnenlicht beim Durchgange durch die Interdigitalhaut des Frosches von der Linie H, (4 = 3968 Angström-Einheiten) an absorbiert wird. Jesionek schliesst aus dem bisherigen Versuchsergebnisse, dass „die blauvioletten Strahlen, welchen die intensivste chemische Wirkung zukommt, keinerlei Tiefenwirkung entfalten“ ”). Einen sehr mächtigen Schutz gegen die chemischen Strahlen bietet das Pigment. So fand L. Freund) die Permeabilität pig- meutierter Epidermis für ultraviolette Strahlen erheblich geringer als die farbloser Epidermis. Finsen) hat die Schutzwirkung des Pigmentes experimentell dadurch festgestellt, dass er seinen Arm teilweise mit schwarzer 1) H. v. Schrötter, Ber. d. IX. intern. Tuberkulose-Konferenz zu Brüssel. Oktober 1910. 2) L. Freund, Lichtschädigungen der Haut und Lichtschutzmittel. Wiener klin. Wochenschr. 24. Jahrg. Nr. 19. 1911. 3) Vgl. Jesionek, Lichtbiologie S. 137—147. 4) Skandinav. Arch. f. Physiol. Bd. 25 S. 55. 1911. Zit. nach L. Freund, Physiologische und therapeutische Studien usw. 5) Zit. nach Jesionek S. 142. 6) L. Freund, Beitrag zur Physiologie der Epidermis mit Bezug auf deren Durchlässigkeit für Licht. Arch. f. Dermatol. u. Syphilis Bd. 53 Heft 1. 1901. 7) Lichtbiol. 8. 142. ve 8) Beitrag zur Physiologie der Epidermis usw. S. 9 des Sonderabdruckes. 9) Zit. nach Jesionek S. 133. 30 * 448 Robert Stigler: Farbe bedeckte und dann der Sonne aussetzte. Auf den unbedeckten Stellen entstand Erythema solare und Pigmentierung, die geschwärzten blieben unverändert. Dass die Negerhaut durch ihr Pigment, welches in den tiefsten Zellenlagen der Epidermis, unmittelbar auf dem Corium, liegt, gegen Sonnenbrand geschützt ist, ist längst bekannt !). Auch Weisse gewinnen infolge der durch Bestrahlung erzeugten Piementierung einen natürlichen Schutz gegen den Sonnenbrand. Da also auch weisse Haut gegen die chemischen Strahlen hinläng- lich schützt und dieser Schutz überdies beim Weissen noch durch die Kleidung erhöht wird, so bieten die chemisch wirksamen Strahlen der Sonne oftenbar kein ausschlaggebendes Hindernis für den dauern- den Aufenthalt Weisser in den Tropen. 3. Die Penetration von Licht- und Wärmestrahlen in verschiedene körperliche Gewebe. Die Lichtstrahlen dringen je nach ihrer Wellenlänge und der Beschaffenheit der Gewebe verschieden tief in letztere ein und üben teilweise eine geringe chemische Wirkung aus, teilweise werden sie in Wärme umgewandelt. Das Penetrationsvermögen dieser Strahlen gegenüber tierischen Geweben ist von zahlreichen Autoren untersucht worden. Lenkei?°) fand, dass von auffallendem Sonnenlichte nur 1: 100 bis zu einer Tiefe von 0,5 em in die Haut eindringt. L. Freund ’°) hat folgendes Experiment gemacht: Er bestrahlte einen keilförmig zugeschnittenen Hautfettmuskellappen, welcher an seinem dieken Ende 4 cm, an seinem dünnen Ende 2 mm dick war, mit einer 1000 Normalkerzen starken Lichtquelle. Solche Licht- mengen, die sich mit Hilfe lichtempfindlicher Papiere noch nach- weisen liessen, drangen noch durch eine Schicht von 1 em Dicke. Den rotgelbven Strahlen kommt die grösste Penetrationskraft zu ®). Die übrigen Strahlen werden zum grössten Teile vom Blute ab- sorbiert. 1) Siehe auch K. Däubler, Die Grundzüge der Tropenhygiene S. 52. 1900. 2. Aufl. 2) Zit. nach Jesionek S. 143. 3) Physiologische und therapeutische Studien usw. S.9 des Separatums. 4) Vgl. Jesionek S. 142. Vergleich zwischen der Wärmeregulierung der Weissen und der Neger etc. 449 Sichtbare Mengen rotgelben Lichtes durchdringen aber noch Gewebschichten von mehreren Zentimeter Dicke. P. Schmidt!) hat die Diathermanität verschiedener körper- licher Gewebe für Strahlen verschiedener Wellenlänge mittels Thermo- säule und Galvanometer gemessen. Er fand das Maximum der Wärmewirkung beim Sonnenlichte im hellen Teile des Spektrums, bei Gelb, im Gegensatz zu künstlichen Lichtquellen, bei denen das Maximum im Ultrarot liest. Nach Schmidt ist die Diathermanität der Muskeln am grössten, dann folgen Fett, Knochen, Gehirn, Blut. Der Einfluss der Zirkulation des Blutes auf die Diathermanität ist zu vernachlässigen; stehendes und fliessendes Blut lassen ceteris paribus gleiche Mengen von Wärme durch. 4. Unterschied der Diathermanität weisser und schwarzer Haut für helle Wärmestrahlen. P. Schmidt?) hat mittels Thermosäule und Galvanometer die Diathermanität fettloser weisser und schwarzer Haut für Nernst- lieht und Sonnenlicht untersucht und gefunden, dass durch weisse Haut rund 1:10, durch schwarze Haut rund 1:20 der aufgestrahlten Wärme durchgelassen wird. Demnach würde also belichtete weisse Haut etwa doppelt so viel Wärmestrahlen durchlassen als die schwarze. Auch schwarze Haare absorbieren nach den Untersuchungen von P. Schmidt?) mehr Wärme als blonde. 5. Die Reflexion der Wärmestrahlen durch weisse und schwarze Haut. Seine letztgenannten Ergebnisse hat P. Sehmidt*) auch noch dureh Versuche über die Reflexion der Wärmestrahlen verschiedener Wellenlängen auf schwarzer und weisser Haut bestätigt. Bei der Prüfung der Reflexion wurde zum Vergleiche ein Spiegel mit Silber- belag, der rund 98 °/o aller auffallenden Energie reflektierte, ver- wendet. Der Spiegelreflex wurde daher mit 100 °/o angesetzt. 1) P. Schmidt, Über Sonnenstich und über Schutzmittel gegen Wärme- strahlen. Arch. f. Hygiene Bd. 47 S. 262. 1903. — P. Schmidt, Experimentelle Beiträge zur Frage nach der Entstehung des Sonnenstiches. Arch. f. Hygiene Bd. 65 S. 17. 1908. 2) Über Sonnenstich und über Schutzmittel S. 273. 3) Ibid. S. 247. 4) P. Schmidt, Über die hygienische Bewertung verschiedenfarbiger Kleidung bei intensiver Sonnenstrahlung. Arch. f. Hygiene Bd. 69 S. 1. 1909. 450 Robert Stigler: Die von Schmidt mit Thermosäule und Galvanometer auf- gefundenen Reflexionswerte betrugen: Weisse Haut (Durchschnitt aus lebender u. Kadaver- Schwarze Haut Wellenlänge (lebend,tiefschwarzer haut) Kruneger) 1: :Ultrarot' 522900, 2215000 0,0033 0,0028 II. Dunkelrot (nicht sichtbar) . . 0,80 u 0,0079 0,0051 DIRot er else 0,0129 0,004 IV Grün De me oo 0,0138 0,0059 NV. Blaue en A 0,0111 0,0014 6. Die Absorption heller Wärmestrahlen dureh weisse und schwarze Haut. Die Hauttemperatur Weisser und Schwarzer. Dass tote schwarze Haut mehr helle Wärmestrahlen absorbiert als tote weisse Haut, hat C. Eijkman!) mit folgendem Versuche gezeigt: Er bedeckte die Kugeln zweier Thermometer mit einer Doppelschieht von weisser und brauner Haut; bei einem Thermo- meter bildete die braune Haut die äussere Schicht, beim anderen die innere Schicht. Beide Thermometer wurden in einem feuchten Raume von der Sonne bestrahlt. Das Thermometer, dessen Kugel aussen von weisser Haut bedeckt war, zeigte nach einer bestimmten Zeit'’47,5. das Thermometer, dessen Kugel aussen mit brauner Haut bedeckt war, 50,1° C. Wenn dunkle Haut mehr helle Wärmestrahlen absorbiert als weisse Haut, so muss sie sich bei Bestrahlung stärker erwärmen als letztere, wenn sie nicht durch besondere Regulationsmechanismen stärker ab- gekühlt wird. Dass dies wirklich so ist, geht auch aus folgendem Versuche C. Sehilling’s?) hervor: Einem weissen Kaninchen wurde ein Thermometer tief unter die Haut des Rückens geschoben. Während sich das Kaninchen im Zimmer, also im Schatten, befand, stieg das Thermometer nach 15 Minuten auf 38,4° C. Darauf wurde das Tier in die Sonne gebracht (Lufttemperatur ca. 26° C., das Insolationsthermometer 1) ©. Eijkman, Vergleichende Untersuchungen über die physikalische Wärmeregulierung bei dem europäischen und dem malaiischen Tropenbewohner. Virchow’s Arch. Bd. 140 8. 145. 1895. 2) C. Schilling, Tropenhygiene 8. 175. 1909. Vergleich zwischen der Wärmeregulierung der Weissen und der Neger etc. 45] zeigte 46,7 ° C.). Nach einer halben Stunde stieg das Hautthermo- meter auf 40,4°C. Dann wurde das Fell des Kaninchens geschoren ; nach einer halben Stunde war das Thermometer auf 41,5 C. ge- stiegen. Nun wurde auf das geschorene Hautstück ein Stück dünnen, schwarzen Baumwollstoffes geklebt. Innerhalb 5 Minuten stieg das Thermometer unter der Haut auf 42° C., in 25 Minuten auf 42,8° C. Nun wurde der schwarze Fleck wieder entfernt. Das Thermometer sank auf 39,6° C., während gleichzeitig die Sonne von leichtem Dunste etwas verdeckt wurde. Darauf bestrich Autor die geschorene Haut mit angebranntem Korke, so dass sie grau-schwarz gefärbt war; in 10 Minuten stieg das Thermometer auf 42,4° C. Das Ergebnis dieses Versuches von Schilling ist nicht über- raschend. Je mehr Wärme die Haut infolge ihres Pigmentreichtums absorbiert, um so mehr erwärmt sie sich und um so mehr Wärme wird sie auch durch Leitung an das Blut und an ihre Nachbarschaft abgeben. Weisse Haut reflektiert also mehr helle Strahlen als schwarze Haut, sie lässt aber nach Schmidt’s Untersuchungen 10 °/o der auffallenden Wärme in die Tiefe dringen; schwarze Haut reflektiert weniger Wärmestrahlen als weisse Haut, sie absorbiert aber mehr von den eingedrungenen Wärmestrahlen und lässt nur etwa 5 °/o derselben in die tieferen Gewebe eindringen. Die in der Pigment- schicht absorbierte Wärme wird teils durch Leitung, Konvektion und Strahlung wieder an die Luft, teils, und zwar wohl der Haupt- sache nach, an das Blut der Hautgefässe und an die der Pigment- schicht benachbarten Gewebe abgegeben. Schmidt vermutet, dass bei der dunklen Haut die Abeabe der absorbierten Sonnenwärme dadurch erleichtert wird, dass durch die Pigmentschicht, die ja an der Oberfläche des Coriums liegt, die Absorptionszone für Sonnenstrahlen in eine oberflächlichere Lage verlegt wird als bei der weissen Haut '!). Schmidt hat diesbezüglich auch einen physikalischen Versuch angestellt: Er stellte drei Gruppen von Flaschen in die Sonne; die erste Gruppe liess er so, wie sie war, die zweite strich er aussen, die dritte innen schwarz an und mass nach bestimmten Zeiten die Temperatur der in den Flaschen enthaltenen Luft bei fortgesetzter 1) P. Schmidt, Über die hygienische Bewertung verschiedenfarbiger Kleidung usw. 8. 16. 453 Robert Stigler: 3estrahlung '). Die Luft in den ungeschwärzten Flaschen erwärmte sich bis auf 31,5 ° C., die Luft in den geschwärzten Flaschen bis auf 335° C., und zwar unabhängig davon, ob die Flaschen aussen oder innen geschwärzt waren. Wurden aber die Flaschen hernach bei fortdauernder Bestrahlung durch die Sonne im Luftstrome eines elektrischen Ventilators abgekühlt, so sank die Temperatur der Luft in den geschwärzten Flaschen rascher als in den ungeschwärzten. Autor erklärt sich dies in folgender Weise: „Die Wärme, welche bei den schwarzen Flaschen zunächst nur im Glase absorbiert wird, wird rasch wieder an die vorüberstreichende Luft abgegeben, während die Absorption der Strahlen bei den nicht angestrichenen Flaschen in der Tiefe am Thermometer, wo der Luftstrom natürlich unwirksam ist, stattfindet.“ Ich glaube nieht, dass dieser Versuch dafür spricht; dass das Pigment dem Körper einen Schutz gegen das Eindringen der Wärme bietet, weil sich ja die Luft in den schwarzen Flaschen stärker er- wärmte als in den uneefärbten. Die Sonnenbestrahlung wird aber dem Menschen gerade dann bedenklich, wenn Windstille herrscht; im analogen Versuchsfalle hat sich das Innere der schwarzen Flaschen stärker erwärmt als das der weissen. Dass sich die geschwärzten Flaschen rascher abkühlten als die blanken, beruht darauf, dass schwarze Körper dunkle Wärmestrahlen besser emittieren als spiegelnde Körper. Darum ist ja die Dewar’sche Wärmflasche mit einem Spiegelbelag versehen, damit sie ihre Wärme langsamer abgibt. C. Eijkman?) gibt an, dass sich braune Haut im Sonnen- scheine wärmer anfühle als weisse Haut. H. Aron?) behauptet, dass die Hauttemperatur der Malaien bei direkter Sonnenbestrahlung niedriger sei als die der Weissen, und er erklärt dies so, dass dunkle Haut zuerst mehr Wärme ab- sorbiere als weisse und daher auch früher zu schwitzen beginne, wodurch ihre Temperatur wieder früher abnehme als die der weissen Körperhaut. Ich habe folgenden Versuch angestellt: Ein Schwarzer und ein Weisser hielten ihre Vorderarme knapp nebeneinander und kehrten 1) 1. c. Siehe die Kurve 9 auf 8. 13. A) @, 85 a8 3) H. Aron, Experimentelle Untersuchungen über die Wirkungen der Tropensonne auf Mensch und Tier. Berliner klin. Wochenschr. 1911 S. 1115. / Vergleich zwischen der Wärmeregulierung der Weissen und der Neger etc. 453 die volare Seite derselben einer Bogenlampe zu, welche in etwa 30 cm Entfernung stand. Auf beide Vorderarme wurde eine etwa I mm dicke Glasplatte angepresst, so dass sich die Haut darunter in einer Ebene befand und deshalb beide Vorderarme an den zu unter- suchenden Hautflächen gleich stark bestrahlt wurden und ausser- dem die Wärmeabgabe durch Verdunstung verhindert war. Nach einer bestimmten Zeit wurde die Hauttemperatur mit einem an der Basis spiralig aufgerollten Hautthermometer gemessen, welches vor- her nach dem Vorschlage Gärtner’s!) näherungsweise auf die zu erwartende Hauttemperatur erwärmt worden war, um die Messung zu beschleunigen. Ich hielt z. B. meinen Vorderarm knapp neben den eines Uganda-Negers und bestrahlte beide 6 Minuten. Vor der Erwärmung betrug die Temperatur meiner Haut 35,2° C., die der Haut des Negers 35,1° C. Nach der Bestrahlung war meine Haut- temperatur auf 36,75 ° C., die des Negers auf 36,3° C. gestiegen. In gleicher Weise verglich ich auch noch andere Weisse mit den zwei mir zur Verfügung stehenden Schwarzen. Die Unterschiede in der Temperaturerhöhung waren so gering und so schwankend, dass man daraus nur schliessen kaun, die schwarze Haut habe sich bei diesen Versuchen nicht stärker erwärmt als die weisse. Es dürfte also hier die Ableitung der Wärme durch die Blutzirkulation den even- tuellen Einfluss des Pigmentes ausgeglichen haben. 7. Die Durchlässigkeit weisser und schwarzer Haut für dunkle Wärmestrahlen. P. Sehmidt?) hat, wie bereits erwähnt, die Reflexion von Ultrarot durch lebende weisse und schwarze Haut gemessen. Lebende weisse Haut reflektiert im Spektralbereiche des Ultrarot (A=1 u) 0,0033, schwarze Haut 0,0028 der gesamten auf die Haut gestrahlten Energie. Da die Diathermanität der Haut für dunkle Wärmestrahlen nach den für letztere geltenden physikalischen Gesetzen physiologisch nicht in Betracht kommen dürfte?), so wird also der grösste Teil dunkler Wärme absorbiert, und zwar von der schwarzen Haut mehr als von der weissen. 1) G. Gärtner, Eine einfache Methode der Hauttemperaturmessung. Münchner med. Wochenschr. 1905 S. 1885. 2) Über die hygienische Bewertung verschiedenfarbiger Kleidung usw. S. 2ff. 3) Vgl. P. Schmidt, Über Sonnenstich und Schutzmittel usw. S. 266. 454 Robert Stigler: S. Die Wärmeabgabe der schwarzen und weissen Haut durch Strahlung und Leitung. Hierüber liegen mehrere Versuche vor. P. Sehmidt!) hat mittelst der Thermosäule und des Galvano- meters die von einem Hautbezirk bestimmter Grösse von weissen und schwarzen Versuchspersonen ausgestrahlte Wärmemenge ge- messen. Die durchschnittliche Körpertemperatur der fünf unter- suchten dunkelhäutigen Personen betrug in der Achselhöhle 36,83° C., der durehschnittliche Ausschlag am Galvanometer 6,33 cm, die durch- schnittliche Temperatur der Weissen in der Axilla 37,12° C., der durehschnittliche Ausschlag am Galvanometer 7,21 cm. Es bestand also kein nennenswerter Unterschied. E. Woodruff?) meint hingegen, dass schwarze Haut mehr Wärme ausstrahle als weisse Haut, sowie sich auch ein schwarzer Teekessel am Öfen rascher erwärme, aber auch nachher wieder rascher abkühle, als ein blanker. Auch die oben zitierten Versuche Schmidt ’s mit geschwärzten und blanken Flaschen weisen auf das gleiche altbekannte physi- kalische Phänomen hin. Das Strahlungsvermögen und Absorptions- vermögen für dunkle Wärmestrahlen hängt aber nicht ohne weiteres von der Farbe, sondern von der gesamten physikalischen Beschaffen- heit der Körper ab, und es ist daher von vornherein nicht theoretisch zu entscheiden, ob das Pigment eine stärkere Absorption und Emission dunkler Wärmestrahlen durch die Haut bedinst. M. Glogner°) hat mit Hilfe eines Arm-Kalorimeters, welches mit Wasser von 28°C. gefüllt war, und in welches der rechte Unter- arm europäischer und malaiischer Versuchspersonen hineingesteckt wurde, die von deren Haut abgegebene Wärmemenge gemessen und gefunden, dass durch 1 qem Haut in einer halben Stunde von den Europäern durchschnittlich 8,7, von den Eingeborenen 10,5 Kalorien abgegeben wurden. Bei einer zweiten Versuchsreihe*) mass er die durch die Haut 1) Vgl. P. Schmidt, Über Sonnenstich und Schutzmittel usw. $. 274. 2) E. Woodruff, The effects of Tropical Light on White Men p. 6. New- York 1905. 3) M. Glogner, Über einen physiologischen Unterschied der Haut des Europäers und der des Malaien. Virchow’s Arch. Bd. 116 S. 540. 1889. 4) M. Glogner, Beiträge zu den „Abweichungen vom Physiologischen“ bei den in den Tropen lebenden Europäern. Virchow’s Arch. Bd. 119 S. 258. 1890. Vergleich zwischen der Wärmeregulierung der Weissen und der Neger etc. 455 des Oberschenkels vom Eingeborenen und Weissen abgegebene Wärme mit Hilfe eines Winternitz’schen Kalorimeters (eines mit Watte - gefüllten Doppelkästehens, dessen offene Fläche mit Gummi über- zogen ist und auf die Haut aufgelegt wird; die Temperatur der im Kästehen enthaltenen Luft wird an einem in dieses hineinragenden Thermometer gemessen). Im Durchschnitte wurden die im Kästchen enthaltenen 60 eem Luft in 10 Minuten von der weissen Haut um 1,4° C., von der schwarzen um 1,7° C. erwärmt. Aus seinen Versuchen schliesst Glogner, dass die Wärme- abgabe durch Leitung und Strahlung beim Eingeborenen grösser ist als beim Europäer. Ob dies auf der Pigmentierung der Haut oder auf anderen Verhältnissen beruht, lässt Glogner dahingestellt. Die Wärmeabgabe durch Strahlung hat C. Eijkman!) in folgender Weise an toter Haut bestimmt: zwei gleiche zylindrische Blechbüchsen wurden an ihrer Mantelfläche mit von Fett befreiten weissen und braunen Hautlappen umwickelt. Dann wurden beide mit Wasser von 45° C. gefüllt und die Abkühlung dieses Wassers mit Hilfe eines ins Innere der Büchsen ragenden Thermometers ge- messen. Um den Einfluss des möglicherweise verschiedenen Wärme- leitungsvermögens der beiden Hautarten auszuschliessen, wurden die Büchsen mit einer doppelten Hautschicht bedeckt, und zwar so, dass bei der einen Büchse ein weisser Hautlappen durch einen braunen, bei der anderen ein brauner Hautlappen durch einen weissen be- deckt war. Beide Büchsen kühlten in gleichen Zeiten gleich stark ab. Es besteht nach diesem Ergebnisse kein merklicher Unter- schied im Strahlungsvermögen der toten weissen und der toten braunen Haut. Eijkman?) bestimmte aber auch die von der lebenden Haut durch Leitung und Strahlung zusammen abgegebene Wärme, indem er die Temperatur der Luft zwischen Haut und Kleidung am Vorderarm und über der Brust mass. Er fand nur geringe Unter- schiede in der Wärmeabgabe zugunsten des Eingeborenen. Eijkman kommt daher zu dern Schlusse, dass der Pigment- reichtum der Haut keinen überwiegenden direkten Einfluss auf die Wärmeabgabe durch Leitung und Strahlung ausübt). 1) €. Eijkman, Vergleichende Untersuchungen über die physikalische Wärmeregulierung bei dem europäischen und dem malaiischen Tropenbewohner. Virchow’s Arch. Bd. 140: S. 126. 1895. 2) Ibid. S. 129. 3) Ibid. S. 151. 156 Robert Stigler: Fassen wir die Ergebnisse aller dieser Untersuchungen über die Durchlässigkeit der weissen und schwarzen Haut für dunkle Wärme- strahlen zusammen! Sowohl Glogner, als auch Eijkman fanden, dass die pig- mentierte Haut ceteris paribus etwas mehr Wärme abgibt als weisse Haut. Nach den Versuchen Eijkman’s mit toter und P. Schmidt’s mit lebender Haut beruht dies nicht auf Strahlung. Die grössere Wärmeabgabe der schwarzen Haut könnte demnach nur durch bessere Leitungsfähigkeit zu erklären sein. Eine physi- kalische Untersuchung der Wärmeleitungsfähigkeit der weissen und schwarzen Haut ist mir nicht bekannt. Wenn die schwarze Haut ein besserer Wärmeleiter wäre als die weisse Haut, so müsste, so lange die Aussentemperatur niedriger ist als die Körperwärme, ceteris paribus die Hauttemperatur. der Schwarzen höher sein als die der Weissen. Das ist aber nicht der Fall. Nach Däubler!) ist die Hauttemperatur der Neger etwas ge- ringer als die der Weissen. H. Aron?) fand auch die Haut der Malaien etwas kühler als die der Weissen. Ich selbst habe mit dem gewöhnlichen Hautthermometer, welches vorher annähernd auf Körpertemperatur erwärmt worden war, in den meisten Fällen die Temperatur der Negerhaut um 0.1—0,2° C. ge- ringer gefunden als die der Haut der Weissen (an der gleichen Körperstelle gemessen). Daraus ist aber kein bestimmter Schluss auf die Wärmeabgabe durch Leitung oder Strahlung zu ziehen. Es können ja andere Eigentümlichkeiten der Negerhaut für die stärkere Wärmeabgabe verantwortlich gemacht werden: Der Negerschweiss soll fettreicher sein als der des Europäers. Nach d’Arsonval?) sollen Fette die Eigenschaft haben, Wärme rasch abzugeben, und dadurch auch die Negerhaut besser leitend machen. Nach Däubler*) sind die Haarbalgdrüsen des Negers mehr als doppelt so gross als die des Weissen. Sie scheiden demnach auch 1) Grundzüge der Tropenhygiene, 2. Aufl., S. 62 u. 144. 2) 1. c. 5) Zit. nach Däubler, Tropenhysiene, 2. Aufl., S. 48. 4) Ibid. S. 41 u. 57. Vergleich zwischen der Wärmeregulierung der Weissen und der Neger etc. 457 mehr Tale aus, dadurch werde die Haut stärker eingeölt als beim Europäer und wahrscheinlich auch besser leitend gemacht. P. Sehmidt!) vermutet, dass der Pigmentierte die Talgproduk- tion auf stärkeren Lichteinfall hin besser zu regulieren vermöge als der Weisse. Eine mit Talg eingefettete Haut reflektiere natürlich besser als eine trockene. Es ist ja eine bekannte Tatsache, dass sich die Haut der Schwarzen fetter anfühlt als die der Weissen. Nach Däubler sind auch die Schweissdrüsen des Negers etwas grösser und die tiefen Hautschichten desselben etwas blutgefässreicher als die des Weissen. An histologischen Präparaten scheinen Däubler die Hautgefässe der Schwarzen durchschnittlich grösser zu sein als die der Weissen. Für die Abfuhr der in der Haut absorbierten Wärme kommt der Blutzirkulation wohl eine grosse Bedeutung zu, und in diesem Sinne könnte, wenn Däubler mit seiner Mitteilung recht hat, schon durch das mächtigere Hautgefässsystem des Negers ein Vorteil zu- eunsten stärkerer Wärmeabgabe vorhanden sein. Über die vorliegende Frage hat C. Schilling?) folgenden Versuch angestellt: „Ein Thermometer, zwischen Zahnreihe und Wange einer Versuchsperson eingelest, zeigte im Zimmer nach 15 Minuten 36,6° C. Nun trat die Person in die Sonne und liess die Backe 20 Minuten lang bescheinen. Die Temperatur stieg auf 37,05° C.; die Aussenluft hatte eine Temperatur von 28,2— 30,6 ° C.., das Sonnenscheinthermometer zeigte 47,5—55° C. Die Temperatur- erhöhung unter der Haut, dem Fettpolster, der Muskulatur und Schleimhaut betrug 0,9° C., überstieg aber nicht die Norm.“ Schilling schliesst daraus, dass die grosse Wärmemenge, welche in diesem Falle von der Haut absorbiert worden war, vom Blute sehr rasch nach dem Körper hin abgeführt und so ein Ausgleich herbeigeführt worden sei. Anderseits erklärt P. Schmidt?), dass die Dlutzirkulation nicht imstande sei, einen durch Absorption von Wärmestrahlen entstehen- den Wärmezuwachs auszugleichen. Er stach einem Kaninchen eine 1) P. Schmidt, Über die hygienische Bedeutung verschiedenfarbiger Klei- dung usw. S. 16. 2) Tropenhygiene S. 175. 3) Experimentelle Beiträge zur Frage nach der Entstehung des Sonnen- stiches usw. 8. 27. 458 Robert Stigler: IC > Thermonadel das eine Mal 3 mm tief dicht unter die Haut, das andere Mal 3 mm tief unter der Oberfläche in einen Muskel. Die Oberfläche des Tieres wurde mit gesammeitem Bogenlichte bestrahlt. Nach 30 Sekunden zeigte die Haut eine Temperaturerhöhung von 3,4° CG., die Muskulatur von 1,5° C. Der Wärmeüberschuss wurde also nicht durch die Zirkulation ausgeglichen. Zweifellos ist aber eine sehr erosse Wärmemenge durch das zirkulierende Blut ins Innere abgeleitet worden. 9. Zusammenfassung der Ergebnisse der Versuche über die physiologische Bedeutung der Hautfarbe. Es ist bei allen hier mitgeteilten Untersuchungen sehr in Be- tracht zu ziehen, dass die Wärmeabgabe der weissen und schwarzen Haut immer nurim Ruhezustande verglichen wurde. In diesem Zustande hat man jedenfalls keine bedeutungsvollen Unterschiede zwischen der Wärmeabgabe der Haut der Schwarzen und Weissen durch Leitung und Strahlung finden können. Weder physikalische Erwägungen, noch physiologische Versuche haben dar- setan, dass dem Pigment für die Wärmeabgabe durch Leitung und Strahlung eine Bedeutung zukommt. Die schwarze Haut reflektiert nach den Untersuchungen von Schmidt bloss 2°, die weisse Haut hingegen 5 °/o der gesamten auffallenden Wärmemenge. Darin besteht kein wesentlicher Schutz gecen Wärmestrahlen. k Die Hauptaufgabe des Pigmentes ist es offenbar nur, die Liehtstrahlen und chemisch wirksamen Strahlen zum grössten Teile zu absorbieren und in Wärme um- zuwandeln und so die tieferliegenden Gewebe vor dem schädlichen Einflusse der kurzwelligenLichtstrahlen zu bewahren. Jedenfalls ist noch die sehr wichtige Untersuchung ausständig, wie sich die Wärmeabgabe einerseits durch Strahlung, anderseits durch Leitung bei Schwarzen und Weissen verhält, wenn die Körper- temperatur beider gesteigert ist und ihre Hautgefässe erweitert sind; gerade darauf kommt es ja in praxi an. Es ist wohl möglich, dass die Hautgefässe der Neger durch Wärmereize beträcht- licher erweitert werden als die der Weissen, und dass infolgedessen vom erhitzten Neger mehr Wärme durch die Haut abgegeben wird, als vom erhitzten Weissen. Versleich zwischen der Wärmeresulierung der Weissen und der Never etc. 4} g S 8 g Zu derartigen Untersuchungen wären aber meiner Meinung nach haupt- sächlich solche Neger zu verwenden, welche den grössten Teil ihres Lebens nackt verbringen, so wie sie es in ihrer Urheimat Afrika gewohnt sind. Amerikanische Nigger, welche seit ihrer Jugend meist ganz be- kleidet sind, bieten jedenfalls keine geeigneten Vergleichsobjekte dar. II. Der Sonnenstich. Die Literatur über den Sonnenstich ist sehr reich. Die ver- schiedenen Theorien über seine Entstehung finden sich zum Beispiel bei Woodruff!) zusammengestellt. Der hauptsächliche Unter- schied zwischen Sonnenstich und Hitzschlag ist, dass zum Zustande- kommen des Sonnenstiches direkte Sonnenbestrahlung nötig ist, während der Hitzschlag auch im Dunkeln auftreten kann, ferner, dass der Hitzschlag immer mit Temperatursteigerung beeinnt, welche beim Sonnenstich nicht nur zu Beginn, sondern überhaupt ausbleiben kann. Ferner besteht beim Sonnenstich oft eine vielstündige Latenz- periode, die beim Hitzschlag fehlt. Der Sonnenstich kann zum Beispiel erst am nächsten Tage nach der Bestrahlung bemerkbar werden, während der Hitzschlag stets während der Überhitzung des Körpers auftritt. Sicherlich bestehen zwischen Sonnenstich und Hitzschlag Wechselbeziehungen, indem gleichzeitige Überhitzung durch gesteigerte Wärmebildung infolge körperlicher Arbeit und gehinderte Wärmeabgabe (z. B. infolge dieker Kleidung) die Ent- stehung des Sonnestiches begünstigen (wie ich es auch selbst be- obachtet habe). Die Frage, ob der Sonnenstich durch chemische oder thermische Sonnenwirkung zustande kommt, hat P. Schmidt?) experimentell untersucht. Er hat den glatt rasierten Kopf eines Meerschweinchens das eine Mal mit dem an dunkler Wärme sehr reichen Lichte einer 65 kerzigen Nernstlampe, das andere Mal mit rein aktinischem Lichte während einer halben Stunde bestrahlt. In diesem letzteren Falle blieb das Tier gesund. Im ersten Falle „war das Tier tagelang krank, fressunlustig, sass bewegungslos in einer Ecke des Käfigs. Die bestrahlte Hautpartie wurde allmählich bis auf den Knochen Mal2C2S7 38 2) Über Sonnenstich .und Schutzmittel gegen Wärmestrahlung. Arch. f. Hygiene Bd. 47 S. 276. 1903. 460 Robert Stigler: nekrotisch und mumifiziert. Das Tier ist bald darauf eingegangen.“ Es war also eine schwere Verbrennung des Tieres erfolgt, welche ja beim Sonnenstich nie vorkommt. Dieser Tierversuch hat auch darum keine Beweiskraft, weil es noch gar nicht erwiesen, ja sogar höchst unwahrscheinlich ist, dass Meerschweinchen überhaupt Sonnen- stich bekommen können. P. Sehmidt hat die Durchlässigkeit (d. i. das Verhältnis der Menge der durch einen Körper hindurchgehenden zu der Menge der auf ihn auffallenden Wärmestrahlen) der gesamten Schädel- decke für verschiedene Wellenlängen bestimmt und folgende Werte gefunden. Durchstrahlungswert Blau‘. 20 3 ra) Grün m ea ee) Robust ee 3 Dünkelroh u. 2 NZ UÜltrarot. a. rel Da die ultravioletten, chemisch am stärksten wirksamen Strahlen schon in der Haut und in den Blutgefässen derselben fast gänzlich absorbiert werden, so können sie nicht für den Sonnen- stich verantwortlich gemacht werden. Schmidt hält daher den Sonnenstich für eine Folge der Erwärmung der Hirnsubstanz, haupt- sächlich der Hirnrinde, weil er die .Hirnsubstanz weniger diatherman befand als die übrigen Gewebe, welche von den Strahlen vorher durchsetzt werden, wodurch gerade an der Hirnrinde die Wärme in grosser Menge aufgespeichert werde !). P. Schmidt nimmt an, dass die sekundäre, durch Leitung der in der Schädeldecke absorbierten Sonnenwärme entstehende Fr- wärmung der Hirnrinde für das Auftreten des Sonnenstiches von grösserer Bedeutung sei als die primäre Erwärmung der Hirnrinde durch die Bestrahlung ?). Das Maximum der Wärmewirkung der Sonnenstrahlen liegt im Gelb, im hellsten Teile des Spektrums. Gerade diese Strahlen werden vom Pigment in beträchtlicher Menge absorbiert und am Eindringen in die Tiefe gehindert. Da das Pigment nahe der Ober- 1) Ibid. S. 289. 2) Experimentelle Beiträge zur Frage nach der Entstehung des Sonnen- stiches usw. 8. 30. Vergleich zwischen der Wärmeregulierung der Weissen und der Neger etc. 461 fläche, also der Verdunstungszone, liegt, so kommt ihm eine Schutz- wirkung gegen Sonnenstich zu. Es ist eine alte Erfahrung, dass ultrarote Wärmestrahlen keinen Sonnenstich erzeugen. P. Schmidt erklärt dies damit, dass ultra- rote Wärmestrablen viel weniger tief eindringen als helle Wärme- strahlen !). Immerhin könnte man noch vermuten, dass die in die Tiefe eindringenden hellen Sonnenstrahlen auf die Hirnrinde chemisch schädigend (entzündend) einwirken und so den Sonnenstich hervor- rufen. Die Frage, ob der Sonnenstich auf der Erwärmung der Hirnrinde beruht oder auf dem eben genannten Umstande, wäre offenbar durch das. Experiment zu entscheiden, indem der Kopf mit Sonnenlicht bestrahlt und zugleich so stark abgekühlt würde, dass eine Erhitzung der Hirnrinde ausgeschlossen erschiene. Tatsächlich sind von H. Aron?) solche Versuche gemacht worden. Er hat verschiedene Affen in Manila einige Stunden lang mit Sonne bestrahlt. Ihre Körperwärme stieg dabei zu Fiebergraden. Wenn man die Tiere gleichzeitig während der Bestrahlung durch den Luftstrom eines Ventilators abkühlte, so blieben sie gesund. Ein Kontrollaffe, der zugleich ohne Kühlung bestrahlt worden war, ging schon nach 58 Minuten unter febriler Temperatur ein. Daraus schloss Aron, dass Wärme-, nicht chemische Wirkung, die Ursache der verhängnisvollen Wirkung der Sonnenstrahlen auf die Affen sei. Aron hat aber auch noch folgenden Versuch gemacht. Er schloss einen Versuchsaffen in einer Doppelkiste ein, aus welcher nur sein Kopf herausragte. Es wurde also nur der Kopf des Affen der Sonne ausgesetzt, und zwar ohne Abkühlung. In diesem Falle wurde der _ Affe nicht krank, auch wenn sein Kopf viele Tage lang mit Sonne bestrahlt wurde. Daraus geht hervor, dass die schädigende Wirkung der Bestrahlung auf die Affen als Hitzschlag, nicht aber als Sonnen- stich aufzufassen ist; daher ist auch aus Versuchen mit Affen bezüg- lich der Ätiologie des menschlichen Sonnenstiches gar nichts zu schliessen. Wir sind in dieser Hinsicht ausschliesslich auf die Wahr- nehmung am Menschen angewiesen. Es wäre sehr wertvoll, Berichte darüber zu erhalten, ob Fälle von Sonnenstich auch bei niederer Aussentemperatur beobachtet worden sind, zum Beispiel auf hohen Bergen in den Tropen. Vor der Besteigung des rund 4400 m hohen 1) Über Sonnenstich und über Schutzmittel gegen Wärmestrahlung S. 279, 2) 1.vc- S: 1115. Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd. 160. 3l 4623 hobert Stigler: Eleon in Uganda rieten uns die am Fusse desselben wohnenden englischen Beamten, auch in der Höhe unsere Köpfe durch den Tropenhelm ebenso vor der Sonne zu schützen wie in der Ebene. Eigene Erfahrung darüber, ob der Sonnenstich in Bergeshöhe auf- trete, hatte indessen niemand von unseren Gewährsmännern. Es ist gewiss auffallend, dass Affen, welche doch in den Tropen zuhause sind, die Sonnenbestrahlung so schlecht vertragen. Dies erklärt sieh aber, wie unter anderen Aron ausführt, so, dass der Affe ja eigentlich ein im Schatten lebendes Tier ist, welches sich eben gegen die Sonne ins Diekicht des Urwaldes flüchtet. Die Hirn- rinde ist aber jedenfalls beim Menschen gegen die Wirkung der Sonne viel empfindlicher als beim Affen. Sehr grosse Empfindlichkeit gegen Sonnenbestrahlung hat Steudel?!) auch an deutsch-ostafrikanischen Ameisen beobachtet. Jene kleinen Ameisen weichen der Sonne aus, wie sie nur können, und wenn Steudel einen Teller, auf welchem solche Ameisen fressend sassen, an die Sonne stellte, so flohen sie, und diejenigen, welche nieht mehr fliehen konnten, gingen nach wenigen Sekunden zugrunde. Steudel macht gleich Woodruff darauf aufmerksam, dass die meisten tropischen Tiere Nachttiere sind. Letzterer Autor und Aron betonen, dass die Eingeborenen der Tropen auch mehr oder weniger ein Nachtleben führen und sich in der Mittagszeit in ihren Hütten oder im Schatten aufhalten. Es muss übrigens eine Gewöhnung des Gehimme. an die schädigende Wirkung der Sonnenstrahlen geben. Ich selbst habe in Zentralafrika verschiedene Weisse kennen gelernt, welche sich ungestraft mit einem einfachen Filzhute den ganzen Tag über in der Sonne aufhielten, während im allgemeinen von den Kolonisten keine hygienische Regel so strenge eingehalten wird wie die: den Tropenhelm, so lange die Sonne hochsteht, also mindestens bis 4 Uhr nachmittags, im Freien nicht einmal für Sekunden abzunehmen. Es gibt ja übrigens auch hellfarbige Bewohner tropischer Gegenden, wie die Parsen. in Indien und die Chinesen, welche er- fahrungsgemäss weit weniger unter Sonnenstich leiden als die Euro- päer unter gleichen Verhältnissen. Auch P. Schmidt?) hält Ge- wöhnung an Sonnenstrahlen für möglich. 1) de. Sonnenstich bei Ameisen in den Tropen Arch. E Schiffs- u.-Tropenhygiene Bd. 12 S. 29. 1908. 2) Über Sonnenstich und über Schutzmittel gegen ea all S. 274. 3 Vergleich zwischen der Wärmeregulierung der Weissen und der Neger etc. 403 Sicher ist der Neger sowohl durch sein Pigment, als auch durch die Gewöhnung vor dem Sonnenstich geschützt. Übrigens leiden, wie unter anderen F. Plehn!) hervorhebt, auch die Eingeborenen Afrikas sehr unter starker Sonnenbestrahlung. III. Schutz gegen Wärmestauung bei Weissen und Negern. Es ist, wie bereits eingangs erwähnt, durch sehr zahlreiche Messungen erwiesen, dass auch bei exzessiver tropischer Hitze die Körpertemperatur gesunder Weisser ebensowenig über die Norm steigt wie die der Schwarzen, so lange keine besondere körperliche Anstrengung auszuhalten ist. Kommt aber zur Erwärmung von aussen auch noch eine erhöhte innere Wärmebildung durch Muskel- arbeit hinzu, so tritt bei Europäern erfahrungsgemäss im allgemeinen eher Wärmestauung und infolgedessen Hitzschlag ein als bei Eingeborenen. Die Ursache dessen könnte sowohl in einer besseren Wärmeregulierung durch Wärmeabgabe, als auch darin liegen, dass die Steigerung der physiologischen Oxydationsprozesse durch eine bestimmte Arbeit bei hoher Aussentemperatur beim Schwarzen geringer wäre als beim Weissen. Experimentelle Unter- suchungen hierüber haben die Wärmestauung bei Weissen und Schwarzen bei körperlicher Arbeit in heisser Umgebung oder, all- gemeiner gesagt, bei gehemmter Wärmeabgabe, ins Auge zu fassen. 1. Allgemeine Erfahrungen über das Auftreten der Wärme- stauung bei Weissen und Schwarzen. Die dunkelhäutigen Rassen sind erfahrungsgemäss nicht nur gegen Sonnenbrand und Sonnenstich, sondern auch gegen Hitzschlag mehr gefeit als die Weissen ?). Hitzschlag wird bei Schwarzen über- haupt sehr selten beobachtet. Darum werden auch von alters her bei der Durchfahrt durch das Rote Meer die weissen Heizer und Trimmer meist gegen dunkelhäutige (Neger, Hindus, Malaien oder Chinesen) ausgetauscht. In den „statistischen Sanitätsberichten aus der kaiser- lich deutschen Marine“®) finden sich Angaben über die Körper- 1) F. Plehn, Tropenhygiene, 2. Aufl., S. 273. 1906. 2) Vgl. unter anderem Däubler, Tropenhygiene S. 20. 3) Zit. nach A. Kurrer, Über Temperaturerhöhungen bei Heizern. Deutsche Vierteljahrschr. f. öffentl. Gesundheitspflege Bd. 24 S. 306. 1892. Sales A654 Robert Stigler: temperatur der im Roten Meer als Heizer verwendeten Weissen und Neger während ihrer Arbeit. Die Temperatur der Neger war kaum einige Zehntelgrade erhöht, während die Temperatur der Deutschen 39° C. und darüber betrug, trotzdem sie nur als Hilfsarbeiter Ver- wendung fanden. A. Kurrer beobachtete auf einer Reise von Hamburg nach Java in der Zeit vom 30. Juli bis 20. November, auf welcher 34 Hindu aus der Gegend von Kalkutta als Heizer verwendet wurden, an letzteren selbst an den heissesten windstillen Tagen bei der Arbeit nur eine Steigerung der Körpertemperatur bis zu durchschnittlich 38,1° C.)); es traten bei keinem der Hindu auch nur die ersten Symptome von Hitzschlag auf, während unter den fünf deutschen Maschinisten drei Hitzschläge vorkamen. Die individuellen Schwankungen in der Temperaturregulierungs- fähigkeit sind bei den Weissen viel grösser als bei den dunkel- häutigen Rassen. Sicherlich sind der Alkohol sowie die aufregendere Lebensweise und die üppigere Kost der Weissen Mitursachen ihrer geringeren Widerstandsfähigkeit gegen die Hitze; denn ver- einzelt eibt es auch Weisse, welche der Tropenhitze ebensogut standhalten wie Eingeborene. Die Neger Nordamerikas, deren Lebensweisse der der Weissen doch schon weit mehr ähnelt als die der afrikanischen Neger, scheinen auch gegen Hitze nicht viel wider- standsfähiger zu sein als die Weissen. Während des nordamerikanischen Bürgerkrieges sollen von den weissen Soldaten 3°o an Hitzschlag erkrankt und 0,12 %o gestorben, von sanz gleich ausgerüsteten und be- kleideten schwarzen Soldaten 3,2% an Hitzschlag erkrankt und 0,3 %/o gestorben sein ?). K. Däubler®) hat als indischer Truppenarzt unter weissen und schwarzen Soldaten bemerkt, dass letztere bei Märschen weit weniger unter der Hitze litten als die weissen. Nach seiner Er- fahrung schwitzen auch die Weissen heftiger und leiden mehr unter Durst als die Dunkelfarbigen, und ihre Körpertemperatur erhebt sich während des Marsches mehr als die der letzteren. F. Plehn*) hat an seinen schwarzen Trägern in Kamerun nur 1) Ibid. S. 297 u. 299. 2) Zit. nach C. Schilling, 1. c. S. 174. 3) 1. ec. 8. 34. 