ee #0 eg ie 8, “ nd IE: R & Aarlachs ; Lee * BrLHRRTT v jamıhnzae.h? HEN SR SR ENT NOKIA "er * [2 als iw er * N U PFLÜGERS ARCHIV FÜR DIE GRSENTEE PHYSIOLOGIE “ DES MENSCHEN UND DER TIERE HERAUSGEGEBEN VON E. ABDERHALDEN A. BETHE R. HÖBER HALLE A. S. FRANKFURT A. M. KIEL 178. BAND MIT 53 TEXTABBILDUNGEN UND 1 TAFEL BERLIN VERLAG VON JULIUS SPRINGER | 1920 2% NE Inhaltsverzeichnis. de Boer, Dr. S., Eine neue Theorie über das Entstehen von Kammer- yühlens (Mitzo Bextabbildungen) .. . 2 x... es... Meyer, Dr. &., Die Diskontinuitätsflächen der menschlichen Linse. (Mit Dal Di. TEN are Sr re SE Fleisch, Dr. Alfred, Der Einfluss rhythmischer Druckschwankungen auf die Widerstandsverhältnisse im Gefässsystem. (Mit 19 Text- 3 DA NDEET) SR EN I ar PARTEI 3 OE Neuschlosz, S. M., Untersuchungen über die one an Gifte. II. Mitteilung. Die Festigkeit der Protozoen gegen Farbstoffe Neuschlosz, S. M., Untersuchungen über die Gewöhnung an Gifte. III. Mitteilung. Das Wesen der Festigung von Protozoen gegen FRE EN dE ATITHNON Lewin, L., und Stenger, B, Der Farbstoff der Mitteldarmdrüse des Flusskrebses. Mitgeteilt von L. Lewin. Mit 2 Textabbildungen . Henning, Dr. Hans, Optische Versuche an Vögeln und Schilakröten über die Bedeutung der roten Ölkugeln im Auge . ....... de Kleijn, A., und Magnus, R., Über die Unabhängigkeit der Labyrinth- reflexe vom Kleinhirn und über die Lage der Zentren für die La- byrinthreflexe im Hirnstamm. (Mit 6 Textabbildungen) ..... de Kleijn, A., und Magnus, R., Tonische Labyrinthreflexe auf die Augenmuskeln. (Mit 6 Textabbildungen). ......... 2... Wilmers, Dr. Josef, Chemische Reizung und chemische Kontraktur des quergestreiften Muskels. (Mit 14 Textabbildungen). ....... Popielski, Prof. Dr. L., 3-imidazolyläthylamin und die Organextrakte. Erster Teil. $-imidazolyläthylamin als mächtiger Erreger der ISCH aRUSCHEN EA re ee te a ee nn Popielski, Prof. Dr. L., ß-imidazolyläthylamin und die Organextrakte. Zweiter Teil. Einfluss der Säuren auf die die Magensaftsekretion erregende Wirkung der Organextrakte. ... .. .. 2»... Abderhalden, Emil, Weitere Beiträge zur Kenntnis von organischen Nahrungsstoffen mit spezifischer Wirkung... ......... Autoren verzeichnus:. ve ee ER Seite u a u D Eine neue Theorie über das Entstehen von Kammerwühlen. Von Dr. S. de Boer, Privatdozent der Physiologie. Mit 6 Textabbildungen. (Eingegangen am 23. Juni 1919.) Einleitung. Die neueren Untersuchungen haben ergeben, dass wir unter Flattern und Flimmern einer der Herzabteilungen eine anormale Tätigkeit ver- stehen, die für diese beiden funktionellen Abweichungen keine prinzi- piellen Unterschiede aufweist. Zwischen Flattern und Flimmern be- stehen allein quantitative Frequenzunterschiede: beide Formen können ineinander übergehen oder ineinander verwandelt werden. Unter der grossen Anzahl Untersuchungen hierüber mögen hier allein diejenigen Rothberger’s und Winterberg’s ihrer Wichtigkeit ‘ wegen Erwähnung finden. Diese beiden Physiologen sind anfangs nach umfangreichen Untersuchungen zu der Folgerung gelangt, dass das Herzwühlen auf einer dissoziierten Herztätigkeit beruht, bei der die partiellen Kontraktionen von multiplen getrennten Herden aus zustande kommen. Diese Theorie ‚‚der multiplen Reizbildung und der damit verbundenen Auflösung der systolischen Gesamtkontraktion in ‚eine Unzahl von Partialkontraktionen‘ hat viele Anhänger bekommen. Auf Grund späterer Untersuchungen sind, Rothberger und Winter- berg von ihrer ursprünglichen Auffassung zurückgekommen, und fassen sie nun das Herzflimmern als eine einfache Tachysystolie auf. Für die Vorhöfe fanden diese Untersucher eine Frequenz der Flimmerbewegung von 3000— 3500 per Minute, während diese Frequenz bei den Kammern höchstens 800—900 in der Minute betrug. Zufolge dieser Theorie sollte also jeder Atriumteil bis zu einem Maximum von 3500mal per Minute kontrabieren und sollten in derselben Frequenz die Reize von einem bestimmten Teile der Atria ausgehen. In Übereinstimmung mit der Auffassung, dass das Flimmern aus einer einfachen Tachykardie besteht, glauben diese beiden Untersucher, dass eine Verkürzung des refraktären Stadiums als ursächliches Moment erforderlich ist. Eigene Untersuchungen. Anlass zu diesen Untersuchungen gab mir eine wiederholte Wahr- nehmung während meiner fortgesetzten Untersuchungen über die Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd. 178. 1 [4 2 S. de Boer: Kammeralternans. Ich studierte die Kammeralternans näher, welche nach der kompensatorischen Pause bei dem entbluteten Froschherzen auftritt. Wenn ich nämlich in einem frühen Stadium der Kammer- periode direkt nach Ablauf des refraktären Stadiums in der Atrio- ventrikularfurche einen Extrareiz verabfolgte, ging die Kammer zum Wühlen über. Ein Beispiel hiervon finden wir in Abb. 1. Der Extra- reiz wurde hier in dem Augenblicke verabfolst, in welchem der T- Ausschlag des Kammerelektrogramms sich anschickt zum Ruhestande zurückzukehren. In den Suspensationskurven kommt eine deutliche Wühlbewegung zum Ausdruck, die sich in der Elektrogrammkurve in unregelmässigen und untereinander ungleichen Saitenausschlägen ab- zeichnet!). Nach Ablauf des Wühlens tritt in beiden Kurvenlinien eine deutliche postundulatorische Pause ein. Abb. 1. Suspensionskurven (obere Kurve) und Elektrogramme (untere Kurve) eines Froschherzens nach der Entblutung. Während der ersten Kurve wird eben über dem Gipfel des T-Ausschlages ein Extrareiz in der Atrioventrikularfurche verabfolgt, worauf die Kammer zum Wühlen über- geht. Darauf folgt die postundulatorische Pause, nach welcher der normale Rhythmus wieder aufgenommen wird. Zeit in \/-Sekunden. Nachdem ich diese Erscheinung wiederholentlich beobachtet hatte, untersuchte ich näher, welchem Umstande das Auftreten oder Nicht- auftreten des Wühlens nach einem Extrareiz zugeschrieben werden muss. Es stellte sich hierbei heraus, dass nach der Entblutung fast alle Froschherzen während kürzerer oder längerer Zeit zum Wühlen zu bringen waren, wenn ein Extrareiz direkt nach Ablauf des refraktären Stadiums in der Atrioventrikularfurche angewandt wurde ?). Die Zeit, welche zwischen dem Verbluten und demjenigen Augenblicke verlief, 1) In diesen und allen “ weiteren Aufnahmen befand sich eine un- polarisierbare Ableitungselektrode auf den Vorhöfen und eine andere auf der Spitze. Die Spannung der Saite war derartig, dass 1 m V. einen Aus- schlag von 1'/, mm repräsentierte. 3) Fortgesetzte Untersuchungen haben gezeigt, dass auch nach Extra- reizung des apec ventriculi direkt nach Ablauf des refraktären Stadiums Kammerwühlen entsteht. Eine neue Theorie über das Entstehen von Kammerwühlen. 3 in welchem das Wühlen zum ersten Male hervorgerufen werden konnte, schwankte zwischen 15 Minuten und 1%,—2 Stunden. Es zeigte sich nun, dass sich alle Froschherzen, deren Kammer zum Wühlen über- ging, wenn der Reiz direkt nach Ablauf des refraktären Stadiums der Kammer verabfolgt wurde, ganz anders verhielten, wenn der Reiz später angewandt ward. In diesem letzteren Falle entstand eine ge- wöhnliche Extrasystole der Kammer mit einem dieser entsprechenden Kammerelektrogramme. So konnte ich ganz nach Willkür die Kammer der Froschherzen entweder wühlen lassen oder sie zu einer gewöhn- lichen Extrakontraktion anregen. Dies hing ausschliesslich von dem Augenblick der Kammerperiode ab, in welchem der Extrareiz ver- abfolgt ward. Hiervon wurde keine einzige Ausnahme von mir be- EOgEESBÄGRRSEURSENEUNELTBERRESERSEN: SET ERTESEREEFERFRESREEPEBESERERRRRRE IUıaal er 4 wu. rt Eu = Hi Abb. 2. Suspensionskurven und Elektrogramme desselben Froschherzens, das für Abbildung 1 benutzt wurde. Während der ersten Kurve wird eben über dem Gipfel des T-Ausschlages ein Extrareiz in der Atrioventrikular- furche verabtolgt, worauf die Kammer zu wühlen beginnt. Wenn während der dritten Kurve des wieder aufgenommenen normalen Rhythmus nach dem Wühlen der Extrareiz an derselben Stelle und mit gleicher Stärke gegen Ende des T-Ausschlages wiederholt wird, also später in der Kammer- periode, entsteht eine gewöhnliche Extrasystole der Kammer, worauf eine F kompensatorische Pause folgt. Zeit in !/s-Sekunden. obachtet. Jedes Froschherz, welches nach Verabfolgung ‘eines Extrareizes zu Anfang der reizbaren Periode anfing zu wühlen, konnte ich zu einer Extrasystole veranlassen, wenn der Reiz später angewandt wurde. Ein Beispiel hiervon sehen wir in Abb. 2, die demselben Froschherzen entstammt wie die Kurven von Abb. 1. Der erste Extrareiz wurde hier beim Anfang der absteigenden Linie des T-Ausschlages verabreicht, worauf die Kammer einige Zeit wühlte. Wenn der zweite Extrareiz gegen das Ende der absteigenden Linie des T-Ausschlages angewandt wird, entsteht eine gewöhnliche Extrasystole der Kammer mit darauffolgender kompen- satorischer Pause. Die Dauer des Kammerwühlens, das nach einem Extrareiz auftritt, kann starke Unterschiede aufweisen. In zwei Fällen sah ich die Kammer 1% 4 S. de Boer: länger als eine halbe Stunde wühlen (in diesen beiden Fällen pulsierten die Vorhöfe normal weiter). Auch kann die Dauer nicht mehr betragen als zwei oder drei Ausschläge, aus denen die Suspensionskurve und die elektrische Kurve besteht. Ein Beispiel solch eines sehr. kurz- dauernden Wühlens finden wir in Abb. 3. Hier wurde bei 1 ein Extra- reiz in der Atrioventrikularfurche zu Anfang der absteigenden Linie des T-Ausschlages verabfolgt, und es tritt ein kurzdauerndes Wühlen ein, das aus zwei Ausschlägen der Suspensionskurve besteht. Das hiermit verbundene Kammerelektrogramm beginnt mit einem nega- tiven Ausschlag, worauf eine rein basale Kurve folgt. Bei 2 wird am Ende des T-Ausschlages der Extrareiz wiederholt; nun entsteht jedoch eine vollständige Extrasystole der Kammer. Abb. 3. Suspensionskurven und Elektrogramme eines Froschherzens nach der Entblutung. Bei 1 wird ein Extrareiz in der Atrioventrikularfurche verabfolgt, eben über dem Gipfel des T-Ausschlages. Hierauf geht ein Teil des Kammermuskels zur Kontraktion über, und dann folgt der Rest mit einem länger dauernden latenten Stadium. Dadurch entsteht eine miss- staltete Extrasystole der Kammer, die in der Suspensionskurve als zwei Ausschläge zutage tritt. Ihnen entsprechen Ausschläge der Kammer- elektrogramme. Wenn bei 2 der Extrareiz wiederholt wird, und zwar an derselben Stelle, doch später in der Kammerperiode, dann entsteht eine vollständige Extrasystole der Kammer. Zeit in '/s-Sekunden. In Abb. 4 finden wir ein Beispiel von Kammerwühlen, das nur aus drei Ausschlägen besteht. Bei 1 in Abb. 4 entsteht nach Anwendung des Extrareizes in der Atrioventrikularfurche eine vollständige Extra- systole der Kammer. Bei 2 wird der Extrareiz etwas früher verabreicht. Nun entsteht ein kurzdauerndes Kammerwühlen, das aus drei, in den Suspensionskurven erkennbaren, Ausschlägen besteht. Ihnen ent- sprechen drei positive — und zwei dazwischenliegende negative — Elektrogrammausschläge. Merkwürdig ist auch die in Abb. 5 wiedergegebene Aufnahme. In ihr wird bei 1 ein Extrareiz in der Atrioventrikularfurche zu Anfang der absteigenden Linie des T-Ausschlages verabfolgt, worauf ein kurz- dauerndes, aus zwei Ausschlägen der Suspensionskurve bestehendes - Eine neue Theorie über das Entstehen von Kammerwühlen. 5 Wühlen (e und e’) eintritt. Ihnen entspricht eine elektrische Kurve, die mit einer Kurve des basalen Typus endigt. Bei 2 wird der Extra- reiz in einem etwas früheren Zeitpunkt der Kammerperiode wieder- Abb. 4. Suspensionskurven und Elektrogramme eines Froschherzens nach der Entblutung. Bei 1 wird ein Extrareiz in der Atrioventrikularfurche verabfolgt gegen das Ende des T-Ausschlages, worauf eine Extrasystole der Kammer entsteht. Bei 2 wird der Extrareiz an derselben Stelle wieder- holt, doch etwas früher in der Kammerperiode. Nun entsteht eine miss- staltete Kammersystole, die in der Suspensionskurve mit drei Ausschlägen zum Ausdruck gelangt. Ihnen entsprechen drei positive und zwei negative Elektrogrammausschläge. Zeit in V/s-Sekunden. Abb. 5. Suspensionskurven und Elektrogramme eines Froschherzens nach der Entblutung. Bei 1 wird ein Extrareiz in der Atrioventrikularfurche verabfolgt eben über dem Gipfel des T-Ausschlages. Eine missstaltete Extrasystole, die aus zwei Ausschlägen der Suspensionskurven besteht, ist hiervon die Folge. Diese beiden Mechanogrammausschläge sind mit e und e' bezeichnet. Ihnen entsprechen Ausschläge des Elektrogramms. Wenn bei 2 der Extrareiz an derselben Stelle, doch etwas früher in der Kammer- periode wiederholt wird, entsteht Kammerwühlen mit unregelmässigen Elektrogrammausschlägen. Bei 3 wird der Extrareiz in der Atrioven- trikularfurche wiederholt, doch nun gegen Ende der T-Ausschläge, worauf eine vollständige Extrasystole der Kammer folgt. Zeit in !/s-Sekunden. holt, mit der Folge, dass nun Kammerwühlen von längerer Dauer entsteht. Bei 3 wird, der Extrareiz angewandt gegen das Ende des T-Ausschlages, worauf eine vollständige Extrasystole der Kammer erscheint. 6 S. de Boer: Wenn wir die hier reproduzierten Elektrogrammkurven nochmals betrachten, dann fällt es auf, dass die elektrischen Ausschläge des sehr kurzdauernden Wühlens eine grössere Amplitude und eine längere Dauer besitzen als die elektrischen Kurven des längerdauernden Wühlens. Für die Erklärung des Kammerwühlens ist dieser Umstand nicht ohne Bedeutung. Bedeutung der erzielten experimentellen Resultate für die Erklärung des Kammerwühlens. Ehe ich versuche, eine Erklärung für das Kammerwühlen zu geben, will ich noch eben kurz die Hauptresultate dieser Untersuchung zu- sammenfassen. An erster Stelle betone ich, dass die Kammer nur dann durch einen Extrareiz in der Atrioventrikularfurche zum Wühlen zu bringen ist, wenn dieser Reiz direkt nach Ablauf des refraktären Stadiums verabfolgt wird. Das Wühlen tritt niemals auf, wenn der Extrareiz später angewandt wird; dann nämlich entsteht eine ge- wöhnliche Extrasystole der Kammer. Diesen Umstand erachte ich von grosser Bedeutung. Die Kammer geht also allein dann nach einem Extrareiz zum Wühlen über, wenn der metabole Zustand der Kammer schlecht ist. Dieses Wühlen kann von sehr kurzer Dauer sein, so dass dann die Suspensionskurven nur zwei bis drei Ausschläge zeigen. Solch ein kurzdauerndes Wühlen können wir mit einer Erscheinung ver- gleichen, die nach Vergiftung mit Digitalis oder Antiarin von mir mit dem Namen missstaltete Kammersystole!) bezeichnet wurde. Meines Erachtens ist solch ein kurzdauerndes Wühlen der Kammer nichts anderes als eine missstaltete Extrasystole der Kammer. Hier möge zur Verdeutlichung eine Kurvenreihe folgen, die bei einem Frosch- herzen 25 Minuten nach der Injektion von 14 Tropfen Digitalis-Dialysat unter die Schenkelhaut aufgenommen wurde (Abb. 6). Die erste Kammerkurve der Abbildung besteht aus zwei Teilen: erst steigt die Suspensionskurve bis zu einer gewissen Höhe, und im Beginn der Dilatationslinie entsteht eine zweite Erhebung. Diese Kurvenform hat ihre Entstehung dem Umstande zu danken, dass erst ein Teil des Kammermuskels zur Kontraktion übergeht; darauf tritt der übrige Teil des Kammermuskels mit einem verlängerten latenten Stadium in Wirkung und kommt dann verspätet zur Kontraktion. Das gleich- zeitig aufgenommene Elektrogramm bestätigt diese Erklärung voll und ganz. Die dritte Kammerkurve dieser Abbildung zeigt eine Aus- bauchung in der aufsteigenden Linie und ist daher ebenfalls miss- staltet?). Wenn wir nun die Entstehung dieser missstalteten Kammer- 1) In der Literatur bezeichnet man diese anormale Herztätigkeit durch- weg mit dem Namen Kammerperistaltik. 2) Die weiteren Besonderheiten dieser Abbildung wurden an anderer Eine neue Theorie über das Entstehen von Kammerwühlen. 7 systolen (Kammerperistaltik) begreifen, dann können wir auch eine bessere Einsicht in das Wühlen der Kammer erhalten. Wir wollen damit beginnen, das kurzdauernde Wühlen, bei dem die Suspensions- kurve nur zwei bis drei Ausschläge zeigt, näher zu betrachten. Wie ich oben schon bemerkte, ist dieses kurzdauernde Wühlen nichts anderes als eine missstaltete Extrasystole der Kammer. Nach dem Extrareiz tritt zunächst ein Teil der Kammer in Funktion, und darauf kommt erst der übrige Teil der Kammer zur Kontraktion nach einem lang- dauernden latenten Stadium. So kann ebenfalls die Kontraktion der Kammer in drei Stadien zustande kommen. Wenn nun nach einem a | E 1 \E 1 f % ag Ze SEEN ENTE EENIESTTN a ne = = 1 E = 7 E Abb. 6. Suspensionskurven und Elektrogramme eines Froschherzens, 25 Minuten nach der Injektion von 14 Tropfen Digitalisdialysat unter die Schenkelhaut. Die erste Kammersystole ist missstaltet, in dem Sinne, dass anfangs ein Teil der Kammer zur Kontraktion kommt und darauf mit einem länger dauernden latenten Stadium der übrige Teil. Das Elektrogramm fängt mit einem positiven Ausschlag an, dann folgt ein negativer Aus- schlag und danach wieder ein positiver. Die dritte Kammersystole ist ebenfalls missstaltet, indem sie nämlich in der aufsteigenden Linie der Suspensionskurve eine Ausbauchung zeigt. Zeit in %/s-Sekunden. zu Anfang der reizbaren Periode verabfolgten Extrareiz ein länger dauerndes Wühlen der Kammer auftritt, dann stelle ich mir dessen Entstehung in folgender Weise vor: Nach dem Extrareiz tritt ein Teil der Kammer in Funktion; darauf folgt mit einem längeren latenten Stadium ein weiterer Teil und dann wieder ein dritter Teil der Kammer. So durchläuft die Erregung die Kammer in Etappen, während jedes Etappengebiet mit einem verlängerten latenten Stadium eingreift. So dauert es lange Zeit, ehe die Erregung einmal die Runde durchlaufen hat. Aber wenn die Erregung nun die ganze Kammer durchlaufen Stelle besprochen: S. de Boer: L’eleetrogramme du cour de grenouille apres intoxication par la digitale ou l’antearine. Archives Neerl. de Physiologie, Tome III, le livraison p. 60. 1918. 8 8. de Boer: Eine neue Theorie über das Entstehen von Kammerwühlen. hat und wieder den Ausgangspunkt erreicht, dann ist das refraktäre Stadium hier beendigt und tritt dieses Kammergebiet aufs neue in Funktion. Nunmehr geht die Erregung wieder von neuem durch die Kammer, doch ebenfalls wieder etappenweise. Dieser Vorgang kann nun einige Zeit andauern, bis die Erregung auf ein Gebiet stösst, das noch refraktär ist. Dann nimmt das Wühlen ein Ende, und die postundulatorische Pause beginnt. Zufolge dieser Theorie bestehen also die einzelnen Kontraktionen beim Wühlen aus partiellen Kontraktionen. Diese letzteren kommen dadurch zustande, dass die Erregung den Kammermuskel infolge des schlechten metabolen Zustandes desselben ruckweise durchläuft und, nachdem sie wieder beim Ausgangspunkt angelangt ist, aufs neue die Runde macht. Diese Ansicht bietet gegenüber den früheren Theorien den Vorzug, dass ihr ein rein biologischer Gedanke zugrunde liegt und wir nicht anzunehmen brauchen, dass von einem Zentrum oder von mehreren Zentren aus in mehr oder weniger frequentem Tempo Im- pulse ausgesandt werden. Wenckebach, dem ich meine neuen Data unterbreitete und meine Theorie mitteilte, lenkte meine Aufmerksam- keit auf eine von ihm im Jahre 1907!) publizierte Kurve. In derselben kommt eine kurzdauernde Häufung von Ventrikelsystolen vor. Wencke- bach ist der Ansicht, dass es sich hier um partielle Kontraktionen der Ventrikelmuskulatur handelt. Der nicht an der Systole beteiligte Muskelabschnitt kann sich dann später kontrahieren und so zu einer scheinbaren Superposition von Systolen führen. Während der Systole dieses zweiten Herzteiles kann sich dann der erste Teil wieder kontra- hieren und Systole 3 verursachen. Es ist sogar die Frage, ob, so wie Systole 1 Systole 2 hervorrief, Systole 2 nicht wieder Systole 3 ver- ursachen könnte. Jedenfalls vermögen meine Untersuchungen, wie Wenckebach meint, diese Sache näher zu erläutern. 1) H. F. Wenckebach, Beiträge zur Kenntnis der menschlichen Herz- tätigkeit. Zweiter Teil. Archiv für (Anat. und) Physiologie, Jahrg. 1907 S. 20—23 Abb. 4. 5 Die Diskontinuitätsflächen der menschlichen Linse. Von Dr. G. Meyer, erster Assistenzarzt. (Aus der Universitäts-Augenklinik Basel (Dir.: Prof. Dr. A. Vogt.) Mit Tafel]. I. Einleitung. Vorwiegend getragen durch die Ergebnisse anatomischer Linsen- untersuchungen, galt seit Donders Tagen bis auf Hess 1905 der Satz, dass die innere Reflexionszunahme der Linse ganz allmählich und kontinuierlich von aussen hin nach dem Zentrum erfolge, folglich bei Beleuchtung derselben keine unterscheidbaren Reflexionsbilder in Erscheinung treten könnten. Einzig das vordere und hintere Linsen- bild wurden frühzeitig erkannt als der Ausdruck einer starken, plötz- lichen Veränderung der Brechungsverhältnisse beim Übergang des Lichtes von der vorderen Kammer in die Linse und von der Linse in den Glaskörper. Donders war schliesslich der Ansicht, dass ein Ausgleich auch der geringen und ganz allmählich anschwellenden Breehungsunterschiede beim Menschen immerhin dadurch stattfinde, dass mit zunehmendem Alter der Brechungsindex der oberflächlichsten Linsenschichten in stärkerem Maasse zunehme, wodurch schliesslich selbst die geringeren Unterschiede zwischen äusseren und inneren Partien weitgehend homogenisiert werden sollten. 1904 hat Hess gezeigt, dass auch innerhalb der anatomisch scheinbar so gleichmässig an Brechkraft zunehmenden Faserzonen deutliche, sprunghafte Brechungsunterschiede bestehen müssen, so dass bei passender Be- leuchtung und geeigneter Versuchsanordnung durch Reflexion an den betreffenden Linsenflächen weitere Spiegelbildchen entstehen müssen !). Die Hess’schen Untersuchungen, fortgesetzt von seinem Schüler G. Freytag?), wurden meistens mit Hilfe einer kleinen, scharf be- srenzten punktförmigen Lichtquelle (Osmium-Glühlämpchen) von ge- nügender Lichtstärke vorgenommen. Eine interessante Variation, näm- 1) Gelegentlich wurde diese Erscheinung schon vorher von v. Scily, Demicheri und anderen Autoren an senilen Linsen mit Kataraktbildung oder mit sogenanntem doppelten Brennpunkt beobachtet. 2) G. Freytag, Arbeit zur Physiologie und Pathologie der Linse: II. Über die Kernreflexbilder der menschlichen Linse. Archiv f. Augen- heilkunde Bd. 34 Heft 3. 1906. 10 G. Meyer: lich die Untersuchung mit einer leuchtenden Linie an Stelle des leuchten- den Punktes, die der genannte Autor!) gelegentlich verwendete, soll hier speziell erwähnt werden, insofern die dort entstehenden Spiegel- bildehen rein äusserlich mit den an Ort und Stelle entstehenden Flächen diffuser innerer Reflexion im Gullstrand’schen Spaltlampenbüschel eine gewisse Ähnlichkeit aufweisen. Wie Abbildung und. Beschreibung in der erwähnten Arbeit zeigen, gelang damit der Nachweis des Horm- hautbildehens zweier aufrechter und zweier umgekehrter Linsen- bildchen an dem Auge einer 68 Jahre alten Frau. Hess beschrieb bei diesem Falle die beiden aufrechten Bildchen als deutlich voneinander gesondert, das Linsenbildchen schärfer be- srenzt und lichtstärker sowie dem Hornhautbildchen näher wie das andere. Das Kernbildchen verhielt sich in der Lichtstärke nur wenig schwächer, aber von mehr diffuser Begrenzung, kürzer, stärker gekrümmt und anscheinend breiter als das erste. Die beiden umge- kehrten Linsenbildehen verhielten sich spiegelbildlich. Die am Menschen gewonnenen Resultate wurden in der Folge mit Linsenbildcehen bei anderen Vertebraten verglichen. Aus einer Reihe von Untersuchungen zieht Hess den Schluss, dass in der völlig normalen Linse etwa von der Mitte der zwanziger Jahre an Spiegelbilder in der Kerngrenze so gut wie regelmässig sichtbar sind. Ihre Lichtstärke wird mit zunehmendem Alter immer grösser. Gustav Freytag?) führte unter Beiziehung einer binokularen Lupe die Hess’schen Untersuchungsmethoden an 81 Personen im Alter von 5 bis 77 Jahren systematisch durch, bei einer Minimalweite der Pupille von 6 mm. Deutliche Kernbildchen wies dabei zum erstenmal ein 15 Jahre altes Mädchen auf. Im übrigen war das Verhalten.der Linse in der Altersgruppe zwischen 14 und 24 Jahren in bezug auf die An- oder Abwesenheit der Kernbildchen wechselnd. Das zahlenmässige Ver- hältnis der negativen zu den positiven Befunden betrug 5:3. Be- merkenswert blieb das öftere Fehlen des hinteren Kernbildchens bei Anwesenheit des vorderen bis zum Alter von 30 Jahren. In den Sechziger- und Siebzigerjahren konnte die Lichtstärke namentlich der vorderen Kernbilder diejenige der Rindenbildchen nahezu erreichen. Freytag betont schliesslich die sozusagen konstante Übereinstimmung beider Augen eines Individuums in ihrer Linsenreflexion. Aus der Verwaschenheit der Kernbildchen folgert Hess, dass zwar der Übergang zwischen Rinde und Kern mehr sprunghaft als kon- 1) ©. v. Hess, Über Linsenbildchen, die durch Spiegelung am Kerne der normalen Linse entstehen. Archiv f. Augenheilkunde, Sep.- Abar. S. 375—888. 1905. 2)S. Anm. 2 8.9. Die Diskontinuitätsflächen der menschlichen Linse. 11 tinuierlich sei (dass die Indizialkurve stufenweise ansteige), dass aber diese Grenzfläche nicht scharf und plötzlich einsetzen könne, sondern doch mehr einen allmählichen Übergang nehme. (Man vergleiche hierzu Vogt!), Zur Kenntnis der Alterskern-Vorderfläche der mensch- lichen Linse, S. 97£.) Über das Zustandekommen des vorderen Rindenbildehens äussert sich Hess dahin, dass dieses nicht lediglich durch Reflexion der vorderen Kapsel zustande komme, sondern dass Kapsel, Epithel und vordere Rindenfasern — aber wohl keine tieferen Schichten — daran beteiligt seien. Es soll hier doch besonders hervorgehoben werden, was auch Hess betont, dass alle diese Linsenbildehen durch Spiegeln an gekrümmten Flächen entstehen, ihre Lokalisation als Spiegelbilder überhaupt un- sicher ist. Den früheren Untersuchungsmethoden gegenüber bedeutet nun die Spaltlampenmethode eine ganz wesentliche Verbesserung in mehreren Beziehungen. Ihre‘ Anwendung zur Untersuchung der feinen und komplizierten inneren Linsenstrukturen (im optischen Sinne) kann nur ‘erwünscht sein; bietet sie doch mit neuen Mitteln eine Bestätigung und Vervollkommnung des bisher Erreichten. Ihr Prinzip ist ein völlig verschiedenes.. Im optischen Querschnitt der verschiedenen durchsichtigen Medien erzeugt das Strahlenbündel an Ort und Stelle eine innere, die Diskontinuitätsflächen viel getreuer wiedergebende Reflexion. II. Bisherige Untersuchungen mit der Spaltlampe. Schon Gullstrand?) war es aufgefallen, dass das Lichtbüschel der von ihm in die Ophthalmologie eingeführten Spaltlampe beim Passieren der Linse nicht gleichmässig aufleuchtete. Er äussert sich darüber in folgendem Satze: „In: der Linse sind, unter anderem die De ierachen: wo die Hess’schen Kernbildchen entstehen, durch zwei Maxima der diffusen Lichtreflexion kenntlich.“ Doch Gullstrand widmete sich nicht weiter dem Studium dieser Erscheinungen. Eingehender beschäftigte sich Vogt in seiner Arbeit: ‚Der Embryonalkern der menschlichen Linse und seine Beziehungen zum 1) A. Vogt, Zur Kenntnis der Alterskernvorderfläche der menschlichen Linse, mit besonderer Berücksichtigung der C. v. Hess’schen Anschauungen. Klin. Monatsbl. f. Augenheilkunde Bd. 61 S. 90—101. 1918. 2) A.Gullstrand, Demonstration der Nernstspaltlampe. Bericht über die 37. Vers. der ophthalm. Ges. Heidelberg S. 374. 1911. 12 G. Meyer: Alterskern‘‘!) mit den Diskontinuitätsflächen. Für das mittlere Alter gelang es ihm, nicht nur zwei, sondern eine ganze Reihe innerer Diskontinuitätsflächen der Linse nachzuweisen, die an Hand von Naht- systemen genauer bestimmt wurden als: 1. die Rindenvorderfläche, 2. die Alterskernfläche, 3. die Embryonalkern-Vorderfläche, 4. die Embryonalkern-Hinterfläche. 5. die hintere Alterskernfläche, 6. die Rindenhinterfläche. Bei Kindern liessen sich nur vier dieser Flächen nachweisen, indem die Alterskernflächen ausfielen. Vom ersten bis vierten Jahrzehnt fand Vogt die Embryonalkernflächen deutlicher und lichtstärker als die Alterskernflächen. Mit zunehmendem Alter, vom 45. bis 50. Jahre an, kehrten sich die Verhältnisse um. Im siebten bis neunten Jahrzehnt pflegen im Spaltlampenbüschel die ‚Streifen der vorderen und hinteren Alterskernoberfläche am licht- stärksten zu erscheinen. In der gleichen Arbeit !) wird auch die zunehmende Gelbfärbung der verschiedenen Diskontinuitätsflächen in Stufenfolge von vorn nach hinten beschrieben und am intensivsten-in der hinteren Linse gefunden, steiler Lichteinfall vorausgesetzt. In einer neuen Reihe von Untersuchungen versuchte Vogt?) ins- besondere die peripheren Enden dieser Diskontinuitätsflächen, ihre topographischen Beziehungen zueinander und zum Linsenäquator zu überblicken, durch Wandernlassen des Lichtbüschels in den ver- schiedensten Richtungen, durch die sogenannte Abtastungsmethode der Spaltlampenuntersuchungen bei maximaler Pupillenerweiterung. Dabei wird eine deutliche Divergenz der Oberflächen- und der Alterskernstreifen in ihren äquatorialen Teilen in allen Fällen nach- gewiesen. Deutlich tritt auch die stärkere Krümmung der Hinter- fläche gegenüber der vorderen in Erscheinung. Sind die Alterskern- streifen stärker gekrümmt als die Oberflächenstreifen, so tritt dieses Verhältnis noch stärker zutage zwischen Alterskern- und den im System jeweils am stärksten gekrümmten Embryonalkernstreifen. Die letztgenannten Streifen zeigen nach Vogt äquatorialwärts wenigstens in der Jugend eine dunkle Lücke, die sich zentral im Embryonalkerngebiet als vertikale lichtschwache Zone durch den ganzen Embryonalkern ununterbrochen verfolgen lässt. Sie bedingt 1) A. Vogt, Der Embryonalkern der menschlichen Linse in seinen Be- ziehungen zum Alterskern. Klin. Monatsbl. f. Augenheilkunde Bd. 59 3.463. 1917. 2) 8. Anm. 18. 11. Die Diskontinuitätsflächen der menschlichen Linse. 13 die charakteristische Sammelform der verwaschenen Embryonal- kernflächen. Im Alter konfluieren die Alterskernstreifen peripher. Die hintere Embryonalkernfläche wird. als durchweg lichtstärker angegeben. Umgekehrt fand Vogt den vorderen Alterskernstreifen in der Regel lichtstärker als den hinteren. Sehr interessant dürfte die Beobachtung Vogts!) sein, dass bei geeigneter Untersuchungsmethode ausser diesem Hauptsystem der Diskontinuitätsflächen noch eine Menge konzentrisch angeordneter lichtschwächerer Streifen zweiter Ordnung in Erscheinung treten kann, namentlich bei jüngeren Individuen. Anatomisch müsste sich daraus die Notwendigkeit eines lamellären Aufbaues der Linse aus zwiebel- schalenartig konzentrisch angeordneten Faserschichten ergeben, wie dies durch die bekannten Mazerationsversuche — neuerdings ins- besondere A. E. Meyers?) — an Leichenlinsen sehr wahrscheinlich semacht wurde. Historisch würde damit die neuere, durch Rabls Forschungen gestützte Lehre vom ausschliesslich radiären Bau der Linse zugunsten der älteren Anschauungen modifiziert werden. Wie schon oft in dem Entwicklungsgang unserer Kenntnisse in den Natur- wissenschaften, würde demnach einem schroffen ‚„Entweder-Oder‘ ein versöhnliches ‚‚Sowohl-als auch“ in der anatomischen Struktur der Linse nachfolgen. Über diese Streifen zweiter Ordnung selbst äussert sich Vogt!) dahin: dass bei geeigneter Spaltlampeneinstellung ihre grösste Deutlichkeit vorwiegend bei Personen jugendlichen Alters erreicht wird. Dabei pflegte die eine oder andere dieser zentral stets zunehmend stärker gekrümmten Flächen durch grössere Lichtstärken hervorzutreten. Nahtsysteme in den sekundären Streifen wurden meist vermisst, eine Verdoppelung de embryonalen Streifen als besonders häufig angegeben. Endlich wird das Auftreten dieser konzentrischen lichtschwächeren Streifen zweiter Ordnung nicht nur im Rinden-, sondern auch im Embryonalkerngebiet nachgewiesen. Unter dem Titel: ‚Die Diskontinuitätsflächen der normalen mensch- lichen Linse‘ brachte Vogt?) vor kurzem eine Vervollständigung ‚ seiner bisherigen Untersuchungen. Es zeigte sich eine weitere typische Fläche, so dass die Zahl der Diskontinuitätsflächen des erwachsenen Menschen nunmehr auf zehn erhöht ist, nämlich: 5), Ss. Anm. 1 Ss. IM. 2) E. A. Meier, Experimentelle Untersuchungen über den Mazera- tionszerfall der menschlichen und der tierischen Linse. Inaug.- Dissert. Basel 1918. 3) A. Vo st, Die Bm der lebenden menschlichen Linse mit Gullstrand’scher Spaltlampe und binokularem Zeiss’schem Corneal- ‘ mikroskop. Bericht der Heidelberger Ophthalmolog. Ges. 1918. 14 | G. Meyer: . die Vorderkapsel-Epithel-Rindenzone, . die sogenannte vordere Abspaltungsfläche, . die vordere Alterskernfläche, . und 5. die vordere erste und zweite Embryonalkernzone, . und 7. die hintere zweite und erste Embryonalkernzone, . die hintere Alterskernfläche, . die hintere Abspaltungsfläche, 10. die hintere Rindenkapselzone. oo rwDND — de) Die vordere Abspaltungsfläche wird nur bei Kindern und jugend- lichen Erwachsenen deutlich gefunden. Im höheren Alter rückt die- selbe an den Rindenstreifen heran, bis zur Verschmelzung. Auch wird in der Regel eine ganz allmähliche axiale Annäherung bis zur Verschmelzung konstatiert. Besonders hervorgehoben wird seine Fein- heit und Lichtstärke sowie die deutliche Divergenz nach der Peripherie, verglichen zum Oberflächenstreifen. Eine entsprechende hintere Ab- spaltungszone wird von Vogt-in vielen Fällen ebenfalls beobachtet. In der vorderen Alterskernfläche wird mit zunehmendem Alter eine von der Kindheit ansteigende Lichtstärke konstatiert sowie auf Verschiedenheiten in Helligkeit, Krümmungsradius, sagittaler Dicke und Oberflächenabstand hingewiesen, in dem Sinne, dass mit zu- nehmendem Alter die Helligkeit des Streifens, Krümmungsradius und axiale Distanz vom Rindenstreifen zunehmen, unter gleichzeitiger Ver- breiterung des Streifens. Die Alterskernzone bei Jugendlichen liess sich zuweilen zuerst nur peripher nachweisen; in den axialen Partien kam sie noch nicht zur Beobachtung. Das zentrale lichtschwache Gebiet zwischen den beiden innersten (zweiter vorderer ünd zweiter hinterer) Embryonalkernstreifen nennt Vogt „Zentrales Intervall“. Dabei ist der zweite hintere Embryonal- streifen wohl stets sehr lichtstark und mit unbewaffnetem Auge bei Spaltlampenbeleuchtung leicht nachweisbar. Er enthält als Naht das stark reflektierende umgekehrte Ypsilon (A = Lambda-Naht), das sich vom lichtschwächeren vorderen, wie Vogt schon anderwärts aus- führte, ausserdem in seiner Grösse auszeichnet. Schliesslich hebt Vogt!) die Überlegenheit der Gullstrand’schen Methode in der Linsenphysiologie und Linsenpatholosie, verglichen zu den früher geübten Verfahren, hervor, indem sich nunmehr mit der Spaltlampe die Diskontinuitätsflächen direkt sehen lassen, während die älteren Untersuchungsmethoden die Frage notwendigerweise offen lassen mussten, ob der verwaschene Lichtfleck der Kernbildchen einer einzigen oder aber mehreren nahe beieinander liegenden Grenzflächen seinen Ursprung verdanke. Nach Vogt war es den bisherigen Unter- 1) S. Anm. 3 8. 12. Die Diskontinuitätsflächen der menschlichen Linse. 15 suchern, die sich der Spiegelbildchen bedienten, unmöglich, zu ent- scheiden, welche dieser Flächen die lichtstärkere sei oder in welchem Abstand von der Linsenvorderfläche dieselben vergleichsweise zu lokalisieren wären. Wenn der erste Nachweis der Kernbildchen bisher erst mit Ende derzwanziger Jahre gelang, so zeigten sich mit der neuen Methode die Diskontinuitätsflächen schon in früher Jugendzeit. III. Technik der Untersuchungen. A. Allgemeines. Über das Wesen der Spaltlampe und der Beschaffenheit ihres Licht- büschels ist von ihrem Erfinder!) selbst berichtet worden. In An- lehnung an. die Gullstrand’schen Untersuchungsmethoden gibt H. Erggelet?) 1914 eine schematische Skizze des Strahlenganges durch die Linse bei scharfer Einstellung des Spaltbildes der Nernst- spaltlampe auf die vordere Linsenkapsel. „Nach einem dunkeln Zwischenraum, entsprechend der optisch leeren Vorderkammer, sieht man das schmale Spaltbild auf der vorderen Kapsel. Weiterhin lässt sich der Weg der jetzt divergierenden Lichtstrahlen als graues Band durch die Linse verfolgen, bis es hinter der Iris verschwindet.“ Grosser Wert wird bei der Beschreibung des Jenenser Instrumen- tarıums den Henker’schen Hilfsapparaten beigelegt, nämlich dem Beleuchtungsarm am schwenkbaren Doppelarm, der Kinn- und Stirn- stütze. Zur mikroskopischen Untersuchung wird das Cornealmikroskop herbeigezogen. Auch Vogt verwendete diese Apparatur. Eine genauere Be- schreibung der Untersuchungstechnik gibt er in den Klinischen Monats- blättern für Augenheilkunde 1918°), auf die auch für die vorliegende Arbeit verwiesen sei. Von grosser Wichtigkeit bei allen Spaltlampen- untersuchungen erweist sich, wie schon Erggelet?), Köppe*) und 1) A. Gullstrand, Die reflexlose Ophthalmoskopie. Archiv f. Augen- heilkunde Bd. 68 S. 101-144. 1911. 2) H. Erggelet, Klinische Befunde bei lokaler Beleuchtung mit der Gullstrand’schen Nernstspaltlampe. Klin. Monatsbl. f. Augenheilkunde Bd. 62 S. 449. 1914. 8) 8. Anm. 1 S. 11. 4) L. Köppe, Die Fortschritte in der Arsndmne der Gullstrand- schen Nernstspaltlampe nebst Bemerkungen über die ophth.-optische sowie praktisch-technische Grenze dieser Untersuchungsmethode. Zeitschr. f. ophth. Optik Heft 6. 1918. Ferner fanden Berücksichtigung: C. v. Hess, Pathologie und Therapie des Linsensystems. In Gräfe-Saemisch, Handbuch der gesamten Augen- heilkunde, III. Aufl. S. 9—14, 19—30. Leipzie 1911. — Rabl, Über den Bau und die Entwicklung der Linse. Leipzig 1900. 16 G. Meyer: Vogt!) betonen, eine längere Dunkeladaptation des Beobachters in völlig dunkelm Raum. Für die Fernhaltung störenden Nebenlichtes sind sowohl von Köppe wie von Vogt besondere Vorrichtungen getroffen worden. Vogt®L) betont, dass die Gullstrand’sche Spaltlampendurchleuchtung der menschlichen Linse insofern eine völlig neue klinische Untersuchungs- methode darstelle, als es sich nicht, wie bei dem Hess’schen Linsen- bildchennachweis, um eine blosse Spiegelung handle, sondern um an Ort und Stelle sichtbar werdende Maxima innerer Linsenreflexion mit dementsprechend viel genauerer topographischer Orientierung. Ver- schiedene Autoren haben für den Weg des Strahlenbüschels als scheinbar zweidimensionale Fläche durch die durchsichtigen optischen Medien die Bezeichnung ‚optischer Querschnitt“ in die Ophthalmologie ein- geführt. ‚„Scheinbaren optischen Querschnitt“ nennt ihn Erggelet?°) in Anbetracht seiner in Wirklichkeit dreidimensionalen Ausdehnung. Bei schärfster Einstellung des Strahlenbüschels in der Gegend seiner engsten Einschnürung und bei möglichst enger Lichtspalte — 4, bis 1, mm — kann praktisch auf eine kurze Strecke das erzeugte Spalt- bild als eine ebene Fläche betrachtet werden. Es hat diese Tatsache im folgenden insofern eine gewisse Bedeutung, als sie gestattet, die scheinbaren Flächen der einzelnen, in Wirklichkeit räumlichen Dis- kontinuitäts- oder Reflexionsstreifen in ihren Breiten oder — besser — Mächtiskeitsverhältnissen unmittelbar miteinander zu vergleichen, unter. Voraussetzung gleichen Einfallwinkels und Beobachtungswinkels und bei Wahl eines möglichst axial durchfallenden Spaltlampen- büschels. Wichtiger erwies sich die Wahl des optimalen Einfall- und Be- obachtungswinkels in bezug auf die Streifenbreite und maximale Helligkeit. Nach Vogt!) ist die Reflexion für den Beobachter am intensivsten, wenn der Hauptausfallswinkel zusammenfällt mit der be- obachteten Richtung. In Anbetracht des kleineren Krümmunssradius jeder zentralwärts folgenden Diskontinuitätstfläche muss notwendiger- weise bei gleicher Einfallsrichtung und gleicher Blickrichtung des Mediums das Maximum der Reflexion jeder folgenden Diskontinuitäts- fläche in etwas anderer Beobachtungsrichtung liegen. Endlich bleibt noch hervorzuheben die Notwendigkeit der Wahl eines axialen optischen Querschnittes zur Übersicht, weil dadurch allein die Bedingung ge- geben ist, dass sämtliche vorhandenen Reflexionsänderungen mehr oder weniger sprunghafter Natur in ihren Beziehungen zueinander auf einmal in Erscheinung gebracht werden können. 1) 8. Anm. 1 8. 11. 2) 8. Anm. 3 8. 13. 3) S. Anm. 2 8. 15. Die Diskontinuitätsflächen der menschlichen Linse. | [I] Eigentlich teilt sich das Spaltlampenbüschel: 1. in eine dem Licht zugewendete Fläche, welche als die Dis- kontinuitätsfläche im engeren Sinne bezeichnet werden kann, 2. in die Reflexion der in sagittaler Richtung unmittelbar an- schliessenden Linsensubstanz, welche eine vermehrte innere Reflexion aufweist. Wir können uns dieselbe vielleicht zusammengesetzt denken aus einer Anzahl feinster Flächen, die, parallel geschichtet, sich an die erstgenannte Fläche anschliessen. Wenn wir also von Diskontinuitäts- flächen sprechen, so verstehen wir darunter Zoren von einer bestimmten Dicke in radiärer Richtung. B. Spezielle Untersuchung. Die einzelne Untersuchung erfolgte wenn möglich beidseits sowohl an gesunden wie an kranken Augen, nach der von Vogt!) bereits andernorts beschriebenen Methode bei möglichst fein gewählter Licht- spalte. Dabei wurden die ersten 20 Fälle bei einer Spaltenweite von über 1 mm auf ihre Diskontinuitätsflächen untersucht, was sich in der Folge als wenig zweckmäßig erwies. Die so gewonnenen Resultate zeigten im allgemeinen. stärkere diffuse Reflexion des ganzen Linsen- systems bereits bei Jugendlichen. Die Begrenzung der einzelnen Reflexionsstreifen blieb verwaschen; feinere Details wurden zuweilen übersehen wegen der allzu großen Lichtfülle des optischen Quer- schnittes. Es gelang uns so nicht, den für gewisse Altersklassen sehr charakteristischen vorderen und hinteren Abspaltungsstreifen getrennt von der Kapselreflexion nachzuweisen. Diese ersten 20 Fälle wurden daher in der Arbeit nicht verwertet. Für alle nachfolgenden Untersuchungen wurde die Spaltweite auf 1, bis höchstens %, mm verringert. Da die Vogt’schen Untersuchungen durchweg mit Hilfe des Cornealmikroskopes erfolgten, so schien es wertvoll, die Beobachtungen zuerst nur makroskopisch oder mit Hilfe einer einfachen, 3—4fach vergrößernden Lupe vorzunehmen. Damit konnte eine Übersicht der topographischen Verhältnisse des gesamten reflektierenden Linsenstreifens auf einmal und ohne Änderung der Apparatur in übersichtlicher Weise vorgenommen und. skizziert werden. Am Schlusse erfolgte als ergänzende Kontrolle die Besichtigung des optischen Linsenquerschnittes vermittelst der 10—24fachen Ver- größerung des Cornealmikroskopes. Maassgebend zu diesem Vorgehen waren Erfahrungen am Mikroskope bei morphologischen Studien, das Verhältnis der linearen Vergrösserung zur Übersichtlichkeit der Objekte im Gesichtsfelde betreffend. Es zeigte sich dabei, dass die Leistungs- fähigkeit der Gullstrand’schen Spaltlampe allein schon eine un- DS. Anm.T S 12 u.s. Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd. 178 uNZ 18 G. Meyer: erwartet grosse war. Schliesslich konnte eine Untersuchung mit ver- schiedenen Mitteln zur Deutung dieser feinen optischen Struktur- differenzen nur erwünscht sein. Im allgemeinen deckten sich dabei die makroskopisch oder mit Lupenvergrösserung gewonnenen Resultate an der Spaltlampe mit der Beobachtung bei 24facher Vergrösserung mit binokularem Cornealmikroskop. Die von Vogt beobachteten Diskontinuitätsflächen zweiter Ordnung waren dagegen mit Zuhilfe- nahme des erwähnten Instrumentes viel öfter, zahlreicher und deut- licher nachweisbar. Die scheinbar homogen dunkeln (optisch leeren) Zwischenzonen zeigten alsdann oft noch eine feinste lamelläre Struktur aus helleren und dunkleren Streifen. Zur genauesten Lokalisation der einzelnen Linsenstreifen endlich in bezug auf Nahtsysteme, Kem- vorderfläche, Linsentrübungen leistete das Cornealmikroskop die wert- vollsten und zuverlässigsten Dienste. Sämtliche beobachteten Fälle mit Ausnahme zweier absoluter Glaukome erfolgten in maximaler Atropin- oder Homatropin-Kokainmydriasis, im Dunkelzimmer oder nach genügender Dunkeladaption des Beobachters unter Anwendung von Kinn- und Kopfstütze und bei ruhiger Fixation eines in der Ferne angegebenen Zieles. Zur Untersuchung des rechten Auges wurde die Spaltlampe am schwenkbaren Hebelarm nach Henker seitlich und vorn auf die gleichnamige Seite des Untersuchten und das Licht- büschel auf die Cornea gebracht. Den linken Ellenbogen auf den Tisch des Stativs gestellt, reguliert die linke Hand die aplanatische Oph- thalmoskoplinse an der Schraube des Linsenhalters nach vorheriger Ein- stellung des Lichtbüschels auf das Cornealniveau. Sehr wichtig ist nunmehr, die richtige Zentrierung des Nernstleuchtkörpers voraus- gesetzt, die Einstellung des scharfen lichtstarken Spaltbildes auf die Linsenvorderfläche, speziell auf den intensiv weisslichen sogenannten Linsenkapselreflex und sukzessive tiefer unter gleichzeitiger Regulation der Lichtspalte auf Y, mm unter Berücksichtigung der jeweiligen Beobachtungsrichtung im obenerwähnten Sinne. Die scharflinige Begrenzung des maximal reflektierenden vorderen Kapselstreifens scheint uns ein zweckmässiges Kriterium optimaler Einstellung des Lichtbüschels auf die Linsenvorderfläche zu bieten. Eine neue Verschiebung der Ophthalmoskoplinse am Linsenhalter ist praktisch erst für die tieferen Teile des hinteren Embryonalkern- und Alterskern-Rindengebietes durchaus nötig. Unter Berücksichtigung des im allgemeinen Teile über die Gullstrand’schen Diskontinuitäts- flächen Ausgeführten wählten wir die scheinbare Breite des stets sehr scharf begrenzten vorderen Kapselstreifens als Maass zur Be- urteilung der relativen Mächtigkeit aller nachfolgenden Streifen, ins- besondere des Alterskernstreifens und der „optisch leeren‘ Linsen- zwischenräume. Die Diskontinuitätsflächen der menschlichen Linse. 19 Als Kriterium eines annähernd axialen optischen Linsenquerschnittes wurde das gleichzeitige helle Aufleuchten der beiden Embryonalkern- nähte mit den zugehörigen zentralen Reflexionsstreifen verwertet. Der leicht gelingende makroskopische Nachweis bis ins hohe und höchste Alter wenigstens des hinteren Ypsilons bei normalen Linsen kommt uns hierbei sehr zustatten. Eine Verschiebung nach der Seite, eine ebensolche nach oben oder beide Vorgehen vereint machen es uns möglich, sukzessive Streifen um Streifen gleichsam wie in anatomischen Serienschnitten aneinander- zulegen, wie dies Vogt für die peripheren Linsenteile bereits aus- führte. Diese letzteren bleiben auch bei stärkster Mydriasis in ihren äußersten Teilen natürlich einer Spaltlampenuntersuchung unzugäng- lich, weil von der Iris bedeckt. Die Iris beschränkt schliesslich auch die Wahl des Einfallswinkels für die tieferen Linsenpartien; bei streifender Inzidenz des Lichtes und dementsprechend sehr stumpfem Einfalls- winkel kommen bei Betrachtung von vorne oder bei Beobachtung im rechten Winkel zum einfallenden Lichtbüschel die tiefsten Linsen- partien ebenfalls hinter das Diaphragma der Iris zu liegen. Eine Aus- nahme machen natürlich die Iriscolobome. Eine horizontale Aufnahme eines axialen Linsenquerschnittes gestattet die derzeitige Spaltlampen- montur leider nicht. Theoretisch müsste derselbe bei dem ausgesprochen radiär-symmetrischen Bau der Linse verglichen zu einem vertikalen optischen Querschnitt völlig identisch ausfallen?). IV. Epikrise. Eine tabellarische Zusammenstellung der 102 auf die Diskontinuitäts- flächen untersuchten Personen der Linse zeigt uns, dass in allen Fällen bis zurück ins zarteste Kindesalter anscheinend ausnahmslos gewisse Reflexionsstreifen sich nachweisen lassen, als der Ausdruck mehr oder weniger sprunghafter Änderungen der Brechungsindizes scheinbar homogener Linsenteile. Dabei ist die Zahl dieser Flächen zunächst geringer als bei Erwachsenen und inkonstant. Ihre Einreihung ist eime schwierige; die Reflexion ist allgemein schwächer und. diffuser. Mit zunehmendem Alter, anscheinend in oft ziemlich kurzen Zeiträumen, werden sie lichtstärker, verbreitert und schärfer konturiert, zuweilen konfluierend. Neue Streifen treten in bestimmten Lebensabschnitten auf; andere scheinen zu verschwinden oder mit anderen Systemen zu verschmelzen. Bestimmten Lebensaltern entspricht anscheinend ein ziemlich konstanter optischer Querschnitt aller Diskontinuitäts- I) Anmerkung. Raumersparnisse halber wird hier von einer weiteren Veröffentlichung der in der gleichnamigen Dissertationsschrift in extenso eingefügten Untersuchungstabelle Abstand genommen. Die nachfolgenden Ausführungen beziehen sich ausschliesslich auf dieselbe. DE: o 20 °@. Meyer: flächen. Die Intensität der Reflexion nimmt dabei bis ins höchste Alter mehr und mehr zu. Ein zahlenmässiges Verhältnis über die Häufigkeit und anscheinende Konstanz ihres Erscheinens, eine Re- konstruktion des ganzen Linsenbaues in den verschiedenen Lebens- abschnitten soll im folgenden versucht werden. Mit Vogt zählen auch wir bei unseren Untersuchungen zehn ver- schiedene Diskontinuitätsflächen auf: A. Morphologie der einzelnen Diskontinuitätsflächen in ver- schiedenen Lebensaltern. 1. Vorderer Kapselstreifen. Der vordere Kapselstreifen ist in allen untersuchten Fällen also in 100%, vorhanden, ist stets sehr lichtstark und intensiv weisslich reflektierend, nach vorn und hinten immer scharf begrenzt. In der Jugend, weitaus am lichtstärksten, scheint er im höheren Alter fast durchweg von Alterskernstreifen überholt zu werden. Im letzteren Falle zeigt seine hintere Begrenzung zuweilen eine feine wellige Riffelung auch in Fällen, da ein vorderer Abspaltungsstreifen noch deutlich nachweisbar ist. Das regelmässige Vorkommen des Kapselstreifens, seine auffallende Konstanz in der scheinbaren Dicke bei früher erwähnten Unter- suchungsbedingungen, seine scharfe Begrenzung bei hoher Lichtstärke lassen ihn vergleichsweise als relatives Maass geeignet erscheinen, wie dies schon oben ausgeführt wurde. In diesem Sinne soll er denn auch im folgenden unter allem Vorbehalt für die scheinbare Mächtigkeit des Alterskernstreifens als Maasseinheit verwendet werden. Stellt man die Haupteinfallsrichtung des Lichtbüschels bei möglichst grossem Einfallswinkel scharf auf die vordere Kapselfläche ein, eventuell unter leichter Hin- und Herbewegung des Linsenarmes, so kann man bei geeigneten Fällen Teile des Kapselreflexes plötzlich intensiv silberweiss reflektieren sehen. Innerhalb dieser scheinbar:spiegelnden Partie findet man. dabei öfters.und namentlich deutlich bei älteren Individuen schon von blossem Auge, besonders schön aber bei 3—4facher Lupen- vergrösserung, eine prächtig silberweiss aufleuchtende, vorwiegend grubig-längs- oder schrägstreifige Struktur mit entsprechender nega- tiver dunkler Felderung, beide von sehr zarter und zierlicher Beschaffen- heit. Die betreffenden Individuen zeigten sonst keine pathologische Beschaffenheit der Linse. Über die Deutung dieser Erscheinung wage ich mich vorläufig nicht auszusprechen. Bei ihrer makroskopischen Sichtbarkeit dürfte sie wohl nicht direkt mit dem Linsenchagrin in Beziehung stehen. Um nach einer Analogie in der Natur zu suchen, steht sie vielleicht als gröbere Faserstruktur mit dem Linsenchagrin Die Diskontinuitätsflächen der menschlichen Linse. 31 [4 in irgendeiner Beziehung, etwa so, wie die grobe, grubig-längs- oder querstreifige Struktur mancher Bryophytenperistome bei. schwacher Vergrösserung mit deren feineren papillösen Zeichnung bei starker Vergrösserung. 2. Die vordere Abspaltungssfläche. Wie Vogt hervorhebt, ist die vordere Abspaltungsfläche nur bei Kindern und jugendlichen Erwachsenen deutlich. Von 102 Unter- suchten liess sie sich in 82 Fällen sicher nachweisen, also in 80%; 20% blieben unsicher oder fehlend. Unter diesen letzteren waren nur drei im Alter unter 45 Jahren mit negativem Befund, ohne näher erklärbare Ursache. Die negativen Befunde im Alter von 45 bis 74 Jahren zeigten mehr oder weniger stark ausgesprochenes’ Alters- kernrelief. Die Farbe des Reflexionsstreifens war in der Regel rötlich- weiss, in 70%, aller Untersuchten. Dabei war die Reflexion, wie schon Vogt betonte, lichtstark, der Streifen schmal. Die. Streifendicke betrug in den. Fällen mit rötlich-weissem Reflex durchschnittlich nur %—1/, der Kapselstreifenbreite. Die vordere und namentlich die hintere Grenze war sehr oft mit zunehmendem Alter feinst krenuliert bis feinwellig bei schwacher. Lupenvergrösserung. Nach Vogt ist der vordere Abspaltungsstreifen im axialen Teile sehr oft nicht vom Kapsel- streifen getrennt. Diese Beobachtung lässt sich oft machen, je steiler der Einfall des Lichtbüschels gewählt wird. Bei streifender Inzidenz des Lichtes wird. aber meistens die schmale, peripher deutlich divergente dunkle Trennungslinie auch axial durchgehend, und wohl ausnahmslos gelingt es beim Wandernlassen der Lampe nach der Peripherie und oft nur dort, den scheinbar einfachen Kapselstreifen in einen Kapsel- und in einen Abspaltungsstreifen. von typischem Verhalten aufzulösen. Im höheren Alter macht es den Anschein, als ob der vordere Ab- spaltungsstreifen mit dem Alterskernstreifen bzw. mit dessen welliger Vorderfläche in Beziehung treten würde. 3. Der vordere Alterskernstreifen. Die Anwesenheit des vorderen Alterskernstreifens wurde im ersten Jugendalter mit Sicherheit bei einem sechsjährigen Mädchen mit Hypermetropie und Strabismus convergens beobachtet. Wahrschein- lich sind auch die zwei Untersuchungsresultate von zwei Fünfjährigen hierzuzurechnen; doch lässt sich bei dem breiten dunkeln Abstand von vorn und dem Fehlen eines zweiten parallelen Streifens weiter hinten nicht mit Sicherheit sagen, ob die leicht gelblich reflektierende, schmale und diffuse Diskontinuitätsfläche dem Alterskern oder aber dem ersten (peripheren) vordern Embryonalkern zuzuschreiben ist. Der Farbton derselben würde eher zugunsten des vorderen Alterskernstreifens 22 G. Meyer: sprechen. Bei dem sechsjährigen Mädchen dagegen sind beide Systeme deutlich nachweisbar. Damit ist die Deutung einwandfrei. Vom achten Lebensjahre an lässt sich der Alterskernstreifen häufiger und häufiger nachweisen, wird aber in einem Falle selbst im zwölften Lebensjahre noch vermisst, um von da weg bei keiner Untersuchung mehr zu fehlen. Im allgemeinen scheint der Zeitraum vom achten bis zehnten Lebens- jahre bestimmend zu sein für das Deutlichwerden der gesamten Dis- kontinuitätsfläche. Dabei ist die Reflexionsfarbe, für die in den mittleren und höheren Altersstufen ein rötliches Gelb bis Orange charakteristisch ist, wie dies auch Vogt durch seine Untersuchungen angibt, bis zur vollendeten Reife auffällig wechselnd zwischen Weisslich, Gelblich, Gelb, Gelbrötlich bis Grüngelb in allen Nuancen. Wenige Fälle im mittleren und höheren Alter fielen auf durch weissliche oder bleichgrüne Reflexion des vorderen, bei leuchtendem Gelbrot oder Orange des hinteren Alters- kernstreifens. Die Lichtstärke des Alterskernstreifens ist in der Kindheit bis zum zwölften Lebensjahre in der Regel sehr gering, die Begrenzung diffus. Etwa bis zum 25. Lebensjahre, d. h. bis zur Vollendung auch des letzten Längenwachstums, ist der vordere Kapselstreifen stets deutlich licht- stärker als der vordere Alterskernstreifen; die Konturen des letzteren werden ungefähr von diesem Zeitraum an langsam deutlicher und schärfer. In ziemlich jähem Übergang — zwischen dem 23. und 25. Lebensjahre durchschnittlich — tritt nun die Inversion ein; die Reflexion des Alterskernstreifens ist von da an mindestens so stark wie die des vorderen Kapselstreifens, und mit zunehmendem Alter weist sie überhaupt die grösste Lichtstärke des gesamten Systems auf. Aus unserer Tabelle berechnen wir mit allem Vorbehalt wegen des geringen statistischen Materials für den Alterskernstreifen folgende Werte: Zahl der Untersuchten 102 = 100%, davon mit Alterskern- streifen 9] = 90%, (die unsicher klassifizierten Streifen mitgerechnet), ohne Alterskernstreifen 11 Fälle = 10%. Zahl der untersuchten bis zu acht Jahren (inkl.) 15 = 100%, davon mit Alterskernstreifen 6 = 40 %,, ohne Alterskernstreifen 9= 60% Zahl der Untersuchten bis zu zwölf Jahren (inkl.) 23 = 100%. davon mit Alterskernstreifen 17 = 60,7%, ohne Alterskernstreifen Magen , Zahl der Untersuchten vom 9. bis 12. Lebensjahre (inkl.) 13 = 100%, davon mit Alterskernstreifen 11 = 84,6%, ohne Alterskern- streifen 2 = 15,4%. | Bis zum zurückgelegten achten Lebensjahre ist demnach das Fehlen des Alterskernstreifens eher die Regel. Zwischen dem neunten und zwölften lässt sich in ?/, aller Fälle eine entsprechende Diskontinuitäts- fläche nachweisen. Vom 13. Lebensjahre an berechnet sich ihre An- Die Diskontinuitätsflächen der menschlichen Linse. 23 wesenheit auf 100%. Bei 91 Untersuchten mit positivem Befund wurde die leuchtende Gelb- bis Orangefärbung 55mal oder in 60% gefunden, bei 45 Untersuchten im Alter bis zu 25 Jahren in 10 Fällen oder 22,2%, vom 26. bis 74. Lebensjahre in 46 Fällen 44mal oder in 90%, d. h. vom zurückgelegten 25. Jahre an ist die Gelbfärbung des vorderen Alterskernstreifens fast konstant nachweisbar. Berechnen wir auf die gleiche Zahl von 46 Untersuchten im Alter von 26. bis 74 Jahren das Lichtstärkenverhältnis der beiden vorderen Diskontinuitätsflächen, so finden wir den Kapselreflexionsstreifen nur in vier Fällen lichtstärker, also in 8,7%. In 91,3% ist die Alters- kernfläche nunmehr mindestens ebenso lichtstark oder lichtstärker, d. h. in einem Zahlenwerte, der dem der Gelbfärbung sehr nahe kommt. Voraussetzung zu diesem Vergleich ist die Vornahme der Untersuchung bei diffuser Reflexion, wie dies in der Einleitung zur Untersuchungs- technik ausgeführt wurde. i Echte Verdoppelungen des Alterskerns liessen sich nicht mit Sicher- heit nachweisen. Am ehesten noch müsste man den Fall Nr. 97 der Tabelle hierher rechnen, dessen zweiter Streifen allem Anschein nach nicht dem Embryonalkern angehört. Eine Reihe von vermutlich scheinbaren Verdoppelungen dürfte dagegen im mittleren Alter zwischen 25—35 und 40 Jahren nicht gerade selten sein, wie die Fälle Nr. 53, 64, 74 und andere zeigen. Bei diesen liegt zwischen einem vorderen und hinteren leuchtend gelbrot reflektierenden, ziemlich scharf be- srenzten Streifen eine mehr oder weniger optisch teere lichtschwächere Mittelzone. Diese zeigt jedoch in allen untersuchten Fällen deutlich stärkere diffuse Reflexion, wie die beiden angrenzenden dunkeln Intervalle vor und hinter dem Alterskernstreifen. Mit einer unklaren Ausnahme im hohen Alter wurde diese Erscheinung nach Ausbildung des Kernreliefs nicht mehr beobachtet. Es scheint demnach, dass eine Verdichtung der Alterskernzone anfangs nicht ganz selten in der hinteren und vorderen Grenzzone beginne, um schliesslich die ganze Streifen- breite gleichmässig auszufüllen. Für diese Annahme spricht auch der Breitenabstand der primären Pseudoverdoppelungen. Die Gesamt- mächtigkeit des Alterskernstreifens nimmt bis ins hohe Alter an- scheinend zu. Aus zarten Anfängen im Kinder- und Pubertätsalter erreicht sie am Ende der Wachstumsperiode im Durchschnitt die zwei- bis dreifache Kapselreflexbreite. Mit der Involution scheint auch ’der dunkle Streifen vor dem Alterskern mehr und mehr sich zu verschmälern; es erscheint nicht unwahrscheinlich, dass schliesslich auch der vordere Abspaltungsstreifen mit dem Alterskernstreifen ver- schmilzt. Dabei ist die vordere Begrenzung schon frühzeitig — durch- schnittlich bald nach Abschluss der Wachstumsperiode — schärfer konturiert, die hintere im allgemeinen etwas später. 24 G. Meyer: Durchschnittlich mit dem 45. Jahre, d. h. mit dem Deutlichwerden der Kernplastik, wird die vordere Begrenzung uneben wellig, grubig, ab und zu mit eigentümlich wurmförmiger Struktur der vorderen Partien, oft in einer ziemlich breiten Zone. Strebepfeiler- oder strahlen- artige Strukturen der hinteren zwei Drittel bis drei Viertel können sich daran reihen zu einem farbenprächtigen Bilde. Ihre Ausbildung steht offenbar in engster Beziehung zum Kernrelief. Bei 25 Unter- suchten von über 45 Jahren konnte diese Erscheinung der unebenen Begrenzung des Alterskernstreifens 23mal oder in 92%, nachgewiesen werden. Dem Alterskernstreifen folst ein dunkler Zwischenraum von grosser Konstanz in der Anlage und in den Breitenverhältnissen, der sich vom Embryonalkerngebiet deutlich getrennt bis ins hohe und höchste Alter nachweisen lässt. Bei Linsen mit beginnendem Kernstar ist dieses dunkle Intervall besonders deutlich zwischen (trübem) Embryonal- kern- und dem Alterskernstreifen (vgl. Vogt 1. e.!) S. 100). 4. Der periphere vordere Embryonalkernstreifen. Der periphere vordere Embryonalkernstreifen erscheint als Grenz- streifen des Embryonalkerngebietes nach vorn. Seine Ausbildung ist sehr viel unregelmässiger als die des Alterskernstreifens in bezug auf Vorkommen, Lichtstärke, Breite und Begrenzung. Bei 102 unter- suchten Personen fand er sich 87mal oder in 85,3%, und zwar fehlte er einmal allem Anschein nach im hohen Alter bei einem Acht- undsechzigjährigen, während ‚umgekehrt ein dreieinhalbjähriges Mäd- chen, das jüngste untersuchte Kind, denselben bereits in aller Deutlich- keit aufwies. Bei einer Reihe von Kindern im Alter von 4 bis 12 Jahren liess sich nicht sicher entscheiden, .ob der einzige vordere Streifen dem Alterskern- oder dem Embryonalkernsystem zuzuzählen sei, so in den Fällen Nr. 3, 8, 13, 14 und 25. Unter Ausschluss der ersten neun Jahre finden wir vom 10. Lebensjahre an bis zum 74. bei 83 Individuen den erwähnten Streifen in 73 Fällen oder in 91,5%. Charakteristisch scheinen grünliche Reflexion, Schmalheit und diffuse Begrenzung zu sein. Während in den ersten Lebensjahren der erstere vordere und hintere Embryonalkernstreifen nicht so selten den Alterskernstreifen an Lichtstärke und Deutlichkeit übertreffen, ist dies später nach er- langter Reife anscheinend nicht mehr der Fall. Dagegen konfluiert derselbe häufig vom 45. Lebensjahre an mit dem zweiten vorderen Embryonalkernstreifen. Unter 25 Personen von über 45 Jahren traf dies 12mal oder in 48%, zu. 1) S. Anm. 18. 11. Die Diskontinuitätsflächen der menschlichen Linse. 95 5. und 6. Der zentrale vordere und hintere Embryonal- kernstreifen. Mit dem zentralen Intervall sind diese beiden Streifen im höheren Alter vielleicht das auffälligste Gebilde im ganzen optischen Quer- schnitt, insofern dieselben mit dem zentralen dunkeln Intervall, gegen das sie sich flach abstutzen, und der peripheren hochkonvexen Be- grenzung einer Kaffeebohne oder einer Semmel in ihren Umrissen auffällig ähnlich sehen. Wenn sie mit den zugehörigen peripheren Embryonalkernstreifen im höheren Alter verschmelzen, so ist ihre Form ungefähr die zweier, durch eine dunkle Zone getrennter Halb- kugeln. Dabei ist jedoch der hintere Streifen wohl stets lichtstärker, grösser und breiter wie der vordere; die gesamte Asymmetrie der hinteren Linsenhälfte im optischen Querschnitt scheint daraus ihren Ursprung zu nehmen. Wohl ebenso konstant erwies sich die Anwesen- heit der optisch leeren Mittelzone des zentralen Intervalls.. Nur in 2 von 102 Fällen (bei ausgesprochener Cataracta nuclearis) zeigte sich dieselbe ebenso stark reflektierend wie das übrige Kerngebiet, kon- ‘fluierten demnach die beiden asymmetrischen Halbkugeln mit un- gleichem Krümmunssradius zum homogen grünlich reflektierenden Embryonalkerngebiet. Niemals fehlten diese beiden zentralen Embryonalkernreflexe völlig; in der zartesten Jugend sind sie in der Regel auf eine weissliche oder srünlich-weisse lichtschwache Reflexion unmittelbar auf den Schenkeln der Embryonalkernnähte und in Parallaxe mit ihnen beschränkt. Dabei erscheint stets entsprechend den Grössenverhältnissen des hinteren Ypsilon der zugehörige Reflexionsstreifen grösser und lichtstärker. Die Begrenzung ist dann sehr diffus. Man könnte so ebenso zweckmässig von einer vorderen und hinteren zentralen diffusen Reflexion sprechen, wenn ein ‚wohl charakterisierter Übergang zum gewöhnlichen, oben beschriebenen Bilde aufzufinden wäre. Das letztere ist nun nicht der Fall, und so finden wir schon in der Kindheit typisch ausgesprochene Semmelformen und hinwiederum bis ins höhere Alter die lichtschwache diffuse zentrale Reflexion der frühen Jugend, beim Greisen den Embryonalkern des Kindes. Wir beobachten hier eine anscheinend nicht so seltene Diskordanz in der Entwicklung der embryonalen und. postembryonalen Linsenteile. 7. Der periphere hintere Embryonalkernstreifen. Seine morphologischen Eigentümlichkeiten sind die des vorderen. Seine Konvexität ist stets stärker. Im allgemeinen tritt er gleich- zeitig mit jenem in die Erscheinung. Aus unserer Tabelle berechnet sich die Häufigkeit seines Vorkommens auf 85 Fälle von 102 Unter- 26 G. Meyer: suchten oder auf 83,3%: Die leichte Differenz ist unter Umständen den technisch nunmehr etwas schwierigeren Verhältnissen zuzuschreiben, so dass wohl behauptet werden darf, dass mit verschwindenden Aus- nahmen bei Vorhandensein des peripheren vorderen Embryonalkern- streifens auch der hintere sich nachweisen lassen muss. Aus unserer Tabelle berechnet, findet sich vom 10. Lebensjahre an der vordere Streifen bei 83 Individuen 76mal, der hintere bei 83 Individuen 73 mal. Auf den hinteren peripheren Embryonalkernstreifen folgt mit der gleichen Regelmässigkeit wie vorn ein optisch leeres Intervall, aus welchem heraus wir nach hinten unmittelbar auf den hinteren Alters- kernstreifen stossen. 8. Der hintere Alterskernstreifen. Der hintere Alterskernstreifen ist in grossen Zügen vollständig eine Rekapitulation seiner homologen vorderen Diskontinuitätsfläche. Es sollen daher hier nur seine kleinen Abweichungen von diesem be- sonders beschrieben werden. Vorerst zu erwähnen bleibt sein kleinerer Krümmungsradius, dem- entsprechend. seine stärkere Konvexität. Die Gelbfärbung ist noch konstanter und mit stärkerer Beimischung von Orange oder Rot. Bei gleicher Breite bleibt die Begrenzung öfters diffuser, die hintere Grenze nach dem zurückgelesten 45. Lebensjahre oft weniger uneben bis völlig glatt. Besonderheiten in der inneren Struktur entsprechen dem jeweils zugehörigen vorderen System, wobei jedoch die grösseren technischen Untersuchungsschwierigkeiten zu berücksichtigen sind. Von 102 Untersuchten finden wir ihn 85mal oder in 83,3%. 17 Fällen oder in 16,7%, war er nicht nachweisbar. Für die einzelnen Altersstufen ergeben sich vergleichsweise folgende Werte: Zahl der Untersuchten bis zu 8 Jahren (inklusive) 15 oder 100 %. Davon mit hinterem Alterskernstreifen 4 oder 26,7%, ohne hinteren Alterskernstreifen 11 oder 73,3%. Zahl der Untersuchten bis zum 12. Jahre (inklusive) 28 oder 100 Gar Davon mit hinterem Alterskernstreifen 12 oder 43%, ohne hinteren Alterskernstreifen 16 oder 57 %. Zahl der Untersuchten vom 9. bis 12. Lebensjahre 13 oder 100 a: Davon mit hinterem Alterskernstreifen 8 oder 61,5 %,, ohne hinteren Alterskernstreifen 5 oder 38,5 %. Bis zum 8. Lebensjahre ist das Fehlen des Streifens noch aus- sesprochener und bleibt in dem Zeitraum vom 9. bis 12. Jahre noch bei zwei Fünfteln der Untersuchten weiter bestehen. Der hintere Alterskernstreifen entwickelt sich demnach durchschnittlich etwas später als der vordere und erscheint nach unserer tabellarischen Zu- Die Diskontinuitätsflächen der menschlichen Linse. n 97 sammenstellung erst vom 16. Lebensjahre an konstant in 100%, der untersuchten Fälle. Vom 13. bis 16. Lebensjahre ist er in zwölf unter- suchten Fällen IOmal vorhanden oder in 83,3%. Ob dabei Refraktions- anomalien eine Rolle spielen, lässt sich aus der geringen Zahl des bunt zusammengestellten Materials nicht ersehen. Die ganze Entwicklung des hinteren Alterskernstreifens scheint in bezug auf Breite, scharfe Begrenzung, Lichtstärke und Relief, im Alter verglichen zum vorderen, etwas langsamer, zögernder, nachschleppender sich zu gestalten, ein Unterschied, der vielleicht am besten in den Jahren unmittelbar nach der Pubertät zum Ausdruck kommt, ohne dass er sich genauer definieren liesse, — sofern nicht Beobachtungsfehler vor- liegen sollten. Die Gelb-bis Orangefärbung dagegen ist konstanter und schon vom 25. Jahre an in 100% nachweisbar. Auf insgesamt 85 Untersuchungen von 31, bis 74 Jahren konnte sie 57 mal oder in 67 % konstatiert werden. 9. Der hintere Abspaltungsstreifen. Der hintere Abspaltungsstreifen wurde schon von Vogt in seiner Arbeit „Die Diskontinuitätsflächen der menschlichen Linse‘ näher be- schrieben. Bei den wachsenden technischen Schwierigkeiten einer gleich- wertigen Untersuchung der tiefsten Linsenteile ist dessen Nachweis am schwierigsten, sein Fehlen mit Vorsicht zu deuten. Morphologisch scheint ausser vermehrter Krümmung nichts denselben von seinem vorderen homologen Streifen zu unterscheiden. Auf 102 Untersuchungen glauben wir denselben I9mal nachgewiesen zu haben, vorwiegend im jugendlichen und mittleren Lebensalter. 10. Der hintere Kapselstreifen. Der hintere Kapselstreifen entspricht in seiner Konstanz der Aus- bildung dem vorderen durchaus. Im allgemeinen erscheint er eher etwas breiter und mit zunehmendem Alter mehr und mehr gelb bis orangegelb. Seine Konvexität ist stärker, seine Lichtreflexion etwas geringer. Die diffuse Reflexion des gesamten optischen Linsenquerschnittes pflegt in der Jugend im allgemeinen relativ gering zu sein, um sich im Verlaufe des Alterns mehr und mehr zu verstärken. Dabei bestehen aber Unterschiede bei verschiedenen Individuen der gleichen Alters- stufe. Hier ist vorwiegend die extraembryonale Zone betroffen; dort sind die äusseren Schichten relativ wenig diffus reflektierend, bei starker Beteiligung des Embryonalkerngebietes. Embryonalkerngebiet und äussere Schichten scheinen zuweilen nicht gleichmässig zu „altern“, 28° ' G. Meyer: durchlaufen zueinander mehr oder weniger unabhängige Entwicklungs- phasen. Die von Vogt erwähnte, bisweilen vorhandene lamelläre Struktur der dunkeln Zwischenzonen aus Diskontinuitätsstreifen zweiter Ordnung konnten wir im Gebiete ausserhalb des peripheren Embryonalkern- streifens öfter, innerhalb desselben nicht mit Sicherheit nachweisen. B. Praktische Bedeutung. Vogt betont in seinen Arbeiten über die Diskontinuitätsflächen !-% 3) besonders den Wert der letzteren zur genaueren topographischen Lokalisation pathologischer Linsenveränderungen, eventuell unter Zu- hilfenahme der Nahtsysteme. Vielleicht bestehen Beziehungen dieser Streifen zu Entwicklungsphasen, zu allgemeinen Entwicklungs- störungen, Wachstumsstörungen, zu Krankheiten des Kindesalters, ins- besondere Rachitis und Tetanie, zu gewissen Refraktionsanomalien. Endlich könnte uns der optische Querschnitt der Linse innerhalb ge- wisser Grenzen über das Alter der betreffenden Person orientieren. V. Schlussfolgerungen. Die vorliegende Untersuchungsreihe soll den Versuch abgeben zu einer statistischen Grundlage für die Diskontinuitätsflächen der Linse. Zwei dieser letzteren sind dabei im Lichte der Spaltlampe zuerst von Gullstrand selbst gesehen worden und wurden mit den Hess’schen Spiegelbildehen identifiziert; die übrigen hat als erster Vogt beobachtet und genauer beschrieben. Die Gullstrand’sche Spaltlampe schon allein oder in Verbindung mit gewöhnlicher Lupenvergrösserung, namentlich aber im Verein mit dem Cornealmikroskop, gestattet eine viel weitgehendere innere morpho- logische Gliederung der normalen und pathologischen Linse als alle bisher angewandten Methoden. Insbesondere ist sie der von früheren Autoren angewendeten Bildchenmethode weit überlegen. Die von Vogt zuerst eingehender beschriebenen zehn Dis- kontinuitätsflächen der Linse im Spaltlampenbüschel bei axialer Be- leuchtung beim erwachsenen Menschen bestätigten sich bei unseren Untersuchungsreihen. Am inkonstantesten scheint sich, vielleicht aus Gründen technischer Unzulänglichkeiten, der hintere Abspaltungsstreifen zu verhalten, so dass über dessen Natur sich aus unserem Material nichts Sicheres ableiten lässt. WrSrAnm. 178.12, 2) S. Anm. 3 8. 13. 3) S. Anm. 18. 11. - Die Diskontinuitätsflächen der menschlichen Linse, 99 Der vordere und hintere Kapselreflexionsstreifen liess sich in jedem Falle nachweisen. Er zeichnet sich ausserdem durch seine konstanten Verhältnisse in der Breite oder Mächtigkeit aus, verglichen zu den anderen Streifen bei gleichen Untersuchungsbedingungen. Mit den frühesten Pubertätsjahren und schon vorher erscheint zum erstenmal der Alterskernstreifen in einem wechselnden Prozentsatz, vorerst nur zart und diffus, von geringer Lichtstärke. Nach dem 13. Jahre konnten wir ihn in jedem Falle nachweisen. Nach voll- endetem Wachstum nimmt seine Lichtstärke und Breite ziemlich sprung- haft zu; mehr und mehr tritt eine Gelbfärbung desselben auf. Die Anwesenheit des vorderen Abspaltungsstreifens erweist sich in. der Jugend und im mittleren Alter bis zur Involution fast konstant. Von der Entwicklung des Alterskernreliefs an gelingt sein Nachweis immer seltener. Über die Art seines Verschwindens oder Konfluierens mit anderen Systemen sind wir vorläufig auf Vermutungen angewiesen. Der periphere vordere Embryonalkernstreifen ist in seinem ersten Auftreten unregelmässiger als der Alterskernstreifen. Die Pubertät. scheint keinen so bestimmenden Einfluss auf sein Erscheinen zu be- sitzen. Charakteristisch für ihn dürften sein: diffuse Begrenzung, grünliche Reflexion, geringere Lichtstärke. Scheinbare Konfluenz mit. dem zentralen vorderen Embryonalkernstreifen erscheint vom Beginn des Seniums an zunehmend häufiger. Die beiden zentralen Embryonalkernstreifen mit dem zwischen- liegenden dunkeln Intervall lassen sich in ihren Anfängen als zentrale vordere und, hintere diffuse Reflexion in engster Beziehung mit den Embryonalkernnähten schon in frühester Jugend nachweisen. Sie ist sehr konstant in ihrem Vorkommen; doch ist ihre Ausbildung sehr ungleich durch alle Altersklassen. Der periphere hintere Embryonalkernstreifen aaa in Aus- bildung und Vorkommen dem vorderen. Der hintere Alterskernstreifen erscheint vielleicht durchschnittlich etwas später als der vordere. Erst nach erreichter Pubertät pflegte er konstant nachweisbar zu sein. Auch seine sonstige Entwicklung scheint in vielen Fällen hinter der des vorderen etwas nachzuschleppen.. Der dunkle Zwischenraum zwischen den Alterskernstreifen und. den peripheren Embryonalkernstreifen sowie das zentrale Intervall behält mit grosser Konstanz bis ins höchste Alter hinaus bei nicht kataraktösen Linsen seine „optische Leere‘, d. h. geringe Reflexion verglichen zu den Diskontinuitätsflächen. Es bleibt mir zum Schlusse noch die angenehme Pflicht, meinem verehrten Chef, Herrn Prof. Dr. A. Vogt, Direktor der Universitäts- Augenheilanstalt Basel, für die Anregung zu dieser Arbeit, für die gütige Überlassung des klinischen und poliklinischen Untersuchungs- 30 6. Meyer: Die Diskontinuitätsflächen der menschlichen Linse. materials sowie für seine wertvolle Unterstützung bei ihrer Aus- führung meinen besten Dank auszusprechen. Erklärung der Abbildungen. Die Reproduktionen der drei vorliegenden „optischen“ axialen Linsen- querschnitte erfolgten bei mittlerer Lupenvergrößerung (ca. vier- bis fünf- fach linear. Dementsprechend sind auch unter Beobachtung des im tech- nischen Teile Ausgeführten die linearen Maasse der Abbildungen gehalten. Die Krümmungsradien der hinteren Linsenhälfte wurden hingegen kleiner als der Wirklichkeit entsprechend gewählt, in’der Absicht, in dem schmalen optischen Ausschnitt aus dem ganzen vertikalen Linsenmeridian die asym- metrischen Verhältnisse zwischen vorderer und hinterer Linsenhälfte und insbesonders im Embryonalkerngebiet mit genügender Anschaulichkeit zur Darstellung zu bringen. Abbildung I. Diskontinuitätsflächen der Linse eines dreizehnjährigen Mädchens. Alle zehn Flächen vorhanden, die Abspaltungszone allerdings nur peripher. Geringe diffuse Reflexion in den dunklen Zwischenzonen außerhalb des Embryonalkerngebietes, Andeutungen grünlich reflektieren- der Reflexionsstreifen zweiter Ordnung. Deutliche periphere Divergenz der Diskontinuitätsflächen. (Etwas übertrieben dargestellt). Abbildung I. Diskontinuitätsflächen eines 28 Jahre alten Mannes. Neun Flächen vorhanden. Allgemeine diffuse Reflexion, mäßig stark. Typisches Verhalten der Alterskernflächen im mittleren Lebensalter nach vollendetem Wachstum. Vorn scharfe, hinten mehr diffuse Begrenzung. (Umgekehrtes Verhältnis hinten.) Im vorderen Alterskernstreifen Andeutung einer etwas dunkleren Mittelzone. Abbildung III. Diskontinuitätsflächen der Linse eines siebzigjährigen Mannes. Sehr starke Reflexion des ganzen optischen Querschnittes. Deut- liche dunkle Intervalle zwischen Alterskern- und Embryonalkerngebiet; zentrales Intervall. Konfluenz der Embryonalkernstreifen. Grünliche Re- flexion des gesamten Embryonalkerngebietes. Mächtig entwickelter Alters- kernstreifen, Strahlenstruktur, unebene, wellige und grubige vordere Grenz- flächen. Fehlen der vorderen Abspaltungsflächen. Sehschärfe des betreffenden Auges 1,25, Myopie 0,75 D, Linse beim Durchleuchten völlig klar, bei vokaler Beleuchtung nirgends kataraktöse Trübungen. Im Cornealmikroskop spärliche eckige Linsentrübungen der En Corticalis. Prächtiges Alterskernrelief. x Pflügers Archiv f. d. ges. Physiologie Bd. 178. Tafel I. IR FE 1234567 89+10 Ss“ 12,30450% ER 3 4+56+7 8 10 Meyer, Diskontinuitätsflächen der menschlichen Linse. Verlag von Julus Springer in Berlin. Der Einfluss rhythmischer Druckschwankungen auf die Widerstandsverhältnisse im Gefässsystem. Von Dr. Alfred Fleisch, Assistent des Instituts. (Aus dem physiologischen Institut der Universität Zürich.) Mit 19 Textabbildungen. (Eingegangen am 29. Juli 1919.) Zur Frage der Förderung des Blutstromes durch aktive Arterien- arbeit haben Schäfer!) und Hühne ?) Versuche publiziert, die in künstlicher Durchströmung überlebender Organe mit rhythmischem und konstantem Druck bestanden. Unter gewissen Bedingungen be- obachteten sie, dass bei gleichem Mitteldruck und gleicher Zeitdauer die rhythmische Durchströmungsart der konstanten in bezug auf das Stromvolumen überlegen war. Sie selbst und mit ihnen auch andere Autoren sind geneigt, dieses Resultat zugunsten einer aktiven Förder- leistung des Flüssigkeitsstromes durch die Arterien zu deuten. In einer letzten Arbeit °), die sich eingehend mit diesen Unter- suchungen von Schäfer und Hühne befasst, habe ich die Berechti- gung, aus der Überlegenheit des rhythmischen Druckes über den konstanten in bezug auf das Stromvolumen auf eine aktive Förder- leistung der Arterien zu schliessen, in Abrede gestellt. Dort wurde auseinandergesetzt, dass -bei Durchströmung eines dehnbaren Widerstandssystemes das Stromvolumen bei rhythmischer Durcehströmung grösser sein muss als das Stromvolumen bei konstanter Durchströmung, sofern Mitteldruck und ‘ Zeit einander gleich sind. Und zwar ist diese Überlegenheit des rhythmischen Druckes eine notwendige Konsequenz der Dehn- 1) Fritz Schäfer, Vergleichung der bei konstantem und rhythmischem Druck durch die Hinterbeine des Frosches getriebenen Flüssigkeitsmengen. Pflüger’s Arch. f. d. ges. Physiol. Bd. 151 S. 97. 