BR Na DR 1% se . un BD 5 3 u we + , we ” = 3 WERL) LER, x RSS 24 E Pen} „® er ee d A Dad i ” 7 2 w Fk “ a RER ern I . RR ze N Rh wre een lt: e £ ON ehe fi ns PC ie Di Ur er Ch “ \ CE SLER Ro hl rt Ey} [3 .’; DARF A EL » KR N NEE IEK, . 2 Dar a s Ar = Yx PER Ci i 2% Ph er et, 4 i ELITE 2% RER DEN LER REN 3 ne “. un, DE y 7 AH EHESHERRE PL PIRSOH f AR LE, BOCH ee 2 f} RN sr ‘ DR ARD ee Br a? ne ar F a N wet tee “ . f te RL hy) 2 IN, IE N rs 2% “ 7 ; WEN LE KL EREK Mr LE h a ’ ” n. LER DE iD Dh DR . NETT, a, o x ni WOCHEN rer Se “ R BER BRPERECHEIL BEN DIE RD A DI. 566 .” Be Di - Hut ae RER RL "; ir, PR CET tr 26: - DRORDEOSEERERITEE: r EN Ex 4 Eu er PFLÜGER® ARCHIV FÜR DIE GESAMTE PHYSIOLOGIE DES MENSCHEN UND DER TIERE HERAUSGEGEBEN VON E. ABDERHALDEN A. BETHE R. HÖBER HALLE A. S. FRANKFURT A. M. KIEL 193. BAND MIT 262 TEXTABBILDUNGEN BERLIN VERLAG VON JULIUS SPRINGER 1922 Inhaltsverzeichnis. { Een Seite Lasareff, P. Untersuchungen über die Ionentheorie der Reizung. lonen- theorie der Reizung des Gehörorgans . .. I ER N 1 Spiegel, E. A. Untersuchungen über den Muskeltonus. I. Mitteilung. Der Weg der tonischen Innervation vom Zentralnervensystem zum Muskel. (Mit 2 Textabbildungen.) . . . . . 7 Scheunert, Arthur und Fritz Kiok. Zum Mec hanısmus der Magenv el ung beim Omnivoren. (Mit 37 Textabbildungen) . . .. 16 Müller, Erwin. Die monokulare und binokulare Reizschwelle ar dunkel- adaptierten Augen. (Mit 2 Textabbildungen) . . . ._ MEERE LT ZI Rosencrantz, Hans. Der Gaswechsel des curarisierten Frosche hes. / I, Weil: Die Kohlensäureabeabe . Se lo EEE ME ETF TO 39 Abderhalden, Emil und Ernst Gellhorn.. Weitere Untersuchungen über die von einzelnen Organen Dauer en acnon Substanzen mit spezifischer Wirkung. VI. Mitteilung. (Mit 22 Textabbilduneen) ... .. 147 Asher, Leon. Über die chemischen Voreanen bei den antagonistischen Nervenwirkungen . . SR SAN PONE LT) SE S4 Ehrenberg, Rudolf und Alfred Karsten. Harneisen und Nierenfunktion (Mit 2 Textabbildungen) . . A VER EDER TE ERNEST s6 Kolmer, W. und Ferd. Scheminzky. Ernährungsversuche an Kaulquappen und die Bedeutung des Tryptophans. (Mit 2 Textabbildungen) ... 9 Rothlin, E. Über den Einfluß von Corpus-luteum-Extrakt auf die Erythro- poese bei künstlich anämisierten Kaninchen . . .. 2.2.2... ...102 Bethe, A. J. Rich. Ewald. (Mit: 1 Porträt) ..... 109 Groebbels, Franz. Der allgemeine Aufbau des Ernährungssystems der nervösen Zentralorgane im Lichte der Chloridmethode. (Mit 16 Text- alb huldume:e N) gr Es RT A N NER OR HN: 128 Steinhausen, W. Über Stromdichtebestimmung und die Beziehung der Stromdichte zum Erreeungsvorgang. (Mit 5 Textabbildungen) ... . 171 Loewi, ©. Über humorale Übertragbarkeit der Herznervenwirkung. II. Mit- teilunege Nt2oRBextapbildungen) re ae 20l Müller, Helmut. Bestehen Unterschiede in der aan des Frosches und der Warmblüter? . . . 214 Caspary, Hans und Karl Goeritz. Die Synergie von Akkommodation und Pupillenreaktion. (Mit 2 Textabbildungen) . . . . } DS 00225 Lasareff, P. Untersuchungen über die lonentheorie der Reizung. II. Mit- teilung. Die Ionentheorie der Reizung und die Pflügerschen Gesetze. (Mit 1 Textabbildung) .. .. 231 Abderhalden, Emil. Weitere Forschungen über die Senkungsgeschwindig- keit der roten Blutkörperchen bei gleichen und bei verschiedenen Tier- arten und unter verschiedenen Bedineungen. II. Mitteilung. (Mit 63lextabbildungenwe te a ae ne 3 Sternschein, E. Beitrag zur Untersuchung der Beziehungen zwischen Halssympathieus und Pupille ... . . 281 Binswanger, Friedrich. Über Einwirkung der Kohlensäure auf den Blut- zucker im Organismus . . 296 Voelkel, Hermann. Die Beziehungen des Ruhestromes zur . Erregbarkeit. II. Mitteilung. Versuche am Froschrückenmark. (Mit 3 Textabbil- GUNTER ER N een Zwaardemaker, H. Uber Fehlermöglichkeiten beim Vornehmen radio- Physioloesscheis Untersuchungen a al Ko IV Inhaltsverzeichnis. Takahashi, N. Untersuchungen über die tonisierenden und trophischen Funktionen des Sympathieus A a ER E E Abderhalden, Emil. Weitere Beiträge zur Kenntnis von organischen Nahrungsstoffen mit spezifischer Wirkung. XI. Mitteilung. Versuche an Tauben. (Mit 28 Textabbildungen) EN VE Nr A Abderhalden, Emil. Weitere Beiträge zur Kenntnis von organischen Nahrungsstoffen mit spezifischer Wirkung. XII. Mitteilung. Verglei- chende Untersuchungen über das Verhalten des Gewichtes und des Wassergehaltes von einzelnen Organen bei Tauben, die normal ernährt wurden. bzw. ausschließlich geschliffenen Reis mit und ohne Hefezusatz erhielten, bzw. vollständig hungerten. (Mit 2 Textabbildungen) Arai K. Cholin als Hormon der Darmbewegung. VI. Mitteilung. Experi- mentelle Therapie der Magendarmlähmung nach Peritonitis und Lapar- otomie. ‚(Mit 12 Textabbildungen) Magnus, R. Körperstellung und Labyrinthiefexe. beim Atfen. (Mit 5 Text- abbildungen) Ba EC Enen nen Reha Kal Le Essen er N. A. Bolt und P. A. Heeres. Physikalisch - chemische Untersuchungen über die Bildung der Gallensteine. I. Der Einfluß der Zusammen- setzung der Durchströmungsflüssiekeit auf die Geschwindigkeit der (zallenabsonderung und auf die Bildung von Gallenkonkrementen . Chou, 8. 8. und Co. Dieter. Zur De der Capillaren am Nagel- wall gesunder Personen . . .. RE Be BEA Rossi, Gilberte. Über die Untersuchungen von Dr. Marcus Maier und Hans Lion: Experimenteller Nachweis der Endolymphbewegung im Bogengangsapparat des Ohrlabyrinthes bei adäquater und calorischer Reizung. „Pflügers Archiv .Bd. 187, S. 47. 1921 ES Atzler, Edgar und Gunther Lehmann. Weitere Untersuchungen "üben, den Einfluß der Wasserstoffionenkonzentration auf die Blutgefäße unter besonderer Berücksichtigung des Pufferungsgrades der Durchströmungs- füssiekeit. (Mit 3 Textabbildungen) NE OR PEN Se IE Stern, Kurt. Über den Fleischleffekt bei Pflanzen. (Mit 5 Textabbildungen) Beck, Otto. Die gesamte Kraftkurve des tetanisierten Froschgastrocnemius und ihr physiologisch ausgenutzter Anteil.- (Mit 6 Textabbildungen) . Liljestrand. @. und R. Magnus. Die Wirkung des Kohlensäurebades beim (Gesunden nebst Bemerkungen über .den Einfluß des Hochgebirges. (Mit 2 Textabbildungen) . . Me Gellhorn, Ernst. Beiträge zur vergleichenden Pi solosie der Sharan zoen. II. Mitteilung. Weitere Studien über Salzwirkungen. Mit 10 Textabbildungeen) . . ... 5 Gellhorn, Ernst. Beiträge zur vergleichenden: Physiologie der Sperinae: zoen. III. Mitteilung. Weitere Studien über Salzwirkungen, beson- ders über Blektrolytgemische. (Mit 16 Textabbildungen) . Be Allers, Rudolf und Fanny Halpern. Wechselwirkungen gleichzeitiger Erregung mehrerer Hautsinne. I. Mitteilung. Die Beeinflussung der Tastschwelle durch die Hauttemperatur. (Mit 5 Textabbildungen) Schleier, J. Der Einfluß gefäßerregender Mittel auf die Elastizität der Arterienwand. (Mit 7 Textabbildungen) Hering. Das anatomische Substrat der. omas der Wirbeltiere x nicht die Ganglienzelle .... . "ar Abelin, I. Zur Frage der Wirkung jodierter Eiweißkörper auf Metamor- phose von Froschlarven Autorenverzeichnis . Seite 322 329 wo [2i1 a 359 396 449 459 462 555 576 595 610 621 624 626 Untersuchungen über die Ionentheorie der Reizung. Ionentheorie der Reizung des Gehörorgans. Von Dr. P. Lasareff, Mitglied der Akademie der Wissenschaften zu Petersburg, Professor der Universität und Tech- nischen Hochschule zu Moskau. (Aus dem Physikalischen Institut des wissenschaftlichen Instituts zu Moskau.) (Eingegangen am 1. Juni 1921.) Wie ich in meinen früheren Arbeiten nachgewiesen habe!), gestattet die Ionentheorie der Reizung sowohl die Gesetze der Reizung der Nerven und Muskeln, als auch die Gesetze der Reizung des Gesichtsorgans beim Dunkelsehen zu entwickeln. Dabei wurde vorausgesetzt, daß wir die minimale Erregung durch ein bestimmtes Verhältnis der Konzentration der erregenden Ionen C, und der erregungshemmenden Ionen (©, be- stimmen können. Bei minimaler Erregung muß Cı ro, sein; Ü, und X sind Konstanten [Loebsches Gesetz?)]. Es wäre inter- essant, das Loebsche Gesetz auch auf die Gehörempfindungen auszu- dehnen, und die Anwendung dieses Gesetzes auf die minimale Erregung des Gehörörgans stellt die Aufgabe der nachfolgenden Arbeit dar. X (1) Allgemeine Theorie. Wie die Untersuchung von Helmholtz über die Einwirkung der Phasendifferenz der Obertöne auf die Klangfarbe zeigt, hängt die !) P. Lasareff, Pflügers Arch. f. d. ges. Physiol. 135, 196. 1910; 154, 459. 1913; 155, 310. 1914. ?) Man kann dieses Gesetz sehr leicht mathematisch ableiten. Nehmen wir an, daß bei der minimalen Erregung ©, — 9 (C,) sein muß. Wir können die Funktion y in eine Reihe entwickeln und bekommen daraus (©, = (0) + C, (0) +..... oder, wenn (0) = M und 9’(0) = N und C, klein ist, so muß M + NO, —=(, sein und schließlich a —N oder, wenn N=K und a = (OS ac —EKGE) M N oz: 0, P= N . Ptlügers Archiv f. d. ges. Physiol. Bd. 193. 1 2 P. Lasareff: Empfindung eines komplizierten Schalles von einer einfachen Resonanz- erscheinung in den schwingenden Teilen des inneren Öhres ab!). Die Untersuchungen von M. Wien über die Empfindlichkeit deckten indessen gewisse Eigentümlichkeiten. auf, und zwar, daß die relative Größe des Empfindlichkeitsmaximums seinen Versuchen gemäß der An- nahme einer einfachen mechanischen Resonanz als Ursache der Reizung im mittleren Ohr. nicht entspricht. Später hat Waetzmann gezeigt, daß der Unterschied nicht so groß zu sein braucht, wie es Wien gefunden hat; dennoch blieb aber die beobachtete Abnahme der Empfindlichkeit unerklärt. Ferner war es unverständlich, auf welche Weise die sehr schwachen Schwingungen, welche im Ohr entstehen, auf die Nerven mechanisch einwirken können. Deshalb habe ich im Jahre 1910 auf das mögliche Vorhandensein eines Hilfsmechanismus hingewiesen, welcher die Schwingungen der Cortischen Fäden durch einen chemischen Prozeß, bei dem Ionen aus- geschieden werden, in eine Reizung der Endapparate des Nervus acusticus überführt. Ein derartiger Prozeß kann meiner Vorstellung gemäß darin be- stehen, daß die auf den schwingenden Cortischen Fäden befindlichen Zellen mit einer für Schallschwingungen empfindlichen Substanz ver- ‚sehen sind, welche die Eigenschaften von explosiven Stoffen hat, durch mechanische Schwingungen chemisch zerlegt zu werden. Ferner werden wir annehmen, daß es eine Schwingungsperiode gibt, bei welcher die für die Zerlegung erforderliche Energie ihr Minimum erreicht. Indem wir von solchen Vorstellungen ausgehen, können wir die Gleichung für die Zerlegung bei einer phonochemischen Reaktion (unter Schalleinwirkung vor sich gehenden Reaktion) im Ohr bilden. U bezeichne die Schallintensität in dem äußeren Medium; dank den mechanischen Eigenschaften der Fäden geht ein von der Wellenlänge abhängiger Teil derselben n in die Schwingungsenergie der Fäden U, über, so daß U, = nÜ ist. Wird nun auf die Zelle mit einer bestimmten Schwingungsperiode eingewirkt, so ist die für den phonochemischen Prozeß verwendete Energie U, —= mU,, wobei m ebenfalls von der Schwingungsperiode abhängig ist; daher ist U, = mn U. Ferner nehmen wir an, daß die phonochemische Zerlegung U, proportional ist; bezeich- nen wir den Proportionalitätsfaktor mit 5, und betrachten wir die reine Schallreaktion als Reaktion erster Ordnung, so erhalten wir, daß ihre !) Vgl. die Einleitung von R. Wachs muth zu der letzten Auflage der ‚Lehre von den Tonempfindungen“ von H. v. Helmholtz. Gleichfalls P. Lasareff, Untersuchungen über die Ionentheorie der Reizung, S. 136—142. Moskau. 1916 (russisch). Recherches sur la theorie ionique de l’exeitation, S. 139—144. Moskou 1918. Untersuchungen über die Ionentheorie der Reizung. 3 Geschwindigkeit v, = PR,mnÜUC ist, wobei € die Konzentration der schallempfindlichen Substanz bezeichnet. Durch diese primäre Reak- tion in den auf den Cortischen Fäden liegenden Zellen nimmt die Kon- zentration der Zerfallsprodukte O7 zu, andererseits entsteht ein Prozeß in den Zellen, der die Neubildung der tonempfindlichen Substanten hervor- ruft. Dieser Prozeß muß mit verschiedener Geschwindigkeit bei der Einwirkung des Tones und in der Stille vor sich gehen und hat nach unserer Vorstellung mit der Geschwindigkeit — ß,C7 zu verlaufen (oder — ß,C% in der Stille). Daraus bekommen wir A pmnUC— 8,0, Beim Gleichgewichtszustand dc’ | die | ist re. (II) An der Reizschwelle muß nach Loebs Gesetz 0) = B = konst.; di Nee : 1 : PımnC ie Empfindlichkeit E = U gleich E = BB so, wie die Konzentration von Sehpurpur im Auge verändern, und von dieser Veränderung hängt die Erscheinung der Adaptation ab. In der Stille wächst C an, unter der Wirkung des Schalles verringert es sich; angenommen, daß C' bei Restitution proportionell zu ©, — € ist, so haben wir: sein; C muß sich genau de un - N. wobei C,, und f, konstant sind. Die Restitution des Stoffes nach an- haltender Tätigkeit drückt sich durch die Gleichung @E_ EHE euc.,) (II) aus, wenn bei i = 0 C praktisch gleich Null ist. Aus der Gleichung (III) und (II) sehen wir, daß die Empfindlichkeit des Gehörs nach starker Schalleinwirkung nach der Gleichung verläuft E-H (le), (IV) PB wenn E, die maximale Empfindlichkeit bei £ = ist, so muß E BR — —=1-e" IVa 5, € (IVa) sein. 4 P. Lasareff: Die Gehörsempfindlichkeit sinkt durch die Wirkung des Schalles infolge des Zerfalles der tonempfindlichen Substanz, und es beginnt jener Prozeß, den wir als ‚Ton- oder Gehörs-Adaptation“‘ benannt haben. Die Theorie derartiger Prozesse ist vollständig analog der, die ich für das Dunkelsehen gefunden habet). Auf diese Weise finden wir, daß die Gehörsempfindlichkeit nach Einwirkung eines Schalles von der Ton- stärke U, und von gleicher Höhe und während des Zeitintervalls r durch folgende Formel ausgedrückt wird: | PımnÜ, - (fı mn, + ß,)r]| mM 1 We 1 Be 1 2 ] Ps B a. J oder nach einfachen Rechnungen: De PımnC, EDEN Pa m’ n? 016 2, Gum, ua B(PımnÜU, + Ps) (PımnÜ,-F Pa) zB Auf diese Weise hat die Gleichung der Tonadaptation folgende Form: I a (Va) wobei A, B und R bei konstanter Tonstärke konstant sind. Wenn U, und r genügend groß sind, so daß e *” praktisch Null ist und f, im Verhältnis zu ,mnÜU, klein wird, so ist: (V) E— 5 oder | BUN = — konst. (VD In der Literatur finden wir die von Urbantschitsch?) ausgeführ- ten Untersuchungen, welche einen vollkommen qualitativen Charakter, haben. Deshalb wäre es interessant, die Adaptation quantitativ zu erforschen und P. N. Belikov hat im physikalischen Institut des wissenschaftlichen Instituts die Versuche mit der Gehörsadaptation gemacht. Die Methode war folgende: der Schall, der die Adapta- tion hervorruft, ebenso wie derjenige, welcher die Gehörsempfind- lichkeit feststellt, wurden durch ein Telephon erzeugt, welches von Wechselstrom genährt wurde. Als Quelle für den letzteren diente ein Generator ungedämpfter Schwingungen in der Art, wie er für Funken- telegraphie angewendet wird. Mit dem Schwingungskreise wurde in- duktiv ein Telephon mit Rheostat verbunden, welcher die Tonstärke im Telephon änderte; in die Kette des Telephons wurde ein Thermo- element eingeschaltet, das mit einem Galvanometer verbunden war, welches das Quadrat der Stromstärke im Telephon maß und die Ton- stärke des Telephons in relativen Einheiten feststellte. Das Telephon, welches zur Feststellung der Gehörsempfindlichkeit bestimmt war, !) P. Lasareff, Pflügers Arch. f. d. ges. Physiol. 155, 310. 1914. ®) V. Urbantschitsch, Pflügers Arch. f. d. ges. Physiol. 24, 574. 1881; 25, 323. 1881; %7, 436. 1882; 31, 250. 1883; 42, 154. 1888; 106, 93. 1905; 110, 437. 1905. Untersuchungen über die Ionentheorie der Reizung. 5 befand sich in einer Entfernung von 5—6 m vom Beobachter, der die Tonstärke des Telephons vermittels des Rheostats änderte. Um eine größere Schwächung des Tones zu erzielen, wurde die Membran des Telephons mit einigen Schichten Watte und einer Platte mit kleine: runder Öffnung bedeckt, aus welcher der Ton herauskam. In folgenden Tabellen geben wir die Resultate einiger Beobachtungen, welche wir aus einer großen Anzahl von Untersuchungen geschöpft haben. Nachdem das Gehörorgan während 3 Minuten durch starken Schall ermüdet (adaptiert) worden war, wurde die Wiederherstellung der Gehörsempfindlichkeit beobachtet, t bezeichnet die Wiederher- stellungszeit der Formel (IVa) entsprechend. Tabelle I. (P. N. Belikov.) Bs = 0,05. t (sec.). . A 6 10. 90713 15 208 1—er®' 018) 0.26 | 0,39 | 048 | 0,53 | 0,62 | 0,64 m: | Ola | 0,23 | 0,42 | 0,40 | 0,73. | 0,71 | 0,64 n | Tabelle II. (G. S. Wassiliev.) Bs = 0,08. (ee) 6 7 12 17 23 DOW DE 130 A| | | De 20 | 0,09. | 0,162 0.19 | 0,30. 0.40 | 0,50 | 0,52 | 0,56 | 0,59 E | | | se 0.14 | 020 | 0,28 | 0,42 | 0,50 | 0,66 0,50 | 0,60 r | | Tabelle III. (P. N. Belikov.) Dss— 0.012: t(sec.). . | 23 28 43 49 61 ee 20:30 20:34 | 047210:59 \ 9,60 E | a 2 10:285 10:59 0.04381..01502. 7.062 E, Tabelle IV. (G. S. Wassiliev.) DE—A0T. Beee)a 5 oz | 10,2. 12 13 16 20 23 | 25 1-e’®*| 0,39 | 0,85 | 0,50 | 0,63 | 0,70 | 0,73 | 0,80 | 0,86 | 0,90 | 0,92 E | | | Ir char) m::::,032|050|0@ | 0,58 | 0,53 | 0,62 0,64 | 1,00 | 0,90 | 1,00 0 | | | | | | Wie aus den Tabellen zu ersehen ist, stimmen Theorie und Experi- ment in genügender Weise überein; P, ist verschieden nicht nur bei ver- schiedenen Beobachtern, sondern verändert sich von Tag zu Tag bei ein und demselben Beobachter, wie aus dem Vergleiche von Tabelle I und Tabelle III sowie Tabelle II und Tabelle IV zu ersehen ist. 6 P. Lasareff: Untersuchungen über die Ionentheorie der Reizung. Die Verringerung der Gehörsempfindlichkeit, welche durch den Ein- fluß des Schalles hervorgerufen wird, wird in den Formeln (V) und (Va) ausgedrückt. In den folgenden Tabellen geben wir einige Resultate, die einer großen Anzahl von Beobachtungen entlehnt sind. Tabelle V. (P. N. Belikov.) E (berechn.) = 0,03 + 0,179 - e = 97? = (Min.).. ...)0,0, 051120. |15, |20 225° |30 35. 402 150 E (beob.) . . | 0,209 | 0,176 0,133 | 0,100 | 0,082 | 0,059 | 0,041 0,046 | 0,043 | 0,040 E (berechn.). | 0,209 | 0,155 0,119 | 0,094 | 0,075 | 0,064 | 0,052 | 0,046 | 0,041 | 0,039 Tabelle VI. (G. S. Wassiliev.) E (berechn.) = 0,05 + 0,95 e” 47 7 (Min.). 0:0 .0,52.1150..) 20030 E (beob.) ...| 1,0 | 0,16 | 0,08 0,06 | 0,05 E (berechn.).| 1,0 | 0,19 0,07 | 0,05 | 0,05 Zum Schlusse wurde die Gleichung (VI), welche bei starkem Schalle existiert, experimentell geprüft, wobei bei allen Versuchen das Zeit- intervall gleich 3 Minuten war. Tabelle VII. (P. N. Belikov.) U, E RR, 50 | 0,17 8,5 102 | 0,07 7.1 204 | 0,045 9,2 EU, ist beinahe konstant. Bei allen vorhergehenden Experimenten war die Schwingungszahl des ermüdenden Schalles, sowie des Schalles, der E bestimmte, gleich 692. Die Übereinstimmung von Theorie und Experiment sind in voll- kommener Weise bewiesen. Es entsteht auf diese Weise eine vollkom- mene Analogie zwischen den Gesetzen der Gehörsadaptation und der Adaptation beim Dunkelsehen, wobei die Gleichungen, die diesen und jenen Prozeß ausdrücken, in der Form ein und dieselben sind. Zum Schluß möchte ich nicht versäumen, Herrn P. Belikov für die Montage des Generators ungedämpfter Schwingungen und seine Beob- achtungen, ebenso wie Herrn G. Wassiliev für seine Beobachtungen meinen Dank auszusprechen. (Aus dem Neurologischen Institut der Universität Wien [Vorstand: Professor Dr. ©. Marburg].) Untersuchungen über den Muskeltonus. I. Mitteilung. Der Weg der tonischen Innervation vom Zentralnervensystem zum Muskel. Von E. A. Spiegel, Assistenten am Institute. Mit 2 Textabbildungen. (Eingegangen am 2. August 1921.) Von den Anschauungen, die über den Weg der vom Zentralnerven- system zum Skelettmuskel geleiteten Regulation der tonischen Inner- vation in Diskussion stehen, mußte in einer früheren Mitteilung!) die Annahme einer durch den Sympathicus vermittelnden Tonusbeein- flussung abgelehnt werden. Denn in Versuchen, die in Gemeinschaft mit E. Sternschein ausgeführt wurden, zeigte sich, daß der Klammer- reflex des brünstigen Frosches, ein Reflex, der nach dem Fehlen eines meßbaren Aktionstroms [Kahn?), Fröhlich und H. Meyer?)]| zu urteilen, ein echter tonischer Reflex ist, auch nach Zerstörung der zum Plexus brachialis ziehenden Zweige des Grenzstranges unverändert bestehen bleibt. Die nächste Frage gilt der Rolle der efferenten Hinterwurzelfasern zur Skelettmuskulatur, eine Frage, die seit den Ausfübrungen Fran ks#) aktuell geworden ist. Frank meint, daß die nach Hinterwurzeldurch- schneidung zu beobachtende Abnahme des Tonus nicht bloß auf die Unterbrechung des afferenten Schenkels des spinalen Reflexbogens, sondern auch auf eine Aufhebung der vom Zentrum kommenden Er- regungen zurückzuführen sei, da es sich nach Sherrington?) bei allen !) Spiegel u. Sternschein, Pflügers Arch. f. d. ges. Physiol., im Erscheinen. Anmeıkung bei der Korrektur: Interessanterweise kommt Kahn im gleichen Heft an demselben Objekt wie wir zu ganz ähnlichen Schlüssen. ?) Kahn, Pflügers Arch. f. d. ges. Physiol. 19%, 294. 1919. ®) Fröhlich u. H. Meyer, Arch. f. exper. Pathol. u. Pharmakol. 8%, 173. 1920. 4) Frank, E., Berl. klin. Wochenschr. 1920, Nr. 31, S. 725. ?) Sherrington, Integrative Action of the Nervous System. London 1909, I) E. A. Spiegel: echten Reflexen um zentral vorgebildete Koordinationen handle, die auch nach Durchtrennung der afferenten Verbindungen sich hervorbringen lassen, während es angeblich nicht gelingt, nach Durchschneidung der pro- priozeptiven Nerven die Tetanus- und Enthirnungsstarre hervorzurufen. Hierzu muß allerdings bemerkt werden, daß nach H. Meyer!) auch nach Durchschneidung sämtlicher Hinterwurzeln von L.II abwärts noch typische Starre nach Tetanusvergiftung entsteht [vgl. hierzu Liljestrand und Magnus?)]. Als einen weiteren Beweispunkt seiner Hypothese führt Frank?) an, daß intramuskuläre Novocaininjektionen in Dosen, welche die motorischen Nervendigungen völlig unberührt lassen, das Physostigminzucken zum Verschwinden bringen. Diese Wirkung tritt noch auf, wenn jeder Weg über das Rückenmark, jeder reflektorische Vorgang unmöglich geworden ist, woraus er schließt, daß das Novocain durch Lähmung afferenter Nervenendigungen den Er- regungsstrom ausschaltet, welchen diese dem Muskel zusenden, mit anderen Worten, daß die sensiblen afferenten Nerven gleichzeitig efferente motorische sind. Nun haben allerdings Liljestrand und Magnus?) gezeigt, daß kleine Novocaindosen in den Triceps einer decerebrierten Katze eingespritzt, die Enthirnungsstarre vermindern, sich in diesem Stadium der Novocainwirkung noch kräftige Reflexe auf den Triceps hervorrufen lassen und auch die indirekte Erregbarkeit bei faradischer Reizung des Plexus brachialis unvermindert ist; auch Fröhlich und Meyer) haben, angesichts der Untersuchungen der holländischen Autoren ihre ursprüngliche Anschauung, daß die lokale Wirkung einer 1 proz. Novocainlösung auf den tetanusstarren Muskel auf eine gleichzeitige Lähmung der motorischen Nerven zurückzuführen sei, zurückgenommen. Damit bleibt aber doch der Einwand H. Meyers!) bestehen, daß der Einfluß des Novocains auf das Physostigminzucken vielleicht analog der Atropinwirkung am Darm dahin zu deuten sei, daß die abnorme Übererregbarkeit, die durch das Physostigmin an den motorischen Enden gesetzt wird, unter der unmittelbaren Novocain- wirkung zum Schwinden gebracht werden könne, ohne daß die Ansprech- barkeit der motorischen Endplatten für normale, zentrifugale Impulse noch geschädigt wird. Immerhin ist es merkwürdig, daß träge Bewegungen der Zunge nach Reizung des Nervus lingualis bei vollständiger Degeneration des Nervus hypoglossus erzielt wurden [Vulpian und Philipeaux?), Cyon®), Heidenhain?’)l. Wenn demgegenüber auch mit Meyer 1) H. Meyer, Med. Klinik 1920. Nr. 50. ?®) Liljestrand u. Magnus, Pflügers Arch. f. d. ges. Physiol., 1%6, 168. 1919. =),loc.cit. A).loc. cit. >) Vulpian, Lecons sur la physiologie du syst. nerv. Paris 1866, S. 289. 6) Cyon, E., Bullet. Acad. Imper. des sciences. St. Petersburg 23. II. 1871. ”) Heidenhain, Arch. f. Physiol. 1883. ; Untersuchungen über den Muskeltonus. 1. 9 darauf hinzuweisen ist, daß eine entsprechende Contractur der Gesichts- muskulatur bei degeneriertem Nervus facialis auf Reizung der aus den Vorderwurzeln stammenden Fasern der Ansa Vieusseni beobachtet wurde [Rogowiczt)], so haben doch die Versuche Sherringtons?) gezeigt, daß trotz Degeneration der aus den Vorderwurzeln stammenden Fasern des Nervis ischiadieus durch starke faradische Reizung dieses Nerven die pseudomotorische Reaktion an der Fußmuskulatur erzielt wurde, womit auch neuere Versuche von Rijnberk?®) in Einklang stehen ®). Eine experimentelle Prüfung der Richtigkeit der Frankschen?) Hypothese, für welche sich bei der Vieldeutigkeit biologischer Befunde unterstützende Gründe ebensogut wie Gegenargumente aus den Er- fahrungen der Literatur anführen lassen, erschien daher nicht unan- gebracht. Das experimentelle Studium der Richtigkeit dieser Anschauung stößt dadurch auf Schwierigkeiten, daß mit der Durchschneidung der Hinterwurzeln schon durch die Unterbrechung der zentripetalen Er- regungen der Tonus der gleichseitigen Extremität weitgehend herab- gesetzt wird, da die Zahl der die Mittellinie überschreitenden Kollateralen der Hinterwurzeln zu den Zentren efferenter Fasern zu gering ist, damit bei einseitiger Durchschneidung von den erhaltenen Hinter- wurzeln her der Tonus der Extremität auf der Seite der Wurzeldurch- schneidung in gleicher Stärke aufrechterhalten wird. wie auf der Gegen- seite. Diese Schwierigkeit suchte ich dadurch zu umgehen, daß ich bei Fröschen, die den Plexus lumbosacralis bildenden Hinterwurzeln beiderseits durchschnitt und nun untersuchte, ob und inwiefern durch diesen Eingriff die Wirkung supranucleärer Zentren auf den Tonus der Extremität leidet. Hierzu wurde die beiderseitige Hinterwurzel- durchschneidung mit der einseitigen (stets rechtsseitigen) Exstirpation des Labyrinths kombiniert, und zwar wurde an weiblichen Eskulenten sowohl die Labyrinthexstirpation der Hinterwurzeldurchschneidung vorausgeschickt als auch die umgekehrte Reihenfolge eingehalten. Wenn der Einfluß des Labyrinthes auf die Körpermuskulatur den Weg über die hinteren Wurzeln nimmt, nachdem die Impulse vom Deiters- !) Rogowicz, Pflügers Arch. f. d. ges. Physiol., 36, 1. 1885. 2) Sherrington, Journ. of physiol., 1%, 253. 1894. ?2) Rijnberk, Arch. neerland. of physiol. 1917, T. 1. *) Eine Erörterung der möglichen Grundlagen dieses Phänomens würde den Rahmen unseres Themas überschreiten. Es sei nur angesichts der Tatsache, daß all die Nerven, von welchen aus die pseudomotorische Reaktion erzielt wurde, Vasomotoren für die betreffende Region enthalten, darauf hingewiesen, daß die akzessorischen Nervenfasern und Endplättchen Boekes (Internat. Monatsschr. f. Anat. u. Physiol. 28, 377. 1911) nach einer Beobachtung dieses Autors wie auch nach älteren Befunden Brehmers (Arch. f. mikr. Anat. 21. 1882) mit dem Nervenplexus, welcher die Blutgefäße umspinnt, in Verbindung stehen. 5) loc. eit. 10 E. A. Spiegel: schen Kern das Rückenmark erreicht haben, so müßten die Verschieden- heiten in der Stellung der hinteren Extremitäten, die man sonst nach einseitiger Labyrinthexstirpation beobachtet, ausbleiben. Über die Technik der Labyrinthexstirpation ist ebenso wie über die Methodik der Hinterwurzeldurchschneidung angesichts der genauen Vorschriften, die Ewald!) über die erstere Operation gibt und der allgemein geübten Anwendung der Hinterwurzeldurchschneidung wohl nicht viel zu bemerken. Die Durchtrennung der hinteren Wurzeln gelingt am allersichersten unter Schonung der vorderen, wenn man die hinteren bis an ihre Eintrittsstelle ins Rückenmark verfolgt und knapp distal von dieser durchschneidet, da an dieser Stelle die Entfernung der hinteren von den vorderen Wurzeln am größten ist. Bei 10 Tieren konnte bei nachträglicher anatomischer Untersuchung der Eingriff _ als gelungen betrachtet werden. An dem mit seinen Wurzeln heraus- geschnittenen Rückenmark läßt sich die Kontrolle der Wurzeldurch- schneidung am leichtesten ausführen, wenn man das Präparat in einem mit Wasser gefüllten Uhrschälchen flottieren läßt. Von den nach diesen Eingriffen zu beobachtenden Erscheinungen braucht das Bild der alleinigen doppelseitigen Hinterwurzeldurch- schneidung wohl nicht nochmals näher beschrieben zu werden. Ich verweise nur auf die eingehenden Schilderungen Bickels?), Herings?), Merzbachers*) u.a. Für unsere Fragestellung ist hier nur so viel von Wichtigkeit, daß die Tiere bei Rückkehr in die Ruhelage nach einem Sprung, Umdrehen aus der Rückenlage oder auch beim bloßen Inne- halten in der durch alternierendes Vorschieben der hinteren Extremi- täten zustande kommende Kriechbewegung die beiden hinteren Ex- tremitäten wohl eine Zeitlang in verschiedener Stellung halten können, die eine etwa stärker an den Rumpf herangezogen als die andere, daß aber keinerlei Konstanz in den Seitendifferenzen festzustellen ist. Eine Bevorzugung einer bestimmten Lage einer hinteren Extremität gegen- über der anderen ist nicht wahrzunehmen. Die Asymmetrie der Haltung aber ist es, welche das Tier nach iso- lierter einseitiger Labyrinthausräumung kennzeichnet. Die Rotation des Rumpfes um seine Längsachse derart, daß das linke Auge des in Bauchlage befindlichen Tieres weiter vom Boden absteht und eine gerin- gere Drehung um die Frontalachse, so daß dieses Auge etwas mehr nach vorne gewendet ist als das rechte, die Neigung der rechten Extremitäten !) Ewald im Handb. d. physiol. Methodik v. Tigerstedt. III. Bd. Abt. IIIb. Leipzig 1914. ?) Bickel, A., Mechanismus d. nervösen Bewegungsregulation. Stuttgart 1903. ») Hering, E., Arch. f. exper. Pathol. u. Pharmakol. 38, 266. 1897. 2) Merzbacher, Pflügers Arch. f. d. ges. Physiol. 88, 453. 1902. Untersuchungen über den Muskeltonus. TI. 11 zur Adduktion an den Rumpf und zur Beugung in allen Gelenken, die Tendenz der linken Extremitäten zur Abduction und Streckung charak- terisierten die Ruheeinstellung des Tieres [vgl. Ewald!)]. An den hinteren Extremitäten wird diese Tendenz, wie auch schon Ewald!) betont, besonders deutlich, wenn das Tier mehrmals veranlaßt wurde, sich aus der Rückenlage in die Bauchlage umzudrehen. Auf diese Neigung der linksseitigen Extremitäten zur Abduction und Streckung ist es auch zurückzuführen, daß das Tier sich beim Umdrehen aus der Rückenlage mit der rechten hinteren Extremität um das linke gestreckte Bein rotiert; die Tendenz der linksseitigen Gliedmaßen zur Streckung und Abduktion wird in diesem Falle also während der Bewegung beibehalten. Wenn wir uns diese Tatsachen vor Augen halten, scheint es nicht ungerechtfertigt, von einer Tonusänderung der Skelettmuskulatur durch die Labyrinthexstirpation zu sprechen. Ewald?) hat allerdings seinerzeit den Ausdruck Labyrinthtonus ziemlich unbestimmt gefaßt. Er sagt selbst!), er habe gerade den Namen Labyrinthtonus gewählt, „weil er sehr wenig präjudiziert und nur angibt, daß funktionelle Be- ziehungen zwischen den Labyrinthen und der Muskeltätigkeit bestehen, ohne die spezielle Art dieser Beziehungen näher zu bezeichnen. Das Wort Tonus wird in den medizinischen Wissenschaften schon in so ver- schiedener Weise verwendet, daß man diesen Begriff leicht ausdehnen und modifizieren kann, je nachdem es neu hinzukommende Erfahrungen erfordern.“ Es scheint notwendig, wie beispielsweise Sherrington?®) neuerdings betont, den Ausdruck Tonus schärfer zu definieren, der Unklarheit, die über diesen Begriff herrscht, ein Ende zu bereiten. Wenn die Sperrmuskulatur eines Seeigels in einen Reizzustand versetzt ist, die hinteren Wurzeln eines dekapitierten Frosches einseitig durch- schnitten werden oder an einem Kaninchen nach Durchtrennung des Mittelhirns durch verschiedene Kopfstellung reflektorisch die Haltung der Gliedmaßen verändert wird, so ist durch all diese Eingriffe, welche man allgemein als Änderungen des Muskeltonus betrachtet, erzielt . worden, daß durch einen neuen Spannungszustand der Muskulatur die Einstellung des Skelettes geändert worden ist. Als Tonus eines Skelettmuskels haben wir demnach jenen unwillkürlich erhaltenen Spannungszustand zu betrachten, der unter Mitwirkung anderer Faktoren (wie Schwerkraft, Zug von Bändern usw.) eine bestimmte Haltung der dem Muskelzur Insertion dienenden Skelett- teile bedingt und so lange andauert, als dieselben un- !) Ewald, J. R., Untersuchungen über das Endorgan des Nerv. octavus. Wies- baden 1892. 2) Ewald, J. R., Der Labyrinthtonus. I. Congres internat. de Psychiatrie 1907, S. 124. ?) Sherrington, €. S., Brain 38, 191. 1915. 12 E. A. Spiegel: bewegt bleiben. Ähnlich sprechen auch Exner und Tandler!) vom Tonus als der Eigenspannung des ruhenden Muskels. Im Sinne dieser Definition glaube ich von einer Beeinflussung des Muskeltonus durch das Ohrlabyrinth sprechen zu dürfen, denn, was nach einer einseitigen Labyrinthexstirpation zu beobachten ist, das sind, wie oben geschildert, vor allem Veränderungen in der Stellung, in der Haltung des Skeletts. Was die Bewegungsstörungen nach diesem Ein- griff anlangt, so fällt die Analyse aller ihrer Komponenten und der zahlreichen, zu ihrer Erklärung aufgestellten Theorien [vgl. Zu- sammenstellung bei Rothfeld2)] außerhalb unserer Betrachtung. Es sei nur betont, daß die durch die Labyrinthzerstörung bedingte Haltungsänderung zum Teil we- nigstens auch beim Zustande- kommen der Bewegungsstörung mitwirkt; sieht man ja beispiels- weise beim Umdrehen des Tieres aus der Rücken- in die Bauch- lage, wie immer wieder die Ten- denz des linken Beins zur Streckung den Typus der Bewe- gung beherrscht. Wenn also auch die Bedeutung der Störungen der räumlichen Orientierung beim Zustandekommen der Bewegungs- anomalien nicht unterschätzt Abb. 1. KRechtsseitige Labyrinthexstirpation, werden soll, so scheint doch die kombiniert mit beiderseitiger Durchschneidungs (besonders während der Ruhe nnd, ar eh ziehenden um Ausdruck kommende) Hal- tungsänderung der Skelettmus- kulatur auch den Typus der Bewegung mit zu beeinflussen. Die Tonusänderung bildet also wenigstens einen der Faktoren der Bewegungs- störung. Wir können demnach die nach einseitiger Labyrinthausräumung zu beobachtenden Seitendifferenzen als Ausdruck einer Änderung des Skelettmuskeltonus betrachten und das Bild, welches durch die kom- binierte einseitige Labyrinthzerstörung und doppelseitige Hinterwurzel- !) A. Exner und I. Tandler, Mitteil. aus den Grenzgeb. d. Med. u. Chir. 20, 458. 1909. ?) Rothfeld, J., Die Physiologie des Bogengangapparates. Verhandl. d. Gesellsch. deutsch. Naturf. u. Ärzte. Wien 1913. Untersuchungen über den Muskeltonus. I. 13 durchschneidung erzeugt wird (Abb. 1 u. 2), zum Studium der ein- gangs gestellten Frage nach dem Verlauf der vom Zentralnerven- system zur Muskulatur gelangenden tonischen Innervation heranziehen. In diesem Bild kehrt die Asymmetrie der Haltung, die nach isolierter rechtsseitiger Labyrinthexstirpation zu beobachten war, also die Tendenz der linken Extremitäten zur Abduction und Streckstellung, wieder. Allerdings nicht mehr so regelmäßig und ausgesprochen wie früher, weil durch die Hin- terwurzeldurchschneidung die rechtsseitige hintere Extre- mität nicht mehr regel- mäßig und prompt an den Körper herangezogen wird, nachdem sie aktiv oder passiv vom Leibe entfernt wurde, sondern längere Zeit in der ihr erteilten Lage in mehr oder minder regelloser Abduc- tionsstellung verbleiben kann. Aber es läßt sich doch deut- lich nachweisen, vor allem wenn das Tier in Rückenlage gebracht wurde und einige vergebliche Versuche, sich umzudrehen gemacht hat, daß insbesondere das links- seitige Knie- und Fußgelenk immer wieder einen viel 4: stumpferen Winkel bildet als das entsprechende Gelenk der Gegenseite. Auch wenn das Abb. 2. Dieselbe Operation wie in Abb. 1. Tier sich schließlich doch wieder in die Bauchlage gedreht hat oder passiv mehrmals abwechselnd in Rücken- und Bauchlage versetzt wurde, zeigt sich deutlich der Gegen- satz in der Stellung der beiden hinteren Extremitäten. Im Hüftgelenk ist die Differenz am wenigsten verwertbar, weil durch die Drehung des Rumpfes dieser mit dem Oberschenkel der rechten Seite einen spitze- ren Winkel bildet als mit dem der Gegenseite. Dagegen ist die Neigung des rechtsseitigen Knie- und Fußgelenkes zu stärkerer Beugung als die entsprechenden kontralateralen Gelenke unabhängig von der Rumpflage. Bei Durchsicht der Literatur finde ich eine Bestätigung dieser Be- obachtungen bei Bickel!), der ebenfalls kombinierte Hinterwurzel- ) Bickel, A., Pflügers Arch. f. d. ges. Physiol. 6%, 299. 1897. 14 E. A. Spiegel: durchschneidung und Labyrinthexstirpation studierte. Wenn seine Untersuchungen sich auch vorwiegend auf die Störungen der Bewegungs- regulation bezogen, die bei diesen Eingriffen auftraten, so finden sich doch auch bei ihm schon Angaben darüber, daß in den asensiblen hinteren Extremitäten die Erscheinungen der einseitigen Labyrinth- exstirpation zu erzielen waren. Er beschreibt beispielsweise, daß Tiere, bei welchen linksseitige Labyrinthexstirpation und beiderseitige Hinter- wurzeldurchschneidung vorgenommen worden war, beim ruhigen Sitzen im seichten Wasser das linke Bein mehr an den Körper herangezogen hielten als das rechte. Es ergibt sich also, daß die charakteristischen Differenzen der Haltung, welche durch die einseitige Labyrinthausräumung erzeugt werden, bei Kombination dieses Eingriffes mit Durchschneidung der hinteren Wurzeln des Plexus lumbosacralis bestehen bleiben!). Damit steht in Einklang, daß Magnus und de Kleijn?) die durch ver- änderte Kopfstellung bedingten tonischen Reflexe bei decerebrierten Katzen auch nach Durchschneidung der Hinterwurzeln von C, bis H, an der entsprechenden Extremität nachweisen konnten und daß auch die doppelseitig asensibeln Flügel von Tauben nach Trendelen- burg?) noch von anderen Körperteilen her Impulse erhielten, die einen gewissen Tonus bedingten Merzbacher?) beschreibt sogar, daß beim Hunde der Schwanz nach beiderseitiger Abtragung seiner sensibeln Wurzeln keine Veränderung seines Tonus zeigte. Wir müssen darum die Hypothese Franks?) ablehnen, daß die tonische Inner- vation der Skelettmuskulatur durch Fasern besorgt wird, welche durch die hinteren Wurzeln austreten. Nehmen wir hinzu, daß wir 1) Man könnte vielleicht die Versuche von Emanuel (Pflügers Arch. f. d. ges. Physiol. 99, 363. 1903) als Gegenargument anführen. Emanuel fand, daß die Beine eines vertikal hängenden Frosches, wenn man auf sie einen plötzlichen Zug ausübt, am toten Tier eine um die Abszisse pendelnde, schnell verklingende Kurve geben (Leichenkurve), während am normalen Tier die Kurve auch zu- nächst unter die Abszisse sinkt, dann aber dauernd oberhalb derselben bleibt (Tonuskurve). Nach Entfernung der Labyrinthe geht die Tonuskurve in die Leichenkurve über, die Tonuskurve wird also durch Innervationen, welche von den Labyrinthen zur Muskulatur gehen, bedingt. Durchschneidung der .sen- sibeln Wurzeln der hinteren Extremitäten ergibt nun auch bei intakten Laby- rinthen die Leichenkurve. Hieraus aber zu schließen, daß die efferenten Fasern, welche den Tonus der Extremitäten bedingen, durch die hinteren Wurzeln aus- treten, wäre verfehlt. Denn der Reiz, der zur Entstehung der Tonuskurve führt, kommt durch das plötzliche Strecken der Beine zustande, so daß natürlich nach Durchtrennung der von den Beinen kommenden afferenten Fasern die Tonuskurve nicht mehr entstehen kann. 2) Magnusu. de Kleijn, Pflügers Arch. f.'d. ges. Physiol. 145, 455. 1912. 3) Trendelenburg, Pflügers Arch. f. d. ges. Physiol. 1906. 8.1. 4) Merzbacher, Pflügers Arch. f. d. ges. Physiol. 9%, 585. 1902. >) loc. eit. Untersuchungen über den Muskeltonus. 1. 15 nach den eingangs zitierten Versuchen die Bedeutung des Grenzstrangs des Sympathicus für die tonische Innervation der Skelettmuskulatur in Zweifel ziehen mußten, so müssen wir zur Anschauung gelangen, daß die Regulation des Skelettmuskeltonus durch das Zentral- nervensystem durch dieselben Fasern besorgt wird wie die Innervation der Kontraktion während der Bewegung, näm- lich durch die Axone der Vorderhornzellen. An den Vorderhorn- zellen müssen sowohl jene zentralen Mechanismen an- greifen, welche die Fortbewegung, als auch jene, welche die Haltung der Skelettmuskulatur beherrschen. Zum Mechanismus der Magenverdauung beim Omnivoren. Von Arthur Scheunert und Fritz Kiok. (Tierphysiologisches Institut der Landwirtschaftlichen Hochschule zu Berlin.) Mit 37 Textabbildungen. (Eingegangen am 7. August 1921.) Vor einigen Jahren hat der eine von uns an der Hand eines sehr ausgedehnten Versuchsmaterials die Frage der Schichtung des Magen- inhaltes bei Katze, Hund, Pferd, Kaninchen und Meerschweinchen grundsätzlich geklärt!) 2). Es stellte sich dabei in Bestätigung und Erweiterung der Ansichten von Ellenberger?) heraus, daß im all- gemeinen bei allen den genannten Tierarten nacheinander genossene Teile einer Mahlzeit sich in der Reihenfolge ihrer Verabreichung auf- oder mehr oder weniger nebeneinander schichten und daß sie diese bei der Anfüllung des Magens eingenommene Lagerung auch während der Verdauung beibehalten. Nur im pylorusseitigen Magenabschnitt kann infolge der dort energisch ablaufenden Peristaltik alsbald eine Vermischung eintreten. Wenn auch Über- und Nebeneinanderschiehtungen die Regel sind, so können auch Einschachtelungen und andere Lagerungen zustande kommen. Hierbei handelt es sich aber stets um Spezialfälle, die insbesondere durch Konsistenzunterschiede der nacheinanderfolgenden Portionen bedingt werden. Es spielt dabei weiter die Quantität des Genossenen eine gewisse Rolle, und ferner treten unter verschiedenen anderen Faktoren vor allem die Druckrichtung, mit der die Bissen aus dem Oesophagus heraustreten, und. die Lage des Magens in der Bauch- höhle, also auch der Einpflanzwinkel des Oesophagus als die gesamten Schichtungsverhältnisse wesentlich bestimmend in den Vordergrund. 1) A. Scheunert, Zum Mechanismus der Magenverdauung. Pflügers Arch. f. d. ges. Physiol. 114, 64. 1906. ?) Derselbe, Über die Schichtungsverhältnisse des Mageninhaltes nebst Be- merkungen über ihre Bedeutung für die Stärkeverdauung. Pflügers Arch. f. d. ges. Physiol. 169, 201. 1917. ®2) W. Ellenberger, Handb. d. vergl. Physiologie der Haussäuget., 1, 733. Berlin, Paul Parey, 1890. — Zum Mechanismus der Magenverdauung. Pflügers Arch. f. d. ges. Physiol. 114, 93. 1906. A.Scheunertu. F.Kiok: Mechanismus d. Magenverdauung beim Omnivoren. 17 Diese Fragen sind noch nicht befriedigend geklärt für das Schwein. An dieser Tierart sind vonSchneiderheinzet) einige Versuche angestellt worden, die zum Teil ganz merkwürdige Lagerungsverhältnisse im Magen ergaben. So fand sich bei einigen Tieren, die nur verschieden gefärbte Haferportionen oder Hafer und Mais erhalten hatten, eine durchaus zentrale Lage der zuletzt gefütterten Portionen, wie sie Grützner?) angenommen hatte. Weiter beschreibt Schneiderheinze bei einer aus Hafer und dann Kartoffeln bestehenden Fütterung eine Einlagerung der an zweiter Stelle gereichten Kartoffeln in den Hafer, wobei z. T. ein keilartiges Eindringen mit wurzelartige Verzweigungen gefun- den wurde. Dies alles veranlaßte, die Frage nochmals an der Hand eines großen Versuchsmaterials umfassend zu prüfen. Es war durchaus möglich, Abb.1. Längs- und Schrägfaser- Abb. 2. Muskulatur des Ma- "Abb. 3. Magenmuskulatur des schicht des Magens des Hundes. zgens des Pferdes. [Nach Ellen- Schweines an der Eingeweide- [Nach Ellenberger °)]. berger?)]. fläche. [Nach;, Ellenberger ’°)]. daß sich der Schweinemagen gegenüber anderen Tiermägen abweichend verhielt. Zunächst besitzt der Schweinemagen kardiaseitig einen kleinen mit Kardiadrüsenschleimhaut ausgekleideten Blindsack, das Diverti- eulum ventriculi, welches eine ziemlich starke Muskulatur besitzt und sehr wohl besondere motorische Funktionen haben könnte. Dann aber weicht die Verteilung der Längs-, Kreis- und Schrägmuskulatur beim Magen des Schweines von der bei anderen Tieren (Pferd, Hund) nicht un- erheblich ab (Abb. 1—3). Insbesondere findet sich die Längsmuskulatur nur kardiaseitig und am pylorischen Magendrittel, wo sie die kleine 1) Über die Aufenthalts- und Durchgangszeiten der Nahrung bzw. ihrer Reste im Magendarmkanal, speziell im Magen des Schweines. Inaug.-Diss. Bern 1910. ?®) Ein Beitrag zum Mechanismus der Magenverdauung. Pflügers Arch. f. d. ges. Physiol. 106, 463. 1905. N SrEilleniperiger, Hab.d, vel.-mikr., Anat. Bd. 3, S. 174 7(193). Parey Berlin. Pflügers Archiv f. d. ges. Physiol. Bd. 193. 2) 18 A. Scheunert und F. Kiok: Kurvatur freiläßt. Bezüglich dieser Verhältnisse sei auf die schema- tischen Abb. 1—3 verwiesen. Endlich ist der Magen des Schweines durch die fast eine Hälfte einnehmende Kardiadrüsenregion ausgezeichnet (Abb. 4), über deren Aufgaben wir noch wenig wissen, die aber gerade die linksseitige mit starker Muskulatur versehene Magenhälfte einnimmt. Methodisches. Die Fütterung und Tötung der Versuchstiere wurde auf dem Städt. Schlachthof zu Magdeburg von dem einen von uns (Kiok) in der üblichen früher geschilderten Weise durchgeführt. Als Versuchsfutter diente Hafer, Gersten- schrot und Kartoffelbrei, von denen die beiden zuletzt genannten Futtermittel auch gemischt verabreicht wurden. Zur Untersuchung verschiedener Portionen wurde, wie früher beschrieben, Färbung mit Gentianablau und Bordeauxrot ver- wendet. Den Versuchen stellten sich nicht unerhebliche Schwierigkeiten in .den Weg, die insbesondere auch darin lagen, daß die durch Transport, Marktbetrieb u. dgl. gestörten Versuchstiere oft die Mahlzeit verweigerten. Von Wichtigkeit erwies sich das Vor- gehen bei der Exenteration der Mägen, die sehr sorgfältig erfolgen muß; um die Lagerung nicht zu stören. Dies durchzuführen, ist im Schlachtbetrieb durchaus nicht so einfach, wie es scheint, da es den gewohnten Arbeitsgang der Leute stört. Es ist aber unumgänglich nötig, jede unberufene Hand fern- zuhalten, da die gewohnheits- mäßigen Griffe zur Abtrennung des Netzes u. a. stets eine Ver- drückung des Mageninhaltes be- Abb. 4. Schema des Schweinemagens; Bl. Divertieul. dingen. = ventriculi; Oes. oesophageale, cutane Schleimhaut- Die Mägen wurden durch- region; Ca. Kardiadrüsenschleimhaut; Fu. Fundus-- froren, dann durchsägt und na- drüsenschleimhaut; ?yl. Pylorusdrüsenschleimhaut. turgetreue Pausen angefertigt, von denen die Abbildungen verkleinerte Wiedergaben sind. Es stehen uns im ganzen 46 Versuche zur Verfügung. Wir müssen im Hinblick auf die ‚gegenwärtigen Schwierigkeiten davon absehen, sie sämtlich hier anzuführen und geben deshalb stets nur einen Versuch wieder, ohne den oder die Kontrollversuche ausführlich zu besprechen. Wir betonen aber, daß keine Abweichungen in den nicht wiedergegebenen Versuchen zutage traten. Gleich hier sei zur Erklärung der Abbildungen folgendes angeführt: Auf den Längsschnitten entspricht links stets dem oesophagusseitigen, rechts dem pylorus- seitigen Magenteil. Bei den Querschnitten ist rechts stets gleich zwerchfellseitig, links stets gleich beckenseitig, da der Magen ausgesprochene Querlage einnimmt. Die Zahlen 1, 2, 3 bedeuten die verabreichten Nahrungsportionen entsprechend der Reihenfolge, in der sie genossen wurden. 1 x 2;2 x 3 u. dgl. bedeutet Ge- misch der betr. Portionen; a bedeutet alter Inhalt von früheren Fütterungen vor dem Versuch herrührend. Die Geraden durch die Längsschnitte zeigen die Lage der Quer- schnitte an. Zum Mechanismus der Magenverdauung beim ÖOmnivoren. 19 l. Versuche, bei denen Nahrungsportionen gleicher Kon- sistenz hintereinander verabreicht wurden. a) Hartfutter. Vers. 20. Tötung 30 Minuten nach Beendigung der Mahlzeit 6. IV. 1921. Ein etwa 90 kg schweres Schwein fraß von 7® bis 7" 45’ vormittags 400 g blaugefärbten, von 7" 45’ bis 8" 20’ rotgefärbten, von 8420’ bis 9" 400 8 ungefärbten Hafer. Tötung erfolgte 9 30’. Der Magen war gut gefüllt. Die nach Durchfrieren angelegten Schnitte zeigten die Übereinanderlagerung der genossenen Portionen in der ver- abreichten Reihenfolge. Der kardiaseitige Querschnitt (Abb. 6) zeigte 7° Abb.5, Vers.20. Längsschnitt. Abb. 6, Vers. 20. Abb.7, Vers. 20. Linker Querschnitt. Rechter Querschnitt. ' eine etwas schräge Lagerung der Schichten, die sich daraus erklärt, daß die Bissen von rechts (entsprechend der Zwerchfellseite des Magens) her- kommend den Magen angefüllt haben. Ein ganz entsprechender Kontrollversuch verlief gleichsinnig. Desgleichen 2 weitere Kontrollversuche, bei denen die Tötung 60 Minuten nach der Beendigung der Mahlzeit erfolgte und als zweite Portion nicht Hafer, sondern Gerstenschrot gleicher Konsistenz gereicht wurde. Wir geben davon Nr. 16 (Abb. 8S—10), da bei diesem Versuch bereits eine Abb. S, Vers. 16. Abb. 9, Vers. 16. Abb. 10, Vers. 16. Vermischung der beiden zuletzt gereichten Futterportionen in dem kurz vor dem Pylorus gelegenen Magenabschnitt beobachtet wurde. Auch hier zeigten die Querschnitte, wie infolge der zwerchfellseitigen I% 20 A. Scheunert und F. Kiok: Einpflanzung des Oesophagus bei der Anfüllung des Magens teilweise eine Nebeneinanderlagerung erfolgt ist. Ebenfalls eine Vermischung im präpylorischen Abschnitt gab ein weiterer gleicher Versuch, bei dem die Lagerung insofern etwas abweichend war, als hier die zweite weiße Portion die erste rote nicht überlagert hatte, sondern neben ihr zu finden war. Beide Portionen waren von der dritten überlagert. Auch 3 Stunden nach der Mahlzeit wurde ein ebenso gefüttertes Versuchstier getötet; es ergab keine grundsätzlichen Abweichungen von den bisherigen Befunden. Von größerem Interesse sind Versuche, bei denen die Tiere sehr lange nach Beendigung der Mahlzeit getötet wurden. Versuch 39 und 40 vom 14. V. 1921. 2 Tiere von etwa 100 kg fraßen von 4" 20°’ bis 5° 500 g roten Hafer, von 5" bis 6% 750 & ungefärbten Hafer. Die Tötung erfolgte nach 14 Stunden. Hier war also die Verdauung schon sehr weit fortgeschritten. Dies zeigte sich am deutlichsten bei Versuch 39. Der Magen war hier schon fast vollkommen entleert und der Längsschnitt ließ eine deutliche Schichtung nicht mehr erkennen. Es war vielmehr eine Vermischung eingetreten, wobei aber deutlich festzustellen war, daß in der pylorus- seitigen Magenhälfte die rote Färbung vorherrschte, daß also entspre- chend der Folge der Nahrungsportionen pylorusseitig die erste, kardia- seitig die zweite Portion überwog. Außerdem zeigte die Färbung des Inhalts und der Schleimhaut des pylorusseitigen Magendrittels die Anwesenheit von Galle an. Der Kontrollversuch 40 (Abb. 11—13) ergab nun interessanterweise noch eine deutliche Schichtung. Hier war aber der Magen noch besser == 1x2 Abb. 11, Vers. 40. Abb. 12, Vers. 40. Abb. 13, Vers. 40. gefüllt, die Entleerung also langsamer erfolgt. In der rechten Magen- hälfte fand sich der zuerst gereichte rote Hafer mit dem zu zweit ge- reichten ungefärbten gemischt; dessen Hauptmasse lag oesophagusseitig und überschichtete dort noch einen nicht unbedeutenden Teil der ersten roten Portion. Die Querschnitte ergänzten den Eindruck (Abb. 12,13). Zum Mechanismus der Magenverdauung beim Omnivoren. 