4) Zit. nach Däubler, S. 19. Vergleich zwischen der Wärmeregulierung der Weissen und der Neger etc. 465 eine sehr geringe Beeinflussung der Körpertemperatur durch Lasten- tragen beim Marsche beobachtet. Bourguienon und Cornet!) berichten, dass beim Bau der Kongoeisenbahn die weissen Aufsichtsbeamten bei ganz leichter körperlicher Arbeit unwohl wurden und eine Temperaturerhöhung um 1—1!/2° C. aufwiesen, während die schwer arbeitenden Schwarzen sesund blieben. P. Sehmidt?) befürwortet die Verwendung farbiger Heizer und Trimmer, notabene auch der Chinesen, „da sie extreme Hitze und Feuchtigkeit ganz vortrefflich ertragen“. Er berichtet, er habe in den heissesten Tropengegenden unter dem farbigen Heizerpersonal nie einen Fall von Hitzschlag, noch Hitzeerschöpfung gesehen. Anderseits hat P. Schmidt?) an Bord eines Ostafrikadampfers Vergleiche über den Einfluss der Muskelarbeit auf die Körpertem- peratur von Schwarzen und Weissen angestellt und bezüglich der Temperaturregulierungsfähigkeit beider keinen Unterschied finden können. 16 Schwarze und 16 annähernd gleichstarke Weisse mussten unter gleichen äusseren Bedingungen gleiche Arbeit leisten, nämlich eine gleiche Last gleich oft auf gleiche Höhe heben oder in der Tropensoune mit Kopfbedeckung und entblösstem Oberkörper eine gleiche Wegstrecke in gleichem Tempo zurücklegen. Die Körper- temperatur beider Gruppen zeigte keinen nennenswerten Unterschied, ebensowenig die Ermüdung und die Transpiration. Ich selbst habe über die Widerstandsfähigkeit der Schwarzen bei Arbeit in der Hitze während der mit 200 bis 300 Schwarzen und 4 Weissen unternommenen Expedition des Wiener Architekten R. Kmunke in Uganda im Jahre 1911—1912 praktische Er- fahrungen gemacht. Die Schattentemperatur stieg nach den Messungen Kmunke’s täglich bis zu 34—40° C., an manchen Tagen auch bis zu 44°C. Die relative Feuchtigkeit betrug an den meisten Tagen 75—90°e. Die Schwarzen trugen Lasten von 20 —36 kg am Kopfe; sie schwitzten dabei ausserordentlich stark und klagten auch sehr über Durst. Ihre Körpertemperatur fand ich indessen sofort nach der Ankunft im Lagerplatz nie merklich erhöht (selbstverständlich 1) Zit. nach Däubler, S. 19. 2) P. Schmidt, Über Hitzschlag an Bord von Dampfern der Handelsflotte, seine Ursachen und seine Abwehr. Arch. f. Schiffs- u. Tropenhygiene Bd. 5 S. 267. 1901. 3) Über Sonnenstich und über Schutzmittel usw. S. 275. 466 Robert Stigler: abgesehen von Erkrankungen). Da die Weissen nichts zu tragen hatten, so waren sie keine geeigneten Vergleichsobjekte; jedenfalls ist aber anzunehmen, dass auch geübte und wohltrainierte Weisse unter der Hitze bei gleicher körperlicher Belastung weit mehr ge- litten hätten als unsere schwarzen Träger. Das ausschlaegebende Moment für die Wärmestauung ist ja immer die körperliche Arbeit. Dass die ledigliche Wirkung der Sonnenwärme bei körperlicher Ruhe weder bei gesunden Weissen, noch bei Schwarzen Wärme- stauung bewirkt, hat P. Sehmidt!) auch durch direkte Versuche dargetan. Er hat in einem Leipziger Sonnenbade vergleichsweise zwanzig Weisse und drei afrikanische Neger 1'/sz Stunden bei körper- licher Ruhe der Sonne ausgesetzt und hernach ihre Körpertemperatur semessen. Die Temperatur der drei Schwarzen war um 0,8, 0,3 und 0,6 °C., die der Weissen um rund 0,5—0,3°C., in einem einzelnen Falle bei einem völlig braun gebrannten alten Sonnenbadbesucher sogar um 1,3°C. gestiegen. Es bestand also im Ausgleiche der durch die Sonnenwärme bewirkten Körpertemperaturerhöhung kein Unterschied zwischen den beiden Rassen. P. Schmidt kommt am Schlusse seiner zahlreichen Unter- suchungen ‘über die Temperaturregulierung der Weissen und Schwarzen zu folgender Ansicht: „Bei der Wärmeregulierung des Körpers während intensiver Sonnenbestrahlung bestehen grosse indivi- duelle Unterschiede, die auf nervöse Einflüsse zurückzuführen sind (Gefässerweiterung, Schweiss-, Talesekretion). Diese individuellen Unterschiede scheinen bei der pigmentierten und weissen Rasse in oleicher Weise zu bestehen und sind so erheblich. dass der Einfluss der Farbe der Haut schwer erkennbar wird“ ?). Dieses Ergebnis ist unbefriedigend; denn die allgemeine Er- fahrung bestätiet doch, dass die Schwarzen ihre Körperwärme bei der tropischen Hitze während der Arbeit besser zu regulieren im- stande sind als wir Weisse. 2. Die Wärmeabgabe durch Schweiss bei Weissen und Negern. Anthropologische Angaben über die Schweissdrüsen und Hautblutgefässe der Neger konnte ich nur bei Däubler finden. Leider sind auch Däubler’s Angaben nicht ganz klar. Sie lauten: 1) Über die hygienische Bedeutung verschiedenfarbiger Kleidung usw. sem 2)PIbid.es1g: Vergleich zwischen der Wärmeregulierung der Weissen und der Neger etc. 467 „Die vom Verfasser (Däubler) in dem anatomischen Institut in München angestellten mikroskopischen Untersuchungen der Haut von bis jetzt sieben Personen ergaben, dass die Schweissdrüsen- endigungen dicht an den Haarwurzeln und in gleichem Niveau mit den Talgdrüsen liegen. Stets gruppieren sich die Knäueldrüsen um das Haar, ausserhalb desselben findet man sie selten. Diecken- durehschnitte zeigen ebenfalls die grosse Länge der Ausführungs- gänge der Knäueldrüsen und die vorhin erwähnte Tiefe der Drüse selbst. In diesem Niveau erscheinen auch die Gefässdurchschnitte grösser. Die Grösse der einzelnen Knäueldrüsen erscheint variabel“ }). „Es zeigte sich, dass die Negerhaut etwas grössere Schweissdrüsen enthält als die des Weissen, und dass ihr Blutreichtum in den tieferen Schichten ebenfalls ein etwas grösserer sein muss, weil diese gefäss- reicher erscheinen“ ?). Nach Däubler°) schwitzen die Eingeborenen in Indien beim Marsche und bei der Arbeit weniger als die eingewanderten Euro- päer, auch wenn letztere schon akklimatisiert sind; ebenso leiden die Eingeborenen nach Däubler weniger Durst. Däubler‘) gibt auch an, dass die Chinesen bei der Arbeit viel stärker schwitzen als die dunkler pigmentierten Rassen. Auch Schilling?) berichtet, dass der Neger viel weniger schwitze als der Weisse. P. Schmidt‘) sprieht die Meinung aus, dass die stärkere Wärmeabsorption in der den Schweissdrüsen nahegelegenen Pigment- schicht der Negerhaut diese früher zur Schweissproduktion anrege. €. Eijkman’) denkt an die Möglichkeit, dass der Schweiss an der Oberfläche der dunklen Haut leichter verdunste als an jener der weissen Haut, woraus sich die vielfach auffallende Trockenheit der dunklen Haut erkläre, ohne dass man vermindertes Schwitzen der Schwarzen anzunehmen brauche; er fand aber für diese An- nahme keine wissenschaftliche Stütze. | NIE Dec. 3) 1. c. S. 34. 4) 1. c. S. 38. 5) Tropenhysgiene S. 34. 6) Experimentelle Beiträge zur Frage der Entstehung des Sonnenstichs S. 28. 7) Vergleichende Untersuchungen über die physikalische Wärmeregu- lierung usw. Virchow’s Arch. Bd. 140 S. 143. 1895. x 468 Robert Stigler: In einer Reihe exakter Untersuchungen hat C. Eijkman das Verhältnis der im Zustande der Ruhe abgeschiedenen Schweiss- und Harnmenge bei Europäern und Malaien untersucht. Er kommt zu dem Schlusse, dass diesbezüglich zwischen beiden Rassen kein Unter- schied bestehe. „Die Übereinstimmung zwischen beiden Rassen könnte sogar kaum grösser sein. Wenn der Europäer mehr schwitzt als der Eingeborene, so ist dies wohl hauptsächlich einem grösseren Wasserverbrauch zuzuschreiben“ !). Dies gilt aber nur bei einer Umgebungstemperatur von weniger als 30°C. Wenn man aber die vergleichenden Untersuchungen bei verminderter Wärmeabgabe vor- nimmt, so nimmt nach Eijkman die Schweissabsonderung bei Europäern verhältnismässig viel mehr zu als bei Eingeborenen. Hingegen sondern dann die Eingeborenen mehr Urin ab als die Europäer. Das viele Schwitzen des Europäers sei kein Vorteil für ihn, weil der Schweiss nicht genug Zeit zum Verdunsten habe und daher nutzlos, ja, wegen der Hautentzündung („roter Hund“), sogar schädlich sei. Im allgemeinen sei aber die totale Wärmeabgabe beider Rassen gleich. Ob dies aber auch für den Fall anstrengender Muskeltätigkeit zutreffe, müsse erst näher untersucht werden ?). Rubner?°) fand keinen wesentlichen Unterschied zwischen der Perspiration zweier Neger und der mit ihnen vergliehenen Weissen im Zustande der Ruhe bei einer Aussentemperatur von 13— 34,9 °C. und ohne Behinderung der Wärmeabgabe. Im Gegensatze zu einigen obigen Mitteilungen haben wir vier weisse Teilnehmer der bereits erwähnten Uganda - Expedition R. Kmunke’s an unseren schwarzen Trägern übereinstimmend die Beobachtung gemacht, dass sie einerseits mehr schwitzten als wir und anderseits auch scheinbar mehr an Durst litten; sie benutzten jede schmutzige Lache, um gierig daraus zu trinken. Allerdings hatten sie schwere Lasten zu tragen, wodurch der genannten Beobachtung der Vergleichswert benommen wird. Ich habe daher in Wien in den Räumen des Beatrix-Bades, welche mir von ihrem Besitzer, Herrn Baron Wieser, freundlichst zur Verfügung gestellt wurden, an meinem aus Uganda mitgebrachten 1) Vergleichende Untersuchungen über die physikalische Wärmeregu- lierung usw. Virchow’s Arch. Bd. 140 S. 147. 1897. 2) Ibid. S. 143. 3) M. Rubner, Vergleichende Uxtersuchung der Hauttätigkeit des Europäers und Negers usw. Arch. f. Hygiene Bd. 33 S. 148. 1900. Vergleich zwischen der Wärmeregulierung der Weissen und der Neger etc. 469 Diener Kilimandscharo, einem etwa 23 jährigen Kavirondo - Neger vom Nordufer des Viktoria-Sees, Versuche über die Menge des in einem Heissluftbad abgegebenen Schweisses angestellt, und zwar vergleichsweise mit weissen Versuchspersonen. Diese Experimente wurden mit sehr einfachen, aber für den Vergleich vollkommen genügenden Mitteln durchgeführt: Die Versuchspersonen mussten sich in eine kleine Wanne stellen, in der ihr Schweiss aufgefangen wurde. Seine Menge, sowie der Gewichtsverlust der Versuchs- personen während des Heissluftbades wurden gemessen. Natürlich trachtete ich, nur möglichst gleichgebaute, gleichgrosse und gleich- schwere Menschen zu vergleichen, was nicht leicht war, da mein Neger 187!/ge cm gross und von prächtigem, muskulösem Körperbau ist. Zur Zeit der Versuche befand er sich seit 3 Monaten in Europa, war also voraussichtlich an unsere klimatischen Verhältnisse noch nicht angepasst. Ich verglich drei Weisse mit dem Neger; in allen drei Fällen war die von letzterem abgeschiedene Schweissmenge grösser als die von den Weissen abgegebene. Ais Beispiel sei folgender Versuch angeführt, welcher deshalb der brauchbarste war, weil die weisse Versuchsperson, der 21 jährige Friseur H., fast genau so gross und ebenso schwer wie der Neger war. Temperatur des Heissluftbades: 76,5°C. Dauer des Heissluft- bades: 15 Minuten. Kilimandscharo H In den Wannen aufgefangene Schweiss- ER re is 170. Cem 107 cem Kewieht vor dem Bade . . . 2.2.2: 721 kg 70,5 kg Gewicht nach dem Bade. . . . . ...7162 „ LORD. Gemmehtsyerlüst „0.10. 20.222022. 0,48 kg 0,38 kg Besonders zu bemerken ist, dass Kilimandscharo gleich zu Anfang viel mehr schwitzte als H., ebenso stieg seine Pulsfrequenz viel rascher an als die des H.: Kilimandscharo H Pulsfrequenz vor dem Heissluftbade . . 68 58 Pulsfrequenz 7 Minuten nach Beginn des Heissluitbadesse zu. 1... 128 80 Pulsfrequenz sofort nach Beendigung des Bades... -, N RT 120 120 Blutdruck vor dem Bade . . . . . 91mm Hg 101 mm Hg 470 Robert Stigler: Kilimandscharo H Blutdruck 5 Minuten nach Verlassen des Heissluftbades "... 22 me 22... 2592nmihler 7 hmne Der gesamte Gewichtsverlust betrug . . 4830 & 380 8 Davon wurde durch die Haut abgegeben 170-+v 107 + v Durch-die Lunge m. 77. 7. 22 NE ERSLO EN, 273 — v7 (v und v, sind diejenigen Schweissmengen, welche entweder verdunstet oder an der Körperoberfläche hängen geblieben sind. v und v, dürften wegen der nahezu gleichen Grösse der Körperober- fläche beider Versuchspersonen als näherungsweise gleich angesehen werden.) Ergebnis: Der Neger hat während des 15 Minuten dauernden Heissluftbades um 100 g mehr Wasser abgegeben als die fast gleich grosse und fast gleich schwere weisse Versuchsperson, und zwar wurde, wie aus der Schweissmenge und dem Körpergewichtsverlust zu berechnen ist, vom Neger sowohl durch die Haut, als auch durch die Lunge mehr Wasser abgegeben. Natürlich ist aus dem Vergleich eines einzigen Negers mit den drei erwähnten Weissen kein sicherer Schluss auf die ganze Rasse zu ziehen; aber das Ergebnis dieses Versuches, dass der Neger im Heissluftbade mehr Wasser durch die Haut und die Lungen .abgab als die weissen Versuchspersonen, dass er stärker schwitzte als diese, stimmt auch mit meinen früher erwähnten Beobachtungen völlig überein. Jedenfalls ist es, um zu einem sicheren Urteil über: die Schweissabgabe der Neger im Vergleich mit der der Weissen zu gelangen, nötig, Vergleichsversuche unter verschiedenen äusseren Umständen mit einer grossen Anzahl von Individuen, namentlich auch während körperlicher Arbeit bei hoher Aussentemperatur, an- zustellen und auf den zeitlichen Verlauf der Schweissabgabe der beiden Gruppen zu achten. H. Aron!) nimmt an, dass der Pigmentierte „ökonomischer“ schwitze als der Weisse, der vielzuviel Schweiss auf einmal abgebe. Die Haut der dunkelfarbigen Eingeborenen sei meist nur von einer dünnen Schicht Schweisses benetzt. Aron lässt es dahingestellt, ob der Eingeborene diese Fähigkeit nur seiner Hautfarbe und einer El (& Vergleich zwischen der Wärmeregulierung der Weissen und der Neger etc. 471 dadurch bedingten grösseren „Sensibilisierung“ seiner Schweissdrüsen verdanke oder auch einer besseren Entwicklung der letzteren (Däubler), eventuell auch seines sekretorischen Nervenapparates. Über das Verhältnis der durch die Lunge und der durch die Haut abgegebenen Wärmemenge äussertt Däubler!) folgende Meinung: „Meine Beobachtungen und Messungen hatten mich darauf hingewiesen, dass die Lunge des Schwarzen, auch wenn deren Kapazität nicht grösser ist als die des Weissen, durch leichteres und öfteres Atmen einen grösseren Teil der Wärme- abgabe besorge, welche der Haut des Weissen zufällt. Die kurze, breite, bewegliche Nase, der breite, stets offene Mund, der kürzere Oberkiefer und breitere Unterkiefer, ebenso wie die grössere Weite der Trachea bei den Negern erleichtern ihnen die Atmung.“ Sehr wichtig ist ebenfalls für die Temperaturregulierung des Eingeborenen, wie H. Aron trefflich bemerkt, dass er in den Tropen nackt gehen und darum die Wärme viel besser abgeben könne als der Europäer, der seine weisse Haut nicht ungestraft den Sonnen- strahlen aussetzen dürfe. Ich kann mich allerdings damit, dass der Europäer wegen des Sonnenbrandes nicht nackt gehen dürfe, durchaus nicht einverstanden erklären, da sich seine Haut durch Pigmentierung an die Sonne gewöhnt. Die Sonnenstrahlen zwingen den Europäer nur zur Be- deckung seines Kopfes und, wie dies in den Tropen vielfach Sitte ist, seiner Wirbelsäule mit einem Tropenhelm, beziehungsweise mit einem deppelt gelegten dicken Flanell, welcher längs der Wirbel- säule über das Hemd genäht ist. Hingegen zwingen Mücken und Dornen den Europäer, seine Haut durch Kleidung zu schützen. Überdies sind Leute, die an chronischer Malaria leiden, was bei der überwiegenden Mehrzahl der eingewanderten Europäer der Fall ist, äusserst empfindlich gegen Sonnenstrahlen, welche leicht ein Rezidiv der Malaria hervorrufen. 3. Vergleichsversuche über die Wärmeregulierung in heissen Bädern an mehreren Weissen und einem Schwarzen. Diese wie alle folgenden Versuche habe ich im Wiener Beatrix- Bade angestellt. Kilimandscharo wurde zusammen mit einer 1. ce. 8.4. 472 Robert Stigler: sesunden und kräftigen weissen Versuchsperson in eine Badewanne gesetzt, deren Wasser während der Versuchsdauer die gewünschte Temperatur beibehielt. Da die Versuchspersonen bis an den Kopf im Wasser sassen, so wurde ihre Körpertemperatur im Munde ge- messen. Von mehreren Versuchen, deren Endergebnis ausnahmslos sleichbedeutend war, seien die folgenden hervorgehoben: 1. Versuch am 28. Januar 1913. Temperatur des Bades: 44°C. Dr. Schilder, Med. Hautmann, Nach 10 Min. langem Bade 44 Jahre, ee Kr a en, Sally iin: wie Kilimand. Mundhöhlentemperatur . 40,2°C. 39.9 3E! nach 5 Min. bereits 39,9°C.., darauf Versuch abgebrochen Blutdruck °. ... . .. 116mm He 785mm Hs 790 mm He Puls nach 6 Minuten . . 100 54 92 15 Minuten nach Verlassen des Bades Temperatuef > 2 2. ,..20..299,2080: 38,4°C. — 30 Minuten nach Verlassen des Bades Temperatur. 2.2.2. .794600.0 36,7°C. = (Med. Hautmann musste zufolge eintretender Beklemmung und Pulsarrhythmie das Bad schon nach 5 Minuten unterbrechen.) 2. Versuch. Temperatur des Bades: 44° C., nach 6 Minuten: 43°C. Dauer des Bades: 12 Minuten. Temperatur des Dr. Schilder Kilimandscharo nach 6 minutiger Dauer des Bades 38,4°C. 38,6°C. sofort nach Verlassen des Bades . Thermometer 320,0: - gebrochen 5 Minuten nach Verlassen des Bades 39,2°C. 39,2°C. 3 Minuten nach Verlassen des Bades 33,19. 46; 38,4°C. Pulsfrequenz 5 Minuten nach dem Dada sr er 84 104 Vergleich zwischen der Wärmeregulierung der Weissen und der Neger etc. 473 Ergebnis: Beim ersten Versuche bestand kein nennenswerter Unterschied in der während des Bades eintretenden Temperatur- steigerung beider Versuchspersonen, wohl aber erwies sich Kiliman- dsceharo seinem weissen Partner dadurch überlegen, dass er eine halbe Stunde nach dem 44 ®igen Bade bereits wieder normale Tem- peratur von 36,7 °C. aufwies, während die Temperatur Dr. Schilder’s nach einer halben Stunde noch immer 37,6° C. betrug. Auch beim zweiten Versuche, der an einem anderen Tage vorgenommen worden war, bestand kein Unterschied in der durch das heisse Bad bewirkten Temperatursteigerung, wohl aber sank die Temperatur des Negers nach dem Bade rascher als die des Weissen. 3. Versuch. In einem Dampfbade von 45°C. 12. Nov. 1912. Temperatur in der Achselhöhle gemessen. Versuchsperson: Dr. Sirk, 33 Jahre alt, gesund, sehr kräftig. Dr. Sirk Kilimandscharo Körpertemperatur nach 10 Minuten im Dampfbades .. 2... 38,90 C. 3I,02C. Nach dem Verlassen des Bades erreicht Kilimandscharo um etwa 10 Minuten früher normale Körpertemperatur (37° C.) als Dr. Sirk. 4. Versuch. Dampfbad: 49°C. Dr. Sirk Kilimandscharo Körpertemperatur nach 6 Minuten mmDampibade ..... Wan... 38,7°C. 38,9°C. Der Temperaturabfall Kilimandscharo’s erfolgt merklich rascher als der Dr. Sirk’s, nachdem beide das Dampfbad verlassen haben. Bei diesen Versuchen war die Wärmeabgabe während des Bades gehindert, im Wannenbade bloss auf die Abgabe durch die Atmung und durch den Kopfschweiss beschränkt. Es ist daher nichts anderes zu erwarten gewesen, als dass die Körpertemperatur der weissen und schwarzen Versuchspersonen während des Bades um gleiche Beträge ansteige. Sobald aber nach dem Verlassen des Bades die Wärmeabgabe nicht mehr gehemmt war, erwies sie sich beim Neger als überlegen. Nur so ist der raschere Temperaturabfall bei letzterem zu erklären. 474 Robert Stigler: Aus der Gleichheit der Temperatursteigerung während des heissen Wannenbades und während des Dampfbades bei Weissen und Schwarzen ist zu ersehen, dass auch der Neger einer Wärme- stauung nieht dureh chemische Regulierung, durch Herab- setzung der Oxydationsprozesse, begegnen kann. Dass dies auch während langer Perioden in den Tropen nieht möglich ist, geht hauptsächlich aus den grundlegenden Stoffwechseluntersuchungen von C. Eijkman!) in Batavia hervor. Die durchschnittliche tägliche Nahrungsaufnahme ist ihrem kalorischen Werte nach von Rasse und Klima unabhäneie. Im gleichen Sinne fielen auch Versuche von Rubner?) aus, welcher zeigte, dass eine chemische Wärmeregu- lierung bei Hunden nur bei einer Aussentemperatur unter 20° C. stattfindet. Nach den Untersuchungen von Wick?) über den Körpergewichts- verlust in heissen Bädern und nach Chlorbestimmungen des Bade- wassers von Riess*) schwitzt in heissen Bädern auch der unter Wasser befindliche Körperteil, nicht bloss der aus dem Wasser heraus- ragende. Wick stellte die Hypothese auf, dass nicht nur durch die Verdunstung des Schweisses, sondern auch durch die Ausscheidung des Schweisses aus den Schweissdrüsen Wärme gebunden werde. Wick schreibt: „So wie der Übergang aus dem tropfbar-füssigen Zustande wärmebindend wirkt, so auch der molekulare Vorgang bei Übergang des Wassers aus einem konzentrierten Zustande in einen weniger konzentrierten“). Mit dieser Hypothese erklärte Wick das Zurückbleiben der Körperwärme hinter der Temperatur heisser Bäder von etwa 40°C. und etwa einstündiger Dauer. Die Körper- wärme wird nach Wiek in heissen Bädern hauptsächlich durch den unter Wasser abgegebenen Schweiss herabgesetzt, welcher bei seiner Ausscheidung aus den Drüsen Wärme binde. Aus der Differenz zwischen Bade- und Körpertemperatur berechnete Wick, dass auf 1 & Schweiss bei dessen Ausscheidung ein Wärmeverlust von 1) Vgl. A. Lode, Das Klima. L. c. S. 697—702. 2) Vgl. C. Schilling, Tropenhysiene S. 31. 3) L. Wick, Über die physiologischen Wirkungen verschieden warmer Bäder usw. Beitr. z. klin. Med. u. Chir. 1894 H.6 S. 102. 4) Zit. nach L. Wick, |. c. 5) Ibid. S. 80. Vergleich zwischen der Wärmeregulierung der Weissen und der Neger etc. 475 0,054 Kalorien!) komme, also näherungsweise !/ıo der Wärme- bindung bei der Verdunstung (1 g Schweiss — 0,582 Kalorien). Nach Wick’s Hypothese wäre derjenige, welcher mehr schwitzt, bezüslich der erzielten Abkühlung auch dann im Vorteile, wenn der Schweiss in solchem Übermaasse produziert wird, dass er unverdunstet abläuft. Der Unterschied der Körpertemperatursteigerung bei gehinderter Wärmeabgabe durch Verdunstung und Leitung oder Strahlung war während der kurzdauernden heissen Bäder zwischen dem Neger und den beiden Weissen so gering, dass man, wenn man Wick’s Hypo- these annehmen will, auch die unter Wasser oder im Dampfbade von den Weissen und dem Neger durch die Ausscheidung des Schweisses gebundene Wärmemense für fast gleich halten müsste. 4. Subjektiver und objektiver Indifferenzpunkt der Bade- temperatur beim Neger. Unter subjektivem Indifferenzpunkt versteht man jene Temperatur des Bades, welche von dem Badenden als gerade an- gsenehm, weder zu heiss noch zu kalt, empfunden wird. Der subjektive Indifferenzpunkt hängt von der Gewöhnung ab, variiert ‘aber gleichwohl nur sehr wenige. Bei uns Europäern beträgt er durchsehnittlich 34° C., bei manchen an kalte Bäder gewöhnten Sportsleuten etwas weniger. Ich habe den subjektiven Indifferenzpuukt an meinem schwarzen Diener dadurch genau ermittelt, dass ich ihn in Bäder von Temperaturen setzte, welche nur um je 1° C. voneinander abwichen, oder dadurch, dass ich die Temperatur des Bades, in dem Kilimandschare sass, so lange abstufte, bis er sie gerade an- genehm fand. Sein subjektiver Indifferenzpunkt betrug genau 34°. Es besteht also diesbezüglich kein Unterschied zwischen ihm und uns Weissen. Objektiver Indifferenzpunkt ist jene Temperatur des Bades, bei welcher sich der Blutdruck nach einer bei jedem Bade infolge der Wirkung des Wasserdruckes auf die extrathoracalen Blut- sefässe?) auftretenden initialen Steigerung nach ein paar Minuten 1) Ibidem S. 31. 2) R. Stigler, Die Taucherei. Abderhalden’s Fortschr. d. naturw. Forschung Bd.9 8.166. 1912. ; 476 Robert Stigler: wieder zur Norm senkt. Bei uns Weissen beträgt der objektive Indifferenzpunkt 34° C. Ein kaltes und ein heisses Bad bewirken eine andauernde Blutdrucksteigerung. Um den objektiven Indifferenzpunkt zu erfahren, mass ich mit dem Apparate von Riva-Rocei den Blutdruck Kiliman- dsceharo’s vor, während und nach Bädern verschiedener Temperaturen. Blutdruck Kilimandscharo’s vor dem Bade. . . 111mm He 5 . im Bade von 34° C. nach ein paar Minuten 111 mm Hg (Pulsfrequenz 57.) Blutdruck im Bade von 30°C. . . 125 mm Hg 5 ee „2.82.00 202 1265,.110,2148 mmatie, » ne „der 2 mmeie; (Pulsfrequenz 96.) ı Der objektive Indifferenzpunkt, gekennzeichnet durch Konstanz des Blutdruckes und der Pulsfrequenz, beträgt also bei Kiliman- dscharo ebenso wie bei uns Weissen 34° C. 5. Vergleich der Temperaturregulierung weisser und schwarzer Versuchspersonen bei schwerer Arbeit in heisser trockener und in heisser feuchter Luft. Die Arbeit beständ in Umdrehungen des Gärtner’schen Ergo- staten. Ich mass die Körpertemperatur während und nach der Arbeit und die Dauer ihrer Rückkehr zur Norm. Die Armlänge der Kurbel des Ergostaten betrug 38 em. An das Ende der horizontal gestellten Kurbel mussten 16 kg angehängt werden, um sie zu verschieben. Daraus ergäbe sich eine Arbeits- leistung von 38 kg/m während einer Umdrehung. In Wirklichkeit ist aber die Arbeitsleistung am Ergostaten viel geringer, weil er viel leichter gedreht wird, wenn einmal die anfängliche Reibung überwunden ist. Es kommt übrigers hier nur auf Vergleichswerte an. Ein Vorversuch bei gewöhnlicher Zimmertemperatur ergab bei Kilimandscharo nach 240 Umdrehungen die kaum nennenswerte Steigerung der Körpertemperatur von 0,1° C. Jedoch stieg die Temperatur Kilimandscharo’s nach 224 Umdrehungen, welche er Vergleich zwischen der Wärmeregulierung der Weissen und der Neger etc. 477 in 10 Minuten im Heissluftraume von 62--65° C. machte, von 37,2° C. (in der Achselhöhle) auf 39,9° C., um 20 Minuten nach der Arbeit wieder auf 37,9° C. zu sinken: Versuch am 27. November 1912. Kilimandscharo. Heissluftkammer, Temperatur 62—65°C. 224 Umdrehungen in 10 Minuten. SOnEnn Puls Blutdruck Atmung Nowsden Arbeit. 2.2.0... 43 .2.:08042 106 9% 19 Gleich nach der Arbeit. . . . 39,9 160 140 30 #0 Nimuten-nach der Arbeit . . 109 — 10 20 Minuten nach der Arbeit . . 37,9 _ — — Die Körpertemperatur des Negers war also durch die Arbeit im Heissluftraume sehr rasch gestiegen. Solche Versuche erwiesen sich demnach als zum Vergleiche geeignet, aber derart anstrengend, dass sich nicht viele weisse Versuchspersonen dazu bereit erklärten, wenn sie einmal eine schwache Probe geleistet hatten, die Versuche fortzusetzen. Fette Personen erwiesen sich für derartige Versuche als ungeeignet. Es war z. B. ein 33jähriger Athlet mit starkem Panniculus adiposus nicht imstande, mehr als 160 Umdrehungen im Heissluftraume von 73° C. zu machen. Während dieser 5 Minuten 40 Sekunden dauernden Arbeit stieg seine Körpertemperatur auf 38,6°, sein Puls auf 144, die Atemfrequenz auf 31, während sein Blutdruck von 141 auf 122 mm Hg herabsank. Zur Fortsetzung des Versuches war er absolut nicht mehr zu bewegen. Vergleichsversuche. 1. Versuch am 3. Dezember 1912. Dr. L. Tirala, 26 Jahre alt, sehr kräftig und gesund. Tem- peratur im Heissluftbad: 63,5°C. 200 Umdrehungen in 7 Minuten 30 Sekunden. | Alle Versuche wurden nackt und nach dem von einer daneben stehenden Person gegebenen Takte ausgeführt, welche nach einer in der Hand gehaltenen Stoppuhr laut zählte. So wurde erreicht, dass alle Versuchspersonen in der gleichen Zeit gleichviel Umdrehungen in konstantem Tempo machten. Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd. 160. 32 478 Robert Stigler: Dr. Tirala: Bonn, Puls Blutdruck Atmung Vor. der Arbeit a er ee 102 127 16 Gleich nach der Arbeit . .. .. .29,1 160 145 30 15 Minuten nach der Arbeit . . 384 — — — Folglich: Steigerung der Körper- temperatur während der Arbeit 2,0 Abfall der Temperatur nach 15 Mi- HUtena ss 2. Versuch am 3. Dezember 1912. Kilimandseharo. Temperatur im Heissluftbade 58—60° C. 200 Umdrehungen in 7 Minuten 30 Sekunden, wie beim ersten Versuch. MODEL EU, Buls Kilimandseharo. Biutdruck Atmung Vor. der. Arbeitee. or. 102 108 — Gleich nach der Arbeit. . . . 38,6 144 134 22 5 Minuten nach der Arbeit . . 37,85 — — _ Folglich: Temperatursteigerung während der Arbeit . . .. 1 Abfall der Körpertemperatur wäh- zend‘ >» Minuten 7 . .... 20,09 Die Körpertemperatur war also bei der weissen Versuchsperson um einen grösseren Betrag angestiegen und anderseits nach der Arbeit in der gleichen Zeit um einen geringeren Betrag gesunken als beim Neger, welcher bei gleicher Temperatur die gleiche Arbeit in der gleichen Zeit leistete. 3. Versuch am 10. Dezember 1912. Dr. Sehilder. 200 Umdrehungen in 13 Minuten 20 Sekunden. Temperatur des Heissluftbades 62° C. Dr. Schilder. Ener, Puls Blutdruck Atmung V.or:.deröArbeit sa 2, ve 800% 712 116 20 Gleich nach der Arbeit. . . . 392 164 145 20 15 Minuten nach der Arbeit . . 385 _ — 20 Minuten nach der Arbeit . . 37,7 == — — Folelich: Temperatursteigerung während der Arbeit . . . . 2,7 Abkühlung nach 15 Minuten . . 0,7 Abkühlung nach 20 Minuten . . 1,9 Vergleich zwischen der Wärmeregulierung der Weissen und der Neger etc. 479 4. Versuch am 10. Dezember 1912. 200 Umdrehungen in 13 Minuten (wie im vorhergehenden Fall), bei 61° C. Aussentemperatur. Körpertemperatur ne Kilimandscharo. Puls Blutdruck Vorder Arbeit... u. 20.0 2% 37.05 76 120 Gleich nach der Arbeit . . . . 38,9 140 126 10 Minuten nach der Arbeit . . 31,9 u — Folglich: Temperaturzunahme wäh- renüsder Arbeit: ......... '. 1,85 Abkühlung nach 10 Minuten . . 1,0 ” Während bei dieser Arbeitsleistung von 200 Umdrehungen in 13 Minuten die Körpertemperatur Dr. Schilder’s bei 62° C. Aussentemperatur um 2,7° C. (nämlich auf 39,2° C.) stieg, wuchs die Körpertemperatur Kilimandscharos bloss um 1,85 ° C. (nämlich auf 38,9° C.). Während sich Dr. Schilder nach 15 Minuten um 0,7°C. und nach 20 Minuten um 1,5° C. abkühlte, sank Kiliman- dscharo’s Temperatur schon nach 10 Minnten um 1°C. Bei beiden Vergleichsversuchen erwies sich also Kilimandscharo seinen weissen Partnern durch bessere Temperaturregulierung überlegen. 5. Versuch am 17. Dezember 1912. 240 Umdrehungen in 14 Minuten 20 Sekunden, Heissluftbad- temperatur 61° C. Dr. Schilder. u Puls Blutdruck Atmung Dorsdersärbeit- ..0%....2.4022..02, 83275 12 107 Gleieh nach der Arbeit. . . . 39,7 132 127 21 15 Minuten nach der Arbeit . . 38,6 — — — 30 Minuten nach der Arbeit . . 381 u — — Gesamte Temperatursteigerung . 22 Abkühlung nach 15 Minuten . . Li Abkühlung nach 30 Minuten . . 1,6 6. Versuch am 17. Dezember 1912. Gleiche Leistung von 240 Umdrehungen in 13 Minuten, Heiss- luftbadtemperatur 62° C. 32 * ASO vobert Stigler: Kilimandscharo. Enrneriemn * Puls Blutdruck Atmung Vor\der-Arbeitei. Das me 50, 0 72 117 11) Gleich nach der Arbeit . . . . 393 132 127 33 15 Minuten nach der Arbeit . . 38,4 — — = 30 Minuten nach der Arbeit . . 38,0 — — = (Gesamtzunahme der Körpertemp. 2,7 Abkühlung nach 15 Minuten . . 0,9 Abkühlung nach 30 Minuten . . 13 Auch bei diesem Versuche erreichte die weisse Versuchsperson eine um 0,4° C. höhere Körpertemperatur als der Neger, doch be- trug. zufolge der höheren Anfangstemperatur des Weissen dessen gesamte Temperatursteigerung diesmal weniger als die des Negers, und der Weisse kühlte sich auch im gleichen Zeitbetrag stärker ab als der Neger. Bei diesem überaus anstrengenden Versuche fühlte sieh Kilimandscharo eänzlich ermüdet, und zwar mehr als Dr. Sehilder. Ich glaube, dass die ungünstige Temperatur- reeulierung des Negers, der sich diesmal dem Weissen nicht über- legen erwies, darauf zurückzuführen ist, dass er der sehr gewaltigen Kraftleistung doch weniger gewachsen war als der ausserordentlich trainierte und athletisch geübte Dr. Schilder. Versuehe im Dampfbade. Schon aus Wolpert’s!) Versuchen ging hervor, dass sich die Körperwärme bei Arbeit in feuchter Luft mehr steigert als bei Arbeit in trockener Luft, obwohl seine Versuche bei mittlerer Luftwärme von 16—18° C. durchgeführt worden waren. Es erschien inter- essant, die Temperatursteigerung der schwarzen und weissen Ver- suchspersonen im Dampfbade, also bei bedeutender Wärmebildung dureh Arbeit und gleichzeitiger Hemmung der Wärmeabgabe durch heisse Aussenluft und hohe Feuchtigkeit zu vergleichen. 7. Versuch am 23. Dezember 1912. 150 Umdrehungen während 20 Minuten im Dampfbade von 45° C.; nach 100 Umdrehungen wurde eine kurze Pause ein- ‚geschaltet, während welcher die Versuchspersonen im Dampfbade verblieben, daran wurden noch weitere 50 Umdrehungen geschlossen. 1) Arch. f. Hygiene Bd. 26 8. 54. Vergleich zwischen der Wärmeregulierung der Weissen und der Neger etc. 481 Kilimandscharo. on * Puls Blutdruck Atmung Morsder Arbeit; :......0... was ı..:1.80,8 172 114 16 Gleich nach der Arbeit . . . . 40,8 136 124 41 30 Minuten nach der Arbeit . . 37,3 En _ —_ Gesamte Temperaturzunahme . . 40 Abkühlung .nach einer halbenStunde 3,0 8. Versuch am 23. Dezember 1912. Versuch genau wie der vorhergehende. Dr. Schilder. Up un Puls Blutdruck Atmung NMonden Arbeitz .. „u... 2.0.3702 68 108 23 Gleich nach der Arbeit. . . . 401 99 150 40 20 Minuten nach der Arbeit . . 39,0 — _ — 30 Minuten nach der Arbeit . . 38,7 — — — Gesamte Temperaturzunahme . . 2,9 Abkühlung nach 20 Minnten . . 0,9 Abkühlung nach 30 Minuten . . 14 Dieser Versuch ging bis an die alleräusserste Grenze der Leistungsfähigkeit beider Versuchspersonen, welche zur vollständigen Durchführung desselben buchstäblich gezwungen wurden. Kili- mandscharo fühlte sich nach Beendigung des Versuches völlig erschöpft und erklärte, eine Fortsetzung der Arbeit würde ihn sicher obnmächtig machen. Dr. Schilder war nach diesem Versuche ebenfalls vollständig ermattet, aber psychisch nicht so deprimiert wie Kilimandscharo. Die Temperatur Kilimandscharo’s war während dieses Versuches, also bei gehinderter Wärmeabgabe, um 4° C., und zwar bis zu der bedenklichen Höhe von 40,8 ° C., die Dr. Schilder’s hingegen bloss um 2,9 ° C. (auf 40,1° C.) gestiegen; während der Ruhe nach der Arbeit, wobei sich die zwei Versuchspersonen in einem Raume von mittlerer Zimmertemperatur horizontal hingelest hatten, war aber die Abkühlung Kilimandscharo’s bedeutend rascher erfolet als die Dr. Sehilder’s: die Temperatur Kili- mandscharo’s sank im Verlaufe einer halben Stunde um 3° C., die Dr. Schilder’s bloss um 14° C. Kilimandsecharo erwies sich also trotz seiner vollständigen Erschöpfung auch in diesem Falle durch bessere Temperaturregulierung 482 Robert Stigler: seinem weissen Partner überlegen, sobald die Wärmeabgabe nicht mehr gehemmt war. Es sei hier an das Ergebnis des Vergleichs- versuches im Dampfbade ohne gleichzeitige Arbeitsleistung erinnert! Auch bei jenem Versuche war die Temperatur des Weissen und des Schwarzen während des Dampfbades sehr stark gestiegen, jedoch nach Beendigung desselben die Abkühlung und Rückkehr zur normalen Körpertemperatur beim Neger beträchtlich rascher erfolgt als beim Weissen. Das Gesamtergebnis dieser Vergleichsversuche ist, dass bei Arbeit in trockener heisserLuftdie Körpertemperatur des Negers, falls nicht vollkommen erschöpfende Leistungen verlangt wurden, um geringere Beträge stieg, und dass sie in allen Fällen, auch nach Arbeit in feuchter heisser Luft, beträchtlich rascher sank als die aller weissen Versuchspersonen. Damit ist die Überlegenheit der Wärmeregulierung des Negers, welche schon längst aus der Lebenserfahrung erschlossen worden war, experimentell erwiesen. Es fragt sich nur noch, worauf die Überlegenheit der Wärme- reeulierung des Negers beruht. Eine stärkere Wärmeabgabe durch Schweiss seitens des Negers erschien bei meinen Versuchen darum ausgeschlossen, weil sowohl der Neger, wie auch alle weissen Versuchspersonen während der Versuche im Übermaasse schwitzten, so dass der Schweiss unver- dunstet verloren ging !). Es bleibt daher nichts anderes übrig, als die bessere Wärmeabgabe des Negers durch Leitung und Strahlung zu erklären. Nach Däubler’s histologischen Unter- suchungen ist ja die Haut des Negers blutgefässreicher als die des Weissen. Sie gibt daher, wenn Däubler’s Beobachtung richtig ist, durch Leitung, Strahlung und Konvektion mehr Wärme ab als die Haut des Weissen; der Unterschied in der Menge der Haut- blutgefässe fällt bezüglich der Wärmeabgabe um so mehr ins Ge- wicht, als bei gesteigerter Körpertemperatur die Hautgefässe er- weitert sind und daher von mehr Blut durchströmt werden. Es ist auch möglich, dass die Hautgefässe des Negers nach Beendigung 1) Nach Wicks bisher noch nicht bewiesener Hypothese von der Wärme- abgabe durch Schweissbildung würde allerdings die durch den Schweiss er- zielte Kühlung in jedem Falle von dessen Menge abhängen. Vergleich zwischen der Wärmeregulierung der Weissen und der Neger etc. 483 des Aufenthaltes in den heissen Räumen länger erweitert blieben als die der weissen Versuchspersonen, und dass darauf die raschere Abkühlung des ersteren beruhte. Auch diese Frage wäre durch Versuche mit Galvanometer und Thermostatem in der Art, wie sie P. Sehmidt durchgeführt hatte, zu lösen; man müsste nur Schwarze und Weisse im erhitzten Zustande miteinander vergleichen. Leider sind alle früheren Versuche nur an ruhenden Personen durchgeführt worden, und es erklärt sich sehr leicht, dass man dabei keinen Unterschied in der Menge der von Weissen und Schwarzen ab- gegebenen Wärme fand, da ja im Zustand der Ruhe gesunde Weisse und Schwarze ihre Temperatur ohnehin gleich gut regulieren und auch bei hoher Aussentemperatur und feuchter Luft keine Wärme- stauung aufweisen. i Die Überlegenheit des Schwarzen bezüglich der Wärmeabgabe kann angeboren oder erworben sein, letzteres um so mehr, als er in seiner Heimat nackt geht und daher viel mehr Gelegenheit hat, seine Hautgefässe zu trainieren als der Weisse. Dass die Gewöhnung auf die Wärmeregulierung einen grossen Einfluss ausübt, geht aus vielen Beobachtungen hervor, vor allem aus dem Unterschiede in der Widerstandsfähigkeit akklimatisierter und in den Tropen neu angekommener Europäer. Ferner bestätigen dies auch die Erfahrungen von Reichenbach und Heymann!) an Bergleuten: Bei Neulingen steigt die Körpertemperatur in der feuchtwarmen Luft der Schächte höher als bei älteren Bergleuten, und letztere haben überdies viel weniger subjektive Beschwerden von der Wärmestauung, die bei allen Bergleuten in feuchtwarmen Gruben andauernd besteht. Auch der Ingenieur-Geolog beim Bau der St. Gotthardbahn F. Stapff?) fand bei seinen Beobachtungen über die Steigerung der Körpertemperatur der Tunnelarbeiter, dass ein habitueller Tunnel- arbeiter ceteris paribus noch eine um 2° C. höhere Aussentemperatur aushielt, ehe seine Körpertemperatur anstieg, als Stapff selber. 1)H. Reichenbach und B. Heymann, Untersuchungen über die Wir- kungen klimatischer Faktoren auf den Menschen. Zeitschr. f. Hygiene u. Infek- tionskrankheiten Bd. 57 S. 48. 1907. 2) F. M. Stappf, Studien über den Einfluss der Erdwärme auf die Aus- führbarkeit von Hochgebirgstunnels.. Du Bois-Reymond’s Arch. f. Physiol. Jahrg. 1879, Supplbd. S. 110. 484 Robert Stigler: J. Rosenthal) zeigte, dass sich Hunde, welche öfters hinter- einander hohen Temperaturen ausgesetzt werden, insofern daran gewöhnen, als ihre Körpertemperatur später weniger hoch ansteigt als bei den anfänglichen Versuchen. Später haben Durig und Lode?°) gezeigt, dass eine gleiche Gewöhnung bei gut genährten Hunden auch gegenüber kalten Bädern stattfindet. Diese Versuche sprechen sehr dafür, dass gerade die Anpassung - der Weite der Hautblutgefässe für den Grad der Wärmeregulierung ausschlaggebend ist, und dass dieser Faktor auch für die Überlegen- heit der Temperaturregulierung des Negers am meisten in Betracht kommt. A. Kurrer?) ist der Anschauung, dass die Lebensweise der Weissen sehr viel Schuld daran trage, dass ihre Temperaturregu- lierung schlechter sei als die der Hindu und Neger. Kurrer denkt besonders an die Wirkung des Alkohols, der nach seiner Erfahrung von den Weissen in reicherem Maasse getrunken wird als von den Eingeborenen. Kurrer meint, dass „ein Weisser bei gesundem Körper, bei Enthaltsamkeit im Essen und Trinken das Tropenklima ebensogut verträgt wie ein Tropenbewohner.“ Zusammenfassung. 