1913. Derselbe, Der Einfluss gefässerregender Mittel auf die bei konstantem und rhythmischem Druck durch die Hinterbeine des Frosches getriebenen Flüssigkeitsmengen. Ebenda Bd. 162 S. 378. 1915. 2) Hubert Hühne, Zur Frage einer Förderung des Blutstromes durch pulsatorische Tätigkeit der Blutgefässe. Pflüger’s Arch. f. d. ges. Physiol. Bd. 165 S. 180. 1916. RL 8) A. Fleisch, Die relative Überlegenheit der rhythmischen Durch- strömungsart bei überlebenden Organen als Zeichen aktiver Fördertätigkeit der Arterien. Pflüger’s Arch. f. d. ges. Physiol. Bd. 174 S. 177. 1919. a Alfred Fleisch: barkeit der Gefässe, die auftritt und auftreten muss, wenn ein Druck- anstieg eine Widerstandsherabsetzung der durchströmten Bahn erzeugt. Die Richtigkeit dieser theoretischen Forderung wurde in der zitierten Arbeit experimentell bestätigt an einer toten, elastisch dehnbaren Strombahn, bei welcher die rhythmische Durchströmungsart ein grösseres Durchtlussvolumen ergab als die konstante. Die Überlegenheit des rhythmischen Druckes bei Durchströmung eines überlebenden Organes kann somit durch mindestens zwei ver- schiedene Momente bedingt sein: Entweder ist sie der Ausdruck für eine aktive Förderleistung der Arterien, oder sie ist die mechanische Konsequenz der elastischen Dehnbarkeit der Gefässe. Ein sicheres. Kriterium für die Entscheidung in dieser Frage ist das Verhalten des Gefässwiderstandes bei Druckvariationen. Bleibt dieser bei Druck- anstieg ganz oder wenigstens annähernd konstant, so ist die aktive Förderleistung der Arterien eher wahrscheinlich gemacht. Erzeust umgekehrt Druckanstieg eine nennenswerte Widerstandsherabsetzung der Gefässbahn, so müssen wir die Überlegenheit des rhythmischen Druckes in erster Linie als zirkulatorische Rückwirkung der Dehn- barkeit der Gefässe betrachten. Die experimentellen Untersuchungen meiner zitierten Arbeit über die Beziehung von Druck und Durchflussvolumen bei der überlebenden Kaninchenniere haben ergeben, dass bei langsamem Druckansties das Stromvolumen rascher wächst als dem zugehörigen Druck entsprechen würde. Bei langsamem Druckanstieg findet also in dem überlebenden Organ tatsächlich eine Herabsetzung des Widerstandes statt. Sie ‘bezieht sich aber nur auf Verhältnisse, in welchen sich der Druck langsam im Verlauf von mehreren Minuten verändert, und wir sind nicht ohne weiteres berechtigt, diese Resultate auch auf rasche Druckvariationen zu übertragen. Es ist der Zweck der vorliegenden Arbeit, den Einfluss des Zeit- faktors bei Druckschwankungen auf die Widerstandsveränderungen zu untersuchen. Insbesondere ist es von Interesse nachzuweisen, ob rasche Druckvariationen von der Geschwindigkeit der natürlichen Pulsationen ähnliche Widerstandsveränderungen des durchströmten Gefässsystemes herbeiführen, wie wir sie für langsame Druckvariationen gefunden haben. Diesen neuen Verhältnissen entsprechend musste zu einer anderen Methodik mit besonderer Apparatur übergegangen werden. Methodik. Durehströmungseinrichtung. Zwei Reservoirs, R, und R, (Abb. 1), mit’ sauerstoffgesättigter Ringer-Lösung führen zu einem Dreiweghahn H, von dessen drittem Der Einfluss rhythm. Druckschwankungena.d. Widerstandsverhältn. usw. 33 Schenkel die Durchströmungsflüssigkeit durch eine Heizspirale Sp mit Blasenfänger B zur nachstehend genauer beschriebenen Stromuhr und weiter in das zu durchströmende Organ fliesst. Der Flüssigkeitsspiegel des einen Reservoirs R, steht in gleicher Höhe wie das zu durch- strömende Organ, der Flüssigkeitsspiegel des Reservoirs R, 100 cm höher. Für verhältnismässig langsamen Druckanstieg und Druckabial! während einiger Sekunden wird das halbgefüllte tieferstehende Reser- voir R, mit der Sauerstoffbombe O0, in Verbindung gesetzt. Durch rascheres oder langsarmneres Ausströmen des u aus der Bombe kann die Schnelligkeit und die Höhe des Druck- anstieges beliebig variiert werden. Ein T-Rohr mit Schlauchansatz und Quetschhahn Q in der Gasleitung lässt nach Verschluss der Sauerstoff- bombe den Sauerstoff aus dem Reservoir wieder ausströmen, wodurch der erzeugte Überdruck langsam wieder abfällt. Bei diesen Versuchen ist der Dreiweshahn so gestellt, dass nur das niedere Re- . servoir R, mit der Strom- uhr und dem Versuchs- organ in Verbindung steht. Um raschen Druckan- stieg und raschen Druck- abfallinnerhalb Bruchteilen von Sekunden erzeugen zu können, wird der Dreiweg- hahn H umgestellt, und so das hochstehende Reservoir R, mit der Heizspirale und dem durchströmten Organ RBB 1. in Verbindung gebracht. Bei Öffnen des Hahnes H wirkt plötzlich der hohe Druck des Re- servoirs R,, um bei Schliessen des Hahnes wieder zu verschwinden. Das Stromuhrrohr Sir R ist mit der Arterienkanüle durch einen kurzen Schlauch verbunden. Bei dieser Anordnung registriert die Stromuhr das Zuflussvolumen zum Organ und das optische Manometer den Druck direkt vor. der Arterienkanüle. EN N N SSIISSSSSSSIINSSSSTENIENT Ü Die Druckdifferentialstromuhr. Da der Widerstand indirekt aus der Beziehung von Druck und Stromvolumen ermittelt werden soll, erforderten diese Untersuchungen eine besondere Apparatur, die es ermöglicht, Druck und Stromveolumen Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd. 178. 3 34 3 Alfred Fleisch: fortlaufend zu registrieren. Insbesondere stellen diese Versuche grosse Anforderungen an die Leistungsfähigkeit der Stromuhr, die geeignet sein muss, sehr rasche Variationen des Durchflussvolumens ohne Ver- zögerung zu registrieren. Für diese besonderen Verhältnisse kon- struierte ich auf Anregung von Herrn Professor Hess ein einfaches Modell einer Stromuhr, welche auf folgendem Prinzip aufgebaut ist: Von der direkten Messung der Durchströmungsmenge wie bei der Ludwig’schen oder der Hürthle’schen Stromuhr wird Umgang ge- nommen und das Durchflussvolumen indirekt aus der Druckdifferenz bestimmt, welche die Flüssigkeit beim Strömen durch ein starres Rohr von gegebenen Dimensionen erleidet. Nach der Poiseuille’schen Formel ist das Durchflussvolumen direkt proportional der Druck- - differenz, vorausgesetzt, dass der Querschnitt und die Länge der Bahn und die Viskosi- tät konstant bleiben. Über die Gültigkeit der Poiseuille’schen Formel kann nach den Berechnungen von W. R. Hess!) kein Zweifel sein, da das durchströmte Rohr nureinen Durch- messer von 1,5 mm | hat und somit bei der Abb. 2. in Frage kommenden Strömungsgeschwin- diekeit die für die Gültigkeit der Poiseuille’schen Formel not- wendige Bedingung der gleitenden Strömung aufweist. Dieses Stromuhrmodell sei zum Verständnis der erhaltenen Kurven kurz beschrieben (Abb. 2). Die Druckdifferenz der strömenden Flüssig- keit wird von dem aus Messing hergestellten, innen vollkommen glatten Stromuhrrohr Sir R von 12 cm Länge und 1,5 mm Lichtweite ab- genommen. Die fortlaufende Registrierung der Druckdifferenz geschieht durch eine Druckdifferentialkapsel DK mit einer feinen Gummimem- bran M als Scheidewand. Die eine Seite der Differentialkapsel steht in Verbindung mit dem Anfang, die andere Seite mit dem Ende des Stromuhrrohres Sir R. Die Ausschläge der Gummimembran, die ledig- lich durch die Druckdifferenz zwischen Anfang und Ende des Rohres bedingt sind, werden durch einen Lichtstrahl registriert, der von einem kleinen, auf die Membran gekitteten Spiegelchen reflektiert und im ER, 1) Ww. R. Hess, Viskosität des Blutes und Herzarbeit. Vierteljahrs- schrift der naturforschenden Gesellschaft Zürich 1906. _ Der Einfluss rhythm. Druckschwankungen a.d. Widerstandsverhältn. usw. 35 Frank’schen Photokymographion photographiert wird. Vom Ende des Stromuhrrohres Sir R zweigt eine Leitung ab zu einem optischen Manometer OM. Das optische Manometer, die Leitung zur Differential- kapsel DK und diese selbst werden luftfrei mit Wasser gefüllt. Sämt- liche Leitungen sind aus starrem Material und möglichst kurz und weit gehalten. Schlauchverbindungen sind nach Möglichkeit vermieden, und wo sie vorkommen, sind die starren Röhren direkt aneinander- geschoben und ein diekwandiger Schlauch darübergezogen. Bei raschen Druckschwankungen finden in dem kreisförmig ge- schlossenen System der Differentialkapsel DK mit den beiden Zu- leitungsröhren und dem Stromuhrrohr StrR Eigenschwingungen statt um die Ruhelage der gespannten Gummimembran M (siehe Versuche 1 bis 4). Um diese Schwingungen zu dämpfen, ist in dem einen Zu- leitungsrohre zur Differentialkapsel eine Dämpfung D angebracht in Form eines kleinen Schwammes. Ein T-Rohr, durch welches der Schwamm beliebig weit in die Zuleitung vorgeschoben werden kann, ermöglicht die Dämpfung nach Bedarf zu variieren. Die Empfindlichkeit der Stromuhr kann variiert werden desch verschiedene Dicke und Spannung der Gummimembran M. Bei der für die folgenden Versuche angewandten Kombination von Stromuhr- rohr, Querschnitt, Dicke und Spannung der Membran beträgt der Ausschlag bei SO cm Kymographionabstand im allgemeinen Il cm für ein minutliches Durchflussvolumen von 5—6 cem Ringer-Lösung. Bei den Versuchen mit künstlicher Durchströmung der überlebenden Kaninchenniere ist die Empfindlichkeit des Apparates durch Ver- wendung einer dünneren Gummimembran auf das Dreifache gesteigert. Prüfung der Apparatur. Die ae aihiekeit der Stromuhr ergibt sich aus der Funktions- prüfung in den Versuchen 1-4. Um möglichst einfache, übersicht- liche Verhältnisse zu haben, wird anstatt des überlebenden Organes eine Glaskapillare an die Stromuhr angeschlossen und durchströmt. ' Diese funktionellen Prüfungen müssen vor allem auf zwei mögliche Störungen gerichtet sein: nämlich auf die Eigenschwingungen der Stromuhr und auf eine allfällige zu grosse Trägheit derselben. Für diese Prüfung wählen wir am zweckmässigsten einen Ver- such, der an die Leistungsfähigkeit der Stromuhr die grössten An- forderungen stellt, also raschester Druckwechsel, wie er durch Drehen des Hahnes H (Abb. 1) erzeugt wird. In den Versuchen 1—4 zeich- net die obere Kurve den Druck, die untere das Stromvolumen. Ein Ausschlag nach oben entspricht einer Zunahme des Druckes bzw. der Stromstärke. Sämtliche Kurven sind auf die Hälfte re- duziert. 3* 36 Alfred Fleisch: Versuch 1 (Abb. 3): Durchströmung einer Glaskapillare mit optischer Registrierung von Druck und Stromvolumen. Die obere Kurve zeichnet den Druck, die untere das Stromvolumen. Zeitmarken — 0,25 Sek. Rascher Druckwechsel von ca. 80 cm. Wassersäule durch Öffnen nacl nachher durch Schliessen des Hahnes der Zuleitung. Die Stromuhr ist vollkommen un- —— Abb. 3. Abb. 4. gedämpft. Beim Druckanstieg, wie beim Druckabfall treten starke Schwin- gungen in der Stromuhr auf. Versuch 2 (Abb. 4: Durchströmung einer Glaskapillare wie in Ver- such 1. Die obere Kurve zeichnet den Druck, die untere das Stromvolumen. Zeitmarken in den Kurven 0,25 Sek. Die Stromuhr ist schwach gedämpft. Die Schwingungen der Stromuhr sind immer noch vorhanden, aber be- deutend geringer als in Versuch 1. Versuch 3 (Abb. 5): Durchströmung einer Glaskapillare wie in Ver- such 1 und 2. Die obere Kurve zeichnet den Druck, die untere das Strom- Abb. 5. Abb. 6: volumen. Zeitmarken 0,25 Sek. Die Stromuhr ist mittelstark gedämpft. Die Eigenschwingungen der Stromuhr sind auf eine kleine Zacke reduziert. Nachschleppen des Stromuhrausschlages tritt nicht auf, die Stromuhr reagiert prompt. Versuch 4 (Abb. 6): Durch e einer Glaskapillare wie in den vorhergehenden Versuchen. Die obere Kurve zeichnet den Druck, die untere das Stromvolumen. Zeitmarken 0,25 Sek. Die Stromuhr ist rk Der Einfluss rhythm. Druckschwankungen a.d. Widerstandsverhältn. usw. 37 gedämpft, Eigenschwingungen der Stromuhr sind nicht mehr vorhanden. dafür tritt eine starke Trägheit der Stromuhr auf, die Stromuhr ist über- dämpft. A Aus den angeführten Versuchen 1—4 geht einmal die Notwendig- keit der Dämpfung der Stromuhr hervor. Wie Versuch 3 (Abb. 5) zeigt, gibt es aber einen Grad der Dämpfung, bei dem die Eigenschwingungen der Stromuhr beinahe vollständig ver- schwinden, aber trotzdem keine merkliche Verzögerung des Stromuhrausschlages auftritt. Da es uns in den folgenden Versuchen vor allem darauf ankommt, ein solches ‚Nachschleppen“ des Stromuhrausschlages mit Sicherheit zu vermeiden, so wurde in- allen Versuchen der Dämpfungsgrad vorher ausprobiert und so ge- wählt wie in Versuch 3 (Abk. 5) oder eher etwas geringer. Beirder Interpretation der späteren Versuche haben wir also immer die Sicher- heit, dass eine Überdämpfung nicht vorhanden ist. Aber je sicherer ein solches ‚‚Nachschleppen‘“ ausgeschlossen‘ werden kann, um so erösser wird der andere Fehler der registrierten Stromuhrkurven infolge Eigenschwingungen. Bei dem in allen Versuchen angewandten mittleren Dämpfungsgrad haben wir bei sehr raschen Druckvariationen — aber nur bei diesen — mit der Existenz von nennenswerten Eigenschwingungen zu rechnen und bei der Interpretation der re- eistrierten Kurven zu berücksichtigen. Diese Eigenschwingungen äussern sich in Form von einzelnen Zacken, die näher erörtert werden müssen. In Versuch 2 (Abb. 4) tritt bei der raschen Druckerhöhung in der Volumkurve, wie die Kurve des Durchflussvolumens kurzerhand bezeichnet sei, eine Zacke nach oben auf. Diese Zacke, die ich als positive Volumzacke bezeichne, ist bei schwacher Dämpfung stark und wird mit zunehmender Dämpfung geringer, wie in Versuch 3 (Abb. 5), um bei starker Dämpfung (Abb. 6) ganz zu verschwinden. Desgleichen tritt bei raschem Druckabfall’eine Zacke nach unten auf, die wie die positive Volumzacke durch Schleuderung. bedingt und vom Dämpfungsgrad abhängig ist. In allen Versuchen mit Durch- strömuns eines starren Widerstandes ist die negative Schleuderzacke grösser als die positive, eine Folge davon, dass der Geschwindigkeits- wechsel als Eigenschwinsungen auslösendes Moment beim Abstellen grösser ist als beim Öffnen. Dieses Resultat ist im Auge zu behalten, da bei Durchströmung von dehnbaren Widerstandssystemen wesent- liche Abweichungen auftreten. Auch die Druckkurve weist, wie die Versuche 1—4 zeigen, eine negative Zacke auf, die sich an den bei Hahnschluss erfolgenden raschen Druckabfall anschliesst. Diese negative Druckzacke ist so zu erklären, dass bei raschem Hahnschluss sich die Flüssigkeit in dem Stromuhrrohr und der daran angeschlossenen Widerstandskapillare in 38 Alfred Fleisch: Bewegung befindet, und infolge der kinetischen Energie die Tendenz hat, weiter zu fliessen. Dadurch kann der Druck im Stromuhrrohr und somit im Manometer einen Moment lang unter Null sinken, bis die kinetische Energie der Flüssigkeit Null geworden ist. Dieser plötzliche Druckabfall beim Hahnschluss mit der nega- tiven Druckzacke ist eine wesentliche Erscheinung für die Durchströmung eines starren Widerstandes, und es wird später gezeigt werden, wie aus der Form des Druckabfalles auf die Dehnbarkeit der Widerstandsbahn geschlossen werden kann. Die Prüfung der Stromuhr hat deren Fähigkeit ergeben. bei geeigneter Dämpfung sehr rasche Schwankungen des Durchflussvolumens getreu zu registrieren. Die durch die Funktion der Apparatur bedingten Fehler in den registrierten Kurven (positive und negative Volumzacke) sind bekannt und können bei . der Interpretierung der Kurven eliminiert werden. Von grundlegender Bedeutung für die Brauchbarkeit der Differential- stromuhr ist die Frage nach der Proportionalität der Ausschläge. Diese wurde experimentell geprüft, indem für steigende Stromvolumina der Ausschlag am Kymographion gemessen und das Stromvolumen in einem Messzylinder aufgefangen wurde. Die Zeit, während welcher das Stromvolumen in den Messzylinder floss, wurde mit der Stoppuhr genau kontrolliert und betrug jeweils eine Minute. Die beobachtete Fehlergrenze für die Stromuhr sowie für das Ablesen des Ausschlages und der durchgeflossenen Flüssigkeitsmenge beträgt bis zu einem Ausschlag von 5 cm am Kymographion bei einem Durchflussvolumen von 0—30 cem pro Minute + 0,3 cem pro Minute. Die Ausschläge der Differentialstromuhr gehen also innerhalb des in Be- tracht kommenden Bereiches der Ausschläge proportional mit dem tatsächlich gemessenen Stromvolumen. Ebenso sind die Ausschläge des optischen Manometers propor- tional dem angewandten Druck. Die Widerstandsveränderungen des Gefässsystems bei Druck- variationen innerhalb 2—8 Sekunden. In meiner letzten Arbeit wurde die Abhängigkeit des Widerstandes von sehr langsamen, im Verlauf von mehreren Minuten erfolgenden Druckvariationen festgelegt. Dabei wurde die relative Grösse des Widerstandes indirekt aus der Beziehung von Durchflussvolumen und Druck bestimmt. Jene Untersuchungen ergaben, dass bei künstlicher Durchströmung frischer überlebender Organe ein im Verlauf von Minuten langsam ansteigender Druck ein Durchflussvolumen ergibt, das rascher zunimmt, als der Proportionalität entsprechen würde. Der Einfluss rhythm. Druckschwankungen a.d. Widerstandsverhältn. usw. 39 Ein ähnlicher Versuch ist schon von Hürthle!) publiziert worden, in welchem Druckanstieg und Druckabfall eine Minute in Anspruch nahmen. Auch dabei ergab sich, dass die Stromstärke stärker wächst als der Druck. Es ist nun die Frage, ob diese Disproportionalität auch bei einem rascher erfolgenden Druckanstieg in Erscheinung tritt. Für diese Untersuchungen wurde die beschriebene Druckdifferentialstromuhr mit fortlaufender optischer Registrierung von Druck und Stromstärke ver- wendet. Wie schon in der Versuchsanordnung angeführt ist, wird der Druckanstieg durch Sauerstoffzufluss aus der Bombe erzeust, indem der ausströmende Sauerstoff einen Druckanstieg in der Reservoir- flasche R, (Abb. 1) bewirkt. Bei Schliessen der Sauerstoffbembe entweicht der Sauerstoff durch die Zweigleitung mit Quetschhahn QO (Abb. 1), und der Druck fällt in der Reservoirflasche wieder auf Null ab. Die Versuche wurden durchgeführt an den in der Lumbalwirbel- säule vom übrigen Körper abgetrennten hinteren Extremitäten ven frisch getöteten Meerschweinchen. Gelegentlich wurden auch lebende, mit Chloral und Äther narkotisierte Tiere verwendet, bei welchen dann die in physiologischer Zirkulation befindliche obere Körperhälfte mit den hinteren Extremitäten in Zusammenhang belassen war. In einigen Versuchen wurden frische Kaninchennieren verwendet, um an demselben Organ zu experimentieren wie in der früheren Arbeit. Bei sämtlichen Versuchen wurde mit sauerstoffgesättigter, körperwarmer Ringer-Lösung durchströmt. Das durchströmte Organ war während des Versuches in körperwarme Ringer-Lösung untergetaucht. In den Experimenten an lebenden, narkotisierten Meerschweinchen war das Tier in warme Watte eingehüllt. Mit der Registrierung wurde jeweils erst begonnen, nachdem alles Blut aus der Gefässbahn aus- gewaschen war. Die Experimente werden so durchgeführt, dass der Flüssigkeits- spiegel im Reservoir gleich hoch steht wie das zu durchströmende Organ. Die Registrierung wird bei geschlossener Sauerstoffbombe und offener Zweigleitung Q (Abb. 1) begennen. Der Durchströmungsdruck und somit auch das Stromvolumen sind unter diesen Bedingungen gleich Null, die registrierten Kurven sind dann die Nullinien des Druckes und des Stromvolumens. In den registrierten Kurven ist die Grösse des Druckes bzw. des Stromvolumens durch die Ordinaten der entsprechenden Kurven gegeben, während die Länge der Abszisse die Zeitdauer angibt. Aus diesen registrierten Kurven werden die Daten eruiert für eine kurvenmässige Darstellung der Beziehung zwischen Druck und Durchflussvolumen, und zwar wird der Druck Il) K. Hürthle, Analyse der arteriellen Druck- und Stromkurve des Hundes. Pflüger’s Arch. f. d. ges. Physiol. Bd. 162 S. 322. 1915. 40 Alfred Fleisch: als Abszisse und das zugehörige Durchflussvolumen als Ordinate auf- getragen. Sämtliche Ordinatenpunkte miteinander verbunden ergibt die Kurve des Stromvolumens in Abhängigkeit vom Druck, wie sie schon in den Abbildungen der letzten Arbeit verwendet wurde. Wir bezeichnen sie im folgenden kurzerhand als „relative Volumkurve‘“ im Gegensatz zu der von der Stromuhr direkt registrierten „Volum- kurve“. In Abb. 7 (Versuch 5) ist eine solche relative Volumkurve dargestellt, bei welcher der Druckanstieg innerhalb 6,5 Sekunden er- folet. Während in den Versuchen der letzten Arbeit die relative Volumkurve eine nach oben konkave Linie bildete, treffen wir hier auf ein entgegengesetztes Verhalten. Die Steigung der rela- tiven Volumkurve nimmt mit zunehmendem Druck ab, sie bildet eine nach oben konvexe Linie, d. h. dass das Durchfluss- volumen langsamer wächst als dem Druck entsprechen würde. 0 30 60 90 720 10 7180 270 0 30 60 9 120 750 1780 210 cm Wasser cm Wasser Abb. 7. Abb. 8. Versuch 5 (Abb. 7): Künstliche Durckströmung der hinteren Extremi- täten eines frisch getöteten Meerschweinchens mit sauerstoffgesättigter Ringer-Lösung. Optische Registrierung von Druck und Stromvolumen. Als Abszisse ist der Druck, als Ordinate das entsprechende Stromvolumen eingetragen. Der Druckanstieg dauert 6,5 Sek. Woher kommt diese plötzliche Umkehr der Verhältnisse? Aus der relativen Volumkurve von Versuch 5 (Abb. 7) würde ja hervor- gehen, dass der Widerstand des durchströmten Gefässsystemes mit zunehmendem Druck anstatt abnehmen zunehmen eine Folge- rung, die wenig wahrscheinlich ist. Versuch 6 (Abb. 8): Künstliche Durchströmung der hinteren Extremi- täten eines frisch getöteten Meerschweinchens mit sauerstoffgesättigter Ringer- Lösung. Onsiscihs Registrierung von Druck und Stromstärke. Als Abszisse ist der Druck, als Ordinate das entsprechende Stromvolumen aufgetragen. Der Druckanstieg dauert 2,5 Sek. Genau das gleiche Resultat wie Versuch 5 ergibt Versuch 6 (Abb. 8), wo der Druckanstieg in kürzerer Zeit, nämlich in 2,5 Sekunden erfolgt. Der Einfluss rhythm. Druckschwankungen a.d. Widerstandsverhältn. usw. 4] Auch hier nimmt die Steigung der relativen Volumkurve mit zunehmen- dem Druck ab, sie bildet eine nach oben konvexe anstatt eine konkave "Linie wie in den früheren Versuchen. Zur Sicherheit, dass dieser ab- sonderliche Verlauf der Volumkurve nicht dem neuen Untersuchungs- objekt der hinteren Extremitäten des Meerschweinchens zugesprochen werden darf, sei Versuch 7 (Abb. 9) aufgeführt, der von einer frischen Kaninchenniere stammt. Bei Durchströmung von frischen Kaninchen- nieren wurde in allen Versuchen der früheren Arbeit ein nach oben konkaver Verlauf der relativen Volumkurve erhalten. Tritt auch hier eine konvexe relative Volumkurve auf, so müssen wir diese Differenz auf die Wirkung des Zeitfaktors beim Druckanstieg beziehen. Die Durchströmung einer frischen Kaninchenniere mit einer Dauer des Druckanstieges von 4 Sekunden ergibt in Versuch 8 (ausgezogene Kurve der Abb. 9) ebenfalls einen konvexen Verlauf der rela- tiven Volumkurve, welcher somit zweifellos eine Folge der Raschheit des Druckanstieges ist. Damit kennen wir wohl das Moment, das diesen Verlauf der Volum- kurven bedingt, ohne indessen diese Erscheinung analysiert zu haben. Auf jeden Fall zeigen die Resultate jetzt schon, wie sehr die zeitlichen Ver- hältnisse eine Rolle spielen. Ihnen spezielle Be- achtung zukommen zu lassen, ist notwendig. Versuch 7 (Abb. 9): Künstliche Durchströmung ° % % ER Page einer frischen Kaninchenniere mitsauerstoffgesättigter Ringer-Lösung. Als Abszisse ist der Druck, als Abb. 9. Ordinate das entsprechende Stromvolumen aufge- tragen. Die ausgezogene Kurve entspricht dem Druckanstieg, die gestrichelte dem Druckabfall. Druckanstieg wie Druckabfall dauerten je 4 Sekunden. Bis hierher wurde die Beziehung von Druck und Durchflussvolumen nur im Verlaufe des Druckanstieges aufgeführt. Versuch 7 (Abb. 9) gibt in der gestrichelten Linie die relative Volumkurve bei einem inner- halb 4 Sekunden abfallenden Druck wieder. Obwohl im Experiment Druckanstieg und Druckabfall von gleicher Dauer (4 Sekunden) sind und sich direkt aneinander anschliessen, zeigen die beiden relativen Volumkurven doch ein prinzipiell verschiedenes Verhalten. Beim Druckanstieg zeigt die relative Volumkurve einen nach oben konvexen, beim Druckabfall einen konkaven Verlauf. Wiederum eine auf den ersten Blick unerklärliche Erscheinung, die aber bei näherer Betrach- tung wohl zu verstehen ist. ' Wir erinnern uns daran, dass bei dieser Versuchsanordnung die Stromuhr das Zuflussvolumen zum Organ registriert. Bei konstantem Druck ist dieses registrierte Zuflussvolumen gleich dem tatsächlichen Durchtlussvolumen. Anders liegen die Verhältnisse bei einem raschen Druckanstieg. Wenn hier eine Erweiterung der Strombahn stattfindet, 49 Alfred Fleisch: so besteht das registrierte Zuflussvolumen aus zwei Komponenten, nämlich aus dem tatsächlichen Durchflussvolumen durch das Organ und einem Flüssigkeitsquantum, das zur Kapazitätsvergrösserung des Gefässsystems dient. Wenn der Druckanstieg und somit die Gefäss- erweiterung langsam vor sich geht, so verteilt sich dieses Anfüllungs- volumen auf einen langen Zeitraum und verschwindet gegenüber dem Durchflussvolumen. Wenn umgekehrt die Gefässerweiterung rasch erfolgt, so wird das Anfüllungsvolumen auf eine kurze Zeit zusammen- gedrängt und vermag die registrierte Kurve des Zuflussvolumens wesentlich zu beeinflussen. Damit wäre der Widerspruch im Kurven- verlauf von Abb. 9 gelöst. Bei abnehmendem Druck ist in der relativen Volumkurve kein Anfüllungsvolumen enthalten, hier kann somit der gewohnte konkave Verlauf der relativen Volumkurve zu- tage treten. Wieweit diese theoretische Darlegung die tatsächlichen Verhältnisse trifft, könnte nur ein Experiment entscheiden, bei welchem ausser dem Zuflussvolumen noch das tatsächliche Durchflussvolumen durch die Kapillaren registriert wird. Dieses zu messen ist aber eine schwierige Sache. Wir beschränken uns deshalb darauf, das Ausflussvolumen aus der Vene zu registrieren, das annähernd dem tatsächlichen Durch- flussvolumen entspricht. Vollkommen identisch sind Durchflussvolumen und Ausflussvolumen nicht wegen geringen Kapazitätsveränderungen des venösen Systems. Es sollen nun die gleichen Versuche durchgeführt werden, aber mit gleichzeitiger Registrierung von Zu- und Ahflussvelumen. Ausser der arteriellen wird also auch eine venöse Stromuhr angeschlossen, welche genau gleich gebaut ist wie die erstere, nur dass an ihr das optische Manometer weggelassen ist. Um möglichst den ganzen Flüssiskeitsstrom durch die Vena cava inferior zurückzuleiten, muss die operative Technik bei Verwendung von zwei Stromuhren etwas abgeändert werden. Dem tief mit Chloral und Äther narkotisierten Meerschweinchen wird das Abdomen breit eröffnet und die Bauchdecken bis gegen den Rücken durchgeschnitten. Sämtliche sichtbar blutenden Gefässe werden unterbunden und jede Schnittfläche mit dem Thermokauter tief verschorft. Darauf wird die Aorta und die Vena cava inferior auf einer verzweigungsfreien Strecke von ca. 1 cm freigelest und jede für sich unterbunden. Um für das Einführen der Kanülen bequem Raum zu besitzen, wird der ganze Oberkörper oberhalb der beiden Gefässligaturen abgetragen und die Schnittfläche der unteren Körperhälfte gut verschorft. Nun werden distal der Gefässligaturen möglichst rasch Kanülen in die Aorta abdominalis und in die Vena cava inferior eingebunden und sofort mit körperwarmer Ringer-Lösung durchspült. Trotz bester Der Einfluss rhythm. Druckschwankungen a.d. Widerstandsverhältn. usw. 43 Kauterisierung und Unterbindung findet immer ein gewisser Flüssig- keitsverlust aus dem durchschnittenen Gewebe statt, doch ist er sehr gerine.und beeinträchtigt das Resultat deshalb nicht weiter. Nachdem alles Blut aus der Gefässbahn ausgewaschen ist, wird das Präparat in körperwarme Ringer-Lösung untergetaucht und an die doppelte Stromuhr angeschlossen. Die Kurven von Versuch 8 (Abb. 10) sind in der gleichen Weise hergestellt wie oben für die früheren Kurven beschrieben wurde, indem aus den registrierten Kurven der Druck als Abszisse und die zu- gehörigen Durchflussvolumina als Ordinaten aufgetragen wurden. Versuch 8 (Abk. 10): Durchströmung der beiden abgetrennten hinteren Extremitäten eines Meerschweinchens mit sauerstoffgesättigter Ringer- Lösung. Optische Registrierung von Druck, Zufluss- und Abflussvolumen. Als Abszisse ist der Druck, als Ordinaten die entsprechenden Stromvolumina eingetragen. Die ausgezogene Linie ist die Kurve des Zuflussvolumens, die gestrichelte Linie die Kurve des gleich- zeitigen Abflussvolumens. Der Druckan- stieg dauert 8 Sek. Die ausgezogene relative Volum- . kurve von Versuch 8 (Abb. 10), die dem Zuflussvolumen entspricht, zeigt wiederum wie in Versuch 5, 6 und 7 einen konvexen Verlauf. Ganz anders die gestrichelte Kurve des Abfluss- volumens, die einen ausgesprochen kon- kaven Verlauf aufweist. Sehr auffällig ist. die verschiedene Ordinatengrösse der 0 30 60 90 720 750 130 210 240 arteriellen und venösen relativen Volum- Abb. 10 kurven beim gleichen Druck. Die Diffe- er renz von zwei entsprechenden Ordinaten der arteriellen und venösen relativen Volumkurve ist gleich dem Überschuss des zuströmenden über das abfliessende Flüssigkeitsquantum in diesem Zeitmoment, ist also gleich dem Flüssigkeitsquantum, das zur Kapazitätsvergrösserung des Gefässsystemes verwendet wird. Im Beginne des Druck- anstieges wird das gesamte zuströmende Flüssigkeitsguantum zur Kapazitätsvergrösserung des Gefässsystemes verwendet, da die venöse Volumkurve noch auf der Nullinie verläuft. Auch während der ganzen Zeit des Druckanstieges findet fortwährend eine starke Kapazitäts- vergrösserung statt. Diese Zunahme des Gefässinhaltes durch Druck ist notwendigerweise verbunden mit einer Er- weiterung der Gefässe, die gleichbedeutend ist mit einer Herabsetzung des Widerstandes. Diese Widerstandsherab- setzung könnten wir auch folgern aus dem konkaven Verlauf der venösen relativen Volumkurve. Diese zeigt jedoch, wie später noch 44 Alfred Fleisch: erörtert wird, bei der verwendeten Raschheit des Druckanstieges ein starkes Nachschleppen; so dass wir wegen der komplexen Verhältnisse auf diese Schlussfolgerung lieber verzichten und uns mit dem Nachweis der Widerstandsherabsetzung durch Kapazitätsvergrösserung begnügen wollen. Dieser Versuch 8 liefert auch den Beweis für die Richtigkeit der obigen theoretischen Erklärung, wodurch der konvexe Verlauf der arteriellen relativen Volumkurve durch Superposition eines nur die Kapazität des Gefässsystemes vergrössern- den Flüssigkeitsquantums verursacht ist. Die quantitative Bedeutung dieses kapazitätsvergrössernden Flüssig- keitsquantums wird noch eklatanter bei einem rascheren Druckanstieg wie in Versuch 9 (Abb. 11). Versuch 9 (Abb. 11): Originalkurve einer künstlichen Durchströmung der hinteren Extremitäten eines Meerschweinchens mit sauerstoffgesättigter Ringer-Lösung. P ist die ee Druckkurve, Va das arterielle | Stromvolumen, Vv das venöse Stromvolumen. Zeitmarken —(,5 Sek. Druckanstieg von 0 bis ca. 130 cm Wasser. Die Empfindlichkeit der venösen Stromuhr ist geringer als die- jenige der arteriellen. Abb. 11 (Versuch 9) gibt die Originalkurven eines gleichen Versuches wie die früheren wieder, bei wel- 2 “ chem der Druckanstieg rung si Kassen innerhalb 2,5 Sekunden er- Abb. 11. folst. Der Anstieg des Druckes und des arteriellen Stromvolumens setzen genau im gleichen Zeitmoment ein, nur steigt die Kurve des arteriellen Stromvolumens anfänglich rascher an, woraus der bekannte konvexe Verlauf der relativen Volumkurve resultiert. Ganz anders die Kurve des venösen Stromvolumens. Diese beginnt ‚ Ihren Anstieg erst eine Sekunde nach Einsetzen der Drucksteigerung. Während nach Überschreiten des Druckmaximums der Druck und das arterielle Stromvolumen wiederum synchron abfallen, steigt das venöse Stromvolumen nach Überschreiten des Druckmaximums noch weiter an und erreicht seinen Höhepunkt erst 1,7 Sekunden später, um von da ab ganz langsam abzufallen. Die Kurve des venösen Stromvolumens zeigt also ein sehr ausgeprägtes Nach- schleppen. Dieses ist sicher nicht durch die Apparatur bedingt; denn die Dämpfung der venösen Stromuhr ist wesentlich schwächer eingestellt als diejenige der arteriellen. Dieses Nachschleppen des Der Einfluss rhythm. Druckschwankungen a.d. Widerstandsverhältn. usw. 45 venösen Stromvolumens wurde in allen Versuchen bis zu einem ge- wissen Betrage beobachtet; es wird aber um so akzentuierter, je rascher der Druckanstieg erfolst. Auch in diesem Versuch ist der Zuwachs des Getässinhaltes bei Druckanstieg klar ersichtlich. Denn in einem Zeitpunkt, in dem das arterielle Stromvolumen schon eine wesentliche Grösse aufweist, ist das venöse Stromvolumen nech gleich Null. Das gesamte zugeströmte Flüssigkeitsquantum wurde also im Gefässsystem zurückbehalten. Je kürzer die Zeit des Druckanstieges und Druckabfalles ist, um so aus- gesprochener ist die Diskrepanz zwischen arterieller und venöser Stromvolumkurve. Verläuft der ganze Prozess innerhalb 1—2 Sekunden, so erhebt sich die venöse Stromvolumkurve nur wenig von der Null- linie und kehrt erst nach längerer Zeit wieder dahin zurück. Das Flüssigkeitsquantum, welches die arterielle Stromuhr dann registriert, ist nicht mehr Durchflussvolumen, sondern nur noch kapazitäts- vergrösserndes Flüssigkeitsquantum, dessen Abfluss aus dem Gefäss- system längere Zeit beansprucht. Diese Versuche lassen schon die ausserordentliche Kompliziertheit der Verhältnisse erkennen, die auftritt bei einem Druckanstieg innerhalb weniger Sekunden. Wir sind weit entfer#t davon, die Widerstands- veränderungen bei raschem Druckanstieg in Form des Strömungs- effektes kurvenmässig darzustellen, wie bei einem langsam innerhalb Minuten ansteigenden Druck. Die Widerstandsveränderungen des Gefässsystems bei raschen . Druckvariationen. _ Um den Nachweis zu erbringen, dass auch bei einer Geschwindig- keit der Druckvariationen, die den natürlichen Pulsationen entspricht, Widerstandsherabsetzung im Gefässsystem erfolgt, greifen wir zu einer etwas abgeänderten Methode. Die folgenden Versuche bestehen wie die früheren in künstlicher Durchströmung der hinteren Extremitäten des Meerschweinchens. Die experimentelle Technik und die Apparatur ist die gleiche, aber anstatt Druckanstieg mittels Gasdruck aus der Sauerstoffbombe zu erzeugen, wird plötzlicher Druckwechsel durch Öffnen und Schliessen des Hahnes H in der Zuleitung (Abb. 1) herbei- geführt. Diese Methode wurde schon für die Funktionsprüfung der Apparatur in den Versuchen 1—4 verwendet, und der Charakter der entstehenden Kurven von Druck und Stromvolumen wurde dort für die Durchströmung eines starren Widerstandes eingehend diskutiert. Die analogen Versuche an überlebenden Organen durchgeführt stehen unter anderen Bedingungen, so dass verschiedene Resultate zu er- warten sind. Für die Analyse dieser Kurven ist es unerlässlich, vorher diejenigen Charakteristika des Kurvenverlaufes festzulegen, die aus- 46 Alfred Fleisch: schliesslich durch die elastische Dehnbarkeit der Strombahn bedingt sind. Es werden somit den Versuchen am Gefässsystem Experimente vorausgeschickt mit Verwendung einer toten, dehnbaren Strombahn, bei welcher jede aktive Kraft ausgeschlossen ist. Versuch 10(Abb. 12): Durch- strömung einer toten, wenig dehnbaren Widerstandsbahn in Form eines dünnen Ventilschlau- ches. P ist die Druckkurve, V die Kurve des Zuflussvolumens. Druckanstieg und Abfall wird durch Öffnen und Schliessen des Zuleitungshahnes erzeugt. Zeit- marken = 0,25 Sek. Versuch11(Abb.13): Durch- strömung einer toten, stark dehn- baren Widerstandsbahn in Form eines in eine Gummimembran eingebundenen Schwammes(siehe diesbezüglich in früherer Ar- Abb. 12. r beit). P° ist die Druckkurve, V ; die Kurve des Zuflussvolumens. Druckanstieg wird durch Öffnen, Druckabfall durch Schliessen des Hahnes der Zuleitung erzeugt. Zeitifharken — 0,25 Sek. Der Vergleich der Kurven von Versuch 10 (Abb. 12) und Versuch 11 (Abb. 13) mit den Kurven der Versuche 1—4 am starren System ergibt auffällige Differenzen. Die bei Druckanstieg entstehende positive \ Volumzacke, die oben disku- tiert wurde, erreicht in Ver- such 10 und namentlich in Ver- such 11 eine ganz ungewöhnliche Grösse. Sie übertrifft die ne- gative Schleuderzacke beim Druckabfall um ein Vielfaches; ein Verhalten, das entgegen- gesetzt ist dem bei starrem Widerstand beobachteten. Eine weitere Eigentümlichkeit liegt im Verlauf der Druckkurve. { Ihr Anstieg ist einmal trotz Abb. 13. raschem Hahndrehen nicht so rapid wie in den Versuchen 1—4 am starren Widerstand; ganz auffällig ist besonders der lang- same Abfall der Druckkurve nach Hahnschluss. Bei der zur Anwendung gebrachten Versuchsanordnung registriert die Stromuhr das Zuflussvolumen zur dehnbaren Widerstandsbahn, das wegen Kapazitätsvergrösserung der durchströmten Bahn wieder | w Der Einfluss rhythm. Druckschwankungen a.d. Widerstandsverhältn. usw.. 47 aus den zwei uns schon bekannten Komponenten besteht, nämlich aus dem Durchflussvolumen und dem kapazitätsvergrössernden Flüssig- keitsquantum. Dieses ist die Ursache der stark akzentuierten positiven Volumzacke in Versuch 10 und 11. Aus diesen Versuchen an totem Material geht hervor, dass die hoch ansteigende und lang dauernde positive Volumzacke der Ausdruck einer starken Strombahnerweiterung ist. Diese ist erst dann beendist, wenn die Volumkurve horizontal verläuft. Der rapide Anstieg der Volum- kurve beim Hahnöffnen ist darin begründet, dass die Strombahn unter dem vorher herrschenden Druck Null kollabiert ist; im Moment des Hahnöffnens schiesst die Flüssigkeit in die kollabierte Strombahn. In diesem Mechanismus ist auch die Ursache des verzögerten Druck- anstieges zu suchen. Erst wenn die Strombahn prall gefüllt ist, kann der Druck, der vor der Arterienkanüle gemessen wird, sein Maximum erreichen. Beim Hahnschluss fällt die Stromvolumkurve auf Null und zeigt die bekannte negative Schleuderzacke. Ganz anders als beim starren Widerstand verläuft die Druckkurve, die hier nur ganz allmählich abfällt. Während der Phase des hohen Druckes hat eine Erweiterung der Strombahn stattgefunden, wobei die den Schwamm umgebende Gummimembran durch den steigenden Innendruck gedehnt wurde. Wenn nun beim Hahnschluss die Flüssigkeitszufuhr abgesperrt wird, so kann der Druck im Anfang der Widerstandsbahn, alse auch am Abgang der Manometerleitung nur langsam in dem Maasse abfallen, als sich die Widerstandsbahn entleert und die gedehnte Gummimembran entsprechend entspannt. Erst wenn der Druck die Nullinie erreicht hat, ist die Entleerung der Strombahn beendigt. Dieses langsame Druckdekrement nach raschem Hahnschluss ist wiederum ein Indikator dafür, dass während der Phase des hohen Druckes eine Kapazitätsvergrösserung der Strombahn stattgefunden hat. Ich habe diese Versuche an toten dehnbaren Widerstandsbahnen einer so eingehenden Besprechung unterworfen, weil sie uns den Schlüssel bilden für die Analyse der Versuche am lebenden Gefäss- system; der Raumersparnis halber sei von diesen zahlreichen Ver suchen, die im Prinzip alle miteinander übereinstimmen, nur Versuch 12 aufgeführt. | Versuch 12 (Abb. 14): Durchströmung der hinteren Extremitäten eines lebenden Meerschweinchens mit sauerstoffgesättigter Ringer-Lösung von der Aorta aus. P ist die Druck- und V die arterielle Stromvolumkurve. Der Druckanstieg um ca. 100 cm Wasser wird durch rasches Öffnen, der Druckabfall durch rasches Schliessen des Hahnes in der Zuleitung bewerk- stelligt. Zeitmarken = 0,25 Sek. Die Kurven von Versuch 12 und der anderen an überlebenden Organen durchgeführten Versuche stimmen in allen wesentlichen 48. Alfred Fleisch: Merkmalen mit den Kurven von totem Material überein! So ist die positive Volumzacke, wie in Versuch 12. grösser als die negative Schleuderzacke. Ganz ausgesprochen ist in diesen Versuchen das langsame Druckdekrement nach Hahnschluss, aus dem wir in Analogie zu den Kurven von totem Material interpretieren können, dass während der Phase des hohen Druckes eine wesentliche Kapazitätsvergrösserung des Gefässsystems stattgefunden hat. | Diese durch das verlangsamte Druckdekrement nach Hahnschluss nachgewiesene Kapazitätsvergrösserung des Organes muss notwendiger- weise mit einer Erweiterung der Strombahn verbunden sein. Eine solche ist aber gleichbedeutend mit einer Widerstandsherabsetzung der durchströmten Bahn. Wir können schon jetzt mit Sicherheit, be- haupten, dass auch bei einem sehr raschen Druckanstieginner- halb Bruchteilen von Sekunden ei- i ne Widerstands- herabsetzungdes Gefässsystemes eintritt. Es muss die Mösglichkeiterwähnt werden, dass die stark ausgeprägte positive Volumzacke Abb. 14. bei Druckanstiee eventuell auf aktive Fördertätigkeit der Arterien bezogen werden könnte, ausgelöst durch den Reiz des raschen Druckzuwachses. Die Versuche 10 und Il an toten, dehnbaren Strombahnen haben über die Zulässigkeit einer solchen Interpretierung Klarheit gebracht, indem auch hier eine positive Volumzacke von derselben Grösse zustande kommt; sie ist somit nicht spezifisch für das lebende Gefässsystem. Es besteht also kein Grund, diese grosse positive Volumzacke als Ausdruck einer Förder- leistung der Arterien zu deuten, und die Versuche 13 und 14 werden den Beweis für die Unzulässigkeit einer solchen Deutung erbringen. Die folgenden Versuche wurden in gleicher Weise durchgeführt wie bisher, aber mit Verwendung von zwei Stromuhren, wovon die eine‘ das Zuflussvolumen zur Arterie und die andere das Abflussvolumen aus der Vene registriert. Versuch 13 (Abb. 15): Künstliche Durchströmung der beiden hinteren Extremitäten eines Meerschweinchens mit sauerstoffgesättigter Ringer- Lösung. Optische Registrierung von Druck (P), Zuflussvolumen (Va) und Abflussvolumen (Vv). Der rasche Druckanstieg um ca. 100 cm Wasser Der Einfluss rhythm. Druckschwankungen a.d. Widerstandsverhältn. usw. 49 - wird durch Öffnen, der Druckabfall durch Schliessen —_ Hahnes der Zu- leitung erzeugt. Zeitmarken — 0,5 Sek. Die arterielle Stromvolumkurve von Versuch 13 (Va) allein be- trachtet macht ganz den Eindruck, als handle es sich um die Durch- strömung einer nur wenig dehnbaren Strombahn, da die positive Volumzacke nur wenig ausgeprägt und das Druckdekrement nach Hahnscehluss nicht auffällig stark verlangsamt ist. Bei Mitbetrachtung der venösen Stromvolumkurve (Vo) wird die Differenz zwischen Zu- und Abfluss eklatant. Sie ist im Moment des Druckanstieges am ausgesprochensten, weil die arterielle Stromvolumkurve hier die höchste Höhe erreicht, während die venöse Stromvolumkurve noch auf der Nullinie verläuft. Etwas mehr als eine halbe Sekunde verstreicht, bis sich die Abflusskurve von der Nullinie erhebt. Während dieser Zeit strömt ein bedeutendes Flüssigkeitsgquantum in das Gefässsystem, der Abfluss ist aber gleich Null. Das gesamte zuströmende Flüssigkeits- quantum wird nur zur Kapazitätsvergrösserung des Gefässsystemes verwendet. Während der Zufluss auf annähernd konstanter Höhe bleibt, steigt die venöse Strom- sr. volumkurve während der "Wr ganzen Zeit des hohen ns Druckes (9 Sekunden) fortwährend an, und selbst nach 9 Sekunden ist sie NEE Te noch im Steigen begriffen. Ri Erst wenn die arterielle sowie die venöse Stromvolumkurve horizontal verlaufen, ist der Zufluss gleich dem Abfluss, dann erst ist die Kapazi- tätsvergrösserung beendet. Wie ausgesprochen langsam die Entleerung des Gefässsystems nach Druckabfall vor sich geht, zeigt das sehr langsame Zurückgehen der venösen Stromvolumkurve, das nach 11 Se- kunden noch nicht beendigt ist. Noch bleibt auf eine Eigentümlichkeit der Stromvolumkurve von Versuch 12 hinzuweisen, in welchem dieselbe nach Beendigung der positiven Volumzacke wieder langsam ansteigt. In anderen hier nicht speziell aufgeführten Versuchen verläuft sie nach der positiven Volum- zacke horizontal (wie in Versuch 13) oder fällt noch längere Zeit ab wie in Versuch 14. Es wäre möglich, dass dieser Anstieg resp. Abfall der Kurve durch aktive Tonusveränderungen der Gefässe bedingt wäre, hervorgerufen durch den Dehnungsreiz. Speziell der fort- schreitende Abfall der Stromvolumkurve könnte der Ausdruck einer Gefässkontraktion darstellen. Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd. 178. 4 . 50 Bee de eine Versuch 14 (Abb. 16): Durchströmung der beiden hinteren Extremitäten eines Meerschweinchens mit sauerstoffgesättigter Ringer-Lösung. P ist die Druckkurve, Va die Kurve des arteriellen, Vv die Kurve des venösen Stromvolumens. Zeitmarken — 0,5 'Sek. Versuch 14 ergibt die gleichen Resultate wie Versuch 13; daneben erhalten wir aber noch Aufschluss über eine allfällige Gefässreaktion. Nach der positiven Volumzacke fällt die Volumkurve kontinuierlich ziemlich stark ab. Der fortwährend ansteigende Verlauf der venösen Stromvolumkurve spricht nun deutlich gegen eine aktive Gefäss- kontraktion, denn eine solche müsste eine Abnahme des Durchfluss- volumens, also ein Abfallen der venösen Stromvolumkurve zur Folge haben. Der kontinuierliche Abfall der arteriellen Stromvolumkurve nach der positiven Volumzacke kann somit nur darauf beruhen, dass der Gefässinhalt anfangs rasch und nachher langsamer zunimmt. Durch die vorliegen- denVersucheistdie aus- gsiebige Widerstands- herabsetzung des Ge- fässsystemes bei einem Druckanstieg von jed- welcher Zeitdauer zu ° einer unabweislichen Tatsachegeworden. Die bis dahin durchgeführ- ten Experimente mit - Druckvariationen von 19° . A Kol . -O bis ca. 100 cm Wasser Abbe, befassen sich aber mit prinzipiellen Verhält- nissen, die den physiologischen Druckschwankungen keine Rechnung tragen. Die Berechtigung, die Resultate auf die natürlichen Pulsationen zu übertragen, ist deshalb nicht ganz sichergestellt. Dieser Einwand soll durch die folgenden Versuche beseitigt werden, welche, nachdem das prinzipielle Verhalten des Gefässwiderstandes festgelegt ist, der feineren Differenzierung der Druckschwankungen Rechnung tragen können. Zugleich sollen uns diese Versuche über das Maass der Gefäss- erweiterung Aufschluss geben, d. h. die quantitativen Verhältnisse berücksichtigen. Für die folgenden Experimente dienten weisse Ratten, die von der Aorta thoracalis descendens aus mit sauerstoffgesättigster Ringer- Lösung durchströmt wurden. Von zwei geeichten Stromuhren registrierte die eine das Zufluss- und die andere das Abflussvolumen aus der Vena cava inferior. Die Schnittflächen waren wie in den früheren Versuchen tief verschorft. Drei Ausflussflaschen in der Höhe von 40, 80 und Der Einfluss rhythm. Druckschwankungen a.d. Widerstandsverhältn. usw. 51 120 cm über dem Versuchstier angebracht, konnten durch einfaches Hahndrehen für die Durchströmung verwendet werden und so hinter- einander rascher Druckwechsel um je 40 cm Wasser zwischen 0O— 120 cm steigend und wieder fallend ausgeführt werden. Bei der Durchführung der Versuche wurde darauf geachtet, dass bei jedem Druckwechsel der neue Druck so lange bestehen blieb, bis sowohl Zufluss- als auch Abflussvolumen konstant waren, d. h. deren Kurven horizontal verliefen. Besonders das Ausflussvolumen erreichte diese Konstanz immer erst nach 10—20 Sekunden. Da sowohl arterielle als venöse Stromuhr geeicht sind, kann für die Dauer eines jeden Druckes die absolute Menge des Zuflussvolumens wie auch die absolute Menge des Abflussvolumens aus der Fläche, welche die betreffende Kurve mit ihrer Nullinie bildet, berechnet werden. Ist das Zufluss- volumen, wie bei Druckanstieg ganz regelmässig beobachtet wurde, grösser ale das Abflussvolumen, so ist deren Differenz gleich dem Flüssigkeitsquantum, das in dem durchströmten Organ zurückgeblieben ist. Wenn dieses Flüssigkeitsguantum lediglich zur Kapazitätsvergrösse- rung des Gefässsystemes verwendet worden wäre, so müsste es nach Druckabfall, während der Phase des kleineren Druckes, wieder zum Vorschein kommen, indem jetzt das Abflussvolumen das Zufluss- volumen um denselben Betrag übertrifft, um welchen es während der Phase des höheren Druckes geringer war. Es hat sich aber im Experiment gezeigt, dass die Verhältnisse nicht so einfach liegen, indem das Flüssigkeitsquantum, das während der Dauer des höheren Druckes im Organ zurückbleibt, nach Druckabfall nur zum Teil wieder ausfliesst. Ein nicht unbeträchtlicher Prozentsatz geht verloren, teils durch Bildung von Ödemen, teils durch Undichtigkeiten der Schnitt- fläche. Aus dem Verlauf der venösen Stromvolumkurve nach Druck- senkung können wir auf die Grösse der Inhaltveränderungen des durch- _ strömten Gefässsystemes schliessen. Wird im Experiment der Durch- strömungsdruck von 120 cm Wasser plötzlich reduziert auf 80 cm, so fallen die Kurven des Druckes und des arteriellen Stromvolumens sofort um einen gewissen Betrag ab und verlaufen im weiteren dauernd horizontal. Die Kurve des venösen Stromvolumens hingegen fällt langsam ab und verläuft erst nach 10—20 Sekunden horizontal. Die Verhältnisse, wie sie in zahlreichen Versuchen regelmässig beobachtet wurden, sind in Abb. 17 schematisch wiedergegeben. Wenn nach einer gewissen Zeitdauer eines konstanten Druckes die venöse Stromvolumkurve horizontal verläuft (/I Abb. 17), so sollten die arterielle und venöse Stromvolumkurve den gleichen Aus- schlag aufweisen. Jedoch zeigt die arterielle Stromvolumkurve einen grösseren Ausschlag, der durch fortwährenden Flüssigkeitsverlust durch 4 * 52 Alfred Fleisch: Transfusion in das Gewebe bedingt ist. Das arterielle Stromvolumen besteht somit aus zwei Komponenten, von denen die eine (h Abb. 17) sleich ist dem venösen Stromvolumen, während die andere (h’) dem Flüssigkeitsverlust entspricht. Als tatsächliches Zuflussvolumen in das Gefässsystem, das unvermindert in’ die venöse Stromuhr abfliesst, kommt somit von der registrierten Kurve des Zuflussvolumens (ge- stricheite Linie) nur die Komponente h(— — :— -—-Linie von Abb. 17} in Betracht. Die schraffierte Fläche von Abb. 17, die begrenzt ist durch die reduzierte Kurve des Zuflussvolumens (— -— :— —-Linie) und die Kurve des venösen Stromvolumens (ausgezogene Linie), ist sleich dem Überschuss des abfliessenden über das zufliessende Flüssig- keitsquantum. Die planimetrisch bestimmte Grösse dieser Fläche in Kubikzentimeter Flüssigkeitsmenge umgerechnet, repräsentiert die Ver- P=720 P=80 Abb. 17. Ausgezogene Linie — venöses Stromvolumen; gestrichelte Linie — arterielles Stromvolumen. Bei I! Druckabfall von 120 auf S0 cm Wasser; bei 1] erreicht die venöse Stromvolumkurve die Horizontale. minderung des Gefässinhaltes bei einem Druckabtall von 120 auf 80 cm Wasser. Wir können umgekehrt folgern, dass bei einem Druckansties von 80 auf 120 cm eine Inhaltszunahme von annähernd gleicher Grösse stattgefunden hat wie die berechnete Inhaltsabnahme bei Druckabitall. Die gleiche Methode für den Druckabfall von 80 auf 40 cm und von 40 auf 9 cm Wasser angewendet ergibt die Inhaltsveränderung des Gefässsystemes, für die entsprechenden Druckvariationen. Im folgenden sollen die nach dieser Methode gewonnenen Resultate von einigen Versuchen aufgeführt werden. Auf Wiedergabe der Originalkurven muss wegen Raummangel verzichtet werden. Versuch 15: Druckabtall von 120 auf 80 cm ergibt Abnahme des Gefässinhaltes von 1,5 cem. &0 ” 40 ” ” ” ” ” ” 0,5 ” ” n 40 ” ” ” ” ” ” ” 0,4 ” Der Einfluss rhythm. Druckschwankungen.a.d. Widerstandsverhältn. usw. 53 Versuch 16: Druckabfall von 120 auf 80 cm ergibt Abnahme des Gefässinhaltes von 2,4 cem ” » 80 ” 40 ” ” ” ” ” ” 2,2 ” 40 ” 0 ” ” ” ” ” ” 1,0 ” p>] b] Versuch 17: Druckabfall von 120 auf 80 cm ergibt Abnahme des Gefässinhaltes von 2,2 ccm 80 ” 40 ” ” ” ” Pr) ” 1,9 £)] 40 ” 0 2” ” b}] ” ” ” 1 y 0 » ” £2] P}] ” Wie oben angeführt, ist die Kapazitätsvergrösserung bei Druck- anstieg ungefähr gleich der Kapazitätsabnahme bei Druckabfall. Die berechneten Werte der Versuche 15—17 können wir deshalb ohne weiteres auch als Zunahme des Gefässinhaltes bei dem entsprechenden Druckanstieg betrachten. Aus den mitgeteilten Zahlen ist ersichtlich, dass bei gleicher Grösse des Druckanstieges die Inhalts- zunahme des Gefässsystemes mit der Grösse des Ausgangs- druckes zunimmt. Um die Grössenordnung der Inhaltsveränderungen hämodynamisch einschätzen zu können, sei erwähnt, dass sich der Gesamtblutgehalt der verwendeten Tiere (gleich ein Dreizehntel des Körpergewichtes) zu ca. 13 cem berechnet. Davon ist der Blutgehalt der im Experiment nicht durehströmten Gefässbezirke (Herz mit grossen Gefässen, Lungen, obere Extremitäten und Kopf) in Abzug zu bringen. Setzen wir die im Experiment erhaltenen Inhaltszunahmen von 1,5—2,4 ccm für einen Druckanstieg von 80 auf 120 cm Wasser in Beziehung zu dem normalen Blutgehalt, so resultiert eine starke prozentuale Kapa- zitätsvergrösserung, die zweifellos zu einer ausgiebigen Widerstandsherabsetzung führen muss. Diese ist wegen der Abhänsiskeit des Widerstandes vom Quadrat des Querschnittes noch, besonders ausgeprägt. Die vorliegenden Untersuchungen haben ergeben, dass der Wider- stand der Gefässbahn durch Druckvariationen weitgehend beeinflusst wird. Das lebende Gefässsystem stellt eine elastisch dehn- bare Strombahn dar, bei welcher Druckanstieg von jeder beliebigen Zeitdauer eine ausgiebige Widerstandsherab- setzung erzeugt. Diese Eigenschaft des Gefässsystems bedingt, wie in der Einleitung auseinandergesetzt ist, dass die rhythmische Durchströmung aus rein mechanischen Gründen ein grösseres Durch- flussvolumen ergeben muss als die konstante, sofern Mitteldruck und Zeit einander gleich sind. Die Überlegenheit des rhythmischen Druckes in den Versuchen von Schäfer und Hühne muss somit in erster Linie der elastischen Dehnbarkeit der Gefässbahn zur Last gelegt werden. Die Versuche von Schäfer 54 - Alfred Fleisch: und Hühne müssen als Belege für die Funktion der Arterien als peri- phere Herzen auf das entschiedenste abgelehnt werden. Die systolische Schwellung Hürthle’s. Die vorliegenden Untersuchungen mit künstlichen Pulsen unter schematischen Bedingungen haben die ausserordentlich komplizierten Verhältnisse in bezug auf die Widerstandsveränderungen bei raschen Druckvariationen dargetan. Der Strömungseffekt, der sonst der Indi- kator der Widerstandsverhältnisse darstellt, ist hier eine Summe’ von diversen Faktoren, die nur zum Teil bestimmt werden können. Einer dieser Faktoren, das kapazitätsvergrössernde Flüssigkeitsguantum, wird bei obiger Versuchsanordnung durch Registrierung des arteriellen und des venösen Stromvolumens allerdings bekannt, ohne aber eine exakte Rechnung zu ermöglichen; denn über die hauptsächlichste Lokalisation dieser Inhaltsvermehrung des Gefässsystemes, die für die Widerstands- veränderungen von ausschlaggebender Bedeutung ist, wissen wir nichts. Auch der Gefässinhalt selbst ist keine reine Funktion des Druckes, sondern ist in weitgehendem Maasse vom Zeitfaktor abhängig, wie meine Versuche zeigen, indem die glatte Muskulatur der Gefässe eine für dieses Gewebe charakteristische, starke elastische Nachdehnung besitzt. Selbst für diese vereinfachten schematischen Pulse halte ich eine rechnerische Behandlung für zu unsicher fundiert, und dies noch mehr für natürliche Pulsationen in vivo, für welche Hürthle lediglich auf Grund der Druck- und arteriellen Stromvolumkurve eine rech- nerische Behandlung durchgeführt hat. Nach all den Erfahrungen, welche ich im Verlaufe der nicht immer leichten Untersuchungen gesammelt habe, muss ich gegen die rech- nerische Behandlung Hürthle’s Einwände erheben, die im folgenden dargetan werden sollen. Hürthle!) hat, um die aktive Förderung des Blutstromes zu entscheiden, versucht, das pulsatorische Stromvolumen aus den re- gistrierten Druck- und Stromvolumkurven zu berechnen, von der 1)K. Hürthle, Über die Beziehung zwischen Druck und Geschwindigkeit des Blutes in den Arterien. Pflüger’s Arch. f.d. ges. Physiol. Bd. 147 S. 525. 1912. — Derselbe, Ist eine aktive Förderung des Blutstromes durch die Arterien erwiesen? Ebenda Bd. 147 S. 582. 1912. — Derselbe, Untersuchungen über die Frage einer Förderung des Blutstromes durch die Arterien. Ebenda Bd. 162 S. 304. 1915. — Derselbe, Analyse der arteriellen Druck- und Stromkurve des Hundes. Ebenda Bd. 162 S. 322. 1915. — Derselbe, Über die Anderung der Strompulse unter dem Einfluss vasokonstriktorischer Mittel. Ebenda Bd. 162 S. 338. 1915. — Derselbe, Der Strompuls nach Lähmung der Gefässe. Ebenda Bd. 162 S. 359. 1915. — Derselbe, Zusammen- fassende Betrachtungen über den Inhalt der vorhergehenden Abhandlungen. Ebenda Bd. 162 S. 413. 1915. Der Einfluss rhythm. Druckschwankungen &. d. Widerstandsverhältn. usw. 55 Voraussetzung ausgehend, dass ohne Fördertätigkeit der Arterien die berechnete Stromvolumkurve gleich der registrierten sein müsse. Die Methode der Berechnung hat Hürthle aus einem Schema abgeleitet, bei welchem die Kapillaren des Gefässsystemes durch Glaskapillaren mit starrem Widerstand und die zuführenden Arterien durch einen Gummischlauch representiert waren. Hürthle berechnet an diesem Schema Stromvolumkurven, die von den registrierten nur wenig ab- weichen. Bei der Übertragung der Rechnungsmethode auf das lebende Gefässsystem macht Hürthle eine Anzahl von Voraussetzungen, deren Gültickeit er eingehend diskutiert. Wir wollen von der Methode der Hürthle’schen Berechnung nur diejenigen Punkte herausgreifen, in welchen wir mit Hürthle nicht einig gehen können. Hürthle trennt die registrierte Pulswelle in einen systolischen Teil (vom Beginne des Druckanstieges bis zum Gipfel der Druckkurve) und in einen diastolischen Teil (vom Gipfel der Druckkurve bis zum Beginn des nächsten Pulses reichend). Das Stromvolumen während der Systole nimmt nun Hürthle als Summe von zwei Faktoren an, nämlich dem Durchflussvolumen durch die Kapillaren und dem Blut- gquantum, das zur Kapazitätsvergrösserung der zuführenden Arterien verwendet wird. Das diastolische Stromvolumen ist gleich dem Durch- flussvolumen durch die Kapillaren vermindert um den Teil, der durch die Volumabnahme der Bahn gedeckt wird. Auf Grund dieser Über lesung kommt Hürthle zu den beiden Formein: D; = Prn,s ® t; Ale (Pa BER P}) e | Da = Pd D la (Pa = Pı) € Dabei ist v, das im Stadium der Systole, v, das im Stadium der Diastole registrierte Stromvolumen, v die unter dem Druck 1 während deı Zeit 1 durch die Kapillaren abfliessende Flüssigkeitsmenge und e die unter der Druckdifferenz 1 erfolgende Kapazitätsveränderung der peripher der Stromuhr liegenden Gefässe. pm, bedeutet den Mittel- druck während der Zeit der Systole i,, Pm,a den Mitteldruck während der Zeit der Diastole Z,, als (ps, — p,) ist die Grösse der Druckschwankung bezeichnet. Aus den registrierten Strom-, Druck- und Zeitkurven kann Hürthle sämtliche Werte ermitteln mit Ausnahme der beiden Un- bekannten v und e, welche durch Auflösung der beiden Gleichungen seiunden werden. Da Hürthle seine Gleichungen auch für jeden Zeitmoment als gültig betrachtet, berechnet er damit während einer Pulsation für eine grosse Anzahl Zeitmomente das Stromvolumen und erhält so eine berechnete Stromvolumkurve. Er findet, dass die registrierte Stromyolumkurve gegenüber der berechneten im Gipfel der Druckkurve und im Beginn des Druckabfalles überlegen ist. Diese Überlegenheit der registrierten Stromvolumkurve bezeich- 56 Alfred Fleisch: net Hürthle als systolische Schwellung. Gegen die Über- tragung der oben mitgeteilten Gleichungen vom Schema auf das lebende Gefässsystem haben wir verschiedene Einwände zu erheben. Im Schema ist der Widerstand der elastischen Bahn (Schlauch) sehr klein, so dass die am Manometer gemessenen Druckschwankungen in annähernd der- selben Grösse bis zum Widerstand der Glaskapillaren übertragen werden. Beim lebenden Gefässsystem hingegen verschwinden wegen des nicht zu vernachlässigenden Widerstandes der zuführenden Arterien die Druckschwankungen während einer Pulsation nach der Peripherie hin vollständig. Da die Kapillaren des lebenden Gefässsystems während der Dauer der Pulsation einen konstanten Druck aufweisen, ist ihr Durchflussvolumen konstant und nicht von dem am Manometer re- gistrierten Druck abhängig. Hürthle selbst bestätigt dies, indem er schreibt, dass die pulsatorischen Druckschwankungen infolge der Reibung und der Zunahme des Gesamtquerschnittes in den Kapillaren verschwinde, wie aus der Gleichförmigkeit der Strömung geschlossen werden könne. Der Faktor pm, !; bzw. Dm,av la (gleich Durchfluss- volumen durch die Kapillaren) der Hürthle’schen Gleichung, der Proportionalität zwischen Kapillarstrom und dem am Manometer gemessenen Druck während der Dauer einer Pulsation fordert, ist für das lebende Gefässsystem un- gültig. Das Durchflussvolumen durch das Kapillarsystem ist nicht, wie in der Gleichung Hürthle’s enthalten ist, von dem in der zuführenden Arterie in jedem Zeitmoment herrschenden Druck abhängig, sondern es ist nur ab- hängig von dem Mitteldruck einer ganzen Anzahl sich tolgender Pulsationen. Wie langsam sich das Stromvolumen durch die Kapillaren selbst“ grossen, rasch erfolgenden Druck- schwankungen anpasst, zeigen meine oben angeführten Versuche mit gleichzeitiger Registrierung des arteriellen und venösen Strom- volumens. Ein weiterer Punkt in der Gleichung Hürthle’s erscheint mir zu unsicher fundiert, das ist der Faktor (p,—p,)e. Wenn wir auch die von Hürthle angenommene Proportionalität zwischen Druck- und Volumzuwachs im Bereich der vorkommenden Druckschwankungen hier nicht diskutieren wollen, so muss Einwand erhoben werden gegen- über der Vernachlässigung des Zeitfaktors. Hürthle hat für sein Schema den Nachweis erbracht, dass die Vernachlässigung des Zeit-. faktors keine allzugrossen Fehler verursacht, für das lebende Getäss- system fehlt aber ein analoger Beweis. Meine oben publizierten Ver- suche und der folgende Versuch 18 demonstrieren den wesentlichen Einfluss des Zeitfaktors auf die Inhaltsveränderungen des Gefäss- systems, Der Einfluss rhythm. Druckschwankungen a.d. Widerstandsverhältn. usw. 57 Versuch 18 (Abb. 18): Durchströmung der unteren Körperhälfte einer Ratte mit sauerstoffgesättigter Ringer-Lösung. P ist der Druck, Va das Zuflussvolumen, Vv das Abflussvolumen. Plötzliche Druckerhöhung von 80 auf 120 cm Wasser. Zeitmarken =0,5 Sek. Wie Abb. 18 zeigt, schnellt bei plötzlicher Druckerhöhung um 40 em Wasser die Kurve des Zuflussvolumens (Va) sofort in die Höhe und verläuft von da ab horizontal. Die Kurve des venösen Strom- volumens (Vv) hingegen zeigteinen sehr langsamen Anstieg, der nach 15 Sekunden noch nicht ganz be- endet ist. Erst wenn beide Kurven horizontal verlaufen, ist der Zu- fluss gleich dem Abfluss; dann erst ist die Inhaltszunahme des Gefässsystems, die vorher statt- Abb. 18. gefunden hat, beendet. Wir er- sehen daraus, dass die Inhaltszunahme nicht eine reine Funk- tion des Druckes sein kann, sondern von der Zeitdauer in hohem Maasse abhänst. Bevor Hürthle seine systelische Schwellung im Sinne einer aktiven Förderleistung der Arterien auswerten will, sucht er nach physikali- schen Ursachen derselben und zieht eventuelle Änderungen des Wider- standes und seiner e-Werte in Betracht. Dabei schreibt Hürthle, ‘dass man für die Erklärung der sys- tolischen Schwellung durch Veränderung ‚der e-Werte diese bei Beginn der Druck- senkung müsste ne- gativ werden lassen, d. h. man müsste ncch eine wei- tere Volumzunahme DET 27 mv der Bahn eintreten Abb. 19. lassen. Hürthle bezeichnet diese Volumzunahme bei Beginn der Drucksenkung als ganz unwahrscheinlich, wir hingegen halten sie für sicher. Betrachten wir einmal die Kurven von Druck, Zufluss- und Abflussvolumen während der Dauer einer Pulsation (Abb. 19). Wir machen dabei die Voraussetzung, dass die vorhergehenden Pulsationen von gleicher Höhe waren. Die Kurve des venösen Strom- volumens (Vo) verläuft somit entsprechend dem konstanten Kapillar- strom horizontal. Die Kurve des Zuflussvolumens (Va) zeigt mit der 58 Alfred Fleisch: Druckkurve P synehronen Anstieg und Abfall. Wir machen noch die ohne weiteres gerechtfertiste Annahme, dass das Gesamtzufluss- volumen während des betrachteten Pulsbildes gleich ist dem Gesamt- abflussvolumen. Wenn beide Stromvolumkurven im gleichen Maass- stab aufgetragen sind, so ist in ihren Schnittpunkten (I und III) das Zuflussvolumen gleich dem Abflussvolumen. Wo die arterielle Strom- volumkurve die venöse übersteigt (von /—III), ist der Zufluss grösser als der Abfluss, hier findet also eine Inhaltszunahme des Gefässsystemes statt. Wo umgekehrt die arterielle Kurve unter der venösen zurück- bleibt (0—/ und III—IV), wird der Gefässinhalt vermindert. Ver- gleichen wir einmal diese hier dargelegten selbstverständlichen Ver- hältnisse mit den Gleichungen Hürthle’s. Darnach nimmt der Gefäss- inhalt während der ganzen Dauer des Druckanstieges (also von 0O—//) fortwährend zu, um während der ganzen Zeit des Druckabfalles (von IT—IV) abzunehmen. Speziell vom Gipfel der Druckkurve, also vom Stadium /I ab, subtrahiert Hürthle den Faktor (p,—p,)e vom Kapillarstrom, um das Stromvolumen zu berechnen. Im Stadium II—III des abfallenden Schenkels müsste also, wenn die Hürthle- schen Gleichungen für das Getässsystem Gültigkeit hätten, der Gefäss- inhalt abnenmen. Es kann aber kein Zweifel darüber sein, dass er in diesem Stadium noch zunimmt. Die Gleichungen Hürthle’s führen also zu einer Unmöglichkeit, die vereint mit den oben genannten Einwänden uns dazu führt, die Gültig- keit der Berechnungen Hürthle’s für das Gefässsystem bestimmt abzulehnen. Wieso Hürthle für das Stadium //—IlI des abfallenden Schenkels ein kleineres Stromvolumen berechnet, als registriert, ist jetzt klar. In der Berechnung wird eine Kapazitäts- veränderung subtrahiert, während in Wirklichkeit eine solche addiert werden scllte. Die systolische Schwellung Hürthle’s ist ver- ursacht durch einen Berechnungsmodus, der für das Ge- fässsystem keine Gültigkeit haben kann. Hürthle selbst hat die systolische Schwellung nie als sicheres Arsument für die Fördertätigkeit der Arterien betrachtet, sondern . immer noch die Möglichkeit erwähnt, dass sie eventuell doch durch physikalische Faktoren verursacht sein könnte. Im Gegensatz zu Hürthle haben andere Autoren, wie Hasebroek!) und Mares >), die systolische Schwellung als Beweis für die aktive Fördertätigkeit der Arterien ins Feld geführt. Es wäre deshalb von grösstem Interesse, . DK. Hasebroek, Über den extrakardialen Kreislauf des Blutes. S. 103 u. 275. Jena 1914. 2) F. Mares, Der allgemeine Blutstrom und die Förderung der Blut- durchströmung der Organe durch die Tätigkeit ihres Gefässsystems. Pflüger’ S Arch. f. d. ges. Physiol. Bd. 165. Seite 159. 1916. Der Einfluss rhythm. Druckschwankungen a.d. Widerstandsverhältn. usw. 59 von Hürthle seine "Stellungnahme zur systolischen Schwellung zu erfahren, vielleicht gibt die vorliegende Arbeit die Veranlassung dazu. Wir selbst treten mit Bestimmtheit dafür ein, dass die systolische Schwellung nichts zu tun hat mit einer aktiven Fördertätigkeit der Arterien, sondern dass sie durch eine unrichtige Formulierung ver- ursacht ist. Zusammenfassung. Die vorliegenden Untersuchungen bilden eine Erweiterung einer früheren Arbeit, in welcher Widerstandsveränderungen des Gefäss- systemes bei langsam ansteigendem Druck untersucht wurden. Es wurde dort festgestellt, dass bei einem langsam im Verlauf von mehreren Minuten ansteigenden Druck der Widerstand des durchströmten Ge- fässsystemes herabgesetzt wird. Um die Widerstandsveränderungen systematisch bei immer rascher erfolgendem Druckanstieg untersuchen zu können, wurde eine neue Stromuhr mit fortlaufender optischer Registrierung von Stromvolumen und Druck konstruiert. Die Stromstärke wird bei diesem Apparat registriert durch die Druckdifferenz, welche die Flüssigkeit beim Strömen durch ein starres Rohr erleidet. Diese Druckdifferentialstromuhr zeichnet sich aus durch fortlaufende Registrierung, horizontale Nullinie, voll- kommene Proportionalität der Ausschläge, hohe Empfindlichkeit und äusserst geringe Trägheit. Durch Verwendung einer arteriellen und einer venösen Stromuhr lässt sich nachweisen, dass bei einem Druckanstieg inner- halb mehreren Sekunden eine ausgiebige Erweiterung der Gefässe eintritt. Eine solche ist aber gleichbedeutend mit einer Widerstandsherabsetzung der durchströmten Gefässe. Die Versuche mit raschem Druckanstieg innerhalb Bruchteilen von Sekunden ergeben aus dem Verlauf der Druck- und der arteriellen Stromvolumkurve, dass auch hier während des Druckanstieges und der Phase des hohen Druckes eine wesentliche Kapa- zitätsvergrösserung des Gefässsystems stattfindet. Diese Inhaltszunahme wird besonders klar ersichtlich bei gleichzeitiger Registrierung des arteriellen und des venösen Stromvolumens, in- dem dabei das arterielle Stromvolumen bei Druckanstieg das venöse weit übertrifft und dieses letztere erst nach mehreren Sekunden zur gleichen Höhe anschwillt. Die Widerstandsherabsetzung wird nicht nur durch Druckanstieg von 0 aus, sondern auch bei physio- logischer Druckzunahme von 40—80 und 80-120 cm Wasser nach- gewiesen. 60 Alfred Fleisch: Der Einfluss rhythmischer Druckschwankungen usw. Die bei jeder Zeitdauer des Druckanstieges erfolgende Widerstands- herabsetzung des Gefässsystemes ist das Kriterium dafür, dass die rhythmische Durchströmung aus rein mechanischen Gründen ein grösseres Durchflussvolumen ergeben muss als die konstante. Es ist deshalb unzulässig, aus der Überlegenheit des rhythmischen Druckes über den konstanten auf eine aktive Förderleistung des Flüssigkeits- stromes durch die Arterien zu schliessen. Auf Grund der gemachten Experimente wird die systolische Schwellung Hürthle’s einer eingehenden Kritik unterworfen, welche ergibt, dass die systolische Schwellung durch einen Be- 2 ehnunssmodus verursacht ist, der für das Gefässsystem keine Gültigkeit haben kann. Untersuchungen über die Gewöhnung an Gifte. II. Mitteilung: Die Festigkeit der Protozoen gegen Farbstoffe. Von S. M. Neuschlosz. (Mitteilung aus dem pharmakologischen Institut der Universität Budapest.) (Eingegangen am 2. August 1919.) Einleitung. Nachdem in einer früheren Arbeit !) der Nachweis erbracht worden ist, dass die erworbene Chininfestigkeit bei Protozoen (Paramäcien) ‚auf die Fähigkeit derselben, das Chinin zu zerstören, zurückzuführen ist, war die Frage naheliegend, ob die Gewöhnung der Protozoen an andere Gifte, namentlich an Farbstoffe, auf einem ähnlichen Vor- gange beruht. Im folgenden soll über die zu diesem Zwecke aus- geführten Untersuchungen berichtet werden. Dass Protozoen gegen Farbstoffeifte gefestigt werden 'können, ist aus den Arbeiten Ehrlich’s ?) und seiner Schüler bekannt. Die Festig- keit erscheint in diesen Versuchen als eine spezifische, indem sie ledig- lich gegen die Farbstoffe jener chemischen Gruppe zutage tritt, zu welcher der zur Festigung verwendete Farbstoff gehört hat. Auf diese Weise konnte Ehrlich Protozoenstämme züchten, welche gegen Ben- zidinfarbstoffe, eine andere, welche gegen T’riphenylmethanfarbstoffe eine spezifische Festigkeit innehatten. Allen anderen Giften gegen- über verhielten sich diese Protozoen wie die normalen. Es scheint demnach, dass die verschiedenen Farbstoffe verschiedene Wirkungs- mechanismen — oder wie Ehrlich sich ausdrückt, gesonderte Angriffs- punkte (Chemozeptoren) — haben, und es war deshalb von Wichtig- keit, auch bei unseren Versuchen den Gewöhnungsvorgang an den einzelnen Farbstoffgruppen gesondert zu untersuchen. Es wurden Vertreter drei verschiedener protozoozyder Farbstoffgruppen verwendet, namentlich das Methylenblau (Thiazinreihe), das Trypanblau (Benzidin- farbstoffe) und das Fuchsin (Tryphenylmethangruppe). Als Versuchsobjekt diente auch hier, wie bei den Versuchen mit Chinin, Paramäcium caudatum. Bezüglich der Paramäcienkultivation und der Versuchsanordnung, welche in jeder Hinsicht die gleiche war, wie in der genannten Arbeit, muss auf dieselbe verwiesen werden. 1) Neuschlosz, dieses Archiv Bd. 176 S. 223. 2) Ehrlich, Beiträge zur Exp. Path. u. Chemotherapie. Leipzig 1909. 62 S. M. Neuschlosz: Die normale Empfindlichkeit der Paramäcien gegen Farbstoffe. Vor allem musste die Giftempfindlichkeit der Paramäcien den zur Verwendung gelangenden Farbstoffen gegenüber festgestellt werden. Als Maass der Giftigkeit wurde auch hier die Lebensdauer der Para- mäcien in den verschiedenen Farbstofflösungen betrachtet. Die Mitiel- werte sämtlicher Vergiftungsversuche mit normalen Paramäcien ent- hält die Tabelle 1. Tabelle I. Lebensdauer normaler Paramäcien in Farbstofflösungen verschiedener Konzentration. Methylenblau Trypanblau Fuchsin Konzen- Lebens- Konzen- Lebens- Konzen- Lebens- tration ' dauer tration dauer tration dauer 1 1000 | 30’ 1 10 000 4' 1: 1000 0’ 1 2000 11’ 1 20 000 7’ 1: 2000 | 30 1 4.000 DO 1 40 000 34" 1: 4000 Du 1: 8000 | 118’ 1: 80000 1b 16’ 1: 8000 36’ 1: 16000 2h 19’ 1: 160000 A Te) 1: 16 000 ih 18’ 1: 32000 3h 11’ 1: 320000 oh 36’ 1:32 000 > 24h 1: 64.000 4h 6’ 1: 640000 4h 38’ 1: 128000 oh 1" 1:1 280 000 5h 52' 1:25000 | >24h 1:2 500 000 >24h Wie ersichtlich ist von den verwendeten Farbstoffen Trypanblau das weitaus giftigste; Methylenblau und Fuchsin unterscheiden sich namentlich dadurch, dass in konzentrierten Lösungen (1:1000 — 1:10,000) das Fuchsin, bei grösseren Verdünnungen das Methylenblau sich als eittiger erweist. Die Gewöhnung der Paramäcien an die Farbstoffe. Hiernach konnte mit der Gewöhnung der Paramäcien an die Farb- stoffgifte begonnen werden. Wir gingen wie bei den Chininversuchen vor: es wurde der Nährlösung der Paramäcien zuerst eine ganz geringe — weit unterhalb der giftigen Grenzkonzentration liegende — Menge des Farbstoffes zugefügt, sodann der Farbstoffgehalt langsam, stufen- weise erhöht. Die bereits bei der Gewöhnung an Chinin beobachteten und erwähnten Depressionsstadien der Paramäcien, welche manchmal der Erhöhung der Giftkonzentration zu folgen pflegten, waren bei den Farbstoffen bei weitem stärker als bei Chinin, so dass die Steigerung der Farbstoffkonzentration noch viel behutsamer vorgenommen werden musste als bei den Versuchen mit Chinin. Nichtsdestoweniger kam es wiederholt zum Absterben der Kulturen bei Giftkonzentrationen, welche später bei vorsichtigerem Handhaben der Gewöhnung anstands- los vertragen worden sind. Über die Zeit, die zur Gewöhnung bei jedem Untersuchungen über die Gewöhnung an Gifte. II. 6: & einzelnen Farbstoff sich als nötig erwies, und die während derselben durchgelaufenen Giftkonzentrationen sei im folgenden kurz berichtet: Methylenblau: Dauer der Gewöhnung: 29. April bis 2. Juni 1919, 34 Tage. Konzentrationen: 1:10000000, 1:8000000, 1:6000090, 1:4000000, 1:2000000, 1:1500000, 1:1000000, 1:800000, 1:600000, 1:500000, 1:400000, 1:300000, 1:200000, 1:150000, 1:100000. — Trypanblau: Dauer der Gewöhnung: 2. Mai bis 2. Juni 1919, 31 Tage. Konzentrationen: 1:100000000, 1:80000000, 1:60000000, 1:50000000, 1:40000000, 1:30000000, 1:20000000, 1:15000000, 1:12000000, 1:10000000, 1:8000000, 1:6000000, 1:5000000, 1:4000000, 1:3000000, .1:2000000, 1:1500000, 1:1000000. — Fuehsin: Dauer der Gewöhnung: 29. April bis 2. Juni 1919, 34 Tage. Konzentrationen: 1:1000000, 1:800000, 1:600000, 1:400000, 1:200000, 1:150000, 1:100000, 1:80000, 1:60000, 1:50000, 1:40000. — Um feststellen zu können, ob durch diese allmähliche Behandlung der Paramäcien mit den Farbstoffen tatsächlich eine Festigung der- ‘selben eingetreten ist, wurde die Lebensdauer normaler und gewöhnter Paramäcien in Farbstofflösungen verschiedener Konzentration mit- einander verglichen. Zu diesem Zwecke wurde jeder Farbstoff in jenen Konzentrationen verwendet, von welchen früher festgestellt wurde, dass dieselben normale Paramäcien sicher innerhalb 2 Stunden zu töten vermögen. Ganz hohe, fast momentan tötende Konzentrationen wurden jedoch vermieden, da diesen gegenüber nach unseren mit Chinin gemachten Erfahrungen eine Wirkung der Gewöhnung in nur geringem Grade zu gewärtigen war. Über die Ergebnisse dieser Ver- suche geben die Tabellen II, III und IV Aufschluss. Tabelle II. Lebensdauer normaler und gewöhnter Paramäcien in Methylenblau- lösungen verschiedener Konzentration. Lebensdauer Versuchs- Datum Konzentration © nummer a normaler gewöhnter Paramäcien Paramäcien 1: 5000 Du" 18 Sl? 5. Juni 1: 10000 1h 14’ 24507 1: 20.000 23h 59" 4h 24' 1: 5000 Sn Ih 38’ 7. Juni 1:10.000 Ih 21’ 2m 5 1:20 000 3h 6’ 4h 11’ 1: 5000 Sl Ense 10. Juni 1:10 000 Ih 28’ oh 37 1:20000 3h 13’ 4h 17' 1: ‚5.000 26’ ie al] 11. Juni 1:10000 Ih 21’ %h 41’ 1: 20.000 De a 64 S. M. Neuschlosz: Tabelle III. Lebensdauer normaler und gewöhnter Paramäcien in Trypanblaulösungen verschiedener Konzentration. v h Lebensdauer EINE Datum Konzentration | n = nummer normaler. gewöhnter Paramäcien Paramäcien 1: 50000 49! 1h 47' 28 9. Juni 1 : 100 000 1h 49’ 3h 25’ 1: 200 000 ah 57’ 5h 19’ t 1: 50.000 46’ 1h 47’ 3l 71. Juni 1: 100 000 1h 57’ | 3h 22’ 1: 200 000 3h 17’ 5h 6’ | 1: 50.000 49' ih 527 34 10. Juni 1: 100 000 Ih 53’ 3h 23' | 1: 200 000 N | 1: 50.000 46' 1b 46’ 40 11. Juni 1: 100 000 ° 15 52’ 3h 25’ | 1: 200 000 3h 11’ 5h 17’ Tabelle IV. Lebensdauer normaler und gewöhnter Paramäcien in Fuchsinlösungen verschiedener Konzentration. Lebensdauer Versuchs- Datum Konzentration nummer normaler gewöhnter Paramäcien Paramäcien 1: 2500 | DU 6’ 29 5. Juni 1: 5.000 16’ 1b 27’ 1: 10. 