21 Dieser Versuch stellte geradezu ein Schulbeispiel für die Nichtdurch- mischung des Inhaltes des gesamten Magenkörpers dar. Nur pylorus- seitig, dort, wo die leichten, von der Kardia her auslaufenden peri- staltischen Wellen sich vertiefen und nunmehr auch die Entleerung des Magens bewirken, tritt Vermischung ein. b) Breinahrung. Es war nun besonders interessant, dieselben Verhältnisse bei breiiger Nahrung zu kontrollieren. Mit solcher Nahrung werden ja die Schweine vielfach gefüttert. Wir gaben dazu 2 Tieren (Versuch Nr.35 u. 36) von je etwa 85kg Gewicht je 10008 roten Brei von einer Konsistenz, wie sie Kartoffelmus zu besitzen pflegt, und nachdem dieser rasch in 15 Minuten verzehrt war, 10008 blauen Brei derselben Art. Die Tötung erfolgte 5!/, Stunden später. Bei beiden Ver- suchen waren die Mägen gut gefüllt, aber weich und schwappend. Nach dem Durchfrieren zeigten die Schnitte ebenfalls eine Schich- Abb. 14, Vers. 35. Abb. 15, Vers. 35. Abb. 16, Vers. 35. tung in derselben Art, wie wir sie bei der festen Nahrung gefunden hatten. Diese war ausgesprochen in den beiden kardiaseitigen Magen- dritteln, während pylorusseitig sich wieder eine Vermischung bemerkbar machte. Bezüglich der näheren Verhältnisse sei auf die Abbildungen verwiesen (Abb. 14—16). Dieser Versuch wurde mit Tötung nach 15!/, Stunden wiederholt (Versuch 45 u. 46). Beide Mägen waren nur mäßig gefüllt und ergaben nach dem Durchfrieren beim Durchsägen ganz gleiche Bilder. Die Längsdurchschnitte ließen trotz der langen seit der Fütterung ver- strichenen Zeit eine deutliche Übereinanderschichtung beider Mahlzeit- portionen erkennen. Wir geben die Abbildung von Nr. 46 wieder. Im pylorusseitigen Magendrittel war eine Mischung eingetreten, die sich in einer Anwesenheit röter Teilchen im blauen Inhalt deutlich machte. Außerdem war in der Nähe des Pylorus eine Grünfärbung durch Galle festzustellen. An der großen Kurvatur fanden sich noch linksseitig unvermischte Anteile des zuerst gereichten roten Breies, während im pylorischen Magendrittel diese Schicht durch eine violette Färbung die Vermischung mit blauem Futter anzeigte (Abb. 17—19). Es muß noch 22 A. Scheunert und F. Kiok: erwähnt werden, daß die einzelnen Schichten bei diesen Ver- suchen nicht so scharf abgesetzt waren, wie bei Versuchen von kurzer Dauer; sie gingen hier vielmehr ohne scharfe Grenzen in- einander über. Diese Versuche beweisen, wie schon die Versuche Nr. 35, 36, 40 auf das schlagendste die Nichtdurchmischung des Inhaltes des Magenkörpers während der Verdauung und zeigen uns auf dassinnfälligste diehöchst geringe mechanischeEinwirkung Abb. 17, Vers. 46. Abb. 18. Vers. 46. Abb. 19, Vers. 46. der Magenperistaltik auf den Inhalt. Nur oberflächlich liegende und vom Magensaft aufgelöste Teile vermag sie sanit über den Inhalt wegstreichend pyloruswärts abzutransportieren. Dies zeigten die Ver- suche auch dadurch, daß bei der Prüfung der noch im Magen vorhandenen Mengen von zuerst gereichtem roten und zu zweit gereichtem blauen Brei der letztere etwa das 4fache des zuerst gereichten roten Breies betrug. Dieser, der in größter Ausdehnung der Magenwand an der großen Kurvatur anlag, war also bereits zum größtenTeil abgetragen und darmwärts gewandert. Schließen wir hiermit diesen Versuchsabschnitt, so kommen wir zu dem Schluß, daß bei Verabreichung von Nahrung gleicher Konsistenz die Anfüllung des Magens und die Einlagerung der Inhaltsportionen auch beim Schwein ganz nach den gleichen Regeln verläuft, die der eine von uns auch für die anderen Tierarten als gültig erwiesen hat und die den ersten Ellenbergerschen Angaben ent- sprechen. Von Wichtigkeit ist, daß die Niehtdurchmischung ebenfalls in Be- stätigung der früheren Untersuchungen von Ellenberger erneut er- härtet wurde. Wir erkennen hierin die wichtigste Vorbedingung für die bestehenden, von Ellenberger zuerst erkannten regionären Ver- schiedenheiten während des Ablaufes der Magenverdauung. Nur durch diese Nichtdurchmischungist es möglich, daß gleich- zeitig aber an verschiedenen Stellen im einhöhligen Magen Stärke durch Speicheldiastase und Eiweiß durch Magensaft verdaut wird und sich hierzu bei den Einhufern und dem Zum Mechanismus der Magenverdauung beim Omnivoren. 93 Schwein auch noch erhebliche bakterielle Vorgänge ge- sellent). Für die Beurteilung der Magenperistaltik erkennen wir aus den Versuchen, daß diese einen Einfluß auf den Inhalt nur im präpylo- rischen Magenabschnitt gewinnt, ihn im übrigen größten Teil des Magens, dem eigentlichen Magenkörper, aber ungestört ruhen läßt, so daß selbst bei suppiger Beschaffenheit keine Durchmischung stattfindet, worauf übrigens schon Pr ym?) bei einer Nachprüfung der Schichtungs- frage beim Hunde mit der Gefriermethode hinwies. 2. Versuche, bei denen Nahrungsportionen gleicher oder verschiedener Konsistenz mit zeitlichen Abständen ver- abreicht wurden. Zur weiteren Klärung der Frage war es notwendig, die eigenartigen Schichtungsbilder der Schneiderheinzeschen Versuche in ihren Ursachen zu erkennen. Nach dem vorstehenden war es klar, daß es sich hier nur um Spezialfälle handeln konnte, bei denen als bestimmende Faktoren Konsistenz, Menge und vielleicht die eigenartige Verteilung der Längs- und Kreismuskulatur in der Muskelschicht des Schweine- magens in Frage kommen konnten. Es sei zunächst ein Versuch erwähnt, bei dem ein Tier eine Nahrung etwa von der Konsistenz einer dicken Kartoffelsuppe erhielt und eine zweite solche Portion eine Stunde später verabfolgt bekam. Auch in diesem Falle fand sich ?/, Stunde nach der Mahlzeit noch eine deutliche Schichtung, die allerdings teilweise durch in den Magen eingetretene Galle verdeckt war. Wir versuchten nun Einschachtelungen zu erhalten und fütterten dazu in Versuch 42ein etwa S5kgschweres Schwein mit 750 g rotgefärbten nicht allzu derbem Brei. Eine Stunde nach der Beendigung dieser Mahl- zeit erhielt es 400 g ungefärbten Brei von etwas derberer Beschaffenheit und wurde dann 30 Minuten später getötet. Hier war also anzunehmen, daß die erste Portion durch die einstündige Verdauung nach Beendigung ihrer Aufnahme ziemlich erweicht sein mußte, so daß die nun in den Magen eintretende neue Portion auf sehr wenig Widerstand stoßen würde und Einschachtelungen möglich wären. Das war auch der Fall, wie Abb. 20 zeigt. Das feste weiße Futter hatte in der Druckrichtung der Bissen den roten Inhalt auseinandergedrängt und war, wie der durch die Kardia gelegte Querschnitt Abb. 21 zeigte, hauptsächlich !) Vgl. auch Scheunert u. Schattke, Der Ablauf der Magenverdauung des normalgefütterten und getränkten Pferdes. Z. f. Tiermed., Bd.17. 1913 u. G. Fischer, Jena 1913. ?) Die Bedeutung der schichtenweisen Anfüllung des Magens für die klinische Diagnostik. Dtsch. Arch. f. klin. Med. 1907, S. 310. 24 A. Scheunert und F. Kiok: zwerchfellseitig eingedrungen. Hier haben wir also ein ähnliches Bild wie es Schneiderheinze beschreibt. Es sind danach solche Lage- rungsverhältnisse als auf Konsistenzunterschieden beruhende Spezialfälle aufzufassen. Man erhält diese Art der Schichtung, die mit einem keilartigen Ein- dringen der neu ankommenden Bissen in den bereits gefüllten Magen Abb. 20, Vers. 42. Abb. 21, Vers, 42. Abb. 22, Vers. 42. verglichen werden kann, häufig und zwar immer dann, wenn verschieden konsistentes Futter gereicht wird. Wir geben zur Bestätigung noch den Versuch Nr. 33. Bei diesem fraß das Versuchstier in 2 Stunden 1000 & roten Hafer und hierauf in 20 Minuten 1500 g blauen Brei. Die Tötung erfolgte 30 Minuten später. In Abb. 23 Längsschnitt sehen wir zunächst pylorusseitig wieder Vermischung und bemerken dann, daß wie beim vorigen Versuch 42 die zweite blaue Breinahrung den bereits im Magen Abb. 23, Vers. 33. befindlichen vorhandenen roten Haferinhalt auseinandergedrängt hat. Sehr schön zeigt Abb 24 (Querschnitt), wie die blauen Bissen der Einmün- dungsrichtung des Oesophagus entsprechend zungenförmig in den vor- handenen Inhalt eingedrungen sind. Solche Bilder erhielten wir bei ähn- licher Fütterung verschieden konsistenter Nahrung häufig, sie illustrieren die Anfüllungsart des Magens deutlich und lassen vermuten, daß beim Eintreten der Bissen eine teilweise Erschlaffung bestimmter Abschnitte der tonisch kontrahierten Magenmuskulatur derart stattfindet, daß Zum Mechanismus der Magenverdauung beim Omnivoren. 25 sich dem Vordringen der Bissen in der Mitte des Magens in der Richtung der großen Kurvatur der geringste Widerstand entgegenstellt. Wir vermuten, daß hierbei die eigenartige Verteilung der Längs- und Kreis- muskulatur in der Wand des Schweinemagens eine Rolle spielt. Man kann natürlich auch direkte zentrale Einschichtungen erzielen, wie sie Grützner loc. eit. beschrieben hat. Dazu fütterten wir bei Versuch 41 und 43 je 2000 g roten geschmeidigen Brei und gaben eine Stunde später noch 500 g festeren ungefärbten Brei. Abb.26 zeigt Abb. 26, Vers. 48. Abb. 27, Vers. 43. Abb. 28, Vers. 43. den Längsschnitt durch den’ Magen des Versuchstieres 43. Die zweite Portion liegt hier in der Mitte der ersten Nahrung und von dieser fast allseitig vor der Berührung mit der Magenwand geschützt. Es entspricht dies genau einer Abbildung von Schneiderheinze und jenem Grütz- nerschen Versuche an der Katze, den der eine von uns in seinem Zu- standekommen aufgeklärt hat.!) Es ist ein Spezialfall, der von der Konsistenz des Mageninhaltes, den die letzte Portion vorfindet, abhängt. Nocheins spielt dabei eine Rolle, das Mengen- verhältnis. Sein Einfluß geht gerade aus den Versuchen 43, 42 u. 33 deutlich hervor, die uns das Eindringen von Nahrung in den schon gefüllten Magen gewissermaßen fortlaufend veranschaulichen. Wir wähl- ten es bei Vers. 43 absichtlich so, daß die zweite nicht sehr große Por- tion in einem wohlgefüllten Magen eintreten mußte. Auch bei Versuch 41 trat die Bedeutung der Menge zutage. Hierbei fraß das Tier die zweite Portion nur bissenweise in Abständen von 5—10 Minuten und nicht vollständig. Auf den Schnitten durch den durchfrorenen Magen fanden sich infolgedessen die weißen Bissen einzeln im Innern des roten In- haltes vor. Wir können auf die Wiedergabe der Abbildung verzichten, doch verweisen wir auf Abb. 50 bis 51 loc. eit.!) die ähnliche Verhält- nisse wiedergeben. Es ist somit ohne weiteres möglich, unter zweckentspre- chender Variation der dieLagerung bestimmenden Faktoren beinahe jede beliebige Schichtung zu erzielen. Wir haben hierüber noch zahlreiche Versuche angestellt, möchten davon aber nur 1!) Loc. eit. Pflügers Arch. f. d. ges. Physiol. 169, 231. 1917 26 A. Scheunert und F. Kiok: einige wenige, die weitere Einblicke in die Anfüllung und Entfaltung des Magens gewähren, anführen. Versuch 24. Das Tier erhielt mit einstündigen Pausen zuerst roten, dann ungefärbten, schließlich blauen Brei und wurde eine Stunde nach Beendigung der letzten Mahlzeit getötet. Kurz vorher nahm es noch etwas Stroh auf, das es im Stalle fand. Der Längsschnitt (Abb. 29) zeigte Abb. 29, Vers. 24. Abb. 30, Vers. 24. Abb. 31, Vers. 24, die übliche Schichtung mit Durchmischung im pylorischen Magenab- schnitt. Vielinteressanter waren die Querschnitte. Sie zeigten die Neben- einanderlagerung und ließen erkennen, wie die von rechts zwerchfell- seitig her durch den Oesophagus eintretenden Massen den Magen von der zwerchfellseitigen Magenwand zur beckenseitigen hin angefüllt hatten. Man muß dabei berücksichtigen, daß der Magen des Schweines eine ausgesprochene Querlage einnimmt, so daß eine durch die Kurvaturen gelegte Ebene beinahe rechtwinkelig zur Wirbelsäule verläuft, der Oeso phagus parallel zur Wirbelsäule an den Magen herantritt. Sehr instruktiv war für die Anfüllungsfrage auch Vers. Nr. 37. Dabei verzehrte das Tier zunächst in 20 Minuten roten Brei und erhielt A 3 Abb. 32, Vers. 37. Abb. 38, Vers. 37. Abb. 34, Vers. 37. 4 Stunden später blauen Brei; 2 Stunden nach dessen Aufnahme wurde es getötet. Hier war im rechtsseitigen Magendrittel eine Ver- mischung der beiden Futterarten eingetreten (Abb. 32). Entsprechend Versuch 33 und 42 hatte aber der zuletzt gereichte blaue Breiin der Druck- Zum Mechanismus der Magenverdauung beim Omnivoren. 27 richtung der Bissen zur großen Kurvatur fortschreitend einen Teil des roten Inhaltes abgedrängt (Abb. 32, 1), und schließlich fanden sich in der blauen Zone einige Strohbissen, die von dem Tiere unbeabsichtigter weise aufgenommen worden waren und als feste Bissen im Innern des dünnbreiigen Inhaltes lagen (Abb. 32, 3). Auch hier zeigte der Quer- schnitt durch die Kardia (Abb. 33) die beim vorigen Versuch beschrie- bene Entfaltung. In diesem Versuch waren also bezüglich der Schichtung mehrere Spezialfälle, wie wir sie oben einzeln schilderten, gemeinsam verwirklicht. Wenn es so nach Vorstehendem gelingt, durch richtige Auswahl der Versuchsbedingungen bestimmte Lagerungsarten zu erzielen, so muß es auch möglich sein, eine ziemlich weitgehende Ver- Abb. 35, Vers. 25. Abb. 36, Vers. 25, Abb. 37, Vers. 25. mischung der nacheinander gereichten Portionen zustande zu bringen. Dies gelingt auch z. B. dadurch, daß man den Magen mit einem nicht zu dünnen Brei füllt, und dann etwa 2 Stunden später, also auf der Höhe der Verdauung, wenn schon pylorusseitig lebhafte Peristaltik und Entleerung stattfindet, ein etwas lockeres, aber an sich festeres Futtermittel, etwa Hafer, folgen läßt. Dieses dringt dann in den breiigen Inhalt ein und kann sich, sofern dieser die richtige Be- schaffenheit besitzt, damit ziemlich weitgehend vermischen. Es gelang bei Versuch 25 und 26 tatsächlich, dies nahezu zu verwirk- lichen. Allerdings war die Vermischung nicht gleichmäßig, sondern es herrschte pylorusseitig die zuerst gereichte Futterart, oesophagus- seitig die zu zweit gereichte vor (Abb. 35). Die in den Querschnitten mit 1 bezeichneten Schichten enthielten besonders reichlich erstes Futter. Zusammenfassung. Alles in allem zeigen die Versuche, daß es auch für den Magen des Schweines die Regel ist, daß nacheinander genossene Teile einer Mahl- zeit sich aufeinander bzw. nebeneinander in der Reihenfolge ihrer Verabreichung lagern, mit der Magenwand in Berührung bleiben, und daß diese Lagerung noch stundenlang während der Verdauung besteht. 28 A. Scheunert und F. Kiok: Zum Mechanismus der Magenverdauung usw- Man kann sie sogar noch 15—16 Stunden nach der Mahlzeit beobachten. Die Schichtung und Lagerung verschwindet erst bzw. macht einer all- gemeinen Vermischung Platz, wenn die Verdauung fast beendet ist, d.h. wenn der Magen beinahe entleert ist und nur noch dünnflüssigen Inhalt beherbergt. Abgesehen- hiervon wird durch die Magenperistaltik schon kurz nach dem Verdauungsbeginn eine Durchmischung der nächst dem Pylorus gelegenen Inhaltsteile eingeleitet. Dort ist auch im späteren Verdauungsstadium die stärkste Vermischung zu finden, während die linke Hälfte des Magens, der Magenkörper, die Lagerung seines Inhaltes ungestört erhält, wodurch seine Funktion als Füllapparat gekennzeichnet wird. Dem Diverticulum ventriculi kommen besondere mechanische Funktionen nicht zu. Von Interesse ist, daß auch dünnbreiige suppige Nahrung, wie sie den Tieren gewöhnlich gereicht wird, ohne daß sich nacheinander ge- reichte Portionen vermischen, also geschichtet, den Magen anfüllt. Die Umstände, die auf die Lagerung der in den Magen eintretenden Nahrung bestimmend einwirken, sind verschieden. Die Bedeutung der Konsistenz des schon im Magen befindlichen Inhaltes und der neu eintretenden Bissen sind von größter Wichtigkeit. Weiter ist die Lagerung der Nahrung abhängig von der Richtungdereintretenden Bissen und von dem Mengenverhältnis der einzelnen Nahrungs- portionen. Durch Variation in der Versuchsmahlzeit, die beim Schwein, welches als Omnivore alle möglichen Nahrungsarten aufnimmt, beson- ders leicht zu verwirklichen ist, kann man bald diese, bald jene Faktoren vornehmlich zur Wirkung bringen und dadurch alle möglichen Lagerungsarten, ja sogar Durchmischung, erzielen. Alles dies sind Spezialfälle, die sich durchaus in die allgemeinen Regeln einfügen. In einer Richtung zeigt die Mechanik des Schweinemagens eine gewisse Besonderheit, nämlich darin, daß unter Umständen ein Auseinander- drängen des vorhandenen Inhaltes durch ein keilförmiges Eindringen neuer Bissen eintreten kann. Wir erblicken hierin eine durch die Ver- teilung der Muskelschichten in der Magenwand bedingte Besonderheit. Trotzdemnimmtaber der Magen desSchweines keine Sonder- stellung bezüglich des Mechanismusseiner Anfüllunggegen- über den Mägen anderer Tierarten mit einhöhligem Magen ein. Hervorgehoben muß auch die häufige Anwesenheit von Galle im Magen werden. Die monokulare und binokulare Reizschwelle der dunkel- adaptierten Augen. Von Erwin Müller. (Aus dem Physiologischen Institut zu Königsberg i. Pr.). Mit 2 Textabbildungen. (Eingegangen am 22. August 1921.) I. Literatur. Von Piper!) ist zuerst angegeben worden, daß die Reizschwelle des dunkeladaptierten Auges bei binokularem Sehen bis auf die Hälfte der monokulären Schwelle sinken könne. Wölfflin?) hat diese Angabe nicht bestätigen können. Beide Autoren haben mit verschiedenen Methoden gearbeitet. Piper beobachtete in einer Versuchsreihe eine Mattscheibe von 10 gem Fläche, deren Helligkeit abgestuft werden konnte, in einem Abstande von 30 cm vom Auge; der beleuchtete Netzhautbezirk hatte daher eine Ausdehnung von 26° in der Diagonale und von 18° in der Seite. Die Adaptationszeit betrug 2 Stunden. Das Verhältnis von monokularer zu binokularer Schwelle ergab sich gleich 2:1. Eine zweite Versuchsanordnung präsentierte gleichzeitig zwei gleich große be- leuchtete Mattscheiben, welche kurz nacheinander, die eine mit beiden, die andere mit nur einem Auge beobachtet werden konnten. Die Mattscheiben hatten eine Fläche von 8 qcm, sie wurden aus 35 cm Entfernung beobachtet; die beleuchtete Netzhautfläche hatte somit eine Ausdehnung von 18° in der Seite. Die Helligkeit der Mattscheiben konnte abgestuft werden, bis die binokular betrachtete der monokular beobachteten gleich hell erschien. Zwischen den beiden Beobachtungen lag daher nur die kurze Zeit der Blickwendung von einer Scheibe zu der anderen, was Piper für einen großen Vorteil hielt. Die Adaptationszeit betrug 20 Minuten. Das fragliche Verhältnis ergab sich gleich 1,6 :1 bis 1,7 :1. Wölflin hat das Licht einer elektrischen Glühlampe durch Reflexion in das Auge geführt und sukzessive abwechselnd die binokulare und die monokulare Reiz- schwelle bestimmt. Zur Orientierung der Blickrichtung dienten ihm schwache Si- gnale aus rotem Licht. Die Resultate beider Autoren sind, wie bereits erwähnt, grund- verschieden. Piper hat gefunden, daß sich beim dunkeladaptierten Auge die Eindrücke beider Augen summieren können. Die Frage ist von großer Wichtigkeit; denn wenn Pipers Beobachtungen sich be- stätigen, so hätte man nach Einrichtungen zu suchen, welche zentral 1) Zeitschr. f. Psychol. u. Physiol. d. Sinnesorg. 3%, 161—176. 2) Graefes Arch. f. Ophthalmol. 61, 524—560. 0 E. Müller: von den Netzhäuten gelegen für eine derartige Summation geeignet wären. Aus diesem Grunde hat mich Herr Professor Weiß aufgefordert, die Frage erneut zu bearbeiten. Der wesentliche Teil meiner Apparatur lag bereits seit Jahren fertig vor. Im folgenden werde ich die Resultate der zunächst vorgenommenen Versuche mitteilen. Das ganze Gebiet wird einer neuen Bearbeitung bedürfen, um zu einer vollkommen klaren Erkenntnis zu kommen. Der vorliegende erste Teil der Bearbeitung bringt eine Reihe von Resultaten, welche gewiß sehr bemerkenswert sind, aber die Frage nicht abschließend lösen. Dazu würde es einer breiteren Grundlage von Versuchsmaterial bedürfen, das am besten durch die Zusammenarbeit mehrerer Forscher zusammengetragen werden kann. Es wäre daher zu begrüßen, wenn auch von anderer Seite der Frage erneut Interesse entgegengebracht und einschlägige Versuche angestellt würden. II. Methodik. Bei meinen Versuchen, die in völlig dunklem Raume ausgeführt werden, ist ebenfalls eine Mattscheibe beobachtet worden. Diese war in den ersten Versuchs- reihen quadratisch von 7,8 cm Seitenlänge. Sie wurde aus einer Entfernung von 30 cm beobachtet, so daß also der beleuchtete Netzhautbezirk in der Diagonale 20°, in der Seite 14,5° betrug. In den beiden letzten Versuchen ist das homogene Quadrat durch ein schach- brettartiges Muster (Abb. 1) ersetzt worden. Die einzelnen Quadrate des- selben hatten eine Seitenlänge von 2,6cm, die Zahl der Quadrate be- trug 12. Die Gesamtausdehnung in der Seite betrug daher 13cm. Das Muster wurde aus einer Entfernung von 30cm betrachtet. Der beleuchtete Netzhautbezirk umfaßte einen Win- kel von 27,5° in der Richtung der N \ 77 7 ww N größten Ausdehnung Z T, _ _ Zur Beleuchtung der Mattscheibe GT TR. TEE 7 2, diente ein Glühlämpchen, welches von ZZ N, — ZL Z einer Akkumulatorenbatterie gespeist Abb. 1. wurde. Die Abstufung der Intensität geschah durch eine Vorrichtung, welche eigens zu dem vorliegenden Zwecke kon- struiert worden ist. Sie ist in Abb. 2 skizziert. Ihre Hauptteile sind ein fest- stehendes Nikolsches Prisma NA und ein drehbares NP. Mit dem drehbaren ist eine Gradteilung fest verbunden, an welcher mittels eines Nonius der Betrag der Drehung bis auf Zehntelgrade genau abgelesen werden konnte. Die Vorrichtung ist von der Firma Zeiß in Jena im Jahre 1909 angefertigt worden. Die von den Nikolschen Prismen durchgelassene Lichtintensität ist proportional dem Cosinus des Winkels, den die Polarisationsebenen der beiden miteinander bilden. Die monokulare u. binokulare Reizschwelle der dunkeladaptierten Augen. 31 Um das Licht abstufen und gleichmäßig über die beobachtete Mattscheibe verteilen zu können, sind folgende Einrichtungen getroffen worden (Abb. 2). La ist die erwähnte Glühlampe, B, und B, sind kreisrunde Öffnungen, welche den Lichtkegel der Lampe begrenzen. SL ist eine Plankonvexlinse von 3,5 cm Brenn- weite,iin deren Brennpunkte sich die Glühlampe befindet. Das parallele Lichtbündel ist durch eine Blende B, von 5,5 mm Weite auf diesen Durchmesser beschränkt. Es passiert die beiden Nikols und wird durch die Zerstreuungslinse ZZ von 35 Diop- trien auf das kreisrunde Feld F (3,5 em Durchmesser) von transparentem Papier entworfen. Von diesem Felde F wird der Kasten K im Inneren erleuchtet. Seine Wände sind weiß lackiert, so daß auf der Fläche M, der wiederholt erwähnten Mattscheibe, diffuse gleichmäßige Helligkeit herrscht. Diese Instrumente sind auf einer optischen Bank zu zwei lichtdicht einge- bauten Komplexen vereinigt, deren erster A die Lampe beherbergt, deren zweiter B die übrigen Teile mit Ausnahme des Kastens K. Dieser Kasten bildet eine Ab- teilung eines großen Kastens, in welchen die Apparate A und B wiederum licht- dicht eingebaut sind. Zur Bedienung des Nikols diente eine Schiebetür am Kasten, zur Ablesung eine besondere Lampe. Während der Ablesung wurde die Versuchs- person im vollkommenen Dunkel gehalten. III. Versuche. Der Versuch begann nach einer Adaptationszeit von im allgemeinen 45 Minuten. Die Polarisationsebenen der beiden Nikols bildeten zu- nächst einen Winkel von 90° miteinander ; nach Erregung der Glühlampe war daher das Gesichtsfeld vollkommen dunkel. Nun wurde der Kreuzungswinkel der Nikolschen Prismen langsam verringert. Die Versuchsperson war ganz allgemein angewiesen, anzugeben, wenn sie Licht auftreten oder verschwinden sähe. Rief die Versuchsperson: „Hell“, so wurde die Drehung der Nikols eingestellt und die Lampe geräuschlos aus- und eingeschaltet. Gab die Versuchsperson den Zeit- . punkt des Erscheinens und Verschwindens nicht richtig an, so wurde das Beobachtungsfeld weiter erhellt, bis die Angaben sicher wurden. Dieses Resultat wurde abgelesen und notiert. Dann wurde durch 32 E. Müller: Rückwärtsdrehen aus der notierten Stellung der Zeitpunkt festgestellt, in dem die Mattscheibe nicht mehr erblickt wurde. Diese Stellung wurde auch notiert. Schließlich wurde der Winkel wieder auf 90° ge- stellt und der Versuch wiederholt. Fünf solcher Wertpaare wurden für jedes einzelne Auge und binokular ermittelt. Die Bestimmung des Schwellenwertes wird erschwert durch die Erscheinung, daß man häufig das Beobachtungsfeld ziemlich plötzlich aufleuchten sieht und dann weiter bei Verminderung der Helligkeit das Licht noch wahrnimmt. | Die Versuchspersonen waren aber trotzdem meist in der Lage, das erscheinende Licht in seiner Stärke gegenüber den anderen Messungen einzuschätzen, und zwar überwiegend richtig, so daß sie das Bild als hell bezeichneten, wenn der Wert verhältnismäßig hoch war. Das Verschwinden des Lichtes ließ sich nicht so sicher bestimmen, da Licht- nebel und Nachbilder Unsicherheit hervorrufen. Die Grenzen rückten für das Erscheinen und Verschwinden jedoch merklich näher, wenn der Beobachter sich durch Tasten mit der Hand über die Lage des Feldes informierte und dadurch die Blickrichtung mittels des Tast- eindruckes dirigierte. Eine und dieselbe Person lieferte bei gleichen Bedingungen keineswegs konstante Werte, bald schien das rechte Auge, bald das linke empfindlicher, ferner klagten die meisten bei monokularer Messung über Unsicherheit der Blickrichtung. Bei den Vorversuchen und den Versuchen der zweiten und dritten Reihe zeigte sich gelegentlich folgende Erscheinung: Die Versuchs- person gab den Zeitpunkt des Auftauchens an, aber sofort hörte der Lichteindruck auf, um jedoch rasch wieder zu erscheinen. Es wechselte so schnell hintereinander periodisch Licht und Dunkelheit, und zwar in Form von Schatten, die über die Lichtfläche liefen. Eine geringe Ver- stärkung des Lichtes brachte diese Erscheinung zum Verschwinden. Das Phänomen war subjektiv; denn der Apparat wurde inzwischen nicht verstellt, auch ist eine Erklärung der Schatten aus der Versuchsanord- nung ziemlich ausgeschlossen. Die erste Reihe beschränkt sich auf einen vollständigen und einen unvollständigen Versuch. Dieser letztere mußte unterbrochen werden, da die Drehvorrichtung des Nikol nicht transportierte und sofortige Behebung dieser Störung unmöglich war, doch war die Untersuchung des rechten Auges und beider Augen zusammen bereits vollendet. Bei diesen Versuchen fielen die Schwellwerte meist in ein Gebiet von hohem Kreuzungswinkel; deshalb wurde durch Herabsetzen der Betriebs- spannung an der Lampe der Messungsbereich verschoben, so daß der mittlere Kreuzungswinkel geringer wurde und 0,1° keine erhebliche Änderung des Cosinus hervorruft. Die monokulare u. binokulare Reizschwelle der dunkeladaptierten Augen. 33 Tabelle der Intensitätsschwellen. 1ER FT Ina | RN V TA EST LI TV V | | Erstes | Ver- 28 Ss | | Erschei- | schwin- 32 | Auge 32| Auge | nen | den a3 | a3 | ! i | , d. Liehtempfindung | = Me 70 9 | 1. Reihe [ Rechts 17 | 19 | 1. Reihe Sala 44 1277 Vers:(T | ı 113 63 | Vers. II | 30 VER Ei ll| | 8 58 5 an | 7 S | 5 | wie ae} | ol | || Beide | 19 1,8 2 || Beide, 72 49 2| | lyy Eı 4068 | 33 27,9 | | | 65 26 | | 30 1,8 | 3 106 35 sl Sau nelzeon| El 82 98 | | | 3 || Links | 122 70 | 5 127 106 | | Erstes | Ver- 82 37 | Erschei- | schwin- 1a 72 | nen den | 112 58 d. Liehtempfindung | . Rechts 208 | 87 2. Reihe ( Beide 174 105 | 2. Reihe 242 139 Vers. III 174 35 | Vers. IV 174 52 156 52 | 25001192 208 35 | 233° \ 87 - 156 35 Links | 174 70 = | Rechts 191 35 191 87 = 191 87 191 | 2 | 208 105 Io ee = 225 105 n Ole 87 3 208 105 = | Beide | 242 |105 5 | Links 242 44 z 225 139 174 52 3 225 131 191 52 | = | 208 122 191 70. | - 208 |113 | 208 837 | & | |Rechts! 259 87 2.Reihe [2 [| Links 196 | 148 | 2. Reihe 191 35 Vers.val 2 156 110 | Vers. VI 191 70 rn 120 | 208 70% | & 98 96 ı 22 |105 | es 155 124 Beide | 191 4 | # | Rechts 113 96 | 259 105 \ 2 139 118 | 216 96 = 141 | 136 | lg 122 e 146 | 122 | 243 | 131 R 122 115 | 15 Minuten Pause Pflügers Archiv £.d. ges. Physiol. Bd. 193. 3 34 E. Müller: Tabelle der Intensitätsschwellen. (l. Fortsetzung). T u TIL IV V BEAT Tır Iv V ner Erstes Ver- : Erstes Ver- S © ‘ | Erschei- | schwin- 5 © Erschei- | ‚schwin- Se Auge nen den 25 | Auge nen den N d. Liehtempfindung h Ei d. Licehtempfindung 4 Links | 199 105 2. Reihe Is3 Beide 96 59 2. Reihe Er 216 | 139 | Vers. V fe: 112 98 | Vers. VI Se 208 70 I: 141. |. 117 gr 216. | 122 EB 112 85 ie 225 87 1° 112 92 .\ Beide | 146 98 | 2. Reihe Rechts 163 70 | 2. Reihe | 144 | 113- | Vers. VII] | 230 ' 153 Vers. VII 165 163 MB 32 148 105 151 66 3 169 113 | 155 12 3 15 Minuten Pause 5 | 15 Minuten Pause © | Rechts) 151 | 136 [# ||Links| 12 | 0 | Au 174 17. 1: 150.) . 80 3 1015102012,.101 13 110 |...80 = 148 87 = 156 70 Br 129 1l N e 98° |E2u70 E 1 3 | 15 Minuten Pause | Links | 216 82 Linker Beide | 148 51 | 267 | 167 en NE 185 1 mit der | 2 167 96 Hand ge- $ | 182 38 170 120 drückt (b. N | | 148 34 1.170 108 Zuhalten). } HZ so Rechts) 225 3. Reihe (|Rechts| 137 |3. Reihe 131 Vers. IXj$ 136 ‚Vers. X 174 | 131 169 143 139 | am Links | 165 Links 136 131 BSH FT (Fortsetzung von 182 = l...96. ‚| Beihe 3, Vers.X) a 1:2 || [mine 2) 113 > | | [ST a ©) aA | = 143 i | 148 I . Erstes ee) | RER Erscheinen = | |Beide| 111 | 2 || Beide! 170 | “use | des Licht- & 131 b 139 eindrucks 37 15 96 Links 94 91 | a Sr 72 108 N 8 59 Rechts) 151 Rechts 146 44 144 8 73 | 101 | 84 | Beide 44 | 98 Elke) 77 \ 108 | { 61 66 Die monokulare u. binokulare Reizschwelle der dunkeladaptierten Augen. 35 Tabelle der Intensitätsschwellen. (2. Fortsetzung). I II Ir IV I BETT Tom TV2rE Erstes Er- | Erstes Er- Beob- N scheinen der Beob- | scheinen der achter auge Licht- achter zure Licht- 3 empfindung 3 empfindung ( | Rechts 194 3. Reihe ( | Rechts 122 3. Reihe 160 Vers. XI | 10h 15° 118 Vers. XII 209 | | 10h 20’ 139 se Links 127 148 Links 17,7, 26,5 136 ED 233 Beide 193 2 a m © re IH 3 118 u} 158 | =: Rechts 120 s $ | Beide 167 SZ 108 198 | 39,5’ 108 5 186 = IN 148 Links 134 = 99 hal en | 46 148 118 eshın ön | Beide 78 225 | I 110 Sl N | A. Links 2 2 | Rechts lass Aj|| ımıe 151 ng | | 98 SI | 82 ) En Sal rer 91 \ Beide | | 114 18,5’ | 78 | 92 a 3jln2l 609 ( Beide | Beide | 10h 53° 103 3. Reihe Eon 54 | 3. Reihe 106 Vers. XIII 85 Vers. XIII ® 56° 101 | 26° 58 (Fort- = Links | Rechts setzung) = 58° 96 220 2 = 91 | 68 =) 11h 2 108 34’ 84 Ä Rechts | Links | | = 11% 10 98 | 821 >| | 80 Beide 87 E { 1l& so 35 | Ü 45’ TO | [SW] 36 E. Müller: In den Tabellen der Versuchsreihe bedeutet Kolumne I den Namen des Beobachters, II das beobachtende Auge, III die Intensität, welche den ersten Lichteindruck erzeugt, IV die Intensität, bei welcher dieser verschwindet, V die Versuchnummer. Von Versuch IX ab sind die Verschwindungswinkel nicht mehr aufgesucht. Bei Versuch XIV und XV wurde eine andere Mattscheibe (siehe unten) verwendet, außerdem die Zeiten notiert. Die Adaptationszeit betrug hier 2 Stunden, während deren die Versuchsperson schlief. Die Adaptation begann bei Ver- such XIV um 8 Uhr morgens, bei Versuch XV um 8h 37”. Von einer Bestimmung der absoluten Lichtintensität ist abgesehen worden, da für die vorliegende Frage nur die relativen Werte Interesse haben. Diese werden durch die Cosinuswerte ausgedrückt. In der Tabelle ist das Tausendfache jedes Cosinuswertes aufgeführt, um ganze Zahlen zur Vergleichung zu haben. Eine überaus wichtige Frage ist nunmehr, in welcher Art man die Resultate zu verwenden hat. Man kann zuerst daran, denken aus den beobachteten Werten der Versuchsabschnitte Mittelwerte zu er- mitteln und diese miteinander zu vergleichen. Unter dieser Bedingung kommt man für eine Reihe von Versuchen zu dem Resultat, daß die binokulare Schwelle tiefer liegt als die monokulare, bei einigen Ver- suchen ist es aber umgekehrt. Die folgende Tabelle gibt darüber Auf- schluß. Es ist aber nach meiner Meinung diese Art der Betrachtung nicht entscheidend für die Frage. Wenn man bedenkt, daß jeder der notierten Werte einen sicher wirksamen Lichtreiz repräsen- tiert, so muß man zu dem Resultate kommen, daß die nie- drigsten Schwellenwerte miteinander verglichen werden müssen. Dies ist in der folgenden Tabelle geschehen. Tabelle der geringsten Werte. Beobachter Auge Erstes Ershheinen Verschwinden _ Versuchsreihe Rechtes 30 5.0 1.-RoT. Beide 18 1,8 Rechtes 75 19 a 108 Beide 65 26 Linkes 82 37 Rechtes 174 52 le INOE, Linkes 174 70 Beide 208 105 Beide 156 35 AV Rechtes 191 35 Linkes 174 44 Rechtes 191 35 V. Beide 1.912005 44 Linkes 199 70 Die monokulare u. binokulare Reizschwelle der dunkeladaptierten Augen. 37 Beobachter Auge Erstes Erscheinen Verschwinden Versuchsreihe Linkes 98 77 IERDVE Rechtes 113 96 15 Min. Pause Beide 96 59 Beide 144 98 VL. 15 Min. Pause Rechtes 129 1lal Linkes 167 82 Rechtes 151 66 VI. 15 Min. Pause Linkes 98 70 15 Min. Pause Beide 143 51 Linkes 113 rl 1 Beide 87 Rechtes 98 Rechtes 61 X. Linkes 44 Beide 44 Beide 99 RUE Rechtes 91 Linkes 99 Rechtes 82 XD. Linkes ll Beide 78 Beide 54 XII. Rechtes 68 Linkes 82 Quotient aus den geringsten Werten monokularer und binokularer M Schwelle BB: d. i. die Zahl, welche angibt, wievielmal beide Augen bei gemeinsamen Sehen empfindlicher sind als das empfindlichste der allein sehenden Augen.: 1. Reihe Versuch I = = n = 1,647 Ian, 5 “ u = — 2 —#16154 Zn „ III = = 3: — 0,838 Pre = IV = — ne — 1 In ; VE =107=100 ER n VI = — SE —021 2 5 ; vn = - Er 0,895 38 E. Müller: Die monokulare und binokulare Reizschwelle usw. 2. Reihe Versnch VIII = — 115 = 0,685 SE. B IX = = — Bu 1 X = = n = 1,000 BR A XI n = 25 — 0,919 BR RT! = = = — Bus, 3 XIT = = 2 1.259 Wenn man die Zahlen nach Werten ordnet, die über 1 liegen, und nach solchen, die 1 sind oder unter 1 liegen, und ferner die Differenzen zu 1 dazu schreibt, so ergibt sich folgendes: Werte über 1 Diff. zu 1 Werte unter 1 Diff. zu 1 1,667 0,697 1,000 0,000 1,154 0,154 0,838 0,162 1,115 0.115 1,000 0,000 1,021 0.021 0,895 0,105 1,126 0.126 0,685 0.315 1,051 0,052 0,919 0,081 1,259 0,259 Man sieht, daß nur eine Beobachtung mehr ist, welche Werte über l ergeben hat, als Beobachtungen, die Werte von 1 oder darunter ergeben haben. Das spricht ganz und gar nicht für ein Überwiegen der binokularen Empfindlichkeit. Nun ist noch die Frage zu erörtern, aus welchem Grunde die bino- kularen Schwellen bei manchen Versuchen tiefer liegen als die monu- kularen. Ein wesentlicher Faktor scheint mir dabei die Tatsache zu sein, daß das Urteil bei Beobachtungen mit beiden Augen sehr viel leichter ist als bei monokularer Beobachtung. Vielleicht spielt dieses Moment eine wichtige Rolle. Bei den Versuchen mischen sich auch subjektive Momente ein wie besonders die Ermüdung (s. Reihe 4. Versuch XV). Den Einfluß einer etwaigen Änderung des Adaptations- zustandes habe ich durch die Versuchsanordnung auszuschließen ver- sucht, indem abwechselnd die monokularen und binokularen Schwellen zuerst beobachtet worden sind. Hierdurch sind auch etwaige Fehler- quellen, die aus einer Änderung des Adaptationszustandes entstehen könnten, beseitigt. Es ließe sich noch manches über die Versuche sagen. Freilich könnte das Studium des Versuchsprotokolles dadurch nicht ersetzt werden. Dieses scheint mir vor allem nötig zu sein, wenn man wirklich ein Urteil über die Versuche gewinnen will. Zusammenfassung: Eshaben sich keine Anhaltspunktefür die Annahme ergeben, daßimdun- kel adaptierten Auge die binokulare Schwelle tiefer liege als die monokulare. Der Gaswechsel des eurarisierten Frosehes. I. Teil: Die Kohlensäureabgabe. Von cand. med. Hans Rosenerantz. (Aus dem physiologischen Institute zu Königsberg i. Pr.) (Eingegangen am 22. August 1921.) Es ist auffallend, wie schnell das Blut eines curarisierten Frosches venös wird. Sogleich nach dem Eintreten der Lähmung verliert es seine hellrote Farbe. Diese Tatsache weist auf eine starke Abnahme des Sauerstoffgehaltes des Blutes infolge des Ausfalles der Lungen- atmung hin. Es dürfte von großem Interesse sein festzustellen, bis zu welchem Grade der Gaswechsel des Frosches während der Lähmung durch Curare bestehen bleibt. Von vornherein ist die Möglichkeit durchaus ins Auge zu fassen, daß jegliche Sauerstoffaufnahme aufhört, das Tier also ein anaerobes Leben führt. Nach den Pflügerschen Beobachtungen müßte ein normaler anaerob lebender Frosch in etwa 18 Stunden zugrunde gehen. Die curarisierten Frösche überleben aber eine dreitägige Lähmung sehr gut. Sie müssen also unter ganz anderen Bedingungen stehen als ein normal atmender Frosch. Man kann sich sehr wohl vorstellen, daß bei Curaretieren eine starke Verringerung des Stoffwechsels infolge der Lähmung eintritt, so daß auch bei anaerobem Leben die Lebensdauer größer ist als die eines normalen Frosches; andererseits besteht die Möglichkeit, daß die Abgabe der Kohlensäure beim Curarefrosch geringer ist als beim normalen, und daß durch An- häufung derselben im Blut eine narkotisierende Wirkung auf das Tier ausgeübt wird, infolge deren der Stoffwechsel verringert wird. Im folgenden sollen diese Fragen, zu deren Bearbeitung mich Herr Prof. Weiß aufforderte, an der Hand von Versuchen geprüft werden. Zunächst teile ich meine Beobachtungen über die Abgabe der Kohlen- säure durch die Haut mit, in einer weiteren Abhandlung werde ich über den Sauerstoffverbrauch berichten. I. Methodik. Die Versuchsanordnung war folgende: Von einem Gasometer wurde Luft durch 2 Kalilaugeflaschen geleitet, um hier von der Kohlensäure befreit zu werden. Diese Kalilaugeflaschen enthielten Kalilauge in gesättigter Lösung, 40 H. Rosencrantz: damit infolge der starken Konzentration auch die ganze in der Luft enthaltene Kohlensäure absorbiert wurde. Die kohlensäurefreie Luft wurde dann zu dem Gefäß geleitet, in dem der Frosch saß. Die vom Frosch ausgeatmete Kohlensäure ging durch 2 Pettenkofersche Röhren, die mit Bariumlauge gefüllt waren. Die letzteren dienten dazu, die Kohlensäure aufzufangen und sich mit ihr zu Bariumcarbonat zu binden, das unlösbar ist und sich am Boden der Röhren niederschlägt. Die erste Röhre war dazu bestimmt, alle vom Tier erzeugte Kohlen- säuwe zu absorbieren, die zweite Röhre diente zur Kontrolle dafür, daß wirklich alle Kohlensäure in der ersten absorbiert wurde. Ihr Inhalt mußte klar bleiben. Die Dichtigkeit des Apparates wurde von Zeit zu Zeit geprüft. Die Titration des Barytwassers der ersten Röhre geschah mittels Oxalsäure- lösung. Da sie durch Licht leicht zersetzt wird, ist sie im Dunkeln aufbewahrt worden. Der Titer wurde so gestellt, daß 1 ccm der bei diesen Versuchen verwen- deten Oxalsäure äquivalent 0,25 cem Kohlensäure ist. Um dieses Verhältnis zwischen Oxalsäure und Kohlensäure zu erhalten, wurden 1,405g krystallisierte Oxalsäure in 1 Liter Wasser aufgelöst. Als Indicator bei der Titration wurde Phenolphthalein verwendet. Vor jedem Versuch wurde durch Titration mit der hergestellten Oxalsäure die Konzentration von 1 ccm der Bariumlauge festgestellt, desgleichen nach dem Versuch. Die Differenz zwischen der Oxalsäuremenge, die bei der Titration des Barytwassers vor dem Versuch verbraucht wurde, und der Menge, die man nach dem Versuch brauchte, gibt an, wieviel Kohlensäure von 1 ccm Bariumlauge ge- bunden war. Aus der erzeugten Kohlensäuremenge wurde jedesmal die pro kg Tier und Stunde erzeugte Kohlensäuremenge errechnet. Zur Erläuterung diene das folgende Beispiel. Versuch. NER: "Menge d. Ba- d Se en IS riumlauge in Ergebnis der Titration 1. Frosches ersuches | ger 1. Röhre 23,32g | 5 Stunden | 243 ccm | Zur Neutralisation von 1 ccm Bariumlauge waren nötig: vor dem Versuch 1,075 cem (COOH),, nach dem Versuch 0,975 ccm (COOH),, Differenz 0,1 ccm. 1 cem (COOH), » 0,25 cem CO, , 0,1 cem (COOH), ® 0,025 ccm CO, . Die Menge der zu titrierenden Bariumlauge beträgt 243 ccm, das Gewicht des Frosches 23,32 g, die Dauer des Versuches 5 Stunden, folglich ist die ausgeatmete Kohlensäuremenge pro kg Frosch in 1 Stunde bei einer Temperatur von 18° gleich 52,1 ccm. Die Versuche am normalen, eurarisierten und entbluteten Frosch wurden an Wintertieren der Gattung Rana esculenta bei einer Temperatur von 18° C ausge- führt und dauerten durchschnittlich 5 Stunden. Die Frösche wurden 24 Stunden vor jedem Versuch in den Versuchsraum gebracht, um ihren Stoffwechsel der Temperatur von 18° anpassen zu können. 1I. Kohlensäureabgabe des normalen Frosches. Tabelle I gibt Aufschluß, wieviel Kohlensäure pro Kilo normaler Frosch in einer Stunde ausgeatmet ist. Der Gaswechsel des curarisierten Frosches. 41 Tabelle I. Normale Frösche. | Die pro kg Frosch Nr Gewicht des Frosches | Diner nes Verekehan in 1 Stunde aus- | | geatmete CO, & | | ccm 1 23,32 | 5 Stunden | 52,1 | 24,9 one | 59,44 3 | 28 URS LEER | 30,31 dur 46,88 3a | 51,4 Ö 48,29 IS | 22,02 6 | 48,7 IND, | 41,68 TR 52,45 ERDE HERE 35,04 | 53,02 Dil 39,42 9 | 67,77 De | 29,2 10 71,55 De 25 Minuten | 59,35 11 81,2 Duos 24,1 2 Frösche | 12 | 51,65 (24,9 + 26,75) ‚ 4 Stunden 20 Minuten 56,07 13 78,15 (43,4 + 34,65) | Are 42,66 Das Minimum an ausgeatmeter Kohlensäure beim normalen Frosch beträgt also 22,02 ccm, das Maximum 59,44 ccm. Das Mittel aus den gefundenen Werten für die produzierte Kohlensäure ist 41,75 ccm. Diese Versuche stimmen mit den Experimenten über Kohlensäureausscheidung, die Schulz!), Reignault und Reiset am normalen Frosche angestellt haben, gut überein. Schulz fand bei seinen Versuchen über den Gas- wechsel von Rana esculenta bei einer Temperatur von 15—20° die CO,-Produktion 38,09ccem. Reignault und Reiset erhielten als Minimum für ausgeatmete Kohlensäure 30,76ccm, als Maximum 57,7 ccm. Die Resultate dieser beiden Autoren waren das Ergebnis von nur 5 Versuchen. Nach den Versuchen 1, 6, 8, 9, 11, 13 der Tabelle I hat es den Anschein, als wenn ein an Gewicht leichterer Frosch verhältnismäßig mehr Kohlensäure produziert als ein schwererer. Man könnte daran denken, dies sei dadurch begründet, daß der leichtere Frosch eine ver- hältnismäßig größere Oberfläche hat und daher die Bedingungen für die Kohlensäureabgabe günstiger wären. Ferner hat der kleinere und jüngere Frosch auch einen lebhafteren Stoffwechsel. Ob aber letzterer hier wirklich in Frage kommt, erscheint doch sehr zweifelhaft, zumal diese Versuche an Wintertieren angestellt wurden, die kaum wuchsen und daher auch keinen Unterschied in der Größe des Stoffwechsels haben werden. Andererseits wird die Intensität des Gaswechsels bei einem unter normalen Bedingungen lebenden Frosche von der Größe 1) H. Schulz, Pflügers Arch. f. d. ges. Physiol. 14, 78. 1877, und Über die Abhängigkeit zwischen Stoffwechsel und Körpertemperatur bei Amphibien und Insekten- Inaug.-Diss., Bonn 1877. 42 H. Rosencrantz: des Tieres und von den Anforderungen, die an die Zelle gestellt werden, abhängig sein, die selbstverständlich bei jedem Individuum einen an- deren Stoffwechsel bedingen. Ill. Kohlensäureabgabe des Curarefrosches. Tabelle II gibt Aufschluß über die Ergebnisse der Versuche der Kohlensäureproduktion bei curarisierten Fröschen. Tabelle II. Curarisierte Frösche. desientiäes Die pro kg Frosch Nr. | Frosches Dauer des Versuches ul Santa SER | % geatmete CO, | 3 | | cem 1 DD 5 Stunden 50 Minuten 36,16 2 36,48 Ba 20 19,76 3 42,95 Sa, Di Re 18 4 46,8 ERRENG AD. .%, 25,46 | 51,3 Ba 26,44 6 | 52,45 7 r PAUNNOH 14,66 210. 54.1 Da DO, 17,8 8 | 57,49 DR: T530.% 29,8 9 || 61,92 en DO 14,56 Die Tabelle dieser Versuche zeigt, daß der curarisierte Frosch Kohlensäure produziert, die durch die Haut ausgeatmet sein muß, da die Lungenatmung durch Muskellähmung ausgeschaltet ist. Das Mini- mum an ausgeatmeter Kohlensäure beträgt pro Kilo Frosch und Stunde im gelähmten Zustand 14,56 ccm, das Maximum 36,16 cem. Das Mittel aus den gefundenen Werten ist 22,52 ccm. Die meisten dieser Versuche (Tabelle II, 1 und 2, 1 und 3, 6 und 9, 7 und 8) sprechen dafür, daß beim curarisierten Frosche der Gaswechsel von den augenblicklichen an die Zelle gestellten Anforderungen abhängig ist und nicht von der Körperoberfläche. Im Vergleich zur Kohlensäureproduktion des nor- malen Frosches ist die Kohlensäureausscheidung beim curarisierten etwa um die Hälfte vermindert, der Stoffwechsel also nur halb so groß. Wenn man das gewonnene Resultat mit den Versuchen von Bohr und Krogh über die Hautatmung vergleicht, so ergibt sich folgendes. Bohr!) kommt nach seinen Experimenten zu dem Ergebnis, daß nach Ausschließung der Lungenatmung die Aufnahme von Sauerstoff durch die Haut bedeutend weniger beträgt als bei normalen Fröschen die Sauerstoffaufnahme. Der respiratorische Quotient steigt in allen Fällen bedeutend. Die Kohlensäureausscheidung durch die Haut ge- schieht also relativ leichter als die Sauerstoffaufnahme. Die Haut und Lunge des Frosches unterscheiden sich demnach als Atmungsorgane nicht nur dadurch, daß die Lungen einen bedeutend größeren Stoff- !) Bohr, Chr., Über die Haut- und Lungenatmung der Frösche. Skandin. Arch. f. Physiol., 10, 74, 90. Der Gaswechsel des curarisierten Frosches. 43 wechsel zu unterhalten vermögen, sondern die genannten Organe bieten auch in ihrer Funktion wesentliche qualitative Verschiedenheiten. Zu denselben Resultaten gelangt in seinen Versuchen Kroght), er findet aber noch zwischen Rana fusca und Rana esculenta mit Bezug auf die Sauerstoffaufnahme durch die Lunge und auf die Kohlensäure- abgabe durch die Haut einen wesentlichen Unterschied. Bei Rana esculenta stellt die Haut ein viel wichtigeres respiratorisches Organ im Vergleich zu den Lungen dar. Ob und wieweit die Resultate von Bohr und Krogh über die qualitativen funktionellen Verschiedenheiten zwischen Lunge und Haut beim Frosch auch auf den Frosch im curarisierten Zustand Anwendung finden können, geht aus den bisher mitgeteilten Versuchen nicht hervor. Möslich wäre es, daß der zum Unterhalt notwendige Sauerstoff während des Vergiftungsstadiums durch die Haut eingeatmet wird, da der Stoff- wechsel etwa um die Hälfte gesunken ist. Andererseits ist es möglich, daß ein Teil des Sauerstoffes auf anoxybiontischem Wege zum Ver- brennungsprozeß geliefert wird. Um diese Frage zu entscheiden, muß erst der Sauerstoffverbrauch beim curarisierten Frosche festgestellt werden. Wieweit die Hautatmung bei den der Lungen beraubten Fröschen die Lungenatmung ersetzen kann, darüber gehen die Ansichten der einzelnen Autoren auseinander. Die meisten Autoren kommen nach den Ergebnissen ihrer Versuche zu der Ansicht, daß die Hautatmung beim Frosche für die Respiration zwar eine wesentliche Rolle spielt, aber auf die Dauer die Lungenatmung nicht ersetzen kann. So fand Dissard?) nach seinen Versuchen, daß die Verminderung der Kohlensäureausscheidung in der Luft eine sehr beträchtliche war, wenn die Lungenatmung ausgeschaltet wurde. Dissard unterband bei seinen Versuchen die Lungenvenen und Lungenarterien, um da- durch die Lunge von der Atmung auszuschließen. Desgleichen fand Berg?) nach Lungenexstirpation ein erhebliches Sinken der Kohlensäureexhalation. Nach Marcaccis*) Versuchen findet dureh die Haut ein ungenügen- der Gaswechsel statt, der das Leben der Frösche nicht allein erhalten kann. Edwards?) zeigtin seinen Versuchen, daß nur beiniederer Temperatur die Hautatmung allein genüst, um Frösche dauernd am Leben zu erhalten. !) Krogh, On the cutaneons and pulmonary respirat of the frog. Skand. Arch. 15, 329. 1904. ?) Dissard, A., Influence du milieu sur la respiration chez la grenouille (Labor. d. Bouchard). Comptes rendus d. l’acad. d. sciene. 114, 1153—1154. ®) Woldemar Berg, Unters. über d. Hautatmung des Frosches. Dorpat 1868. *) Marcacci, A., L’asphyxie chez les animaux & sang froid. (Labor. d. physiol. d. Palerme.) Arch. ital. d. biologie 21. 1—14. >) W. F. Edwards, De l’influence des agents physiques sur la vie. S. 12 und 41—62. Paris 1824. 44 : H. Rosencrantz: Nach Klug), der durch Durchschneiden der Nervi vagi die Lungen- atmung ausschaltete, und nach Couvreur?) genügt die Hautatmung beim Frosch in den Wintermonaten allein. Regnault und Reiset fanden dagegen in ihren Experimenten den Gaswechsel der Frösche nach Lungenexstirpation unverändert. Spallanzani°®) will nach Lungenexstirpation bei Fröschen ein langes Leben konstatiert haben. Im Gegensatz zu diesen drei letzten Autoren stehen die Mitteilungen von Morcacci*) über die Hautatmung beim Frosche, in denen er die Respiration durch die Haut bestreitet oder ihr wenigstens keine Be- deutung beilest. Da diese Versuche von Regnault und Reiset, Spallanzani, Morcacci ganz vereinzelt in der Literatur dastehen, kann man ihnen keine allzu große Bedeutung beimessen. Mit den Experimenten der zuerst genannten Autoren stimmen die Versuche über Kohlensäureproduktion beim curarisierten Frosch überein. Es fällt im Gegensatz zu den Versuchen am normalen Frosch auf, daß beim Curaretier die Kohlensäureabgabe sich nicht gleichmäßig über die ganze Versuchszeit verteilt. Aus den Versuchen 4, 5, 6 der Tabelle II einerseits und 8, 9 der Tabelle II andererseits kann man schließen, daß die Kohlensäureausscheidung beim curarisierten Frosche in den ersten beiden Stunden des Lähmungszustandes größer ist als in den nächsten Stunden, in denen die produzierte Kohlenmengesäure immer mehr abnimmt, um dann wieder in der 5. Stunde konstant zu werden. Es scheint also, daß die Stoffwechselprozesse mit zunehmender Ver- suchsdauer verringert werden, um sich schließlich auf ein Minimum einzustellen. Über den Grund dieser Erscheinung können erst die Versuche über den Sauerstoffverbrauch Aufschluß geben. IV. Kohlensäureabgabe des entbluteten curarisierten Frosches. Um festzustellen, welchen Anteil die Zirkulation des Blutes an der Hautatmung hat, ist untersucht worden, wieviel Kohlensäure ein ent- bluteter curarisierter Frosch produziert. Tabelle III gibt die gefundenen Zahlenwerte der Kohlensäureausscheidung an. 1) F. Klug, Über die Hautatmung des Frosches. Arch. f. (Anat. u.) Physiol. 1884, S. 183—190. ®2) Couvreur, Contr. a l’etude des la respirat. aerienne (pulmonaire et cu- tanee) chez les batrachiens a l’age adulte. J. phys. path. 11, 590. ®) Spallanzani, Sur la respiration trad. par J. Senebier, S. 71 und 114. Geneve 1803. *) Morcacci, L’asfissia negli animali al sangue freddo. Arch. di farmacol. d. terap. %. 