1. Die erfahrungsgemässe Überlegenheit der Schwarzen gegen- über Wärmestauung wurde experimentell erwiesen: der Neger er- trägt Arbeit bei hoher Aussentemperatur besser als der Weisse. Dies äussert sich darin, dass a) die Körpertemperatur des Negers, so lange die Wärme- abgabe nicht gehemmt ist, während der Arbeit bei hoher Aussentemperatur um geringere Beträge steigt als die des Weissen, und b) dass sich der erhitzte Neger viel rascher abkühlt als der er- hitzte Weisse. 2. Wenn die Steigerung der Körpertemperatur beigehemmter Wärmeabgabe stattfindet, so tritt bei Weissen und Schwarzen 1) J. Rosenthal, Zur Kenntnis der Wärmeregulierung bei den warm- blütigen Tieren S. 26. Programm. Erlangen 1872. 2) A. Durig und A. Lode, Ergebnisse einiger Respirationsversuche bei wiederholten kalten Bädern. Arch. f. Hygiene 1900 S. 46. 3) l. ce. S. 302. Vergleich zwischen der Wärmeregulierung der Weissen und der Neger etc. 485 Wärmestauung von gleichem Ausmaasse auf (in wasserdampfgesättigter heisser Luft, im Dampfbade, im Wannenbade). Sobald sich aber die Möglichkeit zur Wärmeabgabe ereibt, erreicht der Neger rascher die normale Körpertemperatur als der Weisse. 3. Daran, dass sich die Körpertemperatur des Negers bei be- hinderter Wärmeabgabe im Dampfbade und im heissen Wannenbade ebenso stark erhebt wie die der Weissen, zeigt sich, dass, wenigstens während der kurzen Dauer der. Wärmestauung, auch beim Neger keine physikalische Wärmeregulierung durch Beschränkung der nor- malen Oxydationsprozesse stattfindet. 4. Die Ursache der besseren Wärmeregulierung des Negers ist nieht oder sicher nicht nur in ausgiebigerer Schweisssekretion be- gründet; denn bei allen Versuchen schwitzten Neger und Weisse im Überschusse, so dass Unterschiede in der Menge des Scehweisses für die Abkühlung durch Verdunstung nicht in Betracht kamen. 3. Der Neger verlor in der Heissluftkammer durch Schweiss und Atmung mehr an Gewicht als die mit ihm verglichenen Weissen. Allgemeine Schlüsse sind aus meinen, die Schweissekretion be- treffenden Versuchen nicht zu machen. Ich habe aber auch an einem grossen Beobachtungsmaterial von Negern in Afrika mindestens ebenso ausgiebiges Schwitzen wie bei den Weissen bemerkt. 6. Die bessere Wärmeregulierung des Negers beruht, wie per exclusionem zu schliessen ist, wahrscheinlich auf einem Übergewicht der Wärmeabgabe durch Leitung und Strahlung, welche sich aus der nach Däubler an histologischen Präparaten erkennbaren grösseren Dichte und Weite der Hautblutgefässe der Neger und wohl auch aus ausgiebigerer und vielleicht länger als beim Weissen anhaltender Erweiterung derselben bei gesteigerter Körperwärme er- klären dürfte. i. Die Erfolelosigkeit der bisherigen Versuche anderer Autoren, die grössere Hitzewiderstandsfähigkeit der eingeborenen Tropen- bewohner experimentell zu erklären, ist darin begründet, dass alle jene Versuche an normal temperierten weissen und pigmentierten Vergleichspersonen angestellt wurden; denn auch bei körperlicher Ruhe und hoher Aussentemperatur ohne Behinderung der Wärme- abgabe steigert sich die Körpertemperatur gesunder Weisser ebenso- wenig wie die der eingeborenen Tropenbewohner. Unterschiede in der Wärmeabgabe bestehen zwischen Weissen und Schwarzen erst dann, wenn die Körpertemperatur {86 Robert Stigler: Vergleich zwischen der Wärmeregulierung etc. bereits über die Norm erhöht, also Wärmestauung eingetreten ist. 8. Sowohl der subjektive wie der objektive Indifferenzpunkt der Badetemperatur ist für Neger und Europäer gleich, nämlich etwa 34°C. 9, Das Pigment spielt bei der Wärmeregulierung keine Rolle. Seine Hauptaufgabe ist es offenbar nur, die kurzwelligen Strahlen, also Lichtstrahlen und chemisch wirksame Strahlen, zum grössten Teile zu absorbieren und in Wärme umzuwandeln und so die tiefer liegenden Gewebe vor dem schädlichen Einflusse der kurzwelligen Strahlen zu bewahren. 10. Die bessere Wärmeregulierung der Neger ist, wenn auch wohl angeboren, so doch sicherlich auch durch Gewöhnung ent- standen, da auch gesunde Weisse mit der Zeit die tropische Hitze besser ertragen. Ob die Hitze der Tropen ein Hindernis der ab- soluten Akklimatisation der Weissen bildet, wird sich erst dann zeigen, wenn es einmal durch enereisch befolgte hygienische Maass- regeln gelungen sein wird, die tropischen Krankheiten, vor allem die Malaria, zu bezwingen. or (Aus dem gerichtlich-medizinischen Institut der Universität Zürich.) Grundzüge einer physiologischen Theorie der psychischen Invarianten. Von Dr. med. et phil. Robert Heller. Die Physiologie des zentralen und peripheren Nervensystems hat bei der Erforschung der psychischen Erscheinungen mit grossem Erfolge an dem Grundsatze festgehalten, dass die Gesetzmässigkeiten innerhalb der Erscheinungen des Bewusstseins durch die physikalisch- ehemischen, morphologischen und biologischen Gesetze bedingt sind, welche den Aufbau und die Funktionen des nervösen Apparates und seiner Hilisorgane regeln. Wenn auch über die besondere Art dieses Zusammenhänges zwischen psychischen und physischen Phänomenen die Meinungen der einzelnen Physiologen weit auseinander gehen,.je nachdem eine der zahlreichen philosophischen Überzeugungen (Materialismus, Monis- mus, Parallelismus, Dualismus usw.) dem angeführten Forschungs- erundsatze eine besondere Färbung verleiht, so wird sein ausser- ordentlicher heuristischer Wert durch diese Unterschiede nicht wesentlich berührt. In der Tat entwickelte sich ein grosser Teil der empirischen Psychologie, besonders jene Gebiete, welche zu medizinischen Disziplinen Beziehung haben, aus dem Streben, den „Zusammenhang des psychologisch Beobachtbaren mit dem zugehörigen physikalischen (physiologischen) Prozess“ zu verfolgen. Anderseits können sich selbst jene Abschnitte der experimentellen Psychologie, welche auf die Beobachtung der psychischen Erscheinungen allein Wert legen und sie messend zu verfolgen suchen (z. B. durch Be- stimmung von Assoziationszeiten), auf die Dauer der Berücksichtigung physiologischer Momente nicht entziehen, zumal schon durch die Verwendung der experimentellen Technik der exakten Naturwissen- schaften in die Beschreibung psychischer Daten stillschweigend eine grosse Zahl physischer Elemente eingeführt wird. ASS Robert Heller: In neuerer Zeit hat mit besonderem Nachdruck E. Mach die Bedeutung der Zusammengehörigkeit psychischer und physischer Elemente speziell für die Sinnesempfindungen betont und für den Zusammenhang der Empfindung mit dem Nervenprozess, der als Endglied der Kette ihrer physischen Bedingungen anzusehen ist, die Erfüllung des Prinzipes der Kontinuität und der zureichenden Be- stimmtheit gefordert. In der vorliegenden Arbeit wird der Versuch gemacht, das den verschiedensten Sinnesgebieten eisentümliche Phänomen der Form in seine physiologischen Grundlagen zu verfolgen. Für eine klare Scheidung von Tatsachen und hypothetischen Elementen bei der Behandlung des Problems erscheint es zweck- mässig, zuerst die psychologischen Gebilde, um die es sich handelt, genau zu präzisieren. Über Invarianten auf dem Gebiete der Sinneswahrnehmungen. In die mathematische Behandlung der Naturerscheinungen sind in neuerer Zeit mit grossem Erfolge gruppentheoretische Überlegungen eingeführt worden. Als logisch und heuristisch besonders wertvoll hat sich bei dieser Darstellunesweise von Gesetzmässigkeiten der Begriff der „Invariante“ erwiesen. Als Invariante wird ein Komplex von Elementen bezeichnet, der sich gegen- über Veränderungen der Elemente als unveränderlich erweist. Die Beständigkeit des invarianten Gebildes segenüber den Ver- änderungen der Elemente, aus welchen es sich aufbaut, kann von zwei Gesichtspunkten aus betrachtet werden. 1. Die Elemente des Komplexes sind auf ein Maasssystem (Bezugssystem) bezogen, dessen Einheiten durch willkürliche Fest- setzung eingeführt werden. Die gesetzmässigen Beziehungen zwischen den Elementen müssen aber von der zufälligen Wahl der Maass- einheiten unabhängig sein. Der entsprechende Komplex der Elemente muss sich also bei Übergang von einem Maasssystem zu einem anderen so transformieren, dass die Art des Zusammenhanges erhalten bleibt. Naturwissenschaftlichen Sinn haben nur jene Komplexe, welche diese Bedingungen erfüllen. Eine besonders weittragende Verallgemeinerung dieser Forderung hat sich bei der analytischen Darstellung der physikalischen Vor- gänge im Raume mit Hilfe von Koordinatensystemen ergeben. Es Grundzüge einer physiologischen Theorie der psychischen Invarianten. 489 zeite sich dabei insbesondere, dass für den Übergang von einem Bezugssystem zu einem anderen gleichwertigen die geometrische Anschauung allein nicht ausreichend ist, wie in der klassischen Mechanik als selbstverständlich angenommen wurde, sondern dass die Transformationen den physikalischen Erfahrungen an- gepasst werden müssen. Es besteht ein inniger Zusammenhang zwischen den Komplexen, welche der Erfahrung nach als invariant, und den Transformationen, welche als zulässig zu gelten haben. Auf die genaueren physikalischen Zusammenhänge zwischen In- varianten und zulässigen Transformationen, welche in der von Ein- stein begründeten Relativitätstheorie klargelegt wurden, muss hier nicht eingegangen werden, da für die im folgenden behandelten Probleme diese Art der Betrachtung nicht verwendet wird. Der Vollständigkeit wegen sei aber darauf hingewiesen, dass auch für quantitative psychologische und physiologische Gesetze die Forderung der Unabhängiekeit von den Maasseinheiten erfüllt wird. So ist zum Beispiel das Farbenmischungsgesetz nach der Newton’schen Schwerpunktskonstruktion unabhängig vom Bezugssystem. Dass diese Gesetzmässigkeit eine psychologische und nicht physikalische ist, wird gegenwärtig wohl kaum mehr bestritten !). 2. Man kann die Elemente innerhalb eines bestimmten (willkür- lichen) Bezugssystemes Veränderungen unterziehen und die Komplexe aufsuchen, welche bei diesem Prozesse invariant bleiben. Die Energie ist zum Beispiel eine der allgemeinsten Invarianten dieser Art für abgeschlossene Systeme. Offenbar lässt sich aus jeder physikalischen Gleichung, welche eine gesetzmässige Verknüpfung zwischen den veränderlichen Grössen (Elementen) eines Systemes ausdrückt, eine Invariante ableiten, indem man das Gesetz auf die Form bringt; ee 22: 2%.) konstans: So ist zum Beispiel der Komplex Druels; Volumen eine für absolute Temperatur ideale Gase charakteristische Invariante. Für eine unendlich dünne Linse ist bei entsprechenden Vernachlässisungen die Summe der reziproken Bild- und Gegenstandsweite invariant. Ähnlich wie bei der zuerst angedeuteten Art der Auffassung der invarianten Beziehung, iassen auch hier die Erfahrungsdaten zwei 1) Vgl. Helmholtz, Physiologische Optik. +90 Robert Heller: entgegengesetzte Problemstellungen zu: entweder wird ein Gesetz für die Veränderungen der Elemente vorgeschrieben und die unver- änderlichen Komplexe (Invarianten) gesucht, oder es sind gewisse stabile Komplexe der Elemente in der Erfahrung gegeben, und man sucht alle Veränderungen (Transformation, Substitutionen), gegenüber welchen sie invariant bleiben. In der geschichtlichen Entwicklung der Erfahrungswissenschaften werden gewöhnlich zuerst die zu systematisch ausgeführten Variationen der Elemente gehörigen Invarianten entdeckt und erst später bei der Bestimmung der Gültiekeitsgrenzen der gefundenen Gesetze die Umkehrung der Problemstellung vorgenommen. Bei der Einführung der zuletzt dargelegten Gesichtspunkte über die Invarianz von Komplexen gegenüber Variationen der Elemente, aus welchen sie sich aufbauen, auf Erfahrungen der Psychophysiologie der Sinneswahrnehmungen, muss zunächst die Frage aufgeworfen werden, ob die Begriffe Transformation und Invariante auf Elemente anwendbar sind, denen der Charakter der Quantität im strengen physikalischen Sinne wenigstens unmittelbar nicht zukommt. Elemente dieser Art sind die Empfindungen der Farbe, Tonhöhe usf. Sie lassen sich ohne genetische Beziehung auf die erzeugenden Reize (Schwineungszahl, Wellenlänge usw.) nicht messen, aber in eine „natürliche“ (oder willkürliche) Ordnung bringen, so dass durch un- mittelbare Vergleichung zweier Elemente ihre gegenseitige Stellung in der zugehörigen Mannigfaltigkeit eindeutig bestimmt ist. Es kann dann jedem Eiemente eine Zahl untergeordnet und die Gesamt- heit der Elemente nach dem „natürlichen“ (oder willkürlichen) Ordnungsmerkmal eindeutig angeordnet werden. Die Elemente bilden dann eine geordnete Menge (Skala, z. B. Tonleiter, Farbenskala), und die Zahlen, die ihnen zugeordnet werden, sind keine Maass- zahlen, sondern Ordnungszahlen '). Die Zuweisung eines Flementes an seinen richtigen Platz ist wohl von der Empfindlichkeit des psycho-physischen Organismus, der Übung und anderen Faktoren abhängig; allein dies bildet ebensowenig ein prinzipielles Hindernis für die Einfügung eines Elementes in sein Ordnungssystem als die 1) Die Ordnungszahl ist dabei nicht notwendiger Weise eine ganze Zahl wie bei dem Gebrauche dieses Begriffes in der Arithmetik. Wesentlich ist die ein- eindeutige Zuordnung der Elemente der Mannigfaltigkeit zu den Ordnungszeichen eines formalen Systems von Symbolen. (Zahlensystem.) Grundzüge einer physiologischer Theorie der psychischen Invarianten. 491 Grenzen der Empfindlichkeit der Messinstrumente und ähnliche Umstände einem physischen Elemente den Charakter der Messbarkeit nehmen können. | So wichtig auch die Erforschung der einzelnen Faktoren ist, welche die Genauiekeit der Einordnung der Sinneselemente in eine Ördnungsreihe beeinflussen, so genügt für den Zweck der vorliegenden Untersuchung die Feststellung der Tatsache, dass Sinneselemente als wohlgeordnete Mengen darstellbar sind, in welchen jedes Element eindeutig durch eine Zahl ausgedrückt werden kann, die den Charakter einer Ordnungszahl hat. Für die technische Bewältigung der Aufgabe der Anordnung ist es am zweckmässigsten, die Maasszahlen der zugehörigen physischen Reize den Elementen als Ordnungszahlen zuzuweisen. Denn auf diese Weise ist nicht nur die Reproduzierbarkeit des Bezugssystems, sondern auch eine möglichst grosse objektive Kontrolle gewährleistet. Diese Anordnung entspricht auch der biologischen Bedeutung der Empfindungen. In den folgenden Ausführungen wird aus diesen Gründen die Zuordnung der ÖOrdnungszahlen der Sinneselemente nach diesem Prinzipe vorgenommen, also zum Beispiel die Tonhöhe durch die Schwingungszahl charakterisiert. Mit Hilfe der Zuordnung einer kontinuierlichen (oder diskontinu- ierlichen) Zahlenfolge zu den Elementen einer Sinnesmannigfaltigkeit lässt sich — auch bei Verzicht auf eine quantitative Ausdeutung — die gesetzmässige Variation eines Merkmales der Elemente kenn- zeichnen durch eine bestimmte Transformation der zugeordneten Zahlwerte.e Vom rein formalen Standpunkte sind unendlich viele Arten von Transformationen dieser Variablen möglich. Es erhebt sich.nun die Frage, welcher von den unendlich vielen formal denk- baren Transformationen für die psychologische Forschung ein Wert zukommt. Offenbar nur denjenigen, deren Invarianten auch in der Mannisfaltigkeit der Sinneselemente erfahrungsgemäss stabile Komplexe entsprechen. Wenn wir einen solchen stabilen Komplex der Sinneselemente selbst kurz als „psychische Invariante“ bezeichnen, so können wir zusammenfassend für diesen Begriff die Definition aufstellen: Eine (psychische) Invariante der Sinneselemente ee. E„, denen ein der Veränderung fähiges Merkmal zukommt, ist ein Komplex dieser Elemente, 492 Robert Heller: der erhalten bleibt, wenn die Elemente selbst dureh eine gesetzmässige Änderung des Merkmalesinandere Elemente der gleichen Art übergehen!). Die Gesamtheit der Invarianten der einzelnen Sinnesgebiete zu erschöpfen, ist bei dem gegenwärtigen Stande der Experimental- psychologie unmöglich; dagegen lassen sich umfassende Gruppen invarianter psychischer Komplexe nebst den zugehörigen Trans- formationen bestimmen. Fine verhältnismässig einfache Klasse von Invarianten auf dem Gebiete der Sinneswahrnehmungen ist der Gegen- stand der vorliegenden Untersuchung. Die Erfahrung lehrt, dass Komplexe, wie Akkorde, Melodien, Gestalten usf., bei gewissen gesetzmässigen Veränderungen der Ele- mente invariant bleiben. Die Ordnungszahlen der zugehörigen Ele- mente dürfen nämlich nur im gleichen Verhältnisse verändert werden, falls der psychische Komplex unverändert bleiben soll. Wenn wir solche Transformationen gemäss der in der Mathematik üblichen Terminologie als Ähnliebkeitstransformationen bezeichnen, so erhalten wir für die hier behandelten psychischen Invarianten, die „Formen“ genannt werden mögen, die Definition: Eine „Form“ ist ein Komplex von Sinneselementen, der gegenüber Ähnlichkeitstransformationen eines OÖrdnungsmerkmals invariant bleibt?). 1) Werden also die Sinneselemente Z, Es --- Eu mit den bezüglichen Merkmalswerten e, €& - - - en, übergeführt in die Elemente #',, E’,-- - En mit den Merkmalswerten e',, €'o - - - €'n vermöge der Transformationen 4 Yıldu dar en) 9 ya (near. en) en— pn (di, da: En), so sind diejenigen Komplexe X (E,, Es; - - E,) der Sinnenselemente H,, Eu. - Eu psychische Invarianten, für welche gleichzeitig die Beziehungen gelten: flv ea: m) —=fleun da: -- En) K (E,Es- Eu) =K(E,#s:-- Ein). (Der invariante Komplex X (E,, E, - - - En) kann dann abgekürzt bezeichnet werden durch X (e,, & - - - en), indem das variierte Merkmal direkt hervorgehoben wird. Analoge Überlegungen gelten auch für Invarianten bei Variation mehrerer Merkmale.) 2) Entsprechend der obigen Bezeichnungsweise von Invarianten können wir als Definition einer „Form“ der Elemente #,, E3 - - - Eu schreiben: K (&, (2) E92 en) — K (k e1, ke nee, ken), i wenn mit €, & - » - € die Ordnungszahlen des variierten Merkmals der Elemente E bezeichnet werden und % ein beliebiger Faktor ist. Grundzüge einer physiologischen Theorie der psychischen Invarianten. 403 Die innere Zusammengehörigkeit dieser aus verschiedenen Sinnes- gebieten (Gesicht, Gehör, Tastsinn) stammenden Invarianten hat sich lange vor jeder psychologischen Analyse und unabhängig von jeder Reflexion der Beobachtung unmittelbar aufgedrängt, und auch die beschreibende Psychologie der neueren Zeit hat die Verwandtschaft dieser Gebilde mehrfach hervorgehoben. Die zahlreichen Auseinander- setzungen über diesen Gegenstand sind insofern als verfehlt an- zusehen, als sie nicht imstande waren, den klaren Begriff der „In- variante“ zu gewinnen, dem sich die „Formen“ unterordnen lassen. Unter diesen Umständen ist es begreiflich, dass die innige Zusammengehörigkeit von Invarianz und Transformation fast gar nicht beachtet worden ist. So wurden auch die „Formen“ ohne Rücksicht auf die speziellen Transformationen, gegenüber welchen sie als invariant anzusehen sind, behandelt. Die Darlegung der psychologischen Seite der Beziehungen zwischen psychischen Invarianten und zulässigen Transformationen, insbesondere der „Formen“, mag mit diesen Bemerkungen hier abgebrochen werden, da hier das Hauptgewicht auf die Untersuchung der physiologischen Bedingungen für das Entstehen der „Formen“ gelegt wird. Bevor diese Aufgabe in Aneriff genommen wird, ist noch die Mögliehkeit zu erwägen, dass die „Formen“ aus einer allgemeinen Eigenschaft der äusseren physischen Reize herzuleiten sind. In der Tat ist es auffällig, dass der Gehör- und Gesichtssinn, also diejenigen beiden Sinnesgebiete, deren spezifische Empfindungen periodische Vorgänge (elastische Schwingungen, elektromagnetische Wellen) zu adäquaten Reizen haben, am ausgesprochensten das Phänomen der „Form“ (Melodie, Gestalt) aufweisen. Gegenüber einem solchen Versuch, welcher die „Form“ zum Beispiel auf die Periodizität der Reize zurückführen wollte, lässt sich von vornherein das gewichtige Bedenken vorbringen, dass auch inadäquate (nicht periodische) Reize „Formez“ auslösen können. Überdies aber weist die Tatsache, dass eine Melodie nicht bloss gegenüber Ähnlichkeitstransformationen der Tonhöhen (Schwineungs- zahlen), sondern auch gegenüber solchen der Tonstärken (Reiz- "intensitäten) und der zeitlichen Dauer der Einzelreize invariant ist, deutlich darauf hin, dass nicht in einer allgemeinen physikalischen Eigenart der Reize der Grund für das Auftreten jener Invarianten gesucht werden kann. Ähnliche Erwägungen auf dem Gebiete des Gesichtssinnes und anderen Empfindungsgebieten machen es voll- Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd. 160. 33 [94 vwobert Heller: kommen unwahrscheinlich, dass durch eine Untersuchung der physi- kalischen Eigenschaften der äusseren Reize das Problem der „Formen“ selöst werden kann. Wir haben es vielmehr zweifellos mit „psy- enischen Invarianten“ zu tun, deren Zustandekommen in der physiologischen Eigenart des empfindenden Organismus gesucht werden muss. Im nächsten Abschnitte soll demgemäss eine physiologische Theorie dieser Invarianten gegeben werden, die sich auf das funda- mentale Phänomen stützt, dass die als „Formen“ charakterisierten Komplexe Invarianten gegenüber Ähnlichkeitstransformationen dar- stellen. Die physiologischen Grundlagen der psychischen Invarianten. Die Aufgabe der Physiologie gegenüber der Psychologie wird im Prinzipe so gelöst, dass der Manniegfaltigkeit der psychischen Er- scheinungen Zustände des nervösen Apparates eindeutig zugeordnet werden. Diese Beziehung der psychischen Erfahrungen auf physio- logische Daten hat in vieler Beziehung einen hypothetischen Charakter, weil die experimentelle Technik die für den strengen Beweis er- forderlichen Eingriffe in den nervösen Apparat sehr oft nicht aus- führen kann. Diese Schwäche suchen die psychophysischen Theorien dadurch auszugleichen, dass sie ähnlich wie die exakten Naturwissen- schaften die Richtigkeit der Annahmen durch die Prüfung der aus ihnen gezogenen Konsequenzen an den Tatsachen erhärten. Um die Sicherheit und Tragweite dieser Methodik und ihre Arbeitsweise auf dem Gebiete der Sinneswahrnehmungen zu be- leuchten, sei an die Theorien der Farbenempfindungen erinnert, die Helmholtz, Hering u. a. Physiologen entwickelt haben, oder an die Helmholtz’sche Theorie, dass jeder Tonempfindung eine be- sondere Nervenfaser zugehört. Ebenso gehören die Lehren von der Beziehung zwischen Muskelempfindungen und Tiefenwahrnehmung, die Ansiehten über die Funktionen der Bogengänge für den Raum- sinn und zahlreiche andere Grundsätze der Psychophysiologie der Sinnesempfindungen in die gleichen Gedankenkreise. Mach hat das Grundprinzip der Kontinuität, welches bei allen Jiesen Forschungen mehr oder weniger klar bewusst befolgt wurde, besonders eingehend analysiert. Da die physiologische Theorie, die hier für die „Formen“ entwickelt wird, diese allgemeinen Grundsätze Grundzüge einer physiologischen Theorie der psychischen Invarianten. 495 der psychophysischen Methodik zu wahren sucht, erscheint es zweck- mässig, an die Auseinandersetzungen von Mach anzuknüpfen ). Um dem Prinzip der Kontinuität (und jenem der zureichenden Bestimmtheit) zu genügen, ist es nach Mach erforderlich, der gleichen psychischen Erscheinung stets denselben Nervenprozess entsprechen zu lassen, so dass zu allen psychisch beobachtbaren Einzelheiten die zugehörigen physiologischen Einzelheiten aufzusuchen sind. Ins- besondere muss diese HEindeutigkeit der Zuordnung auch für den Nervenprozess, der als Endglied der physiologischen Vorgänge als wesentliche und unmittelbare Bedingung der Empfindung anzusehen ist, gefordert. werden. Dieser strengen Eindeutigkeit der psychophysischen Zusammen- hänge entsprechend hat man zum Beispiel bei gleichen Gestalten ver- schiedener Farbe neben den verschiedenen Farbenempfindungen eine be- sondere gleiche Empfindungskomponente und zugehörige gleiche Nerven- prozesse zu erwarten. In den Nervenprozessen, welche der Emp- findung der Ähnliehkeit von Gestalten entsprechen, werden gleich- artige Bestandteile vorkommen. Bei gleichen Melodien in verschiedener Tonlage sind in den physiologisch-chemischen Vorgängen gemeinsame Elemente enthalten. Aus der psychologischen Beobachtung, dass das Kontinuum der Farbenempfindungen sich aus sechs Grundempfindungen aufbauen lässt, muss auf die gleiche Reduzierbarkeit der Vorgänge innerhalb der Mannigfaltigkeit der entsprechenden Nervenprozesse geschlossen werden. Für das in der vorliegenden Arbeit behandelte Problem lässt sich die Forderung der Gültigkeit des Prinzipes der Kontinuität in dem Grundsatze zusammenfassen: Psychisehen Invarianten entsprechen invariante Be- ziehungen in den dem Komplexe der Elemente zu- geordneten Nervenprozesse. Ein Nachweis dieser gegenseitigen Bedingtheit von Invarianten des psychischen und physiologischen Mechanismus kann durch un- mittelbare Beobachtung natürlich ebensowenig erbracht werden wie für die oben angeführten Wechselbeziehungen, die auf Grund des Prinzips der Kontinuität gefordert werden. Dagegen gibt die Be- rücksichtigung der Transformationen, gegenüber weleher die Komplexe 1) Mach, Analyse der Empfindungen S. 47 ff. co (ei) 496 Robert Heller: der Sinneselemente invariant bleiben, ein Mittel in die Hand, die physiologischen Invarianten zu präzisieren, welche als physische Ur- sachen der Invarianz der entsprechenden psychischen Gebilde an- zusehen sind. Durch Hinzunahme der Voraussetzung, dass die Zu- orduung zwischen physischen und psychischen Invarianten die möglichst einfache ist, kann ferner für die als „Formen“ bezeichneten in- varianten Komplexe eine vollständige Lösung des Problems gegeben werden, die physiologischen Ursachen für das Auftreten dieser psy- chischen Invarianten zu ermitteln. Die physiologischen Prozesse, durch welche ein Komplex von Sinneselementen hervorgerufen wird, sind nach den bisherigen Er- fahrungen mit grosser Wahrscheinlichkeit als chemische bzw. physi- kalisch-chemische Vorgänge von relativ Jangsamem Ablauf aufzufassen, die sich im zentralen Nervensystem abspielen. Diese biochemischen Reaktionen sind unter normalen Umständen nahezu umkehrbar und in hohem Maasse temperaturempfindlich. Darauf weisen insbesondere die Erfahrungen über den starken Einfluss des Fiebers auf den Ab- lauf der psychischen Erscheinungen und die Selbstregulierung des Organismus unter gewöhnlichen Bedingungen hin. Die Erhaltung der Funktionen verlangt, dass die physiologischen Prozesse im zentralen Nervensystem mit grosser Annäherung isotherm verlaufen. Für die Erreichung dieses Zieles ist durch die ausserordentlich reichliche Blutversorgung des Gehirns gesorgt. Die günstigen Zir- kulationsverhältnisse werden bei Arbeitsleistungen durch die experi- mentell erwiesene Erweiterung der Blutgefässe noch verbessert, so dass der Temperaturausgleich gegen die mittlere Bluttemperatur und den Transport der erzeugten Wärmemengen mit einer Schnellig- keit vor sich geht, die das Auftreten von Wärmestauungen und da- mit verbundene grössere Temperaturerhöhungen in den tätigen Be- zirken verhindert. Zur Lösung der gestellten Aufgabe, die physiologische Ursache der „Formen“ zu bestimmen, müssen die Invarianten dieser chemischen Prozesse untersucht werden. Trotz der Unkenntnis der speziellen Reaktionen, welche die unmittelbare physiologische Bedingung der Empfindungen sind, ergibt sich die eindeutige Bestimmung der ge- suchten chemischen Invariante aus folgenden Voraussetzungen: 1. Die biochemlschen Prozesse im zentralen Nervensystem ge- horchen denselben physikalisch-chemischen Gesetzen wie die mole- kularen Veränderungen der leblosen Welt. Grundzüge einer physiologischen Theorie der psychischen Invarianten. 497 2. Den Veränderungen der einzelnen Merkmale der Sinnes- elemente eines psychischen Komplexes, die durch die Variationen der physischen Reize hervorgerufen wurden, entsprechen chemische Reaktionen im Nervensystem. Bei Variation des gleichen Merkmals ändern sich mit der Ordnungszahl des Sinneselementes nur die Konzentrationen der unabhängigen Bestandteile bzw. Phasen der in dem biochemischen Mechanismus beteiligten Stoffe. Diese Annahme ist in den physiologisch-chemischen Theorien (z. B. der Farben- theorie) bisher stets gemacht worden, und es besteht kein Grund, dieselbe fallen zu lassen. Für die psychischen Elemente der intellektuellen Sphäre (Ver- gleichen, Wiedererkennen usw.), welche in invarianten Komplexen eintreten bzw. mit ihnen verschmelzen können, wird bezüglich des Zusammenhanges zwischen den variablen Parametern des biochemishen Mechanismus und den Abstufungen der Merkmale der psychischen Vorgänge die gleiche Annahme gemacht. 3. Die Erfahrung, dass die „Formen“ der verschiedenen Sinnes- gebiete gegenüber den gleichen Transformationen (Ähnlichkeits- transformationen) invariant sind, drängt zu der Folgerung, dass die zugehörige biochemische Invariante nicht von der Besonderheit des Chemismus der verschiedenen terminalen Prozesse abhänst. Da ferner das Transformationseesetz der Formen im Bereiche der einzelnen Empfindungsbereiche selbst unabhängig ist von der Qualität (z. B. Tonhöhe) und (absoluten) Wert (z. B. Tonstärke, Dauer der Finzeltöne) der Elemente, muss die gesuchte Invariante aus einem Gesetz sich herleiten, das eine sehr grosse Zahl von Reaktionen umfasst. Zur Vermeidung der Einführung willkürlicher Hypothesen über die Natur der bei den Sinneserregungen sich ab- spielenden Prozesse ist es notwendig, von einer möglichst allgemeinen chemischen Gesetzmässiekeit auszugehen und diese nicht weiter ein- zuschränken, als dies durch die psychischen Erfahrungen notwendig gemacht wird. 4. Das Prinzip der Kontinuität verlangt die eindeutige Zu- ordnung der psychischen und physiologischen (physikalisch-chemischen) Invarianten. Die Beziehung der Transformationen der beiden In- varianten dagegen wird zunächst unbestimmt gelassen. Aus der Erfahrung, dass Wechselbeziehungen von grosser Allgemeinheit nicht nach Willkür von Fall zu Fall sich einstellen, sondern durch einen einheitlichen Mechanismus geregelt sind, darf wohl mit grosser 498 Robert Heller: Wahrscheinlichkeit geschlossen werden, dass auch auf den Zusammen- hang der Transformationen das Prinzip der Kontinuität anwendbar ist, dass also auch dieser Zusammenhang zwischen den Transforma- tionen ein-eindeutig ist. Bestimmten Transformationen im physio- logischen Mechanismus entsprechen also bestimmte Transformationen im psychischen System. Damit ist noch nicht gesagt, dass die einander entsprechenden Transformationen in beiden Manniefaltie- keiten die gleichen sein müssen, da durch die Eindeutiekeit und Umkehrbarkeit die Art der Beziehung zwischen zwei Transformationen nieht vollständig bestimmt ist. Hier muss also wegen der Unmöslich- keit die Beziehung zwischen den Transformationen bei dem gegen- wärtigen Stande der Psychologie durch Beobachtungen und Versuche unmittelbar zu ermitteln, das Prinzip der Kontinuität durch eine Hypothese spezialisiert werden '). Die einfachste Hypothese, die man für die Wechselbeziehung der physiologischen und psychischen Prozesse aufstellen kann, besteht in der Annahme des Grundsatzes: Die den „Formen“ entsprechenden Komplexe der physiologischen Elemente sınd ebenso wie die Formen selbst invariant gegenüber Ähnlichkeitstransformationen '). Die Ableitung der einer „Form“ entsprechenden chemischen Invariante des physiologischen Systems ergibt sich auf diesen Grund- lagen in folgender Art: Nach der zweiten Voraussetzung ist das Auftreten der „Formen“ gebunden an gewisse molekulare Umlagerungen, welche als Endglieder eines biochemischen Prozesses im Nervensystem unmittelbar die Elemente des psychischen Komplexes bedingen. Dieser isotherm verlaufende chemische Prozess findet nach einer Reaktionsgleichung statt, welche die Form hat: Dino N. Ua > IN“, Gl 2,3 au t=1,2,3- worin die n, und n”, die Anzahl der Moleküle der oneremenan Molekülgattungen N, bzw. N’, bedeuten. Bezeichnet man mit c, 1) Der Einfluss der Art der Zuordnung der Ordnungszahlen zu den psy- chischen Elementen auf die Beziehung der Transformationen der einander ent- sprechenden physischen und psychischen Invarianten bedarf noch einer besonderen Untersuchung. Es scheint, dass die Zahl der denkbaren Hypothesen sich durch Berücksichtigung bereits bekannter Gesetzmässigkeiten des physischen und psy- chischen Geschehens bedeutend einschränken lässt und dass die Tendenz der biologisch wichtigen Einstellusg des psychischen Systems gemäss den „objektiven natürlichen“ Ordnungszablen in physikalischen Ursachen wurzelt. Grundzüge einer physiologischen Theorie der psychischen Invarianten. 499 bzw. ec’, die Konzentration der N, bzw. N’,, so verlangt die zweite Voraussetzung weiter, dass eine Abänderung irgendeines Merkmales der Sinneselemente im psychischen Komplexe durch eine blosse Konzentrationsänderung des zugehörigen physiologisch - chemischen Prozesses bedingt ist. Um die den „Formen“ entsprechende In- variante dieses physiologisch-chemischen Prozesses zu ermitteln, hat man also gemäss den beiden letzten Voraussetzungen eine nach all- gemeinen physikalisch-chemischen Gesetzen der obigen Reaktions- gleichung zugehörige Funktion der Konzentrationen der N und N’ zu finden, welche bei konstanter Temperatur gegenüber Ähnlichkeits- transformationen invariant ist. Allen diesen Bedingungen genügt offenbar die aus der Re- aktionsisotherme (Massenwirkungsgesetz) abgeleitete Gleichgewichts- konstante (ÄX): ey 3 Cyi2 .Cg3 0808 u 2 Br ’ r TERN) N r wi. ng. ES 7 der dem Formenkompiexe entsprechenden terminalen bivchemischen Reaktion: m o=1,43... r=1l23:..: Aus den gemachten Voraussetzungen über die Natur der bio- chemischen Prozesse ergibt sich also unter Festhaltung an dem Prinzip der Kontinuität die Folgerung: Das Auftreten der als „Formen“ charakterisierten Invarianten von Sinneselementen ist physiologisch bedingt durch die Einstellung des spezifischen bio- chemischen Umsatzes im zentralen Nervensystem (Grosshirnrinde) gemäss der allgemeinen Massen- wirkung. Nach dieser Auffassung werden nicht bloss die spezifischen physiologischen Prozesse sinnlich empfunden, sondern es kommt auch der Gleichgewichtszustand der physikalisch-chemischen Vorgänge un- mittelbar in den Empfindungskomplexen zum Ausdruck. Wir ge- langen so zu der Vorstellung, dass die Gleichgewichtskonstante der terminalen biochemischen Prozesse als eine Art „adäquaten Reizes“ für das Auftreten von „Formen“ aufzufassen ist‘). 1) Durch weitere Verfolgung des Zusammenhanges des Gesetzes der chemischen Massenwirkung mit der Entropie ergeben sich interessante Gesichtspunkte für den Ablauf der psychischen Prozesse vom Standpunkt des zweiten Hauptsatzes. Eine kinetische Auffassung der Gleichgewichtskonstante weist anderseits darauf 500 R. Heller: Grundzüge einer physiol. Theorie der psych. Invarianten. Trotz der Unmöglichkeit, die hier gegebene Theorie der „Formen“ durch gleichzeitige Beobachtungen der Vorgänge des physiologischen und psychischen Systems unmittelbar zu beweisen, ist die weitere Verfolgung der entwickelten Beziehungen dem Experimente wohl nieht ganz unzugänglich. Insbesordere erscheinen Versuche über den zeitlichen Ablauf der Ausbildung einer „Form“ (z. B. am Tachistoskop) und ihre Beeinflussung durch störende Reize in Ver- bindung mit Erfahrungen der Physiologie für die Prüfung der Theorie geeignet. Die Auffassung physiologischer Erscheinungen unter invarianten- theoretischen Gesichtspunkten ist ein notwendiger Schritt für die Klärung der Problemstellungen der Physiologie wie für das Auf- suchen neuer Wege zur Lösung physiologischer und psychologischer Aufgaben !). Insbesondere kann der Ausbau der Prinzipien über den Zusammenhang der psychischen und physiologischen Invarianten bei einer weiteren Durchbildung der Physiologie des zentralen Nerven- systems nicht umgangen werden. hin, dass den Geschwindigkeitskonstanten der biochemischen Prozesse im zentralen Nervensystem die psychische Bedeutung eines „Reizes“ zukommt. 1) Die Auffassung der Phämonene der Bewegung als psychischer Invarianten ergibt eine grosse Zahl interessanter Folgerungen für die Physiologie und Psycho- logie dieser Empfindungskomplexe. Die Ergebnisse der tachistoskopischen Ver- suche über das Sehen von Bewegungen („Bewegungstäuschungen“ usw.) gewinnen durch die oben gegebene Theorie auf invariantentheoretischer Basis eine einheit- liche Deutung. Die Anwendung der Theorie auf diese Gebiete soll in einer besonderen Arbeit gegeben werden. 501 Theorie der Narkose!). Von 3. Traube. Damit ein Stoff — narkotisch — wirken kann, muss derselbe leicht und schnell an den Ort gelangen können, an welchem seine Wirkung stattfindet, in andern Worten: eine grosse osmotische Ge- schwindigkeit ist die Vorbedingung zu seiner narkotischen Wirk- samkeit. Die treibende Kraft der Osmose ist nun ein Druck, welcher gleich ist dem reziproken Wert des Haftdrucks?), denn je weniger fest der Stoff am Lösungsmittel oder in der Lösung haftet, um so leichter geht derselbe in die Oberfläche, um so leichter verlässt er dieselbe. Dass flüchtige Stoffe, wie Chloroform, Chloräthyl, Äthyläther usw., einen geringen Haftdruck haben und daher schnell diosmieren, ist ja leicht einzusehen. Wenn man im Stalagmometer _ eine milchige Chloroform-Wasseremulsion nicht allzuschnell abtropfen lässt, so beobachtet man, wie der Tropfen klar und durchsichtig die Abtropffläche verlässt und an Grösse nahezu dem Wassertropfen gleichkommt. Das Chloroform diosmiert eben schnell in die Ober- fläche des Tropfens und aus dieser heraus — ganz so verhält es sich im Körper, von Zelle zu Zelle diosmierend und ganz besonders dort sich anhäufend, wo sich ein besonderer Lipoidreichtum findet. Ein Maass des Haftdrucks waren nun nach früheren Arbeiten von mir®) die verschiedensten Eigenschaften der Lösungen, beispiels- weise Löslichkeitsbeeinflussung, Oberflächenspannungen usw. Nament- lich die Oberflächenspannung wurde von mir zum Haftdruck in Be- ziehung gesetzt. Je mehr ein Stoff die Oberflächenspannung ver- mindert, um so mehr konzentriert sich derselbe in der Oberfläche (Gibbs-Thomson’s Prinzip). l) Die vorliegenden Ausführungen bilden eine Ergänzung meiner früheren Mitteilung über das gleiche Thema in Ptlüger’s Arch. Bd. 153 S. 276. 1913. 2) Traube, Intern. Zeitschr. f. physik.-chem. Biol. Bd. 1 S. 284. 1914. 3) Traube, Verhandl. d. deutschen physiol. Gesellsch. Bd. 10 S. 901. 1908. 