000 | 44' Ih 98’ | 1: 2500 Sa Zi’ 32 7. Juni 1: 5000 17' | au | 1: 10.000 48’ 23h 47' f 1: 2500 | DH 10’ 35 10. Juni 1: 5000 15’ 1h 33’ | 1:10000 | 51’ on 58’ | 1: 2500 | 5 8’ 41 11. Juni 1: 5000 EZ ih 35’ | 1: 10.000 | 46' Ih 47’ Es zeigt sich, dass die Paramäcien sich durch Gewöhnung segen alle angewendeten Farbstoffe in recht erheblichem Untersuchungen über die Gewöhnung an Gifte. I. 65 Maasse festigen lassen. Die Lebensdauer der gewöhnten Para- mäcien ist in jeder einzelnen Farbstoftlösung wesentlich höher (25 bis 440%) als die der normalen, während die Resultate der einzelnen Versuche recht gut miteinander übereinstimmen. Das Wesen der Gewöhnung der Paramäcien an Farbstoffe. Wir konnten demnach zu unserer eigentlichen Fragestellung schreiten und untersuchen, ob die Protozoen ihre erworbene Festigkeit den Farbstoffen gegenüber einem ähnlichen Vorgange verdanken, wie wir dies bei Chinin feststellen konnten, nämlich der infolge der Gewöhnung erlangten Fähigkeit, das Gift zu zerstören. Es musste also das Schicksal der den Paramäcien zugefügsten Farbstoffe verfolgt werden. Ein Vergleich desselben bei normalen und gefestigten Para- mäcien musste die Antwort auf die gestellte Frage geben. Hierzu mussten die Farbstoffmengen in den einzelnen Lösungen nach Ablauf der Versiftungsversuche quantitativ bestimmt werden. Zur Be- stimmung der Farbstoffe schien die kolorimetrische Methode am ge- eignetsten zu sein. Sie wurde mit einem Kolorimeter nach Königs- berger und Authenrieth ausgeführt. Als Vergleichslösung wurde jeder Farbstoff in derselben Konzentration verwendet, welche auch den Paramäcien zugefügt worden ist, so dass die nach Entfernung der Paramäcien gewonnenen Farbstofflösungen direkt mit der Ver- gleichslösung verglichen und die zwischen den beiden nachweisbaren Unterschiede als während des Versuches entstandene Farbstoffverluste betrachtet werden konnten. Dieselben wurden mit Hilfe einer für jeden Farbstoff festgestellten empirischen Kurve in Prozente umgerechnet. Die Versuche gestalteten sich demnach folgendermaassen: 4,5 cem Farbstofflösung von bekannter Konzentration wurden mit genau ab- gemessenem 0,5 cem Paramäciensuspension versetzt. Nach Absterben sämtlicher Paramäcien wurden dieselben abzentrifugiert und die Kon- zentration der übriggebliebenen Farbstofflösung kolorimetrisch mit der ursprünglichen Lösung verglichen. Die Ergebnisse dieser Versuche sind aus den Tabellen V, VI und VII ersichtlich. Diese Zahlen zeigen mit vollkommener Klarheit, dass, während . die Farbstofflösungen durch normale Paramäcien im Laufe der Versuche nicht im mindesten verändert werden — denn die durchschnittlichen Verluste von 0,5—1 °%/, müssen als innerhalb der unvermeidlichen Fehlergrenzen liegend angesehen werden —, die- selben bei Anwesenheit gefestigter Paramäcien ausnahms- los beträchtlichen Farbstoffverlusten unterworfen sind. Dieselben betragen im Mittelwert bei den einzelnen Farb- stoffen 52,5, 54 und 60% der ur a vorhandenen Farbstoffmenge. Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd. 178. 5 S. M. Neuschlosz: (or) {er} Tabelle V. Durch normale und gewöhnte Paramäcien herbeigeführter Farbstoffverlust in der tötenden Methylenblaulösung. 5 Normale Para- Gewöhnte Para- Ver- Ursprüng- mäcien mäcien suchs- ! Datum !liche Kon- nummer zentration Lebens- Verlust Lebens- Verlust dauer 0/g dauer 0/9 27 5. Juni| 1:10000 ih 14’ 0 2h 50’ 42 30 ER 1:10 000 ln al 7 0 Zu 59" 53 33 102% 1: 10.000 1h 28’ 0 Ti 50 3 Il, 1: 10.000 1a 2” 2 2h 41’ 65 * Mittelwerte | 1% 21" 05 | 2286’ | 335 Tabelle VI. Durch normale und gewöhnte Paramäcien herbeigeführter Farbstoffverlust in der tötenden Trypanblaulösung. Normale Para- Gewöhnte Para- Ver- . | Ursprüng- mäcien mäcien suchs- Datum | liche Kon- = £ nummer zentration Lebens- Verlust Lebens- Verlust dauer UM dauer 0/9 28 | 5. Juni | 1: 100.000 | 1n49' | 0 31 95’ 54 31 Mass 1: 100.000 Ih 57' 0 3h 22° 58 ® 10.5 1: 100 000 1h 52’ 2 an 95 58 40 DIESE 1: 100 000 Ih 53’ 1 3h 23’ 45 Mittelwerte | 14 58° | 0,5 sh 24’ | 54 Tabelle VII. Durch normale und gewöhnte Paramäcien herbeigeführter Farbstoffverlust in der tötenden Fuchsinlösung. | Normale ‘Para- Gewöhnte Para- Ver- Ursprüng- mäcien mäcien suchs- | Datum | liche Kon- nummer zentration Lebens- Verlust Lebens- Verlust dauer 0 dauer Oo 2% | 5, Juni 1 5008 | 16 0 Ih 97’ 75 32 CR. 1: 5000 1? 0 Sl) 3 IOEN EL 1:5000 15 ' 1 1b 33’ 55 41 UNSR, 1:5000 17’ 3 Tao 8 Mittelwerte | 16’ | 1 | 1h 32’ 60 Die nächste, sich von selbst ergebende Frage war nun, ob dieser Verlust an Farbstoff mit einer gleichzeitigen Herabsetzung der Giftig- Untersuchungen über die Gewöhnung an Gifte. II. 67 keit der Lösung einhergeht, oder ob es sich bloss um die Überführung des Farbstoffes in eine ungefärbte Form handelt, ohne wesentliche Veränderung seiner Wirksamkeit. Für die Erklärung der Festigung der Paramäcien wäre selbstverständlich nur im ersten Falle etwas gewonnen, während die zweite Möglichkeit für unser Problem gänzlich belanglos wäre. Zur Entscheidung dieser Frage wurde die Giftigkeit der durch gewöhnte Paramäcien entfärbten Farblösungen normalen Paramäcien gegenüber bestimmt. Im Falle, die Entfärbung der Lösungen mit einer entsprechenden Entgiftung derselben einherging, müsste die Lebensdauer der Paramäcien in denselben mit der in einer entsprechend verdünnteren Farbstofilösung gleich sein. Es wurden demnach die Farbstoftlösungen nach Entfernung der abgetöteten, gefestigten Parä- mäcien nochmals — diesmal mit normalen Paramäcien — versetzt und ihre Lebensdauer in denselben festgestellt. Die Resultate dieser Versuche enthalten die Tabellen VIII, IX und X. Die letzte Kolonne dieser Tabellen enthält die berechnete — voraus vermutete — Lebens- dauer der Paramäcien in den entsprechenden Lösungen, unter der Voraussetzung, dass eine durch gefestigte Paramäcien entfärbte Farb- stofflösung normalen Paramäcien gegenüber ebenso siftig ist wie eine gleichgefärbte, lediglich mit Wasser verdünnte Lösung desselben Stoffes. Tabelle VIII. Lebensdauer normaler Paramäcien in durch gewöhnte Paramäcien ent- färbten Lösungen von Methylenblau. Ver- Ursprüng- Verlust Lebensdauer suchs- Datum liche Kon- !kolorimetrisch nummer zentration %o beobachtet | berechnet 36 10. Juni 1: 5000 50 1h 57’ | ca. 15h 30’ Ri, 1:5000 ach 92h 97 | ca. 2h Tabelle IX. Lebensdauer normaler Paramäcien in durch gewöhnte Paramäcien ent- färbten Lösungen von Trypanblau. Ver- Ursprüng- Verlust | Lebensdauer suchs- Datum liche Kon- I!kolorimetrisch nummer zentration 0/9 beobachtet | berechnet 3 10. Juni 1:50 000 45 ah 34' ca. 24 45 I; 1:50 000 98 2h 47' ca. 2h 30’ 5 * 68 S. M. Neuschlosz: Untersuchungen über die Gewöhnung an Gifte. II. Bee ,% Lebensdauer normaler Paramäcien in durch gewöhnte Paramäcien ent- färbten Lösungen von Fuchsin. Ver- Ursprüng- Verlust Lebensdauer ' suchs- Datum liche Kon- |kolorimetrisch nummer zentration %o beobachtet | berechnet 38 10. Juni 1: 2500 55 2 | ca. 15’ 44 122, 1: 2500 58 Dan I ea. 15’ \ | Ein Vergleich der letzten zwei Kolonnen dieser Tabellen zeigt nun, dass unsere Voraussetzung den Tatsachen entspricht, denn die be- obachtete Lebensdauer der Paramäcien zeigt sich in jedem Falle der berechneten ungefähr entsprechend. Eine genauere Berechnung lässt sich ja bei derartigen Bestimmungen gar nicht denken. Der gegen eine Zerstörung des Farbstoffes seitens der Paramäcien etwa noch mögliche Einwand, dass es sich lediglich um eine Speicherung desselben in den Paramäcienleibern handelt, wird durch die Beobach- tung entkräftet, dass die mikroskopisch nachweisbare Färbung der Leiber durch Farbstoff getöteter, gewöhnter Paramäcien keinesfalls intensiver war, sogar — soweit solehe Vergleiche überhaupt zulässig sind — weniger deutlich erschien, als die normaler Paramäcien. Zusammenfassung. Das Resumee dieser Untersuchungen muss also daraufhin lauten, dass: 1. Protozoen (Paramäcien) sich durch Gewöhnung gegen siftige Farbstoffe der Thiazin-, Benzidin- und Triphenyl- methanreihe, namentlich Methylenblau, Trypanblau und Fuchsin ganz beträchtlich festigen lassen. 2. Diese Festigung beruht auf der Fähigkeit der ge- wöhnten Paramäcien, den Farbstoff zu zerstören und ihn in nichtfärbende, ungiftige Verbindungen zu überführen. Über den näheren Mechanismus dieser Zerstörung lässt sich einst- weilen nichts mit Sicherheit sagen. Die Erwägungen, welche gelegent- lich der Untersuchungen über die Chininfestigkeit bei Protozoen be- sprochen worden sind !), sprechen auch bei den Farbstoffen zugunsten der Annahme, dass es sich um Abwehrfermente handelt. \ 1) Neuschlosz, a.ar 20), ze nee Untersuchungen über die Gewöhnung an Gifte. III. Mitteilung: - Das Wesen der Festigung von Protozoen gegen Arsen und Antimon. Von S. M. Neuschlosz. (Mitteilung aus dem pharmakologischen Institut der Universität Budapest.) (Eingegangen am 2. August 1919.) Einleitung. Dass Protozoen gegen Arsenikalien gefestigt werden können, haben zuerst die Untersuchungen von Ehrlich!) und seiner Schüler gezeigt. Sie arbeiteten lediglich mit pathogenen Protozoen, namentlich Try- panosomen. Bei freilebenden Infusorien sind Festigungsversuche von Neuhaus ?) ausgeführt worden, jedoch mit nur geringem Erfolg. Die Erklärung, welche Ehrlich für die beobachtete Festigung der Protozoen gegen Arsenikalien gibt, ist, wie ich bereits in einer früheren Arbeit ?) hervorgehoben habe, nicht ausreichend. Eine Herabsetzung der Avidität der Chemozeptoren einer Zelle tür ein Gift — wie sie von Ehrlich angenommen wird — ist eine zu hypothetische Vor- stellung, als dass irgend etwas mit ihr anzufangen wäre. Eine andere Erklärung der Gewöhnung an Arsen hat Danysz !) bei Anthraxbazillen gegeben, indem er feststellen konnte, dass die Bazillen infoige ihrer Gewöhnung eine schleimartige Substanz an die Nährlösung abgeben, welche das Arsen bindet und unschädlich macht. Dass dieser Art der Giftentledigung auch bei tierischen Lebewesen eine Rolle zukäme, ist aber recht unwahrscheinlich. Im folgenden ist der Versuch gemacht worden, der Gewöhnung von Protozoen an Arsen und Antimon eine chemische Erklärung zu geben. Zu diesem Zwecke musste eine womöglich hochgradige Festigung der Tiere an die genannten Gifte herbeigeführt werden. Als Versuchs- objekte sind auch diesmal — wie bereits früher mit Erfolg) — Infu- sorien, namentlich Paramaecium caudatum verwendet worden. Auch war die Versuchsanordnung im wesentlichen die gleiche wie bei den früheren Arbeiten. l) Ehrlich, Beiträge zur Exp. Pathologie u. Chemotherapie. Leipzig 1909. Berichte der deutschen chemischen Gesellschaft Bd. 42. 1917. 2) Neuhaus, Archives Int. de la Pharm. et Ther. t. 20. 1910. 3) Neuschlosz, Dieses Archiv Bd. 176 S. 223. 4) Danysz, Annales de l’Institut Pasteur t. RO. 1900. 5) Neuschlosz, a. a. O. 70 S. M. Neuschlosz: Die normale Empfindlichkeit der Paramäcien gegen Arsen und Antimon. Als protozoozyde Giftstoffe kamen nur die Verbindungen des drei- wertigen Arsens und Antimons in Betracht, da, wie aus den Arbeiten Ehrlieh’s!) und neuerdings auch aus denen Friedberger’s und Joachimoglu’s?) und Brunner’s°) hervorgeht, Giftwirkungen ledig- lich diesen zukommen, während die fünfwertigen Verbindungen nur insofern giftig sind, als sie von den Geweben in die dreiwertige Form überführt werden. Wir arbeiteten daher mit: NaAsO, und KSbO (C,H,0,). Zuerst wurde die normale Empfindlichkeit der Paramäcien diesen Giften gegenüber festgestellt. Die Ergebnisse dieser Versuche sind aus den ersten Kolonnen der Tabellen I und II ersichtlich. Die Zahlen sind Mittelwerte aus gut übereinstimmenden Einzelversuchen. Tabelle I. Lebensdauer normaler und gewöhnter Paramäcien in NaAs0,- Lösungen verschiedener Konzentration. Lebensdauer amzenmeien normaler gewöhnter Paramäcien Paramäcien 108 50 1 12% 1: 100 SW | 37' 1: 200 H 51’ 23h 51’ 1: 400 1h 30’ | 55h 39' 1: 800 2a <24h 1: 1600. 6h 8’ <24h 1: 3200 <24h 16) 5 1: 6400 > 24h 16) 1: 12800 60) | 60) Tabelle II. Lebensdauer normaler und gewöhnter Paramäcien in KSb0(C,H,0,)-Lösungen verschiedener Konzentration. Lebensdauer az normaler gewöhnter Paramäcien Paramäcien 1 50 3’ 16’ 1: 100 10’ 46 ' 1: 200 St 3h 12’ 1: 400 Ih 49' 5h 49’ 1: 800 yh 34" >24h 1:1 600 4h 20’ 00) 1:3 200 > 24h 16) 1:6400 0) 16) NWEhrlich,a. a. ©: 2) Joachimoglu, Biochemische Zeitschrift Bd. 70. 1915. — Fried- berger und Joachimoglu, Ibidem Bd. 79. 1917. 3) Brunner, Arch. f. Exp. Path. u. Pharm. Bd. 68. 1912. Untersuchungen über die Gewöhnung an Gifte. III. al Es zeigt sich also, dass Arsen und Antimon eine nicht unbeträcht- liche, aber in Vergleich mit Chinin oder einigen Farbstoffgiften (z. B. Trypanblau) eher gering zu nennende Giftigkeit gegen Paramäcien aufweisen: der Schwellenwert der tötlichen Konzentration liegt bei arsenigsaurem Natron bei 1:6400, bei Brechweinstein bei 1:3200. Die Gewöhnung der Paramäcien an Arsen und Antimon. . Hiernach wurde mit der Gewöhnung der Paramäcien an Arsen und Antimon' begonnen. Dieselbe sing bei vorsichtigem, stufenweise vorgenommenem Erhöhen der Giftkonzentrationen unter Berücksichti- gung der in den zitierten Arbeiten hervorgehobenen Gesichtspunkten glatt vor sich und nahm folgenden Verlauf: NaAs0O,: Dauer der Gewöhnung: 27. April bis 2. Juni 1919, 37 Tage. Durchgelaufene Konzentrationen: 1: 100000, 1: 80000, 1: 60000, 1:40000, 1:30000, 1:20000, 1:15000, 1:12000, 1:10000, 1:8000, 1:6000, 1:5000, 1:4000, 1:3000, 1:2000. | KSbO (C,H,0,): Dauer der Gewöhnung: 27. April bis 6. Juni 1919, 41 Tage. Durchgelaufene Konzentrationen: 1: 100000, 1: 80000, 1:60000, 1:50000, 1:30000, 1:20000, 1:15000, 1:12000, 1:10000, 1:8000, 1:6000, 1:5000, 1:4000, 1:3000, 1:2000, 1:1500, 1:1200, 1:1000. Nach Beendigung des Gewöhnungsverfahrens wurden die Para- mäcien, um das Maass der erworbenen Festigkeit festzustellen, neuer- dings auf ihre Empfindlichkeit gegen die verschiedenen Giftkonzen- trationen geprüft. Die Mittelwerte dieser Versuchsresultate ergeben sich aus den letzten Kolonnen der Tabellen I bzw. II. Dieselben be- weisen, dasssich durch Gewöhnung sö gegen Arsen, wie gegen Antimon, eine recht beträchtliche Festigung herbeiführen lässt. Dieselbe beträgt an der Lebensdauer der Paramäcien gemessen je nach der Giftkonzentration bei Arsen 200-—1100%,, bei Antimon 200—1200%. Es ist bemerkenswert, dass die Festigung sich immer am deutlichsten gegen geringere Giftkonzentrationen bemerkbar macht: eine Tatsache, auf die später noch zurückzukehren sein wird. Diese Festigung ist eine bei weitem höhere als die, welche Neuhaus!) in seinen Versuchen an Colpidien und Paramäcien erreichen konnte. Der Unterschied ist zweifellos durch die von mir durchgeführte, lang- same, sukzessive Gewöhnung im Gegensatz zu der von Neuhaus verwendeten kurzen Gewöhnung bedingt. In Anbetracht der später zu besprechenden Beobachtungen Ehr- lich’s war es nun von Interesse festzustellen, inwieweit ein gegen Arsen gefestister Paramäcienstamm eine Festigung auch: gegen andere 1) Neuhaus, a. 2. 0. 12 S. M. Neuschlosz: Giftstoffe, namentlich gegen das dem. Arsen nahestehende Antimon einerseits und gegen die weitstehenden Farbstoffgifte (z. B. Trypanblau) andererseits aufzuweisen imstande ist. Um dies feststellen zu können, wurden arsenfeste Paramäcien auf ihre Resistenz — im Vergleich zu normalen — gegen Brechweinstein und Trypanblau untersucht. Die Ergebnisse dieser Versuche zeigt die Tabelle ITI. Tabelle III. Lebensdauer normaler und arsenfester Paramäcien in KSb0(C,H,0,)- und Trypanblaulösungen verschiedener Konzentration. ——__srnmmtlll nn KSbO(C,H,0,): Trypanblau Lebensd Leb in: ebensdauer Bu % ebensdauer tration normaler | arsenfester | tration normaler | arsenfester Paramäcien | Paramäcien Paramäcien | Paramäcien 1: 50 - ON 13' 1: 10000 a 2 1: 100 9’ 38’ 1: 20.000 8 10’ 1: 200 1b 3' 3h 28’ 1: 40.000 40’ 39' 1:400 a9 Ne 5 1: 80.000 15 11’ Ih 14’ 1: 800 246’ | >»>24h 1: 160 000 2u 7 9% 2h 16’ Diese Versuchszahlen zeigen einwandsfrei, dass die gegen Arsen bei Paramäcien herangezüchtete Festigkeit die Tiere auch gegen Antimon zu schützen imstande ist, während sie gegen Trypanblau gänzlich versagt. Dieser Befund steht in gutem Einklang mit den von Ehrlich bei Trypanozomen gemachten Beobachtungen. Das Wesen der Arsen- und Antimongewöhnung der Paramäecien. Für die Entgiftung giftiger Verbindungen seitens gewöhnter ein- zelliger Organismen habe ich in einer früheren Arbeit !) die folgenden Möglichkeiten angenommen: 1. die Zerstörung des Giftes durch die gewöhnten Zellen; 2. die Bindung desselben in einer ‘unwirksamen Form; 3. das Undurchgängigwerden der Zellwand für das Gift. Die erste dieser Möglichkeiten fällt hier durch die elementare Natur der in Frage stehenden Gifte natürlich weg; es besteht dagegen eine andere, nämlich die Überführung des NaAsO, und des KSbO (C,H,O,) in weniger wirksame Verbindungen durch die Zellen. Es musste also das Schicksal der den Paramäcien zugefüsten Giftmengen bei normalen und gewöhnten Tieren ‘untersucht und zuerst festgestellt werden, ob und wieviel von dem zugesetzten NaAsO, und KSbO (C,H,O,) noch nach Ablauf der Vergiftungsversuche in den Lösungen unverändert 1) Neuschlosz, a..a. O. Untersuchungen über die Gewöhnung an Gifte. III, 1 vorhanden ist und nachgewiesen werden kann. Da die Giftwirkung, wie oben erwähnt, lediglich dem dreiwertigen Arsen und Antimon zukommt, wurden die Mengen dreiwertigen Arsens und Antimons vor und nach dem Versuch in: 7 Giftlösung bestimmt. Das verwendete Verfahren war bei der Arsenitbestimmung das folgende: 10 ccm der arsenithaltigen Lösung wurden mit Wasser etwa auf das Dreifache verdünnt, mit verdünnter Salzsäure angesäuert und mit soviel NaHCO, versetzt, dass ein Teil desselben ungelöst blieb. n Diese Lösung wurde dann mit 10 Jodlösung bis zur dauernden Gelb- färbung titriert. Die Zahl der verbrauchten Kubikzentimeter Jod- lösung geben mit 0,00375 multipliziert die Menge des vorhandenen dreiwertigen As in Gramm. Bei den" Sb-Bestimmungen wurde wie folgt vorgegangen: 10 ccm der Lösung wurden verdünnt, mit wenig Weinsäurelösung zur Bildung von weinsaurem Antimom versetzt, NaHCO, in bedeutendem Über- n schuss zugegeben und mit einer 10 Jodlösung titriert. Hierbei ent- spricht 1 cem Jodlösung 0,006 g dreiwertigem Sh. Um die Verlässlichkeit hass Besytemmngane Ihaden zu prüfen, wurden folgende Probebestimmungen ausgeführt: 0,3325 g NaAsO, - wurdenin 100 ccm Wasser gelöst. Der berechnete Gehalt dieser Lösung an As war: 0,1922%,. 4x 10 cem dieser Lösung verbrauchten 5,4, n 5,3, 5.4, 5,4 cem 10 Jodlösung, entsprechend einem As-Gehalt von 0,1948 %, (die Titerzahl der Jodlösung war 0,94). Der Fehler beträgt . also etwa 1,3%. Die Sb-Bestimmung fiel folgendermaassen aus: 0,3618 g KShO (C,H,O,) wurden in 100 cem Wasser gelöst (0,1280% Sb). n 4 x 10 cem der Lösung verbrauchten 2,3, 2,1, 2,1, 2,2 ccm 107 0d- lösung, entsprechend 0,1260%, Sb. Fehler der Bestimmung 1,6%. Unsere Versuchsanordnung gestaltete sich demnach folgender- maassen: Zu 15 com NaAsO, bzw. KSbO (C,H,O,) von genau be- kannter Konzentration (ca. 1:100) wurden 10 cam Wasser und 5 cem einer recht dichten Paramäciensuspension hinzugefügt, welche je nach dem Versuch mit normalen, arsen- oder antimonfesten Paramäcien hergestellt war. Nach Absterben der Paramäcien wurden dieselben mittels Zentrifugieren entfernt und in den Restlösungen das dreiwertige Arsen bzw Antimon auf die oben beschriebene Weise in 2 x 10 ccm bestimmt. Die Ergebnisse dieser Versuche sind aus den Tabellen IV und V ersichtlich, wobei bemerkt werden muss, dass die als ursprüng- liche As- bzw. Sb-Konzentration angegebene Zahlen mit Berück- 7A S. M. Neuschlosz: sichtigung der durch. Hinzufügen von Wasser und der Paramäcien- suspension erfolgten Verdünnung aus der chemisch bestimmten Kon- zentration der Stammlösung berechnet worden sind. Tabelle IV. Das Schicksal des normalen und gewöhnten Paramäcien zugefügten NaAs0;. = Ursprüng- Normale Paramäcien Gewöhnte Paramäcien = licherGehalt | 3 ger Lesung Gehalt der | Gehalt der a Datum an drei- Lösung an Ver ' Lösung an | Ver- 3) wertigem |TWebens- dreiwerti- Lebens- dreiwerti- =) ı As |gemAsnach | lust |gemAsnach | lust u dauer demVersuch dauer ı demVersuch {eb} 1 > 0% 0% %o %o %/o 22117. Juni| 0,2906 ih 11’/ 0,3000 -1,25| 3% 9'| 0,2175 25 24120. „ 0,2906 1b 9’| 02898 |—0,25| 34 13’| 0,1578 49 26| 2. Juli 0,3188 1h 18’) 0,3188 0 3b 14'| 0,1650 48 2S NoeR 0,3188 1h 19’! 0,3000 6. 1 3528’, 0,1875 40 30| 4 „ 0,3188 RE ze all er il Mittelwert | 1,9 | Mittelwert | 42,6 Tabelle V. Das Schicksal des normalen und gewöhnten Paramäcien zugefügten KSb0(C,H,0,;)- S Ursprüng- Normale Paramäcien Gewöhnte Paramäcien =| licherGehalt| s der Manz Gehalt der | Gehalt der 2 | Datum an drei- Lösung an | Ver- | Lösung an | Ver- a wertigem | Lebens- dreiwerti- Lebens- dreiwerti- 3 Sb gemSbnach | lust gemSbnaech, lust @ dauer |demVersuch dauer |demVersuch ® | > %o %o %o | %o %o 93 |17. Juni 0,2040 51’) 0,1940 3 | 2 57’ | 0,1320 3 231208 76% 0,2040 ih 7’; 02112 |—4 |2%40’| 0,1500 26 27| 2. Juli 0,2280 1b 12’| 0,2280 0 13h 6’| 0,1320 42 A) aa 0,2280 55’, 0,2280 0 ı 3h 7’| 0,0090 60 Sa 0,2280 5371 0,2220 3 | 2h 53’| 0,1200 47 Mittelwert | 0,4] Mittelwert | 42 Diese Versuche zeigen, dass, während normale, nicht sewöhnte Paramäcien keinen Einfluss auf die sie um- sebende Arsen- bzw. Antimonlösung ausüben, gefestigte Paramäcien dieselbe weitgehend verändern, indem sie be) einen grossen Teil des in dreiwertiger Form vorhandenen Arsens und Antimons zum Verschwinden bringen. Unsere nächste Aufgabe war, das Schicksal des verschwundenen Arsens und Antimons weiter zu verfolgen. A priori waren zwei Mög- lichkeiten vorhanden: erstens könnte das Arsen und das Antimon in Untersuchungen über die Gewöhnung an Gifte. III. 75 den Körper der Paramäcien aufgenommen und dort in einer unwirk- samen Form festgelegt worden sein, oder aber sind dieselben in der Lösung verblieben und wurden bloss in eine mit der angewendeten Methode nicht bestimmbarer Form überführt. Eine dritte Möglichkeit wäre allerdings die Überführung des Arsens und Antimons in flüchtige Verbindungen, wodurch dieselben zu entweichen imstande wären. Solche flüchtige Verbindungen müssten sich aber durch ihren Geruch bemerkbar machen und können daher ausgeschlossen werden. Auch die Unmöglichkeit einer Bindung der Gifte durch die Zellen kann durch folgende Überlegung bewiesen werden: die zu den Giftlösungen hinzugefügten 5 cem Paramäciensuspension enthalten etwa 0,5 g Para- mäcienleiber. Den Trockensubstanzgehalt der Paramäcien mit 20% berechnet — was sicherlich eher zu hoch als zu niedrig ist — würde derselbe bei 0,5 g 0,1 g betragen. Die verschwundenen Mengen Arsen bzw. Antimon waren aber in einzelnen Versuchen nicht weniger als 0,049 g. Wir müssen also annehmen, dass 0,1 sg Trockensubstanz 0,049 & Arsen oder Antimon gebunden hätten, was unmöglich ist. Es bleibt also nichts übrig, als anzunehmen, dass das Arsen bzw. das Antimon trotz ihres scheinbaren Verschwindens noch weiter in der Lösung vorhanden sind. Es musste nun gezeigt werden, dass dies tatsächlich der Fall sei. Wie oben bereits erwähnt, lassen sich mit der angewendeten Methode lediglich dreiwertiges Arsen und Antimon bestimmen, da ja dieselbe auf einer Oxydation der dreiwertigen Ver- bindungen in fünfwertige durch Jod beruht. Es war also naheliegend, daran zu denken, dass die Veränderung, die durch die gefestigten Paramäcien an den Arsen- und Antimonverbindungen vollbracht wird, _ eben ihre Überführung in eine fünfwertige Form sei. Diese Möglich- keit musste als um so wahrscheinlicher angesehen werden, da ja aus - den zitierten Arbeiten Friedberger’s und Joachimoglu’s!) und Brunner’s 2) die Tatsache hervorgeht, dass die fünfwertigen Ver- bindungen des Arsens und des Antimons ganz wesentlich weniger giftig sind als die dreiwertigen; mit der Überführung der dreiwertigen in die fünfwertige Form also eine hochgradige Entgiftung der Stoffe einhergehen muss, was ja bei der Gewöhnung tatsächlich der Fall ist. Es musste also untersucht werden, ob in dem den Paramäcien zu- gefügten Giftlösungen nach Ablauf der Versuche neben der dreiwertigen Form auch fünfwertiges Arsen bzw. Antimon nachgewiesen werden kann, und ob sich die Mengen derselben mit den verschwundenen Mensen an dreiwertiger Substanz decken. Hieraus ergab sich die Notwendigkeit, fünfwertiges Arsen bzw. Antimon quantitativ neben dreiwertigem zu bestimmen. Für Antimon l) Friedbergeru. Joachimoglu, a.a. 0. — Joachimoglu,a.a.O. 2) Brunner, a. a. O. 4 76 S. M. Neuschlosz: wurde eine hierzu geeignete Methode von Weller!) angegeben. Die- selbe beruht auf der Umkehrung der von uns zur Bestimmung der dreiwertigen Form verwendeten Reaktion. Erhitzt man nämlich fünf- wertige Antimonverbindungen in Gegenwart von K.J mit konzen- trierter Salzsäure, so reduziert die entstandene Jodwasserstoffsäure das Sb, das inzwischen in SbCl, überführt worden ist in die dreiwertige Form, womit gleichzeitig Jod in Freiheit gesetzt wird. Die Reaktion verläuft nach folgender Gleichung: SbCl, +2 HJ =2HCI + SbCl, + 7, Das freigesetzte Jod wird abdestilliert, in einer mit einer Jod- n kaliumlösung versetzten Vorlage aufgenommen und mit einer 10° Na,S,0,-Lösung bis zur Entfärbung titriert. Dass auch Arseniate auf ähnliche Weise bestimmt werden können, habe ich zwar nirgends in der Literatur erwähnt gefunden, doch konnte ich feststellen, dass auch diese Bestimmung ohne Schwierigkeit und mit genügender Genauigkeit ausgeführt werden kann. Die verwendete Methode war die folgende: 10 ccm der arsen- bzw. antimonhaltigen Lösung werden in einer mit eingeschliffenem Glasstöpsel versehenen Retorte unter Zugabe etwas kristallischen Jodkaliums und 20 cem konzentrierter Salzsäure so lange erhitzt, bis die Lösung bis auf den aus AsJ, bzw. SbJ, stehenden gelben Rückstand gänzlich farblos wird und das ganze gebildete Jod in der mit Jodkalium versetzten Vorlage enthalten ist. Nun wird der Inhalt der letzteren mit a Na5S, OÖ, bis zur Ent- färbung titriert. Die Zahl der verbrauchten Kubikzentimeter Thio- - sulfatlösung mit 0,00375 bzw. 0,006 multipliziert ergeben die Mengen fünfwertigen Arsens bzw. Antimons. Die Probebestimmungen nahmen folenden Verlauf: Für Arsen: 0,9687 g Na,HAsO, + 12 H,O wurden in 100 cem Wasser gelöst, die Bestimmung in 4 x 10 cem suspeführt Der berechnete As-Gehalt der Lösung war 0,1806 %,. Dieselbe verbrauchte für 4 x 10 cem 4,7, 4,8, n 4,6, 4,7 ccm 10 1229205, entsprechend 0,1763% As. Der Verlust be- trägt demnach 3%. — Für Antimon: 0,4193 g KSbO, wurden in 100 cem gelöst. Berechneter Sb-Gehalt 0,2464%. 4x 10 cem ver- n brauchen 4,0, 4,2, 4,1, 4,1 ccm 10 Na28:0;, entsprechend 0,2460 %, Sb, Verlust 0%. 1) Weller, Annalen der Chemie und Pharmacie, 231. er Den Fa Me ie he ee ee ee a a he er FE ri a ae Mn nn u Fran un ml dm nn nd =] Untersuchungen über die Gewöhnung an Gifte. III. 7 Unsere Versuchsanordnung war nun die folgende: Zu 30 ccm unserer bekannten NaAsO,- bzw. KSbO (C,H,O,)-Lösung wurde 20 ccm Wasser und 10 cem mit gewöhnten Paramäcien zubereitete Suspension hinzu- gefüst. Nach Ablauf des Versuches wurden die Paramäcien mittels Zentrifugieren entfernt und in 2 x 10 ccm die Menge dreiwertiger, in 2x 10 ecm die Menge fünfwertiger Substanz auf die beschriebene Weise bestimmt. Die Ergebnisse enthalten die Tabellen VI, VII. Tabelle VI. Die durch gewöhnte Paramäcien aus der dreiwertigen in die fünfwertige Form überführte Mengen Arsen. was, Ursprüng- Gehalt der SonD Gehalt der = En 20 B=W5) licher Gehalt Lösung an = = Lösung an 33 = 3“ S=| der Lösung an dreiwertigem sa fünfwertigem | 23° Fa, = =) Datum dreiwertigem As nach dem ° 2 As nach dem ° a Dj a5 As Versuch & = Versuch En = > > .0%/g | UM Be Um Bas 0/g 32| 7. Juli | 03188 0,1628 51,0 0,1493 46,8 | 2,2 gel 10.‘ , 0,3188 0,1425 44,7 0,1725 553 | 0 Bl. 0,3188 0,1650 51,8 | 0,1495 46,9 | 13 33| 122. , 0,3188 0,1500 47,0 0,1538 193 | 37 Mittelwert | 1,8 Tabelle VII. Die durch gewöhnte Paramäcien aus der dreiwertigen in die fünfwertige Form überführte Mengen Antimon. er Ursprüng- Gehalt der = Er Gehalt der 5 Br APR 20 so licher Gehalt Lösung an e=3 Lösung an E53 3n og der Lösungan| dreiwertigem | 2 => fünfwertigem ‘82 re 2 =) Datum dreiwertigem | Sb nach dem Sah Sp nach dem e) Ti © = As Sb Versuch © 58 Versuch E55 IP H = = > 0/6 Of gas un ERBE EI 33| 7. wi | 0,2280 0,1320 579 | 0,0960 Te Te, 42,1 | 0 35 10, 0,2280 0,1240 54,4 0,0960 41 135 al...” 0,2280 0,1020 45,7 0,1180 51,8 | 25 E1., 0,2280 0,1080 47,4 0,1142 50,1 | 25 Mittelwert | 2,1 Es zeigt sich also, dass die gemachte Annahme auf Richtigkeit beruht, und dass die gewöhnten Paramäcien ihre Festigung gegen Arsen und Antimon der erlangten Fähigkeit ver- danken, :die hochgiftigen dreiwertigen Formen der ge- nannten Stoffe in die weitaus weniger giftigen fünfwerti- sen zu überführen. Die in keiner Form wiedergefundenen Mengen der zugefügten Gifte sind in jedem Falle so gering, dass sie vernach- lässigt werden können. Dass sich die fünfwertigen Formen des Arsens und Antimons auch für unsere Paramäcien weitaus weniger giftig verhalten als die dreiwertigen, ergibt sich aus der Tabelle VIII. Die 18 - S. M. Neuschlosz: Zahlen derselben stehen in guter Übereinstimmung mit den Befunden von Friedberger und Joachimoglu!). Tabelle VIII. Lebensdauer normaler Paramäcien in Lösungen von NasHAsO, und KSh0.. Konzentration | Na,HASsO, KSbO, 15250 157252 one 1:100 3h 31’ .. 3556’ 1:200 6h 49’ <24h 1:400 co (02) Wenn wir von diesem Gesichtspunkte die von Ehrlich 2) hervor- gehobenen Eigentümlichkeiten der Arsenfestigkeit bei Trypanosomen ins fassen. müssen wir vor allem folgende Punkte berücksichtigen: . ist die Festigkeit der Trypanosomen spezifisch lediglich gegen A. und höchstens noch Antimon gerichtet; 2. ist dieselbe durch viele Protozoengenerationen hindurch erblich; 3. ‚tritt sie bei Abtötungsversuchen in vitro weniger zutage als im tierischen Organismus; 4. lässt sich nach steigender Wirkunssintensität eine Reihenfolge der Arsenikalien aufstellen, in welcher die Substanzen so geordnet sind, dass die gegen die weniger wirksamen Agentien gefestigten Try- panosomen den höher wirksamen noch erliegen. Diese Reihenfolge ist nach Ehrlich’s Angaben etwa die folgende: p-Amino-phenylarsin- säure (Arsanil), Arsacetin <-Arsenophenylelycin <-Brechweinstein <-As,0;. Die Frage ist nun, ob diese Eigentümlichkeiten der Arsenfestigkeit bei Trypanosomen sich unter der Annahme, dass unsere bei Paramäeien gemachten Beobachtungen auch für sie Geltung haben, erklären lassen. Hierzu sei folgendes bemerkt: ad 1. Die bei Paramäcien beobachtete Festigung ist im selben Sinne spezifisch wie die der Trypanosomen, da die gegen Arsen ge- festigten Tiere sich gegen Farbstoffe gänzlich wie die normalen ver- halten, während sie gegen Antimon als gefestigt erscheinen. ad 2. Ist auch die Festigung der Paramäcien durch viele Genera- tionen weiter züchtbar. ad 3. Die Konzentration der auf die Protozoen einwirkenden Gift- stoffe lässt sich im tierischen Organismus niemals mit Bestimmtheit feststellen, doch ist dieselbe in den meisten Fällen jedenfalls weit geringer als die bei den Versuchen in vitro. Daher tritt auch die Festigung, welche bei geringen Giftkonzentrationen immer deutlicher 1) Friedberger u. Joachimoglu, a. a. O. 2) Ehrlich, a. a. O. | } | | | | | | Se ee a u De - vn Untersuchungen über die Gewöhnung an Gifte. II. 79 zutage tritt, im tierischen Organismus mehr hervor, als im Reagenz- glas. Dass eine eingetretene Festigung der Trypanosomen nichtsdesto- weniger auch im Reagenzglas konstatiert werden kann, gibt ja Ehrlich selbst zu. ad 4. Die Substanzen, gegen die Ehrlich eine Festigung leichter hervorrufen konnte (p-Amidophenylarsinsäure, Arsacetin), sind Derivate des fünfwertigen Arsens, welche erst im Organismus reduziert werden müssen, um eine Wirkung ausüben zu können. Dass dieselben von den Trypanosomen leichter wieder in die fünfwertige Form überführt werden können, als die ursprünglich dreiwertigen, ist leichtverständ- lich; dies muss um so eher der Fall sein, als der tierische Organismus niemals die ganze Menge des eingeführten fünfwertigen Arsens reduziert, sondern immer nur einen Bruchteil desselben (nach Joachimoglu !) etwa 66%); die Konzentration aktiven dreiwertigen Arsens muss demnach nach Einführung einer fünfwertigen Verbindung im Orga- nismus stets geringer sein als nach der Einführung einer dreiwertigen, und mit kleineren Giftkonzentrationen können die Protozoen selbst- verständlich leichter fertig werden als mit grösseren. Dass es Ehrlich niemals gelang, Trypanosomen gegen arsenige Säure zu festigen, liegt wohl daran, dass er unter Festigung immer nur totale Festigung versteht, was ja auch uns bei Paramäcien niemals gelang. Es scheint daher, dass einer Nutzanwendung der bei Paramäcien gemachten Erfahrungen auf die Verhältnisse, welche sich bei pathogenen Protozoen im tierischen Orga- nismus ergeben, kein Hindernis im Wege steht, und dass wir auch dort an eine durch die Festigung erworbene Fähigkeit denken können, das dreiwertige Arsen in fünf- wertiges zu überführen. & 3 Zusammenfassung. Aus den besprochenen Versuchen ergibt sich kurz folgendes: 1. Paramäcien lassen sich durch sukzessive Erhöhung der Giftkonzentration ihrer Nährlösung in erheblichem Grade segen Arsen und Antimon festigen. 2. Diese Festigung ist spezifisch und dehnt sich zum Beispiel bei arsenfesten Paramäcien bloss auf Antimon, nicht aber auf Farbstoffe, wie Teypanblau, aus. 3. Die Festigung beruht auf der erworbenen Fähigkeit gewöhnter Paramäcien, die giftigen dreiwertigen Formen _ des Arsens und Antimons in die ungiftige fünfwertige zu überführen. 1) Joachimoglu, Arch. f. exp. Path. u. Pharm. Bd. 80. 1917. Der Farbstoff der Mitteldarmdrüse des I Ein Beitrag zur Spektroskopie der Körpersäfte wirbelloser Tiere. Von L. Lewin und E. Stenger. Mitgeteilt von L. Lewin. (Aus dem pharmakologischen Laboratorium von Prof. L. Lewin und dem photochemischen Laboratorium der Technischen Hochschule in Charlotten- burg von Prof. Miethe.) Mit 2 Textabbildungen. (Eingegangen am 5. August 1919.) Mit unserer Methode der direkten Photographie von Spektren tierischer Farbstoffe, die an dieser Stelle wiederholt in ihrer prak- tischen Nutzanwendung für verschiedenes tierisches Material geschildert ‘wurde !), glaubte ich auch die Säfte wirbelloser Tiere in Angriff nehmen zu müssen. Als ein nicht nur leicht zugängliches Material, sondern auch als ein solches, das wiederholt der chemischen und physikalischen Erforschung — freilich mit unbefriedigendem Erfolge — unterzogen worden ist, wählte ich die Körpersäfte des Krebses. Einige Ergebnisse, die das Krebsblut betreffen, finden sich an geeigneten Stellen in dieser Mitteilung eingeflochten. Ein grösseres Interesse als dieses gewann bald für mich das Organ, das früher als Leber bezeichnet wurde. Es ist eine Doppeldrüse: Leber und Pankreas (Hepatopancreas), das l) L.Lewin, MietheetStenger, Sur desmethodespour photographier les raies d’absorption des matieres colorantes du sang, Compt. rend. de l’Academie des Sciences 9. juillet 1906. — L. Lewin, Miethe und Stenger, Über die durch Photographie nachweisbaren spektralen Eigenschaften der Blutfarbstoffe. Pflüger’s Arch. Bd. 118. 1907. — L. Lewin, Spektro- photographische Untersuchungen über die Einwirkung von Blausäure auf Blut. Arch. f. exp. Path. 1908. — L. Lewin u. Miethe, Pflüger’s Arch. Bd. 121. 1908. — Dieselben: Über die spektr. Eigenschaften des Eigelbs, Pflüger’s Arch. Bd. 124. — Dieselben: Verhalten von Acetylen zu Blut. Pflüger’s Arch. Bd. 129. — L. Lewin u. Stenger, Spektrophotogr. Untersuch. über Urobilin. Pflüger’s Arch. Bd. 144. — L. Lewin, Spektro- photogr. Unters. über Meconium. Pflüger’s Arch. Bd. 145. — Wer hier- nach, wie dies kürzlich geschehen ist, angibt, dass unsere grundlegende Methode der Spektrographie des Blutes anderen zukommt, ist entweder unwissend oder sagt bewusst die Un- wahrheit. Der Farbstoff der Mitteldarmdrüse des Flusskrebses. SI Dekapodenorgan, das jetzt allgemein als Mitteldarmdrüse bezeichnet wird. Sie ist für Dekapoden das wesentlichste Organ für drüsige Ab- scheidungen. Öffnet man den Flusskrebs, so tällt sofort dieses für das Tier überaus grosse, gelbe oder bräunliche paarige Gebilde auf, das einen grossen Teil des Thorax ausfüllt. Es ist eine bei der Ansicht von eben deutlich gelappte aggregierte Drüse, die aus vielen blindgeschlossenen Röhrchen besteht. Die Ausführungsgänge münden in den Blinddarm. Schon Huxley war der Ansicht, dass das Sekret dieser Drüse ‚eher dem Pankreas- saft als der Galle der höheren Tiere ent- spräche“. Dies kommt der Wahrheit sehr nahe. S Das Sekret enthält jedenfalls Fermente — ob, wie man angab, ein peptisches und ein tryptisches, muss erst sichergestellt werden. Rein sind sie noch nicht gewonnen worden. Fibrin soll durch das wässerige Mitteldarm- drüsenextrakt peptonisiert, Stärke verzuckert und Fett gespalten werden. Ausserdem be- sitzen sowohl der Auszug aus der Mittel- darmdrüse des Krebses als auch der aus dem herausgeschnittenen Organ direkt ab- fliessende Saft die Fähigkeit, die Blutgerinnung zu hemmen. Etwa 10—20 Tropfen davon hindern die Gerinnung von 10 cem Hunde- blut. Bringt man 1 ccm davon einem Hunde intravenös bei, so geht er unter starkem Sinken der Herz- und Atmungstätigkeit in einem narkoseähnlichen Zustand zugrunde. Die Mitteldarmdrüse des Krebses enthält Fermentzellen, deren Hauptinhalt eine in ihrer Mitte gelegene Blase (Fermentblase) ausmacht. In ihrer Wandung schliesst diese - eine körnige, bräunlich gefärbte Substanz ein. Die Prüfung des in den Drüsenschläuchen ib Abb.. 1. Astacus fluvia- tilis. Der Darmkanal und die Mitteldarmdrüse (Leber) von oben ge- sehen. bd Gallengang; coe Blindsack; cs Car- diacalabschnitt des Ma- gens, die Linie weist auf das Cardiacalstück; hy Hinterdarm; mg Mittel- darm; pc Pterocardiacal- stück; ps Pyloricalab- schnitt des Magens, die Linie weist auf das Py- loriealstück; r Wulst, der den Mitteldarm vom Hinterdarm trennt; ze Zygocardiacalstück; m Mitteldarmdrüse. Aus: Huxley, Der Krebs. und Ausführungsgängen der Leber enthaltenen braunen Sekrets ergibt, dass es vorwiegend aus Fermentblasen und aus Fetttröpfchen besteht). 1) Jordan, Vergleichende Physiologie wirbelloser Tiere Bd. 1. 1913. — Bronn, Klassen und Ordnungen des Tierreichs Bd. 5 Abt. 2 S. 977. Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd. 178. 6 82 L. Lewin u. E. Stenger: Zum Teil entleeren diese Fermentblasen ihren Inhalt schon inner- halb der Lebergänge und färben dadurch die sie aufnehmende Flüssig- keit braun. Die bisherigen Meinungen über die Natur des Farbstoffes. Die Parallelisierung der Mitteldarmdrüse der Dekapoden mit der Leber führte naturgemäss dazu, ihren Farbstoff als Gallenfarbstoff anzusprechen. Man hielt es für selbstverständlich, dass dieses Organ, zum Beispiel des Flusskrebses, Galle produziere, weil ja auch ander- weitige Kriterien vorhanden waren, die für die Leberqualität desselben sprachen. Sc hatte man in ihm angeblich Cholestearinkristalle fest- gestellt, die sich in nichts von denen der Ochsengalle unterschieden, und Claude Bernard wies darin zur Zeit der Häutung des Tieres Glykogen nach. Neben anderem diene es, wie er meinte, der Gallensekretion !). Demgegenüber fand Hoppe-Seyler, dass sowohl der bräunlich gefärbte Magensaft als auch das gefärbte Sekret der sogenannten - Leber völlig von Gallenfarbstoff frei war. Die gleiche Feststellung hat später noch wiederholt gemacht werden können ?) und haben auch wir gemacht. Weitere Untersuchungen des Farbstoffs führten, nachdem seine angenommenen Beziehungen zu den Gallenfarbstoffen sich als falsch erwiesen hatten, zu dem Ergebnis, dass bei den Krustazeen (Fluss- krebs, Hummer) zwei Pigmente sich in der Leber fänden: ein wasser- lösliches und ein alkohol- und chloroformlösliches. Das wasserlösliche (Ferrin) sei eisenhaltig, das chloroformlösliche (Cholechrom) eisenfrei. Beide zeigten ein kontinuierliches Spektrum ?°). Eine dritte Reihe von Untersuchungen ergab als Resultat, dass der Lebertarbstoff gewisser Krustazeen, Mollusken usw. ein Warbstoff für sich, ein „Enteruchlorophyll“ bzw. „Hepatochlorophyll“ sei*). Auch dies hat sich als irrig erwiesen. Das ‚Hepatochlerophyli‘ vonHelix, Octopus, Ostraea, Mytilus, Astacus usw. ist pflanzliches Chlorcphyll. Schnecken, die man ein Jahr lang mit chlorophylilfreier Nahrung gefüttert hatte, verloren ihr Chlorophyll. Das Hepato: chlorophyll ist nicht ein Stoffwechselprodukt der Leber. sondern ein in ihr deponiertes Nahrungschlorophyll. Überdies wird das Vor- kommen von Chlcrophyll in der Leber der Cephalopoden geleugnet?). 1) Claude Bernard, Annales des sciences naturelles 3. Ser. t. XIX p. 335. 2) Frenzel, Mitteilungen der zool. Station Neapel Bd.5S. 84 u. a. 1884. 8) Dastre et Floresco, Archives de Physiologie 5. Ser. t. X, p. 177, 302. 1898. — Paladino, Biochemische Zeitschr. Bd. 28 S. 56. 1910. — Diese Untersuchung wiederholt im wesentlichen nur bereits bekanntes. 4) Mac Munn, Proceedings Royal Soc. t. 35 p. 132. 1883. — ibid. t. 64 p. 436. 1898. -— Philosophic. Transact. t. 193B p. 19. 1900. 5) Enriques, Mitteilungen der Zoologischen Station Neapel Bd. 15 Ss. 281. 1901. Der Farbstoff der Mitteldarmdrüse des Flusskrebses. 83 Nach einer noch anderen Charakterisierung des Pigments der Mitteldarmdrüse gerade des Flusskrebses soll es sich merkwürdiger- weise um Hämochromogen (reduziertes Hämatin) handeln. Der - gleiche Farbstoff sollte sich auch in der Schneckenleber finden. In diese verlegt schliesslich ein noch anderer Untersucher das Vorkommen von Hämatin. Die Ergebnisse unserer Untersuchungen. Aus dem bisher Mitgeteilten geht hervor, dass die verschiedenen Anschauungen über die Natur des Farbstoffs der Mitteldarmdrüse des Flusskrebses so weit auseinanderstehen, dass an eine Verknüpfung derselben gar nicht gedacht werden kann. Um ein Urteil über die Wertigkeit einer jeden einzelnen von ihnen zu gewinnen, war es er- forderlich, zuvörderst in eine Nachprüfung derjenigen Angaben ein- zutreten, die sich auf das spektrale Verhalten des Farbstoffes beziehen. Es wurden durchweg grosse Flusskrebse mit tiefer Schalenfärbung, meistens frisch bezogen, verwendet. Wenn sie einige Tage gehalten werden mussten, so geschah dies in fliessendem Wasser. Die Auf- bewahrungsart hatte keinen Einfluss auf das Pigment der Mitteldarm- drüse. Dagegen war schon nach etwa 24stündigem Verweilen der Tiere im Wasser die Menge des aus der Drüse abfliessenden oder aus- drückbaren Sekretes bedeutend grösser als bei den Tieren, die trocken gehalten worden waren. Die Entnahme des gefärbten Drüsensekretes geschah gewöhnlich auf folgende Weise: Nach dem Öffnen der Brust-Bauchhöhle wurde auf die Drüse durch Zusammendrücken der Bauchdecke ein leichter Druck ausgeübt. Es floss hierdurch eine gelblich braune Flüssigkeit in das untergehaltene Gefäss. Sie konnte auch ohne Filtration direkt spektrophotographisch aufgenommen werden. Falls das hellrosa oder violett gefärbte Krebsblut zugleich in das Gefäss einfliesst, so ist seine Trennung vom Drüsensekret ausser- ordentlich leicht. Man hat nur nötig, einige Zeit zu warten, um das letztere, das nicht gerinnt, von dem bald gallertartig gerinnenden Blut abzugiessen. _ | Die erste spektrale Untersuchung dieses bräunlichen, später rötlich braun und dunkler werdenden Saftes, die sofort nach seiner Gewinnung und seinem Eingiessen in das Untersuchungsgetäss vorgenommen wurde, wies nur ein kontinuierliches Spektrum auf. Bald jedoch lehrten die Umstände ein anderes Verhalten kennen. Als ich nach etwa 20 Minuten das Präparat, das sich selbst überlassen geblieben war, wieder beobachtete, zeigte sich ein distinkter Absorptionsstreifen im Anfangsteil des Grün. Man konnte vermuten, dass hier in der an- gegebenen Zeit eine Art von Sauerstoffzehrung erfolgt sei, die aus 6* 34 L. Lewin u. E. Stenger: dem ursprünglichen, keine Absorption liefernden Produkt ein anderes, mit einem Absorptionsstreifen durch Reduktion geschaffen habe. War dies der Fall, so musste durch Schütteln der Masse mit Luft der Absorptionsstreifen verschwinden. Dies trat ein. Eine weitere Bestätigung der Annahme war dadurch zu liefern, dass zu dem absorptionsfreien Präparat sofort nach dem Eingiessen in das Beobachtungsglas ein Reduktionsmittel gesetzt wurde. Sofort nach dem Hinzufügen von Schwefelammonium erschien der charak- teristische Absorptionsstreifen im Grün. Dieser eigenartige, allen bisherigen Becbachtern ent- sangene Befund konnte in seiner elementaren Einfachheit noch weiter verfolgt und gestützt werden. Dem Leberpresssaft, der beim Stehen den Absorptionsstreifen im Grün aufwies, wurde Wasserstoffsuperoxyd hinzugefüst. Bald nach dem Beginn einer reichlichen Sauerstoffentwicklung verschwand er. Das gleiche Ergebnis lieferte das Einblasen von reinem Sauerstoff in die Flüssigkeit. Auch dieser Versuch stützte die Annahme, dass ein Einfluss des Sauerstoffs auf das Leberpigment bestehe. Am besten ging dies schliesslich aus einem weiteren, dureh die Sachlage gebotenen Versuch hervor. Brachte man die Leberflüssiskeit soin den Rezipienten einer Luftpumpe, dass die direkte spektroskopische Beobachtung möglich war, so konnte man durch Evakuieren den Absorptionsstreifen erscheinen, durch Luftzutritt ihn verschwinden lassen. Die Feststellung seiner Lage erfolgte nach seiner Aufnahme auf Perorthoplatten bei Zirkoniumlicht, die Ausmessung des Maximums der Absorption in der bereits wiederholt an dieser Stelle geschilderten Weise !). Aus 29 Aufnahmen ergaben die Messungen im Mittel: ° = 560 un. Dabei differierten die Einzelmessungen der Photogramme nur um l un und ganz ausnahmsweise um 2 un. Es war noch erforderlich, durch Messungen festzustellen, ob der Absorptionsstreifen, der beim Sichselbstüberlassen des Saftes erscheint, identisch sei mit dem sofort durch Hinzufügen von Schwefelammonium entstehenden. Das Resultat war eindeutig. In je zwei Messungen ergab sich eine Lage von 560 uu. Diese Absorption ist nicht die einzige, die dem Farbstoff der Mittel- darmdrüse des Flusskrebses zukommt. Rechts und links davon, auf der Orangegelbgrenze sowie im Grün bzw. auf der Grünblaugrenze konnten okular noch ausserordentlich feine, nur als leichte Helligkeits- 1) Pflüger’s Arch. Bd. 118 S. 80. 1907. TEE BE 7... Mg | EEE RE wu u > Zu m nn ge u nA en & A Der Farbstoff der Mitteldarmdrüse des Flusskrebses. 85 unterbrechungen erkennbare, aber doch distinkte Absorptionen fest- gestellt werden. Es gelang nur einmal, den auf der Orangegelbgrenze sich zeigenden zu reproduzieren. Er lag nach dem Mittel aus mehreren Messungen bei % = 5% uu. Die anderen auf der Platte zu fixieren war trotz vieler, mannigfach abgeänderter Versuche und trotz verschiedenartie sensibilisierten Piattenmaterials unmöglich. Das geschilderte Ergebnis lässt sich noch auf andere Weise er- zielen: Verreibt man die Mitteldarmdrüse mit Wasser, so erhält man ein opaleszierendes Filtrat, das nach einiger Stehenszeit sich klärt. Die gelbbräunliche Flüssigkeit zeigt dann den Absorptionsstreifen r% = 560 un. Man kann ihn sofort hervorrufen, wenn man zuder Flüssiekeit Schwefel- ammonium hinzufügt. Die beschriebenen spektralen Absorptionen haben absolut nichts mit irgend welchen ähnlichen Erscheinungen von Blut- farbstoffderivaten oder vom Chlorophyll zu tun. Es hiesse die ganze Sachlage verkennen, wollte man dem Farbstoff der Mittel- darmdrüse einen Namen geben, der eine solche Beziehung zum Aus- druck bringen sollte. Der Farbstoff besteht für sich selbst. Dafür sprechen in erster Reihe sein spektrales Verhalten und die Änderungen, die dieses unter dem Einflusse von chemischen Stoffen erfährt, sodann auch - die schnellen Wandlungen, die er — wie im nächsten Kapitel geschildert werden soll — beim Sichselbstüberlassensein durchmacht. Gegen Reagenzien verhält sich der Mitteldarmdrüsensaft erkennbar nur wie eine Eiweisslösung: Er wird durch Alkohol gefällt. Der Nieder- _ schlag ist in Äther unlöslich. Säuren erzeugen sleichfalls eine Fällung. Mit Alkalien entsteht Alkalialbuminat und mit dem Lewin’schen Reagens auf Eiweiss (Trioximinomethylen-Schwefelsäure) die Violett- färbung. Die über der säuregefällten Masse stehende Flüssigkeit ist so wenig gefärbt, dass Feststellungen irgendwelcher spektralen Absorp- tionen schon okular erfolelos ist. Es erscheint nicht überflüssig, die in sehr len Beobachtungen von uns festgestellte Tatsache zu bekunden, dass das rosarote oder rosaviolette oder bläuliche, leicht opaleszierende Krebsblut keiner- lei Absorptionsstreifen zu irgendeiner Zeit seiner Aufbewahrung spektroskopisch erkennen lässt, und dass solche auch nicht durch chemische Reagenzien (Reduktions- und Oxydationsmittel) hervor-, zurufen sind. ? 86 L.. Lewin u. E. Stenger: Der unveränderte Saft der Mitteldarmdrüse soll eisenhaltig sein. Man fand darin 0,2 mg Eisen auf 1 g Trockensubstanz !), während in dem Krebsblut bzw. dem als Hämocyanin bezeichneten Farbstoff desselben Kupfer enthalten sein sollte. Während von einer Seite angegeben wurde, dass selbst bei Verwendung der elektrolytischen Untersuchungsmethode Kupfer weder im Blute des Krebses noch dem des Hummers, der Languste usw. nachweisbar sei °), wurden andererseits auch Analysen mitgeteilt ?), nach denen im Blute des Krebses 4-8 mg Kupfer auf 100 ccm Blut vorhanden sind. Wir haben, um uns ein eigenes Urteil über die Frage zu bilden, das Blut von insgesamt 16 Krebsen, das durch Abtrennung des be- weglichen Scherengliedes gewonnen worden war, im Platintiegel ver- ascht. Die Lösung der Asche verkupferte nicht ein blankes Eisenstück, lieferte aber mit Ferrocyankalium andeutungsweise die Färbung von Ferrocyankupfer. Es lag nahe, die Menge kolorimetrisch der Grössen- ordnung nach durch die gleiche Reaktion zu schätzen. Das Ergebnis war, dass etwa auf das Blut eines Krebses !/,.. mg Kupfer kommen, also eine Menge, die sehr beträchtlich unter dem oben angegebenen Werte liest. Die Veränderungen des Farbstoffes der Mitteldarmdrüse ausserhalb des Körpers des Krebses. Die Beobachtung drängte sich bei der Handhabung des Saftes der Mitteldarmdrüse schnell auf, dass nach seiner Entfernung aus dem lebenden Körper allmählich eine Dunkelung eventuell bis zum Schwarz eintrat. Es war dies bisher nicht bekannt. Nur über das Krustazeenblut lag die Angabe vor, dass sich in. ihm, namentlich wenn es bei Sommer- temperatur im Glase aufbewahrt würde, ein schwarzes körniges Zer- setzungsprodukt bilde, das in Wasser, Alkohol und verdünnten Säuren unlöslich, aber in heissen Mineralsäuren löslich sei. Als Ursache dieser Dunkelung wurde die Einwirkung tryptischer Fermente auf das Blut- eiweiss angenommen ?). Für das Krebsblut können wir diese Angabe nicht ganz bestätigen. Wir sahen oft die Rosafarbe der geronnenen Blutmasse bei Labora- toriumstemperatur über eine Woche lang unverändert, ohne Farben- umschlag, bestehen, und nur gelegentlich, falls die Fäulnis weit vor- geschritten war, eine sehr leichte Bräunung eintreten, die jedoch nicht in Parallele gestellt werden kann mit der des Mitteldarmdrüsensaftes. 1) Dastre et Floresco, Archives de Physiologie t. X p. 176. 1898. 2) Heim, Comptes rend. de l’Academie des Sciences t. OXIV. p. 772. 1892. 3) Dhöre, Comptes rend. de la Societe de Biologie t. LII p. 458. 1900. 4) Heim, Etude sur le sang des Crustacees decapodes, These. Paris 1892. Ge ee ei Fa De Der Farbstoff der Mitteldarmdrüse des Flusskrebses. 897 Dieser Saft im unveränderten Zustande oder mit Wasser verdünnt, wird, sich selbst überlassen, dunkelbraun bzw. braunschwarz. Dies kann schon nach einer Stunde erfolgen, erfordert aber meist mehrere Stunden bis zu zwei Tagen. Absorptionen sind in der dunkelnden, stark alkalisch reagierenden Flüssigkeit nicht mehr erkennbar. Selbst der charakteristische Streifen bei 560 u. schwindet. Durch Zusatz von Natronlauge tritt eine Auf- hellung ein. Die dunkle Flüssigkeit wird wieder bräunlichgelb. ‚Wasserstoffsuperoxyd ändert an der fast tintenschwarz gewordenen Masse nichts. Es kommt nur zu einer minimalen Sauerstoffentwicklung. Jedenfalls hat die im frischen Zustande deutliche katalysierende Eigen- schaft des Lebersaftes für Wasserstoffsuperoxyd mit seinem Dunkel- werden eine auffällig starke Einbusse erlitten. Falls diese Eigenschaft an das Eiweiss gebunden sein sollte, so ‚würde ihr Verlust auf eine Zersetzung desselben hinweisen. Voraus- setzung und Folgerung treffen zu. Denn der Versuch lehrt, dass in einer sehr alten, schon grünlich opaleszierend gewordenen, übelriechen- den Lösung von Fiereiweiss Wasserstoffsuperoxyd nach einiger Zeit noch zerlegt wird — freilich in einem doch noch umfangreicheren Maasse, als dies bei dem gefaulten, dunkel gewordenen Mitteldarmn- drüsensaft der Fall ist. Der Einfluss des Lichtes, der Luft und der Fäulnis auf die Dunkelung. Drei Möglichkeiten können vorerst als Ursachen des Dunkelwerdens in Frage kommen: das Licht, die Luft und die Fäulnis. Sie konnten leicht auf ihre Wertigkeit geprüft werden. Um einen eventuellen Einfluss des Lichts festzustellen, wurden von dem ausgepressten Mitteldarmdrüsensaft Präparate in weissen, in hellrsten und in dunkelroten Zylindern dem Tageslichte ausgesetzt. Alle dunkelten. Doch war ein Intensitätsunterschied in der Farbe der dunkelrot belichteten und derjenigen der beiden ersten schon am ersten und noch am dritten Tage feststellbar. Die im dunkelroten Zylinder gehaltenen Flüssigkeiten blieben etwas heller. Hiernach hat bei dieser Versuchsanordnung die Beseitigung aller Strahlen bis auf die roten einen geringen, aber doch immerhin erkenn- baren Einfluss ausgeübt. Der im völlig dunkeln Schrank gehaltene Saft erlitt die gleiche Veränderung wie der frei am Lichte stehende. Aber auch hier liessen sich in gleichen Zeiten seines Sichselbstüberlassenseins Helligkeits- differenzen zugunsten der dunkel gehaltenen Präparate nachweisen. Deutlich tritt dieser Einfluss des Lichtes bei einer anderen Versuchs- 8 L. Lewin u. E. Stenger: anordnung hervor, die auch den zeitlichen Verlauf der Farbenverände- rung widerspiegelt. Der Mitteldarmdrüsensaft eines Krebses wurde dem Tageslicht ausgesetzt und während der Dauer des Versuches mehrfach am Tage mittels eines Polarisationsphotometers untersucht. Die folgende Tabelle enthält die gefundenen Zahlenwerte der steigenden Undurchlässigkeit, abhängig von der Dauer des Versuches: Stundenzahl: ai 2 3 Ara ee Undurchlässigkeit: 0,83 0,83 0,88 0,93 0,95 0,98 1,21 1,35 1,46 1,65 1,89 2,31 Hierzu ist zu bemerken, dass das Präparat in dem an kurzen November- tagen vorgenommenen Versuch nur etwas mehr als ein Drittel der ' Versuchsdauer Tageslicht erhielt, während in den übrigen Stunden Dunkelheit herrschte. Beistehende graphi- sche Darstellung der Zahlenergebnisse lässt deutlich erkennen, dass unter der Ein- wirkung des Tages- lichts die Dunkelung schneller tortge- schritten ist als in ON 20 wo N oo 0 den Nachtzeiten (von ———> .Stundenzahl gi R 5 Uhr nachmittags — > Schwärzungszunahme +— +— + Tageszeiten mit Messungen. —- Nachtzeiten ohne Messungen. bis morgens 7 Uhr): Abb. 2. Eine Beteiligung der Luft an dieser Veränderung liess sich sicher ausschliessen, denn Präparate, die im Va- kuum dem Lichte ausgesetzt waren, dunkelten schon am ersten Tage. So blieb als dritte Möglichkeit übrig, dass Fäulnisvorgänge die Dunkelung des Mitteldarmdrüsensattes bedingen bzw. beeinflussen könnten. Eine ganze Reihe von antiseptischen Stoffen wurden für die Entscheidung, dieser Frage benutzt. Von der protoplasmatischen Giftwirkung des Chloroforms, die sich ja auch auf niedere pilz- liche Lebewesen erstreckt, war ein Erfolg nicht zu erkennen, trotz guten Umschüttelns und eines Überschusses des Mittels. Der Saft wurde zuerst fleischrot, dann nach 3 Stunden braun, nach 24 Stunden schwarzbraun und blieb so bis nach 168 Stunden. Alkohol eızeust, wie schon angegeben wurde, in dem Safte einen Niederschlag, über den sich eine gelbe Flüssigkeitsschicht ab- setzt. Nach 72 Stunden hatte sich der Niederschlag grau gefärbt und änderte die Farbe auch nicht weiter Der Farbstoff der Mitteldarmdrüse des Flusskrebses. 89 Die Karbolsäure hemmt die Dunkelung nur, wenn sie in einem Überschusse zu dem Saft hinzugefügt wird. Der entstehende Nieder- schlag setzt sich nach etwa 3 Stunden, teilweise rot gefärbt, ab und bleibt so. Der Farbstoff gibt sich nicht mehr durch die Absorption bei A = 560 als unzersetzt zu erkennen. Wenig Karbolsäure lässt den Saft ebenfallsfaulfrei, verhindert aber nicht, dass er nach 24--48 Stunden, oft noch früher als die Kontrollpräparate, dunkel wird. Die Vermutung, dass aus der Karbolsäure in Berührung mit dem Saft sich Hydrochinon und durch weitere Oxydation Chinone oder andere gefärbte Produkte gebildet haben, liest nahe, liess sich aber nicht erweisen. In der braunen, karbolhaltigen Flüssigkeit ist der genannte Absorptionsstreifen noch erkennbar. Der Farbstoff wird mithin durch wenig Karbolsäure nicht peschädigt. Die Dunkelung des Saftes wird völlig verhindert, falis ihm gelöste schweflige Säure oder Formaldehyd in Mengen zugesetzt werden, die Niederschläge erzeugen und den Farbstoff als solchen chemisch verändern. Wenn das letztere nicht eintritt, zum Beispiel nach Mischen mit wenig Formaldehydlösung, so bleibt zwar, wie bei der Karbolsäure, der Saft ohne Fäulnis, aber dunkelt doch ganz leicht. Nach alledem scheint die faulige Zersetzung der Eiweisssubstanzen ‚des Saftes an der Dunkelung sehr stark beteiligt zu sein, viel mehr als die Sonnenstrahlen. Es sind aber wahrscheinlich noch andere Ursachen vorhanden, die seine Verfärbung bis zum Braun oder Braun- schwarz veranlassen. Kommen dem Farbstoff der Mitteldarmdrüse biologische Funktionen zu? An der sich aufdrängenden Frage, ob dem eigentümlichen Farbstoft irgendwelche Beziehungen zu dem Leben seines Trägers zukommen, -darf nieht achtlos vorübergesangen werden. Dies darf um so weniger geschehen, als man ja sogar im ungetärbten Blute der Mollusken ge- wisse farblose Eiweissstoffe. die ‚„Achroglobine“, als respiratorische Globuline bezeichnet !), das heisst ihnen die Fähickeit zugeschrieben hat, die respiratorischen Funktionen des Blutfarbstoffs zu erfüllen, und als man weiter mit angeblich noch grösserer Berechtigung die Farbstoffe der Dekapodensäfte mit einer Rolle bei der Atmung versah. ‚Zumal das „Hämochromogen“ der Mitteldarmdrüse des Flusskrebses sollte bei der Darmatmung beteiligt sein. Dies wurde ausgesprochen, obschon keinerlei Eigenschaft dieses ‚angeblichen Farbstoffs bekannt gegeben wurde, die die Annahme einer solchen Fähigkeit zu rechtfertigen geeignet gewesen wäre. 1) Griffiths, Comptes rend. de l’Academie des Sciences t. OXIV, OXV, CXVI 1892—1893. 90 L. Lewin u.E. Stenger: Der Farbstoff der Mitteldarmdrüse usw. Die auf den vorigen Seiten beschriebene Tatsache der Zustands- änderung des Mitteldarmdrüsensaftes, je nachdem ihm Sauerstoff entzogen oder zugeführt wird, trägt dagegen in sich eine gewisse Berechtigung für die Meinung, dass eine solche Eigen- schaft im tierischen Körper für irgendeine Art von Gasaustausch dienen könne, und zwar um so mehr, als die Abgabe und die Aufnahme von Sauerstoff — soweit das spektrale Verhalten darüber Aufschluss zu geben vermag — sich ziemlich leicht und schnell vollziehen. Es bedarf hierfür keiner eingreifenden chemischen Einflüsse. Der Inhalts- stoff des Saftes, an dem sich Bindung und Lockerung des Sauerstoffs vollziehen, verhält sich in dieser Beziehung wie das Hämoslobin. Einen vollen Beweis für die biologische Ähnlichkeit in der Funktion dieser beiden Flüssigkeiten experimentell zu liefern, dürfte freilich auf Schwierigkeiten stossen, zumal — wenn auch bestritten !) — dem Krebsblut bzw. dem darin enthaltenen Hämocyanin gleichfalls respira- torische Funktionen zuerteilt werden. Derartige Versuche zu unter- nehmen, lag ausserhalb der dieser Arbeit gezogenen Grenzen. Sie ' würden, falls sie dennoch zu positiven Ergebnissen führen sollten, eine wertvolle Bereicherung der Erkenntnis auf einem sehr wichtigen biologischen Gebiete liefern. 1) Heim, Comptes rend. de l’Academie des Sciences t. CXIV p. 771. 1892. u Beh EI ri Ba 7 2 N ’ f E E 9 | 3 “ D SE RRR Optische Versuche an Vögeln und Schildkröten über die Bedeutung der roten Olkugeln im Auge. Von Privatdozent Dr. Hans Henning, (Aus dem psychologischen Institut der Universität Frankfurt a. M.) (Eingegangen am 8. August 1919.) “ In verschiedenen Versuchsreihen hat Hess!) den Nachweis erbracht: Schildkröten sehen die Aussenwelt ungefähr so wie wir durch eine stark ins Rötliche gehende gelbe Brille, welche beträchtlich viel Grün, fast alles Blaugrün sowie alles Blau und Violett absorbiert; die Be- dingungen der Tagvögel bekommt man mit ziemlich hellen orange- farbenen Gläsern, die etwas Blaugrün, nur Spuren von Blau und gar kein Violett mehr durchlassen; das Farbensehen der Nachtvögel gleicht unserm Eindruck bei viel hellerem schwach gelblichem Glas, welches höchstens etwas Violett verschluckt; Eidechsen sehen die Welt der Farben nicht merklich anders wie wir. Diese Verkürzung des Spektrums am kurzwelligen Ende ist physikalisch dadurch bedingt, dass zwischen dem Aussen- und Innenglied der Zapfen farbige Ölkugeln eingelagert sind, und zwar in der Netzhaut der Schildkröten besonders ‚reichlich rote Ölkugeln, der Tagvögel rote und gelbe, der Nachtvögel wach gefärbte braungelbe bis gelbe, der Eidechsen schwach gelbe, > aber weniger als bei den Nachtvögeln. Die übrigen Reptilien besitzen gar keine farbigen Ölkugeln, während bei Amphibien und Fischen manchmal überaus schwach gefärbte, meist aber ganz farblose Öl- kugeln in geringerer Anzahl beschrieben sind. Die stärkste Verkürzung am kurzwellisen Ende des Spektrums besitzen also die Schildkröten, demnächst die Tagvögel, dann die Nachtvögel, deren geringfügige Verkürzung sehon dem menschlichen Sehen recht nahe kommt, und schliesslich die Eidechsen, bei denen die Verkürzung kaum noch an- spricht. Huhn, Taube, Truthahn usw. picken von den ins Spektrum ge- lesten Reiskörnern also nur die im Rot, Gelb, Grün und Grünblau befindlichen, während sie die blauen und violetten nicht sehen; analog verhalten sich Falken und Bussarde gegenüber weissen Fleischstücken 1) C. Hess, Gesichtssinn. Handbuch der vergleichenden Physiologie von Winterstein Bd. 4 S. 563ff. Jena 1913. 02 Hans Henning: im Spektrallicht. Nachtvögel wie die Ohreulen, Steinkäuze oder Wald- käuze schnappen im Rot, Gelb, Grün und Blaugrün nach dem Fleisch, im reinen Blau und Violett werden sie unsicher oder hören ganz auf. Schildkröten gehen dem Futter hingegen nur im Rot, Gelb und Grün- gelb nach. Den naheliegenden und später auch von Erna Hahn!) erhobenen Einwand, dass Hühner die blauen und violetten Körner zwar sehen und unterscheiden, aber aus Abneigung gegen die blaue Farbe nicht fressen, hatte Hess ?) von vornherein bereits entkräftet. Tatsächlich picken die soeben ausgekrochenen Küken im Tageslicht natürlich nach blaugefärbtem Reis; eine ‚„Gewöhnung‘ an Blau, wie Erna Hahn meint, ist dazu gar nicht nötig. Allein blaue Körner im Tages- licht fressen, heisst noch nicht, sie ‚‚blau sehen‘; denn wie der Total- farbenblinde oder der Tritanope (Blaugelbblinde) die Körner hier als graue gewahrt, so vermag auch das für Blau und Violett unempfind- liche Huhn sie als graue Körner vom Untergrund zu unterscheiden. Ebenso hatte Hess °) gezeigt, dass die Liehtempfindlichkeit durch Dunkeladaptation zunimmt. Im Spektrum picken Hühner also auch die blauen Körner, die sie dann grau sehen, falls die Tiere dunkel- adaptiert sind und das Blau lichtstark genug ausfällt; sie hören jedoch sofort mit dem Picken auf — und das ist das Beweisende —, wenn man die Helligkeit des blauen Lichtes entsprechend abschwächt, wo- nach der Mensch die blauen Körner gleichwohl noch hell und deut- lich sieht. Hess erwies seine These nicht nur durch Experimente im Spektrum, sondern auch mit Glaslichtern, mit Versuchen über die Adaptation, die Helligkeit, das Pupillenspiel, mit Anordnungen, welche die Be- dingungen der Seebeck-Holmgren’schen Wollproben erfassen, mit Vergleichen durch verschieden farbenblinde Menschen, im Dressur- versuch’ usw. In neueren Nachprüfungen zeigte Hess !) den Unter- schied zwischen Mensch und Vogel im pupillomotorischen Reizwert der farbigen Glaslichter mit Hilfe des Zeiss’schen Differentialpupillo- skops, sowie durch neue vergleichende Messungen °). Hier stellte sich heraus, dass Hühner bei Beleuchtung durch eine grüne Lampe eine l4mal grössere Helligkeit zum Bemerken der Körner brauchen als 1) Erna Hahn, Über den Farbensinn der Tagvögel und die Zapfen- ölkugeln. Zeitschr. f. wiss. Zool. Bd. 116, S. 1—42. 1916. 2) ©. Hess, a. a. O. S. 565 u. 583. SBarar 0.18.5606: 4) ©. Hess, Neue Versuche über Lichtreaktionen bei Tieren und Pflanzen. Sitzungsber. d. Ges. f. Morphol. u. Physiol. in München Bd. 30. 1914/16. München 1917. 5) ©. Hess, Der Farbensinn der Vögel und die Lehre von den Schmuck- farben. Pflüger’s Arch. f. d. ges. Physiol. Bd. 166 S. 3831—426. 1917. Optische Versuche an Vögeln und Schildkröten usw. | 93 der Mensch, dass ihre farbigen Ölkugeln die grünen Strahlungen zu 92%, blaue sar zu 98%, absorbieren usw. Natürlich ist damit nicht gesagt, dass bloss 8% von grünem und 2%, von blauem Licht zur Reizwirkung gelangt, denn die Netzhaut ist ja nicht einfach mit einer Ölschicht einheitlich überzogen, sondern es sind diskrete Ölkugeln mit leeren Zwischenräumen eingelagert. Unsere Nachprüfungen haben Hess überall recht gegeben. An der Tatsache einer Verkürzung des Spektrums am kurzwellisen Ende für das Sehen der: Tagvögel lässt sich nicht rütteln. Erna Hahn behauptet nun auf Grund ihrer Versuche, dass Hühner die Farben ebenso sehen wie der Mensch. (Andere blaugefärbte Vogelarten setzten ihrem Prüfungsverfahren unübersteigliche Schwierig- keiten in den Weg.) Freilich vermochte sie ihre Annahme nicht für das Tagessehen der Hühner zu beweisen. Wurden Körner auf schwarzem Grunde von einem Spektrum bestrahlt, welches in schwach geneigter Horizontal- richtung von vorne auf die Körner fiel, so pickten die Hühner nämlich. im Blau und Violett ebensowenig wie in den Versuchen von Hess. Das Tagessehen der Hühner kennzeichnet sich also sowohl in den Reihen von Hess als in denjenigen von Hahn als eine ausgesprochene Blaublindheit. Erna Hahn urteilt nun, dass die Hühner die blauen und violetten . Körner im Spektrum nicht sehen, weil sie nicht dunkeladaptiert sind. Und sie zeigt weiter, dass dunkeladaptierte Hühner die blauen und violetten Körner (übrigens durchaus nicht ausnahmslos) sehen. Um die Dunkeladaptation zu erhalten, beliess sie die Tiere erstens einige Zeit im Dunkeln; zweitens warf sie das Spektrum nicht mehr von vorne, wo das bunte Licht dann ja auch direkt das Auge des Tieres reizt, sondern von oben, so dass die Tiere nicht mehr in die "Liehtquelle selbst hineinsehen. ‚Nach längerer Dunkeladaptation‘“ oder ‚nach wenigen Minuten‘ pickten die Hühner nicht nur im lang- welligen, sondern auch im kurzwelligen Abschnitt des Spektrums; beispielsweise benötigte ein Tier 25 Minuten Dunkeladaptation, um die violetten Körner zu sehen. Damit wird natürlich keineswegs be- wiesen, dass die Hühner die blauen und violetten Körner nun auch blau und violett sahen, wie Erna Hahn annimmt: sie vergisst, dass im Zustande der Dunkeladaptation gar keine bunten Farben mehr gesehen werden, sondern alles erscheint dem Menschen wie dem Tiere dann so, wie ein Totalfarbenblinder es immer sieht, das heisst in Abstufungen von Weiss, Grau und Schwarz. Daraus folgt, dass die Hühner im Zustande der Dunkeladaptation die blauen und violetten Körner nicht blau und violett sahen, sondern in grauen ‚Nüancen. Ich würde diese Selbstverständlichkeiten gar nicht be- sprechen, wenn Erna Hahn nicht gläubige Leser gefunden hätte. 94 Hans Henning: Man wird nun fragen, warum die blauen und violetten Körner sich denn überhaupt als graue vom schwarzen Untergrund abhoben, und warum sie für das Auge des Huhnes nicht schwarz erscheinen. Wir verstehen wohl, dass die blaugefärbte Hirse im Tageslichte grau wirken muss; wieso geschieht dies aber auch dort, wo nur blaues und violettes Spektrallicht vorhanden ist, für welches die Hühner doch blind sind? Zunächst bedingt die Versuchsanordnung, dass ‚die im Blau und Violett enthaltenen Weissvalenzen sehr stark ausfallen. Erna Hahn verwendete nämlich sehr starke Intensitäten, was sich auf verschiedenen Wegen beweisen lässt. Bekanntlich sieht das menschliche Auge im Zustand der Dunkeladaptation nur Schwarz- Weiss wie ein Totalfarbenblinder. Erna Hahn sah aber ‚nach längerer Dunkeladaptation“, dass die Körner „ausgesprochen blau waren“. Daraus geht nicht nur hervor, dass sie mit grossen Licht- stärken arbeitete, sondern auch, dass die Lichtintensität erheblich über dem sogenannten Schwellenwert des Tagessehens lag. Unter solchen Umständen muss das Huhn die blauen und violetten Körner natürlich — ungefähr etwas dunkler wie im Tageslichte — als mittel- graue sehen. Ja der vom auffallenden Spektrallicht verursachte Schatten, welchen die Körner auf die Unterlage werfen, wird dem Huhn unter solchen Umständen nicht entgehen. Wohl schwächte Erna Hahn das Licht manchmal durch Rauchglas, indessen lassen - » graue Gläser — entgegen ihrer Annahme — die Lichter verschiedener Wellenlänge durchaus nicht gleichmässig durch. Auch sonst hat sie die Lichtstärke nicht in der Weise geschwächt, dass die von den blauen und violetten Körnern ebenfalls zurückgeworfenen grauen Lichter (die Weissvalenz des Blau und Violett) für das Auge des Huhnes genügend ausgelöscht wären, vielmehr konnten die Hühner bei den gewählten Intensitäten die Körner im kurzwellisen Lichte noch als graue (wenn auch etwas dunkler als bei Tagesbeleuchtung) erkennen. Dies geht aus den Angaben hervor, welche die Verfasserin über ihre eigene sub- jektive Wahrnehmung unter den Versuchsumständen macht. Dazu kommt, dass die Empfindlichkeit des Sehens mit der Dunkeladaptation beträchtlieh steigt: nach 3 Minuten beträgt die Empfindlichkeitszunahme für den Menschen schon mehr als das 1000fache des ursprünglichen Schwellenwertes; im ganzen berechnete Piper sie auf das 1400—8000fache. Analog steigt die Reizschwelle für das Weiss-Schwarz-Sehen des dunkeladaptierten Huhnes. Ferner meldet sich bei der Dunkeladaptation das sogenannte Pur- kinje’sche Phänomen: während beim Tagessehen. die langwellige Hälfte des Spektrums heller erscheint, wird beim Dämmerungssehen das kurzwellige Ende heller. Ist tags ein Rot von 670 uu ungefähr 10mal heller als ein Blau von 480 un, so kehrt sich das beim Dämme- Optische Versuche an Vögeln u. Schildkröten usw. 95 rungssehen ins Gegenteil, wo nun das Blau mehr als 16mal heller erscheint als das Rot. Dabei blasst das Blau ab, Rot hingegen weniger, und in den kurzwelligen Lichtern überwiegt die Helligkeit. Tages- gleiche Lichter erhalten mithin ungemein rasch verschiedene Dämme- rungswerte. Dazu kommt, dass diese Aufhellung des kurzwellisen Lichtes sich für diehromatisches Sehen noch stärker durchsetzt als für das farbentüchtige menschliche Auge. Nach allen einschlägigen Gesetzmässigkeiten versteht sich also ganz von selbst, dass die blauen und violetten Körner sich als mittel- graue vom schwarzen Untergrund abheben müssen. Nun glaubt Erna Hahn durch zwei Versuchsreihen den Nachweis erbringen zu können, dass Hühner die blauen Körner — wohlgemerkt in vollem Tageslichte entgegen ihrem eigenen früheren Befund — als klaue sehen. Erstens verwechselten Hühner im Tageslicht gelbliche und graue Körner nicht, ebenso unterschieden sie gelbliche, graue, blaue und anders gefärbte. Daraus lässt sich indessen nicht folgern, wie sie es tut, dass die blauen Körner auch wirklich blau gesehen werden. Infolge der roten Ölkugeln erscheinen dem Huhne vielmehr die gelblichen Körner als etwas rötlichgelb, die grauen als mehr oder weniger gelbliches Grau und die blauen als mehr oder weniger reines Grau, welches Spuren von Grün oder Blau enthält. Tatsächlich haben die Hühner also nur rötliche, gelbliche und graue Körner von- einander unterschieden. Nebenbei bemerkt: die hellblau und mittelblau gefärbten Körner erscheinen den Hühnern ebenso wie der stets bläuliche Kies der Gärten oder Hühnerhöfe. Danach ist es nicht merkwürdig, dass die Hühner manchmal zuerst die dunkelblauen und zuletzt die hellblauen Körner piekten, und dass ein Exemplar die blauen Körner mit dem Schnabel so zur Seite warf, wie Hühner dies mit den gleich gefärbten kleinen Kieseln zu tun pflegen. Denn die hellblauen Körner ähneln ja dem Kies am meisten. Zweitens dressierte die Verfasserin ihre Hühner darauf, im Tages- licht nur von einem schwarzen Teller mit blauem Rande zu fressen, jedoch nicht. von einem schwarzen Teller mit einem ‚gleich hellen“ grauen Rand. Für das Auge des Huhnes sind Grau und Blau, welche uns Menschen gleich hell erscheinen, natürlich nicht gleich hell, sondern das Blau wirkt viel dunkler (farblos grau, schwach bläulichgrau oder schwach grünlichgrau), während das objektive Grau sich davon als viel heller und etwas gelblicher abhebt. War der Versuch im Sonnen- licht angestellt, so erhielt der graue Teller eine noch stärkere Gelb- komponente. Da anderen Autoren sogar Dressuren auf verschiedene reine Graunüancen gelungen sind, stehen wir hier vor keinem Rätsel. Es ist also nicht im mindesten bewiesen, dass die Hühner das Blau 96 Hans Henning: als blau sehen, sondern bei gehöriger Berücksichtigung der einschlägigen Gesetzmässigkeiten stimmen die Versuche von Erna Hahn durchaus mit allen anderen Experimenten zusammen, welche die Blaublindheit des Huhnes dartun. Schliesslich stellt sie mit denjenigen Hühnern, welche blaugefärbte Körner in den erörterten Experimenten sepickt hatten, noch Versuche an, in denen sie mit Glaslichtern die Hess’schen Gleichungen zwischen Grau und Blau herstellte. Die Hühner, die vorher (auf Grund der oben erwähnten Momente) blaugefärbte Körner gepickt hatten, machten hier keinen Unterschied mehr zwischen Blau und Grau, weil die Helliskeitsdifferenzen, auf die sie sich früher stützen konnten, ebenso die anderen genannten Faktoren nun ausgemerzt waren. Alle Versuche von Erna Hahn belegen somit ausnahms- los die Blaublindheit des Huhnes. Im einzelnen wäre noch manches zu bemerken. So behauptet sie, die Hühner müssten erst lernen, blaugefärbte Körner zu picken; in- dessen spielt gar keine Lernzeit mit, sondern nur die Zeit der Dunkel- adaptation, wie denn ihre dunkeladaptierten Hühner auch sofort blaue Körner pickten. Die Hemmung des Pickens auf Kies mag aber bei den gleichgefärbten Körnern mitgesprochen haben. — Ihr zufolee frisst kein Huhn im Dunkeln; das Gegenteil ist für manche Exemplare schon von andern Autoren nachgewiesen. Ich konnte einige Hühner durch stetes Ein- und Ausschalten der Beleuchtung dazu bringen, im Dunkelkäfig zu picken, ohne erst die Beleuchtung abzuwarten. Das ist nicht verwunderlich, da Spaulding sogar Einsiedlerkrebse, die sonst nur im Hellen Nahrung zu sich nehmen, daran zu gewöhnen vermochte, im Dunkeln zu fressen. Übrigens liegt ein probierendes Picken auch sonst im Verhalten der Vögel, wenn zwar freilebende Arten, zum Beispiel Amseln und Spechte, die Hühner darin weit übertreffen. Somit war es zu erwarten, dass gelegentlich auch im Dunkeln herumgefahren wird; ich rechne das von Hess beschriebene „‚Unsicherwerden‘“ beim Picken zu diesem Herumprobieren. Bei unter- 'bundener Sicht wird der Geruchssinn zur Orientierung dienen; gewiss ist er beim Huhn sehr verkümmert, allein zum Entscheid, ob gekochter Reis und Hirse vorhanden ist, scheint er mir gemäss einigen eignen Versuchsreihen auszureichen, sobald das Huhn sich allein auf den Geruch verlässt. Umgekehrt verweigerten Buchfinken und Sperlinge ohne eine einzige Geschmacksprobe die sonst sehr beliebten Erbsen, als sie ganz schwach nach Petroleum rochen. Sie frassen die Saat aber unter verhüllenden Tüchern spontan. Nach Erna Hahn müsste der pupillomotorische Wert (das heisst die Pupillenreaktion beim Auffallen von Licht mit jeweils verschiedener Wellenlänge) für Tag- und Nachtvögel genau umgekehrt sein, als N a a Zu ed ce Be ee er u A a Fe ne Zw a3 en ei Optische Versuche an Vögeln und Schildkröten usw. 97 Hess dies angibt, insofern die Nachtvögel nur wenige, die Tagvögel aber sehr viele Zapfen in der Netzhaut tragen. Sie übersieht, dass die Stäbchen ebenfalls motorische Empfänger sind. — Tagvögel und Schildkröten, so schliesst sie weiter gegen Hess, sollten sich in den Pupillenwerten gleichen; hier liess sie ausser acht, dass die Schildkröte ° doch überhaupt keine Pupillenreaktion gibt. — Weil Brossa und Kohlrausceh mit dem Aktionsstrom in der (jeweils durch Spektral- lieht von verschiedener Wellenlänge bestrahlten) Netzhaut der Nacht- vögel nur gleichgestaltete und ähnliche Reaktionskurven erhielten, folgertt Erna Hahn, die Nachtvögel wären total farbenblind;- tat- sächlich sehen Nachtvögel alle bunten Farben stark mit Grau ver- hüllt, so dass derartige Kurven zu erwarten waren. Ein sorgfältiges Urteil hätte sich deshalb auf geeignetere Verfahren gestützt. ' Schliesslich blieben manche ihrer Bestimmungen über die Ölkugeln nicht unangefochten; so behauptet sie, grüne Ölkugeln wären wie die - wenig farblosen für alle Spektrallichter gleich durchlässig. Stehen wir hier ganz auf seiten von Hess, so müssten wir in anderen Punkten, zum Beispiel beim Farbensehen der Insekten, Vor- - behalte machen, die aber hier nicht zur Diskussion stehen. Damit erleidet die Lehre von den Schmuckfarben und ihre Rolle in der Entwicklungsgeschichte einen argen Schlag. Zwar die Schildkröten besitzen bis auf einige grünliche nur solche Farben, die sie tatsächlich sehen, und bei den von Menschen gezüchteten Haustier- formen könnte man sich trösten, da die Auslese sich ja auf das Farben- sehen des Menschen abstimmt. Allein alles Blaugrün, Blau und Violett im Gefieder der freilebenden Arten (Papageien, Buntfasane, Schmetter- linssfink, Eisvogel usw.) müsste den Vögeln selbst als schmutziges Grau .erscheinen.. Ihre Farbenpracht als Schutz- und Trutzfarben aufzufassen, hält schwer. Papageien verraten sich ihren Hauptfeinden, dem Menschen und kletternden Raubsäugern durch ihre eindringliche Farbe, und ähnlich steht es um die anderen Vögel. Eine Nachprüfung mit rötlichgelber Brille unter Wahrung der Adaptationsverhältnisse lehrte !), dass man nach wie vor noch von Schmuckfarben der Vögel reden darf: manche Arten gewinnen durch das rötlichgelbe Filter hindurch an Farbenpracht — alle roten und selben Töne werden leuchtender und eindringlicher, das Blaugrün wird samtähnlicher und weicher —, andere verlieren freilich ungeheuer durch das Versinken von Violett und tiefem Blau in bläulichgrünes oder stumpfes Grau. Im ganzen geht durch die Farbbrille aber viel mehr verloren, als gewonnen wird. 1) Hans Henning, Wie sehen die Vögel ihre Schmuckfarben? Natur- wiss. Wochenschr. N. F. Ba. 15 S. 545 ff. 1916. Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd. 178. Ü 98 Hans Henning: Dass die Schmuckfarben in der von Darwin auf das menschliche Farbensehen bezogenen Weise problematisch sind, lehrt zweitens das auch für Vögel gültige Weber-Fechner’sche Gesetz. Kleine ‚Varia- tionszuwüchse‘“, die sich in der Generationenfolge unmerklich addieren und dadurch die Farbenpracht der Art in die Höhe treiben sollen, müssen tatsächlich unbemerkt bleiben, weil kraft des genannten Ge- setzes nur beträchtlichere Farbenstufen auffallen können, und zwar um so grössere Aufbesserungen, je farbenprächtiger das Gefieder an sich schon ist. Wir werden also auch hier wieder eher auf mendelnde Unterschiede gewiesen. Wenn es aber solche Variationszuwüchse gibt, dann ist das Weber-Fechner’sche Gesetz eine Bremse, welche die Färbung der Art konstant erhält: diese Bremse zieht um so stärker an, je ausgeprägter die Färbung schon ist, eben weil der ob- jektive Reiz in geometrischer Progression wachsen muss, um Per- zeptionsunterschiede in arithmetischer Reihe zu gestatten. In meinen genannten Versuchen zeigte sich aber, dass ein minimaler Zuschuss an Rot oder ein geringfügiger Zuwachs an Gelb in der Brille die ganze Situation grundsätzlich ändern mag: im einen Fall sind wirksame Schmuckfarben da, im andern ein stumpfes Grau. Solche kleinen Differenzen können also eine ausschlaggebende Bedeutung für die Erkennung der eignen Artgenossen haben, zumal in Familien mit zahlreichen formgleichen, aber farbungleichen Varianten (zum Beispiel Papageien). Ein paar rote Ölkugeln weniger, ein paar gelbe mehr, und das betreffende Exemplar erscheint grundsätzlich im Schmuck- gefieder, eine andere Art grundsätzlich grau, obwohl beide uns mit unbewaffnetem Auge ziemlich ähnlich vorkommen. Hätten Papageien also je nach der Art geringe Unterschiede in den farbigen Ölkugeln, so würde das Herausfinden der Artgenossen dadurch erleichtert sein. Ein zweites Schutzmittel der Natur vor Bastardierung ähnlicher Arten liegt darin, dass Tiere, die verwechselt werden könnten, in getrennten Horden oder Familien leben. Wie empfindlich die Erkennungsschwelle der Vögel ist, prüfte ich, indem ich ein Exemplar ganz oder fleckig mit Russ einrieb. Derart gefärbte weisse Hennen wurden nicht mehr als zum Hof gehörig an- erkannt; sie wurden von dem Hahn sowie von den anderen Hennen dauernd verfolgt, sogar am gemeinsamen Fressen gehindert, worauf sie sich (6 Wochen lang vergeblich) in einem Bach zu reinigen suchten). Analoge Experimente stellte ich dann mit bunten Farbpulvern an; dies erwies sich als ganz vorzügliche Methode zur Bestimmung der Erkennungsschwelle. All das sind jedoch nur Kleinigkeiten. Ihretwegen wären die bunten 1) a. a. O. S. 547. uf ki Optische Versuche an Vögeln und Schildkröten usw. 99 Ölkugeln nicht gerade nötig gewesen; das Haupträtsel bleibt ungelöst, weshalb das kurzwellige Ende des Spektrums so stark eingeengt ist. I. Die Bedeutung der roten Ölkugeln. Haab wies auf die Analogie zwischen Ölkugeln und Sehpurpur, die in voller Ausprägung nicht gleichzeitig vorkommen; indessen wandte Garten mit Recht ein, dass die Ölkugeln sich im Licht gar nicht zersetzen wie der Sehpurpur, und dass sie auch an einer Stelle im Auge liegen, die nicht für eine derartige Funktion spricht. Hess schreibt!): „Die Frage nach der Bedeutung der farbigen Ölkugeln in der Sauropsidennetzhaut ist nicht leicht zu beantworten.“ Die Vermutung, „dass die Zapfenaussenglieder durch die vorgelagerten Kugeln möglichst vor der Wirkung kurzwelligen Lichtes geschützt werden sollten, ähnlich wie die empfindlichsten Teile der Netzhaut- mitte des Menschen durch das vorgelagerte gelbe Maculapigment ge- schützt werden“, schien ihm anfangs einleuchtend. Diese übrigens von Wälchli herrührende Hypothese vertrat auch Hensen, welcher annımmt, dass der Farbfilter die chemisch wirksamen Strahlen schwächt, während die weniger wirksamen ungeschwächt bleiben. Allein Hess - selber stiess auf Befunde, welche dem widersprechen. Zunächst würden gar nicht alle, sondern nur ein Teil der Zapfen geschützt. Ausserdem besitzen Schildkröten mit vorwiegend nächtlicher Lebensweise noch mehr rote Ölkugeln als die Tagvögel, obwohl sie doch nachts keinen grösseren Schutz vor kurzwelligsem Licht bedürfen, als die Tagvögel im Sonnenschein. Und die in prallster Sonne lebenden Eidechsen haben noch weniger Ölkugeln als die Nachtvögel, obgleich die Echsen tagsüber mehr Sonnenschutz benötigten als die Nachtvögel während der Nacht. „Somit sind wir noch nicht in der Lage, eine erschöpfende Erklärung für die Färbung der Ölkugeln zu geben. Möglicherweise wirken letztere auch noch nach Art einer Kugellinse, indem sie den durch Absorption bedingten Ausfall von Licht einigermaassen durch Konzentration der längerwelligen Strahlen auf die Aussenglieder aus- gleichen.“ ?) Diese letztere Erklärung, die mit der einen Hand auch nur gibt, was die andere zuvor nahm, stösst indessen auf die gleichen Schwierigkeiten, ohne dass der Sinn der Vorrichtung klarer würde. Ähnliches gilt für die landläufige Deutung der Gelbfärbung unserer Macula: erst wird die Empfindlichkeit von Haus aus zu gross angelegt, und dann wird ein neuer Apparat nötig, um diesen Fehler der Anlage zu überdecken. Und bei der Korrektion dieses Stümperwerkes der Natur verlören die Vögel noch die Fähigkeit, kurzwellige Lichter zu perzipieren. I), Hess, a. .a., 0: S. 571. 2)" a2 2.2.0, 82 Sur. 100 Hans Henning: Im Gegenteil werden wir erwarten, dass diese Erklärung falsch ist, und dass die Gelbfärbung der Macula denselben Zweck hat wie die analogen gelb gefärbten Ölkugeln. Garten seinerseits nimmt an, dass die roten Ölkugeln einmal die chromatische Aberration vermindern. Die geringe Verbesserung der: Bildschärfe wöge aber den Verlust der kurzwelligen Lichter nicht auf, auch wäre nicht zu verstehen, warum nur Vögel und Schildkröten, aber keine andern Tierarten diese Korrektion besitzen. Die Ölkugeln haben die Aufgabe, „die durch Dunst verhüllte Ferne, von der relativ viel kurzwelliges Licht in das Auge gelangt, in ihrem Mosaikbild gewisser- maassen von jenem kurzwelligen Lichte zu reinigen“ !). Diese Erklärung liegt ganz in der Linie der unsrigen. Garten nimmt weiter an ?), dass das Vogelauge dem Prinzip der Lumiere’schen Farbenphotographie gleiche. Hier ist der für alle Spektralfarben oleichmässig empfindlichen Emulsionsschicht ein allerengstes Mosaik von verschieden gefärbten Stärkekörnchen eingelagert. Wie die photographische Platte die bunten Körnchen birgt, so das Vogelauge die Ölkugeln. Indessen liest der Zweck der Lumiere-Platte doch einzig in dem Farbenreichtum, das heisst im Vorhandensein von Körnchen aller Farben, und dem Wirksamwerden aller Farben, während die Farben für das Vogel- und Schildkrötenauge im Gegenteil vermindert werden und sie die Welt ohne jene Ölkugeln viel bunter sehen würden. Die isolierte Eıregung verschiedener Zapfen durch verschiedenfarbiges Licht und die Analogie mir der Lumitre- Platte gilt auch nicht für die kurzwelligen Strahlen. An anderem Orte?) wies ich nun im einzelnen nach, dass langwellige Strahlen am besten durch die neblige und dunstige Atmo- sphäre dringen. Im glutroten Sonnenuntergang vermögen wir auf 65 km Entfernung noch die Äste eines Baumes und dergleichen Einzel- heiten zu unterscheiden, obwohl wir. kurz vorher im helleren Licht der höherstehenden Sonne nicht einmal die Existenz eines Waldes zu ahnen imstande waren. Mit der gesteigerten Deutlichkeit wächst auch die scheinbare Grösse infolge des Aubert-Förster’schen Gesetzes, welches die Beziehungen zwischen Sehschärfe, Deutlichkeit und scheinbarer Grösse regelt, sowie des Koster’schen Gesetzes, das noch die Beleuch- tung hinzunimmt. Halten wir ein rotes oder rotgelbes Glas vor unser l)8S. Garten, Veränderungen der Netzhaut durch Licht. Graefe- Sämisch’s Handb. f. Ophth. Teil I, III S. 140. 1908. 2) a. a. O. S. 144. — Vgl. auch S. Garten, Die Bedeutung unserer Sinne für die Orientierung im Luftraume S. 26 u. 47f. Leipzig 1917. 3) Hans Henning, Die besonderen Funktionen der roten Strahlen bei der scheinbaren Grösse von Sonne und Mond am Horizont, ihr Zusammen- hang mit dem Aubert-Förster’schen und Koster’schen Phänomen und verwandte Beleuchtungsprobleme. Zeitschr. f. Sinnesphysiol. Bd. 50 S. 275—310. 1919. Optische Versuche an Vögeln und Schildkröten usw. 101 Auge, so bleibt die enorme Verdeutlichung und die gewaltig erhöhte scheinbare Grösse der von der untergehenden Sonne beleuchteten Gegen- stände am Horizont erhalten; setzen wir aber grüne oder blaue Filter vor, welche alle roten Strahlen unterbinden, so sind mit einem Schlag alle Einzelheiten des Horizontes verschwunden. Dass die Erscheinung von der Sonne unabhängig ist und ausschliesslich von den roten und rotgelben Strahlen verursacht wird, geht schon daraus hervor, dass rotes künstliches Licht die entfernten Gegenstände ebenso verdeutlicht. Diese Tatsache liess sich auch in Experimenten mit roten Strahlen be- stätigen. Ebenso hängt die scheinbare Vergrösserung der Gestirne am Horizont mit diesen Gesetzmässigkeiten zusammen. Wir betrachten mit unbewaffnetem Auge eine Landschaft im Nebel, der unseren Blick nur etwa 300 m tief dringen lässt. Nun halten wir rotes oder rotgelbes Glas vor unser Auge, und jetzt werden nicht lediglich alle Einzelheiten in der Nähe viel deutlicher als vorher, sondern unser Blick geht sogar etwa 2000 m weiter in die Tiefe. Das liegt nur daran, dass langwellige Strahlen den Nebel eher durchdringen. In der Tat verschwindet das deutliche Bild scfort, wenn wir ein grünes, grün- blaues oder blaues Glas vorschalten, welches alle roten und rotgelben Strahlen absorbiert: wir sehen jetzt höchstens 180 m weit, zudem wird in diesem verengerten Bezirk alles undeutlicher. Diese Tatsache hat man sich in der Photographie seit langem zunutze gemacht. Solleine dunstige oder neblige Landschaft aufgenommen werden, so setzt man vor das Objektiv einen Gelbfilter, der je nach der Empfindlichkeit der Platten eine rötliche Komponente hat }). Zahlreiche Beobachtungen und Versuche erhärten das: Personen, deren durchsichtige Medien des Auges getrübt sind, können bekanntlich im roten Licht am besten lesen, und zwar, weil die lang- welligen Strahlen das trübe Medium am ehesten durchdringen. Morgens und abends im rotgelben Licht der auf- und untergehenden Sonne geniesst man in den Alpen die beste Fernsicht, obwohl: dann quantitativ mehr feuchter Nebel im Talboden und am Horizonte liegt als mittags, wo trotz der viel helleren Sonnenstrahlen das ganze Panorama mit einem undurchsichtigen Dunstschleier verhängt ist. Die gelbroten Strahlen durchdringen eben morgens und abends den reichlicheren Dunst viel leichter als die viel helleren und weisslicheren Mittagsstrahlen den objektiv geringeren Dunst. Analog tauchen die roten und gelben Lichter des Dampfers zuerst im Nebel auf. Eine dunkle rote Scheibe ist enorm viel weiter sichtbar als eine hellere blaue. Rötlichgelbe oder grüngelbe Gletscherbrillen vermitteln einen viel weiteren und klareren Fernblick als blaue oder graue. 1) W. Scheffer, Über Sehen und Photographieren durch trübe Medien. Die Naturwiss. Bd. 6 S. 768—771. 1918. 103 - Hans Henning: - In der physiologischen Optik benutzte man bei zahlreichen Problem- stellungen (Sehschärfe, Tiefenbetrag, Zwischenmedium und andere) Küvetten mit trüben Flüssigkeiten (verdünnte Milch, alkoholische Lösung von Mastix, Benzoe und andern Harzen in Wasser), die man vor das Auge setzte. Solche Glaströge mit trüben Flüssigkeiten sind. nichts anderes als künstliche Nebel, was nicht nur der einfache Versuch mit homogenen Lichtern, sondern auch die Photographie erweist !). Die damit erzielten Effekte fallen also wieder zum grossen Teil den lang- welligen Strahlen zu, welche am ehesten passieren. In der Tat konnte das durch solche trüben Küvetten erblickte Objekt an Deutlichkeit und Tiefe sogar zunehmen, wenn die Anordnung von rotgelbem oder gelbem Licht beleuchtet wird. | Letzteres schob man häufig in der physiologischen Optik der „bunten“ Beleuchtung zu, was nur eine Eigentümlichkeit des roten Lichtes ist. Somit gelangen wir zum Ergebnis: rote und rötlichgelbe Strahlen durchdringen die dunstige und neblige Atmosphäre sowie trübes Wasser- am ehesten. Im Effekt bleibt es sich gleich, ob man die Gegend selbst rot und rötlichgelb beleuchtet, oder ob man die normal beleuchtete Gegend durch einen roten und orange Filter betrachtet, welcher die langwellisen Strahlungsgattungen durchlässt, während er die kurzwelligen verschluckt. Nebel- und Dunstteile beugen das Sonnen- licht durch Interferenz zu Rot (zum Beispiel Morgen- und Abendrot), dessen Gehalt sich dadurch quantitativ vermehrt. II. Versuche an Vögeln. Damit s'nd wir am Ziel: die roten und rotgelben Ölkugeln in der Netzhaut der Vögel sind physikalisch nichts anderes wie solch ein rötlich- selber Filter, was auch die mikroskopische Prüfung erweist. Diesem farbigen Ölfilter verdanken die Zugvögel es, dass sie von Italien aus selbst bei dunstigem Wetter die afrikanische Küste sehen, mit dieser Hilfe vollführt die Brieftaube’ jene weiten Flüge. Ja, die rotgelben Ölkugeln ermöglichen es allen Tagvögeln überhaupt erst, sich in der Luft zu orientieren und sich in dunstiger Atmosphäre zurecht- zufinden. Es bleibt kein Rätsel mehr, dass der Bussard aus höchster Höhe die Maus am Boden laufen sieht, dass die Amsel kurz vor Sonnen- aufgang schon so gut sieht wie im hellen Mittagsglanz, und dass der Vogel in der Abenddämmerung sein Nest trotz grosser Entfernung noch erreicht. Auf dieser Art des Sehens ist das ganze Leben der Tagvögel aufgebaut; ohne die Ölkugeln könnten sie sich in ihrem stets dunstigen Luftreich nicht mehr orientieren, und sie müssten einfach aussterben. Die kleine, durch die Ölkugeln veranlasste Beeinträchtigung im Farben- 17a: 2.0: Optische Versuche an Vögeln und Schildkröten usw. 103 sehen der kurzwellisen Strahlen wiegt gar nichts im Vergleich zu der lebenswichtigen Funktion des Fernblicks im Dunst, und sie kam damals, als das Sauropsidenauge diesen Apparat differenzierte, überhaupt nicht in Frage. Zu den Versuchen wurden mehrere Hühner, Tauben, Truthähne, Fasane, Raben, Krähen, Dohlen, Stare, Amseln, Meisen, Finken, Sperlinge, ein Falke und zwei Papageien sowie ein Kakadu benutzt. Erste Versuchsreihe. Zunächst sollte entschieden werden, ob die Vögel ihre Reaktionen auch in bunter Beleuchtung ausführen. Denn von vornherein ist nicht sicher, ob die Taube, welche den grünen Papagei nicht fürchtete, vor einem srünbeleuchteten Falken flieht usw., ' oder allgemeiner gesagt: ob die bunte Beleuchtung nicht inadäquate Reize schafft. Zum Versuche dienten zwei aneinander stossende Verschläge, welche durch ein Gitter getrennt waren. Die erste Kammer diente als Auf- enthaltsraum für das Versuchstier; sie bekam nur durch das Gitter aus der zweiten Kammer Licht. In die Wand des ersten Käfigs war ein verschliessbares Okular eingelassen, durch welche die Tiere unbemerkt beobachtet werden konnten, ohne dass dabei Licht einfiel. Die zweite Kammer nahm das Objekt auf, dessen Sichtbarkeit entschieden werden ‚sollte; sie erhielt ihr Licht ausschliesslich durch eine Öffnung (von 4, qm Grösse), in welche farbige Glasplatten eingeschoben wurden. Normaler- weise fiel auf diese Farbplatten direkte Sonne; sie war aber auch ab- zublenden, ebenso konnte Licht durch Spiegel darauf geworfen werden. Im übrigen waren beide Verschläge mit Dachpappe und dem (in der Photographie üblichen) schwarzen Papier und Stoff lichtundurchlässig gemacht worden. Dem Falken wurden in der zweiten Kammer ein Eiehhörnchen und drei Mäuse exponiert; alle übrigen Vögel erblickten im zweiten Verschlage durch das Gitter den Jagdfalken oder eine weisse Katze in bunter Be- leuchtung. Den Hennen exponierte ich in der andern Kammer auch die eigenen Küken und stellte in einem kleineren Drahtkäfig noch die Katze neben die Küken. In einem Kontrollversuch wurde die Rolle des Geruchs ausgeschaltet: nach gehöriger Lüftung wurde das Gitter zwischen beiden Kammern durch eine Glasscheibe ersetzt. Ebenso wurde jedes Geräusch und alle Erschütterung vermieden. Über die Experimente dürfen wir uns kurz fassen: sie gingen so aus, wie es nach dem oben Gesagten zu erwarten stand. Ausnahmslos wurde der Prüfling unruhig und aufgeregt, wenn sein Feind resp. sein Beutetier rot, orange, gelb, gelbgrün oder (in diesem Falle besonders hell) grün beleuchtet wurde, und er blieb gleichgültig, sobald wir die blaue oder viclette Scheibe eingesetzt hatten. Ebenso waren die quantitativen Verhältnisse denen von Hess angegebenen gleich. 104 Hans Henning: Dass Hühner dem Menschen analog Oberflächenfarben (gefärbte Oberflächen der Dinge mit deren Struktur und Lokalisation, die ver- schieden beleuchtet werden können) von Flächenfarben (wie dem Regen- bogen, mit lockerem Farbgefüge, stets frontalparallel, fest, aber in nicht genau angebbarer Entfernung lokalisiert, die niemals beleuchtet werden können) und wohl auch Raumfarben (wie dünner Nebel, der den Raum dreidimensional ausfüllt) zu unterscheiden vermögen, ist durch frühere Versuche gesichert. Ebenso wissen wir, dass die beim Menschen vor- handenen Grosshirnfaktoren, welche die Beleuchtung primär in Rechnung setzen, bei Hühnern ebenfalls schon angelegt sind; sie verwechseln also ein weisslicheres Papier im Schatten nicht mit einem schwärzlicheren im Licht. Die Scheidung zwischen beleuchtetem Objekt und verschieden- farbiger Beleuchtung, wie sie in unseren Versuchen zutage trat, setzt daher nicht in Staunen. Wir wollen indessen bemerken, dass diese Fak- toren bei Insekten noch nicht geprüft sind; ja, nach eigenen Versuchen lassen sich hier gewisse Reaktionen durch bunte Beleuchtung hemmen. Ehe die einschlägigen Experimente über die Erscheinungsweise der Farben und über die Beleuchtung nicht durchgeführt sind, ist das letzte Wort über das strittige Farben- resp. Helliskeitssehen der Bienen usw. noch nicht gefallen. Zweite Versuchsreihe. Hier sollten die Bedingungen des künst- lichen Nebels geprüft werden. Ein Käfig war so abgeblendet, dass das Licht nur durch eine Öffnung (von Y, qm Grösse) einfallen konnte; vor dieser stand ein Glastrog. Er wurde mit einem Medium gefüllt, welches künstlichen Nebel darstellt; hierzu dienten: ein Niederschlag von Bariumsulfat in farbloser Gelatinelösung, verdünnte Milch, in Alkohol gelöste Harze, die in das Wasser gegossen wurden. Bekanntlich ändert sich die Absorption mit der Lösungskonzentration; deswegen musste der Effekt in jedem Einzelfalle nachgeprüft werden, was mit der be- kannten Skala der Farbpapiere geschah. Der Glastrog sollte eigentlich. eine planparallele Küvette sein; wegen des teuren Preises für so grosse planparallele Gefässe liessen wir es mit besonders klaren und glatten Scheiben eines gefugten Terrariums bewenden, die wir auf engere Aus- messungen des Behälters umarbeiten liessen. Kontrollversuche lehrten, dass keine störenden Reflexionen, Verzeichnungen und Absorptionen zu be- fürchten seien. Im Originalversuch wurde das im Käfig befindliche Exemplar, welches nur durch den künstlichen Nebel hindurch in den Garten blicken konnte, entweder bedroht und erschreckt (Bewegungen des Falken oder der Katze, plötzliche optische Bewegungsreize, scheinbares Zuschlagen mit einem Stock und ähnliches) oder gelockt (draussen befanden sich die Küken, zahme Exemplare lockte ich selber, den hungrigen Tieren wurde Futter deutlich gemacht, der Wassernapf genähert und dergleichen). Ein Optische Versuche an Vögeln und Schildkröten usw. 105 Gehilfe beobachtete gleichzeitig das motorische Verhalten der Tiere durch das Okular in der Käfigwand. Alle Geräusche und Erschütte- rungen wurden peinlichst vermieden. Die Expositionen erfolgten in 1, 2, 3, 5, 10, 15, 20, 30 und 50 m Entfernung. Vor dem Versuche ermittelte ich (unter Berücksichtigung des Adap- tationszustandes), bei welcher Konzentration des künstlichen Nebels ich mit unbewaffnetem Auge vom Käfig aus eben noch die aussen vollzogenen optischen Bewegungsreize wahrnehmen konnte, was ich öfters von andern normalsichtigen Personen kontrollieren liess; dann wurde der künstliche Nebel für das Tier noch merklich dichter gemacht. Bei allen Exemplaren liess sich ein motorischer Effekt des Erschreckens oder ein Erfolg des gegenteiligen Reizes deutlich gewährleisten. In manchen Fällen blieb die Reaktion freilich aus, allein dann konnte der Gehilfe auch melden, dass der Vogel nicht in die entsprechende Richtung blickte, während der Versuch nachher bei geeigneter Konstellation gelang. Tat- sächlich sehen die Vögel also kraft ihrer Ölkugeln besser durch den künstlichen Nebel hindurch als der Mensch mit unbewaffnetem Auge. Dritte Versuchsreihe. Analoge Experimente stellte ich mit einem künstliehen Dunst zwischen zwei mannshohen senkrechten Spiegel- glasscheiben an. Die Bemühungen mit Wasserdampf blieben erfolglos, weil die Scheiben trotz guter Erwärmung immer wieder mit dicken Wassertropfen beschlugen. Besser ging es, als ich zwischen den Scheiben einen Staub aufwirbelte; zu diesem Zwecke war eine Mischung aus Puder, Farbpulvern, Russ, Zement und Schlackenstaub bereit, die auf ihre Rotdurchlässigkeit geprüft war. Die Überlegenheit der Vögel trat auch hier markant hervor. Vierte Versuchsreihe Nun kombinierte ich die erste und zweite Anordnung: in der ersten Kammer sass das Versuchstier, das durch den T'rog mit dem künstlichen Nebel auf das Prüfungsobjekt der zweiten Kammer blickte, welch letzteres bunt "beleuchtet wurde. Der Prüfling gewahrte das Objekt (den Falken, die Katze, das Futter, die Küken, den Bewegungsreiz usw.) schon bei geringerer rotgelber und organe Beleuchtung. Um denselben Reiz in gelbgsrünem, grünem oder blauem Lichte deutlich sichtbar zu machen, braucht man nicht die etwa 10-, 15- und 35fache Lichtstärke wie im Falle ohne Nebel, sondern etwa die 1000fache (wobei ich noch Nernstlampen hinter die Glasscheiben stellen musste), während der künstliche Nebel nur einen ganz gering- fügigen Zuschuss an Rot und Rotgelb über die ohne trübes Medium nötige Liehtmenge hinaus erforderte. Fünfte Versuchsreihe. Ein sehr geräumiges Kellergewölbe wurde mit vertikalen, zum Teil auch noch mit horizontalen und schrägen Schnüren durchspannt; darin folgte ich älteren Anordnungen über die Entlarvung simulierter Blindheiten. Über Nacht liess ich in dieses 106 Hans Henning: Gelass den Herbstnebel dringen oder ich füllte ihn durch eine in Ver- bindung stehende Dampfheizung und Waschküche mit Wasserdampf. Im Versuche selbst herrschte nur künstliche Beleuchtung (elektrische farbige Lampen). Nun wurden Tauben, zahme Dohlen und Amseln durch Aufscheuchen dauernd zum Fliegen veranlasst, wobei ich be- obachtete, ob sie an den Schnüren anstiessen. Es zeigte sich, dass schon geringere rotgelbe und orangefarbene Lichter ein Erkennen der Schnüre ermöglichten, während bei grüner oder grünblauer Beleuchtung ganz enorme Lichtstärken nötig waren und Blau sowie Violett ganz versagte. Ein Vergleich bei entferntem Wasserdampf liess den Vorteil roter Lichter im Durchdringen feuchter Medien überaus deutlich hervortreten. Eine grössere Anzahl von Beobachtungen konnte nicht zu exakten Anordnungen verdichtet werden, weil der Luftraum uns Menschen ohne weiteres experimentell nicht zugänglich ist und das Geräusch der Flug- zeugsmotore jeden Versuch an Vögeln unmöglich macht. Gleichwohl sprechen sie für unsern Satz. So hörte ich eine grosse Schar wilder Tauben, die sich in dünnerem Nebel an der Saat gütlich taten, jedesmal schon aufschwirren, ehe ich sie ihrerseits sah. Analoges beobachtete ich an Fasanen, Feldhühnern, Wildenten und Hähern. III. Versuche an Alpendohlen und Brieftauben. 1. Die Nebelkrähe (Corvus cornix), welche früher als die meisten andern Vögel einen fernen Raubvogel im Dunst entdeckt, konnten wir leider nicht systematisch prüfen. Hingegen haben wir uns eingehend mit Alpenkrähen (Pyrrhocorax graculus) und Alpendohlen (Pyrrho- corax alpinus) auf dem Tödi und im Wallis beschäftist. Die Fernsicht dieser Vögel im Nebel ist ja bekannt und überrascht den Betrachter mehr als alle Leistungen der Brieftaube. Da die Alpendohle sich in der Nähe der höchsten Gipfel nicht durch eigentlichen Flügelschlag fort- bewest, sondern im Winde nur die Flügelflächen verstellt, lässt sich ihren scharfen und überaus geschickten Kurven leicht entnehmen, wohin sie steuert. Vier bis fünf Beobachter verteilten sich auf naheliegende Felsen des Berggipfels, der selber in mitteldichtem oder starkem Nebel lag. Nun warf der erste ein Stück Nahrung nicht allzuweit von sich — durch- schnittlich 3-5 m —, während die übrigen Beobachter beim Anflug der Tiere feststellten, in welcher Distanz die Kurve (das heisst die durch den erbliekten Nahrungsreiz bewirkte Änderung der Flugrichtung) er- folgte. Jede Bewegung und namentlich jedes Geräusch wurde vermieden. Die Postenkette der Beobachter, die manchmal eher halbkreisförmig ausfiel, war geboten, weil eine einzige Person im Nebel nicht weit genug sah. Während der erste Beobachter den von ihm weggeworfenen Nahrungs- Optische Versuche an Vögeln und Schildkröten usw. 107 brocken eben noch liegen sah, meldete der nächste und dritte Beobachter schon, dass die herannahende Alpendohle in eleganter Flugkurve darauf lossteuerte. Es ergab sich, dass sie den Bissen schon aus 15 m, das heisst aus etwa doppelter bis dreifacher Entfernung wie der Mensch, zu Boden fallen, mitunter auch bloss liegen sah; in dünnerem Nebel natürlich aus ungeheuer viel grösseren Distanzen. Um einen Vergleich zu haben, zündete der erste Beobachter un- mittelbar vor dem Werfen des Bissens entweder ein grünes oder ein rotes bengalisches Sturmstreichholz an (diese besassen eine lange Brenn- dauer und eine ziemliche Leuchtkraft). Damit die Tiere nicht auf die Flamme reagierten — in der Gefangenschaft picken sie immer wieder an dem Docht brennender Kerzen —, wurde vor das Licht ein Loden- mantel entsprechend ausgespannt. Bei grünen Hölzern änderte sich nichts. Im roten Licht sah der Mensch viel deutlicher, und die Reaktion der Alpendohle erfolste jetzt schon aus 50 m Entfernung und mehr. Zitfernmässige Messungen im einzelnen wurden durch die schwierigen Verhältnisse unmöglich gemacht; allein unser Satz bestätigt sich auch ohne das. Die Bergdohle, die nach Speiseresten gierig dem Hochtouristen folgt, ist zugleich dessen unfehlbarer Prophet naher Gewitter; verschwindet sie, so geht das Wetter bald los. 2. An Brieftauben standen uns 50 in der Nähe von Garmisch- Partenkirchen aufgewachsene Exemplare zur Verfügung. Davon wurden 20 nach München gebracht — die Bahnstrecke beträgt genau 100 km — und hier losgelassen. Sie stiegen in die Höhe, schlugen sofort die richtige Richtung ein und langten alle ohne Irrweg am Heimatsorte an. Von München aus konnten sie sich an den Seen, der Zugspitze und den übrigen Bergen leicht orientieren, die ihnen ja aus der Heimatssicht bekannt waren. Zwei andere Exemplare derselben Herkunft liess ich später in Karlsruhe fliegen, sie langten niemals an, weil sie den dazwischenliegenden Schwarzwald und die schwäbische Alp nicht kannten, ein Fernblick über solche Distanzen auch unmöglich ist. Um die Bedeutung der reten Strahlen abzugrenzen, wellte ich zunächst das äussere Auge des Tieres färben ; wegen anderweitiger Beeinträchtigung stand ich indessen davon ab. Sicherer, wenn auch viel mühsamer schien mir, ihnen eine Haube (nach Art der für Falkenbeizen üblichen), aber mit farbiger Gelatine überzustülpen !). Dazu wurde ausfixierter Film gefärbt und in passender Form getrocknet. Die Tiere daran zu gewöhnen, hielt anfangs schwer, deshalb liess ich sie zunächst nur die Haube ohne 1) Eine ähnliche Kappe benutzte Ewald zu anderen Zwecken. Vgl]. J. Richard Ewald, Physiologische Untersuchungen über das Endorgan des Nervus octavus S. 73. Wiesbaden 1892. — Ebenda weitere Literatur über die Tauben. 108 Hans Henning: Farbscheiben tragen. Schliesslich waren zehn Exemplare so weit, dass man einen Flug wagen durfte. Keines dieser Tiere war je in München. Je zwei Brieftauben bekamen eine rötlichgelbe Maske, eine gelbe, eine grüngelbe, eine ziemlich helle grüne und eine helle blaue. Jedes Exemplar musste isoliert abfliegen, damit die in der Fernsicht beein- trächtisten sich nicht einfach an die übrigen hielten und im Haufen mitflogen. Der Tag war so dunstig, dass ich die fernen Berge nicht zu erkennen vermochte. Die Brieftauben mit rötlichgelber und gelber Gelatine flogen sofort geradenwegs nach Hause und langten rechtzeitig an. Die grüngelben schlugen erst gewaltige Kreise mit dem Radius von mehreren Kilometern und entzogen sich schliesslich der Sicht durchs Fernrohr. Auch sie langten an, aber mit einer grossen Verspätung, die auf manchen Irrweg schliessen lässt; die Fluggeschwindigkeit war ver- mutlich auch herabgesetzt. Die grünen flogen wohl von selbst auf, be- wegten sich auch umher, doch kam es zu keinem Fernflug. Hingegen mussten die blauen zum Fliegen erst aufgescheucht werden und flatterten bald wieder herbei. Nach einer Auswechslung der grünen und blauen Gelatine gegen orangefarbene flogen auch diese Exemplare geradenwegs nach Hause. Zwei Tiere liess ich in dunstiger Abenddämmerung ab; sie fanden ihren Weg noch direkt. Drei andere, die ihren Flug erst mit einbrechender Nacht antreten durften, stellten sich erst am andern Morgen zu Hause ein. | Welche optische Leistungsfähigkeit dürfen wir dem Vogelauge ge- rechterweise zuschreiben? Als Vergleich halte man sich vor Augen, dass der Mensch auf dem Montblanc eine Fläche von 200000 qkm über- blickt; das wäre ein Quadrat mit der Seitenlänge von etwa 14000 km. Obwohl die Sternwarte von Illinois Zugvögel in der Höhe von 4000 m feststellte, fliegen sie im allgemeinen sehr viel tiefer. Bei Nebel, un- günstiger Witterung oder widrigem Wind liegen die Vögel meist still, wie sich auch alle Zugvögel in und über den Wolken kaum zurecht- finden !). Bei nebligem Wetter schwanken auch die Brieftauben ?) über die Flugrichtung; im Falle eines leichteren Nebels fliegen sie nahe an der Erde. Dass Brieftauben sich in diekem Nebel nicht orientieren können, ist vielfach authentisch festgestellt. Bei ungünstigerer Sicht 1) €. R. Hennicke, Vögel. Handwörterb. d. Naturw. Bd. 10 S. 316. 2) Es existieren mehrere Tausende von Brieftaubenvereinen. An wieviel Millionen Tauben ausgesprochene Versuche gemacht wurden, lässt sich nicht schätzen. Zu Fernflügen wurden Brieftauben seit dem 5. Jahrhundert vor Chr. verwendet. Ausser den ornithologischen Journalen vergleiche man zur Literatur das seit 1886 in Hannover erscheinende Fachorgan des Verbandes der deutschen Brieftaubenvereine „Die Brieftaube“. — Ferner: Roeder, Die Brieftaube. Heidelberg 1895. — Ohlrogge, Die Brieftaube. Forst 1898. — Herzog, Die Brieftaube. Leipzig 1900. — H. E. Ziegler, Die Geschwindigkeit der Brieftauben. Jena 1897. u u A la > ua in ne u ne nn 2 Optische Versuche an Vögeln und Schildkröten usw. 109 halten sie sich in einer Höhe von 100—130 m, bei besserer zwischen 250 und 300 m durchschnittlich. Weismann hat für diesen Fall be- stimmt, dass der Mensch, der die Insel Korsika vom Gestade des liguri- schen Meeres aus nicht erblickt, die Insel sofort sichtet, wenn er sich in 100 m Höhe begibt. Übermässige Strecken kommen für die Brieftauben nicht in Betracht, denn die zu leistende Strecke muss in Etappen erst gelernt werden; ein viermonatiges Exemplar erledigt in dieser Weise bei günstigster optischer Gegend insgesamt 9 km, einjährige bis zu 150 km, zweijährige bis zu 300 kın, mehrjährige noch grössere Strecken, sofern gute optische Merkzeichen vorhanden sind. Nach Feststellungen der deutschen Marinestationen, welche dabei von 61 Taubenvereinen unterstützt wurden, können über See mit Sicherheit nur 300 km geflogen werden (wobei er auch terre- strische optische Merkmale mitspielen). Vergleichsweise wären solche Strecken: - Eiffelturm— Nancy, Taunus—badischer Feldberg oder Montblane—Boden- , see. Dass der Mensch vom Montblanc etwa den Hohentwiel am Bodensee noch überaus deutlich sieht, ist ja bekannt. Halten wir uns gegenwärtig, dass die Vogelnetzhaut schon in ihrer anatomischen Anlage!) auf eine viel grössere Empfindlichkeit abgestimmt ist, dass Zugvögel ihre langen Flüge vorwiegend tags oder doch nur in mondhellen Nächten ausführen?), so stehen wir nicht im geringsten vor optischen Rätseln. Wenn die Flugstrecken auch innerhalb derjenigen Grünen liegen, welche für das Sehen gelten, so können trotzdem andere Faktoren mitspielen. Seitdem der Spürsinn der Naturvölker sich durch genaue Prüfungen an Ort und Stelle und durch. genaue Messungen der Sinnes- leistungen in nichts verflüchtigt hat°), müssten verborgene Sinne erst wissenschaftlich begründet werden. Nach v. Cyon‘) verfügen die Tauben über einen Spürsinn, der in der Nasenschleimhaut lokalisiert ist. An Brief- tauben, denen die entsprechende Region funktionsuntüchtig gemacht oder exstirpiert war, konnte ich keinen Leistungsunterschied finden. Ebensowenig; bestätigte sich die Annahme von Thauzies°) und Ett- linger‘), welche elektrische, magnetische und drahtlos-telegraphische Momente heranziehen; sowohl eigene Nachprüfungen wie die Kriegs- I) Chievitz, Untersuchungen über die Area centralis retinae. Arch. f. Anat. von Braune und His. Suppl. Bd. 1889 und 1890. — Vergl. auch Edingerund Wallenberg, Untersuchungen über das Gehirn der Tauben. Anat. Anz. Bd. 15. 1899. 2) Eckhardt, Vogelzüug. Leipzig 1910. — J. A. Palm&n, Über die Zugstrassen der Vögel. Leipzig 1876. — H. Gäthke, Die Vogelwarte Helgoland. Braunschweig 1900. — H. Duncker, Wanderzug der Vögel. Jena 1905. — Dass junge Vögel stets vor den alten fliegen, ist von Eagle Clark, Helm und Kolthoff widerlegt worden. 3) Report of the Cambridge Anthropological Expedition to Torres Straits. Cambridge 1903. — Weitere Literatur bei Hans Henning, Der Geruch. Kapitel 26. Leipzig 1916. 4) E.v.Cyon, L’ orientation chez le pigeon voyageur. Rev. scient. 1889. Nr. 12. — Ohrlabyrinth, Raumsinn und Orientierung. Pflüger’s Arch. Bd. 89, S. 212. 1900. 5) M. A. Thauzies, L’ orientation lointaine. Rapport au VIme Congres intern. de Psychol. 1909. 6) Max Ettlinger, Der magnetische Sinn mancher Tiere. Hochland Bd 8. 1978. 1910) 110 Hans Hennins: beobachtungen!) sprechen dagegen. Duchatel’s Hypothese, dassunsicht- bare Strahlen die Brieftaube leiteten, wurde von Watson experimentell entkräftet?). Ein besonderer „Richtungssinn“ ist noch nirgends bewiesen. An Menschen, denen die betreffenden Orientierungen fehlen, konnte ich zeigen °) — was aus einer reichen psychologischen Literatur hervorgeht —, dass der Defekt im Fehlen der nötigen undeutlichen Gesichtsvorstellungen liegt; ebenso kommen natürlich auch motorische Vorstellungen in Betracht. Die von Viguier*) begründete und später von Reynaud’) sowie zahl- reichen anderen Autoren vertretene Ansicht, dass die Heimat infolge von Labyrinthfunktionen aufgefunden werde, hat Exner‘) in sinnreichen Experimenten widerlegt. Er schaltete auf der Hinreise die vom Labyrinth aus möglichen Faktoren aus (durch Narkose, Schütteln und Drehen des ver- hüllten Korbes, galvanische Reizung), und trotzdem kehrten diese Exemplare gleich schnell wie unbelästigte Kontrolltiere nach Hause, wofür er mit Recht den Gesichtssinn und das optische Gedächtnis für Örtlichkeiten verantwort- lich macht. Transportiert man die Brieftaube in dunklen Kisten, so findet sie ebensowenig nach Hause (Wundt) wie im dicken Nebel. Der Flug selbst wie auch das Heimfinden können aber von ver- schiedenen Faktoren beeinflusst werden. So liegt der beste Antrieb, um Tiere rasch auf eine Strecke zu dressieren, darin, dass man sie an dem einen Punkt füttert, während sie sich am andern begatten dürfen; dieses Verfahren eignet sich nicht nur für Brieftauben, sondern auch für Kamele, Pferde usw. Tiere mit sogenannter „Heimkehrfähigkeit“?) (Brieftauben, Zugvögel, Fledermaus, Katze, Hund, Pferd usw.) verfügen wohl alle in geringerem Maasse noch über andere Orientierungsmomente (Geruch usw.), welche als mehr oder minder geeigneter Ersatz auftreten, sobald der Haupt- faktor unterbunden wird. Wie der Mensch beim Lernen eines neuen Weges in schwieriger Gegend (z. B. im Hochgebirge) sich anfangs stark auf Ent- fernuhgsschätzungen, Ermüdungseindrücke, optische Richtungs- und Sach- 1) Herr O. Pfungst, der im Kriege eine Tierstation leitete, wird dem- nächst seine reichen Erfahrungen aus der Friedens- und Kriegszeit nieder- legen. Seine Grundauffassungen über die Brieftauben decken sich mit den einigen. 2) J. B. Watson, Recent Experiments with Homing Birds. Harpers Mag. 131, S. 457464. 1915. 3) Hans Henning, Experimentelle Unsersnchmasen zur Denkpsycho- logie I. Zeitschr. f. Psychol. Bd. 81 S. 86ff.; 92. 1919. — Besonders gut eignen sich Bahnfahrten, auf denen man eine Kopfstation oder Kurve ver- schlief, zum Studium. 4) C. Viguier, Sur les fonctions des canaux semieireulaires. Rev. phil. 1882. — Rev. intern. d. sc. 1882. p. 255 et 361. — Compt. rend. de l’Acad. d. sc. t. 104, p. 868. 5) G. Reynaud, Theorie de l’instinct d’orientation des animaux. Compt. rend. de l’Acad. d. sc. t. 125, p. 1191. 1897. 6) S. Exner, Das Rätsel der Brieftauben. Vortr. d. Vereins z. Verbreit. naturw. Kenntn. Bd. 32. Wien 1892. — Negative Versuchsergebnisse über das Orientierungsvermögen der Brieftauben. Sitzungsber. d. Wien. Akad. 3. Abt. Bd. 102, S. 318. 1893. — Über das Orientierungsvermögen der Brief- tauben. Anz. d. Wien. Akad. math.-naturw. Kl. Bd. 42, S. 408. 1905. 7) J.B. Watson and K. S. Lashley, An Historical and Experimental Study of Homing. Publicat. of Carnegie Inst. t. 211 p. 7-61. 1915. — K.S. Lashley, Notes on the Nesting Activities of the Noddy and Sooty Terns. Ebenda p. 61—83. 1915. Optische Versuche an Vögeln und Schildkröten usw. all vorstellungen, Erinnerungen an Kurven und andere Hilfsvorstellungen stützt, die er bei eingeübter Leistung nicht mehr alle beansprucht, so auch das Tier. Hat die Brieftaube eine Etappe erst wenige Male geflogen, ist der Etappenpunkt sowie die Gegend ihr noch nicht geläufig, und lassen wir sie nun ganz dicht an diesem Ziel aufsteigen, so überfliegt sie anfangs das Ziel). Einem Menschen geht es im Vexierversuch ebenso. Wie in Exner’s Versuchen spielt hier also die passive Bewegung, nämlich der Transport vom Ausgangspunkt bis nahe ans Ziel nicht die mindeste Rolle. Später wird man das aber vergeblich versuchen, wie die Taube ja allemal zum Schlage zurückfindet, auch wenn man sie unter Exner’s Kautelen in verschiedenen Richtungen und Entfernungen ablässt. Dass die Taube sich aber nicht in erster Linie auf motorische Faktoren stützen kann, lehrten die obigen Versuche schon; beim Überfliegen des Zieles, von dem wir eben sprachen, fliegt die Taube auch nicht die genaue Streckenlänge fort, um sich dann zu setzen, sondern es handelt sich um eine Täuschung, welche korrigiert werden kann. Übrigens fliegen Tauben ohne Kleinhirn wie normale?), und nach Ewald?°) hindert einseitige Despanen des Laby- rinthes sie nicht am geordneten Fliegen. Vor allem aberlernen Tauben motorisch sehr schlecht: in sämt- lichen Labyrinthversuchen (Irrgartenmethode), in welchen die Wendungen des Weges und die Wegrichtung einzuprägen ist, stehen die Tauben sogar den kleinen Säugern (Maus, Ratte) ungeheuer nach; seit Thorndike’s Ex- perimenten hat sich das immer wieder bei entsprechenden Versuchen mit Vögeln bestätigt. Hingegen lernen sie optisches Material sehr rasch; gewöhnt man Brieftauben, erst bei einer eben merklichen Auf- hellung abzufliegen, so lassen sie sich leicht auf minimale Unterschiede dressieren. Ein anderes schwerwiegendes Problem erhebt sich schliesslich noch in diesem Zusammenhang: es fragt sich, in welcher scheinbaren Grösse die Brieftauben, die anderen Vögel und die Schildkröten die Dinge überhaupt sehen, zumal Nebel, Dunst und rötlichgelbes Licht die scheinbare Grösse stark verändern. Um die optischen Faktoren der Fernsicht genau einschätzen zu können, ist eine nähere Kenntnis un- umgeänglich. Bei den Elberfelder Pferden, die auf unwillkürliche Kopf- bewegungen des Menschen reagierten, obgleich diese Bewegungen ob- jektiv recht klein sind, fragte sich ebenfalls, in welcher Grösse das Pferd die Bewegungen sehe; hier schlug Claparede vor, das Pferd auf eine Kreisscheibe zu dressieren und diese allmählich bis zum Aus- bleiben des Dressurerfolges zu verkleinern. Übrigens sind Versuche über die scheinbare Grösse am Affen geglückt, so dass die Prüfungen der Vögel und Schildkröten nicht auf unübersteigbare Schwierigkeiten stossen. 1) Dies zeigte sich auch bei Prüfungen auf der Strecke Antwerpen— Berlin. 2) B. Lange, Inwieweit sind die Symptome, welche nach der Zer- störung des Kleinhirns beobachtet werden, auf Verletzungen des Acusticus zurückzuführen. Pflüger’s Arch. f. d. ges. Physiol. Bd. 50 S. 615—625. 1891. 3) Ewald, a. a. O.S. 28. 119) Hans Henning: IV. Die Bedingungen der Nachtvögel. Dass.die rotgelben Strahlen das trübe und dunstige Medium für das Auge der Tagvögel besser durchdringen, und dass die rotgelben Ölfilter eine weitere Fernsicht sowie ein klareres Perzipieren in ‚dunstiger oder nebliger Atmosphäre gestatten, trat zur Genüge hervor. Weshalb die Nachtvögel keine analoge Einrichtung im Auge be- sitzen, das bietet keine Rätsel. Bekanntlich ist das Licht des Mondes weisslich, gelblich und bläulich, wie uns ja auch die Mondlandschaft in dieser Farbe erscheint. Ein grosser Reichtum an rötlichgelben und gelben Ölkugeln bildete aber gerade ein Farbfilter, welches dieses einzige Licht der Nacht zu stark schwächen würde, so dass die Nacht- vögel in diesem Falle fast gar nichts sähen. Davon überzeugt man sich leicht, wenn man die nächtliche Gegend durch entsprechende Farbfilter betrachtet. Die bestangepassten Bedingungen wären für sie also die Verhältnisse der menschlichen Dunkeladaptation, und diese treffen wir bei den Nachtvögeln denn auch an. Über die besondere Empfindlichkeit der Stäbchen und des Seh- purpurs hinaus bedürfen sie für die Beleuchtung der Abend- und Morgendämmerung, die für sie ja neben der eigentlichen Nacht biologisch bedeutsam ist, ferner für gewisse Tagestunktionen (zum Beispiel das Sonnen der Eulen) eine gewisse Anpassung: ihre schwach gelben Ölkugeln in den Zapfen wiegen den Dunst der Dämmerung auf und mildern die Helligkeit, doch nur so weit, dass ihr nächtliches Sehen darunter nicht leidet. Das bisschen Violett, das hierfür aufgeopfert wird, kommt für ihren Lebensbereich nicht in Betracht. Im übrigen unterscheidet sich das Auge der Nachtvögel ja in manchem anderen noch von dem der Tagvögel (Netzhaut, Sehpurpur, Pupillenspiel usw.). V. Die Probleme des Schildkrötenauges. Das Schildkrötenauge scheint allen Gesetzen der physiologischen Optik Hohn zu sprechen. Dass die Schildkröten mit ihrem reichlichen Besitz an roten Ölkugeln ganz anders gestellt sind wie Schlangen, Eidechsen und Krokodile, denen solche Ölkugeln fehlen, muss befremden, da ihre Lebensweise doch nicht so sehr abweicht. Freilich das Auge der Tagvögel könnte den Schildkren nicht dienen, die ihre grösste Aktivität meistens nachts zeigen, wo die Sicht des Tag- vogels versagt. Ebensowenig käme die Schildkröte mit dem Sehorgan der Nachtvögel aus, denn sie hat im Hellen wichtige Funktionen zu er- füllen und sieht im prallen Sonnenschein vorzüglich, der den Nachtvogel hilflos macht. Warum hat sie aber dann nicht den Sehapparat des Krokodils, das tags und nachts deutlich sieht? Dieses Warum ist eine genetische Frage der Paläbiologie, ein Problem der Schildkrötenherkuntft, Optische Versuche an Vögeln und Schildkröten usw. 113 welches leider trotz der paläontologischen Arbeiten von L. Dollo und C. E. Case noch recht dunkel blieb; einige Konsequenzen werden wir im letzten Abschnitt anführen. Tatsächlich liegt das Auge der Schildkröte in einer ganz anderen Ent- wieklungslinie wie dasjenige der Krokodile, der Eidechsen und der Schlangen. Schildkröten besitzen nur Zapfen, Krokodile auch Stäbchen: den Schildkröten fehlt jeder Sehpurpur, der beim Krokodile so reichlich vorkommt; Schildkröten haben kein Tapetum, während diese rötlich- gelbe Partie hinter der Netzhaut, welche der besseren Ausnutzung geringer Lichtmengen dient, bei Krokodilen gut ausgeprägt ist. Krokodile, zeigen ein dem menschlichen Sehen entsprechendes Pupillenspiel, während die Schildkrötenpupille gleich gross bleibt, ob man das Tier nun vor eine Bogenlampe setzt oder im Dunkeln prüft; zudem ist die Pupille sogar bei den nächtlich lebenden Schildkröten nicht spaltförmig, sondern rund. Das hellste Licht blendet sie nicht, und doch sehen sie bei stark herab- gesetzter Beleuchtung sehr gut, ja sie bemerken in schwachem Licht schon Einzelheiten, welche das kurze Zeit dunkeladaptierte Menschen- auge noch nicht wahrnimmt. Jener merkwürdige, nur bei Sauropsiden vorkommende Mechanismus der Akkommodation, dass die Linsenvorder- fläche sich triehterförmig vorwölbt, ist bei der Schildkröte am stärksten ausgeprägt !); auch findet sich bei ihr ein eigenartiger Muskel am Ciliar- ring. So ähnelt das Auge der Krokodile, Eidechsen und Schlangen eher den menschlichen Bedingungen, während dasjenige der Schildkröte ganz anders angelest ist. Besprechen wir das Tages- und Nachtsehen gesondert. Das Tages- sehen nicht nur der im hellen Sonnenschein lebenden (zum Beispiel der griechischen Schildkröte), sondern auch der ausgesprochen nächtlichen Arten versteht sich leicht: die Zapfennetzhaut ist ja das Organ des Tages- sehens, und Schildkröten besitzen nur Zapfen. Die nächtlichen Arten sehen tags ausnahmslos so gut wie andere Tagestiere; sie haben noch im Sonnenlicht: wichtige Funktionen im Freileben zu verrichten und gewöhnen sich in der Gefangenschaft durchaus an ein Tagleben, zumal die feinhörigen Tiere hier durch Tagesgeräusche immerzu geweckt werden und sie nur nachts Ruhe haben. - Setzen wir uns eine den Ölkugeln des Schildkrötenauges entsprechende orangenfarbene Brille auf, welche alles schädliche Seitenlicht abschliesst, so erleben wir das umgekehrte Purkinje’sche Phänomen: die lang- welligen Lichter hellen sich auf, die kurzwelligen werden dunkler. Warten 1) Man wunderte sich, dass die Wölbungsvermehrung der Linse bei der Würfelnatter so enorm ist, diejenige der Ringelnatter aber minimal, während beide Arten in den Lebensgewohnheiten übereinstimmten. Tat- sächlich ist die Würfelnatter aber vorwiegend Wassertier und. Fisch- fresserin, die Ringelnatter hingegen vornehmlich Landtier und Amphibien- fresserin, so dass das Rätsel sich hieraus von selbst erklärt. Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd. 178. S 114 Hans Henning: wir die Umstimmung des Auges ab, indem wir die Brille im hellen Tageslicht eine Stunde lang aufbehalten, so verändert sich abermals der Eindruck: vor allem wird das ohnehin schon aufgehellte Urrot zum Purpur, das Gelb zum Weiss; die Aufhellung schiebt sich bis ins Blaugrün vor, und das Purpur wird noch heller. Ob Schildkröten zwischen Beleuchtung und Beleuchtetem schon scheiden, wie der Mensch, der Affe und das Huhn, das steht noch aus. Auf alle Fälle ist aber eine gute Orientierung gewährleistet. Im Hinblick auf die roten und gelben Ölkugeln bleibt nur die Frage: sind Schildkröten tagsüber auf eine weitere Fernsicht durch dunstige Atmosphäre oder trübes Wasser angewiesen? Die Antwort kann nur lauten: sie sind auf einen enormen Fernblick durch die dunstige Luft nicht nur angewiesen, sondern — anders wie bei Krokodilen, Eidechsen und Schlangen — wäre ihre ganze Nachkommenschaft ohne diesen Fernblick gefährdet. ‚Jede Schildkröte, auch die nächtlich lebende, vergräbt ihre Eier kunstvoll noch vor Sonnenuntergang und in heller Abenddämmerung, so dass die Suche eines geeigneten Fleckes noch früher erfolgt; dabei stellt sie sehr hohe Anforderungen an den sandigen, pflanzenfreien Ort der Eiablage, der deshalb oft recht weit vom Ufer abliegt. Meeresschildkröten müssen dazu erst ans Ufer schwimmen, ähnlich zum täglichen Sonnen. Dass die Meeresschildkröten, zum Beispiel die Suppenschildkröte, wie Haacke berichtet, ein felsiges und steil aufsteigendes Gestade bevor- zugen, wo eine flache Sandbank dem ungeschickten Tiere doch viel weniger Schwierigkeiten bereiten würde, liest wohl daran, dass hohe Felsen und Erhebungen vom Meere aus weiteren Distanzen zu sichten sind. Während Krokodile sich nur wenige Meter vom Ufer fort ins Land hineinbewegen — meist taucht die Schwanzspitze noch ins Wasser — und während Eidechsen ebensowenig eine Fernsicht benötigen, wandern auch die Wasserschildkröten sehr grosse Strecken landeinwärts, nament- lich bei der erwähnten Eiablage. Und die landlebenden Schildkröten- arten legen ganz gewaltige Märsche zur Wasserstelle zurück. Darwin schreibt, dass die schwarze Riesenschildkröte der Galapagosinseln (Testudo indica oder nigra, auch Elefantenschildkröte genannt) dabei in 2-—-3 Tagen — tags und nachts laufend — gegen acht Meilen zurücklegt, wobei sie in der Stunde etwa 330 m bewältigt. Übrigens hält sie sich dort an die Fussspuren direkter Schildkrötenwege. Bei der Begattung und anderen lebenswichtigen Funktionen spielt das Tagessehen für die nächtlich lebenden Arten ebenso ausschlaggebend mit. Eine Besonderheit liegt darin, dass Meeresschildkröten sich oft mehrere hundert Kilometer vom Ufer entfernt aufhalten!). Diese Angabe von 1) Ältere Berichte über fabelhafte Leistungen der Schildkröten müssten erst nachgeprüft werden. So soll eine Schildkröte bei Ascension gefangen nl m Zr win a7 Re Optische Versuche an Vögeln und Schildkröten usw. 115 Brehm, der ich anfangs skeptisch gegenüberstand, musste ich mir indessen von zoologischen Fachmännern und kritischen Reisenden bestätigen lassen. Als Orientierung vermag der Rheo- und Chemotropismus, welcher die Heringe oder andere Fische lenkt, bei Lederhaut und Panzer nicht zu verfangen. Dass sie immer mit der Flut ans Uier gelangen, hat sich durch Beobachtung nicht bestätigt, im Gegenteil. Auf hoher See fällt ja auch die eventuell orientierende Brandung fort, und in Küstennähe würden sie all den unberechenbaren Komplikationen von Wind- und Strömungswogen zum Opfer fallen, die der erfahrene Lotse ebensowenig wie. die ozeanische Physik durchschauen kann. In zahllosen Fällen würden sie bei der Ebbe abgetrieben, statt ans Land zu schwimmen, und bei der Gezeitenverschiebung müssten sie jeweils später anlangen. Tatsächlich richten sie sich aber nach den Verhältnissen der Sonne. Wie weit dabei optische, wie weit andere Faktoren mitspielen, verdiente wie der ganze Vorgang eine nähere Prüfung. Das Schildkrötenauge ist zum mindesten für die Nähe unter Wasser wie in freier Atmosphäre gleich leistungsfähig. So findet die Suppenschildkröte (Chelone viridis) unter Wasser ihre Nahrung, den Seetang, ebenso leicht, wie sie sich am Lande optisch orientiert. Durch trübe und wässerige Medien sieht der Mensch mit einer rötlichen Brille seinerseits bekanntlich auch besser. | Von den Süsswasserschildkröten leben die einen Arten im Schlamm (wie ja alle das schlammige Wasser dem klaren Fluss oder Teich vor- ziehen), wo wir wieder auf das trübe Medium stossen. Die anderen kreisen am Wasserspiegel und spähen ununterbrochen auf den Grund nach Beute, weshalb sie die ‚Adler des Wassers‘ genannt werden; die Ähn- lichkeit ist ja auch frappant. Mit roten Gläsern sah ich selbst im gleichen Fall besser als mit freiem Auge. Krokodile, Schlangen und Eidechsen zeigen diese Lebensweise nicht. Drittens können Schildkröten ihr Lieblingsklima, die feuchte Treib- hausluit oder die tropische Regenzeit, wo sie erst richtig aktiv werden und weit umherwandern, ungestraft geniessen, weil sie kraft der roten Ölkugeln auch die trübe wasserhaltige Luft durchblieken. Sehr viele Arten (darunter Süsswasserschildkröten) verschwinden schon blitzschnell im Wasser, sobald ein Mensch sich erst in grosser Entfernung nähert. Alligatoren und Eidechsen haben diese weite Fernsicht nicht. Schliesslich sind die zahlreichen sogenannten ‚„Landschildkröten‘“ fast alle vorwiegend Wassertiere, und die übrigen bevorzugen — ohne das worden und mit eingebrannten Zeichen im Kanal wieder ausgesetzt sein; zwei Jahre darauf soll sie wieder bei Ascension gesehen worden sein. Übrigens werden solche Begebnisse auch für andere Tiere gemeldet, z. B. für einen Esel, der durch 200 Seemeilen wieder nach Gibraltar zurückfand. Ich möchte dem in dieser Form keinen Glauben schenken. 8* 116 ‚Hans Henning: Wasser zu meiden — eine feuchtwarme Luft, wo die roten Ölkugeln wieder angebracht sind. Wohl nur die griechische Schildkröte und ihre Verwandten lieben die Dürre, sie schen aber durch den irdischen Dunst über der Sandfläche enorm viel weiter als die Eidechsen im gleichen Fali. Als echte Landschildkröten können nur die Testudo-Arten gelten, welche wohl eine gemeinsame Stammform besitzen, und die Riesen- schildkröte. Von der letzteren berichtet Darwin aber, dass sie gern im Schlamme wühlt, dass sie beim Trinken die Augen unter Wasser hält, und dass sie Wasser sowie ein feuchtwarmes Klima liebt. Es kann kein Zufall sein, dass die lebenswichtigen Funktionen der Schildkröten in derjenigen Beleuchtung erfolgen, in welcher sie auf Grund der roten Ölkugeln am besten sehen. Diese gestatten es ja auch, in feuchtem Abenddunst das Licht der untergehenden Senne bei der Verrichtung der Eiablage usw. besser auszunutzen, und sie ermöglichen es, in freier Luft wie unter Wasser für die Nähe gleich gut zu sehen, Nun das Nachtsehen. Gewiss werden manche Arten mit Recht „nächtlich lebend“ genannt, allein abgesehen von der Eiablage, der Begattung, dem Ufersuchen usw. jagen typische Nachttiere nicht selten tagsüber, die amerikanische Schnappschildkröte (Chelydra serpentia) im Wasser beispielsweise Enten. Oder das nächtliche Tier sonnt sich tagsüber, wobei es auf leise Geräusche oder optische Bewegungsreize sofort reagiert. Dass sein Nachtleben nicht optisch fundiert ist, sehen wir daran: in der gleichmässigen Temperatur der Gefangenschaft leben die nächtlichen Tiere sehr häufig tags und schlafen nachts; eine Liehtscheu käme auch wegen der fehlenden Blendung nicht in Betracht. Experimentelle Studien an Schildkröten liegen nur in ganz geringer Anzahl vor. Newman!) beschrieb die Gewohnheiten der amerikanischen Sumpfschildkröte Chrysemys marginata. Casteel?) stellte an. dieser Art Versuche mit dem Kasten von Yerkes an. Die Tiere hatten unter zwei Wegen zum Futter den einen zu wählen, während das Begehen des zweiten mit einem elektrischen Schlag bestraft wurde. Die beiden Wege unterschieden sich in optischer Weise: 1. der eine war schwarz, der andere weiss; 2. beide waren mit einer verschiedenen Stern- form (weiss auf schwarz) versehen; 3. der rechte und der linke Weg waren mit schwarzweissen Streifen von verschiedener Breite (1, 2, 3, 4 und 8 mm) belegt; 4. beide Wege trugen ein gleiches Streifenmuster, aber einmal längs, das andere Mal quer. Im ganzen zeigten sich un- geheure individuelle Unterschiede. Die Stiftung der Assoziation zwischen dem optischen Reiz, dem Futter und der Elektrisierung gelang für die 1) H.H. Newman, The Habits of Oertain Tortoises. Journ. of Comp- Neurol. and Psychol. p. 16 (2). 1906. 2)D. B. Casteel, Discrimination Ability of the Turtle. Journ. of Animal Behavior t. 1, p. 1—28. 1911. Optische Versuche an Vögeln und Schildkröten usw. 117 Sternformen gar nicht; in den anderen Anordnungen brauchte der Lern- “vorgang sehr viele Wiederholungen. Die Stiftung der Assoziation beweist natürlich für das Sehen gar nichts, denn der Hund war in den Experi- menten der Pawlow’schen Schule entweder überhaupt nicht auf ein- fache Formen zu dressieren, oder günstigstenfalls war eine Dressurzeit von 6 Monaten dazu nötig (Orbeli), und trotzdem besitzt der Hund eine gute Sehschärfe. Ebenso lässt sich aus dem negativen Ergebnis mit den Sternformen nicht schliessen, dass die Schildkröte keine Formen unterscheiden kann, denn sie tut dies ja bei ihrer Nahrungssuche, wo solche botanische Formunterschiede vorhanden sind. Vielmehr bildet der Dressurversuch hier keine adäquate Beeinflussung; auch ist optisches Unterscheiden ganz etwas anderes wie die Fähigkeit, diese optischen Reize mit anderen Umständen zu assoziieren, wie sich das schon aus . den palä- und neencephalen Bedingungen von selbst versteht. In ad- äquaten Versuchen lernt die Schildkröte hingegen nicht schwerer wie die Ratte oder der Hund. So lernt sie sehr rasch, sich aus einem Labyrinth herauszufinden, wie Yerkes!) zeigte. Im übrigen sind wir auf die An- gaben von Reisenden angewiesen, die Brehm zusammenstellte. Nach der herrschenden Theorie sind die Zapfen der Hellapparat für die farbige Wahrnehmung im Tageslicht, die Stäbchen mit dem Seh- purpur aber der Dämmerungsapparat für das lediglich schwarzweisse Sehen bei ganz schwachem Licht (Duplizitätstheorie). Wegen des völligen Mangels an Sehpurpur müssten die Schildkröten also nachtblind sein, und wegen des gänzlichen Fehlens der Stäbchen dürften sie nachts nichts sehen. Sie sehen nachts aber ausgezeichnet und unterscheiden Pilze, Pflanzenteile, Würmer, Insekten usw. Ebensowenig kommt das überall [auch für das stäbchenarme Auge des Huhnes ?)] gültige Purkinje’sche Phänomen, nämlich die Aufhellung der kurzwelligen auf Kosten der langwelligen Lichter in Betracht, weil die roten Ölkugeln ja die kurz- welligen Strahlen absorbieren. Dies hat Hess?) ausserdem durch Ex- perimente an dunkeladaptierten Schildkröten erhärtet; die Schildkröte sieht das blaue Futter, selbst in 200mal grösserer Lichtstärke als der Mensch sie braucht, noch nicht, und solche Lichtstärken kommen nachts nicht vor. Lässt sich diese Schwierigkeit nicht beheben, dann ist die Duplizitätstheorie falsch. Die Erklärung des nächtlichen Sehens von Schildkröten muss sich also auf ein Sehen stützen, für welches das Purkinje’sche Phänomen U) R.M. Yerkes, The Formation of Habits in the Turtle. Pop. Sci. Mo. t. 58 p. 519. 1901. 2) Das Huhn hat nur Spuren Sehpurpur, Falken und Bussarde aber viel mehr. ‘3) a. a. 0. S. 584f. — Vergl. Untersuchungen über den Lichtsinn bei Reptilien und Amphibien. Pflüger’s Arch. f. d. ges. Physiol. Bd. 132, S. 255—295. 1910. 118 Hans Henning: nicht gilt, und welches allein mit Zapfen sowie mit rotgelben Ölkugeln vollzogen wird. Diese Bedingungen finden sich nun restlos im gelben Fleck des menschlichen Auges verwirklicht; hier fehlt das Purkinje’sche Phänomen, hier gibt es keine Stäbchen und darum kein Dämmerungssehen, sondern wegen des alleinigen Vorkommens von Zapfen nur farbiges Tagessehen; ja statt der roten und gelben Öl- kugeln der Schildkröte besitzt der Mensch hier ein gelbes Pigment. Die gesamte Netzhaut der Schildkröte ist also mit dem gelben Fleck des menschlichen Auges identisch. Bekanntlich wird die Beleuchtungsstärke, die Beleuchtungsqualität sowie die Berücksichtigung von Dunst und Nebel in höherem Grade von der Netzhautperipherie vermittelt als vom gelben Fleck; da das Schildkrötenauge den Dunst tadellos durch- dringt, braucht es keine Berücksichtigung der Dunstwirkung. Freilich ist der gelbe Fleck bei uns am Tage wohl die Stelle des deutlichsten Sehens, allein nachts ist er unempfindlich. Wir werden deshalb erwarten, dass die Schildkröte (welche anders wie wir, wie das Krokodil, die Eidechse und Schlange keinen nächtlichen Stäbchenapparat mit Sehpurpur differen- zierte) an Stelle dessen eins etwas grössere Empfindlichkeit des alleinigen Zapfenapparates spezialisierte. Das ist nun in der Tat der Fall. Bei plötzlich herabgesetzter Beleuchtung gewahrt sie trotz der Ölkugeln noch Einzelheiten, welche der Mensch erst nach längerer Dunkeladaptation wahrnimmt. Dass sie uns nicht noch mehr im Tages- sehen übertrifft, liegt daran, dass wir die grünblauen, blauen und violetten Lichter besser ausnutzen, welche von den roten Ölkugeln des Schild- krötenauges absorbiert werden. Im Dunste, wo es auf die langwelligen Lichter ankommt, tritt der Vorzug der Schildkröte jedoch gleich wieder stark hervor. Das rote Filter bedingt, wie erwähnt, ein umgekehrtes Purkinje’sches Phänomen, wobei die langwelligen Lichter sich auf- hellen; danach sieht die Schildkröte solche Strahlungen eher. Ausserdem wiesen Katz und Revesz in ihren Versuchen am Kauz schon darauf hin, dass der Gegensatz zwischen Stäbchensehen und Zapfen- sehen nicht so krass und ausgeprägt ist, wie man früher annahm '). Damit erklärt sich das Schildkrötenauge, und die Duplizitätstheorie behält ihre wesentliche Gültigkeit. Zwei weitere Probleme tauchen aber auf: wenn die gesamte Netzhaut der Schildkröte mit unserem gelben Fleck identisch ist, wie steht es dann mit ihrer-peripheren Sehschärfe ? Diese Frage wird experimentell im Frankfurter Zoologischen Garten weiter verfolgt. Und zweitens: wenn die roten und gelben Ölkugeln dazu bestimmt sind, durch Ausnutzung der langwelligen Lichter ein schärferes Bild in dunstiger Atmosphäre zu ermöglichen, so wird man vermuten dürfen, dass das gelbe Pigment im menschlichen Auge 1) D. Katz und G. R&vesz, Ein Beitrag zur Kenntnis des Lichtsinns der Nachtvögel. Zeitschr. f. Sinnesphysiol. Bd. 48, S. 170. 1914. Optische Versuche an Vögeln und Schildkröten usw. 119 ebenfalls geeignet ist, durch Absorption des blauen Dunstes ein schärferes Bild bei trüber Luft (in veränderter scheinbarer Grösse) zu vermitteln, wie dies genau so für den Gelbfilter der photographischen Kamera gilt. Diese letztere Frage liess sich experimentell dahin entscheiden, dass wir mit dem gelben Fleck tatsächlich besser durch den Dunst und trübe Luft hindurchsehen als parazentral, worüber ich andernorts berichte. Dass das überaus wichtige Problem noch nicht gelöst ist, in welcher scheinbaren Grösse die Schildkröte die Dinge der Aussenwelt sieht, wurde oben schon betont. / v1 Versuche an Schildkröten. Zunächst wurden ergänzende Nachprüfungen durchgeführt an den taglebenden Arten: griechische (Testudo graeca), maurische (Testudo ibera) und Horsfieldsche Schildkröte (Testudo Horsfieldi) der eher nacht- lebenden Teichschildkröte (Emys orbieularis) und der Klappschildkröte (Cinosternum pennsylvanicum), sowie an der ausgesprochen nächtlichen Dosenschildkröte (Cistudo Carolina). 1. Die Farbenempfindlichkeit wurde mit Spektrallichtern, Farb- gläsern, Gelatineplatten sowie mit bunten Lösungen kontrolliert. Im letzteren Fall war eine planparallele Küvette in das Aquarium oder Terrarium vor das zu erblickende Objekt gestellt; die Ränder der Küvette waren mit Tuffstein verkleidet. Als Absorptionslösung, welche die blauen Strahlen auslöscht, diente Pikrinsäure und Eisenchlorid, zur Absorption von Rot eine Lösung von schwefelsaurem Kupferoxyd-Ammoniak ; schliess- lich verwendeten wir konzentriertes Kupferchlorid und Nickelchlorür, welche nur grüne und srünblaue Strahlen durchlassen. Natürlich wurde die Absorption jeweils vorher gemessen, da sie sich mit der Konzentration ändert. Infolge ihrer Gefrässigkeit war eine Klappschildkröte so fett geworden, dass ihr Fleisch überall aus dem Panzer quoll und sie den Kopf nicht mehr ganz zurückziehen konnte. An ihr gelangen einige Experimente, in denen sie gefärbte Häutchen über die Augen geklebt bekommen hatte. Der Ausgang aller Versuche deckte sich mit den Er- sebnissen von Hess und dem oben Gesagten, was keiner näheren Aus- führung: bedarf. 2. Das Sehen im Nebel prüften wir in einem Terrarium, welches aus mehreren Rohren mit Wasserdampf beschickt wurde; das an einem Fädehen hereinhängende Futter bewegten wir nötigenfalls. Da sich keine genauen Messungen über die Optik des Wasserdampfes ausführen lassen, hielt der Beobachter eine schwarze Pappröhre dicht über den Kopf der Schildkröte, wobei das Papprohr infolge der Konstellation des Tuffsteines von der Schildkröte nicht bemerkt werden konnte, so dass jede Störung des Tieres fortfällt. Beobachter und Schildkröte be- trachten das Futter also unter genau gleichen optischen Umständen. 120 Hans Henning: Allemal schnappte die Schildkröte schon, resp. sie eilte auf das Futter los, wenn das unbewaffnete menschliche Auge den Wurm oder anderes Futter noch nicht sah. 3. Analoge Versuche stellten wir schliesslich mit künstlichem Nebelin folgender Weise an. Setzt man das Tier auf einen hohen Tisch, auf einen Pfosten oder auf das Terrariumbäumchen, so befreit es sich, indem es sich herunterfallen lässt. Dabei beobachtet die Schildkröte, das Gelände aber ganz genau; Tschermak bemerkte schon, dass sie immer länger beim Herabspringen von einem verstellbaren Tisch zögert, je höher man die Platte stellt !). Ausserdem nutzt sie alles aus, was den Fall mildern könnte; so lässt sie sich nicht auf den Boden, sondern auf den Stuhl fallen, oder sie sucht das Bein des Experimentators und andere Gegenstände zu treffen, die höher als der Boden gelegen sind. Dieser Versuch lässt sich oftmals hintereinander wiederholen. In Wasserdampf und durch künstliche Nebel (im letzteren Fall waren bei herabgesetzter Beleuchtung alle nach oben gehenden Lichtreflexe ausgeschaltet) sah die Schildkröte die Gegenstände früher als das menschliche Auge, und sie liess sich immer nur in derjenigen Richtung fallen, in welcher der Schemel stand. Eine geringfügige rote Beleuchtung verbesserte die Erkennung wesentlich, eine blaue änderte nichts. VII. Der Entstehungsgrund der Ölkugeln. In nebliger Luft zeichnet nicht nur die photographische Platte mit Rotfilter besser, sondern auch das Sauropsidenauge sieht dann mit einem roten Filter schärfer. Zudem beugen die kleinen Wasserteilchen der Atmosphäre das an sich eher weisslichgelbe Licht der Sonne zu hellerem oder tieferem Rot, wie wir das beim Morgen- und Abendrot am deutlichsten erleben; es ist dann objektiv mehr rotes Licht da. | Es dürfte bekannt sein, welche ungeheure Rolle die roten Strahlen früher gespielt haben. Vor den Eiszeiten befand sich alle jetzt fossile Kohle noch als Kohlensäure in der Luft, und Kohlensäure verhindert nicht nur die Wärmeausstrahlung der Erde, sondern sie absorbiert auch bestimmte Strahlungsgattungen, die von der Sonne kommen. Zumal unser Planet eine höhere Eigentemperatür besass, war die Atmosphäre damals dunstig und dampfig; ihr höherer Wassergehalt ist auch durch Tatsachen ‘der Geologie und Paläontologie gesichert. Es langten damals also wesentlich nur die roten Strahlen der Sonne an die Erde. Die ersten Lebewesen konnten die Sonnenenergie nur ausnutzen, das heisst aber existieren, sofern sie die roten Strahlen DeAıye Tschermak, Wie die Tiere sehen, verglichen mit dem Menschen. Vortr. d. Vereins z. Verbreit. naturw. Kenntn. in Wien Bd. 54 (13), S. 79. 1914. IF rl Optische Versuche an Vögeln und Sehildkröten usw. 121 absorbierten. Dazu mussten sie selber die Komplementärfarbe des rötlichen Lichtes besitzen, und aus diesem Grunde sind die Pflanzen grün. Mit den veränderten Bedingungen der Atmosphäre wie der Temperatur nach den Eiszeiten würde Schwarz die Sonnenenergie besser verwerten, allein die Pflanzen waren in ihrem Haushalt nun einmal auf bescheidenere Verhältnisse, nicht auf die maximale Leistung eingerichtet. In der Zeit der Saurier war die Atmosphäre immer noch eine dunstige und feuchte Treibhausluft mit starkem Wasser- und Kohlen- säuregehalt; hier waren die roten Filter zur Durchdringung der trüben Atmosphäre’ eine Lebensnotwendigkeit. In dieser Periode musste das Saurierauge rote Ölkügelchen besitzen, und zwar tiefer rote, als wir sie heute an Sauropsiden vorfinden. Auf anderem Wege war keine Sicht möglich. Nach der Glazialzeit änderten sich die Verhältnisse, wie wir aus der Geologie und Paläontologie erfahren: die Kohlenlager hatten sich gebildet, die Atmosphäre wurde wasserärmer sowie kühler, und damit nicht nur klarer, sendern auch durchlässiger für die kurzwelligen Sonnenstrahlen. Diesem grundsätzlichen Wechsel konnte das tierische ‚ Auge auf verschiedenen Wegen der Anpassung Rechnung tragen. Erstens konnten die Ölkugeln sich allmählich, mit den atmosphärischen Verhältnissen Schritt haltend, entfärben, und tatsächlich finden wir bei Amphibien und Fischen ganz farblose oder doch nur zum Teil minimal gefärbte Ölkugeln, deren Rolle bisher nicht zu deuten war. Zweitens mochten durch Umbildung die Bedingungen des menschlichen Auges entstehen, die wir an Krokodilen, Schlangen, Eidechsen, in geringerem Ausmaass auch bei Tagvögeln antreffen. Dabei mussten zu den Zapfen noch Stäbchen mit Sehpurpur hinzutreten. Drittens — und dies ist der Weg der Schildkröte — konnte die reine Zapfen- netzhaut ihre Ölkugeln vom tieferen Rot durch Zusatz gelber Ölkugeln zu einem helleren orangefarbenen Filter umgestalten; gegebenen- falls musste die Empfindlichkeit der Zapfen sich noch steigern, sofern die Sehkraft für das Nachtsehen nicht ohnehin ausreichte. Dabei _ ergibt sich ein Sehen, welches für die Nähe ohne srösse Umstimmung ebenso im Wasser wie in der Luft leistungsfähig ist. Diejenigen Saurier, welche keinen dieser drei Wege der Um- bildung begehen konnten, mussten mit zunehmender Klärung der Atmosphäre schlechter sehen, denn das ihnen zugängliche rote Licht trat objektiv zurück, und das neue kurzwellige Licht wird von ihren roten Ölkugeln absorbiert; sie mussten schliesslich aussterben. Hier fügen sich die merkwürdigen Verhältnisse der Akkommodation ein: Vorwölbung nicht der ganzen Linse, sondern nur des Mittelstückes in der Umgebung des vorderen Pols, wobei ein besonderer Muskel 122 . - Hans Henning: in Aktion tritt, wie wir schon erwähnten. Diese nur im Sauropsiden- auge vorkommende Einstellung eignet sich für das Sehen in trübem Dunst vorzüglich. Dass Schildkröten, die auch sonst als sehr alten Ursprungs bezeichnet werden, sie am ausgeprägtesten zeigen, ist nicht nur eine Parallele zu ihrem Farbensehen, sondern wir dürfen es als weitere Stütze unserer genetischen Kennzeichnung buchen. Es sei auch auf den merkwürdigen Sklerotikalring am Auge des Archaeopteryx hingewiesen, der mit einem solchen Akkommodationsmechanismus zü- sammenhänst. Zusammenfassung. 1. Die Farbensinnprüfungen an verschiedenen Vogel und Schild- krötenarten bestätigen die Angaben von Hess, dass die kurzwellisen Lichter nicht gesehen werden. 2. Die entgegenstehenden Versuche von Erna Hahn werden damit in Einklang gebracht. 3. Die Bedeutung der roten Ölkugeln im Sauropsidenauge liegt darin, dass alle Lebewesen im roten Lichte besser durch den Dunst, durch trübe Medien, Nebel und Flüssigkeiten hindurchsehen; sie ge- währleisten eine beträchtlich weitere Fernsicht sowie ein deutlicheres Sehen unter solchen Umständen. Das gilt auch für das mit rotem Glas bewaffnete menschliche Auge, für Personen mit Trübungen der durchsichtigen Medien im Ei für die photographische Platte und andere Verhältnisse. 4. Verschiedene Versuche an zahlreichen Vogelarten belegen, dass sie dem Menschen infolge ihrer roten und gelben Ölkugeln im Sehen unter den genannten Bedingungen überlegen sind. Dasselbe Er- gebnis zeigte sich in mehreren Reihen mit Alpendohlen und Brief- en h . Das wichtige Problem, in welcher scheinbaren Grösse die Vögel bei er Fernsicht die Dinge seien, erfordert eine eingehende Nach- forschung. 6. Wie die Tagvögel durch die Beschaffenheit der Ölkugeln an ihre Umwelt und Lebensbedinsungen angepasst sind, so auch die Nachtvögel mit ihren andersartigen Ölkugeln. 7. Anders wie Krokodile, Schlangen und Eidechsen sind Schild- kröten in verschiedener Hinsicht auf eine Fernsicht angewiesen. Die lebenswichtigen Funktionen aller Arten erfolgen im Licht der sich neigenden Sonne, deren rotgelbes Licht durch ihre mit roten Ölkugeln versehenen Augen am besten ausgenutzt wird. Aus demselben Grunde sehen sie für die Nähe im Wasser und in der Luft gleichgut. 8. Die gesamte Netzhaut der Schildkröte verhält sich wie der selbe Fleck des menschlichen Auges. Die Duplizitätstheorie des Sehens Optische Versuche an Vögeln und Schildkröten usw. 123 wird nicht mehr durch die optischen Verhältnisse der Schildkröte widerlegt, sofern diese etwas empfindlichere Zapfen hat als der Mensch. 9. Verschiedene Versuchsreihen an mehreren Schildkrötenarten belegen, dass die Schildkröte den Menschen an Sehschärfe in Dunst, “trüben Medien usw. übertrifft. 10. Zur Saurierzeit war die feuchtwarme Atmosphäre reicher an Wasserdunst; aus diesen optischen Verhältnissen erklärt sich sowohl der merkwürdige Akkommodationsmechanismus des Sauropsidenauges, als die Differenzierung der roten und gelben Ölkugeln, welche unter derartigen atmosphärischen Umständen das Licht viel besser aus- nützen. 11. Mit der Änderung der Atmosphäre nach der Eiszeit entfärbten ‘sich die Ölkugeln mancher Arten ganz in Anpassung an die neuen optischen Verhältnisse, woraus sich die farblosen Ölkugeln der Eidechsen, der Amphibien usw. erklären. Diejenigen Sauropsiden, welche auch unter den reuen Verhältnissen in bestimmtem Ausmaass noch auf eine Fernsicht durch trübe Medien angewiesen sind (Vögel), behielten das Prinzip der farbigen Ölkugeln bei; Zahl und Färbung der Ölkugeln differenzierte sich den neuen Verhältnissen entsprechend, welchen auch durch Stäbchenapparat mit Sehpurpur für das Dämmerungssehen Rechnung getragen wird. Schildkröten, die auch sonst die alte Art _ am ehesten bewahren, besitzen eine Netzhaut, welche als ganze dem gelben Fleck im menschlichen Auge gleicht; hinreichende Empfind- lichkeit und die Erscheinung des umgekehrten Purkinje’schen Phä- nomens machen die guten Sehleistungen ihres mit Rotfilter versehenen _ Auges begreiflich. — Saurier, welche keinen dieser drei Wege bei der atmosphärischen Änderung begingen, mussten wegen schlechten Seh- vermögens aussterben. 12. Der gelbe Fleck im menschlichen Auge dient derselben Funktion wie die roten und gelben Ölkugeln im Sauropsidenange. Über die Unabhängigkeit der Labyrinthreflexe vom Kleinhirn und über die Lage der Zentren für die Labyrinthreflexe im Hirnstamm. Von A. de Kleijn und R. Magnus. (Aus dem pharmakologischen Institut der Reichsuniversität Utrecht.) Mit6 Textabbildungen. (Eingegangen am 17. Juli TI) Inhalt. Seite Li@Einleittunegeeme en... ul lt ee a ee 124 II. Versuchsmethoden und anatomische Kontrollen. ........ 125 2) O peraionsmethoden .-...f. A. ae Eee 125 b) Die verschiedenen Labyrinthreflexe und die Methoden zu ihrer UDO REN I> q®L Über die Unabhängigkeit der Labyrinthreflexe vom Kleinhirn usw. 157 ‘yuu91oSge SIPURISIJOA AUTO 4y9eyJur sJgresıopıoq uvouyeg uoepu9osurıdsıuoa uoudoay-SsıIogroq UEep Sn®e Hr] 'ıo9sıoz Sungnfg yoınp [re] nz uouyegg uoIypunyos uoTEIo UEFLIOJEFNZ orp "uowmouasseNn (UIOSEFSLIETNITISO \ TOTBWIXoId 1oFTuem ouyeu -SNY JIUL gYOToJfoTA) STPUBISTJOA J9T1yuTosnAByyQ AoyurT Yyeyur uouıoy pun uauyeg ueJe14U9z uoffe Jgrw snA®I -A0 194y99Yg Tesnyıoıy u9APpIoA dIp yoanp ZunıoLLgo1szag TI doetg :CHEFL So 's) aopguım yaınp u9LLasIITuyog uw Sunyonsıayu]) ogıpurysjon "TI6T "285 8 66T PE YOIy Saoanıygq "day 'Yuu91499% SIPURISI[JOA UAyULOI My “usgpTuy9s03FoM M9IOINOAT SnEJonN "UOIITUYOSITSOM JIO], uOTeLOIR] UIOA SEMIO ISISAYUI] ‘INBYUT SIy99L IIIA SITesaop snoponN "ueygruyoasoed -S9M SBMI9 [EL UOISIOIO WOA IST SYUI ‘Ayeyur zued SIyDA.L Saoyrol] snoponN 'INeJur SYIOSIapTag HuULONUAAIO pun -prozederg, ‘Sunadsan WOUIOS JULBS SUSPU9NSOP SIHJTOLT SNIO@L]L, 'IITA 'N SUPpu9osop xıpexy “IIIA N SIe1yuoA snopon N "wnor4sno® wnjn9dogn J, IyLIyurosnARgyNg) I dowig :CHGER 'S '0 8) LOINUrM yoınp uerIesgyTuyag uw Sunyansıoaygu N 9Sıpurgsfon TI6L Pro 'S 681 PA 'yaLy Saosnıza day ‘(snuseN) yaanpury wmnoNsnoe wınmnoaseqn], Sep yoınp YYLıyurssnAwgyg wop JoA wu [ SIyoor ‘ILIYUTOSNABING WEP J0oA wm zZ Syur ‘oforsuary -uOpy7] Top uoFdumgg uop aayur SITOSIEPIOg Iyo3 gyruyasperuozT "uogvagogge Afarysuntyurot?] 209p opoyuy odejjnpowergxsy 'uLoF}Uo SıpurgspfoaA UAyUIOIM a a ee er er Et (snusep) wnoTNSNoB winTnodsgqn], Sep yoanp g4LyUoSnAwINg wop J0oA wur [. syum ‘ww 3 s4y091 9405 ggruyosjeguoa]T doc ‘yuuoajyoınp SOqnıSusIneN Top Ne9ALN wr neuos ofemsunyuropy]) ‘Tordarnszo SıpurgsjfoA uxyuropsg + + + + ar | |+| &6 JYTIYUTOSNnA ro LEN JOoA Yyaıp JMUYOS1LONN) | 34 yLayurosnA Ed BE 0A YUOIp Yyruyasıond yuuoayyp.np snAw4yOQ "I LT JILIFUIOSNA -w9310 op A0A FydIp ynugosıond) vr 158 A. de Kleijn und R. Magnus: b) Zweite Versuehsreihe (dezerebrierte Kaninchen, Versuche von de Kleijn). Bei drei Kaninchen wurde nach dem Dezerebrieren das Kleinhirn exstirpiert. Bei einem dieser Tiere wurde ausserdem noch der rechte Oktavus durchschnitten. Das Ergebnis war folgendes: Tabelle II. Versuche an dezerebrierten Kaninchen mit nachfolgender Kleinhirn- exstirpation. SR >) O4 ı K en Kopf- Kopf- Zusatz- Emoss I A © ae 3 Eee dreh- En Sektion N nomss . a e 33825 [reaktion] "°° Er reaktion gt . + | Dezerebrierung zwischen vor- | deren und hinteren Vierhügeln. Kleinhirn völlig entfernt, ausser ganz kleinen Flocceulus- stückchen an den Oktavis. Oktavi intakt. 2 + | a | 1 | Wie bei Nr. 1. 3| BRechts- + nicht nicht Wie bei Nr.1. Links ein kleines seitige Ok- geprüft | geprüft | Stückchen Flocculus am Ok- tavusdurch- tavuseintritt. Rechts ist der schneidung Oktavus dicht an der Medulla Zusammenfassung. Bei dezerebrierten Kaninchen lässt sich nach Exstirpation des Kleinhirns (wobei die stehengebliebenen Flocculus- reste wahrscheinlich nicht mehr in funktioneller Verbindung mit der Oblongata geblieben sind) die Kopfdrehreaktion, die Kopfdrehnach- reaktion und die nach einseitiger Oktavusdurchschneidung auftretende Kopfdrehung und -wendung unverändert nachweisen. abgeschnitten. c) Dritte Versuchsreihe (dezerebrierte Kaninchen, Querschnitt dicht vor dem Oktavuseintritt, Versuche von de Kleijn). Bei drei Kaninchen wurde nach dem Dezerebrieren das Kleinhirn exstirpiert und darauf ein Frontalschnitt durch die Oblongata dicht vor dem Eintritt der Oktavi gemacht. In Versuch 1 und 2 wurde ausserdem gleich der rechte Oktavus durchgeschnitten, während in Versuch 3 erst die tonischen Labyrinthreflexe und die Dreh- reaktionen des Kopfes untersucht wurden und erst am Schluss des Versuches der rechte Oktavus durchtrennt wurde. Das Präparat von Versuch 3 wurde von Professor Winkler an Schnittserien untersucht (vgl. oben S. 153, Präparat IV). Über die Unabhängigkeit der Labyrinthreflexe vom Kleinhirn usw. 159 Tabelle III. Versuche an Kaninchen, denen nach Kleinhirnexstirpation die Oblongata dicht vor dem Oktavuseintritt quer durchtrennt wurde. Ü = s = ı Er: Kopf- | = EEE 0.7 Basen u| Zusatz- 5 5 | Kopfdreh- dreh- | = Seleio j @| operation | Ss£ | reaktion | nach- = Bass Son 337 reaktion | 93322 Ss = = & 22 Durch. + | Bei Drehen | Zweitel- + Frontalschnitt durch schneidung; |(beider-| nach links haft die Oblongata dicht des rechten | seits) + vor dem Oktavus- Oktavus im Bei Drehen eintritt. Kleinhirn Beginn des nach rechts vollständig exstir- Versuches — piert bis auf ein D. i. typi- kleines Flocculus- sches Ver- stückchen a. linken halten nach Oktavus. rechtsseiti- gerOktavus- | | durch- | schneidung | | 2| Durch- 25 nicht ge- nicht + \Wiesbe. Nr. schneidung; }(beider- prüft geprüft | des rechten ! seits) Oktavus im Beginn des Versuches 3| Rechts- | = | S- — schwach | Untersuchung an seitige Ok- (beiderseits)| (beider- - Schnittserien durch tavusdurch- seits) Winkler(s. 0.8.153, schneidung = Präparat IV). am Ende | Frontalschnitt durch des Ver- die Oblongata zwi- suches schen Trapezoid u. Brücke. Deiters- sche u. Bechterew- sche Kerne beider- seits intakt. Linker Oktavuseintritt in- takt.Faseiculuslon- gitudinalis poste- rior beiderseits teil- weise durch Blu- tung zerstört. Kleinhirn samt Kleinhirnkernen vollständig abge- trennt. 