1894. Zit. n. Malys Jb. 1894, S. 475. Der Gaswechsel des curarisierten Frosches. Tabelle III. Entblutete curarisierte Frösche. Ne Die pro kg Frosch Nr. en Dauer des Versuches in 1 Stunde aus- e geatmete CO, ccm 1 42,1 7 Stunden 17,05 2 45,05 Es 16,68 3 47,75 4 Stunden 10 Minuten 15,9 4 50,57 5 ” 10 25 14,57 5 54,37 d5 30225 10,07 6 69,9 ( TORE 5,21 Es wird also von dem entbluteten Frosch Kohlensäure produziert. Nach der Tabelle beträgt das Minimum an ausgeatmeter Kohlensäure 5,21 ccm, das Maximum 17,05 ccm. Das Mittel aus diesen Werten ist 13,24 ccm. Die ausgeschiedene Kohlensäuremenge beim entbluteten Frosche ist etwa der dritte Teil der Kohlensäureproduktion des nor- malen Frosches und die Hälfte der ausgeatmeten Kohlensäure des curarisierten. Um festzustellen, wieweit sich bei der Kohlensäure- produktion die Hautzellen und wieweit sich die übrigen Organe des Körpers beteiligt haben, wurden noch drei Kontrollversuche über Kohlensäureausscheidung der Haut allein gemacht. Nach diesen Ver- suchen wurde zwar Kohlensäure ausgeatmet, deren Menge aber so gering war, daß sie in die Fehlergrenze fiel und zahlenmäßig nicht bestimmt werden konnte. Der Niederschlag, den die Bariumlauge in der ersten Röhre nach diesen Versuchen zeigte, war schätzungsweise etwa halb so stark wie der Niederschlag nach den Versuchen am entbluteten curari- sierten Frosche. Betrug die geringste Menge der Kohlensäureabgabe bei den entbluteten Fröschen nach Titration 5,21 ccm = 0,01 g, so würde die Kohlensäureproduktion der Haut pro Kilo Frosch und Stunde etwa 2 ccm — 0,004 g betragen. Diese Menge an produzierter Kohlen- säure ist aber so gering, daß sie vernachlässigt werden kann. Nachden Versuchender Tabelle ILI hören die Stoffwechselprozesse nicht auf, sondern gehen noch eine Zeitlang von statten. Die Kohlensäureabgabe vollzieht sich gleichmäßig während der Dauer des Experimentes. Die Ver- suche zeigen wieder, daß die ausgeschiedene Kohlensäuremenge eines an Gewicht leichteren Frosches verhältnismäßig größer ist als die eines schwe- reren Tieres. Wie schon oben erwähnt, hat der leichtere eine verhältnis- mäßig größere Oberfläche. Folglich geschieht die Kohlensäureausatmung beim Frosch, dem das Herz herausgeschnitten und der so entblutet ist, um so leichter, je größer die Oberfläche ist. Denn die von den einzelnen Zellen produzierte Kohlensäure bewegt sich nach Ausschaltung des Blutkreis- laufes durch Diffusion durch die Körperlymphe. Diese Diffusion geht bei kleinen Tieren schneller von statten, weil der Weg von den Organen bis zur Körperoberfläche kleiner ist als bei großen Tieren. So erklärt sich wahrscheinlich die relativ größere Kohlensäureabgabe kleinerer Frösche. 46 H. Rosencrantz: Der Gaswechsel des curarisierten Frosches. Daß die Kohlensäureausscheidung durch die Haut auf Diffusions- erscheinungen beruht, konnte Abernetty!) durch seine Versuche nachweisen, nach denen gasförmige Körper durch die intakte Epidermis hindurchgehen. Zu demselben Schluß kamen Krogh?) und Reid und Hambly?°) in ihren Experimenten. Die beiden letzten Forscher ließen kohlensäure- haltige Luft auf die noch lebende Haut eines frisch getöteten Frosches einwirken, und zwar einmal auf die Unterseite, das andere Mal auf die Oberseite der Haut, während die entsprechende andere Seite mit kohlensäurefreier Luft in Berührung kam. Sie fanden, daß stets fast gleiche Mengen Kohlensäure durch das Hautgewebe hindurchtreten. Aus diesen Versuchen schließen die Forscher, daß die Hautatmung des Frosches auf Diffusion beruht. Endlich ist noch festgestellt, wie weit die in dem Gefäß, in dem das Versuchstier saß, enthaltene Kohlensäure bei der Bestimmung der Kohlensäureausscheidung des Frosches eine Rolle spielt. Ein blinder Versuch zeigte, daß aus dem Gefäß keine Kohlensäureab gegeben wurde. Kurz zusammengefaßt sind die Resultate der Versuche am normalen, am curarisierten und am entbluteten Frosche folgende: 1. Das Minimum der Kohlensäureabgabe beim normalen Frosche beträgt 22,02 ccm, das Maximum 59,44 cem, durchschnittlich also 41,75 ccm. 2. Der Stoff- wechsel beim curarisierten Frosche ist im Vergleich zu dem des nor- malen etwa um die Hälfte verringert; das Minimum der Kohlensäure- ausscheidung beläuft sich nämlich bei ihm auf 14,56 ccm, das Maxi- mum auf 36,16ccm, durchschnittlich auf 22,52 ccm. 3. Die Kohlen- säureproduktion beim curarisierten Frosche hängt im Gegensatz zu der beim normalen und entbluteten curarisierten von der Dauer des Ver- suches ab, d.h. am größten ist die Kohlensäureabgabe zu Beginn der Lähmung, sie nimmt dann ab und wird wieder in der 5. Stunde kon- stant. 4. Beim entbluteten curarisierten Frosche beträgt das Minimum an ausgeatmeter Kohlensäure 5,21 cem, das Maximum 17,05 ccm, das Mittel aus diesen Werten ist 13,24 ccm. Die Kohlensäureproduktion ist etwa der 3. Teil der Kohlensäureabgabe beim normalen Frosche und etwa die Hälfte an ausgeatmeter Kohlensäure beim curarisierten. 5. Die Beteiligung der Hautzellen an der Kohlensäureausscheidung ist sehr minimal. 6. Beim entbluteten Frosche ist die Kohlensäureproduk- tion um so größer, je kleiner das Versuchstier, je größer also im Ver- hältnis die Körperoberfläche ist. !) Abernetty, Surgical and physiological-Essays, London 1793—97, S. 119. 2) Krogh, On the cutaneons and pulmonary respirat. of the frog. Skand. Arch. 15, 329. 1904. ®) Reid and Hambly, On transpirat. of carbon dioxide through the skin of the frog. Journ. of phys. 18,411. Weitere Untersuehungen über die von einzelnen Organen hervorgebrachten Substanzen mit spezifischer Wirkung. VI. Mitteilung. Von Emil Abderhalden und Ernst Gellhorn. (Aus dem physiologischen Institut der Universität Halle a. S.) Mit 22 Textabbildungen. (Eingegangen am 15. September 1921.) Die folgende Mitteilung knüpft unmittelbar an die früheren und insbesondere an die fünfte!) an. Wie dort, so wurde auch hier der Ver- such unternommen, weitere für bestimmte Inkretstoffe spezifische Wirkungen festzustellen, um einen gangbaren Weg zu Isolierungs- versuchen der wirksamen Stoffe aufzufinden. Die Versuche sind mit Optonen, die bei den folgenden Untersuchungen auf zwei Arten ge- wonnen worden sind, ausgeführt worden. Einerseits wurden Organe, die Inkretstoffe hervorbringen, durch Fermente tief abgebaut, anderer- seits wurde zur Hydrolyse 10 proz. Schwefelsäure verwendet. Die Wirkung der auf diesen Wegen gewonnenen Produkte wurde unter- einander verglichen. Als Versuchsobjekt dienten: das Herzstreifen- präparat nach Loewe, das isolierte Froschherz nach Straub, der Oesophagus vom Frosch und endlich seine Schwimmhaut. Die er- haltenen Befunde sind bei den einzelnen Versuchen angeführt. Es kann natürlich nicht befriedigen, an einzelnen Organen be- stimmte Wirkungen zu studieren, die von Produkten hervorgebracht werden, die von bestimmten Organen oder Geweben herstammen. Das Endziel aller dieser Studien ist einerseits Anhaltspunkte für beson- ders charakteristische Wirkungen aufzufinden, um so in die Lage zu kommen, biologische Reaktionen auf bestimmte Inkretstoffe als Fahn- dungsmittel auf solche benützen zu können. Ferner sollen an Hand der gefundenen Erscheinungen neue Gesichtspunkte zu Studien über die Wirkung der Inkretstoffe im gesamten Organismus gewonnen werden. In dieser Richtung bedeuten die Studien über die Beein- flussung der Adrenalinwirkung auf das Blutgefäßsystem und ins- besondere auf die Blutcapillaren bereits einen erfolgreichen Vorstoß. Im Mittelpunkt des Interesses an den Funktionen des gesamten Kreis- !) Pflügers Arch. f. d. ges. Physiol. 18%, 243. 1921. 48 E. Abderhalden u. E. Gellhorn. Weitere Untersuchungen über die laufes steht zur Zeit die Frage nach der Selbständigkeit des Capillar- kreislaufes. Immer mehr sind Beobachtungen bekannt geworden, die für eine solche sprechen. Es sei an die Untersuchungen von Dalelt), Richards und Laidlaw, Ebbecke?) und Krogh?) erinnert. Sie sprechen im Sinne einer chemischen Regulierung des Capillarkreislaufes, sei es nun, daß bestimmte Produkte direkt auf die Capillarwand als Reizmittel in positivem oder negativem Sinne wirken, sei es, daß es sich um die Auslösung von Reflexen handelt. Unsere Beobachtungen legen den Schluß sehr nahe, daß es Inkretstoffe sind, die regu- lierend auf den Capillarkreislauf einwirken. Es wäre damit eine neue Funktion der Inkretstoffe bildenden Organe festgestellt. Offenbar handelt es sich um ein Zusammenwirken mehrerer Inkretstoffe, die in feinsten quantitativen Abstufungen allen Ansprüchen, die an den Capillarkreislauf unter verschiedenen Be- dingungen gestellt werden, gerecht werden. Es erscheint uns von ganz besonderem Interesse, daß aus der Schilddrüse, der Hypophyse, der Thymus und den Generationsorganen stammende Pro- dukte die Adrenalinwirkung auf Capillaren aufzuheben vermögen. Sicherlich beschränkt sich die Wirkung bestimmter In- kretstoffe nicht nur auf die Capillaren, vielmehr werden auch die Arterien beeinflußt. Besonders bedeutungsvoll ist die Beobachtung, daß bei örtlicher Anwendung von Öptonen auf der Schwimmhaut des Frosches eine augenblickliche Erweiterung von Capillaren feststellbar war, ferner vermehrte sich ihre Zahl deutlich. Diese Feststellungen ließen sich auch dann machen, wenn an größeren Arterien keine Veränderung der Gefäßweite zu erkennen war. Abb.21 und 22 (vgl. S.78 u.79) geben eine solche Beobachtung wieder. Sie zeigen das Aussehen der Froschschwimm- haut und zwar Abb. 21 nach Einwirkung von Adrenalin, während Abb. 22 den Einfluß von Adrenalin + Placenta — N. opton zeigt. Im letzteren Fall erkennt man ohne weiteres die stark erweiterten Capillaren. Im ersteren kann man die engen Capillaren kaum erkennen. Wir beabsichtigen diese Beobachtungen weiter zu verfolgen und vor allem als Versuchsobjekte die Froschzunge und Harnblase heranzuziehen. Es dürfte die Feststellung, daß Inkretstoffe regu- lierend auf den Capillarkreislauf einwirken, nicht ohne weittragende Bedeutung für die Deutung des Einflusses der Organe mit Inkretion auf bestimmte Gewebsfunk- tionen sein. Gewiß ist die Funktion der einzelnen Gewebe bei be- stimmten Inanspruchnahmen ganz wesentlich von der Durchblutung '4) H. H. Dale and Richards, Journ. of physiol. 52, 100. 1918. Dale and Laidlaw, ebenda p. 355. ?) U. Ebbecke, Pflügers Arch. f. d. ges. Physiol. 169, 1. 1917. ®2) A. Krogh, Journ. of physiol. 52, 391, 409, 457. 1919. 53, 399. 1920. von einzelnen Organen hervorgebrachten Substanzen mit spez. Wirkung. VI. 49 und insbesondere auch von der Tätigkeit der Capillaren abhängig. Ihre Beeinflussung durch Inkretstoffe dürfte dabei von ausschlag- gebender Bedeutung sein. Manche Ausfallserscheinungen beim Versagen der Lieferung bestimmter Inkretstoffe, sei es, daß das Organ, das sie zu liefern hat, verändert ist oder sanz fehlt, läßt sich wenigstens wahrscheinlich in ge- wissem Umfange mit dem Versagen des feineren Capillar- mechanismus in Zusammenhang bringen. Es wird von größter Bedeutung sein, diesen Gedankengängen bei der Beobachtung von inkretorischen Störungen nachzugehen. Man darf bei derartigen Überlegungen nie außer acht lassen, daß die bei Studien über die Wirkung von Inkreten angewandten Methoden recht grober Natur sind. Wir wenden die Inkretstoffe ohne Zweifel in viel zu großen Konzentrationen an. Wir lassen außer acht, daß wahr- scheinlich die Wirkung der Inkretstoffe stets die Resultante des in feinster Weise abgestuften Zusammenspieles einer ganzen Reihe von solchen Stoffen ist. Der Ausfall des einen oder anderen Stoffes oder auch nur die quantitative Verschiebung in ihren Mengenverhältnissen kann schon bedeutungsvolle Folgen haben. Sie können aber auch von anderen Organen aus durch ähnlich oder gleich wirkende Inkretstoffe kompensiert werden. Man darf sich ohne Zweifel die Tätigkeit der einzelnen Organe hinsichtlich ihrer innensekretorischen Funktion nicht so vorstellen, daß nun jedes Gewebe ausschließlich ganz andere Inkret- stoffe bereitet. Vielmehr scheint der Fall so zu liegen, daß alle Organe oder doch viele davon gleiche oder doch ähnliche Wirkungen hervor- bringende Produkte bilden und sehr wahrscheinlich darüber hinaus noch ein für sie spezifisches Inkret abgeben. Endlich darf nicht außer acht gelassen werden, daß für den Mechanismus der Regulation der Bluteapillaren nicht nur chemische Agentien in Frage kommen, die an irgendeiner Stelle peripher angreifen, vielmehr kann das Nerven- system mit eingreifen und seinerseits in dem Wechselspiel der einzelnen Reize seinen Einfluß geltend machen !). Man darf bei der Frage nach dem Mechanismus der Regulierung des Capillarkreislaufes nicht ein- seitig entweder chemische, peripher wirkende Stoffe in Betracht ziehen oder nervöse Einflüsse — seien sie nun zentral bedingt oder aber reflektorischer Art. Vielmehr muß man beide Arten von Einflüssen, nebeneinander und getrennt, in Betracht ziehen. Selbstverständlich besteht durchaus die Möglichkeit, daß auch die ‚rein‘ nervösen Mecha- nismen in engsten Beziehungen zu Wirkungen von Inkretstoffen stehen. !) Vgl. hierzu E. Steinach und R. H. Kahn, Pflügers Arch. f. d. ges. Phy- siol. 99,105. 1903. Bezüglich der Wirkungen psychischer Vorgänge auf den Kreislauf vgl. Ernst Weber, Der Einfluß psychischer Vorgänge auf den Körper. Berlin 1910 (daselbst Literatur) und E. Gellhorn und H. Lewin, Arch. f. Anat. u. Physiol. Physiol. Abt. 1913 u. 1915. Pflügers Archiv f. d. ges. Physiol. Bd. 193. 4 50 E. Abderhalden u. E. Gellhorn: Weitere Untersuchungen über die I. Versuche am Herzstreifenpräparat nach Löwe und am isolierten Froschherzen nach Straub. In einer früheren Mitteilung!), in der das Herzstreifenpräparat unter verschiedenen Bedingungen untersucht wurde, hatte sich unter den in dieser Hinsicht geprüften Salzen fast ausschließlich Barium- chlorid als wirksam erwiesen, die Automatie des nicht schla- senden Streifens anzuregen, gleichgültig, ob es sich um einen ganglienzellreichen Kammerlängsstreifen oder um eine ganglienzellarme Herzspitze handelt. Dabei zeigte sich, daß Bariumchlorid die bisher bekannten, zur Anregung der Automatie von Herzstreifen geeigneten Reizmittel [Deh- nung?), Adrenalin] an Wirksamkeit bei weitem übertrifft. Es fragte sich nun, ob die von uns untersuchten Optone eben- fallsin diesem Sinne wirksam sind. Wir beschränkten uns hier- bei nicht nur auf die Untersuchung der durch Autolyse bzw. fer- mentativen Abbau dargestellten Organpräparate (sog. Optone), sondern verwandten auch Extrakte, die durch Hydrolyse der Organe mit 10Oproz. Schwefelsäure hergestellt waren. Sie sind durch ein „S“ gekennzeichnet. Alle untersuchten Optone, die in den verschiedensten Konzentrationen angewendet wurden, erwiesen sich mit Ausnahme des Testishydrolysats (TestisS) als unwirk- sam. Daß das Fehlen der die Automatie anregenden Wirkung seitens aller Optone mit Ausnahme von Testis $S nicht etwa daran lag, daß unerregbare Präparate verwendet wurden, konnte in jedem Versuche dadurch mit Sicherheit erwiesen werden, daß stets nach Ersatz der optonhaltigen Flüssigkeit durch frische Ringerlösung die Anregung der Automatie mit Bariumchloridlösung gelang. Wir müssen des- halb die Wirkung von Testis S auf den nicht schlagenden Herzstreifen als eine spezifische ansehen. Was die wirksame Dosis von Testis S anlangt, so genügte in allen Versuchen 0,01 g auf 60 ccm Ringerscher Flüssigkeit. Als Belege mögen die Abbildungen 1 und 2 dienen. In Abb. 1 wurde an einem Kammerlängsstreifen, der in gut durchlüfteter Ringerscher Flüssigkeit suspendiert war, aber weder spontan noch auf Dehnungsreiz automatische Kontraktionen zeigte, bei + 2 0,01 g Testis S gegeben mit dem Erfolg, daß nach einer kurzen Latenzzeit regelmäßige Kontraktionen einsetzen, die auch nach Er- neuerung der Ringerschen Flüssigkeit längere Zeit anhalten. Die Abb. 2 rührt von einem anderen Kammerlängsstreifen her, der nach Suspension in Ringerscher Flüssigkeit spontan sich regelmäßig kon- trahierte. Nachdem diese Kontraktionen eine Reihe von Stunden ge- !) Abderhalden und Gellhorn, Pflügers Arch. f. d. ges. Physiol. 183, 303. 1920. ®) S. Löwe, Zeitschr. f. d. ges. exp. Med. 6, 300. 1918. von einzelnen Organen hervorgebrachten Substanzen mit spez. Wirkung. VI. 51 währt hatten und in dieser Zeit verschiedene Salze in ihrer Einwirkung auf den schlagenden Kammerlängsstreifen studiert worden waren, stand der Kammerstreifen völlig still. Auf Dehnungsreiz wurde nur eine einmalige Kontraktion erzielt. Bei +44 wird 0,01g TestisS der Ringerschen Flüssigkeit zugesetzt. Bald darauf setzen automatische Kontraktionen in Form von Lucianischer Perioden ein, die auch nach Wechsel der Nährflüssigkeit noch andauerten. Die Tatsache, daß in diesem Versuche die Kontraktionen als Lucianische Perioden auf- treten, findet wohl darin eine hinreichende Erklärung, daß der Herz- streifen durch zahlreiche Versuche bereits erheblich geschädigt war!). Auch an zahlreichen anderen Herzstreifenpräparaten, die verschiedenen Teilen des Froschherzens entnommen waren (Herzspitze, Kammerring- Abb. 1. Kammerlängsstreifen. Bei +2 0,01g Testishydrolysat auf 60 ccm Ringersche Flüssigkeit. Bei 3 Wechsel der Ringerschen Flüssigkeit. Abb.2. Kammerlängsstreifen. Bei +44 0,01 g Testishydrolysat auf 60 cem Ringersche Flüssigkeit. Bei +45 Wechsel der Ringerschen Flüssigkeit. streifen) gelingt es, den nicht schlagenden Herzstreifen durch Testis in Automatie zu versetzen. Allerdings muß betont werden, daß Ba- riumchloridlösung der Testis S-Optonlösung erheblich über- legen ist, da nicht selten an Präparaten, die auf Zusatz von Testis S nicht reagierten, Bariumchlorid dennoch die Automatie anzuregen vermochte. Wir suchten nun die Wirksamkeit des Präparates zu steigern, indem wir zwecks Abtrennung unwirksamer Kör- per das Testishydrolysat einer fraktionierten Extraktion unterwarfen. Zunächst wurde auf dem Wasserbad am Rückfluß- kühler erschöpfend mit Alkohol extrahiert (12 Stunden), der Rückstand in wenig Wasser gelöst und abermals mit Alkohol extrahiert. Nunmehr wurden die Filtrate bei einer Temperatur von 40° im Vakuum zur !) Vgl. Abderhalden und Gellhorn, Pflügers Arch. f. d. ges. Physiol. 183, 309. 1920. 4* 52 E. Abderhalden u. E. Gellhoın: Weitere Untersuchungen über die > Trockene verdampft. Der Rückstand wurde in Wasser gelöst. Wir erhielten so ein alkoholisches Extrakt (I), ein alkoholisch wässeriges Extrakt (II) und, indem wir von dem letzteren abfiltrierten und den Rückstand in Wasser lösten, ein wässeriges Extrakt (III). Alle drei Extrakte wurden in 1proz. Lösung (lccm auf 60 cem Ringer- sche Flüssigkeit) hinsichtlich ihrer Fähigkeit, die Automatie des nicht schlagenden Herzstreifens anzuregen, geprüft. Dabei zeigte sich, daß, während Extrakt I und II unwirksam waren, dem wässerigen Extrakt die erwartete Wirkung zukam und zwar in erheblich höherem Maße als dem wässerigen Hydrolysat, das noch nicht der Extraktion mit Alkohol unterzogen worden war. Daß selbst unter sehr ungünstigen Bedingungen diese Wirkung zustande kommt, lehrt Abb. 3, in der ein an 10 Abb.3. Tiefer Kammerringstreifen ohne Durchlüftung. Bei +10 0,01 g wäßriger Hodenextrakt III (ef. Text). Bei 11 Wechsel der Ringerschen Flüssigkeit. ganglienzellarmer, tiefer Kammerringstreifen trotz Fehlens der Durch- lüftung der Nährflüssigkeit zu regelmäßiger Tätigkeit angeregt wird, die nach der etwa 3 Minuten später erfolgten Erneuerung der Ringer- schen Lösung noch mehrere Stunden anhält. Die Steigerung der Wirksamkeit des Extraktes III gegenüber dem nicht weiter behandelten Hydrolysat legt den Gedanken nahe, daß in dem alkoholischen Extrakt eine Substanz vorhanden war, dieeine die Automatie des Herzstreifenshemmende Wirkung ausübt. In der Tat läßt sich zeigen (vgl. Abb. 4), daß das alko- holische Hodenhydrolysat (0,018 auf 60ccm Nährflüssigkeit) eine negativ inotrope und chronotrope Wirkung am schla- senden Herzstreifen entfaltet. Beide Wirkungen sind aber voll- kommen reversibel, wenn man (+ 13 Abb.4) die gleiche Dosis Ex- trakt III hinzufügt. Dieser Versuch wurde an zahlreichen Herzstreifen mit gleichem Erfolge wiederholt und gibt dadurch eine vollständige Erklärung für die größere Wirksamkeit des Extraktes III des Testis- hydrolysats gegenüber demselben Präparate vor Anwendung der Ex- traktion mit Alkohol. Obwohl die Wirkung des Testishydrolysats wie des Extraktes III eine sehr charakteristische ist, so möchten wir doch betonen, daß die gleichsinnige Wirkung des Bariumchlorids weit stärker ist. Bei der Anwendung von Bariumchlorid sahen wir in weit über hundert Ver- von einzelnen Organen hervorgebrachten Substanzen mit spez. Wirkung. VI. 53 suchen kaum je einen Versager, während bei besonders geschädigten Präparaten die Anregung der Automatie mit Testishydrolysat mißlang, nachträglicher Zusatz von Bariumchlorid aber regelmäßige Kontraktionen hervorrief. In einer weiteren Versuchsreihe konnte der Nachweis erbracht werden, daß der die Auto- matie des Herzstreifens anregende Körper nicht etwa durch die Autolyse und den fermentativen Abbau, dem die Hoden zur Darstellung des Testis- optons N unterworfen waren, zerstört wird, son- dern daß die Unwirksamkeit des Testisoptons (N) im Gegensatz zu dem durch Schwefelsäure erhal- tenen Hydrolysat in dem nicht weit genug erfolg- ten Abbau begründet ist, oder aber, es wird eine hemmende Substanz beseitigt. Es konnte nämlich in Versuchen an der ganglienzellarmen Herzspitze gezeigt werden, daß das Testisopton N, das nachträglich einer Hydrolyse mit 10 proz. Schwefelsäure unterworfen wird, in gleicher Weise wirksam ist wie das Testisopton 8. In Abb. 4 wird gezeigt, daß ein durch Extrakt I sowohl hinsichtlich seiner Chronotro- pie wie der Größe der Kontraktionen in nega- tivem Sinne beeinflußter Herzstreifen durch Testishydrolysat Extrakt III wieder die ursprüng- liche Zahl und Größe der Kontraktionen erhält. Dieser Antagonismus ist aber kein spezifischer, vielmehr wird durch Zusatz von Extrakt III die Arbeitsleistung eines auch z. B. durch Sauerstoff- mangel geschädigten Herzstreifens wesentlich er- höht. Eine derartige Beeinflussung ließ sich durch Testisopton, das durch Autolyse und Fermentwir- kung abgebaut war, niemals erreichen. Vielmehr wurde mit diesem stets eine negative Einwirkung durch Verminderung der Pulsgröße und der Fre- quenz erzielt!). Das Testishydrolysat reagiert in wässeriger Lösung neutral und ist ebenso wie Extrakt III völlig frei von Barium in ionisierter Form (keine Trübung bei Zusatz von Schwefelsäure). Um dem Abb. 4. Bei +13 wäßriger Hodenextrakt III. Bei 14 Wechsel der Ringerschen Flüssigkeit. Bei +12 alkoholischer Hodenextrakt I. Tiefer Kammerringstreifen. !) Vgl. hierzu Abderhalden und Gellhorn, Pflügers Arch. f. d. ges. Phy- siol. 18%, 246ff. 1921. 54 E. Abderhalden u. E. Gellhorn: Weitere Untersuchungen über die Einwand zu begegnen, daß das Barium komplex gebunden sein könnte und an seine Anwesenheit die charakteristische Wirkung des Testishydro- Iysats und des Extraktes III gebunden sei, wurde eine kleine Menge von Testishydrolysat und Extrakt III verascht, die Asche in Wasser gelöst und in verschiedenen Konzentrationen am Herzstreifenpräparat geprüft. Sie erwiesen sich alle als völlig wirkungslos. Damit dürfte der Beweis erbracht sein, daß Testishydrolysat und Extrakt III nicht anorganischen Bei- mengungen, sondern organischer Substanz ihre charakteristische Wir- kung verdanken. Durch weitere Versuche suchten wir nun die Frage zu entscheiden, ob die auf verschiedene Weise (durch Autolyse und Ferment- Abb.5. Straubsches Präparat. Bei +5 Placenta N-Opton 0,002 g auf 1 ccm Ringerscher Flüssig- keit. Bei +6 Wechsel der Ringerschen Flüssigkeit. zusatz einerseits, durch Hydrolyse mit Schwefelsäure andererseits) erhaltenen Optone gleichartige oder ver- schiedene Wirkungsbilder ergeben. Diese Untersuchungen wurden vergleichend an den Optonen von Testis, Schilddrüse und Placenta ausgeführt. Zunächst seien die mit den Optonen aus Placenta angestellten Versuche geschildert. Wir müssen dabei auch auf die Wirkungen des durch fermentativen Abbau erhaltenen Placentaoptons!) eingehen, da die diesbezüglichen Versuche in unseren früheren Mitteilungen noch nicht enthalten sind. Versuche am isolierten Froschherzen nach Straub ergeben (Abb. 5 und 6), daß Placenta N und Sin 0,2proz. oder stärkerer Lösung eine geringe Pulsverkleinerung bewirkt. Die Wirkungen sind 1) Statt Opton, durch Autolyse und Fermentzusatz dargestellt, sei der Kürze halber von Opton N im Gegensatz zu dem durch Hydrolyse mit Schwefelsäure erhaltenen Opton S gesprochen. von einzelnen Organen hervorgebrachten Substanzen mit spez. Wirkung. VI. 55 ebenso wie die der früher!) untersuchten Optone reversibel und zeigen niemals Änderungen der Pulsfrequenz. Läßt man nun die Placentaoptone N und S längere Zeit einwirken, so zeigen sich ver- Abb. 6. Straubsches Präparat. Bei 1 Placenta S-Opton 0,0028 auf 1 ccm Ringersche Flüssig- keit. Bei 2 Wechsel der Ringerschen Flüssigkeit. schiedene Ergebnisse. Bei Placenta N ist nämlich die Pulsver- kleinerung oft nur sehr gering und gleicht sich nach 1—2 Mi- nuten von selbst aus; im Änschlußan diese Phase wird dann Vergrößerung.der Pulse beobachtet, die z. B. in dem Versuche der Abb. 7 fünf Minuten nach Zusatz von Placenta N (Abb. 7b) ein N \ a) b) c) Abb. 7a—c. Straubsches Präparat. a) Bei 4 Placenta N 0,002 g auf Icem Ringer. b) 5 Min- später. c) Nach Wechsel der Ringerschen Flüssigkeit. Drittel der ursprünglichen Größe beträgt. Zuweilen wird die negativ- inotrope Wirkung gar nicht beobachtet, sondern es tritt nach einer Latenz von etwa einer Minute direkt die Pulsvergrößerung ein. Wechsel der Ringerschen Flüssigkeit führt wieder zu einer Abnahme der !) Abderhalden und Gellhorn, Pflügers Arch. f. d. ges. Physiol. 182, 36 ff. 1920 und 18%, 248. 1921. 56 E. Abderhalden u. E. Gellhorn: Weitere Untersuchungen über die Pulsgröße, so daß diese sich der zu Beginn des Versuches bestehenden nähert. Placenta S hingegen vermag niemals die Kontrak- tionen zu vergrößern, vielmehr hält die Abnahme der Puls- größe auch fünf Minuten nach Zusatz von Placenta S noch vl ı IN Abb. Sa—c. Straubsches Präparat. a) Bei 1 Placenta S 0,002g auf lcem Ringer. b) 5 Min. später. c) Nach Wechsel der Ringerschen Lösung. ;, an (Abb.8b) und erst die Erneuerung der Nährtflüssigkeit vermag allmählich die ursprüngliche Kontraktionsgröße wiederherzustellen. Es interessierte uns nun die Frage, ob in Analogie zu den Wirkun- sen, die die bisher untersuchten Optone am Herzstreifen ergaben, auch durch Placentaopton negativ chronotrope Wirkungen auftreten können. Das ist nun in der Tat der Fall. In Abb. 9 (Kammerlängsstreifen) beobachtet man nach Zusatz von h | | DL L eh Abb. 9. Kammerlängsstreifen. Bei +1 Placenta N 0,1 g auf 50 cem Ringersche Flüssigkeit. Bei x Kymographion für 1 Min. angehalten. Bei 25 Min. später. 3 und 4 je weitere 5 Min. später. Placenta N (0,2%) eine geringe Pulsverkleinerung, allmählich kommt | eine Pulsverlangsamung hinzu, die während des ganzen Versuches in etwa gleichem Maße beibehalten wird, während gleichzeitig die Pulsver- | kleinerung verschwindet und einer Vergrößerung der Pulse (Abb. 9, 4) weicht. Noch bedeutend stärker im Sinne der Verlangsamung ist am | Herzstreifen die Wirkung von Placenta-S-Opton in Abb. 10. Hier führt sie (0,2%) zu unregelmäßigen, seltenen Kontraktionen, schließlich zum Stillstand in Diastole.. Es genügt jedoch, lediglich die Nähr- von einzelnen Organen hervorgebrachten Substanzen mit. spez. Wirkung. VI. 57 S > ‘Do ns rS E) = 2 = = © BE - 2 : S © 2 & - = o aa &D = E 2 E S E EN 3 3 o 3 ko} ti, En _ “x i 2 3 3 =) S 3 ee) Su e n 3 en) = [ee Du Ä ZIsE 8 Ss 2:8 me 2 To - 2 A Ss Im = e 7 © Die) [ea] an Le) © Aa N E nel E E| | | 3 3 El 3 3 EI 3 10. Abb. Bei 7 Placenta S 0,1g auf 50 cem Ringersche Flüssiekeit. Kammerlängsstreifen. Kammerlängsstreifen. 11% Abb. flüssigkeit zu erneuern, um wieder regelmäßige Kontraktionen von hoher Frequenz zu erhalten (Abb. 10; 9). In einem anderen Versuche (Abb. 11) entstehen durch Zusatz vonPlacentaSLuciani- sche Perioden von verminderter Pulsgröße. Die Abb. 12 und 13 stellen je einen Versuch dar, in dem die Optone der Placenta an dem Herzstreifen nach Amsler und Pick!) geprüft werden. Die obere Kurve rührt von der linken Herzkammer- hälfte her, die noch mit Sinus und Vorhof in Verbindung steht, die untere verzeichnet die Kon- traktionen der rechten Herzkammerhälfte. In beiden Kurven erkennen wir, daß Placenta N und S an dem in Verbindung mit den übergeordneten Zentren stehenden Kam- !) C.Amsler und E.P. Pick, Pflügers Arch. f. d. ges. Physiol. 184, 62. 1920. Vgl. auch Abderhalden u. Gellhorn, Pflügers Arch. f. d. ges. Physiol. 187, 249 ff. 1921. 58 E. Abderhalden u. E. Gellhorn: Weitere Untersuchungen über die Abb. 12. Herzstreifenpräparat nach Amsler und Pick. Obere Kurve: Linke Herzkammerhälfte + Vorhof + Sinus. Untere Kurve: Rechte Herzkammerhälfte. Bei +1 Placenta S-Opton 0,1g i auf. 50 ccm Ringer. Bei 2 Wechsel der Ringerschen Flüssigkeit. Abb. 13a. Herzstreifenpräparat nach Amsler und Pick (wie Abb. 12). Bei 3 Placenta N-Opton 0,1g auf 50 ccm Ringer. merlängsstreifen lediglich die Pulsgröße verändern, während an dem isolierten Kammerstreifen ‚(untere Kurve) die Pulsverlangsamung deutlich in Erscheinung tritt. Der Vergleich der Kurven 9 und 10 mit den Abb. 12 und 13 zeigt, daß bald Placenta N bald S die stärkste Pulsverlangsamung an dem isolierten Kammerstreifen hervorruft. Die Empfindlichkeit der Herzstreifen ist eben eine variable, gemeinsam aber ist allen Versuchen das qualitative Verhalten der Kammerstreifenkurve. Es geht also aus diesen Untersuchungen in völliger Übereinstimmung mit unseren von einzelnen Organen hervorgebrachten Substanzen mit spez. Wirkung. VI. 59 früheren Ergebnissen!) hervor, daß Optone, die am isolierten Kammerstreifen die Pulsfrequenz verändern (negative Chronotropie), diese Wirkungam Gesamtherzen nach Straub ebenso wieam Kammerstreifen, derin Verbindung mit den primären Zentren steht, vermissen lassen?). Die Untersuchungen am Herzstreifen haben also ergeben, daß Op- tone, die auf verschiedene Weise aus dem gleichen Organe hergestellt waren (Optone N durch fermentativen Abbau, Optone S durch Hydrolyse mit 10proz. Schwefelsäure) ver- schiedene physiologische Wirkungen entfalten können. Die positiv inotrope Wirkung kommt nur dem Placenta N und nicht dem Placenta S-Opton zu. Außerdem ließ sich zeigen, daß Hydrolyse des Testis zueinem Präparat führt, das die Auto- matie des nicht schlagenden Herzstreifens anzuregen ver- mag, während dasentsprechende N-Optonin dieser Hinsicht unwirksam ist. Es ergab sich nun die weitere Frage, ob auch an anderen Substraten den S und N-Optonen stets verschiedene | Abb. 13b. Abb. 13 c. Nach Wechsel 3 Min. später. der Ringerschen Flüssigkeit. Wirkung zukommt, und welches Opton diejenige Substanz enthält, der wir die spezifische inkretorische Substanz zubilligen müssen. In dieser Richtung wurden Versuche mit den S- und N-Optonen von Testis, Thyreoidea und Placenta am Oesophagus des Frosches wie am Kreislauf (Beobachtung desselben in der Schwimmhaut) angestellt. !) Vgl. Abderhalden und Gellhorn, Pflügers Arch. f. d. ges. Physio!. 18%, 257. 1921. ?) Bezüglich der Deutung sei auf unsere frühere Mitteilung verwiesen. 60 E. Abderhalden u. E. Gellhorn: Weitere Untersuchungen über die II. Versuche am Oesophagus des Frosches. Die Methodik war wiederum die gleiche, wie sie früher von uns beschrieben wurde!). Unsere früheren Untersuchungen hatten ergeben, daß die durch fermentativen Abbau dargestellten Optone der Schilddrüse eine geringe, vorübergehende Verkleinerung der Kontraktionen des überlebenden Oesophagus und eine geringe Abnahme des Tonus hervorrufen. Eine sehr viel stärkere und entgegengesetzt verlaufende Wirkung zeigt Schilddrüsenhydrolysat in der gleichen Konzentration (0,1 g auf 50,0 Ringer). Zunächst zeigt sich eine geringe Verkleinerung der Kontraktionen ohne Änderung des Tonus, sodann setzt aber eine sehr bedeutende Zu- nahme des Tonus ein, die zur Folge hat, daß 2— 3 Minuten nach Zu- satz von Thyreoidea- hydrolysat die Fuß- punkte der einzelnen Kontraktionen etwain Höhe der Gipfelpunkte der Kurve vor Ein- wirkung des Schild- drüsenhydrolysates sich befinden (Abb.14). Dieser Wirkungstypus findet sich immer wie- der mit nur geringen Abweichungen, indem Abb. 14. Ringpräparat des Oesophagus mit Schleimhaut von nämlich in einem Ver- Rana esculenta,. Bei +3 0,1g Schilddrüsenhydrolysat auf suche bald die Zu- 50 cem Ringersche Flüssigkeit. nahme des Tonus in einem anderen Versuche bald die Vergrößerung der Kontraktionen überwiegt. Versuche mit Strumahydrolysat lehren, daß auch dieses erregend auf die Kontraktionen des überlebenden Oesopha- gus des Frosches einwirkt. Bevor aber die erregende Wirkung (Zunahme des Tonus, Vergrößerung der Kontraktionen) einsetzt, findet sich (Abb. 15) eine etwas längere negative Phase, in der der Tonus abnimmt und die Kontraktionen eine erhebliche Verkleinerung erfahren. Es hat die Kurve des Strumahydrolysats dadurch sehr viel Ähnlichkeit mit den stark erregend wirkenden Optonen (z. B. Corpus luteum, Testis) erhalten, bei denen ebenfalls vor Eintritt der Tonus- 1) Pflügers Arch. f. d. ges. Physiol. 18%, 257. 1921. von einzelnen Organen hervorgebrachten Substanzen mit spez. Wirkung. VI. 61 zunahme ein mehr oder minder lang dauerndes Lähmungsstadium beobachtet werden konnte. Die Optone der Placenta (N und S) zeigen in den Kon- zentrationen von 0,1 oder 0,05 g auf 50,0 Ringersche Flüssig- Abb. 15. Ringpräparat des Oesophagus. Bei +4 0,1g Strumahydrolysat auf 50 cem Ringer- sche Flüssigkeit. keit, die die Scheidung der bisher untersuchten Optonein erregende und lähmende in Hinsicht auf die Beeinflussung der Automatie gestatteten, eine sehr starke lähmende Wirkung auf den überlebenden Oesophagus. Als Beispiel sei die Kurve der Abb. 16 wiedergegeben, in der der Zusatz von O,l1g Pla- centa N die Automatie des Oesophagus völlig be- seitigte.e. Placenta S zeigt genau die gleichen Wirkungen, so daß von der einer Wiedergabe der Kurven Abstand genom- men werden kann. Aber auch diese Wirkungen sind völlig reversibel. Es Se 0 - Abb. 16. Ringpräparat des Oesophagus. Bei +1 Placenta genügt, die Ringersche N-Opton 0,1 g auf 50 cem Ringer. 62 E. Abderhalden u. E. Gellhorn: Weitere Untersuchungen über die Flüssigkeit ein oder mehrere Male zu erneuern, um wieder normale Kontraktionen zu erhalten. Prüft man nun die Optone in der fünf- fach schwächeren Konzentration (0,02 auf 50,0 Ringer), so ergeben Placenta N und S verschiedene Resultate. Abb. 17 zeigt, daß Placenta N Abb. 17. Ringpräparat des Oesophagus. Bei +5 Placenta N-Opton 0,02 g auf 50 cem Ringer. fast keine Veränderung der Kontraktionen hervorruft. Nur der Tonus nimmt vorübergehend in geringem Maße ab. Ist somit bei Placenta N noch eine geringe lähmende Wirkung angedeutet, so zeigt Placenta S (Abb. 18) den entgegengesetzten Effekt. Die Kontraktionen nehmen nun etwa 100% in Abb. 18 an Größe zu; die Wirkung ist aber nur eine vor- übergehende, wie die letzten Kontraktionen der Abbildung bereits zeigen. Die erregende Wirkung, die früher von Testisopton am Oesophagus des Frosches beschrieben wurde, kommt auch Abb. 18. Ringpräparat des Oesophagus. Bei +4 Placenta S-Opton 0,02 g auf 50 cem Ringer. — in gleichen Konzentrationen — dem mit Schwefelsäure hydrolysierten Testisopton zu. Nur scheint es uns, als sei die Wirkung quantitativ erheblich stärker als die von Testis N. Für die außerordentlich starke Erhöhung des Tonus durch Testisopton S gibt Abb. 19 ein Beispiel. Es war nun für uns von besonderem Interesse, festzustellen, ob dem ExtraktIII, der aus hydrolysiertem Testis nach Entfernung der alkohol- löslichen Bestandteile hergestellt war (vgl. S. 52), eine von dem Testis- opton S verschiedene Wirkung zukommt. Dies ist in der Tat der Fall. Es geht dies daraus hervor, daßesnebendererregenden Wirkung aufden überlebenden Oesophagusstreifen, die sichin nichts von der Wirkung von Testisopton N oder S unterscheidet, mit dem Extrakt Ill gelingt, die Automatie eines nicht schlagenden Streifens hervorzurufen,und zwar— unddaraus von einzelnen Organen hervorgebrachten Substanzen mit spez. Wirkung. VI. Abb. 19. Ringpräparat des Oesophagus. Bei +1 Testis- hydrolysat 0,05 auf 50 cem Ringer. seht wieder die besonders elektive Wirkung dieses Extraktes hervor — in einer Konzentration, in der die Optone im allgemeinen am über- lebenden Oesophagus unwirksam sind. Abb. 20 zeigt, wie durch 0,01 g Extrakt III auf 50,0 Ringersche Flüssigkeit nicht allein Kontraktionen wieder hervorge- rufen werden, sondern wie auch gleichzeitig der Tonus eine erhebliche Zunahme erfährt. III. Versuche an der Schwimmhaut des Frosches. Nachdem an einer Reihe überlebender Organe unsere bisherigen Untersuchungen charakteristische Wirkungen der aus ver- schiedenen Organen mit innerer Sekretion dargestellten Optone ergeben hatten, waren wir bestrebt, ihre Bedeutung am Gesamtorganismus festzu- +4 wäßriger Hodenextrakt III 0,01 g auf 60 ccm Ringer. Bei Ringpräparat des Oesophagus. 20. Abb. 64 E. Abderhalden u. E. Gellhorn: Weitere Untersuchungen über die stellen. Die folgenden Versuche hatten den Zweck, den Kreislauf des Frosches unter Einwirkung verschiedener Optone zu studieren. So geeignet die Schwimmhaut des Frosches zur Beobachtung des Kreislaufes ist, so erscheint die Möglichkeit, durch örtliche Anwendung bestimmter Prä- parate ihre Kreislaufswirkung studieren zu können, wegen der un- genügenden Resorption seitens der Schwimmhaut des Frosches gering. Es war deshalb für uns methodisch von Wichtigkeit, den Untersuchun- gen Jacobjs!) entnehmen zu können, daß dem Veronalnatrium eine erhebliche resorptionssteigernde Wirkung zukommt. Dieselbe ermöglicht es, noch durch Aufträufeln von Adrenalin 1:500000 eine Gefäßverenge- rung an der Schwimmhaut zu erhalten, während ohne Veronalnatrium bereits Adrenalin 1 : 3000 unwirksam ist. Jacobjs?) weitere Unter- suchungen zeigten nun, daß die Resorptionssteigerung nicht für Veronal spezifisch ist, wiewohl er glaubt, auch diesem einen Anteil an der Wir- kung zuerteilen zu sollen, sondern vielmehr hauptsächlich durch die alkalische Reaktion von Veronalnatrium bedingt sei. So konnte er mit Na,CO, oder NaOH bestimmter Konzentration die gleichen Wirkungen erzielen. Wir haben zu unseren Untersuchungen stets eine Behandlung mit 4proz. Na,CO, vorausgehen lassen — die von Jacoby als optimal empfohlene Sproz. Lösung führte nicht selten unter maximaler Gefäß- erweiterung zum Stillstand des Kreislaufes in der Schwimmhaut — und sahen in Bestätigung der Untersuchungen Jacobjs die Gefäße sich stark erweitern. Gleichzeitig trat auch eine Beschleunigung des Kreislaufes ein. Hatte die Sodalösung etwa 10 Minuten auf die Schwimm- haut eingewirkt, so wurde sie durch 0,6 proz. Kochsalzlösung abgespült. Gleichzeitig ging die Gefäßerweiterung allmählich zurück. Nach etwa 2 Minuten wurde dann die Optonlösung auf die Schwimmhaut auf- seträufelt. Wir suchten nun ebenso wie Jacobj in seinen Versuchen die Wir- kungen der Optone auf den Kreislauf in der Schwimmhaut durch Messen der Gefäßweite festzustellen. Da wir aber — ganz wenige Versuche ausgenommen — nur negative Resultate hatten, gingen wir dazu über, in Analogie zu den von uns früher beschriebenen Versuchen am enucleierten Froschbulbus?) die Frage zu entscheiden, ob die Öptone die Adrenalinwirkung zu hemmen oder zu fördern imstande sind, um auf diese Weise indirekt ihre Kreislaufswirkung erschließen zu können. In diesen Versuchen curaresierten wir den Frosch — es kam nur Rana temporaria zur Verwendung — durch so schwache Dosen, daß die Lähmung erst nach 30—45 Minuten ein- 1) Walther Jacobj, Arch. f. exp. Pathol u. Pharmakol. 86, 49. 1920. ?2) Walther Jacobj, Arch. f. exp. Pathol. u. Pharmakol. 88, 333. 1920. ?) Abderhalden und Gellhorn, Pflügers Arch. f. d. ges. Physiol. 182, 28. 1920. von einzelnen Organen hervorgebrachten Substanzen mit spez. Wirkung. VI. 65 trat. Auf diese Weise wird der Kreislauf, wie auch Klemensiewiez!) hervorhebt, fast gar nicht geschädigt. Sodann spannten wir die Schwimmhäute in der üblichen Weise aus und betrachteten sie durch zwei Mikroskope (Leitz Okular 4, Objektiv A). Zu den Versuchen kamen nur solche Frösche zur Verwendung, in deren beiden Schwimm- häuten der Kreislauf völlig gleichmäßig war. Außerdem suchten wir uns von der Richtigkeit der Optonwirkungen in jedem Falle, nachdem die Reversibilität ihrer Kreislaufswirkungen sich in zahlreichen Ex- perimenten erwiesen hatte, nicht nur durch sehr häufige Wieder- holungen der Versuche mit wechselnden Konzentrationen der Optone zu überzeugen, sondern wir sahen die Wirkung der Optone nur dann als bewiesen an, wenn es gelang, an demselben Frosch in zwei auf- einanderfolgenden Versuchen die Änderung der Adrenalinwirkung durch den Zusatz bestimmter Optone an beiden Schwimmhäuten in gleichem Sinne aufzuweisen, während bald die eine bald die andere Schwimm- haut zum Kontrollversuche über die reine Adrenalinwirkung diente. In den Untersuchungen kamen die Optone aus Thyreoidea, Hypophyse, Oyar, Corpus luteum, Testis, Thymus und Placenta zur Verwendung und zwar bei Testis und Placenta auch die durch Hydrolyse mit 10 proz. Schwefelsäure dargestellten Präparate. Es zeigte sich, daß mit Ausnahme von Testis (N) und Placenta (S) sämtliche Optone, wenn auch in verschiedenem Grade, die Adrenalinwirkung zu hemmen vermögen. Dies sei an der Hand einiger, verkürzt wiedergegebener Protokolle erläutert. Die linke bzw. rechte Spalte der Protokolle enthält die Bemerkungen über die Kreislaufsveränderungen an der gleichnamigen Schwimmhaut. Die durch 4proz. Na,CO, bewirkte Gefäßerweiterung und Kreislaufsbeschleunigung ist, weil sie regelmäßig eintritt, nicht weiter beschrieben worden. Die Wirkung des Schilddrüsenoptons zeigt sich in folgendem Ver- suche: Ran. tempor. Protokoll I. 10h 45° | 4% N3,00,. 4% Na,CO,. 10h 357° 0,6% NaCl. 0,6% NaCl. 10h 37° Adrenalin 1:50 000 + Thyreo- Adrenalin 1 : 50 000. ideaopton 1%. 10h 38° Beiderseits zeigt sich eine mäßige Verlangsamung der Zirkulation in Verbindung mit einer Ver- engerung der arteriellen Gefäße. 10h 39° Kreislauf wieder gebessert, fast Völlige Ruhe im ganzen Gesichts- normal. feld. ') Klemensiewicz, Verfahren und Einrichtungen zur Beobachtung des Blutstromes an Kaltblütern. Aus Abderhalden, Biologische Arbeitsmethoden. Pflügers Archiv f. d. ges. Physiol. Bd. 19. 5 66 10n 41° 10N 44° 10h 48° 11h 11857 ms? 11%.137 11h 20° LIND TE 11h 30° 11h 33° 11h 35° 11h 39° 11h 41’ E. Abderhalden u. E. Gellhorn: Weitere Untersuchungen über die Ran. tempor. Protokoll I (Fortsetzung). In einem kleinen Teil des Gesichts- feldes Stase; sonst fast nor- maler Kreislauf. Keine Stase mehr vorhanden. Nur geringe Verlangsamung des Kreislaufes und minimale Ge- fäßverengerung. Dasselbe. Fast normaler Kreislauf. Kreislauf völlig wiederhergestellt. Dasselbe. Dasselbe. Dasselbe. Dasselbe. 0,6% NaCl. Normaler Kreislauf. Dasselbe. Dasselbe. Dasselbs. Völlige Ruhe im ganzen Gesichts- feld. Dasselbe. Gefäße sehr stark ver- engt. Völlige Ruhe. Völlige Ruhe. Völlige Ruhe. In der sehr stark verengten großen Vene sehr langsame Zirkulation. Sonst Ruhe. In der Vene Zirkulation etwas schneller als 11% 8%, auch in zwei Capillaren langsame, ruck- weise Blutbewegung. Sonst Ruhe. Im größten Teil feldes noch Ruhe. des Gesichts- In der Vene und ihren venösen Zuflüssen Kreislauf gebessert, aber noch verlangsamt. Auch in mehreren anderen kleinen Gefäßen langsame Zirkulation. Sonst wie 11N 20”. 0,6% NaCl. Dasselbe wie 11 30. Kreislauf wesentlich gebessert. Ge- fäße weiter. Kreislauf noch verlangsamt, aber in allen Ge- fäßen vorhanden. Weitere Besserung des Kreislaufs. Nur wenig langsamer als normal. Normaler Kreislauf. Aus diesem Versuche geht hervor, daß im Kontrollversuche (rechte Schwimmhaut) nach Vorbehandlung mit 4proz. Na,00O, Adrenalin (Höchst)in einer Konzentration 1:50 000 bereits nach 2 Minuten voll- ständigen Kreislaufsstillstand bewirkt, der erst eine halbe Stunde später (11° 8°) allmählich zurückgeht. In der linken Schwimmhaut dagegen hat der Zusatz von 1 proz. Thyreoideaopton bei gleicher Konzentration!) des Adrenalins nur eine unbedeutende, rasch vorübergehende Verlang- samung des Kreislaufes zur Folge. So kommt es, daß, während der Adrenalinkreislauf vollständige Stase im ganzen Gesichtsfeld aufweist, !) Die Lösungen waren wie folgt zusammengesetzt: a) Adrenalin 1: 25 000 Ag. dsst. ää. b) Adrenalin 1: 25 000 Thyreoideaopton 2%, iü. von einzelnen Organen hervorgebrachten Substanzen mit spez. Wirkung. VI. 67 der mit Thyreoideaopton + Adrenalin behandelte Kreislauf der anderen Schwimmhaut ein annähernd normales Bild ergibt. Die Fort- spülung der Adrenalinlösung und des Optons mit 0,6 proz. NaCl-Lösung führt nun auch an der rechten Schwimmhaut zur vollständigen Wieder- herstellung des Kreislaufes; der bereits vorher völlig normale linke Kreislauf wird naturgemäß hierdurch nicht weiter beeinflußt. Ran tempor. Protokoll II. rk Natr. carbon. 4%. Natr. carbon. 4%. 114 10° 0,6% NaCl. 0,6% NaCl. 11% 11° 12 Tropfen 10 proz. Thyreoidea- opton. 11" 15° Kreislauf normal; unverändert. 11" 15° Adrenalin 1: 50 000. Adrenalin 1: 50 000. 11h 16° Beiderseits deutliche Verengerung der großen Arterien. 11% 17° Gefäße stark verengt, aber guter Strömung stark verlangsamt, in Kreislauf in denselben. der Arterie nur ruckweise Zir- kulation. 11h 18° Dasselbe. Nur in den großen Venen lang- same Zirkulation; in der Arterie und der Capillare völlige Ruhe. 11h 19° Trotz Gefäßverengerung noch im Die überwiegende Mehrzahl der ganzen Gesichtsfeld guter Kreis- Capillaren und kleineren Ar- lauf. teriolen ist nicht wahrnehmbar. In der großen Arterie und einem kleinen Teil der Capillaren Wie- derbeginn der Zirkulation. Diese ist stark verlangsamt und erfolgt ruckweise. 111 21° Gefäßverengerung abgeklungen. Weitere Besserung des Kreislaufs. Kreislauf normal. In einem Teil der Capillaren besteht noch Ruhe. 114 23° Kreislauf normal. Kreislauf fast normal, nur wenig verlangsamt. 114 25° Dasselbe. Kreislauf normal. In diesem Versuch wird dargetan, daß auch die Vorbehandlung mit Schilddrüsenopton genügt, um die Adrenalinwirkung wesentlich abzuschwächen. Zwar tritt auch in dem mit Thyreoidea- opton behandelten Kreislauf eine Gefäßverengerung auf, es kommt aber nirgends zu einer Stase und die Beseitigung der Gefäßverengerung und Kreislaufsverlangsamung erfolgt schneller als in dem Kontroll- versuche. Ran. tempor. Protokoll III. 2h 35° 4%, Na,C0,. 4% Na,C0,. 245° 0,6% NaCl. 0,6% NaCl. 2h 47° Adrenalin 1 : 50 000. Adrenalin 1: 50 000 — Thyreoi- deaopton 0,1%. a ). Abderhalden u. E. Gellhorn: Weitere Untersuchungen über (die 68 Ran. tempor. Protokoll III (Fortsetzung). 2h48° Nur in den großen Venen lang- same Zirkulation, sonst völlige Ruhe. 2h 50, 3" und 3" 14° Beiderseits völlige Ruhe. 31 15° 0,6% NaCl. 0,6% NaCl. 3h 18° Völlige Ruhe im ganzen Gesichts- Kreislauf normal. felde. 3h 24’ u. 31 27’ Dasselbe. Dasselbe. 31287 4% N3,00,. 4% Na,C0;. 3h 29° WVöllige Ruhe. Kreislauf stark beschleunigt, Ge- fäße etwas erweitert. 31 30° Langsamer Wiederbeginn der Zir- Dasselbe. kulation. In einem Teil der Gefäße noch Stase. 3" 30° Weitere Besserung der Zirkulation, Dasselbe. Stase noch vorhanden. 3140’ Zirkulation bedeutend schneller als 3% 337, aber noch langsamer als rechts. Nur zum geringen Teil noch Stase. 350° Kreislauf fast normal. Dasselbe. 4h 10° Kreislauf normal. Dasselbe. Protokoll III zeigt endlich, daß sogar O,lproz. Thyreoidea- opton noch eine dem Adrenalin entgegengesetzte Wirkung zu entfalten vermag. Hier führt zwar Adrenalin 1:50000 in beiden Schwimmhäuten zu vollständigem Kreislaufsstillstand. Aber in der rechten mit 0,1 proz. Thyreoideaopton vorbehandelten Schwimm- haut genügt die Fortspülung des Adrenalins durch Kochsalzlösung, um nach wenigen Minuten den Kreislauf völlig wiederherzustellen. Dagegen beharrte der nur mit Adrenalin 1 :50000 behandelte Kreislauf auch 15 Minuten nach Abspülen der Adrenalinlösung durch physiologische Kochsalzlösung in vollständiger Ruhe. Erst durch Anwendung von 4 proz. Sodalösung, die an dem zuvor mit Thyreoideaopton behandelten Kreislauf der (rechten) Schwimmhaut zu einer starken Beschleunigung des Kreislaufes mit Erweiterung der Gefäße führt, gelingt es sehr all- mählich den Kreislauf wiederherzustellen. Aus den drei aus einer größeren Anzahl gleichartiger Versuche ge- wählten Protokollen über Versuche mit Schilddrüsenopton dürfte unzweifelhaft hervorgehen, daß Schilddrüsenopton bezüglich des Gefäßapparates eine gegenüber dem Adrenalin antagonisti- sche Wirkung hervorbringt. Soweit die an der Schwimmhaut des Frosches angestellten Versuche ein Urteil über das Ausmaß dieser Wirkung erlauben, scheint uns das Thyreoideaopton alle anderen gleich- sinnig wirksamen Optone zu übertreffen. Denn es gelingt, auch direkt von einzelnen Organen hervorgebrachten Substanzen mit spez. Wirkung. VI. 69 mit Schilddrüsenopton eine Gefäßerweiterung zu erzielen. Allerdings ist auch für diesen Nachweis die Resorptionssteigerung von seiten der Schwimmhaut mittels 4proz. Na,CO, unbedingt erforderlich. In ein- zelnen Versuchen konnten wir, gemessen am Okularmikrometer, eine Verdoppelung der Weite größerer arterieller Gefäße durch 5— 10 proz. Schilddrüsenopton beobachten. Auch dem Ovarialopton kommt eine deutliche Hemmung der Adrenalinwirkung zu. 4h 35° 4h 45’ 4h 47’ 4h 48’ 4h 49’ 4h 51° 4h 56’ 5157 5h 107 5h 15” 5h 257 5h 27’ 5h 297 5h 33’ Hua Sr 48’ Ran. tempor. Protokoll IV. 4%, Na,CO,. 0,6% NaCl. Adrenalin 1: 100 000. Die Arterie ist sehr stark verengt. Der Kreislauf im ganzen Ge- sichtsfeld verlangsamt, in eini- gen Capillaren bereits Stase. Nur in der großen Vene noch gute Zirkulation. Die Arterie ist fast nicht mehr sichtbar. In einem Teil der Capillaren Stase, im anderen Teil sehr langsame, zum Teil ruckweise Bewegung. In der Vene noch langsame Zir- kulation, sonst völlige Ruhe im ganzen Gesichtsfeld. Wiederbeginn der Zirkulation in der Arterie. In der Vene noch verlangsamte Strömung, in den Capillaren völlige Ruhe. Kreislauf wesentlich gebessert, nir- gends Stase, aber noch langsamer als zu Beginn des Versuches. Kreislauf normal. 4% NaCO;. 0,6% NaCl. Adrenalin 1: 100 000 -- Ovarial- opton 21/,%. Kreislauf verlangsamt, Gefäße we- nig verenst. Dasselbe, Gefäßverengerung ver- mindert. Kreislauf fast völlig wiederher- gestellt sowohl hinsichtlich der Schnelligkeit der Blutbewegung wie der Gefäßweite. Kreislauf fast normal. 4% Na,C0;. 