502 J. Traube: [7 So wurde auch gezeigt, dass Oberflächenaktivität und narkotische Wirkung — im allgemeinen bei wenig flüchtigen Stoffen parallel gehen. Eine völlige Parallelität oder gar Pro- portionalität war schon deshalb nicht zu erwarten, weil es sich um Bestimmung der Oberflächenspannungen gegen Luft handelte. Das für flüchtige Stoffe, wie Chloroform, Äther usw., jene Parallelität nicht vorhanden sein kann, folgt ohne weiteres aus obigem stalago- metrischen Abtropfversuche, oder wer jemals eine wässrige Lösung von Äthyläther in einem Kapillarrohre hat aufsteigen sehen, wird wissen, wie schwer oder unmöglich infolge der Verdunstung des Äthers hier eine Konstanz der Steighöhe zu erzielen ist. Selbst wenn die Oberflächenspannung ein genaues Maass des Haftdruckes wäre, so wäre eine mathematische Beziehung oder auch nur eine strenge Parallelität zwischen narkotischer Wirkung und Öber- tlächenspannung nicht zu erwarten, denn ein geringer Haftdruck ist ja nur die — Vorbedinenng — einer narkotischen Wirksamkeit. Die osmotische Geschwindickeit ist nun direkt pro- portionaldertreibenden Kraft der Ösmose, welche gleich ist der Grösse: 1/Haftdruck und umgekehrt proportional den Reibungswiderstänzden, welche sich den sich fort- bewegenden Teilchen im heterogenen kolloidalen Systeme entgegenstellen!). Es ist dies ein den betreffenden Gesetzen für andere Energie- arten entsprechendes Gesetz (Ohm ’sches Gesetz). | x Der Einfluss der Reibung auf die osmotische Geschwindigkeit ist früher von mir nicht eingehender berücksichtigt worden. Es hat sich aber in der soeben zitierten Arbeit gezeigt, dass überall dort, wo die Beziehungen von OÖberflächenspannungen zu Vorgängen, wie Hämolyse, Exosmose und Oxydationsvorgängen — also Vorgängen, welche mit der Narkose in Beziehung stehen — nicht streng gelten, die Berücksichtigung der Reibungen zu einer strengeren Gültigkeit führte. Beispielsweise die Oberflächenspannungen derjenigen Lösungen von Narkotizis, welche eben noch Hämolyse verursachen, würden eng zusammenrücken, wenn die ungleichen Reibungen an der Grenz- fläche der Phasen nieht wären; aber mehr noch: e In einer umfangreichen Arbeit über die Geschwindigkeit der 1) Traube, Über den Einfluss der Reibung und Oberflächenspannung bei biologischen Vorgängen. Vgl. Internat. Zeitschr, f. physik.-chem. Biol. Bd. 2 S. 276. 1914. Theorie der Narkose. 503 Gelbildung und Gellösung sowie Quellbarkeit von Gelen, die ich soeben gemeinsam mit meinem Schüler F. Köhler in der Intern. Zeitschr. f. physik.-chem. Biol. Bd. 2 S. 42 veröffentlicht habe, wurde unter anderem gezeigt, dass Narkotika nach Maassgabe ihrer narkotischen Fähigkeiten lösend zunächst auf ein Gelatinegel wirken. Hier mag es genücen, wenn ich in folgender Tabelle die Reihenfolge der Narkotika aufzähle, so wie die- selbe sich uns aus den Messungen der Geschwindiekeit der Lösung eines Gelatinegels, also beim Übergang des Gels in das Hydrosol bei Zusatz der Narkotika bei konstanter Temperatur ergeben hat. Daneben befinden sich die von Overton an Kaulquappen ge- wonnenen narkotischen Grenzkonzentrationen: Stoffe, geordnet nach der Narkotische Grenz- Lösungsgeschwindigkeit eines konzentrationen in Molen Gelatinegels: pro Liter: Eelenontren a. anna 3.0,000.0037. humor 0.000.059 Naphthahns ae 2. nes .50,000.065 Chloroform . . . EA EN DA} Chloralhydrat eleieıt us re RL iylanber en 0.001 eMordiyl 2.2.2. 220....0.2 200045 Sllonale Se ae en aa 520008 malen nn 0,0004 alkohol? 2... 2.2008 Urea RR vlalkchole.ı. 2. sea. 00000045 Methyläthylketon. . . . UN) Äthylaeetat (nach Overton zum Teil verseift) .. 0,03 EOHEIODE N A en Bere Amvlalohol”. „u... ...0.., 0.052 iupylalkohole:2 22.2732. 2 2 ya INGERONEN er ae ee en on ne 02 &iilallkolml Res re Kienhwlalkohole ar 2 eu. ne 20 Abgesehen von kleinen Abweichungen, erkennt man die un- zweifelhafte Beziehung von narkotischen Fähigkeiten der Stoffe und ihrer Fähigkeit, zunächst ein Gelatinegel zu lösen. Die Wirkungen der echten Narkotika sind sehr erheblich, denn, wenn wir die Zeit 504 J. Traube: der Gellösung durch die Kontrollelösung gleich 100 Minuten setzen, so genügte beispielsweise ein Zusatz von 0,045 Mol. Äthyläther, um bei der gleichen Temperatur die Gellösungszeit auf etwa 30 Minuten herabzusetzen. Man erkennt, dass es sich hier um Zahlen gleicher Grössenordnung handelt. Diese am Gelatinegel gewonnenen Ergebnisse liessen sich nun auf Grund von Versuchen Schryvers!) über Gelbildungs- geschwindigkeit am Natriumcholatgel sofort auf dieses Gel übertragen, und da sich ferner gezeigt hatte, dass die Lösungs- geschwindigkeit eines Gels, also seine Umwandlung in ein Hydrosol,vollständigeinemQuellungsvorgangeentsprach, so liessen sich sofort auf Grund der bekannten älteren Arbeiten von Hofmeister, Spiro, Pauli, Wo. Ostwald, Samee und nament- lich auch von M. Fischer?) unsere Ergebnisse auf das Eiweiss- gel (Fibrin und Serumalbumin), das Stärkegel sowie das Proto- plasma übertragen. Die Viskositätsänderung einer zähen Flüssig- keit erfolgt bis zur Gelbildung, abgesehen von gelegentlichen Maximis, kontinuierlich. Schon hieraus folgt, dass die narkotische Kraft und die Reibungsänderung einer — selbst nicht gelatinierten — zähen Flüssigkeit im allgemeinen parallel gehen. Narkotika wirken danach quellend und lösend auf allejene Gele oder gelartigen Massen und viskositäts- vermindernd auf derartige zähe Flüssigkeiten ganz entsprechend ihrer narkotischen Fähigkeit?). Kommen wir nun auf den Ausgangspunkt unserer Betrachtungen wieder zurück, so erkennen wir, dass die Narkotika, welche unter dem Einfluss ihres geringen Haftdruckes an die Grenzfläche der Zellen getrieben werden, nunmehr durch Quellung oder Lösung der etwa vorhandenen Membranen und Ver- ringerung der Reibung des Protoplasmas selbst die Reibungshindernisse hinwegschaffen, die sich ihrer Osmose in dieZellenentgegenstellen. Sind die Zellen nun l) Schryver, Proc. Royal Soc. London vol. 87 p. 366. 1914. 2) M. Fischer, Das Odem. Steinkopff, Dresden. 3) Man_hat unter dem Einflusse von Narkoticis bei Pflanzen eine anfängliche Steigerung der Protoplasmaströmung wahrgenommen (vgl. Boresch w. u.), die oftenbar auf eine Viskositätsverminderung schliessen lässt. — Es ist mir gar nicht unwahrscheinlich, dass der anfängliche Erregungszustand bei der Nar- kose mit der Viskositätsverminderung und einer vorübergehenden Förderung bestimmter Reaktionen zusammenhängt. Theorie der Narkose. 505 noch lipoidreich, so werden auf Grund der Tatsache, dass ein ge- ringer Haftdruck am Wasser meist einem grossen Haftdruck an Lipoiden entspricht, die betreffenden Narkotika in solchen Zellen sich besonders anreichern können, wenngleich die Wirkung der Narkotika auf die Lipoide weniger einem Lösungs- als einem Flockungs- und Adsorptionsvorgange entspricht!). Ein geringer Haft- druck, welcher bei den nicht flüchtigen Stoffen sich als Oberflächen- spannungsverminderung geltend macht, sowie ferner eine verminderte Reibung des heterogenen Milieus sind zunächst — die Vor- bedingungen der narkotischen Wirksamkeit. Die eigentliche narkotische Wirkung kommt indessen, wie dies in meiner vorhergehenden Mitteilung in dieser Zeitschrift bereits in ausführlicher Weise dargetan wurde, bekanntlich in anderer Weise zustande: Die Narkotika wirken entsprechend ihren narko- tischen Fähigkeiten alsKatalysatoren, und zwar vor- nehmlich als negative Katalysatoren (Bradyatoren)?) gegenüber den verschiedensten chemischen und physi- kalisehen Vorgängen, wie Oxydationen, Fermentläh- mungen usw., und indem sie namentlich an den Grenz- flächen der Zellen und Phasen sich anhäufen — hier „todte“ Räume?) bildend —, wirken sie lähmend auch auf dielntensität der Nervenimpulsedurch Verminde- rung der Potentialdifferenzen. Es wurde von mir in meiner früheren Mitteilung darauf hin- gewiesen. dass nicht nur die verschiedensten Oxydationsvorgänge nach den Untersuchungen von Warburg, Vernon u. a. der nar- kotischen Wirkung der Narkotika parallel gehen, sondern dass auch dieselbe Reihe der Narkotika als Hemmungsreihe der Hefe- und Zymasegärung, sowie auch der Invertase- wirkung auf Zucker‘) in Betracht kommt, desgleichen an- 1) Goldschmidt und Przibram, Zeitschr. f. exper. Pathol. Bd. 6 8. 1. 1909. Vgl. auch Traube, Pflüger’s Arch. l. c. und Kolloidchem. Beihefte Bd. 3 S. 286. 1912. Vgl. ferner Berzeller, Biochem. Zeitschr. Bd. 66 - S. 225. 1914. 2) Traube, Über Katalyse. Pflüger’s Arch. Bd. 153 S. 309. 1913. 8) Liebreich, Zeitschr. -f. phys. Chemie Bd. 5 S. 529. 1890. — Traube, Pflüger’s Arch. Bd. 153 S. 297. 1913. 4) Meyerhof, Pflüger’s Arch. Bd. 157 S. 251. 1914. 306 J. Traube: scheinend auch für die Zersetzungsgeschwindigkeit von Ammonium- nitrit (Veley), die Umwandlungsgeschwindigkeit von Acetessigester in der einen Richtung (Traube) usw. Aber auch als positive Katalysatoren (Tachysatoren) wirken dieselben Narkotika in derselben Reihenfolge wie oben auf mancherlei physikalische wie chemische Vor- eänge, so besonders auf den Vorgang der Flockung von Leeithin (Moore und Roaf, sowie Goldschmidt und Przibram), von Kolloiden im Hefepresssaft (Warburg und Wiesel), von Nukleoproteiden (Battelli und Stern), ferner ist die Reihenfolge der Narkotika maassgebend für die Löslichkeits- verminderung schwer löslicher Salze (Traube), sie ist ferner maass- sebend (vgl. oben) für die Beschleunigung der Quellung und für die Beschleunigung chemischer Vorgänge, wie die Verseifungsgeschwindig- keit von Äthylacetat (Kullgren), die reziproke Umwandlung tautomerer Stoffe nach einer Richtung (Traube), anscheinend auch für die Zersetzung von Kaliumamalgam durch Wasser (Ferneke) und die Geschwindigkeit der Harnstoffbildung aus Ammoniumeyanat (Walker und Kay). Über die Literatur vergleiche meine voran- gegangenen Arbeiten über Narkose und Katalyse. Es ist hiernach eine mehr sekundäre Frage, ob man sich auf den Standpunkt von Verworn stellt, dass das Wesen der Narkose vor- nehmlich auf einer Verlangsamung von Oxydationsvoreängen beruht, oder ob man unter Anerkennung der gegen Verworn’s Auffassung von Winterstein!) sowie J. Loeb und Wasteneys°) in be- rechtigter Weise geltend gemachten Einwände annimmt, -dass neben der Oxydationsvorgängen noch andere Voreänge in Betracht kommen, die Hauptsache bleibt der Nachweis, dass die Reihenfolge der Narkotika in bezug auf die verschiedensten physikalischen und chemischen sowie insbesondere auch elektrischen Vorgänge?) dieselbe bleibt wie in bezug auf die narkotischen Wirkungen. Die Narkotika wirken als Katalysatoren in physi- kalischer wie chemischer Hinsicht, für ihre narkoti- 1) Winterstein, Biochem. Zeitschr. Bd. 51 S. 143. 1913. 2) J. Loeb und Wasteneys, Journ. of Biol. Chem. vol. 14 p. 517. 1913. 3) Traube, Pflüger’s Arch. Bd. 153 8. 302 ff.; vgl. daselbst Gouy, Abl, Grumbach, sowie Loeb und Beutner. Be Theorie. der Narkose. 507 sche Wirkung kommt sowohl iihre verzögernde Wirkung auf fermentative und Oxydationsvorgänge usw. wie ihre beschleunigende Wirkung auf physikalische Vor- eänge, wie Flockung sowie Quellung, in Betracht. Es liegt überaus nahe, dass in bezug auf die hemmende Wirkung der Narkotika auf Oxydationsvoreänge usw. die flockende Wirkung auf Fermente eine wichtige Rolle spielt. Es sei dieserhalb auf meine Ausführungen in der vorangegangenen Narkosearbeit S. 299 verwiesen. Je mehr ein Ferment aggresiert wird, um so unwirksamer wird dasselbe. Wenn Winterstein (l.c.) darauf hinweist, dass auch anoxy- biotische Würmer in Narkose verfallen können, oder Helene Nothmann-Zuckerkandl!) zeigt, dass in bezug auf den Still- stand der Protoplasmaströmung bei Päanzenzellen die Oxydations- vorgänge nur untergeordnet in Betracht kommen können, oder O0. Warburg?) sowie Loeb und Wasteneys (l.c.) zeigen, dass bei nur wenig sinkendem Sauerstoffverbrauche die Furchung be- fruchteter Seeigeleier durch Narkose gehemmt wird, so finden alle diese Beobachtungen durch die vorausgehenden Bemerkungen eine hin- reichende Erklärung, nur darf man hieraus nicht folgern, dass nicht bei der Narkose höher organisierter Tiere die Verlangsamung von ÖOxydationsvorgängen durch Flockung von Fermenten — auch eine Rolle spielen. Als Hauptgrund gegen die Mitwirkung von Oxydationsvorgängen bei der Narkose wird geltend gemacht, dass die Mengen der Narkotika, welche nach Warburg, Loeb, Vernon u.a. für die Oxydations- hemmung verschiedener Vorgänge, sowie die damit zweifellos im Zusammenhane stehende Kolloidfloekung, in Betracht kommen, ganz wesentlich grösser sind als die Schwellenwerte der narkotischen Wirkung nach Overton. Indessen, es scheint mir der Einwand erlaubt, dass doch wegen der ungleichen Verteilung die Konzentration der Narkotika an Ort und Stelle ihrer Wirkung wesentlich grösser sind als Overton’s Werte, und dass in manchen Zellen des Zentralnervensystems viel- leicht in Anbetracht des „toten Raumes“ usw. Oxydationsvorgänge 1) Helene Nothmann-Zuckerkandl, Biochem. Zeitschr. Bd. 45 S. 412. 1912. 2) Warburg, Zeitschr. f. physiol. Chemie Bd. 66 S. 305. 1910. 508 J. Traube: schon bei geringeren Konzentrationen durch Fermentlähmungen ge- hemmt werden könnten als bei den Versuchen der genannten Forscher. Als Moment in bezug auf das Zustandekommen der Veränderungen der Reaktionsgeschwindigkeiten in den narkotisierten Zellen möchte ich noch hinweisen auf meine früheren Ausführungen in den Arbeiten über Narkose und Katalyse über die Änderungen des Binnen- drucks des Zellinhalts infolge des Eintretens der Narkotika, denn jede Änderung des Binnendrucks wirkt ändernd auf die Reaktions- geschwindigkeiten, ganz ebenso wie die Reaktionsvorgänge in Gas- gemischen meist vom Drucke abhängig sind. Endlich sei nochmals hingewiesen auf die Wirkung der Struktur der Zellwände und dispergierten Phasen auf die Reaktionsgeschwindigkeiten (vgl. S. 297 l. e.). Wenn auch die Reaktionen in der Nähe der Zellwand nach Arbeiten Warburg’s usw. keineswegs sämtlich gehemmt werden im Sinne der Liebreich’schen Beobachtungen, so kann man doch andererseits annehmen, dass in bezug auf mancherlei Vorgänge der „todte Raum“ Liebreich’s durch die Wirkung der Narkotika ver- grössert wird, ja dass die ganze Zelle in einen „todten Raum“ ver- wandelt wird. Wie weit hierbei die Verdrängung wirksamer Fermente durch die Narkotika von den Phasengrenzflächen mitspricht!), kann einstweilen nicht eutschieden werden. Sicher spielt aber die An- häufung der Narkotika an den Zellwänden und die Verdrängung von Elektrolyten eine erhebliche Rolle in bezug auf die Abschwächung oder Aufhebung der elektrischen Vorgänge in den Nerven. In meiner früheren Abhandlung habe ich bereits darauf hin- gewiesen, dass nach Versuchen von Abl die elektrische Kraft ge- wisser galvanischer Elemente durch Narkotika in der Reihenfolge‘ ihrer narkotischen Wirkungen geschwächt wird, dass nach Grum- bach dieselbe narkotische Reihe sich ergibt für die Abschwächung der Kontaktpotentiale an den Grenzflächen gewisser Dielektrika und Elektrolyten, und ebenso weise ich besonders hin auf die neueren Versuche von Loeb und Beutner°) über den Einfluss der Anästhetika auf die Potentialdifferenzen an der Oberfläche pflanz- licher und tierischer Gewebe, sowie an der Phasengrenze zwischen Leeithinlösungen in Guajakol sowie wässrigen Salzlösungen. 1) 0. Warburg, Pflüger’s Arch. Bd. 155 8. 547. 1914 und Rona und Tosh Biochem. Zeitschr. Bd. 64 S. 288. 1914. 2) Loeb und Beutner, Biochem. Zeitschr. Bd. 51 S. 300. 1913. 2 Theorie der Narkose. 509 Dass die Anästhetika auch nach dieser Richtung eine Wirkung entfalten, erscheint mir als eine Folge von Gibbs-Thomson’s Prinzip; wie im besonderen ihre Wirkung ist, darüber dürften wir erst dann ein sicheres Urteil erlangen, wenn wir über das Zustande- kommen der Ströme besser unterrichtet sein werden. Schliesslich möchte ich noch hinweisen auf eine interessante "Arbeit von Boresch!): Über fadenförmige Gebilde in den Zellen von Moosblättern ete. Boresch zeigt, dass unter dem Einflusse zahlreicher oberflächenaktiver Stoffe faden- und schleifenförmige, vielleicht leeithinhaltige Gebilde in Zellen von Moosen, Algen und Farnen sich in regellose mikroskopische Tröpfchen mit starker Brown’schen Bewegung auflösen. Bei Entfernung der Narkotika bilden sich die Strukturen von neuem. Diese reversible Zerstörung von Strukturen, welche nach Boresch (vel. 1. ce. S. 150) anscheinend unter Viskositätsverminderung vor sich geht, verdient vielleicht auch für die Narkose der Tiere Beachtung. Zusammenfassung. 1. Die erste Vor bedingung für die Wirkung eines Narkotikums ist sein geringer Haftdruck am Wasser. Für die weniger flüchtigen Narkotika ist die Oberflächenaktivität gegen Luft ein annäherndes Maass dieses Haftdrucks. ; 2. Die treibende Kraft der Osmose ist der reziproke Haftdruck am Wasser, die Widerstände sind die Reibungen, welche sich den diosmierenden Stoffen in Gestalt von Gelwänden und zähen kolloidalen Flüssigkeiten entgegenstellen.. Der Quotient 1/Haftdruck Do =.2 SE = Kot-N E Igries- N Bilanz säure-N N I Sg |[°* Ess g RER. EN: DR MRS BEN Na SB na er a en RE 390 m 1333541 — 0,118 10,016 |— [1,283] 0,076 458 0,36 5,976 0,132 0,012 1,376 0,046 421 1,157 5 0,108 | 0,013 | — [1,337] 0,047 601 1,346 5,355| — “I 0,086 0,011 1,298 | 0,073 655 Ak 14,205| — 0,103 0,009 | — [1,029] 0,062 480 1,012 13,409| — 0,086 0,009 | — [1,065] 0,040 457 | 1,629 13,057 ı ___1t_0,050 10,009 [|— 11,057] 0,047 501 | o- 3395| — If 0,048 10,009 | — |1,1591 0,048 = (0,753)4) 0,387 4,090) — 0,105 0.010 | — [1.232] 0,058 5 1,053 Aa 0.089 | 0,012 | — |1,175] 0.064 542 = 3745| — U gosg 0,072 | 0,011 | [1,254] 0,047 538 | 1,389 3,162 en 0.093 0,011 | — [1,117] 0,056 562 — 4480| — o,111 0,009 | — [1,359] 0,031 460 1,436 4.004| — 0,088 | 0,011 | — 11,242] 0,067 526 a 14,186) — _ 0,091 10,011 |— 1,2171 0,149 504 (1,572) 4115| — | [ 908 __|f 0096 [0,010 [--11,047|0,056 —.11,047| 0,056 451 a 13,962) — + 0,578 0,088 0.008 | — 1,1781 0,057 459 (0,280) 0,893 18,913) — | \ oa | 0.010 — [1,126] 0,045 463 = 4115| — | 0,105 0,011 | — [1,042] 0,058 480 (0,337) 0,180 a | | 0,066 0,009 | — 11,0801 0.046 468 — Be 0,091 0,008 | — [1,203 | 0,053 355 (1,716) Sale) ( 0,063 0,009 | — [1,150] 0,161 329 (0,232) 1,184 Saal | 0,076 0,009 | — 11,134 | 0,274 319 0,795 3881| — |° + 0412 0,068 0,013 | — [1,202] 0,352 303 1.704 aa | | » 0.039 | 0,010 | — 1,023] 0,21 300 1.091 ‚4,839 0,010 (0,052) 0,088| 0,008 1,013] 0,489 322 (3,055) 14,931. — N f 0,097 0,010 | — [1,065 [0,611 312 (3,228) 1,418 14,329| — || | 0,098 0,012 | — 11,175| 0,615 313 | „400 A 0,0938 10,012 [— [1,207 | 0,611 311 1,756 1,500 15,008| — | | 0,090 0,008 | — 11,1201 0,639 625 1,140 16,015 0,003 } 0,108 (0,013)]| 0,004 | — [1,220] 0,646 910 (1,641) 5474| — f f 0,100 | 0,014 | — [1,228] 0,660 420 (1,446) 2,572 1,636 A | | 0,110 0,011 | — 11,047] 0,619 375 0,616 1,613 4,4411 — |%— 0,905 0,092 0,009 | — [1,066 | 0,762 416 1,196 1,565 Aa [ ) 0,098 0,012 1 — [1,296 | 0,708 450 2,339 1,238 1,094 14,530) — ) 0,094 0.009 | 1,157| 0.932 461 (1,420) Sl | 0,140 0,007 |—|1, 224| 0,857 492 (1,087) 0,648 15,601| — I] 0,089 0,012 0,9771 0,835 500 2,496 17,332| — |—0327P 0,09 0,011 | — [1,266 | 0,922 501 | 1,016 1,222 ae | | 0.095 10,010 | [1,3531 0.913 545 | ‚744 7,630 | U 0,089 |oo1o|— 1,298] 0,909 483 (1,501) ee f Deo Ne ON 480 (1,169) 1,117 1,437 | —_ — 1 [1,1961 0,982 752 | ke} 8,766| — | 0,318 = ee sellL098 1142 0.824 Ba I? = a 540 1,658 1,364 zasıı I! _ _ = — 0,825 490 | (0,307) Age en er 221,001 546 | (0,548) 2,949 2,232 2,148 17,148) — || | ar al oT 535 2,634 0,724 3897| 18.7.0012 a, 4835 3,668 2791 za | ee 490 | 1,389 2,302 1,966 5,609| — | a“ = 10 geklammerten Werte gehören entsprechend der Kotabgrenzung stets zur vorhergehenden Periode. 5) Die eingeklammerten Harnsäurestickstoffwerte stammen vom ansgeschielenen Harusäuregries. 516 E. Abderhalden, G. Ewald, A. Fodor und (. Röse: Tabelle II. Mittelzahlen. Einnahmen o| & s|8| ® H N-Ge-| Nah |% i | -Ge-| Nah- = a &0 Art der Haupt- Haupt- Fett halt |rungs- 3 ll nahrung nah- | (Pal- Zucker, ger | N | Wasser u 0) 5 rung | mona)| (extr.) Nah- | minus Pi = | rung |Kot-N ks g 8 g g 8 com | | 1. | 3 | 62,5 | Maltakartoffel . | 1189 | 200 — 3,916 | 3,124 | 813 2.| 8 | 61,6 “ 5 . [| 1332 | 200 - 4,374 | 3,610 | 688 3. | 3 | 61,3 | Naumburger | Frühkartoffel. | 1620 | 200 — 4,985 4,575 | 500 4. | 3 | 61,5 | Maltakartoffel . | 1372 | 200 _ 4,523 3,193 | 500 5. | 5 | 61,1 | Schwed. Brot. . 308 | 200 75 3,903 3,692 | 1350 6. | 5 | 61,0 “ En ED 355 | 200 75 6,783 4,797 | 1750 7.1 5 | 61,3 | Hallesches | Kommisbrot . 760 | 200 — 7,054 83,790 | 2100 8& | 5 | 61,6 | Weisses Weizen- brot... 635 | 200 _ 8,170 6,411 | 1450 9. | 5 | 62,1 | Weisses Weizen- brot see 710 | 200 — 9,122 | 7,572 | 1700 10. | 5 | 61,5 | Schwed. Brot. . 625 | 200 30 [10,768 | 6,208 | 1800 sulfid nach dem Ansäuern ammoniakalisch gemacht. Hierauf wurde die Ausfällung der Purinstoffe nach der Silbermagnesiamethode wieder- holt und der so erhaltene Niederschlag nach Kjeldahl verascht. 250 ccm der Lösung lieferten auf diese Weise einen Niederschlag, der bei der Kjeldahl-Bestimmung 3,71 ccm !/ıo n. - Schwefelsäure verbrauchte. Für 1000 g Kartoffel berechnet, ergibt sich somit ein Gehalt von 0,0057 g Purinstickstoff. Die Feststellung des Kreatin- und Kreatiningehaltes des Harnes erfordert besondere Bemerkungen: Wir haben uns der Methode von Folin bedient!. Das Prinzip dieser Methode besteht darin, dass man 10 ccm Harn mit 15 cem gesättigter Pikrinsäurelösung und 5 ccm einer 10 jo igen Kalilauge in einem Messkolben von 500 ccm vereinigt, die Lösung 5 Minuten stehen lässt, damit sich das Maximum der Farbintensität einstelle, und sodann nach erfolgter Verdünnung mit Wasser bis s 3 E N i 1 N zur Marke das Gemisch im Kolorimeter mit einer 5, norm. Kalium- bichromatlösung vergleicht. Dabei ist darauf zu achten, dass sich die Ablesungswerte zwischen 5 und 13 mm bewegen, dass somit der letztere Wert durch zu geringe Kreatininkonzentration nicht überschritten, der 1) Vgl. ihre Beschreibung durch P. Rona in E. Abderhalden, Handb. d. biochem. Arbeitsmethoden Bd. 3. S. 787. 1910. Versuche über den Bedarf an Eiweiss unter verschiedenen Bedingungen. 517 Tabelle Il. Mittelzahlen. Ausgabe ns ine | un Ixeeae- | "A r, arn- urın- | Kreati- m- stünd. Kot- | Harn- N- DE Krea- | Krea- | nin-N | a u N Bien | din | nn Den Lenee | samt-N | e ccm 8 8 g NE e3 EL eo Re; 499 | 0,792 4,563 | —1,439 | 0,099 | 0,012 522 | 0,765 | 3,879 | —0,269 | 0,082 | 0,011 471 | 0,410 | 3,997 | +0,578 | 0,099 | 0,009 470 | 0,709 | 3,764 | -+0,029 | 0,087 | 0,009 321 | 1,612 | 3,879 | —0,187 |: 0,077 | 0,010 377 | 1,990 | 5,053 | —0,256 | 0,100 | 0,009 514 | 3,264 | 4,695 | —0,905 | 0,099 | 0,011 468 | 1,559 | 6,738 | 0,327 | 0,101 | 0,010 679 | 1,550 | 7,890 | —0,318 — — 509 | 4,561 | 6,195 | +0,012 — — 1,244 | 10,14 | 0,061 ı 1,219 | 11,69 | 0,065 | 1,117 | 10,39 | 0,053 ı 1,108 | 10,95 | 0,052 | 1,104 | 10,58 | 0,340 1157 | 852 | 0,63 1,159 | 9,17 | 0,736 1,224 6,76 | 0,887 | [e>) oO oO SOSOoOO SS) os 5,94 | 0,945 erstere aber mindestens erreicht werde. Im zweiten Falle ist der Harn zu verdünnen, im ersten dagegen muss man von einer grösseren, etwa doppelt so grossen Harnmenge, ausgehen. Bei unseren Kreatininbestimmungen haben wir durchwegs Mengen von 5 ccm Harn angewendet. Sie wurden auf 10 ccm verdünnt und weiter, wie oben angegeben, behandelt. Die gleiche Harnmenge wurde auch jeweilen für die Überführung in Kreatin benützt. Sie erfolgte nach der weiter unten beschriebenen Methode. Diese bringt mit sich, dass sich in der eingedampften Hydrolysenflüssig- keit eine erhebliche Menge von Natriumsulfat anhäuft. Die durch das anorganische Salz verursachten Unbequemlichkeiten liessen sich nur dadurch vermeiden, dass die kolorimetrische Ablesung, das heisst die Ermittlung des Wertes „Kreatinin + aus Kreatin ent- standenes Kreatinin“, anstatt bei der Verdünnung von 10 ccm, bei einer solchen von 20 ccm vorgenommen wurde. Das Plus von 10 ccm Wasser ermöglichte die völlige Auflösung des Sulfats. Da die Annahme, dass eine kolorimetrische Messung des Kreatinins bei einer Verdünnung von 10 ccm und eine solche der Kreatininsumme bei der doppelten Verdünnung zu vergleichbaren Resultaten führen müsse, a priori nicht erwiesen war, so wurden zunächst Vorversuche angestellt. Sie sollten die Frage beantworten, ob bei diesen beiden verschiedenen Ver- dünnungen das gleiche Maximum erreichbar ist, und wenn dies der Fall ist, in welchen Zeiten es im einen und im anderen Falle erlangt wird. Eine dieser Versuchsserien, von denen mehrere, und zwar mit dem gleichen Ergebnis, gewonnen worden sind, sei hier angegeben: 518 E. Abderhalden, G. Ewald, A. Fodor und C. Röse: 10 ccm Harn + 15 cem Pikrins. +5 ccm NaOH nach 5 Min. 11 mın Dubosque 10 2” ” Ar 15 ” ” +5 ” n ” 10 ” 8,8 ” ” 10 ” ze 15 ” e) or In ” ” 15 ” 8,8 ” ” 10 ” ” Ar 15 ” » Ar BD ” ” ” 30 ” 8,8 ” ” 10.cc mE O-E10 FR el: a N aller Mele, > 10 ” H;0 Air 10 ” ” +15 ” ” +9 ” ” ” 15 ” 8,8 ” ” 10 ” ” Ih 10 ” » of 15 ” ” ar 5) ” ” ” 3 ” 8,8 ” » Es ergibt sich somit, dass bei einer Verdünnung von 20 cem das gleiche Maximum erreicht wird, wie bei einer solchen von blos 10 cem, dass aber dieses Maximum in der verdünnteren Lösung nach einer etwas längeren Zeit erreicht wird, entsprechend der ge- ringeren Reaktionsgeschwindigkeit. Es wurde daher in der Folge bei der Verdünnung 10 cem stets 10 Minuten gewartet, bevor auf 500 ccm verdünnt und abgelesen wurde. Bei der Verdünnung 20 ccm hingegen wurde diese Wartezeit auf 20 Minuten erhöht. Zur Umwandlung des Kreatins, das bekanntlich die Jaffe’sche Farbenreaktion mit Bichromat und Alkali nicht gibt, in Kreatinin wurde der Harn mit verdünnter Schwefelsäure gekocht. Die Anwendung von verdünnter Chlorwasserstoffsäure führte bei Harn durchwegs zu unbrauchbaren Resultaten: es wurden viel niedrigere Werte als vor dem Kochen erhalten, als Zeichen dafür, dass Kreatinin zersetzt worden war. Gute Resultate dagegen ergab Schwefelsäure von der Konzen- tration 4—5°/o. Es wurde folgende Methode angewendet: 5 cem Harn wurden in einem Messkolben von 100 ecm Inhalt abgemessen. Es wurde bis zur Marke mit einer Schwefelsäure von etwa 4,5 %/o aufgefüllt und die Flüssigkeit dann während genau 2!/2 Stunden in ein siedendes Wasserbad gebracht. (Der Messkolben war aus Jenenser Glas.) Nach Ablauf dieser Zeit wurde der Kolbeninhalt in eine Ber- liner Porzellanschale hinübergespült und nach der genauen Neutrali- sation mit Natronlauge auf ein geringes Volumen eingedampft. Die Lösung, aus der sich viel Natriumsulfat abschied, wurde hierauf mit Hilfe der Pikrinsäurelösung in ein Messkölbchen von 35 ccm Inhalt hinübergespült und bis zur Marke mit Wasser verdünnt. In das gleiche Kölbehen wurden nunmehr 5 cem der 10°/oigen Lauge gebracht und das Gemisch 20 Minuten stehengelassen. Hierauf wurde die bichromatrot gefärbte Lösung in einen Messkolben zu 500 ccm hinübergespült, bis zur Marke verdünnt und abgelesen !). Diese Methode, die eine Umsetzung des Kreatins in einem Betrage von 92—96 °/o gestattet, ergab von allen übrigen angewendeten Me- thoden die brauchbarsten Resultate. Die wesentlichsten Ergebnisse der Versuche sind die folgenden: Während der Verabreichung von Kartoffeln genügte eine Zufuhr von 45 g Stickstoff, um Stickstoffgleich- gewicht zu erreichen. Bei Zufuhr von 4,37 & Stickstoff war die Bilanz schwach negativ und bei einer solchen von 4,98 & positiv. 1) Vgl. Gottlieb und Stangassinger, Zeitschr. f. physiol. Chemie Bd. 52. S.1. 1907. Versuche über den Bedarf an Eiweiss unter verschiedenen Bedingungen. 519 Beim Übergang zu schwedischem Brot erwiesen sich zunächst 5,9 g Stickstoff in der Nahrung auch als ausreichend zur annähernden Aufrechterhaltung des Stickstoffgleichgewichtes. Es stellte sich die Stickstoffbilanz in der Folge scheinbar ungünstiger als während der „Kartoffelperiode“, denn es musste mehr Stickstoff in der Nahrung zugeführt werden als in dieser. Vergleicht man jedoch die Stickstoff- werte, die sich ergeben, wenn man den Kotstiekstoff vom Nahrungs- stickstoff abzieht, dann erkennt man ohne weiteres, dass die Ver- wertung des „resorbierten“ Brotstickstoffs ebenso günstig war, wie die des Kartoffelstiekstoffs. Legt man den Nahrungsstick- stoff nach Abzug des Kotstickstoffes der Bestimmung der zur Aufrechterhaltung des Stiekstoffminimums unter den gewählten Bedingungen notwendigen Stick- stoffmenge zugrunde, dann erkennt man, dass rund 4 g Stickstoff ausreichend waren. Vom praktischen Stand- punkt aus betrachtet, muss selbstverständlich jene Stickstoffmenge in Betracht gezogen werden, die zur Aufnahme gelangen muss, um den Zellen der Gewebe die für ihre Funktionen ausreichende Menge stickstoffhaltiger Verbindungen in geeigneter Form zur Verfügung zu stellen. In Form des Hallenser Kommissbrotes und des weissen Weizen- brotes mussten grössere Stickstoffmengen zugeführt werden, um die Stickstoffbilanz annähernd gleich Null zu halten. Sie war durchwegs seringfügig negativ. Leider war es nicht mehr möglich, eine aus- reichend lange Periode mit schwedischem Brot, und vor allem mit Kartoffeln, anzufügen und damit den Beweis zu erbringen, dass bei Verabreichung dieser Nahrungsmittel wiederum eine auffallend ° seringe Stickstoffzufuhr sich als ausreichend erwies. Aus den erhaltenen Ergebnissen darf der Schluss gezogen werden, dass zur Aufrechterhaltung des Stickstoffgleich- sewichtes überraschend kleine Stickstoffmengen not- wendig sind, wenn Kartoffeln verabreicht werden. Das gleiche scheint für das schwedische Brot zu gelten. Inter- essant ist der beträchtliche Stickstoffgehait des Kotes beim Übergang zur Brotnahrung. Allerdings sind die zuletzt erhaltenen Werte von nur beschränktem Werte, weil dem Kot, wie schon bemerkt, Blut beigemengt war. Wir möchten ausdrücklich folgendes hervorheben. Wir betrachten es von allergrösstem Werte, festzustellen, mit welcher Menge Stick- 320 E. Abderhalden, G. Ewald, A. Fodor und C. Röse: stoff der menschliche Organismus gerade noch auskommen kann. So gut wir herauszubekommen suchen, welcher maximaler körperlicher Leistungen der Mensch fähig ist, interessiert uns auch die Anpassung an eine bestimmte Nahrung. Die von Herrn Röse an sich vor- oenommenen Versuche sind schon deshalb von so grosser Bedeutung, weil sie klar erkennen lassen, welch grossen Einfluss äussere und innere Faktoren auf den Verlauf des Stoffwechsels haben. Vor allem erkennt man die gute Ausnutzung der Nahrung infolge der sorg- fältigen Kauarbeit. Arbeitet man nicht mit dem eben noch aus- reichenden Stickstoffminimum, dann werden sich solche Einflüsse im Stoffwechselversuch nicht so klar und eindeutig zeigen. Interessant war, dass ein an und für sich geringfügiger Katarrh der oberen Luft- wege sich sehr stark in der Stickstoffbilanz äusserte. In den ersten Tagen des Versuches war Herr Röse leicht an Schnupfen erkrankt. Er warf ihn sofort aus dem Stickstoffgleiehgewicht! Diese Beobach- tung genügt schon für sich allein, um zu zeigen, dass es nicht erstrebenswert ist, eine möglichst niedrige Stick- stoffzufuhr für das praktische Leben zu empfehlen. Wir müssen in der Nahrung unbedingt einen Überschuss an Nahrungs- stoffen zuführen, damit der Organismus jeder an ihn herantretenden Aufgabe gerecht werden kann. Würden wir die Stoffzufuhr auf ein möglichst niedriges Maass herunterdrücken, dann müsste sich das rächen, sobald besondere Anforderungen an bestimmte Organe gestellt werden. Ist erst einmal eine negative Stoffwechselbilanz ein- getreten, dann wäre der Verlust nicht wieder einholbar, wenn die Zufuhr an der äussersten Grenze des eben Notwendigen bleibt. Es müsste nunmehr die einmal eingetretene Störung der Stoffwechsel- bilanz sich dauernd fortpflanzen. Ist jedoch die Zufuhr an den einzelnen Nahrungsstoffen eine reichlichere, dann können solche ge- fährliche dauernde Defizite gar nicht auftreten. Man kann genau ebenso den Versuch machen, mit möglichst wenig Geld auszukommen. Würde man sich ganz und gar auf diese Summe einstellen, dann müsste eine einmalige Mehrausgabe ohne weiteres die Bilanz dauernd stören, wenn nicht rechtzeitig Ersatz geschafft wird! Es ist ein sehr grosses Verdienst von Chittenden, Hinhede, Röse u. A., gezeigt zu haben, dass eine auffallend geringe Stickstoff- zufuhr unter geeigneten Bedingungen vollkommen ausreichend ist, um Stickstoffgleichgewicht zu erreichen. Es ergeben sich aus den Befunden dieser Forscher sehr wichtige Folgerungen für die all- Versuche über den Bedarf an Eiweiss unter verschiedenen Bedingungen. 52] gemeinen Ernährungsfragen. Der Eiweissbedarf kann ein- geschränkt werden. Wie weit er reduziert werden darf, muss noch an einem grösseren Materiale studiert werden. Niemals darf man ausser acht lassen, dass die Zusammensetzung der Nahrung an nicht stiekstoffhaltigen Nahrungsstoffen für den Stiekstoff- bedarf von grösster Bedeutung ist. Eine sehr grosse Rolle spielt auch die Ausnutzung der Nahrung. Sie kann durch die Zubereitung, das Kauen usw., ganz erheblich gefördert werden. Die vorliegenden Versuche ergeben noch manche interessante Gesichtspunkte. Auffallend konstant sind die Werte für den Harnsäure- und Purinstickstoff. Kreatin wurde keines ausgeschieden, dagegen Kreatinin. Seine Menge war recht konstant. Auffallenderweise stieg beim Übergang zur Brotnahrung der Ammoniak- stiekstoff sofort sehr stark an. Sollte damit der Mehrbedarf an Stickstoff bei Brotkost begründet sein? Wozu produziert der Organismus bei Brotnahrung soviel Ammoniak? Sollte dieses zur Neutralisation von Säuren Verwendung finden? Leider waren wir nicht mehr in der Lage, diese Probleme durch geeignete Versuche zur Ent- scheidung zu bringen. An dieser Stelle müssten weitere Versuche einsetzen. Wir sind überzeugt, dass eine gründliche Weiterführung solcher Versuche mit einer Ausdehnung auf den Mineralstoffwechsel, den Gasstoffwechsel und den Energiewechsel vor allem auch für die diätetische Behandlung mancher Krankheiten erosse praktische Be- deutung erlangen wird. Schon die vorliegenden Befunde ergeben manchen wichtigen Fingerzeig. or ID DD G. Diesselhorst: Über die Zusammensetzung des Fleisches bei verschiedener Ernährung. Von Dr. &. Diesselhorst. Zu meiner in Bd. 140 S. 256 dieser Zeitschrift erschienenen Arbeit habe ich nachträglich folgendes hinzuzufügen bzw. zu berichtigen, da ich erst jetzt in die Lage gekommen bin, dieses tun zu können. Ich wiederhole hier die dort angegebene Tabelle IV über die Zusammensetzung der aschen-, fett- und gelykogenfreien Trocken- substanz (Fleischrest). Hund I Hund II ; : nach Vor- nach a Reis, au In fütterung abundanter a ans resp. Hunger ' Ernährung 0/o %o 0/0 0% Kohlenstofe 2... 51,87 52,43 Wasserstoff. . ... . 7,30 7,42 Stickstoi rk are 16,28 16,46 Sauerstoff + Schwefel 24,55 23,69 (aus der Differenz) NO ne 1: 3,188 1: 3,185 Wenn er anders auf Richtiekeit Anspruch habende Schlüsse aus analytischen Resultaten ziehen will, so ist es die erste Pflicht des objektiven Forschers, die Fehlergrenzen, innerhalb deren sich die gefundenen Zahlen erfahrungsgemäss bewegen können, zu berück- sichtigen und keinesfalls neue Tatsachen auf Grund von Differenzen, die sich viel einfacher aus der Mangelhaftiekeit der angewandten Methoden erklären lassen, behaupten zu wollen. So muss ich denn als Chemiker erklären, dass ich, zumal da das Verhältnis N:C sich nicht verändert hat, die Differenzen im Kohlenstoff- und Stiekstoffgehalt nicht für so erheblich halte, dass man deshalb den bisher geltenden Satz von der konstanten Zu- sammensetzung des Fleisches der Tiere bei ver- Über die Zusammensetzung des Fleisches bei verschiedener Ernährung. 523 schiedenartiger Ernährung umstossen könnte, und zwar aus foleenden Gründen: Es kommen nämlich eine ganze Reihe von Fehlerquellen in Betracht, die, wenn sie sich addieren, nicht unbeträchtlich sein können, und zwar erstens die unvermeidlichen Fehler der Elementar- analyse selbst nebst ihrer Vergrösserung durch die Sandbeimischung zur Analysensubstauz, zweitens die Fehler der Glykogenbestimmung und folglich auch der daraus rechnerisch angebrachten Korrektionen. Dazu kommt noch die möglicherweise doch noch nicht vollständige Fettextraktion aus dem Fleische. Ferner ist noch zu bedenken, dass dem untersuchten Fleische in beiden Fällen ungleiche Mengen von Bindegewebe und Sehnensubstanz beigemenet sein können. Aus eben diesen Gründen und auch noch anderen muss ieh auch die auf S. 267 und 268 meiner Arbeit angestellten Berechnungen für unzulässie und wertlos halten. Müller!) hielt, auf derartige Berechnungen gestützt, das Vor- handensein einer „besonderen Mastsubstanz“, welchen Ausdruck Pflüger?) in einer Polemik gesen Cremer in ironischem Sinne gebrauchte, für bewiesen. In dieser Mastsubstanz sollte das Ver- hältnis von N:C=1:]1 sein, was sieh chemisch nur schwer denken lässt. Wäre aber eine solche nach ihrer Zusammensetzung vom Eiweiss gänzlich verschiedene Substanz im Fleische der Masttiere wirklich vorhanden, so müsste sie sich daraus mit Leichtigkeit isolieren und analysieren lassen. Ehe das nicht geschehen ist, hat es keinen Zweck, blosse unberwiesene Behauptungen aufzustellen °). Endlich habe ich noch zu bemerken, dass die grosse Differenz zwischen Stickstoftbilanz und dem aus dem Schlachtversuche sich ergebenden Fleischansatz, die Friske*) bei Hammeln gefunden hat, nicht auf eine Änderung in der Zusammensetzung des Fleisches beim Mästen zurückgeführt werden kann, sondern, wie mir scheint, ihre ganz ungezwungene Erklärung in der Unzulässigkeit findet, ganz ohne weiteres aus der Stickstoftbilanz den Fleischansatz zu berechnen. Es können nämlich für das Zustandekommen einer Stickstoffretention 1) Pflüger’s Arch. Bd. 116 S. 207. 2) Pflüger’s Arch. Bd. 77 S. 537. 3) Vgl. Caspari in Oppenheimer’s Handb. d. Biochemie Bd. 4 (1) S. 822. 1911. 4) Landw. Versuchsstationen 1909 S. 441. 524 6. Diesselhorst: Über die Zusammensetzung des Fleisches etc. noch ganz andere unbekannte Faktoren in Betracht kommen als der Kiweissansatz. Darum ist aus der Stickstoffbilanz in solchen Fällen kein bestimmter eindeutiger Schluss zu ziehen, geradeso wie eine mathematische Gleichung mit mehreren Unbekannten nicht auflösbar ist, falls nur eine Gleichung vorhanden ist. Hat doch auch neuerdings Pescheck!) nachgewiesen, dass essigsaures Natron eine Stiekstoffretention bewirkt, obwohl hier doch wegen des fehlenden Stickstoffs eine Eiweisssynthese ganz unmöglich ist. Rubner sagt in seinem Werke „Wandlungen in der Volks- ernährung“: „Die Ernährungsfrage ist aber gar keine einfache Bilanz- frage, als welche sie immer wieder von manchen Physiologen be- handelt wird.“ 1) Biochem. Zeitschr. Bd. 52 S. 275. 325 (Aus dem physiologischen Laboratorium der Universität Amsterdam,) Ein neues Verfahren zur Registrierung der menschlichen Herztätigkeit. Von K.F.L. Kaiser. (Mit 15 Textfiguren.) Als meine Messungen des Druckes im unteren Teil des Ab- domens!) auch mit der Herzaktion synchrone Schwankungen dieses Druckes ergaben, habe ich, durch die Wichtigkeit der Sache dazu angespornt, mich bemüht, eine brauchbare Methode zur Registrierung dieser geringfügigen Druckänderungen auszubilden. Bisher waren die Änderungen im intra-abdominalen Drucke, die von der Herzaktion hervorgebracht werden, der Aufmerksamkeit der Beobachter nahezu gänzlich entgangen. Zwar sieht man in den Kurven, die die Atmungsschwankungen des intra-rektalen Druckes wiedergeben, so z. B. in denen in Lueiani’s Lehrbuch, wohl hier und dort schnelle und geringfügige Bewegungen, welche durch die Tätigkeit des Herzens hervorgebracht werden, und Rautenberg?) gibt auch an, dass er dicht oberhalb der Kardia Zwerchfellsbewegungen nachweisen konnte, die durch Erschütterungen der Ventrikel erzeugt waren; diesbezüglich bemerkt er aber nur nebenbei, dass diese Pulsation seiner Meinung nach mit dem Spitzenstoss fast völlig übereinstimme. Der Einfluss, den diese Zwerchfellsbewegungen auf den Bauchinhalt haben müssen, hat weiter nur die Aufmerksamkeit Mackenzie’s errest?), der Be- wegungen der Leber, verursacht durch kardiales Ansaugen, be- 1) Kaiser, Über intra-abdominalen Druck. Arch. f. Gynäkol. Bd. 66 H. 2. 2) Rautenberg, Die Vorhofspulsationen. Volkmann’s Sammlung N. F. 557/558 S: 6. 3) Mackenzie, Diseases of the Heart p. 83. London 1908. Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd. 160. 