160 A. de Kleijn und R. Magnus: Zusammenfassung. Bei dezerebrierten Kaninchen lassen sich nach Exstirpation des Kleinhirns einschliesslich der Kleinhirnkerne und nach einem Frontalschnitt durch die Oblongata dicht vor dem Eintritt der Oktavi die tonischen Labyrinthreflexe auf die Extremi- täten sowie die Kopfdrehreaktion und Kopfdrehnachreaktion nach- weisen. Nach einseitiger Oktavusdurchschneidung erfolgt die typische Kopfdrehung und -wendung nach der operierten Seite, die tonischen Labyrinthreflexe sind an den Gliedmaassen beider Körperseiten noch nachweisbar, und die Kopfdrehreaktion verhält sich bei Drehen nach rechts und links, wie bei intakten Tieren nach einseitiger Labyrinth- exstirpation. Die tonischen Labyrinthreflexe auf die Glieder und die Kopfdrehreaktion und Kopfdrehnachreaktion sind auch nach teilweiser Zerstörung des hinteren Längsbündels noch erhalten. d) Vierte Versuchsreihe (Thalamuskaninchen, Versuche von de Kleijn). Bei vier Kaninchen wurden die Grosshirnhemisphären vor den Thalamis exstirpiert, um die Labyrinthreflexe auf die Augen unter- suchen zu können, und darauf das Kleinhirn fortgenommen. Am Schluss des Versuches wurde bei drei Kaninchen ein Oktavus durch- trennt, bei einem Kaninchen wurde ausserdem ein Frontalschnitt durch die Oblongata dieht vor dem Oktavuseintritt gemacht. Drei Präparate dieser Versuchsreihe wurden durch Professor Winkler untersucht, der dieselben in dünne Scheiben geschnitten und be- schrieben hat. (Siehe Tabelle IV S. 161.) Sektionsergebnisse der Versuche von Tabelle IV: Nr. 1 (Bericht von Prof. Winkler): Links steht am Oktavuseintritt ein kleines Stückchen Flocculus, das möglicherweise nochin physiologischer Verbindung mit der Oblongata steht. Rechts ist der Flocceulus vollständig entfernt. Links oberhalb des Bindearmes liegt ein kleines Stückchen Oerebellum vollständig lose und in keinerlei Ver- bindung mit dem Hirnstamm. DBeiderseits sind die Corpora quadrigemina postica abgeschnitten, rechts ist das Tegmentum blutig imbibiert; die Oor- pora quadrigemina anteriora sind durch Blutungen zerstört. Die Grosshirn- hermisphären sind beiderseits völlig exstirpiert. An beiden Seiten geht der Schnitt durch den Thalamus. Rechts findet sich im Thalamus eine grosse Blutung. Nr. 2: Das Kleinhirn ist vollständig entfernt, nur links ist ein Stück Floceulus stehen geblieben, das grösser ist als bei den anderen Präparaten. Nr. 3 (Bericht von Prof. Winkler): An der Basis des distalen Endes des vierten Ventrikels ist der Boden zerstört, rechts bis in die For- matio reticularis durchdringend. Auf dem zerstörten Boden liegen einige Kleinhirnlamellen ganz frei und nicht mit dem Hirnstamm verbunden. Links und rechts stehen am Oktavuseintritt einige kleine Floceuluslamellen. Diephysiologische Verbindung derselben mit derOÖblongataistabervölligaufgehoben. Links ist das Corpus Über die Unabhängigkeit der Labyrinthreflexe vom Kleinhirn usw. 161 | "LOUORMUYOS uejin | | SIy99AL Su2TS | | | et | tesa tet veSepea] +syrostoprg | '006 SHOSTOpIog = 7 | -TOUIBMyoS ‘GE SYIOBIEPIOA -SOYONSIO A uoyun SYUIT - |aegedg — °,08 |sep epuy we snaegyQ Syeıs Ir ar SE | En. + [+ syrosıoprog] | + sgTosıopreg syum ‘GF SIy2ay | 'T sop Sunpmwuyosypang | € | INUTOSNABINO (STABIAO wep LOA Iydıp Iyruyos ana -[ejuoxg 'n snAuIyOQ "T usyun -[e}UOLg) e sop Sunpmuyosyoanıg eyaıgı - +1 + + + syrosıoprog | + syIeszopreg | 08 SNOSIOPIOg | soyonsıo \ sop opuy uwy | | ‘Yyyons "SOUONSsIO A | uoyun -aoyun ‘og9 |sep epug we SnABINQ . ger | + | + ale | + | + | + | 3yoIN | + spresıoprag| + spasıoprag | syur “0, SIyPoY | T SEp Sunprouyosypand | I - Ss zZ |. B S zZ 2 3 I 2 arree | u |sE 28 Sunyoromge Sen ee 5 2 |&E © 2 | snugegsäN -TeyIITo A Sunyeıppey w” Iso Bo S Bear \ e BE ıSE|l ae | > “+ |l#& ®8 Bun = uonges| 5 |? E = 2 | 9 [os 8 B - | Sunyprage uorgeaodozyesnz 5 N ® = = ri R g E s 2 N e Sunpruyosypanp RE AR T0oTe]7 uesungfags -SNABINO -uoonYy AypsLIoyesuaduro aadıyrasuro yoeN -yoıpydoyj | -yoıpusany Ve A Te "Hp.ImM FIOTÄITSXO UUyUOIy Sep. nerep pun SIwejeig] Up 10A UITUSSOLH Sep u9u9p *uayduLuey ue Oyons.ıoA F AT SHSISL 11 Bd. 178. iR Pflüger’s Archiv für Physiologie. ag 162 A. de Kleijn und R. Magnus: restiforme und der Lemniscus lateralis weggeschnitten. Links ist das Corpus quadrigeminum posticum durch Blutung, rechts durch das Messer ober- flächlich zerstört. Das linke Corpus quadrigeminum anticum ist vernichtet, der Aquädukt mit Blut gefüllt; das rechte Corpus quadrigeminum ant. enthält einige Blutungen. Links und rechts sind die mittleren Thalamuskerne durch Blutung vernichtet, links auch der Nucleus lateralis vollständig und der Nucleus ventralis teilweise. Links geht der Schnitt durch das Striatum. Die Grosshirnhemisphäre ist entfernt; es ist nur das orale Ende der Ammonshorn-Formation, durch Blutungen beschädigt, stehen geblieben. Die rechte Hemisphäre ist nur teilweise entfernt. Hinten ist ein basolaterales Stück stehen geblieben, fast das ganze Ammonshorn, von dem nur das dorsale Stück fehlt. Auch vorne steht ein grosses Stück; sowohl die mediale Wand, dorsal und ven- tral von der Commissur, als auch die basale Vene ganz; nur ein Stück der dorsalen Oberfläche ist entfernt. Nr. 4 (Bericht von Prof. Winklen: Am’‘rechten Oktavus- eintritt steht ein kleinesStückchen Flocculus, dessen physio- logische Verbindung mit der Öblongata aber völlig auf- gehoben ist. Links ist auch der Flocculus ganz entfernt. Im übrigen ist vom Kleinhirn kein einziger Rest mehr vorhanden. Blutungen im rechten Corpus quadrigeminum posticum und in den beiden vorderen Vierhügeln. Beide Grosshirnhemisphären fehlen, links steht nur noch basal-medial-vorne ein kleines Stückchen, rechts ausserdem noch ein Teil der Ammonshorn- formation. Der Schnitt der Grosshirnexstirpation geht beiderseits durch Thalamus und Striatum. Zusammenfassung. Bei Thalamuskaninchen sind nach völliger Abtrennung des Kleinhirns die kompensatorischen Augenstellungen (Vertikalabweichung und Raddrehung), die Augendrehreaktion und -nachreaktion, der Augendrehnystagmus und -nachnystagmus, die kolorische Augenabweichung nebst Nystagmus, die Kopfdrehreaktion und -nachreaktion erhalten. Nach einseitiger Oktavusdurchschneidung erfolgt, wie beim normalen Tiere, Drehung und Wendung des Kopfes und Ablenkung der Augen (nebst Nystagmus). Die Augenreaktionen erfolgen auch noch, wenn die Vierhügel (das Mittelhirndach) operativ oder durch Blutungen in weitgehendem Maasse zerstört sind. Die kompensatorischen Raddrehungen, welche beim normalen Kaninchen nach den Feststellungen von van der Hoeve und de Kleijn) ein Ausmaass von etwa 87—100° haben, können, wie Versuch 1 zeigt, selbst nach der eingreifenden Operation der Gross- hirnexstirpation und der Kleinhirnentfernung noch in fast normaler Stärke auftreten. Meist (Versuch 2—4) ist die Grösse der Exkursionen herabgesetzt (20—45°). Es ist das nach den Feststellungen von van der Hoeve und de Kleijn, wonach die Grösse der kompensatorischen Raddrehungen bei der Einwirkung aller möglichen hemmenden Ein- flüsse beträchtlich vermindert wird, nicht weiter verwunderlich’). 1) J.v.d.Hoeve u. A.deKleyn. Pflüger’s Arch. Bd. 169 S.241. 1917. 2) Als Ergänzung dieser Versuchsreihe kann noch ein Versuch an einem Kaninchen angeführt werden, dem unter Erhaltung des Grosshirns das Über die Unabhängigkeit der Labyrinthreflexe vom Kleinhirn usw. 163 e) Fünfte Versuchsreihe (normale Katzen, Versuche von Magnus). Wie bereits cben S. 129 erwähnt wurde, sind bei Kaninchen un- mittelbar nach der Kleinhirnexstirpation die Labyrinthstellreflexe wegen des Schocks höchstens andeutungsweise vorhanden. In der vorhergehenden vierten Versuchsreihe von de Kleijn war nur bei zwei Tieren eine schwache Spur dieser Reflexe vorhanden. Ebenfalls war bei einem Kaninchen, welchem Magnus Gross- und Kleinhirn exstirpiert hatte, von den Stellreflexen höchstens eine Andeutung vorhanden, während Augendrehreaktion und -nystagmus, kompen- satorische Augenstellungen und Kopfdrehreaktion und -nachreaktion deutlich vorhanden waren. Die Sektion ergab bei diesem Tiere makro- skopisch die völlige Entfernung des Gross- und Kleinhirns und die Intaktheit der Vierhügel. Daher wurde eine neue Versuchsreihe an Katzen angestellt, bei denen ohne gleichzeitige Entfernung des Grosshirns das Kleinhirn exstirpiert und die Tiere danach einige Tage am Leben erhalten wurden. Über das Ergebnis unterrichtet nachstehende Tabelle. Das ausführ- liche Versuchsprotokoll des anatomisch genau kontrollierten Versuches ‘Nr. 12 ist oben auf S. 147 abgedruckt. (Siehe Tabelle V S. 164.) Zusammenfassung. Bei Katzen mit erhaltenem Grosshirn lassen sich nach völliger Abtrennung des Kleinhirns samt den Kleinhirn- kernen sämtliche Labyrinthstellreflexe unverändert nachweisen, auch wenn der Einfluss der Augen durch Verbinden ausgeschaltet ist. In Bestätigung der früheren Versuchsreihen ergab sich ausserdem, -dass die tonischen Labyrinthreflexe auf die Extremitäten, die Kopfdreh- reaktion und -nachreaktion, die Augendrehreaktion und -nachreaktion, der Augendrehnystagmus und a aan, bei diesen Tieren un- verändert erhalten sind. Gesamtergebnis. * Die im vorstehenden geschilderten Versuche zeigen, dass sämtliche Labyrinthreflexe (mit Ausnahme der bisher von uns noch nicht untersuchten Reaktionen auf Progressivbewegungen),. Kleinhirn exstirpiert wurde, und bei dem sich die tonischen Labyrinthreflexe auf die Extremitäten, Kopfdrehreaktion und -nystagmus, Kopfdrehnachreak- tion, Augendrehreaktion und -nystagmus, Augendrehnachreaktion und -nach- nystagmus, kompensatorische Augenstellungen mit voller Deutlichkeit nach- weisen liessen. Bei der (makroskopischen) Sektion fand sich das Kleinhirn völlig entfernt, Floceulusreste liessen sich mit blossem Auge nicht erkennen, die Vierhügel waren unverletzt. — Ferner war bei einer Thalamuskatze nach Kleinhirnentfernung die Kopfdrehreaktion und -nachreaktion sowie die Augendrehreaktion und -nachreaktion vorhanden (Versuche von Magnus). ala A. de Kleijn und R. Magnus: 164 ‘yqeyur eyeduorgo 'n Igeuuzet A 'OqnaSjopeyog ue.zregurg Top u gungngeurmy] 4Iordı14sxo S1]]9A yosIdoyNso1yewı uryuroly, + -oqnızjopeyog ueaegury Aep ur Ing uroyy} 'Mjeyur eyeSuofgg pun Jesny -I0T A "NIEIdATISXO SITJQA gasrdogsomyew uayuropy 'yuueı4 -yo.mp 'S[ONTIJueA UOYIOIA SOp NEeALN WI Eforgsurguropyt | + yosnyog 'edneIs ue poT, 'IyPToMAas yaıyopJıogo Jesny -Tor 4 9AEJurH 'IITQA unyurofy] sep 4]yoF 4suog "uogerq -23 u9YUEIS SOTLOYuSgTEsULyurajy] Sep 989% ua IST Te -U9A SYNUTT juUSPUBUIOA 9AEL], WESEIP TOq OXOjFea[e4ss[eH ‘I191pe] 4yoru sıodıoyzedens, sop egunıdsın eIp pun usqjessop epum eTegsIp sep 1Oqe op ‘edg ur 4yo0 sOuIEysnNABINO uopeayueA *ı SOp TIAL usIs[gwıxo1ld uop yoınq "uouyegqsnAByyg uaTeayusz uop ur uogungng euroy} "eyeZuorgg Top Ju sooueyuauwesnZ uopol usıyogyuo snyesue "Ingorf pun snjna9ogg uoyoyongg 980] 9ITur "NIOTÄITISXO SIPURISTJOA UEUIONULLYUIOIM Fures umguopy III deag :CHSFI IS U0go Ss) JEINuUrM FOold y9anp ueLıasggTuyog ue Sunyansı9aJu/) osıpuryS -[][O A Teueysyrewuoyony wı pun sıseqfepeyog AOp uw ng umy uorsseidwoy; ourey ‘spoyLiyus‘\ USJIOIA SOP uopog wep ne wnnseoygng 'IFL'S 's [I0T0g0.1dsyonsıa A (uaony uou -gpunq.daA Au yone) + "pusserpne Jungnjg o9uL1ad zues nu [oyrıyuo AU9YIOTA op my 'gieyur jegnyzer\ pun eyeguogg Yuuexyyoınp IyeLo oTETISUALyUIOT MT "NLOrTdarszo SıfoA gosıdogsoayewuzyury | + yoenyoS| + "pPuogorppne [OyTIFUO AUS}IEIA mop Fne Sunynjg oSIsse | "Ale -Ur Jognyaoı) "NIOrdarsxo Sı[yA yosrdoysoryeur UIyuroly uoryog B 0x9 E35 wpaıpegs |< + R 7 © + == 4 + Ze | -ygurzkger] z © [e] na B Z -3eIsÄN + uonyeay 4 = | Eu uoyeyrweug oryeoy ne oxojjoı -ugurzAgerg uoNy al -QDeN -yeapuesny -yo.ıpydoyj | PUPSTUOL gs II IT al & | 08 L donep -Syons -IO A AOWUmN uoredimsxouttyury PU UOZYey ue HyonsaoA AN ENSDGEENE, Über die Unabhängigkeit der Labyrinthreflexe vom Kleinhirn usw. 165 nach Entfernung des Kleinhirns samt den Kleinhirnkernen erhalten sind. Für fast alle Reflexe ist auch der anatomische Nachweis geführt worden, dass das Kleinhirn vollständig, d. h. einschliesslich der dem Oktavuseintritt anliegenden kleinen Flocculuslamellen abgetrennt worden ist. Inder nachfolgenden Zusammenstellung sind diejenigen Reflexe und Reaktionen, für welche dieser Beweis geliefert ist, gesperrt gedruckt (unter Anführung der beweisenden Versuche). Für die wenigen übrigen Reaktionen liest nur die makroskopische Kontrolle vor, so dass die allerdings unwahrscheinliche Möglichkeit übrig bleibt, dass hier kleine Flocculusanteile in Verbindung mit der Oblongata ge- blieben sind. Im einzelnen liess sich nach Kleinhirnentfernung das Vorhandensein folgender Reflexe und Reaktionen nachweisen: A. Bewegungsreflexe (Drehreaktionen, ausgelöst durch Winkel- beschleunigungen). ° a) auf den Hals: Kopfdrehreaktion und -nachreaktion (Versuchsreihe III, Versuch 3. — Versuchsreihe IV, Versuch 4 (in Versuch 3 allein Kopfdrehreaktion). — Versuchsreihe V, Versuch 12). Kopfdrehnystagmus. b) auf die Augen: Augendrehreaktion und -nach- reaktion (Versuchsreihe IV, Versuch 3 und 4. — Versuchs- reihe V, Versuch 12); Augendrehnystagmus und -nachnystagmus (Ver- i suchsreihe IV, Versuch 3 und 4). B. Reflexe der Lage. 1. Tonische Reflexe auf die Körpermuskeln: a) auf die Extremitäten (Versuchsreihe I, Versuch 22 und 23. — Versuchsreihe III, Versuch 3. — Versuchs- reihe V, Versuch 12). Dabei genügt ein Labyrinth für die beiderseitigen Extremitäten (Versuchs- reihe I, Versuch 23). b) auf Hals und Rumpf. . Labyrinthstellreflexe (Versuchsreihe V, Versuch 12). 3. Kompensatorische Augenstellungen: a) Vertikalabweichungen (Versuchsreihe IV, Versuch 3 und 4); b) Raddrehungen (Versuchsreihe IV, Versuch 3 und 4). C. Folgen der einseitigen Oktavusdurchschneidung. 1. Kopfdrehung und -wendung (Versuchsreihe III, Ver- such 3. — Versuchsreihe IV, Versuch 3). DD 166 A. de Kleijn und R. Magnus: 2. Tonusverlust der gleichseitigen Extremitäten (makroskopische Kontrolle durch Professor Winkler in Versuchsreihe I, Ver- such 10). 3. Veränderte Augenstellung nebst Nystagmus (Versuchs- reihe IV, Versuch 3). D. Kalorische Reaktionen: Augenabweichung und Ny- stagmus (Versuchsreihe IV, Versuch 3 und 4). IV. Die Lage der Zentren für die Labyrinthreflexe im Hirnstamm. Nachdem in den vorhergehenden Abschnitten der Beweis geführt worden ist, dass sämtliche von uns untersuchten Labyrinthreflexe nach Entfernung des Kleinhirns erhalten sind, ergibt sich als not- wendige Schlussfolgerung, dass die Zentren für diese Reflexe alle im Hirnstamm liegen. Für die tonischen Labyrinthreflexe auf die Körpermuskeln und die Kopfdrehung nach Oktavusdurch- schneidung war dieses schon früher (vorbehaltlich der in dieser Arbeit gelieferten mikroskopischen Kontrolle) bewiesen !),. Nunmehr soll im Nachstehenden zusammengefasst werden, was wir nach unseren bis- herigen experimentellen Erfahrungen über die genauere Lage der Zentren für die einzelnen Reflexe im Hirnstamm wissen. A. Bewegungsreflexe. a) Kopfdrehreaktion und -nachreaktion. Nach Versuchs- reihe III liegen die Zentren für diese Reflexe kaudal von einem dicht vor dem Oktavuseintritt durch die Oblongata gelegten Frontalschnitt. Das hintere Längsbündel kann teilweise zerstört sein, ohne dass das Zustandekommen dieser Reflexe gehindert wird. Dieser in der vorliegenden Arbeit erbrachte Nachweis steht im Einklang mit der früheren Feststellung von Magnus ?), dass beim Kaninchen nach einem Frontalschnitt dicht vor den mittleren Klein- hirnstielen, hinter der Brücke und vor dem Corpus trapezoides die Drehreaktionen des Kopfes erhalten sind. Bei Drehen in Normal- stellung ertolgte Seitwärtswenden des Kopfes, bei Drehen mit senk- recht erhobener Schnauze erfolgte je nach der Drehrichtung Rechts- oder Linkswenden oder Dorsal- oder Ventralbeugen des Kopfes. Auch Kopfdrehnachnystagmus liess sich bei diesen Tieren nachweisen. Barany, Reich und Rothfeld ?) hatten eben früher das Erhaltensein DR. Magnus, Pflüger’s Arch. Bd. 159 S. 224. 1914. 2)R. Magnus, Pflü ger’s Arch. Bd. 163 S. 468. 1916. 3) Barany, Reich u. Rothfeld, Exper. Unters. über die vestibulären Reaktionsbewegungen an Tieren, insbes. im Zustande der decerebrate rigidity. Neurol. Ztrbl. Bd. 31 S. 1139. 1912. x Über die Unabhängigkeit der Labyrinthreflexe vom Kleinhirn usw. 167 der Kopfdrehnachreaktion bei Katzen und Hunden nach Dezerebrieren vor den hinteren Vierhügeln feststellen können. b) Augendrehreaktion und -nachreaktion, Augendreh- nystagmus und -nachnystagmus. Für diese Labyrinthreflexe ist natürlich das Erhaltensein der Augenmuskelkerne erforderlich. Daher lassen sie sich bei Thalamuskaninchen (Versuchsreihe IV) mit grösster Deutlichkeit nachweisen. Dass die übrigen Mittelhirnzentren für die Augendrehreaktion nicht erforderlich sind, ergibt sich aus der . früheren Beobachtung von Magnus), der nach Abtrennung des Mittelhirnes vor der Brücke bei drei Kaninchen noch Augendreh- reaktionen auftreten sah, welche allein auf Abduzenstätigkeit be- ruhten. Letzteres steht im Einklang mit einer Beobachtung von Bauer und Leidler ?2), welche bei einem Kaninchen nach Beschädigung der beiden austretenden Oculomotoriuswurzeln den Augendrehnachnystag- mus unverändert erhalten fanden. Nach unserer Versuchsreihe IV sind’alle Augendrehreaktionen nach weitgehender Beschädigung der Corpora quadrigemina erhalten. Magnus®) fand beim Kaninchen Augendrehreaktion und -nach- reaktion, Augendrehnystagmus und -nachnystagmus nach einem Front- alschnitt, der dorsal mitten durch die vorderen Vierhüge, ventral 2 mm vor der Brücke ging. Dass die Augendrehreaktion und -nachreaktion, der Augendreh- nystagmus und -nachnystagmus nach Abtragung des Grosshirns und der Thalami unverändert bestehen bleiben, hat bereits Högyes) fest- gestellt. Bauer und Leidler°) sowie Barany, Reich und Roth- feld ®) konnten diesen Befund bestätigen. Es ist vielleicht nicht überflüssig, an dieser Stelle nochmals darauf hinzuweisen, dass auch die schnelle Phase des Augennystagmus durch Vermittelung der im Hirnstamm (Oblongata und Mittelhirn) gelegenen Zentren zustande kommt, und nicht, wie Bartels und Rosenfeld vermuteten, auf der Tätigkeit des Grosshirns beruht. Diese längst von den obengenannten Autoren widerlegte Ansicht kehrt immer noch in der Literatur wieder °). ) R. Magnus, Pflüger’s Arch. Bd. 163 S. 468. 1916. 2) J. Bauer u. R. Leidler, Über den Einfluss der Ausschaltung ver- schiedener Hirnteile auf die vestibulären Augenreflexe. Arb. neurol. Institut Wien Bd. 19 S. 155. 1911. 3) R. Magnus, Pflüger’s Arch. Bd. 174 S. 138. 1919. 4) A. Högyes, Über den Nervenmechanismus der assoziierten Augen-- bewegungen. Monatsschrift f. Ohrenheilkunde Bd. 46 S. 809. 1912. 5) S. Anm. 2. \ 6) S. Anm. 3 8. 166. 7) Vgl. z.B. Ohm. Klin. Monatsbl. f. Augenheilkunde Bd. 59 S. 538. 1917. 168 A. de Kleijn und R. Magnus: _ B. Reflexe der Lage. 1. Tonische Labyrinthreflexe auf die Körpermuskeln. a) Tonische Labyrinthreflexe auf die Gliedermuskeln. Die Zentren für diese Reflexe liegen kaudal von einem Frontalschnitt, der durch die Oblongata unmittelbar vor dem Oktavuseintritt geführt wird. Das ergibt sich für Katzen aus der früheren Arbeit von Magnus !) (Versuchsreihe I dieser Mitteilung) und für Kaninchen aus Versuchs- reihe III. Auch nach einem derartigen Querschnitt genügt ein Laby- rinth zur Auslösung dieser Reflexe auf die Extremitäten der beiden Körperseiten, ebenso kann der Oktavuseintritt auf einer Seite fast vollständig zerstört sein, ohne dass diese Reflexe auf beide Körper- seiten fehlen (Versuchsreihe I, Versuch 23). Der Bechterew ’sche Kern ist für diese Reflexe nicht nötig (Versuchsreihe I, Versuch 22). Das hintere Längsbündel kann teilweise zerstört sein, ohne dass sie fehlen (Versuchsreihe III, Versuch 3). b) Tonische Labyrinthreflexe auf die Hals- (und Rumpf-) muskeln. Auch für diese Reflexe liegen die Zentren hinter einem durch die Oblongata dieht vor dem Oktavuseintritt geführten Frontal- schnitt. Das ergibt sich für Katzen aus der früheren Arbeit von Magnus!) bzw. aus Versuchsreihe I dieser Mitteilung. 'Bei Kaninchen sah Magnus ?) die tonischen Labyrinthreflexe auf die Halsmuskeln nach einem Schnitt, der dorsal dieht vor den mittleren Kleinhirn- stielen und ventral hinter der Brücke lag, erhalten. 2. Labyrinthstellreflexe. Im Gegensatz zu den Zentren für die tonischen Labyrinthreflexe auf die Körpermuskeln, welche kaudal vom Oktavuseintritt liegen, befinden sich die Zentren für die Labyrinthstellreflexe oral davon, und zwar, wie von Magnus °) eingehend bewiesen wurde, im Mittel- hirn. Sie liegen da mit den Zentren für die anderen ‚‚Stellreflexe“ zusammen, so dass dort ein Zentralapparat gebildet wird, welcher das Tier befähigt, seine normale Körperstellung im Raume einzunehmen und aufrechtzuerhalten. In dieser Arbeit (Versuchsreihe V) ergibt sich nun über die damaligen Feststellungen hinaus, dass auch die Bahnen, welche die Labyrinthe mit diesen Stellzentren im Mittelhirn verbinden, nicht über das Kleinhirn verlaufen, sondern dass sie im Hirnstamm bleiben. Ihr näherer Verlauf ist noch festzustellen. In der früheren Arbeit von Magnus ?) ist mitgeteilt, dass beim Kaninchen nach einem Schnitt, der dorsal rechts durch die Mitte, 1) R. Magnus, Pflüger’s Arch. Bd. 159 S. 241. 1914. 2) R. Magnus, Pflüger’s Arch. Bd. 163 S. 467. 1916. 3) R. Magnus, Pflüger’s Arch. Bd. 163 S.405. 1916. 4) R. Magnus, Pflüger’s Arch. Bd. 163 S. 472. 1916. Über die Unabhängigkeit der Labyrinthreflexe vom Kleinhirn usw. 169 links durch das hintere Drittel des vorderen Vierhügels, ventral durch die Hirnschenkel am Hinterrande des Mamillarkörpers ging, der Labyrinthstellreflex auf den Kopf in Seitenlage (nicht aber in Rücken- lage und den beiden Hängelagen) noch erhalten war. Nach einem Schnitt dorsal hinter den hinteren Vierhügeln, ventral durch die Hirn- schenkel links 2 mm vor der Brücke, rechts dicht vor der Brücke, war nur noch eine zweifelhafte Grenzreaktion vorhanden. Nach einem Schnitt, der dorsal dicht vor den hinteren Vierhügeln, ventral am Vorderrand der Brücke verlief, waren alle Labyrinthstellreflexe er- loschen. 3. Kompensatorische Augenstellungen. Diese können natürlich nur zustande kommen, wenn die Gegend der Augenmuskelkerne erhalten sind. Ob ausser diesen Kernen und ihren Verbindungen mit dem Oktavus noch andere Mittelhirnzentra dabei mitwirken, ist noch nicht festgestellt. Jedenfalls ist die Wahr- scheinlichkeit, dass nach Abtragung des Mittelhirns allein durch Ver- mittelung des Abduzens kompensatorische Augenstellungen zustande kommen, sehr gering, da nach den Feststellungen von van der Hoeve und de Kleijn !) bei den verschiedenen Stellungen des Kopfes im Raume Änderungen der seitlichen Stellung der Augen (Abduktion und Adduktion) keine deutliche Rolle spielen. Nach den Beobachtungen von Magnus ?) sind kompensatorische ‚ Vertikalabweichungen und Raddrehungen der Augen beim Mittelhirn- kaninchen nach Abtragung der Thalami erhalten. In Versuchsreihe IV dieser Arbeit waren sie beim Thalamuskaninchen deutlich nachweisbar. Weitgehende Beschädigung der Corpora quadrigemina ist ohne Einfluss. C. Folgen der einseitigen Oktavusdurchschneidung. Die Folgen der einseitigen Oktavusdurchschneidung beruhen auf dem Fortbestehen der Tätigkeit des Labyrinthes der intakten Seite und dem Fortfall der Erregungen auf der Seite der Operation nebst den sekundär durch die Kopfdrehung und -wendung ausgelösten tonischen Halsreflexen °). Sie müssen sich daher aus den bisher auf- gezählten Labyrinthreflexen ableiten lassen. Wenngleich sich dieses für die Drehung von Kopf und Rumpf sowie für die veränderte Augen- stellung vollständig durchführen lässt, ergeben sich für die Tonus- abnahme der Extremitäten auf der Seite des Labyrinthausfalles ge- wisse Schwierigkeiten *). Wir halten es daher vorläufig noch für besser, 3) J.v.deHoeveu.A.deKleijn, Ptlüger’s Arch. Bd. 169 S. 253. 1917. 4) R. Magnus, Pflüger’s Arch. Bd. 163 S. 463. 1916. 1) R. Magnus u. A.deKleijn, Pflüger’s Arch. Bd. 154 S. 178. 1913. 2) R. Magnus u. A.deKleijn, Pflüger’s Arch. Bd. 154, S. 303. 1913. 170 A. de Kleijn und R. Magnus: die Folgen der einseitigen Oktavusdurchschneidung getrennt auf- zuführen. l. Kopfdrehung und -wendung. Nach der früheren Mit- teilung von Magnus!) und nach Versuchsreihe I und III dieser Arbeit tritt dieselbe nach einseitiger Oktavusdurchschneidung noch ein, wenn der Hirnstamm durch einen Frontalschnitt dicht vor dem Oktavus- eintritt durchtrennt worden ist. 2. Rumpfdrehung. Auch diese ist nach einem Frontalschnitt dicht vor dem Oktavuseintritt noch vorhanden, wie Versuch 17 von Versuchsreihe I lehrt. 3. Tonusverlust der gleichseitigen Extremitäten. Nach Versuchsreihe I dieser Arbeit ist der Tonusverlust der gleichseitigen Extremitäten nach einseitiger Oktavusdurchschneidung beim dezere- brierten Tiere noch nachweisbar. Versuch 10 von Versuchsreihe I zeigt, dass man auch die Vierhügel vollständig abtrennen kann. Es erscheint uns sehr wahrscheinlich, dass dasselbe Ergebnis auch nach einem Frontalschnitt dicht vor dem Oktavuseintritt erzielt werden kann. Doch haben wir bisher noch keine derartige Beobachtung ge- macht. 4. Veränderte Augenstellung. Nach Versuchsreihe IV tritt die veränderte Augenstellung nach einseitiger Oktavusdurchschneidung beim Thalamustier ein. Ob sie auch, was sehr wahrscheinlich ist, beim Mittelhirntier zu beobachten ist, muss noch festgestellt werden. — Versuch 1 der Versuchsreihe IV lehrt, dass auch der Nystagmus nach Durchtrennung eines Oktavus beim Thalamustier nachweisbar ist. — Beschädigung der Corpora quadrigemina hindert den Eintritt der Augenabweichung und des Nystagmus nicht. D. Kalorische Reaktionen: Augenabweichung und Nystagmus. Schon Kubo ’?) hat angegeben, dass der kalorische Nystagmus nach Abtragung des Grosshirns erhalten bleibt. Unsere Versuchs- reihe IV zeigt ebenfalls, dass die Augenabweichung und der Nystagmus nach Ausspritzen des Ohres mit kaltem Wasser beim Thalamustier eintritt. Aus unveröffentlichten Versuchen von de Kleijn geht hervor, dass man auch die Thalami abtragen kann, ohne die Reaktion zum Erlöschen zu bringen. Ebenso ist weitgehende Verletzung der Corpora quadrigemina ohne Einfluss (Versuchsreihe IV). Es ist aber noch festzustellen, ob nach Fortnahme des Mittelhirns mit Schonung des Abduzensursprunges die kalorische Reaktion der Augen und der zugehörige Nystagmus erhalten sind. 1) R. Magnus, Pflüger’s Arch. Bd. 159 S. 224. 1914. 2) J. Kubo, Über die vom N. acusticus ausgelösten Augenbewegungen, besonders bei thermischer Reizung. Pflüger’s Arch. Bd. 114 S. 143. 1906. Über die Unabhängigkeit der Labyrinthreflexe vom Kleinhirn usw. 171 Kalorische Reaktion des Kopfes (Drehung nach der Seite, auf welcher das Ohr mit kaltem Wasser ausgespritzt wird) erfolgt noch nach einem Frontalschnitt hinter den Vierhügeln und durch die Brücke (unveröffentlichter Versuch). Fasst man die Ergebnisse dieses Abschnittes nebst den Resultaten der Kleinhirnexstirpation zusammen, so folst, dass die Zentren für alle von uns untersuchten Labyrinthreflexe und Laby- rinthreaktionen im Hirnstamm in drei grossen Gruppen angeordnet sind. Die Drehreaktionen auf den Hals, die tonischen Reflexe auf die Muskeln der Extremitäten, des Halses und Rumpfes sowie die nach Oktavusdurchschnei- dung auftretende Drehung von Hals und Rumpf werden durch Zentren vermittelt, welche kaudal vom Oktavus- eintritt in die Medulla gelegen sind. Alle Reaktionen, an denen sich die Augen beteiligen, also die Augendreh- reaktionen . (nebst Nystagmus), die kompensatorischen Augenstellungen, die Augenabweichung nach einseitigem Labyrinthverlust und die kalorische Reaktion der Augen werden durch Zentren bedingt, welche zwischen Oktavus- eintritt und Augenmuskelkernen liegen. Dagegen sind die Labyrinthstellreflexe von Zentren im Mittelhirne ab- hängig. Für alle diese Reflexe verlaufen die zu- und abführen- den Bahnen sowie die Verbindungsbahnen ausschliesslich im Hirnstamm (bzw. im Rückenmark) und nehmen ihren Weg nicht durch das Kleinhirn. Auch die Kleinhirnkerne sind nicht in den Weg irgendeines dieser Reflexe ein- sesealyel Anhangsweise mag erwähnt werden, dass ausser den Labyrinth- stellreflexen auch die Halsstellreflexe!) nach Exstirpation des Kleinhirns erhalten sind. Dieses ergab sich in zwei Versuchen an Thalamuskaninchen und einem Versuche an einer Katze mit erhaltenem Grosshirn. Wurde bei diesen drei Tieren, welche sich in Seitenlage auf dem Tisch befanden, der Kopf in die Normalstellung gebracht, so erfolgte sofort promptes Aufsitzen des ganzen Körpers. Wurde die Katze in Rückenlage in der Luft gehalten, so wurde zuerst der Kopf in die Normalstellung gebracht (durch Drehung und Ventral- beugung) und darauf erfolgte Ventralbeugung des Vorderkörpers durch RL Maenes Pringer’s Arciiepd. 163 3 Asi u. 480. 1916. 172 A, de Kleijn und R. Magnus: Beugung der Lendenwirbelsäule, so dass sich schliesslich der ganze Vorderkörper des Tieres in Normalstellung befand. Die Zentren für die Halsstellreflexe liegen nach den Versuchen von Magnus!) beim Kaninchen im hinteren- Teile des Mittelhirns und reichen bis in die Brückengegend. Nach den soeben erwähnten neuen Versuchen ist das Kleinhirn an dem Zustandekommen dieser Reflexe unbeteiligt. Auch die Bahnen für dieselben gehen nicht durch das Kleinhirn hin- durch. Beobachtungen zur Entscheidung der Frage, wie sich die‘ ‚‚Stell- reflexe auf den Kopf und den Körper durch asymmetrische Reizung der Körperoberfläche‘“?) nach Kleinhirnexstirpation verhalten, sind noch nieht zum Abschluss gebracht worden. V. Schlussbetrachtungen. In der vorliegenden Arbeit ist auf Grund eingehender physiologischer Beobachtungen und sachkundiger ana- tomischer Kontrollen der Nachweis geführt worden, dass sämtliche von uns untersuchten Labyrinthreflexe und -reaktionen nach völliger Abtrennung des Kleinhirns ein- schliesslich der Kleinhirnkerne erhalten sind, dass die dafür nötigen Zentren in bestimmter räumlicher Anord- nung im Hirnstamm, und zwar in der Oblongata und im Mittelhirn liegen, und dass die bei den Labyrinthreflexen beanspruchten Leitungsbahnen nicht über das Kleinhirn laufen. Damit ist natürlich nicht gesagt, dass nicht irgendwelche, von den Labyrinthen ausgehenden Erregungen bei intaktem Zentralnerven- system auch ins Kleinhirn gelangen können, und an den immer noch unbekannten Funktionen dieses Hirnteiles sich in der einen oder anderen Weise beteiligen. Das kann erst untersucht werden, wenn die normale Funktion des Kleinhirns dem physiologischen Experimente besser zu- gänglich gemacht ist, wozu vorläufig trotz der von zahlreichen Forschern aufgewendeten Mühe noch wenig Aussicht vorhanden ist. Andererseits bleibt es auch durchaus möglich, dass vom Kleinhirn ausgehende Impulse zu den im Hirnstamm liegenden Zentren für die Labyrinthreflexe gelangen, und dort. eine verstärkende oder hemmende Einwirkung auf den Ablauf der Labyrinthreflexe ausüben. Dafür sprechen zum Beispiel die Beobachtungen von Bauer und Leidler °), welche nach Verletzungen des Kleinhirnwurmes beträcht- liche Verstärkungen der Augendrehreaktionen gefunden haben. 1) R. Magnus, Pflüger’s Arch. Bd. 163 S. 451 u. 480. 1916. 2) R. Magnus, Pflüger’s Arch. Bd. 163 S. 440 u. 454. 1916. 3) J.Baueru.R.Leidler, Arb. neurol. Institut Wien Bd. 17 S. 155. 1911. Über die Unabhängigkeit der Labyrinthreflexe vom Kleinhirn usw. 173 Alle derartigen Möglichkeiten beeinträchtigen aber die Schluss- folgerung nicht, dass die Zentren für die Labyrinthreflexe ausserhalb des Kleinhirns gelegen sind, und dass man daher endsültig mit der noch immer sehr verbreiteten Vorstellung brechen muss, nach welcher das Kleinhirn der Zentralapparat für die Labyrinthe sein soll. Schon Flourens!) hatte die nach Bogengangsverletzungen auf- tretenden Symptome als Kleinhirnerscheinungen gedeutet, und viele Forscher sind ihm hierin gefolgt, weil sie eine grosse Ähnlichkeit zwischen den durch Reizung und Exstirpation des Kleinhirns und der Labyrinthe bedingten Erscheinungen fanden. Nach Ferrier 2) liegt die anatomische Grundlage des Einflusses der Labyrinthe auf das Gleichgewicht in ihrer Verbindung mit dem Cerebellum. Luciani°) nimmt an, dass das Labyrinth seine tonische Wirkung auf die Muskeln durch Ver- mittelung des Kleinhirns ausübt. Stephani ?) folgert, dass die Tätig- keit des Kleinhirns in überwiegendem, wenn auch nicht ausschliess- lichem Maasse von den Impulsen veranlasst wird, welche von den Labyrinthen übermittelt werden, und dass der von Luciani nach- gewiesene Cerebellartonus von dem nicht akustischen Labyrinth er- zeugt werde. Bechterew 5) sieht im Kleinhirn das Organ der Gleich- gewichtserhaltung, das seine peripheren Erregungen zum Teil aus den Bogengängen bezieht. Nach Sherrington ®) ist das Kleinhirn das Kopfganglion aller Proprioceptoren und bezieht wichtige Erresungen aus den Labyrinthen. Lewandowsky ’) hält es für sicher, dass „die Art der Orientierung durch das Labyrinth der Art und dem Sinne nach durchaus entspricht der durch das Kleinhirn“; die Verbindungen des Kleinhirns zum Endgebiet des Nervus vestibularis bleiben jedoch noch unklar. Barany°) nahm an, dass das gesamte Kleinhirn unter dem Einfluss eines bestimmten vestibularen Reizes stehe, dass jedoch beim Menschen der Einfluss des Vestibularis auf das Kleinhirn nur gering sei. Später folgerten Barany, Reich und Rothfeld°) aus 1) Flourens, Recherches exper. sur les proprietes et les fonctions du systeme nerveux. Paris 1842. 2) D. Ferrier, The functions of the brain p. 208. London 1886. 3) L. Luciani,.Das Kleinhirn. Erg. d. Physiol. Bd. III, 2. 8.318. 1904. 4) Zitiert nach Luciani. 5) W. Bechterew, Pflüger’s Arch. Bd. 34 S. 362, 1884 und Archiv f. Physiol. 1896. 8.105. _ 6) ©. S. Sherrington, The integrative action of the nervous system. p. 348. London 1906. — Schäfer’s Text-book of Physiol. vol. 2 p. 905—909. . 1900. 7) M. Lewandowsky, Die Funktionen des zentralen Nervensystems S. 164. Jena 1907. 8) R. Barany, Funktionelle Prüfung des Vestibularapparates. Verh. Deutsch. otolog. Gesellsch, Bd. 20 S. 32. 1911. 9) Barany, Reich u. Rothfeld, Neurol. Ztrbl. Bd. 31 S. 1139. 1912. 174 A. de Kleijn und R. Magnus: einem Versuch an einem dezerebrierten Tier mit (nach Rothfeld) unvollständiger Kleinhirnentfernung, dass das Kleinhirn sicherlich etwas mit den labyrinthären Drehreaktionen zu tun habe, dass aber zum mindesten die Reaktionsbewegungen nach vorne und rückwärts schon in der Medulla lokalisiert seien. Rothfeld!) gibt an, dass beim Kaninchen die Kleinhirnrinde ohne wesentlichen Einfluss auf die Drehreaktionen sei, glaubt aber, dass die Kleinhirnkerne, besonders der Nucleus tecti, sich wesentlich daran beteiligen. Allen diesen Vermutungen wird durch die in der vorliegenden Arbeit mitgeteilten Experimente die tatsächliche Grundlage entzogen. Ebenso wie hier nachgewiesen werden konnte, dass die Tätigkeit der Labyrinthe sich unabhängig von der Mitwirkung des Kleinhirns ab- spielt, so muss auch jetzt zunächst die Tätigkeit des Kleinhirns ohne Mitwirkung aller Labyrintheinflüsse untersucht werden. Erst wenn diese Aufgabe gelöst ist, kann man sich mit Aussicht auf Erfolg die Frage vorlegen, in welcher Wechselbeziehung die Tätigkeit des Klein- hirns und der Zentren für die Labyrinthreflexe untereinander stehen. In diesem Zusammenhange sei nun darauf hingewiesen, dass bereits in der Literatur eine Reihe von Angaben vorliegen, welche auf die weitgehende gegenseitige Unabhängigkeit der Labyrinthreflexe vom Kleinhirn hinweisen. Vor allem ist hier die Arbeit von Bogumil Lange ?) aus dem Laboratorium von Goltz und Ewald zu erwähnen, der bei Tauben bis über zwei Drittel des Kleinhirns exstirpierte und die ein- oder doppelseitige Labyrinthzerstörung oder Bogengangs- plombierungen vornahm. Nach Lange sind die Symptome der Klein- hirnexstirpation und der Labyrinthausschaltung vollständig von ein- ander verschieden. Nach Entfernung des Kleinhirns bewirkt einseitige Labyrinthexstirpation dieselben typischen Folseerscheinungen wie bei normalen Tieren, andererseits macht nach doppelter Labyrinth- entfernung die Kleinhirnexstirpation die dafür typischen Symptome °). Exstirpation des einen Organes verhindert also nicht das Entstehen der Symptome nach Verlust des anderen. Kleinhirn und Labyrinthe können sich gegenseitig kompensieren. Auch in unseren Versuchen ist es uns aufgefallen, dass nach alleiniger Kleinhirnexstirpation (bei 1) J. Rothfeld, Über die Beeinflussung der vestibulären Reaktions- bewegungen durch experimentelle Verletzungen der, Medulla oblongata. Bull. de l’acad. des sciences S. 74. Krakau 1914. — S. a. Verh. Deutsche Naturforschergesellschaft 1913. 1. 2) Bogumil Lange, Inwieweit sind die Symptome, welche nach Zer- störung des Kleinhirnes beobachtet werden, auf Verletzungen des Acusticus zurückzuführen. Pflüger’s Arch. Bd. 50 S. 615. 1891. 3) Auch Beyer und Lewandowsky (Experimentelle Untersuchungen am Vestibularapparat von Säugetieren Arch. f. Physiol. 1906. S. 451), fanden nach doppelseitiger Labyrinthexstirpation, dass durch Verletzung des Kleinhirns noch die typischen Zwangsbewegungen zu erzeugen sind. Über die Unabhängigkeit der Labyrinthreflexe vom Kleinhirn usw. 175 Tieren mit erhaltenem Grosshirn, Versuchsreihe V) niemals die ge- wöhnlichen Folgeerscheinungen der doppelseitigen Labyrinthentfernung zu sehen waren: bei Katzen und Kaninchen traten keine Augenabwei- chungen, kein Nystagmus, überhaupt keine Reizerscheinungen irgend- welcher Art wie nach Labyrinthoperationen auf, es fehlte das Kopf- schwanken und -pendeln, das Hämmern mit der Schnauze auf den Grund, die Anfälle von wilden Bewegungen, das Rückwärtskriechen und alle anderen Symptome, wie sie von Magnus und Storm van Leeuwen!) als Anfangsfolgen des doppelseitigen Labyrinthverlustes bei Katzen beschrieben worden sind. Sehr wichtig ist auch die Angabe von Luciani, dass enlose Hunde gut schwimmen, und von Lange, abe kleinhirnlose Tauben gut fliegen. Beides können diese Tiere nach Entfernung der Labyrinthe nicht. Der Grund liest (wenigstens für Hunde, an Tauben haben wir keine eigenen Erfahrungen) darin, dass der Hund beim Schwimmen zur Orientierung ausschliesslich auf die Labyrinth- stellreflexe angewiesen ist, während die Stellreflexe durch asymmetrische Reizung der Körperoberfläche nicht mehr zustande kommen können ?). Wenn also kleinhirnlose Hunde schwimmen, so beweist das, dass die Labyrinthstellreflexe bei ihnen vorzüglich funktionieren. Schliesslich haben verschiedene Forscher nach partiellen Klein- hirnverletzungen das Erhaltenbleiben einzelner Labyrinthreaktionen festgestellt. So fand Kubo °) nach partieller Abtragung des Klein- hirns, besonders des Flocculus (Lobulus petrosus ?), den kalorischen Nystagmus erhalten. Bauer und Leidler*) sahen nach Entfernung der Kleinhirnhemisphären den Augendrehnystagmus unverändert, nach Exstirpation des Wurmes sogar gesteigert. Barany, Reich und Rothfeld °) exstirpierten das Kleinhirn grösstenteils, jedoch wahr- scheinlich mit Ausschluss der Kleinhirnkerne, und beobachteten das Erhaltensein der labyrinthären Kopfdrehreaktion nach vorne und hinten. Trotz dieser verschiedenen Hinweise ist aber, wie oben zu- sammengestellt wurde, der Glaube an die direkte funktionelle Ver- knüpfung der Labyrinthe mit dem Kleinhirn sehr weitgehend ver- breitet geblieben. Für die Labyrinthreflexe hat sich nunmehr, im Gegensatz hierzu, herausgestellt, dass sie vom Kleinhirn unab- hängig sind. | I) R. Magnus u. W. Storm v. Leeuwen, Pflüger’s Arch. Bd. 159 S. 157. 1914. 2) R. Magnus, Auen s Arch. Bd. 163 8. 458. 1916. 3) J. Kubo, Pflüger’s Arch. Bd. 114 S. 143. 1916. 4) J. he R. Leidler, Arb. neurol. Institut Wien Bd. 19 8. 155. 1911. 5) Barany, Reich u. Rothfeld, Neurol. Ztrbl. Bd. 31 S. 1139. 1912. 176 } A. de Kleijn und R. Magnus: VI. Zusammenfassung. 1. Die von den Labyrinthen ausgelösten Reflexe lassen sich folgender- maassen einteilen: A. Reflexe, ausgelöst durch Bewegungen: I. Drehreaktionen, ausgelöst durch Winkelbeschleunigungen: a) auf den Hals: Kopfdrehreaktion und -nystagmus; Kopfdrehnachreaktion und -nachnystag- mus; b) auf die Augen: Augendrehreaktion und -nystagmus; Augendrehnachreaktion und -nach- -nystagmus; Il. Reaktionen auf Progressivbewegungen (werden in der vor- liegenden Arbeit noch nicht mitberücksichtist). | B. Reflexe der Lage: I. Tonische Reflexe auf die Körpermuskeln: a) auf die Extremitäten ; b) auf Hals und Rumpf; II. Labyrinthstellreflexe; III. Kompensatorische Augenstellungen: a) Vertikalabweichungen ; b) Raddrehungen. C. Kalorische Reaktionen (wahrscheinlich wesensgleich mit den unter A.I. genannten Reflexen). 2. Nach einseitiger Labyrinthausschaltung und einseitiger Oktavus- durchschneidung erfolgen: a) Kopfdrehung und -wendung; b) Rumpfdrehung; c) Tonusverlust der gleichseitigen Extremitäten; d) Veränderte Augenstellung (nebst Nystagmus); e) sekundär durch die Kopfdrehung und -wendung ausgelöste Halsreflexe. 3. Die Prüfungsmethoden für alle diese Reflexe werden angegeben. 4. Bei Katzen und Kaninchen gelingt die völlige Entfernung des Kleinhirns samt den Kleinhirnkernen ohne Schwierigkeiten bis auf einige kleine, manchmal nur mikroskopisch sichtbare Floceuluslamellen !) dicht neben dem Oktavuseintritt, deren sichere Entfernung nicht leicht möglich ist, sondern nur gelegentlich als Zufallsergebnis gelinst, deren anatomische Verbindungen aber soweit dorsal verlaufen, dass sie, wie die Untersuchung an Schnittserien ergab, bei richtig ausgeführter Operation durchtrennt werden. 1) Nicht zu verwechseln mit dem von den früheren Autoren als Flocceulus bezeichneten Lobulus petrosus. Über die Unabhängigkeit der Labyrinthreflexe vom Kleinhirn usw. 177 5. Sämtliche oben angeführten Labyrinthreflexe !) und alle Folge- - zustände der einseitigen Oktavusdurchschneidung sind nach völliger Exstirpation des Kleinhirns einschliesslich der Kleinhirnkerne (die in den entscheidenden Versuchen an Schnittserien sichergestellt wurde) erhalten. 6. Die Zentren für die Labyrinthreflexe liegen im Hirnstamm. Auch die Bahnen für diese Reflexe verlaufen nicht durch das Kleinhirn. 7. Im Hirnstamm sind die Zentren für die Labyrinthreflexe in drei Gruppen angeordnet: a) Hinter einem Querschnitt dicht vor dem Oktavuseintritt liegen die Zentren für die Kopfdrehreaktionen, die tonischen Reflexe auf die Körpermuskeln und die nach einseitiger Oktavusdurchschneidung auftretende Kopfdrehung und -wendung, wahrscheinlich auch für den nach einseitiger Oktavusdurchschneidung auftretenden Tonusverlust der gleichseitigen Extremitäten (der bisher nur bei dezerebrierten Tieren nach Abtrennung der Öorpora quadrigemina beobachtet wurde). b) Zwischen dem Oktavuseintritt und den Augenmuskelkernen liegen die Zentren für sämtliche Augendrehreaktionen, die kalorischen Ausenreaktionen, die kompensatorischen Augenstellungen und die Augenabweichung nach einseitiger Oktavusdurchschneidung. Nach Abtrennung des Mittelhirns können Augendrehreaktionen noch durch alleinige Vermittelung des Abduzens zustande kommen. c) Im Mittelhirn liegen die Zentren für die Labyrinthstellreflexe (zusammen mit den Zentren für die übrigen Stellreflexe). 8. Als Nebenbefund ergab sich: a) dass nach teilweiser Zerstörung des hinteren Längsbündels noch Kopfdrehreaktionen und tonische Labyrinthreflexe auf die Extremitäten erhalten waren; b) dass nach weitgehender Beschädigung der Vierhügel (Mittel- hirndach) die Augendrehreaktionen, die kompensatorischen Augenstellungen und die Augenabweichung nach einseitiger Oktavusdurchschneidung vorhanden war; c) dass der Bechterew’sche Kern für die tonischen Reflexe auf die Extremitäten entbehrlich ist; d) dass auch die Halsstellreflexe nach Kleinhirnexstirpation er- halten sind. 9. Durch das Ergebnis dieser Versuche wird der noch ziemlich verbreiteten Vorstellung, dass das Kleinhirn das Zentralorgan der 'Labyrinthe ist, die tatsächliche Grundlage entzogen. 1) Nur die Reaktionen auf Progressivbewegungen wurden in dieser Arbeit noch nicht untersucht. Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd. 178. 12 178 A. de Kleijn und R. Magnus: Über die Unabhängigheit usw. Erklärung der Bezeichnungen auf den Abbildungen. Ag. S.—= Aquaeductus Sylvii. — br. c., br. conj.=Brachium conjunctivum, oberer Kleinhirnstiel. — br. c.9.— Arm vom hinteren Vierhügel zum Corpus geniculatum mediale. — br. pont.— Brachium pontis oder mittelster Klein- hirnstiel. — c. q. p.= Corpus quadrigeminum posticum. — c. r., c. rest. — Corpus restiforme oder unterer Kleinhirnstiel. — c. r. (a. ov.)— ovales Mark- feld des Corpus restiforme. — c. r. (i. a. k.)=innere Abteilung des unteren Kleinhirnstiels (Meynert’sinnere Abteilung des Kleinhirnstiels). — c.trap. — Corpus trapezoides. — dec. br. conj. = Kreuzung der oberen Kleinhirnstiele. — dec. Held —= Kreuzung der sekundären intermediären Oktavusbahnen (Held’- sche Bahn). — dec. Mon. = Kreuzung der sekundären dorsalen Oktavus- bahnen (Monakow’sche Bahn). — dec. trap. = Kreuzung der sekundären ventralen Oktavusbahnen (Corpus trapezoides, Flechsig’sche Bahn). — F. rei. lat.— Formatio reticularis lateralis tegmenti. — F‘. rei. med. — For- matio reticularis medialis tegmenti. — f. cun. = Fasciculus cuneatus. — f. gr. = Faseiculus gracilis. — f. !. p. = Fasciculus longitudinalis posterior. — f. pr. = Fasciculus praedorsalis. — flocce.— Flocculus cerebelli. — g. intp. = Ganglion interpedunculare. — 9. N. VII.— Genu Nervi facialis. — 1. centr. — Lemniscus centralis. — I. lat. —= Lemniscus lateralis. — !. med. —= Lemniscus medialis. — lob. ans. —= Lobulus ansatus cerebelli. — N. IV, N. VII, N. IX = Nervus trochlearis, facialis, glossopharyngeus. — N. cochl. = Nervus coch- learis. — N. vest.—= Nervus vestibularis.. — n. Be.—= Nucleus Bechterew. — n. cun. = Nucleus fasciculi cuneati. — n. Deit— Nucleus Deiters. — n. f. .= Nucleus funiculi lateralis. — n. gr. — Nucleus fascieuli gracilis. — n. gu. = Nucleus gustatorius. — n. Gud—= Gudden’scher Kern. — n. int. — Nucleus intercalatus. — n. d. 1. lat., n. v. I. lat. = Nucleus dorsalis, nucleus ventralis lemnisci lateralis. — n. Mon. =Monakow’scher Kern. — n. N. IV. — Nucleus Nervi trochlearis. — n. mot. N. V., n. sens. N. V. = Nucleus motorius, nucleus sensibilis Nervi trigemini. —:n. N. VI= Nucleus Nervi abducentis. — n. N VII.—= Nucleus Nervi facialis. — n. V. N. VIIL= Ven- traler Oktavuskern. — n. N. X. — Nucleus nervi vagi. — n. N. XII. — Nucleus Nervi hypoglossi. — n. ol. inf. = Kerne der Oliva inferior. — n. ol. sup. — Kerne der Oliva superior. — n. tr. = Nucleus triangularis. — n. tr. lat., n. tr. med.—= Laterale und mediale Trapezoidkerne. — p. p.— Pes pedunculi. — py.—= Pyramide. — r. N. IV. = Radix Nervi trochlearis. — r. mes. N.V., r. mot. N. V., r. sens. N. V = mesencephale, motorische, sensible Trigeminus- wurzel. — r. N.VL, r. N. VIL, r. N. X., r. N. XIL. = Wurzeln des Abducens. Facialis, Vagus und Hypoglossus. — s. nigra = Substantia nigra. — sir. ac. — Stria acustica. — str. med. v. c. q. p. = Ventrales Markfeld des hinteren Vierhügels. — str. fibr. sup. pont. — Oberflächliche Lage der transversalen Brückenfasern. — tela ch., t. ch.— Tela chorioidea. — tub. ac. — Tuberculum acusticum. — tr. 7. sp. — Tractus rubro-spinalis. — tr. sp. c. d., tr. sp. c. v. — Dorsaler und ventraler tractus spino-cerebellaris. — tr. sp. N. V.—Spinaler Trigeminusstrang. — ir. sp. th. = Tractus spinothalamicus. — tr. v. sp. — Tractus vestibulo-spinalis. — tr. v. mes. = Tractus vestibulo-mesencephaliecus. — v. IV.= Vierter Ventrikel. + Tonische Labyrinthreflexe auf die Augenmuskeln. Von A. de Kleijn und R. Magnus. (Aus dem pharmakologischen Institut der Reichsuniversität Utrecht.) Mit 6 Textabbildungen. (Eingegangen am 17. Juli 1919.) Bekanntlich entsprechen jeder Stellung des Kopfes im Raume bestimmte Steilungen beider Augen. In einer in diesem Archiv er- schienenen Arbeit haben v. d. Hoeve und de Kleijn !) beim Kaninchen die verschiedenen dauernden Augenstellungen bei ver- schiedenen Stellungen des Kopfes im Raume vollständig untersucht. Dabei stellte es sich heraus, dass seitliche Bewegungen des Auges dabei keine gesetzmässige Rolle spielen. Dagegen treten sehr starke Vertikalabweichungen auf, welche bei den Augen beider Körper- seiten gegensinnig verlaufen. Die grösste Abweichung tritt ein, wenn sich der Kopf in Seitenlage befindet, dann ist das obere Auge maximal nach unten, das untere Auge maximal nach oben abgelenkt. Ausserdem erfolgen bestimmte gesetzmässige Raddrehungen, welche bei beiden Augen immer gleichsinnig verlaufen. Die maximalen Raddrehungen treten ein, wenn der Kopf vertikal mit der Schnauze nach oben oder unten im Raume sich befindet. Bei den Versuchen von v. d. Hoeve und de Kleijn wurden Kaninchen in toto unter Ausschluss der Halsbewegungen in verschiedene Lagen im Raume gebracht und die dabei auftretenden dauernden Augenstellungen kine- matographisch aufgenommen. Eine genaue Messung wurde dadurch ermöglicht, dass auf den Photographien die Verschiebung einer auf der Cornea eingebrannten Figur gegen ein festes mitphotographiertes Koordinatensystem gemessen werden konnte. Die Ergebnisse wurden für die Raddrehungen und für die Vertikalabweichungen besonders in Kurvenform dargestellt, und zwar für drei aufeinander senkrecht . stehende Drehungen des Kopfes im Raume um je ca. 360°. Durch diese Messungen erfährt man natürlich nur die Abhängiskeit der Stellung des Auges von den Labyrinthen. Für die Aufklärung 1) J.v.d. Hoeve und A. de Kleijn, Tonische Labyrinthreflexe auf die Augen. Pflüger’s Archiv Bd. 169 S. 241. 1917. ° 198 180 A. de Kleijn und R. Magnus: der Labyrinthfunktion ist es aber nötig, den Einfluss der Stellung des Kopfes im Raume, das heisst den Einfluss der Labyrinthe auf jeden einzelnen Augenmuskel zu kennen. Da sich nun bei den verschiedenen Lagen des Kopfes im Raume häufig Vertikal- und Rollbewesungen. kombinieren und sich dabei die Insertionspunkte der Muskeln in zunächst unübersichtlicher Weise verschieben, ist es a priori nicht selbstverständlich, dass, wenn der Augapfel maximal nach oben oder unten verschoben ist, oder wenn er maximal gerollt ist, dass dann auch die Augenmuskeln (die Reeti und Obliqui) das Maximum ihrer Verkürzung erreicht haben. Es muss daher noch untersucht werden, in welcher Lage des Kopfes im Raume die einzelnen Augenmuskeln ihre maximale und minimale Verkürzung erreichen. Erst dann kann die Abhängigkeit der tonischen Labyrinthreflexe auf die Augenmuskeln von bestimmten Strukturen des Vestibularorganes (Otolithen ?) erörtert werden. Da durch die Untersuchung von v. d. Hoeve und de Kleijn für jede Lage des Kopfes im Raume die zugehörige Augenstellung genau festgestellt worden war, so ist weiter nichts nötig, als ein geeignetes Augenmodell zu konstruieren, an diesem Modell den Aug- apfel in die verschiedenen Stellungen zu bringen und nun die Länge der sechs Augenmuskeln für jede einzelne Augenstellung genau’ zu messen. Die anatomische Anordnung der Augenmuskeln beim Kaninchen ist kürzlich durch Wessely!) unter Beigabe einer Abbildung ge- schildert worden. Es werden jedoch hier keine zahlenmässigen An- gaben gemacht. Wir haben daher bei verschiedenen Kaninchen die Lage der Augenmuskeln und ihre Länge genau bestimmt. Für die Konstruktion des Augenmodelles wurden folgende Werte zugrunde- gelegt. Der Augapfel hat einen Durchmesser von 17,5 mm, der Hornhautrand bildet einen Kreis mit einem Durchmesser von 14,5 mm, dieser Kreis liegt etwa 4 mm hinter dem Hornhautscheitel. Die Linie, welche die Ursprungs- stelle der geraden Augenmuskeln mit dem Hornhautscheitel verbindet, bildet mit der Augenachse einen Winkel von 15°, der nach hinten offen ist. Der Insertionsmittelpunkt des oberen und unteren geraden Augenmuskels liest 3 mm hinter dem Hornhautrand. Der Insertionsmittelpunkt der beiden seitlichen Augenmuskeln (Rectus externus und Rectus internus) liegt - 7 mm hinter dem Hornhautrand. Der Insertionsmittelpunkt des oberen schrägen Augenmuskels liegt 5 mm hinter dem Hornhautrand und etwa 35 mm weiter occipitalwärts als der Insertionsmittelpunkt des Rectus superior. Die Länge des obliquus superior beträgt etwa 15,5 mm von der Trochlea bis zu seiner Insertion. Dieser Muskel bildet mit der Augenachse einen Winkel von 62°. Der Obliquus inferior inseriert 4,5 mm hinter dem Cornearande und 4 mm oceipitalwärts von der”Medianlinie; die Länge 1)K. Wessely, Über den Einfluss der Augenbewegungen auf den Augendruck. Arch. f. Augenheilkunde Bd. 81 S. 111. 1916. Tonische Labyrinthreflexe auf die Augenmuskeln. 181 dieses Muskels beträgt 19,5 mm, er bildet einen Winkel von 72° mit der Augenachse. Nach diesen Messungen wurde von dem Institutsmechaniker F. A. C. Imhot das in beifolgender Abbildung (Abb. 1) wiedergegebene Augenmodell vom rechten Auge des Kaninchens konstruiert !). Der Augapfel wird durch eine Holzkugel dargestellt, diese ist drehbar in einer Pfanne, welche am Ende eines horizontalen Stabes sitzt, der in der Verbindungslinie des Ursprungs der geraden Augenmuskeln mit dem Augen- mittelpunkt liegst und an ein vertikales Brett festgeschraubt ist. Parallel damit ist auf der Fussplatte des Modells eine punktierte Linie gezeichnet, die ausgezogene Linie auf der Fussplatte gibt die Lage der Augenachse beim Normalstand des Auges wieder. Die Augenmuskeln sind in dem Modell durch starke Fäden dargestellt. Sie haben ihren festen Ansatzpunkt am Bulbus. Entsprechend ihren Ursprungsstellen laufen sie durch Ösen und werden durch angehängte Abb. 1. @ewichte gespannt gehalten. Der Muskulus obliquus superior ist nur von der Trochlea bis zum Bulbus dargestellt. Alle Augenmuskeln (Fäden) sind in Viertel-Zentimeter geteilt, und zwar mit abwechselnden Farben, so dass man die ganzen Zentimeter leicht ablesen kann. Die Länge der Fäden lässt sich bei den verschiedenen Augenstellungen bis auf einen Millimeter genau bestimmen (gleich !/; mm der Wirklichkeit). Der Hornhautrand ist durch einen schwarzen Kreis wiedergegeben, der eine Gradeinteiung von 10° besitzt. Ausserdem ist der senkrechte und wage- rechte Hornhautmeridian aufgezeichnet und durch Striche von 3 mm ‚Abstand eingeteilt. Vor der Hornhaut steht, fest mit der Grundplatte verbunden, ein quadratischer Rahmen, in dem ein feines Kreuz gespannt ist. Will man mit dem Modell arbeiten, so wird zunächst der horizontale Hornhautmeridian horizontal eingestellt, darauf die Augenachse parallel mit der schwarzen Linie auf der Grundplatte (Augenachse bei Normalstand) gerichtet. Das Auge befindet sich nun in Normalstellung. Darauf wird 1) Dieses Modell kann von dem Institutsmechaniker bezogen werden. 12 A. de Kleijn und R. Magnus: der Rahmen so eingestellt, dass das Kreuz sich mit den Hornhautmeridianen deckt. Nunmehr wird für jede Stellung des Kopfes im Raume der Bulbus nach den in der Arbeit von v. d. Hoeve und de Kleijn gegebenen Kurven (Abb. 5 für die Raddrehungen, Abb. 8 für die Vertikalverschiebungen) in die zugehörige Stellung gebracht. Auf Abb. 5 entspricht ein Teilstrich einer Raddrehung von 10°, auf Abb. 3 ein Teilstrich einer Vertikalver- schiebung um einen Teilstrich der Hornhautmeridiane des Modells. Darauf wird die Länge der sechs Augenmuskeln abgelesen und in eine Tabelle verzeichnet. Im ganzen wurden in den Versuchen von v. d..Hoeve und de Kleijn drei Drehungen ausgeführt. Bei Drehung I liegt das Tier ursprünglich in Bauchlage mit hori- zontaler Mundspalte. Die Drehung des Tieres erfolgt um die bitemporale Achse, die Richtung der Drehung ist mit dem Kopf nach unten und mit dem Schwanz nach oben. Nach Drehung um 90° befindet sich die Schnauze unten, nach Drehung um 180° befindet sich der Kopf in Rückenlage, nach Drehung um 270° befindet sich der Kopf mit der Schnauze nach oben, nach Drehung um 360° befindet sich der Kopf wieder in der Normal- stellung. Drehung Il: Das Tier befindet sich anfangs in Bauchlage mit horizontaler Mundspalte, die Drehung des Tieres erfolgt um die oceipido- caudale Achse, die Richtung der Drehung ist: rechtes Auge nach unten. Nach einer Drehung um 90° befindet sich der Kopf in rechter Seiten- lage, nach einer Drehung um 180° in Rückenlage, nach einer Drehung um 270° in linker Seitenlage, nach Drehung um 360° wieder in der Normal- stellung. Drehung III: Das Tier befindet sich anfangs in linker Seitenlage mit dem rechten Auge nach oben, Mundspalte steht vertikal. Die Drehung: erfolgt um die ventrodorsale Achse, die Richtung der Drehung ist mit der Schnauze nach unten. Nach einer Drehung um 90° befindet sich das Tier mit der Schnauze nach unten, nach einer Drehung um 180° befindet sich der Kopf in rechter Seitenlage, nach einer Drehung um 270° befindet sich der Kopf mit der Schnauze nach oben, nach einer Drehung um 360° befindet sich der Kopf wieder in linker Seitenlage mit vertikaler Mundspalte. Die Ergebnisse der Messungen sind in den nachfolgenden drei Tabellen wiedergegeben worden, in denen die Länge der sechs Augen- muskeln für jede der drei Drehungen in Abständen von 15° angegeben ist. Die Zahlen geben die Längen der Augenmuskeln am Augenmodell an; um die Länge der Augenmuskeln in Wirklichkeit zu bekommen, müssen sie durch 5 dividiert werden. Die Zahlen für den Obliquus superior geben den Abstand von der Trochlea bis zur Insertion des Muskels am Augapfel wieder. Auf eine Wiedergabe dieser Messungen in Kurvenform kann verzichtet werden, da dieselben noch einen Fehler enthalten, der zunächst korrigiert werden muss. Normalstand. Obliguus Obligquus Rectus Rectus Rectus Rectus superior inferior superior inferior externus internus Normalstand: 6,75 9,3 12,3 11,8 8,6 11,8 Tonische Labyrinthreflexe auf die Augenmuskeln. 183 Tabelle I (rechtes Auge). Drehung I. Ausgangsstellung: Bauchlage, Mundspalte horizontal. Drehung um die bitemporale Achse. Drehungsrichtung: Kopf nach unten. Drekun Obliquus | Obliquus| Rectus Rectus | Rectus BRectus 3 | superior | inferior | superior | inferior | externus | internus k7.02 6,8 9,5 12,1 12,1 8,8 11,8 2— 15° 7,4 8,6 11,9 12,3 8,8 21,9 3—= 30° 8,0 8,0 11,7 12,5 8,8 11,8 4— 45° 9,2 6,9 11,8 12,6 9,0 uber Se al 9,5 6,6. 11,8 12,6 9,0 11,8 6= 75° 10,2 5,7 11,6 13,0 9,3 11,6 u 1,90% 11,1 5,2 11,6 13,2 9,7 11,6 8—= 105° 11,1 5,2 11,6 13,2 SL 11,6 3 120% LM 5,2 11,6 13,2 9,7 11,6 10—= 135° 11,1 5,2 11,6 13,2 9,7 11,6 IN 1502 11,1 9,2 11,6 13,2 9,7 11,6 12 = 165° 10,9 5,3 11,4 13,2 9,5 11,6 13 — 180° 9,5 6,4 11,3 13,2 9,5 11,6 14—=195° 7,6 3,3 11,8 12,7 9,0 11,8 15 = 210° 5,4 11,0 13,0 11,3 9,0 11,7 16 — 225° 4,8 11,5 13,1 11,5 9,0 Sys 17 — 240° 4,6 11,8 13,2 11,3 8,8 11,9 18 — 255° 4,3 11,9 13,2 11,4 8,9 12,0 19 = 270° 4,3 11,8 13,0 11,5 8,8 12,0 20 — 285 4,3 11,8 13,0 - 11,5 8,8 12,0 21 = 300° 4,6 11,7 3,0 11,6 8,8 12,0 22—=315° 5,0 11,2 12,8 11,6 8,7 12,0 23 — 390° 5,4 10,8 12,7 11,6 8,7 12,0 24 — 345 6,0 10,3 12,6 11,8 8,8 11,8 25 — 360° 6,8 9,5 12,3 12,0 8,7, 11,8 Tabelle II (rechtes Auge). Drehung Il. Ausgangsstellung: Bauchlage, Mundspalte horizontal. Drehung um die oceipito-nasale Achse. Drehungsrichtung: Rechtes Auge nach unten. Obliquus Den Obliquus| Rectus Rectus | Rectus Rectus % & superior | inferior | superior | inferior | externus | internus l= 0° 6,3 9,7 12,3 11,8 8,6 11,8 2= 15° 7,0 9,3 12,75 11,4 8,6 11,8 3—= 830° 6,6 9,7 12,7 11,5 8,6 11,8 4— 45° 6,5 . 9,5 11,4 12,6 8,7 11,7 5— 60° 6,8 9,3 11,2 12,7 8,7 11,7 6= 75° 6,8 9,3 11,2 12,9 8,7 11,7 7—= %° 6,8 9,3 10,7 .13,2 88 11,8 8— 105° 6,9 9,2 10,9 13,0 8,7 EU 9—120° 1,9 8,8 10,7 13,3 89 11,7 10 = 135° zo 9,0 10,7 13,3 8,9 11,7 11=150° 7,3 8,9 10,6 13,3 8,9 AT 12 —= 165° 8,5 7,4 10,7 13,5 9,6 11,2 13 — 180° 9,3 6,7 10,8 13,6 9,8 11,1 14 — 195° 9,4 6,7 11,6 12,7 9,0 11,0 15 —= 210° 8,9 7,2 12,8 11,5 81 12,5 16 = 225° 8,3 7,8 13,1 11,2 81 12,5 17 — 240° 8,3 7,8 13,1 11,2 s,1 12,5 er 184 A. de Kleijn und R. Magnus: Drehun.g | Obliquus | Obliquus | Rectus BRectus | Rectus BRectus 8 | superior | inferior | superior | inferior | externus | internus 18 = 255° 9,0 7,2 12,8 11,4 81 12,4 19 — 270° 8,9 7,4 12,8 11,3 81 12,4 20 — 285° 8,3 7,8 13,0 11,2 81 12,4 21=300° 8,0 81 12,8 11,3 8,3 12,3 22== 315° 7,3 9,3 13,3 10,8 8,7 11,7 23 — 330° al 9,3 13,0 11,2 8,6 11,7 24 — 345 ° 6,7 9,5 12,6 11,6 8,6 11,8 25 — 360° 6,7 9,5 12,3 8,7 1a > 11,8 Tabelle III (rechtes Auge. Drehung 11I. Ausgangsstellung: Linke Seitenlage, rechtes Auge oben. Drehung um die dorso-ventrale Achse. Drehungsrichtung: Schnauze nach unten. Obliguus| Obligquus| Rectus Reetus Rectus Rectus Drehung 5 ap : : - S superior | inferior | superior | inferior | externus | internus I=. MM 91 7,3 13,2 nl 82 12,5 2 150 9,6 6,8 13,0 11,3 8,1 12,5 3= 30° 10,1 6,2 12,8 11,5 8.1 12,5 4— 45° 10,6 9,9 12,5 11,8 8,3 12,5 5— 60° 10,8 9,9 12,3 12,1 8,6 12,5 6—= 75° 10,8 5,3 11,8 12,7 9,1 11,8 7— 0° 11,0 5,0 11,3 13,4 9,8 11,5 8—= 105 10,8 5,9 11,0 13,6 10,2 1a — 120° 10,8 9,0 10,8 14,0 7.016 10,8 10 — 135° 10,0 6,3 10,5 14,1 10,6 10,8 11 = 150° 9,4 7,0 10,5 14,0 10,3 10,7 12 — 165° 8,6 7,7 10,4 14,0 10,1 10,8 3 — 180° 7,4 9,0 10,3 14,0 9,5 11,3 14 — 195° 5,6 10,3 11,5 12,7 8,6 12,0 15 —= 210° 4,6 113. 12,1 12,2 8,5 12,1 16 = 225° 4,3 11,7 12,0 12,2 8,3 12,3 17 — 240° 4,3 11,7 12,3 12,0 8,5 122 18 = 255 4,3 11,7 12,3 12,0 85 12,2 19 = 270° 4,5 11,8 12,9 11,6 8,8 11,9 230 = 285 4,7 11,6 13,1 11,3 9,0 11,8 21 = 300° 5,2 11,0 13,0 11,3 8,6 11,8 22 — 315° 6,1 10,2 13,1 11,2 9,0 11,7 23 — 330° 7,3 9,2 13,3 10,8 9,0 11,7 24 — 345° 85 81 13,4 10,8 8,7 11,9 35 —= 360° 9.0 1.6 13,3 11,0 8.4 12,2 = Er Die Notwendigkeit, an den gewonnenen Zahlen bestimmte Korrek- turen anzubringen, ergibt sich aus folgendem: Wenn das Auge von der Normalstellung ausgehend durch Kontraktion der schrägen Augen- muskeln Raddrehungen ausführt ohne Vertikalverschiebungen, so wird durch die Raddrehung des Augapfels der Ansatzpunkt der geraden Ausenmuskeln am Bulbus verschoben und damit die Länge der geraden Augenmuskeln passiv geändert. Wenn sich nun mit einer bestimmten Raddrehung eine Vertikalverschiebung des Bulbus kombiniert, so Tonische Labyrinthreflexe auf die Augenmuskeln. 185 erfolgt die Kontraktion der geraden Augenmuskeln nicht von der- jenigen Länge aus, welche sie bei der Normalstellung des Bulbus haben, sondern von der veränderten Länge aus, welche sie durch die Rad- drehung (Kontraktion der schrägen Augenmuskeln) bekommen haben. Wenn daher das Auge eine Raddrehungs ausgeführt hat, so müssen die dabei gemessenen Längen der geraden Augenmuskeln korrigiert werden um denjenigen Betrag, welcher der Länge der passiven Dehnung oder Verkürzung durch die Raddrehung entspricht. Um diese Werte am Modell festzustellen, wurde der Augapfel zunächst in Normal- stellung gebracht, und dann derartige Raddrehungen ausgeführt, dass ‚sich die Länge des Obliquus superior von 4—11 cm schrittweise änderte. Die dadurch ohne Vertikalverschiebung des Bulbus zustande gebrachten Längeänderungen des Rectus superior und Rectus inferior wurden gemessen und die Differenz mit der Länge dieser Muskeln bei Normal- stellung des Bulbus in Tab. IV vereinigt. Diese Tabelle lehrt demnach, um welche Beträge man die Längen des Rectus superior und des Rectus inferior vermehren oder vermindern muss, wenn der Obliquus superior durch Raddrehung wechselnde Längen angenommen hat. Tabelle IV. Korrektion des oberen und unteren geraden Augenmuskels bei verschiedenen Raddrehungen des Auges. Korrektion Korrektion Obliquus superior für den Rectus für den Rectus superior inferior 4,0 — it +0,9 4,5 — IE + 0,75 5,0 — 10 + 0,6 5,9 — 08 +0, 6,0 — 056 + 0,4 6,5 — 0,3 . +02 7,0 0 0 7,9 +0,1 — 0,2 8,0 + 0,2 — 0,4 8,5 + 0,35 — 0,65 9,0 + 0,5 — 0,9 9,5 + 0,65 —11 10,0 + 0,8 —13 10,5 + 0,9 — 1,4 11,0 +10 5 In genau derselben Weise müssen nun die Messungsergebnisse für den Obliquus superior und inferior bei verschiedenen Vertikal- abweichungen des Auges korrigiert werden. Wenn nämlich der Bulbus ohne Raddrehungen Vertikalverschiebungen durch Kontraktion des oberen und unteren geraden Muskels ausführt, so werden dadurch die Ansatzpunkte der schrägen Augenmuskeln passiv verlagert und 136 A. de Kleijn und R. Magnus: die Anfangslängen der schrägen Augenmuskeln dadurch geändert. Die in Tab. V zusammengefassten Korrekturen wurden dadurch ge- wonnen, dass ausgehend von der Normalstellung am Modell Vertikal- verschiebungen des Bulbus ohne Raddrehungen ausgeführt wurden und die zugehörigen Längen der schrägen Augenmuskeln gemessen wurden. Tabelle V. Korrektion der Länge des Obliquus superior uud inferior bei Vertikal- verschiebungen des Auges. Korrektion Korrektion Rectus superior für den Obliquus für den Obliguus superior inferior 13,4 — 0,7 +02 13,0 — 0,4 + 0,2 12,5 — 0,1 02 12,0 Ar Ol 0 11,5 + 0,4 — 0,3 11,0 + 0,5 — 0,5 10,4 + 0,6 — 0,7 Auf Grund dieser Tabellen wurden nun die Messungsergebnisse für den oberen und unteren geraden Augenmuskel und für die beiden \ TUT EAN OO IEN UNTERE TER TER TO 76 17 18 79 20.27 22 23 24 25, 0 1 30 4 60 75 90 105 120 135 750 165 180 195 270 225 ZUD 255 270 265 300 3175 330.345 360 Abb. 2. Obliquus superior (korrigiert). schrägen Augenmuskeln korrigiert und die Ergebnisse dieser Korrektur in Kurvenform dargestellt (Abb. 2—5). Eine Darstellung der Längen- änderungen des Rectus internus und externus ist nicht nötig, weil, wie v. d. Hoeve und de Kleijn gezeigt haben, bei Lageänderungen des Kopfes im Raume keine gesetzmässigen seitlichen Verschiebungen des Auges eintreten. | Tonische Labyrinthreflexe auf die Augenmuskeln. ler Die Kurven geben die korrigierten Längen der genannten vier Augenmuskeln in Millimetern bei den drei von v. d. Hoeve und de Kleijn ausgeführten Drehungen des Kopfes im Raume wieder. Für den Obliquus superior ist nur der Abstand von der Trochlea zu VB D BT OL EU URUR ER TEA ER) 0 17 18 19 20 217 22 23 24 25 5 0 75 30 4 60 75 30 105 120 135 750 165 180 195 210 225 240 255 270 285 300 375 330. 3%5 360 Abb. 3. Obliquus inferior (korrigiert). seinem Ansatzpunkt am Bulbus wiedergegeben. Aus diesen Kurven ergibt sich nun folgendes: Die Kurven für den Obliquus superior (Abb. 2) stellen fast genau das nv von denen für den Obliquus inferior bb 3) dar. Das TE ol ENGEN O2 DEZONZINZZNEINZUNZE, .0 7% 30 43 60 75 90 105 120 135 750 165 780 195 210 225 240 255 270 285 300315 330 345 360° Abb. 4. Rectus inferior (korrigiert). heisst, dass die beiden Muskeln als reine Antagonisten funktionieren, und wenn der eine sich verlängert, der andere sich verkürzt, und um- gekehrt. Ebenso stellen die Kurven für den Rectus inferior (Abb. 4) fast genau das Spiegelbild von denen für den Rectus superior (Abb. 5) 188 A. de Kleijn und R. Magnus: dar, so dass auch diese beiden Muskeln bei den tonischen Labyrinth- reflexen auf die Augen als reine Antagonisten funktionieren. Vergleicht man die Kurven für die schrägen Augenmuskeln (Abb. 2 und 3) mit den Kurven, welche v. d. Hoeve und de Kleijn für die Raddrehungen des Auges erhalten haben, so stellt sich heraus, dass sie in den wesentlichen Punkten übereinstimmen. Vor allem ist die Lage der Maxima und Minima nicht wesentlich verändert; die Rad- drehungen des Auges und die Verkürzungen der schrägen Augen- muskeln sind ungefähr am grössten, wenn der Kopf vertikal mit der Schnauze entweder nach oben oder nach unten steht. Ebenso stimmen die Kurven für die geraden Augenmuskeln (Abb. 4 und 5) mit den Kurven überein, welche v. d. Hoeve und de Kleijn für die Vertikalverschiebungen des Auges gefunden haben. Nur für Drehung III ergibt sich in Abb. 4 und 5 eine etwas spitzere Form ENSIGN 20 ESSEN 1TNTENTGNZONZIINZZNEINZIIZ3, 0 130 4 60 75 30 105 120 135 750 165 180 195 210 225 240 255 270 285 300 315.330 345 360° Abb. 5. Rectus superior (korrigiert). . der Kurve als bei v. d. Hoeve und de Kleijn. Die Lage der Maxima und Minima ist jedoch nicht wesentlich verändert. Das Maximum der Kontraktion des oberen und unteren geraden Augenmuskels ist ungefähr bei Seitenlage des Kopfes. Vergleicht man nun die Kurven für die Obliqui mit denen für die Recti, so ergibt sich folgendes: Bei Drehung I (—) reagieren die Obliqui sehr stark, während die Recti fast gar keine Bewegungen ausführen. Es kommt bei dieser Drehung also überwiegend zu Rad- drehungen des Auges ohne Vertikalverschiebungen. Umgekehrt re- agieren bei Drehung II (— — :— :) die Obliqui fast gar nicht, während die Recti superior und inferior starke Bewegungen ausführen. Bei dieser Drehung kommt es demnach überwiegend zu Vertikalverschie- bungen des Auges ohne Raddrehung. Nur bei Drehung III (— — — --) beteiligen sich sowohl die schrägen als auch die geraden (superior und inferior) Muskeln an den tonischen Reflexen auf die Augen. Es ergibt sich also, dass bei Drehung I die Labyrinthe fast ausschliesslich auf ’ Tonische Labyrinthreflexe auf die Augenmuskeln. 189 die Obliqui, bei Drehung II fast ausschliesslich auf Rectus superior und inferior und bei Drehung III auf alle vier Augenmuskeln wirken. Auf den genauen Verlauf der Kurven braucht an dieser Stelle nicht eingegangen zu werden, das soll erst geschehen, wenn die Ab- hängigkeit der tonischen Labyrinthreflexe auf die Augen von bestimmten Labyrinthstrukturen und vor allen Dingen von den Otolithen erörtert wird. Hingewiesen sei nur darauf, dass bei den schrägen Augenmuskeln die Kurve für Drehung I einen asymmetrischen Verlauf hat, während bei den geraden Augenmuskeln die Kurve für Drehung II asymmetrisch ist. Auf die Bedeutung dieser Tatsache kann erst später eingegangen werden. Die Genauigkeit der Messungen ergibt sich durch den Vergleich der korrespondierenden Punkte auf den verschiedenen Kurven. Bei den drei verschiedenen Drehungen werden nämlich dieselben Lagen _ des Kopfes im Raume auf verschiedenen Wegen erreicht. Aus den Kurven ergibt sich, dass trotzdem die zugehörigen Längen der Augen- muskeln überraschend gut übereinstimmen. So entsprechen sich zum Beispiel auf allen vier Abbildungen folgende Punkte: Normalstellung. Drehung I: Nr. 1 und 25, Drehung II: Nr. 1 und 25. Rückenlage. Drehung I: Nr. 13, Drehung II: Nr. 13. Linke Seitenlage. Drehung II: Nr. 19, Drehung III: Nr. I. Rechte Seitenlage. Drehung II: Nr. 7, Drehung III: Nr. 13. Schnauze oben. Drehung ]: Nr. 19, Drehung III: Nr. 19. Schnauze unten. Drehung I: Nr. 7, Drehung III: Nr. 7. In allen diesen Stellungen haben die vier gemessenen Augenmuskeln fast genau die gleiche Länge. % Ergebnisse. Fassen wir nunmehr die Ergebnisse dieser . Arbeit mit der von v. d. Hoeve und de Kleijn zusammen, so lässt sich über die tonischen Labyrinthreflexe auf die Augenmuskeln folgendes aussagen. I. Beim Kaninchen entspricht jeder Stellung des Kopfes im Raume ein bestimmter Kontraktionszustand seiner Augenmuskeln und damit eine bestimmte Augenstellung, welche solange andauert, als der Kopf seine Stellung im Raume behält. II. An diesen tonischen Labyrinthreflexen auf die Augen beteiligen sich beim Kaninchen der Rectus externus und internus nicht in nennens- ‚wertem Grade. Im wesentlichen handelt es sich um die Wirkung des Rectus superior und inferior, welche die Vertikalabweichungen der Augen bedingen, und der beiden Obliqui, welche die Raddrehungen veranlassen. Beide Recti verhalten sich hierbei als Antagonisten; wenn der eine sich verkürzt, wird der andere verlängert. Ebenso 190 A. de Kleijn und R. Magnus: verhalten sich die Obliqui als Antagonisten. Dagegen können sich Längenänderungen der Recti mit denen der Obliqui in wechselndem Grade kombinieren. Diese beiden Muskelgruppen funktionieren also unabhängig voneinander (wenn auch natürlich zusammen abhängig von den Labyrinthen). _ III. Wenn sich der Kopf vertikal mit der Schnauze nach oben befindet, so sind die beiden Obliqui superiores (rechts und links) im Zustande grösster Verkürzung, beide Obliqui inferiore im Zustande grösster Länge. Beide Augen sind dann mit dem oberen Corneapol nach vorne gerollt. Wenn sich der Kopf vertikal mit der Schnauze nach unten be- findet, so sind die beiden Obliqui superiores im Zustande grösster Länge, beide Obliqui inferiores im Zustande grösster Verkürzung. Beide Augen sind dann mit dem oberen Corneapol nach hinten gerollt. | Bei allen anderen Lagen des Kopfes im Raume nehmen die schrägen Augenmuskeln Verkürzungssrade an, welche zwischen diesen Ex- tremen liegen. Stets reagieren hierbei beide Augen mit gleichsinnigen Rollungen. \ IV. Wenn sich der Kopt in linker Seitenlage befindet, so ist der rechte Reetus inferior und der linke Rectus superior im Zustande der grössten Verkürzung, der rechte Rectus superior und der linke Rectus inferior im Zustande grösster Länge. Das rechte Auge ist dann maximal nach unten, das linke Ause maximal nach oben ab- gelenkt. Wenn sich der Kopf in \ rechter Seitenlage befindet, so ist der linke Rectus inferior und der rechte Rectus superior im Zustande der grössten Verkürzung, der linke Rectus superior und der rechte Rectus inferior im Zustande grösster Länge. Das rechte Auge ist dann maximal nach oben, das linke Auge maximal nach unten abgelenkt. Bei allen anderen Lagen des Kopfes im Raume nehmen die Recti ‚sup. und inf. Verkürzungssrade an, welche zwischen diesen Extremen liegen. Stets reagieren beide Augen mit gegensinnigen Vertikal- abweichungen. Der Rectus superior der einen und der Rectus inferior der anderen Seite reagieren dabei gleichsinnig. V. Befindet sich der Kopf anfangs in Normalstellung und wird dann um die bitemporale Achse um 360° gedreht, so reagieren dabei hauptsächlich die Obliqui, und die Augen führen (gleichsinnige) Rollungen aus. Befindet sich der Kopf anfangs in Normalstellung und wird dann um die oceipitonasale Achse um 360° gedreht, so reagieren dabei hauptsächlich die Recti sup. und inf., und die Augen führen (gegen- sinnige) Vertikalabweichungen aus. Tonische Labyrinthreflexe auf die Augenmuskeln. 191 Befindet sich der Kopf anfangs in Seitenlage und’ wird dann um die ventrodorsale Achse um 360° gedreht, so reagieren beide Muskel- eruppen und die Augenstellungen sind die Resultante von gleich- sinnigen Rollungen und gegensinnigen Vertikalabweichungen. VI. Nach einseitiger Labyrinthexstirpation bleiben die Rollungen und Vertikalabweichungen beider Augen bestehen. Ein Labyrinth wirkt auf die Obliqui beider Augen und die Rollungen gleich- sinnig, auf die Recti (sup. und inf.) beider Augen und die Vertikal- abweichungen gegensinnig. Ein Labyrinth ruft an beiden Augen die grösste Vertikalabweichung von der Normalstellung hervor, wenn es sich bei Seitenlage des Kopfes % R unten befindet. Dann Zabyrırth Labyrinth ist der Rectus sup. der N gleichen und der Rectus a inf. der gekreuzten Seite | ; im Zustande grösster E x Veakürzung. Rect et OD | 5 D Aect ext 7 Ein Labyrinth ruft erles NO Oele " A . I@®) Obl. nf | an beiden Augen die L, et grösste Rollung durch 061. sup. Or a Kontraktion der beiden 061. inf ee, Obliqui inferiores her- vor, wenn der Kopf sich vertikal mit der VB Schnauze nach unten be- Rect. sup. findet. Umgekehrt ruft _ Aecrt nf ein Labyrinth an bei- den Augen die grösste feat D D Reck ınt Rollung durch Kontrak- | 2a, Abb. 6. tion beider Obliqui su- \ periores hervor, wenn der Kopf sich vertikal mit der Schnauze nach oben befindet. Das Ausmaass der Rollungen ist beim Vorhanden- sein nur eines Labyrinthes etwa halb so gross, als wenn beide Labyrinthe intakt sind. VIl. Es gelingt, die Stellungsänderungen der Augen beim normalen Tiere zurückzuführen auf die Summe der Einflüsse, welche vom rechten und linken Labyrinthe auf die Reeti sup. und inf. und die Obliqui sup. und inf. beider Augen ausgeübt werden. VIII. Nach doppelseitiger Labyrinthexstirpation hören alle hier beschriebenen tonischen Reflexe auf die Augen auf. IX. Die zentralen Bahnen, welche beim Kaninchen zur Erklärung Rech. Sup. Rech. nf \IZ 192 A. de Kleijn und R. Magnus: Tonische Labyrinthreflexe usw. des geschilderten Verhaltens der tonischen Labyrinthreflexe auf die Augen (nicht der Drehreaktionen und der kalorischen Reaktionen) mindestens vorhanden sein müssen, sind auf Abb. 6 schematisch dargestellt. Die ausgezogenen Linien stellen die Bahnen für die Recti sup. und inf., die punktierten Linien die für die Obliqui dar. Jeder der vier Obliqui wird von beiden Labyrinthen, jeder der beiden Recti (sup. und inf.) von nur einem Labyrinth beeinflusst. Ein Labyrinth wirkt auf alle vier Obliqui, dagegen nur auf den Reetus sup. der gleichen und auf den Rectus inf. der gekreuzten Seite. Der Internus und Externus werden bei den tonischen Labyrinthreflexen nicht wesentlich in Tätigkeit gesetzt. Chemische Reizung und chemische Kontraktur des quergestreiften Muskels. | Von Dr. Josef Wilmers. (Aus dem Institut für animalische Physiologie zu Frankfurt a. M.) Mit 14 Textabbildungen. (Zingegangen am 8. August 1919.) A. Einleitung. Die Fiek’sche!) Theorie der Muskelkontraktion, nach welcher auf jeden Reiz hin zunächst eine Verkürzungssubstanz gebildet wird, deren Zerstörung oder anderweitige Fortschaffung die Erschlaffung ermög- licht, hat in neuerer Zeit wieder grössere Bedeutung gewonnen. Im besonderen weisen die Untersuchungen von Hill?) über die Wärme- tönung des Muskels während der Kontraktion darauf hin, dass auf den Reiz eine kontrakturerzeugende Substanz gebildet wird, von der man annehmen kann, dass sie auf einem Spaltungsprozess beruht, .da die zugehörige Wärmetönung auch bei Abwesenheit von Sauerstoff auftritt. Am Ende der Kontraktion und dieselbe überdauernd tritt bei Gegenwart von Sauerstoff eine zweite Wärmemense in Erscheinung, die bei Abwesenheit von Sauerstoff fehlt. Da bei Abwesenheit von Sauerstoff der Erschlaffungsprozess von Reizung zu Reizung geringer wird, und da es schliessiich zu einer Kontraktur kommt, so wurde dies dahin gedeutet, dass die kontrakturerregende an den kontraktilen Elementen direkt angreifende Verkürzungssubstanz beim sauerstoff- haltigen Muskel normalerweise durch einen Oxydationsprozess unter starker Wärmetönung zerstört wird. Auch andere Autoren (Parnas°), Bethe ?), Pauly°), Schwen- ker ®) usw.) haben neuerdings wieder die Fiek’sche Theorie zur Er- klärung der Muskelphänomene herangezogen. Eine Anzahl von Autoren hat bereits über die Art der Verkürzungs- substanz bestimmte Ansichten entwickelt. Meistenteils wird hierfür 1) Myothermische Untersuchungen S. 31. Wiesbaden 1831. 2) Ergebnisse der Physiologie Bd. 15. 1916. 3) Pflüger’s Arch. Bd. 134 S. 488. 4) Pflüger’s Arch. Bd. 142 S. 291. 5) Kolloidchemie der Muskelkontraktion. Leipzig 1912. 6) Pflüger’s Arch. Bd. 157 S. 371. " Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd. 178. 