0,6% NaCl. Adrenalin 1: 100 000 -- Ovarial- opton 21/,%. Kreislauf unverändert, vielleicht sogar etwas beschleunigt. Dasselbe. Dasselbe. Dasselbe. Dasselbe. Dasselbe. 4%, Na,C0,. 0,6% NaCl. Adrenalin 1 : 100 000. Kreislauf verlangsamt. Gefäße sehr stark verengt. Dasselbe. Gefäße stark verengt. In einem Teil der Capillaren Stase, im übrigen stark verlangsamte Zir- kulation. In einem großen Teil des Ge- sichtsfeldes noch Ruhe In den größeren Gefäßen langsame, z. T. ruckweise Bewegung. 70 E. Abderhalden u. E. Gellhorn: Weitere Untersuchungen über die Ran. tempor. Protokoll IV (Fortsetzung). 51 50° 0,6% Nall. 0,6% Nall. 5h 52° Kreislauf völlig normal. Gefäße noch stark verengt. Zir- kulation verlangsamt, z. T. Stase. 6 Dasselbe. Kreislauf gebessert, aber noch wesentlich verlangsamt. 6h 10° Dasselbe. Nirgends Stase.. Keine Gefäß- verengerung; dagegen noch etwas verlangsamte Strömung. In diesem Protokoll ist ein Doppelversuch wiedergegeben, den wir sehr häufig zur Sicherstellung der Optonwirkung ausführten. Im ersten Versuch (4" 35’ bis 5" 10’) erfolgte der Zusatz des Ovarialoptons auf die rechte Schwimmhaut, im zweiten Versuche dagegen, der sich nach Wiederherstellung des Kreislaufes in beiden Schwimmhäuten dem ersten unmittelbar anschließt, auf die linke. Es wird — bei gleich- sinnigem Ausfall beider Experimente — auf diese Weise absolut sicher der Einwand entkräftet, daß der Kreislauf auch vor Beginn des Ver- suches nicht ganz gleichmäßig sei und deshalb durch den Adrenalin- versuch eine ungleichmäßige Wirkung an beiden Schwimmhäuten zu- stande komme, die nicht auf Rechnung der Optone zu setzen sei. Während Adrenalin 1 : 100 000 + 21/,proz. Ovarialopton im ersten Versuche keine Kreislaufsänderung hervorruft, — die Adrenalinwirkung wird also vollständig paralysiert, — können wir im reinen Adrenalin- versuche (linke Schwimmhaut) sehr schön die typische Beeinflussung des Kreislaufes durch schwache Adrenalinlösungen verfolgen. Es geht aus dem Protokoll hervor, wie die Verlangsamung des Kreislaufes vor- wiegend die mittleren und kleineren Arterien betrifft, so daß in den Venen noch Zirkulation vorhanden ist, wenn in allen übrigen Gefäßen vollkommener Stillstand des Kreislaufes eingetreten ist. Entsprechend der relativ geringen Konzentration des Adrenalin geht seine Wirkung allmählich von selbst zurück und erlaubt nach abermaliger Verwendung von 4proz. Na,CO, die Wirkung des Ovarialoptons an der anderen Schwimmhaut zu studieren. Auch hier sehen wir, daß Adrenalin zu Gefäßverengerung und Kreislaufsverlangsamung führt, und daß in einem großen Teil des Gesichtsfeldes jede Blutbewegung sistiert, wäh- rend der Zusatz von 2t/,proz. Ovarialopton an der linken Schwimm- haut die Adrenalinwirkung auf eine geringe, schnell vorübergehende Kreislaufsverlangsamung herabmindert. Protokoll V. Versuche mit Ovarialopton. Ran. tempor. Linke Schwimmhaut: Rechte Schwimmhaut. 10h 51° Natr. carbon. 4%. Natr. carbon. 4%. 11h 1’ 0,6% NaCl. 0,6% NaCl. SD Adrenalin 1:20 000 + Ovarial- Adrenalin 1: 20 000. opton 1%. von einzelnen Organen hervorgebrachten Substanzen mit spez. Wirkung. VI. Tal! Protokoll V (Fortsetzung). 1137 Fast völlige Stase des ganzen Kreis- 115’ Fast völlige Stase des Kreis- laufes. laufes. 52 Kreislauf im ganzen Gesichtsfeld 11h5’” Völlige Ruhe im ganzen fast normal. Nur in vereinzel- Gesichtsfeld. ten Capillaren noch Stase. 112 6° 30’Kreislauf völlig wiederhergestellt. Gefäße von normaler Weite. Normaler Kreislauf. 11" 7° Dasselbe. Gefäße deutlich verenst. 11% 13° Wiederbeginn des Kreis- laufes in den großen Gefäßen. Die kleineren Arteriolen und Capillaren zeigen noch völlige Stase. 11% 15° Nirgends Stase. Die Zir- kulation ist deutlich gebessert, aber im ganzen noch verlang- samt. 111021:52 Dieser Versuch zeigt, wie stärkeren Adrenalinlösungen gegenüber (1:20 000) Ovarialopton den völligen Kreislaufs- stillstand nicht zu verhindern vermag. Seine Wirkung kommt aber in der bedeutend schnelleren Wiederherstellung des Kreislaufes als im reinen Adrenalinversuch zum Ausdruck. Ran. tempor. Protokoll VI. 4h 42° 4%, Na,00,. 4% N3,C0;. 4153’ 0,6% NaCl. 0,6% NaCl. 4h 55° Adrenalin 1 : 75000 + Ovarial- Adrenalin 1: 75 000. opton 1%. 41 56° Gefäße etwas erweitert, Kreislauf 4N56’ In der großen Arterie, die sonst völlig unverändert. ad maximum verenst ist, Stase. Im übrigen Zirkulation noch vorhanden, aber stark verlang- samt. 4h 57° Dasselbe. 4h 57 Nur in der großen Vene und einigen Nebenästen dieser Venen, langsame, z. T. ruckweise Zir- kulation. Im übrigen Gesichts- feld völlige Aufhebung des Kreis- laufes unter starker Verengerung der arteriellen Gefäße. 4158’ Kreislauf stark verlangsamt; in 4"58” Dasselbe. einem großen Teil des Gesichts- feldes völlige Ruhe. Nur in der großen Vene noch gute Zir- kulation. Bemerkenswert an diesem Versuch ist, daß sofort nach örtlicher Anwendung der Adrenalin-OÖvarialoptonlösung eine Gefäß- erweiterung beobachtet wird, während im Adrenalinkon- trollversuche sich maximale Gefäßverengerung und Ver- 12 E. Abderhalden u. E. Gellhorn: Weitere Untersuchungen über. die langsamung des Kreislaufes einstellt. Die relativ geringe Wirk- samkeit des Ovarialoptons in I proz. Lösung zeigt sich in diesem Ver- suche darin, daß es die Adrenalinwirkung nur zeitlich hinausschiebt, ohne die Intensität der Wirkung zu vermindern. Dennin diesem Versuche trat in beiden Schwimmhäuten vollständiger Stillstand des Kreislaufes ein, der erst durch Abspülen der Adrenalinlösung beseitigt werden konnte. Der Vergleich der Stärke der Adrenalinwirkung in den Versuchen V und VI zeigt, daß bei den einzelnen Fröschen trotz gleicher Vor- behandlung mit 4proz. Na,00,-Lösung starke Verschiedenheiten in der Wirksamkeit des Adrenalins in Erscheinung treten. Deshalb be- ruhte auch eine Hauptschwierigkeit bei diesen Versuchen darin, eine Adrenalinlösung in Anwendung zu bringen, die weder zu stark war, so daß antagonistische Wirkungen der Optone verdeckt werden konnten, noch zu schwach, so daß keine deutlichen Unterschiede in den Kreis- läufen der beiden Schwimmhäute sichtbar wurden. Ob der Unterschied in dem ungleichen Verhalten der Frösche in einer ungleichen Empfind- lichkeit für Adrenalin oder in einer verschieden großen Steigerung der Resorption durch 4proz. Na,CO, beruht, möchten wir noch unent- schieden lassen. Eine direkte Gefäßerweiterung durch Ovarialopton an der Schwimmhaut des Frosches wurde nur in ganz seltenen Fällen und in geringem Ausmaße beobachtet. Ran. tempor. Protokoll VI. 10h 3° 4%, N3,C0,. 4% Na,C0,. 10% 13° 0,6% NaCl. 0,6% NaCl. 10h 15° Adrenalin 1: 50 000 + 3% Hypo- Adrenalin 1: 50 000. physisopton. 10% 16° Kreislauf normal, unverändert. Arterie völlig verengt, nicht mehr sichtbar. In einem Teil der Capillaren Stase des Kreislaufes. 10" 17’ u. Dasselbe. 10h 17° u." 106 19° Völlige Ruhe 102192 mit Ausnahme der langsamen Zirkulation des Blutes in der großen Vene und einem kleinen Seitenast derselben. 10h 20° Dasselbe. In einem Teil der Capillaren Wiederbeginn der Zirkulation. Die Bewegung des Blutes ist aber noch sehrlangsam und ruck weise, Die große Arterie ist noch ad maximum kontrahiert und des- halb fast unsichtbar. 10h 24° Dasselbe, vielleicht ein wenig ver- Wiederbesinn der Zirkulation in >) fo) langsamt. der großen Arterie, die noch deutlich verengt ist. Capillar- kreislauf gebessert, aber noch sehr langsam. von einzelnen Organen hervorgebrachten Substanzen mit spez. Wirkung. 10h 25’ 102277 10h 54° 11h 4’ 126% ua 1.10,87 STE 11n716/ 1107227 11h 297 h H. j Ni) Ran. tempor. Protokoll VIi (Fortsetzung). 0,6% NaCl. Der Kreislauf ist beiderseits völlig normal. 4%, Na,C0;. 0,6% NaCl. Adrenalin 1: 50 000. Völlige Ruhe im ganzen Gesichts- feld. Gefäße blutleer, sehr stark verengt. Dasselbe. Bis auf minimale Bewegung des Blutes in einer kleinen Vene völlige Ruhe. Dasselbe. In der kleinen Vene nur zeitweilig ruckweise Be- wegung. Sonst völlige Ruhe. Gefäße noch verengt und blut- leer. 0,6% NaCl. Allmählicher Zirkulation. Wiederbeginn der 111 33° Kreislauf normal. In diesem Doppelversuch zeigt sich ebenso wie in den bisher 0,6% NaCl. 4%, Na,C0,. 0,6% NaCl. Adrenalin 1: 50 000 + Hypophy- sisopton 3%. Kreislauf in den Capillaren und kleineren Gefäßen ein wenig verlangsamt. Keine Gefäßver- engerung. In einem Teil der Capillaren, die strotzend mit Blutkörperchen gefüllt sind, Stase. Im übrigen, besonders in den größeren Ge- fäßen gute, nur wenig verlang- samte Zirkulation. Bis auf die geringe Stase in einem kleinen Teil des Gesichtsfeldes normaler Kreislauf. Dasselbe; Gefäße sehr gut gefüllt. 0,6% Nalı. „11% 22° Kreislauf normal. oOe- ge schilderten Versuchen, daß auch das Opton der Hypophyse die Adrenalinwirkung zu hemmen imstande ist. Bemerkenswert ist in dem), zweiten Versuch, daß der Unterschied in der Weite der Gefäße in den beiden Schwimmhäuten stark hervortritt. Adrenalin allein erzeugt blutleere, maximal verengte Capillaren, während in dem Versuche mit Adrenalin + Hypophysisopton die Capillaren weit und strotzend gefüllt sind. Das gleiche Phänomen ist auch in dem Ver- suche des Protokolls VIII deutlich. 257 3ı 15° Sualıı ar ler Ran. tempor. Protokoll VII. 4% Na,C0.. 0,6% NaCl. Adrenalin 1: 75 000 + Hypophy- sisopton 1%. Beiderseits starke Verlangsamung des Kreislaufes. Im größten Teil des Gesichtsfeldes keine Blut- bewegung. In den großen Venen rhythmische Blutbewegung. 4%, Na,C0;. 0,6% NaCl. Adrenaiin 1: 75 000. 74 TE. Abderhalden u. E. G@ellhorn: Weitere Untersuchungen über die Ran. tempor. Protokoll VIII (Fortsetzung). 3h 22° Beiderseits fast völliger Stillstand Capillaren und auch größere ar- der Blutbewegung. Capillaren terielle Gefäße blutleer und so strotzend mit Blut gefüllt. stark kontrahiert, daß sie kaum sichtbar sind. 31 25° Zirkulation in der großen Vene Völlige Ruhe im ganzen Gesichts- gebessert. Gefäßerweiterung und feld. Sonst wie 31 22’. Blutfüllung unverändert. Fast überall völlige Ruhe. 3h 29° Wiederbeginn der Zirkulation in einem Teil der übrigen Gefäße. 3h 33° Im der Hälfte der Capillaren noch Dasselbe. Stase. In den übrigen Gefäßen weitere Besserung der Zirku- lation. 3h 40° Nur: vereinzelt noch Stase; sonst Dasselbe. normale, nur wenig verlang- samte Zirkulation. 3" 44° Fast normaler Kreislauf, nirgends Bis auf geringe Blutbewegung Stase. in einer Vene völlige Ruhe. 3 50° Dasselbe. Dasselbe. 0,6% Nall. 0,6% NaCl. 3h 54° Normaler Kreislauf. Völlige Ruhe. ° Hier vermag die lproz. Hypophysisoptonlösung den Ein- tritt des Kreislaufstillstandes nicht zu verhindern oder zeitlich zu beeinflussen. Dagegenistdurch das Hypophysis- opton das Kreislaufsbildin dem beschriebenen Sinne völlig seändert. Außerdem geht die Stase in der mit Hypophysisopton behandelten Schwimmhaut bedeutend schneller zurück, Befunde, die also dem Hypophysisopton Gefäßerweiterung und Hemmung der Adrenalinwirkung als charakteristische Eigenschaften zuzuerkennen nötigen. Ran. tempor. Protokoll IX. 335 4% N3,CO,. 4%Na,C0;. 32 47’ 0,6% Natll. 0,6% NaCl. 31 49” Adrenalin 1: 75 000. Adrenalin 1 : 75 000 + Corp. lut.- - opt. 2%. 30 50° Die arteriellen Gefäße sind etwas Keine Veränderung des Kreis- verengt. Der Kreislauf ist etwas laufes sowohl hinsichtlich der verlangsamt. Schnelligkeit der Blutbewegung wie der Weite der Gefäße. 3b 51° Weitere Verlangsamung des Kreis- Dasselbe. laufes. Die Blutbewegung ist deutlich ruckweise. Die große Arterie ist nicht mehr sichtbar. Auch die übrigen Ge- fäße verengt. Z. T. besteht Stase, z. T. langsame Zirkulation, letztere besonders in den großen Venen und ihren Zuflüssen. . Dasselbe. von einzelnen Organen hervorgebrachten Substanzen mit spez. Wirkung. VI. 75 3h 58° ah 3’ 4b 10’ 12h 8° Th] 8; 12h 20’ 12h 22° 1219277 124 327 12h 38° 12h 45’ 12h 49° Ran. tempor. Protoko!lIX (Fortsetzung). Im größten Teil des Gesichtsfeldes vollständige Ruhe. Nur in we- nigen Gefäßen sehr langsame Zirkulation. Wesentliche Besserung des Kreis- laufes. Nur in einem kleinen Teil des Gesichtsfeldes besteht noch Stase, im übrigen nur wenig verlangsamte Blutbewe- gung. Kreislauf wieder völlig hergestellt. Dasselbe. Dasselbe. Dasselbe. Ran. tempor. Protokoll X. 4% N3,C0,;. 0,6% NaCl. Adrenalin’1 : 75 000 + Corpus lut. opton 1%. Beiderseits Arterie verengt. Der Gesamtkreislauf ist etwas ver- langsamt. Es besteht noch geringe Verenge- rung der Arterie. Die Verlang- samung des Kreislaufes ist nur sehr gering. Der Kreislauf ist wieder fast völlig normal. Keine Gefäß- verengerung, nur unbedeutende Verlangsamung der Zirkulation. Kreislauf normal, wie vor Beginn des Versuchs. Dasselbe. Dasselbe. Dasselbe. 4%, Na,C0;. 0,6% Nall. Adrenalin 1: 75 000. Kreislauf erheblich verlangsamt. Starke Verengerung der Arterie. In einem großen Teil der Capillaren Stase. In der Arterie stark ver- langsamte Blutbewegung. Auch in der großen Vene Verlang- samung der Zirkulation, aber in geringerem Maße. Wie 12h 32’. Nur in der großen Vene Zirku- lation; sonst völlige Ruhe. 12h 49° Wiederbeginn der arteri- ellen Zirkulation. Dieselbe ist aber noch sehr stark ver- langsamt und erfolgt ruckweise. 12h 57° Zeitweilig völlige Ruhe im ganzen Gesichtsfeld. Dann wieder ruckweise Zirkulation. In beiden Versuchen ist eineHemmungder ÄAdrenalinwirkung durch 1 bzw. 2proz. Corpus luteum-Opton erkennbar. Wir möchten hierbei betonen, daß der starken Wirksamkeit des Corpus luteum-Optons in den von uns früher beschriebenen Versuchen [be- sonders am Auge und überlebendem Froschherz!) sowie am Oeso- !) Abderhalden und Gellhorn, Pflügers Arch. f. d. ges. Physiol. 182, 28. 1920. 76 E. Abderhalden u. E. Gellhorn: Weitere Untersuchungen über die phagus!)] die Gefäßwirkung an der Schwimmhaut nicht entspricht. Vielmehr ließ sich in einer Anzahl von Versuchen, besonders mit etwas stärkeren Adrenalinlösungen, keine sichere Wirkung nachweisen, ein Befund, der um so merkwürdiger ist, als das in den bisherigen Ver- suchen nur in geringem Maße wirksame Ovarialopton konstant und in viel stärkerem Maße der Adrenalinwirkung am Kreislauf in der Schwimm- haut entgegenwirkte. Es bleiben nunmehr noch die Versuche, die mit Testis- und Placentaopton angestellt sind, zu besprechen. Von beiden ver- wendeten wir fermentativ abgebaute (N-Präparate) sowie durch Hydro- lyse mit 1Oproz. Schwefelsäure dargestellte Präparate (S-Präparate). Wir haben eine außerordentlich große Anzahl von Versuchen angestellt, um die Frage zu entscheiden, ob durch die verschiedene Darstellung Körper von verschiedenartiger Wirkung gebildet werden. Hatten doch neben Gemeinsamkeiten z. B. die Optone der Placenta (S und N) auch verschiedene Wirkungen am Herzstreifen ergeben und ferner wurde in zahlreichen Versuchen festgestellt, daß nur dem durch Hydrolyse mit 10 proz. Schwefelsäure dargestellten Testisopton die auf die Automatie des nicht schlagenden Herzstreifens anregende Wirkung zukommt. Die Versuche an der Schwimmhaut führten zu dem Resultat, daß Testis N ebenso wie Placenta S keine sichere Beeinflussung des Kreislaufes zeigt. Vielmehr glauben wir den ungleichmäßigen Ausfall einer großen Reihe von Versuchen sowie dem Mißlingen eines Doppelversuches an ein und demselben Präparat, der als Experimentum crucis angesehen werden könnte, im Sinne der Unwirksamkeit der ge- nannten Präparate deuten zu müssen. Dagegen konnten mit Placenta N und Testis S, wie die Protokolle XI und XII zeigen, eindeutige Ver- suche ausgeführt werden, die die Hemmung der Adrenalin- wirkung durch die genannten Optone dartun. tan. temp. Protokoll XI. 11h 15° Natr. carbon 4%. Natr. carbon. 4%. 11% 25° 0,6% NaCl. 0,6% NaCl. 11 26° Adrenalin 1: 40 000 -- 21/,% Pla- Adrenalin 1: 40 000. centa N-Opton. 11% 27° Gefäße erweitert. Kreislauf etwas Arterie stark verengt, Kreis ver- beschleunist. langsamt. 11% 28° Sehr stark beschleunister Kreislauf In der großen Arterie ganz lang- !) Abderhalden und Gellhorn, Pflügers Arch. f. d. ges. 1921. 245. mit erweiterten Gefäßen. same, ruckweise Blutbewegung. In den Capillaren und kleinen Arteriolen vollständige Ruhe. Die große Vene zeigt noch gute Zirkulation. Physiol. 18%, von einzelnen Organen hervorgebrachten Substanzen mit spez. Wirkung. V1. Hr 11h 30’ Ran. tempor. Protokoll XI (Fortsetzung). Dasselbe. Auch Capillaren erwei- tert, strotzend mit Blut gefüllt. 11h 32°—11N 40° Dasselbe. 11% 43’u. Kreislauf normal, nicht mehr be- 11% 50! 11h 57° 124727 124 15° 12h 17° 12h 23° 12h 24° 12. 125° 12h 26° 12h 27° 12h 29’ 12h 34’ schleunigt. Gefäße maler Weite. Dasselbe. von .NOr- Dasselbe. 0,6% NaCl. Kreislauf normal. Dasselbe. Beiderseits normaler Kreislauf. 4%, Na,C0;. 0,6% NaCl. Adrenalin 1: 40 000. In der sroßen Arterie Stillstand der Blutbewegung. Sonst guter Kreislauf. Starke Verlangsamung auch in den Venen und Capillaren. Im ganzen Gesichtsfeld fast völlige Ruhe. Nur in einigen kleineren Venen langsame Zirkulation. Völlige Ruhe im ganzen Gesichts- feld. Wiederbeginn der Zirkulation. In einem Teil der Capillaren und kleineren Arterien und Venen noch Ruhe. Im übrigen sehr lang- same, ruckweise Blutbewegung. Wieder völlige Ruhe im ganzen Gesichtsfeld. Dasselbe. Fast normaler Kreislauf. Nur die große Arterie ist deutlich verenst und zeigt langsame Strömung. 11" 27° In der großen Vene nur sehr langsame, ruckweise Blut- bewegung. Die große Arterie ist fast nicht sichtbar. Sonst völlige Ruhe. Minimale Bewegung des Blutes in der großen Vene. Arterie nicht mehr sichtbar. Sonst völlige Ruhe. Völlige Ruhe im ganz. Gesichtsfeld. Dasselbe. Die große Vene und ein Teil ihrer kleineren Äste zeigt lang- same Zirkulation. Sonst Ruhe. In den Venen normale Zirkulation. Sonst Ruhe. 0,6% NaCl. In der großen Arterie und Vene und einem Teil der Capillaren normale Zirkulation. Arterie noch deutlich verengt. Weitere Besserung des Gesamt- kreislaufes. 4% Na,C0,. 0,6% NaCl. Adrenalin 1: 40000 -- Flacenta N-Opton 21/,%. Kreislauf normal. Dasselbe. Dasselbe. Kreislauf unter Erweiterung der Gefäße deutlich beschleunigt. Dasselbe. Kreislauf normal, nicht mehr be- schleunist. Dasselbe. Dasselbe. 78 E. Abderhalden u. E. Gellhorn : Weitere Untersuchungen über die Die Kreislaufswirkung von Placenta N-Opton sei auch durch ein Mikrophotogramm illustriert, das aus dem Versuche des Protokolls XI stammt. Während unter der Einwirkung des Adrenalins sich die Ge- fäße sehr stark verengern und blutleer werden (Abb. 21), so daß sie oft nur schwer wahrzunehmen sind, bewirkt der Zusatz von Placenta N-Opton nicht nur eine Hemmung der vasoconstrictorischen Adrenalin- Abb. 21. Rana temporaria. Mikrophotogramm der linken Schwimmhaut nach Einwirkung von Adre- nalin 1 : 40.000. wirkung, sondern ruft direkte Erweiterung der Gefäße, insbesondere der Capillaren und kleineren Arteriolen hervor, die ganz prall mit roten Blutkörperchen gefüllt sind (Abb. 22). Dabei möchten wir be- tonen, daß diese Wirkung nicht etwa speziell für Placenta N charak- teristisch ist, sondern in mehr oder minderem Maße auch den übrigen Optonen zukommt, die die Adrenalinwirkung zu hemmen oder zu ver- mindern imstande sind. von einzelnen Organen hervorgebrachten Substanzen mit spez. Wirkung. Vl. 2 107 21 20/ 2n 227 2h 24° 2h 25° Abb. 22. 2h 30/ 2h 32/ 2h 497 2h 44’ 2h 46’ | de) Ran. temp. Protokoll XI. 4%, N3,C00;. 0,6% NaCl. Adrenalin 1: 40 000. Beiderseits Kreislauf verlangsamt. In dem größten Teil des Gesichts- feldes Stase. 4% Na,C0;. 0,6%, NaCl Adrenalin 1: 40000 -- Testis S- Opton 1%. Kreislauf nur Nirgends Stase. etwas verlangsamt. Nur in der großen Vene sehr lang- . same Blutbewegung. SonstRuhe im ganzen Gesichtsfeld. Dasselbe. Völlige Ruhe im ganz. Gesichtsfeld. Dasselbe. 0,6% NaCl. In der großen Arterie ganz lang- same, rhythmische Blutbewe- gungen. Sonst völlige Ruhe. Mikrophotogramm der rechten Schwimmhaut des gleichen Frosches wie Abb. 21 nach Einwirkung von Adrenalin 1 :40000 + 21% Placenta N-Opton. Nur geringe Verlangsamung des Kreislaufes. Dasselbe. Dasselbe. Kreislauf nur wenig verlangsamt. In einem kleinen Teil des Gesichts- feldes Stase. 0,6% NaCl. Zirkulation erheblich beschleunigt, wieder völlig normal. Ss0 E. Abderhalden u. E. Gellhorn: Weitere Untersuchungen über die van. tempor. Protokoll XII (Fortsetzung). 2h 50° Kreislauf beiderseits wiederher- gestellt. 2h 55. 4% Na,C0,. 4%, Na,00;. ab" 0,6% NaCl. 0,6% Nall. ah 8’ Adrenalin 1: 40000 + Testis S- Adrenalin 1: 40 000. opton 1%. su 9’ In zwei Venen noch Zirkulation; Völlige Ruhe im ganzen Gesichts- sonst Stase. Keine Verengerung der Gefäße. 3» 11” u. Beiderseits völlige Ruhe im ganzen feld. Gefäße sehr eng. 3 13° Gesichtsfeld. 31 20° Wiederbeginn der Zirkulation in Völlige Ruhe. zwei Venen. Sonst Ruhe. 342° Fast normaler Kreislauf. Nirgends Dasselbe. Stase. Nur unbedeutende Ver- langsamung der Zirkulation. 4N Normaler Kreislauf. Dasselbe. 4h 25° Dasselbe. Kreislauf wiederhergestellt. Nir- sends Stase. Aber noch deut- liche Verlangsamung der Zir- kulation. Aus dem Versuche mit Placenta N-Opton ist besonders hervor- zuheben, daß nicht allein Adrenalin 1 :40000 unwirksam ge- macht wurde, sondern außerdem eine bedeutende Kreis- laufsbeschleunigung und Erweiterung der Gefäße eintritt. Dabei ist bemerkenswert, daß der Erfolg 1proz. Placenta N-Opton- lösungen bereits ein sehr unsicherer ist. Der Hemmung der Adrenalinwirkung durch Testis S, die aus dem Doppelversuch des Protokolls XII hervorgeht, scheint nichts hinzuzufügen notwendig. Die interessante Tatsache aber, daß das hinsichtlich des Kreislaufes inaktive Testis N-Opton wirksam wird, sobald es nachträglich der Hydrolyse mit 10 proz. Schwefelsäure unter- zogen wird (Testis N. S), sei durch einen Versuch (Protokoll XIII) näher illustriert. Ran. tempor. Protokoll XII. 94.40” 4% Na,CO;. 4% Na,00;. 9h 50° 0,6% NaCl. 0,6% NaCl. 9h 52° Adrenalin 1: 60 000. Adrenalin 1: 60000 -- Testis- opton NS 3,3%. 9" 53° Beiderseits Verlangsamung des Kreislaufes mit Verengerung der Gefäße. 955° Fast völlige Ruhe. Gefäße sehr Kreislauf etwas verlangsamt, zum stark verenst. kleinen Teil Stase. 9 57° Nur in einer kleinen Vene etwas Gefäße nicht mehr verengt, gut Blutbewegsung; sonst völlige mit Blut gefüllt. Kreislauf Ruhe. nur unbedeutend verlangsamt. von einzelnen Organen hervorgebrachten Substanzen mit spez. Wirkung. VI. s1 10% 10h 5° 10h 7° 10R 12° 10h 22° 10h 23° 10h 33’ 10r 35° 10% 36° 10n 38° 10h 42° 10h 45° 10n 49’ 10h 55° Ran. tempor. Protokoll XIII (Fortsetzung). Fast völlige Ruhe. 0,6 NaCl. Wiederbeginn der Zirkulation in der großen Arterie und Vene. Im größten Teil der Capillaren noch Stase. Keine weitere Besserung. Kreislauf völlig wiederhergestellt. 4%, N3,C0.. 0,6% NaCl. Adrenalin 1 : 60 000 + Testis NS 3,3%. Beiderseits Verlangsamung des Kreislaufes. Verlangsamung fast völlig be- seitigt. Gefäße weit, strotzend mit Blut gefüllt. Nirgends Stase. Zirkulation verlangsamt, ruck- weise. Sämtliche Gefäße weit und gut gefüllt. In einem Teil des Gesichtsfeldes Stase. 0,6% NaCl. Kreislauf wiederhergestellt. Nir- gends Stase. Im ganzen noch geringe Verlangsamung der Blut- bewegung. Kreislauf beiderseits fast normal. Gefäße weit. Nur geringe Strom- verlangsamung. Nirgends Stase. Kreislauf fast normal. 0,6% NaCl. Kreislauf normal. Kreislauf normal. Kreislauf normal. 4% N3,C0;. 0,6% NaCl. Adrenalin 1: 60 000. Fast völlige Ruhe. Nur in der sroßen Vene sehr langsame Zirkulation. Capillaren, Ar- teriolen und kleine Arterien ganz eng und blutleer. Völlige Ruhe bis auf die ruck- weise, sehr langsame Zirku- lation in der großen Vene. Gesichtsfeld ganz blaß und blutleer. 0,6% NaCl. In der großen Vene normale Zirkulation. Sonst Ruhe. Endlich sei noch erwähnt, daß auch das Thymusopton die Adrenalinwirkung hemmt. 12h 6/ 12% 16/ 12h 17° T2b3187 Ran. tempor. Protokoll XIV. Natr. carbon 4%. 0,6% NaCl. Adrenalin 1: 30000 + 2% Thy- musopton. Kreislauf unverändert. Pflügers Archiv f. d. ges. Physiol. Bd. 193. Natr. carbon. 4%. 0,6% NaCl. Adrenalin 1: 30 000. Arterie stark verengt. Zirkulation im ganzen Gesichtsfeld deutlich verlangsamt. 12h 18°30” Arterie fast nicht mehr sichtbar. In der großen Vene rückläufige Bewegung des Blutes. 82 120197 12h 22° -12h 25° 121 26’ 12h 28° 12h 297 E. Abderhalden u. E. Gellhorn: Weitere Untersuchungen über die Ran. tempor. Protokoll! XIV (Fortsetzung). Im ganzen ist der Kreislauf ver- langsamt, in einem Teil der Capillaren Stase, in der großen Ärterie Zirkulation kaum ver- langsamt. Auch in der AÄrterie etwas ver- langsamte Blutbewegung. Ca- pillaren wie 12h 19’. In größeren und kleineren Venen langsame Zirkulation in normaler Rich- tung. Fast derselbe Befund. Nur in einigen Capillaren wieder be- ginnende Strömung. Kreislauf erheblich gebessert. Nir- gends Stase. Zirkulation nur wenig verlangsamt. Kreislauf fast völlig normal. Ge- fäße noch etwas verenst. 0,6% NaCl. 12h 29° 80° Kreislauf bedeutend beschleunigt, 3h 45’ 3h 55’ 3h 57’ 3h 58° 3ı 59’ 4’ 4h 4’ 4 9’ 44 10° 4h 12° wieder völlig normal. Gefäße wieder weiter. 12h 19 Völlige Ruhe im ganzen Gesichtsfeld. 12h 22° Dasselbe. Arterie völlig verschwunden. Völlige Ruhe. Völlige Ruhe. Völlige Ruhe. 0,6% NaCl. Ruhe unverändert. Ran. tempor. Protokoll XV. 4% N3,C0,;. 0,6% NaCl. Adrenalin 1: 40 000 + 3% Thy- musopton. Geringe Verlangsamung des Kreis- laufes. Gegenüber der Norm nur unbe- deutende Verlangsamung des Kreislaufes; nirgends Stase. Kreislauf etwas stärker verlang- samt. Kreislauf wieder gebessert. Es besteht nur geringe Verlang- samung. Dasselbe. 0,6% Nall. Kreislauf nicht wesentlich ver- ändert, fast normal. 4%, Na,C0,. 0,6% Nadl. Adrenalin 1: 40 000. Völlige Ruhe im sichtsfeld mit starker verengerung. Dasselbe. ganzen Ge- Gefäß- Dasselbe. Dasselbe. Dasselbe. 0,6% Nall. In den großen Arterien und Venen Wiederbeginn der Zir- kulation. Sonst noch völlige Ruhe. Ineinigen Versuchen gelangesauchdirektdurchThymus- opton eine geringe Gefäßerweiterung zu erzielen. von einzelnen Organen hervorgebrachten Substanzen mit spez. Wirkung. VI. s3 Zusammenfassung. 1. Mit durch Hydrolyse mit 10proz. Schwefelsäure ge- wonnenem Testisopton (S) gelingt es, die Automatie nicht- schlagender Herzstreifen (auch Herzspitze) zu erregen. Hoden, die durch Fermente abgebaut sind (N), haben keine Wirkung. Nachträgliche Hydrolyse dieser Präparate mit 1Oproz. Schwefelsäure führen wieder zu der charakteristi- schen Wirkung. 2. Die Wirkung des Testishydrolysats wird durch Ent- fernung deralkohollöslichen Produkteverstärkt (Extrakt(). 3. Placenta N-Opton bewirkt am Straubschen Präparat nach vorübergehender Pulsverkleinerung eine Vergröße- rung der Kontraktionen. Placenta S-Opton besitzt lediglich eine negative inotrope Wirkung. In Übereinstimmung mit früheren Ergebnissen kommt auch diesen Optonen am Herzstreifen eine negativ chronotrope Wirkung zu. 4. Schilddrüsen- und Strumahydrolysat erregen die Automatie und den Tonus des überlebenden Froschoeso- phagus. In gleichen Konzentrationen wirkt Placenta N- und S-Opton stark lähmend. In schwächeren Lösungen hat Placenta S-Opton Vergrößerung der Kontraktionen zur Folge. 5. Der Extrakt C aus Hodenhydrolysat regt auch die Automatie des nicht schlagenden Oesophagus an. 6. Die Optone aus Schilddrüse, Hypophyse, Thymus, Ovar, Placenta N, Testis S besitzen eine mehr oder minder starke capillar- und z.T. auch arterienerweiternde Wirkung. Die Adrenalinwirkung wird durch die genannten Optone sehemmt oder vermindert. Es geht aus den gemachten Feststellungen mit größter Wahrscheinlichkeit hervor, daß die Inkrete als Regulatoren des Capillarmechanismus eine bedeutsame Rolle spielen. Es wird darauf hingewiesen, daß in Zukunft diesem Zu- sammenwirken von Organ und Capillarsystem auch bei der Feststellung des Wesens von Ausfallserscheinungen beim Versagen von Inkretstoffe liefernden Geweben vermehrte Aufmerksamkeit zuzuwenden ist. 6* Über die chemischen Vorgänge bei den antagonistischen Nervenwirkungen. Von Leon Asher. (Aus dem physiologischen Institut der Universität Bern.) (Eingegangen am 17. September 1921.) Die interessanten Mitteilungen von O. Loewi über humorale Über- tragbarkeit der Herznervenwirkungen in dem mir soeben vorliegenden Heft 4/6 des 189. Bandes dieser Zeitschrift gibt mir Veranlassung, ganz kurz über die Untersuchungen von Fräulein P. Panowa, die im Jahre 1918/19 abgeschlossen wurden und aus äußeren Gründen, die mit den Zeitereignissen zusammenhängen, bis jetzt nicht zur Veröffentlichung gelangen konnten, zu berichten. Wir gingen von der von mir mehrfach als Arbeitshypothese verwendeten Auffassung aus, daß die Wirkung antagonistischer Nerven auf zwei verschiedenen chemischen Prozessen beruhen könnte, die in der neuroplasmatischen Zwischensubstanz von den hemmenden und erregenden Nerven in Gang gesetzt würden. Eine solche Vorstellung findet eine ihrer Stützen in der Existenz von Hor- monen, die ganz gleich wirken wie erregende oder hemmende Nerven. Das Froschherz mit seiner antagonistischen Innervation bietet ein geeignetes Objekt, um etwaige chemische Veränderungen, die bei- spielsweise durch Reizung des Nervus vagus entstehen können, zu untersuchen. Gerade die Untersuchung der Vaguswirkung darf mit Fug am Anfange einer derartigen Forschung stehen, weil ja gerade die Existenz von Hemmungsnerven eine ganz wesentliche Grundlage für die vorliegende Problemstellung liefert. Fräulein Panowa benutzte zu jedem Versuch zwei Herzen: das eine diente dazu, um demselben Flüssigkeit nach Vagusreizung zu ent- nehmen, das andere diente zur Prüfung auf die biologische Wirkung des Inhaltes des anderen Herzens nach der Vagusreizung und zur Kontrolle auch ohne Vagusreizung. Das Präparat, welches zur Vagus- reizung diente, wurde nach Coats hergestellt in der Modifikation wie sie u.a. von Otto Frank und von mir beschrieben worden ist, nur wurde das Herz nicht mit einer manometrischen Vorrichtung ver- bunden, sondern es wurde in die Aorta die Straubsche Kanüle ein- gebunden. Beide Vagi kamen auf Gummielektroden. Das andere Herz wurde ganz nach dem Verfahren von Straub vorbereitet. L. Asher: Über die chem. Vorgänge bei den antagon. Nervenwirkungen. s5 ‚Im allgemeinen war der Gang der Versuche der, dal das Prüfungs- herz gefüllt mit Flüssigkeit am Suspensionshebel seine Tätigkeit re- gistrierte, daß diese Flüssigkeit mehrfach gewechselt wurde, um den Einfluß der unter stets gleichen Bedingungen erfolgenden Wieder- füllung nach einer Entleerung festzustellen und daß, wiederum nach «einer Entleerung, die Flüssigkeit aus dem anderen Herzen, welches eine Zeitlang durch maximale Vagusreizung stillgestellt worden war, eingebracht wurde. Bei den mehrfach variierten Bedingungen stellte sich eine als diejerige heraus, bei welcher die deutlichsten Resultate erzielt wurden. Diese Bedingung war die Füllung des Prüfungsherzens mit einer kaliumfreien Ringerlösung. Diese Lösung bewirkte, daß der Herzschlag allmählich schwächer wurde. Das der Vagusreizung zu unter- werfende Herz wurde gleichfalls mit kaliumfreier Ringerlösung gefüllt und der Vagus 1—2 Minuten lang gereizt. Wurde nun diesem durch Vagusreizung stillgestelltem Herzen noch bei Andauer des Vagus- stillstandes sein Inhalt entnommen und in das Prüfungsherz über- tragen, so zeigte sich eine auffallende Verbesserung des vorher ge- schwächten Herzschlages und wenn Stillstand eingetreten war, eine Wiederherstellung des Schlages.. Von 58 Versuchen dieser Art fielen 55 in der geschilderten Weise aus. Wenn das die Füllflüssigkeit liefernde Herz nicht unter dem Einfluß der Vagusreizung stand, trat auch nicht die geschilderte Verbesserung des Herzschlages ein. Aus diesen Versuchen scheint hervorzugehen, daß infolge der Vagus- reizung in der kaliumfreien Ringerlösung Veränderungen auftreten, welche diese Lösung befähigen, das andere. unter Kaliummangel leidende Herz in einen besseren Zustand zu versetzen. Es liest demnach hier eine Methode vor, um auf biologischem Wege chemische Veränderungen infolge der Vagusreizung zu beobachten. Die Analogien der Versuche von Fräulein Panowa mit denen einerseits von Howell und anderer- seits von Otto Loewi sind naheliegend. Methodisch unterscheiden sich die Versuche von Fräulein Panowa von denen von Otto Loewi durch die Anwendung von zwei Herzen, was gewisse Fehlerquellen ausschließt, und in den Gesichtspunkten und Ergebnissen sind auch einige Unterschiede zu konstatieren. Mit Loewis Methodik sind die von ihm mitgeteilten Beobachtungen häufig, jedoch nicht regelmäßig reproduzierbar, nicht aber mit Panowas Methodik. Fräulein Panowas Versuche sind mit mannigfachen Variationen im Berner physiologischen Institut fortgesetzt worden. Es wird über dieselben seinerzeit berichtet werden und dann auch Gelegenheit sein, die Ergebnisse mit denjenigen zu vergleichen, die Otto Loewi mitgeteilt hat und den noch von ihm zu erwartenden, denen wir jetzt schon mit Interesse entgegensehen. Harneisen und Nierenfunktion. Von Rudolf Ehrenberg und Alfred Karsten. (Aus dem Physiologischen Institut Göttingen.) Mit 2 Textabbildungen. (Eingegangen am 21. September 1921). Seit längerer Zeit ist bekannt und durch eine größere Zahl von Untersuchern erhärtet, daß in der Eisenbilanz des Menschen und einiger Versuchstiere das Harneisen fast gar keine Rolle spielt. Weit- gehende Variationen in der Eisenzufuhr, sei es organisch oder anorganisch gebundenen Eisens, spiegeln sich im Harne nicht nur nicht wieder, sondern, wie Gottlieb beobachtet hat, es kann sogar lange fortgesetzte gesteigerte Eisenzufuhr mit Herabminderung des Harneisens einher- gehen. Vielleicht macht das im Hämoglobinkomplex gebundene Eisen eine Ausnahme, wenigstens ist W. Hueck (Diss. Rostock 1905) dieser Meinung, freilich werden, wir sehen, daß die vermehrte Eisen- ausscheidung bei gesteigertem Blutzerfall, bei Anämien, Verbrennungen usw. nach unseren Befunden eine andersartige Deutung näherlest. Auf die Literatur hier näher einzugehen erübrigt sich, sie ist in Erich Meyers Abhandlung im 5. Bande der Ergebnisse der Physio- logie bis 1905 berücksichtigt, die neueren Untersuchungen bringen nichts wesentlich Neues hinzu. Alle neuere Untersucher !) —- die älteren bleiben wegen der unentwickelten Methodik außer Betracht — geben als Mittelwert der Eisenausscheidung im Harn l1mg pro Tag an und finden, außer in den weiter unten zu besprechenden pathologischen Fällen, nur geringe Schwankungen um diesen Tageswert, so daß z. B. v. Wendt?) in seinen Salzbilanztabellen des Harnes einfach immer 1 mg für das Eisen einsetzt. Alle Untersucher stimmen ferner darin überein, daß das Eisen im Harn niemals direkt mit den Eisenreagenzien nachweisbar, sondern zum kleinen Teil locker, zum größten Teil fest gebunden ist und erst nach der Veraschung bestimmbar wird. Den nachfolgenden Untersuchungen lag folgende Erwägung zu- grunde: da einerseits immer. und in relativ gleichbleibender Menge Eisen im Harn auftritt, andererseits die Eisenzufuhr keine Veränderung dieser Menge bewirkt, das den Körper verlassende Eisen also diesen 1) O. Wolter, Bioch. Zeitschr. 24, 108. 1910. ®).G. v. Wendt, Skand. Arch. f. Physiol. 1%, 211. 1905. R. Ehrenberg und A. Karsten: Harneisen und Nierenfunktion. 87 Weg nicht nimmt, so stammt vielleicht das Harneisen gar nicht aus dem Gesamtorganismus, sondern nur aus dem Eigenstoffwechsel der Niere, oder aber: selbst wenn es unmittelbar dem Blute entstammt, so scheidet die Niere es nicht nach Maßgabe des Angebotes aus, sondern auf Grund anderer in ihrer Tätigkeit selbst begründeter Bedingungen. Wir wollen gleich bemerken, daß uns von diesen beiden Möglichkeiten die erste als die wahrscheinlichere erscheint. Wie dem aber auch sei, in beiden Fällen war zu erwarten, daß die Art und Intensität der Nierenleistung sich von Einfluß auf die Menge des Harneisens erweisen würde. Die Untersuchungen haben nun diese Annahme in so völliger Ein- deutigkeit bestätigt, daß sie trotz der einstweiligen Beschränkung auf zwei Versuchspersonen als gesichert angesehen werden und die Harn- eisenbestimmung als Indikator der Nierenfunktionsprüfung ange- sprochen werden kann. Als Methode der Eisenbestimmung diente die von A. Neumann in der speziellen Ausführung von R. Hanslian (Abderhaldens Hand- buch der bioch. Arbeitsmethoden Bd. 6, 1912), wobei als einzige Ab- weichung die Menge des zur Titration verwandten Jodkalis nach ent- sprechenden Vergleichsversuchen aus finanziellen Gründen verringert wurde. Eine ausführliche Beschreibung ist also nicht vonnöten. Es ‚wurden in jedem Falle von der Säureveraschung (einschließlich) an Doppelbestimmungen gemacht, mehrfache ganz durchgeführte Blind- versuche sicherten gegen Fehler durch eisenhaltige Reagenzien, der Titer der Thiosulfatlösung wurde jedesmal bestimmt. Die bei den kleineren Eisenmengen prozentualiter natürlich größeren Differenzen zwischen den beiden Doppelbestimmungen (maximal 0,2 ccm Thio- sulfatlösung) kommen gegenüber den gefundenen Unterschieden zwischen den verschiedenen Tagesharnen nicht im entferntesten in Betracht (0,1 mg gegenüber Unterschieden bis zu 6 mg). Als Versuchsperson diente in der Hauptsache A.K., 28 Jahre, gut mittelgroß, gesund, männlich; nur 3 Versuche wurden als Stichkontrolle der gefundenen Ergebnisse an R. E., 36 Jahre, männlich, übermittel- groß, gesund, ausgeführt. Die Ernährung und Lebensweise war — abgesehen von speziellen Versuchstagen — im ganzen gleichbleibend, eine genaue Diätregelung wurde, wie die Ergebnisse zeigen mit Recht, nicht für notwendig er- achtet. Die Nahrung enthielt gewöhnlich — außer an besonderen Versuchstagen — ca. 80 g Eiweiß, 300—400 g Kohlenhydrat und 608 Fett und hatte einen calorischen Wert von etwa 2500 Calorien. Die Wasseraufnahme wurde kontrolliert, sie betrug im Mittel 1!/, Liter, die Versuche fielen vorzugsweise in die heiße Zeit, die körperliche Betätigung war mäßig. S8 R. Ehrenberg und A. Karsten: Der Harn wurde von Morgen zu Morgen gesammelt, leider ward anfangs die Bestimmung des spezifischen Gewichtes unterlassen, sie hat sich aber auch späterhin als ohne Bedeutung für das Verständnis der Resultate erwiesen. In den ersten 14 Versuchen wurde auch die Harnsäure nach Folin mitbestimmt. Es geschah das deswegen, weil ja die aus der Literatur bekannte Konstanz des Harneisens der Ausdruck einer Gesamtstoff- wechselkonstante sein konnte, wie es die Harnsäure bei Berücksichtigung der Purinzufuhr ist. Wenn, wie es Erich Meyer.a.a. O. in Erwägung zog, das Harneisen ein Ausdruck des Eisenzerfalles im Körper wäre, so dürfte man parallel mit der Vermehrung des Eisens im Harn auch eine gesteigerte Harnsäureausfuhr erwarten. Das war in keiner Weise der Fall und daher wurde die Harnsäurebestimmung weiterhin fallen gelassen. Dagegen wurde später der Harnstoff nach Knoop-Hüfner bestimmt, weil sich aus Versuchen mit Eiweißzulage dessen Kenntnis als wünschenswert ergeben hatte. Es wäre sehr dankenswert und auch für die Klinik der Niere von Bedeutung, wenn künftige Untersucher des Harneisens Gefrierpunkt und Leitfähigkeit mitbestimmten, leider sind ja die ausführlichen Analysen v. Wendts für uns wertlos, weil er gerade das Eisen nur im Mittelwert einsetzt. Bei unserer Arbeit, die ja nur jene Eingangsfrage beantworten sollte, sahen wir davon ab; der eine von uns (Karsten) wird die Untersuchung an Krankenmaterial fortsetzen. Die Untersuchungsergebnisse sind in der nebenstehenden Tabelle zusammengestellt. Ein Blick auf den Stab der Eisenwerte lehrt, daß hier von einem Mittelwert mit naher Gruppierung der einzelnen Werte nicht geredet werden kann, wie kommt es, daß die bisherigen Untersucher trotzdem alle dazu gelangen? Die Antwort ist einfach die: weil sie nur an die Eisenbilanz gedacht haben. Um die Zufuhr genau zu kennen und zu regeln, hielten sie die Diät konstant, sie vermieden gerade alle die Be- dingungen, unter denen wir die hohen Eisenwerte erhielten. Jedem wesentlich von dem ‚Mittelwert“ 1mg abweichenden Eisenwert in unserer Tabelle entspricht in der Spalte ‚Besonderheit eine Ver- änderung in der Versuchsführung, die zwar niemals etwas mit Eisen- zufuhr oder Eisenzerfall zu tun hat, wohl aber immer mit der Tätigkeit der Niere. Werte von der Größenordnung unserer höheren Werte haben die früheren Untersucher nur in den Harnen von Kranken gefun- den und auf durch die Krankheiten (z. B. Diabetes) bedingten gesteigerten Eisenzerfall im Körper gedeutet, wir werden sehen, daß sich diese Befunde viel einfacher von der Niere aus deuten lassen. Harneisen und Nierenfunktion. 39 Sehen wir zunächst von den ‚besonderen Tagen ab, worunter häufig auch die Tage nach einer ‚‚Besonderheit“ zu rechnen sind, so finden wir vierzehn Werte, die sich nun in der Tat um das Mittel von l mg gruppieren. Aber eine beliebige Gruppierung ist ‘es doch nicht. Ördnet man nämlich, wie es in Abb. 1 geschehen ist, diese Werte den zugehörigen Harnmengen zu, so ergibt sich ein annähernd geradliniger Verlauf von 0,5 mg bei 1000 cem zu 1,9 mg bei 500 ccm, die Eisen- menge steigt also mit sinkender Harnmenge, und zwar nimmt sie im Durchschnitt auf 100 ccm Abfall um 0,15 mg zu. Daß wir darin einen Ausdruck der Konzentrierungsarbeit haben, das bezeugt noch Ver- such 9: er ist der Wert eines relativen Hungertages — etwa die Hälfte der Nahrung an Calorien und Eiweiß — und hat einen um ca. 0,3 mg niedrigeren Betrag als seiner Harnmenge von nur 650 ccm entsprechen sollte, es gab eben weniger auszuscheiden und entsprechend weniger zu konzentrieren. Si B5; Harn- Are Veraschte| Gesamt- Harn- Harn- Nr.|| suchs- Datum | Besonderheit des Versuches a Ge- Da BSD ee stoffin DB person com | wicht | in com in nıg g g I MASK. | 5. IV. _ 1300| — |2X500| 0,616 | 046 | — Bil ..; 8. IV. ca. 200 & Eiweiß 1370 — 12X 400| 3.856 | 0,49 | — De LOSEV: — 11609 #127°40011.0,6162.7 0,4327 All... All. EV. — 1020| — /2xX400| 0,887 | 0,31 = 5| „ |14.IV. |Zulage von 3500 cem Wasser |3580| — |2X500| 112 | 036 — Be lv. Tag nach Wasserzulage 1450| — |2X400| 2,74 | 0391 — 8 TV. Natr. salieyl. 4,0 1250| — |2X400| 0,543 | 0,99 — =s| . 119 IV. Tag nach Salieyl 800| — 12%X200| 2,707 | 0,37 | — 127. IV: Rel. Hungertag 650| — |2X200| 0,963 | 0,44 | — KO... 129. IV. — 6101| — |2X200| 1,32 1 04 | — N av. 145011015,2<500| 0,504 | 0,54 | — lee ZEN. — 11125/1020 |2xX400| 0,653 | 054 | — Bi. | 3. V. -- 900|1020|2x400| 097 | — | — 14| „, 8.V. — 1100|102012x400| 0,765 | 050° — 151 „ 115. VI. | 600ccm sehr starker Kaffee |2500|1010/2x400| 1,626 | 038 | °— Bu... 118. VI. _ 530 11025 2% 200| 1,85 — | 17| „ 19. VI. — 1400|101512X400| 056 | — | 15,96 Ba 1120. VI. Zulage von 10g Na0l 720 |103012%X200| 4,61 . — | 17,85 BO „127. VI. — 630[1025|2xX200|) 152 | — | 17,56 Eu) 7 128. VI. ca. 200g Eiweiß 150)|1015|2X400| 3,63 | — | 35,28 Bl... 129. VI. Tag nach dem Eiweiß 11510/1015 2xX400| 2,054 | — | 25,08 22| .„ 30. VI. | Zulage von 3500 cem Wasser |3430|100513x500| 6,994 | -—— | 26,25 >| „ 1. VI. Zulage von 10g NaCl 6001030 12% 200| 4,216 | — | 13,87 el „ |17. VIL Coff. natr. benz. 1650|1015)2x400| 21 | — | 17,67 25| „ |22. VO. | 4X20 Tr. acid hydrochlor. |1675|1015|2X300| 2,99 | — | 16,86 26) „ 10. VII. Na bicarbon. 5,0 700|102812xX300| 1,256 | — | 14,25 ZUR. ER. |13. VII. | — 780|1030|12xX300| 1,597 | — | 21,65 Pal „ 14. VE. | ca. 200 g Eiweiß 11500|1025,2x 5300| 3,858 | — | 29,52 le, 115. VIE. | 1675!101512X 300! 0,976 | — | 21,8 90 R. Ehrenberg und A. Karsten: In diesen Versuchen war offenbar nur das Wasser die Variable und — wie die Gesamtheit der Versuche lehrt — das Eisen variiert mit jeder Variablen unter den Hauptkomponenten des Harnes, man wird unmittelbar aus dem Eisengehalt schließen dürfen, daß eines oder mehreres im Harne variiert hat. Daß die Variable ‚Wasser‘ sich auch noch auswirkt, wenn andere Bedingungsänderungen auf die Eisenmenge Einfluß ausüben, zeigt Abb. 2: auch hier haben wir trotz der großen Verschiedenheiten in den jeweiligen besonderen Bedingungen einen ähnlichen Gang der Werte mit dem abnehmenden Wassergehalt wie in Abb.1, nur die Kurve als Ganzes erscheint in den Bereich höherer Eisenwerte verschoben. Einzig der Wert vom Versuch 22, der höchste 7500 00 — —*- | | 1300: aa 1200 37100 - N S 7000 S | Q 900 -— | x a ee | | | | | +) | T 600 — — | x | | | | BA BR) 05 06 07 08 09 10 11 12 93 14 15 16 17 18 19 Eisen in mgr Abb. 1. überhaupt gefundene, fällt ganz heraus, da er bei einer Harnmenge von 3500 auftritt; weshalb er so viel höher ist als in dem ersten Wasser- diureseversuch (Nr. 5) ist nicht anzugeben, freilich zeigt dafür der auf Versuch 5 folgende normale Tag einen Anstieg des Eisenwertes auf mehr als das Doppelte von 5. Daß überhaupt bei Verdünnungen über eine mittlere Lage hinaus wieder höhere Eisenwerte auftreten, erscheint ja im Hinblick auf die osmotische Arbeit nur plausibel, wenn man das Eisen als einen Leistungsmesser der Niere ansehen darf. Und daß man das darf, dafür sprechen auch alle die Befunde an den besonderen Versuchstagen. Es ist ja nicht etwa nur die diuretische Wirkung, sichtbar an vermehrter Harnflut, die sich in der Eisenmenge wider- spiegelt, es ist jede Art von vermehrter Tätigkeit und jede Umstellung, die sich so auswirkt. Häufig ist der auf den Eingriff folgende Tag noch mitbetroffen, ja gelegentlich zeigt er erst den stärksten Anstieg, so in dem erwähnten Wasserversuch und bei Natrium salicylicum, in welch Harneisen und Nierenfunktion. 91 letzterem Falle die am Versuchstage eingetretene Veränderung sich in dem hohen Harnsäurewert schon erweist. Sehr stark war die Wirkung des Kochsalzes bei durch Flüssigkeits- beschränkung niedrig gehaltener Harnmenge, ferner sei auf den Ein- fluß der Säurezufuhr — viermal 20 Tropfen Ac. hydrochlor. dil. offiz. im Laufe des Tages — hingewiesen, der dabei abgesonderte Harn ver- brauchte zur Neutralisation auf 100 ccm 23,5 cem "/,;o NaOH. Im übrigen sei auf die Tabelle verwiesen, es ist sehr erwünscht, die Befunde an einem größeren Material und bei reicherer Variation 7 — | r 4 Q S ——h: S IS} - | | | | 2 | IR Ka le: | 8) 500! | I I 40 15 20 25 30 35 40 45 50 3,5 60 65 70 EiseR inmgr Abb. 2. der Bedingungen zu vermehren, zur Beantwortung unserer Fragestellung dürften die vorliegenden genügen, zumal die früheren Befunde an Harnen von Kranken, soweit die mitgeteilten Daten eine Beurteilung der Nierentätigkeit zulassen, gut dazu stimmen. Besonders die von A. Neumann und A. Mayer mitgeteilten Eisenwerte von Diabetikern zeigen deutlich die Wirkung einerseits der Zuckerausscheidung, anderer- seits der Harnmenge, wie auch den Untersuchern schon aufgefallen war, von ihnen aber auf Vorgänge im Körperinneren gedeutet wurde. Sehr deutlich geht daraus auch der mächtige Anstieg des Eisens bei Harn- mengen über 3000 ecm hervor, der den Einfluß des Zuckers überlagert. 92 R. Ehrenberg und A. Karsten: Harneisen und Nierenfunktion. Läßt sich nun aus diesen Ergebnissen etwas für die Theorie der Harnsekretion fo!gern ? Es liegt nahe, an die durch O. Warburg aufgeklärte Rolle des Eisens bei den Oxydationen einerseits sowie an die von Barcroft ermittelten Abhängigkeiten des Sauerstoffverbrauches der Niere von der Diurese und den Ausscheidungsstoffen andererseits zu denken. Man würde dann zu der Annahme neigen, daß das ja so fest gebundene Harneisen den Harnkolloiden, deren Bedeutung Lichtwitz hervor- gehoben hat, zugehören könnte, und daß diese den Nierenzellen ent- stammen. Der Wert der täglichen Eisenmenge erscheint dann auf den ersten Blick allerdings reichlich hoch, denn nach Magnus-Levy (H. S. 24, S. 373) beträgt der gesamte Eisengehalt der Nieren nur etwa 50 mg. Demgegenüber ist aber die allen Untersuchern, die an Tieren Versuche mit Nierengiften gemacht haben, bekannte erstaunlich rasche Regeneration der Nierenepithelien hervorzuheben, die den Ge- dhnken nahelest, daß es sich dabei um einen physiologischen Vorgang handeln könnte. Und andererseits besteht, wie u. a. OÖ. Wolter hervor- hebt, ein unmittelbarer Übergang von Steigerung der Fisenausscheidung im Harn zu Nierenschädigungen. Diese Überlegungen weiter zu verfolgen wäre verfrüht, als Ergebnis der Untersuchungen bleibt zu resümieren: Die Harneisenmenge ist ein Maß der Gesamtfunktion der Nieren. Bei gleichförmiger Ausscheidung entspricht sie der Konzentrierungsleistung der Nieren, sie wird daneben ge- steigert durch jede Veränderung oder Vermehrung der Aus- scheidung. Als Ausscheidungsstoff wirkt auch das Wasser bei größerer Harnflut. (Aus dem Physiologischen Institut der Universität Wien.) Ernährungsversuche an Kaulquappen und die Bedeutung des Tryptophans. Von W. Kolmer und Ferd. Scheminzky. (Ausgeführt mit Unterstützung der Bernhard Wetzler-Stiftung). Mit 2 Textabbildungen. (Eingegangen am 5. August 1921.) Aus den bisherigen Versuchen über die biologische Wertigkeit der verschiedenen Eiweißkörper in der Nahrung sind wir durch Experimente am Menschen und an Säugern darüber unterrichtet, daß zu einer hin- reichenden Ernährung die Anwesenheit einer großen Anzahl von Eiweiß- bausteinen notwendig ist. Als einer dieser unentbehrlichen Bausteine silt das Tryptophan (Indol-x-aminopropionsäure). So kann, wie aus den bisherigen Versuchen hervorgeht, Leim als ausschließlicher Eiweiß- ersatz nicht verwendet werden, da ihm Tyrosin und Tryptophan fehlt. Kaufmann!) zeigte in einem Selbstversuch, daß mit Leim nur unter Zusatz der genannten Aminosäuren das N-Gleichgewicht erzielt werden kann. Rona und Müller?) konnten keine Erhöhung des Ersatzwertes des Leimes durch diese Zusätze erkennen. Neuere Untersuchungen hingegen haben in einer eindeutigen Weise die Unentbehrlichkeit des Tryptophans demonstriert. So Abderhalden®). Willkock und F.G. Hopkins*) haben Hunde längere Zeit mit abgebautem Casein gefüttert und bei ihnen Stickstoffgleichgewicht erzielt. Als dann die Aminosäuren ohne das Tryptophan verfüttert wurden, wurde mehr N ausgeschieden, als in der Nahrung gegeben wurde, da dieser N für den Eiweißaufbau unverwendbar war und körpereigenes Eiweiß zerlegt wurde. Abderhalden?) hat auch die Gelatineversuche wieder aufgenommen und gezeigt, daß diese bei Tyrosin und Tryptophanzusatz eine vollwertige Nahrung ergibt. Da Fürth eine neue Methode des Tryptophannach- weises ausgearbeitet hatte, welche gestattet, auch geringe Spuren wenigstens qualitativ nachzuweisen, war es naheliegend, nach dieser Methode tryptophanfrei befundene Nahrungsstoffe in bezug auf ihre biologische Wertigkeit zu untersuchen. Als leicht zugängliches und in zahlreichen gleichartigen Individuen beobachtbares Versuchsmaterial 94 W. Kolmer und F. Scheminsky : sollten Kaltblüterlarven herangezogen werden, die seit den interessanten Versuchen von Gudernatsch als für derartige Untersuchungen be- sonders geeignet erschienen. Methodik. Die Versuche wurden im Mai-Juni 1920 und April bis Juli 1921 durchgeführt. Wir verwendeten ähnlich wie Abderhalden!), für jede Reihe 50 Froschlarven von annähernd gleicher Größe, die aus einem Laichballen von Rana fusca aufgezogen worden waren. Die Tiere befanden sich in Glasschalen von llcem Durchmesser, in welchen das Wasser ca. 3cm hoch stand. Die Wassermenge war ca. 300 ccm. Die Schalen wurden mit einer runden Glasplatte zugedeckt. Das Wasser wurde jeden 2. Tag derart erneuert, daß zwei Drittel mit einer Wasser- strahlpumpe abgesaugt und dann bis zur Marke Wasser aus einer Vor- ratsflasche aufgefüllt wurde. Dieses hatte bereits 48 Stunden im Raume verweilt. Die Gläser waren vor starkem Sonnenlicht durch eine Wand aus Pappe geschützt, und der Standort am Tisch wurde zweitägig ver- tauscht, um Variationen durch den Standort am Tische zu vermeiden. Wir setzten den einzelnen Versuchsreihen keine Algen zu, da Abder-. halden beschrieben hatte, daß die besten Resultate in kurzen Versuchen ohne Algen erzielt würden. Wir konnten die Tiere im Gegensatz zu Abderhalden®) sogar 100 Tage ohne Algen lebend erhalten *). Die Nahrung wurde nach dem Wasserwechsel zugesetzt und. zwar Stärke jedesmal, die anderen Substanzen nur jeden 4. oder 6. Tag. Die Algen als Kontrollnahrung wurden einem Glase zugegeben und dauernd darin belassen. Es wurden folgende Versuchsreihen aufgestellt: 0. Ohne Nahrung. 