39 526 K. F. L. Kaiser: schreibt. Seine an der Bauchoberfläche registrierten Kurven machen eine Aufwärtsbewegung der Leber während der Systole ersichtlich. Diese Bewegung unterscheidet sich von der Leberpulsation, die eine periodische Anschwellung der Leber ist, während die von Mackenzie beobachtete Bewegung eine Hebung der ganzen Leber „en masse“ ist. Mit einem eigenartigen, zu diesem Zwecke von mir entworfenen Apparate gelang mir die Registrierung dieser durch die Wirkung des Herzens hervorgebrachten Änderungen des Druckes im Bauch- raume. Ich beschränkte mich auf die Registrierung in dem Rektum oder in der Vagina; der Apparat eignet sich aber auch sehr gut zu der Anwendung in anderen Körperhöhlen. So gelang es Benjamins!), mit meinem Apparate besonders detailreiche ösophageale Kardiogramme zu erhalten. Auch kann das dem Apparate zugrunde liegende Prinzip bei der Registrierung anderer kleiner Druckänderungen Anwendung finden. Dem von mir geübten Registrierungsverfahren haften zu ıneinem Bedauern zwar noch immer technische Unvollkommenheiten an; diese werden aber, wie ich hoffe, nach und nach verbessert werden, So- bald auch von anderer Seite das nämliche Verfahren geübt wird. Meine Methode lässt sich folgendermaassen beschreiben: In das Rektum ' oder in die Vagina wird eine Sonde nach Lueiani oder P. Bert eingeführt und der Druck dann genau be- stimmt, der erforderlich ist, um ein geringes Luftquantum in das dünnwandige Gummibläschen hineinzulassen, welches das Ende der Sonde umgibt. ar N So findet man den Druck, den die Wände des Rektums oder der Vagina gegeneinander oder auf die Kontenta dieser Höhlen ausüben. Dieser Druck ist nicht nur abhängig von der eigenen Spannung dieser Wände, sondern vor allem von dem Drucke, der auf der Höhe des Gummibläschens im Bauchraume sich vorfindet. Jede Veränderung der Körperhaltung bringt in diesem Drucke, dessen Grösse mit der Körpergrösse der untersuchten Person und mit der Strammheit seiner Bauchdecken zusammenhängt, eine Ände- rung hervor. 1) Benjamins, Pflüger’s Arch. Bd. 158 H.4 und 5 S. 125. 1914. Ein neues Verfahren zur Registrierung der menschlichen Herztätigkeit. 5927 Zu diesen Bestimmungen bediene ich mich einer besonderen Sonde und eines eigenartigen Manometers, die ich in der Zeitschrift für biol. Technik und Methodik (Bd. 2 H. 7) beschrieben habe. Diese Apparate ermöglichen es, dergleichen Bestimmungen sehr schnell und genau zu machen. Mittels einfacher Hilfsmittel gelingt es nun, die Schwankungen, die dieser Druck zeigt, zu registrieren, und so erhielt ich auf dem Kymographion Kurven, die dartun, dass dieser Druck sowohl durch die Bewegungen des Körpers, wie auch durch die Peristaltik des Darmes, durch die Atembewegungen und durch die Herzaktion "Änderungen erfährt. Die Bewegungen des Herzens zeigen sich als geringfügige Schlängelungen, die auf die grösseren Hebungen und Senkungen, über welche ich schon früher berichtete, superponiert sind }). Diese kleinsten Wellchen sind nur dann deutlich, wenn das Diaphragma wenig gespannt ist, wie z. B. in der Expirationspause, und dann erkennt man, dass selbst sie noch nicht einfach sind, sondern dass es sich um aus mehreren Krümmungen zusammen- gesetzte Hebungen handelt. Wie tief man die Sonde in das Rektum hineinführte, an welcher Stelle also das Gummibläschen sich befand, hatte keinen Einfluss auf die Form dieser Schlängelungen; sie zeigen bei ein und der- selben Person immer die nämliche für sie charakteristische Form. Ehe ich jetzt zu der Beschreibung des Apparates und der Kurven übergehe, möchte ich einige anatomische Daten hier kurz in Er- innerung bringen: Herzbeutel und Centrum tendineum sind über einer breiten Fläche innig miteinander verwachsen; der linke Leber- lappen liegt an dieser Stelle von unten her dem Diaphragma an. An dieser ziemlich grossen Fläche sind diejenigen Teile des Herzens, welche zusammen dessen untere Fläche bilden, nur durch dünne membranöse Gebilde von dem Inhalte des Bauches getrennt und können demzufolge ihre Bewegungen leicht auf diesen Inhalt übertragen. H Welcher Art diese Bewegungen sind und welche Änderungen im Bauchdrucke durch sie hervorgebracht werden können, kann nur nach Analogie mit dem, was die Reeistrierung der Herztätigkeit von anderen Stellen des Körpers aus uns lehrt, beurteilt werden. 1) Kaiser, Atmungsmechanismus und Blutzirkulation. Stuttgart 1912. 35 * 528 K. F. L. Kaiser: Es sind vorwiegend der linke Ventrikel und der rechte Vorhof, die die untere Fläche des Herzens bilden. In der vertikalen Körperhaltung wird das Herz zwar in erster Linie von dem Zwerchfelle getragen werden, auf dem es ruht; es ist aber auch mittels der grossen Gefässe an den Gebilden des Halses, vor allem an der Trachea, angehängt. Die Aktion des Herzens wird nun in verschiedener Weise einen Einfluss auf den Bauchinhalt äussern. Erstens wird die Zunahme des Volumens des Herzens bei der Füllung und die Verringerung desselben bei der Entleerung eine Vergrösserung resp. eine Verringerung des Druckes auf die eben- beschriebene membranöse Wand hervorbringen, welche den Herz- beutel von der Bauchhöhle trennt. Zweitens wird jede Hebung des Herzens sowie jede Abwärtsbewegung desselben auch eine Ver- ringerung bzw. eine geringe Erhöhung des intra-abdominalen Druckes hervorbringen; ich denke hierbei unter anderem an die den Spitzen- stoss begleitende Aufwärtsbewegung der Ventrikel. Drittens wird durch die Zusammenziehung des Herzens eine, sei es auch gering- fügige Verringerung des Druckes auf das Zwerchfell entstehen müssen, weil doch, wie bekannt, diese Kontraktionen einen Zug an den grossen Gefässen, an denen das Herz hängt, ausüben. Dieser Zug kann sich unter Umständen durch eine mit der Herzaktion syn- ehrone Bewegung der Trachea (Öliver-Cardarelli) dem Auge zeigen. Wenn unsere Kurve im grossen und ganzen mit jeder Herz- revolution sich abwechselnd hebt und senkt (Fig. 1), so ist es ohne weiteres klar, dass hierin die abwechselnde Füllung und Entleerung des Herzens uns ihre Wirkung auf den intra-abdominalen Druck zeigt. Ausserdem aber werden die genannten Bewegungen des Herzens und auch die Pulswelle in der Aorta abdominalis einen Einfluss auf diesen Druck haben, der sich wahrscheinlich ebenfalls in unserer Kurve zeigen wird. Ich kam dazu, als wahrscheinlich anzunehmen, dass z. B. eine Kurve, wie Fig. 2a sie uns zeist, die in Fig. 2b abeebildete Form, welche an die bekannten Plethysmo- gramme erinnert, haben würde, wenn der Einfluss dieses Aorten- pulses (in Fig. 1 durch P angezeigt) nicht die im Schema punktierten Linien (A—D) an Stelle der sonst in der Kurve sichtbaren Täler hervorbrächte. Ein neues Verfahren zur Registrierung der menschlichen Herztätigkeit. 529 Fig. 1. Erklärung zu Fig. 1. Plethysmokardiogramm und simultanes Elektrokardiogramm. Mann, 49 Jahre. Rektaldruck 25 cm Wasser. Manometer auf 27 cm. Zeit in 0,1 Sek. Ableitung von beiden Händen. 1 MV. ist 10 mm. Fig. 2a. Fig. 2b. ‘ Erklärung zu Fig. 2a und b. Plethysmokardiogramm und simul- tanes _Radialis- Sphygmogramm. In Fig. 2b ist die nämliche Kurve halb schematisch gezeichnet in einer Form, wie sie nach Eliminierung des Einflusses der Pulswelle in der Aorta abdominalis zur Beobach- tung gelangen würde. 530 K. F. L. Kaiser: Ganz abgesehen hiervon ist bei der Beurteilung der Kurven noch im Auge zu behalten, dass durch ein im ganzen Bauchraume herrschendes Bestreben und zum Teil auch durch die besondere Einrichtung des Apparates jede Druckänderung nach einer kurzen Zeit wieder verschwindet. Auch schon deshalb wird eine Kurve nie ganz genau einem Plethysmogramme gleich sein können. Nur dann, wenn eine Änderung des Druckes im Bauche mit einer gewissen Raschheit auftritt, die selbst grösser sein muss als die Schnelligkeit, mit welcher die ebengenannte Ausgleichung statt- findet, wird man diese Druckänderung in der Kurve verzeichnet finden. Jede Bewegung der Kurvenlinie, sei sie aufwärts oder abwärts, deutet also auf eine Zunahme oder eine Abnahme des intra-abdo- minalen Druckes hin, die in einer bestimmten Zeit ein gewisses Maass erreichte oder überschritt. Es muss also die Bewegung des Herzens oder die Änderung des Herzvolumens mit einer gewissen Energie stattfinden, sonst wird die Bewegung nicht in der Kurve sichtbar sein, und die Kurvenlinie wird sich durch die stetige Aus- gleichung des Druckes verflachen. Wie nach meiner Annahme jede der kleinen wellenförmigen Hebungen und Senkungen unserer Kurve mit einer bestimmten Phase der Herzaktion in ursächlichem Zusammenhang steht, werde ich weiter unten ausführlich auseinandersetzen; hier sei nur be- merkt, dass die geringfügigen Schwankungen im intra-abdominalen Drucke sich an jeder Stelle des Bauches werden nachweisen lassen, vorausgesetzt, dass man dort einen Apparat hinstellen könnte, welcher für dergleichen geringe Druckunterschiede empfindlich genug wäre. Die auf einem Kymographion geschriebenen Kurven zeigten sich als durch die Dieke des Russes und die Schwere des Hebelarmes zu sehr entstellt; jedoch ein von mir zusammengestellter Apparat zeigt diese minimalen Druckänderungen ganz genau an und ermöglicht die Registrierung der geringfügigen Bewegungen. Alle Details der betreffenden Bewegungen lassen sich genau in einer Kurve aufzeichnen, wenn man (Fig. 3) einen sehr leichten Hebel (#’) mit der dünnen Membran eines kleinen Tambours (7) in Verbindung bringt und das Bild dieses Hebels mittels eines Linsen- systemes auf eine photographische Platte wirft, welche Platte hinter einer schmalen Spalte sich vorbeibewegt. Die Granne einer Korn- ähre dient mir als Hebel, und die Vergrösserung, die das Linsen- Ein neues Verfahren zur Registrierung der menschlichen Herztätigkeit. 531 ‚system hervorruft, kompensiert genügend die durch die Kürze des Hebels entstandene geringe Ausgiebigkeit der Bewegungen. Registrier- apparat Drebdbel- apparak Fig. 3. Die Luft innerhalb des Tambours ist mittels eines 1'/e m langen Gummischlauches in offener Verbindung mit der Luft in einem über dem Sondenknopf (X) zugebundenen dünnen Fingerkondom und muss, nachdem die Sonde in das Rektum hineingebracht ist, genau unter den Druck gebracht werden, welcher bei der jedem Versuche voran- gehenden Bestimmung gefunden war; im Rektum meistens ungefähr 25 cm Wasser. | Wenn die Gummimembran des Tambours diesem Druck Wider- stand leisten sollte, würde die Registrierung schwerlich gelingen. 592 K. E. L. Kaiser: Um aber den Unterschied in dem Drucke an beiden Seiten der ganz dünnen Tambourmembran nicht zu gross werden zu lassen, wodurch diese vielleicht reissen könnte, jedenfalls aber ihre Bewegung sehr von der elastischen Spannung beeinflusst sein würde, habe ich — und hierin liegt der Vorzug meines Apparates — den winzigen Tambour gänzlich eingeschlossen in ein luftdicht verschlossenes Kästchen (AR), in dessen Innern ebenso wie im Tambour die Luft durch das Mano- meter (M) unter den Druck gebracht wird, welcher als in der Rektal- höhle herrschend gefunden wurde. Hierzu wird vorsichtig Luft in die mit einem Hahne versehene Öffnung (0) hineingeblasen. Um kräftige Bewegungen der Nadel zu erhalten, erwies es sich mir als vorteilhaft, diesen Druck um ein Geringes (1 cm Wasser) höher zu wählen als den, welcher bei der Bestimmung gefunden wurde. Wenn nun für einen Augenblick die Röhre (P), die die Ver- bindung zwischen der Luft im Kästehen und der Luft innerhalb des Tambours unterhält, verschlossen wird, kommuniziert die Höhlung des Tambours nur mit der eingeführten Sonde, und die Luft im Kästchen bleibt mit dem Manometer, das zur Einstellung diente, in offener Verbindung. Jetzt werden selbst die allergeringsten Änderungen des Druckes in dem an der Sonde befestigten Gummibläschen durch ausgiebige Bewegungen des Bildes des Hebels verraten. Eine photographische Registrierung dieser Bewegungen ist durch die aus Glas angefertigten Wände des Kästchens leicht möglich. Es zeigt sich aber jetzt noch, dass die durch die Atmungsbewegungen hervorgebrachten Druck- änderungen das Bild der Nadel dermaassen hin und her bewegen, dass dieses Bild sich bald im Gesichtsfelde zeigt, bald wieder daraus verschwindet. Zur Beseitigung auch dieses Hindernisses bediene ich mich eines schon im 16. Jahrhundert von Drebbel bei der Beschreibung eines Barometers angegebenen Kunstgriffes. Eine Kapillarröhre wird derart zwischen geschaltet, dass, wenn der Schlauch, der die Kommunikation der Luft innerhalb und ausserhalb des Tambours unterhält, bei P zugekniffen wird, diese Verbindung nicht ganz aufgehoben ist, sondern immer noch durch diese Kapillarröhre hindurch — sei es auch mit. einem gewissen Widerstand — eine Ausgleichung des Druckes statt- finden kann. Ein neues Verfahren zur Registrierung der menschlichen Herztätigkeit. 533 Fig. 4b. Erklärung zu Fig. 4aundb. Plethysmokardiogramme und simul- tane Elektrokardiogramme von der nämlichen Person und unter gleichen Bedingungen aufgenommen wie Fig. 1, nur wurde die Platte rascher fortbewegt. Jede Kurve zeigt zwei Herzrevolutionen. Zeit in 0,1 Sek. (1 mm entspricht 0,008 Sek.) Die Dauer der Herzphasen wurde bestimmt für Fig. 4a in der ersten Revolution A,— V, 0,144, in der zweiten Revolution 0,144 S)) » „ » ” V,—s0 0,096, u) $)) » 0,088 ” „ ” BD) 50 AR 0,056, »» D) ” 0,064 $)) „ ” N) a) 0,172, ».» ” $}) 0,156 ” b>} ” „ D—A, 0,144. In Fig. 4b wurde gefunden in der ersten Revolution A,—V, 0,168, in der zweiten Revolution 0,168 » ” „ ” V,—80 0,096, »» 9 ” 0,096 ” $)) $)) ” SO—AP 0,056, Dh D) ” 0,056 ” )) » » Zr N) 0,172, I) » ” 0,172 ” ” ” „ DA, 0,148. Die Länge und die Weite dieser Röhre konnte ich oft so wählen, dass nur die rascheren Druckwechsel sich abzeichneten, während die bei den langsameren Atmungsbewegungen hervorgerufenen Druck- 1) Für die Bedeutung der Abkürzungen As, SO usw. wird auf S. 535 ver- wiesen. | 53 "K. F. L. Kaiser: unterschiede Zeit fanden, sich durch die enge Röhre hindurch aus- zugleichen, und zwar derart, dass die Tambourmembran durch sie oft nicht merkbar, jedenfalls aber wenig bewegt wurde. Spuren des Einflusses der Atmung sieht man jedoch noch in vielen der reproduzierten Kurven. Im Stehen oder im Sitzen erhielt ich mit meinem Apparate fast bei jeder Person brauchbare Kurven. Im Liegen wird durch den Druck der Eingeweide eine der Registrierung hinderliche passive Spannung des Zwerchfelles hervorgerufen, und um die Augenblicke der aktiven Spannung des Zwerchfelles zu meiden, achte man, soviel es angeht, darauf, dass die exspiratorische Pause, in welcher das Zwerchfell ganz schlaff zu sein pflegt, für die Registrierung be- nutzt wird; nur dann werden die Bewegungen des Herzens deutlich in. der Kurve ersichtlich sein. Die Form der Kurve ist nämlich eine andere, je nachdem das Diaphragma gespannt ist oder nicht; es ist selbst mit grosser Gewissheit aus der Kurve abzuleiten, in welchen Augenblicken das Zwerchfell sich spannt oder wieder erschlafit. Weiter unten wird dieses an einer Kurve gezeigt werden. Wenn wir an einer Kurve, z. B. an Fig. 4, nachgehen wollen, wie unser Apparat die verschiedenen Änderungen des intra-abdomi- nalen Druckes aufzeichnet, die durch eine vollständige Herzrevolution, von A, bis A,, hervorgebracht werden, haben wir daran zu denken, dass jede Hebung in der Kurve einer Zunahme des intra-abdominalen Druckes, jede Senkung einer Verringerung desselben entspricht. Das sich unterhalb der Kurven in Fig. 4 befindende simultane Elektro- kardiogramm der gesunden 49jährigen Versuchsperson kann zur Orientierung vieles beitragen. Jede Herzrevolution bringt eine be- stimmte Zahl von Hebungen und Senkungen hervor, welche sich (siehe auch Fig. 1 und 2) bei einer folgenden Zusammenziehung des Herzens genau so wiederholen. Wie auch die beiden nach- einander aufgenommenen Kurven in Fig. 4 zeigen, kann die Herz- arbeit sich wiederholt auf genau derselben Weise in der Kurve ab- zeichnen. Wir finden selbst bei einer oft erst nach Monaten wieder- holten Beobachtung bei ein und derselben Person das für sie cha- rakteristische Bild in der Kurve so deutlich wieder, dass man die verschiedenen Personen, ohne zu irren, an den Kurven wieder- erkennen kann. Für eine nähere Betrachtung der Kurve wird es von Vorteil sein, wenn ich bei der Beschreibung auf eine schematisierte Figur, Ein neues Verfahren zur Registrierung der menschlichen Herztätigkeit. 535 Fig. 5, verweise, die zwar die von mir an den verschiedenen Kurven beobachteten Eigentürnlichkeiten etwas deutlicher zeigt, sonst aber genau der Fig. 4 nachgezeichnet ist. Der mittlere Teil der Kurve, der, wie weiter noch ausführlich besprochen werden soll, dem Aortasphygmogramme entspricht, ist durch Schraffierung von den beiden anderen Teilen der Kurve, welche das Plethysmogramm bilden, abgehoben. Atrium Systole Ventrikel -Systole Diastole oo Sek. _ Sphygmogramm at (2.090) 8056) Fig. 5. Die Kurve von Fig. 4, haibschematisch. Auf dem schraffierten Felde zeigt das Sphygmogramm uns eine plötzliche Hebung (AP) der Kurve, welche meistens den am ersten in die Augen springenden Gipfel derselben darstellt. Hierauf folgt eine leicht geschlängelte Linie, das Plateau, und das Sphyamogramm wird meistens von einer kleineren Hebung ($ $), welche der dikroten Welle, also dem Verschlusse der Semilunarklappen, entspricht, ab- geschlossen. In den beiden zu dem Plethysmogramme gehörenden Abschnitten sehen wir folgendes: Im ersten zwei eigenartig geformte Täler, (A—V, und V,—AP), im letzten einen aufwärts gekrümmten Bogen (D), auf den eine gestreckter verlaufende Linie folgt, welche das Ende der Kurve bildet. Das erste Tal (von A,—V,) zeigt uns nach meiner Auffassung die Vorhofskontraktion. Eine Verringerung des gesamten Herz- volumens findet während desselben zwar nicht statt, aber wie gesagt 996 K. F. L. Kaiser: wird die Kontraktion der von der Atrio-Ventrikulargrenze bis zu den Venenmündungen sich erstreckenden Längsfasern des Vorhofes, eine Verringerung des Druckes auf das Centrum tendineum durch die Hebung des an den grossen Gefässen hängenden Herzens hervor- rufen. Das zweite Tal (V,—AP) wird durch die Zusammenziehung der Kammern (vorwiegend der linken) hervorgebracht. Im Anfange zeigt es fast die gleiche Form wie die erste, durch die Vorhofs- kontraktion hervorgerufene Senkung, nur sind die Bewegungen in der Linie, entsprechend der stärkeren Muskulatur der Kammern, deutlicher. Dass die Senkung im Anfange zögernd stattfindet, dass die Bewegung selbst einen Augenblick anzuhalten scheint, deutet, wie ich meine, darauf hin, dass auch die Kontraktion des Ventrikels, wie jede Zusammenziehung eines von einer flüssigen Masse gefüllten Hohlmuskels, zuerst eine Formänderung, nämlich eine Rundung zur Folge haben muss. (Obgleich weniger konstant und nicht so deut- lich, weist das Tal A,—V, oft eine ähnliche Unterbrechung im An- fange auf.) Dass der Anfang der Systole der Kammer eine Verringerung des intra-abdominalen Druckes hervorruft, noch ehe von einer Ab- nahme des Herzvolumens durch Entleerung die Rede sein kann, das heisst, ehe die Öffnung der Semilunarklappen stattfindet, er- kläre ich daraus, dass die bei der Ventrikelkontraktion auftretende Formänderung des Herzens, welche mit der Hebung der Spitze eine Druckvermehrung gegen den Brustkorb hervorbringt, zugleich damit auch den auf dem Diaphragma lastenden Druck verringern muss. Diese durch die Aufwärtsbewegung der Spitze entstandene Ab- nahme des intra-abdominalen Druckes (V,—S 0) währt nicht lange, denn, sobald die Semilunarklappen sich öffnen, erfahren die Ventrikel- wandungen durch das Hinausspritzen der Blutsäule einen Rückstoss. Dieser Stoss bewirkt durch das Zwerchfell hindurch eine geringe Vermehrung des Druckes im Abdomen, und in unserer Kurve wird dem regelmässigen Absinken der Linie in diesem Augenblicke der Öffnung der Semilunarklappen (‚S'O) durch ein Ansteigen ein Ende gemacht. Die Wirkung dieses Stosses, „le r&cul ballistique“, hält nicht lange an; bald biegt die Linie wieder nach unten und schickt sich an, wahrscheinlich den absinkenden Verlauf wieder fort- zusetzen. | 5 Ein neues Verfahren zur Registrierung der menschlichen Herztätigkeit. 537 Sobald aber die Pulswelle jetzt, der Aorta thoraciea entlang fortgepflanzt, durch den Hiatus diaphragmatis die Aorta abdominalis erreicht, wird unser Plethysmogramm von dem Aortasphygmogramme (A P—.D) überdeckt. Letzteres verhindert uns also zu sehen, wie sich die Kurvenlinie unter dem Einflusse der zunehmenden Ent- leerung. des Herzens in einer allmählich tiefertretenden Linie fort- setzen würde. KA D a 3 V; so AP = E DNS D Vs AP { so Fig. 6a. Nr. 15. a Kurve 224. Revolutionsdauer 0,63 Sek. b Kurve 152. Revolutionsdauer 0,74 Sek. [% Vs AP ci 50 —— E | As D ( b 7 AP 50 Fig. 6b. Nr. 53. a Kurve 215. Revolutionsdauer 0,672 Sek. b Kurve 232. Revolutionsdauer 0,8085 Sek. Erklärung zu Fig. 6a und b. Vier paarweise auf einen gleichen Maassstab gebrachte Kurven. Gleiche Abstände entsprechen in jedem Kurvenpaar gleichen zeitlichen Unterschieden. Die Kurven sind aus mehreren gewählt worden in der Absicht, dass nur die Pulsdauer einen Unterschied zeigen sollte, während alle anderen Bedingungen so viel als möglich gleich waren. Die zwei ersten Kurven, bei welchen die Revolutionsdauer 0,63 resp. 0,74 Sek. beträgt, entstammen der Versuchsperson Nr. 15; die beiden folgenden, mit einer Pulsdauer von 0,672 resp. 0,808 Sek., sind aus den Kurven vom Manne Nr. 53 gewählt. Wäre dieses nicht der Fall, so würde, wie bereits bemerkt, unsere Kurve in Fig. 2a wahrscheinlich ungefähr die in Fig. 2b wiedergegebene Form erhalten. Es ist schon ausführlich besprochen worden, dass die Volumen- änderung des Herzens und die Bewegungen desselben sich in unseren Kurven auf eine eigentümliche Art abzeichnen werden, da jede 538 K. F. L. Kaiser: Druekänderung sehr bald- verschwindet. Sie scheinen weniger lang anzuhalten und weniger ausgiebig zu sein, als der Wirklichkeit ent- spricht. Was das an der Stelle der tiefsten Einsenkung: in der Kurve sich zeigende Aorta-Sphygmogramm betrifft, so wird dieses, je nach- dem der Puls kraftvoller ist, auch deutlicher und kräftiger sein. Im dritten Teil der Kurve (D—A,), welcher Teil wieder dem Plethysınogramm angehört, sieht man die diastolische Füllung des Herzens in einem Ansteigen der Kurvenlinie ausgedrückt. Dass diese Füllung meistens im Anfange sehr rasch erfolgt und sich später nur allmählich zu vollziehen scheint, ist aus der Kurve ersichtlich: Man findet fast stets, dass auf die stärkere Krümmung eine mehr gestreckt verlaufende Linie folgt, welche der Diastasis Henderson’s entspricht. Die zweite Periode der Diastole ist es, die sich bei der Zunahme der Pulsfrequenz am meisten abkürzt, welches schon bekannte normale Verhalten aus meinen Kurven über- aus deutlich ersichtlich ist (siehe Fig. 6). Einige Bemerkungen, die ich zum rechten Verständnis meiner Auffassung der Kurven unerlässlich erachte, möchte ich hier ein- schalten. Die Zusammenziehungen der Vorhöfe und der Ventrikel bilden sich, wie wir sahen, meistens als zwei deutlich getrennte Täler in unseren Kurven ab; dieses rührt wohl daher, dass die Erregungswelle sich dem His’schen Bündel entlang verhältnismässig langsam fort- pflanzt. Die Kontraktion der Längsfasern des Vorhofes, sowie die da- durch bewirkte Aufhebung des Herzens, durch die die Verringerung des Druckes entsteht, welche im ersten Absinken der Kurve sich zeigt, mag wohl vorüber sein, ehe die Kammer anfängt sich zu kontrahieren. Ausserdem besteht aber auch die Möglichkeit, dass durch die Systole des Vorhofes eine Rückstauung in die Vena cava inf. statt- findet, durch die die geringe Zunahme des Druckes im Abdomen erklärt werden kann. Auf diese weist die in vielen Kurven sicht- bare Hebung, die beide Täler trennt, hin. Meine Beobachtungen haben mich zu der Annahme geführt, dass beide Ursachen meistens zusammen wirken, die erstgenannte aber bei vorgerücktem Alter mehr in den Vordergrund tritt. Ein neues Verfahren zur Kegistrierung. der menschlichen Herztätigkeit. 539 SRIIEEETETNEN Ä ai AUNEEEERET” RER" EEE TE TR 77 aa TREE TTS ET RUNTER 5" WTA ner RETTET. Kt A Sch ER Lt. MALER N ie. Erklärung zu Fig. 7. Plethysmogramm und simultanes Elektro- kardiogramm. Versuchsperson Nr. 15. Bedingungen wie bei Fig. 4. 1 mm auf der Platte entspricht 0,2 Sek. Die Dauer einer Revolution ist erst 0,6 Sek., später 0,58 Sek. Der Reihe nach findet sich bei der Messung: V,-50 0,070, später 0,070, 0,070 und 0,080 Bere 906 006 006 app) [ > 9180, 0,180 , 0,190 DA, | 0,44, N 10/014, 0,18 a Ar) bon Bei I] zeigt die Hebung der Kurvenlinie an, dass der intra- abdominale Druck am grössten ist. AP überragt SO bei weitem; das Diaphragma ist also gespannt. Bei J hingegen ist der intra-abdominale Druck etwas geringer, das Diaphragma schlaff, und die SO-Welle ist selbst grösser als die AP-Hebung. Wenn das Diaphragma gespannt ist, werden die Bewegungen des Herzens sich weniger leicht auf den Bauchinhalt übertragen; die Krümmungen im ersten und im dritten Teil der Kurve, das heisst im Plethysmogramm, werden dadurch weniger scharf ausgeprägt, selbst ganz verwischt sein können. Der mittlere Teil der Kurve, das Sphygmogramm, wird von der Spannung des Zwerchfelles nicht beeinflusst und behält unver- ändert seinen Charakter. Bei Kontraktion des Diaphragmas, wie auch im Liegen, ist diese Pulswelle immer die am meisten in die Augen springende Bewegung in der Kurvenlinie. Deutlich sieht man diesen Einfluss der Spannung des Zwerch- felles in einer längeren Kurve, Fig.7, wenn man darauf achtet, wie 540 K. F. L. Kaiser: die durch die Öffnung der Semilunarklappen und die durch den Anfang des Sphygmogrammes hervorgebrachten Krümmungen (8 0 resp. AP) sich gegenseitig mit Bezug auf die Deutlichkeit und Stärke verhalten. Dadurch, dass die erstgenannte Welle (SO) durch eine An- spannung des Zwerehfelles abgeschwächt wird, die letztgenannte (A.P) aber unbeeinflusst bleibt, wird es klar, dass in unserer Kurve der Absehnitt I, in welchem die $O-Hebung die AP-Welle fast über- ragt, einer Periode der Diaphragmaerschlaffung, der Exspiration, entspricht. Im Abschnitt Z/ hingegen, während der Inspiration, sehen wir die SO-Welle, gleichwie auch die übrigen Krümmungen des Plethysmogramms, durch die Anspannung des Diaphragmas geringer werden und in Bedeutung zurücktreten gegenüber der Pulswelle AP, die unbeeinflusst bleiben muss, weil sie durch eine Öffnung des Zwerch- felles hindurch sich bewegt. Beiläufig will ich hier über die Beweeung des Zwerchfelles die Bemerkung machen, dass es nicht angeht, aus auswendig sichtbaren Bewegungen der Körperoberfläche oder aus dem Auf- oder Abwärts- sichbewegen des Zwerchfellschattens im Röntgen-Bilde ohne weiteres Schlussfolgerungen über die Momente zu ziehen, in denen eine Kontraktion oder eine Relaxation des Diaphragmas stattfindet. Nicht jede Kontraktion des Zwerchfelles bringt eine Abflachung, nicht jede Erschlaffung eine Hebung desselben zuwege. Die Muskeln des Brustkorbes und die Muskulatur der Bauch- wand wirken bei der Atmung in einer oft vorherrschenden Weise mit, und die Bewegung des Zwerchfelles ist am Ende nur davon abhängig, ob die Wirkungen, die es hinauf- oder die, die es hinab- ziehen, überwiegen. Auch eibt selbst die Registrierung des Verlaufes des intra- abdominalen Druckes während der Atmung keine sicheren Anhalts- punkte in dieser Richtung. Es kann vorkommen, dass bei der Ex- spiration der intra-abdominale Druck ansteigt, obgleich das Zwerch- fell relaxiert ist. Auch kommen tiefe thorakale Inspirationen vor, wobei der Bauchdruck absinkt und das Zwerchfell sich aufwärts bewegt, obgleich es sich anspannt. Meine reiche Erfahrung auf diesem speziellen Gebiete hat mir gezeigt, dass oft zu leichtfertig ein Erschlaffen oder ein Kontrahieren des Zwerchfelles angenommen wird, und ich glaube, dass bis jetzt die Kontraktion oder Erschlaffung mit Sicherheit nur aus dem Ein neues Verfahren zur Registrierung der menschlichen Herztätigkeit. 541 Verschwinden oder dem Deutlicherwerden der Herzwellen in meinen Kurve sich ableiten lässt. Was die Verspätung anbelangt, mit der die Herzbewegung sich in unserer Kurve erkennen lässt, so sei hier erwähnt, dass diese sehr wahrscheinlich für das ganze Plethysmogramm (den ersten und dritten Teil der Kurve) eine ganz geringe, jedenfalls eine gleichmässige ist. Wohl werden die Druckänderungen äusserst rasch durch den Bauchinhalt hindurch fortgepflanzt; desungeachtet zeigen aber die mechanischen Kardiogramme mit Bezug auf die Elektrokardiogramme immer eine gewisse Verspätung, denn die elektrischen Erscheinungen gehen wahrscheinlich den mechanischen eine gewisse Zeit (die Latenz) ‚voraus. In unseren Kurven (siehe Fig. 4) zeigt der Anfang der Atrium- zusammenziehung sich erst 0,050 Sekunden nach dem Anfange des P-Gipfels im Eg. Die Latenzzeit würde, wenn wir die Verspätung, durch den Apparat hervorgerufen, in Abzug bringen, nach unserer Beobachtung also ungefähr 0,035 Sekunden betragen. Der Punkt & im Eg. aber zeigt sich (siehe Fig. 4) schon 0,083 Sekunden vor dem Anfang der Ventrikelsystole in unserer Kurve. Dieses relativ verfrühte Auftreten von ® — der Unterschied beträgt im beschriebenen Falle 0,033 Sekunden (Kahn fand 0,03 Sekunden) — ist von Kraus und Nikolai derart gedeutet, dass der Kontraktionsreiz diesen Zeitraum brauchen würde, um sich entlang der innern Faser- schieht bis zu den zirkulären Fasern fortzupflanzen. Erst wenn diese (das Treibwerk) erreicht werden, würde dieser Reiz zu einer äusserlich sichtbaren Kontraktion des Herzmuskels Anlass geben können. Die Verspätung, mit der der Aortapuls sichtbar wird, also des zweiten Teiles (das Sphygmogramm), ist aber eine andere. Das Sphygmogramm kann daher nicht mit den Krümungen im Plethysmo- eramm durcheinander zu der Berechnung der Dauer der Herz- bewegungen herangezogen werden. Hält man sich an diese Beschränkung, so lässt sich die Dauer der Phasen einer Herzbewegung genau in der Kurve abmessen, und man kann bei fortgesetzter Beobachtung aus der Kurve ablesen, welche Änderungen die Dauer der einzelnen Herzbewegungen durch Ermüdung, nervöse Erregung usw. während der Untersuchung er- fährt. Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd. 160. 36 542 K. F. L. Kaiser: Bei vielen. der reproduzierten Kurven?!) gab ich das Resultat von dergleichen Messungen an. Will man die Momente des Ein- tretens der einzelnen Herzbewegungen mit denen vergleichen, in denen die nämlichen Bewegungen in anderen gleichzeitig auf- genommenen Kurven (Elektrokardiogrammen oder Radialissphygmo- srammen) Sich zeigen, so muss vor allem wieder berücksichtigt werden, dass die Kurve zum Teil ein Plethysmogramm des Herzens, zum Teil ein Sphygmogramm der Bauchaorta darstellt und letzteres soviel später entstehen wird, als die Pulswelle Zeit dazu braucht, um sich vom Aortenostium dem Arcus Aortae entlang bis zum Hiatus diaphragmatis fortzupflanzen. Diese Verschiebung des Sphygmogrammes gegen das Plethysmo- eramm wird der Distanz zwischen der Stelle (50), an der die Öffnung der Semilunarklappen sich zeigt, und der Stelle (AP), wo wir zuerst be- obachten, dass die Pulswelle die Bauchhöhle erreicht hat, gleich sein. Bei längeren Personen ist diese Distanz gewöhnlich etwas grösser, die zeitliche Differenz also beträchtlicher als bei geringer Körper- länge. Nehmen wir als Beispiel Fig. 4, eine Kurve, die bei einem Manne von 1,38 m Körperlänge aufgenommen ist. Wenn man in diesem Falle die Länge der Aorta vom Herzen bis zum Zwerchfeli auf 45—50 cm abschätzt, so würde bei einer Fortpflanzungs- geschwindigkeit von S—9 m in der Sekunde die Pulswelle den Hiatus diaphragmatis nach 0,05—0,06 Sekunde passieren. Man sieht aus der bei der Figur angegebenen Zahl 0,056, dass unsere Messung ein nicht von dieser berechneten Zeitdauer abweichendes Ergebnis zeigt. Übrigens scheint es mir, als ob die Fortpflanzungsgeschwindig- keit auch bei ein und derselben Person um ein geringes variieren kann, und ich glaube dieses vielleicht Änderungen im Blutdruck zu- schreiben zu müssen, Es erübrigt mir noch zu bemerken, dass die Gummiröhre, die von der Rektalkanüle bis zum Tambour führte, immer nahezu 1,5 m lang war, dass ferner, wie Nachprüfungen mir zeigten, vom Apparate selbst eine Verspätung hervorgerufen wurde, die, abhängig von der Be- schaffenheit der Membran, vielleicht gewisse geringe Differenzen zeigen !) Es sei hier bemerkt, dass die Apparate, mit welchem ich registrierte, oft geändert und vervollkommnet wurden. “Hierdurch sehen die Kurven sehr ungleichartig aus. Bei genauer Betrachtung und beim Messen zeigt sich, dass diese Unterschiede nicht essentiell sind. Die Fig. 2, 8, 9 und 10 sind mit dem letzten und besten Apparate aufgenommen. Ein neues Verfahren zur Registrierung der menschlichen Herztätigkeit. 543 kann. Von Benjamins wurde sie auf 0,012 Sekunden geschätzt; ich habe 0,015 Sekunden gefunden. Wenn das Gummibläschen in oberflächliche Berührung mit einem schwingenden Stabe gebracht war, so zeichnete das Bild der Granne eine Kurve. War der Druck im Apparate, ganz wie bei unseren Versuchen, ungefähr 25 em Wasser, und berührte das Bläschen den schwingenden Stab in der Nähe des fixierten Endes desselben, so hatte (bei einer fortwährenden Berührung) die Kurve nahezu die Form eines Sinusoid (Fig. 8 a). Gab hingegen das freie Ende des Stabes nur in den Augenblicken der grössten Ausbiegung einen kurzen Stoss gegen das Bläschen, so machte, wie Fig. 3b uns zeigt, die Granne eine plötzliche kräftige Bewegung, die von einer kurz- anhaltenden Nachschwankung gefolgt wurde. Die Schwingungszahl des Apparates selbst war ungefähr 30 pro Sekunde. Die Schnellig- keit sowie die Dämpfung des Apparates sind daher für Untersuchungen wie die unseren ganz geeignet. Erklärung zu Fig. Sa und b. Die mit dem Apparate registrierte Bewegung eines schwingenden Stabes. Fig. Sa: Wenn der Apparat mit dem fixierten Ende des Stabes in Berührung ist. Fig. Sb: Wenn das freie Ende des Stabes bei jeder Schwingung einmal den Apparat berührt. Wir wollen uns jetzt der Frage zuwenden, inwiefern die auf dem angegebenen Wege erhaltenen Resultate uns in den Stand setzen, ein Urteil über die mehr oder weniger ökonomische Tätigkeit des Herzens, über seine Leistungsfähigkeit zu gewinnen. Zunächst will ich bemerken, dass hierbei, theoretisch gesprochen, dreierlei in Betracht kommt: Erstens kann man die Arbeit A ins Auge fassen, die das Herz leistet, indem es die Bewegung des dasselbe verlassenden Blutes hervorbrinst und unterhält. Sie setzt sich aus zwei Teilen zusammen, deren erster A, sich, wenn wir die linke Herzhälfte betrachten, aus ob 544 K. F. L. Kaiser: dem Drucke im Aortenanfang und dem Volumen des in die Aorta strömenden Blutes berechnet, während der zweite Teil A, der kinetischen Energie dieses Blutes entspricht. Schätzungen dieser beiden Teile, z. B. die von Zuntz!), machen es deutlich, dass A, weit A, überwiegt. Zweitens kann man die ganze, von der Ventrikelwand (von dem Vorhofe wollen wir hier absehen) auf das in dem Ventrikel enthaltene Blut getane Arbeit BD betrachten. Sie liesse sich aus dem im Ventrikel bestehenden Druck und aus den Volumenänderungen berechnen ?). Für diesen D würde man einen Wert finden, der grösser als A ist, und zwar rührt der Unterschied daher, dass D auch die Arbeit enthält, die zur Überwindung der Widerstände im Herzen selbst und namentlich in den Ostien erforderlich ist. Es ist klar, dass diese Arbeit von der Beschaffenheit des Herzens abhängt und bei pathologischen Abweichungen grössere Werte annehmen kann?). Drittens kann man sich fragen, welche Energie bei der Tätig- keit des Herzens verbraucht wird. Es handelt sich hier um die, wir wollen sagen, physiko-chemische Energie, die in der Muskel- substanz verloren geht, wenn diese durch den Nervenreiz zur Kon- traktion gebracht wird. Dieser Energieverlust (C) ist jedenfalls grösser als die Arbeit (D) und kann sogar beträchtlich grösser sein. Wissen wir doch, dass in einem Muskel auch dann ein Energie- verbrauch stattfindet), wenn er in kontrahiertem Zustand verbleibt 1) Nach Zuntz (Deutsche mediz. Wochenschr. 1892) beträgt das Volumen des Blutes, welches bei jedem Herzschlag in die Aorta getrieben wird, bei einer erwachsenen Person 60 ccm, und ist der Druck etwa 0,15 m Hg, 204 g pro Quadratzentimeter. Hieraus folgt: A, = 204 x 60 = 12200 g/cm = 122 g/m. Andererseits ist die Geschwindigkeit 0,5 m pro Sekunde und also, da wir die Dichte des Blutes gleich 1 setzen können, a 60 > (0,5)? ERRROIS US 2) Frank, Isometrie und Isotonie des Herzmuskels. Zeitschr. f. Biol. Bd. 47 Nr. 17 S. 1. 3) B. Lewy, Die Arbeit des gesunden und kranken Herzens. Zeitschr. f. klin. Med. 1897. 4) Chauveau, Comptes rendus de l’Academie des Sciences 1906. — Weiss, Travail du ceur. Journ. de Physiol. et de Pathol, gener. 1913 Nr. 5. — 0,76 g/m. Ein neues Verfahren zur Registrierung der menschlichen Herztätigkeit. 545 und also, da er seine Länge nicht ändert, gar keine mechanische Arbeit leistet. Die Änderungen, die dann fortwährend stattfinden, zeigen sich in der Ermüdung. Offenbar ist nun als Nutzeffekt des | 3 h 2 Herzens das Verhältnis TE betrachten, je grösser dieses ist, desto ökonomischer wirkt das Organ. Aber auch schon nach dem Ver- hältnis e lässt sich die Wirkung einigermaassen beurteilen. Es braucht kaum gesagt zu werden, dass unsere Beobach- tung keine numerischen Werte für diese Verhältnisse liefern kann; sogar entzieht sich der Energieverbrauch (C) völlig der Wahr- nehmung. Trotzdem scheinen die Kurven mir einige Schlüsse zuzulassen, und zwar in zweierlei Weise. Sie enthalten nämlich, wie wir sahen, einen Teil, der als Puls- kurve, und einen zweiten, der als Herzkurve zu betrachten ist. Der orste kann uns einigermaassen über den Wert von A, der zweite über den Wert von BD belehren, wobei freilich im Auge zu behalten ist, dass je nach der Spannung oder der Frschlaffung des Zwerch- felles die Bewegungen des Herzens, mit welehen die Arbeit (D) zu- sammenhängt, bald in grösserem, bald in kleinerem Maassstabe in der Kurve zum Ausdruck kommen. Ferner scheint mir aber das, was die Kurve über die absolute und relative Dauer der verschiedenen Perioden (Anspannung, Ent- leerung, Füllung, Ruhe) ergibt, von Wichtigkeit zu sein. Diese Perioden lassen sich mit ziemlicher Genauigkeit be- stimmen, und man sieht leicht, dass sich so in gewissen Fällen der Nutzeffekt des Herzens beurteilen lässt. Namentlich wird es sich dabei um die Art und Weise handeln, wie die sich in den Kurven abspiegelnde Herztätigkeit von verschiedenen Umständen abhängt und sich bei wechselnden Verhältnissen ändert. Es wird sich zeigen, wie das eine Herz sich besser, das andere weniger gut neuen Be- dingungen anpasst, wie sich das eine weniger ermüdet, rascher er- holt als das andere. Es braucht kaum gesagt zu werden, wie wichtig vor allem diese Frage ist. Denn mehr noch als auf den grösseren oder kleineren Wert des Energieverbrauches (©) kommt es darauf an, ob die Muskelsubstanz unter den Bedingungen, von denen ihre Nahrung abhängt, zu diesen Verbrauch auf längere Zeit imstande ist. Obige Auseinandersetzungen und Betrachtungen über den Unter- 546 K. F. L. Kaiser: schied zwischen der Herzarbeit und dem Erfolge dieser Arbeit machen es wohl klar, dass die mit dem beschriebenen Apparate registrierten Kurven einen eigentümlichen Einblick in die Herztätig- keit geben werden, denn es ist eben die Bewegung des Herzens selbst, welehe registriert wird. So wie H. Sahli’s!) sphygmobolographische Kurven zu der Berechnung der Arbeit des Radialpulses verwendet werden können, und in der Form der Venenpulskurven die mechanische Arbeits- leistung des rechten Herzens ersichtlich ist |R. Ohm?)], so müssen meine Plethysmogramme die Beurteilung der Volumänderungen des linken Herzens, ihrer Grösse und der Raschheit, womit sie statt- finden, ermöglichen. Mit einigen Beispielen möchte ich näher beleuchten, was die Kurven uns zeigen können. ‚Wie gesagt, ist es einerseits die relative Dauer einer Phase der Herzrevolution und andererseits die Energie der Herzbewegung während dieser Phase, die in der Amplitude der Bewegungen der Nadel sich abzeichnet, welche zusammen die Form der von uns als Plethysmogrämm angedeuteten Kurve bestimmen. Wenn nicht die wechselnden Kontraktionszustände des Zwerch- felles die Form unserer Kurven beeinflussten, so würde schon aus der Deutlichkeit der das Plethysmogramm bildenden Teile gegen- über dem Charakter, den der mittlere Teil der Kurve, also das Sphygmogramm, aufweist, beurteilt werden können, wie ungefähr die Arbeit des Herzens zum nützlichen Effekte dieser Arbeit sich im untersuchten Falle verhält. In jedem Falle aber wird wohl eine geringere Kraft und Füllung des Pulses sich in dem Sphygmogramme zeigen, und es wird auch aus dem Plethysmogramme einigermaassen beurteilt werden können, ob eine ruhige oder eine angestrengte Herzarbeit zum Hervorbringen dieser Pulswelle erforderlich war. Ausserdem erachte ich es von nicht geringem Vorteil, dass dieses Verhalten zwischen Herzarbeit und Pulswelle nicht nur durch eine vorübergehende und subjektive Beobachtung bestimmt wird, sondern in einer Kurve festgelegt und demonstrierbar ist. 1) Sahli, IX. Internationale Physiologen-Kongress. Groningen 1913. 