13 ® 194 Josef Wilmers die Milchsäure in Anspruch genommen (Ranke!), Winterstein 2), Fletscher °) u. a.). In eine neue Phase ist das Problem durch die Arbeiten aus dem Embden’schen Institut getreten, in denen Embden und seine Mitarbeiter ?) zeigen, dass im Muskel eine besondere Substanz vorhanden ist, das Lactacidogen (Hexosediphosphorsäure), welche offenbar bei der Muskelkontraktion in Milchsäure und Phosphorsäure gespalten wird. Da Säuren, wie zuerst Kühne?) und nach ihm viele andere ®) gezeigt haben, Kontrakturen am Muskel hervorrufen, und da anderer- seits Säuren eine Quellung von Eiweisskörpern bewirken, so wurde mehrfach, besonders in neuerer Zeit von Pauly’) die Annahme ge- macht, dass die auf den Reiz durch Spaltung gebildete Säure auf dem Wege einer physikalischen Quellung die Kontraktur bewirkt. Eine Oxydation bzw. eine Fortschaffung der Säure durch Diffusion oder aber auch eine Synthetisierung der Säure zu nicht saueren Sub- stanzen sollte nach dieser Vorstellung die Erschlaffung herbeiführen. Diese Vorstellung erscheint, wenn man mit ihr das experimentelle Material über kontrakturerzeugende Substanzen zusammenhält und be- sonders die ausführliche Arbeit von Schwenker®) berücksichtigt, viel zu speziell, und es ergeben sich in quantitativer Beziehung mancherlei Einwände. Es zeigte sich nämlich aus einer grossen Reihe von Unter- suchungen, dass nicht nur Säuren Kontrakturen zu erregen vermögen, sondern auch Alkalien ?), manche Salze, viele organische Lösungs- mittel, wie zum Beispiel Alkohol und Chloroform 10) und noch andere’ Substanzen. Da auch manche von diesen Substanzen im Stoffwechsel des Muskels gebildet werden könnten, so liegt eine Reihe von Möglich- keiten für die kontrakturerregende Substanz vor. Welche Substanz — die Richtigkeit der ganzen Vorstellung vorausgesetzt — die Kon- traktion der kontraktilen Teilchen bei der normalen Funktion bewirkt, lässt sich also nicht ohne weiteres sagen. Bevor man aber die Annahme machen darf, dass wirklich zwischen Reiz und mechanischem Vorgang ein chemischer Vorgang eingeschaltet 1) Tetanus, eine physiolog. Studie Leipzig 1865. 2) Pflüger’s Arch. Bd. 120 S. 225. 3) Journal of Physiologie Bd. 135 S. 247. 4) Untersuchungen über Lactacidogen. Sonderdruck aus Zeitschr. f. physiol. Chemie Bd. 93. 1914. 5) Archiv für Anatomie und Physiologie. 1859. S. 213. 6) Burridge Journ. of Physiol. Bd. 42 p. 359. — Dale and Mines Journ. of Physiol. Bd. 42 p. 29. — Kopyloff, Pflüger’s Arch. Bd. 152 S, 219. — Schwenker,a. a. O. 7) Kolloidchemie der Muskelkontraktion. Leipzig 1912. 8) Pflüger’s Arch. Bd. 157 8. 371. 9 Klingenbiehl, Dissertation. Halle 1887. 10) Kemp u. Waller, Journ. of Physiol. Bd. 37 S. 69. ” Chemische Reizung u. chemische Kontraktur des quergestreiften Muskels. 195 ist, welcher seinerseits durch einen physikalischen Prozess die Ver- kürzung bedingt, muss der Nachweis geführt werden, dass künstlich dem Muskel zugeführte kontrakturerregende Substanzen wirklich auf die kontraktilen Elemente unmittelbar einwirken und nicht etwa auf dem Umweg über einen Erregungsprozess die Kontraktur bewirken. In letzterem Fall würde es sich eben nicht um eine unmittelbare Kon- traktur handeln, und die zugeführte Substanz würde lediglich die Eigenschaft eines chemischen Reizes besitzen. Es war daher Auf- gabe dieser Arbeit, zu untersuchen, ob es Substanzen gibt, welche ohne Erregung zu einer vamulnallanen Verkürzung der Muskelelemente führen. Von allen echten Erregungen darf angenommen werden, dass sie sich beim normalen Muskel in der Längsrichtung des Muskels fortpflanzen, wenn der Reiz den Muskel nur an einer Stelle trifft. Man darf dies jedenfalls immer dann an- nehmen, wenn der Erregungsprozess nicht mit einem sehr starken Dekrement verbunden ist. Wenn daher chemische Substanzen, die nur mit einem Teil des Muskels in direkte Berührung kommen, den Muskel in seiner ganzen Länge in Kontraktion versetzen, so ist an- zunehmen, dass sie an dem eintauchenden Teil einen wirklichen Er- regungsprozess herbeigeführt haben. Wenn aber nur der eintauchende Teil sich verkürzt, so wird man annehmen dürfen, dass der Kontrak- tionsprozess ohne Erregung durch direkte Einwirkung der chemischen Substanzen auf die kontraktilen Teilchen zustande gekommen ist. Mit Hilfe dieser Methode, die bisher zur Entscheidung der vorliegenden Frage nicht in Anwendung gebracht ist, habe ich eine Anzahl Sub- stanzen untersucht. Es stellte sich heraus, dass es chemische Sub- stanzen gibt, welche in dem einen wie in dem anderen Sinne wirk- sam sind. Schon äusserlich an ihrem Erfolg am Muskel kann man die über- haupt wirksamen Substanzen in drei Gruppen teilen, welche sich auch hinsichtlich ihres Einwirkungsortes voneinander unterscheiden: 1. Substanzen, welche fibrilläre Zuckungen bewirken !); 2. Substanzen, welche eine glatte Dauerkontraktion (meist rever- sibler Natur) bewirken; 3. solche Substanzen, bei denen Dauerkontraktionen mit auf- gesetzten fibrillären Zuckungen zustande kommen ?). Eine vierte Wirkungsart, die Erzeugung von einmaligen Zuckungen beim Eintauchen, besonders nach vorheriger Anlegung eines Quer- 1) Biedermann, Wiener akademische Berichte Bd. 83 Abtlg. 3 S. 257. — Ringer, Journ. of Physiol. t. 7 p. 291. — Löb, Festschrift für Fick, . 8. 99. Braunschweig 1889. — Loeb, Pflüger’s Arch. Bd. 91 S. 248. 2) Carlslaw, Arch. f. Anatomie u. Physiol. S. 429. 1887. 13 * 196 - Josef Wilmers: schnittes, welche zuerst von Kühne!) beschrieben worden ist, können wir ausser acht lassen, da es sich hierbei, wie Hering ?) gezeigt hat, offenbar um Erregung durch Schliessung des Längs- Querschnitts- stromes handelt. Auf die von Loeb °) beschriebene Kontaktirritabilität (Zuekungen, welche auftreten bei Wiederherausnahme nach kurzem Eintauchen in Calcium-fällende Natriumsalzlösungen) sei der Voll- ständigkeit halber nur hingewiesen. Die Dauerverkürzungen können, wie man von vornherein sagen kann, verschiedener Herkunft sein, entweder tetanoider Natur — und so wurden sie durchgehend von Kühne und vielen neueren Forschern #). gedeutet — oder sie können in oben angedeutetem Sinne auf einer direkten Einwirkung auf die kontraktilen Teilchen beruhen. Diese letztere Ansicht ist besonders von Burridge°) und Schwenker ’) vertreten worden. Eine besondere Stellung zu der Frage nimmt Schenck ”) in bezug auf die Ammoniakverkürzung ein. Er führt den Nachweis, dass die Kontraktionen nicht tetanischer Natur sind, haupt- sächlich aus dem Grunde, weil der Verkürzungsprozess sich nicht auf die Teile des Muskels überträgt, welche vom Ammoniak nicht getroffen werden. Trotzdem glaubt er, dass die Ammoniakverkürzung „wie die natürliche Kontraktion durch einen im Muskel sich abspielen- den chemischen Prozess mit Kraftumsatz bewirkt wird, weil sonst nicht die durch sie mögliche Arbeitsleistung erklärlich wäre‘. Dieser Einwand gegen eine direkte Einwirkung der Substanz auf die kon- traktilen Elemente ohne Zwischenschaltung eines chemischen Aus- lösungsprozesses, den er offenbar im Auge hat, wird für diejenigen kaum grösseres Gewicht besitzen, welche nicht die Kontraktion, sondern die Erschlaffung des Muskels als die eigentlich aktive Phase ansehen. Auch Hofmann) meint, dass alle verkürzenden Substanzen einen Reiz auf den Muskel ausüben, obwohl er bereits (ähnlich wie Schenck) die Beobachtung gemacht hat, dass sich unter Einwirkung von Chloro- form und Äther nur die Faserteile zusammenziehen, welche in direkte Berührung mit diesen Substanzen kommen. B. Versuchsmaterial und Methodik. Als Versuchsobjekt dienten die Sartorien uncurarisierter Frösche. Es wurde orösstenteils Rana temporaria benutzt, nur für die Ein- 1) Arch. f. Anatomie u. Physiol. 1859. S. 213, 2) Wiener akademische Berichte Bd. 79 Abtlg. 3 8. 7. 3) American Journ. of Physiol. Bd. 5 S. 363. 4) Ranke, Tetanus, eine physiol. Studie Leipzig 1865. — Klingbiehl, Dissertation Halle 1887. Fletcher, Herlitzka. 5) Journ. of Physiol. Bd. 42 S. 359. 6) Pflüger’s Arch. Bd. 157 S. 371. 7) Pflüger’s Arch. Bd. 61 S. 494. 8) Zentralblatt für Physiol. Bd. 23 S. 299. — Ebenda Bd. 27 S. 316. Chemische Reizung u. chemische Kontraktur des quergestreiften Muskels. 197 wirkung von Dämpfen mussten wegen Mangels an Temporarien Escu- lenten genommen werden. Als Untersuchungsflüssigkeiten dienten iso- tonische Lösungen der betreffenden Agentien; wo es notwendig war, wurden die Stammlösungen mit Ringer-Lösung (ohne Natrium- bicarbonatzusatz) verdünnt. _ Das Prinzip der Versuchsanordnung bestand darin, die aus- geschnittenen Sartorien in ihrer Mitte zu befestigen und die Be- wegungen der beiden Hälften, von denen die untere dem Einfluss chemischer Substanzen ausgesetzt werden konnte, gesondert durch einen Doppelhebel aufzuschreiben. Der Sartorius wurde sorgfältig präpariert und an einem Sehnen- ende mit einem dünnen Seiden- faden S (siehe Abb. 1) durch- zogen. Der Muskel M wurde dann in seiner Mitte auf dem Korken K mittels zweier Nadeln N am Rande vorsichtig aufgesteckt. Der Kork K ist an einem Glasstabe P be- festigt, der mit seinem oberen Ende mit einem Messinsklotz O in Zusammenhang steht. Sein unteres Ende ist umgebogen und trägt eine Elfenbeinrolle R, die dureh einen Platinstift als Achse mit dem Glasstab verbunden ist. Der Messinsklotz lässt sich durch einen Stab D an einem Stativ ver- schiebbar befestigen. Ausserdem trägt er oben und unten je einen Zapfen Z,undZ,. An jedem dieser Zapfen ist ein leichter Hebel A, und A, mit Strohhalm und Schreibspitze versehen, verschiebbar an- gebracht, der um O, bzw. O, als Achse drehbar ist. Der untere Hebel H, war bei den meisten Versuchen durch ein kleines Gewicht etwas entlastet, um auch geringe fibrilläre Zuckungen aufzeichnen zu können. Von dem in seiner Mitte festgesteckten Muskel aus wird der am unteren Ende befindliche Seidenfaden über die Rolle R geführt und an dem Hebel H, befestigt. Durch das obere Ende des Muskels wird ein Kupferdraht (oder Platindraht) B gezogen, der an dem oberen Hebel H, eingehakt wird. 198 Josef Wilmers: Bewegungen des oberen Zipfels wurden auf diese Weise nur auf den,oberen Hebel H,, solche des unteren Zipfels nur auf den Hebel H, übertragen und auf einer berussten Trommel aufgeschrieben. Die ganze Vorrichtung konnte in ein Gefäss eingetaucht werden, das zu- nächst mit Ringer-Lösung gefüllt war; durch drei,Hähne war diese leicht durch die in einem Reservoir befindliche Untersuchungsflüssig- keit zu ersetzen [siehe die bei Kopyloff beschriebene Versuchsanord- nung?)]. Diese wurde nun soweit in das Untersuchungsgefäss herein- gelassen, dass der untere Zipfel bis 1 mm unterhalb des Korkens ein- getaucht war. Dann wurde beobachtet, welche Veränderungen neben denen im unteren Zipfel im oberen vor sich gingen. Um einwandfreie Resultate zu erzielen, musste natürlich festgestellt werden, ob die Befestigungsstelle für Erregungen durch- gängig ist. Zu diesem Zweck liegt der Muskel dieht oberhalb der Anheftungs- stelle auf einem Metalldraht F, der der Vorderfläche des Korkens K entlang ge- führt ist und durch den Draht E, mit der sekundären Rolle eines Induktionsapparates in Verbindung steht. Geschlossen war der- Stromkreis durch den Draht E,, den Stab D, den Messingklotz O, den Zapfen Z,, den ‘Hebel H,, den Kupferdraht B und den oberen Muskelzipfel. Vor Beginn der che- mischen Einwirkung wurde der maximale Reiz ausprobiert und festgestellt, ob auch der untere Zipfel kräftige Zuckungen aus- führte. Dann wurde der Untersuchungs- flüssigkeit der Zufluss gestattet, der untere Zipfel in der oben angegebenen Weise ein- getaucht, die Bewegungen der Hebel beobachtet. Nach einiger Zeit wurde die Flüssigkeit durch Ringer-Lösung ersetzt, um die Re- versibilität eventuell eingetretener Veränderungen zu prüfen. Um die Wirkung dampfförmiger Stoffe auf den geteilten Muskel zu untersuchen, wurde die in Abb. 2 abgebildete Versuchsanordnung benutzt. Ein etwa 4 cm langes, 1 cm weites Glasrohr G wird oben und unten durch Korken verschlossen. Der untere Kork K, ist geteilt, beide Hälften sind schwach ausgehöhlt, so dass der Korken in zu- sammengesetztem Zustande derartig durchbohrt ist, dass er eben den Sartorius aufnehmen kann. Der Muskel wird so in den Korken hinein- 1) Pflüger’s Archiv Bd. 152 S. 219. Chemische Reizung u. chemische Kontraktur des quergestreiften Muskels. 199 gebracht, dass eine Hälfte nach unten übersteht. Er wird mit einer Nadel am Korken befestigt (falls die Klemmung ihn nicht genügend festhält) und eventuell noch vorhandene Lücken mit Kochsalzton abgedichtet. Am oberen und unteren Muskelende wird je ein Kupfer- draht B, und B, befestigt, die zu den Hebeln H, und H, führen. Durch ein Gewicht G, am kurzen Hebelarm des unteren Hebels wurde der untere Muskelzipfel leicht gespannt. Der obere Kork hat ein Loch zum Durchtritt des oberen Kupferdrahtes B,. Die Hebel sind an einer Metallstange D verschiebbar befestigt, welche selbst an einem Stativ angebracht werden kann. Die elektrische Reizung geschieht mit Hilfe von Nadelelektroden, welche parallel dicht am Korken an den unteren Muskelzipfel angelest werden. Die Bewegungen der beiden Muskelhälften werden sc gesondert durch den Hebel H, und H, auf einer berussten Trommel aufgezeichnet. Die zu untersuchenden Dämpfe wurden aus einer Mariotte’schen Flasche, welche die zu verdampfende Flüssigkeit enthielt, an den Muskel geblasen. Vor und während des Versuches muss der Muskel durch Befeuchtung mit Ringer-Lösung gegen Austrocknen geschützt werden. C. Versuche. I. Substanzen, welche fibrilläre Zuckungen erzeugen. Zur Erzeugung von fibrillären Zuckungen konnten nur solche Substanzen Anwendung finden, welche den Muskel zu kräftigen Kontraktionen veranlassen (es handelte sich hier ausschliesslich um isotorische Lösungen von Natriumsalzen). Vor aliem für den unteren Hebel der Abb. 1 ist im anderen Fall die Kraft der kleinen Zuckungen zu gering, um auf die Tromme! aufgeschrieben zu werden, obwohl dieser durch ein Gewicht entlastet war. Die kräftigsten fibrillären oder ‚partiellen“ Zuckungen bewirkten eine isotonische Natriumoxalatlösung. Die Zuckungen folgten ausserordentlich schnell aufeinander. Der Muskel wurde in der oben. angegebenen Weise im Versuchsapparat befestigt, ganz in Ringer- Lösung getaucht, der maximale Öffnungsreiz ausprobiert \Schliessungs- reize wurden abgeblendet) und dann der Zufluss für die isotonische Natriumoxalatlösung soweit gestattet, dass der untere Muskelzipfel bis 1 mm unterhalb des Korkens eingetaucht war. Sofort nach dem Eintauchen (X in: Abb. 3) des unteren Teiles setzten sowohl unten wie oben in dichtester Folge stürmische fibrilläre Zuckungen ein, die einander an Zahl und Stärke annähernd ent- sprachen (siehe Abb. 3). Unten tritt unmittelbar nach dem Eintauchen eine mässige Fusspunktserhöhung auf, die steil ansteigend unter starken Zuekungen langsam wieder zur Abszisse abfällt. Diese Erscheinung dürfte als tetanische anzusprechen sein. Bald nach dem Eintauchen 200 Josef Wilmers: zeigt sich die Zuckungshöhe auf Ötfnungsreize besonders im unteren Teil erhöht; unmittelbar auf künstliche Reize folgen verstärkte fibrilläre Zuckungen. Mit zunehmender Einwirkungsdauer nehmen die Zuckungen besonders unten an Höhe ab. Wird nun auch der obere Muskelzipfel eingetaucht (X,), so treten oben wieder stärkere Zuckungen auf unter einer Fusspunktser- höhung, welche der beim Eintauchendes unteren Teiles ent- spricht. Auch unten werden die Zuekun- sen wieder lebhaf- ter, erreichen jedoch bei weitem nicht die BiRES Höhe der oberen, lıh, M u‘ Pr was man als Ermü- LE ALL aut clungserscheinungen RE Be cleuten könnte. Öff- a Be nungszuckungen sind nunmehrin bei- den Teilen deutlich herabgesetzt. Natriumphos- phatgemische (Mischung vom pri- mären und sekun- dären Natriumphos- phat) wurden in !/,o molekularen saue- ren, basischen und neutralen Gemischen ). IE ERBEN DER. zur Erzeugung ven Abb. 8. X — Eintauchen ın 1ısotomische Na-Oxalat- 1 11: E Lösung (unterer Muskelzipfel), X, — Eintauchen des fibrillären Zuckun- ganzen Muskels, Ö — maximale Öffnungsreize. gen verwandt. Das hbasische Gemisch (5 Teile sekundäres + 2 Teile primäres Natriumphosphat, Ca = 197623) ist wirksamer wie das sauere (4 Teile sekundäres + 6 Teile primäres Natriumphosphat Cy = 107%) und das neutrale (6 Teile sekundäres + 4 Teile primäres Natriumphosphat Op = 107697). Nach dem Eintauchen des unteren Muskelzipfels wurden sowohl im unteren als auch im oberen Teile der Kurve kleine fibrilläre Zuekungen aufgeschrieben, die einander in Stellung vollkommen entsprechen ; auch an Grösse sind sie im wesentlichen gleich oder proportional. y li Anl . Chemische Reizung; u. chemische Kontraktur des quergestreiften Muskels. 201 Bald nach dem Eintauchen und bei gehäuften Zuckungen treten in beiden Teilen Fusspunktserhöhungen ein — unten meistens höher —, (8 Teile sekundäres + 2 Teile — maximale Offnungsreize. fels in Na-Phosphatgemisch 1% ı = Eintauchen des ganzen Muskels, O = Eintauchen des unteren Muskelzi primäres Na-Phosphat), Abb. 4. X die bald wieder zur Abszisse absinken (siehe Abb. 4 a), sie sind augen- scheinlich tetanischer Natur !). 1) Siehe auch Schenck: Pflüger’s Arch. Bd. 61 S. 496. 2023 Josef Wilmers: Nach längerem Verweilen des unteren Zipfels in der Lösung hört der Muskel mit Zuckungen auf. Diese beginnen jedoch in beiden Teilen sofort wieder von neuem, wenn der ganze Muskel eingetaucht wird, wobei ebenfalls tetanische Fusspunktserhöhungen in beiden Teilen sichtbar sind (siehe Abb. 4b). Sind die fibrillären Zuekungen matt geworden oder ganz ver- schwunden, so treten sie im Anschluss an einen einmaligen elektrischen Reiz (noch deutlicher wie bei der Natriumoxalatlösung) sofort wieder von neuem und sehr lebhaft ein. Dies ist sowohl der Fall, wenn der untere Zipfel eingetaucht ist, als auch, wenn der ganze Muskel sich in der Flüssigkeit befindet. Die auf den Reiz ein- tretende Zuckung zeigt gleich nach dem Kurvenabfall oder noch während des Abstieges der Muskelkurve einen neuen Anstieg, der langsam mit vielen aufgesetzten Zuckungen zum Abfall kommt (siehe Abb. 4c). Dieses Wiederaufflackern der fibrillären Zuekungen ist bereits von Ackerlund!) nach Einwirkung von Phosphatlösungen, und von Blumenthal?) nach anderen Substanzen beschrieben worden. II. Substanzen, welche eine Dauerkontraktion bewirken. a) Substanzen in Lösungen. Einleitende Versuche über die Einwirkung kontrakturerregender Lösungen auf Teile des ausgeschnittenen Sartorius von Rana tem- poraria wurden in der Weise angestellt, dass der Muskel stufenweise in die betreffende Flüssigkeit eingetaucht wurde. Der Sartorius wurde zu diesem Zwecke, und zwar mit seinem oberen Ende nur mit einem Hebel in Verbindung gebracht, während das andere Ende in geeigneter Weise fixiert wurde. Neben dem Muskel war eine Skala angebracht. Die etwa 3—-3,5 em langen Sartorien wurden in einer 1/,go-N-Nalz- säurelösung, welche durch Verdünnung einer !/,„-N-Salzsäurelösung mit Ringer-Lösung hergestellt wurde, in der Weise eingetaucht, dass zunächst 5 mm, dann 1 cm, dann 2 cm und endlich der ganze Muskel eingetaucht wurde. Beim Eintauchen des ersten Muskelstückes erfolgt ein Anstieg in etwa ein Drittel der maximalen Zuekungshöhe mit dem charakteristi- schen Säurebuckel [siehe Kopyloff°)]. Es wird abgewartet, bis die _ Kurve wieder parallel der Abszisse läuft oder etwas abfällt. Beim Eintauchen des zweiten und dritten Stückes erfolgt wiederum ein ruckweise weiterer Anstieg, der nur beim Eintauchen des ganzen Muskels ausbleibt, weil sich der Muskel durch 1) Arch. fir Anatomie und Physiol. S. 279. 1891. 2) Pflüger's Arch. Bd. 62 S. 513. 3) Kopyloff, Pflüger’s Arch. Bd. 153 S. 226. Chemische Reizung u. chemische Kontraktur des quergestreiften Muskels. 203 die Kontraktur bis auf ein winziges Stück schon ganz in die Lösung hineingezogen hat. Schon dieser Versuch zeigt mit grosser Wahr- scheinlichkeit, dass sich nur der Teil des Sartorius kontrahiert, welcher mit der Flüssigkeit in Berührung ist. Nach diesen einleitenden Versuchen wurde die in Abb. 1 abgebildete Versuchsanordnung benutzt. Zunächst wurde die Wirkung von Salz- säure untersucht, welche in Konzentrationen von */,oo "/aoo Und 1/,. N nach Schwenker!) gut reversible Kontrakturen ungefähr von der Höhe maximaler Zuckungen mit Anfangsbuckel hervorruft. Der Muskel wurde in der oben | beschriebenen Weise am Versuchsapparat befestigt. Nach dem Eintauchen des unteren Zipfels folgte je nach der Stärke der Lösungeine steile Kon- traktur des eingetauch- ten Muskelteilese mit nachfolgendem Abfall und Wiederanstieg. Der obere Muskelteil und desha!b auch der obere Hebel behiel- ten ihren Fusspunkt im wesentlichen bei. Die elek- trische Erregbarkeit war oben in. unveränderter Höhe erhalten, unten waren die Zuckungen veıringert und superponiert (Abb. 5). Bei z an : .3. X = Eintauchen des unteren Muskel- den ersten Versuchen zeigte „intels in 0,01%oige Normal-HOl, Ö — masi- sich allerdings auchim oberen male Öffnungsreize. Teil der Kurve manchmal bei Eintritt der Verkürzung unten eine sehr geringe Erhebung, welche nach einigen Sekunden wieder sanz zum alten Fusspunkt absank. Es liess sich aber zeigen, dass die Erscheinung ihren Grund in einer mechanischen Mitbewegung des oberen Teiles durch den unteren hatte. Der Muskel ist, wie erwähnt, um gröbere mechanische Schädigungen zu vermeiden, am äusseren und inneren Rande mit je einer Nadel aufgesteckt. Die in der Mitte laufenden Fasern des unteren Muskelteiles können also sehr leicht auf den oberen Teil eine Wirkung ausüben. Wurde aber der Muskel mit drei Nadeln (zwei seitlichen 1) Pflüger’s Arch. Bd. 157 8. 371. 204 Josef Wilmers: und einer mittleren) befestigt, so blieb die Fusspunktserhöhung der oberen Kurve regelmässig ganz aus. Versuche mit curaresierten Muskeln ergaben keine Verschiedenheit gegenüber den beim gesunden gefundenen Resultaten. Ebenso war es gleichgültig, ob als unterer Muskelteil derjenige genommen wurde, welcher die Nerveneintrittsstelle enthält, welche beim Sartorius im unteren Drittel an der Innenseite gut sichtbar ist, oder umgekehrt. Versuche über die Einwirkung von Alkalien wurden mit Natron- lauge, Ammoniak und Anilin ausgeführt. Natronlauge wurde in 1/00 und t/,„.N-Lösung verwandt. Die Lösungen wurden aus einer 1/0" N-Lösung durch Verdünnunse, mit Ringer-Lösung hergestellt. Auch diese Versuche lieferten durchaus eindeutige Resultate. Beim Eintauchen des unteren Muskelteiles setzte hier eine Verkürzung ein, weiche eine für die Laugen charakteristische Kurve ergab: steiler Anstieg, steiler Abfall fast bis zur Abszisse, dann langsamerer Wieder- anstieg. Der obere Muskelteil bleibt in Ruhe. Verdünntere Lösungen von Laugen bewirken ausser der Kontraktur fibrilläre Zuckungen [wie schon Biedermann!) gezeigt hat], welche, wie im vorstehenden Kapitel erwiesen ist, auch auf den nicht ein- setauchten Muskelteil übertragen werden müssten. Die Zuckungen waren aber in der Regel zu schwach, um auf die Hebel übertragen zu werden. In einigen Kurven sind tretzdem auch oben und unten sich entsprechende kleinste Zuckungen oder Wellen in der Kurve sichtbar. Nach dem Eintauchen des unteren Muskelteiles wurde bei mehreren Versuchen abgewartet, -bis sich die Kontraktur in diesem Teile voll- ständig ausgebildet hatte, und dann wurde auch der obere Teil ein- getaucht. Es trat dann oben eine entsprechende Verkürzung auf, während unten sich keine neue Veränderung zeigte. | Die Wirkung von Ammoniaklösungen weisen wegen der Flüchtig- keit von Ammoniak gegenüber den bisher untersuchten verkürzungs- erregenden Agenzien eine Verschiedenheit auf. Die Versuche wurden erösstenteils mit einer !/,„-N-Lösung in Ringer ausgeführt; !/,oo-N- Lösung ergab nur geringe Kontrakturen. Beim Eintauchen des unteren Muskelteils in eine !/,„-Ammoniaklösung erfolgte unten sofort eine Dauerkontraktur (Abb. 6). Die Kurve steist erst steil und dann langsamer an. Aber auch im oberen Teile der Kurve macht sich nach etwa 10 Sekunden ein langsames, kontinuierliches Ansteigen über den Fusspunkt bemerkbar (durch den oberen Muskelteil und nicht, wie Kontrollversuche zeigten, durch mechanische Mitbewegung bedingt). Die naheliegende Vermutung, dass es sich um eine Wirkung 1) Wiener akademische Berichte Bd. 83 Abtlg. 3 S. 257. Chemische Reizung u. chemische Kontraktur des quergestreiften Muskels. 205 der Ammoniakdämpfe, die aus der Lösung entweichen, auf den oberen Teil des Muskels handeln könnte, wurde durch folgenden Versuch bestätigt: Der Muskel wurde nicht in die Lösung eingetaucht, sondern nur dicht oberhalb des Flüssigkeitsspiegels in der gewöhnlichen Ver- suchsanordnung befestigt, es trat im unteren Teil eine ziemlich starke, im oberen eine geringere Kontraktur ein, die nur durch Einwirkung der Ammoniakdämpfe, die ihrer Schwere wegen stärker auf den unteren Muskelteil einwirken, erklärbar ist. Eine weitere Besonderheit wies der Erfolg der elektrischen Reizung besonders am eingetauchten Muskelteil auf. Der stark kontrahierte untere Muskel- zipfel zeigt nach jedem Öffnungs- Reiz enseh.. der Zuckung eine langsame Kon- traktion, ähn - lich der Veratrin- zuckung (Abk. 6). Beimoberen Muskel- teil ist die Erschei- nung weniger deut- lich; wird aber auch dieser eingetaucht, so ist auch dort die Erscheinung in voller Deutlichkeit vorhanden. Bei a NE Phillipssohn ) Au Abb. 6. X = Eintauchen des unteren Muskelzipfels dieses Phänomen in 0,02 Normal-Ammoniak in Ringer, Ö = maxi- I} r | f Fe j | L schon nach Milch- male Offnungsreize. säureeinwirkung be- schrieben. — Im übrigen sind die Zuckungen auf elektrischen Reiz oben unverändert, unten verringert und superponiert (siehe Abb. 6). Die Wirkung von Ammoniak wurde ausserdem noch in später "be- schriebenen Versuchen in Dampfform untersucht. Anilin macht in 0,2 und 0,1-N-Lösungen in Ringer schöne reversible Kontrakturen. Daneben bringt es aber auch die Erregbarkeit schnell zum Schwinden ; schwache Lösungen besitzen nur die letztere Eigen- schaft. Zwecks Herstellung wurde reines Anilin mit Ringer-Lösung ausgeschüttelt, die entstandene Lösung filtriert und mit Ringer ent- 1) L’action des Acides et des Alcalis sur la Contraction des muscles. Bul. soc. r. science. med. Anat. Brüssel 1912. 206 Josef Wilmers: sprechend verdünnt. Wird der untere Muskelteil in eine 0,2-N-Lösung eingetaucht, so entwickelt sich in dem eingetauchten Stück allmählich eine Kontraktur von über Zuckungshöhe. ‚Die elektrische Erregbarkeit ist lange, bevor die Kontraktur ihren Höhepunkt erreicht hat, ver- schwunden! Der obere, nicht eingetauchte Teil zeigt keine deutliche Fusspunktserhöhung, dagegen aber eine zunehmende Herabsetzung der Zuckungshöhe (siehe Abb. 7). Wie beim Ammoniak konnte durch einen Muskel, der nur unter der Wirkung von Anilindämpfen stand, nachgewiesen werden, dass die Herabsetzung der Zuckungshöhe im oberen Teile der Kurve auf einer Wirkung der aus der Lösung entweichenden Anilin- dämpfe zurückzuführen war. Wird, nachdem die Kon- traktur unten eine konstante . Höhe erreicht hat, auch der obere Muskelzipfel eingetaucht, so entwickelt sich hier eine ent- sprechende Kontraktur, wäh- rend der untere seinen Fuss- punkt beibehielt (Abb. 7, X,). Nach Kemp und Waller!) machen Alkohole gut rever- sible Kontrakturen, haben da- ‚neben aber eine stark narko- tische Wirkung, indem sie die Zuckungshöhe schnell herab- Abb. 7. X, — Eintauchen des unteren setzen. In sehr verdünnten Muskelzipfels in 0,2 Normal-Anilin in Lösungen macht sich nur die ee Te De narkotische Wirkung geltend. reize. Die Wirksamkeit nimmt von den niederen Alkoholen zu den höheren zu. Beachtenswert ist für unsere Versuche die Flüchtigkeit der niedrigeren Alkohole (Methylalkohol, Äthylalkohol und Propyl- alkohol), die wie bei Ammoniak und Anilin das obere Muskelstück beeinflusst. Die Lösungen wurden aus 100%iger Lösung durch Ver- dünnung mit Ringer hergestellt. Der Methylalkohol, der schlechteste Kontrakturerreger, bewirkte in 25 %,iger Lösung in Ringer beim Eintauchen des unteren Muskelteiles nur einen geringen Anstieg der unteren Kurve etwa in einem Drittel der Zuekungshöhe mit schneller Abnahme derselben bis zur Unerreg- 1) Journal of Physiologie Bd. 37 S. 69. Chemische Reizung u. chemische Kontraktur des quergestreiften Muskels. 207 barkeit. Eine Wirkung der Methylalkoholdämpfe machte sich in einer mässigen Herabsetzung der Zuckungshöhe des oberen Muskelteiles geltend, eine Kontraktur aber tritt dort nicht ein. Wird, nachdem ‚die Kontraktur unten konstant geworden ist, der ganze Muskel ein- getaucht, so tritt oben die entsprechende Kontraktur ein, unten bleibt die Kurve unverändert. Die Wirkung des Äthylalkohols wurde in 10, 20 und 30 % iger Lösung in Ringer geprüft. Wird nur das untere Muskelstück ein- getaucht, so tritt unten eine mässige Kontraktur mit unregel- mässig buckliger Kurve auf, der obere Teil weist keiner- Abb.8. X — Eintauchen des unteren Abb. 9. X — Betupfen Muskelzipfels in 6%oigen Propylalko- des unteren Muskel- hol in Ringer, Ö = maximale Öft- zipfels mit Hautsekret nungsreize. von R. Esculenta. lei Veränderungen auch nicht der Erregbarkeitauf. Unten finden nach jedem Reiz einige Nachzuckungen statt. Propylalkohol in 3- und 6% igen Lösungen ruft starke, steil ansteigende Kontrakturen weit über Zuckungshöhe im unteren Teil hervor. Die Wirkung der Dämpfe macht sich jedoch auch oben durch langsamen Anstieg der Kurve über den Fusspunkt nach einigen Minuten bemerkbar (siehe Abb. 8). Die Zuckungen auf Reiz sind hier anfangs vergrössert! -Amylalkohol wurde in 2% igen Lösungen benutzt. Wenn nur der untere Teil des Muskels eingetaucht wird, tritt dort eine starke Verkürzung ein, die oben vollkommen ausbleibt. 208 Josef Wilmers: Endlich wurden hoch Versuche mit Menschengalle und Haut- sekret von Rana esculenta unternommen. Letzteres wurde durch einen Pinsel von der Froschhaut abgenommen und das untere Muskel- ‚stück damit betupft. Die Resultate, welche mit den beiden Substanzen erhalten wurden, waren durchaus einwandfrei. Die oberen Kurven zeigten nicht die geringsten Fusspunktserhöhungen, wäh- rend ‘unten starke Kontraktur eintrat. Hier war die Erreg- ‚barkeit auf elektrischen Reiz in vollem Umfange erhalten (siehe Abb. 9). b) Substanzen in Dampfform. Die Wirkung dampfförmiger Kontrakturerreger auf einen Teil des Sartorius wurde mit Hilfe des in Abb. 2 abgebildeten und dort be- schriebenen Apparates untersucht. Wie oben schon erwähnt ist, ist der untere über den Korken K, frei überstehende Muskelzipfel gegen den oberen in der Glas- röhre G befindlichen Teil durch Kochsalzton fest abgedichtet, so dass eine Einwirkung der Gase auf ihn nicht stattfinden kann. Nachdem der mit Ringer-Lösung gut be- feuchtete Muskel in dem Apparat befestigt ist, wird zunächst mit Hilfe von Nadelelektroden die maximale Zuckungshöhe bestimmt und dann aus einer Mariotte’schen Flasche die Dämpfe an ' den Muskel geblasen. Zu den Versuchen mussten Abb. 10. X — Anblasen des unteren Muskel- meistens wegen Mangels zipfels mit Chloroformdämpfen, 0 — maximale an Temporarien Escu- Offnungsreize, 8—=Schliessungsreize. Der untere Hebel schreibt nach unten. lenten genommen wer- den, welche, wenigstens mit Säuren, weit geringere Kontrakturen ergeben wie die Tempo- rarıen [siehe Kopyloff!)l. Quantitativ war die Konzentration der an den Muskel geblasenen Dämpfe, die mit Luft vermischt waren, nicht zu bestimmen. Chloroformdämpfe bewirken nach Kühne?) bei ganz kurzer 1) Pflüger’s Arch. Bd. 153 S. 226. 2) Untersuchungen aus dem Heidelberger physiol. Inst. Bd. 4. Chemische Reizung u. chemische Kontraktur des quergestreiften Muskels. 209 Einwirkungszeit eine Verkürzung, die bald zurückgeht, bei längerer eine starke Kontraktur, die in Totenstarre übergeht, also nicht reversibel ist. Bei dem in Abb. 10 dargestellten Versuch wurde der Muskel längere Zeit mit diesen Dämpfen angeblasen. Es bildet sich dementsprechend bei dem unteren Teile des Sartorius eine Kontraktur aus, welche mit all- mählichem Verlust der Erregbarkeit in Starre übergeht. Der obere Teil zeigt in diesem und allen anderen Versuchen keinerlei Veränderung ‚des Fusspunktes und nur geringe der elektrischen Erregbarkeit. Mit Ätherdampf wurde nicht immer eine Kontraktur erzielt, in den Fällen aber, in welchen diese eintrat, blieb sie ausschliesslich auf den unteren Zipfel beschränkt, der obere zeigte weder eine Fusspunktserhöhung, noch eine deutliche Abnahme der elektrischen Er- regbarkeit (siehe Abb. 11). Endlich wurde die schon in Lösung untersuchte Wirkung von Ammoniak noch in Dampfform festgestellt. Auch hier kann von einer Wirkung auf ’ den oberen Muskelzipfel nicht die a a er. Rede sein, es tritt dort keine Ver- dämpfen. änderung des Fusspunktes ein, hin- gegen am unteren Zipfel eine langsam ansteigende, aber deutliche Kontraktur (siehe Abb. 12). Kohlensäure und Schwefelwasserstoff wirkten nicht verkürzend. III. Substanzen, welche eine Dauerkontraktur mit aufgesetzten fibrillären Zuckungen bewirken. Endlich wurden in der angegebenen Weise Substanzen untersucht, welche Dauerkontrakturen mit aufgesetzten fibrillären Zuckungen be- wirken. Nach den eindeutigen Resultaten der vorstehenden Versuche wird man von vornherein vermuten müssen, dass die Dauerkontraktur sich nur im eingetauchten Teile entwickeln wird, während fibrilläre Zuckungen in beiden Muskelzipfeln auftreten werden. ZehnfacheRinger-Lösung ergab neben kräftigen fib- rillären Zuckungen eine Dauerkontraktur. Obwohl schon Bieder- Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd. 178. 14 210 Josef Wilmers: mann!) und Carlslaw?) erwähnen, dass Kochsalzlösungen über 2% keine fibrillären Zuckungen bewirken, sondern nur eine Kontraktur, so rief doch in unseren Versuchen das Eintauchen des ganzen Muskels in zehnfache Ringer-Lösung (6% NaCl) starke Zuckungen neben einer dauernden Verkürzung hervor. Da die erregende Wirkung des NaCl in der Ringer-Lösung nach Loeb °) durch Kalium- und Calcium- Abb. 12. X — Anblasen des unteren Muskelzipfels mit Ammoniakdämpfen, S = Schliessungsreize, Ö — maximale Öffnungsreize. ionen aufgehoben wird, so wird man vermuten müssen, dass hier eine rein osmotische Reizung vorliegt. Beim Eintauchen des unteren Muskelzipfels in zehnfache Ringer- ' Lösung kamen im unteren und im oberen Teil des Muskels Zuckungen zustande, die von kleinsten bis zu solehen von halber maximaler 1) Wiener akademische Berichte Bd. 82 Abtlg. 3 S. 257. 2) Arch. für Anatomie und Physiologie. 1887. S. 429. 3) Festschrift-für Fick S. 99. Braunschweig 1889, Chemische Reizung u. chemische Kontraktur des quergestreiften Muskels. 211 Zuckungshöhe variierten. Aus den Kurven ist deutlich zu ersehen, dass die einzelnen Zuckungen oben und unten einander entsprechen. Daneben trat beim unteren Muskelzipfel die oben erwähnte Kontraktur auf; die Kurve steigt langsam kontinuierlich bis zu Zuckungshöhe an. Oben treten nur vorübergehende Fusspunktserhöhungen ein. Manch- mal macht sich beim Eintauchen des unteren Teiles in beiden Hälften eine Fusspunktserhöhung bemerkbar, deren Kurve einen welligen Ver- lauf zeigt und oben bald zur Ab- szisse zurückkehrt, unten aber weiter fortschreitet. Derartige Fuss- punktserhöhungen finden sich im oberen Teile auch bei gehäuften Zuckungen. Die Kurve kehrt aber immer wieder zur Abszisse zu- rück. Es wird sich hier um eine tetanische Muskelkontraktion han- deln. "Verschiedenheiten weisen die Zuckungshöhen der beiden Kurven auf. Unten ist sie relativ ge- ringer. Dort bildet sich nämlich bald eine Kontraktur aus; in Analogie mit den superponierten Zuckungen bei elektrischen Reizen reiner Dauerkontrakturen sind auch hier die Zuckungen superponiert und dem Kontrakturzustande des Muskels entsprechend von geringe- 1 RR ver Höhe. Abb. 13. X = Eintauchen des unte- ‚Die Zuckungen werden mit ren Muskelzipfels in Natriumcitrat- zunehmender _Binwirkungsdauer BinEer au; dı 5 Biatsuchen de immer seltener, treten jedoch in nungsreize. schönster Weise wieder hervor, wenn auch der obere Muskelzipfel eingetaucht wird, wobei natür- lich auch dort die Kontraktur auftritt. Gleiche Erscheinungen, wie die zehnfache Ringer-Lösung, zeigte eine isotonische Natriumcitratlösung, welche zu gleichen Teilen mit Ringer verdünnt war. Sofort nach dem Eintauchen des unteren Zipfels entwickelt sich in diesem eine starke Kontraktur, deren Kurve aufgesetzte fibrilläre Zuckungen zeigt (Abb. 13). Die Zuckungen zeigen sich in entsprechender Zahl und Stellung auch oben, die Kon- traktur fehlt dagegen vollkommen, eine vorübergehende geringe Fuss- 14* 22: Josef Wilmers: punktserhöhung, die bald wieder zur Abszisse absinkt, ist augen- scheinlich tetanischer Natur. Die Zuckungshöhe ist unten der Aus- bildung der Kontraktur entsprechend kleiner. Wird, nachdem die Kontraktur unten voll ausgebildet ist, der ganze Muskel eingetaucht, so bildet sich auch im oberen Zipfel eine Kon- traktur mit aufgesetzten Zuckungen aus (siehe Abb. 13). Natriumsul- fat in isotoni- scher Lösung be- wirkt ebenfalls sehr starke fib- rilläre Zuckungen (Abb. 14), die analog den vor- stehenden Ver- 0 "ua! suchen auch nur beim Eintauchen des unteren Zip- fels in beiden Teilen der Kurve sich vollständig entsprechend auf- treten; eine Be- A sonderheit bilden | 1 die hohen tetani- a EN Be schen Anstiege ER ER EEE sowohlderoberen Ua en Wi on wie auch der un- teren Kurve, die dem Augenblick Abb. 14. X— Eintauchen des unteren Muskelzipfels in‘ : isotonische Na-Sulfat-Lösung, X, — Eintauchen des des Eintauchens ganzen Muskels, Ö = maximale Öffnungsreize. unmittelbar fol- gen. Die Kurve des eingetauchten Zipfels fällt jedoch nicht ganz zur Abszisse ab, es bleibt ein kleiner Verkürzungsrückstand bestehen, den man wohl als geringe Kontraktur auffassen muss. Oben tritt die gleiche Erscheinung auf, wenn der ganze Muskel eingetaucht wird. Im Anschluss an elektrische Reize zeigt sich wiederum, wie beim Natriumphosphatgemisch, die dort beschriebene Verstärkung der Zuckungen mit verlangsamter Erschlaffung des Muskels (siehe Abb. 14). Chemische Reizung u. chemische Kontraktur des quergestreiften Muskels. 213 D. Zusammenfassung. 1. Beim partiellen Eintauchen eines Muskelteils in Lösungen, welche fibrilläre Zuckungen erzeugen (isotonische Natriumoxalatlösung, Na- triumphosphatgemisch), zeigte auch der nicht eintauchende Teil die Zuckungen in deutlichster Weise. Tetanoide Fusspunktserhöhungen übertrugen sich ebenfalls auf den nicht eintauchenden Teil. 2. Lösungen resp. Dämpfe, welche glatte Kontrakturen ohne aufgesetzte fibrilläre Zuckungen bewirken, üben ihren Ein- fluss nur auf den eintauchenden Teil des Muskels aus (Säuren, Laugen, Alkohole, Chloroform, Froschsekret und Galle). 3. Eine Anzahl von Substanzen bewirken neben fibrillären Zuckungen Kontrakturen, welche sich analog 2 nicht auf den nicht eintauchenden Teil übertragen (zehnfache Ringer-Lösung, Natriumeitratlösung und Natriumsulfatlösung). Hieraus wird geschlossen, dass diejenigen Substanzen, welche fibrilläre Zuekungen und bei schneller Folge derselben Fusspunkts- erhöhungen in beiden Muskelteilen erzeugen, einen richtigen Erregungsvorgang im Muskel hervorrufen, während die Substanzen, welche eine glatte Dauerkontraktur erzeugen, ohne Zwischenschaltung eines Erregungsvorganges un- mittelbar auf die kontraktilen Elemente ihre Wirkung entfalten. Zum Schluss möchte ich Herrn Professor Bethe für die An- regung zu der Arbeit und für die vielfache Unterstützung bei ihrer Ausführung und Niederschrift meinen herzlichsten Dank aussprechen. B-imidazolyläthylamin und die Organextrakte. Erster Teil: ß-imidazolyläthylamin als mächtiger Erreger der Magendrüsen. Von Prof. Dr. L. Popielski. (Aus dem Institut für experimentelle Pharmakologie der Universität Lemberg.) (Eingegangen am 13. August 1919.) ß-Imidazolyläthylamin (ß-i) ist ein basischer Körper und wurde synthetisch von Windaus und Vogt!) erhalten. Ackermann hat es aus Histidin durch die Einwirkung der Bakterien bekommen. Durch die Abspaltung von CO, aus Histidin entsteht B-i; nach Ackermann?) ist diese Abspaltung ein anaerober Fäulnisprozes. Das Molekular- gewicht von ß-! ist 111 bei einem N-Gehalt von 37,8% ; Schmelzpunkt 239—240°C. In physiologischer Hinsicht wurde ß-i bisher hauptsächlich von Dale und Laidlow3), Bargerund Dale®), Dale und Laidlow?), zum Teil auch von Modrakowski®) untersucht. Dale und seine Mit- arbeiter haben bewiesen, dass ß-ibei Hunden, Katzen, Affen und Hühnern in Dosen von ca. 0,2 mg auf je 1 kg Körpergewicht den Blutdruck rapid herabsetzt. Beim Kaninchen hebt ß-i den Blutdruck nach vor einer Stunde erfclster subkutaner Einführung von 3,75 g Urethan. Bei Hunden steigt der Blutdruck in der Lungenschlagader infolge der Verengung von Blutgefässen der Lungen. ß-i ruft ferner Spasmus der Bronchienhervor, wie dieshauptsächlich bei Meerschweinchen und Kanin- chen beobachtet wurde. Dale und seine Mitarbeiter schenkten spezielle Aufmerksamkeit der Kontraktion der Gebärmutter, welche durch .ß-i hervorgerufen wird. Diese Kontraktion tritt sowohl bei isolierter Gebärmutter, wie auch in situ auf. Diese Wirkung betrachten jene 1) Berichte d. deutsch. chem. Ges. Bd. XL S. 3691. 1907. 2) Zeitschr. f. phys. Chemie Bd. 65 S. 504. 1911. 3) H. H. Dale und P. P. Laidlow. The physiological action of $-i. Journal of Physiology vol. XLI p. 318—344. 1911. 4) G. Barger und H. H. Dale, £-i, a depressor constituent of intesti- nal mucosa. Journ. of Physiol. vol. XLI p. 499—503. 5) H.H. Dale and P. P. Laidlew, Further observations on the action of ß-i. Journ. of Physiol. vol. XLIII p. 182—195. 1911. 6) G.Modrakowski, Über die Grunderscheinungen des anphylactischen Schocks. Arch. f. exper. Pathol. u. Pharm. Bd. 69 S. 67—78. 1902. B-imidazolyläthylamin und die Organextrakte. I. 315 Forscher als sehr charakteristisch für ß-i, obwohl es von derart aut die Gebärmutter wirkenden Körpern viele gibt, was eben nur eine grosse Empfindlichkeit: der Gebärmutter gegen äussere Reize beweist. ß-i verstärkt die Peristaltik der Gedärme, doch tritt diese Wirkung beim isolierten Darme viel stärker zutage. Die Harnblase kontrahiert sich; nur nach Einführung der ersten 0,25 mg wird bei der Katze eine schwache Relaxation erhalten. Die Kontraktion der Harnblase ist nach der ganz richtigen Meinung der Forscher ein Ausdruck der Rückenmark-Anämie, welche durch die rapide Blutdruckerniedrigung verursacht wird. Die Speichelsekretion nimmt zu. Dies wird durch peripherische Wirkung von ß-i bedingt und durch Atropin aufgehoben. Die Pankreassaft-Sekretion wird ver- stärkt, dauert ca. 10 Minuten urd wird durch Atropin aufgehoben. In den Harn geht ß-i nach subkutaner Einführung nicht über, was den Forschern dadurch bewiesen erscheint, dass der Harn keinen Ein- fluss auf die isolierte Gebärmutter eines Meerschweinchens ausübt. Doch gibt der Harn die Reaktion von Pauly mit Diazobenzolsulto- säure. Demgemäss nehmen die Forscher an, dass 8-i einem Zerfall anheimfällt, ohne dass jedoch der Imidazolring gesprengt wird. Auf die Gerinnbarkeit des Blutes übt ß-i einen ganz geringen Ein- fluss aus. Das Blut gerinnt etwas später als normal. Schliesslich bewies Modrakowski, dass ß-i keine Immunisationserscheinungen aufweist, wie das Vasodilatin, bei dem nach der ersten Einführung einer entsprechend grossen Dosis, welche eine langdauernde Blutdruck- erniedrisung hervorruft, eine zweite gleichstarke Dosis keine oder nur eine ganz schwache Erniedrigung des Blutdruckes bewirkt. Von der grossen Ähnlichkeit in der Wirkungsdauer von ß-i und Vasodilatin betroffen, sprachen Dale und seine Mitarbeiter die Ver- mutung aus, dass ß-i ein Bestandteil des Vasodilatins sei. Diese Ver- mutung hat an Wahrscheinlichkeit gewonnen, als Barger und Dale im sauren Extrakte der Darmschleimhaut die Anwesenheit von ß-i festgestellt. Ihre Untersuchungen schliessen Barger und Dale mit folgendem Satz ab: „Popielski’s hypothetical ‚vasodilatin‘ contains ß-i, which base, however, does not affect the coagulability o£ the blood‘. (Journal of Physiology, Bd. XII, Nr. 6, S. 503, 1911). Das Auftreten von ß-i in Darmschleimhaut-Extrakten ist, wie ich schon früher (Zentralbl. f. Physiologie, Bd. XXIV, Nr. 24) betont habe, ganz begreiflich angesichts der Fäulnisprozesse, die an der Schleimhaut des Verdauungskanals vor sich gehen. Ungeachtet dessen, dass sie keine chemischen Untersuchungen angestellt, nehmen die Autoren, auf blosse Analogie gestützt, an, dass sich ß-i in Witte-Pepton, dieser klassischen Quelle des Vasodilatins, befindet. 216 L. Popielski: Und noch mehr, auf Grund der Identität der durch Vasodilatin hervorgerufenen Erscheinungen mit denjenigen des anaphylaktischen Shoks sprechen sie die Vermutung aus, dass auch hier vielleicht ß-i wirkt. IE Meine!) Untersuchungen habe ich ausschliesslich an Hunden in „akuten“ und ‚chronischen‘ Experimenten ausgeführt. Ich benützte das salzsaure 8-i aus der Fabrik von F. Hofmann-La Roche; es bildet grosse, lange, schneeweisse Kristalle. Es hat sich nun in Über- einstimmung mit Frgebnissen von Dale und dessen Mitarbeitern gezeigt, dass ß-i eine gewaltige Herabsetzung des Blutdruckes nach sich zieht. So zum Beispiel im Experimente vom 2. Juli 1913 bei einem Hunde von 7,5 kg Gewicht, welcher unter dem Einfluss der Chlcralose stand (75 ccm 1% in eine Vene), wurde der Blutdruck nach der Einführung von 0,00025 ß-i ins Blut von 116 mm auf 23 mm Hg herabgesetzt und erst nach 8 Minuten auf 100 mım Hg gehoben. Die Dosis betrug ca. 0,00003 ß-i auf je 1 kg Körpergewicht. Diese Herabsetzung des Blut- druckes ist peripherer Herkunft, denn sie tritt auch nach der Durch- trennung des Rückenmarkes unter dem verlängerten und der Darmnerven (Nn. splanchrici) auf. Adrenalin hebt den durch ß-i herabgesetzten Blut- druck,wenn auch nicht so stark, wieinnormalen Verhältnissen. Man muss daraus schliessen, dass ß-i zum Teil auf dieselben Stellen wie Adrenalin wirkt. Dale reserzierte das Ganglion stellatum und führte nach einer Zeit, wo man schon die Entartung der Nervenendigungen in ent- sprechendem Maass annehmen konnte, das 8-i ein. Es hatte eine Gefässerweiterung zur Folge, was er mittels eines Plethysmographen feststellen konnte. Man muss also annehmen, dass ß-i auf die Muskel- elemente der Gefässe selbst wirkt, was freilich eine Einwirkung von ß-i auch auf Nervenendigungen keineswegs ausschliesst. Die Gerinn- barkeit des Blutes wird nicht stark beeinflusst. Das während des Minimums des Blutdruckes entnommene Blut gerinnt nur 2—3 Minuten später als sonst. Die Speichelsekretion ist, den Behauptungen von Dale und Laidlow (l. e. S. 340) gegenüber, zentraler, nicht peripherer Herkunft, denn sie hört nach der Durchtrennung der Chorda tympani vollständig auf. Die Speichelsekretion beginnt 40—60 Sekunden nach der Einführung und dauert 11,—2 Minuten an. Die Pankreassaftsekretion beginnt 50—60 Sekunden nach der Ein- führung und dauert höchstens 14 Minuten. Atropin hebt diese Sekretion nicht auf, obwonl Dale und Laidlow (l. c. S. 341) anderer Meinung sind. Die Menge des abgesonderten Saftes ist der Bluterniedrigung direkt proportional. Das Charakteristische der Sekretion bleibt hier also 1) Popielski, Bulletin de l’Academie des sciences de Cracovie, Serie B, sciences naturelles, Novembre-Decembre 1916, seance du 11. XII. 1916. ß-imidazolyläthylamin und die Organextrakte. 1. 917 dasselbe wie nach Vasodilatin: bei gleicher Blutdruckherabsetzung ist auch die Sekretion fast gleich. Die allgemeine Wirkungsweise von ß-i äussert sich in der gleichen Weise wie bei Vasodilatin: 10—15 Sekunden nach der Einführung tritt bei dem Tier eine auffallende Anregung zutage, welche ca. 1 Minute andauert. Dann folgt Depression, eine Beruhigung von verschieden langer Dauer, je nach der Dosis, im allgemeinen aber, bis der Blut- druck die Norm wieder erreicht. Dieser Beruhigungszustand hat mit einer Narkose nichts zu tun, denn die Reflexe bleiben voll und ganz erhalten. Gleichzeitig mit der Blutdruckherabsetzung tritt Peristaltik des Gedärmes und Urinieren auf. Die verstärkte Peristaltik des Ge- därmes ist eine periphere Erscheinung, welche auch nach Durch- trennung der Darmnerven und des Rückenmarkes unter dem Ver- länserten auftritt. Sie steht mit der Überfüllung der Venen mit CO,- reichem Blute in Zusammenhang. Die oben beschriebenen Erschei- nungen sprechen ebenso wie die identischen Vorgänge nach Vasodilatin- zufuhr dafür, dass sie im engen Zusammenhang mit der Herabsetzung des Blutdruckes stehen. Die Aufregung ist die Folge einer durch plötzlich eintretende Erniedrigung des Blutdruckes hervorgerufenen Anämie. Dieser Aufregungszustand dauert kurz, denn bald stellt sich infolge geschwächter Ernährung in den Zentren ein Erschöpfungszustand ein, der sich bei dem Tier als eine Depression, Prostraticn, äussert!). 11. Ich komme jetzt zum wichtigsten Teil meiner Untersuchungen, zum Einfluss von ß-i auf die sekretorische Tätigkeit der Magendrüsen. Dale und seine Mitarbeiter äusserten die Meinung, dass ß-i sich in den Organextrakten als ein Bestandteil des Vasodilatins befindet. Da die Organextrakte, wie wir aus Temaszewski’s?, Untersuchungen wissen, auf die Magendrüsen eine starke sekretorische Wirkung aus- üben, so erhob sich die Frage, was für Wirkung ß-i als vermutlicher Bestandteil des Vasodilatin ausüben wird. . Wie aus unten angeführten Versuchen folgt, ist ß-i ein mächtiger Erreger der Magendrüsen. Die Versuche wurden an Hunden ausgeführt, von denen jeder ausser der Magen- noch die Duodenalfistel, einige darunter noch eine Pankreas- fistel hatten. Die Duodenalfistel diente zum Einführen eines harten Katheters mit einer Blase, die mit Luft gefüllt, dem abgesonderten Magensaft den Weg ins Duodenum versperrte. Bei den ersten Ver- suchen habe ich das Duodenum nicht abgesperrt, was ich an ent- 1) Popielski, Über physiologische und chemische Eigenschaften des Peptons Witte. Pflüger’s Arch. Bd. 126 S. 484. 1909. 2) Z. Tomaszewski, Über die chemischen Erreger der Magendrüsen. I. Der Einfluss von Organextrakten auf die Sekretion des Magensaftes. Pflüger’s Arch. Bd. 170 S. 260. 1916. 218 L. Popielski: sprechender Stelle bemerke. Da bei den Hunden die Nn. vagi intakt waren, wurde spezieller Augenmerk der Eliminierung der „psychischen“ Magensaftsekretion geschenkt. In Fällen, wo schon beim Anfang des Versuches eine Magensaftabsonderung vorlag, wurde mit dem Ein- führen von ß-i gewartet, bis die Sekretion minimal wurde. Versuch I. 28. Oktober 1916. Hund „Bialy“ von 15 kg Gewicht. Es wurden ihm am 7. Oktober 1916 zugleich die Magen- und Duadenalfistel angelegt. Am Tage der Operation wog der Hund 14 kg. Der Magen wurde gespült. Die Blase wurde ins Duodenum nicht eingeführt. Das Duodenum wurde offen gelassen, um das Sekret zu sammeln. Um 75h 45’ Anfang der Beobachtung 85 00’ haben sich 0,6 ccm Magensaft abgesondert &h 30’ ” „ 14 „ ” D) ” 85h 40’ » „ 06 „ b) .n Es wurden linkerseits unter die Haut des Rumpfes 10 ccm 20%igen Extraktes aus dem Drüsenteil der Hypophyse aus der Fabrik F. Hof- mann-La Roche eingeführt. Um 8h 45’ abgesondert 0,0 Magensaft 0,2 (für 15’) aus Duodenum ” ” 5 9m 00’ » 0,0 » De ( b) 15’) ” » „ 915’ e 0,0 5 1505 1), » „ 9h 30' „ 0,0 „ 1,0 ( b)] 15' ) ”» ” 9h 45’ : 0,0 5 0,0 („ 15) „ Um 9% 50' ohnemäleen rechterseits unter die Haut des Rumpfes 0,082 B-imi- dazolylaethylamini hydrochlorici in 15 ccm destillierten Wassers eingeführt. Abgesondert: Magensaft: von Azidität: aus Duodenum: Um 10500’ 2,5 ccm — 18,0 cem lauter Galle „0n157 21,5), 983 10 „ n „ R50r 61,0%, 138,3 45 „ Galle „ 1045’ 76,0 „ 143,3 ae 200880 150,0 u 118150900 150,0 35 » » |Mit Beimengung TR 3077840 152,0 Ho, t | von Magensaft ln 150780, 154,0 TEBRER Re 9 von18,3Azidität »12.n1002 6400, 156,0 DT „. Malz 320% 156,0 100 „ 12n307 280 , 158,3 SE \ „ 12n45' 420 „ 163,0 Gl Wie nor ae 166.0 ee 1573600 166,0 Tome Eu 71% 50.050005 166,0 0 | Ren 1572300 166,0 180 742:5:002. 25,0. 166,0 OD = 70n157910 ,; 166,0 EN PS 2 ae 166,0 RR a a 158,0 LOKS — 40 , 3000770, 124,0 RN. a5 3,0, 124,0 NE. ” 3 80’ 4,0 ” ur 1,5 r » 3h 45" 1,0 „ nF \ 4,0 ” ” 1) Mit etwas Speichel. 8-imidazolyläthylamin und die Organextrakte. I. 219 Um 3h45’ wurde der Hund abgebunden. Er war munter und frass seine gewöhnliche Futterportion.' Die Sekretion begann nicht später ais 10 Minuten nach dem Einführen von ß-i, erreichte die Höchstzahlen nach 45—60 Minuten und blieb auf dieser Höhe (76—90 cem für Y, Stunde) während 1 Stunde, dann dauerte sie, allmählich abnehmend, von 10 Uhr bis 3 Uhr 45 Min., also 5 Std. 45 Min. In dieser Zeit wurden 937,5 ccm Magensaft ab- gesondert. Der Saft ging zum Teil ins Duodenum über, was daraus ersichtlich war, dass sich im oberen Teil des Zylinders, in dem das Duode- nalsekret gesammelt wurde, eine farblose, saure Flüssigkeit bemerkbar machte. Von 12 Uhr angefangen, hatte die aus dem Duodenum ge- sammelte Flüssigkeit keine Gelbfärbung mehr an und die Azidität betrug 20—32,0. Zweifelschne war also auch der Pankreassaft, der unter dem Einfluss des ins Duodenum übertretenden Magensaftes abgesondert wurde, in der Flüssigkeit vorhanden. In den ersten 25 Minuten nach dem Einführen macht sich eine ziemlich rege Gallenabsonderung be- merkbar, die in den ersten 10 Minuten 18 cem, in den nächsten 15 Mi- nuten 7cem betrug. Es ist anzunehmen, dass diese Gallensekretion nicht als Vermehrung der Gallenproduktion unter dem Einfluss von ß-i zu deuten ist, sondern dass die Galle mechanisch aus der Gallenblase ausgepresst wurde, und zwar durch die Bewegungen des Tieres, die durch den ziemlich schmerzhaften Akt des subkutanen Einführens verursacht wurden. Wie wir später sehen werden, fällt in manchen Versuchen die Gallenabsonderung ganz weg. In den ersten 25 Minuten ist eine schwache Speichelabsonderung bemerkbar; daraus ist zu er- sehen, dass das Tier öfter als in den normalen Verhältnissen den Schluck- akt ausführt. Wahrscheinlich ist diese schwache Vermehrung der Speichelabsonderung eine Folge des blossen Aktes der subkutanen Einführung. Im Verhalten des Tieres ist nichts Anormales zu bemerken. Die Wirkung von ß-i auf die Magendrüsen muss als ganz spezifisch angesehen werden. ß-i als ausgeprägt basischer Körper ruft bloss die Absonderung des saueren Magensaftes und keines anderen her- vor. Diese Tatsache verdient Beachtung. Der Verlauf der Sekretion nach ß-i erinnert sehr an den nach den Organextrakten. Nach ß-i beginnt die Sekretion etwas früher als nach den Extrakten, und zwar in 10 statt in 13—15 Minuten. Sie dauert auch kürzer als nach den Extrakten. Im folgenden Versuch Nr. II wird die Wirkung einer zehn- mal kleineren Dosis als im Versuch I, und zwar von 0,0032 ß-i ge- schildert. Versuch II. 31. Oktober 1916. Hund „Bialy* von 15 kg Gewicht, derselbe wie im Versuch I. Duodenum wurde zwecks Sammlung des Se- kretes geöffnet. Der Magen gespült. Um 8520’ Beginn der Beobachtung. 220 L. Popielski: Abgesondert: Magensaft: von Azidität: aus Duodenum Um 8h35’ 24,0 ccm) 0,5 com „ 8445’ 180 „ 38, = 9:6:00258,009) N 113,0 190% EN | 2.000 9h 30' 05 „40 0.65, Die Duden war gelb gefärbt, alkalisch. Um 95 40’ wurde 1,0 ccm Magensaft abgesondert und 0,6 ccm aus dem Duodenum. Es wurden rechterseits unter die Rumpfhaut in 15 ccm Wasser 0,0032 ß-i, während 21V/a Stunden im Exsikkator auf 1300°—-140°—-150° © gehalten, eingeführt. Um 9h 41’ erscheint Speichel mit Schaum. „ 9%45’ wurde 1,0 ccm Magensaft, 0,5 ccm aus dem Duodenum abge- sondert. „ 9546’ der Hund etwas unruhig. Abgesondert: Magensaft: aus Duodenum: Um 105 00’ 9,5 cem 1,5 ccm a 06 , ” 10% 30° 1,4 » 1,0 „ „ 10545’ 80 „ 20 „ Der Hund wirft sich und bellt EN ETEUNT 84 „. Es erscheint viel Galle ern, 14,0 „ Galle 11h 30' 05 „ 1,0 Es wurden linkerseits unter die Brriemeiihein in 15 cem Wasser 0,0032 B-i, die seit 30. November 1916 in un u gehalten wurden, ein- geführt. Um 11h 38’ beginnt die Sekretion. Der Hund wirft sich. Es erscheint Galle. Abgesondert: Magensaft: Azidität: Um 11545’ 28,0 cem — 3,0 ccm Galle ” 12h 00’ 86,0 » Tre, 5,0 ” ” „ 12h15’ 105,0 „ 147,0 2,0 mit Beimengung von Magensaft' 1217307292088 150,0 DAR „ 12h45’ 820 „ 158,0 7,0 Flüssigkeit leicht gelb gefärbt Sa 1100/.760,0.4 } 158,0 19,0 | h R r ” 2 = 2 ‚ 2 ! I en Flüssigkeit farblos, sauer „ Mes — 71,5 Der Versuch würde beendet. Der Hund frass gierig seine gewöhnliche Portion. Aus diesem Versuche folgt, dass das Erwärmen von ß-i auf 130 bis 150°C. seine Wirkung stark schwächt. Nach 0,0032 ß-i, das während 211, Stunden auf der Temperatur 130—150°C. gehalten wurde, er- hielt ich 41,9 ccm. Dieselbe Menge von ß-i, die nicht vorerwärmt wurde, bewirkte eine Magensaftsekretion von 502,5 ccm. Die Sekretion dauerte 2 Stunden 15 Minuten. Auch hier sehen wir eine Gallenabsonderung, höchstwahrscheinlich aus mechanischen Ursachen, denn die Galle er- scheint in grösseren Mengen eben dann, wenn das Tier nach dem Ein- B-imidazolyläthylamin und die Organextrakte. I. 221 führen erwärmter ß-i sich zu werfen beginnt. Ein Teil des Magen- saftes ist ins Duodenum übergetreten, was an der sauren Reaktion der Duodenalflüssigkeit erkenntlich ist. Merkwürdig ist die Tatsache, dass, während die Menge der eingeführten ß-i zehnmal kleiner als im Versuch Nr. I war, die abgesonderte Saftmenge nur zweimal weniger betrug. Auch dauerte die Sekretion zweimal kürzer. Eine weitere zehnmalige Verminderung der Dosis verursacht eine zehnmalige Herab- setzung der Sekretion, wie aus dem Versuch III zu ersehen. Versuch III. 3. November 1916. Hund „Bialy“ von 15 kg Gewicht derselbe wie in den vorigen Versuchen. Das Duodenum geöffnet, der Magen gespült. Um 7530’ Beginn der Beobachtung. Abgesondert: Magensaft: aus Duodenum: Um 7545’ 0,0 cem 0,» com Reaktion alkalisch h 7550’ Reaktion alkalisch. Es wurden linkerseits unter die Rumpfhaut in 15 ccm Wasser 0,00032 8-i eingeführt. Um 8h 03’ Beginn der Sekretion. Abgesondert: Magensaft: aus Duodenum: Um 85 15’ 17,0 cem 2 lecem 890 900.:17,0 , 08 „ an ei 98 90007289 15% 85 „ Galle on, 1.0, 0, » 95 80° 1,0 ” 30 5, b) 9h45’ 0,0 „ 0er Der Versuch wurde abgeschlossen. In 1 Std. 40 Minuten wurden 52 ccm Magensaft, also beinahe zehnmal weniger als im Versuch II nach dem Einführen einer zehnmal grösseren Dosis gesammelt. Wie wir sehen, bewirkt ß-i auch in so kleiner Menge wie 0,00032 eine ganz deutliche Sekretion, was uns den Beweis liefert, dass ß-i ein mächtiger Erreger der Magendrüsen ist. Da obige Versuche an einem Hunde mit unversehrten Nn. vagi ausgeführt wurden, dürfte die Möglichkeit der Absonderung von „psychischem‘ Magensaft infolge des Eingriffes selbst nicht ausser acht gelassen werden. Doch ist diese Möglichkeit hier auszuschliessen, weil die Menge des Saftes der Menge des eingeführten Körpers proportional ist. Würde hier der Einführungsakt selbst eine Rolle spielen, so müssten wir, unabhängig von der Grösse der Dosis, in allen Versuchen gleiche Mengen des abgesonderten Saftes haben. Um aber ganz sicher die ‚psychische‘ Sekretion ausschalten zu können, wandte ich Scopolamin an. Dieses lähmt gleich Atropin die autonomen sekretorischen Nervenendisungen. Ich wählte darum Scopolamin, weil es viel stärker auf die Nervenendigungen einwirkt: und schwächer aufregende Wirkung aufweist als Atropin. Vorher 222 L. Popielski: habe ich aber die Wirkung des Scopolamins mit der Reaktion der Pupille geprüft. Nach dem Einführen von zwei Tropfen 1%igen Scopolamini hydrochloriei in die Bindehaut folgte unmittelbar eine kurz dauernde Verengung, nach 10 Minuten aber die höchste Er- weiterung der Pupilla, die 3 Tage anhielt. Angesichts derart charak- teristischer Wirkung von Scopolamin schritt ich zum Versuch, bei welchem ich dem Hunde subkutan 1 cem 1%iger Lösung, d. h. 0,01 Scopolamini hydrochloriei einführte. Nachdem unter dem Einfluss von Scopolamin die maximale Pupillenerweiterung eingetreten war und die „psychische“ Absonderung gänzlich aufgehört hatte, führte ich subkutan ß-i ein. Die Ergebnisse sind aus dem Versuche IV er- sichtlich. Versuch IV. 9. November 1916. Hund „Bialy“ von 15,650 kg Gewicht, derselbe wie vorher. Das Duodenum wurde geöffnet, der Magen gespült. Die rechte Pupille erweitert unter dem Einfluss des Scopolamini hydrochlorici, von dem zwei Tropfen in den Bindehautsack eingeführt wurden. Um 7530' Beginn der Beobachtung. Abgesondert: Magensaft: aus dem Duodenum: Um 7545’ 60,0 ccm 9,0, ccm mit Galle ” &h 00’ 50,0 ” 6,0 ” ” ” = 5397 36,02, 1,0 ” ” ” 7.857187 711,07, Zur 900 20.0 Es wurde subkutan in die linke Rumpfseite 1 cem 1%oiges Scopolamini hydrochlorici bis 4 ccm verdünnt (= 0,01 Scopol. hydrochl.) eingeführt. Die Lösung war frisch bereitet. Um 85 28’ eine ausgeprägte, jedoch nicht maximale Erweiterung der linken Pupille. Um 85 30’ abgesondert 11,0 ccm Magensaft (pro 15) „ 8545’ R 0 5 („ 15’) 1,5 aus Duodenum 00, Pupillen weisen maximale Erweiterung auf. Der Hund ist unruhig, bellt unaufhörlich. Er wurde für 10’ abgebunden und um 8b 55’ wieder im _ Gestell untergebracht. Um 95h 00’ wurden 0,0 ccm Magensaft und aus dem Duodenum 1,0 ccm gelber Flüssigkeit abgesondert. Um 9500’ wurden subkutan in die rechte Rumpfseite 0,0032 ß-i in 15 cem Wasser eingeführt. Der Hund ist aufgeregt, er bellt, manchmal bleibt er ruhig und zwar während 1-1!/s Min. Um 9h 15’ 30” erscheint der erste Tropfen. Es hat sich gezeigt, dass wegen der starken Aufregung die Schleimhaut des Magens sich auf die Öffnung der Fistel gelegt und diese verschlossen hatte, Infolgedessen konnte der Saft nicht nach aussen gelangen. Die Schleimhaut wurde deshalb mittels eines in den Stöpsel gesteckten Glas- stäbchens abgehoben; der Saft strömte danach gleich in grosser Menge heraus. Abgesondert: Magensaft: Azidität: aus dem Duodenum: Um 9% 30’ 55,0 ccm 130,0 0,0 ccm „ 945’ 40,0 „ 130,0 0,5 910 3-imidazolyläthylamin und die Organextrakte, 1. 223 Magensaft: Azidität: aus dem Duodenum: Um 105 00’ 35,0 ccm 140,0 0,0 cem De Hund bellt unaufhörlich und ist unruhig. 10h 10’ der Hund ist ruhiger. „ 10h 15’ 28,0 ccm 140,0 0,0 ccm 102.30”. 19,0) ', 134,0 0,0 , Der Hund ist ruhig, bellt nicht. „ 106 45’ 17,0 ccm 134,0 0,0 cem „ tr 0077 10,07%, 130,0 0,0. „ Der Hund ist ruhig. „ 11615’ 4,0 ccm 130,0 0,0 ccm „ 115 30’ 1,0 a — 0.00 Der Versuch wurde abgeschlossen, der Hund abgebunden. Pupillen erweitert; ein schmaler Saum ist sichtbar. Der Hund war ruhig und frass seine gewöhnliche Portion. In 2 Stunden 30 Minuten wurden 209 ccm Magensaft abgesondert. Wie wir sehen, war die Sekretion um 300 ccm kleiner, als sie nach dieser Menge ß-i sein sollte. Wenn wir aber die Veränderungen im Blutkreislauf unter dem Einfluss des Scopolamins in Betracht ziehen, dann wird dieser Unterschied ganz verständlich. Auf Grund des Versuches IV gelangen wir zum Schluss, dass ß-i die Magensekretion im Wege der u un auf die Drüsenzellen des Magens selbst erregt. Es war nun von grosser Wichtigkeit, zu erfahren, welche Wirkung die Einführung von ß-i ins Blut direkt haben wird. Zu diesem Zwecke habe ich wiederum einen Versuch an dem Hund „Bialy‘“ mit Magen- und Duodenalfistel ausgeführt. Versuch V. 2. Dezember 1917. Hund „Bialy“ von 15,400 kg Gewicht. In die Vena saphena magna dextra wurde eine Glaskanüle eingeführt. Der Magen wurde gespült. Ins Duodenum wurde ein Bläschen eingeführt und aufgeblasen. Um 10h 30’ Beginn der Beobachtung. 10h 45’ wurden 6,0 ccm Magensaft gesammelt. » 10h 59 \ n 2, 7 ” ” ” 5 EN » Um 115 01’50'’ wurde mit dem Einführen von 0,0032 ß-i gelöst in 20,0 cem 0,9°/oiges NaCl in die Vene begonnen. Es wurden sehr langsam ungefähr 5 ccm eingeführt. Um 11503’ der Hund bellt und wirft sich stark. „ 11215’ Magensaft wird nicht abgesondert. Aus der Duodenal- fistel begann plötzlich Galle zu fliessen; es wurden 5 ccm abgesondert. Um 11h 07’ der Hund zittert. 115 15’ wurde 1,0 ccm Galle oma 11h 23’ ” 3, 0 ”„ ” „ 11525’ 20’ wurden nach einer Pause von 22’ noch ca. 5,0 ccm obiger Lösung sehr langsam eingeführt. Um 11h 28’ 20’ wurde nach einer Pause von 3 Minuten mit der Ein- führung von ß-i fortgesetzt. Um 11529’ der Hund wirft sich sehr stark, bellt und sucht sich frei zu machen. ” ” ” 2994 L. Popielski: Um 11530’ der Hund ruhig. „ 11530’ Schluss der Einführung. Im ganzen wurden 0,0032 $-i in 20 cem eingeführt. Der Hund gibt viel Speichel ab. Magensaft nicht abgesondert. Um 11h33’ ist der Hund ruhig; 16 Atemzüge in einer Minute, Puls 90. Um 11h 35’ wurden aus dem Magen 2,0 ccm schleimiger Flüssigkeit gesammelt. Hund zittert, der Speichel tröpfelt nicht mehr. Von Zeit zu Zeit führt der Hund Schluckbewegungen aus. Um 115 45’ wurden aus dem Magen 4,0 ccm einer saueren, schleimig- fadenartigen Flüssigkeit gesammelt. Die Pupillen erweitert, reagieren aufs Licht. Von Zeit zu Zeit Zittern des Hundes. Um 11h45’ wurden 4,0 ccm einer saueren, stark schleimigen, schäumen- den Flüssigkeit gesammelt. Um 11550’ wurden 1,0 ccm gesammelt. » 12h 00' » 0,5 ” » „. lau10 n Während der Zeit von 11 Uhr 29 Minuten bis 12 Uhr 10 Minuten, d.h. für 41 Minuten wurden im ganzen 12 ccm gesammelt. Die Flüssig- keit war schäumend und schleimig, was bei der kleinen Azidität darauf hinweist, dass den grössten Teil der Flüssigkeit der Speichel ausmacht. Bei der ersten Einführung wurde der Magensaft überhaupt nicht ab- gesondert. Es zeigte sich nur Galle. Nach der zweiten tröpfelte aus der Magenfistel eine schaumige, schleimige, fadenziehende Flüssigkeit von 78 Azidität. Das Tröpfeln begann in demselben Moment, wo der Hund keinen Speichel mehr warf, wo also der Speichel nicht nach aussen gelangte, sondern beim Schlucken in den Magen überging. Es war also anzunehmen, dass der Speichel den in kleiner Menge an der Oberfläche der Mucosa befindlichen Magensaft abspülte und dieser die Azidität der ganzen Flüssigkeit auf 78 steigerte. Für 41 Minuten wurden 12 ccm derartiger Flüssigkeit von 78 Azidität gesammelt. Als Durchschnittsazidität 158 angenommen, erhalten wir für den Magensaft allein ca. 6 ccm. Somit können wir annehmen, dass ß-i intravenös eingeführt, keine Magensaftsekretion herbeiführt. Interessant ist im Versuch I die starke Aufregung des Hundes, die fast momentan nach der Einführung von ß-i auftritt. Diese Aufregung des Tieres, die ca. 1 Minute andauert, ist eine Folgeerscheinung der Gehirnanämie, die durch rapide Blut- druckerniedrigung, welche bei Hunden immer die intravenöse Ein- führung von ß-i begleitet, verursacht wird. Nach der Beendigung des Versuches um 12 Uhr 10 Minuten wurde der Hund abgebunden und verhielt sich ganz ruhig. Um 2 Uhr wollte er sein gewöhnliches Futter nicht fressen, benagte dagegen gierig die Knochen. Abends um 6 Uhr frass er mit Appetit seine gewöhnliche Portion. Die bisherigen Versuche wurden an dem Hunde mit intakten Nn. vagi ausgeführt. Obwohl der Versuch mit Scopolamin!) bezeugte, dass die 1) Popielski, ]. c. 458, 459. 3-imidazolyläthylamin und die Organextrakte. 1. 225 Absonderung von P-i peripherer Natur ist, war es jedoch wichtig, zu erfahren, welchen Einfluss B-i nach Durchtrennung der Nn. vagi auf die Sekretion haben werde. Zu diesem Zwecke wurden dem Hunde „Bialy“ die Nn. vagi im Brustkorb auf die im Institute übliche Weise durchtrennt. Bei der Operation am 4. Dezember 1916 musste im rechten Pleuraraum ein Gazestückchen zurückgelassen werden. Von beiden Nn. vagi wurden je 2 ccm lange Stücke ausgeschnitten. Die Wunde des Brustkorbes wurde mit drei Schichten von Katsut- nähten vernäht. Da eine Rippenfellentzündung infolge der Reizung durch die Gaze zu befürchten war, wurde beschlossen, schon am folgenden Tag den eigentlichen Versuch auszuführen. Versuch VI. 5. Dezember 1916. Hund „Bialy“ von 14,400,0 kg Gewicht. Am 4. Dezember 1916 um 4 Uhr nachmittags wurden ihm intrathoracal die Nn. vagi durchschnitten. Der Magen wurde gespült. Von der Einführung des Bläschens ins Duodenum wurde abgesehen. Um 3515’ Beginn der Beobachtung. Reaktion des Magens neutral. Um 3h 29'/2’ werden aus dem Magen 0,8 ccm einer neutralen Flüssigkeit gesammelt. Es wurden subkutan in die rechte Lendengegend 0,0032 B-i in 14 ccm Wasser eingeführt. Um 35 30’ wurden 10 ccm gesammelt. Reaktion neutral. 3h 34’ schlägt die Reaktion in saure über. 3545’ wurden 20,0 com Magensaft von Azidität 96 gesammelt. Ba. 260,08, 2 » »e.118 5 ” 4 5 15 r ” 66 ‚0 ” » k B}] ” 130 ” » 4 5 30 | ” 68,0 ” ” ” ” 138 »}) ” 4 5 45 | ” 55,0 ” ” ”; B2) 131 ” ” 5) 4 00 h ” 36,0 ” ” 5) ” 130 ” ” Sn 15 A ” 21,0 » ] ” ” 130 }) „ 9530’ E 10,07, h: gesammelt 5h 45’ N 30, 5 5 In 2 Stunden 15. Minuten wurden 340 ccm Magensaft gesammelt. Dieselbe Menge (= 0,0032) ß-i führte bei demselben Hunde „Bialy‘ vom Gewichte 15 kg am 31. Oktober 1916 die Sekretion von 502,5 cem Magensaft herbeit). Im Versuch II wurden also um 162,5 ccm (= 502,5 — 340,0 ccm) weniger Magensaft erhalten. Da aber das Gewicht des Hundes beim Versuch Il um 600 g kleiner war, so muss man von dieser Differenz 20 ccm abziehen, wir erhalten somit 162,5 — 20,1 = 142,1 ccm. Da wir weiter berücksichtigen müssen, dass der Hund, um Erbrechen zu verhüten, nur wenig flüssige Nahrung bekommen hat, und dass er ferner am Vortage unterChloroform und 6 cem 1 %igem Morphini muriatici operiert worden war, so können wir schliessen: die Durchtrennung der Nn. vagi hebe die Magensaftsekretion nicht auf. Daraus folst dann weiter, dass ß-i peripher wirkt, und zwar höchst- wahrscheinlich auf die Zellen der Magendrüsen selbst. 1) Popielski, 1. e. 8. 456, 457. Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd. 178. 15 2236 L. Popielski: Die angeführten Versuche lassen die Anwesenheit von ß-i in den Extrakten vermuten. Es sind aber weitere Beweise nötig. Wir wissen aus den Untersuchungen Tomaszewski’s!), dass die Extrakte, bis 132° C. während 10 Stunden erwärmt, zwölfmal schwächer, bis 132° C. während 20 Stunden überhaupt nieht mehr wirken; mit dem Magen- safte 2 Tage lang gehalten, haben sie eine viermal schwächere Wirkung. Demgemäss setzte ich ß-i der Wirkung: 1. der Temperatur über 132°C. während 21, Stunden, 2. des „psychischen“ Mena vom Hunde ‚„Bialy‘“ während 48 Stunden aus. Die Temperatur der Schale, in der ich ß-i gehalten habe, war nur während 4—5 Stunden 132° C., während der übrigen Zeit 146-150°C. Der Körper wurde dunkel, auch die Lösung war dunkelgelb. Wie aus Versuch II, wc ich die Wirkung des der Temperaturwirkung aus- gesetzten ß-i schilderte, ersichtlich, schwächt die Temperatur 132° bis 150°C. die Wirkung von ß-i, jedoch nicht in dem Maasse, wie‘ die des Extraktes. Ein Extrakt, der während 20 Stunden bis auf 132° C. erwärmt wird, verliert vollständig seine Wirkung, ß-i dagegen, auf noch höhere Temperatur erwärmt, bewirkt eine 20mal kleinere Sekretion. In dieser Hinsicht besteht also ein unbedeutender Unterschied zwischen ß-i und den Extrakten, der gegen das Vorhandensein von ß-i in den Organextrakten sprechen würde. Um den Einfluss des Magensaftes nachzuweisen, habe ich 20 cem Saft mit 0,0032 ß-i vermenst und die Lösung in einem Thermostat während 48 Stunden bei 40°C. gehalten. Wie aus dem Versuch VII folgt, beeinträchtigt der Magensaft die Wirkung von ß-i nicht. Versuch VII. 6. November 1916. Hund „Bialy“ von 15,600 kg Gewicht, derselbe wie früher. Das Duodenum geöffnet, der Magen gespült. Beginn der Beobachtung 7h 50’. Abgesondert: Magensaft: aus dem Duodenum: Um 85h 05’ 32,0 ccm 1,0 ccm „ 81207270, 19.2, „ 8885’ 220 „ 05, a UN ». 322057210,0, 30 »„. 920’ 35 „ 10,00%, IESN LO, 1,0 Es wurden ala in die linke nenne 0,0032 8-1 in 2» ccm, während 48 Stunden im Thermostat gehalten, eingeführt. Abgesondert: Magensaft: Azidität: aus dem Duodenum: Um 9545’ 35,0 cem 126,0 10,0 ccm ohne Galle »u106.007990,00% 150,0 16,0 „ Reaktion stark sauer „ 10h 15’ 85,0 „ 158,0 19,00, 2 5 > „ 105 30’ 770 , 156,9 19,00% N ” ” 1) Tomaszewski, Pflüger’s Arch. Bd. 170 S. 297. 1918. 8-imidazolyläthylamin und die Organextrakte. I. 2337 Magensaft: Azitität: Aus dem Duodenum: Um 10445’ 65,0 ccm 157,0 11,0 ccm „l1n00' 480 „ ei 20 110 157 24.0, |, ® on. 050m 10, = OR, 1h45' 05 „ — 1,5 Durch die Magenfistel wurden 428,5 ccm in 2 Stunden 15 Minuten abgesondert. Ein Teil des Saftes ging ins Duodenum über, woher eine farblose, gegen Lackmus stark sauer reagierende Flüssigkeit ausfloss. Aus dem Duodenum wurden 80,5 cem Flüssigkeit erhalten. An- genommen, dass 40,4 ccm dieser Flüssigkeit aus dem Magen stammen, so bekommen wir für die totale Sekretion 428,5 cem + 40,4 ccm = 468,9 cem Magensaft, das ist um 33,6 ccm weniger, als nach derselben Menge von ß-i im Versuch Il. Wenn wir aber berücksichtigen, dass es unmöglich ist, solche Quantität von ß-i unbedingt genau abzuwägen, und dass möglicherweise die Menge der Flüssigkeit beim Überschütteln von Gefäss zu Gefäss Verluste erfährt, dann können wir annehmen, dass der Magensaft die sekretorische Wirkung von ß-i nicht schwächt. Damit dürfte aber die Frage noch nicht für abgeschlossen betrachtet werden. Es war ja nicht ausgeschlossen, dass die in den Extrakten anwesenden Derivate der Eiweisskörper die vernichtende Wirkung des Magensaftes verstärken. Damit also die Wirkung des Magensaftes in den Extrakten und den Lösungen ven ß-i unter möglichst gleichen Bedingungen vor sich gehe, vermengte ich die Lösung von ß-i mit 10 cem Magensaft und 5 ccm Fibrin. Diese Mischung hielt ich unter öfterem Schütteln 68 Stunden im Thermostat. Vor dem Einführen N neutralisierte ich die Lösung mit 10 NaOH, wovon 18 ccm erforder- lich waren. Die Flüssigkeit wurde dann aufgekocht und filtriert, das Filter mit Wasser gewaschen. Eine kleine Flüssigkeitsmenge ist auf dem Filtrum geblieben. Zusammen wurden 32 cem Flüssigkeit erhalten. Die Wirkung des derart vorbereiteten ß-i ist im Versuch VIII dar- gestellt. Versuch VIII, 13. November 1916. Hund „Bialy“ von 15,500 kg Ge- wicht. Ins Duodenum wurde ein Bläschen eingeführt und aufgeblasen. Der Magen gespült. Um 7545’ Beginn der Beobachtung. Abgesondert: Magensaft: Magensaft: Um 85 00’ 22,0 ccm | Um 9500’ 6,0 ccm a =..9:6419,.6:00% 7.503007 11,53% 0300 ” 8h45' 9,9 ” » yh 45' 2,9 ” Um 9b 45’ wurden 0,0032 & ß-i mit 10 ccm Magensaft und 50 g Fibrin, während 63 Stunden im Thermostat gehalten, eingeführt. Die Flüssig- keit wurde neutralisiert. Zusammen wurden 32,0 cem Flüssigkeit ein- geführt. ; 15 * 2928 L. Popielski: Absgesondert: Magensaft: Um 10:00’ 5,0 ccm etwas schäumigen Speichels „ 105 15’ 72,0, „ ohne Speichel „ 10h 30" 60,0 „ 105 45' 66,0 „ 11%. 00' 58,0 11h 15’ 45,0 „ 11430’ 34,0 114 45" 26,0 „ 124.00 16,5 „ lah15 195 „ 12130’ 55 , 12h45' 2,0 Für die Zeit von 9 Uhr 50 Minuten bis 12 Uhr 45 Minuten, also für 2 Stunden 55 Minuten wurden 402,5 ccm Magensaft gesammelt, das ist um 66,4 cem weniger als im Versuch V. Man muss aber be- achten, dass ein Teil des Körpers im Filter geblieben, des weiteren, dass ß-iin einer zweimal schwächeren Konzentration als im Versuch VIL eingeführt wurde. Die Konzentration übt einen Einfluss auf die Wir- kungskraft des eingeführten Körpers aus. Dieselbe Menge wirkt in stärkerer Verdünnung schwächer als bei grösserer Konzentration. Man kann also annehmen, dass der Magensaft auch in Gegeswart der Eiweissverdauungsprodukte die Wirkung von ß-i nicht schwächt. Da man aber vermuten konnte, dass der verwendete Magensaft überhaupt keine Verdauungskraft besitzt, habe ich Eprouvetten mit demselben Masensaft mit Fleisch und Fibrin beschickt; nach Verlauf von 10 Stunden erwiesen sich dieselben als vollständig verdaut. Jedoch konnte auch das nicht genügen. Es musste noch ergründet werden, wie der von mir verwendete Magensaft auf den Extrakt aus dem oder jenem Organe einwirkt. Dazu wählte ich den Extrakt aus der Museu- laris ventriculi des Schweines, den seinerzeit Tomaszewski zu seinen Untersuchungen angewandt hatte. Vor allem habe ich untersucht, wie der Extrakt selbst, ohne Behandlung mit‘ Magensaft, auf die Sekretion einwirkt. Diese Wirkung wird aus Versuch IX ersichtlich. VersuchIX. 15. November 1916. Hund „Biaty“ von 15,500 kg Gewicht, Ins Duodenum wurde ein Bläschen au ul! und aufgeblasen. Der Magen wurde gespült. Um 75 36’ Beginn der Baopaehre) ” ” ” Absesondert: Masgensaft: | Magensaft: Um 7450’ 25,0 com | Um 8h50' 6,5 ccm on OL eo oa le „ae, „öl os SD, | a Es wurden subkutan 10,0 com Extraktes aus der Muscularis ventriculi des Schweines eingeführt. Der Extrakt war am 18. März 1914 vorbereitet und enthielt an B-imidazolyläthylamin und die Organextrakte. I. 229 festen Bestandteilen 14,02°/o, organischen „ 10,96 %/,, Mineral- e 3,06 %/o. Abgesondert: Um 95 30’ 0,2 ccm Magensaft. Um 7 Uhr Beginn der Beobachtung. Abgesondert: Magensaft: Um 7530’ 9,0 ccm 145% 1,0, »„ 8200’ 05 Um 85 01’—8h 02’ wurden subkutan in die linke Rumptseite 10 ccm Extrakt aus der Muskelschicht des Magens eingeführt. Derselbe wurde am 18. März 1914 vorbereitet und mit Silbernitrat nach der Vorschrift von Ackermann (. ce. S. 505), Barger und Dale!) vorbereitet. Nach der Ausfüllung mit Silbernitrat waren im Extrakte enthalten: Feste Bestandteile 14,40%. Organische „ 2,78 %o. Mineral- A 11,62 %0. Abgesondert: Magensaft: | Magensaft: Um 95 45’ 45,0 ccm Um 10445’ 15,0 „ 102.007°69,0 7 , LIE00,528,00 1% Ta a Li 157 1,027, »1010/5078.70: 53,0%. Für die Zeit von 9h 28’ bis 11415’, d. h. für eine Stunde 47 Minuten wurden 223,7 ccm Magensaft abgesondert. Im nächsten Versuch X sehen wir die Wirkung des Extraktes, nachdem er während 68 Stunden im Thermostat mit 20 ccm Magen- saft gehalten wurde. Versuch X. 20. November 1916. Hund „Bialy“ von 15,500 kg Gewicht, Das Bläschen wurde in das Duodenum eingeführt und aufgeblasen. Der Magen gespült. Absgesondert: Masgensaft: ' Um 8h 15’ 1,0 cem (mit Speichel) „ 8530’ 40 „ (etwas Speichel) Reaktion ausgeprägt sauer. „ 8h45’ 3,5 „ Der Saft ist rein ” 9h 00° 525) » „ D) ” » ) 3n 157 5,0 D) n) „ D) D) ” 9 u 30 ; 11,0 ” ” ”» ” ” ” yh 457 9,9 B) n „ ” » 198:00 0,7 R} ” ? D>] - 10408’ 13 , mit Speichel. " Es wurden subkutan in die rechte Rumpfseite 10,0 cem eines Extraktes aus Muscularis ventriculi vom 18. März 1914, welcher während 68 Stunden mit 20,0 cem „physischen“ Magensaftes gehalten wurde, eingeführt. 1) Transactions of the Chemical Society p. 97 vol. 259. 1910. 