1. Algen, ziemlich viele Fadenbündel von gut gedeihendem Ödo- gonium. 2. Serumeiweiß vom Pferd (Blutserum wurde durch Kochen zur Koagulation gebracht, dann gewaschen und in 10 proz. Alkohol auf- bewahrt. Vor Verfütterung wurden die Teilchen auf einer Porzellan- nutsche mit der Wasserstrahlpumpe gründlich gewaschen und mit einem Spatel auf einer Glasplatte zerkleinert. Die Untersuchung dieses Prä- parates ergab, daß in einem Gramm Trockensubstanz nach Kjeldahl 0,141& N = 0,881g Eiweiß nachzuweisen war. Nach Abderhalden’”) enthält das Serumeiweiß des Pferdes Tryptophan, aber nicht in quan- titativ bestimmbarer Menge. *) Wie uns Herr Prof. Abderhalden brieflich aufmerksam machte, hielt er diese Kulturen möglichst steril. Unsere Kulturen enthielten keine sichtbaren Algenvegetationen, waren aber natürlich nicht wirklich steril gehalten. In solchen nicht wirklich sterilen Kulturen hat aber auch Prof. Abderhalden ein längeres Überleben beobachtet, was er auf die restlose Aufnahme von niederen Organismen zurückführt, die, mit freiem Auge unsichtbar, trotzdem vorhanden sind. Frnährungsversuche an Kaulquappen und die Bedeutung des Tryptophanus. 95 3. Blutkörperchen vom Pferde, vom Serum abzentrifugiert und in physiologischer Kochsalzlösung so lange gewaschen, bis das Wasch- wasser keine Tryptophanreaktion ergab. Für die Durchführung dieser Reaktion sind wir Herrn Professor v. Fürth zu Dank verpflichtet. Die gewaschenen Blutkörperchen wurden gekocht und gleich dem Bluteiweiß in 10 proz. Alkohol aufbewahrt. Vor Verfütterung wurden sie ebenfalls mit der Pumpe gewaschen. Nach Abderhalden) ent- halten 1000 Teile Pferdeblutkörperchen 386,85 feste Substanz, darunter 315,08 Hämoglobin. Dieses Hämoglobin enthält 17,35% N°) und geringe Mengen von Tryptophan. Die Untersuchung unseres Präparates ergab auf 1 g Trockensubstanz 0,69 g N; unter der praktisch annehm- baren Voraussetzung, daß aller N dem Hämoglobin entstammt, würde dies pro Gramm 0,997 g Hämoglobin entsprechen. 4. Speck, welcher von Fürth als tryptophanfrei uns zur Verfügung gestellt wurde. Wir zerteilten ihn in kleinste Teilchen samt der Schwarte. 5. Reisstärke. Die Analyse nach Kjeldahl ergab pro Gramm Trockensubstanz 0,0039 N = 0,0248 Eiweiß. Auf Tryptophan wurde hier nicht geprüft. 6. Serumeiweiß und Speck. 7. Serumeiweiß und Reisstärke. 8. Blutkörperchen und Stärke. 9. Blutkörperchen und Speck. Die Nahrungsmenge in jedem Glase betrug stets !/, bis !/, g. Die Nahrung blieb von einem Wasserwechsel zum anderen im Glase, eine schädliche Wirkung davon haben wir im Gegensatze zu Abelin !!) niemals bemerkt. Die Tiere nahmen die Nahrung sehr gierig zu sich und sie konnte im Darme mikroskopisch nachgewiesen werden. Nach dem 42. Versuchstag der Serie des 2. Jahres lebten noch Tiere von vier Reihen. Im Jahre 1920 machten wir die Erfahrung, daß bei dieser Art der Ernährung sämtliche Tiere nach etwa 5 Wochen zugrunde gingen. Deshalb setzten wir im Jahre 1921 vom 42. Versuchstag an Hefe zu, was, wie wir später fanden, auch von Abderhalden seinerzeit erprobt worden war. Zu diesem Zwecke wurden die bis zu diesem Zeitpunkt überlebenden Versuchsreihen, nämlich 5 (Stärke), 6 (Serumeiweiß und Speck), 7 (Serumeiweiß und Stärke) sowie 8 (Blutkörperchen und Stärke) in zwei Gruppen gespalten, von denen die Gruppe a bei der anfänglichen Kost verblieb, während b zuerst Preßhefe gekocht, später Frischhefe gekocht zur Nahrung zugesetzt erhielten. Der Zusatz erfolgte etwa alle 10 Tage. Der Zusatz der Preßhefe bewirkte den Tod einiger Tiere, während Frischhefe besser vertragen wurde. Abderhalden$) erwähnt übrigens, daß Hefe nur in den ersten Tagen der Zugabe günstig wirkt. 96 W. Kolmer und F. Scheminsky: Wir haben auf die Geschwindigkeit des Wachstums hierbei nicht geachtet und nur die Endlängen der Tiere bestimmt. Ergebnisse: Die Frage, die uns anfänglich beschäftigte, ob der Tryptophankomplex auch für poikilotherme Tiere unentbehrlich zum Leben sei, muß wohl nach unseren Versuchen bejaht werden. Denn sämtliche tryptophanfrei ernährte Tiere waren am 42. Versuchstage tot. Von den mit Tryptophanzusatz gefütterten Tieren waren auch nach 100 Tagen noch einige am Leben. Es ist uns dagegen bei sämtlichen derartigen Versuchsreihen nicht gelungen, auch nur bei einem Tier die Einleitung der Metamorphose zu beobachten, obwohl ihre Altersgenossen in der Natur in der gleichen Zeit sich schon verwandelt hatten. Im letzten Jahre sind bei den Hungertieren 31 Tage, den mit Algen 34 Tage, mit Bluteiweiß 42 Tage, mit Blutkörperchen 34 Tage, mit Speck 42 Tage, mit Blutkörperchen und Speck 36 Tage bis zum Aus- sterben des letzten Tieres vergangen. o—0—o Stärke a Serumeiweiß ET IRTE + Stärke o-—--. $erumeiweiß + Speck Re Blutkörperchen + Stärke »—x—x Blutkörperchen + Speck %--.%-..% Hungertiere x--3e-%x Algen x Blutkörperchen -mmrx Speck * > .% Serumeiweiß 2 NN 2.4 6. 8 70.12. 14. 16. 16. 20.22 24 26.28.30 32. 34 36. 38. 40. 42. Versuchstag Abb.1. Erhaltungskurven der Versuchsreihen der ersten Periode bis zum 42. Versuchstag (ohne Hefe). In der Abszissenachse sind die Versuchstage aufgetragen, in der Ordinatenachse die je- weils noch lebenden Tiere. Die Art der Nahrung ist neben den zusehörigen Kurven angegeben. Am 42. Versuchstage (V. Tage) lebten nur mehr die Reihen Stärke, dann Serumeiweiß + Stärke, Serumeiweiß + Speck und Blutkörperchen + Stärke. Ernährungsversuche an Kaulquappen und die Bedeutung des Tryptophans. 97 Wenn wir die Versuchsergebnisse graphisch darstellen, so ergibt sich ohne weiteres aus den Kurven, daß die Sterblichkeit in allen Kul- turen anfangs eine geringe war, bei den tryptophanfrei ernährten Tieren aber in einer überraschend gleichmäßigen Weise anstieg, was an dem Abfall der beigegebenen Kurven ersichtlich ist. Bei den mit Tryptophan ernährten Tieren blieb die Sterblichkeit nach wie vor gering. Merk- würdig war, daß in der ersten Versuchshälfte die mit Stärke allein ernährten Tiere die günstigste Überlebensziffer aufwiesen, in der zweiten Hälfte des Versuches dagegen ging die mit reiner Stärke weiter gefütterte Hälfte der Tiere sowie die mit Hefezusatz ernährte Hälfte dieser Reihe sehr bald zugrunde. Was die Größenverhältnisse betrifft, so fanden wir: Die größten Tiere waren die, welche mit Blutkörperchen und Stärke ernährt wurden, dann folgten Serumeiweiß und Stärke, Serumeiweiß und Speck, die kürzesten Tiere waren die mit reinem Speck ernährten. In bezug auf die Breitedimension des Körpers zeigten sich genau die gleichen Ver- hältnisse. Diese Angaben gelten für den 42. Versuchstag, an welchem mit dem Zusatz der Hefe (Vitamin) begonnen wurde. Die speziellen Größen in mm weist die folgende Tabelle aus: | 10. v. 1921 | 18. V. 1921 27. V. 1921 Reihe O (ohne Nahrung) 130 24210258 „ 1 (Algen) 13.61| 3,2:.2,8 | »„ 2 (Bluteiweiß) De 79:58 73,70 el: 11653) KA DORT 4,5 » 3 (Blutkörperchen) au Da 42:5 „ + (Speck) 152 VA3841 3,551 152 2155:23108,5 „ 5 (Stärke) 16,311.6,8 172,81 18,2: 6,5, [14,571 17,6. 7. 71042 „ 6 (Bluteiweiß + Speck) 18,8|7 /48|19 |65/45|185 7 4,3 „ 7 (Bluteiweiß + Stärke) 177.6.1.0,81.3:8:1.192 1072 ,1047741.16,3)) (6,,71173,8 ». 8 (Blutkörperchen + Stärke) | 183 |7 143] 18 |73/5,31]205| 75 |5 „ 9 (Blutkörperchen + Speck) [16,7 |5.2|3 |17 6 3,8 Die Zahlen geben Mittelwerte in Millimetern an. Die erste Zahl bedeutet ganze Länge (Kopf-Schwanzspitze), die zweite Körperlänge, die dritte Körperbreite. Bei den Reihen Nr. 6 und 7 nahmen die Tiere an Größe gegen Ende der Periode ab. Erst nach Hefezusatz erfolgte weiteres Wachstum. Wir kommen später noch darauf zurück. Die Messung der Tiere erfolgte so, daß diese mit einem Sieblöffel aus den Gläsern herausgefangen und dann in einem größeren Wasser- tropfen auf ein flaches Uhrschälchen gebracht wurden. Unter dieses wurde dann der Maßstab gelest. Während der ersten Versuchsperiode wurden in den einzelnen Ver- suchsreihen folgende Beobachtungen gemacht. Reihe 0 (ohne Nahrung): Tiere verkümmert, teils hell, teils dunkel pigmentiert, etwas lebhaft (als Maß Reaktion bei Beklopfen des Glases). Pflügers Archiv f. d. ges. Physiol. Bd. 193. 7 95 W. Kolmer und F. Scheminsky : Reihe (mit Ödogoniumfäden und Chilodon eueullus Entwicklung): Tiere auffallend träge, liegen am Grunde meist mit der Bauchseite nach oben, fast durchwegs hell pigmentiert. Reihe 2 (Serumeiweißnahrung): Tiere hell gefärbt, auffallend ver- schieden groß, meist am Grunde liegend, nicht sehr lebhaft, Kot dunkel gefärbt durch reichlichen Algengehalt. Reihe 3 (Blutkörperchen): Körper der Tiere konisch, graue Pigmen- tierung, Tiere nicht sehr lebhaft. Reihe 4 (Speck): Tiere dunkel, nicht lebhaft, die Hälfte der Tiere liegt stets am Rücken, auffallend schmal. Reihe 5 (Stärke): Tiere hell pigmentiert, Darm prall mit Stärke gefüllt, Lunge im Gegensatz zu den anderen Reihen auffallend'gut ent- wickelt, wenn auch ungleich bei den einzelnen Tieren. Reihe 6 (Serumeiweiß und Speck): Tiere grau gefärbt, sehr lebhaft, Augen auffallend stark pigmentiert; Lungen nicht auffallend entwickelt. Reihe 7 (Serumeiweiß und Stärke): Färbung variabel, helle Tiere überwiegend ; Lunge gut entwickelt, sehr lebhaft, Körper auffallend lang und schmal. Reihe 8 (Blutkörperchen und Stärke): Färbung hell, Lunge gut ent- wickelt, Kiemen leuchten durch die Haut auffallend durch ; sehr lebhaft. Reihe 9 (Blutkörperchen und Speck): Tiere stark pigmentiert, Körper konisch, nicht sehr lebhaft. 2. Versuchsperiode (Parallelkulturen mit und ohne Hefe- zusatz). Die Größenverhältnisse der am 100. Versuchstage noch überlebenden Tiere waren derart, daß Blutkörperchen und Stärke mit Hefezusatz das meiste Wachstum hervorrief, dann folgte Blutkörperchen und Stärke ohne Hefe, schließlich Bluteiweiß und Hefe *). Die Zahlen weist folgende Tabelle aus: | 27. V. 1921 | 15. vIL.1991 ‚| Zunahme in % ca. VIIb. Bluteiweiß + Stärke + Hefe 16,3 | 6,7 | 3,8]| 24 19 | 6,5 50 VE, Blulkörrörchen | Stärke 20517515 | 28 io 6 | &0 VIIIb. Blutkörperchen + Stärke + Hefe |205 |7,5|5 | 33 | 11 7 60 Die Durchmusterung der Versuchsreihen ergab — die anderen waren ausgestorben — Reihe 7b (Serumeiweiß, Stärke + Hefe): hell pigmen- *) Berczeller erwähnt neuestens, daß auch Ratten. mit Hefe allein ernährt, kürzer leben als Hungertiere, was eine gewisse Übereinstimmung mit unseren Resultaten ergibt. Ernährungsversuche an Kaulquappen und die Bedeutung des Tryptophans. 99 tiert, gedrungener Körper, auffallend gut entwickelte Lungen. Kiemen leuchtend rot, sehr lebhaft. Reihe 8a (Blutkörperchen und Stärke): hell, Kiemen rot, Lunge klein Reihe 8b (Blutkörperchen, Stärke und Hefe): Kiemen rot durch- leuchtend, Lunge nicht bemerkbar. Im Vorstehenden sind bloß die Resultate der Versuchsperiode 1921 angegeben; die von 1920, die nicht an Individuen aus ein und dem- selben Laichballen angestellt waren, wurden mit Ausnahme des Hefe zusatzes ungefähr unter den gleichen Bedingungen durchgeführt und ergaben im wesentlichen dieselben Resultate. In bezug auf die Wachstumsverhältnisse erhielt Jarisch!P) ganz entsprechende Größen- verhältnisse. Es sei erwähnt, daß im Jahre 1920 in allen Serumeiweiß enthaltenden Versuchsreihen einzelne Tiere sehr auffallenden Hydrops peritonei mit schließlichem Zerreißen des Peritoneums und auffallende skorbut- artige Blutaustritte ins Bindegewebe aufwiesen. Die Tiere waren dabei kugelig aufgetrieben. Im Jahre 1921 traten einzelne Hydropsfälle in den ersten Versuchstagen auf, gelangten aber nicht zu so auffallender Entwicklung, da die Tiere bald starben. Eigentümlich ist ferner, daß die Tiere, die mit Blutkörperchen und Speck ernährt wurden, früher starben, als mit Speck allein ernährte. Eine auffallende Beobachtung war die, daß bei den nicht zureichend ernährten Tieren die Sterblichkeit mit den Schwankungen der Tempe- ratur parallel ging und zwar: in der ersten Versuchsperiode sehen wir, wie ein Blick auf die oben gegebene Abb. 2 zeigt, daß mit der Steigerung der Temperatur von 16° auf 19,5° bzw. von 19,5° auf 23° ein Massen- sterben Hand in Hand ging. Am auffallendsten war diese Erscheinung bei den ohne Nahrung gehaltenen Tieren sowie bei den mit Algen, dann mit Serumeiweiß, mit Blutkörperchen, sowie mit den Kombinationen Blutkörperchen und Stärke sowie Blutkörperchen und Speck gefütterten, weniger typisch war das Verhalten bei den Reihen mit Speck einerseits und Stärke andrerseits, ganz unbeeinflußt zeigten sich dagegen die Kombinationen Serumeiweiß und Stärke sowie Serumeiweiß und Speck. In der 2. Versuchsperiode, die durch partiellen Hefezusatz charak- terisiert ist, zeigte sich nur bei den Reihen 5a (Stärke) und 5b (Stärke und Hefe), sowie bei Reihe 6a (Serumeiweiß und Speck eine gewisse Abhängigkeit. Bei den übrigen Hefetieren konnte eine solche nicht mehr wahrgenommen werden. Es wurde nicht weiter untersucht, ob hier eine reine Wirkung der Temperatur vorlag oder ob die durch die Er- wärmung verminderte 0-Spannung im Wasser dabei schuldtragend war. Jarisch!0) hatte nämlich beobachtet, daß viele der in seinen Kulturen geschwächt auf dem Boden liegenden Tiere länger am Leben blieben, 7* 100 W. Kolmer und F. Scheminsky : wenn er ihnen reichlich Sauerstoff zur Verfügung stellte. Allerdings handelte es sich bei diesen Versuchen um Tiere, bei denen durch Zusatz 2“ 23 22 21 20 19 18 16 15 SNSNUNRrOG OS N D»G ER 6. &. 70. 12. 14, 16. 18. 20. 22. 24. 26, 28, 30. 32. 34. 36. 38. 40. 42. Versuchstag Abb. 2. Temperaturgang und Sterblichkeit. In der Abszissenachse wurden die Versuchstage auf- getragen, in der Ordinatenachse für die obere Kurve die jeweilige Temperatur, für die untere der Prozentsatz der jeweils toten Tiere. Vom 20. bis 32. Versuchstag große Temperatursteigerung und große Sterblichkeit! Die arabischen Ziffern bezeichnen zugeordnete Kurvengipfel. von Thyreoideapräparaten eine abnorm rasche Rückbildung der Larven- organe, darunter auch der Kiemen bei noch nicht entsprechend ent- wickelten Lungen, eingetreten war. Zusammenfassung. Der Tryptophankomplex ist für Kaul- quappen, somit auch für ein poikilothermes Tier auf die Dauer zur Er- nährung nötig. Trotzdem enthielten die von uns gewählten Nahrungs- gemische keineswegs alle zum normalen Wachstum und. zur Entwick- lung notwendigen Faktoren, auch dann nicht, wenn durch Hefe gewisse Stoffe (Vitamine) eingeführt wurden. Nach unseren Versuchsresultaten könnte man auf einen besonders lange lebenserhaltenden Faktor in dem Gemisch Serumeiweiß und Stärke schließen, auf einen wachs- tumsbefördernden Faktor im Gemische Blutkörperchen und Stärke. Tiere, die mit Stärke, Serumeiweiß und Stärke, Serumeiweiß und Speck, endlich Blutkörperchen und Stärke ernährt wurden, zeigten sich dauernd sehr lebhaft. Die Hungertiere sowie jene, die mit Blutkörper- chen und Speck ernährt waren, weniger. Algennahrung und Speck Ernährungsversuche an Kaulquappen und die Bedeutung des Tryptophans. 101 hingegen bedingten noch weitaus trägere Tiere, die zumeist am Boden des Glases am Rücken lagen. Die Fütterung mit Bluteiweißgemischen und zum Teil Blutkörperchen schien die Lungenentwicklung zu be- günstigen. Mit Ausnahme der Reihe Serumeiweiß und Stärke zeigten die übrigen in ihrer Sterblichkeit eine mehr oder minder große Ab- hängiekeit von der Temperatur. Literaturverzeiechnis. !) Kauffmann, Pflügers Arch. f. d. ges. Physiol. 109, 1. 1905. — ?) P. Rona und W. Müller, Zeitschr. f. physiol. Chemie 50, 263. 1907. — ?) Abderhalden, Zeitschr. f. physiol. Chemie 5%, 348. 1908; %%, 22. 1912; 83, 444. 1913. — ?) Wil- kock und Hopkins, ‚Journ. of Physiol. 35, 88. 1907. — °) Abderhalden und Dimitrie Manoliu, Zeitschr. f. Physiol. Chemie 65, 336. 1910; 47, 22. 1912. — 6) Abderhalden, Pflügers Arch. f. d. ges. Physiol. 176, 236. 1920. — °) Abder- halden, Lehrb. d. physiol. Chemie, 3. Aufl., S. 685. — °) Abderhalden, Zeitschr. f. physiol. Chemie %5, 67. 1895. — ?) Abderhalden, Zeitschr. f. physiol. Chemie 7, 57. 1882. — 9%) Jarisch, Pflügers Arch. f. d. ges. Physiol. 199. 1921. — il) Abelin, Biochem. Zeitschr., 102, 59. 1920. — ") L. Berezeller, Wien. klin. Wochenschr. Nr. 42. 1921. Über den Einfluß von Corpus luteum-Extrakt auf die Erythro- poese bei künstlieh anämisierten Kaninchen. Von E. Rothlin. (Aus dem Physiologischen Institute der Universität Zürich. [Direktor: Prof Dr. W. R. Hess].) (Eingegangen am 24. September 1921.) Das Krankheitsbild der Chlorose stellt aller Wahrscheinlichkeit nach mit einer Störung der innersekretorischen Funktionen der weiblichen Keimdrüsen in einem direkten oder indirekten Zusammenhang. von Noorden!) betont, daß eine Theorie über die Entstehung der Chlorose nur im Zusammenhang mit der funktionellen Tätigkeit der weiblichen Keimdrüsen aufstellbar sei. Naegeli?) schreibt diesbezüg- lich: ‚‚Die interstitielle Drüse beeinflußt hormonal in der Pubertät eine Reihe anderer Organsysteme, besonders auch innersekretorische Drüsen. Fehlt dieser normale zu einer gewissen Zeit einsetzende Einfluß, so entsteht eine Disharmonie der inneren Organkorrelationen. Als eine solche Gleichgewichtsstörung entsteht die Blutarmut als hormonale Störung der Knochenmarksfunktionen.‘““ Zu den Vorgängen der weib- lichen Keimdrüsen innersekretorischer Art gehört die Einstellung der cyclischen Bildung von Corpora lutea in der Pubertätszeit. Als eine solche Funktion muß der Zusammenhang zwischen Corpus luteum einerseits und der Ausbildung und Reifung der Eifollikel andererseits betrachtet werden. Meyer?) kommt diesbezüglich zum Resultat, daß ohne Eireifung kein Corpus luteum gebildet wird und ohne Corpus luteum keine Menstruation einsetzt. Diese cyclischen Prozesse stehen somit in einem engen funktionellen Abhängiskeitsverhältnis. Als eines der wichtigsten Symptome der Chlorose gelten Störungen der Men- struation und, wie Naegeli?) schreibt, ‚ist das Schwächerwerden oder das Verschwinden der Menses entschieden viel häufiger beobachtet als stärkere Blutverluste‘“. Diese Störungen der Menstruation bei der Chlorose dürften nach dem Gesagten mit einer abnormen Ausbildung bzw. Tätigkeit der Corpora lutea bedingt sein, im Sinne seiner Hypo- 1!) von Noorden, Med. Klinik 1910, Nr. 1. ?) Naegeli, Blutkrankheiten und Blutdiagnostik, Berlin 1919, S. 333. ®) Meyer, Über die Beziehungen der Eizelle und des befruchteten Eies zum Follikelapparat, sowie des Corpus luteum zur Menstruation, Arch, f, Gynäkol., 100, 1. 1913. E. Rothlin : Über d. Einfluß v. Corp. luteum-Extrakt auf die Erythropoese usw. 103 funktion. Das ausschließliche Vorkommen der Chlorose beim weib- lichen Geschlechte sowie das Auftreten der Krankheit in der Pubertäts- zeit sprechen ebenfalls dafür. Die Chlorose zeigt nun als objektives klinisches Hauptsymptom eine Insuffizienz der Erythropoese, besonders im Sinne der Erniedrigung des Färbeindex. Wenn diese Krankheit mit einer Hypofunktion der Corpora lutea bzw. ungenügender Ausbildung oder Tätigkeit derselben einhergeht, so war doch daran zu denken, dab der abnorme Blutbefund ebenfalls damit zusammenhängt, d.h. durch den Ausfall eines fördernden Reizes von seiten der Corpora lutea auf das erythropoetische Organsystem bedingt sein könnte. Eine experimentelle Bearbeitung dieser Frage wird dadurch erschwert, daß eine Blutkrankheit wie die Chlorose beim Tier unbekannt ist. Durch Kastration an jungen Tieren ist es zwar von Breuer und Seiller!) gelungen, eine Anämie zu erzeugen. Der Blutbefund entsprach aber nicht jenem bei Chlorose, indem der Färbeindex normal blieb. Für meine Untersuchungen stellte ich mir folgende Frage: Ist es möglich, durch Verabreichung von Corpus luteum in Form von Extrakt oder Trockensubstanz bei künstlicher Anämie einen fördernden Einfluß auf die Erythropoese nachzuweisen? Dabei bin ich mir selbstredend bewußt, daß die künstliche Anämie beim Tier und die Chlorose beim Menschen zwei verschiedene pathologische Zustände sind. Neben dieser theoretischen Überlegung entsprangen diese Versuche einem mehr praktischen Gesichtspunkte. Die Tendenz, eine innersekretorische Wir- kung irgendeines Organes mit einem möglichst einfachen Indicator zu prüfen, ist wohl zu verstehen. Dabei behilft man sich in der Regel mit dem Nachweis einer Wirkung auf die Organe von glatter Muskulatur. Die Wahl eines solchen Testobjektes erscheint in vielen Fällen deshalb als ungeeignet, weil die meisten bisher untersuchten Organextrakte in mehr oder weniger ausgesprochener Weise auf alle diese Organe wirken. Durch ein solches methodisches Vorgehen kann über die spezifische Tätigkeit innersekretorisch funktionierender Organe nicht viel, wenn überhaupt etwas, ausgesagt werden. Und doch ist der Nachweis von spezifischen Wirkungen das erwünschte Ziel dieser Untersuchungen. Das Verfolgen des Blutbefundes auf eine Behandlung mit Extrakten bzw. Trockensubstanz von Corpora lutea dürfte als eine geeignete Methode in diesem Sinne betrachtet werden. Vorgehen bei den Versuchen. Kaninchen wurden durch Ader- laß anämisiert. Unter entsprechender Kontrolle von mit Corpora lutea behandelten und nicht behandelten Tieren wurde auf einen evtl. Einfluß der Behandlung auf die Erythropoese untersucht. Zu diesem Zwecke bestimmte ich bei den Tieren vor dem Aderlaß Hämoglobin nach Sahli und zählte die roten und weißen Blutkörperchen mit der Thoma- !) von Breuer und Seiller, Wien, klin, Wochenschr, 1903, 104 E. Rothlin: Über den Einfluß von Corpus luteum-Extrakt Zeissschen Zählkammer. Diese Untersuchung wurde dann während der Behandlung alle 2--3 Tage durchgeführt. Die verwendeten Produkte von Corp. lut. Die untersuchten Produkte waren teils Extrakte, teils Tockensubstanz von Corpora lutea von Rindern. Für die Herstellung des Extraktes wurden die Corp. lut. zerkleinert, mit angesäuertem Wasser heiß ausgezogen, das Filtrat von Eiweiß befreit und sterilisiert. Für die Herstellung der Trocken- substanz wurde folgendermaßen verfahren : Die zerkleinerten Corp. lut. wurden bei niedriger Temperatur getrocknet, sodann erst mit Aceton und nachher mit Äther ausgezogen. Der Acetonextrakt wird separat getrocknet und dem Rest der Corp. lut.-Substanz wieder zugesetzt und gut miteinander gemischt. Versuchsresultate. 1. Versuchsreihe, mit Corpus luteum-Extrakt. Tier A, weibl. Kaninchen, Tier B, weibl. Kaninchen. Es erhält unbeh. Kontrolltier. jeden 2. Tag lccm Extrakt subcutan Daten I Hei ner Ent |Weiße Blut- j Rap: Rote Blut- | Weiße Blut- Be Gehalt | körperehen | körperchen Gehalt körperchen | körperchen 1:8.: XT, | 75 | 5550 000 7500 74 5 680 000 3 000 IDG Aderlaß Aderlaß und Beginn der Behandlung 20. XII | 50 | 3600000 | 8300 52 3800000 | 10000 DAS RIL]E 55 4 200 000 12 000 58 4 800 000 ' 10 000 IS RE 60 | 4 500 000 10 000 68 5 800 000 \ 10 800 DATE 60 | 4 800 000 9 700 74 5 700 000 |. 15 500 GT. 65 | 5500 000 8 000 73 5400000 11500 Sl 65 | 4 800 000 9 300 18 5 500 000 3 200 21.1 | 72 | 5 600 000 6 500 75 5 800 000 7400 Il. Versuchsreihe, mit Corp. luteum-Extrakt. Es werden hier dieselben Tiere der I. Versuchsreihe verwendet, indem Tier A nun behandelt wird und Tier B als unbehandeltes Kontrolltier dient. Tier A, weibl. Kaninchen, erhält jeden Tier B, weibl. Kaninchen, 2. Tag 1 ccm Corp. lut.-Extrakt subcutan. unbehandeltes Kontrolltier. Daten ‚ Heb.- | Rote Blut- |Weiße Blut- Here I I; De Blut- ; I Weiße Be % | Gehalt | körperchen | körperchen Gehalt körperchen | körperchen 24. I. 72 . 5 600 000 | 6 500 18 5 800 000 7400 24. 1. Aderlaßu. Beginn d. Behandl. Aderlaß 24.1. 50 3 000 000 6 000 48 2 800 000 3 000 28. 60 | 3800000 10 600 57 3 600 000 ‚17.000 ST: 70 6400000 10300 64 5 000 000 8 700!) Aus diesen zwei ersten Versuchsreihen ersehen wir, daß nach dem Aderlaß die Vermehrung der roten Blutkörperchen und der Hämoglobin- !) Der Versuch wird hier aus äußeren Gründen abgebrochen, auf die Erythropoese bei künstlich anämisierten Kaninchen. 105 gehalt parallel verlaufen, der Färbeindex somit normal bleibt beim behandelten und nicht behandelten Tiere. Andererseits spricht das Ergebnis dieser Versuche für das Vorhandensein eines fördernden Ein- flusses des Corpus luteum-Extraktes auf die Erythropoese. Denn diese geht besonders in der ersten Versuchsreihe bei dem mit Corpus luteum- Extrakt behandelten Tiere rascher vor sich als bei dem unbehandelten Kontrolltiere. Dieses Resultat schien somit unsere theoretische Über- legung eher zu stützen. Um einen Schluß ziehen zu dürfen, habe ich weitere Versuche unternommen und dabei neben weiblichen auch männliche Kaninchen auf dieselbe Weise behandelt, um eine eventuell vorhandene Wirkung in ihrer Spezifität einzuschränken. III. Versuchsreihe, mit Corpus luteum-Extrakt. Tier ©, weibl. Kaninchen, es erhält jeden 2. Tag 1 ccm Corpus luteum- Extrakt subeutan. TierD, weibl. Kaninchen, unbehan- deltes Kontrolltier. Rote Blut- |Weiße Blut- Hegb.- Rote Blut- | Weiße Blut- | Heb.- Dun | Gehalt körperchen | körperchen Gehalt | körperchen | körperchen 11. II. | 85 | 6100000 ‚10.000 s0 | 5 500 000 3 800 12. III. | Aderlaß u. Beginn d. Behandl. Aderlaß 12. II. || 43 | 3400 000 s 000 44 3 100 000 9200 IKOSSEI 70 4600000 9600 65 4.000 000 9 800 ASST. 12 4 500 000 7200 72 4 S00 000 5 400 26. III. 78 6000000 6 000 78 5 300 000 6 900 31% EI: s2 | 5700 000 6 700 33 6 240 000 5 500 ISRVE | 35 | 6 320 000 7500 s0 6 000 000 9 000 17. Iv. | 87 | 7000000 | ss5oo | s5 6.200 000 9500 Die III. Versuchsreihe wurde hier abgebrochen und nach ca. 1 Monat dieselben Tiere © und D für einen gleichen Versuch nochmals vorgenommen. Diesmal wird aber Tier D mit Corpus luteum-Extrakt behandelt und Tier C als Kontrolltier verwendet. IV. Versuchsreihe, mit Corpus luteum-Extrakt. Tier €, weibl. Kaninchen, Tier D, weibl. Kaninchen, es erhält untehandeltes jeden 2. Tag 1 eem Corpus luteum- Kontrolltier. Extrakt subeutan. Ben N 5 Rote Blut- Weiße Blut- 2 or R De r Weiße Blut- Dun | Beet körperchen |körperchen Een TRNL | Blutkörperchen körperchen 23.V. | 82 6 500 000 10200 73 | 5 654 000 | 8 100 24.\V. Aderlaß Aderlaß und Beginn der Behandlung 26.V. || 57 | 3 940 000 7800 42 2 808 000 | 8300 30.V. | 64 , 5.000 000 7000 60 4 284 000 | 9 800 6. V1. 36 6 184 000 6.000 72 5 716 000 | 9700 IA NA s0 6 250 000 5000 76 5 383 000 72100 106 RB. Rothlin: Über den Einfluß von Corpus luteum-Extrakt V. Versuchsreihe, mit Corpus luteum-Extrakt. Tier E, männl. Kaninchen, es erhält Tier F, männl. Kaninchen, jeden 2. Tag 1 ccm Corpus luteum- unbehandeltes Extrakt subeutan. Kontrolltier. Rote Blut- Weiße Blut- Rote Weiße Blut- l a | Datum en körperchen | körperchen eo | Blutkörperchen | körperchen 12. LIE. | 32 5800 000 ı 9600 s0 5 500 000 | 8 000 12. III. | Aderlaß u. Beginn d. Behandl. Aderlaß 13 DEE | 38 ' 2.900 000 | 13 000 38 3 000 000 13 200 I 42 | 3 000 000 | 12.000 40 3 250 000 | 6 500 STE) 63 | 4 900 000 | 10000 60 4 240 000 | 6 500 26 II. | 64 | 4 800 000 | 10 300 63 | 4 600 000 | > 500 31 11. | 76 | 4 960 000 8900 67. | + 200 000 | 5 600 5. IV. | 78 | 5 700 000 8700 68 | 5 400 000 | 3 300 Am 11., 17. und 22. IV. wurden dieselben Zählungen vorgenommen, aber für beide Tiere trotz genauer Zählung (Doppelzählung) abweichende und unregel- mäßige Werte gefunden. Die Beobachtung der Tiere ergab, daß sich dieselben nicht vertrugen und Tier F dabei schwere Körperverletzungen davontrug. VI. Versuchsreihe, mit Corpus luteum-Extrakt. Tier G, männl. Kaninchen, es erhält Tier H, männl. Kaninchen, jeden 2. Tag 1 com Corpus luteum- unbehandeltes Extrakt subeutan. Kontrolltier. m rer .gen | Bote Biut- |weige Biut-Ä,, .., | Bote | Weiße Blut- Daum | Sen aueh | körperchen | körperchen aan Blutkörperchen körperchen — ———— Be 23..V. | = 75 | 5 600. 000 , 10 300 s0 6000 000 7.200 24. V. | Aderlaß u. Beginn d. Behandl. Aderlab 25. V. 45 3.060.000 | 10.000 52 | 3938 000 12 400 30. v. | 62 |assaooo | 2 00 | 5 4 300 000 9 700 Diese VI. Versuchsreihe mußte hier vorzeitig abgeschlossen werden, da das Tier G durch einen unglücklichen Zufall einging. Aus diesen Versuchsreihen III, IV,V und VI glaube ich entnehmen zu dürfen, daß ein offensichtlicher fördernder Einfluß auf die Erythro- poese nach künstlicher Anämie beim Kaninchen durch den unter- suchten Corpus luteum-Extrakt bei subeutaner Applikation nicht vor- liegt. Denn die Erholung tritt beim unbehandelten Kontrolltier bei beiden Geschlechtern ebenso rasch und ebenso vollständig ein wie beim behandelten Versuchstiere. Es war nun daran zu denken, daß evtl. bei der Herstellung des Extraktes das wirksame Prinzip gar nicht oder nur in ungenügender Menge gewonnen wurde, weshalb dieselben Versuche mit Trockensubstanz von Corpora lutea wiederholt werden sollten. auf die Erythropoese bei künstlich anämisierten Kaninchen. 107 VII Versuchsreihe, mit Trockensubstanz von Corpus luteum. Tier K, weihl. Kaninchen, es erhält 2 mal 0,5g von der Trockensub- stanz mit dem Futter gemischt. Tier I, weibl. Kaninchen, unkehan- deltes Kontrolltier irn Hgb.- | Rote Blut- Weiße Blut-J Heb.- | Rote Blut- | Weiße Blut- Gehalt | körperchen | körperchen Gehalt körperchen körperchen 30. VI. | 80 5 372 000 | 7500 30 5 748 000 | 107 000 SL, Vank Aderlaß Aderlaß und Beginn der Behandlung 1 VADITE 44 2060 000 | 20.000 AS 2596 000 | 1 100 6. VIII. | 59 3216 000 | 11900 b2e 2 288 000 | s 100 12. VII. | 68 4 600 000 | 7100 62 3 312 000 | 7000 Der Versuch erschien auf Grund der früheren Versuchsresultate etwas ver- dächtig, da eine Hemmung der Erythropoese durch die Trockensubstanz von Corpus luteum zu verzeichnen war. Es zeigte sich aber bei einer genaueren Unter- suchung des Tieres K, daß dasselbe schwanger war. Die Behandlung wurde dann abgebrochen und die Kontrolle des Blutbefundes nach 3 Wochen ergab noch keine vollständige Erholung der roten Blutkörperchen und des Hämoglobingehaltes. Dieses Resultat dürfte aber nicht im Sinne einer Hemmung der Erythropoese und Erhöhung des Färbeindex durch die Trockensubstanz von Corpus luteum sprechen, da in diesem Falle eine Komplikation vorlag und in den übrigen Ver- suchen ein solcher Effekt nicht konstatiert werden konnte. VIII. Versuchsreihe, mit Trockensubstanz von Corpus luteum. Tier L, weibl. Kaninchen, es erhält täglich 2 mal 0,5g Trockensubstanz von Corp. lut. mit dem Futter gemischt. Tier M, weibl. Kaninchen, unbehan- deltes Kontrolltier. | Heb.- | Rote Blut- |Weiße Blut-| Heb.- Rote Blut- Weiße Blut- Daun | Gehalt | körperchen |körperchenf Gehalt körperchen körperchen 30. IX. | 87 | 6176000 | 11.000 78 5083000 | 15500 1. X. Aderlaßu. Beginn.d. Behandl. Aderlaß DR. 49 3308 000 | 26 300 | 3 300 000 | 26000 DER; 61 4 416 000 11 500 59 3 820 000 | 14 300 DER 67 4 664 000 13 600 HS 4 392 000 | 12 500 1X N 73 + 904 000 9 600 Z 4 860 000 ‘10000 IX. Versuchsreihe, mit Trockensubstanz von Corpus luteum. Tier N, männl. Kaninchen, es erhält Tier O, männl. Kaninchen, unbehan- täglich 1g der Trockensubstanz. deltes Kontrolltier. Dein ge eo ae |Weiße Biut-]| Here oe an mer Gehalt | körperchen | körperchen Gehalt körperchen körperchen 30. VII. | 75 | 5 800 000 7500 90 6 224 000 7500 31. VII. |Aderlaß u. Beginnd. Behandl. Aderlaß 1. VIH. | 43 | 2988000 | 15300 53 3052000 | 10.000 Se NAUnE 62 | 4 752 000 6700 69 | ,3727 000 6 700 ls AADDE 80 | 5.000 000 6800 7 | 4 616 000 6 600 16. VIII. 86 | 5.293 000 | 9500 82 | 5 460 000 8 600 22. VII. 93 | 5708000 | 10300 Ole 5 940 000 7 700 108 E.Rothlin: Über d. Einfluß v. Corp. luteum-Extrakt auf die Erythropoese usw. X. Versuchsreihe, mit Trockensubstanz von Corpus luteum. Tier P, männl. Kaninchen, es erhält Tier @, männl. Kaninchen, täglich 2mal 1 g von der Trockensub- unbehandeltes stanz im Futter. Kontrolltier. FT Rokeibinn: were su. | Rote Weiße Blut- ae | EBEN: körperchen | körperchen | Heb:Geh: | Blutkörperchen körperchen 30.IX.| 90 |5952000 | 7000 I 86 | 5760000 | 9700 1.X | Aderlaß u. Beginn d. Behandl. | Aderlaß DER, 40 \ 3 084 000 | 14300 41 3 060 000 | 14 700 6X 65 4580000 6000 59 4 100 000 | 11 000 12.X. ziel | 5720000 6200 % 74 4 772 000 ' 10400 ER || s8 | 5832000 , 5000 4 15 | 4 750 000 | 14.000 Aus diesen Versuchsresultaten über den Einfluß von Extrakt bzw. Trockensubstanz von Corpus luteum auf die erythropoetischen Organe bei künstlich anämisierten Kaninchen können wir entnehmen: 1. Der untersuchte Extrakt von Corpus luteum, subcutan injiziert, hat auf die Erythropoese bei künstlich anämisierten Kaninchen weder einen fördernden noch hemmenden Einfluß, denn bald erholen sich behandeltes und unbehandeltes Tier gleichzeitig (III. Versuchsreihe), bald ist das behandelte gegenüber dem unbehandelten Tier im Vor- sprung (V. Versuchsreihe), bald umgekehrt (VI. Versuchsreihe). 2. Die Versuchsergebnisse bei Verabreichung von Corpus luteum in Trockensubstanz sind bei den weiblichen Tieren dieselben wie für den Extrakt (VII. Versuchsreihe), bei den männlichen Tieren scheint unter diesen Versuchsbedingungen eher ein günstiger Einfluß vorzuliegen (IX. und X. Versuchsreihe). 3. Eine Verschiebung des Färbeindex im Sinne einer Erhöhung bei den behandelten Tieren gegenüber den unbehandelten ist nicht zu konstatieren. Eine experimentelle Unterlage für die theoretische Überlegung über einen Zusammenhang von dem Einfluß des Corpus luteum auf die erythropoetischen Organe habe ich im Tierexperiment nicht nachweisen können. Dieses negative Resultat dürfte aber nicht genügen, einen solchen funktionellen Zusammenhang auszuschließen. Denn einerseits sind die Versuche mit Präparaten von Corp. lut. durchgeführt, über deren Gehalt an spezifisch wirksamen Stoffen kein Maß vorliest. An- dererseits sind, wie eingangs erwähnt, die Chlorose und die künstliche Anämie zwei ätiologisch sehr verschiedene Zustände und es wäre auch zu verstehen, wenn dieselben evtl. auf therapeutische Maßnahmen ver- schieden reagieren. ;® j De er Pflügers Archiv f. d. ges. Physiol. Bd. 193. J. Rieh. Ewald. Ernst Julius Richard Ewald, geb. in Berlin 14. II. 1855, als Sohn des Malers Arnold Ewald und dessen Ehefrau Auguste geb. Amelung aus Darmstadt. Besuchte das Friedrich Werdersche Gymnasium zu Berlin bis zum Abiturientenexamen Ostern 1875. Studierte Mathematik, Physik und Medizin in Heidelberg, Straßburg (hier Physikum 3. XI. 1877), Berlin, Leipzig und Straßburg, wo er im Wintersemester 1879/80 das medizinische Staats- examen absolvierte. Approbation 19. III. 1880; von da ab dauernd in Straß- burg. 1. IV. 1880 zweiter Assistent bei Goltz; 28. VI. 1880 Doktor med. (Dissertation Arbeit Nr. I des Verzeichnisses). 1. IV. 1882 erster Assistent. 8. IX. 1883 Habilitation mit Arbeit Nr. 5; Antrittsvorlesung 17. X. 1883: Über Muskelgeräusche. Verlobte sich 1883 mit Bertina Schiff, Tochter des Physiologen Moritz Schiff und heiratete am 15. IX. 1884. 1885 Ruf nach Santiago (Chile). 21. VIII. 1886 Professortitel und 1888 etatsmäßiger Extra- ordinarius. 1893 Ruf an die Harvard University (Cambridge). 1897 Anfrage nach Genf. 31. XII. 1900 Ordinarius in Straßburg. Gestorben am 22. VII. 1921. Ettmann und Piepmann hießen die beiden einzigen wirklichen Freunde seiner ersten Schuljahre. Sie kamen zwar nie, ihn besuchen; aber nur von ihnen sprach er zu Hause und erzählte die fabelhaftesten Dinge und mit ihnen hatte er auch eine Verabredung im Grunewald, als er eines Tages mit seiner Großmutter im Wagen da hinaus eine Spazierfahrt machte. Die kluge alte Dame ließ ihn ruhig in der Nähe der Rendezvousstelle aussteigen und den Wagen langsam weiterfahren ; aber. bald kam er weinend zurück, denn er hatte in dem unheimlich dunklen Wald weder Ettmann noch Piepmann gefunden. Seitdem war er von dieser Freundschaft so ziemlich kuriert, denn — Ettmann und Piepmann gab es gar nicht. Diese Neigung zu fabulieren, sich so in Phantasiegebilde einzu- ‚spinnen, daß er selbst an ihre Realität fest glaubte, wandte sich anderen Gegenständen zu; aber unter dem enttäuschenden Zwange der Wirk- lichkeit starb sie allmählich ab. Sonst wäre wohl aus ihm statt eines Gelehrten ein Geschichtenerzähler geworden. — Selbst die Nächst- stehenden konnten später kaum noch Reste des Phantasten der Kinder- zeit hinter dem nüchtern-kritischen Betrachter aller Dinge entdecken; aber Phantasie und Kombinationsgabe waren ihm geblieben und, wenn er gut aufgelegt war, konnte er bis ins Alter reizend ausgeschmückt und mit echtem Berliner Humor seine kleinen Geschichten erzählen. Ewalds Mutter starb als er selbst erst 4 Jahre alt war. So wuchs er mit seinen Geschwistern, dem späteren bekannten Kliniker Anton, der Schwester Johanna und dem schon mit 35 Jahren verstorbenen Pflügers Archiv f. d. ges. Physiol. Bd. 193. 83 110 Ä. Bethe: Historiker Paul unter der Aufsicht des Vaters auf. Und dieser Vater war ein eigentümlicher Mann. Von Hause aus war er Maler und zwar ein guter Maler, der viele vortreffliche Historienbilder, Porträts und anziehende Interieurs hinterlassen hat. Aber er war eigentlich auch alles andere, was ein gebildeter und vielseitig begabter Mensch sein kann: Schriftsteller, Musiker und Ästhet. Er komponierte reizende Lieder und lustige Walzer und schrieb eine Menge Arbeiten über Fragen der Kunst und Kunstgeschichte. Aber — seine Bilder hat er fast nie ausgestellt, seine Kompositionen wurden nur in dem großen Freundes- kreis von Künstlern und Gelehrten, die sich in seinem Hause ver- sammelten, zum Besten gegeben und die meisten seiner schriftstelle- rischen Arbeiten hat er nicht drucken lassen! *) Das Talent der bildnerischen Darstellung ist auf Kinder und Kindes- kinder übergegangen. Ewald selbst hat als Junge so hübsch in Öl gemalt, daß sein Vater bedauerte, daß er nicht Maler werden wollte. Später hat er leider von dieser Begabung fast keinen Gebrauch gemacht; nur die Kritik, die er an Bildern übte, und seine Entwürfe zu Ab- bildungen und Wandtafeln ließen noch den begabten Zeichner erkennen. Die physiologische Optik gehörte in der Vorlesung immer zu seinen Lieblingskapiteln und besonders der Theorie des plastischen Sehens hat er viel Interesse entgegengebracht, das auch in einigen leider wenig beachteten Arbeiten zum Ausdruck kommt. (Nr. 10a, 17, 60, 66). Seine vom Vater ererbte musikalische Begabung hat er praktisch wenig ausgeübt, aber in seiner starken Neigung zur Behandlung akustischer Fragen ist sie zum Ausdruck gekommen. Sein feines Gehör kam ihm dabei sehr zugute. Am ähnlichsten aber war er dem Vater in seiner Abneigung öffentlich hervorzutreten und zu publizieren. Er experimen- tierte mit Leidenschaft, das Schreiben war ihm eine Qual, aber das Unangenehmste, die Manuskripte in die Welt hinauszulassen. Zwar hat er eine ganze Anzahl von Arbeiten veröffentlicht, aber viele davon doch erst auf Drängen anderer. In seinem literarischen Nachlaß, der mir bisher erst zu einem Teil zugänglich war, finden sich eine ganze: Menge druckfertiger, aber nie veröffentlichter Manuskripte, von den ersten Arbeitsjahren bis in die neueste Zeit reichend, daneben ebenso- viele halbfertige Arbeiten und eine Menge Bruchstücke und Entwürfe! — Auch eine starke Liebe zu den deutschen Klassikern hatte er aus dem Vaterhause mitgenommen. Besonders liebte er Schillers philo- sophische Gedichte; sie und den Faust konnte er ganz auswendig. Wenn er abgespannt oder mißmutig war, so griff er nach einem Band *) Von den vielen ungedruckten Manuskripten, die sich in seinem Nachlaß vorfanden, hat sein Sohn Richard einige anregende Studien „Beiträge zur Kultur- geschichte der Farben“ nach dem Tode des Vaters herausgegeben: Preußische ‚Jahrbücher 118. J. R. Ewald. 111 Goethe oder Schiller, und irgendein kleiner Band ihrer Werke begleitete ihn auf jeder Reise. Noch in seiner letzten, schweren Krankheitszeit hat er Trost vor drückenden Sorgen in ihnen gefunden, indem er im Bett lange Stellen aus ihnen leise vor sich hinsagte. War Ewald auch in seinen ersten Kinderjahren etwas einsied- lerisch veranlagt, so hat sich das später doch ganz verloren und er hatte seine richtigen Jugendfreundschaften. Besonders zwei Freunde der Schulzeit haben ihm durchs ganze Leben nahe gestanden: Der verstorbene Berliner Dermatologe Edmund Lesser und der Physiologe und Ophthalmologe Claude du Bois-Reymond, der an der Schang- haier Medizinschule tätig war und jetzt in Potsdam lebt. Wie so viele Jungens hat er früh angefangen zu basteln und aller- hand Apparate zu bauen und zu erfinden. Unterstützt von einem Onkel, der ihm einen sehr eleganten, kleinen Handwerkskasten ‚The Gentlemans toolcase‘“ schenkte, den er noch bis in die letzten Jahre bei seinen Arbeiten mitbenutzte, bildete er schon in jungen Jahren eine geradezu beneidenswerte Geschicklichkeit aus, ohne die er seine suptilen Operationen nie hätte ausführen können. So machte er galvano- plastische Abdrücke, was damals noch nicht so einfach war wie heute, baute mit seinem Freunde Claude einen Elektromotor und natürlich auch ein Perpetuum mobile und stellte mit ihm zusammen als Sekundaner die ersten physiologischen Experimente an. Später hat er den Bau größerer Apparate, die er meist bis in die Einzelheiten selbst entwarf, dem Mechaniker überlassen; aber seine feinsten Apparate und Instrumente machte er auch später selbst, oder gab ihnen wenigstens den letzten Schliff, gewöhnlich unter der Westinschen Lupe, ohne die er über- haupt nicht sein konnte. Dabei erfand er sich immer selbst die Technik, um diese kleinsten Dinge herzustellen. Einmal schickte er vor einer Reihe von Jahren einen kleinen, selbstgefertigten Rundkolben von etwa 2 mm Durchmesser an einen sehr geschickten Thüringer Glas- bläser zur Herstellung einer größeren Zahl. Der antwortete, das wolle er gern tun, aber er möchte ihm erst schreiben, wie man denn so kleine Dinger überhaupt blasen könnte. Überall sah er technische Probleme, die der Lösung harrten, nicht nur in der Wissenschaft, sondern in Küche und Keller, in Landwirt- schaft und Industrie. Und sie nahmen ihn so lange gefangen, bis er eine Lösung hatte, — und die war meist einfach und gut. Außer den zahlreichen veröffentlichten, physiologischen und physikalischen Ap- paraten befinden sich eine Menge anderer wertvoller Konstruktionen als unica im Straßburger Institut, und überall im Institut und in seinem eigenen Hause begegnete man allerhand von ihm erfundener Ein- richtungen, die nützlich und angenehm waren. In seinen Notizen finden sich noch ungezählte Entwürfe neuer Konstruktionen auf eigentlich 8* 112 A. Bethe: allen Gebieten des Lebens, vom Hausgerät und Spielzeug bis zum Luftschiff und Flugapparat. Aber es ist purer Unsinn, wenn manche seiner wissenschaftlichen Altersgenossen behaupteten, er konstruierte Apparate, nur um der Apparate willen und wüßte nachher nichts damit anzufangen. Alle seine physiologischen Apparate sind aus einer An- wendungsidee geboren; aber bei der erstaunlichen Vielheit ist es kein Wunder, daß die Ausnutzung mit der Konstruktion nicht Schritt halten konnte. — Seine Freude an Geschicklichkeiten war außergewöhnlich und er mußte alles versuchen, was andere fertig brachten. Er konnte eine Menge Taschenspielerkunststücke und Spiritistentricks (so z. B. das Geisterklopfen durch Überspringenlassen einer Sehne am Hand- gelenk). Auch im Jonglieren, das er einem Zirkusartisten absah, hatte er viel Übung und besonders im Bumerangwerfen erreichte er fast die Geschicklichkeit des Australnegers. Den ‚„Diavolo“ und die Kunst mit ihm zu spielen hat er neu erfunden, längst ehe er wieder in Mode kam. Das Basteln hat ihm als Junge viel Zeit gekostet und so geschah es, daß die Schule dabei etwas zu kurz kam. Er hatte auch wenig Interesse für Lateinisch und Griechisch und sagte später gern: „Wenn man wenigstens Löten auf der Schule gelernt hätte!“ Da er außer- dem oft kränklich war und lange die Schule versäumen mußte, so machte er erst mit 20 Jahren sein Abitur und auch nicht gerade glänzend. Mit Hinblick auf seine spätere Entwicklung ein gewisser Trost für manche Eltern. Als er auf die Universität kam, wußte er noch nicht recht, wo es mit ihm hinwollte; so studierte er abwechselnd Mathematik, Medizin und Physik, um schließlich doch bei der Medizin hängen zu bleiben, wohl nicht unbeeinflußt durch E. du Bois-Reymond, zu dessen Hause er verwandtschaftliche und freundschaftliche Beziehungen hatte, und durch Goltz, mit dem er schon im 4. Semester in Verbindung trat. In der Studentenzeit hat er tüchtig gearbeitet, weniger, was zu den Examina nötig war — die machte er so nebenher und ohne besondere Auszeichnung*) — als was ihn gerade interessierte. Daneben hat er sein Leben ordentlich genossen, auch noch später in der Assisten- tenzeit. Kobert, v. Mehring, Hans Horst Meyer und der Kilima- Ndjaro-Meyer, zeitweise auch Ludwig Edinger gehörten seinem Straßburger Freundes- und Bekanntenkreise an. Damals besaß Ewald seinen berühmten Hund Keck, der die Türen nicht nur auf sondern auch wieder zumachte und der, wenn er übertags seinen Herrn verloren hatte, nachts geduldig an der Straßenkreuzung wartete, wo die Heimwege der *) Schmerzlich war ihm dabei nur, daß ihm Goltz nur eine 3 gab — ganz charakteristisch für Goltz, der immer Angst hatte, seine Spezialschüler zu bevor- zugen und so ihnen gegenüber zu einer allzu großen Strenge neigste, J. R. Ewald. 113 drei Stammkneipen zusammentrafen. Wie Goltz war auch Ewald ein ausgemachter Hundefreund. Beide liebten ihre Hunde — Bob und Lotzi hießen sie zur Zeit als ich nach Straßburg kam — zärtlich und sie verstanden die Seele des Hundes so gut, wie das überhaupt einem Menschen möglich ist*). Ihrem Privathund etwas anzutun wäre ihnen undenkbar gewesen; aber doch blieb ihnen der Hund immer Hund! Aus seiner Junggesellenzeit hat Ewald ein warmes Herz für die Jugend in sein weiteres Leben hinübergerettet. Er verstand eigentlich alles, was man später, wenn die Zähne wackelig werden, so gern als Jugendtorheit zu bezeichnen beliebt. Er verstand es nicht nur, sondern er konnte es auch neidlos mitfühlen. Ohne weise Ermahnungen, von denen er doch wußte, daß sie nur bis zum nächsten Mal vorhalten, konnte er jungen Leuten ratend helfen, allzu verworrene Fäden zu entwirren. Wie wenige gibt es, gerade auch unter den Lehrern, die später nicht vergessen, daß die Jugend andere Gesetze hat, als Natur und Herkommen den reiferen Jahren auferlegen. In alles konnte er sich hineinversetzen, in die Seele der Tiere wie in die Seele der Kinder, mit denen er reizend umzugehen verstand, und in die der Erwachsenen. Nur für Roheiten und Gewalttätigkeiten konnte er kein Verständnis aufbringen; unnütze Tierquälereien, Prügelszenen und Mensuren waren ihm gleich zuwider, und auch dem Krieg konnte er keine schöne Seite abgewinnen. Selbst Streit in Worten, Schelten und heftiges Anfahren haßte er und erschienen ihm zwecklos und unnötig. Ich selber habe ihn in den 16 Jahren, wo wir fast täglich zusammen waren, nicht einmal außer sich geraten sehen und weder im Institut noch in seiner Familie einen Streit an ihm erlebt. Er war durch lange Selbsterziehung zu einer vorbildlichen Beherrschung seines Gemütes gekommen und jede Laune schien ihm fremd, wenigstens äußerlich. Natürlich, auch ihm konnte etwas gegen den Strich gehen; aber dann preßte er mit etwas vor- seschobenem Unterkiefer die Zähne aufeinander, steckte die Hände in die Hosentaschen und guckte ein paar Minuten aus dem Fenster, bis er es geschluckt hatte. Hatte er an einem etwas auszusetzen, was natür- lich auch gelegentlich vorkam, dann sagte er es erst nach einiger Zeit in größter Ruhe und meist mit einem Anflug von Humor; oder er sprach sich einem anderen gegenüber aus, in der richtigen Voraussetzung, daß es einem schon wieder zu Ohren kommen würde. Vielleicht sind die Erfahrungen, die er selbst unter Goltz gemacht hatte mit von Einfluß *) Bob, eine gelbe Bulldogge, war bei den Studenten sehr gefürchtet, weil sie meinten, nicht Goltz, sondern er bestimmte die Zensuren. Sie suchten sich daher vor dem Examen gut mit ihm zu stellen. Als ich Goltz einmal danach fragte, sagte er: „„Das ist nicht ganz richtig. Aber ich sehe Bob an, wenn die Kan- didaten Platz nehmen; er riecht ganz genau, wer Angst hat und nichts kann, und das stimmt fast immer.