2) R. Ohm, Venenpuls und Herzschallregistrierung üsw. Berlin 1914. Ein neues Verfahren zur Registrierung. der menschlichen Herztätigkeit. 547 Fig. 9. Erklärung zu Fig. 9. «a Plethysmokardiogramm eines kräftigen jungen Arbeiters bei sehr ruhiger Herzwirkung. Die Zeit ist in der Figur undeutlich angegeben, jedes Millimeter entspricht 0,0133 Sek. Die Herzphasen berechnen sich also wie folgt: DANN. 2.00.1905 ea 26, 100,1197 SO: .,..0.022..0,0598 So Me, 0 00.20220.0405 Auen. 00..22...01995 DA. 0,1862: usw: b Plethysmogramm nebst Radialis-Sphygmogramm eines. älteren, sehr nervösen Herrn, Nr. 6. Die Herzarbeit war gerade stürmisch. Die äusseren Bedingungen sonst ganz wie bei a. Die Bewegungen des Herzens spiegeln sich weit kräftiger in der Kurve ab. Zeit 0,2 Sek. Bei der Messung ergab sich folgendes: 7: 50% 222,000 080.208..2,0,1298 SO APIS E 0. 2, 2210.0354 AP—D als 005 DEM a 00 ak) V—50 . RES 0, 1298 usw., wobei zu bemerken ist, wie bei dieser ätuemisehen Herzuktion die An- spannungszeit gerade ausserordentlich. ‚verlängert zu sein scheint, was wohl auf geringere Kontraktilität des Herzmuskels hinweist. Die Ausströmungszeit und die Diastole sind beide auffallend kurz; das Schlagvolumen des sich so stürmisch bewegenden Herzens scheint also nicht gross, die Entleerung unvollständig zu sein. Ausser bei dieser 548 K. F. L. Kaiser: Versuchsperson, bei welcher derartige Änderungen des Herzmuskel- tonus sich häufig zeigten, traf ich diese nur noch einmal bei einem Herzleidenden an, hierüber wird später die Rede sein. A A en = = a nn m I er EE ä VE RER. Fig. 10. Erklärung zu Fig. 10. Plethysmokardiogramme und Elektro- kardiogramme einer gesunden 34jährigen Frau. Im Elektrokardio- gramm ist die Vorhofsaktion sehr deutlich, im Plethysmogramm da- gegen ist von einer Kontraktion des Atriums nichts zu sehen. Übrigens ist die Herzwirkung ganz normal. Auf der Platte ist 1 mm gleich 0,014 Sek., es findet sich also in der erster Kurve: M-—S0, en. 800.058 SO—-ARE ee es AP—D REN N EZ DV. REN N 70 V,— SON. ee 0 00T ORUSWE und in der zweiten Kurve: V.- 808 aa en 90,056 SOZAP N Re 0049 AP—D SET DE ac 0 IL: DV a RE 0NDTD EUSWE Einen charakteristischen Unterschied betrefis dieser Energie der Herzarbeit sehen wir in den beiden, sonst in vielem übereinstimmenden Kurven in Fig. 9, die beide unter gleichen Bedingungen aufgenommen wurden. Die Kurve a entstammt einem jungen kräftigen Arbeiter, die zweite, d, einem älteren Herrn. Während die mit SO und mit AP bezeichneten Hebungen nur geringe Unterschiede zeigen, Ein neues Verfahren zur Registrierung der menschlichen Herztätigkeit. 549 g g g ist es deutlich aus dem Plethysmogramme ersichtlich, dass die Zu- sammenziehung der Atrien (A,) und die der Ventrikel (V,) im ersten Falle sehr ruhig, im zweiten sehr stürmisch geschah. Die Energie, mit der die Herzbewegung stattfindet, kann man so gewissermaassen nach der Gestalt der Kurven abschätzen. An der Hand von Fig. 7 haben wir schon besprochen, wie sich an einer längeren Kurve am besten erkennen lässt, an welchen Stellen die Einwirkung der Zwerchfellspannung am geringsten ist. Wenn man auf diesen Einfluss achtet und die Schnelligkeit, mit der die photographische Platte sich fortbewegt, in Rechnung bringt, kann die Kurve uns bis in gewisse Details hinein ein Bild der Be- wegung bestimmter Herzabschnitte geben. Es sind, wie gesagt, die Kontraktionen des rechten Vorhofes und des linken Ventrikels, die sich in der Kurve zeigen werden. Der erste Teil der Kurve gibt gewissermaassen ein Bild der Atrium- systole, und hierbei zeigt sich, dass es vorkommen kann, dass die Vorhofskontraktion fast keine erkennbare Senkung in der Kurve hervorbringt, also sehr schwach zu sein scheint, siehe z. B. Fig. 10. Rautenberg!) wurde durch einen analogen Befund an seinem Ösophagogramme veranlasst, anzunehmen, dass der linke Vorhof stillstand. Er beobachtete weiter einmal, dass diese Kontraktion sich in zwei Absätzen markierte, und auch meine Kurven scheinen auf dergleichen Eigentümlichkeiten hinzuweisen. Auch über die Ventrikelkontraktion geben sie eigenartige Andeutungen. Bis jetzt sind diese mir aber nur sehr teilweise verständlich, und ich will mich daher auf die Bemerkung beschränken, dass in einem von mir beobachteten Falle von Mitralinsuffizienz mit Hyperthrophie des Herzens bei einem 59jährigen Manne die $ O-Hebung und die AP- Welle oft zu einem undeutlich begrenzten, aber kräftigen Gipfel zusammenflossen (Fig. 11). Nur wenn die Herzwirkung äusserst ruhig und langsam war, konnte man in der Kurve sehen, wie diese grosse Hebung aus zwei getrennten Hebungen zusammengestellt war (Fig. 12). Eine sich scharf abgrenzende präsphygmische Periode wird man nur dann erwarten können, wenn die Kanımer, sei es auch vorübergehend, gänzlich abgeschlossen ist; in unserem Falle schien dieses nur bei ganz ruhigem Verhalten zuzutreffen. 1) Rautenberg, Die Vorhofspulsationen N. F. S. 557/558. Volkmann’s Sammlung. 550 K. F. L. Kaiser: Kig. 11. Erklärung zu Fig. 11. Plethysmokardiogramm des Mannes Nr. 58 mit Mitralinsuffizienz. Zeit in 0,2 Sek. 1 mm ist 0,0074 Sek., eine Revolution 0,414 Sek. Für die Beschreibung der Kurve siehe den Text. Die Messung ergab: Ass a ann NH 7 SOQOAP. 282. .2022.0:0666 SOLAP—B 3.) Were. 2 20:2035 DA. 22 22.2.0029 Erklärung zu Fig. 12. Plethysmokardiogramm des nämlichen Mannes während ganz ruhiger Herzwirkung!). Eine Revolution ist 0,612 Sek. (Zeitangabe 0,1 en Das Messen ergab: u A te an an a ara AP... a 35) ek Ra 0.090 SOZZAE 00 AP, Din na ner 01 DZS0: ar 0,395 Eine Abgrenzung zwischen SO nd AP i ist deutlich sichtbar. Schliesslich können wir noch an der Form unserer Kurven sehen, wie die Diastole verlief; meistens sieht man an der stärkeren 1) In dieser Figur ist das Ekg. umgekehrt registriert worden, ?, R und 7 nach unten gerichtet. Ein neues Verfahren zur Registrierung der menschlichen Herztätigkeit. 551 Krümmung der ersten diastolischen Wölbung, dass in einer ersten Periode die Füllung des Herzens rasch und energisch sich vollzieht. In dem zweiten Teile der Diastole eibt die viel weniger gekrümmte Linie an, dass während dieser Periode, der Diastasis Henderson'’s, die weitere Füllung des Herzens weniger rasch stattfindet. Dass bei überfülltem Venensysteme eine bisweilen extreme Ab- kürzung der Diastole vorkommen- kann, zeigt uns die eben be- trachtete Fig. 11, das Plethysmokardiogsramm des Mannes mit Mitralinsuffizienz und Stauung im Lungenkreislauf. Wie der hyper- trophische Ventrikel sich rasch und kräftig zusammenzieht, wie die S O-Welle mit der A P-Hebung zu einem Gipfel zusammengeflossen ist und wie die diastolische Hebung bald nach ihrem Anfange schon wieder der, durch die Kontraktion des Vorhofes hervorgebrachten Senkung (A,) Platz macht, ist in der Kurve deutlich zu sehen. Es ist wohl sicher, dass während der Zusammenziehung der Vorhöfe die Füllung der Ventrikel stattfindet; in unseren Kurven wird dieses aber selbstverständlich nicht zu sehen sein. Unter normalen Bedingungen, wenn die Erhöhung resp. die Verringerung der Pulsfrequenz durch eine Änderung in der Reiz- bildung hervorgerufen wird, ist es bei gesunden Herzen hauptsäch- lich die Diastasis, die bei der hierdurch bedingten Änderung der Revolutionsdauer abgekürzt oder verlängert wird. Wie Fig. 13 uns zeigt, werden die übrigen Phasen nur wenig verändert; in den Kurven a, b und c beträgt die Dauer einer Revolution ungefähr 1,16 Sekunden resp. 0,96 und 0,30 Sekunde, die Diastole schwankt dabei von 0,60 bis 0,36 und 0.31 Sekunde. Die Figur zeigt, wie ohne grosse Änderung der in unseren Kurven sichtbaren Eigentümlich- keiten der Herzaktion beträchtliche Unterschiede in der Revolutions- dauer vorkommen können. Wie man sieht, behält der systolische Teil der Kurve die für diese Versuchsperson charakteristische Form, welche Form für jede Person wohl mit der ihr eigentümliehen Funk- tion des Herzens zusammenhängt. Nur wenn die Erregbarkeit und die Kontraktilität oder der Tonus des Herzmuskels sich ändert oder die Reizleitung sich rascher oder träger vollzieht, fängt auch der systolische Teil der Kurve an, sich zu ändern; hierüber wird weiter unten noch ausführlich ge- sprochen werden. 32 K. F. L. Kaiser: Fig. 13. Erklärung zu Fig. 13. Die Änderung, welche die Kurve eines gesunden jungen Mannes, Nr. 53, 33 Jahre alt, bei Zunahme der Frequenz erfährt. Zeit 0,1 Sek. In a ist 1 mm gleich 0,0174 Sek., AP—AP ist 67 mm, also 1,166 Sek. | SO AP. a ea 0000 AP—Die en a en 02 DEAN en Sn 05 Ares yinnsslske Ma NR } V,—S0 ... 0,087 In d ist 1 mm 0,0193, ee 0, 965 Sek. Ay. : er er 0,1294 VEZSOS ee ON 0965 SO-ZAPN NT ee 0,0675 AP-D a 0202 D—A, .. 2.0.0 20:200% In e schliesslich ist AP AP 0, 8 Sek. und As Vs iii. 0,113 ee non, SO-APRN a ER 00609 AP=D N 0206 DA EN Ro Ein neues Verfahren zur Registrierung der menschlichen Herztätigkeit. 553 Weit genauere und sicherere Ergebnisse als durch die Betrachtung der Kurven erhalten wir durch das Messen der verschiedenen Phasen einer Herzbewegung. Die Dauer derselben ist ziemlich genau und scharf in den Kurven angegeben, und die Unterschiede oder die Änderungen, die wir in dieser Dauer bei den verschiedenen Personen oder bei geänderten Versuchsbedingungen konstatieren, hängen aus- schliesslich und direkt zusammen mit Unterschieden in den Eigen- schaften der untersuchten Herzen, die sich so in der Herztätigkeit dokumentieren. Wie wir sahen, kann durch den Einfluss des Zwerchfelles der sonst so klare Eindruck, den die Kurve auf uns macht, dermaassen umgestaltet werden, dass man leicht bei der Beurteilung der Energie der Herzbewegung irregeführt werden könnte. Hingegen bezüglich der Zeitdauer jeder der Bewegungen in der Kurvenlinie ist eine derartige Irreführung nicht möglich. Ihre Dauer wird immer un- beeinflusst bleiben und genau übereinstimmen mit der der entsprechen- den Phasen der Herzbewegune. Es wurden von mir an vielen Kurven verschiedene Herzphasen gemessen, und die Resultate habe ich in der folgenden Tabelle zusammengestellt. s|3| 3 een o Z ._ > = ) FE o,o| b= n = 1323| 2 | Untersucht 3,3 = 2 052 en Eu SS = el Lil es Sl®|= za ee 23cQE 27. Nov. 1913 [257 |0,712 0,140 | 0,056 | 0,238 | 0,334 | 1:6,0 1) 24. Juni 1913 |108 | 0,672 | 0,144 | 0,064 | 0,192 | 0,336 | 1:5,2 26. Febr. 1913 | 46 |0,665 0,133 0,076 | 0,190 [0,342 1:45 30. Mai 1913 |109 |0,660 | 0,140 0,070 | 0,150 0,370 1:5, 15 |w.1392]30. „ 1913 |198 | 0,660 0.140 0,070 | 0,180 | 0,340 1:4,8121:5 26. Febr. 1913 | 47 | 0,646 | 0,133 | 0,057 | 0,190 | 0,323 | 1:5,6 30. Mai 1913 |201a| 0,560 0,120 | 0,070 | 0,130 0,350 1:5,0 30. „ 1913 [2016| 0,540 | 0,110 | 0,070 | 0,140 0,290 1:4,1 1j30. „ 1913 [201e | 0,530 | 0,120 | 0,070 un a ie 27. „ 1913 | 1970| 1,100 | 0,139 | 0,069 | 0,587 0,415 1:4, 28. April 1913 |116 | 0,884 0,113 | 0,061 | 0,390 | 0,420 | 1:6,8 27. Mai 1913 | 1956| 0,820 | 0,153 | 0,077 | 0,187 0,479 1:6,1 27. „ 1913 |192 |0,800 | 0,170 | 0,093 | 0,255 | 0,375 | 1:4,0 27. „ 1913 |195a!| 0,790 0,145 | 0,068 | 0,212 | 0,433 1:6,4 7. März 1913 | 28 N 0,136 20m ns en en 27. Mai 1913 |190 | 0,770 | 0,176 | 0,070 | 0,232 0,862 1: 53 |m.[332|27. „ 1913 [1942| 0,768 | 0,119 0,068 | 0,922 0,428 1:68 [11:5 2. „ 1913 |124 |0,710 | 0,134 0,061 | 0,280 | 0,296 | 1:4,9 7. Febr. 1913 | 26 |0,690 0,138 | 0,069 | 0,219 | 0,333 |1:4,9 7. „1913| 27 |0,660 | 0,136 , 0,068 | 0,204 | 0,340 | 1:5,0 2. Mai 1913 |122a 0,650 0,135 | 0,056 | 0,212 | 0,276 | 1:4,9 2. „ 1913 [122b 0,650 | 0,137 | 0,075 | 0,187 | 0,325 | 1:4,3 27. „ 19131191 |0,708 | 0,168 | 0,088 | 0,132 | 0,408 1:46 || 54 | Geschlecht | Alter (Jahre)' 30 = DES er 28 58 | Untersucht am 3. Mai 1913 Zu ON 17.20.1915 170.055°41918 I, Ole 14..),.1918 13:7.,.2.1918 I I oe an alkojılar N Sn 1915 I 14. April 1913 14, „ 1913 11. März 1913 192.,.1918 16. April 1913 16. „ 1913 28. Nov. 1913 200,8 1918 23. Juni 1913 1. Juli 1913 23. Juni 1913 1. Juli 1913 20. Juni 1913 20% 1915 202 5.1915 E02 05221919 I 2721918 4. Juli 1913 4 „ 19183 4. „ 1918 18. Juni 1913 10.2 221915 23.221915 2a le 2.0.19 2 rl 2191 8. März 1913 80,9 Sl 19. Nov. 1913 15. April 1913 30. Nov. 1913 SO ok 30. 1915 30. 1913 ” 15. April 1913 nn nn nn nn nn nn nn Nummer der Kurve Dauer einer Herzrevolut. — DD — o 156 (Vs—S0) Periode der Anspannung na systole(V, -D) AA .. 00 08 00 0. ..:O 0. ®0 oa . . .. .. .. m —_ Verhältnis -| | I (.-50):/ -D) I Mittelwert | = = er VORM = fe u Er ET KMHauaefb wu DE RE TER TE TR EN sn Sal Brabaaeee| erl = En m Haren u... .. eu 00 00 02 20 Be 00 0. wu ITS OURDOSOoHoSoutmonmonnlunumomu1unmoo Moapouon ANPRUTKOOSDOoOnmDo onmo osoow So &o Co &b H X Go So Sn ko e Kot kR ook ic | Kr üs = :4,0 Während Nr. 6 an einer Herzneurose litt, Nr. 58 eine Mitralinsuffizienz mit. Hypertrophie des linken Ventrikels und Stauung im Lungenkreislauf darbot, und Nr. 28 an Angina pectoris und Dilatatio cordis erkrankt war und sich der Dyspnoe halber nur sehr langsam bewegen konnte, waren die übrigen Personen alle, ihren Angaben nach, gesund. Nr. 55 und Nr. 59 aber sahen zart und schwächlich aus Ein neues Verfahren zur Registrierung der menschlichen Herztätigkeit. 555 Ich wählte nur die Kurven, die meiner Meinung nach deutlich genug waren, und kontrollierte die Resultate noch einmal, nachdem ich eine gewisse Routine erworben hatte. Zwar wurden von mir, zwecks Ausbildung der Methode, fast immer gesunde Personen, Malermodelle usw. untersucht; es fand sich aber dann und wann auch unter diesen eine Abweichung der Herztätigkeit vor. Ausserdem dürften die Beobachtungen wohl auch schon durch die Genauigkeit, mit der die Bestimmung an meinen Kurven möglich sind, nicht ohne Interesse sein. Die bei derselben Person gemachten Beobachtungen stellte ich untereinander, obgleich sie oft an verschiedenen Tagen stattgefunden haben. Neben Journalnummer, Alter und Geschlecht der Personen ist in der ersten Spalte die genaue Dauer der Herzrevolution angegeben. Während der Untersuchung zeigt diese Dauer manchmal beträchtliche Differenzen; mit einer Ausnahme habe ich aber gerade die Dauer derjenigen Herzrevolution angegeben, auf deren Phasen auch die weiteren Zahlen sich beziehen. Die Revolutionsdauer ist ohne jede Rück- sicht gesondert gemessen und nicht durch Addierung bestimmt worden. Eine folgende Spalte zeigt den Zeitverlauf zwischen der ersten Andeutung der Kontraktion des Vorhofes (A,) und dem Anfang der Ventrikelzusammenziehung (V,); es wird hierdurch die Zeit an- gegeben, welche der Kontraktionsreiz dazu braucht, um sich dem His’schen Bündel entlang fortzupflanzen. Weiter ist in der Tabelle die Dauer der Periode der Anspannung verzeichnet, die vom Anfang der Ventrikelkontraktion (V;) bis zu der Öffnung der Semilunarklappen (80) gemessen wird. Die Diastole, deren Dauer in einer weiteren Spalte angegeben ist, wurde von D) bis A, gemessen; diese wird aber in der Wirklich- keit um ein geringes früher anfangen. Ziemlich genau konnte ich, wie wir unten noch ausführlich be- sprechen werden, die weiter in der Tabelle angegebene Dauer der Ventrikelsystole durch das Messen von V, bis D bestimmen. Dem Verhältnis zwischen der Anspannungszeit (V,— SO) und der ganzen Dauer der Ventrikelsystole (V,—_D) schreibe ich eine besondere Bedeutung zu, was die Eigenschaften des Herzmuskels betrifft; dieses Verhältnis wurde daher ebenfalls in der Tabelle noch gesondert angegeben, wobei ich die Dauer der Anspannung gleich Eins setzte. Die Eigenartigkeiten eines bestimmten Herzens werden sich in diesen Zahlen zeigen müssen; den Mittelwert der für eine Person 556 K. F. L. Kaiser: bei verschiedenen Wahrnehmungen gefundenen Zahlen gab ich daher noch besonders an. Am Schlusse fügte ich noch einige kurze Be- merkungen über jede Person der Tabelle hinzu. Wie schon aus der Betrachtung der Kurven hervorgeht, zeigt sich auch beim Ausmessen derselben, dass bei Änderungen der Revolutionsdauer meistens fast ausschliesslich die Diastasis sich ver- längert oder verkürzt. Ich finde angegeben, dass Tigerstedt bei einer Zunahme der Pulsfrequenz von 32 auf 124 Schläge pro Minute die Dauer der Systole von 0,382 auf 0,190 Sekunden zurückgehen sah. Aus der Tabelle sieht man, wie grosse Unterschiede ich hierbei beobachtete, und gerade hierin wird, wie ich glaube, ein Hinweis auf die Be- schaffenheit des Herzmuskels gefunden werden können. Im‘ allgemeinen. gilt wohl, dass, wenn bei einer Zunahme der Frequenz auch der systolische Teil der Kurve sich merklich abkürzt, dieses darauf hinweist, dass auch die Erregbarkeit gleichzeitig eine höhere wird: sieht man hingegen, dass, wie es auch vorkommt, bei der Abkürzung der totalen Kurve, der systolische Teil sich relativ in die Länge zieht, so wird man an eine Verringerung der Erreg- barkeit denken müssen. Wenn z. B. das bei einer bestimmten Frequenz normale Ver- hältnis zwischen der Länge des systolischen und diastolischen Teiles der Kurve bekannt wäre, würde ein Überschreiten von oder ein Zurückbleiben hinter dieser Norm auf eine erhöhte resp. eine ver- ringerte Erregbarkeit hindeuten. Ausserdem haben meine Beobachtungen mich dazu einher an- zunehmen, dass es Fälle gibt, in denen eine Ungleichheit in der Dauer einer Revolution der Hauptsache nach durch eine ungleiche Länge der Ausströmungsperiode, also vor allem durch Änderungen im Tonus des Herzmuskels hervorgebracht sind; hierüber wird später gesprochen werden. Nachdem wir uns im allgemeinen über die Eigenschaften der Kurven und deren Bedeutung orientiert haben, will ich die mir am wichtigsten scheinenden derselben noch etwas ausführlicher besprechen. Deutlich und unverwischt zeigen sich vor allem die Unterschiede in der Reizleitung da, wo der Kontraktionszustand von dem Vorhofe auf den Ventrikel übergeht. Wie bekannt, nimmt an dieser Atrio- ventrikulargrenze die Reizleitung immer relativ längere Zeit in An- spruch, und man sieht meistens auch in unseren Kurven die durch Ein neues Verfahren zur Registrierung der menschlichen Herztätigkeit. 557 die Kontraktion des Vorhofes und resp. des Ventrikels hervorge- brachten Täler deutlich voneinander abgegrenzt. Bei jüngeren Personen folgt manchmal die Zusammenziehung der Kammer V,, aber so unmittelbar auf die Vorhofskontraktion A;s, dass (Fig. 14) die beiden Senkungen ineinander übergehen. Anderen- falls kann, und dieses ist häufiger, auch eine förmliche Hebung, die ich zum Teil einem Zurückströmen in die Vena cava, also einer Regurgitation zuschreibe, zwischen beiden Tälern sichtbar sein. Die Kontraktion des Vorhofes (jedenfalls der Längsfasern desselben) scheint wohl abgelaufen zu sein, ehe die Kontraktion der Kammer anfängt. GUBSBAUBERSERBEBBERFIE BaBBEEBSESEBe ed. nase Pt 0 1 TURN 2. ünn ARRRS Rue so Ar. BEZRRT DRRRa\] vl BRIZREESE IeUBEBUN EEERLDSREEEEUE Sur ancen SEsun KRanBPRRERpEn pe ng gung Fig. 14. Erklärung zu Fig. 14. Plethysmokardiogramme eines 20 jährigen Mädchens (mit einem kleineren Apparate). Zwischen A, und V, ist keine deutliche Grenze sichtbar. Zeit: 0,1:Sek. Rektaldruck 24. Manometer 26. Das Messen ergab in der ersten Kurve: DA ee er OO Ar OR ee ae OBEN SOZ-APS var er 000 AP-—D EL ER SERLZNARE NEO, 20 A SO ae 0 I2rusw, In der zweiten Kurve: PEN RE Un RL: SORSTABER 2 00 AP-D a EN 025 D—A, RE ES AV; SEN a | SR Eee 0.000: usw. [5] Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd. 160. 5) 558 K. F: L. Kaiser: Der Zeitverlauf zwischen A, und V,, die Dauer der Reizleitung im His’schen Bündel, erwies sich mir, wenn ich annehmen darf, dass die Messung an meinen Kurven ein genaues Maass für diese Fortpflanzungszeit abgibt, als nicht nur bei verschiedenen Personen ungleich, sondern es zeigen sich auch bei ein und derselben Person sehr beträchtliche Unterschiede, sobald durch Erschöpfung oder Er- regung usw. die Pulsfrequenz sich ändert. Unsere Kurven gestatten aber auch, und darin besteht ihr Vor- zug, eine genaue Messung derjenigen Phasen der Herzarbeit, deren Dauer sonst schwerlich zu bestimmen war. Vor allem schien mir die Dauer der Ventrikelsystolen von Bedeutung. In der Tabelle habe ich sie angegeben, wie sie sich aus dem Zeitunterschiede zwischen den von mir mit V, und resp. D genannten Punkten bestimmen liess. Absolut genau wird diese Messung nicht sein können, weil wir den Anfang der Diastole in der Kurve nicht sehen. Die Hebung D zeigt sich erst dann, wenn das Plethysmogramm nicht mehr von dem Sphygmogramm verhüllt wird, d.h. wenn die dikrote Hebung 88 nachgelassen hat. Vielleicht mag es, um ganz genau zu gehen, besser scheinen, immer bis an 85 zu messen und dann die Verspätung der $S-Welle in Rechnung zu bringen. Man hätte aber dann schliesslich noch die Dauer der Verharrungszeit dabeizufügen, und gerade diese ist in unseren Kurven nicht angegeben. In der von mir verfolgten Weise geht -man-von zwei-Punkten aus, die immer genau bestimmt und leicht aufgefunden werden können, und dazu kann in Wirklichkeit die begangene Ungenauig- keit wohl nicht von grossem Einfluss sein, wenn man die Grössen, um welche es sieh hier handelt, in Betracht zieht. Erstens beträgt die Dauer der Fortpflanzung einer Pulswelle durch den Arcus Aortae hindurch, welehe mit der Körperlänge etwas variiert, im Durchschnitt ungefähr 0,05 Sekunden, und die Ver- harrungszeit wurde von Rautenberg!) bei seinen ersten Ver- suchen auf 0,04 Sekunden bestimmt, später fand er als Mittelwert. von fünf genauen Messungen bei einer Person 0,022 Sekunden. Es ist also, wenn man die totale Systoledauer (von V,—-D) berück- sichtigt, die meistens ungefähr 0,4—0,3 Sekunden beträgt, die von 1) Rautenberg, 1. c. S. 40. Ein neues Verfahren zur Registrierung der menschlichen Herztätigkeit 559 mir besangene Ungenauiekeit verhältnismässig nicht gross; auch wird sie in jedem einzelnen Falle immer nahezu dieselbe bleiben. Diese Periode V,—D stellt sich also, wie bemerkt, zusammen aus der Periode der Anspannung, aus der Entleerungszeit und aus der ungefähren Dauer der Verharruneszeit. In weit geringerem Maasse, als wir es bei der Diastole sehen, nimmt bei einer Ab- kürzung der Dauer einer Herzrevolution auch die Systole etwas ab. Erstens wird bei gesteigerter Herztätigkeit, Blutdruckerhöhung und Zunahme der Pulsfrequenz die Dauer des Ausströmens etwas weniger lang anhalten, ausserdem wird, wie die Untersuchungen von de Heer!) es dargetan haben, und wie meine Tabelle auch angibt, bei gesundem Herzmuskel unter den obengenannten Bedingungen die Anspannungszeit ebenfalls etwas abgekürzt. So finde ich in meiner Tabelle, für die Dauer dieser Periode, Zahlen, die von 0,03 Sekunden bis 0,096 Sekunden variieren. Auch aus den Angaben anderer Autoren ist abzuleiten, dass die Anspannungsdauer sehr wenig konstant ist. Müller und Weiss?) geben für diese eine Dauer von 0,02 bis 0,05 Sekunden an, und Lewis?°) meint, dass Unterschiede im Alter und in Pulzfrequenz Variationen von wenigstens 0,03 Sekunden und Krankheiten selbst solehe von 0,06 Sekunden hervorbringen können. Auch Benjamins‘®) fand Werte, die von 0,02 bis 0,037 Sekunden schwanken. Nun sind meine Befunde im ganzen wohl mit den obigen in Einklang, es fanden sich aber bei den von mir untersuchten Personen auch grössere Unterschiede vor. Die von mir registrierten Kurven lassen im allgemeinen eine direkte und besonders genaue Messung der Änderungen zu, die diese Periode der Anspannung durch Zunahme der Pulsfrequenz, durch Erhöhung des arteriellen Druckes, durch Ermüdung usw. erfährt, und wahrscheinlich wird dieses von grossem Vorteil sein können, wo es sich um die Beur- teilung der Kontraktionsfähigkeit eines bestimmten Herzens handelt. Um aber keinen zu grossen Wert zu legen auf die Messung einer so kurzen Zeitdauer, bei welcher obendrein eine abwechselnde Reizempfindliehkeit und -leitung einen ebenso grossen Einfluss haben 1) J. L. de Heer, De Dynamica v./h. Zoogdierhart. Utrecht 1912. 2) DeHeer, |. c. 3) T. Lewis, The Events of the cardiac Cycle in „Further Advances in Physiology“. London 1908. 4) Benjamins, |. c. S. 125. SE 560 K. F. L. Kaiser: wird als die grössere oder geringere Elastizität und Kontraktilität des Muskels, und da schliesslich die genannten Einflüsse oft gleich- zeitig und in entgegengerichtetem Sinne wirksam sind, so habe ich es vorgezogen, das Verhältnis zwischen V,—S 0, der Anspannungs- zeit, und VY,—D, der Dauer der Ventrikelsvstole, hier in Betracht zu ziehen. In der letzten Spalte hinter den sonstigen Zahlen habe ich daher niedergeschrieben, wie dieses Verhältnis zwischen V,—S 0 und V,—D ist, wenn die Dauer der ersten Periode gleich 1 ge- nommen wird. In dieser Weise kann es, wie ich meine, möglich sein, aus den Zahlen der Tabelle direkte Auskünfte über die elastischen Eigen- schaften des Herzmuskels zu erhalten und den Einfluss anderer Umstände, die, wie z. B. eine Blutdruckerhöhung, sowohl V,—$ 0 als SO—D, in gleichem Sinne abändern, so gut es angeht, auszu- schalten. Unter normalen Bedingungen wird bei einer Zunahme der Puls- frequenz keine sehr grosse Abänderung in diesem Verhältnis zwischen VS 0 und V,—D eintreten, obgleich jede dieser beiden Perioden für sich dabei grosse Änderungen zeigen kann. Diese finden nämlich bei beiden meistens im gleichen Sinne statt. Hingegen sieht man, auch schon bei geringer Insuffizienz der Herzmuskulatur, dass unter dem Einfluss einer Erhöhung der Anforderungen, die Dauer von V,—S50 sich nicht in dem Grade verkürzt, als sonst der Ab- kürzung der Systoledauer entsprechen würde. Jetzt wird das in der Regel so ziemlich Konstante Verhältnis beträchtliche Umgestal- tungen zeigen, und so wird seine Messung gewissermaassen eine Probe abgeben auf die Kontraktionsfähigkeit der Herzmuskulatur. An der Hand von den in der Tabelle gegebenen Zahlen finde ich nun folgendes: Erstens zeigt sich, dass bei jungen, gesunden Personen das genannte Verhältnis zwischen Anspannungszeit nnd Ventrikelsystole meistens 1:7 bis 1:3 beträgt und für ein und dieselbe Person während der Untersuchung sich ziemlich konstant erweist. Ermüdung ändert also wenig daran. Bei älteren Leuten findet man andere Zahlen, die von 1:6 bis 1:5 gehen, und bei Herzleidenden fand ich selbst 1:4 bis 1: 2,7. Auch ist bei beiden letztgenannten Kategorien das Verhältnis viel weniger konstant; die mit der Untersuchung verbundene Erregung und Ermüdung rufen auffällige Änderungen darin hervor. Ein neues Verfahren zur Registrierung der menschlichen Herztätigkeit. 561 Wenn bei Verkürzung der Pulsdauer das Verhältnis zwischen V,-—S O0 und V,—D sich in ungünstigem Sinne ändert und sich den bei den Herzleidenden gefundenen (wohl auf einer geringeren Kon- traktionskraft des Herzens hinweisenden) Zahlen nähert, wird man nicht fehlgehen, wenn man eine relative Schwäche des Herzmuskels annimmt. Es darf hierbei aber nicht vergessen werden, dass das Ver- sleichen der Kurven verschiedener Personen bis jetzt nur mit grossem Vorbehalt zu dergleichen Schlüssen führen darf. Vorläufig wird man wohl sicherer gehen, wenn nur die Unterschiede in Betracht sezogen werden, die die von ein und derselben Person stammenden Kurven zeigen. Gerade hierüber können die Kurven genaue Aus- künfte geben, und ich möchte darüber einige Bemerkungen machen. Aus vielen Messungen der Ausströmungsperiode, die an meinen Kurven von AP-—D gemessen werden kann, ergab sich, dass die Dauer dieser Periode merklich sich verlängert oder verkürzt, wenn die Bedingungen, unter denen das Herz arbeitet, sich umgestalten, und aus der Art, in dem diese A P—D-Periode durch diese Ein- flüsse geändert wird, schien es mir möglich, Schlüsse bezüglich des Tonus des Herzens zu ziehen. Bei ganz normaler Herzwirkung, Fig. 6, sahen wir, dass bei einer Zunahme der Pulsfrequenz die Ausströmungsdauer etwas kürzer wird. Hier wirken aber verschiedene und teilweise in entgegen- serichtetem Sinne wirksame Einflüsse ein. Ein etwas erhöhter Druck im Aortensysteme, ein rascher Ab- lauf der Ventrikelkontraktion werden die gegenseitigen Druck- verhältnisse in der Aorta und in dem Ventrikel derart abändern, dass die Öffnung der Semilunarklappen sich etwas verspätet, der Verschluss dieser Klappen etwas früher eintreten wird. Es wirkt hierbei aber noch ein Faktor komplizierend mit. Jede Erhöhung der Spannung im Innern des Ventrikels wird unter Umständen eine grössere Füllung desselben hervorbringen können !); das Schlagvolumen nimmt zu. Hierdurch ändert sich der Verlauf der Systole und wird die durch den erhöhten Druck vermehrte Füllung der Kammer zu einer Verspätung des Aorten- klappenverschlusses führen ?). 1) ©. Frank, Zur Dynamik des Herzmuskels. Zeitschr. f. Biol. 1895. 2) F. Kauders, Arbeit des linken Herzens bei verschiedener Spannung des Inhaltes. Zeitschr. f. klin. Med. 1892. 502 K. F. L. Kaiser: Die in unseren Kurven so scharf abgegrenzte Ausströmungs- periode wird in dieser Weise uns zeigen können, ob im untersuchten Falle die diese Periode verlängernden oder die sie verkürzenden Einflüsse überwiegen, das heisst, ob das untersuchte Herz unter den gegebenen Bedingungen sich gar nicht dehnt oder gerade merkbar dilatiert wird. (Die aus dieser Dilatation und aus der Vergrösserung des Schlagvolumens resultierende erhöhte Arbeitsleistung wird, weil dabei der systolische Teil einer Revolution sich zu ungunsten des diastolischen Teiles verlängert, nur auf Kosten einer rascheren Er- müdung und früher eintretenden Erschöpfung erreicht werden.) Journal y Denen. As Journal . Dauer hr Et Nr einer Herz- | strömungs- Nr einer Herz- strömungs- Dr revolution | periode ’ revolution | periode ( 1,1 0,278 0,800 0,240 0,351 0,238 0,594 0,189 0,800 0,204 0,544 0,181 0,800 0,238 0,540 0,171 0,770 0,232 0,540 0,160 0,768 0,221 0,530 0,180 | 0,722 0,209 28 0,527 0,153 | 0,710 0,196 0,500 0,161 | 0,700 0,204 0,490 0,152 BP} 0,700 0,252 | 0,480 0,152 0,665 0,204 0,470 0,194 0,669 0,207 0,462 0,184 0,650 0,183 L 0,440 0,199 0,648 0,208 0,685 0,253 0,646 0,204 ) 5 S 0,600 0,192 0,575 0,200 , ) L 0,510 0,104 ( 0,727 0,190 (| 0,800 0,250 0,672 an ' 0,800 0,133* N N, 0,783 0,148* ? } I ) 6 0,556 0,196 0,600 0,199 0,540 0,149 0,590 0,183 39 911 | 0574 0,183 0,8 Er ? 0,512 0,146 0,568 0,208 0,504 0/168 0,566 0,222 N ? 0, 564 0,200 l 0,488 0,158 98 0,560 0,180 0,899 0,350 0,560 0,135 0,850 0,256 0,558 0,183 0,899 0,240 0,548 0,152 0,768 0,256 0,540 0,187 0,750 0,225 0,537 0,135 36 0,736 0,248 0,500 . 0,184 0,720 0,240 0,486 0,187 0,670 0,256 0,470 0,194 0,640 0,240 0,462 0,184 0,620 0,232 L 0,440 0,199 0,544 0,192 Ein neues Verfahren zur Registrierung der menschlichen Herztätigkeit. 563 a ‚300 |1.100 ü 2583. .250| .900.\"\ 2. ee a, ‚150.500 \ Nun tritt, wenn eine Untersuchung etwas lange währt, oft merk- bare Ermüdung der untersuchten Person ein, und diese zeigt sich in einer beträchtlichen Zunahme der Pulsfrequenz an. Werden die bei einer Person gefundenen Zahlen, die die Dauer einer Herzrevolution angeben, nach ihrer Grösse geordnet und hinter jede Zahl die korrespondierende Länge der Ausströmungsperiode hingestellt (s. dio Tabelle S. 562), so ergibt sich erstens, wie zu erwarten war, dass 364 K. F. L. Kaiser: die Ausströmungsperiode mit der Revolutionsdauer regelmässig sich abkürzt. Bei genauer Betrachtung der Tabelle sehen wir aber auch den Einfluss des letztgenannten Faktors, der Dilatation. Im Anfange nimmt die Ausströmungsdauer allmählich ab, aber früher oder später zeigt bei kürzer werdender Revolutionsdauer die Periode der Ausströmung eine Verlängerung, die ich nur der grösseren Füllung des Herzens zuschreiben kann. Bei einer bestimmten Fre- quenz (deren Grösse abhängig sein wird von dem Tonus des Herz- muskels) fängt das Herz an, gedehnt zu werden, und durch diese grössere Füllung verspätet sich der Aortenklappenverschluss.. Was die Pulszahl betrifft, bei der ich das Optimum zu finden glaube, so sieht man bei den verschiedenen Personen zwar keine grossen Unter- schiede; es wurden aber erstens nur Personen untersucht, die sich selbst für ganz gesund bielten, und zweitens wurde die Untersuchung jedesmal sofort unterbrochen, sobald sichtbare Ermüdung eintrat. Die graphische Vorstellung der bei den verschiedenen Personen gefundenen Zahlenreihen (s. Fig. 15) ist wohl dazu geeignet, die individuellen Unterschiede deutlich sichtbar zu machen. Es ist ohne weiteres klar, dass die punktierten und ausgezogenen Linien, die die Ausströmungsdauer resp. die Dauer einer Revolution wiedergeben, in dem Falle Nr. 53, 6 und vor allem im Falle Nr. 30 parallel sehen oder konvergieren, während in den Fällen Nr. 58, 28 und 56 die Linien deutlich divergieren. Es geht aus dieser graphischen Vorstellung hervor, wie eine gewisse Übereinstimmung besteht zwischen einerseits der geringen Raschheit, mit welcher die Pulsfrequenz zuzunehmen scheint, und der Pulszahl, bei welcher ich das Optimum zu finden glaube, und andererseits dem jugendlichen Alter und derWiderstandsfähigkeit der untersuchten Person. So zeigt sich, dass bei Nr. 53, einem gesunden Manne von 35 Jahren, während der Untersuchung das Optimum wahrscheinlich nicht überschritten wurde. Bei Nr. 23, einem ebenfalls gesunden Mann, aber 62 Jahre alt, fängt dagegen die Dilatation bei einer Puls- frequenz von etwa 122 pro Minute an; beim 59jährigen Manne mit Mitralinsuffizienz findet sich, sobald die Pulszahl mehr als 107 pro Minute beträgt, und auch wohl schon früher, das Zeichen der ein- tretenden Dehnung. Auffallend gering hingegen sind die Änderungen in der Systole bei Nr. 30, und bei diesem gesunden 20jährigen Mädchen sieht man auch nichts, was auf eine schliessliche Ver- längerung der Ausströmung hinweist. N Ein neues Verfahren zur Registrierung der menschlichen Herztätigkeit. 565 Fig. 16. Erklärung zu Fig. 16. Zwei Kurven, die erste und die fünfte einer Reihe. In jeder der beiden Kurven sind zwei Herzrevolutionen abgebildet. In der ersten entspricht ein Viereck 0,0257 Sek. und er- gaben sich die folgenden Werte für die Dauer der Phasen: In der ersten Revolution V,—SO 0,045, in der zweiten 0,0514 Beh )) » SO AR 0,0257, „ h) D) 0,0343 De » ” ARD, 0,1542, » D) b) 0,1628 De ” D) D—A; 0,1456, DM » 0,1 739 ” ” » » A,—V, 0,1199, BD) » 0,1285 ” In der zweiten Kurve entspricht ein Viereck 0,0275 Sek. und ist in der ersten Revolution VY,—SO 0,0412, in der zweiten A,-—SO 0,165 I SO APo0a. 0, 0,0366 ” ” ” ” AP—D 0,1466, „ » 9 0,1375 Dan D) » DA OL TAN u 0,1466 weiter A-—V, 0,1191 V,—SO 0,0825 SO—AP 0,0366 AP_D 0,1741 Nur ausnahmsweise glaubte ich in einer Kurve, wie z. B. in Fig. 9b, Veranlassung zu finden zu der Annahme einer unvoll- ständigen Entleerung des Herzens, einer Dilatation mit kurzdauernder Ausströmung. Die betreffende Kurve entstammt der Person Nr. 6, und in der graphischen Vorstellung der bei dieser Person gefundenen Zahlen sieht man Unregelmässigkeiten, die vielleicht hiermit zu- 266 K. F. L. Kaiser: sammenhängen und die sonst nur bei Nr. 58 gefunden werden. Durch die abweichende Form, welche die Kurven im letztgenannten Falle hatten (s. Fig. 11), können die ersten bei ganz ruhiger Herz- aktion gefundenen Zahlen (mit * angedeutet) nicht ohne weiteres mit den darauffolgenden verglichen werden. Es sei mir erlaubt, an dieser Stelle eine Bemerkung zu machen betreffs der beiden letzten Betrachtungen. Der Umstand, dass wir das gegenseitige Verhältnis der Anspannungszeit und der Ventrikel- systole resp. der Ausströmungsdauer ins Auge fassten, ist vielleicht geeignet, dem Ergebnisse unserer Betrachtungen etwas Paradoxes zu geben. Beim ersten Anblick könnte man z. B. denken, dass, wenn V,—SO mit Bezug auf V,—D oder auf AP—D klein ist, dieses sowohl auf einer sehr vollkommenen wie auf einer mangelhaften Kontraktilität des Myokards hinweisen könnte. Das Paradoxe aber verschwindet, wenn man sich daran erinnert, dass, während in dem einen Falle von einer individuellen Eigenschaft des Herzens die Rede ist, die auch bei Änderungen der Bedingungen fortwährend ihren Ausdruck finden wird in einer relativen Kürze der präsphygmischen Periode, es sich im anderen Falle darum handelt, dass bei gewissen Herzen, wenn die Anforderungen ein gewisses Maass überschreiten, die Periode der Ausströmung sich verlängert. Obgleich meistens, wie in den oben angedeuteten Fällen, das Volumen des Herzens sich nur allmählich vergrössert oder verringert, lassen sich dann und wann auch raschere Änderungen in dem Tonus des Herzens beobachten. Ein Beispiel hiervon sehen wir in Fig. 16 (S. 565), das Plethysmokardiogramm eines 50jährigen Mannes. Bei augenscheinlich ganz regelmässiger Herzaktion zeigte sich in unseren Aufnahmen (es wurden viele hintereinander gemacht), dass die Be- wesung des Herzens allmählich lebhafter wurde, was in der hier reproduzierten ersten und fünften Kurve einer Reihe aus der grösseren Ausgiebigkeit der Schlängelungen ersichtlich ist. Wie die allmäh-- lich etwas kürzer werdende Ausströmungsperiode andeutet, entleerte das Herz sich wahrscheinlich unvollständig; die Reizleitung wurde rascher (A,—V, kürzer). Bei der dritten der abgebildeten Herzrevolutionen ist diese As— V,-Periode so kurz, folgt die Ventrikelsystole der Atriumsystole so rasch, dass die Kurve den Charakter zeist, den wir als nur jüngeren Personen eigen beschrieben haben. Ein neues Verfahren zur Registrierung der menschlichen Herztätigkeit. 