230 | L. Popielski: Abgesondert: Magensaft: | Magensaft: Um 10h 15’ 2,5 ccm Um 11h 15’ 10,0 ccm 10h B022I55 | „50 7:0 „ 10h 45’ 250 „ „ 11545’ 60 „ 11% 00’ 12,0 | ” Der Versuch wurde unterbrochen. Für die fast gleiche Zeit, wie im Versuch X, d. h. für 1 Stunde 37 Minuten wurden 92 cem Saft, also 215mal weniger gesammelt. Aus Tomaszewski’s Untersuchungen folgt, dass der mit Magen- saft behandelte Extrakt viermal kleinere Sekretion bewirkt. Da nun Tomaszewski 5 cem Magensaft verwendet, ich aber 20 ccm, so wirft sich die Frage auf, ob nicht etwa der Magensatt selbst als sekretorischer Erreger auf die Magendrüsen wirke Zum Versuch XI, der diese Frage lösen sollte, nahm ich 20 ccm von demselben Magen- saft, die ich neutralisiert, aufgekocht und bis aufs Volumen von 10 ccm verengt habe. | Versuch XI. 22. November 1916. Hund „Bialy“ von 15,500 kg Ge- wicht. Das Bläschen wurde ins Duodenum eingeführt und aufgeblasen: Der Magen wurde gespült. Um 6h 35’ Beginn der Beobachtung. Abgesondert: Magensaft: Um 6h 50’ 12,0 cem 2.2 7.092046, 0,08 1032050 9:0207, „u ao 2 7h45' 20 „ In die linke Lendengegend wurden subkutan 10 ccm Flüssigkeit (gleich- wertig mit 20 cem Magensaft) eingeführt. Abgesondert: Magensaft: Magensaft: Um 8h 00’ 6,0 cem Um 95h 00’ 3,0 cem ». Sal521 0.0 la sm 30100, oe snasr leo „ ” In die rechte Lendengegend wurden subkutan 12 cem eines alten Darm- extraktes aus dem Jahre 1913 eingeführt. Er enthielt in 12 ccm an festen Bestandteilen 0,5685 organischen „ ‚0,3885 Mineral- > 0,1800 Abgesondert: Magensaft: Magensaft: Um 9h 45’ 20,0 ccm Um 115 00’ 41,0 ccm / 108002800257 EILSEHTTSN LEO „ 10h 15'670, „11802 4.007,: „ 1030’ 500 „ ZEN OR „ 10h45’ 46,0 „ Wie aus diesem Versuch zu ersehen, bewirken 20 ccm Magensaft (diese Menge wurde früher zur Einwirkung auf das Extrakt der Muskelschicht a Ve . ee N 3-imidazolyläthylamin und die Organextrakte. 1. Da des Magens verwendet) eine Magensaftsekretion von 53 cem während 1 Stunde 45 Minuten. Da wir nun im Versuch X nach dem Muscularis- Extrakt und 20 cem Magensaft zusammen eine Sekretion von 92 cem er- halten haben, so entfallen auf den Extrakt allein 92cem — 53 cem—39cem, d. h. beinahe 515mal weniger. Nach 12 ccm eines alten Darmextraktes wurden 325 ccm Magensaft erhalten. Im Versuch XII sehen wir den Einfluss von Magensaft auf den alten Darmextrakt, der im Versuch XI angewandt wurde. Der Darm- extrakt war während 4 Tagen der Wirkung des Magensaftes ausgesetzt. Es wurden dazu 25 ccm Magensaft verwendet. Versuch XII. 27. November 1916. Hund „Bialy“ von 15 kg Gewicht. Ins Duodenum wurde das Bläschen eingeführt. Der Magen wurde gespült. Um 7530’ Beginn der Beobachtung. ' Es wurden gesammelt: Um 7h45’ 32,0 ccm Magensaft | Um 85 45’ 10,0 ccm Magensaft ” Sn 007 30,0 ” ” 5) 3h 00° 5,0 » » ” &h 15’ 16,0 ” ” ” sn 5 2,9 ” ) 335050, Es wurden 12,3 ccm alten Darmessieaikies, der mit 25 ccm Magensaft während vier Tagen im Thermostat gehalten wurde, eingeführt. In 12 ccm dieses Extraktes waren enthalten: Feste Bestandteile 0,562 Organische „ 0,380 Minerale 5 0,182 Es wurden gesammelt: Um 95 30’ 20,0 ccm Magensaft Um 104 30’ 26,0 ccm Magensaft .” 9h 45’ 45,0 ” ” $)) 10h 45° 11,0 ” ” ‚ 10h 00’ 48,0 „ . „ 11900°40°, e ‚10h 15'390 „ 2 „.1bsj52 0,5 e2) ” Für die Zeit von 9 Uhr 15 Minuten bis 11 Uhr, d. h. für 1 Stunde 45 Minuten wurden 193 ccm statt 325 ccm, wie im Versuch XI ge- sammelt. Nach 20 ccm Magensaft wurden 53 ccm abgesondert, folglich bewirkten die 25 cem eine Absonderung von 66,3 cem. Somit betrug die Sekretion nach den 12 ecem Darmextrakt allein (nach der Behand- lung mit Magensaft) 192 cem — 66,3 cem = 125,7 cem, d. h. beinahe 21,mal weniger als nach dem Extrakte ohne Vorbehandlung mit Magensaft. Daraus folgt, dass der von uns angewandte Magensaft wohl die Wirkung der Extrakte, nicht aber jene von ß-i beeinträchtigt. An- gesichts der Behauptung von Dalag und Berger, in P.W. sei ß-i vorhanden, schien es angemessen nachzuweisen, dass die Meinung‘ englischer Forscher wirklich zutreffend ist. Tomaszewski hat bereits erwiesen, dass P. W. nach subkutaner Einführung keine Masgensaft- sekretion bewirkt. NUR Wie wir oben gesehen haben, vermindert der Magensaft die Kraft des wirkenden Körpers. Es ist das ganz verständlich, warum wir keine 232 . "E.Bopielski: Sekretion nach subkutaner Einführung von Pepton Witte (= P. W.) erhalten. Dieser P. W. ist nämlich ein Verdauungsprodukt von Fibrin durch den Magensaft, oder, richtiger gesagt, durch das angesäuerte Pepsin. Es konnte also schon a priori angenommen werden, dass dieses Pepton, subkutan eingeführt, Sekretion herbeiführen wird. Dieser Schluss findet in den Untersuchungen von Tomaszewski!) seine Bestätigung. Nach 1,0 P.W. erhielt dieser Autor keine Magensaft- sekretion. Eine weitere Stütze findet er im Versuch XI, wo ich nicht 1,0, sondern 5,0 P. W. eingeführt habe. Versuch XIII. 25. August 1916. Hund „Duzy“ von 17,500 kg Gewicht, mit einer Magen- und Pankreasfistel. Um 7h30' wurde der Magen gespült. Um 7545’ Beginn der Beobachtung. Abgesondert: Magensaft: Pankreassaft: Um 85 00’ 0,8 ccm 1,5 ccm „ 815 10 „ 20 „ 28980170,2 2,5 ” Es wurden subkutan in die rechte Lendengegend 20 ccm einer Lösung, 50 P.W. enthaltend, eingeführt. Die Lösung wurde filtriert und sterilisiert. Abgesondert: Magensaft: Pankreassaft: Um 8h 45' 0,2 ccm 1,5 ccm ER 1.077, 9a 1, au 0. 13 Aus der Magenfistel wurde während der ganzen Beobachtungszeit eine sauere, schwach gegen Congo reagierende Flüssigkeit abgesondert. Aus diesem Versuch ersehen wir, dass nicht einmal 5,0 P. W. sub- kutan eingeführt, eine Sekretion des Magen- oder Pankreassaftes herbei- führen. Es ist also ganz sicher anzunehmen, dass P. W. das ß-i nicht enthält, denn die Magensaftsekretion ist das empfindlichste von allen bekannten Reagenzien auf die An- oder Abwesenheit von ß-i. Somit sind wir auch zum Schluss berechtigt, dass ß-i von Vasodilatin. das jain P. W. enthalten ist, keinen Bestandteil ausmacht. 1 IV. Zur Vervollständigung der Charakteristik der Wirkungsweise von B-i sei noch der Versuch XII angeführt, wo ich 0,0032 ß-i ins Duodenum einführte. Versuch XIV, 14. November 1916. Hund „Bialy“ von 15,500 kg Ge- wicht, mit Magen- und Duodenalfistel. Ins Duodenum wurde das Bläschen eingeführt. Der Magen wurde gespült. Um 85 00’ Beginn der Beobachtung. DNBEIU Ber Ss Archiv. Bd 71? Sl 9T8: A ie _ rn a nn ß-imidazolyläthylamin und die Organextrakte. 1. 2333 Abgesondert: Um 8515’ 24,0 ccm Magensaft | Um 9h45' 7,5 com Magensaft 0, : „ loho0ı 98 „, : ınıno,, ‘ dr, , ” ie) h 00’ 85 ” ” ” 10 2 80’ 2,8 ” ” :312152°10.0. ; n „ 1045’ 23 „ \ m.:325010,0. ,„ » „.. 1150022 2:5 Um 115 03’ wurden ins Duodenum 0,0032 ß-i in 15 cem Wasser mittels ‘Spritze eingeführt. Die Spritze wurde sodann mit 20 com Wasser gespült und dieses Wasser auch ins Duodenum eingeführt. Abgesondert: Um 11515’ 2,7 ccm Magensaft „807 2,3, e .£12497,1,997 „ 5 b) 12h 00° 1,5 ” b) „ 12,35, 1,5 » ” Der Hund wurde abgebunden und hat gierig seine gewöhnliche Portion gefressen, Wie wir sehen, bewirkt ß-i vom Duodenum aus keine Sekre- tion. Ich werde nun noch einen Versuch anführen, welcher den Einfluss eines Extraktes aus der Muscularis ventrieuli des Schweines zeigt, nachdem dieser Extrakt mit Tannin nach den Vorschriften von Acker- mann und Barger mit Dale gefällt wurde. Versuch XV. 16. November 1916. Hund „Biaty“ von 15,400 kg Ge- wicht. Das Bläschen wurde ins Duodenum eingeführt und aufgeblasen. Der Magen wurde gespült. Um 75 30' Beginn der Beobachtung. Um 7545’ abgesondert 18,0 com Magensaft ” 8 h 00 } ” 15,0 ” ” ” 8 h 15 £ br} 29,0 ” ” ” 8 h 30 , ” 45,0 Pr} 2) „ 8:45’ ® 30,05: e ” Re) h 00 a „ 47,0 ” Pr} „. 9615 = Sale 7, > ” 5) h 30 i ” 36,0 ” ” „ 9545’ N 32,0. ,, 5 U a ee u 3 20,0 „ „ ” 11 h 00 ‘ ” 3, ” ” Es wurden subkutan in die linke Rumpfseite 10 cem Extraktes aus der Muscularis eines Schweines, am 18. März 1914 vorbereitet und mit Tannin gefällt, eingeführt. Nach der Fällung mit Tannin enthielt dieser Extrakt an festen Bestandteilen 2,3400 organischen „ 1,38 /o mineralen $ 1,46 9/0 Um 115 10’ keine Sekretion. Um 12h 00’ beginnt der Magensaft zu tröpfeln. 234 L. Popielski: Es wurden gesammelt: Um 11h 15’ 0,5 ccm Magensaft 7 11h 30’ 4,5 ” ” ” 11 a 45' 7,0 ” ” ” 12h 00’ 0,5 ” ” „ 12415'05 „ n Von 11—12 Uhr wurden 13 cem, das ist lömal weniger als nach dem nicht mit Tannin gefällten Extrakte gesammelt. Jedenfalls sehen wir, dass der wirksame Körper nicht mit Tannin und Silbernitrat gefällt wird, ähnlich wie das ß-i. y Trotz der grossen Ähnlichkeit, welche sowohl in physiologischer wie auch in chemischer Hinsicht zwischen ß-i und Vasodilatin besteht, die sogar Dale zu dem Schluss geführt hatte, ß-i sei ein Bestandteil von Vasodilatin, trotz dieser Ähnlichkeit zeigt es sich, dass die beiden Körper, die möglicherweise einander nahe stehen, doch chemisch verschiedene Individuen darstellen. Es darf hier nicht ausser acht gelassen werden, dass auch Morphin, intravenös eingeführt, bis ins ‘ kleinste Detail identische Erscheinungen herbeiführt, wie Vasodilatin. Trotzdem fällt es niemandem ein, zu behaupten, dass in den Organen Morphin anwesend sei. Dieselben Erscheinungen wie nach dem intra- venösen Einführen von Vasodilatin erhalten wir, wenn wir einem Tier im anaphylaktischen Zustande ein neutrales Eiweiss ins Blut ein- führen. Dieselben Erscheinungen schliesslich wie Vasodilatin bietet uns auch, wie das aus gründlichen Arbeiten Studzinski’s!) folet, das Einführen von Tierblut ins Blut eines artfremden Tieres. Es ist also anzunehmen, dass in allen diesen Fällen ein neuer Körper im Blute entsteht, und zwar unter dem Einfluss der eingeführten Körper. Dieser neue Körper entsteht ganz sicher nicht aus den eingeführten Körpern, denn es ist kaum möglich, dass zum Beispiel aus Morphin, einem Körper ven starker chemischer Struktur, gleich nach dem Ein- führen ein neuer Körper sich abspalten könne. Darum ist wahrschein- lich die Annahme die richtigste, dass aus den Elementen des Blutes selbst, aus seinen Eiweissbestandteilen, beim Zerfall ein neuer Körper, wahrscheinlich basischer Natur, entsteht, der den gleichen Erscheinungs- prozess wie Vasodilatin herbeiführt. Es ist wohl anzunehmen, dass derselbe Zerfallsprozess im Bluteiweiss eintritt, wenn ein verhältnis- mässig neutrales Eiweiss ins Blut eines Tieres im anaphylaktischen Zustande eingeführt, die Erscheinungen eines anaphylaktischen Shocks 1) J. Studzinski, Über die giftigen Eigenschaften des Blutes. Zentral- blatt für Physiologie Bd. XXIII, Nr. 22, 1910. — K woprosu o jadowitych swojstwach krovi. Habilitations-Abhandlung. lIzviestja Universiteta sv. 'Wiadimira 1913. S. 1—316. | i | B-imidazolyläthylamin und die Organextrakte. I. 235 herbeiführt. Bei diesem Zerfall des Bluteiweisses entsteht ein neuer Körper, der identisch mit Vasodilatin wirkt. Ob in allen angeführten Fällen eine und dieselbe Eiweissart dem alle anheimfällt, ist schwer zu entscheiden. WAL Die physiologischen Eigenschaften und Entstehungsbedinsungen von ß-i beweisen, dass beim Eiweisszerfall Körper vom kleinen Molekular- gowicht, aber von äusserst starker physiologischer Wirkung entstehen können. Es genügt, in dem Organe seinen gewöhnlichen Blutkreislauf zu stören oder ihn in eine Säure, Lauge, in 0,9% NaCl oder Wasser ein- zutauchen, um schon die Entstehung dieser beiden Körper herbei- zuführen. Das riesenhafte lebendige Eiweissmolekül kann mit Leichtig- keit zerfallen und als Produkte Körper mit kleinem Molekulargewichte, aber von ausserordentlich starker Wirkungskraft entstehen lassen. Die Möglichkeit, dass beim Zerfall gewisser Gewebe im Blute stark- wirkende Körper auftreten können, folgt auch aus der Analyse der Umstände, die sich auf das Vorkommen von Adrenalin im Blute in anormalen Verhältnissen beziehen. Die Untersuchungen von Popielski'!), Hoskins mit Clayton Peek ?) und Trendelenburg °) haben bewiesen, dass Adrenalin unter normalen Verhältnissen weder im allgemeinen Blutkreislauf noch im Venenblute der Nebennieren enthalten ist, oder doch unter den Grenzen physiologischer Wirksamkeit (Trendelenburg). Dem- gegenüber zeigte es sich, dass Adrenalin im Blute erscheint: bei der Erstickung (Cannon), Blutarmut (Popielski), beim Komprimieren der Nebenniere (Popielski, Hoskins und Clayton Peek). Allem Anschein nach befindet sich Adrenalin in den Nebennieren im fertigen Zustande überhaupt nicht. Es ist ein kristallinischer, leicht im Wasser löslicher Körper. Wäre es also im freien Zustande vorhanden, würde es durch Osmose ins Blut gelangen, wo es leicht nachweisbar wäre. Würde aber die ganze Menge Adrenalin, die mar aus Nebennieren erhalten kann, ins Blut übergehen, dann müsste sich der Organismus stets im Stadium einer schweren Adrenalinvergiftung befinden. Nach meinen letzten Berechnungen ?) beträgt die Menge Adrenalin, die aus menschlichen Nebennieren gewonnen werden kann, 0,96 pro Tae. Adrenalin befindet sich also nicht im freien Zustande, sondern ge- 1) Popielski, Adrenalin und Nebennieren. Eileen s Arch. Bd. 163 S. 565—593. 2) Hoskins and Clayton Peek, EN of the Amer. med. Assoc. Nr. 23. 1913. 3) Trendelenburg, Archiv für exp. Pathol. u. Pharm. Bd, 79 S. 120. 4) Pflüger’s Arch. Bd. 165 S. 579. 1916. 236 L. Popielski: 3-imidazolyläthylamin und die Organextrakte. I. bunden, und zwar höchstwahrscheinlich an Eiweiss, so dass in den für diese Verbindung anormalen Verhältnissen Adrenalin mit Leichtig- keit abgespalten wird. Derartige Abspaltung kann zum Beispiel unter dem Einfluss von CO, des Blutes zustande kommen, wenn die Zellen der Marksubstanz der Nebenniere ins Blut gelangen. Marchand und Gierke machen speziell darauf aufmerksam, dass wir in mikro- skopischen Bildern aus den Blutgefässen der Nebenniere die Mark- substanzzellen nicht als Produkt einer aktiven Sekretion, sendern als ein aus der Nebenniere ausgedrücktes Produkt antreffen!). Aus diesen ausgedrückten Zellen wird Adrenalin, welches wahrscheinlich an ein grosses Eiweissmolekül gebunden ist, durch den Einfluss von CO, des venösen Blutes abgespalten und. macht sich durch die Erhöhung des Blutdruckes bemerkbar. Die Annahme, dass die Nebennieren Adrenalin als physiologischen Erreger für den Tonus der Blutgefässe erzeugen, hat ihre Gültigkeit verloren, denn sie stützte sich auf Versuche, die ungenau ausgeführt und nicht richtig physiologisch analysiert wurden. Zusammenfassung. Der Wirkunescharakter von ß-i-imidazoläthylamin (ß-i) hängt von dessen Einführunssart ab. Intravenös eingeführt setzt es den Blutdruck rapid herab. Als Begleiterscheinungen treten auf: Aufregung, dann in Depression über- gehend, Speichel-, Tränen- und Pankreassaftabsonderung, Kotabgang und Harnabfluss. In den Darm hereingebracht bleibt ß-i ohne Wirkung. Bei sub- kutaner Einführung führt 8-1 als eminent passiver Körper bloss die Sekretion des saueren Magensaftes herbei, andere Erscheinungen bleiben aus. 0,00021 ß-i auf 1 kg Gtwicht bewirken schon eine Ab- sonderung von 3,75 ccm Magensaft pro 1 kg Gewicht. ’ Die Sekretion findet statt nach Durchtrennung der Nn. Vagi und Darreichung von Atropin; es wirkt also ß-i höchstwahrscheinlich auf die Drüsen selbst. Den Wirkungskörper von Organextrakten bildet bei subkutaner Einführung höchstwahrscheinlich B-i. 1) s. Popielski, 1. c. Pflüger’s Arch. Bd. 165 S. 567. B-imidazolyläthylamin und die Organextrakte. Zweiter Teil: Einfluss der Säuren auf die die Magensaftsekretion erregende Wirkung der Organextrakte. Von Prof. Dr. L. Popielski. (Aus dem Institut für experimentelle Pharmakologie der Universität Lemberg.) (Eingegangen am 13. August 1919.) Aus den im ersten Teile!) dieser Arbeit angeführten Versuchen, wie auch aus denen von Tomaszewski °) wissen wir, dass Organ- 'extrakte, mit Masensaft im Thermostat gehalten, an ihrer Wirkung Einbusse erleiden, d. h. dass sie eine schwächere Magensaftsekretion herbeiführen. Wodurch eine derartige Wirkung des Magensaftes be- dingt wird, blieb unentschieden. Sie konnte entweder mit der ver- dauenden Wirkung des im Magensafte enthaltenen Pepsins oder auch mit der Salzsäure im Zusammenhang stehen. Diese Frage wurde nun einer eingehenden Prüfung unterzogen. Vodr allem versetzte ich einen Darmextrakt mit aufgekochtem Magensafte, dem dadurch seine ver- dauende Wirkung entzogen wurde. Der Darmextrakt wurde zusammen mit 7,2 ccm aufgekochten Magensaftes für 24 Stunden in den Thermo- staten gestellt. Da im Darmextrakt selbst noch etwas Na,CO, (von der Neutralisation des sauren Extraktes her) enthalten war, so war nach Zugabe von 7,2 cem Masensaftes eine leicht saure Reaktion aufgetreten. In dieser sauren Reaktion wurde die Flüssigkeit subkutan zugeführt. Versuch I. 11. Dezember 1916. Hund „Bialy“ von 14200 g Gewicht, mit Magen- und Duodenalfistel. Am 4. Dezember wurden ihm beide Nn. vagi intrathorakal durchschnitten; kein Erbrechen aufgetreten. Ins Duo- denum wurde das Bläschen eingeführt. Um 75h 30’ Beginn der Beobachtung „ 75h 45’ wurden 0,0 ccm gesammelt »„ 8500’ = TosH = Reaktion alkalisch ” &h 15' 2 0,0 ” ” et „ 00 „ £2) Es wurden 14 cem alten Darmextraktes vom 18. März 1914, vom 9. November 1916 ab im Thermostaten mit 7,2 ccm Magensaft gehalten, subkutan ein- geführt. 1) Popielski, Pflüger’s Arch., dieser Band. 2) Tomaszewski, Pflüger’s Arch. Bd. 170 S. 260. 1918. 2338 L. Popielski: Um 58h 29’ Kongopapier wird dunkel 85h 30’ wurden (0,5 ccm gesammelt b)) San ” 30,0 b) » ” 39h 00’ ” 89,0 ” ” b) Je ” 30,0 b) ” ” y9h 30’ oa 8,9 ” ” ” yh 45’ ” 3,9 ” ” ” 10h 00’ ” 1,2 ” b) 1h 15’ 0,5 3 ” Von 8 Uhr 24 Minuten bis 10 Uhr 15 Minuten, d. h. binnen 1 Stunde 5l Minuten wurden 129,2 ccm Magensaft gesammelt. Im Versuch II wurden unmittelbar vor dem Experiment 7 ccm Magensaft vom 9. November 1916 hinzugesetzt. Versuch Il. 6. Dezember 1916. Hund „Bialy“ von 14 kg Gewicht. Zwei Fisteln: Magen- und Duodenalfistel. Die Nn. Vagi intrathorakal durchschnitten. Aus dem Magen wurden 50,0 ccm eines sauren, unangenehm riechenden Inhaltes entleert. Der Magen wurde gespült, das Bläschen ins Duodenum eingeführt. Um Sh 15’ Beginn der Beobachtung; um 8% 30’ wurden 3,3 ccm ge- sammelt. Reaktion stark sauer. Kongo und Tropaeolin negativ. Um 85h 45’ wurden (0,75 ccm eines alten Darmextraktes, in 75 ccm Wasser in einem Thermostat während 6 Tagen gehalten, subkutan eingeführt. Nach- dem die angeführte Flüssigkeit bis auf 7 ccm gebracht war, wurden 7 ccm Magensaft vom 9. November 1916 hinzugegeben. Die Mischung wurde nicht neutralisiert. Um 8b 55’ Kongo und Tropaeolin positiv 9b 00’ wurden 32,0 ccm Magensaft gesammelt » go er ” Rn ” 1) h 30 e ” 39,0 ” ” ” » yh 45 { ” 8,9 ” ” ” ” 1022002 ” 3,6 ” „ ” ” m lo” D) 1,6 ” D ” ” 104 30’ ” 1,0 ” ” ” 10h 45’ > 1.) =; ; ” ) ” In 1 Stunde 50 Minuten wurden 149,7 cem Magensaft, d. h. um 20,5 com mehr gesammelt als im Versuch I (129,2 cem). Zur besseren Orientierung musste weiter untersucht werden, von welchem Einfluss der reine Darmextrakt ist. Ein derartiger Versuch wurde am 22. November 1916 angestellt !). Dabei wurden nach 0,75 cem Extrakt während 4 Stunden 325 ccm erhalten. Da aber der Hund gegenwärtig durchtrennte Nn. vagi hatte und ausserdem etwas schwächer gefüttert war, erschien es angemessen, den Versuch zu wiederholen. Ausserdem verschafften uns der ständige Vergleich und die ununter- brochene Kontrolle der Ergebnisse eine Garantie für die Genauigkeit unserer Untersuchungen. Versuch III. 12. Dezember 1916. Hund „Bialy“ mit Magen- und Duodenalfistel; Gewicht 14kg. Im Magen waren keine unverdauten Reste Der Mageninhalt war flüssig, sauer, gegen Kongo und Tropaeolin negativ reagierend. Ins Duodenum wurde das Bläschen eingeführt. 1) L. Popielski, l.c. S. 465, 466. B-imidazolyläthylamin und die Organextrakte. II. 239 Um 7t 30’ Beginn der Beobachtung. „ 1545’ wurden 4,0 cem gesammelt. Reaktion sauer. Kongo negativ ” &h 00’ ” 0,6 ” ” ” ” ” ” » sh 08' » 0,0 ” ” ” „ ” ” a8 08 = in die linke Lendengegend 0,75 ccm eines alten Darm- extraktes in 14 ccm Wasser eingeführt. „8615. — 0,0 „ 85 20’ Beginn der Sekretion. Kongo und Tropaeolin positiv -„ 85 30’ wurden 30,0 ccm gesammelt ” &h 45' ” 49,5 ” ” Do 00, 49,0 5 n ” g9h I ” 48,0 ” ” ” yh 30’ ” ‚39,0 ”» ” ” Ih 45' ” 32,0 ” ” „ 10 00’ s 18.000, R „ 10h 15’ ” 11,0 ”„ ” ” 10h 30’ ”» 8,0 ” ” e>] 10h 45" ” 5,0 ” ” ” 11h 00' ” 4,5 ” ” LE 25 5, h ” 11h 30’ ” 1,0 ” ” Innerhalb 3 Stunden 22 Minuten wurden 298 ccm Magensaft ge- sammelt. Am 22. November 1916 wurden nach derselben Menge (= 0,75) Darmextrakt 325 ccm, d. h. um 27 ccm mehr erhalten. Angesichts des kleineren Gewichtes des Hundes bei diesem Versuch ist dieser Unterschied ganz unbeträchtlich. Der Versuch mit dem aufgekochten Magensaft "beweist, dass der die sekretorische Wirkung der Extrakte aufhebende Körper HCl ist. N Demgemäss sollte eine Zugabe von 10 HC1 zu den Extrakten von gleichem Einfluss sein. Versuch IV wurde daher mit einem Darm- N extrakt ausgeführt, dem 7,2 ccm 10 HCl zugegeben wurden. Versuch IV. 15. Dezember 1916. Hund „Bialy“ von 13,5 kg Gewicht, mit einer Magen- und Duodenalfistel. Im Magen waren keine unverdauten Reste. Ins Duodenum wurde das Bläschen eingeführt. Um 7h 30’ Beginn der Beobachtung „ ih 45’ wurden 2,0 ccm von alkalischer Reaktion gesammelt r ” 8 u 00 n ” 1 5) ” ” ” ” ” ” 8 1 15 n . ” 0,0 ” ” ” ” ” ” 8 E 20 ” 0,0 er) ” Es wurden 0,75 ccm alten Darmextraktes in 14 cem Wasser eingeführt. (0,75 cam Darmextrakt wurden in 75 ccm Wasser aufgelöst und auf 50 ccm abgedämpft. Dann wurden 7,2 ccm n HCl zugegeben und für 24 Stunden in den Thermostaten gestellt. Sodann wurde auf 14 cem abgedampft. Die Flüssigkeit war schwach sauer. Nach dem Einführen floss dem Hund etwas Speichel ab. : 340 | L. Popielski: Um sh 24’ kommt aus der Duodenalfistel Galle heraus „. 85 29’ wird Kongopapier dunkel. Der Magensaft beginnt zu tröpfeln „. 8t 30’ wurden 2,8 ccm gesammelt. Reaktion sauer N) Oli n 52,0 ” ” I „ ” I r 15 f ” 28,0 ” ”» DIE Sl N, 10, » yh 45' ” 335) ” D) ” n ">. ” = ” ” ” 5 ” , ” 2) Sa 30! x 1,0 Für 1 Stunde 40 Minuten wurden 142,8 ccm Magensaft gesammelt, also ungefähr gleichviel, wie im Versuch II (149,7 cem), nach Zugabe von 7,2 ccm Magensaft zum Darmextrakte. Im folgenden Versuch V beschloss ich, zum Darmextrakt 8 cem a N HCl 10 zuzugeben, dann zu neutralisieren und neuerdings 8 cem HCl 10 beizumengen. Versuch V. 18. Dezember 1916. Hund „Bialy“ von 13,5 kg Gewicht, derselbe wie oben. Im Magen waren keine Futterreste. Ins Duodenum wurde das Bläschen eingeführt. Um 7h 30’ Beginn der Beobachtung „ 14 45’ wurden 2,0 ccm von alkalischer Reaktion gesammelt „ 85 00' is 0,0 ” Sn 15' ” 0,1 ” ” ” 2 ” Kongo negativ. Es wurden 0,75 ccm Darmextrakt in 14,0 ccm Wasser eingeführt (0,75 ccm Darmextrakt wurden in 75 ccm Wasser gelöst, auf ” ” ” 2) DE ) 50 com abgedampft, mit S ccm HOl = vermengt und im Thermostaten während 24 Stunden gehalten. Sodann wurden Scem NaOH . beigegeben. Nach der Neutralisierung wurden abermals 5 ccm HCl = beigefügt, die Flüssigkeit 6 Stunden lang im Thermostaten gehalten und auf 14 ccm ein- geengt). Reaktion war schwach sauer. Während der Einführung heulte der Hund. Um 85 30’ 0,0. Galle wird abgesondert. „ 85 33’ wurden 1,0 ccm abgesondert. Kongopapier wird dunkel. Be- ginn der Absonderung „ 8% 45’ wurden 40,0 com gesammelt ” 2) h 00 { p)] 44,0 ” 2) ) ” ) a 15 ' ” 13,0 ” ” ” I a 30 ” 3,0 ” ” ” ln Aar ” 1,0 Für 1 Stunde 20 Minuten wurden 102 ccm Magensaft, somit um 40,38 ccm weniger als im Versuch IV, gesammelt. In obigen Versuchen habe ich die Flüssigkeit nach Zugabe von HCl zu 50 ccm Darmextrakt auf das Wasserbad gestellt, um ihre Menge auf 14 cem zu bringen. Da man vermuten konnte, HCl werde in Siedetemperatur unmittelbar den in den Extrakten wirkenden — A ne ul Du a Sinn ne Tara Zn — B-imidazolyläthylamin und die Organextrakte. II. A| Körper zerlegen, beschloss ich, die Flüssigkeit auf 8 ccm einzuengen, die Säure zuzugeben und gleich zu neutralisieren. Im Versuch VI r N: verwendete ich normales Salzsäure, und zwar 1,6 ccm = 16 cem 0 ac. Versuch VI. 20. Dezember 1916. Hund „Bialy“ von 13,5 kg Gewicht. Ins Duodenum wurde das Bläschen eingeführt. Um 75 30’ Beginn der Beobachtung 7h 45’ wurden 0,5 com gesammelt sh 00’ = Di 3: Reaktion sauer, Kongo negativ ” sh 14' ” 0,0 ” ” Es wurden subkutan 0,75 ccm Darmextrakt in 14,0 com Wasser eingeführt. (0,75 cem wurden in 75 ccm Wasser gelöst, und auf 8ccm eingeengt. Dann wurden 1,6 ccm -- HC1l zugegeben und gleich mit 1,6 n NaOH neutra- lisiert, sodann auf 14,0 ccm gebracht.) Die Lösung reagierte alkalisch. Um s&h 19’ tröpfelt Galle aus dem Duodenum „ 8h 24' Kongopapier wird ‚leicht dunkel. Die Gallensekretion hört auf „ 8b 25’ wird Kongopapier stark dunkel » 85 80’ wurden 5,0 ccm gesammelt Bl n..200 0, » ” 93h 00° ” 30,0 ) ) Bor R 20; " ol, .20,00 » 160, » ” 10% 00° ) 10,0 2) )) ” 102 78! » 6,0 B) o) el 40 „ » ” 10h 45’ ” 2,0 5) b) ” 11b 00’ e) 1,0 b) ” In 2 Stunden 46 Minuten wurden 147 ccm Magensaft gesammelt. Im Versuch IV betrug die Sekretion 142,8 ccm nach der Zugabe von N nur 7,2 10 HCl, und im Versuch 1 129,2 ccm nach Zugabe von 7,2 cem Masensaft. Aus dieser Zusammenstellung sieht man, dass eine zweifache Menge HCl (= 1,6 T HCl) ungefähr dieselbe 10 Es lag somit die Vermutung nahe, dass es die Wasserstoffionen sind, die die sekretorische Wirkung der Extrakte herabsetzen. Dem- gemäss würden die stärker ionisierten Säuren eine stärkere Wirkung haben und umgekehrt, würden die schwächer ionisierten die sekre- torische Wirkung der Extrakte im minderen Grade angreifen. Diese Vermutung beschloss ich mit der Zitronen- und Trichloressigsäure näher zu begründen. Versuch VII. 23. Dezember 1916. Hund „Bialy“ von 13,5 kg Gewicht, mit Magen- und Duodenalfistel. Das Bläschen wurde ins Duodenum ein- geführt. Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd. 178. 16 i ; N N Wirkung hat wie 0,8 ccm 7 (=8cem — HÜ). 242 L. Popielski: Um 7h 20’ Beginn der Beobachtung „ 75 35’ wurden 1,0 ccm gesammelt ” 7 h 50 j ” 0,5 r) ” ” 8 5 05 % ” 0,0 ” ” } x E Shall " Mu, y Reaktion sauer, Kongo negativ. Es wurden subkutan in die linke Lendengegend 0,75 ccm Darmextrakt in 75 ccm Wasser gelöst eingeführt. Die Lösung wurde auf 50,0 cem gebracht und filtriert. Das Filtrat wurde bis auf 3 ccm abgedampft und dann mit 1,6 ccm = Zitronensäure versetzt. (Die Säure von Kahlbaum aus dem J. 1914) Nach 3—4’ wurden 1,6 ccm NaOH = bis zur normalen Reaktion zugegeben. Während der Einführung heulte der Hund. Um 8h 22’ Beginn der Sekretion. Kongo dunkel „ 8: 30’ wurden 26 ccm von Azidität 98,0 gesammelt ” 8 u 45 ; ” 79 ” ” ” 1 33,0 ” ” I E 00 # ” 63 ” ” ” 142,0 ” ” 5 E 5 \ ” 2, ” ” ” a ” ” ” ” ” ” ’ ” ” 9 & 45 { ” 7 ” ” ” 1 0 a 00 / ” 1 „2 ” ” ” 1 0 5 15 2 ” 0,5 ” Binnen 2 Stunden 3 Minuten wurden 246 ccm Magensaft gesammelt. Am 12. Dezember 1916 wurden nach 0,75 cem Darmextrakt 291,5 cem in 3 Stunden 22 Minuten erhalten, Die Zitronensäure verminderte also die Wirkung des De unbedeutend, nämlich um 291,5 — 245 = 46,5 ccm. Zwar ist die Zitronensäure weniger dissoziiert als HCl, doch ist sie gleichzeitig eine dreibasische Säure. Ich wählte darum für die weiteren Versuche einbasische Säuren, und zwar CC1,COOH, CH,CICOOH und CH,COOH, deren Dissoziationsgrad genau bekannt ist. Es beträgt nämlich die Dissoziationskonstante für die Trichloressiesäure 121,0; für die Mono- chloressigsäure 0,0554 und für die Essigsäure 0,0018. Es wurden dezinormale Lösungen dieser Säuren vorbereitet. Während der folgenden 28 Tage wurden mit dem Hunde „Bialy‘ keine Versuche vorgenommen. Versuch VIII. 20. Februar 1917. Hund „Bialy“ mit Magenfistel. Die Duodenalfistel ist verwachsen. Um 38h 00’ Beginn der Beobachtung „ 85 15’ wurden 8,0 cem gesammelt 2 8 h 30 i ” ”) ” ” ” Sr » 6,0 2) ” ” yh 00’ ) 11,0 b) » ) yh 15’ ” 14,0 b) ) 2 ll Während 2 Minuten wurde der Hund mit Wurst gefüttert. „ 9b 30’ wurde der Magensaft nicht gesammelt. Durch die Fistel wurde die Wurst herausgenommen. „ 9% 45’ wurden 12,0 ccm gesammelt B-imidazolyläthylamin und die Organextrakte. II. 243 Um 105 00’ wurden 16,5 ccm gesammelt 210,87 15, 5 0 b) 10h 30' ” 2,5 B)] ” Reaktion gegen Kongo negativ, gegen Lackmus sauer. Es wurden sub- kutan in die linke Lendengegend 0,75 ccm alten Darmextraktes in 15 ccm ” Wasser, unter Zugabe von 10,5 ccm - CC1,COOH eingeführt. (Es wurden 15 ccm Darmextrakt abgewogen, in 15 ccm destillierten Wasser gelöst, auf 22 ccm eingeengt und in zwei Portionen zu je ll ccm geteilt. Zu 11 ccm wurden 10,5 com CC1;,COOH zugegeben). Da der Extrakt im Vergleich zu dem früher verwendeten zu viel feste Bestandteile (0,6730 statt 0.5685) ent- hielt, so wurden von obiger Lösung !/s, d. h. 4 ccm abgenommen; sodann wurden 2 com CC1,COOH und ca. 8 ccm NaOH - bis zur alkalischen Re- aktion zugesetzt. In 11 ccm waren somit nicht 0,6370, sondern um !/s (= 0,1346) weniger, also 0,5384 feste Bestandteile enthalten. Um 10h 40’ Beginn der Sekretion. Kongo wird dunkel „ 10h 45’ wurden 28 ccm von Azidität 124 gesammelt ” 007 6) zz » ” ” 116 ” ” un tor » 13 » e) ” 140 o) 5 ne 30} ” 66 ” b) » 152 ” » no) 0) 54 ” » ” 150 ” ” 12h 00° n 39 >? » 140 ” „EI Da „. 14 » » 12h 50’ ” 25 D) » ) 140 ” „. [ala ” Dr b) » 152 » ” 1 = 00' n 24 ” ” 2) 152 ” ” lb) » 20 D) » » 140 ” ” 0, ” 15 ) e) ” 128 » ” ty ) 12 ” ” D) 136 ” ” =2007 D) 5 » ” » 134 „ 2) unlonıı ” 4 2) ” ” 134 ” Nach dem Abbinden war der Hund munter, wollte aber nicht fressen ; er trank nur den flüssigen Teil seiner Portion. Auch die ganze nächste Nacht lang frass er nicht. Am 21. Februar 1917 früh frass er schon gut. Innerhalb 4 Sturden 55 Minuten wurden 498 ccm Magensaft ge- sammelt, also um 200 eem mehr als nach dem reinen Darmextrakt am 12. Dezember 1916. Das Ergebnis war ganz unerwartet, und zwar, dass eine stark dissoziierte Säure nicht nur keine Verminderung, sondern vielmehr eine Verstärkung der Extraktwirkung herbeiführt. Im nächsten Versuch wurde die Wirkung der Essigsäure, welche viel schwächer, nämlich 60500mal weniger dissoziiert ist, ausprobiert. Versuch IX. 24. Februar 1917. Hund „Bialy“ von 14,5 kg Gewicht mit Magenfistel.e. Die Duodenalfistel verwachsen. Nn. vagi wurden am 4. Dezember 1916 intrathorakal durchschnitten. Um 7h 45’ Beginn der Beobachtung. „ 55 00’ wurden 80 ccm gesammelt. Kongo leicht dunkel. „ 85 15’ wurden in 14 ccm Wasser 0,75 com Darmextrakt eingeführt, was auf dieselbe Weise, wie im Versuch VIII ausgeführt wurde, nur verwendete ich statt COl,COOH — CH, COOH. „ 8% 16’ der Hund beleckt sich 16 * 244 L. Popielski: Um 8b 17’ der Hund beleckt sich „ 85 25’ wurden 8,0 ccm gesammelt „ 58h 30’ H 12.09.02, = Azidität 98,0 wo dar ol, » „133,0 00 El, » „ 142,0 ” an 1a! ” 24,0 ” ” ” 140,0 a 20, S „..2130,0 ” 9 u 45 j ” 5,0 ” ” pr] 130,0 ” 10% 00’ ) 2,9 ” ” ” 130,0 In 1 Stunde 45 Minuten wurden 158,5 cem gesammelt, d. h. beinahe so viel, wie beim selben Hund am 20. Dezember 1916 (147 cem) nach Hinzugabe von HC] zum Extrakt. Um festzustellen, ob nicht im Versuch mit Trichloressigsäure (Versuch VIII) Salzemitwirken, diedurch Neutralisieren der Säure mit NaOH entstehen, entschied ich mich im Versuch X, solche Salze subkutan einzuführen. In demselben Versuch habe ich auch den Einfluss der Monochloressigsäure auf die Extrakt- wirkung erprobt. Versuch X. 26. Februar 1917. Hund „Bialy“ von 14,4 kg Gewicht mit Magenfistel. Nn. vagi intrathorakal durchtrennt. An sauren Restanzen im Magen ca. 100,0—150,0 g. Um 7h 50’ Beginn der Beobachtung „ 8% 00’ gesammelt 7,5 ccm ” sh 15" ” 5,9 ” „ 8b 30 „580% ” &h 37 P2] 1,5 ” An der rechten Thoraxseite wurden subkutan in 14 ccm die Salze eingeführt, die durch Neutralisieren von 11,5 ccm oo mit 8 ccm nz ent- standen. Die Einführungsstelle wurde mit Wasser, Spiritusseife und Spiritus abgewaschen. Um 8h 40’ beleckt sich der Hund „ 8: 45’ gesammelt 20 ccm „ 9% 00' „ 15 „ ” 9h 15’ ” 3,5 ” non Lo a “ 05 „Kongo negativ. Es wurden eingeführt 0,75 ccm eines alten Darmextraktes in 16,0 ccm Wasser + 8cem on. + 8cem —— Man ging mit dem Darmextrakt ebenso vor, wie im Versuch VIII. Statt der Trichloressigsäure wurde jedoch Monochloressigsäure verwendet. Um 9h 45’ gesammelt 0,5 ccm, Kongo dunkler „ 10» w' „545 „ Azidität 129 2 10n215% g 480 „ a) „ l0n 80’ . 26,0 „ Bat „OR Ay en 125 „lin oo: \ Mo no En all { 2,7 Binnen 1 Stunde 38 Minuten wurden 144,2 ccm Magensaft ge- sammelt, das ist beinahe ebensoviel, wie im Versuch vom 20. Dezember ß-imidazolyläthylamin und die Organextrakte. II. 945 1917 (147 ccm) nach Zusatz von HCi zu den Extrakten. Wir sehen also, dass die Säuren Monochloressig- und Essigsäure im Gegensatz zur Dreichloressigsäure die Wirkung von Darmextrakten herabsetzen, ähnlich der HCl. Ich beschloss daher, um eine noch stärkere Wirkuns zu erzielen, den Darmextrakt zweimal mit Dreichloressissäure zu be- arbeiten. Mein Vorgehen war folgendes: Dem Darmextrakt setzte ich die Dreichloressigsäure hinzu und neutralisierte sie, fügte von neuem eben dieselbe Menge von Dreichlcrassigsäure hinzu, die auch neutralisiert wurde. Zur Materialersparung wurden statt 0,75 nur 0,6 Darmextrakt verwendet. Meine Erwartungen gingen jedoch nieht in Erfüllung: eine nennenswerte Wirkung konnte nicht erzielt werden. Doch darf die geringere Quantität des beim Versuch benutzten Darın- extraktes nicht ausser acht gelassen werden. Versuch XI. 2. März 1917. Hund „Bialy“, Gewicht 14,7 kg, mit Darmfistel. Nn. vagi intrathorakal getrennt. Im Magen waren ca. 150,0 bis 200,0 & geruchlose Restanzen zu finden. Der Inhalt wirkt auf Kongo negativ, auf Lackmuspapier sauer. Um 75 50' Beginn der Beobachtung „ 85 00’ gesammelt 11,0 cem p>] &h 15’ ” 9,9 ” „ Sal n Sl p] sh 45' br) ] 6,5 e7] „ 9m 00’ 1 50, » yh 15’ ” 9,6 ” „ 9m 80’ ü 3,4 Es wurden subkutan an der rechten Thoraxseite in 14 ccm Wasser 0,6 ccm des Darmextraktes eingeführt, dem hinzugesetzt wurden 1. 11,5 ccm un +8ccm a, 2. nach 12’ 11,5 ccm ee + &8ccm = Diese Flüssigkeit reagierte alkalisch. Die Dreichloressigsäure wurde am 18. Februar 1917 vorbereitet. Einführungsstelle mit Spiritus abgewaschen. Um 9h 45’ gesammelt 51,0 ccm, von Azidität 150,0 „ 10% 00' s 112,0, 5 160,0 ” 10 h \ B) i 2 57,0 ” ” ” 158,0 ” 10 h 30 \ ” 1 1,0 ” ” ” 160,0 ” 10 5 45 : ” _ 4,0 ” P)) ” 160,0 11 h 00 } ” 2,0 ” er) ” 2,0 Während 1 Stunde 30 Minuten wurden also 237 ccm Magensaft erhalten. Mit derselben Quantität (0,6 ccm) reinen Darmextraktes wurde nicht experimentiert. Am 12. Dezember 1916 erhielt ich nach 0,75 ccm Extrakt 291,5 ccm Magensaft. Die Quantität des sezernierten Saftes ist proportional der eingeführten Extraktmenge. Vorausgesetzt, dass dieses Verhältnis einfach wäre, was jedoch nicht absolut exakt ist, so würden wir nach 0,75 ccm Extrakt im Versuch XI 300 cem, d. h. etwas mehr als nach dem reinen Darmextrakt (291,5 ccm), er- halten haben. — Es steigert also die zweifache Zugabe von CCl,COOH die Wirkung des Extraktes nur in geringem Grade. Falls wir dieses 246 | L. Popielski: Resultat mit der Extraktwirkung nach der einmaligen’ Hinzufügung von CCL,COOH im Versuch VIII vergleichen, so bemerken wir einen _ eklatanten Wirkungsunterschied in beiden Experimenten. Um den genannten Unterschied genauer zu bestimmen, entschloss ich mich, im Versuch XII die Wirkung derselben Extraktquantität 0,6 nach einmaligem Zusatz von CCl,COOH zu erproben. Versuch XII. 5. März 1917. Hund „Bialy“ von 14 kg Gewicht, mit Darmfistel.e Nn. vagi intrathorakal durchtrennt. Im Magen ca. 100,0 & Restanzen, deren Kongo positiv reagiert. | Um 8b 00’ Beginn der Beobachtung „ 8: 30’ gesammelt 0,0 cem „85 49' 30 „ saurer Flüssigkeit. Kongo f. Einführung von 0,6 ccm alten Darmextraktes in 14 ccm Wasser; nach Zugabe von 11,5 ccm nn + 8ccm en . Dies wurde durch Abdampfen bis auf 14 ccm eingeenst. Um &h 55’ gesammelt 5,0 ccm „ 9» 00’ . 25,0 „ Azidität 126 a. „146 ” 3h 10° ) 24,0 2 ” 146 „ arals, » 28,0 ,„ 6 „ ga 20’ S 16,0 , „2 168 „ gmost e 20,0 „ „.ı8 „ 9h 80’ : 1500, 7162 -„ gmAsr a 30 A „...152@ „ 10h 00’ 3 10.09 we las ” 022157 ” 2,0 ” 247) 138 Im Laufe von 1 Stunde 26 Minuten wurden 193 cem Magensaft gesammelt. Berechnen wir die Saftquantität für 0,75 Extrakt, so er- halten wir 193 + 48,3 = 241,3 cem Saft, das ist um 291,5 — 241,3 = 50,2 ccm weniger als nach 0,75 desselben Darmextraktes. Beim Ver- gleich mit Experiment VIII tritt bloss ein Unterschied zutage, nämlich die Verwendung von 0,6 statt 0,75 cem Darmextrakt. Wie wir im Versuch mit dem Hund ‚„Krasy‘“ beobachten werden, sinkt beim Herabsetzen des Darmextraktes die steigernde Wirkung der CC1,COOH. Da möglicherweise die Dreichloressigsäure vom 18. Februar 1917 zer- setzt sein konnte, so habe ich im Versuch XIII neu zubereitete dezi- normale Lösung dieser Säure versucht. Versuch XIII. 7. März 1917. Hund „Bialy“ von 14 kg Gewicht, mit Darmfistel. Nn. vagi intrathorakai durchtrennt. An Restanzen im Magen ca. 200,0 g. Um 7% 30’ Beobachtungsbeginn „ 17h 45’ gesammelt 6,5 ccm Magensaft „ 8400 » 135 „ » ” 8h 15° » 8,9 ” o) ) 5h 30° ” 12,0 ” „ oe » 130 „ » oo a0, ; ) yh 15’ » 3,0 ” ” ” 9 h 30 Ä ” 2,9 - 8-imidazolyläthylamin und die Organextrakte. II. 247 Um 9h 31’ subkutane Einführung an der rechten Thoräxseite von 0,6 ccm alten Darmextraktes, gelöst in 16—-17 ccm Wasser, nach Zusatz von 8 cem on zubereitet am 16. März 1917, und 9,3 ccm nn zur alkalischen Reaktion. Um 95 45’ gesammelt 39,0 ccm Magensaft, Azidität 140 „ 10: 00’ 5 70 ,„ » en Nor 157 5 530 „ » Bu 196 ” 10h 30' ” 23,0 ” » ” 156 » 10h 45' D) 9,0 D) » » 148 11h 00’ E 2.00, 5 Innerhalb 11, Stunden liessen sich 203 cem Magensaft sammeln, das ist um 20 ccm mehr als im vorigen Versuch. Die Frische der Drei- chloressigsäure erscheint also von ganz unbedeutendem Einfluss auf das Versuchsresultat. — Obwohl mich die Versuche mit dem Hund ‚‚Bialy“ über den Einfluss der Säuren auf die Extraktwirkung zu ganz be- stimmten Resultaten gelangen liessen, so schien es doch angemessen, zu untersuchen, ob wir nicht vielleicht in unserem Falle mit bestimmten individuellen Eigenschaften des Hundes ‚Bialy‘“ zu tun haben. Es wurden deshalb diese Forschungen durch neue, an dem Hund ‚‚Krasy““ ausgeführte Experimente ergänzt, bei dem ausser einer Magenfistel noch die Ösophagotomie vorgenommen wurde. Der Hund „Krasy“ hatte in der ersten Versuchsperiode seine Nn. vagi intakt behalten. Doch muss bemerkt werden, dass der Hund mit ganz geringer psychi- scher Magensaftsekretion reagierte, sogar bei eingebildeter Wurst- ‘ fütterung. Es gelangten zum Beispiel am 26. April 1917 nach ein- gebildeter Wurstfütterung durch 5 Minuten 52 ccm Magensaft zur Sekretion in 45 Minuten. Versuch XIV. '8. März 1917. Hund „Krasy“ von 17,5 kg Gewicht mit Magenfistel und Ösophagotomie. Der erste chirurgische Eingriff wurde am 13. Januar 1917, der zweite am 27. Januar 1917 ausgeführt. Magen gespült. Um 7545’ Beginn der Beobachtung. 85h 00°’ gesammelt 2,0 ccm saurer Flüssigkeit. Kongo +. „ 8500’ in der linken Lendengegend subkutan eingeführt 0,6 cem alten Darmextraktes gelöst in 16 ccm destillierten Wassers nach Zusatz von CC1,C00H Na0H ” 8 ccm 10 und nach 3—5’ von ii cm y - Die Lösung reagierte alkalisch. Um 8”15’ wurden gesammelt 2,0 ccm Azidität 144,0 ” 8 5 30 £ ” ” 29, 0 ” ” 144, 0 br] 8 u 45 : ” ” 55,0 ” » 146, 0 ” 94 00° ” ” 44,0 » ” 154,0 ” 9h 15’ ” » 27,0 „ ” 152,0 ” 9 h 30 £ ” ” 12,5 ” ” 152,0 ” yh 45’ b) ” 6,0 ” » 152,0 „ 108007 „ » 23» » 153,0 Binnen 2 Stunden wurden 178 ccm Magensaft gesammelt. Im folgenden Experiment handelte es sich um die Feststellung, ob eine 248 L. Popielski: geringere Quantität von NaOH auf die Versuchsresultate von Einfluss sein würde. Versuch XV. 10. März 1917. Hund „Krasy“ von 17,8 kg Gewicht mit Magenfistel und Osophagotomie. Um 75h 30’ Beginn der Beobachtung. „ 1545’ wurden gesammelt 0,3 cem. >) 85h 00’ » ” 2,0 D) De SON 5 3 10 „Kongo schwach positiv. Um Sh 12’ in der rechten Lendengegend subkutane Einführung von 0,6 ccm alten Darmextraktes, gelöst in 16 ccm Wasser + 8cem CC1;,COOH und nach 3—4’ 10,8 ccm bis zur alkalischen Reaktion. i Um 8h 15’ 0,0 cem. „ 8520’ Beginn der Sekretion. „ 82380’ gesammelt 26,0 com Azidität 138,0 », SEN » 60,0 „ » 150,0 » 9800 » 50 5 „164,0 „ 9h 15 » 238 5 » 156,0 ” 39h 30’ ” 3,0 ” » 160,0 „ 92457 » 10, ». 160,0 In 1 Stunde 33 Minuten wurden 160,5 ccm gesammelt, das ist um 17,5 ccm mehr als im vorigen Versuch. Der Alkaleszenzgrad ist also ohne erheblichen Einfluss auf die Quantität des sezernierten Magen- saftes. Im nächsten Versuch habe ich neuerdings den Darmextrakt mit Zusatz von CCL,COOH eingeführt. Versuch XVI. 12. März 1917. Hund „Krasy“. Derselbe wie früher, von 17,8 kg Gewicht. Um 730’ Beginn der Beobachtung. Reaktion alkalischh Kongo negativ. Um 8500’ erscheinen ca. 2,0 ccm gelblicher, schwach saurer Flüssigkeit, die ein wenig auf Kongo reagiert. Um 8501’ wurden eingeführt 0,6 ccm alten Darmextraktes, gelöst in ©C1,C0O0OH NaOH LT 10,0 ccm 10 - 16 ccm destillierten Wassers mit Zusatz von Das Ganze auf 16,3 cem eingeengt. In 0,6 ccm Darmextraktes sind an festen Bestandteilen 0,480 s vor- handen. Um 8h 07’ Sekretionsbeginn. „ 8515’ gesammelt 95,0 cem Magensaft. Azidität 144 ” 5h 30’ ” 62,0 ” ” » 154 ” 8h 45’ ) 63,0 ” » ” 154 3 h 00° » 37,0 » » ” 154 ” 39h 15’ ) 7,0 » ” ) 152 ” yh 30’ o) 5,0 » ” ” 152 „ g9h45' a 1,0 152 ” 2 ” In 1 Stunde 30 Minuten wurden 200 ccm Magensaft gesammelt. Da in diesem Versuch eben dieselbe Quantität von NaOH hinzugefügt wurde, wie im Versuch XV, so lässt sich daraus schliessen, dass der Alkaleszenzgrad tatsächlich gar keinen Einfluss auf die Quantität des abgesonderten Magensaftes ausübt. Im vorhergehenden Versuch wurden 160 cem, in diesem 200 cem erhalten. Es war von Wichtigkeit, EDER EEE EOGERET UOHERE Su 2 0 u rn hen ae ß-imidazolyläthylamin und die Organextrakte. II. 249 die Quantität des Magensaftes, die nach der Einführung des Darm- extraktes mit Zusatz von CC1,COOH erhalten wurde, mit derjenigen ohne die genannte Säure zu vergleichen. Diesen Zweck verfolgend, unternahm ich den Versuch XIX, wo der Darmextrakt allein zur Einführung gelangte. Versuch XVII. 17. März 1917. Hund „Krasy“. Derselbe wie früher, von 17,6 kg Gewicht. ; Um 7530’ Beginn der Beobachtung „ 7h45’ gesammelt 5,0 ccm „» 8h 00° D) 3,0 » ) &h 15’ ” 1,0 )) Ps 5h 30’ » 0,5 ” An der rechten Seite subkutane Einführung von 0,54 ccm alten Darmextraktes in 15—16 ccm Wasser gelöst. Um 85 33' Sekretionsbeginn. Kongo wird dunkler. „ 8545’ gesammelt 16,0 ccm Azidität 146 ” 94 00’ ” 43,0 ” ” 146 Sa » 430, „ 154 ” 95 30° ” 22,9 ” ” 154 R) 9 a 45 h ” 1,5 ” ” 114 „ 105 00’ 5 25 „ mit Schleim von 114 Azidität. In 1 Stunde 30 Minuten wurden 134,5 ccm nach 0,54 Darmextrakt gesammelt. Für 0,6 Darmextrakt um ein Neuntel mehr, das ist 134,5 + 15 = 149,5 ccm. } Aus der Zusammenfassung der zwei letzten Experimente ersehen wir, dass der Darmextrakt nach Bearbeitung mit CCl,COOH eine stärkere Masensaftsekretion bewirkt. Beachten wir nun die Magensaftquantitäten der Versuche XVII und XVI (nach Zusatz von ÜCL,COOH), so erhalten wir das Verhältnis 149,5:200 = 3:4. Beim Hund ‚„Bialy‘“ war dies Verhä!tnis auf Grund von Versuchen IX und X = 291,5:498, oder rund 300:500 = 3:5. An dem Hund „Krasy“ entschloss ich mich, einen Versuch mit noch geringerer Darmextraktquantität, und zwar mit 0,5 vorzunehmen. Dem Hund wurden aber die Nn. vagi vorher, das ist am 11. Mai 1917, durehtrennt. Es muss noch bemerkt werden, dass die erhaltenen Ergebnisse verschiedener Versuche nur dann miteinander verglichen werden dürfen, wenn das Gewicht des Hundes nicht allzusehr schwankt. Beim Hund ‚Krasy‘ schritt man zur Ösophagotomie, deswegen musste er künstlich durch Magenfistel gefüttert werden. Da die Verdauungs- kraft des Hundes infolge der Durchschneidung der Nn. vagi herab- gesetzt war, so erhielt er hauptsächlich Flüssiges als Nahrung. Vom 18. Mai 1917 angefangen, bestand sein Futter aus Mehl mit Wasser gekocht unter Zusatz von einer ganz geringen Quantität Pepten Witte, Kochsalz und Magensaft. Bis zum 11. Mai 1917 bekam der Hund ausser gekochtem Mehl, Fleisch, Grütze und gut gehackte Abfälle der 250 NErPDoptelskt: Spitalsküche. Vom 11.—18. Mai 1917 sank das Gewicht des Hundes von 17,600 auf 16 kg, das ist um 1,600 kg. Doch muss hervorgehoben werden, dass das Gewicht vom 16., 17. und 18. Mai 1917 keine Schwan- kungen aufwies, es betrug nämlich 16,0 kg. Resultate dieser Tage lassen also einen Vergleich miteinander zu. — Vor allem beschloss ich, die Wirkungskraft von 0,5 g Darmextrakt nach Bearbeitung mit CC1,COOH zu erproben. Versuch XVIII. 14. Mai 1917. Hund „Krasy“ von 17,1 kg Gewicht mit Magenfistel und Ösophagotomie. Nn. vagi am 11. Mai 1917 intrathorakal durchtrennt. Um 85 00’ Beobachtungsbeginn. „ 8280’ gesammelt 0,0 ccm. Einführung von 0,5 ccm alten Darmextraktes in 2] ccm Flüssigkeit sub- kutan in der rechten = Zu 0,5 Extrakt in 5,0 ccm Wasser CC1,CCOH EB co m NaOH 10 10 Um 9500’ Reaktion alkalisch . 95 02’ erscheint der erste Tropfen saurer Reaktion 9h 15’ wurden gesammelt 29,0 cem Azidität 122,0 wurden 8 cem hinzugesetzt. » 94 507 bi) ” 31,0 ” D) 136,0 ” yh 457 ” ” 24,5 ” ” 126,0 ” 104 00° » ” 8,5 e ” 126,0 „ 105715 in n SAN “ 126,0 „ 10530’ 5 „ a 126,0 Binnen 1 Stunde 40 Minuten wurden 94 ccm gesammelt. Im folgen- den Versuch habe ich 0,5 cem Extrakt nach Zusatz von 16 ccm 0,9 %iger NaCl eingeführt. \ Versuch XIX. 16. Mai 1917. Hund „Krasy“ von 17 kg Gewicht. Der- selbe wie früher. Um 7520’ Beginn der Beobachtung. „ 8500’ gesammelt 00 ccm. Subkutane Einführung von 0,5 ccm alten Darmextraktes in 5 ccm Wasser nach Zusatz von 16,0 ccm 0,9%/oiger NaCl-Lösung in der rechten Lendenseite. „ sh 18’ Sekretionsbeginn. „ 8530’ gesammelt 26,0 ccm Azidität 134,0. „ sh’ u 32) ul „94 0’ £ 26,0 „ en „ 9hj5 - Um... „140,0 mit Galle „ 9h 30’ ” 3,0 ” » Ih 45’ E 25, In 1 Stunde 45 Minuten wurden 109,5 cem gesammelt. In den Magen war eine kleine.Menge von Galle gelanst, die selbstverständlich die Quantität des gesammelten Saites vergrössert hat. Bei geringerer Extraktmenge sinkt die Wirkung von CC1,COOH. Während im Versuch XVIII der mit CC1,000OH bearbeitete Extrakt die Absonderung von 94 ccm bewirkt hatte, wurden im Versuch XIX nach der Zufuhr des Extraktes 108,5 ccm mit Zusatz von Galle abgesondert. Das Zahlenverhältnis beider Versuche betrug also: 94:108,5. Mit DE ad = u #05, oe u Da te a a > un | | | 3-imidazolyläthylamin und die Organextrakte. II. 251 Rücksicht auf den ganz sicheren Zusatz von Galle im Versuch XIX kann dieses Verhältnis, ohne einen nennenswerten Irrtum zu begehen, mit 1:1 angesetzt werden. Unter dem Einfluss von CC1,COOH auf 0,75 des Darmextraktes betrug dieses Verhältnis 3:5, bei 0,6 Darm- extrakt 3:4, bei 0,5 Extrakt 1:1. Diese Zahlen dürfen selbstredend nicht für absolut exakt betrachtet werden. Von Bedeutung wäre es, die Wirkung von HÜl auf dieselbe Quantität von 0,5 zu erproben. Dieses Ziel verfolgte der Versuch XX, in welchem HC1 der Darmextrakt in Quantität 0,5 der Wirkung von To: unter- worfen wurde. Versuch XX. 18. Mai 1917. -Hund „Krasy“ von 16 kg Gewicht. Im Magen ca. 200,0 g Restanzen. Um 7500’ Beginn der Beobachtung. Um 85h 35’ erscheint etwas Galle. Reaktion schwach sauer. Kongo negativ. In der rechten Brustgegend subkutane Einführung von 0,5 cem £ Cl alten Darmextraktes in 5 ccm Wasser nach Zusatz von 8 ccm —_ und nn Insgesamt wurden 21 ccm Flüssigkeit eingeführt. Um 95 00” nimmt Kongo schwach dunkelblaue Färbung an. 9h 05’ Sekretionsbeginn. Kongo stark dunkel. „ 9%15’ gesammelt 8,0 cem\ trüben Saftes mit starker Gallenfärbung „ 9330’ R 135 ,„ f Azidität 96,0. nach 5’ 8 ccm 9h 45’ 5 5,0 ,„ Saftes stark gallengefärbt N a een N Azidität 52,0 „ 10h 15’ 5 10,0 ,„ Galle allein „ 105 30’ i a . N Kongo färbt sich dunkel. In diesem Versuch kam es zu starker Gallensekretion, deswegen war es schwer, die abgesonderte Magensaftquantität exakt zu be- stimmen. Nehmen wir als Normazidität des Magensaftes 160 an, so kann man annähernd die Magensaftquantität bestimmen: aus der ersten Portion von 96 Azidität 15 ccm, aus der ersten Portion von 52 Azidität 7 cem. Insgesamt wurden also 22 ccm Magensaft ab- gesondert. Auf Grund von vielfachen, an dem Hund ‚Biaty‘“ aus- geführten Versuchen kann man annehmen, dass die Saftquantität nach 0,75 Extrakt, bearbeitet mit HCl, durchschnittlich 140 beträgt, und nach Darmextrakt allein 325; das Zahlenverhältnis beider Quantitäten wäre also 140:325 oder annähernd 2:4,6. Im Versuch XX, wo 0,5 Extrakt benutzt wurde, beträgt dieses Verhältnis 22:110 = 1:5. In den drei letzten Versuchen wird unsere Aufmerksamkeit auf die Tat- sache gelenkt, dass der Absonderungsprozess sehr spät nach der Extrakt- einführung beginnt. Im letzten Versuch trat die Absonderung erst nach 25 Minuten auf. Derartige Erscheinungen sprechen für die Herab- setzung der Mobilität des Magens. Mit Rücksicht auf die hervorragende Wirkung von HC], die eine Herabsetzung der Extraktaktivität nach 352 L. Popielski: sich zieht, entschied ich mich, den Extrakt dreifach mit HCl zu be- arbeiten. Dabei ging ich folgendermaassen vor: Der Extrakt wurde a0 durch 8S cem -_ —— neutralisiert, dies HI) 10 nach Zusatz von S cem dreimal wiederholt. Versuch XXII. 28. Februar 1917. Hund „Bialy“ von 14,4 kg Gewicht, mit Magenfistel. Nn. vagi intrathorakal durchschnitten. Im Magen ca. 100,0—160,0 cem Restanzen. Um 85 15’ gesammelt 1,5 cem „. sh 50’ 5 U S ö " 8h45' 2 03 i \ Kongo negativ; Lackmusreaktion sauer ‚„ .9%00' R AL, Dieselbe Reaktion P7] yh 30 £ ” 1,0 ” ” ” „ 11h 25’ 5 0,0 ” ” 2 An der rechten Thoraxseite wurden subkutan eingeführt 0,6 ccm alten Darm- extraktes, gelöst in 14 ccm Wasser, nach Zusatz von 1. 8 ccm on 8 ccm 10 NaOH. Hcı NaOH. 1:00) NaOH 10 ; 2. 8 ccm 10% + 8 ccm 10 ; 3. 8 ccm ms + 8 ccm 10 3 Um 115 30’ wurden gesammelt 0,0 ccm „ 11434’ Beginn der Sekretion. Kongo ändert sich nicht. Lackmusreaktion sauer „ 11535’ gesammelt 0,75 cem „ 11h 45’ = 14,25 ,„ „ 12500’ “ 34,0 ,„ „. ah 15) “ 25,0 ,„ von 128 Azidität ” 12 = 30 ; ” 18,0 ” ” 128 ” 12h 45’ h" KLOSE Es s ” 1 h 00’ ” 6,5 2 ” 128 2 Paten. a 0. ” Während 1 Stunde 50 Minuten wurden 112,20 ccm gesammelt. Für 0,75 Extrakt erhalten wir 112,20 + 24,40 — 136,60 ecm Magen- saft, das ist beinahe dieselbe Menge, die am 15. Dezember 1917 beim selben Hund nach einmaligem Zusatz von HCl erhalten wurde. Wir können also ganz wohl behaupten, dass die Herabsetzung der Extrakt- wirkung nach einmaligem Zusatz von HCl stabil ist und das Fort- schreiten im Zusatz von Salzsäure die Wirkung des Extraktes ‚nicht mehr schmälert. Von Wichtigkeit bleibt die Frage, ob nicht eine Anpassung an den Extrakt vorkommt. Diese Frage muss aber verneint werden. Am 18. Dezember 1917 wurden beim Hund ‚Bialy‘ nach 0,75 Darm - extrakt, mit Salzsäure bearbeitet, 140,8 cem, am 28. Februar 1917 136,6 ccm (Versuch XXI) erhalten, obwohl im selben Zeitraum neunmal Experimente mit Darmextrakt- vorgenommen wurden. Der- selbe Versuch zeigt uns, dass bei Tieren auch kein anaphylaktischer Zustand auftritt. Da zwischen zwei nacheinander folgenden Versuchen ein Zeitraum von wenigstens 24 Stunden verfloss, so war es denkbar, dass eine | | { j | | a Az ce De a la A ee ee side due ae. ee ee. Mt u ie Dan Ko ne Mens ae. ke De B-imidazolyläthylamin und die Organextrakte. II. 253 Anaphylakserscheinung inzwischen verging. Um darüber zu entscheiden, wurde das Experiment XXIV angestellt, währenddessen ich den Darm - extrakt zweimal einführte, wobei ich zur Wiederholung der Einführung erst dann schritt, als die Sekretion nach der ersten bereits zu sinken besann. Versuch XXIV. 21. Mai 1917. Hund „Krasy“ mit Magenfistel und Ösophagotomie. Nn. vagi intrathorakal am 11. Mai 1917 durchtrennt. Der Hund: wiegt 15,5 kg. Im Magen waren an 200,0 ccm Restanzen vorhanden, so dass das eigentliche Gewicht 15,3 kg betrug. Vor der Operation wog der Hund 17,8 kg, die Gewichtsabnahme betrug also 2,5 kg. Um 7h 00’ Beobachtungsbeginn „ 8515’ wurde 0,0 ccm gesammelt. Reaktion sauer. Kongo negativ. „ 8h15’ wurden in der linken Lendengegend subkutan 0,5 cem Darm- extrakt in 20 ccm Flüssigkeit eingeführt, wobei zu 5 ccm Extrakt- lösung 15,0 ccm 0,9%oiger NaCl hinzugesetzt wurden. 8h 20’ Kongo wird dunkler „ 8530’ wurden gesammelt 22,5 ccm von 134,0 Azidität ” 8 4 45 ” ” 43,0 ” ” 140,0 ” \ ” I & 00 ; ” ” 38,0 ” ” 152,0 9) ” 9 2 15 \ ” ” 80,0 ” ” 152,0 ” ” I a 30 : ” ” 22,0 ” ” 152,0 ” » I = 45 $ ” 2 9,0 0,5 cem Darmextrakt in die rechte Thoraxseite subkutan eingeführt, gelöst in 20 cem Flüssigkeit. Zu den 5 cem Darmextraktlösung wurden 15 ccm 0,9%oiger NaCl hinzugesetzt. Um 10h 15’ wurden gesammelt 28,0 ccm von 186,0 Azidität 3 ee » 36,0 „ ” 10 2 45" P}) ” 39,0 ” ” ul E 00° ” br} 36,0 ” Br) 190,0 ” ” 11 © 15 f ” ” 31,0 ” y 11 h 30 h ” ” 21,0 ” ” 11 a 45 , ” ” 10,0 ” ” 12 A 00 i 7 ” 3,0 2 Nach der ersten Extrakteinführung von 0,5 wurden in 1 Stunde 30 Minuten 160,5 cem, nach der zweiten in 2 Stunden 15 Minuten 201 cem Magensaft erhalten. Es lag nahe zu vermuten, dass die erste Einführung den anaphylak- tischen sem! beim Hund hervorgerufen, als dessen Konsequenz man nach der zweiten Einführung derselben Extraktmenge um 40,5 ccm mehr Saft erhalten hat. Es darf jedoch nicht ausser acht gelassen werden, dass die zweite Einführung dann stattfand, als die Sekretion für 15 Minuten noch 5 cem betrug, die erste dagegen bei 0,0cem Sekretion. Angesichts dessen besteht bei allen Bonkionen für jede Viertelstunde ein Überschuss von 5 ccm, der für 8 Viertelstunden der Sekretionszeit 40 ccm beträgt. Subtrahieren wir diese Quantität von 201 cem, so erhalten wir 201 — 40 = 161 cem, das ist ebensoviel, wie nach der ersten Einführung. Man wird also nicht fehlgehen, wenn wir behaupten, dass die abermalige Einführung von Extrakten, auch während eines 954 L. Popielski: und desselben Versuches, weder den Zustand der Anaphylakse noch den der Anpassung herbeiführt. Den Einfluss von HCl auf die Extrakte können wir uns folgendermaassen vorstellen: Hängt die Extraktwirkung bloss von einem Bestandteil, nämlich von Gastrin !) ab, so können wir in diesem das Vorhandensein von speziellen Basen, zum Beispiel Aminkörpern, annehmen, mit denen HCl in Verbindung tritt und aus ihnen beispielsweise B-Imidazolyläthyl- amin entstehen lässt, das weiteren Umänderungen nicht mehr unter-. liest; ß-i aber ist, wie wir gesehen, ein mächtiger Erreger der Magen- drüsen. Eine ganz geringe Menge von ß-i genügt schon, um den Extrakt sekretionserregend zu machen. Daraus folgt, dass Gastrin ein kom- vlizierterer Körper ist als ß-i, der dabei noch gewisse basische, vielleicht aminartige Stoffe enthält. Gesetzt nun, dass die Salzsäure auf diese Weise ihre Wirkung ausübt, so erhebt sich die Frage, warum diese Umänderung vom Gastrin während der Bearbeitung der Extrakte mit HCl nicht auftritt. Die Ursache davon kann darin liegen, dass 7 N bei Zubereitung von Extrakten 10 HCl benutzt wurde, die den gut gemahlenen Organen im Verhältnis 1:1 hinzugesetzt wird. Da nun die Organe ca. 80% Wasser enthalten, so sinkt die Konzentration von HCl beinahe um die Hälfte. Die Gewebe reagieren alkalisch, wo- durch wieder der Aziditätsgrad noch mehr herabgesetzt wird. Bei geringer HCI-Quantität könnte nur ein ganz unbedeutender Teil von Gastrin obgenannten Änderungen unterliegen, die Hauptmenge aber bleibt unverändert. Die Wirkung der Dreichloressigsäure ist, wie wir gesehen, eine ganz entgegengesetzte; sie erinnert an Alkohol, der nach einmaliger Bearbeitung die Sekretionswirkung der Extrakte steigert. Es ist wohl ganz gut möglich, dass die Dreichloressigsäure die Extrakte von Körpern befreit, die in loser Verbindung mit Gastrin stehen, wo- durch der Extrakt seine Wirkung stärker und früher ausübt. DER - Meine bisherigen Forschungen sowie die von Tomaszewski und Emsmann zeigten, dass Gastrin in Extrakten verschiedener Teile des Darmtraktus und Pankreas vorhanden ist. Da ich ein Jahrzehnt Präparate des Dorsalteils der Hypophyse hatte, so beschloss, ich, ihre Wirkung auf die Magensaftsekretion zu untersuchen. Versuche wurden am Hund ‚„Bialy‘“ im Januar und Februar 1917, also nach Durchtrennung von Nn. vagi (11. Dezember 1916) ausgeführt. l) Gastrin nennen wir in aller Kürze einen Körper, der subkutan ein- geführt Magensaftabsonderung bewirkt. ee ee eh Du 3-imidazolyläthylamin und die Organextrakte. II. 355 Es zeigte sich nun, dass keines von den Hypophysispräparaten, die fünf verschiedenen Fabriken entstammten, eine Wirkung auf die Magensaftsekretion ausübte. Dies ist deswegen von Wichtigkeit, weil nach Fühner (vgl. Münch. med. Wochenschr. 1912 Nr. 16) ß-Imidazo- lyläthylamin, obzwar kein Bestandteil von Pituitrin, doch diesem Körper sehr nahe verwandt ist, weswegen auch dieser Verfasser die klinische Anwendung von ß-i statt Pituitrin anrät. Meine Nachforschungen er- gaben, dass in Pituitrin und in der Hypophyse überhaupt kein ß-i vorhanden ist. IV. Da Histydin den Körper darstellt, aus dem durch Abgabe von CO, ß-i entsteht, so beschloss ich, auch dessen Wirkung zu bestimmen. Zu diesem Zweck wurden dem Hund ‚Bialy‘““ 0,1 g Histidini hydro- chloriei subkutan eingeführt. Sekretion wurde nicht erhalten. Ebenso erscheint keine Sekretion nach Tyrosin, ohne Wirkung bleibt auch Erepton, das durch Verdauung des Fleisches mit Magensaft, sodann durch Pankreassaft und Erepsin erlangt wird. Kuhmilch ergab keine Absonderung, der normale Harn des Menschen und der Pankreassaft ebenfalle. Das Blutserum des Menschen aber wirkt in manchen Fällen sekretionserregend. 20 ccm Serum riefen am 12. März 1916 beim Hund „Bialy“ die Sekretion von 291,5 ccm Magensaft hervor, beim zweiten Versuch am 22. Januar 1917 mit demselben Hund nach anderem Serum 107 cem und beim dritten am 30. März 1917 nach einem weiteren Serum gar keine Sekretion. Versuch XXV. 23. Mai 1918. Hund „Krasy“ von 15 kg Gewicht mit Magenfistel und Ösophagotomie. Nn. vagi am 11. Mai 1917 intrathorakal durchtrennt. Um 75 15’ Beobachtungsbeginn „. 7530' gesammelt 15,0 com Magensaft n ZT h 45 / ” ’ ” ” » 8 h 00" ” 5,0 = ” ”» ” 8 h 15 ” 5,0 br] ” 8h 30’ 5 5,0 ” N ’ Subkutane Einführung von (0,5 ccm Äthylamini hydrochlorici gelöst in 10 ccm Wasser. Um 8h 45’ gesammelt 3,0 ccm Magensaft ” 9 h 00 i ” I b)] ” = gnalon E Soma, „ 9n30' - 3,5 Während 1 Stunde wurden 29,5 ccm Magensaft von 136,0 Azidität gesammelt. Da das Äthylamin in dem Moment eingeführt wurde, in dem in 15 Minuten 5 cem zur Absonderung gelangten, so besteht für jede Viertelstunde der Beobachtung ein Überschuss von 5 ccm, den man abstrahieren muss. In 1 Stunde beträgt diese Quantität 20 cem, die eigentliche, durch Äthylamin bewirkte Sekretion ergibt also 29,5 — 20 = 9,5ccm. Wie daraus zu ersehen, bewirkt Äthylamin Magensaftsekretion, 356 bio pielskT-; doch ist dieselbe ganz unbedeutend. Es liesse sich vermuten, dass die Wirkung von Äthylamin durch Einführung der Imidazol-Gruppe an Stelle des Wasserstoffs gesteigert wird. | P. hydroxyphenyläthylamin subkutan in Quantität von 0,1 des Chloressigsalzes eingeführt bewirkt keine Sekretion. 0,1 8 Tetan- phtylamin bleibt ebenfalls ohne Einfluss auf das Sekretionsvermögen, doch treten dabei Alloemeinerscheinungen auf: Dar Hund wirft sich, aus dem Maui und der Nase fallen Tropfen herab, die Gallensekretion steigt, die Pupille wird maximum dilatiert. Der Zustand dauert an zirka 1 Stunde. V. £ ß-i ist heutzutage nicht nur von einer theoretischen, sondern auch praktischen Wichtigkeit. So betrachtet Dale ß-i als die Ursache des anaphylaktischen Shockes, was ich schon im ersten Teil erwähnt habe. Nach Dale wird die Wirkung von Pepton Witte!) und Organextrakten ?) auf die Anwesenheit von ß-i zurückgeführt. Endlich erblicken einige die Ursache von Tetanie in der Vergiftung des Organismus durch ß-i (Koch °). ß-i kann im Darmtraktus entstehen. Dale hat ß-1 in Darm- schleimhautextrakten entdeckt. Melanby und Twort (Journ. of 'Physiology, vol. 45 p. 53, 1912) behaupten, dass ß-i in Dale’schen Versuchen durch die Wirkung von speziellen Bakterien, die ständig im Darm leben, aus Histidin entstanden ist. Sie gehören zur Gruppe der Coli-Typhus-Bakterien, sind immobil und Gram negativ. Berthelot und Bertrand *) haben bei normalen Entleerungen wie auch bei krankhaften Zuständen des Darmtraktus ein dem Bac. pneumoniae Friedländer verwandtes Bakterium gefunden. Sie nannten es Bac. aminophilus intestinalis. Eppinger°) fand in den Exkrementen bei Diarrhöe ß-i; in physiologischen Zuständen nicht. Um ß-i festzustellen, bediente er sich der Hautreaktion, die durch ß-i hervorgerufen wird. ß-1 in 1:1000 Lösung, tropfenweise an einer erodierten Hautstelle ein- geführt, lässt eine juckende, urticariaähnliche Blase entstehen, nach subkutaner Injektion aber bewirkt es eine Rötung der ganzen Haut. Da die Herstellung von ganz reinem ß-i aus Exkrementen ungemein schwierig ist, so ist es schwer, die Frage zu beantworten, ob die Reaktion als eine Folge ven ß-i oder anderer nicht zu vermeidender Verunreini- sungen zu betrachten sei. Bei Kaninchen rief die reine Lösung von 1) Popielski, Über die physiologischen und chemischen Eigenschaften des Peptons Witte. Pflüger’s Arch. Bd. 126 S. 483—510. 1909. 2) Popielski, Über physiologische Wirkung von Extrakten. Pflüger’s Arch. Bd. 128 S. 191—221. 1909. h 3) Koch, F. W., nach Biedl: Innere Sekretion. III. Ausgabe Bd. 1 S. 156. 1916. 4) C. R. de l’Ac. des Sciences t. 154 p. 1643. 1912. 5) Eppinger, Wiener med. Wochenschrift Bd. 63 S. 1413. 1913. 2 EDUEE TEE ZLERREEE- se ee ee a u an A 3-imidazolyläthylamin und die Organextrakte. II. 2357 ß-1 1:1000 nach meinen Versuchen weder Rötung noch Blasenbildung hervor. A. E. Taylor und R. M. Pearce (The nature of the depressor substance of the dogs urine and tissues, Journal of biological Chemistry, vol. XV p. 213—16. 1913), konnten ß-i weder im Pankreas noch im Darm nachweisen. Sie bedienten sich dabei der Methode von Kut- schera, Lohmannund Engeland. Was nun die Frage anbelangt, ob ß-i vom Darmtraktus aus seine spezifische Wirkung üben kann, so antwortete darauf ein Versuch, in welchem ich 0,0032 B-i ins Duodenum eingeführt habe. Es kam damals, wie wir beobachtet haben, zu keiner Magensaftsekretion. Das Versagen der Wirkung könnte seine Begründung darin finden, dass ß-i entweder erstens im Darm einer Zersetzung erlegen war, oder zweitens ähnlich anderen Aminkörpern in der Leber umgewandelt wurde. Hier.aber wird ß-i nicht umgebildet, weil es in die V. mesenterica eingeführt, eine ebenso starke Druckherabsetzung hervorruft, wie nach der Einführung in die V.eruralis. So sank im Versuch vom 7. Juni 1917 beim Hund von 17 kg Gewicht nach Einführung von 0,006 ß-i in die V. mesenterica der Druck im Verhältnis von 3:1, und nach der Einführung derselben Quantität von ß-i in die V. cruralis im Verhältnis von 215:1. Höchst- wahrscheinlich wird ß-i im Darmtraktus einer Zersetzung unterliegen. Meine Versuche beweisen, dass mehrmalige subkutane Einführung von P-i gar keine bemerkbaren Änderungen im allgemeinen Verhalten der Tiere, jedenfalls aber gar keine Krämpfe herbeiführt. Diese Tatsache ist von grosser Wichtigkeit, weil manche Forscher geneigt sind, in ß-i ‘ die Krampfursache bei Tetanie zu sehen. Sie stützen sich dabei auf Arbeiten von Biedl (Innere Sekretion, III. Ausg., 1916, Bd. I S. 155). Biedl gibt an, er habe bei Katzen nach subkutaner Einführung von 1-—-2 ms von ß-i eine gesteigerte Sensibilität von peripheren Nerven, Fadenkrämpfe mancher Muskeln und den typischen Extremitäten- krampf beobachten können. Doch bemerkt Biedl, dass die Zahl seiner Versuche zu gering sei, und was von Wichtigkeit ist, dass er keine histologische Untersuchung der Epithelkörper vorgenommen, wodurch Folgerungen, die an seine Forschungen anknüpfen könnten, unzulässig werden. Eine praktische Bedeutung können ß-i und Gastrin noch in anderer Beziehung haben. Diese Körper rufen eine immense Magensaftsekretion hervor, von normaler Azidität, und wie mich spezielle Versuche über- zeugt haben, von ganz normaler Verdauungskraft. Beim Hund ‚„‚Bialy“ von 15 kg Gewicht habe ich nach 0,032 ß-i beinahe 1000 cem Magen- saft erhalten, was beinahe das Ganze der flüssigen Blutbestandteile (1/13-15 = 1150 Blut) ausmacht. Durch diese Sekretion trocknen die Gewebe aus, zugleich aber verschwinden aus den Geweben ver- schiedene Produkte des Stoffwechsels. Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd. 178, } 17 258 L. Popielski: Durch Magensaftsekretion verliert der Organismus eine beträcht- liche Menge von saueren Gruppen, wodurch sich wieder eine grosse Quantität von Basen im Blut sammelt (Pawlow I, Leistung der haupt- sächlichen Verdauungsdrüsen, Petersburg 1897, S. 172—174). Diese Eigenschaft kann in gewissen Krankheiten, wie Diabetes und Urämie von Bedeutung sein. Gute Erfolge, die bei Anämia durch subkutane Bluteinführung erzielt werden, können zum grössten Teil von dieser Verdichtung des Organismus abhängen; der vergrösserte Hämoglobingehalt und die höhere Zahl der roten Blutkörperchen kann vor allem als Folge dieser „Blutverdichtung‘“ betrachtet werden. Endlich wird auch der Aus- trocknungszustand der Zellen, besonders deren der Nerven, zum Erreger von verschiedenen chemischen Vorgängen, aus denen eine bedeutende Besserung im kranken Organismus resultiert. Diese Gewebsaustrock- nung steigt bei diesem Tier, bei dem der Magensaft nicht gesammelt wird, immer mehr, weil der Magensaft ins Duodenum übergeht, und von da aus noch die Sekretion des Pankreassaftes in ebensoleher Quantität hervorbringt. Es wird zwar nach der Neutralisierung eine bedeutende Menge der Flüssigkeit ins Blut gelangen, doch verbleibt diese Trocken- heit des Organismus eine gewisse Zeit lang von ganz bedeutender Stärke. In der Pathologie kann endlich der Magensaft als Verdauungssaft von Wichtigkeit sein, besonders in Fällen der Achylia und herab- gesetzter Verdauungstätigkeit. Es erhebt sich aber die Frage: wie würde der Mensch auf ß-i reagieren ? Fälle, wo dieser Körper appliziert wurde, sind bekannt. Um die Uteruskontraktionen beim Gebären zu steigern, wurden 8 mg dieses Körpers eingeführt. Fast immer traten Rötung und Kopfschmerz auf, Beschleunigung des Herzschlages, Steif- heit der Finger und vorübergehendes fleckartiges Ekzem. Koch be- obachtete (ebenda Nr. 16 S. 565) bei Injektionen von Y,, höchstens 1 mg bei 70%, der Fälle Kopfweh, Herzschlagbeschleunigung, Trocken- heitsgefühl im Munde. Dem Assistenten des Instituts, Herrn W. Koskowski, von 72 ks Gewicht, Hörer der Medizin, habe ich auf seine dringenden Bitten (im Falle der Absage wollte er die Einführung von ß-i selbst vornehmen) am 26. Mai 1917 um 10 Uhr 45 Minuten früh subkutan am rechten Arm 0,4 mg ß-i in einer Lösung von 1:1000 unter Beachtung aller in diesem Fall angemessener Versuchsmaassregeln eingeführt. Diese wert- vollen Beobachtungen führe ich im folgenden an. An der Injektionsstelle ein starker Schmerz, der ca. 1’ dauert. ‚Nach 10’ leichtes Brennen im Magen, Druckgefühl in der Herzgegend. Nach 12’ starkes Brennen mit Unterbrechungen. Um 11h 02h Aufstossen. An der Infektionsstelle eine breite Rötung mit leichter Erhebung. Um 11h 10’ Aufstossen. Das Magenbrennen sinkt, Aufstossen und Druck- gefühl dauern an. Geschmacksgefühl nach Aufstossen nicht sauer. B-imidazolyläthylamin und die Organextrakte. II. 259 Um 11h 15’ leichte Übelkeit. Aufstossen dauert an. Leichtes Kopfweh in der Stirngegend. Abschwächung. Um 11h 20’ Aufstossen, Brennen, kein Druckgefühl. 250) 5 Kopfweh. Das allgemeine Befinden unangenehm. Rötung an der Injektionsstelle schwindet. Um 11h 40' Magenknurren, Kopfweh, Aufstossen. 115 50’ Dasselbe. „ 11555’ Trockenheitsgefühl im Kehliopr Schluckbeschwerden. „. 125 00’ s und der Mundhöhle. Beim Treppenaufsteigen Schwächegefühl in den Füssen. Um 12h 15’ starke Apathie. Seitens des Magens keine Erscheinungen. »„ 1500’ Kopfweh. Apathie. Schwergefühl des Kopfes. Trockenheit in der Mundhöhle. Von Zeit zu Zeit Aufstossen. Ermüdung. Um’ 1h 10’ leichte Übelkeit. Kopfweh ohne Unterbrechung. „ 15380’ guter Appetit. Schwierigkeit beim Essen bedingt durch Trockenheit der Mundhöhle und des Kehlkopfes. Aufstossen dauert an. Um 3h 50’ Kopfweh. Apathie. „ 2h30’ Das allgemeine Befinden gut. Trockenheit im Kehlkopfe dauert an. Alle diese Symptome finden ihre Erklärung im Austrocknen der Zellen, das durch die gesteigerte Magensaftsekretion bewirkt wurde. Diese Tatsachen erinnern, wie wir sehen, an Beobachtungen von Jaeger und Koch mit dem Unterschied, dass beide Forscher schon nach 1 Stunde 30 Minuten keine anormalen Erscheinungen bemerken konnten. Es muss vor Einführung von ß-i ins Blut oder blutenthaltende Organe gewarnt werden, wie dies Kehrer und Koch getan haben. Kehrer beobachtete gefährliche Erscheinungen, die an den anaphylaktischen Shock, entstanden durch Einführung von $-i in die blutende Gebär- mutter, erinnerten. Es scheint, dass der Mensch viel sensibler auf die Einführung von ß-i reagiert als der Hund, dieser wieder mehr als das Kaninchen. ” Zusammenfassung. Organextrakte subkutan eingeführt rufen ähnlich ß-i bloss reich- liche Magensaftsekretion hervor. Folgeerscheinungen anderer Art sind nicht zu beobachten. Säuren wie: Salz-Citron, Essig, Mono- und Dichloressigsäure schmälern nach Zugabe zu den Organextrakten die Wir- kung derselben, ausgenommen die Trichloressigsäure, die sie verstärkt. Höchstwahrscheinlich binden die einen von den Säuren den Wirkungskörper (vermutlich ß-i), der in den Organextrakten vor- handen, die anderen dagegen lassen ihn frei werden. Die Folgen der subkutanen Einführung von ß-i, wie Kopfschwindel, Apathie, hängen ab vom Austrocknen der Nervenzellen, bewirkt durch starke Magensaftsekretion. Zu ‚therapeutischen Zwecken darf ß-i intravenös nicht eingeführt werden, da dabei ein gefährlicher Kollaps auftreten kann. E72 Weitere Beiträge zur Kenntnis von organischen Nahrungsstoffen mit spezifischer Wirkung. Von Emil Abderhalden. (Aus dem physiologischen Institut der Universität Halle a. S.) In einer ausführlichen Mitteilung haben Schaumann und ich!) die Gründe dargelegt, aus denen hervorgeht, dass offenbar die Zahl der bisher unbekannten, unentbehrlichen Nahrungsstoffe eine grössere ist, als man zunächst anzunehmen geneigt war. Wir kamen zu dieser Annahme einerseits fussend auf den umfassenden Erfahrungen von H. Schaumann, Axel Holst und anderen Forschern, und endlich auf Grund der gemeinsam durchgeführten Untersuchungen. Eigene Beobachtungen aus neuerer Zeit führten zum gleichen Ergebnis). Von ganz besonderem Interesse ist die Frage, ob es möglich ist, den nutraminhaltigen Nahrungsmitteln die Nutramine durch Lösungsmittel zu entziehen, ohne dass man sie vorher‘ zerlegt und dabei eventuell gebundene Nutramine in Frei- heit setzt°). Ferner ist für die ganze Auffassung der Wirkung der Nutramine von grundlegender Bedeutung, zu entscheiden, ob die Forschung schon soweit vorgeschritten ist, dass sie die Nutramine restlos isolieren und mit ihrer Hilfe natraminfreie Nahrungsmittel zu vollwertigen gestalten kann. Dieses Problem ist in der erwähnten Arbeit von H. Schaumann und mir eingehend erörtert. Wir sind zu dem Schluss gekommen, dass unter allen Umständen die nutramin- haltigen Nahrungsmittel als solche den isolierten Produkten überlegen sind. Wir gewannen den Eindruck, dass offenbar nicht eine bestimmte Substanz imstande ist, ein nutraminfreies Nahrungsmittel vollwertig zu machen, sondern es müssen offenbar mehrere Stofte zusammenwirken. So konnten wir zeigen, dass die Hefe ein nutraminfreies Nahrunges- mittel vollwertig machen kann, während das nicht der Fall ist, wenn man ein alkoholisches Hefeextrakt an Stelle der Hefe anwendet. Es muss auch der Möglichkeit gedacht werden, dass ein oder auch mehrere 1) Pflüger’s Arch. Bd. 172 S. 1. 1918. Hier ist die einschlägige Literatur eingehend berücksichtigt. 2) Emil Abderhalden, Pflüger’s Arch. B. 175, 187. 1919. 3) H. Schaumann hat in dieser Richtung schon eine Reihe wichtiger Beobachtungen gemacht und gezeigt, dass man Reiskleie und Hefe mit Azeton, Alkohol und verdünnter Salzsäure die wirksamen Stoffe nur sehr schwer oder tiberhaupt nicht vollkommen entziehen kann. N Weitere Beiträge zur Kenntnis von organischen Nahrungsstoffen usw. 261 Nutramine sich aus Nahrungsmitteln vollständig herauslösen lassen, dagegen andere nicht. Auch in diesem Falle könnte ein Extrakt einer vollwertigen Wirkung entbehren, falls ein Zusammenspiel einer Reihe von Substanzen in bestimmtem Mengeverhältnis notwendig ist. In diesem Falle dürfte das nach dem Ausziehen verbleibende Substrat auch nicht vollwertig in seiner Wirkung sein. ’ In der erwähnten Arbeit sind weitere wichtige Beobachtungen gesammelt, um zu entscheiden, ob die Nutramine einer bestimmten Klasse von Verbindungen als Bausteine angehören. Wir dachten an die Nukleoproteide und an die Phosphatide. Es sei hervor- sehoben, dass auf diesem Gebiete H. Schaumann schon früher ausserordentlich wichtige Feststellungen gemacht hat!). Die ganze Forschung über Nutramine knüpft an die grundlegenden Arbeiten von Eijkman, Schaumann, Axel Holst und Kasimir Funk an. Während Eijkman die hochbedeutsame Entdeckung machte, dass man nach Verfütterung bestimmter Nahrungsmittel und im besonderen von Reis schwere Ernährungsstörungen hervorrufen kann, haben die übrigen der genannten Forscher das Schwergewicht der Forschung auf die Festlegung der Ursache dieser Erscheinung gelegt und die Frage in dem Sinne entschieden, dass unzweifelhaft in den Nahrungs- mitteln noch unbekannte lebenswichtige Nahrungsstoffe enthalten sind. ‚Spruchreif ist die ganze Frage erst in den letzten Jahren geworden ’?). Es blieod zunächst immer noch die Möglichkeit, dass die bekannten Erscheinungen, die bei Tieren und Menschen nach Verabreichung bestimmter Nahrungsmittel auftreten, sich durch Infektionen, Intoxi- kationen oder durch Fehlen von Bausteinen bekannter Nahrungsstoffe erklären lassen. Bei einer Fragestellung von so weittragender Be- deutung mussten alle Möglichkeiten sorgfältig geprüft werden. Das war der Sinn der von mir im Jahre 1912 begonnenen, gemeinsam mit Arno Ed. Lampe und Gottfried Ewald durchgeführten Ver- suche). \ Es unterliegt jetzt keinem Zweifel mehr, 'dass es eine Klasse von Nahrungsstoffen gibt, die in ganz eigener spezifischer Art am Stoffwechsel teilnehmen und Organ- funktionen beeinflussen. Diese Nutramine genannten Stoffe 1) H. Schaumann, Die Ätiologie der-Beri-beri II. Beiheft des Archivs für Schiffs- und Tropenhygiene. Bd. 18 S. 1. 1914. 2) Zahlreiche Arbeiten amerikanischer Forscher (Osborne, Mendel usw.), die leider noch nicht im Original zugänglich sind, haben das ganze Forschungsgebiet nach verschiedener Richtung erörtert (vgl. die Referate im Chem. Zentralbl. 1914—1919). 3) EmilAbderhalden und Arno Ed. Lampe, Zeitschr. f. die gesamte experimentelle Medizin Bd. 1 S. 296. 1913. — Emil Abderhalden und G. Ewald, ebenda Ba. 5 S. 1. 1916. 3623 Emil Abderhalden: sind bekanntlich zum Teil isoliert, jedoch ist es bis heute noch nicht geglückt, ein Nutramin in seiner Zusammensetzung vollständig klar- zulegen. Es liest das daran, dass sie nur in geringer Menge verkommen und ausserdem, zum Teil jedenfalls, ausserordentlich leicht veränder- lich sind. Ich konnte gemeinsam mit Ewald!) an Tierversuchen zeigen, dass geschliffener Reis plus einer wässerigen Lösung von durch Alkohol’ aus Hefezellen entzogenen Stoffen nicht imstande ist, das erwähnte Nahrungsmittel auf die Dauer zu einem vollwertigen zu machen. Das erwähnte Extrakt vermag wohl in ausgezeichneter Weise im Gefolge der Ernährung mit geschliffenem Reis eintretende Erkrankungen und speziell Krämpfe rasch zu beseitigen. Wird jedoch das Extrakt auch dauernd zugeführt, so zeigen sich nach einiger Zeit doch wieder Krämpfe, und die Tiere gehen schliesslich zugrunde. Es sind noch eine ganze Reihe von Versuchen in der gleichen Richtung ausgeführt worden. Das Ergebnis war immer das gleiche. Die Versuche waren, wie folgt, durchgeführt: Die Tauben erhielten geschlitfenen Reis. Sobald sich Krämpfe zeigten, wurde Hefeextrakt eingespritzt. Die Tiere erholten sich dann und erhielten nun weiter geschliffenen Reis. Entweder wurde nun jeden zweiten Tag das Hefe- extrakt intramuskulär in Mengen, die 0,001 & Stickstoff enthielten, eingespritzt, oder aber es wurde täglich der Nahrung zugefügt, und zwar in einer Dosis von 0,01 g Stickstoff. Nach mehr oder weniger langer Zeit erkrankten die Tiere wieder und gingen schliesslich unter Krämpfen oder ohne solche zugrunde. Es zeigten sich dabei sehr grosse individuelle Unterschiede. Die meisten Tiere starben innerhalb von 3 Wochen nach dem Auftreten ‘der ersten Krämpfe. Die längste Lebensdauer betrug 5 Wochen nach Verabreichung der ersten Ein- spritzung von Hefeextrakt. Erwähnt sei noch, dass wir die Menge . des Hefeextraktes bei späteren Versuchen variiert haben. Es hat sich herausgestellt, dass grössere Dosen des Hefeextraktes eiftig wirken. Es gelang jedoch mit keiner Desis, die gegen Krämpfe wirksam war, die Wirkung der Hefe selbst zu ersetzen. Dagegen konnten wir Tauben mit geschliffenem Reis monatelang am Leben erhalten, wenn wir dem erwähnten Nahrungsmittel getrocknete Hefe zusetzten. Wir sind nun der Frage nachgegangen, ob es möglich ist, der Hefe die wirksamen Stoffe zu entziehen, ohne sie vorher zu spalten. Würde das gelingen, dann wäre die Möglichkeit geschaffen, auf einfache Weise die Nutramine von einer grossen Anzahl von Stoffen zu trennen. Es wäre ferner möglich, dass die verschiedenartigen Nutra- mine eine verschiedene Löslichkeit zeigen und bestimmte Lösungs- 1) 1. c. Weitere Beiträge zur Kenntnis von organischen Nahrungsstoffen usw. 263 mittel nur bestimmte Nutramine aufnehmen. Die Hoffnung auf ein Gelingen dieser Versuche war gering, weil schon durch die früheren Arbeiten und speziell durch die erwähnten Mitteilungen von H. Schau- mannunddiesem Forscher und mir gezeigt worden war, dass der beiweitem grösste Teil der Nutramine sich in Bindung in den Nahrungsmitteln vor- findet. Es war jedoch denkbar, dass von jedem Nutramin ein Teil in freiem Zustande zugegen ist. Man könnte dann durch Verarbeitung sehr grosser Mengen bestimmter Nutraminträger die einzelnen Nutramine anreichern. Ferner war die Möglichkeit gegeben, dass ein bestimmtes Nutramin oder mehrere hauptsächlich im freien Zustande vorhanden sind, während andere in der Hauptsache gebunden vorkommen. Die bisherige Erforschung der Zusammensetzung der Nutramine ist da- durch so ungeheuer erschwert, dass man genötigt ist, die Nahrungs- mittel durch Hydrolyse aufzuspalten. Man erhält dabei die Bausteine sämtlicher vorhandener zusammengesetzten Nahrungsstoffe und muss dann aus diesem grossen Gemisch versuchen, die erwähnten Stoffe abzutrennen. Dabei stösst man fortwährend auf Aminosäuren und auf Spaltprodukte aus Phosphatiden (Cholin) und auch aus Nuklein- säuren. Diese Beimengungen stören selbstverständlich die Reindar- stellung der Nutramine ganz ausserordentlich. Es hat schon Schau- mann darauf hingewiesen, dass der Phosphorsäuregehalt der Nahrungs- mittel als Wegweiser für die Beurteilung des Gehaltes von Nahrungs- mitteln an Nutraminen dienen kann. Unsere gemeinsame Arbeit hat gezeigt, dass die Phosphorsäure offenbar die Nutramine vor Zer- setzung schützt. Solange sie mit dieser verbunden sind, bleiben sie unverändert. Sobald man sie jedoch in Freiheit setzt, beginnt bei vielen die Verwandlung. Dabei entstehen offenbar Verbindungen, die sich im physiologischen Versuch als unwirksam erweisen. Die Versuchsanordnung war folgende: Wir trockneten frische Hefe durch Ausbreitung in kleinen Teilchen an der Luft. Die getrocknete Hefe wurde dann mit verschiedenen Lösungsmitteln ausgezogen. Zu den unten mitgeteilten Versuchen sind folgende Extrakte verwendet worden: 1. Die Trockenhefe wurde durch Auskochen mit der zehnfachen Menge absoluten Alkohols vollständig erschöpft. Das alkoholische Extrakt dampften wir unter vermindertem Druck zur Trockene ein. Der Rückstand wurde in Wasser gelöst. 