‘ 114 A. Bethe: gewesen. Der konnte, obwohl er im Grunde ein gütiger und herzens- warmer Mensch war, bei einer ganz geringen Kleinigkeit — besonders beim Operieren und vor der Vorlesung — losbullern, daß der Neuling das Zittern in die Beine kriegte. Aber diese Aufwallungen blieben sehr bald ohne jeden Eindruck auf die Umgebung, und Ewald kam mit seiner Ruhe, besonders bei den beiden Typen von Institutsdienern, dem dicken, gemütlichen Schmidt und dem hünenhaften und viel- seitigen Schulze, sehr viel weiter. Man darf aber nicht etwa meinen, Ewald hätte ein zaghaftes und limonadenhaftes Wesen an sich gehabt oder hätte alles in jener an- genommenen Würde erstickt, die meist ein Zeichen von Humorlosigkeit und innerer Leere ist. Im Gegenteil: Als junger Mann konnte er Rüpe- leien von Knoten schnell und scharf begegnen und Gefahren ging er nicht aus dem Wege. Mit Claude du Bois hat er Tag und Nacht in zwei Paddelbooten auf den Havelseen gelegen. Bissige Hunde gefügig zu machen, war ihm eine Art Sport, und noch Ende der neunziger Jahre ließen er und seine Frau ihr Rad bei den steilsten und unübersicht- lichsten Bergabfahrten frei laufen, wenn die Jüngeren vorsichtig die Füße auf den Pedalen ließen und die Bremse ausgiebig handhabten. — Im Gespräch konnte er sehr lebhaft werden und die unterhaltendsten Diskussionen führen. Ja er konnte im kleinen, vertrauten Kreis sich geradezu kindlich amüsieren und sogar motorisch ganz ausgelassen werden. Als echter Berliner liebte er es, sich über Menschen und Dinge zu mokieren und machte dabei auch vor den höchsten Staats- gewalten nicht Halt. Und ganz besondere Freude machte es ihm, jemanden ein bißchen aufzuziehen und vor allem würdevolle, steife Leute mit irgendeiner ganz ernsthaft vorgebrachten aber lächerlichen Frage oder einer abstrusen Behauptung in Verlegenheit zu setzen. War der Effekt erzielt, dann war er liebenswürdig genug, durch einen Witz die peinlich werdende Situation zu retten. Nach alledem kann man sich denken, daß Ewald ein angenehmer Chef war. Wie Goltz ging er von der Ansicht aus, daß Assistenten vor allem Gelegenheit haben sollten, eigene Arbeiten zu machen. Des- halb belasteten sie einen auch so wenig wie möglich mit Instituts- geschäften. Ja sie bekümmerten sich fast zu wenig um Assistenten und ältere Praktikanten und ließen sie möglichst selbständig werden, außer wenn sie an dem Thema ein großes Interesse hatten. Vielleicht war bei beiden etwas Bequemlichkeit dabei — sie wollten bei ihren eigenen Arbeiten möglichst wenig gestört werden —, aber es war auch Grund- satz. Wollte man etwas von ihnen, dann waren sie stets zu haben; aber sie kamen nicht von selbst. Sie nahmen einen nicht als Schüler, sondern man mußte sie als Lehrer zu sich heranholen. Das mag mit ein Grund sein, daß weder Goltz noch Ewald so recht Schule gemacht J. R. Ewald. 115 haben, obwohl beide eine ausgesprochene und leider seltener werdende Richtung in der Physiologie vertraten. Den Direktor hat Ewald nur sehr selten hervorgekehrt; im wesent- lichen war er älterer, wohlwollender Kollege. Nur zur Zeit, als er eine Art Abteilungsvorsteher war, ‚„direkterte‘‘ es ihn bisweilen. So schloß er mir mal in den Ferien, nachdem sie schön neu aufgeräumt war, vor seiner Abreise die Sammlung zu, damit ich sie nicht wieder in Un- ordnung bringen könnte. Da der biedere Schulze aber wußte, wo er den Schlüssel hingetan, so fand er sich darein, sie nach seiner Rückkehr wieder offen zu finden. Später kehrte er als wirklicher Direktor diese Eigenschaft auch den jüngeren Herren gegenüber, die mich in der zweiten Assistentenstelle ablösten, nicht hervor, höchstens wenn jemand eine Liebenswürdigkeit, die Ewald ihm zugedacht, nicht gleich an- nehmen wollte. Bei solchen und manchen anderen Gelegenheiten konnte er dann eine sehr wichtige Miene aufsetzen, die aber zu seinem so gut- mütigen Gesicht nie recht passen wollte. Als Lehrer trug Ewald im Kolleg fließend, aber rein sachlich und sehr ruhig, manchmal fast monoton vor. Selten daß er einen Witz machte oder wirklich lebhaft wurde. Ganz im Gegensatz zu Goltz, der selbst noch in den letzten Jahren seine Vorlesungen mit kleinen Anektoden würzte und gegenteilige Meinungen mit einer fabelhaften, impulsiven Lebhaftigkeit und beißendem Spott bekämpfte. — Die Experimente mußten klappen. Gelang etwas nicht, so nahm Ewald vor den Studenten den Assistenten immer in nettester Weise in Schutz und schob die Schuld auf das Präparat, auch wenn er sah, daß in Wirk- lichkeit der Assistent einen Bock gemacht hatte. Es wurde nicht einmal der so vielen Chefs eigentümliche schräge Seitenblick auf einen abgeschossen, den die Studenten doch immer mit auffangen. (Zur Nachahmung zu empfehlen.) Aber am nächsten Tage mußte der Ver- such gehen; dafür sorgte er schon selber. Ausgezeichnet waren seine kurzen physikalischen Einleitungen zu den einzelnen Kapiteln, in denen er die wichtigsten Grundlagen noch einmal ins Gedächtnis zurückrief. Von den neuesten Erscheinungen der Literatur sprach er fast nie; die Sachen müßten schon ‚‚ein paar Jahre wahr sein“. Mit den Resultaten seiner eigenen Forschungen machte er es gerade so und brachte die Dinge meist so vor, wie siein den Lehrbüchern zu finden waren, selbst wenn er ganz anderer Ansicht war. So trug er noch die Helmholtzsche Hörtheorie allein vor, als er schon längst seine eigene veröffentlicht hatte. Brachte er etwas über seine eigenen Untersuchungen, so nannte er sich fast nie als Autor. Sagte er „man kann die Sache auch so auffassen, ....‘‘ oder „man hat auch Versuche der Art gemacht...‘, dann war der ‚man‘ er selbst. Es war ihm unangenehm und peinlich von sich selbst zu sprechen. Bei 116 A. Bethe: Vorträgen über seine eigenen Untersuchungen in Vereinen und bei den wenigen Gelegenheiten, wo er Kongresse besuchte, war das nicht gut zu vermeiden. Hier konnte er mit großer Sicherheit und einem natürlich erscheinenden Selbstbewußtsein auftreten, das zu zeigen ihm aber große Überwindung kostete und das wie bei vielen, die selbst- bewußt erscheinen, ein Deckmantel innerer Befangenheit war. In die Art seines wissenschaftlichen Arbeitens war nicht leicht ein Einblick zu gewinnen, da er außer bei größeren Operationen meist allein oder nur mit einem der beiden Diener arbeitete. Nur wenn er etwas besonders Schönes hatte, rief’er einen mal herbei. Ich habe aber doch den Eindruck gewonnen, besonders auch aus seinen Aufzeich- nungen, daß seine Art zu arbeiten mehr die eines Künstlers war, intuitiv, sprunghaft, periodenweise, als die des emsigen, pedantischen Wissen- schaftlers, der nach einem wohlerwogenen Plan einen Versuch dem anderen folgen läßt, — eine Arbeitsweise, die überhaupt wohl seltener ist, als man gewöhnlich glaubt. Er war dabei von einer fabelhaften Geduld. Mit halb gelungenen Versuchen gab er sich nicht zufrieden. War er einmal an etwas dran, dann fand er schwer das Ende, und zeitweise telephonierte er täglich nach Hause, daß er zu spät zum Essen käme. Ebenso schwer wie von der Institutsarbeit trennte er sich von irgend etwas, was er zu Hause angefangen hatte und die Hälfte der Male, wo er jemand auf den Nachmittag ins Institut bestellt hatte, sagte er telephonisch ab. Zeiten fieberhafter Laboratoriumstätigkeit wechselten mit Tagen, wo er sich gern bei der Arbeit stören ließ und wo er einen stundenlang bei irgendeinem Gespräch festhalten konnte. Oft ließ er plötzlich für Tage und Wochen eine Arbeit liegen, an der er emsig geschafft hatte, um irgend etwas ganz abgelegenes, vielleicht nicht mal wichtiges mit derselben Beharrlichkeit durchzuarbeiten. Famos war die Art, wie er operierte, nicht nur bei seinen kleinen, subtilen Operationen am Labyrinth, sondern auch bei den makro- skopischen Operationen am Großhirn, Kleinhirn und Rückenmark. Mit einer unerschütterlichen Ruhe und Geduld brachte er auch die schwierigsten Aufgaben zu Ende*). Unermüdlich war er auch in der Pflege und Behandlung der Tiere nach der Operation, und größer, als wohl bekannt ist, war Ewalds Anteil an der Operationsmethodik und postoperativen Behandlung der Goltzschen Großhirnhunde. — Goltz war kühn in seinen Versuchsplänen, erstaunlich gut in der Art der Tierbeobachtung und der Fähigkeit, auch die kleinsten Zeichen zu beachten und zu deuten, aber für feinere Technik hatte er wenig Ver- *) Vieles ist auch hier nicht veröffentlicht worden, so z. B. eine Reihe von Versuchen, bei denen er das Rückenmark auf eine lange Strecke hin genau in der Mittellinie gespalten hatte und andere, bei denen über mehrere Segmente isoliert die Hinter- bzw. Seitenstränge exstirpiert waren. J. R. Ewald. [Hle7. ständnis und er hatte im Operieren mehr Routine als Geschicklichkeit. Von einmal als geeignet befundenen Verfahren ließ Goltz sich nicht leicht abbringen und, als ich einmal ganz schüchtern von Asepsis sprach, sagte er: —,,Das haben wir auch schon probiert; aber lieber Herr Kollege, — es eitert doch.‘“ In der Kunst zu beobachten war Goltz allen über, die ich kenne; aber Ewald kam ihm darin am nächsten. Hier war Goltz’ Einfluß unverkennbar. Schon die Art wie Ewald „mit den Hunden sprach“ war Goltzsche Manier. Aber Ewald hat es verstanden, die Goltzsche, mehr instinktive Art der Beobachtung zur Methodik auszubilden und sie durch Hinzunahme einer Menge technischer Hilfsmittel zu ergänzen. Im übrigen war Ewalds ganze Art zu denken und zu arbeiten von der seines Lehrers grundverschieden. Goltz war rein biologisch ein- gestellt, während Ewald in seinen Problemstellungen zunächst ganz nach der physikalischen Richtung im Sinne E. du Bois-Reymonds und L. Hermanns neigte. Erst durch Goltz und z. T. durch seinen Schwiegervater Schiff hat Ewald biologische Betrachtungsweisen hinzugenommen und gerade in dieser Kombination zweier grund- verschiedener Auffassungen der physiologischen Vorgänge liest seine Stärke. Um so bedauernswerter, daß er so wenig Schule gemacht hat. Wir stehen jetzt wieder in Deutschland vorwiegend in einer Periode der Übertragung rein physikalischer und chemischer Vorstellungen in die Physiologie und ihrer Auswertung nach der quantitativen Seite hin und überlassen es allzu sehr Zoologen und Psychologen, die bio- logische und qualitative Seite zu pflegen. Ewalds erste Arbeitsperiode läßt von Goltzschem Einfluß nicht viel erkennen. Es spricht für beide: Goltz ließ jeden seiner Schüler arbeiten, was er mochte; Ewald wollte seine eigenen Wege gehen. Die Arbeiten dieser Zeit beziehen sich auf Gebiete, denen Goltz nie ein besonderes Interesse entgegengebracht, wenn er diese Arbeiten auch z. T. angeregt hat: Atemdruck, Hämodynamik *), Durchlässigkeit der Lunge, Funktion der Thyreoidea **), technische Hilfsmittel usw. sind die Themata. *) Sehr amüsant ist sein Apparat (Arbeit 4 und 10b), um rein mechanisch durch eine Art von Walzwerk, das auf die Carotis aufgesetzt wird, den Blutdruck sehr beträchtlich zu erhöhen. Bei der Anwendung des Apparates tritt eine un- gewollte Nebenwirkung auf: Eine weitgehende Zertrümmerung der roten Blut- körperchen, die zu einer starken, vorübergehenden Hämoglobinämie führt. Ge- nauere Versuche, die hierüber später von Embden ausgeführt wurden, sind nicht veröffentlicht. — In der Arbeit 12 zeigte er, entgegen anders lautenden Angaben, daß der Skelettmuskel bei der Kontraktion sein Gesamtvolum (seine Dichte) nicht nachweisbar ändert. **) E. gehört zu den ersten, die in größerem Maßstab die Schilddrüse bei ver- verschiedenen Tieren (Hunden, Kaninchen, Tauben [22] und Fröschen) exstirpiert haben. Hunde starben nach Exstirpation des zweiten Lappens, auch wenn zwischen 118 A. Bethe: In der zweiten Periode seines Arbeitens rücken Probleme in den Vordergrund, deren Bearbeitung Goltz mit genialem Griff, aber etwas brüsker Arbeitsmethodik wieder angeregt hatte: Die Bedeutung der halbzirkelförmigen Kanäle und der Otolithenapparate (13, 19, 23, 24, 26, 27, 38). Hier hat Ewalds erstaunliche Technik und sinnreiche Versuchsanordnung vereint mit einer feinen Beobachtung die ersten sroßen Triumphe erlebt. Was Goltz geahnt, was Mach und Breuer theoretisch verständlich gemacht, das hat Ewald zuerst einwandfrei bewiesen und eine ganz neue Idee, die des Tonuslabyrinths, mit den bisherigen Vorstellungen verwoben. Es ist vielleicht charakteristisch, daß diese Arbeiten im Ausland viel früher und größere Anerkennung fanden als bei uns. Schon im Jahre 1892 erteilte ihm die Pariser Akademie der Wissenschaften für diese Arbeiten ‚Une mention tres honorable‘“ und Mach selber nannte den ‚Nervus octavus“ (27) ein grundlegendes Werk. — Schon frühzeitig hatte Ewald erkannt, daß die Erforschung der Labyrinthstörungen eine große Bedeutung für die Pathologie besitzen müßten. Mehrmals gab er privatim an Ohrenärzte Anregungen zur Untersuchung dieser Fragen und wies ihnen die methodischen Wege — aber vergeblich. Erst sehr viel später hat dann Baräny die klini- schen Konsequenzen aus den Theorien und Versuchen von Mach, Breuer und Ewald gezogen. Alle drei haben es mit ansehen müssen, daß der goldene Ehrenkranz allein dem Praktiker zu teil wurde. In diese Zeit fällt auch die wichtige Arbeit mit Goltz über den Hund mit verkürztem Rückenmark (Nr. 39) und eigene und Schüler- arbeiten über das Zusammenwirken des Labyrinths mit dem Großhirn (37, 44, 45, 47), Kleinhirn und den hinteren Wurzeln (46), die auch nur zum Teil veröffentlicht sind. Die Lehre von den Ersatzerscheinungen ist durch diese Arbeiten sehr wesentlich geklärt worden: Bei Tieren mit unausgebildetem Großhirn (Frosch) bleiben die Folgen der Labyrinth- exstirpation zeitlebens erhalten. Je stärker das Großhirn ausgebildet ist, um so mehr und um so schneller werden die turbulenten Folge- erscheinungen ausgeglichen. Sie kehren wieder, wenn das ganze Groß- hirn (Taube) bzw. die exzitablen Zonen (Hund und Katze) fortgenommen werden. Das Auge spielt bei der Ausbildung der Ersatzerscheinungen eine hervorragende Rolle. In das Ende dieser Periode seines Schaffens, in der die Koordination der Bewegungen in ihren zentralen und peripheren Ursachen Gegen- stand der Untersuchung war, fällt eine Reihe von Versuchen, die ich zu den wichtigsten rechne, die Ewald angestellt hat: Die Reizung des beiden Operationen mehr als 50 Tage lagen. Tauben ertrugen dagegen die Ent- fernung der Drüse sehr gut. Er war wohl der erste, der an ganz jungen Hunden und an Kropfhunden Versuche angestellt hat (21) und die Einspritzung von Drüsenextrakten probierte (11). J. R. Ewald. 119 Großhirns am ungefesselten und ganz freibeweglichen Hunde. Er hat sie trotz meines wiederholten Bittens und Drängens nie ausführlich veröffentlicht. Nur in zwei Vorträgen von wenigen Seiten (47 und 48) ist von ihnen die Rede. Ewald konnte bei dieser Art der Reizung fast von allen Stellen des Großhirns motorische Effekte erzielen; was aber die Hauptsache ist, das Tier merkt offenbar von der Erregung gar- nichts. Die Reizreaktionen sind einfach in die Reihe der normalen Bewegungen eingeschaltet, ohne daß das Tier sich irgendwie um die- selben kümmert. (Später ist dies wiederholt am Menschen bestätigt. Ich selber habe mich in gemeinsamen Versuchen mit Prof. Anschütz in Kiel und später wiederholt während des Krieges beim Verband- wechseln davon überzeugen können, daß der nichtnarkotisierte Mensch bei der Erregung der motorischen Zonen die Bewegungen vollkommen zwangsmäßig und unbewußt ausführt. Er kann sie nicht mit dem Willen unterdrücken und merkt erst post hoc z. B. durch die Beobach- tung mit dem Auge, daß er überhaupt eine Bewegung ausgeführt hat.) Ebenso wichtig ist die andere Feststellung: Während der Reizung eines „‚sensorischen Gebietes‘ ist dasselbe sozusagen ganz ausgeschaltet. Der Hund wird z. B. während der Reizung der Sehsphäre hemianopisch und reagiert während der Reizung einer Fühlsphäre nicht auf Berührun- gen der entsprechenden Körperstelle! — Eine unter Ewalds Leitung mit derselben Methode ausgeführte Arbeit von Baer (ll, 22) behandelt nur die motorischen Effekte von Stellen außerhalb der Zentralwindung und die gegenseitige Beeinflussung zweier Großhirnstellen. In dieselbe Zeit fällt auch seine Kontroverse mit L. Hermann und O. Fischer, ob der Fuß als einarmiger oder zweiarmiger Hebel anzusehen ist (35, 40) und sein Streit mit Bernstein über das „Hören“ labyrinthloser Tauben (25, 36), in dem ihm Wundt sekundierte. Daß solche Tauben auch bei Anwendung aller Vorsichtsmaßregeln noch auf Schall reagieren, kann nach dem, was ich selbst mit angesehen habe, gar keinem Zweifel unterliegen. Nur über die Deutung können die Ansichten auseinandergehen. — Im Zusammenhang mit seinen Labyrintharbeiten hatte Ewald auch das Problem des Heimfindens der Brieftauben aufgenommen und viele Versuche dazu angestellt. Nur über einen Teil derselben hat er kurz berichtet (54); über andere liegt ein fast druckfertiges Manuskript vor. In diesem sind aber gerade die wichtigsten Versuche, welche zeigen, daß beiderseits an den hori- zontalen Kanälen plombierte Tauben nicht nach Hause finden, noch nicht enthalten. Schon als ich 1896 nach Straßburg kam, beschäftigte sich Ewald viel mit der Frage, wie gehört wird. Er hatte bereits mit den ersten Versuchen begonnen und sah auch schon den Weg, wo er hinaus wollte. Die ganzen letzten 20 Jahre hat er sich fast ausschließlich diesem | 20 A. Bethe: Problem gewidmet und er ist über der Ausarbeitung der vielen Spezial- fragen, deren Bearbeitung diese dritte Periode ausfüllen, gestorben. Nur in den Grundmauern hat er uns den Bau seiner neuen Hörtheorie hinterlassen (50, 51, 53, 57, 64, 73, 75, 78). Andere müssen versuchen, das Gebäude unter Dach zu bringen. — Seit Ewald gezeigt hat, daß die bloßgelegte Membrana basilaris des Meerschweinchens nicht an einer Stelle schwingt, wie die klassische Theorie Helmholtz’s es verlangt, sondern als ganzes 75, 78a), seitdem sollte diese einfache und so einleuch- tende Vorstellung der abgestimmten Resonatoren eigentlich erledigt sein. Wenn man sie jetzt bei Lichte besieht, so muß man sagen, sie war nicht biologisch gedacht, denn sie rechnet weder mit der Inkonstanz lebender Gewebe noch damit, daß das, was wir Elemente der Emp- findung nennen, künstliche Abstraktionen sind und gar nicht mit den wirklichen Elementarempfindungen übereinstimmt. Er ahnte hier schon lange etwas voraus, was erst jetzt anfängt in der Psychologie an Boden zu gewinnen. Wenn man von den Ewaldschen Vorstellungen über den primären Vorgang der Schallrezeption als der räumlichen Darstellung eines Schallbildes im inneren Ohr gesagt hat, sie seien eigentlich keine Theorie, weil ihnen die mathematische Formulierung fehle, so beeinträchtigt das den Wert seiner Untersuchungen wirklich nicht im geringsten. Das Verlangen, nach der mathematischen Ableitung ist hier sicher sehr berechtigt; aber verdient ein Vorstellungskreis wirklich erst den stolzen Namen ‚Theorie‘, wenn er eine mathematische Unterlage erhält? Dann ist die Young-Helmholtzsche Dreifarbentheorie auch keine Theorie und vieles andere, was so genannt wird, erst recht nicht. Es ist bezeichnend dafür, wie sehr die Physiologie noch in einem Vasallen- verhältnis zur Physik steht, daß man immer nach Mathematik schreit; genau wie es auch in der Psychologie war, die schneller diesen Tick scheinbarer Exaktheit überwinden zu wollen scheint und wieder der Phänomenologie einen breiteren und berechtigten Raum zubillist. Biologische Dinge bleiben immer nur bis zu einem gewissen Grade formelmäßig ausdrückbar. Auch da, wo dies möglich ist, kann der srößere Fortschritt — wie selbst manchmal in der Chemie und Physik — in der qualitativen Beschreibung und Erkennung der ursächlichen Zusammenhänge als in der quantitativen Ableitung und Auswertung liegen. Ich zweifle nicht, daß man immer mehr zu der Einsicht kommen wird, daß die Ewaldschen Vorstellungen einen gewaltigen Fortschritt auf dem Gebiete der Akustik bedeuten *). *) Auch in diesem letzten Arbeitsabschnitt ist Ewald wiederholt auf Probleme zurückgekommen, die ihn früher stark beschäftigt hatten; so finden sich unter den veröffentlichten Arbeiten zwei kleine Beiträge zur Hämodynamik (58 und 71) und mehrere Aufsätze über Polsterpfeifen (74 und 78b) und Zungenpfeifen (77), J. R.: Ewald. 124 Trotz so vieler hervorragender Publikationen hat Ewald lange auf Anerkennung und Amt warten müssen. Noch Ende der neunziger Jahre war die Meinung unter den deutschen Physiologen recht verbreitet, Ewald sei nur ein Techniker! Dazu kam, daß er sich fast nie auf Kongressen blicken ließ und einflußreiche Physiologen durch einige Arbeiten vor den Kopf gestoßen hatte. Auch seine etwas abgerissene und manchmal nicht sehr geschickte Art, seine schönen Befunde dar- zustellen, mißfiel und erschwerte sein Fortkommen. Ein Ruf nach Chile, den Ewald wie auch einen weiteren nach Boston ablehnte, waren kleine milde Pflaster. Er wollte nicht gern aus Europa, noch lieber nicht aus Deutschland heraus. Dazu war er in Art und Wesen zu deutsch. Trotzdem wäre er sicher nach Genf gegangen, als er 1896 von dort die Anfrage erhielt, ob er die Nachfolge von Schiff über- nehmen wolle. Ich entsinne mich noch des Abgesandten der Unterrichts- behörde, der Ewald im Institutsgespräch und beim Familienmittag- essen auf sein Französisch prüfen sollte. Der Ruf folgte der Anfrage nicht. Man wagte in Genf doch nicht recht, einen Deutschen zu nehmen und zog den liebenswürdigen, alten Prevost vor, der allerdings sehr französisch war, aber Ewald an wissenschaftlicher Qualität weit nach- stand. Selbst die Nachfolgerschaft von Goltz soll Ewald nicht so ganz glatt zugefallen sein. Ich habe mich bei dem Menschen Ewald länger aufgehalten als bei dem Wissenschaftler. Von dem wissenschaftlichen Wert eines Forschers kann sich jeder auch noch nach Jahrzehnten ein Bild aus seinen Schriften machen; das Bild der Person aber stirbt mit den wenigen, die sie wirklich gekannt. Es zu erhalten scheint mir auch bei dem Mann der Wissenschaft nicht ohne Wert, denn so vieles versteht man erst aus der Person heraus und aus den Umständen, unter denen es entstanden ist. Gerade bei Ewald schien mir ein ungeschöntes Bild seines Wesens nötig, denn ich bin selten einem Menschen begegnet, über den man sich auch in den nahestehenden Kreisen ein so total verkehrtes Bild gemacht hätte. Mir selber ist es auch nicht anders gegangen. Als ich seinen „Nervus octavus als junger Zoologe mit Begeisterung gelesen hatte, da stellte ich mir ihn nach diesen tüfteligen welche sich an seine Arbeit über den Kehlkopf (43) anschließen. Nach seiner Auf- fassung ist der Kehlkopf keine Zungenpfeife, wie bisher angenommen wurde, sondern entspricht einem musikalischen Instrument, das er erst auf Grundlage des Kehlkopfs konstruierte und das er Polsterpfeife nannte. — Bis in die letzten Lebensmonate hat ihn auch die Vollendung der Konstruktion eines Tonometers zur klinischen Messung des intraokulären Drucks beschäftigt, über dessen Prinzip er einmal kurz berichtet hat (32), dessen Idee er aber nach seinen Notizen schon in den ersten Jahren seines Arbeitens konzipierte. Die aussichtsreiche Konstruktion blieb leider unvollendet. 122 A. Bethe: und so überaus exakten Versuchen als einen eleganten, dunklen, schlan- ken, etwas affektierten und ernsten Mann vor. Den suchte ich mit den Augen auf dem Bahnhof, als ich im Juli 1895 in Straßburg-Neudorf aus dem Zug stieg. Aber da stand als einziger, möglicher Mann, der Ewald hätte sein können, ein zwar großer, aber eher rundlicher Herr, mit rötlichem Bart, rundem freundlich-ironischem Gesicht, niedrigem Kragen und einem viel zu kleinen formlosen, schwarzen Schlapphut. (Er war übrigens bei mir über die Inkongruenz zwischen Vorstellung und Wirklichkeit ebenso erstaunt wie ich bei ihm.) Freundlich nahm er mich mit in sein Haus, indem ich dann, als ich kaum ein Jahr später als Assistent nach Straßburg kam, so viel aus und eingegangen bin und so viele frohe und noch mehr geistig angeregte Stunden verlebt habe. Der Mittelpunkt der frohen Stunden waren zu einem guten Teil die beiden, damals noch kleinen, ringellockigen Töchter, mit denen ich viel Spaß trieb und die nie Onkel zu mir sagen wollten. Die ältere, Doris, ist Malerin geworden. Ihr verdanke ich das vortreffliche Porträt ihres Vaters, das hier beigegeben ist. Die jüngere, Alba, ist in Straß- burg an einen Schweizer, Herrn Züblin, verheiratet. — Der Mittelpunkt der geistig anregenden Abende und Nachmittage aber war Ewalds Frau, Bertina, die Tochter des großen Physiologen Moritz Schiff. Ich kann diese Zeilen des Erinnerns an den verstorbenen Freund nicht beschließen, ohne ihrer besonders zu gedenken, die ihm durch eine lange Reihe glücklichster Jahre als Gefährtin zur Seite gestanden hat. Aufgewachsen in Florenz und Genf im Hause ihres Vaters, wo so viele wissenschaftlich, künstlerisch und politisch hervorragende Leute ein- kehrten, die diese Stadt passierten, hatte sie eine Vielseitigkeit und eine Fähigkeit der sprühendsten Unterhaltung erworben, wie sie nicht häufig angetroffen wird. Und doch war sie in dieser Ehe der Teil, der sich dem anderen ganz anpaßte, ganz in ihm aufging und ihr Leben nur nach ihm einrichtete. Und er bedurfte ihrer so zu seinem Leben, daß er sich eigentlich nie von ihr trennte und sich selbst die kleinste Reise nicht ohne sie denken konnte. Daß wir doch so vieles von seiner geistigen Arbeit besitzen, das ist zum Teil ihr zu danken. Nicht nur, daß er selbst wissenschaftliche Dinge mit ihr besprach und ihr die meisten seiner Arbeiten in die Feder diktierte; sie hat ihn auch aufge- muntert, die fertigen Sachen zur Post zu tragen und ihm über Zeiten des Unmuts und der Niedergeschlagenheit hinweggeholfen, besonders am Ende der neunziger Jahre, als er fürchtete, den Anschluß nicht mehr zu erreichen. Als der Krieg begann, suchte er, wie so viele andere ältere Männer, seine Kenntnisse in den Dienst der Heimat zu stellen. Er meldete sich hier und da: aber man fand für den kenntnisreichen Mann keine bessere Verwendung als bei der Briefüberwachungsstelle! Eine Zeit hat er das J: R. Ewald. 123 getreulich besorgt; dann fand er es doch nützlicher, sich wieder seiner Wissenschaft zuzuwenden. Bis in den Sommer 1916 hat er vor den wenigen Straßburger Studenten seine Vorlesungen gehalten und in dem vereinsamten Institut fleißig an seiner Schallbildertheorie ge- arbeitet. Da bekam er den ersten Anfall einer plötzlichen Bewußt- losigkeit als Ausdruck eines schweren arteriosklerotischen Leidens. Als er soweit wieder hergestellt war, daß er reisen konnte, ging er zu Dr. Binswanger nach Kreuzlingen in der Hoffnung, sich dort ganz wieder zu erholen. Zeiten fast vollkommenen Wohlseins, in denen er auch wieder arbeiten konnte, wurden von neuen Anfällen unterbrochen. So mußte er schließlich doch den schweren Entschluß fassen, seinen Abschied zu nehmen. Als dann das Ende des Krieges kam, Straßburg französisch wurde und ihm die alte Heimat verschlossen war, siedelte er nach Konstanz über, wo er im Sanatorium von Dr. Büdingen, einem alten Schüler, überaus freundliche Aufnahme fand. Wieder kamen Zeiten, wo es mit seiner Gesundheit besser ging. Er arbeitete an seinen Aufzeichnungen, beobachtete fliegende Möven und stellte noch im letzten Jahr ein Präparat vom knöchernen Labyrinth dieses Tieres her, das die alte Geschicklichkeit bewies, trotzdem sein ganzes Instrumentarium aus einem Taschenmesser, einer kleinen Feile und einem zugeschliffenen Nagel bestand. Aber dann kamen im Sommer dieses Jahres schwere Tage und Wochen für ihn und: seine Frau, die, selbst schwer leidend, ihn in rührendster Weise gepflegt. Als ich ihn das letztemal zu Ostern besuchte, da sprach er noch immer von der Hoffnung, wieder zu gesunden und seine Arbeiten zu vollenden. Es ging ihm schon gar nicht gut und er lag im Bett; aber er freute sich an dem Gedanken nach Frankfurt zu ziehen und bei mir im Institut von neuem mit den Versuchen an der Camera acustica zu beginnen. Glaubte er selber noch daran? Jedenfalls, es ist anders gekommen. Am 22. Juli in der Mittagsstunde ging sein Leben zu Ende. Frankfurt, den 8. Oktober 1921. Albrecht Bethe. Verzeichnis der von Professor J. R. Ewald (Straßburg i. E.) veröfient- lichten Arbeiten. l. Der normale Atmungsdruck und seine Kurve. Pflügers Arch. f. d. ges. Physiol. 19, 461. 1879. 2. Eine neue Methode, den Druck in der Lunge zu messen. Pflügers Arch. f. d. ges. Physiol. %0, 262. 1879. 3. Entgegnung auf Herrn I. Gads Kritik betr. Pneumatographie. Berl. physiol. Gesell. Arch. f. Anat. u. Physiol. 1880, 148—155. 12 16. 17% öl. 4 A. Bethe: . Über Hämomotoren. Verhdlg. d. physiol. Gesell. Berl. 23. XII. 1881. Arch. f. Physiol. 1882. . Die graphische Methode. Biolog. Zentralbl. 2, 147 u. 442. 1882. . Ein Beitrag zur Theorie der Blutdruckmessung. Straßburg, Fischbach, 1883. . Apparate zur künstlichen Atmung und Verwendung eines neuen kleinen Wassermotors. Pflügers Arch. f. d. ges. Physiol. 31, 147. 1883. . (Mit R. Kobert.) Ist die Lunge luftdicht? Pflügers Arch. f. d. ges. Physiol. 31, 160. 1883. . (Mit R. Kobert.) Über das Verhalten des Säugetierherzens, wenn Luft in dasselbe geblasen wird. Pflügers Arch. f. d. ges. Physiol. 31, 187. 1883. . a) Demonstration eines Stereoskops. b) Versuche mit dem Hämomotor. Tagebl. d. 58. Vers. Deutsch. Naturf. u. Ärzte in Straßburg i. E. 215. 1885. . Versuche über die Funktion der Thyreoidea des Hundes. Berl. klin. Wochenschr. 1887. Nr. 11. 2. Ändert sich das Volumen des Muskels bei der Kontraktion? Pflügers Arch. f. d. ges. Physiol. 41, 215. 1887. . Zur Physiologie der Bogengänge. Pflügers Arch. f. d. ges. Physiol. 41, 463. 1887. . Eine neue Methode zur Messung der Reaktionszeit. Separatabdr. unbekannten Ursprungs. 1888. 5. Die Innervation des Magens. Separatabdr. in C. A. Ewald: Klinik d. Ver- dauungskrankheiten. Berlin 1888. Technische Hilfsmittel zur physiologischen Untersuchung. I: Stromwender, II. Eine neue Anwendung der Pohlschen Wippe. Pflügers Arch. f. d. ges. Physiol. 4%, 467. 1888. Technische Hilfsmittel usw. III. Eine Stereoskopkamera für lebensgroße Aufnahmen. Pflügers Arch. f. d. ges. Physol. 44, 346. 1889. . Technische Hilfsmittel usw. IV. Durch einen Luft- oder Wasserstrom be- wegte Stimmgabeln. Pflügers Arch. f. d. ges. Physiol. 44, 555. 1889. . Zur Physiologie der Bogengänge. Forts.: Über Bewegungen der Perilymphe. Pflügers Arch. f. d. ges. Physiol. 44, 319. 1889. ). Das Kopfschwingen. Pflügers Arch. f. d. ges. Physiol. 44, 326. 1889. . Weitere Versuche über die Funktion der Thyreoidea. Berl. klin. Wochenschr. 1889. Nr. 15. 2. (Mit J. Rockwell.) Exstirpation der Thyreoidea an Tauben. Pflügers Arch. f. d. ges. Physiol. 4%, 160. 1890. 23. Über motorische Störungen nach Verletzungen der Bogengänge. Zentralbl. f. d. med. Wissensch. 1890, Nr. 7 und 8. . Die Abhängigkeit des galvanischen Schwindels vom inneren Ohr. Zentralbl. f. d. med. Wissensch. 1890. 5. Der Acusticusstamm ist durch Schall erregbar. Berl. klin. Wochenschr. 1890, Nr. 32. 26. Bedeutung des Ohres für die normalen Muskelkontraktionen. Zentralbl. f. Physiol. 1891, 1. . Physiologische Untersuchungen über das Endorgan des Nervus octavus. Wiesb., Bergmann, 1892. . Max E. G. Schrader (Nachruf). Dtsch. med. Wochenschr. 1892, Nr. 17. , Ein Beitrag zur Erkenntnis der Querstreifung des Muskels. (Nach Versuchen von R. Oppenheimer, cand. med., mitgeteilt.) Pflügers Arch. f. d. ges. Physiol. 52, 186. 1892. . Über die Wirkung des galvanischen Stromes bei der Längsdurchströmung ganzer Wirbeltiere. Pflügers Arch. f. d. ges. Physiol. 55, 606. 1894. Berichtigung dazu. Pflügers Arch, f. d. ges. Physiol. 56, 354. 1894. J. R. Ewald. 125 32. Über ein neues Verfahren, den intraokulären Druck zu messen. Med. nat. ‘ Verein Straßburg 1899. ; 33. Die zentrale Entstehung von Schwebungen zweier monotisch gehörter Töne. Pflügers Arch. f. d. ges. Physiol. 5%, 80. 1894. 34. Über die Wirkung des galvanischen Stromes bei der Längsdurchströmung ganzer Wirbeltiere. II. Mitteilung. Pflügers Arch. f. d. ges. Physiol. 59, 153. 1895. 35. Die Hebelwirkung des Fußes, wenn man sich auf die Zehen erhebt. Pflügers ° Arch. f. d. ges. Physiol. 59, 251. 1895. 36. Zur Physiologie des Labyrinths. III. Mitteilung. Das Hören der labyrinth- losen Taube. Pflügers Arch. f. d. ges. Physiol. 59, 258. 1895. 37. Zur Physiologie des Labyrinths. 1V. Mitteilung. Die Beziehungen des Groß- hirns zum Tonuslabyrinth. (Teilweise nach Versuchen von Ida H. Hyde.) Pflügers Arch. f. d. ges. Physiol. 60, 492. 1895. 38. Zur Physiologie des Labyrinths. V. Mitteilung. Die Beziehungen des Tonus- labyrinths zur Totenstarre und über die Nystensche Reihe (teilweise nach einer preisgekrönten Arbeit von H. Willgerodt). Pflügers Arch. f. d. ges. Physiol. 63, 521. 1896. 39. (Mit Fr. Goltz.) Der Hund mit verkürztem Rückenmark. Pflügers Arch. f. d. ges. Physiol. 63, 362. 1896. 40. Die Hebelwirkung des Fußes, wenn man sich auf die Zehen erhebt. II. Mit- teilung. Pflügers Arch: f. d. ges. Physiol. 64, 53. 1896. 41. Ein elektrischer Hängeschlüssel. Vereinsbl. d. deutsch. Gesell. f. Med. u. Optik 23, 204. 1896. 42. Reproduktion einer gesungenen Arie mit Klavierbegleitung durch den verzögert ablaufenden Phonographen. Berl. klin. Wochenschr. 1896, SONTSUT: 43. Die Physiologie des Kehlkopfes und der Luftröhre. Stimmbildung. Handb. d. Laryngologie und Rhinologie. Herausgegeben von P. Heymann. Wien, Hölder, 1896, 165. 44. Über die Beziehungen zwischen der excitablen Zone des Großhirns und dem Ohrlabyrinth. Vortrag auf der 68. Vers. deutsch. Naturforsch. u. Ärzte zu Frankfurt a. M. Berl. klin. Wochenschr. 1896, Nr. 42. 45. Neue Beobachtungen über die Beziehungen zwischen dem inneren Ohr und der Großhirnrinde. Wien. klin. Wochenschr. 1896, Nr. 9. 46. Nachwort zu der Arbeit: „Über den Einfluß der sensiblen Nerven und der Labyrinthe auf die Bewegungen der Tiere“ von A. Bickel. Pflügers Arch. f. d. ges. Physiol. 6%, 345. 1897. 47. Die Folgen von Großhirnoperationen an labyrinthlosen Tieren. Verhdlgn. d. Kongress. f. inn. Med. 1897, 245. 48. Über künstliche Reizung der Großhirnrinde. Dtsch. med. Wochenschr. 1898, INT! 49. Über eine Trübung der Krystallinse, welche durch Erschütterung wieder auf- gehoben wird. Pflügers Arch. f. d. ges. Physiol. %2, 1. 1898. 50. Über eine neue Hörtheorie. Vortrag: nat. med. Verein Straßburg. 6. V. 1898. Wien. klin. Wochenschr. 1898. öl. Zur Physiologie des Labyrinths. VI. Mitteilung. Eine neue Hörtheorie. Pflügers Arch. f. d. ges. Physiol. %6, 147. 1899. 52. Zur Methodik der Messung des peripheren Widerstandes in einer Arterie. Arch. f. Anat. u. Physiol. 1899, Suppl. 53. Die Erzeugung von Schallbildern. Vortrag: nat. med. Verein Straßburg 10. XT. 1900. Wien. klin. Wochenschr. 1902. Pflügers Archiv f. d. ges. Physiol. Bd. 193. 9 126 A. Bethe: . Wie findet die Brieftaube ihren Weg? Zeitschr. f. Brieftaubenkunde 15, Nr. 17. 1900.. . Nachruf auf Fr. L. Goltz. Berl. klin. Wochenschr. 1902, Nr. 20. . Friedrich Goltz. Pflügers Arch. f. d. ges. Physiol. 94, 1. 1903. 57. Zur Physiologie des Labyrinths. VII. Mitteilung. Die Erzeugung von Schal- bildern in der camera acustica. Pflügers Arch. f. d. ges. Physiol. 93, 485. 1903. 58. Die Funktion der Noduli Arantii. Berl. klin. Wochenschr. 1905, Nr. 44a. 39. Die Wirkung des Radiums auf das Labyrinth. Zentralbl. f. Physiol. 1905, 19,7297. ;0. Ewald und Gross. Über Stereoskopie und Pseudoskopie. Pflügers Arch. f. d. ges. Physiol. 115, 514. 1906. . Ewald und Jäderholm. Auch alle Geräusche geben, wenn sie intermittiert werden, Intermittenztöne. Pflügers Arch. f. d. ges. Physiol. 115, 555. 1906. 2. Der Labyrinthtonus. Ref. im internat. Kongreß f. Psychiatrie usw. in Amster- dam 1907. . a) Die Entdeckung des 3. Herztons durch W. Einthoven. b) Demonstration des Sphygmoskops von Rheinboldt. Unterelsässischer Ärzteverein 21. x17:21907. 34. Ewald und Jäderholm. Die Herabsetzung der subjektiven Tonhöhe durch Steigerung der objektiven Intensität. Pflügers Arch. f. d. ges. Physiol. 124, 29. . 1908. . M. Schiff. Allgemeine deutsche Biographie 1908. . Über Verwendung rotierender Spiegel zur physiologischen Untersuchung. I. Zykloskop. Zeitschr. f. biol. Techn. u. Method. 1, 1. 1908. . Das Augenschwingen der Vögel. Arch. f. experim. Pathol. u. Pharmakol. 1908, Suppl. 164. . Die Umkehr des Versuchs von Aristoteles. Zeitschr. f. Psychol. u. Physiol. d. Sinnesorg. 44. 1909. . Die Dreibein-Pincette. Zeitschr. f. biolog. Techn. u. Method. 1909, 1, 305. . Die Anfertigung des Nerv-Muskelpräparates und des Schenkelpräparates des Frosches. Zeitschr. f. biol. Techn. u. Method. 2, 53. 1910. . Zur Methodik der Blutdruckmessung am Menschen. Berl. klin. Wochenschr. 1910, Nr. 47. . Über Schwindel. Arch. f. Psychiatr. u. Nervenkrankh. 4%, 1910. . Über die neuen Versuche, die Angriffsstellen der von Tönen ausgehenden Schallwellen im Ohr zu lokalisieren. Pflügers Arch. f. d. ges. Physiol. 131, 188. 1910. . Zur Konstruktion von Polsterpfeifen. Pflügers Arch. f. d. ges. Physiol. 152, 141. 1913. . Zur Schallbildertheorie. Vortrag, Internation. Physiol. Kongress, Wien, 28. 11. 1910. Zentralbl. f. Physiol. 24, 784. 1910 (nur Titel). . Das Straßburger physiologische Praktikum (mit Ausschluß des chemischen Teiles). J. A. Barth, Leipzig 1914. . Über den Einfluß der Länge des Windrohres auf die Tonstärke und Tonhöhe einer Zungenpfeife. Ann. d. Physik 45, 1209. 1914. . a) Bemerkungen zur Schallbildertheorie. b) Demonstration einer Polsterpfeife als Modell des Kehlkopfs. VI. Tagung d. deutsch. physiolog. Gesellsch. Berlin 1914. Zentralbl. f. Physiol. 28. 756. J. R. Ewald. 127 Verzeichnis der unter Ewalds Leitung ausgeführten Arbeiten *). 1) Gottwalt, E., Der normale Venenpuls. Pflügers Arch. f. d. ges. Physiol. 25, 1. 1881. — 2) Lukjanow, S. M., Über die Veränderungen der Intercostalräume bei der Respiration. Pflügers Arch. f. d. ges. Physiol. 30, 82. 1882. — ?) Hesse, A., Der Blutflußmesser. Diss., Straßburg 1889. — *) Fuld, A., Die Atemschwan- kungen der Blutdruckkurve. Diss., Straßburg 1889. — °) Dummreicher, O., Zur Messung der Reaktionszeit. Diss., Straßburg 1889. — ®) Lange, B., Inwieweit sind die Symptome, welche nach Zerstörung des Kleinhirns beobachtet werden, auf Verletzungen des Acusticus zurückzuführen ? Pflügers Arch. f. d. ges. Physiol. 50, 651. 1891. — ’) Öppenheimer, R., Zur Lehre von der physiologischen Be- deutung der Querstreifung des Muskelgewebes. Diss., Mannheim 1894. —®) Bickel, A., Einfluß der sensiblen Nerven auf die Bewegungen der Tiere. Pflügers Arch. f. d. ges. Physiol. 6%, 299. 1897. — °) Lapinsky, M., Über Epilepsie beim Frosche. Pflügers Arch. f. d. ges. Physiol. %4, 47. 1899. — 1°) Fuld, E., Über gegenseitige Beeinflussung (Interferenz) zweier Erregungen am Nerven. Pflügers Arch. f. d. ges. Physiol. 81, 381. 1900. — !!) Merzbacher, L., Über die Beziehungen der Sinnesorgane zu den Reflexbewegungen des Frosches. Pflügers Arch. f. d. ges. Physiol. 81, 222. 1900. — !?) Dreyfuss, R., Experimenteller Beitrag zur Lehre von den nicht akustischen Funktionen des Ohrlabyrinths. Pflügers Arch. f. d. ges. Physiol. 81, 604. 1900. — 2) Ducceschi, V., Über die Wirkung engbegrenzter Nervenkompression. Pflügers Arch. f. d. ges. Physiol. 83, 38. 1900. — !*) Kufler, O., Über elektrische Reizung des Nervus 8 und seiner Endorgane beim Frosch. Pflügers Arch. f. d. ges. Physiol. 83, 212. 1901. — ») Friedmann, R., Über künstliche Reizung des Ohrlabyrinths. Diss., Straßburg 1901. — 1%) Ach, N., Über die Otolithenfunktion und den Labyrinthtonus. Pflügers Arch. f. d. ges. Physiol. 86, 122. 1901. — 1”) Forster, E. R., Versuche über das Verhalten des Muskels, wenn Muskel und Nerv zugleich elektrisch durchströmt werden. Diss., Straßburg 1901. — !?) Merzbacher, L., Untersuchungen über die Regulation der Bewegung der Wirbeltiere. Pflügers Arch. f. d. ges. Physiol. 81, 453. 1902. — 129) Doniselli, C., Über Unterschiede in der Wirkung mechanischer und elektrischer Reize. Pflügers Arch. f. d. ges. Physiol. 96, 624. 1903. — 2°) Emanuel, G., Über die Wirkung der Labyrinthe und des Thalamus opticus auf die Zugkurve des Frosches. Pflügers Arch. f. d. ges. Physiol. 99, 363. 1903. — °?!) Dreyfuss, R., Über den Einfluß des Chinins auf das Tonuslabyrinth. Zeitschr. f. Ohrenheilk. 49, 343. 1905. — *) Baer, A., Über die gleichzeitige elektrische Reizung zweier Großhirnstellen am ungehemmten Hunde. Pflügers Arch. f. d. ges. Physiol. 106, 523. 1905. — ”) Brown, T. Graham, Der Einfluß des Nervensystems auf die Form der Zuckungskurve des Froschgastrocnemius. Pflügers Arch. f. d. ges. Physiol. 126, 491. 1908. *) Wahrscheinlich nicht vollständig. 9* Der allgemeine Aufbau des Ernährungssystems der nervösen Zentralorgane im Lichte der Chloridmethode‘). Von Privatdozent Dr. Franz Groebbels. (Aus dem physiologischen Institut der Universität Hamburg, Allg. Krankenhaus Hamburg-Eppendorf [Vorstand: Prof. Otto Kestner].) Mit 16 Textabbildungen. (Eingegangen am 18. Juli 1921.) Inhalt. A. Einleitung (S. 128). B. Die Methode (8. 132). I. Die Beschreibung der Methode (S. 132). II. Die histochemische Kritik der Methode (8. 132). III. Die histologische Kritik der Methode (S. 135). C. Die Ergebnisse (S. 139). I. Das ektodermale System (S. 139). a) Der Ganglienzellenkörper und der pericelluläre Raum (S. 139). b) Die Neurosomen und das pericelluläre Netz (S. 141). ce) Die Dendriten und der Achsenzylinder (S. 142). d) Die Neuroglia (S. 147). II. Das mesodermale System (S. 149). III. Spinalganglion und peripherer Nerv (8. 155). D. Der Aufbau des Ernährungssystems der nervösen Zentralorgane. Zu- sammenfassung (S. 158). Literatur (S. 165). A. Einleitung. Der heutige Stand der histologischen Technik am Zentralnerven- system setzt sich aus einer Summe von Färbemethoden zusammen, als deren Angriffspunkt morphologisch-histochemisch organische Sub- stanzen des Gewebes gedacht sind. Diese organischen Substanzen sind auch im Zentralnervensystem differenziert und bilden histologische Komplexe, die wir vom Gesichtspunkt ihrer Genese aus als ektodermal- nervöses, ektodermalgliöses und mesodermales Gewebe unterscheiden können. Für die histologische Technik am Zentralnervensystem be- steht ganz besonders die Eigenheit, daß eine bestimmte Färbemethode immer nur einen bestimmten histologischen Komplex festhält, so daß also in einem Präparat nie alle Gewebe gleichzeitig differenziert zum !) Die Befunde der Methode, über die hier berichtet werden soll, lagen bereits im März des letzten Jahres vor. Aus äußeren Gründen hat sich die Veröffentlichung dieser Arbeit beträchtlich verzögert. F. Groebbels: Der allgemeine Aufbau des Ernährungssystems usw. 129 Ausdruck kommen. So müssen wir also, wollen wir uns über die wich- tige Frage der Beziehungen der einzelnen histologischen Komplexe zueinander klar werden, zur Kombination greifen, entweder zur färbe- rischen, wie sie in mehreren Methoden vorliest, oder aber zur gedank- lichen, gewonnen aus der Verarbeitung der einzelnen elektiven Gewebs- bilder zu einem Gesamtbild. Zwar hat man mit Hämatoxylin und Karmin sogenannte Übersichtsbilder geschaffen, die das Gewebe in toto darstellen. Aber ein Mangel gerade dieser Methode ist das Fehlen jeder stärkeren färberischen Differenzierung, man denke dabei an die Gan- glienzelle, so daß die Übersichtsfärbung versagt, wo es sich um feinere histologische Feststellungen handelt. Von der Golgimethode aber gilt, wie ich an anderer Stelle noch ausführlich zu berichten gedenke, dab sie weder histochemisch noch histologisch eindeutig ist. Die anorganischen Substanzen, vor allem die Salze, sind in der histologischen Technik der nervösen Zentralorgane bis heute ver- nachlässigt worden. Und doch dürften gerade hier wichtige Probleme vorliegen. Kennen wir doch heute viele physiologische Vorgänge und pathologisch-physiologische Zustände, deren Erklärung eine qualitative oder quantitative Verschiebung dieser Salze im Gewebe zur Forderung macht. Die hier anschließend beschriebene Methode will sich an Hand ihrer Ergebnisse die Aufgabe stellen, den ersten Grund zu einer neuen Forschungsrichtung zu legen, die die histologisch-physiologische Ver- teilung und physiologische Wirkung der anorganischen Salze im nor- malen und pathologischen Zentralnervensystem zum Gegenstand hat. Sie will insbesondere den Fragen näherzukommen suchen, die durch die Begriffe Ernährungssystem und Ernährung der nervösen Zentral- organe gekennzeichnet sind. Die anorganischen Salze, die hier in Frage kommen, sind die Chloride und Phosphate des K, Na und Ca. Es liegen eine Reihe physiologisch- chemischer Analysen vor, die uns ermöglichen, über die Quantität dieser Salze und ihre Komponenten bestimmte Gesichtspunkte zu gewinnen. So wurde aus chemischen Gehirnanalysen!) ermittelt, daß im Gesamtgehirn 0,06% K, 0,08% Na, in der grauen Substanz 0,025% K, 0,029% Na vorhanden sind, wobei natürlich das K und Na, welches nicht als Salz im Gewebe vorkommt, nicht abgetrennt ist. Nach Baumstark?) enthält die graue Substanz relativ und absolut mehr wasserlösliche Substanzteile als die weiße. Demstedt und Rumpf?) berechneten für 1000 & menschliches Gehirn 3,079 g NaCl (1000 g Niere 3,642 g NaCl) Wahlgren*) untersuchte den Cl-Gehalt der einzelnen Organe des Hundes und bestimmte ihn für das Gehirn auf 1,847°/,, Cl (2,576°/,, für die Niere). Er berechnete daraus die absolute Cl-Menge für einen Hund von 10 kg Gewicht und fand für das Gehirn 0,253 g Cl (für die Niere 0,210 sg). Wichtig für unser Problem erscheinen Versuche Wahlgrens?), die sich zur Aufgabe stellten, die Cl-Verteilung im Körper bei Zufuhr hypertonischer NaCl-Lösung zu ermitteln. Wahlgren fand dabei, daß das Gehirn 0,207°/,, Cl aufgenommen hatte, etwas weniger als der Muskel (Niere + 0,371°/,, Cl). Messing’) hat auf Grund von Ge- 130 F. Groebbels: Der alleemeine Aufbau des Ernährungssystems hirnanalysen den Cl-Gehalt im Gehirn in Fällen von Blutung, Stauung und Pneu- monie vermehrt, in Fällen von Geisteskrankheiten durchschnittlich vermindert gefunden. Ferner hat A pelt*) bei seinen Studien über Hirnschwellung in einem seiner Fälle die Trockensubstanz über die Norm erhöht gefunden. Es wäre nicht aus- geschlossen, daß die chemischen Körper, welchen Apelt das Zustandekommen der Hirnschwellung zuschreibt, und die hier die Erhöhung der Trockensubstanz bedingen, anorganische Salze sind. All diese physiologisch-chemischen Analysen sind imstande, in gewissen Grenzen Tatsachen zu bekräftigen, die aus der viel feineren histologisch-histochemischen Analyse der anorganischen Salze im Zentral- nervensystem gewonnen sind. Wollen wir mit Hilfe histochemischer Arbeitsmethoden die Frage der quantitativ-qualitativen Verteilung der anorganischen Salze, im engeren Sinne der Chloride und Phosphate ergründen, so stehen uns zwei Wege offen. Einmal können wir die Chloride und Phosphate als solche darstellen. Hier müssen wir aber dann auf die qualitative Ana- lyse verzichten. Denn darüber, ob ein K-, Na- oder Ca-Salz vorliegt, sagt diese Methode, die lediglich auf einer Reaktion mit Cl oder PO, beruht, nichts aus. Wollen wir den zweiten Weg wählen, der versucht, die K-, Na- und Ca-Komponente des Salzes histochemisch festzuhalten, so ergibt sich die Schwierigkeit, daß wir bei einem solchen Versuch das K, Na und Ca mit zur Darstellung bringen, welches nicht in Salzform im Gewebe vorhanden ist. Für den ersten Weg haben wir ferner kri- tisch zu bedenken, daß die Chloride und Phosphate nicht nur als freie Salze, in Blut- und Lymphflüssigkeit bzw. Inter- und Intracellular- flüssigkeit vorhanden sein können. Neuere Forschungen weisen viel- mehr auf die Möglichkeit hin, daß diese Salze auch im Cytoplasma als solchem maskiert vorkommen. Die histochemische Kritik dieser Fragen bereitet also große Schwierigkeiten. Betrachten wir zunächst die histochemische Darstellung der Chloride und Phosphate. Cocecius’) war der erste, der, 1854, das AgNO, in die Histologie einführte. Bringt man AsNO, mit NaCl-Lösung zusammen, so bildet sich ein weißer amorpher Niederschlag von Silberchlorid, AgCl, nach der Formel AgNO, — NaCl = NaNO, + AgCl. Setzt man den Niederschlag dem Lichte aus, so entsteht neben Cl bräun- lich violettes Silbersubchlorid Ag,Cl, das dann weiterhin durch photographischen Entwickler oder nascierenden H zu metallischem Silber reduziert werden kann, welch letzteres nicht in den Lösungen löslich ist, welche das Silbersubchlorid auflösen. Das Silbersubchlorid ist in saurer und neutraler Lösung unlöslich, Zusatz von NH, löst es auf. Carey Lea?) erbrachte eine Reihe von Beweisen, welche den histochemischen Vorgang in diesem Sinne einer Reduktion von AgCl zu AgsC] beantworten. Er wies auf die für uns histologisch wichtige Tatsache hin, daß von den im Gewebe vorhandenen Chloriden weniger als 10% von dieser Re- aktion betroffen werden. Ist die Reaktion also einerseits eine außerordentlich empfindliche, so ist sie andererseits nicht imstande, uns in einem Gewebe die Gesamtmenge der vorhandenen Chloride histologisch zu zeigen; sie liefert viel- mehr nur relative Werte. Als eine besondere Schwierigkeit ergibt sich nun, daß außer einigen anderen Substanzen, Macallum?) führt u.a. Kreatin an, vor allem der nervösen Zentralorgane im Lichte der Chloridinethode. 131 die im Eiweiß vorhandenen Chloride diese Reaktion zu geben scheinen. Gerade dieses Problem, das auch heute noch nicht als geklärt gelten darf, hat in der Histo- logie große Meinungsverschiedenheiten hervorgerufen. Es ist das Verdienst Macallums°), gezeigt zu haben, daß chloridfrei gemachte Gelatine die Reaktion auf Chloride mit Silbernitrat nicht mehr gibt, daß also diese Reaktion unter Bildung von Silbersubchlorid nur da im Eiweiß auftritt, wo Chloride vorhanden sind. In histochemischer Hinsicht wichtig scheint noch eine Beobachtung von Loew und Bokorny!®), daß alkalische Lösungen des Silbersalzes zu metallischem Silber reduziert werden, wenn sie mit dem lebenden Protoplasma in Berührung kommen. Im Jahre 1915 hat Lesch ke!!), indem er die Silbernitratmethode anwandte, und mit photographischem Entwickler reduzierte, an mit hyptertonischer Cl-Lösung durchspülten Tieren die spezifische Ausscheidung der Chloride durch die tubuli contorti der Nieren histochemisch erwiesen. Wenden wir uns zur histochemischen Darstellung der Phosphate. v. Kossa!?) und Schmorl!3) haben Ca im Gewebe zur Darstellung gebracht, indem sie das Gewebe mit neutraler Silbernitratlösung behandelten. Es entsteht Silberphosphat, das im Lichte geschwärzt wird. Ist eine Silbernitratlösung neutral, so fallen in dem mit ihr behandelten und dem Lichte ausgesetzten Gewebe neben den Chloriden die Phosphate aus. Zahlreiche Untersuchungen der Physiologie der letzten Jahre haben erwiesen, daß im Organismus wichtige, zum Teil antagonistische Beziehungen zwischen Na, K und Ca bestehen. Gelänge es uns histochemisch, diese Stoffe quantitativ und qualitativ im Gewebe darzustellen, würden wir vielleicht in eine Fülle von Problemen eindringen, deren Wesen uns heute noch verschlossen ist. Macallum?