567 | SO Erkläruns zu Fig. 17. Zwei Aufnahmen, die hintereinander unter absolut gleichen Bedingungen aufgenommen wurden, In der ersten bringt die Herzarbeit weniger ausgiebige Bewe- sungen der Kurvenlinie hervor, und dieses rührt, wie das Messen an- gibt, daher, dass während der ersten Aufnahme das Herz ein geringeres Volumen hatte. Während der ersten Aufnahme dauerte eine Revolution 0,532 Sek., AP—D 154 Sek., D—A, 0,126 Sek. Bei der zweiten Aufnahme folsten sich die 1oszchlsne langsam, eine Revolution dauerte 0,588 Sek. Die Ausströmungszeit AP—D währte viel länger, war 0,196 Sek., die Diastole D—A, 0,140 Sek. 568 K. F. L. Kaiser: Bei dieser verfrühten Ventrikelsystole bleibt das Atrium wohl teilweise gefüllt, jedenfalls treibt, wie die kurze Ausströmungsperiode andeutet, diese Herzkontraktion viel weniger Blut aus als sonst. Bei der folgenden (vierten) Kontraktion scheint die Vorhofssystole be- sonders kräftig und die Anspannungszeit sehr lang zu sein. Der Rückstoss bei der Semilunarisöffnung ist auffallend stark und die sich hieran anschliessende Ausströmung hält sehr lange an; es wird mehr Blut als gewöhnlich ausgetrieben. In Fig. 17 (S. 567) sehen wir zwei Herzkurven, die unter gleichen Bedingungen beim Manne Nr. 6 aufgenommen sind. Die grössere Ausgiebigkeit der Bewegungen in der zweiten Kurve kann, da die Herzwirkung nicht rascher war, nur daraus erklärt werden, dass das Herz grössere Bewegungen machte. Dass in der zweiten Kurve die Ausströmungsdauer auch beträchtlich länger ist als in der ersten, weist auch auf eine grössere Kapazität des Herzens, also auf geringeren Tonus hin. Anhaltender und sehr rascher Wechsel des Herztonus werden durch das Radialissphygmogramm auf Fig. 18 (S. 569) wahrschein- lich gemacht. In dem hierzu gehörenden Plethysmokardiogramme sieht man zwei Herzrevolutionen mit ungleicher Dauer. Die Kurve macht es klar, dass diese Ungleichheit von einer ungleichen Länge der Aus- strömungsdauer herrührt. Beim Messen fand ich bei zwei aufeinanderfolgenden Herz- ‘ kontraktionen, deren Dauer 0,8138 und 0,7885 Sekunde betrug, dass die betreffende Ausströmungsperiode im ersten Falle 0,3655, im zweiten 0,2739 Sekunde lang war. Während die ganze Revo- lution mit 0,0253 Sekunde abgekürzt wurde, nahm also die Aus- strömunesdauer mit 0,0917 Sekunde ab. Die Ungleichheit der Dauer der Herzrevolutionen findet, wie diese Zahlen ausweisen, ausschliess- lich ihre Ursache in plötzlichen Änderungen des Tonus des Herz- muskels. Es ergab uns das Messen der Herzphasen, wie es so genau in unseren Kurven stattfinden kann, einen Einblick in den indivi- duellen Unterschied in der Reizleitung im His’schen Bündel, obendrein aber, und hierin liegt wohl der Vorzug der Methode, er- 1) O0. Bruns, Experimentelle Untersuchungen über den Phänomen der Herzschwäche. Deutsches Arch. f. klin. Med. Bd. 113 H.1u. 2. Ein neues Verfahren zur Registrierung der menschlichen Herztätigkeit. 569 hielten wir bestimmte Anhaltspunkte zur Beurteilung der Kontrak- tilität und des Tonus des Herzmuskels.. Wie wir, nach meiner Meinung, vorwiegend durch die Beobachtung der Änderungen, die die Herztätigkeit einer bestimmten Person während einer Unter- suchung erfährt, über den Zustand des Herzens berichtet werden, habe. ich schon hervorgehoben. ÄNSERNNSNÄRSERIRNKÄRNUNSÄRNNN Fig. 18. Erklärung zu Fig. 18. Plethysmokardiogramm und Radialis- Sphygmogramm eines 57 jährigen Mannes mit Asthma cardiale (Degene- ratio cordis). Die Pulskurve zeigt Unregelmässigkeiten sowohl was die Grösse jeder Pulswelle als was die Zeit des Auftretens derselben be- trifft. Die grösseren Wellen nehmen im allgemeinen längere Zeit in Anspruch. Das Plethysmogramm, siehe die Figur, zeigt an, dass die Unregelmässigkeit des Pulses von einer ungleichen Dauer der Periode des Ausströmens herrührt. Die erste Herzrevolution ist 0,6806 Sek., die zweite, 0,7055 Sek. lang. In der ersten dauert die Ausströmung 0,2324 Sek. in der zweiten 0,2739 Sek. Der Unterschied der Ausströmungsdauer in diesen beiden Herz- kontraktionen ist also die ausschliessliche Ursache des Unterschiedes in der Dauer beider Herzrevolutionen, derselbe wird selbst teilweise durch Abkürzung anderer Phasen kompensiert. Diese Änderungen während der Untersuchung, die Art und Weise, in der die Herztätigkeit umeestaltet wird, wenn die Pulszahl 570 K! F. L. Kaiser: sich erheblich ändert oder die Versuchsperson anfängt zu ermüden, sind, wie die Tabelle ausweist, in den verschiedenen Fällen sehr abweichend. Je nach der speziellen Widerstandsfähigkeit im bestimmten Falle werden wir in unserer Tabelle das eine Mal Zahlen finden, die bei einer Zunahme der Pulsfrequenz eine deutliche Abnahme ‚ler Systoledauer, also eine erhöhte Erregbarkeit und raschere Reiz- leitung anzeigen, während hingegen bei einer anderen Person unter «leichen Bedingungen eine relative Verlängerung der Systole sicht- bar ist. Ein Herz, das, sei es auch vorübergehend, in der letztgenannten (unvorteilhaften) Art auf erhöhte Ansprüche reagiert, wird wohl die normale Adaptationsfähigkeit eingebüsst haben. Schlussbemerkungen. Aus obigem geht hervor: 1. dass mit dem beschriebenen Apparate die Bewegungen der Unterfläche des Herzens (der linken Ventrikel und des rechten Atriums) vom Rektum oder von der Vagina aus registriert werden können; 2. dass die so erhaltenen Kurven, Plethysmokardiogramme, in ihrer Mitte durch von der Pulswelle in der Aorta abdominalis hervorgerufene Bewegungen verhüllt werden, weshalb der mittlere Teil der Kurven von einem Sphygmogramm der Bauchaorta gebildet wird; 3. dass das Verhältnis dieser beiden Teile einer Kurve einiger- maassen uns zeigt, wie die vom Herzen geleistete Arbeit sich zu dem nützlichen Effekt dieser Arbeit verhält; 4. dass die Kurven es ermöglichen, durch Messung die Dauer jeder der verschiedenen Phasen einer Herzrevolution genau zu bestimmen; 5. dass nieht nur der A,— V,-Intervall bei jüngeren kürzer und bei älteren und schwächeren Personen länger ist, aber dass auch bei ein und derselben Person beträchtliche Unterschiede in dieser Hinsicht vorkommen können. Durch Erschöpfung wird die A,— V,-Periode viel länger, durch Aufregung kürzer; 6. dass die Kurven besonders deutlich angeben, wie bei einer Vermehrung der Pulszahl fast nur ausschliesslich der.diastolische Ein neues Verfahren zur Registrierung der menschlichen Herztätigkeit. 571 —] 0.) 10. I. Teil derselben abgekürzt wird, und dass erst in zweiter Reihe auch der systolische Teil einer Kurve an dieser Abkürzung sich beteiligt; dass während einer längeren Beobachtung die Ausströmungs- zeit nicht immer gleich lang bleibt, und dass, mit gewissem Vorbehalt, die Ausströmungsdauer als Maass gelten kann für die Grösse des Schlagvolumens, die ebenfalls oft beträchtliche Abänderungen zeiet; . dass eine Vergrösserung des Herzvolumens, ausser durch eine Verlängerung der Systoledauer (hauptsächlich von einer Ver- längerung der Ausströmungszeit herrührend) auch durch die stärkeren Krümmungen und den Detailreichtum der Kurven sich erkennbar macht; dass in gewissen Fällen, wenn die Gestalt der Kurve auf eine Dilatation des Herzens hinweist, die Ausströmungszeit sehr kurz sein kann, und dass in dergleichen Fällen an eine un- vollständige Entleerung des Herzens gedacht werden muss; dass man das Verhältnis zwischen der präsphygmischen Periode und der ganzen Systolendauer gewissermaassen als ein Index der Leistungsfähigskeit des Herzens betrachten kann; bei jüngeren Personen beträgt dieses 1:7, bei älteren und schwachen nimmt es ab bis zu 1: 2,5; dass, wenn durch Ermüdung, zZ. B. bei einer längeren Reihe hintereinander gemachten Aufnahmen, die Pulsfrequenz erheb- lich zunimmt, anfänglich auch die Ausströmungeszeit sich dem- entsprechend abkürzt, dass aber von einer gewissen Frequenz an die Ausströmungsdauer wieder grösser zu werden beeinnt, und dass aus diesem Ergebnis abgeleitet werden kann, dass von diesem Optimum an das Herz sich zu dilatieren anfängt. HnD2, Karl L. Schaefer: Über die Kongruenz des psycho-physiologischen Verhaltens der unerregten Netzhautgrube in der Dämmerung und des blinden Fleckes im Hellen. Von Karl L. Schaefer. Ein passend kleines und lichtschwaches weisses Feld, welches man bei tiefer Dämmerung mit gut dunkeladaptiertem Auge be- trachtet, verschwindet wie von einer plötzlich darauffallenden Klappe bedeckt, sobald es scharf fixiert wird, und taucht hell leuchtend wieder auf, wenn man es auf die Seitenteile der Netzhaut wirken lässt. Diese Erscheinung ist bekannt gleichwie ihre Erklärung nach der von M. Schultze zuerst angedeuteten, durch Parinaud wieder aufgenommenen und schliesslich durch v. Kries nebst seinen Schülern bis ins einzelne fortgeführten „Duplizitätstheorie“, derzufolge die nur Helligkeitswahrnehmungen vermittelnden Stäbchen einer starken Empfindlichkeitssteigerung im Dunkeln unterliegen, während der Farben perzipierende Zapfenapparat nicht oder kaum adaptations- fähig ist, so dass also für das stäbchenfreie Netzhautzentrum im Gegensatze zur Peripherie Helligkeiten, welche im Anfang der Ge- sichtsfeldverdunkelung unterschwellig sind, auch bei weiterer Dauer derselben nicht sichtbar werden. Die Duplizitätstheorie ist in dem v. Kries’schen Artikel „Die Gesichtsempfindungen“ in Nagel’s Handbuch der Physiologie!) eingehend erörtert. Indessen habe ich darin nichts über die Frage gefunden, warum denn ein der Fovea in sonst dunkler Umgebung dargebotenes unterschwelliges weisses Feld schwarz erscheint. Aller- dings liegt hierin kein Problem für denjenigen, welcher auf dem alten Standpunkte beharrt, dass Stäbchen und Zapfen funktionell gleichwertige Netzhautelemente seien; denn für ihn ist es eben eine letzte Tatsache, dass jede beliebige Stelle der Netzhaut, mithin auch 1) Bd. 3, S.109f#. Braunschweig 1905. Über d. Kongruenz d. psycho-phys. Verhaltens d. unerregt. Netzhautgrube usw. 573 die Zentralgrube, auf den Mangel einer von aussen kommenden Lichterregung mit Schwarzempfindung reagiert. Anders liegt aber die Sache für den Anhänger der Duplizitätstheorie. Dieser wird geneigt sein, die Schwarzwahrnehmung des Auges im absolut finsteren Raume, deren Eigentümlichkeiten doch so offenbar mit dem je- weiligen Zustande des Sehpurpurs in innerem Zusammenhange stehen, auf den Stäbehenapparat zu beziehen, und muss folgerichtig a priori vermuten oder wenigstens mit der Möglichkeit rechnen, dass der Zapfenapparat und speziell die Fovea eine unterschwellig beleuchtete oder ganz lichtlose Fläche in total dunklem Gesichtsfelde nicht als einen schwarzen Fleck, sondern überhaupt gar nicht perzipiert. Dass nun in der Tat das letztere der Fall ist, lässt sich durch einige höchst einfache Experimente zeigen. Man mache in der Mitte eines weissen Briefbogens einen schwarzen Tintenklecks und fixiere ihn in der Dämmerung. Wenn seine Grösse im Verhältnis zum fovealen Bezirk der Netzhaut und überdies die Verdunkelung des Beobachtungsraumes richtig gewählt ist, so verschwindet er dabei vollständig, und man sieht nichts als das lückenlos helle Papier. ' Dass nicht nur ein weisses Objekt auf schwarzem, sondern ganz ebenso ein dunkles auf hellem Hintergrunde in dieser Weise un- sichtbar zu machen ist, davon kann man sich auch sonst bei den verschiedensten Gelegenheiten überzeugen. An Herbstabenden ist von mir und auf meine Veranlassung auch von anderen wiederholt beobachtet worden, dass schwarze Pfähle, verankerte Tonnen oder ähnliche Gegenstände, die über eine Wasserfläche hervorragen, geradezu unter- und wieder aufzutauchen scheinen, je nachdem man sie scharf ins Auge zu fassen sucht oder an ihnen vorbei visiert. Ähnlich verhält es sich mit Schornsteinen auf Dachfirsten, wenn man sie in der Dämmerung betrachtet, und so liesse sich leicht noch eine ganze Reihe weiterer Beispiele anführen. Die Versuche missglücken nur, wenn die Dimensionen oder die Beleuchtungs- verhältnisse nicht stimmen, oder wenn die Fixation aus Mangel an Übung nicht recht gelingen will. i Für Demonstrationszwecke empfiehlt es sich, eine Anzahl qua- dratischer Kartonscheiben von etwa 15 bis 20 cm Seitenlänge mit weissem, schwarzem und farbigem Papier zu überziehen und auf die Mitte eines jeden solehen Hintergrundes als -Fixierungsobjekt ein kleines kreisrundes Blättchen von anderer Farbe zu kleben. . Sehr prompt geschieht das foveale Verschwinden und seitliche: Wieder- Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd. 160. 33 974 | REN: Karl L. Schaefer: erscheinen eines schwarzen oder roten Fleckes auf blauem Grunde infolge der beträchtlichen peripheren Aufhellung des letzteren während der Dunkeladaptation; bei Versuchen mit weissem Untergrunde kommt. eher ‚einmal ein zweifeihaftes Resultat vor, wenn man nicht sorg- fältig genug verhütet, dass das Weiss die Schwelle der Zapfen- erregung überschreitet. Regelrechte Ausführung vorausgesetzt, gelingt aber das Ex- periment immer, und es ist dabei ganz gleichgültig, welche Farbe man einerseits dem Fixationsobjekt, andererseits der dieses um- schliessenden Fläche gibt. Die unerregte Fovea des Dunkelauges verhält sich also hierin genau so wie der blinde Fleck im Hellen. „Es ist viel darüber experimentiert und debattiert worden !), wie wir; die. dureh. die Eintrittsstelle des Sehnerven bedingte „Lücke des Gesichtsfeldes‘ mit Hilfe von psychischen Akten „ausfüllen“ und was. wir :hier eigentlich „sehen“. Am einfachsten gelangen wir zu einem. klaren Verständnis des Sachverhaltes, wie ich glaube, durch folgende Überlegungen und Versuche. \ Zeichnet man eine gerade, am besten etwas breite Linie ad, die durch eine leere Strecke. bc unterbrochen ist, und betrachtet sie so, dass sich .Dbe :genau mit einem Durchmesser oder einer Sekante des blinden Fieckes deckt, so sieht man ad kontinuierlich durch das Gesichtsfeld ziehen. Die das leere Linienstück bc re- präsentierenden Raumpunkte sind für die optische Empfindung. ein-, fach nicht vorhanden, können also auch nicht in Form einer „Lücke“ perzipiert werden. Vielmehr stossen die als Endpunkte von ab resp. de eben noch sichtbaren Punkte b und c, obwohl sie anatomisch durch die ganze Breite des blinden Fleckes getrennt sind,: funktionell un- mittelbar aneinander, während andererseits das Sichtbarwerden einer Gesichtsfeldlücke offenbar nur dann möglich ist, wenn innerhalb einer Gruppe irgendwie gereizter Netzhautelemente sich anders erregte befinden. :Das funktionelle unmittelbare Zusammenfallen von db und e ist nun aber nicht so zu verstehen, als ob sie zu einem einzigen Punkte verschmolzen gesehen würden. Um das zu ermöglichen, müsste 1) Die wichtigste ältere Literatur findet sich zusammengestellt bei v. Helm- holtz, Physiologische Optik, 2. Aufl.; Übersicht über die gesamte physiologisch- optische Literatur bis zum Schlusse des Jahres 1894, II, $ 18, 1. Aus der neueren .Literätur seien hier noch erwähnt: Brückner, Pflüger’s Arch. Bd. 136, 1910 und Werner, Pflüger’s Arch. Bd. 155, 1913. Über d. Kongruenz d. psycho-phys. Verhaltens d. unerregt. Netzhautgrube usw. 575 entweder der eine von ihnen auf die andere Seite des blinden Fleckes hinüberprojiziert werden oder eine Zusammenziehung beider, etwa in der Mitte ihrer Distanz, stattfmden. Dem widerspricht jedoch der Umstand, dass die lichtempfindlichen Randpunkte der Papille mit den anderen Netzhautpunkten und insbesondere mit der Zentralgrube in einem festen Verhältnis der räumlichen Orientierung stehen, weiches durch die gelegentliche teilweise oder völlige Ein- beziehung der Sehnerveneintrittsstelle in den Bereich des. jeweils gegebenen Netzhautbildes nicht in so erheblichem Maasse gestört werden kann, wie es das Zusammenfallen von 5b und c erfordern würde. & x Es liegen also hier gewissermaassen zwei Prinzipien mit- einander im Wettstreit, die rein empfindungsmässige Koinzidenz und die lokalisatorische Trennung der Punkte b und ce. Da beide Prinzipien zwingend sind, muss es zu einem Kompromiss kommen, welches nur darin bestehen kann, dass die Punkte zwar räumlich getrennt, aber durch eine Verbindungslinie von gleicher Farbe zu einer Einheit verknüpft gesehen werden. Markiert man mit Tinte auf weissem Papier die Endpunkte eines — etwa des horizontalen — Durchmessers der Projektion des blinden Fleckes, wobei der vor einigen Jahren !) von mir beschriebene „Apparat für Demonstrationen und Versuche über den blinden Fleck“ sehr gute Dienste leistet, dann sieht man in der Tat bei richtiger Fixation die sie scheinbar verbindende Linie. Die Punkte müssen recht schwarz und nicht zu klein sein. Bei einem Abstande von 20 cm zwischen Fixierpunkt und Cornea fand ich es zweckmässig, ihnen. einen Durchmesser von rund 3 mm zu geben und sie dann noch) etwas in der Richtung gegeneinander zu verbreitern. Lässt ‘man: unter diesen Umständen den Blick ein wenig von rechts nach links und umgekehrt über dem Fixierzeichen hin und her schwanken, so erscheint bald der eine, bald der andere Punkt und bei einer mittleren Stellung, freilich einigermaassen schattenhaft, die subjek- tive Verbindungsstrecke. Ein weiterer Modus, die letztere sichtbar zu. machen, besteht darin, dass man durch die Fixiermarke eine vertikale Linie zieht und den Blick längs dieser auf und ab wandern lässt. Während seines Durchganges durch die Marke treten: die Punkte zur Linie zusammen, vorher und nachher auseinander. ‘ı l) Zeitschr. f. biol. Technik u. Methodik Bd. 2, S. 39ff. 1910. 38 * 576 Karl _L. Schaefer: Das gleiche Resultat in anderer Form bekommt man, wenn man möglichst exakt die Umgrenzung des eigenen blinden Fleckes in bekannter Weise schwarz auf weissem Grunde aufzeichnet. Ist die Randlinie nicht zu schmal gemacht, so wird die Projektion der Sehnerveneintrittsstelle als komplette dunkle Scheibe wahrgenommen ; eine Zusammenziehung der Peripherie in den Mittelpunkt als Folge einer optischen Verschmelzung der einander gegenüberliegenden Randpunkte findet jedenfalls ganz und gar nicht statt. Nach der Duplizitätstheorie lässt sich das Dunkelauge mit un- errestem Zapfenapparat physiologisch so auffassen, als bestände seine lichtempfindliche Netzhautschicht lediglich aus dem Stäbchenapparat mit einem Loch oder einem zweiten blinden Fleck an der Stelle der Zentralgrube. Auf diesen zweiten blinden Fleck kann man nun alle soeben bezüglich des optischen Verhaltens der Papille an- gestellten theoretischen Betrachtungen übertragen und desgleichen die zugehörigen Versuche. Was deren Technik anlangt, tut man allerdings gut, nicht schwarze Objekte auf weissem Papier, sondern umgekehrt helle auf dunkler Unterlage zu verwenden, weil alsdann die Deutliehkeit der Erscheinungen viel befriedigender ist. Man schneide also beispielsweise aus glänzendem, weissem, etwas steifem Papier zwei Streifehen von 2 cm Länge bei 5 mm Breite und lege sie so auf eine Schiefertafel, dass sie zusammen eine gerade Linie bilden, jedoch noch einen Spalt von einem oder einigen Millimetern zwischen sich lassen. Bei der Beobachtung im Dunkeln kann man nötigenfalls die Papierstreifen mittels einer Nadel oder der Spitze eines Federmessers noch etwas zurechtrücken. Wird der Spalt bei guter Dunkeladaptation aus richtiger Entfernung präzise fixiert, so verschwindet er vollständig, und es erscheint ein einziger, nirgends unterbrochener weisser Streifen im Gesichtsfelde, während die schwarze Trennungslinie sich sofort scharf abhebt, wenn man daran vorbeisieht.e. Es ist bemerkenswert, wie ver- waschen die Konturen der weissen Streifen im ersteren Falle sind und wie deutlich sie sich im zweiten markieren. Bildet man andererseits aus einer Reihe weisser quadratischer Papierschnitzelehen von ca. 3 mm Seitenlänge einen Ring, der möglichst genau der Um- randung der Fovea entspricht, so wird in der Dämmerung die ganze von ihm umschlossene Fläche beim Visieren auf den Mittelpunkt als ein unbestimmt heller Fleck gesehen. Sobald aber der Blick zur Seite abschweift, tritt der weisse Ring mit dem schwarzen Zentrum Über d. Kongruenz d. psycho-phys. Verhaltens d. unerregt. Netzhautgrube usw. 577 und mit den schwarzen Zwischenräumen zwischen den einzelnen kleinen Quadraten klar hervor. Wir haben also auch hier offenbar ganz analoge Befunde wie beim blinden Fleck im Hellen. Zur weiteren Bestätigung dieser Kongruenz können Versuche wie die nachstehenden dienen. 1. Legt man auf dunklem Grunde zwei weisse Papierstreifen von etwa 7 em Länge und 7 mm Breite so übereinander, dass ein recht- winkeliges, gleichschenkeliges Kreuz entsteht, und macht die, ein Quadrat von 7 mm Seitenlänge darstellende, Fläche, in der die Kreuzarme sich schneiden, schwarz, so wird dieses schwarze Zentrum nicht nur dann, wenn man es bei Tage auf dem blinden Fleck sich abbilden lässt, sondern auch wenn man es beim Dämmerungssehen fixiert, subjektiv weiss. In beiden Fällen wirkt das scheinbar lücken- lose Hindurchgehen der Schenkel durch die Mitte des Kreuzes sehr zwingend. 2. Man schneide sich aus weissem Papier ein beiläufig 7 cm langes und halb so breites Rechteck, beschreibe um den Mittelpunkt der einen Längsseite mit dem Zirkel einen Halbkreis von 1 cm Radius und schwärze oder entferne die Halbkreisfläche. Für die Fovea des Dunkelauges wie für den blinden Fleck im Hellen ist die so entstandene Lücke nicht vorhanden, das weisse Rechteck vielmehr durchaus vollständig. 3. Ein 7 cm langes und breites Quadrat werde durch eine horizontale und eine vertikale Mittellinie in vier gleiche, mit den inneren Ecken im Mittelpunkt des grossen zusammenstossende, kleinere Quadrate zerlegt und von diesen das obere rechte sowie das untere linke geschwärzt; den Mittelpunkt bedecke man mit einem dunklen Scheibehen. Wird letzteres in der Dämmerung fixiert, so verschwindet es wie in durchsichtiges Glas verwandelt, und man glaubt, die sich berührenden Ecken der beiden schwarzen Quadrate zu sehen. Wenigstens ist dies die Regel, wenn man den Blick nach einer Beobachtungspause rasch und genau auf den Mittel- punkt einstellt. Bei längerem und aufmerksam prüfendem Hin- sehen verschwimmen leicht die Konturen und entwickelt sich eine Art Wettstreit zwischen Schwarz und Weiss, so dass zuweilen geradezu ein scheinbares Hin-und-her-Wailen der schwarzen Spitzen gegen das Zentrum und wieder. zurück eintritt. Für den blinden Fleck gilt in der Hauptsache dasselbe. Bei mehr flüchtiger Be- trachtung glaubt man auch hier die Spitzen der vier Quadrate zu- 578 Karl L. Schaefer: sammenstossen zu sehen; sofern man aber die Kanten mit aller Aufmerksamkeit bis in den Mittelpunkt zu verfolgen strebt, werden sie in der fraglichen Gegend derartig verwaschen, dass man kaum sagen kann, ob man dort Schwarz oder Weiss vor sich hat. 4. Lege ich bei Tageslicht auf einen grauen Untergrund ein Kreuz, das aus einem schwarzen und einem weissen Schenkel be- steht, und lasse das Netzhautbild der Schnittstelle auf den blinden Fleck fallen, so wird es mir sehr schwer zu entscheiden, ob ich den einen oder den anderen Kreuzarm durch die Lücke hindurch- ziehen sehe. Manchmal scheint ein Wechsel stattzufinden; zumeist ist aber ein bestimmtes Urteil ganz unmöglich. Während des Fixierens der Schnittstelle in der Dämmerung stellen sich regel- mässig ganz ähnliche Erscheinungen ein wie bei dem bekannten „Wettstreit der Sehfelder“: bald sieht die Kreuzung rein weiss aus, bald tief dunkel, dann wieder einmal verschwommen grau. Dabei ist auch die Figur als Ganzes etwas undeutlich; mindestens heben sich die Ränder viel weniger scharf vom Untergrunde ab, als wenn man das Kreuz im indirekten Sehen betrachtet. 9. Auf einer gewöhnlichen Schulschiefertafel, welche durch feine rote, sich rechtwinkelig kreuzende Linien in quadratische Felder von. 6 mm Seitenlänge abgeteilt ist, werden kleine Quadrate aus weissem Papier von derselben Grösse so in einer horizontalen Reihe geordnet, dass immer zwischen je zwei weissen Quadraten ein schwarzes bleibt. Betrachtet man bei Tage diesen Streifen aus möglichst grosser Nähe, indem man eines der weissen Scheibchen auf dem blinden Fleck verschwinden lässt, so bemerkt man deutlich die Lücke als solche in der Farbe des Grundes. Bei grösserem Abstande des Auges hat man dagegen den Eindruck, als ziehe die Reihe der weissen Punkte ohne Unterbrechung durch die Projektion der Papille. Dieser Zustand tritt dann ein, wenn infolge der mangel- haften Distanzschätzung im indirekten Sehen die, drei schwarze Quadrate betragende, Entfernung der beiden, dem ausfallenden Scheibehen zunächst benachbarten, weissen Quadrate nicht merklich grösser erscheint als der nur einem schwarzen Quadrat gleiche Zwischenraum der übrigen. Es wäre falsch, die Erklärung etwa darin suchen zu wollen, dass man durch einen Vorstellungsakt ein imaginäres weisses Feld in die Gesichtsfeldlücke einsetze; denn wenn während des Versuches alle sichtbaren weissen Scheibchen einzeln Über d. Kongruenz d. psycho-phys. Verhaltens d. unerregt. N etzhautgrube usw. 579 irgendwie markiert werden, findet sich nachher keine Marke im Bereich des blinden Fleckes. Bildet man aus den weissen Quadraten auf der schwarzen Tafel eine (nicht zu kleine) schachbrettähnliche Figur und bringt deren Zentrum in die Region des blinden Fleckes, so wird dasselbe aus dem gleichen Grunde in der Nähe als wahre Lücke gesehen, während aus der Ferne die Schachbrettfelder komplett erscheinen. - Auf die Fovea des dunkeladaptierten Auges übertragen, führen diese Versuche zu einem analogen Ergebnis. Beim Fixieren einer der kleinen weissen Flächen aus geringem Abstande tritt eine scharf begrenzte schwarze Lücke an ihre Stelle; aus grösserer Entfernung jedoch sieht man den Streifen resp. die Schachbrettfigur verwaschen hell ohne deutliche Unterbrechung. | ki Die vorstehenden Beobachtungsresultate geben noch zu einigen erläuternden und ergänzenden Bemerkungen Anlass, welche sich auf die Zentralgrube und den blinden Fleck in der nämlichen Weise beziehen. Wean ihre Umrandung überall gleichartig erregt wird, so zeigt 'sieh uns auch die Gesichtsfeldlücke selbst, mag es sich um die Fovea oder um die Papille handeln, in ebenderselben Färbung. In jedem solchen Falle ist der Eindruck zwingend, das Urteil leicht und be- stimmt. Dies ist auch durchaus verständlich. Denn wenn schon, wie oben konstatiert werden konnte, ein einzelnes Paar sich gegen- überstehender gleichfarbiger Randpunkte durch eine Überbrückung der Lücke verbunden erscheint, so muss die letztere offenbar durch lauter solche Brücken völlig ausgefüllt gesehen werden, wenn die Endpunkte ihrer sämtlichen Durchmesser bzw. Sekanten überein- stimmend erregt werden. : - In unserem Versuch 1 ist die Gesichtsfeldlücke ebenfalls, so- fern sie nicht wesentlich grösser genommen wird als die Schnittstelle der Kreuzarme, ziemlich überall von weissen Punkten eingerahmt. Man kann aber das Ergebnis auch dahingehend interpretieren, dass sowohl der horizontale als auch der vertikale weisse Streifen für sich subjektiv ganz durch die Lücke hindurchgehen würde und folglich beide zugleich dort eben in Überkreuzung gesehen werden müssen. Der Versuch 2 lässt sich so auffassen, dass man sich das Recht- eck in eine Anzahl paralleler Längsstreifen zerlegt denkt. Da jeder einzelne derselben ununterbrochen erscheinen würde, so kann es sich auch mit ihrer Summe nicht anders verhalten. 580 K.L. Schaefer: Über die Kongruenz des psycho-phys. Verhaltens etc. Denken wir uns um den Mittelpunkt des zu Versuch 3 benutzten grossen Quadrates, also um den gemeinsamen Eckpunkt der vier kleinen, einen Kreis von der ungefähren Grösse der Gesichtsfeldlücke geschlagen, so ist der linke obere und der rechte untere Quadrant der Peripherie von weissen Punkten eingefasst, der rechte obere und der linke untere von schwarzen. Hieraus ergibt sich die Tendenz, während der Beobachtung entweder von links oben nach rechts unten einen weissen oder von rechts oben nach links unten einen schwarzen Streifen durch die Lücke ziehen zu sehen. Anderer- seits besteht auch eine Neigung, die Ecke eines isoliert auf weissem Grunde liegenden schwarzen Quadrates, wenn man sie zur Deckung mit der Gesichtsfeldlücke und mithin objektiv zum Verschwinden bringt, subjektiv wieder zu ergänzen; eine Erscheinung, welche für die Fovea noch ausgesprochener gilt als für den blinden Fleck. So kommt es denn in dem Versuch 3 zu dem Wettstreit oder der Un- entschiedenheit zwischen diesen drei Möglichkeiten, die Lücke sub- jektiv auszufüllen. Insbesondere erklärt sich das oben beschriebene eigentümliche Wogen und Wallen der aneinander stossenden Quadrat- spitzen aus der abwechselnden Wahrnehmung der beiden schwarzen Ecken und des schrägen weissen bzw. schwarzen Streifens. „Das Eintreten eines Wettstreites, dem wir ja auch in Versuch 4 wieder begegneten, bedarf wohl an sich keiner weiteren Erörterung in diesem Zusammenhange. Als auffallend möchte ich nur hervor- heben, dass für mich und viele andere eine gerade Linie, selbst eine ganz schmale, die in irgendeiner Richtung die Lücke des Gesichtsfeldes durchsetzt, an dieser Stelle niemals einen deutlichen Ausschnitt zeigt, sondern höchstens etwas mehr verwaschen aussieht. Da nur zwei Randpunkte der Lücke die Farbe der Linie, die übrigen jene des Untergrundes haben, so wäre man wohl berechtigt, gerade hier einen Wettstreit und zwar vorwiegend zugunsten des Grundes zu erwarten. Dass das Gegenteil der Fall ist, dürfte mit der durch häufige Übung eingeprägten Gewohnheit zusammenhängen, eine ein- fache Linie gleich anderen geometrischen Figuren im Blickfelde des Bewusstseins vom Hintergrunde gleichsam zu isolieren und letzteren wesentlich zu vernachlässigen. »8l Formveränderungen des V.-E.-G.s!) in Abhängigkeit von der Lage der ableitenden Elektroden am Herzen. Von Dr. S. Woronzow. (Mit 9 Textfiguren.) Einleitung. Wir müssen zugeben, dass wir von den Ursachen, die eine be- stimmte Form des Elektrokardiogrammes hervorrufen, noch eine sehr vage Vorstellung haben. Die verschiedenen Erklärungen der Form des Elektrokardiogrammes erscheinen bis jetzt bloss als Ver- mutungen. Den Grund dafür muss man in bedeutendem Maasse darin suchen, dass bei der Erforschung der elektrischen Erscheinungen am Herzen hauptsächlich die indirekte Ableitung angewandt wird. Trotz der zahlreichen Vorzüge dieser Methode birgt sie den für die Erklärung der Formbildung des E.-K.-G.s wichtigen Mangel in sich, dass sie die Erscheinung äusserst summarisch wiedergibt; beim Auf- treten irgendwelcher Veränderungen im E.-K.-G. ist es schwer, genau zu bestimmen, welchem Umstand man sie zuschreiben soll. Viel besser ist in dieser Hinsicht die direkte Ableitung. Allein die Verfasser, die sie anwandten, gaben sich jede erdenkliche Mühe, . die ableitenden Elektroden an bestimmten Punkten an der Ober- fläche des Herzens zu befestigen, wodurch sie meiner Meinung nach diese Methode der ersten nahe brachten. Dieses Streben der Autoren, die ableitenden Elektroden am Herzen zu fixieren, wurde von den Zwecken, die sie mit ihren Versuchen verfolgten, vollkommen gerecht- fertigt. Nun aber ist für die Klarlegung der Frage über die Bedeutung der Form des E.-K.-G.s die Untersuchung der Veränderungen des Elektrogrammes des Herzens bei verschiedenen Lagen der ableitenden Elektroden an seiner Oberfläche von grosser Wichtigkeit. Das Ver- 1) Nomenklatur nach Samojloff. Pflüger’s Arch. Bd. 135. 582 DS, Woronzow: _ gleichen der bei verschiedenen Lagen der ableitenden Elektroden erzielten Elektrogramme muss uns die Möglichkeit geben, über den Unterschied in der Zeit des Auftretens der Erregung in den ab- zuleitenden Punkten des Herzmuskels, über die Kraft der elektro- negativen Veränderungen und ihre Dauer in diesen Punkten zu ur- teilen. Ausserdem kann man auf diesem Wege in gewissem Grade die Bahn verfolgen, längs welcher die Erregungswelle sich im Herz- muskel ausbreitet. Die Methode der Ableitung der verschiedenen Teile des Herzens zur Erforschung des Elektrogrammes des Froschherzens wurde, so viel mir bekannt, zum ersten Male von Gotch!) angewandt, der sich dabei noch des Kapillarelektrometers bediente. Späterhin stellte Seemann?) schon mit einem Saitengalvanometer in dieser Richtung Versuche an. Er beschränkte sich übrigens auf eine Wiederholung der Gotch’schen Versuche. Diese beiden Forscher wandten nur drei Kombinationen an: 1. der an den Vorhof anstossende: Basis- abschnitt, 2. die Spitze, 3. die am Aortenursprung belegenen Teile der Atrioventrikularrinne. Zur genaueren Erforschung der Veränderungen des Elektro- erammes des Herzens bei Ableitung seiner verschiedenen Punkte unternahm ich vorliegende Untersuchung des Froschherzens und wollte klarlegen, inwieweit die Veränderungen Aufschluss über die Prozesse geben können, die der Formation des E.-G. zugrunde liegen. Ich liess aber auch den Umstand nicht ausser acht, dass die elektrischen Kurven, die wir bei der einen oder der anderen Lage des Elektroden am Herzen erhalten, uns nicht nur diejenigen elektrischen Veränderungen wiedergeber, welche an den abzuleitenden Punkten stattfinden, sondern dass sich ihnen in gewissem Maasse nach dem Prinzip der Stromverzweigung auch elektrische Ver- änderungen der anderen Teile des Herzens beigesellen?). Dieser letzte Umstand erschwerte die Sache um ein Beträchtliches, schloss 1) Gotch, Capillary Electrometer Records of the Electrical Changes during the Natural Beat of the Frog’s Heart. Proceedings of the Royal Society London B vol. 79 p. 323. 1907. } 2) J. Seemann, Elektrogrammstudien am Froschherzen. Zeitschr. f. Biol. Bd. 59 S. 53. 1912. 3) Vgl. Kraus und Nicolai, Das Elektrokardiogramm des gesunden und kranken Menschen. Viertes Kapitel. Leipzig 1910. — Clement, Zeitschr. f. Biol. Bd. 53 S.110. 1912, und Selenin, Pflüger’s Arch. Bd. 146 H. 6—9. 1912. =" Bi: % ä . Formveränderungen des V.-E.-G.s in Abhängigkeit etc. 583 aber die Möglichkeit nicht aus, mit Hilfe der Analyse’ festzustellen, was man der Stromverzweigung aus anderen Teilen des Herzens und was man den elektrischen Veränderungen in den abzuleitenden Punkten selbst zuzuschreiben babe. Anordnung der Versuche. Bei meinen Versuchen bediente ich mich des Froschherzens. Dem Tier wurde das Gehirn und das Rückenmark zerstört, der Brustfellraum und das Perikardium geöffnet, wobei ich besonders darauf achtete, dass das Herz nicht beschädigt würde. In den Fällen, wenn das Herz suspendiert wurde, liess ich stets einige Zeit verstreichen, bis der Einfluss der Verletzung der Neulnelpitze ge- schwunden war. Das Herz wurde mit Hilfe der gewöhnlichen, nicht polarisier- baren Tonstiefelelektroden abgeleitet; diese Elektroden wurden mit dem Herzen mittels baumwollener oder wollener, in physiologische Kochsalzlösung getauchter Fäden verbunden. D Die Empfindlichkeit des Galvanometers (Einthoven’s Saiten- galvanometer, grosses Modell von Edelmann) war folgende: beim Durchlassen eines Stromes durch die Umwicklung des Elektro- masnetes von der Stärke von 2 Ampere und bei einer Saitenspannung in der Kette von 4 M.-V. beträgt die Abweichung der ee em bei allgemeiner Vergrösserung von ca. 750 mal. Photographiert wurden die Elektrogramme mit dem photo- graphischen Apparat von Edelmann. Die Messung der Ableitung wurde durch das Ändern der Lage der Elektroden längs der Oberfläche des Herzens ausgeführt. Als Ausgangspunkt für meine Untersuchungen diente mir folgende Lage der Elektroden: die eine befand sich an der Spitze des Ventrikels, die andere an den Vorkammern!) von der ventralen oder dorsalen Seite. Nachdem mehrere Elektrogramme bei dieser Lage photographiert waren, wurde eine der Elektroden allmählich in bestimmter Richtung weitergeschoben, und bei jeder einzelnen 1) Der Kürze wegen werde ich überall die erste Elektrode die apekale, die zweite die basale nennen. Diese Bezeichnung werde ich auch in dem Fall beibehalten, wein infolge der Verschiebung des einen sich ihre gegenseitige Lage verändert: wenn die basale Elektrode der Spitze näher liegen sollte, n die apekale, werde ich sie dennoch basale nennen und umgekehrt, 584 S. Woronzow: veränderten Lage der Elektrode wurden mehrere E.-G. photographiert. Nachdem‘ die Elektrode alle möglichen Lagen eingenommen. hatte, wurde sie auf. die Ausgangsstelle zurückverlegt, und aufs neue wurde ein E.-G. photographiert, um sich zu überzeugen, dass während dieser Zeit keine solchen Veränderungen am Herzen vorgegangen sind, die schon an sich ohne Änderung der Ableitung gewisse Ver- änderungen der Form des E.-G. hervorrufen. Beinahe ausnahmslos erhielt ich in solchen Fällen die anfängliche Form des E.-G. Die Anordnung der Apparate war eine derartige, dass das Hinaufheben der Saite auf den Figuren der Elektronegativität der basalen Elektrode entsprach. Veränderungen der Zacken 0, R und 8 des Ventrikel- elektrogramms. Ich werde mit der Beschreibung der Veränderungen der Anfangs- zacken des V.-E.-G.s: beginnen und darauf zu den Veränderungen der 7-Zacke übergehen. Allein ich bediene mich dieser Einteilung bloss der Bequemlichkeit bei der Beschreibung wegen, denn ich sehe zwischen den einzelnen Zacken des ventmikelelekirograrans keinen prinzipiellen Unterschied. Leitet man das rosrhherz zum Galvanometer auf. die Weise ab, dass die eine Elektrode (die basale) an der Basis des Ventrikels von der ventralen Seite oder sogar auf den Vorkammern an der- selben Oberfläche gelegen ist, und die andere (die apekale) sich an der äussersten Spitze befindet, so erhält man gewöhnlich ein V.-E.-G., das sogleich mit der A-Zacke. beginnt, häufig eine nicht grosse S-Zacke und beinahe immer eine negative T-Zacke aufweist. Nur in sehr seltenen Fällen zeigt das V.-E.-G. unter diesen Umständen eine Q- -Zacke. Der Unterschied zwischen bei solch einer Ableitung gewonnenen V.-E.-G. beim nicht suspendierten und beim suspen- dierten Herzen, wenn der Einfluss der Verletzung geschwunden ist, läuft darauf hinaus, dass im letzten Fall die Abweichungen eine be- deutendere Grösse. erreichen, ihre Form aber bleibt die gleiche. Das Verschieben der apekalen Elektrode von der äussersten Spitze des Ventrikels längs der ventralen Oberfläche der Basis zu, ruft eine. Verkleinerune der. R-Zacke "und eine Vergrösserung der S-Zacke hervor. Diese beiden Prozesse ‚(die Abnahme von & und die Zunahme, von: S) verlaufen. so lange einander parallel, bis die apekale Elektrode: ungefähr die. Grenze zwischen dem basalen und Formveränderungen des V.-E.-G.s in Abhängigkeit etc. dem mittleren Dritteil des Ventrikels erreicht. Bei dieser Lage der apekalen Elektrode erreicht R seine geringste und S seine be- deutendste Grösse. Ver- schieben wir die apekale Elektrode noch weiter zur Basis des Ventrikels, so wird $ beginnen ziemlich stark abzunehmen, und es kann sogar vollständig ver- schwinden, während R ent- weder in viel geringerem Maasse abnimmt oder seine Grösse überhaupt nicht verändert. Die Verände- rungen der Anfangszacken des V.-E.-G. beim Ver- schieben der apekalen Elektrode längs der ven- tralen Oberfläche des Ven- trikels von seiner Spitze zur Basis, während die basale Elektrode be- wegungslos auf den Vor- kammern auch von der ventralen Seite ruht, kann man auf Fig. 1a—f sehen. Auf Fig. 1a liegt die apekale Elektrode auf der äussersten Spitze; auf Fig. 1b ist sie ein wenig auf die ventrale Oberfläche geschoben; auf Fig. 1e liegt sie zwischen der Spitze und der Mitte der ventralen Oberfläche des Ventrikels; auf Fig. 1d nz Fig. 1a. Fig.1. Basale Elektrode auf den Vorhöfen der ventralen Oberfläche, apekale — anfangs auf der äussersten Spitze des Ventrikels (Fig. 1a) und von hier sich zur Basis über die ventrale Ventrikeloberfläche verschiebend. Bei Fig. 1f befindet sich apekale Elektrode an der atrioventrikularen Grenze. 586: S. Woronzow: auf der Mitte der ventralen Oberfläche; auf Fig. le näher zur Basis des. Ventrikels; auf Fig. If auf der atrioventrikulären Grenze der ventralen Oberfläche. Eine analoge Verschiebung der apekalen Elektrode längs der dorsalen Oberfläche des Ventrikels ruft ungefähr ebensolche Ver- änderungen der Anfangszacken des V.