1 cem der Lösung enthielt 0,00055 & Stickstoff. 2. Die Extraktion der getrockneten Hefe erfolgte unter Erwärmen auf dem Wasserbad mit der zehnfachen Menge Aceton. Die Aceton- lösung wurde gleichfalls unter vermindertem Druck zur Trockene verdampft und der Rückstand in Wasser gelöst. 1 cem der Lösung enthielt 0,00015 & Stickstoff. 2054 Emil Abderhalden: 3. Getrocknete Hefe wurde in der gleichen Weise wie zuver mit Aceton ausgezogen. Hierauf wurde die mit Aceton erschöpfte Hefe mit der zehnfachen Menge Alkohol am Rückflusskühler gekocht. Das alkoholische Extrakt dampften wir dann unter vermindertem Druck zur Trockene ein. Es sei dieser im Gegensatz zu dem oben unter 1 erwähnten als alkoholischer Auszug II bezeichnet. l cem dieser Lösung enthielt 0,00010 g Stickstoff. Mit dem nach dem Ausziehen verbleibenden Heferückstand haben wir Gärungsversuche mit Traubenzuckerlösung angestellt. Es zeigte sich, dass in allen Fällen eine lebhafte Kohlensäureentwicklung ein- setzte. Um zu prüfen, ob durch die verschiedenen Lösungsmittel der Hefe die Fähigkeit, mit geschliffenem Reis ein für lange Zeit vollwertiges Nahrungsmittel zu bilden, geraubt worden ist, haben wir Tauben zunächst solange mit geschliffenem Reis gefüttert, bis sie erkrankten. Wir warteten nun nicht in jedem Falle ab, bis schwere Krämpfe vor- handen waren, sondern wir griffen meistens schon ein, wenn das ganze Verhalten der Tiere zeigte, dass sie in ihrer Gesundheit gestört waren. Die beginnenden Erkrankungserscheinungen zeigen sich darin, dass die Tiere sich nicht mehr vom Boden des Käfigs erheben. Während sie zuvor die Stange als Aufenthaltsort benutzten, sitzen sie nun meistens mit aufgerichtetem Gefieder am Boden. Sind mehrere Tiere vorhanden, dann rücken sie dicht zusammen. Sie fliehen nieht mehr, wenn man sie anfassen will und fühlen sich namentlich kurz vor Aus- bruch der Krämpfe kühl an. Während der Krämpfe ist die Körper- temperatur immer erniedrigt. Über die bei den Messungen der Körper- temperatur gemachten Beobachtungen unterrichten die unten mit- geteilten Protokolle. Wir haben auch bei vier normal ernährten Tieren zur Kontrolle in demselben Raume die Temperatur mit bestimmt. - Wie die folgenden Versuche zeigen, ist durch die Extraktion die Hefe in ihrer Wirkung nicht beeinflusst. Sobald die Verfütterung von Hefepräparaten einsetzte, erholten sich die Tiere bald. Nach einiger Zeit verhielten sie sich genau so wie gesunde Tiere. Das Körper- gewicht verhielt sich verschieden. In den einen Fällen stieg es eine Weile an, um dann lange Zeit auf derselben Höhe zu bleiben. Dann begann es jedoch abzufallen. Es hängt dies ohne Zweifel damit zu- sammen, dass der Reis als solcher ohne Zweifel, besonders auch infolge seiner Eiweissarmut, kein auf die Dauer genügendes Nahrungsmittel ist. In anderen Fällen folste dem Hefezusatz kein wesentlicher An- stieg des Körpergewichtes. * Erwähnt sei, dass wir die Hefepräparate in der Weise verabreichten, dass wir sie mit aufgeweichtem Reis mischten und dann daraus Pillen formten. Die Einzelheiten ergeben sich aus den mitgeteilten Protokollen. = at nn nn un = Weitere Beiträge zur Kenntnis von organischen Nahrungsstoffen usw. 265 1. Versuche mit mit Alkohol extrahierter Hefe. Die Tauben erkrankten bei reiner Reisfütterung nach 21—33 Tagen. Es ist sehr interessant, dass bei ein und demselben Futter die Erschei- nungen der alimentären Dystrophie zu sehr verschiedenen Zeiten auf- treten. Das Tier, das am spätesten Störungen zeigte, war offenbar am meisten geschädist, denn es lebte bei Verabreichung der Hefe- pillen nur noch 25 Tage. Eine andere Taube, die nach 24 Tagen ein- seitiger Reisfütterung Krämpfe bekam, lebte bei Verabreichung der Pillen noch 35 Tage. Bei den drei anderen Tauben haben wir während 84 bzw. 86 bzw. S9 Tagen Hefepillen verabreicht, und zwar solche, die mit Alkohol ausgezogen waren. Bei Taube II waren die Pillen ausserdem noch mit Alkoholhefeextrakt versetzt worden. Die Tiere befanden sieh während dieser ganzen Zeit ganz gut. Nun verabreichten wir an Stelle der Hefepillen täglich alkoholisches Heteextrakt. Es traten auffallend früh Krämpfe auf, bei Taube I und II schon nach 4 Tagen und bei Taube III nach 6 Tagen. Wir haben uns davon über- zeugt, dass das Extrakt als solches die Krämpfe aufhebt und bei ge- sunden Tauben selbst nach wochenlanger Zuruhr keine solchen bedingt. Es hat den Anschein, als ob es während der Zufuhr der Hefepillen nicht zur Bildung eines Vorrates an Nutraminen im Organismus der Tauben kam. Der Ausfall der verschiedenen Nutramine macht sich deshalb offenbar so rasch geltend. Die Beobachtung, wonach beim Beginn der Versuche bei reiner Reisfütterung erst nach längerer Zeit Erscheinungen auftraten und vor allem immer später als bei unseren Versuchstauben, die lange Zeit nur geschliffenen Reis und Hefepillen erhalten hatten, ergibt die Möglichkeit, dass ein gewisser Vorrat an Nutraminen beim normal ernährten Organismus vorhanden ist. Frei- lich können die Verhältnisse auch viel komplizierter liegen. Es ist interessant, dass, nachdem die Zufuhr der Hefepillen ausgesetzt und mit der Zufuhr von Hefeextrakt begonnen worden war, eine nicht mehr zu beseitigende Störung zurückblieb. Da bei den übrigen Ver- suchen andere Erfahrungen gemacht worden sind, müssen weitere Beobachtungen entscheiden, ob hier eine Besonderheit oder nur ein Zufall vorliest. Wie die weiter unten mitgeteilten Versuche, bei denen in anderer Weise ausgezogene Hefe zur Verabreichung kam, zeigen, lebten die Tiere nach Wiederverabreichung von Hefepillen viel länger. Bei Versuch I wurden 27 Tage lang 5 Pillen Nr. 1 gegeben. Es traten dann Krämpfe auf. Das Tier erholte sich nicht mehr. Bei Ver- such II gaben wir 9 Tage lang Pillen. Die Krämpfe setzten wieder ein. Es gelang, wie das unten mitgeteilte Protokoll zeigt, das Tier nicht auf längere Zeit am Leben zu erhalten. Bei Tier Nr. 3 waren die Krämpfe überhaupt nicht mehr zu beseitigen. 266 Emil Abderhalden: Zu diesen Versuchen ist noch folgendes zu bemerken: Wir haben drei Versuche durchgeführt, bei denen geprüft werden sollte, wie lange die Tiere am Leben bleiben, wenn sie ausschliesslich geschliffenen Reis und Hefe erhalten, die vollständig mit absolutem Äthylalkohol er- schöpft ist. Aus äusseren Gründen konnte das Körpergewicht der Tiere nicht verfolgt werden. Es wurde nur die Lebensdauer fest- gestellt. Die drei Tauben lebten mit der erwähnten Nahrung 154, 185 und 208 Tage. Es ergibt sich aus diesen Feststellungen die inter- essante Tatsache, dass durch die kurze Unterbrechung in der Zufuhr der Hefepillen, wie sie bei den oben erwähnten Versuchen stattgefunden hat, ein offenbar mühsam aufrecht erhaltener Stoffwechsel tiefgehend gestört wurde. Nr. 1. Taube, graues Gefieder mit zwei braunen Streifen auf den Flügeln. Nach 21 Tagen einseitiger Reisfütterung treten Krämpfe auf. Ein- spritzung von 2 cem alkoholischem Hefeextrakt in wässeriger Lösung. Das Tier erhält 86 Tage lang täglich 5 Hefepillen Nr. 1, danach 4 Tage 0,001 g N täglich in Form von alkoholischem Hefeextrakt mit Reis. Am Ende dieser 4 Tage treten wieder Krämpfe ‚auf; intramuskuläre Injektion von 2,5 ccm alkoholischem Hefeextrakt in Wasser gelöst. 2 Tage darauf treten wieder Krämpfe auf; intramuskuläre Injektion von 2 cem alkoholischem Hefeextrakt in Wasser gelöst. Dann werden wieder 27 Tage lang täglich 5 Pillen Nr. 1 gegeben. Es treten Krämpfe auf; intramuskuläre Injektion von 2 ccm Methylalkohol-Hefeextrakt in Wasser gelöst. Am nächsten Tag ist das Tier tot. Vom 8. Februar 1919 ab nur mit geschliffenem Reis gefüttert. — Temperatur- Sg | messung E = Art der Fütterung Datum 5& a &0 5 a33| 88 | =, |Geschliff HE ERS = eschlift. . .r e 5 EN & Bes Hefepillen Hefeextrakt 10. Febr.')| 37,0° abends | 339.0 |Geschlift. 11 A 36,8° h Reis DL sszo| ; 13 ” 31,5 * ) Tat ” U 38,6 » 336,0 » 0% 40,0°| mitt. | — 2 URS 37,50 abends | 326,0 S 18. ” 38,9 2 ” TE ” 37,50 3350| . 1) Vom 10.—14. Februar zeigt das Tier grosse Fresslust, die aber dann abnimmt. Weitere Beiträge zur Kenntnis von organischen Nahırungsstoffen usw. 267 Temperatur-| 3 | messing Es Art der Fütterung Datum =: . SE sed (0) 1 2 3 5 Ei © H= - . Hefepillen Hefeextrakt 20. Febr. | 37,50 abends — IGeschliftf. | Ze). 38,0° = 811,0] Reis | Das N 37,8°| mitt. — 5 24. „ 1] 36,5° | abends | 303,0 u 232) 86,90 5 —_ 5 2020, 32)1188,0° n 293,0 R a7. ” 87,0 2 ” or e) | 23,‘ 2 5.1266,0 & 1. März’)| 37,3°| mitt. — k 5 Pillen Nr. 1 ” ” ” ” 3) 5 234,0 5 K | AN US 40,30 ; 291,0 = \ | DL 41,5° nachm. | 294,0 5 5 rer 41,0° morg. | 295,0 x H 7. ” 40,0 s b2) 304,0 b) ” 8. ” 39,8 ” n,; ” ” | 9. 6) IR ” Am: ” ” 10.27, 2,1 40,9° » 281,0 s h 3 A00N | vorm — % ® 1a 40,6 Y 288,0 nr = 132.0, 40,0° nachm. I — n a ann, 40,0% | mitt 291,0 2 „ 15 ” 2) 40,5 Y on Es" ” ” | 16 » ER nachm I ” ” 17. D) 39,0° N | ” ” 180, 40,8°| mitt. | 283,0 h 5 190%, 40,5% | nachm. | — x “ 20.8 40,5°ı mitt. | 293,0 5 5 AS 39,5° | nachm. | — % 5 DIN 39,8°| mitt. | 293,0 4 „ 28. » Zn ” an » ” DA en 39,80 | nachm. | 299,0 en n 1) Das Tier sitzt zusammengeduckt und mit gesträubtem Gefieder auf dem Boden des Käfigs. 2) Das Tier sitzt wieder zeitweise auf der Stange. 3) Das Tier schmiegt sich dicht an andere an. 4) Das Tier zeigt ein eigentümliches Zittern und ist sehr matt. Abends 65 30’ treten die charakteristischen Krämpfe auf, der Kopf ist hintüber- geschlagen. Nach dem Einspritzen von 2 ccm alkoholischem Hefeextrakt, in Wasser gelöst, erholt sich das Tier rasch wieder. 5) Das Tier spaziert wieder im Käfig umher und macht auch beim Greifen Fluchtversuche. — Herstellung der Pillen: 2g der mit Alkohol extrahierten Hefe wurden mit 2 g Reis, der in Wasser weich gekocht war, gemischt und daraus 55 Pillen geformt. 6) Die Taube macht wieder einen gesunden Eindruck. 7) Das Tier sitzt mit gesträubtem Gefieder im Käfig, es wird alter blutiger Stuhl darin vorgefunden. 8) Das Tier ist wieder lebhafter, es spaziert im Käfig umher. 9) Das Tier macht wieder einen gesunden Eindruck. 368 Emil Abderhalden: —» Temperatur- 3 s nOermies es Art der Fütterung Datum =: en a 5 sE3| 83 | 8 IGeschlitt 5 2 5 Bin & .g R en “ Hefepillen Hefeextrakt 25. März | 40,7° mitt. — 1[Geschliff. 5 Pillen Nr. 1 2640 2, 40,0° a, 292,0 Reis 5; | DIR, 40,5° | nachm. | — h 5 | DS DE 41,2° 5 801,0 5 5 ag: 40,9° | mitt — S R ln — vorm, —_ ; & lern 41,0° | nachm. | 299,0 # h; 1. April | 39,0°| abends | — 4 | 2 2. P) 39,8 g mitt. 296,0 ” ” b2 ” 39,8 2 ” FB ” ” A 39,9° | abends | — i S DE 40,29 mitt. | 294,0 " x 6. ” ER ” BT: ” ” VERBEN 39,30 | N 296,0 e; a 8. ” 40,0 i )) FE )) 5) IR 40,3° nachm. | 302,0 x a 10.7, 40,8°| mitt — 5 x sl 08, 42,0°| mors. | 299,0 5 ® Van 40,6° mitt — . n 13. $)) STEHE ” SE ” ” 1 40,8° | nachm. | 301,0 8 N 41,0°| abends — 5 5 16% 40,8° nachm. | 297,0 n r er 59,80 | morg —_ | „ " 18. ” 40,6 g ” GE ” ” IN, 40,19 en 288,0 5 a DD. „ 39,2 ® ” en ” $}) 2 0 39,09 mitt u 2 BON 39,7° | nachm. | 304,0 H | h 22. ” 41,3° | ” n ” 24 SG ” 39,1 9 ” ” P) 1 Be 41,0° 5 296,0 n B | PEN, 39,5% | morg R ; | DIR, — | mitt, 5 ; 23. 40,30 | abends — ; L 29 ) 40,0° | ” ae ” ” 30 ” 40,2 3 | » 294,0 » ” 1. 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Mai 40,0°| mitt — [Geschliff. 5 Pillen Nr. 1 INN a 40,3 N Reis S | 18. b) ae » Ye ” ) 197er, 39,0° | abends | 293,0 = | 4 | 20. » 39,8 x » ae ” | 3 | 21 ” 40,0 : » a b) | )) | Ba 40,4° | nachm. | 291,0 5 | ® 23. ” 40,0° 2 a8 » | ” | 2A. „ 40,0°| mitt. — x | s 2B 3 — mor — cn | 5 AD 39,5° | abends | 291,0 » | — 0,001 &Nin Form Den u; 40,0°| nachm. ı — # | — von alkohol. 28002 02.1089,80 N | = “ | — Hefeextrakt, ge- DI u morg. u n | E= mischt mit Reis Ele 2039:00 mitt. 1,261,0 3 | — | — Sa ,22)# 1.38;9° |. "morg. — E | — | —_ 1. Juni®) | 38,0° | nachm. | 250,0 h | — | 22775), 1880°% | more. 241,0 a 19 Pillen Nr. -1| 3 b3) ) 87,70 ” u ” | ” | 4. „ &139,0%°| nachm. | 259,0 3 | 3 | Da 19,00 | - mitt, — n | „ 6. „ °)1885°| nachm. | 262,0 3 | & ae 39,0° | more. — a 5 Sant 38,9°| mitt. | 260,0 ; e g E 39,0° | morg. _ ; 10. ,„ 3) ]|89870| abends | — ; 5 TEN 38,9° | nachm. | 259,0 4 5) 12. ”. 38,80 ” IR ” „ | Karenz 39,8° ; 249,0 5 | > 14.773, 89,0% | mitt — n 5 15. ” ne morg. I ” | „ 1) Das Tier zeigt morgens die charakteristischen Krämpfe, nachdem es die Tage vorher noch einen völlig gesunden Eindruck machte. Es erhält intramuskulär 2,5 ccm alkoholischen Hefeextrakt in Wasser gelöst und er- holt sich nur langsam wieder. 2) Das Tier hat sich erholt, verhält sich aber noch sehr ruhig. 3) Im Laufe des Tages treten wieder Krämpfe ein. Das Tier erhält nachmittags 3b intramuskulär 2 ccm alkoholischen Hefeextrakt in Wasser gelöst. Nachdem die Krämpfe noch eine Stunde angehalten haben, erholt es sich nur sehr langsam. 4) Die Taube sitzt still mit eingezogenem Kopf und gesträubtem Ge- fieder im Käfig, zittert häufig, ist apathisch und rührt sich nicht bei An- näherung. Zeitweise treten noch Krämpfe auf. 5) Die Symptome sind noch dieselben, ausserdem treten Zuckungen in den Beinen auf. 6) Das Tier erholt sich langsam, die Zuckungen haben aufgehört, zeit- weise ist es noch unsicher auf den Füssen. 7) Das Tier erholt sich weiter. 8) Das Tier sitzt wieder auf der Stange. 270 Emil Abderhalden: } > Temperatur-| S_ miessung 3: Art der Fütterung Datum 35 a 05 ee 2 len "| 8 S 58 Geschliff‘ Hofepillen | Hefeextrakt 16. Juni 39,5°| nachm. | — IGeschliff.|5 Pillen Nr. 1 ar. %, 39,70 5 254,0] Reis. " 18. ” 40,0 Y n ER o) ” 19. „ 39,90 » 257,0 n „ 20. ) 40,0° mors. EN, hr » DS N 40,0°| mitt. [256,0] - „ Hi 22. 2 air morS AIR " ) 23.0, 39,8°| mitt — i “ DAN 39,9° | nachm. | 251,0 ; 5 25. » 38,9 } ” ir. ” ” 207 18 39,8° & —_ n 5 M. 5 39,8% n 250,0 „ » 2a, 39,0°| mitt. — u e; 30. „.1)1]398° | nachm. | — 5 — Nr. 2. Taube mit weissem Gefieder. Nach 25 Tagen einseitiger Reisfütterung treten Krämpfe auf. Ein- spritzung von 1 cem alkoholischem Hefeextrakt in Wasser gelöst. 20 Tage lang werden täglich 5 Hefepillen Nr. 1 gegeben, danach 6 Tage lang 5 Pillen Nr. 1, die in mit Wasser gelösten alkoholischen Hefe- extrakt getaucht sind. Dieselben Pillen werden weitere 89 Tage lang mit einer täglichen Zugabe von 0,1 g getrockneter Hefe gegeben. Darauf erhält das Tier 4 Tage lang täglich 0,001 g N in Form von alkoholischem Hefeextrakt mit Reis. Es setzen Krämpfe ein; intra- muskuläre Injektion von 1 cem alkoholischem Hefeextrakt in Wasser gelöst. Am 2. Tage darauf wiederholen sich die Krämpfe; intramuskuläre Injektion von 2,5 ccm alkoholischem Hefeextrakt in Wasser gelöst. Danach erhält das Tier 9 Tage lang täglich 5 Pillen Nr. 1 mit Wasser, nachdem diese in aufgelösten alkoholischen Hefeextrakt getaucht worden sind, und ferner 0,1 g getrocknete Hefe. Die Krämpfe setzen wieder ein; intramuskuläre Injektion von 3 ccm alkoholischen Hefe- extraktes in Wasser gelöst und zweimalige Gabe von 0,2 g getrock- neter Hefe. Vom nächsten Tage ab werden täglich 7 Tage lang 5 Pillen Nr. I, die zuvor in mit Wasser gelösten alkoholischen Hefe- extrakt getaucht worden sind, und 0,1 & getrocknete Hefe gegeben; am Tage darauf wird das Tier tot vorgefunden. 1) Das Tier ist dicht vor dem Krampfstadium und bekommt intra- muskulär 2 ccm methylalkoholischen Hefeextrakt in Wasser gelöst. Am 1. Juli morgens ist das Tier tot. Me Weitere Beiträge zur Kenntnis von organischen Nahrungsstoffen usw. 27] Vom 4. Januar 1919 ab nur mit geschliffenem Reis gefüttert. Fo} Temperatur-| $ mueSssuns Ba Art der Fütterung © Datum 23 Ah 2 g 833 58 | &, (Geschlitt ; m Ä & S 3 .E ee A z “ Hefepillen Hefeextrakt 4. Jan.!) 261,5 IGeschliff. SR, 2645| Reis 1. ) ST 7) au 259,5 5 9. ” DR » EN, | 254,5 4 Br, 2530| %, 14. ” SEE ” Ts 253,0 ? 16. ” TER ” ae 245,0 n 18. ”, FEB ” a 243,0 2 21. ” 2) 25% ) Bo 236,0 & 23. ” SE ” EE 238.0 i 25. ” RE ” 31 2300. 7, 28. P)) 2) pr ” 29. 5) 5) 226,0 ” a0 >] = " 15 Pillen Nr. 1 SI oe) 233,0 s 5 | 1. Febr.') _ 5 r 2. ” 216,0 ” ” 0 2320|. , ; 4. ” 0 ” ” ) 224,0 ) » 6. ” 2) 2 ” )) 1) Das Tier ist besonders scheu. 2) Das Tier sitzt zeitweise mit eingezogenem Kopf und gesträubtem Ge- fieder auf der Stange des Käfigs. Die gleiche Beobachtung wird auch weiterhin gemacht. 3) Das Tier zeigt die charakteristischen Krämpfe, Kopf hintenüber- geschlagen. Es erhält abends” t intramuskulär lcem alkoholischen Hefeextrakt in H,O gelöst. Es setzt sofort Besserung ein, nach etwa einer halben Stunde sind die Symptome stark gemildert. 4) Das Tier hat sich erholt, verlässt jedoch den Boden des Käfigs noch nicht. 5) Nachmittags 4h ist das Tier ziemlich matt. — Herstellung der Hefe- pillen: 2 &g mit Alkohol extrahierter Hefe wurden mit 2 g Reis, nachdem er in Wasser weich gekocht war, gemischt und daraus 55 Pillen geformt. 6) Die Taube ist wieder lebhafter und macht Fluchtversuche. 7) Das Tier erholt sich weiter. 8) Das Tier erholt sich zusehends. 9) Die Taube verlässt wieder den Boden des Käfigs, die Fresslust ist sehr gering. : 10) Das Tier macht wieder einen ganz gesunden Eindruck. 372 Emil Abderhalden: 25) Temperatur-| <@ ’ messung . Art der Fütterung e-| n &0 = Datum ! E ; & ü 5 = = Temperatur- Sg asus Es Art der Fütterung Dat = 8 5 atum BE Se So de ©) m) s a EN Si le Hefepillen Hefeextrakt a 40,2° | nachm. | — Reis die in mit H2O0 AS, 41,2° en 0 4 gelöstem alkoh. AI, 40,89 mittags h Hefeextrakt ge- al: — | vormitt. F taucht sind, lan \ 41,0° | nachm. 257, 0 is + 0,1 g getrock- . April [38,50 | abends 2 F nete Hefe ‚0 ” 1 DR 38,0° | mittags Se 39,80 Au, 40,0° abends Br 40,8% | mittags 6. 7 8 6) 253,0 $ 251, ) N ” ” ” 39,0° ” “ 39,80 ES 41,0° nachm. 10:92, 40,2° | mittags UN, 40,0° | morgens 26. März |39,7° | mittags | 248,0 [Geschliff. 5 Pillen Nr. 1, Dar, 40,0° mittags 13. b3) STE bi) | br) ee, 49,0% nachm. [2550| \ Be 40,5° | abends " 5 Io , 39,2% | nachm. 953, 0 5 | e | Algen WE 39,20 Fe — L R | SS, 38,0° 5 R IE, 40,0° 948 R ei SSR 38,09 —_ n x 21. 38,5 mittags - 4 A 22. „» .18393° | nachm. | 250,0 5 s >. » 41,0° ” NE ” ) 24. ” 40,49 2) a ” ) 25. E2) 40,3 ! » 258,0 ” ” 26. » 40,0° |morgens| — ® x DUN es — [mittags | — 3 5 BEN 'y 40,0°| abends | — H 5 29. ” 40,8° ” TER ” b) SUN, 39,50 x 249,0 “ H 1. Mai — morgens| — = “ | 2 ” 39,2 Y ” |: „ „ | Se 39,0° | mittags | 244,0 5 en Inst, — |morgens| — „ 5 DE) 39,8% | abends | — 4 5 | 6. » 39,90 » 247,0 ” „ | Lee, 39,3% | mittags | — 5 K | 8.10, 40,7° | nachm. | — in “ 9. ” 39,0 Y ” 250,0 ” ) 10% 39,9% | mittags | — 5 h UL. 0, — |morgens| — N 5 12.2.7. 40,99 | mittags | 244,0 5 = | 13 ” 40,2 hi ” 72 ” „ | ee ” 41,0 9 ” VER, ” ” | HS. 40,30 hs 248,0 ss hi | 16. » 40,5 6) ur ” | ” | Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd. 173. 1S 274 Emil Abderhalden: : > Temperatur- S s miesisums Es Art der Fütterung Datum en) a | 05 : = = 2 & 2 = @ iff ; ; BE | 8 | 38 schiff.“ Hofepillen | Hefeextrakt ru & 17. Mai 39,0° | mittags | — |Geschliff. 5 Pillen Nr. 1, Ha, _ “ _ Reis |die in mit H2O 199, 41,0% | abends | 261,0 N gelöst. alkohol. AU SRR 40,5° a — e Hefeextrakt ge- PER 40,8° 4 = S taucht sind, DD 41,2°| nachm. | 255,0 = +0,1ggetrock- Dan: 40,5 hi; — “ nete Hefe 24. „ 40,7° | mittags | — R y 2 — |morgens| — “ DONE, 40,0° | nachm. | 246,0 a3 — 0,001&N in Form DNB en 39,8° R — = — von alkoholisch. Sa 40,0° x _ » — Hefeextrakt mit DIR, — |morgens| — s — Reis gemischt 30. „ 1) 139,8° | mittags | 229,0 4 _— — 3l. „ >) [390° | morgens| — & — _ Fun — = —_ —_ 2. „ * 1388° | morgens| 218,0 e 5 Pillen Nr.], Be 38,0° n —_ n die in mit H2O A. 39,2° | nachm. | 228,0 n gelöst. alkohol. DE: -1 39,0° | mittags | — E Hefeextrakt ge- 6: 38,0°| nachm. | 229,0 ss taucht sind, Mens 38,8% | morgens| — R + 0,1ggetrock- Sa 39,0° | mittags | 225,0 n nete Hefe DE N 39,5° morgens| — * Mi 102 38,0°| abends | — a: 5 11. „ >) | 35,6% | morgens| — a % LU, 39,0° nachm. | 212,0 n 5 12. „ 9) | 39,9% | mittags | — N 5 13. „ °) | 40,0°| nachm. | 2040| „ e 14. ,„ 8) [| 39,0° | mittags | — = e 1) Das Tier zeigt morgens die charakteristischen Krämpfe, machte die Tage vorher jedoch noch einen ganz gesunden Eindruck. Es erhält intra- muskulär 1 ccm alkoholischen Hefeextrakt in H,O gelöst und erholt sich rasch wieder. 2) Das Tier hat sich ganz erholt und läuft wieder im Käfig umher. 3) Nachmittags 3h treten wieder Krämpfe auf, das Tier erhält 2,5 ccm. alkoholischen Hefeextrakt in H,O gelöst intramuskulär; es erholt sich in 1!/’„—2 Stunden wieder. 4) Das Tier läuft wieder im Käfig umher, torkelt aber noch zeitweise; es flieht bei Annäherung. 5) Das Tier wird morgens in Krämpfen vorgefunden, erhält intramuskulär 3 cem alkoholischen Hefeauszug in H,O gelöst + 0,2 3 getrocknete Hefe; es erholt sich nach 2 Stunden etwas, abends erhält es nochmals 0,2 g Hefe. 6) Das Tier erholt sich weiter, sitzt still im Käfig, gegen Mittag läuft es im Käfis umher und dreht sich zeitweise krampfhaft im Kreise. 7) Das Drehen tritt zeitweise in verstärktem Maasse wieder auf. Das Gefieder ist gesträubt, der Kopf eingezogen. 8) Das Drehen im Kreise hat aufgehört. a ne 21a Weitere Beiträge zur Kenntnis von organischen Nahrungsstoffen usw. 275 Tann eu 2= messung E = Art der Fütterung {eb} i Datum | 48 & | Sy 22| 98 | & IGeschlifi [eB} = 35 as Es R a Hefepillen Hefeextrakt 15. Juni — | morgens| 190,0 [Geschliff.|5 Pillen Nr. 1, Io. 38,7°| nachm. | — Reis |die in mit H2O las, 31,3° En 173,0 en gelöst.alkohol. Ton, 39,00 h 149,0 “ Hefeextrakt ge- I le — — — taucht sind, +0,1g getrock- nete Hefe Nr. 3. Taube mit schwarzweissem Gefieder. Nach 24 Tagen einseitiger Reisfütterung treten Krämpfe auf. Das Tier erhält 84 Tage lang täglich 6 Hetepillen Nr. 1, dann 5 Tage lang täglich 0,001 & N in Form von alkoholischem Hefeextrakt mit Reis gemischt. 2 Tage wird ausgesetzt. Es treten Krämpfe auf, die, nach- dem 6 Pillen Nr. 1 gegeben werden, nicht nachlassen. Das Tier stirbt. Vom 8. Februar 1919 ab nur mit geschliffenem Reis gefüttert. > Temperatur-| 5 = a A E = Art der Fütterung D = 5 an= atum =: 8. | E {e) . . = 5 > Hefepillen Hefeextrakt 10. Febr.2)| 36,0° | abends | 484,0 |Geschlitt. dl °,5 36,5° N Reis BN. 37,30 G 500,0 S 13. ” 37,0 2 ” ER, ” ie 37,70 lol na 37.50 | mittags | — N IR 37,0° | abends | 490,0 x 18. ” 86,9 ' ” ve ” BB, 37,50 a 20. 2) 31,8 2 b3) vu » a. 38,00 ; 448,0 : 2a, 37,5% | mittags | — RN 2, 39,0° | abends | 448,0 = 29. ” 38,0 . ” Sn ” CR 38.00.1022 4osloih a. ” 38,9 ” m ” I 37,50 a 409,0 1) Das Tier wird morgens tot vorgefunden. Die Sektion ergab: Ver- änderung des rechten Brustmuskels — Degenerätion und Braunfärbung, ausserdem sehr starke Abmagerung. 2) Vom 10.—14. Februar zeigt das Tier grosse Fresslust, die aber dann abnimmt. 132 276 Emil Abderhalden: 5 > Temperatur-| 5 s | engl es Art der Fütterung Datum 25 ir an S FE 2 &S 2 Geschlif B n € le | eh. Hefepillen | Hefeextrakt a EB HL SSR ER 3 27 12) EREEERRID TE EN EUREN ERREREEE 1. März!) | 37,50 | mittags | — |Geschliff. Sa 2) 081.08, R 391,0] Reis |6 Pillen Nr. 1 A ach ‘ 363,0 2 | je DE 39,0° nachm. | 393,0 x 5 6 39,0° | mittags | — n = 1. ” *) 38,9 Y ” 398,0 ” ” 8. ” 38,0 3 ” De ” ” EN: — |morgens| — e e 108 38,0° | nachm. | 400,0 er | 5 DIN: 39,0° | mittags | — : r 12307, 39,89 | ei 391,0 ke 2 13. ” 33,0 } | ” ERR ) ” 14. $) 39,0 a » 389,0 ” 2) 15. ” 2) 39,5 r ” Kai ” ” 16..1%, — nachm. | — = Rn la, 7217238300 “ — 5; = Van 38,9% mittags | 368,0 a 2 18.) 38,0%) nachm — h a 20. 38,80 en 390,0 hr N Ale ae 39,09 e — n “ ee Y 39,0° | mittags | 335,0 e ei . ” ” ” ” 24. „ 98,9° | nachm. | 395,0 ee en 25. ” 39,0 S ” BIER ” ” 20, 39,6 5 403,0 a 5 a7. ” 39,8 N ” Zap ” | ” 28. ) 2) 39,9 x 6) 391,0 ” ” 29, 39,5° | mittags | — 5 5 SU — | vormitt.| — 2 5 al 37,9°| nachm. | 395,0 a h 1. April [36,0% | abends | — r 5 2 ” 38,0 R ” 369,0 ” ” Ba 88,3° | nachm. | — n = An, 38,8% | abends | -- N | 3 2 39,0° | mittags | 371,0 „ S ”„ e)) ” ” TE: 38,8 h 371,0 » y 8 ” 38,0 x ” Tas ” ) ” IE, 38,3° | nachm. | 367,0 5 y; 1) Das Tier sitzt mit eingezogenem Kopf und gesträubtem Gefieder auf dem Boden des Käfigs. Der Brustmuskel ist nur wenig geschwunden. 2) Abends treten die charakteristischen Krämpfe auf, der Kopf ist hint- übergeschlagen, das Tier erhält Hefepillen. — Herstellung der Pillen: 2 g mit Alkohol extrahierter Hefe wurden mit 2 g Reis, der in Wasser weich ge- kocht war, gemischt und 55 Pillen daraus geformt. 3) Das Tier hat sich rasch erholt und läuft im Käfig umher. 4) Das Tier zeigt Fresslust. 5) Die Taube macht wieder einen gesunden Eindruck. 6) Das Tier ist sehr ruhig und liegt zeitweise mit dem Bauch auf dem Käfigboden. ei Zn; ‚Weitere Beiträge zur Kenntnis von organischen Nahrungsstoffen usw. 277 1) Das Tier verhält sich weiter sehr ruhig. 2) Das Tier ist sehr matt und unsicher auf den Füssen, es torkelt beim Laufen. > Temperatur-| S messung =: Art der Fütterung {eb} Datum Sl 5 I Geschliff | : m. : ES S = RR an E “ Hefepillen Hefeextrakt 10. April | 39,2% | mittags | — | ee 6 Pillen Nr. 1 Il, 39,1° | morgens] 351,0 | Reis “ | ae. 39,8° | mittags * 3 19. MET morgens = „ „ AN, 39,5°, nachm. | 375,0 H ” 19%, ;, 40,0% | abends n # io 3139,02, nachm, 366, 0 R en | Ad, 39,0% | morgens a h 18. ” 39,0 ” ” ” ” 19... 39,0° * 358, 0 4 = 20. ” 38,8 2 BR) ” ” Darin 38,3° | mittags | es in DE 38,5% | nachm. 376, 0 H N 28. ” 39,49 ” ” ” 24%, 39,0%, abends “ & 29. n 39,9° ” an 0 ) n) 20. ., 39,20 |morgens » 5 | 27. — mittags | — R S BO 38,70°| abends | — S | 29. ” 39,0 ® ” BF ” ” 000.1 |scao|!., : 1. Mai — |morgens| — ir 5 2. n 39,3 ® » SE, » » u 39,0% | mittags | 350,0 = n 4. — |morgens| — = “N Da 38,5% | abends | —- = n O2) 36:9 . 342,0 di 5 7. „°) [370° | morgens| 316,0 hs | EU .2).188,0° ° — N h 80, 38,4% | nachm. | — N 3 9. ” 38,0 ® „ 318,0 ” ” 410. „ °) 1336° | mittags | — = - UN. — | morgens| — e 5 123 ©, 39,2° | mittags | 334,0 u a 13. ) 38,00 ” Er » ) 14. ” 88,5 R ” EM ” „ I 9,80), 22 sol ; 16. ” 38,40 ” I 2) bi) 17. ” 38,9 2 ” HER ” ” 182, — — 3) Das Tier sitzt in eine Ecke geduckt im Käfig, es wird starkes Herz- klopfen festgestellt. Mittags erhält es intramuskulär 2 ccm alkoholischen Hefeextrakt in Wasser gelöst. Besserung tritt sehr langsam ein. 4) Das Tier verhält sich sehr ruhig, es ist noch unsicher auf den Füssen, auch frisst es seit dem 6. Mai nichts. 5) Das Tier hat sich erholt und läuft zeitweise wieder im Käfig umher. 6) Das Tier ist matt und verlässt den Boden des Käfigs nicht. Emil Abderhalden: Temperatur-| $ x messung B5 ‚Art der Fütterung Datum a5 In 5 | : 5 ; I s z ei 3 iz u ‘; Hefepillen | Hefeextrakt | 19. Mai 38,0° abends | 346,0 |Geschliff.| 6 Pillen Nr. 1 20°, 38,0 ° 4 — ' Reis: k | 21. ” 38,9 ” Be, » ” 22. „ 2) | 382° | nachm. | 348,0 5 = 28. ” 38,9 2 ” ” ) 24. „ 39,0% | mittags | — % A 28. — |morgens a e 26.20 38,5% | nachm. | 350,0 “ n 0.0018 Nin Form Au 38 8° = 2 _ von alkoh. Hefe- BEN 39,09% “ —_ 5 — extrakt mit Reis 29. — | morgens u —_ gemischt 30.22, 38,50 | mittags | 316,0 x 2 is 3l. 38,5% morgens] — 5 — - 2. Juni?) | 35,0° | nachm. | 307,0 a 6 Pillen Nr. 1 u 3...) | — |morgens| 288,0 - — —_ Nr. 4 Taube, Gefieder grauweiss gesprenkelt. Nach 24 Tagen einseitiger Reisfütterung treten Krämpfe auf; intra- muskuläre Injektion ven 0,2 ccm alkoholischem Hefeextrakt in wässe- ‚riger Lösung. 35 Tage lang werden täglich 5 Ilsiepillen Nr. 1 gegeben. Das Tier stirbt. Vom 8. Februar 1919 ab nur mit geschliffenem Reis gefüttert. Temperatur- Ss messung Es Art der Fütterung ==! 1 {el} S SS50 a: | S Sn [8.8 elle Hefepillen Hefeextrakt a8 = els 10. Febr.*)| 36,0°| abends | 323,0 |Geschliff. | ae 36,70 a Reis | 12. ” 37,0° ” 320,0 ” | 13. „ 38,0° P)) TUR ” 14. " 38,09 „ 310,0 ” MR... 39,0° | mittags | — 1) Eine Besserung tritt nicht ein. _ 2) Seit Mittag treten wieder Krämpfe auf, die bis zum Abend anhalten. Das Tier bekommt wieder Hefepillen. Die Krämpfe lassen nicht nach, das Tier atmet schnell mit offenem Schnabel. gestellt. 3) Am Morgen wird das Tier tot vorgefunden. 4) Vom 10.—14. Februar zeigt das Tier grosse Fresslust, die aber dann abnimmt. Starkes Herzklopfen wird fest- Weitere Beiträge zur Kenntnis von organischen Nahrungsstoffen usw. 279 » Temperatur- S R messung = S Art der Fütterung um ZIE ) 05 Dat 3: Bu TE u N ß = 5 i = & = ek. ' Hefepillen Hefeextrakt 17. Febr. | 37,0° abends | 294,0 |Geschliff. SR 33,30 R = za Reis DO: 38,0° R 285,0 = 20. » 38,0 2 » Zur, BL) Al: 38,20 x 276,0 5 Ban 37,9° | mittags | — 4 24. „ 1) 37,20°\ abends | 261,0 5 28. » 36,9° » ER ” abe 02)138.09 256,0 5 27. ei) 31,2 2 0) er ” ! BO 37,09 x 254,0 = 1. März |37,5° | mittags | — s Ba 5) 36,09 3, ‚242,0 s 4. „ #1] 385° |morgens| 238,0 a 5 Pillen Nr. 1 DIR AR.,, 385° nachm. | 240,0 A | H 6. ” 38,3 | mittags ER] ) ” L ” 38,9 x | b)] 235,0 $}) br] 8. ” 39,5 . | ” =? 6) ) Yen — |morgens]| — S ; IDSE 7, 39,0° nachm. | 239,0 n ” 117%, 39,2° mittags | — . R 2, 39,80 | R 224,0 N S 13. ” 39,0 2 ” En ” » lee » 39,5 x ” 214,0 ei) » 15 ” 39,8 ° ” 57 ” ” DAZU — | nachm. | — 3 3 17. ” 39,0 N » =; ) o) 18. ,„ .1| 39,0% | mittags | 220,0 = le 39,5°| nachm. | — B x | Ale 39,80 S 226,0 = | 3 21. ” 33,0 2 ” EN 5 ” 22. " 39,5% | mittags | 218,0 4 | “ en ” Ere: ” SER 5 ” DR 39,0° | nachm. | 217,0 $ ; 28. ” 33,0 x ” EI ” ” 26. , 38,50 y 215,0 Sen n | Ds; 39,0° n —_ a N 28. 40,39 a 207,0 Re | 5 2JE 40,5° | mittags | — x r al — | vormitt.| — ® 5 1) Das Tier sitzt zusammengeduckt mit gesträubtem Gefieder auf dem Boden des Käfigs. 2) Das Tier schmiegt sich zeitweise dicht an andere an. 3) Das Tier zeigt morgens die charakteristischen Krämpfe, erholt sich aber bald wieder nach dem Einspritzen von 0,2 ccm alkoholischem Hefe- extrakt in wässriger Lösung. 4) Das Tier ist wieder lebhafter und spaziert zeitweise im Käfig umher. — Herstellung der Pillen: 2 g mit Alkohol extrahierter Hefe wurden mit 2g Reis, der in Wasser weich gekocht war, gemischt und daraus 55 Pillen geformt. 280 Emil Abderhalden: > Temperatur-| $ DEREN NE Es Art der Fütterung mE- 8 Datum 3 2 = E “ Oo {eb} . Ms Bi S.- ne Hefepillen Hefeextrakt n om Se 31. Mär 39,2° nachm. | 211,0 |Geschliff.| 5 Pillen Nr. 1 1. April | 38,2°| abends Reis 2. ” 39,0 ® ” 212,0 ” ” Se 40,0° | nachm. | — 5 E | ZA Re 39,5% | abends | — R 5 De 40,0° | mittags | 204,0 5 ei 6. » 1) 31,8 x | ” SEHR ” ” 7. „.391352° | morgens| 179,0 k; rn Nr. 5. Taube, hell- und dunkelgraues Gefieder mit brauner Brust. Nach 33 Tagen einseitiger Reisfütterung macht das Tier einen kranken Eindruck. 25 Tage lang werden täglich 5 Hetepilien Nr. 1 gegeben. Das Tier erholt sich nicht mehr und stirbt. Vom 4. Juni 1919 ab nur mit seschliffenem Reis gefüttert. Temperatur-| = = | | rein Es Art der Fütterung Datum ri 5 05 | 3:| 98 | SS IGeschtirs HEgz S nd eschliiT. . ch Sa or Bes Hefepillen Hefeextrakt Juni 39,0°| nachm. | 411,0 |Geschliff. | n 39,5° | mittags | — Reis | R 40,0° nachm. | 382,0 | 2 41,0° |morgens| — . 40,8% | mittags | 371,0 | „ 40,5° | morgens| — | h 41,0% | abends | — a 41,0° | nachm. | 355,0 S 40,5° mittags | — c 40,0° | nachm. | — | 2 » 39,8° » 231,0 | ” 39,2 Y | ” ER ” ” 39,09 | ” 283,0 )) 8 89,0° | vormitt.| — r | DLNEn, 89,0% | mittags | 277,0 5 | ar 39,10 | | » 1380% | nachm. ] 284,0 | 1) Das Tier ist heute sehr matt und schwach auf den Füssen, es sucht sofort nach einem Stützpunkt, sobald es frei in den Käfig gestellt wird. 2) Das Tier sitzt still und zusammengeduckt im Käfig, es macht beim Greifen keine Fluchtversuche mehr. Die Taube verendet nachmittags. Das Tier ist sehr abgemagert und der Brustmuskel stark geschwunden. ” Weitere Beiträge zur Kenntnis von organischen Nahrungsstoffen usw. 281 > Temperatur-| S R mesalıs Es Art der Fütterung Datum = = m BE {7} 5) —— ae s En ® = a |Geschliff. : = | 6 _ = Be Hefepillen Hefeextrakt l 25. Juni |38,0°| nachm. | — |Geschliff. | DB 38,3 hs 273,0] Reis | | 2. » 38,0 2 | ” we ” | Ber We 38,0° | mittags | 263,0 e SR 39,2° | nachm. | 260,0 > | 1. Juli 38,90 h — 5 | De 39,0° | mittags | 245,0 E Ss 38,0°| nachm. | — a 4. „ 37,2° | mittags | 237,0 n DANN, 38,2% |morgens| — 5 Ba 39,1° | mittags | — n 00% nachm. | 2290 . 5 Pillen Nr. 1 8 ” 40,1 I ” FE on n | I, 39,8% | mittags | 218,0 ar n 10. ” ?) 39,0 $ 2 DR ” Ds 11. ” SR ” 216,0 ” | D) | 12. ” 40,0° EI BR ” | ” | 13. » ) Bag“ ” ER ” ” 2 ee laso|;, ; 15. ” BE ” FR 5) ” | 16. b) 2) 37,0° ” 219,5 » ” | Iely, — | nachm. | — ., ; | 18. » 88,0 2 ” ER 5) | » I 38,90 | mittags | 220,0 & | 5 ala — |vormitt.| — * e | Alan cn 38,30 | nachm. | 222,0 5 s 22 » 38,6 r ” BEN ” ” | Dan, 39,90 5 214,0 n 5 24 ) 39,0 2 ” SEE e) ” | 28. ” 38,8 ° ” 217,0 ” ” | 2020, 39,0% | mittags | — n | r | BI, — |morgens| 215,0 h; | B | 2& ,„ >)]| 290° (abends | — a h 29. ” 38,0 " ” 217,0 ” | ” 0. ” 38,5 2 ” PR ” | r 31. „ ©) [38,8% | morgens| 211,0 R | 1. August| tot . — en % | 1) Das Tier ist sehr matt. Herstellung der Pillen: 2 & der mit Alkohol extrahierten Hefe wurden mit 2 5 weichgekochtem Reis gemischt und daraus 55 Pillen geformt. 2) Das Tier frisst nicht und sitzt zusammengeduckt am Boden. 3) Das Tier zeigt noch immer keine Fresslust und ist sehr schwach. 4) Das Tier macht noch immer einen kranken Eindruck und hockt auf dem Boden des Käfigs. 5) Die Schleimhäute zeigen eine besonders blasse Farbe. 6) Das Tier ist sehr matt und stirbt. 2389 Emil Abderhalden: \ Nr. 6. Taube, schwarzes Gefieder mit zwei grauen Streifen auf den Flügeln. Vom 8. Februar 1919 ab nur mit geschliffenem Reis gefüttert. 25) Temperatur- 3 s mess = Art der Fütterung Datum a in an S 33 en 3 _ G hlife N) EM —. es 55 Reis Hefepillen | Hefeextrakt 10. Febr. | 37,2% | abends |.368,0 |Geschliff. IN ee 37,0° L — Reis DEE 36,5 5 397,0 s 13 ) 31,8 9 » RER ” TIAEN, 38,9 „ 394,0 m io, 40,0° | mittags | — s Ve 36,8% | abends | 336,0 N | IS 38,0° 5 — = I 36,0° | ; 330,0] - „ 20 ” 37,0 Y ” ER, „ a, 36,5 h 313,0 Es 22. „ . [36,3% | mittags | — . | 24. „ 1)[ 36,0°%| abends | 285,0 A | 25 ) 39,9 3 | ” ch ” Be Bao = 286,0 5 ala 0, )1130.9% a _ * | BO 37,30 5 282,0 3 | 1. März |35,5° mittags | — K 2. ) *) ae TEN EN ) en 259,0 » 4. „ 6] 35,8% |morgens| 248,0 x | 3 an ee 229,0 n | 9, Versuche mit mit Aceton extrahierter Hefe. Hervorzuheben ist, dass Taube Nr. 1 die Fütterung mit geschliffenem Reis erstaunlich lange aushielt. Erst nach 59 Tagen zeigte sie Krämpfe. Wir sahen bei diesem Versuchstier von der intramuskulären Zufuhr 1) Das Tier sitzt zusammengeduckt und mit gesträubtem Gefieder auf dem Boden des Käfigs. 2) Das Tier sitzt wieder zeitweise auf der Stange. 3) Das Tier schmiegt sich dicht an andere an und verlässt den Boden des Käfigs nicht mehr. 4) Das Tier zittert heftig. 5) Das Tier zeigt die charakteristischen Krämpfe, erholt sich nach der Einspritzung von 0,2 ccm alkoholischem Hefeextrakt, in Wasser gelöst, in einer Stunde. 6) Das Tier ist noch sehr matt und unsicher auf den Füssen, es sitzt zusammengeduckt und still im Käfig, es macht auch beim Greifen keine Fluchtversuche mehr. Eine Besserung tritt im Laufe des Tages nicht ein. 7) Am Morgen wird die Taube tot vorgefunden. Das Tier ist sehr stark abgemasgert. a re nn Weitere Beiträge zur Kenntnis von organischen Nahrungsstoffen usw. 283 von Hefeextrakt ab. Wir begannen vielmehr direkt mit der Ver- fütterung von Hefepillen. Das Tier erholte sich sehr rasch. Als die ‘ Zufuhr von Hefepillen fortgelassen und an ihrer Stelle Acetonhefe- extrakt gegeben wurde, machte das Tier sehr bald wieder einen kranken Eindruck. Es erhielt dann wieder Hefepillen und lebte noch 64 Tage. Es starb leider an Diphtherie. Taube Nr. 2 erkrankte nach 33 Tagen einseitiger Reisfütterung. Sie erholte sich nach Einspritzen von Acetonhefeextrakt in wässeriger Lösung und erhielt dann 31 Tage lang Hefepillen Nr. 2. Leider starb das Tier auch an Diphtherie. Nr. 1. Taube mit grauem Gefieder. Nach 59 Tagen einseitiger Reisfütterung treten Krämpfe auf. S2 Tage lang werden täglich 6 Hefepillen Nr. 2 gegeben, dann 7 Tage lang täglich 0,001 g N in Form von Aceton-Hefeextrakt mit Reis. 2 Tage lang wird ausgesetzt, dann erhält das Tier, nachdem es wieder einen kranken Eindruck macht, täglich 64 Tage lang 6 Hefepillen Nr. 2. Das Tier stirbt an diphtherieähnlichen Erscheinungen. Vom 4. Januar 1919 ab nur mit geschliffenem Reis gefüttert. Temperatur- = mMessuns = Art der Fütterung mS5 ı {alt} Ss Datum 4 : 2 3 se 5 = | ©_ © 1 h Sn 5 Es 2 R=) a Hefepillen | Hefeextrakt 4. Jan. 441,5 Geschlit, | ER, | 438,0 Reis | T. $}) RE: | ” | Sr 433,5 % | 9. „ . > ” 2 4300| „ | 9; 426,0 2 | 14. ” BEN ” | Mar. 398,0 n | 16. n RR » | LEN, 393,0 N | 18. ” FR ” | 20. | 373,0 5 | AE „ 1) Ban ” 22.0, | 371,0 2 23. „ | SER 5) 24. ,„ | 395,0 2 288 „ | rg 5) De 348,0 % 28. » IE b}) ; | 2 346,0 n | 1) Das Tier sitzt vorübergehend mit eingezogenem Kopf und gesträubtem Gefieder da. 284 Emil Abderhalden: Temperatur- En) 5 messung =: Art der Fütterung Datum 38 a E05 a) a la kt 5 n d Eu 3 ge a Hefepillen | Hefeextrakt 30. Jan. | — |Geschlift. | en nz | 3598,0| Reis . LEDT. | Bu : 3 : 353,0 : | 2 2) N, 7 | 0 3 zu | 1. 2 a | 10% | 340,0 | | 1, | Sol er 12. ” *) | SIR ” In 38,0% | abends | 338,0 \ 14 , 38,20 — 2 15. . 1385° mittags [3230| 7 1E “ 37,7 R abends | 329,0 ® 1 ” 31,8 ) FR ” 10 ago ee A en 38,0° R — ‘ 21. „ 38,8 W ” 314,0 ” | 22. D) 38,7 0 mittags TE „ | | 4.» [375% abends [2140| > Se = Ba sse eisen, 2 27 38,2% | mittags | — Ri 282. „ 3) 380% | abends [3150| ran iee . , D) D) >) | ıllen T. | 4... 5)| 39,0° | moreens| 331,0 re : 5 3090| nach ee : GLERELT 40,0° | mittags | — 5 a 1. : °) | 39,8° n) 347,0 o) | ” 8 ” 40,0 x ” zB: ” | ” Shane: — |morgens| — n | " Nr 39,30 | nachm. | 368,0 » N; Dale. 40,8% | mittags | — & 4 a osole soo i 1) Das Tier lässt sich ruhig greifen und sitzt still im Käfig auf der Stange mit gesträubtem Gefieder. 2) Das Tier ist wieder lebhafter, es zeigt häufig ein eigentümliches Tassen) 3) Das Tier putzt das Gefieder und frisst spontan. 4) Am Abend treten Krämpfe auf, das Tier hat den Kopf hintüber- geschlagen. Der Brustmuskel ist stark geschwunden. — Herstellung der Hefe. pillen: 2 & mit Aceton extrahierter Hefe wurden mit 2 g Reis, nachdem er in H,O weich gekocht war, gemischt und daraus 55 Pillen geformt. 5) Das Tier ist wieder lebhaft und läuft im Käfig umher, verlässt jedoch den Boden des Käfigs nicht. 6) Das Tier zeigt Fresslust und sitzt wieder auf der Stange des Käfigs. 7) Die Taube macht wieder den Eindruck eines gesunden Tieres, sie zeigt Fresslust. / } Weitere Beiträge zur Kenntnis von organischen Nahrungsstoffen usw. 285 > Temperatur-| 3 messen 3: Art der Fütterung Datum u a SE = E 2 &0 = 3° hii £ | A s 5 Eu & iz a | Hefepillen Hefeextrakt | 13. März |40,0°| mittags | — |Geschliff. 6 Pillen Nr. 2 14: ,;., 40,0° R 376, Reis es 15. ” 40,5 ! » EIS. ” ” 16. _ nachm. | — 5; 4 17. ” 1) 40,5 y ee Er ” 2) loyE},, 39,8° | mittags | 381,0 x 5 DEN; 40,0°| nachm. | — 5 | > 20=1.8,, 40,5° 5 395,0 4 | % 21. » 40,2 Y Du NEE ” | ” Bee 40,0° | mittags | 403,0 " | er) B2 b}) 39,5 5 ” BR » ) 2ASUR, 39,5° | nachm. | 412,0 R 25. ” 40,0 2 ” E7 ” ) 2b; 40,3 R 428,0 # i 21. 5) 2) 41,0 ° ” FE ” J DB 5 41,3° | mittags | 408,0 5 ; 29. ” 40,6 9 ” = MER | ” Ska — |vormitt.| — 5 | x SE, 39,5° | nachm. | 411,0 a | % 1. April [40,0°| nachm. | — : | 2 RE En 39,80 | abends | 429,0 R | < Br. 40.0°| nachm. | — x n A; 39,8% | abends I — e | " 2: 5 41,0° | mittags | 416,0 n | = ? ” ” | „ 7 ” 40,8° ” 419,0 ) | 2) 8 » 39,5° b) == ) | 2) EUER: 40,8° nachm. | 439,0 = a > IS 41,0° | mittags | — S | e | 1,5 40,8° | morgens| 434,0 = | > | ID 41,0° | mittags | — 3 S la, — | morgens 5 | % 14. ,„ 40,8° | nachm. | 433,0 ee n lau .E 41,20 | abends | — 5 | E Ale: 41,5° | nachm. | 426,0 a | 5 WS: ;, 41,0° morgens| — r ex 18. ” 40,2 8 ” BL ” | =) 19. ” 40,8 ni „ 430,0 a) | ” | 20. ” 40,1 g ” Sr ” | ” 2 5 39,70 mittags | — 5 | = ee 41,0° | nachm. | 423,0 4 en 23. pr} 41,0 2 ” EZ ” | 2 | 24.2, 40,50 | abends | — 5 ® 28. „ 41,0° » 442,0 „ » | 20.908 41,0° morgens] — e a NEN — mittags | — en | > Zen, 40,30, abends | — 5 | 29. ” 40,0 ! ” = ” | ” 30. 40,9° » 439,0 RER » 1) Das Tier ist sehr aufgeregt, die Fresslust hält an. 2) Die Fresslust lässt nach. 286 Emil Abderhalden: : = Temperatur-| $ = INSSISIUnS E = Art der Fütterung Datum u: ED 2 ae | se sc | no i = = : | En 8 = an Hefepillen Hefeextrakt 1. Mai — |morgens| — |Geschliff. 6 Pillen Nr. 2 Dauer 40,5° “ — Reis a Se 41,2° | mittags | 421,0 5 n Am. — |morgens| — 5 n Da 40,0° | abends | — ” a EIER 40,9 > 429,0 n a N 41,0° | mittags | — a 5, Se 40,6° | nachm. | — e 5 IN 40,5° e 433,0 5 5, 1022 40,8° | mittags | — Rt I ae — |morgens| — n 5 aa, 40,6% | mittags | 428,0 n & 13. ” 40,2 x ” a ” ) 14. ” 40,0 ° ” F3 ” ” 535 40,8° n 438,0 & 2 16. ” 41,0 2 ” =, ” 2] 17. ’ 40,7 h ” dert ” ” 18. „ BE ” SET, ” „ ol 40,8% | abends | 439,0 5 = 20. ” 41,0 g ” Far ” ” 21. ” 4l 3) \ ” BR: ” » Da 41,0° | nachm. | 433,0 a 2 23. ” 40,8 2 ” ar ” ” 24. ,„ 40,5° | mittags | — or — 0,001 & NinForm Da, — |morgens| — R von Aceton-Hefe- AD, 40,0° | nachm. | 421,0 h _ extrakt, gemischt ZU NEN 40,0° 5 — » mit Reis 28. ” 40,5 2 ” FRE ” Dr; ” DIR — |morgens| — » — n 302... 40,3° | mittags | 386,0 n % a NE 40,5° | morgens] — " — 2. Juni 39,3% | nachm. | 364,0 5 — 3 12.0 h — B 6 Pillen Nr. 2 ne 38,9 r 399,0 > u 5. „.9)1393° | mittags | — n 5 BR, 39,0° nachm. | 370,0 ” 3 ER 39,8% | morgens] — H N Sm 39,0° | mittags | 367,0 H N IH, 39,59° |morgens| — B = 10.2255 40,0° | abends — he H BR 39,8° | nachm. | 361,0 = A (Den 41,0° a — " : Ta 40,8° 4 371,0 n u MAN e 40,0° | mittags | — " S Kama — [morgens| — 5 r N 16. +, 41,0°| nachm. | — „ e ARTS 40,8° 3 398,0 a N 18. ” 41,0 2 ” Ar ” ” | 1) Das Tier sitzt mit gespreiztem Gefieder und der Stange im Käfig. Erhält wieder Hefepillen. 2) Das Tier hat sich wieder vollkommen erholt. eingezogenem Kopf auf Weitere Beiträge zur Kenntnis von organischen Nahrungsstoffen usw. 287 Temperatur-| 5 es EB: Art der Fütterung Datum 53 en on 5 = = 2 | &n = 2 BE Imhe lt > = nenn u Hefepillen Hefeextrakt DR | 19. Juni |40,5° |morgens| — lt 6 Pillen Nr. 2 200 40,3 “ 376,0 eis S ENT; 40,0° mittags | — N x 22. ” — morgens] — 2) | )) DI 40,8° | mittags | 382,0 hi S DAN), 41,0°| nachm. | — 5 5 . 20. » 39,9 ! bi) TR ” 5) 26. ” 40,0 x ” 384,0 ” | ” 27 ” 40,9 ® ” ER ” | ” 2 39,3° | mittags | 392,0 5 | 5 BU, 39,0°, nachm. | 339,0 \ | = 1. Juli 38,2° h — a | » > 39,0° | mittags | 387,0 RE H DER; 38,9°| nachm. | — A | r 4, 40,0° | mittags | 386,0 I | 5 De. 40,1° | morgens| — = > 6 40,0° | mittags | — Ü | n Markrng 39,0°| nachm. | 390,0 5 H SA 40,0° i, = ” | D Se 38,0° | mittags | 396,0 ® | Se 10 » 38,20 D) ER 5) | ” DIE 5, — 5 396,0 \ | 4 as, 39,0° | vormitt.| — N N Tanz, — |mittags | — 3 a 14. „ 39,80 a 391,0 % : 15 ri) RER » A ” ” 16. „2 2) 40,09 » . [91,0 # \ „ en — | nachm. | — £ s 18 ” 40,0 ° ” FORT ” ” 192%, 40,3° | mittags | 398,0 n - 20, — |vormitt.| — = h al 40,0° nachm. | 332,0 e 5 DON 39,8° Y _ en # Day 40,0° a 384,0 \ a 24 ” 40,0 a » Ta „ ” BDu, 40,5° S 379,0 & ® 26. „ 40,3° | mittags | — r » ale; — vormitt. | 360,0 2 es 28. „ 2)140,6° | nachm. | — 5 u ZI; 40,0° | abends | 332,0 — a, 40,0° “ — x _ 3l. „ 3)[ 41,2% | morgens| 312,0 N: 6 Pillen Nr. 2 1. Aus. |40,5° | mittags | — „ » 2. » 41,0 2 ” 290,0 „ ” 1) Das Tier frisst lebhaft. 2) Das Tier hat stark entzündete Schleimhäute. Der Schnabel ist innen verschwollen, das Tier frisst nur wenig und schluckt mit grosser An- strengung. 3) Die Symptome sind noch unverändert. 988 Emil Abderhalden: Temperatur- = R BERPEDE E = Art der Fütterung a 1 ans Ba Br De 55 E nn E83 g ua [Geschliff. 3 | c EN“ Q” | Reis | Hefepillen | Hefeextrakt | | 3. Aug. |40,3° | mittags | — [Geschliff. 6 Pillen Nr. 2 4 „ ')]| 388° a o5Won Reis h | 9. m 37,29 h 237,0 R R 6 „ 3] — |morgens| 217,0 Nr. 2. Taube mit braunem Gefieder. Nach 33 Tagen einseitiger Reisfütterung macht das Tier einen kranken Eindruck; intramuskuläre Injektion von 1 cem Aceton-Hefe- extrakt in wässeriger Lösung. 31 Tage lang werden täglich 5 Hefe- pillen Nr. 2 gegeben, dann 7 Tage lang 5 aus getrockneter Hefe und Reis hergestellte Pillen. Das Tier geht an Diphtherie zugrunde. Vom 4. Januar 1919 ab nur mit geschliffenem Reis gefüttert. Temperatur- | 3 s messung 13: Art der Fütterung Datum 5 a 5 | je 3 4 3° 5 = ein Hefepillen Hefeextrakt 4. Jan | 421,0 |Geschliff. | DEE | 443,0 Reis | 7. „ ae ” Baer, 423,0 n 8 „ FR » as 404,0 » 2 8) 391,0 n | | 1 Er SER N 16. n | Rn ” } IN 393,0 3 18. >) FERN, „ al 333,0 h | als =) FE, ” | Dar 331,0 „ 23. „ Op ” ZAUN, 311,0 H 28. en) FR ” A, | 303,0 " 28. rn) RR 7) SR 296,0 ” 1) Das Tier verhält sich sehr still und lässt sich ruhig; greifen. 2) Am 6. August ist das Tier tot. Die Sektion ergibt Diphtherie. 3) Das Tier sträubt das Gefieder und zieht den Kopf ein. Weitere Beiträge zur Kenntnis von organischen Nahrungsstoffen usw. 289 2} Imemperatur- 5) a messung SE Art der Fütterung Datum DE en Sy | ee EEE {=} © mal 5 “Reis | Hefepillen | Hefcextrakt 30. Jan. — [Geschlift. Sl. ı.; 802,0] Reis 1. Febr. — r | Se 279,0 4 | 4 ” =) | =, ” | Be) 265,0 Se N | ) = 5 5 Pillen Nr. 2 he za ; 8 ” o)) AR ” ” | SL | 256,0 E S | 10 » | SER ” ) | 10 37,20 abends | 271,0 A N 12 ” 37,0 x ” = ” | en) Ta 2911.97,0° & 272,0 n 5 | 14.7... 37,29 % — % 5 | 15. „ | 37,5° | mittags | 260,0 AN Y | 1640. 37,0° = — > h ee?) 36,3° abends | 270,0 a Es 18 „ 37,0 x ” h TR 5) „ 19 02)138:0% k 270,0 " | S 20. 5 383° 2 — = | Ye 2 37,99 Bi 279,0 = | 3 Ba 38,8° mittags | — “ | . | DANN 38,0% | abends | 272,0 1 A 28. » 2) 38,0 2 ” AR ” | ” | BD 38,00 R 278,0 = | & 27. ” 39,0 S ” ARE) ” | ” | 2 u | a : 1) Das Tier sitzt zusammengeduckt auf dem Boden des Käfigs, den es nicht verlässt. 2) Das Tier macht beim Greifen keine Fluchtversuche mehr, ist sehr apathisch, zeigt starke Abmagerung. Der Brustmuskel ist stark geschwunden. Die Taube erhält abends 5b 45’ 1 ccm Aceton-Hefeauszug in wässriger Lösung intramuskulär, nach kurzer Zeit ist sie lebhafter und spaziert im Käfig umher. Sie fliegt bei Annäherung. 3) Die Taube spaziert vorübergehend im Käfig umher, sitzt aber den srössten Teil des Tages noch zusammengeduckt da, beim Greifen macht sie wieder Fluchtversuche. — Herstellung der Pillen: 2& mit Aceton extrahierter Hefe wurden mit 2 & Reis, nachdem er in Wasser weich gekocht war, ge- mischt und daraus 55 Pillen geformt. 4) Das Tier verhält sich wie am Tage vorher. 5) Das Tier ist etwas lebhafter als am Tage vorher, läuft im Käfig umher, sitzt aber noch zeitweise zusammengeduckt da und frisst nicht viel. 6) Das Tier ist wieder lebhafter, verlässt aber den Boden des Käfigs noch nicht. 7) Das Tier ist weniger lebhaft als am Tage vorher. 8) Das Tier ist wieder lebhafter. 9) Das Tier ist scheu und macht Fluchtversuche beim Greifen. Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd. 178. 2 19 290 Emil Abderhalden: > Temperatur- E = mess =: Art der Fütterung & Datum 5 e = 5: = io No» ıf£. nr s une ai “ Hefepillen Hefeextrakt | 2» Nd eI1S ; 1. März | 39,0% | mittags | — |Geschliff. 5 Pillen Nr. 2 2. n) 40,0 2 ” er Reis ) Se 40,0° | e 274,0 5 | N z ” 39,8 2) ” 282,0 ” ” 5) 2 40,0°, nachm. | 286,0 5 » 6 40,0° morgens] 279,0 e 5 T. » ) 39,9 . ” 273,0 » ” E. ” 2) 33,0 = ” IE » | ” 9. n) %) za ” Er ” ” UBER 38,8° | nachm. | 284,0 5 5 Pillen aus ge- 11. „ 31 39,0% mittags) — e trockneter ae 388 5 262,0 5 Hefe + Reis 13. 7, .9)188,9% nachmesı 7 er % 14. ,„ [38,0% | mittags | 243,0 5 5 15. 5) 5) 38,3 x » az ” 5) OS nachm. | — r a 3. Versuche mit mit Aceton und Alkohol extrahierter Hefe. Die Ergebnisse dieser Versuche sind denen ähnlich, die unter Nr. 2 mitgeteilt worden sind. Auch hier traten nach Weglassung der Zufuhr von Hefepillen sehr rasch wieder Erkrankungen auf. Ein Tier (Nr. 1) ging leider an Diphtherie zugrunde. Tier Nr. 3 erholte sich nach dem Aussetzen der Hefezufuhr nicht mehr. Dagegen überstand Tier Nr. 2 die pillenfreie Periode. Es erhielt nach dieser 127 Tage lang Reis + 1) Das Tier verlässt den Boden des Käfigs noch nicht. Das recht Auge tränt. 2) Das rechte Auge tränt sehr stark, linkes beginnt. 3) Das rechte Auge ist. geschlossen, linkes halb geöffnet. — Herstellung der Pillen: Aus 2 g getrockneter Hefe + 2 g weich gekochtem Reis wurden 55 Pillen geformt. 4) Die Augen sind geschwollen; das Tier hat einen unangenehmen Ge- ruch, äusserlich und aus dem Schnabel. 5) Die Augen sind beide geschlossen. 6) Im Schnabel, obere Hälfte, tritt weisser Belag auf. Die Augen tränen noch. Der Stuhl ist seit dem 11. März braungrün. Das Tier scheint blind zu sein, es tastet sich mit den Füssen vorwärts. Beim Einführen des Thermo- meters in den Schnabel wehrt es sich energisch. 7) Das Tier ist ganz apathisch und frisst nur wenig. 8) Der Zustand des Tieres ist unverändert, nur nimmt der faulige Ge- ruch stark zu. 9) Am 17. März vormittags wird das Tier tot vorgefunden. Der Brust- muskel ist stark geschwunden. Das Tier wiegt tot nur 227,0 g. Im Käfig befindet sich ein grosser Fleck von flüssigem, braungrünem Stuhl. Die Sek- tion ergab: Bindehautentzündung, diphtherischer Belag im Kehlkopf, Ver- änderung der Lungen: Blutung. "Weitere Beiträge zur Kenntnis von organischen Nahrungsstoffen usw. 29] Pillen Nr. 3. Es befand sich wohl bei dieser Nahrung. Als die Pillen fortgelassen wurden, begann das Körpergewicht bald zu sinken. In 11 Tagen war es von 350,0 g auf 285,0 gefallen. Auch die Körper- temperatur fiel. Am 7. Tage der pillenfreien Periode trat deutliche Parese des rechten Beines ein. Nr. 1. Taube mit schwarzem Gefieder. Nach 60 Tagen einseitiger Reisfütterung macht das Tier einen kranken Eindruck, es erhält 82 Tage lang täglich 5 Hefepillen Nr. 3, dann 7 Tage lang täglich 0,001 & N in Form von Aceton-Hefeextrakt mit Reis gemischt. Das Tier macht einen kranken Eindruck und erhält wieder täglich 33 Tage lang 5 Hefepillen Nr. 3; es geht an Diphtherie zugrunde. Vom 4. Januar 1919 ab nur mit geschliffenem Reis gefüttert. .|[Temperatur- | 3 5 eselis Es Art der Fütterung -s ı [elt) = Datum : : ; ä = 5 = | | or i Er S 8 ne, Hetepillen Hefeextrakt 4. Jan 403,0 IGeschliff.| 5: e 431,0 Reis | Rn ” p)] SRRE: 413,0 » 9. ” ZAERH ” Her, 404,5 n la, | 389,9 > 14. Pr) HE, ” 1933 7, 368,0 5 | 16-2, = 3 ea 359,0 = 18. „ es » 20. ” 343,0 2 2...) Br S | 2a „ 322,0 5 | 28. „ In ” DAN; 316,0 a 25. ” FE ” 27. ” 323,0 ” 28. 5 FE ” II ER 324,0 » 30. „7 FE: ” ol. „ 324,0 ” 1. Febr. - EIS ” In 326,0 2 4. » CH » Be 320,0 # 6. „ a » | 1) Das Tier zieht den Kopf zeitweise ein und sträubt das Gefieder. Diese Beobachtung wird auch weiterhin gemacht. 192 292 Emil Abderhalden: Temperatur- = messung I: Art der Fütterung D rn SE atum ; 2 5 & ä 3: = & ae = S 1 . a 3 =e © = m Hetepillen Hefeextrakt | 7. Febr. 310,0 IGeschliff. SH = Reis LOS Sr, | 308,0 E | a se 306,0 e DAR 2, 38,2% abends | — = 1 31.40 3 303,0 2 14. b) 31,8 x ” FE ) in. gr, 38,9% | mittags | 287,0 x Kae ya 97,1% | abends | 291,0 # Sr 38,0° 5 — a 1955 38,9 ® 286,0 5 20. » 37,8 y ) Er ) ale. 37,30 = 274,0 Zone. 39,0° mittags | — 24... 37,0°| abends | 265,0 28. ” 37,3 x ” EN ” Be oz 2 les DEE 38,8° mittags | — 3 3. „ [3720| abends [2600| 7 1. März!) | 37,0° | mittags | — r 3. „Sehr » * | 255,0 ” 4 ” 39,9 $ ES ER ” DEM 39,0° nachm. | 254,0 = 5 Hefepillen 6.00, 40,0° mittags | — h Nr. 3 a. eo, sol. > 5 » 39,2 ® ” Bern ” ) 100°, 38,8° | nachm. | 278,0 2 A Man, 40,0° | vormitt.| — k ; 12. „ *%)| 40,5° | mittags | 276,0 h, ; 18. „ 40,0 e ” EoRT ” ” oe orale : 15. ” ”) 40,0 x ” FE ” » 10.05. — | nachm. | — n . 1M. » 39,0 2 » BT » ” 18. ,„ 91 39,5% | mittags | 289,0 e 15 Ian 39,5°| nachm. | — e 20. ” ‘) 40,50 » 292,0 » 1) Das Tier putzt das Gefieder und frisst spontan. 2) Das Tier zittert häufig sehr stark und sitzt heute vorwiegend auf dem Boden des Käfigs. Der Brustmuskel ist stark geschwunden. — Herstellung der Hefepillen: 2 & mit Aceton und Alkohol extrahierter Hefe wurden mit | 2 g Reis, nachdem er in H,O weich gekocht war, gemischt und daraus 55 Pillen geformt. | 3) Das Tier zeigt Fresslust. 4) Das Tier zittert noch häufig, ist aber lebhaft und läuft herum, es verlässt den Boden des Käfigs noch nicht. 5) Das Tier verlässt den Boden des Käfigs wieder EG sitzt auf der Stange. 6) Das Tier zeigt grosse Fresslust. 7) Das Tier macht wieder einen gesunden Eindruck; die Fresslust hält an. Weitere Beiträge zur Kenntnis von organischen Nahrungsstoffen usw. 293 Temperatur- messung Datum 55 an =} 8 BE ms B=0=| S N a5) Fe 21. März |40,0°| nachm. DD, 39,8° | mittags DIE 39,0° 3 24. „ 39,0° | nachm. DI. 39,5 5 26. „ 39,2° „ ZALIENSEN 39,0° ” 2a 0 21),088,80 r DIN 38,5° | mittags Sur, — | vormitt. 3l 39,8° | nachm. ’ ” RT 39,2° | abends SR 40,0°, nachm. Au. 39,8° | abends DE 40,3° | mittags 6. ” EI ö) t. ” 39,5 x ” OSUDRE, 38,8 5 I us 39,0°| nachm. 10%, 39,6° | mittags 1.8, 39,6% | morgens aa 39,9° | mittags Ne — | morgens 14. „ 39,0° | nachm. 1 39,5° | abends ID 41,0°| nachm. Ira us 41,0°. | morgens IERHNS 40,5° 5 19. ” 40,5 2 ” als 40,3° n alles 39,8° | mittags Daur. EN 39,3° | nachm. 2, 40,0° » A 40,5° | abends 290, 41,0° | nachm. 2 40,0° | morgens ZI — | mittags 280, 40,7° | abends 2a, 40,0° Sy 39,90 5 1. Mai — | morgens ZA 40,0° = 3. 40,0° | mittags 4& „1 — |morgens Se, 40,3° | abends b.% 40,0° e Mer 40,0° | mittags Sn 39,9° | nachm. 9%. 39,89 » Körpergewicht in Gramm 336,0 1) Die Fresslust lässt nach. Art der Fütterung Geschliff. Reis Geschliff. Reis Hefepillen Nr. 3 5 Hefepillen Hefeextrakt 294 Emil Abderhalden: >35) Temperatur-| $ Seas EB: Art der Fütterung Datum = &0 5 2 | So ©) | E 3 5 Bi > = en Hefepillen Hefeextrakt I Mai 40,0% | mittags | — er 5 Pillen Nr. 3 N — |morgens| — eis i | Den 40,40 a 330, a 13. ” 39,9 2 ” IE ” ” 14. ” 40,0 2 ” my ” ” 15. ” 39,0 3 ” 341,0 ” ” 16. ” 38,9 y ” 27, ” ” 17. ” 39,0 3 ” Fi ” ” 18 — mittags | — " ” 1 39,2° | abends | 349,0 5 A 20. B) 39,0 r » BR ” » 21. b) 39,9 N ” = ” b) Ms 38,8°| nachm. | 360,0 h 5 28. ” 40,0 x ” = ” ” 24. ” 39,8° ” Er ” ” DON — |morgens| — 5 4 ; AD 40,2° | nachm. | 347,0 in 5 Hefepill. Nr. 3./0,001 $N in Form DIS 0, 40,0° © — " —_ von Aceton-Hefe- 2, \ 40,3 5 —_ 2 —_ extrakt, mit Reis ER — morg. — ) emischt Sun 39,8° ir 341,0 5 = ; » SE 38,5% | morg. — 3 — ° 2. Juni !) | 39,0° | nachm. | 323,0 n = h SERIES on = - 5 5 Pillen Nr. 3 4. ” 5) ” 316,0 ” ” Do 39,0°| mitt. — 3 ‘ 6. „ 2) [33,0% | nachm. | 316,0 R 5 TAB, 39,0° | morg. —_ u; h Se 37,9°| mitt. | 318,0 N " 992.723 0882 Emerz — " N IK 39,0°| abends | — & & 1 og 39,0°| nachm. | 316,0 5 . 12. ” 40,0° n SER ” ” 1S.008 40,0° n 313,0 “ N 14. „ 39,8°| mitt. — i 5 15.0 —— morg. — " e Ab: 40,0° | nachm. | — y 5 IN 2 40,0° ” 313,0 % % 18. ” 40,8° ” HÖR ” ” 19. 2) 40,0 2 ” DEER ” ” AU 5 40,30 | morg. | 319,0 n a 21.04, 39,8° | mitt. —_ \ 5 Dan, = morg. — s 5 23. „ *%1393°| mitt. | 300,0 x 5 24. „ 39,0° | nachm. | — r 5 25. ” 39,3 2 ” 289,0 ” ” 26.5 39,8° x — 5 e 1) Das Tier zieht den Kopf ein und spreizt das Gefieder. 2) Das Tier erholt sich wieder. 3) Das Tier macht wieder einen gesunden Eindruck. 4) Morgens wird blutiger Stuhl im Käfig vorgefunden. Weitere Beiträge zur Kenntnis von organischen Nahrungsstoffen usw. 295 Temperatur- messung Datum gemessen Em Schnabel 40, oc code Soo SS) oo so | | ar zn 39,00 | 5 325,0 e | 8 ” 2) 38, 90.| ” To 2) | 9. „ 9] — |morgens| — 5 6 Pillen Nr. 3 RENT 37,0°| nachm. I! 334,0 S | = DIE ER: '39,0° | mittags | — { ® 12.08; 40,00% n 328,0 5 n Ian, 39, 5° > _ 5 * 14:2, 40, 0°) “ 339,0 * | E 15. ” 40, 5 $ ” Ser: ” 2 10m — | nachm. | — 5 R 17. ” 40,0° | ” Bar en ) TS 40,5% | mittags | 331,0 4 R 19: IE 40,5°' nachm. ! — |. , 5 20. 0 40,89%. 5 341,0 h, h | 21. ” 39,8° | ” RER „ | ” | = »„..»)140,0° | mittags | 340,0 A | h s ” ” „ „ 24.0 39,5° | nachm. | 345,0 = = | 25. » 40,0° | ” har: ” ” | an leo 2 i | 27. ” 40,0° | ” FE ” ) DS 40,99 | R 348,0 5 = A, 41,2° mittags | — a ® DÜNGER — | vormitt.| — = | * | DEN 40,6° nachm. | 353,0 N | 5 | 1. April |41,0° | 3 _ ER R | DACH, 40,0°| abends | 354,0 i ® | 1) Das Tier sitzt zusammengeduckt mit gesträubtem Gefieder auf dem Boden des Käfigs. 2) Das Tier schmiegt sich eng an andere an. 3) Das Tier sitzt wieder vorwiegend auf der Stange. 4) Das Tier sitzt still im Käfig mit eingezogenem Kopf und stark ge- sträubtem Gefieder. 5) Das Tier macht einen sehr kranken Eindruck. — Herstellung der Pillen Nr. 3:2 5 der mit Aceton und Alkohol extrahierten Hefe wurden mit 2 g Reis, der im Wasser weich gekocht war, gemischt und daraus 55 Pillen geformt. 6) Das Tier ist wieder lebhaft und zeigt Fresslust. Es sitzt auf der Stange des Käfigs, das Gefieder hat sich geglättet. 7) Die Taube macht wieder einen ganz gesunden Eindruck. Weitere Beiträge zur Kenntnis von organischen Nahrungsstoffen usw. 297 > Temperatur-| $ messuns E: Art der Fütterung Datum 3 h an 5 3:| 88 | 22 Igeschut. | y | {=| 8 le! .| D e 5 Ss | . = Bas Hefepillen | Hefeextrakt 3. April |40,0°| nachm. | — [Geschliff. 6 Pillen Nr. 3 | 4. „ 39,9°| abends _ Reis R | UN, 40,0° | mittags | 353,0 5 2 | 6. ” ER ” Ba ” ” are 40,8 ° B 397,0 Ri a, 41,00 ” SR n ” | SE 40,5°| nachm. | 365,0 \ | IORR: 40,5% | mittags | — e | 2 IR 41,1° |morgens| 367,0 N 3 | ld, 40,7° mittags | — ® 13. ” Fir ” DE: ” ’ ya, 41,0°| nachm. | 363,0 = e: RER 40,50°| abends | — R R 167 7, 40,2° nachm. | 360,0 5 5 | 1 En 40,2° morgens| — “ er 18. ” 40,0 X ” N, ” ” 1 41,0% „ 361,0 7 | ß 20. ” 40,0 2 b) ID ” ” De. S 40,0° mittags | — x x | DDR Ne 40,0°| nachm. | 359,0 = r 1% 28. b) 41,0 | b) Rn: ” » | 245 :;.,, 40,70 abends | — a 5 25. ” 41,0 Di ” 364,0 ” ” BOTAR,, 41,5° morgens| — 5 x | Ale, — ımittags | — a \ 5 | 2a 40,58% abends | — e 5 a; 41,0° 5 — = | 3 30. ” 40,2 x ” 366,0 : ” ” 1. Mai — morgens| — N 5 | 2. 2) 40,8 3 n RT ” | er) | BEE 53 41,0° mittags | 361,0 5 | an 4m% — |morgens| — es) 5 | DE 40,8% abends = | : B.-, 41,0° | 366,0 23 8 | 12. ,, 41,0° mittags | — “ ® eu, 40,0° | nachm. | — : $ 9. ” 40,8 x | ” 363,0 ” ” 108: %,,, 40,3° mittags | — a 5 M>-, — |morgens| — n 4 | 2 41,0° | mittags | 358,0 “ R 13 ) 40,7 Sa ” un 6) ” 14 » 41,0 h ” DE ” ” | losen 39,8 = 369,0 i ; 16. ” 40,0 “ ” Tan ” 2) 17. » 40,2° | ” PR ” ) | 18. » aeg | 2) Ei ” | 12%, 40,5°| abends | 369,0 a | N 20. ” 40,0 Y ” Fun“ ” ” 21. » 40,0° D) BE s ” | ” BIN 41,0°| nachm. | 367,0 & | N 23. ” 40,6 2 ” re ” | ” | 24. „ 40,5° | mittags | — R | > | Emil Abderhalden: l) Das Tier sitzt mit gespreiztem Gefieder und eingezogenem Kopf in einer Ecke des Käfigs. 2) Das Tier hat sich erholt und sitzt wieder auf der Stange im Käfig. | » Temperatur-| 3 messun BE Art der Fütterung =] [I an S Datum e E 5 3 & a & Ssao m o =E = 5 S 8. 0 alt Hefepillen Hefeextrakt ah N e1s 25. Mai — |morgens]| — [Geschliff. 6 Pillen Nr. 3 26.5 40,0° nachm. | 362,0] Reis — 0,001 &:N in Form DURDN, 40,2° & 5, _ von Aceton-Hefe- eh, 40,0° n — r —_ extrakt, gemischt ZU — |morgens| — » _ ‚mit Reis Sur, 39,8° | mittags | 348,0 „ —_ 5 ale 39,50 | morgens| — a — 5 2. Juni 38,8° | nachm. | 325,0 = — es Ba le h — N 6 Pillen Nr. 3 2 sa als70ol| > : Nee 38,5° | mittags | — 5 R 6. „ 2)1398°| nachm. | 334,0 nn & ee 40,0°|morgens| — as u Se 39.0° mittags | — hr e IT 39,8% | morgens] 330,0 S S UU 40,0°| abends | — A $ 1l. „ 2)[40,3°| nachm. | 325,0. S h 12. ” 41,2 N ” Bee ” ” Eee 41,0° " 325,0 a is R ea 41,0° | mittags | — e n ton, — |morgens| — h r LO, 40,2°| nachm. | — 5 is ITRES 41,0° Mi 328,0 u x I a, 40,8° x — s 5 aan, 41,0° R — " e AN 41,0° | morgens] 331,0 ss x DER 40,0° | mittags | — 5 ° Dan — |morgens| — a 5 Dosen 40,0° | mittags | 330,0 h 5 DA, 40,2°| nachm. | — & n 29 ” 40,0 R ” Arpe ) » 26. „ 39,0° 2) 3310| „ ” a1. » 39,6 ” BIN ” ” 2S 40,0° " 336,0 „ a 30:0 305 40,0° 5 334,0 e: % 1. Juli 39,3° \ — 3 5 De 39,9° | mittags | 334,0 S “ a 40,9°| nachm. | — H 5 A... 40,0° mittags | 337,0 * 5 | BRRRN, 39,9% | morgens| — N “ Le 40.10 | mittags | — : . | VER WR 40,1°| nachm. | 335,0 a n 8. ” 41,5 x 7 = » ) | ER 39,0% | mittags | 335,0 # R , 10. > ” 39,6 S ” IE SE ” ” es 39,29 “ 334,0 „ D 3 TO — |vormitt.]| — | | 3) Die Taube macht wieder einen ganz gesunden Eindruck. Weitere Beiträge zur Kenntnis von organischen Nahrungsstoffen usw. 299 Eu Temperatur- Er Deuts E = Art der Fütterung Datum BE E05 PIch a sd ; —- { ”28 5 S = hit Hefepillen | Hefeextrakt nn KA Geschliff. 6 Pillen Nr. ] Sept. 40,0° | nachm. | 329,0 % 40,7 | nachm. | 335,0 id, 3860| „ 13350| Reis | 5 15. EE 2 ” ” De 23800, ,...,18210| : 17. SIR h . ar ” ” je. so „ r 1998 ;. 39,5 | mittags | 341,0 n | E 20. — | vormitt.| — ss 5 a 40,0°| nachm. |3380| 2 22 39 8 U }) Be ” ” aaa 2 ,.-3850| ., : 24 D) 40,0 31 » FE ” ” 25. „ 40, 0 : 345,0 & > | 26. PL) 40 0 mittags ne! „ ” 28. . 40,00 nachm. 337,0 A ü 29. 40,8 FEB s) ” 30 mo 0 lenol : 31. ä 39,0 morgens — a n 2. Aug. 39,5° mittags | 332,0 h = 3. 89 5) v „ GET ) ) a la000 |. . Di { ‘ De 39,5 5 320,0 n | 5 SE 40,0°| nachm. | 329,0 = 4 | es 37,5°| abends | 325,0 4 ee | Ara, 38,0° | nachm. | 318,0 R 5 | SIE tn; SEHDtn 2 316,0 5 R | 2UELN, — _ | morgens| 322,0 n | 2 | a5, 0 nachm. I 325,0 n " 22. y Sun IE, DE ” | ” 28. x Irr1 RR Jar ” | ” 24... N _ n | r DI Hin 40,0° | nachm. | 327,0 5 h | 26. SE Aa LE ” ” | 27. v RI EIER )) „ | eb, 39,0°, nachm. | 328,0 n = 29. ” Burer Fa FIR ) ” 30. ” Pet Der Erg N ” 31. BRuRL a0 FR ” ” > [41,0% | nachm. | 341,0 10. ” BET DT I ” | ” 1 E 40,5% | nachm. | 343,0 £ | en 1 24, n) TER Zu Der „ | ” | 13. 5 Sure wi a ” » 1) Bei der Korrektur nachgetragen. 300 Emil Abderhalden: ; > Temperatur- 3 s memsune =: Art der Fütterung Datum =: ı 05 „ee| 38 | 88 go (&) ifL | x | je Gerchliff: Hefepillen | Hefeextrakt 14. Sept. = — — |Geschliff. 6 Pillen Nr. 3. I ie 40,7° | vormitt. | 3460| Reis e I > ; or 0 38,8° | nachm. | 356,0 fi R 19. ) Fur Dan) Er. ” ” 20. ” nt BED er b) ” 21. » EST Arch a n » Bas 38,4° | nachm. | 344,0 e 28. ” N52 zer I; ” ” 24, ” Fo Fer EN „ en) en 5 40,5° | nachm. | 353,0 u u 0 ” ” » 21. ” U; TR TR ” ” 28. ) Fe ET EI » ” 29 39,5° | nachm. | 351,0 h en 30. ” ar FR, AIR » ” 1. Okt. —_ — 5 DIR, 39,2°| nachm. | 350,0 = is 3. 6) FR ne DR ” ” Fi ” FE SE Fat ” ” 2 ” KERN or? ” Bl 39,0° | nachm. | 350,0 R a eo). 2 IM en — E— — — 10. „ 1370°%) abends [3350| , x lecker: 37,2 “ 328,0 n —_ 12. ” ur „ Pr ) = SS Ne 86,8% | abends | 314,0 & En Da 2090| : m 15. ” ) 31,0 x „ 302,0 „ FR | 10 36,8% | mittags | 297,0 R — | 17. „ %1] 373° |morgens | 291,0 e _ Das Tier lebt am Se) 57.020 & 285,0 ” _ 28. XI. noch. Nr. 3. Taube, weisses Gefieder mit zwei braunen Streifen auf den Flügeln. Nach 29 Tagen einseitiger Reisfütterung erkrankt das Tier und erhält 65 Tage lang täglich 6 Hefepillen Nr. 3, nach einmaligem Aus- setzen erhält es wieder 2 Tage lang dieselben Pillen. Nach dreimaligem Aussetzen erhält das Tier 6 Tage lang täglich 5 Pillen aus getreckneter 1) Vom 8. Oktober ab wird nur geschliffener Reis verfüttert. 2) Die Taube zieht das rechte Bein etwas nach beim Laufen. 3) Das Tier sitzt zeitweise zusammengeduckt auf dem Boden des Käfigs. 4) Das Tier ist sehr unsicher auf den Füssen, sitzt aber noch zeitweise auf der Stange und stützt sich mit dem Schwanze. 5) Das Tier verhält sich ruhig. Beim Gehen sehr unsicher. Macht einen kranken Eindruck. Weitere Beiträge zur Kenntnis von organischen Nahrungsstoffen usw. 301 Hefe. mit Reis, danach 5 Tage lang täglich 0,001 g N in Form von Aceton-Hefeextrakt mit Reis gemischt. Das Tier macht wieder einen sehr kranken Eindruck und erhält 3 Tage lang täglich 6 Hefepillen Nr. 3. Die Taube erholt sich nicht mehr und stirbt. Vom 8. Februar 1919 ab nur mit geschliffenem Reis gefüttert. NE} Temperatur- | iS) = era Es Art der Fütterung: Datum a & Ey E | s33| 98 | &, (Gesch ' ii 8 = 8 SG 11T. | » & | 3 5 EN z .S ar Hefepillen Hefeextrakt 10. Febr.!) 369,0 IGeschlift. | a — Reis | E224-,,, 376,0 » | | 13. ” | IE „ | | 142. 360,0 5 | 15. >) Rare „ | Bi, - 1 351,0 x 18. b)) | nn ” | MOSE, 398,0 5 20, ” ER ” 212.7, 322,0 3 | 22. ) | WR ” DAS Le) 296,0 5 25. ” SEN ” 20.7), 280,0 5 27. 2 j ER D) 28. „ 91375°| abends | 294,0 5 1. März |37,0° | mittags | — = BERN SSH u 279,0 5 Au 588,58 | — 5 | Be 38,0% | nachm. | 276,0 3 6. . 9] 37,0% mittags | — # MEN 37,0° 270,0 a e. ” 2) 37,3 . ” Ha 55) ag — |morgens| — 3 6 Pillen Nr. 3 10. „ 3)1|37,0°| nachm. | 294,0 N n Tu oe 37,8° | mittags | — x “ re) er 3 269,0 % n 1) Vom 10.—14. Februar zeigt das Tier grosse Fresslust, die aber von da ab abnimmt. ; 2) Das Tier sitzt zusammengeduckt und mit gesträubtem Gefieder auf dem Boden des Käfigs. Es ist sehr matt. Auf dem Zimmerfussboden läuft es sehr schnell, aber unsicher, indem es die Füsse ungeschickt setzt. 3) Das Tier sitzt eng an andere angeschmiest im Käfig. 4) Das Tier sitzt heute zeitweise auf der Stange im Käfig. 5) Das Tier ist wieder lebhafter und sitzt vorwiegend auf der Stange. 6) Das Tier sitzt mit gesträubtem Gefieder und eingezogenem Kopf still auf dem Boden des Käfigs. 7) Das Tier scheint sehr krank zu sein. Herstellung der Hefepillen: 2 5 mit Aceton und Alkohol extrahierter Hefe wurden mit 2 g Reis, nach- dem er in H,O weich gekocht war, gemischt und daraus 55 Pillen geformt. 8) Das Tier zeigt Fresslust. 9) Das Tier ist heute lebhafter, läuft im Käfig umher und sitzt auch auf der Stange. Das Gefieder ist wieder glatt. 302 - Emil Abderhalden: Temperatur- S messung E: Art der Fütterung Datum 28 & 5 32 05 2 hlif ”. i en E = ne a z Hefepillen Hefeextrakt 13. März |39,0° | mittags | — |Geschliff.| 6 Pillen Nr. 3 day, 39,5 5 273,0] Reis x 18. ” 33,8 n D) FE ” ) oe — | nachm. | — a R 17. ) 39,0 s N) ER ” ” on 39,0° | mittags | 278,0 65 % Bee 38,8°| nachm. | — = 5 20.005 39,5 5 286,0 > " 2» 39,0% | mittags | 288,0 Ka | 2 > [89,0% | nachm. |290,0| . { B) ) 38 7° RE ” 2 a |, | 27 ” 2) 39,4 \ ” 5 ” ” Zar DIOR s 288,0 » » BI ae: 40,0° | mittags I — » D) | Sb — |vormitt.| — = ” | a a 2 2 nachm. | 294,0 " n . APrI GERN, ” ” 2. „ 1383°%| abends | 300,0 x i Be 38,35°| nachm. | — 5 „ A, ” 39,0 0 aben ds == >) $)) 5: 5 39,8 0 mittags 283,0 ” „ 6. ’ D) Faracs „ ae ” “ ” ne ; 39,0 2 ” 282,0 ” ” 8. „ 39,2 ® „ gzRZ ” ” Se, 40,0°| nachm. | 292,0 5 » a 39,9° | mittags | — » D) NEAR 41,0° |morgens| 282,0 + „ 12. >) 39,8 0 mittags FIR ” ” an. — | morgens| — ° „ 14, 41,0°| nachm. | 305,0 5 e lose 39,80| abends | — » » be re 40,1°! nachm. | 285,0 B n 0 n ee a ed En 39,4° “ 277,0 " » 20 39,09 > — B » 21. . 13900 | mittags | — i ; Be: 2 40,0°| nachm. | 275,0 H n 2 . 39,7 Ü „ = ” ” 24. a 40,0°| abends | — n D) 29 ” 39,9 g PD) 288,0 ” ” BO, 39,0% | morgens| — » » ZU NE: — |mittags | — » ” 2 28. „ 39,7 0 ab ends Tier $)) ” PER 40,0 ° — » Bu ER al 39.00: RS | : | 1) Das Tier verlässt-nur selten den Boden des Käfigs. | 2) Das Tier ist wieder munter und macht einen ganz gesunden Eindruck. Weitere Beiträge zur Kenntnis von organischen Nahrungsstoffen usw. 303 Temperatur- 5 5 messung Es Art der Fütterung {eb} - Datum =5 äh 2 S ee 2 5 2 hlif Hs | S oo se a Hefepillen Hefeextrakt non | | 1. Mai — |morgens| — 1IGeschliff. 6 Pillen Nr. 3 ZEN 39,8 n — Reis N DER 39,9° | mittags | 276,0 ee 5 A, — |morgens| — 5 | 3 Ds 39,0°| abends | — “ | > 6:7 2107123140129 R 289,0 k 5 Bus 89,8% | mittags | — 5 “ \ 8. 40,0°| nachm. | — N a | ee 260 . | 10. „. »]40,2° | mittags | — r | is | 11. „ 231 — |morgens| — = ” 12. „ 2) 40,3° | mittags | 276,0 “ = 13. ” 41 ‚0 h ” FE » SR, | 1427, .2)[40,2° R 2640| ;, 6 Pillen Nr. 3 15. „ 5%)[402°| nachm. | — h A TOR. 40,5 5 260.0 e — 1. „. 91398 | mittags | — s _ 19. „ . 1378°| abends | 262,0 hs — 20 N. 38,9 9 5 -- 5 5 Pillen aus ge- 21. 39,0 —_ trockneter Hef 922 ” =)[3940| nachm. | 253,0 I zen losoe|., _ ; a BA. N. 39,30 | mittags | — Ef y Do — |morgens| — in P | 20ER, 38,80 | abends | 249,0 x (0,001 &g N in ale 37,7%°| nachm. | — 4 ı| Form von | ne " 1) 38,0° & e | a IN, — |morgens| — auszugm.Rei 30x 38,5° | mittags | 229,0 n semischt 1) Das linke Auge tränt, es schieben sich gelblichweisse feste Stücke unter dem Augenlid hervor. 2) Auch das rechte Auge tränt. 3) Das Tier reckt öfter den Hals und sperrt den Schnabel dabei auf, vermutlich hat es Atemnot. Im Hals befinden sich diphtherische Beläge, die zweimal täglich mit verdünnter essigsaurer Tonerde betupft werden. Die Augen werden täglich mit H,O ausgewaschen. 4) Das Tier verhält sich sehr ruhig. Die Augen erscheinen klarer. 5) Der Belag im Hals geht zurück. 6) Der Belag nimmt wieder zu, auch sind die Augenlider entzündeter. Herstellung der Pillen: 2 & getrocknete Hefe + 2 g gekochter Reis ge- mischt und 55 Pillen daraus geformt. ‘ 7) Es wird eine Besserung der Augen und ein Schwinden des Belages festgestellt. 8) Das Tier erholt sich, die Besserung hält an. 9) Das Tier verhält sich sehr ruhig. 10) Die Augen sind noch entzündet, auch ist der Belag noch nicht ganz . geschwunden. 304 Emil Abderhalden: >» Temperatur-| S | messung je: Art der Fütterung 7 {eb} Datum 8 EN En 5 33 | © | 2 (Geschiitt | as% S In eschliff. - | 3 E 3 4 S = Bas | Hefepillen Hefeextrakt ol. Mai !)| 37,7° |morgens| — Geschlitt, 6 Pillen Nr. 3 2. Juni 2)| 38,7% | mittags | 206,0] Reis 5 Dr) R 201,0 | E 4. Messung der Körpertemperatur bei Kontrolltauben. Nr. 1. Kontrolltaube mit bronzefarbenem Gefieder. Normalfütterung. Temperaturmessung Temperaturmessungs Datum Fan Datum 5 r m Schnabel . Im Schnabel . gemessen Tageszeit gemessen Tageszeit 5. Febr. 38,2 abends ale 39,0° mittags ba 38,8° 3 Ikeb 2 38,59 r TU 38,00 5 ale 38,9 Z 8.5; 388,20 | mittags 23. en ST * LOSE 38,8 abends DD 39,30 s I 38,0° 3 DO 40,50 # 1200: 38,0 e 3.505; 39,00 | nachm. away, 38 k 4. April SO A JAH Sale N E SE 400° | mittags lo, 39,50 | mittags ee AL ee ., 39,3 abends 17. 40,89 | morgens ON 39,09 mittags 23h 40,20 nachm. DE ge 39,0° abends 2 39,9° " 202; 39,59 & 2. Mai 40,3 ° 5 2) 38,90 " Kies a 39,50 mittags Dal, 38,10 mittags De 39,3 : 24. ,„ 40,0° a, Id 40,0° abends DO 40,0° h A 39,5 nachm. 26, 41,0° abends ZEN, 38,50 a DU AN 40,2 mittags 2. Juni 39,8 2 23.00 40,0° 4 RN 395° | morgens 1. März 405% R lan 400° | _nachm. SER 40,0° N Wk 9% 40,3° 5 a a san | = Eu 39,59 R Re Sal 5 SHOT 40,49 a Sn 39,0° x 7. Juli 40,0° 4 Id, 5 39,0° | % 14. ,„ 89,3 mittags I, Br nr Oleaaan 40,0° nachm. 12. 39,5 26. 40,6 Käfig. 2) Die Augen sondern wieder stärker Eiter ab. ” 1) Das Tier sitzt mit gesträubtem Gefieder und eingezogenem Kopf im 3) Das Tier ist sehr matt und verendet mittags. Die Sektion ergab starke Abmagerung und Diphtherie. % Een N VER u Weitere Beiträge zur Kenntnis von organischen Nahrungsstoffen usw. 305 Nr. 2. Kontrolltaube mit grauem Gefieder und zwei schwarzen Streifen auf den Flügeln. Normalfütterung. Temperaturmessung Temperaturmessung Datum Tyan | Datum EEE Im Schnabel 5 Im Schnabel Bir gemessen agezell gemessen | Nasazelt 5. Febr. 39,0 abends 13. März 39,5 mittags 0 380 » In, 40,0° » wessen. R Ba 40,30 SR 380° | mittags 2; Sg | OS 38,59 abends 2320, 40,0%. ü Inne 39,0° 5 BO, 40,8 ° 5 sen, 39,8 H SE, 38,8 nachm. tor, 40,0 ° 4. April 39,8° e 14, 40,5 ° h re 40,5 ° mittags an 40,0 ° “ mittags lDarE 40,3 ° R ME 41,0° abends nat, 40,3° morgens on, 40,0° mittags 2a 40,5 nachm. 1a, 40,3° ‚ abends DIENT, 40,0 V Br a. 41,00% | i 9. Mai 39,50 \ De 77, 40,0% 5 N, 40,3% mittags Ban 40,5% ° | mittags 1233. %, 40,0 5 DAN, 40,0° “ Le 39,0° abends DDR, 40,0° A RR: 38,8 nachm. 20 40,8 ° ‚ abends RS 40,0° mittags DI 40,5 ° , mittags 2. Juni 40,0 ° " DON: 40,0° | ” EN 40,0° morgens l. März 40,2° | 5 Las es, 39,9 ° nachm. SO 40,09%. 5 es 40,0 ° h Br 38.0 ° 2 DIENSE 39.0 h DS 38,0 ° H 30. 2 5 38,99 N Se. Baal a 27. Juli 39,59 5 10.05 3.02 7 = SR: 40,0° mittags Ina, 39,8 % 2 39,8 nachm. bye © SEN n 2er: 40,3° 3 Nr. 3. Kontrolltaube, Gefieder schwarz-weiss gesprenkelt. Normalfütterung. Temperaturmessung Temperaturmessung Datum ? Datum = & Im Schnabel . Im Schnabel m. 4.2: gemessen | Tageszeit gemessen Tageszeit 8. Febr 38,0 mittags 18. Febr 38,99 mittags U 38.0 ° abends I 38,9 ° abends ul 38,0° s AR 39,0° x ER 38,0 4 al, 38,8 & MN 37,50 5 220 u 320 miıtags ld. 38,49 5 24. , Seh N 3 lo... 38,50 mittags Dar "38,8° | kr Im, 38,59 abends 262 5 SED" abends Pflüger’s Archiv für Physiologie. Bd. 178. 20 306 Emil Abderhalden: Temperaturmessung Temperaturmessung Datum Datum en: 7 Im Schnabel . Im Schnabel - | gemessen Tageszeit gemessen Nagesze\ l | 27. Febr. 40,3° mittags 17. April 40,8° morgens Des 40,0 ° R Zoe s 41,0° nachm. 1. März 39,5 A DM ie; 39,8 a BE 40,0 ° Ki 2. Mai 41,0° 5 DEURE 39,3° e a 40,3 mittags REN, 39,0° % 12. 2 41,0° E SU 39,5 » lu 3% 40,0° abends OR 40,0° is DD 40,5 ° nachm. ThlaRe 40,3 5; DH. 40,3° mittags Ran 40,0° h 2. Juni 41,0° 5 Dan 40,5 > ER 39,8° morgens Sr. 3 40,3° x an 40,5° | nachm.- Ne Re 40,0° % Ile 402° > Ba 39,5 4 I 38.0 Ä DDSAN, 40,30 $ IN a 2, 39,20 : DON ICH 41,0° x 7. Juli 39,4 5 al 39,0° nachm. ER) 39,0° mittags 4. April 39,8° e 125902 ae S Sm 400° | mittags aa) 39,09 | a RUNEN Ana 4 I! Nr. 4& Kontrolltaube, braun-weiss gefiedert. Normalfütterung. Temperaturmessung Datum Im Schnabel . gemessen Tageszeit 12. Febr. 3800 abends SE 38,09 iR 14. 39,90 8 lo900: 39,0 mittags bar 38,9 ° abends TSrE 38,20 mittags OR 38,8 abends 20 39,00 a lan 38,09 5 2a 38,6 mittags DAN, san : 28.05 39,00 n DO 39,5 abends DIA 40,0 mittags DR 40,0° ir 1. März 39,7° 5 Bu 40,0° h ba, 39,5 R RT 39,90 x 8. ” 39,9 p 2 Boden, das Gefieder ist gesträubt. 2) Das Tier verendet. 3) Das Tier ist tot. Temperaturmessung Datum | Im Schnabel { | gemessen Tageszeit 10. März 40,0° mittags ns 40,0 rn 12. „ 39,7 2 ” SEN 39,50 N INS Re 40,0 5 leer, 40,3 ° = 23 “ 39,8° 3 PR ll 40,0 x DS 40,9° . 3. 38,99 abends 4. April 40,0° nachm. Se 40,5° ı mittags aa 410° | Y RN 40,2° , morgens Dale. 41,0° | nachm. Dar 41,00% | N 9. Mai 40,3 | a Te 41,0° , mittags 12. ” 40,8 4 | ” 17. » 3) TER | BR 1) Die Taube macht den Eindruck eines kranken Tieres, sie sitzt still am une Yeti a u u cc ie > EZ nl 1 U a a Et = Weitere Beiträge zur Kenntnis von organischen Nahrungsstoffen usw. 307 Weitere Versuchsergebnisse müssen über manche sich anknüpfende Fragen Aufschluss geben. Als Hauptergebnis der Versuche ist an- zuführen, dass weder mit absolutem Alkohol noch mit Aceton noch mit Aceton und absolutem Alkohol die Nu- tramine aus der Hefe vollständig entfernbar sind. Während es nicht möglich ist, mit dem Extrakt plus geschliffenem Reis für längere Zeit ein vollwertiges Nahrungsmittel herzustellen, gelingt es ganz glatt, wenn man die extrahierte Hefe dem Reis zusetzt. Es beruht dies wohl darauf, dass die Nutramine in der Hefezelle in ge- bundener Form vorhanden sind und das Produkt in den erwähnten Lösungsmitteln unlöslich ist. Sehr wenig wahrscheinlich ist die An- nahme, dass die Nutramine in den erwähnten Lösungsmitteln ausser- ordentlich schwer löslich sind, und wir deshalb nur einen Teil davon ex- trahieren konnten. Diese Annahme ist eigentlich schon dadurch wider- lest, dass wir bis zur vollständigen Erschöpfung auszogen und uns überzeugten, dass schliesslich nichts mehr in Lösung ging. Auf alle Fälle kann man aus dem Versuch schliessen, dass die Nutramine oder doch einige davon in der Hefezelle in zwei Formen vorhanden sind. Ein Teil löst sich in den erwähnten Lösungs- mitteln und zeigt spezifische, jedoch nicht vollwertige Wirkung. Ein anderer Teil ist unlöslich. Der extrahierten Hefe kommt wenigstens für längere Zeit ein voller Wert als Ergänzung des geschliffenem Reises zu. Als besonders wichtige Beobachtung sei nochmals hervor- gehoben,dass bei allen Versuchen die Tauben im Anschluss an die Verfütterung von geschältem Reis und extrahierter Hefe viel rascher erkrankten, obwohl per os das Hefe- extrakt zugeführt wurde, wenn die Kost ausschliesslich aus geschliffenem Reis bestand, als wenn die gleichen Tiere von gewöhnlicher Nahrung zur Reisnahrung über- seführt wurden. Man gewinnt den Eindruck, als ob die normalen Tiere über eiuen gewissen Vorrat an jenen un- bekannten, Nutramine genannten Stoffen verfügen, der während der reinen Reiskost allmählich aufgebraucht wird. Dabei zeigt sich, dass die verschiedenen Individuen sich verschieden verhalten und nach sehr verschiedenen Zeiten erkranken. Die Untersuchungen, bei denen mich Frl. Burkhardt unter- stützte, werden nach verschiedenen Richtungen ausgebaut und ergänzt. Es sollen noch eine Reine von Lösungsmitteln geprüft werden. Die Fragestellung ist, ob irgendein Lösungsmittel der Hefe und anderen nutraminhaltigen Produkten die Nutramine oder doch das eine oder andere davon ganz entziehen kann. Ferner soll geprüft werden, ob durch Abbau der Hefe ihre Bedeutung 20* 8 308 Emil Abderhalden: Weitere Beiträge usw. als Ergänzung der Reisnahrung eingeschränkt oder sar aufgehoben wird. Es ist zu hoffen, dass durch diese Forschungen Licht über das Wesen der Nutramine und ihre Rolle im Stoffwechsel verbreitet wird. Sobald die äusseren Verhältnisse sich bessern, sollen Stoffwechsel- versuche die einzelnen Beobachtungen ergänzen. Schliesslich sei noch auf das Verhalten der Körpertemperatur hingewiesen. Ihre Verfolgung bietet ein wertvolles Mittel, um den Zustand der Tiere zu verfolgen. Den Krämpfen geht ein Fallen der Körper- temperatur voraus. Es wird von Interesse sein, den Beziehungen zwischen diesem und den nervösen Erscheinungen nachzugehen. Ist das Fallen der Körpertemperatur durch vermehrte Wärmeabgabe oder herabgesetzte Wärmeproduktion bestimmt? Manche Beobachtungen sprechen für eine Paralyse der Gefässmuskeln, doch wollen wir noch keine bestimmten Schlüsse ziehen. er Autorenverzeichnis. Abderhalden, Emil, Weitere Bei- träge zur Kenntnis von organischen Nahrungsstoffen mit spezifischer Wirkung. S. 260. de Boer, Dr. S., Eine neue Theorie über das Entstehen von Kammer- wühlen. S. 1. Fleisch, Dr. Alfred, Der Einfluss | rhythmischer Druckschwankungen | aufdie Widerstandsverhältnisseim | Gefässsystem. S. 31. Henning,Dr. Hans, Optische Ver- suche an Vögeln und Schildkröten über die Banane der roten Öl- | kugeln im Auge. S. 91. des Kenn, A., und Magnus, R | 7 Über die Ünabhängiskeit der La- | byrinthreflexe vom Kleinhirn und über die Lage der Zentren für die Labyrinthreflexe im. Hirnstamm. S. 124. de Kleijn, A., und Magnus, R,, Tonische Labyrinthreflexe auf die Augenmuskeln. 8. 179. Lewin, L.. und Stenger, E., Der Farbstoff der Mitteldarmdrüse des Flusskrebses. S. 80. Meyer, Dr. G., Die Diskontinuitäts- flächen der menschlichen Linse. Sr) Neuschlosz,S.M., Untersuchungen über die Gewöhnung an Gifte. II. Mitteilung. Die Festigkeit der Protozoen gegen Farbstoffe. S.61. Neuschlosz, S. M., Untersuchungen über die Gewöhnung an Gifte. IH. Mitteilung. Das Wesen der Festigung von Protozoen gegen Arsen und Antimon. S. 69. Popielskı, Prof. Dr. T., B-imid- azolyläthylamin und die Organ- extrakte. Erster Teil. ?3-imid- azolyläthylamin als mächtiger Er- reger der De S. 214. Popielski, Prof. Dr. B-imid- azolyläthylamin und =. Organ- extrakte. Zweiter Teil. Einfluss der Säuren auf die die Magensaft- sekretion erregende Wirkung der Organextrakte. S. 237 Wilmers, Dr. Josef, Chemische Reizung und chemische Kontrak- tur des quergestreiften Muskels. S. 198. Pierersche Hofbuchdruckerei Stephan Geibel & Co. in Altenburg. IN | | E 0575 3.9- H 2% Op “ "4 ge VAL . 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