°) hat versucht, auch diese histochemische Frage zu lösen. Mit bestimmten Methoden wurde festgestellt, daß Ca im Zytoplasma sowohl wie im Kern- und Kernmembran vorhanden ist. In der Nervenzelle soll es nach Macallum°) fehlen. Wenn wir aus den hier wesprochenen Methoden und ihren Ergeb- nissen schließen müssen, daß im tierischen Gewebe die anorganischen Salze und ihre Komponenten K, Na und Ca in vielerlei Weise vorhanden sind, so ergibt sich weiterhin die Annahme, daß sie möglicherweise bei einer Reihe von Färbemethoden eine Rolle spielen, die wir bis jetzt noch nicht erkannt haben. Aus dem Grunde nicht, weil wir gewohnt sind, all das, was sich färberisch darstellt, als Aus- druck der organischen Substanz schlechthin zu betrachten. Ganz besonders müssen wir diesen Gesichtspunkt in der histologischen Technik des Zentralnervensystems in Frage ziehen. Wenn ich die Bilder, die meine unten beschriebene Chloridmethode am Zentralnervensystem ergibt, mit den Bildern der Golgimethoden und der neuen Sublimat- methode Cajals!!) vergleiche, so fällt mir manche Ähnlichkeit ins Auge, die mir nur histochemisch erklärbar erscheint. Für die Golgi- methode möchte ich eine wichtige Rolle der Chloride bzw. Phosphate im färberischen Prozeß annehmen, auf Grund von Versuchen, die noch im Gange sind und später veröffentlicht werden sollen. Daß eine geringe Menge freier Säure zum Gelingen der Reaktion von Vorteil ist, daß man nach Callius'®) photographischen Entwickler zur Reduktion verwenden kann, daß NaCl-Lösung in der Methode eine gewisse Rolle spielt, die Osmiumsäure, all dies sind Punkte, die auf 132 F. Groebbels: Der allgemeine Aufbau des Ernährungssystems einen histochemischen Zusammenhang mit den Chloriden bzw. Phos- phaten hinweisen könnten. Von den Methoden, bei denen ich das Beteilistsein von anorganischen Salzen im färberischen Prozeß ent- schieden vermute, möchte ich schließlich noch die Silberimprägnations- verfahren nach Bielschowsky und Cajal nennen. B. Die Methode. I. Die Beschreibung der Methode. Die Methode, deren Vorgang und Ergebnisse am normalen Material ich be- reits als erste Mitteilung kurz veröffentlicht babe!®), schließt sich an die histo- chemischen Methoden von Macullum’), Macallum und Menten!”), Macdo- nald!®) und Leschke!!) an. Möglichst frische Stücke nervöser Zentralorgane, die vorher nicht mit Wasser oder einem Reagens in Berührung gekommen sein dürfen, werden in kleinste Scheiben geschnitten, und in 2proz., schwach mit HNO, angesäuerte AgNO,-Lösung gebracht. Dort verbleiben sie 24 Stunden im Dunkeln. Es empfiehlt sich, um die Einwirkung des Lichtes auszuschalten, dunkle Flaschen zu verwenden. Die Flasche ist verschlossen zu halten und vor dem Gebrauch mit Agq. dest. auszuspülen. Nach 24 Stunden setzt man der AgNO;- Lösung !/, Teil 5- bis 10 proz. Formaldehydlösung zu, um das Gewebe, in welches die AsNO,-Lösung inzwischen eindrang, vorzuhärten. In dieser Mischung bleiben die Stücke 48 Stunden im Dunkeln. Um das Durchdringen des Gewebes mit der Lösung besser zu erzielen, kann man in dieser Zeit die Stücke weiter zerkleinern. Nach 48 Stunden wird das Material auf 12 bis 24 Stunden in mehrfach zu wech- selndem Aq. dest. im Dunkeln gebracht, um es dann in Aq. dest. dem Tageslicht oder zur Beschleunigung des histochemischen Vorganges einer Bogenlampe aus- zusetzen. Das Aq. dest. das sich leicht anbräunt, ist mehrfach zu erneuern. Nach mehreren Tagen sind die Stücke so weit gebräunt, daß sie verarbeitet werden können. Man verarbeitet das Material ohne Reduktion. Eine Reduktion mit photographi- schem Entwickler oder nascierendem H im Stück oder Schnitt hat sich nach meinen Erfahrungen als nicht nötig erwiesen. Das durch das Licht in bestimmter Weise veränderte Material wird aus Aq. dest. in Alkohol von steigender Konzentration gebracht, gehärtet, in Paraffin eingebettet und geschnitten. Die Schnitte werden über Alkohol. abs. in Aq. dest., gebracht, in ihm einer weiteren Einwirkung des Lichtes ausgesetzt und über Alkohol. abs. Xylol eingelegt. Man kann die Schnitte auch nach dem Einlesen der Lichtwirkung aussetzen, sie bräunen dann nach. Will man an den ersten färberischen Vorgang als den zweiten färberischen Vorgang der Methode das Prinzip einer Nisslfärbung anschließen, so bringt man die Schnitte aus Aq. dest. über Alkohol 96 proz. 10 bis 15 Minuten in wässerige Toluidinblau- lösung, differenziert in Alkohol. abs., spült in Xylol ab und lest ein. Verwendung von Anilinalkohol und Cajeputöl hat sich im Hinblick auf die anorganischen Strukturen nicht bewährt. Ich möchte ausdrücklich betonen, daß man hier kein Nissläquivalentbild der Ganglienzelle erhält, sondern lediglich ein Bild, das nur in den groben Zügen dem Nisslbild gleicht, zur Orientierung aber brauchbar ist. II. Die histochemische Kritik der Methode. Der histochemische Prozeß, der sich hier vollzieht, besteht aus zwei Phasen. Aus der Phase der Einwirkung des angesäuerten Silbernitrates auf das Gewebe und der sich daran anschließenden Phase der Färbung nach dem Nisslprinzip. Die erste Phase ist durch das Silbernitrat- der nervösen Zentralorgane im Lichte der Chloridmethode. 133 präparat gekennzeichnet. Läßt man mit HNO, angesäuerte AgNO;- Lösung in der oben beschriebenen Weise auf Nervengewebe einwirken, so kann die Lösung an drei verschiedenen Anteilen des Gewebes an- greifen. Einmal an frei im Gewebe vorhandenen Chloriden und Phos- phaten. Was die freien Chloride betrifft, so greift das AgNO, dabei an Cl an und bildet AgCl, das im Lichte zu bräunlich violetten körnigem AgsCl reduziert wird. Diese Reaktion ist außerordentlich empfindlich, schon oben wurde bemerkt, daß sie nicht die Gesamt- menge der im Gewebe vorhandenen freien Chloride anzeigt. Die Silber- subchloridkörnchen sind dadurch charakterisiert, daß sie sich auf Zusatz von NH, auflösen, während HNO, keinen Einfluß hat. Man kann dies unter dem Mikroskop beobachten. Die Phosphatsalze kommen, wenn man neutrale AgNO,-Lösung verwendet, im Präparat als schwärz- liches Silberphosphat zur Darstellung. Während Leschkel!) angibt, daß bei HNO, Ansäuerung der AgNO,-Lösung die Phosphate in Lösung gehen, histochemisch also nicht festgehalten werden, möchte ich auf Grund zahlreicher Beobachtungen glauben, daß dies bei Verwendung ganz schwach angesäuerter AgNO,-Lösungen nicht durchweg der Fall ist. Es bildet sich in so behandeltem Material vielmehr an manchen Stellen schwärzliches Silberphosphat neben dem Silbersubchlorid. Die histochemische Differenzierung ist auch hier leicht möglich. Behandelt man nämlich solche Schnitte mit 25proz. HNO,-Lösung, so gehen die Silberphosphatkörner in Lösung, während NH, hier ohne Einfluß ist. Der zweite Gewebsanteil, der sich summarisch als Eiweiß- und Lipoidsubstanz, vielleicht auch als Lecithalbumin des Nervengewebes zusammenfassen läßt, bietet der histochemischen Analyse der Silber- nitratwirkung nicht unerhebliche Schwierigkeiten. Es ist hier von vornherein in Betracht zu ziehen, daß das maskierte Halogen im Eiweiß des Cytoplasmas vielleicht mit AgNO, eine Reaktion geben kann. In unserem Silbernitratpräparat kommt ein bestimmter Teil des Gewebes gelblich oder gelblich-bräunlich zum Ausdruck. Zur Klärung der wich- tigen Frage, ob diese gelblich-bräunliche Färbung gewisser Gewebsteile auf den Chloriden beruht oder nicht, wurde eine Reihe von Versuchen angestellt, die ich hier folgen lasse. Setzt man eine schwach mit HNO, angesäuerte 2proz. AgNO,-Lösung dem Lichte aus, so bräunt sie sich schwach, ohne einen Niederschlag zu bilden. Zusatz von Formalin ändert nichts, ebensowenig NH,. Bringt man eine solche Silbernitrat- lösung dagegen mit NaCl-Lösung zusammen, so bildet sich ein weißer Niederschlag von AgCl, der im Lichte zu Ag,Cl gebräunt wird. Die darüberstehende Flüssigkeit bleibt klar. Es ist also das Ag, daß infolge irgend eines chemischen Vorganges im ersten Versuch die Flüssigkeit im Lichte in Gestalt einer Bräunung verändert, im zweiten nicht, weil es bereits als AgCl niedergeschlagen ist. Zur weiteren Klärung der 134 F. Groebbels: Der allgemeine Aufbau des Ernährungssystems Frage wurden Fibrinflocken durch Waschen mit Aq. dest., Gehirnbrei und Blutserum durch tagelanges Dialysieren in Aq. dest. kochsalzfrei gemacht. Die Kochsalzfreiheit wurde als erreicht angesehen, wenn sich das verwendete Aq. dest. auf Zusatz von Silbernitrat nicht mehr trübte. Wurde nun solches Material mit 2proz. angesäuerter Silber- nitratlösung behandelt, und dem Licht ausgesetzt, so bräunte es sich in demselben Farbenton, wie eine dem Licht ausgesetzte angesäuerte Silbernitratlösung und wie der Gewebsanteil, von dem oben die Rede war. Zusatz von NH, oder HNO, änderten nichts. Die mikroskopische Untersuchung von dialysiertem Blutserum ergab nach Silbernitrat- behandlung keine bräunlichen Ag,Cl-Körnchen, die zur Kontrolle ebenso gefärbten unvorbehandelten Blutausstriche zeigten diese Körn- chen. Es dürfte danach also zu schließen sein, daß die Bräunung des Präparates bzw. gewisser Gewebsanteile desselben nicht auf freien Chloriden beruht. Daß die Bräunung keine Folge des Formalinzusatzes ist, ergab sich u.a. aus dem Klarbleiben des dia- lysierten Blutserums im Lichte bei Formalinzusatz. Pfeiffer und Modelski!?) haben durch die Einwirkung von Neutralsalzen auf a-Aminosäuren bzw. Polypeptide chemisch echte Verbindungen von Amphisalzen erhalten. Es gelang ihnen aber nicht, solche Verbindungen zwischen Nitratsalzen und a-Aminosäuren herzustellen. Man könnte annehmen, daß die bräunliche Färbung gewisser Gewebsanteile bei meiner Methode vielleicht auf einer sekundären Färbung dieser Anteile durch vorher verankertes und dann im Lichte gebräuntes Silbernitrat beruht. Diese Annahme setzt dann aber voraus, daß das Ag der AgNO,- Lösung, wenn es in das Gewebe bei der färberischen Prozedur ein- dringt, nicht insgesamt von den Chloriden in Form von AgCl in Beschlag gelegt wird was in Anbetracht der großen AgNO,-Menge und des geringen Chloridgehaltes des Gewebes der Fall sein dürfte. Dafür, daß neben dem AgCl-Anteil des Silbernitrates Silbernitrat in irgendeiner anderen Bindung in den Präparaten meiner Methode vorhanden ist, spricht auch das Nachbräunen der fertigen Schnitte, wenn sie dem Lichte ausgesetzt sind. Dieses Nachbräunen tritt auch in Präparaten auf, die von mit einer der Ringerlösung isomolekularen Nitratsalzlösung durchspülten Tieren erhalten wurden. Nicht alles Gewebe bräunt sich. Es bleiben vielmehr Gewebsteile im Silberpräparat vollständig un- gefärbt; Licht ist hier ohne jeden Einfluß. Da es sich hier immer um die Zellen und Zellkerne handelt, möchte ich nicht an eine besondere Verbindung des Silbernitrates mit diesen organischen Substanzen glauben, vielmehr denke ich einmal an die Möglichkeit, daß durcheine Membran oder Membranbildung das Eindringen der Silbernitratlösung als solcher in diese Gewebsanteile verhindert wird. Wäre dies der Fall, dann kämen histochemisch bei dieser Methode, was das Chloridbild betrifft, die mas- der nervösen Zentralorgane im Lichte der Chloridmethode. 135 kierten oder freien Halogene des Cytoplasmas überhaupt nicht in Frage. Es ist aber auch eine zweite Möglichkeit vorhanden, auf die Unna®®°) aufmerksam gemacht hat, nämlich die, daß von dem einwirkenden Silbernitrat nur die Salpetersäurekomponente in die Zelle eindringt. Ich möchte die Entscheidung zwischen beiden Möglichkeiten offen lassen, bis weitere Untersuchungen vorliegen. Daß man bei der Silber- nitratbräunung bestimmter Gewebsteile nicht nur an Albuminate, sondern auch an Lipoide zu denken hat, dafür sprechen Versuche, in denen Gehirnbrei mit Alkoholäther vorbehandelt wurde, doch sind diese Versuche nicht so geklärt, daß ich näher darauf eingehen möchte. Eine dritte Reaktion tritt im Silberpräparat an den mesodermalen Gebilden auf. Es finden sich schwärzliche Reaktionsprodukte, die nicht von Phosphaten herrühren können, da HNO, ohne Einfluß ist. Da die Silbernitratlösung sauer ist, kann man auch nicht an eine Re- duktion des Ag,Cl zu metallischem Silber an diesen Stellen denken. Ich bezeichne diese histochemischen Produkte, die sich vom morpho- logischen Gesichtspunkt aus als organisch erweisen, vorerst mit dem Ausdruck „sehwarze Substanz‘, ohne ihre histochemische Natur näher klären zu können. Ich möchte aber glauben, daß es sich um eine Reaktion des Bindegewebes oder elastischen Gewebes handelt. Auf einen wichtigen Punkt möchte ich noch hinweisen. In ganz vereinzelten Fällen erhieltich Gebilde, die als From mann sche ?) Streifen oder Linien in der Literatur bekannt sind. Sie beruhen, wie man heute an- nehmen muß, nicht auf histologischen, sondern physikalisch-chemischen Vorgängen. In meinen Präparaten erweisen sie sich als aus Ag,Cl-Körnchen bestehend. Das Ag,Cl, dessen Körner dann immer Streifen bildeten, trat in diesen Präparaten überall in Gebilden auf, in denen es histologisch nicht erwartet werden kann. Ich nenne als solche Gebilde Gefäßwand, Markscheide, Achsenzylinder, Dendriten, Ganglienzellenkörper. Ich stelle mir vor, daß hier das Silberchlorid regellos in die Gewebe diffun- dierte, die daß Eindringen nach vorheriger Schädigung ihrer Grenz- flächen ermöglichten. Wenn diese Gewebe aber nicht geschädigt sind, wie es in den meisten meiner Präparate auch aus anderen Gründen an- zunehmen ist (Nachfärbung nach Nissl), dann bleibt die Diffusion und damit der physikalische Vorgang aus. III. Histologische Kritik der Methode. Betrachten wir das mit der Silbermethode behandelte Material nach Lichtwirkung makroskopisch, so sehen wir, daß es in seiner Tönung das Negativ des unbehandelten Gewebes darstellt. — Die Teile, die im unbehandelten Gewebe als graue Substanz sich gegen die weiße Sub- stanz abheben, sind im Silberpräparat heller gelblich gefärbt, während die weiße Substanz einen dunkleren gelblich-bräunlichen Farbenton 136 F. Groebbels: Der allgemeine Aufbau des Ernährungssystems annimmt. Man sieht dies an der Großhirnrinde, am Rückenmarks- querschnitt, helle Schmetterlingsfigur auf dunklem Grunde, an der unteren Olive, die sich als helles Gebilde von der dunkler gefärbten Umgebung abhebt. Untersuchen wir den histologischen Grund dieser Erscheinung, so finden wir, daß diese hellere Gesamtfärbung von der Anhäufung der bei Silberfärbung ungefärbt bleibenden Ganglienzellen herrührt, während überall dort, wo das gliöse Gewebe überwiegt und relativ dicht steht, die Farbe dunkler bräunlich ist. Daß die Körnchen- strukturen histochemisch Chloride und Phosphate anzeigen, haben wir oben gesehen. Histologisch ergibt sich nun die Frage, ob diese Struk- turen als regelloser Niederschlag oder als präformierter durch das Gewebe bedingter Niederschlag auftreten. Hierüber ist zu sagen: Der Umstand, daß bei der Methode die Einwirkung des Silbernitrates der Fixierung des Gewebes vorausgeht, bedingt keine Verschiebung der histologischen Komponenten dieses Gewebes. Durch die Einwirkung der Silbernitratlösung auf das Gewebe bildet sich vielmehr sofort eine feste Silbernitratproteinverbindung, welche die eingetretene Fällung der Chloride in,Form des Chlorsilbers an den OÖrtenfesthält, wo die Chloride vor der Behandlunglagen. Handelte es sich um den physikalischen Vorgang der Diffusion des AgCl im Gewebe, so müßte sich das AgCl überall da, wo es Wider- stand findet, also an den Membranen und soliden Gewebsteilen, nieder- schlagen. Oder aber es müßte, vorausgesetzt, daß die Membranen der Cytoplasmen geschädigt sind, in die soliden Substanzen eindringen und in diesen Gebilden nach physikalischen Gesetzen das Bild der Frommannschen Streifen schaffen. Aus dem Prinzip heraus, daß Stellen, wo das Gewebe mit AgCl über- sättigt ist, mit solchen, wo es an AgCl verarmt ist, abwechseln müßten, ergäbe sich weiterhin eine ungleiche Verteilung des AgCl-Bildes. Die Möglichkeit, daß in meinen Präparaten der physikalische Vorgang der Diffusion vorliegt, wird durch folgende Tatsachen widerlegt. Einmal mit Wahrscheinlichkeit durch das gleichmäßige histologische Bild der Chloridstrukturen in allem verarbeiteten Material. Zweitens durch das Bild der Verteilung dieser Chloridstrukturen. Der Achsencylinder bleibt stets körnchenfrei, an den Pyramidenzellen der Großhirnrinde zeigt immer nur ein bestimmter Dendrit die Körnchenstruktur, während an den Vorderhornzellen alle Dendriten diese Körnchenstruktur zeigen. Das Körnchenbild der Dendriten entspricht nicht dem protoplasma-. tischen Dendritenbild, wie es andere Färbemethoden darstellen. Drittens liegen die Ag,Cl-Körnchen in den Gefäß- bzw. Capillar- systemen, in denen wir sie physiologisch erwarten. Durchspülung mit hypertonischer NaCl-Lösung vermehrt die Körn- chen, Durchspülung mit einer.der Ringerlösung isomolekularen Lösung der nervösen Zentralorgane im Lichte der Chloridmethode. 137 aus Natriumnitrat, Kaliumnitrat, Calciumnitrat und Natriumkarbonat schwemmt sie aus. Viertens beweist das Freibleiben der Protoplasmen an Körnchen im unreduzierten Präparat und das Gelingen der Nisslfärbung nach der Silberbehandlung, daß von einer Diffusion des AgCl in die Protoplasmen keine Rede sein kann. Aus all diesen Befunden ist der zwingende Schluß zu ziehen, daß das ‚‚Chloridäquivalentbild, d.h. das Bild der Ag,Cl- Körnchen, die das Äquivalent des NaCl darstellen, präformierte Struk- turen anzeigt. Die in Hunderten von Präparaten nur einige Male erhaltenen From- mannschen Streifen in der oben angegebenen Verteilung stellen einen physikalischen Vorgang der Diffusion dar, ergeben also ein Bild, das seiner ganzen Anordnung nach nicht histologisch-präformiert gedeutet werden kann. Dieses Bild, verglichen mit dem oben geschilderten, zeigt uns den Gegensatz zwischen dem physikalischen Diffusionsbild und dem präformierten Bild der Chloridstrukturen deutlich und ist nur wiederum ein neuer Beweis dafür, daß es sich in den Präparaten, welche ich meinen Untersuchungen zugrunde lege, um histologische, nicht physikalische Gesichtspunkte handeln muß. Wenn ich in einigen weiteren Präparaten die Frommannschen Streifen nur an den Den- driten erhielt, so setzt das voraus, daß das Chloridbild nur an den Dendriten auftrat. Diese Präparate stellen also eine Kombination eines physikalischen Vorganges mit einer histologischen Verteilung dar. Ferner möchte ich bemerken, daß das „Chloridäquivalentbild‘ nicht eine sekundäre histochemische Ausfällung der Chloride aus dem Cytoplasma nach außen sein kann. Wäre letzteres der Fall, so müßte man eine schwere Schädigung des Cytoplasmas durch eine solche Fäl- lung annehmen. Diese Schädigung liegt aber nicht vor, wie das nach- trägliche Gelingen der Färbung nach dem Nisslprinzip in seinen Haupt- charakteristica beweist. Wenn also, so schließe ich weiter, im nicht- durchspülten Material das Chloridäquivalentbild gelinst und nach- träglich das Cytoplasma erhalten ist, wenn ferner im chloridfrei ge- ‚machten Material das Chloridäquivalentbild nicht mehr gelingt und das Cytoplasma ebenfalls erhalten bleibt, so können diese Körnchen- strukturen nur den Ausdruck von zwei morphologischen Gebilden dar- stellen, entweder die Füllsubstanz von präformierten Hohlräumen außerhalb des Cytoplasmas oder aber von solchen präformierten Räu- men an der Peripherie desselben. Was die zweite Reaktion betrifft, die Bildung von Silbernitrat- albuminat, das im Lichte gebräunt wird, so tritt sie histologisch u.a. an einem Gewebe auf, das ich als Gliareticulum anspreche. Als nervöses Grau möchte ich es aus dem Grunde nicht ansehen, weil das nervöse Gewebe als solches im Silberbild überhaupt nicht zur Darstellung kommt. 138 F. Groebbels: Der allgemeine Aufbau des Ernährungssystems Es ist nun das Wertvolle dieser Silberbehandlung, daß dabei all die Gebilde nicht gefärbt werden, die das Nisslprinzip oder das polychrome Methylenblau färberisch angreift. Man braucht also nur nach einer, dieser beiden Methoden nachzufärben, um zwei sich vollkommen ergänzende und nicht beeinflussende Färbemethoden an einem Schnitt zu erhalten. Betrachten wir das nach dieser Doppelbehandlung gefärbte Gewebe in seiner Gesamt- heit, so erscheinen gelblich-bräunlich: das Gliareticulum, die Gefäß- bzw. Lymph- sefäßwände. blau: alle Elemente des Nisslbildes, also alle Kerne, die Nissl- struktur der Ganglienzellenkörper und Gliazellen, die Dendritenansätze. Das ganze Bild wird beherrscht von den bräunlich-violetten Ag,Cl- Körnchen, die in bestimmter präformierter physiologischer Weise an- geordnet sind. Vereinzelt finden sich ferner schwarze Körnchen von Silberphosphat und eine schwarze Substanz organischer Natur, die am mesodermalen System in Erscheinung tritt. Nicht dargestellt werden die Neurofibrillen, die Achsencylinder, die Markscheiden, die Gliafasern. Unter vielen Tausenden von Gang- lienzellen fand ich nur bei einigen am Achsencylinderhügel vereinzelte Körnchen. Die Markscheide bleibt ebenfalls körnchenfrei und ist in der Großhirnrinde als weißes, streifiges Gebilde zu sehen. Doch scheint dieser Befund für das Rückenmark inkonstant. Im peripheren Nerven färbt sie sich gelblich. Daß die Gliafaser nicht zur Darstellung kommt, läßt aufihre besondere histochemische Natur in der Gesamtglia schließen. Drei Gesichtspunkte sind es, die diese Methode von allen bisher beschriebenen unterscheiden: l. daß sie ektodermal nervöses, ektodermal gliöses und meso- dermales Gewebe in einem Präparat gleichzeitig festhält; 2. daß sie den histologischen Ausdruck der physiologischen Ver- teilung einer histochemisch bekannten Substanz (Chlorid, Phosphat) im Zentralnervensystem darstellt; 3. daß sie nicht nur solide Substanzen, sondern Spalträume histo- logisch zum Ausdruck bringt. An Untersuchungsmaterial standen mir zur Verfügung: Hunde, Katzen, Kaninchen, Mäuse. Von menschlichem Leichenmaterial wurde nur solches verarbeitet, das makroskopisch keinen pathologischen Be- fund zeigte. Zur Kontrolle wurden mehrere Tiere tot oder lebend mit 5—Sproz. NaCl-Lösung durchspült. Einigen Lösungen wurde Neutralrot oder Fluoresceinnatrium zugesetzt. Alle erhaltenen histo- logischen Bilder, sowohl die des normalen wie experimentell durch- spülten Materials stimmten in ihren Ergebnissen vollkommen mit- einander überein. der nervösen Zentralorgane im Lichte der Chloridmethode. 139 Ü. Die Ergebnisse. Die bisherigen mit meiner Methode angestellten Untersuchungen der Großhirnrinde, des Ammonshorns, des Kleinhirns, des ver- längerten Markes, des Rückenmarkes, des Spinalganglion und peripheren Nerven von über 60 verschiedenen nervösen Zentralorganen hat zahl- reiche Ergebnisse zutage gebracht. Wenn ich sie hier ausführlicher darlegen will, so bin ich mir der Verantwortung bewußt, die jeder auf sich nimmt, der neue, bisher kaum erörterte Probleme anschneidet und zu beweisen sucht. Ich bin mir auch dessen bewußt, daß jede histologische Analyse einer neuen, noch nicht eingeführten Färbe- methode viel subjektive, persönliche Anschauungen enthalten wird. Ganz abgesehen aber davon, daß dieser letzte Punkt für die bisher bekannten histologischen Methoden am Zentralnervensystem überhaupt gilt, das beweist die nicht einheitliche Auffassung der Autoren in allen Hauptfragen, so glaubte ich andererseits zur Bekanntgabe einer Reihe von Befunden berechtigt zu sein, die sich zu einem äußerst wichtigen und noch kaum in den Anfängen bekannten System, zu dem System der Ernährung der nervösen Zentralorgane vereinigen lassen. Was die Darlegung meiner Ergebnisse betrifft, so habe ich sie nach den Gesichts- punkten des ektodermalen und mesodermalen Gewebes getrennt. Am Schlusse bin ich dazu übergegangen, aus den Einzelbefunden unter Hinzuziehung histologischer und physiologischer Gesichtspunkte die Synthese zu einem Gesamtsystem zu versuchen. I. Das ektodermale System. a) Der Ganglienzellenkörper und der pericelluläre Raum. Abb. 1—2. Mikrophot. 1. Die Frage der Struktur des Ganglienzellenprotoplasmakörpers ist auch heute noch umstritten. Im Gegensatz zu Schultze?!), Nissl??) und Bethe?®?), die von fibrillärer Struktur sprechen, hält Bütschli?*) die primäre Struktur der Ganglienzelle für wabenartig, Held?°») für vakuolenartig.. Von Lenhossek?%) beobachtete an mehreren Spinalganglienzellen vakuolenartige helle Flecke, die an der Peripherie gelegene, rundliche oder elliptische Gebilde darstellen. Sie sind nach diesem Autor substantieller Natur und enthalten Körnchen. Er hat eine solche Zelle in seinem Buche, Abb. 19, abgebildet. Es erhebt sich hier vor allem die Frage, ob wir die ungefärbten Strukturen des Zelleibes, die wir sehen, als ein primäres oder als ein sekundäres Produkt aufzufassen haben. In unseren, nicht nachbehandelten Silberpräparaten ist der Ganglien- zellenkörper ungebräunt und erscheint als glasiges Gebilde, das be- stimmte Strukturen im Inneren und an der Peripherie erkennen läßt Was die Peripheriestrukturen betrifft, so möchte ich diese als sekundäre Erscheinungen auffassen; denn es ist die Möglichkeit in Betracht zu ziehen, daß das Silbernitrat, falls es nicht in die Zelle eindringt oder 140 F. Groebbels: Der allgemeine Aufbau des Ernährungssystems nur mit einer Komponente, der Salpetersäure, die Oberfläche der Zelle verändert, mag diese nun eine Membran bilden oder nicht. Untersuchte ich an meinen Silberpräparaten eine große Reihe Pyramidenzellen in der motorischen Rinde des Menschen, so fielen mir darunter immer einige auf, die nicht die Peripheriestruktur zeigten, welche das Nisslbild vermuten läßt, während viele andere Zellen auch ungefärbt in ihren Konturen dem Nissibild entsprachen. An allen anderen Zellen, auch an Spinalganslienzellen, habe ich diese besonderen Peripheriestrukturen vermißt. Es handelt sich um 6—8S und mehr kernähnliche, mit einigen blassen Körnchen organischer Natur versehene Gebilde, die den Kern über- und umlagern, sich an manchen Stellen wie übereinanderschieben, an anderen gegeneinander abgeflacht eine protoplasmatische homogene Z/wischenschicht erkennen lassen. Die Summe dieser homogenen Zwischenschichten bildet oft sehr deutlich eine Wabenstruktur. Zahl und Anordnung der Gebilde sprechen dagegen, daß es sich hier um gliöse oder mesodermale Kerne handelt. Man hat den Eindruck, daß diese Bildungen leicht kugelig nach außen gewölbt sind, so daß die Zelle in ihrer Gesamtheit eine brombeerartige Oberfläche erhält. Man sieht nun weiterhin schon bei schwacher Vergrößerung manche Zellen geschwärzt. Bei starker Vergrößerung erkennt man dann ein aus Körnern, Bröckeln und Schollen mehr oder weniger kontinuierlich aufgebautes, der Peripherie der Zelle aufliegendes Gerüst, das auf Zusatz von HNO, sich auflöst, also aus Phosphaten besteht. Dieses Gerüst findet sich nun deutlich immer auf den Zwischenflächen der kernähnlichen Bildungen gelagert und stellt also wohl den Ausdruck dafür dar, daß Phosphate morphologisch oder artefiziell zwischen den kugelig sich wölbenden Flächen der Zellperipherie festgehalten werden. Auffallend ist, daß nur wenige Pyramidenzellen diese Peripheriestruktur zeigen. Das könnte vielleicht gegen eine sekundäre Erscheinung sprechen, da der chemische Eingriff ja in allen Zellen derselbe war, man könnte auch daran denken, daß die Ganglienzelle ihre Form, so wie es Wieders- heim?”) an der lebenden Zelle beschrieben hat, fortwährend ändert, so daß wir also in den verschiedenen Bildern nur den Ausdruck ver- schiedener Grade fixierter Formzustände hätten. Von Lenhossek %®) hat an der Spinalganglienzelle einen freien hellen Randsaum beobachtet. Auch ich gewann den Eindruck, sowohl im einfach wie doppelt ge- färbten Präparat, daß man an einigen Zellen eine homogene Randzone unterscheiden kann. Hier hätten wir dann vielleicht auch für die Ganglienzelle den morphologischen Ausdruck einer physiologisch zu postulierenden Zellmembran. Was den Kern der ungefärbten Zelle betrifft, so fand ich in ihm ein Netzwerk, das wohl vollkommen dem Nisslbild entspricht, ein Kernkörperchen und ein unscharfes Krystalloid. Sehr deutlich war an manchen Pyramidenzellen eine Kernmembran zu der nervösen Zentralorgane im Lichte der Chloridmethode. 141 sehen, wie sie schon von Lenhossek 6?) für die Spinalganglienzelle be- schrieb. Bei Nachfärbungen nach Nissl habe ich nie wabige Struk- turen des Protoplasmas erhalten. In den ungefärbten Zellen habe ich Gebilde, die der färbbaren Substanz Nissls entsprochen hätten, nicht mit Sicherheit nachweisen können. Fragen wir nach der physiologischen Bedeutung der Substanz, die als Nisslsubstanz bezeichnet wird, so können hier zwei Anschauungen vertreten werden. Einmal kann man annehmen, daß diese Substanz den Ausdruck von einem Ernährungs- material für die Ganglienzelle darstellt. Man kann zweitens daran denken, daß sie aktives Material ist, das der nervösen Funktion des Leitungsvorganges dient. Ich möchte mich für die Anschauung Ca- jals!®) entscheiden, der diese Substanz als Nährstoff betrachtet und ihr eine Beziehung zum Leitungsvermögen abspricht. Ist es richtig, daß die färbbare Substanz die Fällung von Nährstoffen der Zelle dar- stellt, so kann man weiter schließen, daß diese Fällung unter Um- ständen ihrer Anordnung nach die Wege desihr zugrunde liegen- denErnährungsstromes bezeichnen kann. Von Lenhossek?%%) hat den Gedanken geltend gemacht, daß die Nisslschollen ihrer Lage nach den Ausdruck einer nach den Dendriten hin gerichteten Strömung darstellen. Ich möchte diesen Gedanken teilen, wird er doch durch meine Gesamtbefunde vollkommen gestützt. Das Vorhandensein der Fällungen in den Dendriten in Form von Schollen und Verzweigungs- kegeln beweist, daß ein Ernährungsstrom in dieser Richtung läuft. Andererseits spricht das Fehlen dieser Fällungen in den Achsencylindern dafür, daß diese am Ernährungsstrom aktiv nicht beteiligt sind. Jede Ganglienzelle finde ich von einem freien Raum umgeben, dessen Begrenzung nach innen der Gangelienzellenkörper, nach außen das unten beschriebene pericelluläre Netz darstellt. Dieser pericelluläre Raum ist von Obersteiner?3°) beschrieben und als präformiert ge- deutet worden. Golgi?®) und Held ?%*) betrachten ihn als Retraktions- produkt. Da bei meiner Methode im Gewebe die Tendenz der Schrump- fung nicht besteht, man sieht dies am besten an den perivasculären Räumen, so möchte ich den freien Raum um die Zelle mit Oberstei- ner2°) als präformiert deuten. Ich finde stets, besonders an den Pyramidenzellen, einige gliöse Zellelemente in der äußeren Begrenzung dieses Raumes, locker im Gewebe nach innen zu vorspringend, liegen, ich finde diesen Raum auch, wie dies schon Obersteiner beobachtet hat, in den perivasculären Raum übergehend. b) Die Neurosomen und das pericelluläre Netz. Mikrophot. 1. Held ?>*) hat feine, regelmäßige Körnchen beschrieben, die der Ganglien- zellenoberfläche aufliegen und auf ihre Fortsätze übergreifen sollen. Er sah diese Körnchen auch dort, wo scheinbar fremde Nervenfäden an den Zellkörper heran- Pflügers Archiv f. d. ges. Physiol. Bd. 193. 10 142 F. Groebbels: Der alleemeine Aufbau des Ernährungssystems treten und unterschied ein nervöses Terminalnetz aus Körnchenhaufen und Ver- bindungsfäden. Held hielt diese Strukturen für protoplasmatisch und nannte sie Neurosomen. Bethe?®’), der sog. Neurosomenhaufen beschrieb, hielt die Held- schen Neurosomen für, Zerfallsprodukte des Golginetzes.. Smidt?®) ging wohl von einem richtigen Gedanken aus, als er auf Grund seiner Studien am Helix die Vermutung aussprach, Helds Neurosomen sollten mit Körnchennetzen identisch sein, die sich bei Golgimethode in der. Zelle von Helix darstellen lassen. Und zwar sollte das Prinzip der Neurosomendarstellung darauf beruhen, daß die Neuro- somensubstanz die Natur von Anionen hat, sich also z. B. mit Metallen verbindet. Meine Methode läßt mir persönlich keinen Zweifel darüber, daß die Heldschen Neurosomen nichts anderes darstellen, als Chloride, wie sie in meinen Präparaten in unten beschriebener Anordnung um Gang- lienzelle und Zellfortsätze zum Ausdruck kommen. Histochemisch würde es sich hier um eine Reaktion zwischen dem Cl als Neuro- somenanteil und dem Ag” des Reagens handeln. Mit der Beschreibung des pericellulären Netzes, die nun folgt, gehen wir auf das eigentliche gliös-ektodermale Gewebe über, enger gefaßt auf die Beziehungen dieses Gewebes zum Ganglienzellenkörper. Die Ansichten über die Natur des pericellulären Netzes dürften auch heute noch in keiner bestimmten Richtung entschieden sein. Golsi?”), dem wir die erste Beschreibung dieser Struktur verdanken, hielt sie für ein Neurokeratingerüst, eine Ansicht, die durch die Verdaulichkeit der Struktur widerlegt ist. In der Folge ist dieses Netzgebilde als nervöses[Cajal!®), Donagsgio®), Wolff?), Nissl2), Bethe),S. Meyer), Türner’und Hunter®%)], gliöses [Held®), Auerbach®), Fankhauser°®), Adam- kiewicz’””)] und nervös-gliöses [von Economo®®)] aufgsfaßt worden. Bei der Beschreibung dieser Struktur an Hand meiner Methode möchte ich betonen, daß sie nur die gliöse Komponente darstellt. Man sieht an allen Zellen das gelblich-bräunlich tingierte Gliareti- culum Helds3®P) in Form eines Netz- und Maschenwerkes die sanglienzelle umspinnen. Eine deutliche Trennung dieses Ma- schenwerkes vom sogenannten Füllnetz Bethes, welches ich in dem übrigen Teil des Gliareticulums erblicke, tritt nirgends in Erscheinung. Die sehr innigen Beziehungen, welche dieses pericelluläre Netz mit den Trophospongien der Dendriten und der Glia eingeht, werden weiter unten erörtert werden. c) Die Dendriten und der Achsencylinder. Abb. 3—5. Mikrophot. 1. Die Frage der Morphologie und Physiologie der Dendriten hat seit dem Bestehen der histologischen Technik des Zentralnervensystems die Forschung lebhaft beschäftigt. Wir können in dieser Frage unterschei- den die Histologie des Dendritenverlaufs und der Dendritenendigung und das sich an das histologische Bild anknüpfende Bild der physiologi- schen Dendritenfunktion. der nervösen Zentralorgane im Lichte der Chloridmethode. 143 Wir wissen, daß sich im Golgibild der Dendrit als ein mit Varikositäten be- setzes, rauh aussehendes Gebilde darstellt, das nicht selten einen reifartigen Be- satz zeigt. Diese beiden Erscheinungen sind viel diskutiert worden. Sie sind von den einen [v. Lenhossek °®%), Cajal!*), Iwanoff°’),, Turner *°), Shin- kischi-Hatai!!), Soukhanoff*?), Stefanowska®®?)] als präformiert, von den anderen [Kölliker**), S.Meyer°®®), Weil und Frank *°), Obersteiner °8)] als Kunstprodukte betrachtet worden. Vor allem ist hier Bethe??‘) zu nennen, der darauf hinwies, daß man sich den Besatz der Golgidendriten als Ausdruck der Mitimprägnation des umgebenden Gewebsnetzes vorstellen könne. Eine Reihe von Autoren haben Dendritenanastomosen beschrieben. So Dosiel’‘) an den Nervenzellen der Netzhaut, Bielschowsky und Wolf’) an den Purkinjeschen Zellen. Turner?) hat auf Grund einer besonderen Methode interzelluläre Den- dritennetze dargestellt. Im Gegensatz zu diesen Beobachtern haben von Len- hossek?%°) und Cajal!*) Dendritenanastomosen streng bestritten. Was die Endigungen der Dendriten betrifft, so stehen sich auch heute noch zwei Anschauun- gen gegenüber. Nach der einen, ichnenne von Lenhossek?°°"), Cajal!*) und van Gehuchten*®), enden die Dendriten frei oder mit einem Terminalknötchen. Nach eineranderen Anschauung, Gerlach®®), Boll’®), Bela Haller°!), Golgi?’), Sala°?) leitet sich von ihren Endzweigen ein echtes Netz zarter Nervenfasern ab. Nach Golgi?”), der dies mit seiner Methode erwiesen zu haben glaubte, enden sie um die Blutgefäße. Aus diesen beiden Ansichten ergibt sich nun ohne weiteres die Ver- schiedenheit der physiologischen Auffassung dieser Gebilde, welche die ganze Literatur durchzieht. Die Auffassung der Dendriden als nervöses oder aber auch als nutritives Organ. Im Gegensatz zu denjenigen, welche die Dendriten nur alsnervöse Gebilde auffaßten, ichnenneRabl-Rückhardt°®),Soukhanofft?), Stefanowska#?), Cajal!*), van Gehuchten®®), Gad’!), Bechterew’), mußte Golgi”’) auf Grund seiner histologischen Befunde zu der Auffassung gelangen, daß den Dendriten nur eine nutritive Funktion zukommt und stellte sich vor, daß diese Gebilde den Ernährungsstrom aus den Gefäßen nach der Zelle ansaugen. Von einer nutritiven Funktion der Dendriten sprechen ferner von Lenhossek*%), Schiefferdecker’®), Gurewitsch?’) und Bechterew°°). Gehen wir nach diesen Vorbemerkungen zu unseren eigenen Fest- stellungen über. Hier möchte ich vorausschicken, daß meine Methode über die nervöse Natur der Dendriten keine Schlüsse zuläßt. Indem sie aber mit Hilfe des Chloridäquivalentbildes die Saftsysteme im Zentralnervensystem darstellt, ist sie imstande, bezüglich der Den- driten als Nutritionsorgane wichtige und bis heute noch nicht festgestellte Befunde zu geben. Betrachten wir zunächst den Dendritenverlauf. In all meinen Präparaten stellt der Dendrit ein feines, aus Ag,Cl-Körnchen bestehendes Gebilde dar, das ich als tropho- spongiöses Gebilde auffasse. Während es mir nun gelang, deutliche Anastomosen mehrerer Dendritentrophospongien festzu- stellen, konnte ich dagegen nirgends Gebilde finden, die den Varicosi- täten und reifartigen Belägen des Golgibildes entsprochen hätten. Auch ist die Zahl der feinen Seitenzweige, die jedes Dendritentropho- spongium abgibt, weit geringer als im Golgibild. Da es mir gelingt, auch im Gliareticulum ein feines Ag,Cl-Netz darzustellen, und da dieses Netz die Dendritentrophospongien überall umspinnt, scheint es mir 10% 144 F. Groebbels: Der allgemeine Aufbau des Ernährungssystems wahrscheinlich, daß die als reifartiger Besatz beschriebene Bildung der Dendriten im Golgibild den morphologischen Ausdruck für die Mit- imprägnation von Netzen darstellt, welche die Dendriten zwar be- rühren, aber nicht zu ihnen gehören. Ich möchte in dieser Frage also dt Alle Mikrophotogramme von Präparaten. Methode Phase I + II hom. Imm. Apochrom. 3, Proj. Oc.2. Vergrößerung 500 fach. Mikrophotogramm 1. Hirnrinde, Mensch + Grippe. Erklärung siehe oben. die Anschauung Bethes?*) teilen. Verfolgen wir nun ein Dendriten- trophospongium bis zu seiner Endigung, so können wir nach unserer Methode feststellen, daß diese Endiguug auf mehrere verschiedene Arten erfolgt. Einmal bildet das Dendritentrophospongium einer Zelle um eine fremde Zelle ein pericelluläres, trophospongiöses Den- dritennetz, an dessen Aufbau entweder das Trophospongium des der nervösen Zentralorgane im Lichte der Chloridmethode. 145 Hauptdentriten oder eines seiner Seitenzweige beteiligt ist. Jedes pericelluläre trophospongiöse Dendritennetz liegt im pericellulären trophospongiösen Glianetz der fremden Zelle und wird von mehreren Dendritentrophospongien fremder Zellen gebildet. Becker°®) hat vor vielen Jahren Befunde veröffentlicht, die er durch Behandlung mit wässeriger, gesättigter Neutralrotlösung am lebenden Kaltblüter er- halten hatte. Er fand, wenn er die Tiere kurz vor dem Verenden tötete und das Zentralnervensystem untersuchte, im Ganglienzellen- körper feingefärbte Körnchen, die zum Teil auf die Dendritenansätze übergriffen. Der Achsenzylinder war immer körnchenfrei. Becker hat diese Körnchen für identisch mit Nisslschollen gehalten. Ich möchte sie für den Ausdruck der Füllung des trophosponeiösen pericellulären Netzes ansehen, das ich mit meiner Methode um die Ganglienzelle dar- stellen konnte. Bei einer Katze, welche ich mit 4proz. NaCl + Neutral- rot durchspülte, fand ich rot gefärbte Körner dicht um den Ganglien- zellkörper gelagert und auf den Dendritenansatz übergreifend. Diese Körner lagen nicht im Cytoplasma selber. Das Cvtoplasma färbte sich an einigen Zellen vielmehr deutlich homogen rosa, der Kern trat dunkler rötlich gefärbt hervor. Ich kann mir diese Befunde, ebenso wie die von Becker nur so erklären, daß der eingespritzte Farbstoff auf prä- formierten Wegen an die Peripherie der Zelle gelangte. Jedes tropho- spongiöse pericelluläre Dendritennetz einer fremden Zelle geht in meinen Bildern in ein, der Eigenzelle peripherdichtangelagertes Körnchennetz über. — Dieses Körnchennetz setzt sich dann, nach- dem es mit dem pericellulären trophospongiösen Dendritennetz in Ver- bindung getreten ist, in das Dendritentrophospongium der umsponnenen Zelle fort. Daß es sich bei all diesen Bildungen um Ausfüllung von Spalträumen handelt, wurde bereits oben auseinandergesetzt. Bei den mit isomolekularer Nitratsalzlösung durchspülten Tieren fand ich im Doppelpräparat nur das Nisslbild, das Chloridäquivalentbild der Tropho- spongien war geschwunden. Erwähnen möchte ich, daß Larionoff°?) an Hand einer eigenen Methode Pyramidenzellen mit einem dicken, sich verdoppelnden Dendriten dargestellt hat. Ebenso nun wie dem pericellulären Raum ein perivasculärer ent- spricht, entspricht in meinen Präparaten dem pericellulären tropho- spongiösen Dendritennetz ein perivasculäres trophospongiöses. Es handelt sich hier offenbar um die Bildungen, die Golgi?) mit seiner Methode dargestellt hat, und die mich schon rein morphologisch ver- muten lassen, daß bei der Golgimethode die Chloride eine Rolle spielen. In meinen Präparaten sehe ich immer einige Dendritentrophospongien der Pyramidenzellen, der Purkinjeschen Zellen, der Doppeipyramiden- zellen des Ammonshornes, der Zellen des verlängerten Markes und der motorischen Vorderhornzellen des Rückenmarkes in Gestalt eines peri- 146 F. Groebbels: Der allgemeine Aufbau des Ernährungssystems vasculären trophospongiösen Dendritennetzes an den Gefäßen enden. Und zwar spannen sich diese Körnchennetze netzartig über das Gefäß hinweg zur anderen Seite. Das Dendritentrophospongium bildet ein trophospongiöses Maschenwerk in der als gliöse Grenzmembran be- schriebenen Bildung um die Gefäße. Bemerkenswert aber erscheint es mir, daß nicht alle Dendritentrophospongien in dieser Weise sich ver- folgen lassen. Viele ziehen deutlich über Gefäße hinweg und verlieren sich im Gewebe. In der Molekularschicht der Großhirn- und Kleinhirnrinde, sowie im verlängerten Mark einiger Tiere konnte ich einen weiteren Befund erheben. Ich sehe hier die Dendritentropho- spongien zahlreich von 1-4 in den Verlauf zwischengeschalteten, wand- und kernlosen Hohlräumen durchsetzt. Auffallend ist, daß überall die AgsCl-Körnchen in diesen Hohlräumen immer nur gegen den zentralen Rand zu gelagert erscheinen, so daß das Dendriten- tropkosponsium mit diesen Körnern die Form eines T bildet. Das Dendritentrophospongium endet nun entweder mit solch einem Hohl- raum, oder es schaltet diese in seinen Verlauf ein, um schließlich an einem Gefäß zu enden bzw. im Gewebe sich zu verlieren. Diese Hohl- räume halte ich aus mancherlei Gründen für präformiert. Sie er- scheinen durchweg regelmäßig gebaut und die Molekularschicht der Großhirnrinde ist durchsetzt von ihnen. Sie sind also da zahlreich, wo viele Gefäße liegen und sind oft nahe diesen Gefäßen gelagert. Ob Held>°) mit Beschreibung eigenartiger Kammern der marginalen Glia- zellen ähnliche Gebilde gemeint hat, diese Frage bleibt offen. Ich möchte diese Bildungen für Lymphspalträume halten und die Vermutung aussprechen, daß sie irgendeine Beziehung zur Ent- stehung des Liquor haben. Untersuchungen über diese Frage sind im Gange. Sehr wichtig, besonders in physiologischer Beziehung, er- scheint mir nun die Feststellung, daß die trophospongiösen Netze in den verschiedenen Teilen des Zentralnervensystems verschiedenangeordnetsind. So finde ich das pericelluläre tropho- spongiöse Dendritennetz ausgesprochen in der Großhirnrinde, wo meh- rere Zellen hintereinander geschaltet liegen. Hier ist es aber immer nur ein Dendrit, der sich mit Hauptast- oder Seitenzweigen an der Bildung des Netzes beteiligt. Ich möchte diesen Dendriten, welcher nach der Peripherie hin verläuft, und in seinem Trophospongium oft weithin verfolgbar ist, als Chloridfortsatz der Pyramidenzelle ab- grenzen. lm verlängerten Mark und Rückenmark finde ich dagegen andere Verhältnisse. Hier sehe ich oft mehrere Dendriten einer Zelle in Gestalt der Trophospongien sich an fremde Zellen anlagern. An den Purkinjeschen Zellen und Zellgruppen des Ammonshornes habe ich pericelluläre trophospongiöse Dendritennetze vermißt. Ebenso ver- schieden verhält sich je nach der Lokalität das perivasculäre tropho- der nervösen Zentralorgane im Lichte der Chloridmethode. 147 spongiöse Dendritennetz. Während auch dieses Netz an den Pyramiden- zellen immer nur vom Chloridfortsatz gebildet wird, manchmal nach Umbiegen dieses Fortsatzes zentralwärts, finde ich im verlängerten Mark und Rückenmark oft alle Dendriten der Zelle in Gestalt solcher Netzwerke an den Gefäßen enden. Dasselbe gilt für die Purkinjeschen Zellen. Im Ammonshorn konnte ich an den Doppelpyramidenzellen immer nur einen Fortsatz in Gestalt eines Trophospongium bis zu den Gefäßen verfolgen und zwar den, welcher nach dem Stratum lacunosum hin verläuft. Wie weiter unten näher besründet werden soll, sind die Gefäße, an denen die Dendritentrophospongien enden, venöser Natur. Aus der Tatsache des Unterschiedes all dieser Verhältnisse je nach der Region, an der wir sie untersuchen, dürfte eine große Reihe wichtiger Fragen physiologischer und pathologischer Natur geknüpft sein, die vielleicht nun eine weitere Erklärung erfahren können. Schon oben wurde darauf hingewiesen, daß der Achsencylinder mit meiner Methode nicht zur Darstellung kommt. Ich möchte daraus schließen, daß er also nicht an dem System der Ernährung aktiv beteiligtist, das meine Methode festhält. Aus der schon jetzt klar hervorspringenden Tatsache des unmittelbaren Zusammenhanges aller das Ernährungs- system der nervösen Zentralorgane bedingenden Komponenten möchte ich indirekt schließen, daß auch das System der nervösen Leitung, welches von der Ernährung abhängig sein dürfte, einen Zusammenhang darstellt und mir scheint die Anschauung, welche mit Fibrillen einen solchen Zusammenhang herstellt, den nach meinen Befunden zu for- dernden Beziehungen zweier Systeme besser gerecht zu werden als die Neuronenlehre. d) Die Neuroglia. Abb. 6—8. Wie allgemein bekannt, besteht die Neuroglia aus Gliazellen, Gliafasern und dem Gliareticulum. Beginnen wir mit der Besprechung der Gliazelle, so hat Held?>”) in seiner klassischen Arbeit über den Bau der Neuroglia protoplasmagroße und protoplasmakleine Zellformen unterschieden und den Gliazellen in der Nähe der Ganglienzellen, denen er eine direkte Beziehung zu den pericellulären Netzen zuschreibt, eine Sonderstellung eingeräumt. Die Gliazelle ist entweder rein proto- plasmatisch, oder aber sie zeigt in ihrem histologischen Bilde Fortsätze. Diese Fortsätze sind histologisch wie chemisch zweierlei Natur, und man hat aus diesen Gesichtspunkten heraus Gliafaser und protoplasmatischen Fortsatz voneinander unterschieden. Was die Gliafaser betrifft, so dürfte die Frage, ob sie als ein von der Gliazelle abhängiges [Kölliker??), Deiters®?), Golgi??), Reinke®®) Robert- son®%), Pelligi®°), Obersteiner?®), Held?°)] oder unabhängiges Gebilde [Ran- vier®%) Weigert‘%), Huber‘) Yamagiva®®) Marinesco‘°)] aufzufassen ist, auch heute noch umstritten sein. Sowohl Deiters®?)-Golgi??) wie Ranvier‘®)- Weigert‘®) glaubten, daß die Gliafasern ohne Anastomosen im Gewebe laufen und sprachen von einem Gliafilz. Es ist das große Verdienst Helds?°”), auf die Bedeutung der protoplasmatischen Glia, des Gliareticulums, hingewiesen zu haben. 148 F. Groebbels: Der allgemeine Aufbau des Ernährungssystems Dieses Gliareticulum ist nach ihm identisch mit Bethes Füllnetz und an der Bildung der pericellulären Netze beteiligt. Die Anschauung Helds ist später vielfach, so von Fankhauser®®), bestätigt worden. Wollen wir nun weiter be- trachten, wie sich die Beziehungen der drei gliösen Elemente zu den Gefäßen gestaltet. Von vornherein ist anzunehmen, daß besondere Grenzbildungen vor- liegen müssen. Held?’b) hat diese Bildungen sehr eingehend studiert und be- schrieben. Er zeigte, daß die protoplasmatischen Fortsätze der Gliazellen der diffusen Glia um die Gefäße eine aus Gliafüßen zusammengekittete mit einem Häut- chen versehene Grenzmembran bilden, die Membrana limitans gliae perivascularis. Er zeigte ferner, daß die Gliafaser in diese Füße übergeht oder durch sie hindurch- ziehend in der gliösen Grenzmembran weiterläuft. Bevan Lewis”) und An driezen‘!) glaubten, bestimmte Faserfortsätze der Gliazelle als Gefäßfortsätze abtrennen zu müssen. In jüngster Zeit hat dann Cajal!?") mit einer eigenen Methode diese Verhältnisse besonders zur Anschauung gebracht. Gehen wir nach diesen histologischen Vorbemerkungen zur Frage der Funk- tion der Neuroglia über, so ist diese Funktion einmal als nervöse [nervöses Grau Nissl??), Obersteiner?®)], stützende [Held?), Eurich’”!)] und isolierende [Cajal!®), Eurich”!)] aufgefaßt worden. Eine große Reihe von Forschern hat der Glia eine nutritive Funktion zugeschrieben. So vor allem Held?’P), welcher bemerkt, daß es besonderen Untersuchungen vorbehalten bleiben muß, den Anteil der Glia für die Saftbewesung in ihrem Protoplasma oder in ihren Maschen noch näher festzustellen. Ferner Obersteiner?®°) und Schaffer”?*). Nach letzterem sollen die Gliafüße eine Filtervorrichtung darstellen, die die Strömung des Blut- plasmas zu den Ganglienzellen ermöglicht. Von besonderer Bedeutung erscheint mir in dieser Frage auch, daß Spina und Veynar”?) am überlebenden Hirn von Frosch und Triton Bewegungen und fortwährende Änderungen des Glianetzes beobachten konnten. Schließlich sind hier noch die Injektionsversuche von Behr ®) am Nervus opticus zu nennen, die ihn zu der Auffassung führten, daß die Glia beim Flüssigkeitswechsel der nervösen Substanz die Hauptrolle spielt, sozusagen das Lymphsystem dieser Substanz darstellt. Gehen wir zur Beschreibung unserer Präparate über. Wie ich schon oben bemerkte, werden die Gliafasern bei meiner Methode nicht zur Anschauung gebracht. Nur bei einem Tiere, das ich mit der oben be- schriebenen Nitratsalzlösung stundenlang durchspülte, gelang es mir, in der gliösen Randschicht der Großhirnrinde neben der zelligen Glia des Nisslbildes die faserige Glia als braune Faser darzustellen. Dieses bis jetzt Zufall gebliebene Färbungsbild scheint die Anschauungen Helds®P) zu bestätigen. Die Fasern nehmen hier als chemisch differenzierte Substanzen ihren Ausgang vom Zellprotoplasma und lagern sich in ihrem Verlauf vielfach über eine fremde Gliazelle, so daß man den Eindruck vorgetäuscht bekommt, als stände eine solche Faser mit dieser fremden Gliazelle in einem direkten oder indirekten histo- logischem Zusammenhang. Ich möchte danach glauben, daß vielleicht alle Fasern, welche das Protoplasma der Zelle durchsetzen oder es tangential berühren, nur Ausläufer einer fremden Zelle sind; die von anderen vielfach beobachteten Beziehungen der Faser zu den Gefäßen fand auch ich in meinen Präparaten bestätigt. Zu Anfang dieser Arbeit war von einem gelblich-bräunlichen Gewebe die Rede, das in den Silber- der nervösen Zentralorgane im Lichte der Chloridmethode. 