-E.-G. hervor. Der Unter- schied besteht darin, dass unter diesen Bedingungen $ keine so be- (leutende;Grösse bei der Annäherung der apekalen Elektrode zur Mitte der’ dorsalen Oberfläche des Ventrikels erreicht. Dementsprechend nimmt hierbei auch die AR-Zacke nicht so stark ab. Die Veränderungen der Anfangszacken des V.-E.-G. bei Ver- schiebungen der apekalen Elektrode sowohl längs der dorsalen als auch der ventralen Oberfläche des Ventrikels hängen wenig davon ab, auf welcher Oberfläche der Vorkammern (der ventralen oder dorsalen)- die basale Elektrode liest. Der.Einfluss der Lage der basalen Elektrode tritt in diesem Sinne viel deutlicher hervor, wenn sich die 'basale Elektrode nicht mehr auf den Vorkammern, sondern auf der Basis des Ventrikels befindet, wie wir unten sehen werden. - Die Verschiebungen der apekalen Elektrode längs der lateralen Oberflächen des Ventrikels ruft andere Veränderungen der Anfangs- zacken des_V.-E.-G.s hervor, wobei diese - Veränderungen bei’ den einzelnen Tieren nieht so beständig sind wie:die ‚oben beschriebenen. Versehiebt man die apekale Elektrode ‘von der Spitze zur Basis des Ventrikels längs seiner rechten oder linken Oberfläche, so nimmt die R-Zacke allmählich ab; diese Abnahme unterscheidet sich jedoch von der. bei der entsprechenden Verschiebung derselben Elektrode längs der ventralen Oberfläche beobachteten dadurch, dass sie nicht von einem so starken Anwachsen des S begleitet wird, und ausser- dem ist: sie auch nieht so bedeutend. Häufig kann. man sogar während der ganzen Bewegung von der Spitze bis dieht an die Grenze ein beinahe vollständiges Fehlen von $ beobachten. In anderen Fällen tritt diese Zacke bei der Beweguug bloss längs der einen der Oberflächen (der rechten oder linken) hervor, während sie beim Weiterrücken der Elektrode längs der anderen Seite voll- kommen fehlt. Wenn die S-Zacke unter diesen Bedingungen auch erscheint, so ist sie von verhältnismässig geringer Grösse, tritt am deutlichsten hervor, wenn die apekale Elektrode auf. den mittleren. Teilen des Ventrikels liegt, und verschwindet senohnlich Banzue beim Weiterrücken zur Basis hin. VERSENDEN en Baer: ET ae OA EEE RE Formveränderungen des V.-E.-G.s in Abhängigkeit etc. 587 Zur Illustration des Unterschiedes in den Veränderungen der Anfangszacken des V.-E.-G.s, der einerseits bei Verschiebung der apekalen Elektrode längs der ventralen und dorsalen und anderer- seits längs der rechten und linken Oberfläche des Ventrikels be- obachtet wird, führe ich eine Reine von V.-E.-G. an, die von einem Präparat gewonnen sind. Das Herz ist an der Spitze des Ventrikels suspendiert. Die basale Elektrode liegt auf der dorsalen Oberfläche der Vorkammern (in der Nähe des Sinus). Fig. 2a die apekale Elektrode bei der Spitze des Ventrikels auf seiner rechten Oberfläche. Fig. 2b die- selbe Lage der Elektroden wie Fig. 2a, nur ist zur Verminderung ° ‚Fig. 2a. Fig. 2b. Fig. 2. Fig. 2d. der Ablenkung der Saite in die Kette dem Galvanometer parallel ein. Widerstand von 1000 Ohm eingefügt. Fig. 2c die apekale Elektrode in der Mitte der rechten Oberfläche; Fig. 2d an der atrioventrikulären Grenze auf der rechten Oberfläche des Ventrikels. Fig. 3a bei der Spitze des Ventrikels auf seiner linken Oberfläche (im Zweigwiderstande 1000 Ohm); Fig. 3b in der Mitte der linken Oberfläche des Ventrikels (im Zweigwiderstande w); Fig. 3e' bei der atrioventrikulären Grenze auf der linken Oberfläche (im Z.-W. w); Fig. 4a bei der Spitze des Ventrikels von der ventralen Oberfläche (im Z.-W. 1000 Ohm); Fig. 4b in der Mitte der ventralen Oberfläche; Fig. 4c bei der atrioventrikulären Grenze auf der ventralen Oberfläche; Fig. 5a die apekale Elektrode bei der Spitze des Ventrikels von der dorsalen Oberfläche (im Z.-W. 1000 Ohm); 588 S. Woronzow: Fig. 5b in der Mitte der dorsalen Oberfläche des Ventrikels; Fig. 5 ec auf der Basis der dorsalen Oberfläche. Fig. 3a. Fig. 3b. Fig. Sc. Fig. 4b. Fig. 4 c. Rio. mar © Formveränderungen des V.-E.-G.s in Abhängigkeit etc. 589 Ausser dem Unterschiede in den Veränderungen der Form und der Grösse der Anfangszacken des V.-E.-G.s beim Verschieben der apekalen Elektrode längs der verschiedenen Oberflächen des Ventrikels tritt auf den angeführten E.-G. noch ein Unterschied in der. Dauer ein und derselben Zacken in den verschiedenen E.-G. hervor, Man sollte meinen, dass in den Fällen, wenn die apekale Elektrode sich an der Spitze des Ventrikels befindet, auf welcher Oberfläche sie auch liegen mag, mehr oder weniger gleiche E.-G. erhalten werden müssten, weil die räumliche Verschiebung der apekalen Elektrode hierbei sehr unbedeutend ist. Und tatsächlich fällt einem beim ersten Blick auf die Fig. 2b, 3a, 4a und 5a die Ähnlichkeit ihrer Formen auf. Bei näherer Betrachtung jedoch weisen sie einen bedeutenden Unterschied auf. Dieser Unterschied besteht ausser einigen Details der Umrisse hauptsächlich in der Dauer der R-Zacke. Durch die längste Dauer zeichnet sich die R-Zacke im E.-G. auf Fig.. 2b aus, darauf folgen bei progressiver Abnahme der Dauer Fig. 4a, 3a und 5a. Vergleicht man aber untereinander die bei der Verschiebung der apekalen Elektrode längs irgendeiner Oberfläche gewonnenen V.-E.-G., so kann ‚man, sehen, dass die Dauer der R-Zacke bedeutend abnimmt, wenn sich die apekale Elektrode der Basis des Ventrikels nähert. Eine bedeutendere Abnahme geht augenscheinlich beim Weiterrücken dieser Elektrode von der ‚Spitze zur Mitte vor sich. Das weitere Vorrücken: ver- ringert die Dauer schon in geringerem Grade (vgl. Fis. 2a, 6, d, 32,.b; ©). Auf diese Weise bedingt das Verschieben der oben Blektrode längs der Oberfläche des Ventrikels von seiner Spitze zur Basis bei unbeweglicher Lage der basalen Elektrode auf den Vorkammern die Abnahme der Grösse und Dauer der R-Zacke und die Zunahme der S-Zacke. Die Verschiedenheit in diesen Veränderungen hängt noch davon ab, längs welcher Oberfläche des Ventrikels die apekale Elektrode geschoben wird. Das Rücken der apekalen Elektrode längs der ventralen und dorsalen Oberfläche des Ventrikels ruft neben einer‘ Verringerung und Verkürzung der R-Zacke eine be- deutende Vergrösserung der S-Zacke hervor. Die Zunahme der S-Zacke geht nur so lange vor sich, als die apekale Elektrode die Grenze des basalen und mittleren Drittels des. Ventrikels nicht er- reicht hat. Ein weiteres Vorrücken der apekalen Elektrode zur atrioventrikulären Grenze führt schon zur Abnahme dieser Zacke. Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd. 160. 39 590 S. Woronzow: Ein analoges Verschieben der apekalen Elektrode längs den lateralen Oberflächen des Ventrikels vermindert die Grösse und die Dauer von R. Eine Entwicklung der S-Zacke wird hier entweder über- haupt nicht beobachtet oder sie erreicht sehr geringe Dimensionen, und zwar ausschliesslich, wenn die apekale Elektrode ungefähr in die Mitte des Ventrikels verlegt wird. Dei weiterer Annäherung dieser Elektrode zur atrioventrikulären Grenze verschwindet diese Zacke aufs neue, SOSE . Ein Verschieben der basalen Elektrode längs der Oberfläche des Ventrikels bei unbeweglicher Lage der apekalen bei der Spitze ruft nicht so bedeutende Veränderungen der Anfangszacken des V.-E.-G.s hervor wie das Verschieben der apekalen. Diese Ver- änderungen beziehen sich aan nic auf die Grösse und die Dauer der R-Zacke. Wie schon: oben erwähnt, erhält man bei ‚Ableitung der Spitze des Ventrikels und der Vorkammern in der Mehrzahl der Fälle ein V.-E.-G., das von den Anfangszacken bloss R aufweisen kann. Wenn wir nun anfangen, die basale Elektrode von den Vorkammern zur Spitze des Ventrikels vorzuschieben, so nimmt R zuerst zu, seine Dauer bleibt aber dieselbe. Dieses wird aber nur so lange der Fall sein, als die basale Elektrode das basale Drittel des Ventrikels noch nicht erreicht hat. Sobald aber die basale Elektrode sich der Spitze noch mehr nähert, nimmt sowohl die Grösse als auch die’ Dauer der R-Zaeke allmählich ab, und je näher die basale Elektrode zur apekalen rückt, desto deutlicher tritt diese Veränderung hervor. ‘Die beschriebene Veränderung der Anfangszacke beim Heran- rücken der basalen Elektrode zur apekalen hängt nicht in so hohem. Maasse davon ab, längs weleher Oberfläche des Ventrikels die basale Elektrode vorwärts geschoben wird, wie wir beim Verschieben der: apekalen Elektrode gesehen haben. Die Unterschiede in den Ver- änderungen der Anfangszacken in dem Fall, wenn die basale Elektrode längs der. ventralen oder dorsalen Oberfläche, .oder in dem Fall, wenn sie längs einer der lateralen Oberflächen geschoben wird, be- stehen hauptsächlich darin, dass beim Rücken dieser Elektrode längs der lateralen - Oberflächen die AR-Zacke nicht so bedeutende Ver- änderungen ihrer Grösse aufweist wie beim Rücken dieser Elektrode längs der ventralen und dorsalen Oberfläche. NE - Einen 'bedeutenderen Einfluss übt auf die Verben das Suspendieren: des ' ‚Herzens aus. So ruft z. B. ein Vorrücken der Formveränderungen des V.-E.-G.s in Abhängigkeit ete. 59] basalen Elektrode zur Spitze des Ventrikels längs der ventralen Oberfläche eines nicht suspendierten Herzens beinahe imıner ausser den beschriebenen Veränderungen von A das Auftreten der Q-Zacke hervor. Diese Zacke er- scheint, wenn die basale Hlektrode die Mitte des Ventrikels erreicht hat. Nach dem Suspendieren jedoch ruft ein analoges Vorrücken der basalen Elektrode längs der- selben Oberfläche des Ventrikels keine Q-Zacke mehr hervor. Die Veränderungen der Form der V.-E.-G. beim Verschieben der basalen Elektrode längs der. ventralen Oberfläche des Ventrikeis, angefan- gen von den Vorkammern bis zur äussersten Spitze des Ventrikels, kann man auf den Fig..6a, b, c,d und. e sehen. Alle fünf Elektro- eramme sind von ein und demselben Präparat gewonnen. Dasiealle von einer photographischen Aufnahme herstammen, so sind die Zeitpausen, die sie trennen, sehr un- bedeutend. Die apekale Fig. 6e. la: auf den Vorhöfen der ventralen auf der Grenze des basalen und mittleren Ventrikeldrittels, Fig. 6d: Fig. le: auf dem apekalen Ventrikeldrittel, Fig. 6 c. Fig. 6b. lektrode auf der äussersten Spitze des Ventrikels, basale — Fig. b: auf der Basis des Ventrikels, Fig. le: ig. 1d: auf dem mittleren Ventrikeldrittel, BE Elektrode befand sich << = die ganze Zeit über unbe- = S z weglich an der Spitze des = a Ventrikels. Auf Fig. 6a ZE liegt die basale Elektrode Se 99 * 592 S. Woronzow: auf der ventralen Oberfläche der Vorkammern; auf Fig. 6b auf der Basis des Ventrikels; auf Fig. 6e auf der Grenze zwischen dem basalen und mittleren Drittel des Ventrikels; auf Fig. 6d auf dem mittleren Drittel des Ventrikels und auf Fig. 6ce auf dem apekalen Drittel des Ventrikels. Und so führt denn das Herannahen der basalen Elektrode vom Vorhof zur Spitze des Ventrikels bei umbeweglicher Lage der apekalen auf der Spitze zuerst zu einem gewissen Anwachsen der R-Zacke, darauf aber, wenn die basale Elektrode ungefähr die Grenze zwischen dem basalen und mittleren Drittel des Ventrikels erreicht, vermindert ihr weiteres Vorrücken sowohl die Grösse als auch die Dauer von R. Unter den anderen Kombinationen der ableitenden Elektroden verdient Beachtung die Anordnung der Elektroden auf dem Herzen in einer Ebene senkrecht zu seiner Längsachse. Die bei solch einer Ableitung gewonnenen V.-E.-G. zeichnen sich dadurch aus, dass ihre Anfangszacken von unbedeutender Grösse und sehr kurzer Dauer sind, und dass sie ihrer Form nach an den zweiphasischen Aktionsstrom der Muskeln erinnern. Mit anderen Worten, die V.-E.-G. weisen von den Anfangszacken nur zwei auf: entweder R und 8 oder ) und Z%, wobei sich die Zacken ihrer Grösse nach wenig voneinander unterscheiden. Welches von den angeführten Zacken- paaren erscheinen wird (R und 8 oder @ und R) im V.-E.-G., das hängt ausser von der Lage der Elektroden augenscheinlich auch von den individuellen Eigentümlichkeiten des Präparates ab. So z. B. wenn wir die ableitenden Elektroden folgendermaassen anordnen: die basale in der Mitte der ventralen Oberfläche, die apekale in der Mitte der dorsalen, so können wir sowohl die eine als auch die andere Form des V.-E.-G. (mit Q@ und R und mit R und 8) erhalten. Selbstverständlich ist es schwer mit dem Augenmaass zu bestimmen, ob die Elektroden in einer zur Längsachse des Ventrikels senkrechten Ebene liegen, man kann sich jedoch leicht davon überzeugen, indem man eine beliebige Elektrode zur Basis und zur Spitze des Ventrikels hin verschiebt. Bei solch einem Hin- und Herrücken werden wir sehen, dass, wenn die beweste Rlektrode sich der Spitze nähert, die eine Zacke zu- und die andere abnimmt und umgekehrt, nähern wir die Elektrode der Basis, so wächst die Zacke, die früher abnahm, und es verkleinert sich die Zacke, welche zunahm. Unter den verschiedenen Lagen der umhergeschobenen Formyeränderungen des V.-E.-G.s in Abhängigkeit etc. 593 Elektrode wird sich auch solch eine befinden, während welcher ent- weder beide Zacken gleich sein werden oder doch ihr Unterschied ein Minimum erreichen wird. Solch eine Lage eben bezeichne ich als die Lage in einer Ebene senkrecht zur Längsachse des Ventrikels. Bei solch einer Lage der Elektrode werden sich bei ein und demselben Präparat die V.-E.-G. durch die Anfangszacke (entweder © und R oder R und 5) in Abhängigkeit davon unterscheiden, welche Elektrode auf der ventralen und welche auf der dorsalen Oberfläche liegt. (Bei der einen Kombination werden wir Q und R und bei der anderen % und $ erhalten.) Bei verschiedenen Prä- paraten jedoch können in bezug auf die Anfangszacken verschiedene (einander entgegengesetzte) V.-E.-G. bei sonst gleichen Bedingungen entstehen. Diese Unterschiede gerade schreibe ich den individuellen Eigentümlichkeiten zu. In einigen Fällen und besonders wenn beide Elektroden derart an der Basis des Ventrikels angeordnet sind, dass die eine auf der ventralen und die andere auf der dorsalen Oberfläche liegt, ent- halten die V.-E.-G. von den Anfaneszacken nur eine einzige, die der Negativität der einen oder der anderen (der ventralen oder dorsalen) Elektrode entspricht. Jedoch auch in diesen Fällen ver- füst diese Zacke über eine unbedeutende Grösse und Dauer. Das Vorrücken aber einer der Elektroden zur Spitze ruft nun jedesmal das Auftreten einer zweiten Zacke hervor. Fig. 7a illustriert ein E.-G., das bei der Lage der basalen Elektrode auf der Basis des Ventrikels von der ventralen Oberfläche und der apekalen gleich- falls auf der Basis jedoch von der dorsalen Oberfläche gewonnen ist. Das V.-E.-G. weist nur eine Zacke auf, deren Richtung der Elektronegativität der apekalen Elektrode entspricht und die man schwer als irgendeine bestimmte Zacke des V.-E.-G.s betrachten kann. Fig. 7b stellt ein E.-G. dar, das gewonnen wurde, nach- dem die apekale Elektrode von der Basis des Ventrikeis näher zur Mitte hin längs der dorsalen Oberfläche verrückt worden war. In diesem V.-E.-G. beobachten wir ausser der Zunahme der Anfangs- zacke das Auftreten einer anderen mit einer der ersten Zacke ent- gegengesetzten Richtung. Diese Zacke kann man als R betrachten, und dann ist die erste $. Fig. 7d die apekale Elektrode ist der Spitze näher auf der dorsalen Oberfläche des Ventrikels. Bedeutende Zunahme von R und Abnahme von $. Noch mehr tritt diese Zu- nahme von % und Abnahme von $ im E.-G. auf Fig. 7e hervor. . Woronzow: [N ‚4 ( "OuaeyIagQ UAJESIOP A9P UOA 9AYIM a9p ne — ofeyode :9,, "Su ‘oydep.agg UaesIop A9P UOA S[ENLIPIENLNUOA uersyIu pun uofeseq SOp 9zualn) 2ap zue — opegode ‘ers A9STIoA ne — ofeseq :q,, "Sg oyoepuagg. usfestop A9p uoA SIseqjoyLuuaN Op June — afeyode oyary -I940 UAEAUSA. A9P UOA STONLINUHA SOp SISE AOp Fne Opoyyojqm ofeseg :eL ‘SA ‘Jaoıpuadsns 781 zuog Seq °L "Std IL a4 OL = ey) dd 995 vpunyas Z0 = INleu oz oyorglogo uajeayusA d9p uoA azyds dep uw afeseq ‘F Ioq om — opexode :3, "Sry “oyoepago uajeayusa Aop UOA AyuoyLguoA‘ 19p ne ofesıop “OydegIogg uaTesIop_dop UOA SISeqjoytmuo‘ dop ne opomyag ofegade :7) "Sg *oydepiogg uaTesıop op. uoA azydg Aap ue — opegade :9 7, "Srg ‘ayoep.logo UaTesIop AOp UOA S[oTIpjeyLNuoA Uapeyade pun uaropyu sop Azu9ag op ne — ofeyode :p), "Sy ne yL a4 2 oa. aan Formveränderungen des V.-E.-G.s in Abhängigkeit etc. 596 S. Woronzow: Dieses E.-G. wurde gewonnen, als die apekale Elektrode an der äussersten Spitze des Ventrikels lag. Darauf wurde die apekale Elektrode in ihre frühere Lage auf die Basis des Ventrikels von der dorsalen Oberfläche zurückversetzt. Es entstand ein V.-E.-G., das dem auf Fig. 7a dargestellten vollkommen entsprach. Nun wurde die basale Elektrode zur Spitze längs der ventralen Oberfläche ge- rückt. Auf Fig. 7f ist ein E.-G. dargestellt, das gewonnen wurde, als die basale Elektrode in der Mitte des Ventrikels von seiner ventralen Seite lag. Hier sehen wir wieder ausser der Zunahme der Anfangszacke das Auftreten einer zweiten, nur dass jetzt diese zweite nicht vor, sondern nach der anfänglichen auftritt. Und wenn wir früher die Anfangszacke als S betrachteten und die darauf er- scheinende .als %, so müssen wir jetzt die anfängliche als ® und die später auftretende als & bezeichnen. Genau genommen besteht aber zwischen dem vorhergehenden V.-E.-G. und dem gegebenen kein wesentlicher Unterschied; jetzt hat sich ja durch die Annäherung der basalen Elektrode zur Spitze das Verhältnis der Elektroden zur Richtung der elektromotorischen Kraft des Herzens verändert. Folglich können wir das letzte V.-E.-G. in gewissem Sinn als eine Umkehrung des V.-E.-G.s etwa desjenigen auf Fig. 7e ansehen. Der Unterschied zwischen ihnen jedoch liegt auch bei solch einer Betrachtungsart darin, dass im letzten V.-E.-G. (Fig. 7f) die Lage der Elektroden dennoch eine andere ist: dort — die Basis von der ventralen und die Mitte der dorsalen, hier — die Basis von der dorsalen und die Mitte der ventralen Oberfläche. Infolgedessen besteht die Ähnlichkeit dieser V.-E.-G. darin, dass sie beide zeigen, dass zuerst die Elektro- negativität bei der Basis und erst dann bei der Mitte des Ventrikels erscheint; die Unterschiede liegen aber darin, dass die Elektro- negativität. der. Basis jetzt später von der Elektronegativität der Mitte des Ventrikels durchschnitten und dass die der Elektro- negativität der Mitte entsprechende Zacke, im Vergleich zur anderen kleiner ist als früher. Endlich ist auf Fig. 7g ein E.-G. dargestellt, das gewonnen wurde, als die basale Elektrode auf der Spitze des Ventrikels lag. In diesem V.-E.-G. hat sich die der Negativität der apekalen Elektrode entsprechende Zacke (@) noch mehr vergrössert und hat sich die der Negativität der basalen Elektrode entsprechende Zacke (R) noch mehr verkleinert. Im allgemeinen aber erinnert dieses V.-E.-G: sehr an dasjenige von Fig. 7c, wenn man dieses letztere in Gedanken um 180° um die Abszissenachse dreht. Formveränderungen des V.-E.-G.s. in Abhängigkeit etc. 597 Aus diesem Beispiel ist zu ersehen, dass bei solch einer Lage der ableitenden Elektroden bei der Basis des Ventrikels, dass sich die eine an der dorsalen und die andere an der ventralen Ober- fläche befindet, ein V.-E.-G. entsteht, das über eine Anfangszacke verfügt, deren Riehtung von dem Vorherrschen der Elektronegativität, auf der dorsalen Oberfläche zeugt. (Dieses muss man jedoch nicht als allgemeine Regel ansehen, im- Gegenteil, unter solchen Be- dingungen kann man häufiger V.-E.-G. beobachten mit zwei Zacken, die nach entgegengesetzten Seiten gerichtet sind, es kommen aber auch V.-E.-G. mit einer Anfangszacke vor, deren Richtung vom Vor- ‘herrschen der Negativität der ventralen Oberfläche zeust.) Wenn wir nun irgendeine der Elektroden zur Spitze.hin vorrücken, so werden wir sofort das Auftreten einer zweiten Zacke beobachten. Die Aufeinanderfolge der Zacken ist folgende: Zuerst tritt die Zacke auf, die der Negativität der an der Basis verbliebenen Elektrode entspricht, darauf folet die Zacke, die der Negativität der ver- schobenen Elektrode entspricht. Die der Negativität der bewegten Elektrode entsprechende Zacke nimmt beim Vorwärtsschieben dieser Elektrode von der Basis bis zur Mitte des Ventrikels zu, beim Näherkommen zur Spitze fängt sie jedoch an, abzunehmen. Die Zacke aber, die der Negativität der an der Basis gebliebenen Elektrode entspricht, nimmt ununterbrochen während des ganzen Vorrückens der anderen Elektrode von der Basis bis zur äussersten Spitze des Ventrikels zu. Veränderungen der T7-Zacke. In einer vorläufigen Mitteilung!) habe ich in Kürze die Ver- änderungen der 7-Zacke beschrieben, die beim Verschieben der apekalen Elektrode längs der Oberfläche des Ventrikels bei un- beweglicher Lage der basalen Elektrode auf den Vorkammern be- obachtet werden. Dort wies ich darauf hin, dass bei einer Lage der apekalen Elektrode an der äussersten Spitze des Ventrikels 7 eine negative Richtung (entsprechend dem Vorherrschen der Elektro- negativität der apekalen Elektrode) annimmt, und dass das Ver- schieben der apekalen Elektrode zur Mitte des Ventrikels längs einer seiner Oberflächen zur Änderung der Richtung der T-Zacke führt. Liegt die apekale Elektrode in der Mitte des Ventrikels, so erhält 1) D. Woronzow, Zentralbl. f. Physiol. Bd.25. 1914. 598 Ss. Woronzow: man stets ein V.-E.-G. mit einem positiven 7, das dem Vorherrschen der Elektronegativität der basalen Elektrode entspricht. Solch eine Änderung der Richtung der 7-Zacke beim Rücken der apekalen Elektrode von der Spitze des Ventrikels zu seiner Basis kann man auf Fig. 1, 2, 3, 4 und 5 der hier beigefügten Abbildungen sehen. Im allgemeinen wird beim Vorrücken der apekalen Elektrode von der Spitze des Ventrikels zu seiner Basis das negative 7 bald ein zweiphasisches: mit der Abnahme des anfänglichen negativen 7 tritt eine positive Phase ein. Liegt die apekale Elektrode in der Mitte des Ventrikels, so verschwindet in. der Mehrzahl. der Fälle die negative T-Phase vollkommen, und die positive erreicht. ihr Maximum (Fig. 1). Der Abschnitt des Ventrikels, auf dem die apekale Elektrode liegen muss, damit die 7T-Zacke im V.-E.-G. eine negative Richtung hätte, umschliesst gewöhnlich nur die äusserste Spitze des Ventrikels. Zuweilen aber erstreckt er sich längs der einen oder der anderen Oberfläche des Ventrikels auch bis. zu seinen mittleren Teilen. Dieses kann man z. B. beim Vergleich der V.-E.-G. auf den Fig. 2e, 3b, 4b und 5b sehen. Während auf der linken und rechten Oberfläche des Ventrikels dieser Abschnitt nicht bis an die mittleren Teile des Ventrikels heranreicht, erstreckt er sich auf der dorsalen und ventralen Oberfläche des Ventrikels auch bis an die Mitte des Ventrikels. In einigen Fällen jedoch wird auch in dem Fall, wenn die apekale Elektrode an der äussersten Spitze liegt, ein positives 7 beobachtet. Hierbei hat diese Zacke eine un- bedeutende Grösse, und verschiebt man die apekale Elektrode längs der Ventrikeloberfläche, so kann man sich überzeugen, dass der Abschnitt, auf dem die apekale Elektrode liegen muss, damit ein negatives 7 zustande käme, von der Spitze auf die eine oder die andere Oberfläche herabgerückt ist. | | Das Verschieben der basalen Elektrode längs der Ventrikel- oberfläche bei unbeweglicher Lage der apekalen Elektrode bei der Spitze des Ventrikels ruft gewöhnlich keine Veränderungen in der Richtung der 7-Zacke hervor, längs welcher Oberfläche des Ventrikels die basale Elektrode auch geschoben werden mag. Die unter diesen Umständen beobachteten Veränderungen von 7 beziehen sich nur auf die Grösse und die Dauer dieser Zacke, und zwar beim Ver- schieben der basalen Elektrode von den Vorkammern bis zur Mitte des Ventrikels nimmt 7’ beständig zu, seine Dauer verändert sich hierbei beinahe gar nicht. Ein weiteres Näherrücken dieser Elektrode Formveränderungen des V.-E.-G.s in Abhängigkeit etc. 599 zur Spitze vermindert schon die Grösse und die Dauer von 7. Die Veränderungen der 7T-Zacke beim Verschieben der basalen Elektrode von den Vorkammern zur Spitze des Ventrikels kann man auf den V.-E.-G. von Fig. 1 sehen. Bei anderen Veränderungen der Lage der ableitenden Elektroden in bezug aufeinander weist die Richtung der 7-Zacke auf das Vor- herrschen der Elektronegativität der basalen Teile des Ventrikels hin; dieses ist aber nur so lange der Fall, bis eine der Elektroden die Spitze des Ventrikels erreicht hat oder den oben beschriebenen Abschnitt, dessen Lage mit der Spitze verbunden ist und auf dem die apekale Elektrode liegen muss, damit ein negatives 7 entstehe. Im letzten Fall wird die Richtung von 7 auf das Vorherrschen der Elektronegativität in diesem Abschnitt hinweisen. Wenn die ableitenden Elektroden in einer zur Längsachse des Ventrikels senkrechten Ebene liegen, so ist 7 entweder zweiphasisch, oder aber man kann in seiner Richtung keine gesetzmässige Verbindung mit der Vorherrschaft der Elektronegativität in dem einen oder dem anderen Teil des Ventrikels wahrnehmen, zuweilen aber fehlt 7 unter diesen Bedingungen gänzlich (Fig. 7a). Die hier beschriebenen Veränderungen der T-Zacke bei ver- schiedenen Verschiebungen der ableitenden Elektroden längs den Oberflächeu des Herzens beziehen sich hauptsächlich auf Herbst- und Winterpräparate. Bei Versuchen mit Frühjahrsfröschen, die einige Monate im Ranarium bei einer Temperatur von 5—10° ver- bracht, d. h. keinen Winterschlaf gehalten hatten, darauf die Laich- periode durchgemacht hatten und sehr erschöpft waren), erhielt ich etwas andere Resultate. Dieser Unterschied bezog sich gerade auf die 7-Zacke. So konnte man jetzt beim Verschieben der apekälen Elektrode von der Spitze zur Basis des Ventrikels bei fixierter Lage der basalen Elektrode auf den Vorkammern folgendes be- obachten: 7 veränderte nicht nur seine negative Richtung nicht, sondern im Gegenteil, 7 nahm zu; lag die apekale Elektrode in der Mitte des Ventrikels, so erreichte das negative 7 sein Maximum; bei weiterem Vorrücken der apekalen Elektrode zur Basis wurde es kleiner, und erst wenn diese Elektrode die atrioventrikuläre 1) Von ihrer allgemeinen Erschöpfung zeugte ihr abgemagertes Aussehen. Dass auch ihr Herz in Mitleidenschaft gezogen war, ist daraus ersichtlich, dass es von unbedeutender Grösse, blass rötlicher Färbung war und sehr mätt pulsierte. 600 S. Woronzow: Grenze erreichte, erhielt 7 eine positive Richtung. Beim Ver- schieben der basalen Elektrode von den Vorkammern zur Spitze des Ventrikels, wenn die apekale unbeweglich auf der Spitze des Ventrikels lag, verwandelte 7 seine Richtung aus einer negativen in eine positive, wenn die basale Elektrode die Basis des Ventrikels erreichte. Bei einer weiteren Annäherung dieser Elektrode zur Spitze nahm 7 zuerst zu und erst, wenn die basale Elektrode die Spitze erreichte, nahm es ab, behielt aber die ganze Zeit über die positive Richtung bei. Die Anfangszacken der V.-E.-G. veränderten sich auch bei diesen Präparaten bei verschiedenen Verschiebungen der Elektroden ebenso wie bei den Winter- und Herbstpräparaten. Allgemeine Betrachtungen. Zur Erklärung der Form der V.-E.-G. sind viele verschiedene Mutmaassungen geäussert worden. So z. B. sprachen Bayliss und Starling!) und in letzter Zeit Samojloff?), Boruttau?), Mines*), Solly?°) und andere den Gedanken aus, dass die Form der V.-E.-G. von der. ungleichen Dauer der Erregung in den ver- schiedenen Teilen des Ventrikels bedingt sei. Einen ähnlichen Stand- punkt in dieser Frage vertritt auch Einthoven‘). Er nimmt näm- lich an, dass alle Teile des Ventrikels mehr oder weniger gleich- zeitig in Erregungszustand geraten ’), aber nicht gleichzeitig in den Ruhezustand zurückkehren. Wenn solch eine Deutung des E.-G.s uns auch die eine oder die andere seiner Formen und die einen oder die anderen Veränderungen dieser Form bei bestimmter Ab- leitung des Herzens erklärt, so. erweist sie sich doch für die von uns beschriebenen Formveränderungen der V.-E.-G., die bei ver- schiedenen Veränderungen der Lage der ableitenden Elektroden auf der Herzoberfläche stattfinden, als ungenügend. Wollen wir als 1) Bayliss and Starling, Intern. Monatsschr. f. Anat. u. Physiol. Bd. 9. 1892. 2) Samojloff, Pflüger’s Arch. Bd. 155 8. 471. 8) Boruttau, Arch. f. (Anat. u.) Physiol. 1913 S. 519. 4) Mines, Journ. of Physiol. vol. 46 p. 188. 1913. 5) W. Solly, Journ. of Physiol. vol. 47 p. XXX. 6) Einthoven, Pflüger’s Arch. Bd. 122. 1908; Bd. 149. 1913; Bd. 150. 1913. 7) Clement (Zeitschr. f. Biol. Bd. 58), Sulze (Zeitschr. f. Biol. Bd. 60), Erfmann (Zeitschr. f. Biol. Bd. 61) beweisen auf experimentellem Wege die Gleichzeitigkeit der Erregung .aller Teile des Herzventrikels. Die Zusammenfassung dieser Arbeiten cf. Garten im Skandinav. Arch, f. Physiol. Bd. 29 S. 114. Formveränderungen des V.-E.-G.s in Abhängigkeit etc. 601 Beispiel die Formveränderung des V.-E.-G.s nehmen, die wir beim Verschieben der apekalen Elektrode von der Spitze des Ventrikels zu seiner Basis beobachten, wenn die basale auf den Vorkammern liegt (Fig. 1, 2, 3, 4 und 5). Liegt die apekale Elektrode an der äussersten Spitze des Ventrikels, so erhalten wir ein V.-E.G. mit negativem 7. Vom eben erwähnten Standpunkt aus bedeutet das, dass an der Spitze die Erregung länger währt als an der Basis. Ver- legen wir nun die apekale Elektrode in die Mitte des Ventrikels, so erhalten wir ausser Veränderungen der Anfangszacken des V.-E.-G.s ein positives statt eines negativen 7. Diese neue Richtung von 7 müsste darauf hinweisen, dass die Negativität an der Basis des Ventrikels eine längere Dauer hat als in der Mitte. Wenn das jedoch der Fall wäre, so müsste das letzte V.-E.-G. (die apekale Elektrode liegt in der Mitte des Ventrikels) kürzer sein als das erste (wenn die apekale Elektrode an der Spitze liegt). Die Veränderung ihrer Dauer weist jedoch keinen Unterschied auf!). Ich wählte ein Bei- spiel der Veränderung der TZacke, weil dieser Standpunkt haupt- sächlich die Erklärung des Vorhandenseins gerade dieser Zacke im Auge hat. Man könnte meinen, dass der Standpunkt von Nicolai’) sich für die Erklärung der oben beschriebenen Formveränderungen des V.-E.-G.s als befriedigender herausstellen würde. Dieser Verfasser nimmt an, dass die Form des V.-E.-G.s dadurch bedingt werde, dass sich die Erregung im Ventrikel auf einem bestimmten Wege ausbreite, und zwar beginnt sie im Papillarsystem, ruft im V.-E.G. die R-Zacken hervor (S$ des Verfassers) und wendet sich von hier aus einerseits längs den intramularen Fasern dem Treibwerk zu, dessen Kontraktion einen Teil des V.-E.-G.s zwischen R und T (t des Verfassers) liefert, und andererseits — über den Herzwirbel in die äusseren Spiralfasern und längs diesen zur Ventrikelbasis, wodurch die 7-Zacke (F beim Verfasser) bedingt wird. Allein mir erscheint dieser Standpunkt gekünstelt und ausserordentlich einseitig, 1) Von diesem Standpunkt aus ist es überhaupt schwer, das negative 7 bei Ableitung der Vorkammern und der Ventrikelspitze zu erklären, denn auch in diesen Fällen ist nach Abschneiden der Spitze der einphasische Aktionsstrom des Herzens von derselben Dauer, wie das V.-E.-G. vor der Operation. 2) Kraus und Nicolai, Das Elektrokardiogramm des gesunden und kranken Menschen Kap. VII—X. Leipzig 1910. — Nıcolai, Nagel’s Handb. f. Physiol. Bd. 1 S. 661. — Nicolai, Zentralbl. f. Physiol. Bd. 21 S. 482. 602 S. Woronzow: denn er hat nur die E.-K.-G. der höchst entwickelten Wirbeltiere im Auge. Aber auch die niedrigsten, die nur über eine äusserst ein- fache Struktur des Muskels verfügen, liefern E.-K.-G. mit denselben Zacken wie die E.-K.-G. der höchsten Tiere. So z. B. hat das E.-K.-G. des Frosches eben soleh eine Form, wie das E.-K.-G. der Säugetiere, und es ist doch schwer anzunehmen, dass der Frosch- ventrikel eine ebenso komplizierte Struktur aufweise wie das Ventrikel der Säugetiere!). Ausserdem ergeben Herzen, die noch einfacher gebaut sind als das Froschherz, ebenso komplizierte E.-G. wie die Herzen der höchsten Tiergattungen ?). Damit aber gar kein Zweifel darüber bliebe, dass die von Nicolai gegebenen Erklärungen der V.-E.-G. des Frosches nicht stichhaltig sind, stellte ich folgende Versuche an: Aus der Wand des Herzventrikels des Frosches schnitt ich schmale Muskelstreifen (in der Richtung von der Basis zur Spitze) aus; diese Streifen - wurden zum Galvanometer abgeleitet. Einige Zeit nach der Operation kontrahierte sich einzeln jeder von diesen Muskelstreifen bei einer Reizung und lieferte eine elektrische Kurve, die demV.-E.-G. vollkommen ähnlich war. Es ist wohl unmöglich, auch in diesem Fall in der Bildung der elektrischen Kurve eine Teilnahme der verschiedenen Muskelschichten und eines komplizierten Verlaufes der Erregung längs ihnen zu erblicken. Ändere Deutungen der Form der E.-G., die die verschiedenen Teile des V.-E.-G.s verschiedenen Prozessen im Herzmuskel (den anabolischen und katabolischen)®) zuschreiben, erwiesen sich als 1) Vgl. Einthoven, Pfiüger’s Arch. Bd. 122. — H. Straub, Zeitschr. f. Biol. Bd. 53 S. 499. — Übrigens muss ich bemerken, dass über die Anordnung der Muskelfasern in der Ventrikelwand des Frosches sehr wenig bekannt ist. Jedenfalls blieb mein Suchen in der Literatur nach Daten in bezug auf diese Frage erfolglos. Solche Arbeiten, wie diejenigen von Weissmann, Langer- hans, Wiederöe, Ranvier, Kölliker u. a. beziehen sich hauptsächlich auf den Bau der Zellen des Herzmuskels, während solche vergleichend -anatomische Arbeiten, wie von Rabl, Gegenbauer, Fritsch sich auf allgemeine morpho- logische Daten beschränken. 2) Vgl. Nelly Bakker, Zeitschr. f. Biol. Bd. 59 S. 335. E.-G. des Aal- herzens. — Wertheim-Salomonson, Pflüger’s Arch. Bd. 153 S. 5583. E.-G. des Herzens des Hühnerembryos. 9) Vgl. H. Straub, Zeitschr. f. Biol. Bd. 53 S. 499. — Eiger, Pflüger’s Arch. Bd. 151 S.1. — A. Hoffmann, Pflüger’s Arch. Bd. 133 S. 552. .Die Formveränderungen: des V.-E.-G.s.in Abhängigkeit etc. 603 noch weniger imstande, die oben beschriebenen Formveränderungen des V.-E.-G.s zu erklären. Wenn irgendeine Zacke durch eine be- stimmte‘ Richtung einen bestimmten Prozess im Herzmuskel hei einer. gewissen Lage der ableitenden Elektrode. darstellt, wie :soll man ‘dann die Änderung der Richtung dieser Zacke bei Verschiebung dieser Elektrode um einige Millimeter. nach der einen oder der anderen Seite hin verstehen ? : Die Analyse aber des von mir. angeführten N ME leer... E.-G. weist gerade dar- i 5 auf hin, dass ausser dem Unterschiede in der Dauer der Erregung in dem einen oder dem anderen Teil des Herz-- muskels der Unterschied in der. Stärke der Er- regung der einzelnen Teile des Herzmuskels eine wichtige Rollespielt, wobei diese Verschieden- heiten in der Erregungs- stärke. sich. nieht nur auf den ganzen Prozess nen ..- oT als auf ein Ganzes be- or 48 Ss i 39 ziehen, sondern auch auf seine einzelnen Teile. | Wenn wir also die V.-E.-G. als Resultierende zweier Kurven 'an- sehen: der Kurve der elektronegativen Veränderung der Ventrikel- basis und der Kurve der Ventrikelspitze (bei Anordnung der Elektroden auf diesen Teilen des Ventrikels); so kann ihre Form nieht nur vom Unterschiede in der Dauer dieser Kurven, sondern auch von ihrer Form und sogar ausschliesslich von ihrer Form ab- hängen. Auf Fig. 8 sind drei Kurven dargestellt, von denen a die Elektrokardiographie als Untersuchungsmethode des Herzens und ihre Ergebnisse, Wiesbaden 1914. Der letzte Verfasser betrachtet die Anfangszacken als Er- regungsäusserunzen des Herzmuskels, die F-Zacke aber schreibt er seiner Kon- traktion zu. 604 S. Woronzow: Kurve der elektronegativen Veränderungen der Ventrikelbasis dar- stellen soll; 5 die elektronegativen Veränderungen der Spitze und € die Resultierende dieser zwei Kurven. Die Kurven auf Fig, 9 stellen dar: a dieselbe Kurve der elektronegativen Veränderungen der Ventrikelbasis — wie die vorhergehende Figur, 5 die Kurve der: elektronegativen Veränderungen der Mitte des Ventrikels, c die Resultierende dieser beiden Kurven. Die Kurven stellen nicht tat- sächliche, dem Versuch entnommene Kurven dar, sondern sind von mir bloss zur Illustration meines Gedankens konstruiert. Allein sie besitzen auch eine gewisse Tatsachenbasis. So ist die Kurve des basalen Teils des Froschventrikels in Form eines einphasischen Aktionsstromes von Samojloff!) beschrieben worden und diente auch mir als Objekt meiner noch nicht veröffentlichten Untersuchungen. Eine resultierende Kurve haben wir stets in den V.-E.-G., folglich bleibt bloss die eine Kurve hypothetisch — die Kurve der Spitze oder Mitte. Übrigens kann man auch die Kurve der Spitze erhalten; und die von mir wiederholt bei Ableitung der abgeschnittenen Spitze bei künstlicher Reizung desselben erhaltene Kurve des pa Aktionsstromes gleicht sehr der Kurve von Fig. 8. Auf diese Weise geben uns die Unterschiede der Form der Kurven der elektronegativen Veränderungen in den verschiedenen Teilen des Herzmuskels die Möglichkeit die Veränderungen der Form und der Richtung der 7-Zacke im V.-E.-G. zu verstehen. Was nun die Anfangszacken des V.-E.-G. betrifft, so glaube ich, dass man ihre Veränderungen mit dem nicht gleichzeitigen Eintreten der Er- regung in den verschiedenen Teilen des Herzmuskels vollkommen erklären kann. Übrigens ist auch hier der Einfluss der Unterschiede in der Form der Kurven der elektronegativen Veränderungen der einzelnen Teile des Herzmuskels nicht ausgeschlossen. Die Ver- änderungen der Anfangszacken des V.-E.-G. beim Verlegen der apekalen Elektrode von der Spitze des Ventrikels auf seine Mitte, nämlich die Abnahme und Verkürzung von R und die Zunahme von 5 kann man als Resultate davon ansehen, dass nun die Er- regungswelle immer schneller und schneller die apekale Elektrode erreichen und immer früher die Kurve der elektronegativen Ver- änderung an der Ventrikelbasis durchschneiden wird. Auf den Fig. 8 und 9 habe ich gezeigt, wie man mit Hilfe des Summierens zweier 1) Pflüger’s Arch. Bd. 135 S. 417. 1910. Formveränderungen des V.-E.-G.s in Abhängigkeit etc. 605 Kurven, die zu verschiedenen Zeiten beeinnen, ein V.-E.-G. erhalten kann, und was für einen Einfluss auf das letztere eine Änderung dieses Unterschiedes in der Zeit des Beginns dieser Kurven ausüben kann). Ich werde mich hier in keine genauere Analyse des V.-R.-G. von diesem Standpunkt aus einlassen, ich werde auch nicht versuchen, 'alle die Veränderuugen des V.-E.-G. zu erklären, die ich bei ver- schiedenen Verschiebungen der ableitenden Elektroden am Herzen beobachtet habe, ich werde mich nur auf diese Vermutung be- schränken, und ihre detaillierte Entwickelung weiteren Forschungen überlassen. 1) Mit der verschiedenen Form des Verlaufes der elektronegativen Ver- änderungen in den verschiedenen Teilen des Herzmuskels könnte man auch die- jenigen Abweichungen der Formveränderungen des V.-E.-G. bei Verschiebungen der ableitenden Elektroden am Herzen erklären, welche an den erschöpften Frühjahrspräparaten beobachtet wurden, und zwar kann man annehmen, dass bei Erschöpfungen nicht alle Teile des Herzmuskels in gleichem Maasse erschlaffen, sondern dass die einen der Erschöpfung schnell erliegen und die anderen im Gegenteil ihr einen hartnäckigen Widerstand entgegensetzen. Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd. 160. 40 PER ORT ad) Rz nn Br ” Dura w x ie x I \ “ = 741 UN 0 ii UM wo wi .-* at # rm "+ dr * “ - ehr; s * * a y) Dyt u Te ec) ER Te De Rd m ee 2 5 En u ah SE Eu 2 Vu 7 le) #4 ” TAT RE VER N ERDE |