149 präparaten zur Darstellung kommt. Dieses Gewebe stellt das Held- sche Gliareticulum dar und ist in Form eines feinsten Netz- und Maschen- werkes überall ausgebreitet. Je nach der Lokalität, was Dichte und Anordnung der Maschen betrifft, verschieden. Die Ansichten vieler Autoren über die Ernährungsfunktion der Glia, die Beobachtungen von Binswanger und Berger”), die Karminkörner nach der Injektion in Gliazelle und Gliafäden wiederfanden, von Becker’®), der nach Neutralrotinjektion bestimmte Körnchengebilde an der Gliazelle be- obachtete, lassen nur den Schluß zu, daß im gliösen Gewebe ein Spalt- system in Form eines feinen Trophospongiums vorhanden sein muß. Nehmen wir nun an, daß dieses Spaltsystem, dessen Träger die proto- plasmatische Glia ist, mit Chloriden erfüllt ist, und färben nach meiner Methode, so müssen wir überall, wo diese Chloride sind, Ag,Cl-Körnchen erhalten. Dies ist tatsächlich der Fall. In all meinen Präparaten erhalte ich solche nach Dichtigkeit und Quantität wechselnde oft feinste Körnchennetze, diein dem Gliareticulum eingelagert sind. Ich kann mich nicht des Eindruckes erwehren, daß diese Körnchen, die das Chloridäquivalentbild der Glia darstellen, mit jenen körnigen Massen identisch sein könnten, welche Held”®) hier beschrieb. In meinen Präparaten läßt sich nun weiter verfolgen, daß diese Körnchen- netze sowohl in das pericelluläre trophospongiöse Dendritennetz über- gehen — pericelluläres trophospongiöses Glianetz, als auch das Dendritentrophospongium maschig umgeben = trophospongiö- ses, gliöses Füllnetz. Dieses Füllnetz bildet um die Gefäße ein eigenes Netzwerk und schafft, das Gefäßrohr im Gliareticulum netz- artig umgreifend, ein perivasculärestrophospongiöses Glianetz. neben der entsprechenden Struktur der Dendritentrophospongien. Be- merken möchte ich, daß ich die Ag,Cl-Körnchen auch an den Gliazellen nie in das Protoplasma eingelagert finde. Sie liegen vielmehr immer am Rande der Zelle. Wenn wir nun nach unseren Präparaten annehmen müssen, daß das Chloridäquivalentbild im Gliareticulum liegt, so kann dies Gewebe nichts anderes als eine Stützsubstanz des Äquivalent- bildes bedeuten, welche Auffassung sich hieraus für den Gesamtaufbau des Zentralnervensystems ergibt, werden wir unten sehen. II. Das mesodermale System. Abb. 6—10. Mikrophot. 2 und 3. Das mesodermale System der nervösen Zentralorgane ist von allen Systemen, die in Frage kommen, das am wenigsten geklärte, woraus wir schon von vornherein schließen können, daß seine Erforschung mit sehr erheblichen Schwierigkeiten verbunden ist. Wenn die Methode, welche meiner Arbeit zugrunde liest, gerade hier die meisten neuen Gesichtspunkte histologisch wie physiologisch aufrollt, so ist die Zahl 150 F. Groebbels: Der allgemeine Aufbau des Ernährungssystems der an die Zirkulation geknüpften und noch zu lösenden Fragen damit keineswegs eingeengt. Gehen wir von dem gegenwärtigen Stand unserer Kenntnisse aus, so können wir eigentlich sagen, daß uns histologisch nur Anfangs- und Endpunkt der Zirkulation im nervösen Zentralorgan bekannt sind. Der Anfangspunkt in Gestalt der kleinsten arteriellen Capillaren, welche den Nährstrom des Blutes ins Gewebe leiten. Der Endpunkt in Gestalt gewisser als Lymphräume bezeichneter Gebilde um die Gefäße, die u.a. die Aufgabe haben sollen, den Gewebestom aus dem Gewebe wieder abzuführen. Die histologischen und physio- logischen Komplexe aber, die zu postulieren sind, damit die Strömung in bestimmter geordneter Richtung zwischen Anfangs- und Endpunkt stattfindet, sind uns nicht bekannt. Betrachten wir zunächst die arterielle Kapillare. Sie stellt ein aus Adventitia und Endothel gebildetes, feines Rohr dar und zeigt im histologischen Bild rund- liche, ovale, Adventitial- und schmale, längsgerichtete, wetzsteinförmige Endothel- kerne. Held?’’) hat die Frage eines ununterbrochenen Zellhäutchens, das diese Kerne zu einem geschlossenen Rohr verbindet, offen gelassen. Springen wir zur Betrachtung des allgemein angenommenen Endpunktes der Zirkulation über, so hat man um die Gefäße bekanntlich zwei Räume unterschieden: Den Virchow -”®) Robinschen?”) Raum zwischen Gefäßwand und adventitieller Scheide und den Hisschen’®) Raum zwischen adventitieller Scheide und gliöser Grenzmembran. Golgi?’), hat diesen letzteren für ein Kunstprodukt erklärt und Held?’‘) hat diese Anschauung später geteilt, nachdem er den Nachweis einer mit der gliösen Grenzmembran festverwachsenen Bindegewebshaut erbracht zu haben glaubte. Was die Frage betrifft, welche physiologische Deutung diesen Befunden von Seiten der Autoren zugeschrieben wurd,e so haben wir damit gleichzeitig die Frage der Verbindung des Anfangs- und Endpunktes, d.h. mit anderen Worten des Lymphstromsystems angeschnitten. Es hat nicht an Forschern gefehlt, die das Vorhandensein besonderer histologischer Gebilde für die Lymphströmung ver- neinten. So glaubten Obersteiner”®)undv. Lenhossek?%*) mit der Annahme von mit Lymphe durchtränkten Spalten im Gewebe auskommen zu können. Schon oben sehen wir, wie die Forschung von verschiedenen Gesichtspunkten aus immer wieder an dieses Problem herantritt und wie Held??’), Bevan Lewis’”®) Andriezen®!), Schaffer”?) der Neuroglia, Golgi?’) den Dendriten eine Rolle in diesem System zuschreiben. Man hat sich vorgestellt, daß die beiden um die Gefäße liegende Räume den Säfteaustausch vermitteln, der hier in doppelter Richtung von innen nach außen, von außen nach innen, stattfindet. Mag man diesen Säfteaustausch nun rein physikalisch (Filtration, Diffusion, Osmose) oder aktivistisch durch spezifische Membrantätigkeit erklären, der Physiologie dürften aus dieser Anschauung einer doppelt gerichteten diffusen Strömung immer große Schwierigkeiten der Erklärung erwachsen. Und so hat es denn nicht an Versuchen gefehlt, das ganze Problem auf die Existenz richtiger Lymphkapillaren und Lymphsysteme hinüberzuspielen. Schon die Beobachtung Friedmanns”®), der an der äußeren Wand des perizellulären Raumes mitunter einen schmalen Körper beobachtet und als Kern einer endo- thelialen Auskleidungszelle deutet, weist auf die Möglichkeit einer innigen Be- ziehung zwischen Gefäßsysteme und Ganglienzelle hin. Adamkiewicz®"°) hat dann mittels Injektion von Karminleim an den Intervetebralganglien des Plexus brachialis zu zeigen versucht, daß sich hier Gefäße, die er als Vasa serosa anspricht, handschuhförmig um die Ganglienzelle legen, um weiter zu laufen und der nervösen Zentralorgane im Lichte der Chloridmethode. 151 in einer Kapillare zu endigen. Kronthal®!) hat auf den gewichtigen Gesichts- punkt hingewiesen, daß die kleinsten Gefäße viel zu eng seien, als daß man sich in ihnen die Strömung von Blutkörperchen vorstellen könne. Er, ähnlich Roß- bach und Sehrwaldt®2) und Riedel®?) glaubten denn auch, das Vorhandensein richtiger Vasa serosa im Zentralnervensystem annehmen zu können. Ich möchte, auf meine Befunde übergehend, zunächst die Struktur und den weiteren Verlauf einer arteriellen Capillare beschreiben. Prä- parate von mit hypertonischer NaCl-Lösung durchspülten Tieren Mikrophotogramm 2. Ganglienzelle mit Lymphkapillare. Hund. Durchspülung 8%, NaCl. setzten mich gerade hier instand, diese Verhältnisse in besonderer, bisher nicht erreichter Weise zur Anschauung zu bringen. Betrachte ich in meinen Präparaten von Gehirn und Rückenmark ein als arteriell anzusprechendes Gebilde, so besteht es aus einer feinen bräunlichen Wand, die das Lumen begrenzt. Diese Wand zeigt zweierlei Kerne, größere ovale oder rundliche, die man als Adventitialkerne ansprechen kann und längsgerichtete, tiefer färbbare, wetzsteinförmige, die Endo- thelkerne. Jedes dieser kleinsten Gefäße finde ich nun von einem Netzwerk protoplasmatischer Glia umhüllt, oft in der Weise, daß zwischen Netz- und Gefäßwand ein schmaler Spalt sichtbar wird. In dem protoplasmatisch-gliösen Maschenwerk sind kleine Chloridkörnchen 152 F. Groebbels: Der allgemeine Aufbau des Ernährungssystems netzartig angeordnet. In manchen Gefäßen finde ich nun dem Gefäß parallel gerichtete, sich verästelnde bräunliche Fasern, die der Gefäßwand selber angehören. In anderen Präparaten, besonders in denen durchspülter Tiere, sehe ich ziemlich regelmäßig in kleinen und auch größeren Gefäßen ein Wandmaschenwerk ausschwarzer Substanz. Ich möchte dieses Maschenwerk, das in den kleinsten Capillaren direkt segmentartig hintereinander — sie gleichen hierin gewissen pflanzlichen Gebilden — angeordnet ist, als Ausdruck einer organischen Substanz (Bindegewebe?) betrachten. Wird man schon hierdurch an gewisse bekannte Bildungen der Lymphgefäße erinnert, so das noch mehr, wenn wir die Capillare weiter verfolgen. Hier finde ich, sowohl beim Menschen wie bei der Katze, daß manche Capillaren in eine kolbige Erweiterung übergehen, die entweder anscheinend geschlossen ist, oder aber in ihrer Circumferenz weitere Capillarrohre aussendet. Auch die Wand dieser Gebilde besteht aus einem bräun- lichen oder schwarzen Maschenwerk, und sie sind sowohl hierdurch als auch durch die sie begleitenden mesodermalen Kerne als direkte Erweiterungen der sie bildenden Capillaren charakterisiert. Ferner möchte ich auf weitere eigenartige Gebilde eingehen, die ich im Rücken- mark eines Hundes finde und nicht für Kunstprodukte halte. Ich sehe hier an mehreren Stellen ein Gefäß kleinen Kalibers von einer eigen- artigen korbartigen Struktur umgeben, die aus zahlreichen, durchaus gleichmäßig gebauten, bräunlichen Maschenfäden besteht. Mit starker Vergrößerung sieht man, daß diese Maschenfäden feinste Ag,Cl-Körnchen enthalten. Ob es sich hier um Grenzflächen solider Gebilde oder um ein hohles Maschennetz handelt, kann ich nicht entscheiden. Sehr be- merkenswert scheint es, daß in dieses Maschenwerk sowohl gliöse als mesodermale Zellelemente eingelagert sind. Ich möchte diese Struk- turen, deren Natur mir bis jetzt vollkommen unklar bleibt, vorerst als mesodermale Körbe bezeichnen. Held hat sich seinerzeit dahin geäußert, daß ihm die histologische Verbindung gewisser mesodermaler Kernelemente, die er als Ausdruck kleinster Capillaren ansah, fehle. Durch die Darstellung der Chloridäquivalentbilder in den präformierten Spaltsystemen des Gewebes gelang es mir, den von Held geforderten Zusammenhang solcher Kerne zu erweisen und damit auch diese feinsten Capillaren darzustellen. In zahlreichen Präparaten von mit hyper- tonischer NaUl-Lösung durchspülten Tieren finde ich die arteriellen Capillaren in noch feinere capillare Gebilde sich fortsetzen. Oft in der Weise, daß die arterielle Capillare sich in mehrere Ästchen aufteilt. Ein jedes dieser Ästchen stellt eine Ag,Cl-Körnchenlinie dar, die von weit auseinanderstehenden Endothelkernen begleitet ist. Auch in diesen Strukturen habe ich manchmal netzartig angeordnete schwarze Substanz feststellen können. Was ihre Kerne betrifft, so finde ich sie der nervösen Zentralorgane im Lichte der Chloridmethode. 153 sehr spärlich, oft nur an der Stelle, wo sich die Gebilde teilen. Die für die physiologische Auffassung der Gebilde sehr wichtige Frage, ob sie eine direkte Fortsetzung der arteriellen Capillaren darstellen, oder aber, ob sie diesen seitlich geschaltet sind, kann ich nach meinen Bildern nicht eindeutig entscheiden. In den meisten Präparaten hatte ich den Eindruck, daß es sich um Seitenzweige der Capillaren handelt, in einigen aber, daß netzartige Strukturen zwischengeschaltet sind. Wir werden Mikrophotogsramm 3. Mesodormaler Korb. Hund. auf diese Frage noch unten zurückkommen. Diese capillaren Strukturen scheinen mir außerordentlich bedeutungsvoll. In allen Präparaten konnte ich feststellen, daß sie unmittelbar zur Ganglienzelle in Be- ziehung treten. Gehe ich auf diese Verhältnisse ein, so finde ich die Anschauung von Adamkiewicz in einigen Punkten bestätigt. Ich sehe nämlich an vielen Stellen diese Gebilde die Ganglienzelle um- greifen. Die Peripherie der Ganglienzelle ist dann von einigen Endothelkernen umlagert. Ein Beweis dafür, daß die Capillare hier besondere mesodermale Strukturen bilden muß, die aber wm 4 F. Groebbels: Der allgemeine Aufbau des Ernährungssystems 1 Qt vom Ganglienzellenkörper immer getrennt bleiben. Was den Zu- sammenhang zwischen Capillare und Ganglienzelle weiter hetrifft, so finde ich zwei Typen: die arterielle Capillare teilt sich entweder in mehrere Ästchen, von denen jedes zu einer einzelnen Nervenzelle tritt, oder aber erst ein solches Ästchen läuft, nachdem es einen Zweig an eine Ganglienzeile abgegeben hat, zu einer anderen Ganglienzelle weiter. An einigen Zellen sah ich ferner deutlich, daß der Zutritt der Capillare zur Zelle immer an einer anderen Stelle erfolgt als der Abgang der Dendriten. Die Frage, ob diese Bildungen nun den Ausdruck einer histologischen bzw. physiologischen Endigung darstellen, werde ich unten näher zu erörtern haben. Das eine, daß mesodermale Strukturen vorhanden sind, die zur Ganglienzelle in räumlich-histologische Beziehung treten, scheint mir durch meine Präparate sichergestellt zu sein. Es bleibt noch zu erwähnen, in welchen Teilen des Zen- tralnervensystems ich diese Strukturen fand. Ich sah sie beim Menschen wie bei allen von mir untersuchten Tieren am ausge- prägtesten im Rückenmark (motorische Vorderhornzelle) und ver- längerten Mark. Ferner an den Doppelpyramiden des Ammons- hornes, wo die Gefäße des Alveus in dieser Weise an die Zelle heran- treten. Auch an den Purkinjeschen Zellen gewinne ich den Ein- druck, daß sie mit dem Gefäßästchen der Kleinhirnrinde solcher- lei Beziehungen eingehen. Schließlich möchte ich noch auf zarteste, im verlängerten Mark, besonders Oliva inferior, auftretende Körn- chenfäden hinweisen, die in ziemlich regelmäßigen Abständen kleinste dunkle kernähnliche Punkte zeigen. Ihre Bedeutung kann ich nicht entscheiden. Gehen wir zur Betrachtung des perivasculären Raumes über, so haben wir bereits vier Gebilde beschrieben, die am Zustandekommen dieses Raumes beteiligt sind, das Gefäß, das protoplasmatische Glia- reticulum, das perivasculäre trophospongiöse Dendritennetz, das peri- vasculäre trophospongiöse Glianetz. Indem die drei letzteren Gebilde ein trophospongiöses gliös gestütztes Maschenwerk schaffen, das dem pericellulären Maschenwerk in seiner Zusammensetzung entspricht, in dem ferner das Gefäß mit seiner den Virchow-Robinschen Raum bildenden Adventitialscheide in dieses Maschenwerk eingelagert ist, entsteht der Hissche Raum. Ich möchte also die Existenz einer zu- sammenhängenden gliösen Grenzmembran ablehnen und an ihrer Stelle von einem Maschenwerk sprechen, das die äußere Begrenzung des Hisschen Raumes bildet. Der Hissche Raum ist in meinen Prä- paraten durchweg sehr eng, oft nur als schmalster Spalt sichtbar. Der Virchow-Robinsche Raum kommt in meinen Präparaten nicht deutlich zum Ausdruck. der nervösen Zentralorgane im Lichte der Chloridmethode. il III. Spinalganglion und peripherer Nerv. Abb. 11. Mikrophot. 4 und 5. Die Spinalganglienzelle ist bekanntlich von einer kernhaltigen Hülle umgeben, deren Natur verschieden ausgelegt werden kann. So unterscheidet Müller°®) eine ektoplastische Membran der Zelle, die wahrscheinlich in die Schwannsche Scheide übergeht und eine Kapsel, die mit der Henleschen Scheide des Ausläufers in Zusammenhang steht. Ähnlich spricht von Lenhossek?°”) von einer binde- gewebigen Kapsel, die an der Innenfläche ein einschichtiges Epithel trägt und sich in die Henlesche Scheide fortsetzt. Obersteiner”°°) erwähnt eine Kapsel aus Endothelzellen. Betrachte ich eine Spinalganglienzelle im Silberpräparat, so finde ich sie vielfach von einem bräunlichen, mit Ag,Cl-Körnchen besetzten Netzwerk umgriffen, in dessen Fenster ungefärbte Kerne sichtbar sind. Da ich das bräunliche Netzwerk auf den Fortsatz übergreifen sehe, möchte ich es für gliöser Natur halten und glauben, daß das als Kapsel beschriebene Gebilde aus zwei Komponenten besteht, aus einem einschichtigen inneren Epithelbelag und einem äußeren gliös-proto- plasmatischen Netzwerk. Verfolge ich diese Verhältnisse im Doppel- präparat weiter, so sehe ich jetzt die Kapselkerne, blau gefärbt, eine ziemlich gleichmäßig gebaute Struktur um die Zelle bilden. Was mir aber hier von größter Bedeutung scheint, ist die Tatsache, daß man kleine, durch mesodermale Kerne gut charakterisierte Ge- fäße bis zur Zelle verfolgen kann, in der Weise, daß das Gefäß die Zelle umgreift und anscheinend in eine von zahlreichen ziemlich regellos stehenden Kernen gebildete mesodermale Hülle übergeht. Ich habe auf Grund meiner Befunde den Eindruck, daß diese Bildung mit der Kapsel nicht identisch ist, ihr vielmehr nach außen hinanliegt. Wenn ich hier auf die vielen mutmaßlichen Beziehungen der Spinalganglienzelle zur Trophik nicht näher eingehen will, so möchte ich doch nach meinen Befunden glauben, daß hier sehr komplizierte Verhältnisse vorliegen müssen. Nehmen wir nämlich an, daß die an die Zelle herantretenden Gefäße der Ernährung dieser Zelle dienen, so ist die fragliche Funktion dieser Zelle im Hinblick auf Nerv und Muskel direkt von diesen Gefäßen abhängig, ein Gesichtspunkt, der eine Ana- lyse aller in dieser Frage angestellten Experimente sehr verwickelt gestaltet. Die Befunde, welche ich am Spinalganglion erheben konnte, gleichen denen am peripheren Nerven in vieler Beziehung. Bethe??°) kam auf Grund seiner Neurofibrillenfärbung zu der Annahme, daß die Neurofibrillen das leitende Element von Markfach zu Markfach der Nerven- faser darstellen, im besonderen am Ranvierschen Schnürring ununterbrochen weiterlaufen indem sie hier durch eine siebförmig durchlöcherte Scheibe treten. In der Markscheide hat man auf Grund mannigfacher Färbemethoden vielerlei Gebilde unterschieden, auf die ich hier nicht näher eingehen will. Die Schwann- sche Scheide ist von vielen, ich nenne Obersteiner?) und Gurwitsch®), als 156 F. Groebbels: Der allgemeine Aufbau des Ernährungssystems mesodermales Gebilde angesehen worden. — Auch Weigert®®) hat sich gegen eine eliöse Bildung im peripheren Nerven ausgesprochen. Obersteiner?®°) spricht von Lymphspalträumen, welche zwischen Schwannscher und Henlescher Scheide liegen sollen, die Kerne, die der Adventitialscheide anliegen, hält er für endothelialer Natur. Gehen wir noch kurz auf den Ranvierschen Schnürring ein, so haben wir seine Beziehung zum Achsencylinder schon oben erwähnt. Seine Beziehungen zu den Nervenscheiden werden in der Weise beschrieben, daß die Schwannsche Scheide sich am Schnürring nach innen umschlägt, die Henle- sche Scheide den Schnürring überbrückt. Betrachten wir nun die Frage der Ernährung der Nervenfaser, so können wir zwei Anschauungen vertreten finden. Die eine Anschauung geht dahin, daß die Mikrophotogramm 4. Spinalganglienzelle mit Kapillare. Katze. Nervenfaser in ihrer Ernährung nicht an die Zelle gebunden ist. So glaubte v. Lenhossek?®*), daß die Faser autochthon ernährt werde, nicht von der Zelle aus ihre Ernährung empfange, und machte hier vor allem die oft sehr große Ent- fernung der Faser von der zugehörigen Zelle geltend. Er sprach von einem zellu- lipetalen Ernährungsstrom und hielt mit Ranvier‘°) die Schnürringe für die Stelle, wo die Ernährungssäfte durch die Markscheide an den Achsencylinder treten können. Von besonderer Bedeutung in dieser Hinsicht scheinen mir die Befunde Behrs”?), der am Nervus opticus zwischen Glia und Achsencylinder innige Beziehungen feststellte und hier Fädchen durch die Markscheide an den Achsen- cylinder herantreten sah. Im Hinblick auf meine unten zu erörternden Feststellun- gen möchte ich dann noch die Befunde von Quenu und Lejars°®) erwähnen, welche fanden, daß die Arterie oft im Bo&en oder schräg in den Nerven tritt und sich hier für die Primitivfasern weiterteilt. Die zweite Anschauung läuft dahin, der nervösen Zentralorgane im Lichte der Chloridmethode. 157 daß die Nervenfaser von der zugehörigen Zelle ernährt wird. Wenn wir annehmen wollen, daß Stoffe, welche die Leitfähigkeit der nervösen Substanz bedingen, auf dem Wege des Ernährungsstromes in die nervöse Substanz gelangen, so müßten wir, was die erste Anschauung betrifft, dann diese Leitfähigkeit im peripheren Nerven nicht als von der Zelle abhängig ansehen. Teilen wir aber die zweite An- sicht, so müssen die in Frage kommenden Stoffe nicht von außen, sondern von der zugehörigen Zelle her in die Nervenfaser gelangt sein. In dieser Richtung glaubten Macdonald!®) und Macallum und Menten!”) ihre Befunde deuten zu mussen. Aus der Tatsache, daß die Chloride im Achsencylinder viel reichlicher sind als außerhalb der Nervenfaser, schloß Macallum°*), daß sie nicht von außen, sondern nur von der zugehörigen Nervenzelle kommen könnten. Wenn wir die Angabe desselben Autors, daß in der Nervenzelle die Chloride nicht reichlich sind und das Kalium in ihr fehlt, während es im Achsencylinder reichlich ist, damit verknüpfen wollen, so stoßen wir von vornherein auf Widersprüche, welche uns diese ganze Ansicht als kaum genügend begründet erscheinen lassen. Ich wende mich nun den eigenen Befunden zu und betrachte zu- nächst das Silberpräparat. Fassen wir die Primitivfaser eines peripheren Nerven ins Auge, so besteht sie aus einem glasighellen Strang, dem Achsencylinder, der von der gelblichen, an manchen Stellen leicht geklüfteten, doppelt konturierten Markscheide umgeben ist. Es ist mir in meinen Präparaten nicht gelungen, Bildungen festzustellen, welche den Lantermannschen Einkerbungen entsprechen könnten. Betrachtet man eine solche Primitivfaser näher, so sieht man ihre Markscheide von einem feinen Silbersubchloridkörnchen- netz umsponnen, das in die Spalten zwischen zwei Fasern über- zugehen scheint. Die Ranvierschen Schnürringe, welche im Präparate zum Ausdruck kommen, stellen einen braunen Ring dar. Indem sich der Achsencylinder an der Berührung des Schnürringes nach beiden Richtungen auf größere oder kleinere Strecke bräunt, kommt die be- kannte Kreuzfigur zustande. Ich sehe das Körnchennetz in der Weise mit dem Ranvierschen Schnürring in Verbindung treten, daß sich an ihm die Körnchen zahlreicher anlagern. Ich sehe ferner solche etwas gröbere Körnchen in der braungefärbten Substanz des Achsencylinders. Die Natur vereinzelt stehender, gröberer bräunlicher Körner oder Bröckel, welche die Markscheide begleiten, ist mir unklar geblieben. Daß ich in den netzigen Bildungen auch schwärzliche Körner finde, die ich für Silberphosphat halte, möchte ich nebenbei erwähnen. Was nun diese Körnchennetze betrifft, so halte ich sie für den Aus- druck eines trophospongiösen gliösen Netzwerkes, das der Schwannschen Scheide der Autoren entspricht. Betrachten wir ein doppelt gefärbtes Präparat, so können wir unseren Befunden neue hinzufügen. Ich sehe hier das Nervenbündelvonzahlreichen bogenförmig oder senkrecht zur Faserrichtung verlaufen- den Capillaren durchsetzt. Verfolge ich diese Capillaren, die durch Adventitial- und Endothelkerne markiert sind, und deutliche Ag,Cl- Pflügers Archiv f. d. ges. Physiol. Bd. 19. 11 5 F. Groebbels: Der allgemeine Aufbau des Ernährunessystems {9} Oo =) Füllung enthalten, weiter, so finde ich sie fußför migin die Adventitial- scheide einer Primitivfaser übergehen, und zwar habe ich den Eindruck, daß jedes Marksegment einen solchen Capillarfuß erhält. An manchen Stellen sehe ich, wie solche Capillaren sich in mehrere übereinander gelagerte Füße teilen, deren jeder an einem Marksegment endet. msch Mikrophotogramm 5. Nervus ischiadieus. Bei X verästelt sich die Kapillare weiter an die Nervenfasern. Katze. D. Der Aufbau des Ernährungssystems der nervösen Zentralorgane. Wenn wir nun die analytisch aus den verschiedenen Gewebselementen gewonnenen Ergebnisse zu einer Synthese vereinigen wollen, so haben wir uns zunächst die Frage vorzulegen, was diese Synthese histologisch- physiologisch zum Ausdruck bringen kann. Die histochemisch-histo- logische Kritik der Methode hat ergeben, daß die Methode frei in prä- formierten Räumen vorhandene Chloride in Gestalt eines Chlorid- äquivalentbildes histochemisch-histologisch festhält. Diese präformier- ten Spalträume können nichts anderes bedeuten als Gefäßsysteme, Lymphgefäßsysteme und Saftsysteme um gewisse proto- plasmatische Strukturen, ich nenne sie Trophospongien, d. h. physiologisch gesprochen, stellt die Methode des Chloridäquivalent- bildes durch histochemisches Festhalten eines Bestandteiles den er- nährenden Säftestrom dar, kurz das Ernährungssystem der ner- der nervösen Zentralorgane im Lichte der Chloridmethode. 159 vösen Zentralorgane. A priori muß man sich vorstellen, daß die Ernährungsflüssigkeit auf bestimmten Wegen an die zu ernährende Substanz die Assimilationsprodukte heranführt und mit den Dissimi- lationsprodukten dieser Substanz beladen, auf bestimmten Wegen diese Substanz verläßt. In dem zugeführten Ernährungsstrom dürften Sauerstoff, anorganische Salze und andere Nährstoffe vorhanden sein, in dem abgeführten Ernährungsstrom Kohlensäure, Salze und Ver- brauchsprodukte des zu versorgenden Gewebes. Was im besonderen die Elektrolyte dieses Nährstromes betrifft, so kann man weiterhin annehmen, daß sie im Zentralnervensystem eine im einzelnen noch nicht geklärte Rolle beim Zustandekommen der nervösen Leitfunktion spielen. Zwei Fragen sind es, mit denen wir uns im folgenden ausein- anderzusetzen haben. Einmal die Frage des räumlichen Ver- laufes des Ernährungssystems im Gewebe, zweitens die Frage des physiologischen Gesamtströmungskreislaufes dieses Systems. Wir wollen zunächst die erste Frage erörtern. Aus der gleichzeitigen Darstellung verschiedener Gewebsarten ektodermaler und mesodermaler Natur bei meiner Methode ergibt sich von selber die Aufrollung der Beziehungen des Chloridäquivalentbildes zu den verschiedenen Gewebs- elementen. Beginnen wir bei den Arterien und verfolgen den Ernährungsstrom, den sie in Gehirn und Rückenmark führen auf seinen Wegen histologisch weiter. Es gibt eine Reihe von Tatsachen, welche dafür sprechen, daß zwischen Gefäßsystem und Ganglienzelle eine nähere Beziehung be- stehen muß. Einmal die schon von Adamkiewicz vor 20 Jahren geltend gemachte Tatsache, daß die Gefäße im Zentralnervensystem überall reichlicher sind, wo Ganglienzellen liegen. Zweitens der physio- logische Gesichtspunkt, daß der Ganglienzelle eine außerordentliche Arbeitsleistung zukommt, welche nur auf Grund einer außerordent- lichen Ernährungsmöglichkeit erklärbar wird. Die Tatsache, daß im Hunger das nervöse Zentralorgan am widerstandsfähigsten bleibt, läßt sich nur erklären mit der Annahme, daß das Zentralnerven- system sich in diesem Falle auf Kosten der anderen Organe lebens- fähig erhält, eine Annahme, die das Vorhandensein ausgedehnter Ernährungsbahnen zur Voraussetzung hat. Noch mehr als diese Ver- mutungen beweist aber der Stensonsche Versuch, daß innige Bezie- hungen zwischen Nervenzelle und Gefäßsystem bestehen müssen. Betrachten wir, auf unsere Befunde zurückgreifend, die capillaren Gebilde, welche ich histologisch bis zur Ganglienzelle verfolgen konnte, so ergibt sich als erste Frage: Gehören diese Gebildedem zuführen- den Ernährungssystem an? Ich möchte diese Frage bejahen. Ergaben schon die Injektionsversuche von Becker’), daß eingeführter 15 160 F. (roebbels: Der allgemeine Aufbau des Ernährungssystems Injektionsstoff auf bestimmten Wegen zur Nervenzelle gelangen müsse, so konnte ich auf Grund zahlreicher Versuche an Tieren, Durchspülung mit hypertonischer Kochsalzlösung, Neutralrot, Fluorescein, vom Arteriensystem aus, Injektion von Karmingelatine in die Carotis, weiterhin feststellen, daß die in die Arterienbahnen eingespritzten Flüssigkeiten in den capillaren Gebilden zu finden sind, welche an die Zelle heranreichen. Wir müssen daraus also schließen, daß diese Capillar- bildungen mit dem Arteriensystem in Beziehung stehen, cellulipetale Strömung zeigen, mit anderen Worten, zuführende Ernährungsschenkel sind. Die zweite Frage lautet: Sind diese Capillargebilde als richtige Vasa serosa auf- zufassen? Ich halte dies aus zwei Gründen für wahrscheinlich. Einmal sind diese Gebilde so eng, daß man sich in ihnen das Strömen seformter Blutelemente kaum vorstellen kann. Ferner ist es mir auch gelungen, an diesen Gebilden Strukturen in Form von Erweiterungen, Kolben und Körben darzustellen, die an uns bekannte Strukturen der Lymphcapillaren erinnern. Schließlich spricht der weitere Verlauf dieser Gebilde dafür, daß wir hier wahrscheinlich Vasa serosa vor uns haben. Handelt es sich um Lymphcapillaren, so können sie dem ar- teriellen System entweder seiten- oder zwischengeschaltet sein. Da meine diesbezüglichen Befunde. nicht eindeutig sind, muß ich diesen Punkt offen lassen. Die Injektionsversuche mit Karmingelatine können einmal so gedeutet werden, daß eine direkte Verbindung zwischen arteriellen Capillaren und Lymphcapillaren besteht. Man kann aber auch glauben, daß durch den Injektionsdruck gewisse netzige Bil- dungen zwischen beiden Systemen — ich sah solche an mehreren Stellen — gerissen sind und daher die Injektionsmasse in die Lymphcapillaren übertrat. Eine dritte Frage wäre: Hören diese Capillaren an der Zelle auf oder laufen sie weiter? Hier bestehen zwei Möglichkeiten. Entweder handelt es sich um blind endende Ästchen, die um die Zelle bestimmte Bildungen ein- gehen. Oder aber man hat nur diesen Eindruck, und in Wirklichkeit laufen die Ästehen nach Eingehen bestimmter Beziehungen im Ge- webe weiter, eine Frage, die ohne Serienschnitte nicht zu lösen ist. Ich möchte auf Grund meiner Feststellungen folgende Ansicht entwickeln. Man kann zwei Formen von Verästelungen unterscheiden. Einmal kann sich eine Capillare vorher in mehrere Ästchen teilen, deren jedes zu einer Zelle herantritt. Zweitens kann erst ein solches Ästchen, nach- dem es an eine Zelle herangetreten ist, weitere Ästchen für andere Zellen abgeben. Hier dürfte ein Problem vorliegen, das pharmakologisch von Bedeutung sein könnte. Was nun die Frage betrifft, ob diese der nervösen Zentralorgane im Lichte der Chloridmethode. 161 Gebilde um die Zelle aufhören, so möchte ich sie entschieden bejahen. Befunde, sowohl an Injektionspräparaten mit Karmingelatine, in denen ich die Injektionsmasse in den Capillaren direkt um die Zelle angestaut fand, wie auch die histologische Tatsache der Lagerung der meso- dermalen Kerne in der ganzen Circumferenz der Ganglienzelle sprechen dafür, daß wir hier Endgebilde vor uns haben. Eine vierte Frage ist schließlich: Gehen diese Capillargebilde in den Zellkörper über oder nicht? Die Tatsache, daß injizierte Karmingelatine an der Peripherie der Zelle liegen bleibt, spricht schon dafür, daß ein unmittelbarer Über- gang zwischen Capillare und Cytoplasma der Zelle nicht besteht. Daß aber an der Peripherie irgendwelche Verbindungen der Capillaren mit anderen, wie wir unten sehen werden, ab- führenden Systemen vorhanden sein müssen, dafür sprechen die Befunde, welche ich an mit hypertonischer NaCl-Lösung und Neutralrot durchspülten Tieren erheben konnte. Hier finde ich das injizierte NaCl bzw. Neutralrot in präformierten Netzstrukturen um den Zelleib an- gehäuft, Bilder, die an die von Becker’S) seinerzeit beschriebenen erinnern und nur durch Annahme eines Überganges der Capillaren in diese Systeme erklärbar sind. Die Ganglienzelle scheint also von Strö- mungsstraßen umgeben zu sein, welche aber nicht in ihr Cytoplasma eindringen. Wenn andere und ich hier eine Zellmembran gesehen zu haben glauben, so wäre in dieser dann der histologisch-physiologische Ausdruck einer Trennung von pericellulärem System und Cytoplasma- körper zu erblicken. Stellen wir uns weiter vor, daß diese Membran die Fähigkeit einer auswählenden Durchlässigkeit für Stoffe haben muß, so können wir in dem Ineinandergreifen zuführender und abführender Systeme an der Peripherie dieser Membran keinen Widerspruch be- züglich des Zustandekommens von Stoffwechselvorgängen im Cvto- plasma selber erblicken. Auch im Cytoplasma, so müssen wir annehmen, findet eine Strömung statt. Im Sinne einer cellulifugalen Innenströmung erkläre ich mir so die Anordnung der als Fällungen aufgefaßten Nissl- schollen. Hierher gehören dann auch die endocellulären Kanalsysteme, welche durch Golgi>), Holmgren?”) und viele andere Beschreibung fanden. Macallum??) glaubte, daß gerade für anorganische Sub- stanzen der Weg eines von der Peripherie her in das Uytoplasma ein- dringende Kanälchensystems charakteristisch sei. Ich möchte in dieser Frage an der Forderung einer trennenden Membran sowohl für die anorganischen wie organischen Stoffe festhalten und glauben, daß wir in dem endocellulären Kanalsystem den Ausdruck eines endocellulären Strömungssystems vor uns haben, dessen Bewegungsrichtung von der Zelle aus nach den Dendriten hin verläuft. 162 F. Groebbels: Der allgemeine Aufbau des Ernährungssystems Gehen wir in unseren Betrachtungen auf die Dendriten über, so haben wir uns die Frage vorzulegen, ob diese Gebilde als Strömungs- wege aufgefaßt, sich fugal an das Capillarsystem anschließen oder nicht, ferner ob die Strömungsrichtung in ihnen cellulifugal oder cellulipetal gedacht werden muß. Wir sahen, daß Golgi?’) den Dendriten die Aufgabe zuschrieb, den Ernährungsstrom cellulipetal an die Zelle an- zusaugen. Ich möchte dagegen, sowohl was den protoplasmatischen als auch trophospongiösen Anteil der Dendriten betrifft, eine celluli- fugale Strömungannehmen, dieeine Fortsetzung descelluli- petalen Capillarstromes darstellt. Nur aus dieser Annahme heraus glaube ich mir die Lagerung der Nisslschollen in den Dendriten erklären zu können. Daß auch die trophospongiöse Dendritenströmung cellulifugal ist, zeigen mir die experimentellen Tierversuche. Bei den Tieren, welche ich mit hypertonischer NaUl-Lösung durchspülte, finde ich im Sinne einer nach den Dendritentrophospongien sich fortsetzenden Strömung diese reichlich mit AgsCl-Körnchen beladen, während die arteriellen Capillaren und das sich an sie anschließende zuführende System an Körnchen ärmer sind. Ich sehe ferner als Ausdruck einer Anstauung des cellulifugalen Stromes in den perivasculären tropho- spongiösen Dendritennetzen die Körnchen dichter und gröber gelagert. Als weiterer Beweis gilt mir das durch isomolekulare Nitratsalzlösung kochsalzfrei gemachte Präparat.: Wenn ich hier die Dendritentropho- spongien leer finde, so kann dies nur eine Ausschwemmung des Koch- salzes durch den Durchspülungsstrom bedeuten, der, vom Arteriensystem herkommend, die Dendritentrophospongien durchlief. Oben sahen wir aber, daß die Ausläufer des Arterienstromes bzw. die Lymphcapillaren histolo- sisch an die Zelle unmittelbar herantreten. Die Ausschwemmung kann danach nur von den Peripheriegebilden der Zelleaus erfolgt sein, die Strö- mungsrichtungin den Dendritentrophospongien muß also cellulifugal sein. Betrachten wir schließlich die Glia, enger gefaßt das gliöse tropho- spongiöse System, so ergibt sich auch hier wiederum die Frage, wie wir uns den Zusammenhang dieses Systems mit dem bisher entwickelten vorzustellen haben. Injektionsversuche von Binswanger und Ber- ser”), Becker’®) und mir zeigten immer wieder, daß die Injektions- masse zum Teil in der Glia sich finden läßt. Durchspülungsversuche mit hypertonischer NaCl-Lösung zeigten das Chloridäquivalentbild der Glia vermehrt, Durchspülungsversuche mit isomolekularer Nitratsalz- lösung dieses Bild bis auf Körnchenreste geschwunden. Da der zu- führende Schenkel in der oben beschriebenen Weise zu denken ist, so muß angenommen werden, daß auch das gliöse trophospongiöse System fugal an das Capillarsystem angeschlossen ist, und zwar denke ich mir den Ausgang der cellulifugalen Gliaströmung ledig- lich am pericellulären trophosponeiösen Glianetz, nicht an den Dendriten. der nervösen Zentralorgane im Lichte der Chloridmethode. 163 In allen Präparaten finde ich die Ag,Ul-Körnchen der Glia kleiner als die in den trophospongiösen Dendritennetzen lagernden, was mir einen Über- gang beider Systeme unwahrscheinlich erscheinen läßt. In der Tatsache, daß die Verteilung dieser Körnchen quantitativ von Region zu Region wechselt, sehe ich einen physiologischen Gesichtspunkt. Hat doch schon v. Lenhossek®%?) geltend gemacht, daß man sich den Ernährungs- strom im Zentralnervensystem nicht gleichmäßigverteilt denken müsse. Das zweite hier zu erörternde Problem ist durch die Frage des Gesamtströmungskreislaufes der Ernährungsflüssigkeit gegeben. Phy- siologisch können wir fordern, daß der gesamte Ernährungsstrom seiner Richtung nach gleichsinnig in den Gesamtkreislauf eingeschaltet ist, mit anderen Worten, der Iymphatische Flüssiekeitsstrom des Gewebes, der im Chloridäquivalentbild seinen histochemisch-histologischen Aus- druck findet, muß irgendwie an das arterielle System angeschlossen sein, um in das venöse System wieder zu münden. Hier erwachsen uns nun zwei Schwierigkeiten. Es wurde oben betont, daß wir in den feinen Capillarsystemen, die wir im Gehirn und Rückenmark zur Anschauung brachten, Vasa serosa zu erblicken haben. Der Weg, den das Blut im Gewebe nimmt, muß also ein anderer sein, als der für den Lymphstrom aufgestellte. Andererseits muß dieser Lymphstrom aber schließlich mit seinem abführenden Schenkel in das venöse System münden. Was den ersteren Punkt betrifft, so gelang es mir nicht, diese Frage zu klären. Es könnte sich hier um zwei Möglichkeiten handeln. Einmal kann man ein dem Blutgefäßsystem seitengeschaltetes Lymphsystem an- nehmen, das mit der auf anderen Wegen stattfindenden Blutströmung morphologisch nicht zusammenfällt und mit ihr nur die Strömungs- richtung gemeinsam hat. Nehmen wir zweitens an, daß die Lymph- capillaren von der Zelle her weiterlaufen, um wieder in das Gefäßsystem zurückzugelangen, so ist damit die Frage der Verbindung der Gefäß- capillaren ebensowenig gelöst. Denn die Blutkörperchen nehmen ja auch in diesem Falle nicht den Weg dieser feinsten Capillaren, müssen also auch nach der zweiten Anschauung andere Straßen benutzen. Wie diese Straßen zu denken sind, darüber gaben mir meine Präparate keinen Aufschluß. Was den zweiten Punkt betrifft, so erwüchse die Auf- gabe, die Verbindung des dargestellten Lymphstromsystems mit den venösen Capillaren zu klären. Hier möchte ich bis jetzt folgende An- schauung vertreten. Wir sahen, daß die Dendritentrophosponsgien viel- fach um Gefäße enden, wir machten ferner mehrere Gründe geltend, die den in den Dendritentrophosponsien verlaufenden Strom als cellulifugal charakterisierten. Nehmen wir an, daß die Dendritentrophospongien die Dissimilationsprodukte enthalten, so müssen wir weiter glauben, daß die Gefäße, um welche diese Dendritentrophospongien enden, venöser Natur sind. So erklären wir uns dann die Tat- 164 F. Groebbels: Der allgemeine Aufbau des Ernährungssystems sache, daß die Dendritentrophospongien nicht an allen Gefäßen enden, sondern deutlich über einige hinweglaufen, damit, daß diese Gefäße dann die arteriellen Capillaren darstellen. Wir fanden die Dendriten- trophospongien an der Bildung der den Hisschen Raum begrenzenden Ernährungsnetze beteiligt. Wir sahen aber diese Beteiligung nur an einigen, wie wir annehmen, venösen Gefäßen. Der perivasculäre Raum ist aber um alle Gefäße vorhanden und wird in seiner äußeren Begrenzung an allen diesen Gefäßen durch das perivasculäre trophospongiöse Glia- netz gebildet. Hieraus kann sich nun der Schluß ergeben, daß der sliöse Ernährungsstrom im Gegensatz zu den Dendritentrophospongien sowohl um arterielle Capillaren entsteht, wie auch an venösen Capillaren endet. Im Gliareticulum findet also eine doppelte Strömung statt. Einmal eine abführende, als deren Ausgangspunkt ich das pericelluläre trophospongiöse Glianetz betrachte, deren Endpunkt in die peri- vasculären trophospongiösen Glianetze der venösen Gefäße zu verlegen wäre. Der zuführende Ernährungsstrom des Gliareticualum muß andere noch nicht geklärte Wege gehen. Auf Grund der Versuche von Behr!®), und auch auf Grund eigener Überlegungen können wir annehmen, daß diesem zweiten zuführenden Ernährungsstrom des Gliareticulums eine wichtige Rolle zufällt. Es ist eine der auffallendsten Befunde der hier beschriebenen Methode, daß der Achsenzylinder in das Chlorid- äquivalentbild nicht einbezogen ist. Es muß daraus geschlossen werden, daß die Ernährung des Achsencylinders besondere Wege geht. Und ich möchte glauben, daß diese Ernährung auf dem Wege der Glia zustande kommt und durch ein zuführendes Ernährungssystem bewerk- stelligt wird, das aus den oben angeführten Gründen entwickelt wurde. Von großer Bedeutung im Hinblick auf die entwickelten Fragen er- schienen mir nun die Befunde F. H. Lewys®8), die er durch intravitale Einführung von gelbem Blutlaugensalz in das Gehirn von Kaninchen und nachherige Behandlung mit Eisenchlorür erhielt. Es bildeten sich hier Berlinerblaustrukturen, die Lewy mit Recht für den Ausdruck der Lymphwege des Gehirns hielt, und die nach den Bildern zu urteilen meinen Befunden auffallend ähneln. In der Arbeit Lewys, die mir erst nach Niederschrift vorliegender Abhandlung in die Hände fiel, finden sich die auffallend übereinstimmenden Befunde, daß sich auch bei der Berlinerblaumethode die Körnchen am häufigsten auf den Dendriten ablagerten, am Achsenzylinder ganz selten. Eine Verbindung des endocellulären Netzes mit pericellulären Strukturen konnte nicht festgestellt werden, die Frage, ob ein mit Körnchen beladenes inter- celluläres Maschenwerk präformierte Strukturen anzeige, wurde offen gelassen. Wenn also zwei Methoden, die eine nach dem Prinzip der Einführung und Darstellung körperfremder Substanzen (das auch in meinen Untersuchungen zur Kontrolle herangezogen wurde), die andere der nervösen Zentralorgane im Lichte der Chloridmethode. 165 nach dem Prinzip der Darstellung physiologisch vorhandener Substanzen im selben Gewebe in vielem übereinstimmende Bilder ergeben, so spricht das auf das entschiedenste dafür, daß beide Methoden ein gleiches, präformiertes System zum Audruck bringen. Zusammenfassung. Fassen wir den Gesamtaufbau des Ernährungssystems der nervösen Zentralorgane nach meinen Befunden kurz zusammen, so müssen wir ihn uns bis jetzt im ganzen wie folgt vorstellen. l. Der Ernährungsstrom des arteriellen Gefäßsystems gelangt auf dem Wege von Lymphcapillaren in Gestalt eines zuführenden Schenkels unmittelbar an die Peripherie der Ganglienzelle = Strömung cellulipetal. Hier findet an der Peripherie einerseits durch physiologische Mem- branen ein Stoffaustausch mit dem zu ernährenden Gebilde statt, andererseits besteht eine Peripherieverbindung mit dem abführenden Ernährungssystem dieses Gebildes. (Befund an den Ganglienzellen im Gehirn und Rückenmark.) 2. Der abführende Schenkel des Ernährungsstromes ist durch zwei Gebilde gekennzeichnet. Einmal durch das Dendritentrophospongium, welches netzförmig an den venösen Capillaren endet; zweitens durch das pericelluläre trophospongiöse Glianetz = pericelluläres Netz der Autoren, dessen Endigung ebenfalls in Gestalt von Netzen um die venösen Capillaren erfolgt. (Befund an den Ganglienzellen im Gehirn und Rückenmark.) 3. Die Ernährung des Achsenzylinders ist nicht in das bisher entwor- fene Ernährungssystem eingeschlossen. Der Achsenzylinder erhält seine Ernährung nicht von der Zelle aus, sondern wahrscheinlich von der Glia, die neben einem abführenden, ein zuführendes Ernährungssystem enthält. 4. Die Ernährung der Spinalganglienzelle und des peripheren Ner- ven erfolgt durch Capillaren, welche mit der Zelle bzw. dem Mark: segment der Nervenfaser in Beziehung treten. Das Gliareticulum um Spinalganglienzelle und periphere Nervenfaser (Schwannsche Scheide) ist funktionell ein pericelluläres trophospongiöses Glianetz. Es ist nicht ausgeschlossen, daß auch im peripheren Nerven der Glia eine Doppel- rolle bezüglich der Ernährung der Nervenfaser zufällt. Weitere Untersuchungen über die Methode und ihre Befunde sind im Gange. Literaturverzeichnis. !)S. Fränkel, Ergebn. d. Physiol. 8, 1909. — ?) Baumstark, Zeitschr. f. physiol. Chemie 9; 208. — °) Zit. nach Tangl, Handbuch d. Bioch. 3, 1909, 2. Hälfte. — ?) Wahlgren, Arch. f. allg. Pathol. u. Pharmakol. 61. 1909. — 5) Messing, Über einige minerale Bestandteile im normalen und pathologischen Gehirn. Inaug.-Diss. Zürich 1912. — °) Apelt, Dtsch. Zeitschr. f. Nervenheilk. 166 ". 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Zeiß Obj. 7. ©Oec. 4. Abb. 4 und 5. Pyramidenzellen. Hirnrinde Mensch + Grippe. Perivasculäres trophospongiöses Dendritennetz Methode Phase I+ II. Zeiß Obj. 7. Oe. 5. Abb. 6. Kleines Gefäß. Hirnrinde Mensch + Grippe. Gefäßnetz. Perivasculäres trophospongiöses Glianetz. Methode Phase I+ II. Zeiß. Imm. 2mm. Oe. 5. Abb. 7. Lymphkapillare. Katze. Durchspülung 4% NaCl. Netz aus Methode Phase I. Zeiß, Imm. 2 mm. Oe.>. at nennen un ne 169 nen y Abb. 9. schwarzer Substanz. Abb. Ss. Kolbige Erweiterung einer Capillare. Mensch + Grippe. Methode Phasel + II. Zeiß hom. Imm. 2 mm. ©Oe. 5. Abb. 9. Ganglienzelle mit Lymphkapillare und Dendritentrophospongium. Med. obl. Durchspülung 4% NaCl. Methode Phase I+ II. Zeiß hom. Imm. 2 mm. Abb Phase I + II. Zeiß hom. Imm. 2 mm. ©0e. 4. Abb. 11. + II. Zeiß hom. Imm. 2 mm. ©0ec. 4. Oc. 4. Katze, . 10. Motorische Vorderhornzelle mit Lymphkapillarverzweigung Typus II. Hund. Methode Nervus ischiadieus. Katze. Kapillarfüße, trophospongiöses Glianetz. Methode Phase I 170 F. Groebbels: Der allgemeine Aufbau (des Ernährungssystems usw. Bezeichnungen in den Abbildungen. p = Pyramidenzelle. p2 — Purkinjesche Zelle. g: = Ganglienzelle. spg: = Spinalganglienzelle. gm = Ganglienzellenmembran. w = Wabe. zw — Zwischenwabenschicht. g9K = Kern der Ganglienzelle. sp = Gerüst aus Silberphosphat. t = Trabantzelle. giz = Gliazelle. pr = perizellulärer Raum. ptd = perizelluläres trophospongiöses Dendritennetz. dt = Dendritentrophospongium. !sp = Lymphspaltraum. pvd = perivasculäres trophospongiöses Dendritennetz- pzn — perizelluläres trophospongiöses Glianetz. pvgl = perivasculäres trophospongiöses Glianetz. igln = trophospongiöses Glianetz. g = Gefäß. gn = Netz der Gefäßwana. ss — Netz aus schwarzer Substanz. k = Kernelement. ek = Endothelkern. ka — Kapillare. l: = Lymphkapillare. mk — mesodormaler Korb. wm — wabiges Maschenwerk:. Nervenfaser. a = Achsenzylinder. msch — Markscheide. R = Ranvierscher Schnürring. I (Aus dem Institut für animalische Physiologie, Theodor Stern-Haus Frankfurt a. M. [Direktor: Prof. Dr. A. Bethe].) Über Stromdichtebestimmung und die Beziehung der Strom- diehte zum Erregungsvorgang. Von Dr. phil. et med. W. Steinhausen, Assistenten am Institut, Mit 5 Textabbilduneen. (Eingegangen am 1. September 1921.) Einleitung. In dem Handbuch der gesamten medizinischen Anwendungen deı Elektrizität von Boruttau und Mann!) findet sich bei der Be- sprechung der Wirkung der elektrischen Ströme auf tierische Gewebe folgende Bemerkung: ‚Es genügt nicht die totale Intensität, d.h. die Zahl der Ampere des den Tierkörper durchziehenden Stromes zu messen, viel wichtiger ist es, die elektrische Dichte in jedem Organ, d.h. die Intensität in der Einheit des Querschnittes des unter- suchten Organes zu bestimmen.“ In ähnlicher Weise spricht sich Hermann?) über die Stromdichte und ihre Wichtigkeit bei der Reizung lebender Organe aus. Diese Hervorhebung der Stromdichte als der Grundlage für die Beurteilung der Wirksamkeit elektrischer Ströme erscheint selbstverständlich. Ist doch die Kenntnis der Strom- dichte die Voraussetzung für eine richtige Bestimmung der absoluten Empfindlichkeit. Daneben übt auch die Stromverteilung im Kör- per einen ausschlaggebenden Einfluß auf den Reizerfolg bei zunehmen- der Stromstärke aus. Um so erstaunlicher ist es, daß Stromdichtebestimmungen so selten ausgeführt wurden. Zum Teil mag dies daran liegen, daß die direkte !) H. Boruttau, u. L. Mann Handb. d. ges. med. Anwendung. d. Elektr., 1, 558. ®) L. Hermann, Handbuch der Physiologie, I, 112, sagt darüber folgendes: „Ob die Erregbarkeit der Muskeln verschiedener Tierklassen, insbesondere der Warm- und Kaltblüter, charakteristische Unterschiede zeigt, ob z. B. bei gleicher Stromdichte in einem Frosch- und Säugetierpräparat letzteres wesentlich empfind- licher ist (Der Versuch wäre nach Art des Rosenthalschen anzustellen, und könnte sich sowohl auf direkte wie auf indirekte Reizung erstrecken) scheint noch nicht untersucht.“ D 172 W. Steinhausen: Uber Stromdichtebestimmung Messung der Stromdichte in einem körperlichen Leiter schwierig, unter Umständen unmöglich ist, und die Berechnung der Strom- dichten im Tierkörper infolge der komplizierten Leitfähigkeitsverhält- nisse und der unregelmäßigen äußeren Form des Tierkörpers oft un- durchführbar wird. Boruttau schreibt daher auch kurz nach der eingangs erwähnten Bemerkung über die Stromdichten: ‚Es ist leider unmöglich durch Zahlen die Dichte des Stromes in den einzelnen Organen am lebenden Tiere auszudrücken.‘ Darum aber auf Strom- dichtebestimmungen überhaupt zu verzichten, dürfte zu weit ge- gangen sein. Wenn auch nicht in jedem Fall eine genaue Zahlenangabe möglich ist, so können doch schon Näherungswerte unter Umständen von großem Wert sein. Für einfache Körper läßt sich aber die Strom- verteilung und damit die Stromdichte auch ganz exakt berechnen. Im Experiment lassen sich dann solche einfachen Verhältnisse in großer Annäherung verwirklichen und so ziemlich sichere Zahlen für die Stromdichten angeben. Es soll zuerst die Stromverteilung in körperlichen Leitern betrachtet werden, die wir von möglichst einfacher Form, aber doch so wählen wollen, daß wir die Ergebnisse auch experimentell prüfen können. Zu dieser Prüfung werden konstante Ströme von senkrechtem Strom- anstieg benutzt. Aus der Lage der Reizstellen in den betrachteten Körpern und der Stromstärke bei Schwellenreiz wollen wir dann die absolute Schwellenstromdichte berechnen. Weiter soll dann aus der beobachteten räumlichen Verteilung der Reizstellen und der be- rechneten Verteilung der Stromdichten versucht werden, die Gesetze der Abhängigkeit des Reizerfolges von der Reizstärke für einfache Fälle zu analysieren. Dabei ist im voraus zu bemerken, daß es uns nicht gelungen ist, ganz einwandfreie Werte für die absoluten Stromdichten selbst in den einfachen Fällen, die wir untersucht haben, zu erhalten. Die Werte selbst weichen noch zu sehr voneinander ab, als daß wir sie schon als endgültige ansehen könnten. Trotzdem glauben wir doch wenigstens eine größere Annäherung an den wahren Wert erreicht zu haben und gleichzeitig die Fehlerquellen und die Möglichkeit ihrer Beseitigung genauer aufgezeigt zu haben, als es bisher geschehen ist. Stromdichte und Erregbarkeit. Das Fehlen von Stromdichtebestimmungen ist deshalb so auf- fallend, weil die Stromdichte mit dem absoluten Wert der Er - regbarkeit, einer fundamentalen Größe der Reizphysiologie, in engster Beziehung steht. Die Bestimmung der Empfindlichkeit eines Präparates auf elektrischen Reiz ist nur möglich, wenn die Stromdichte und die Beziehung der Stromdichte zum Erregungsvorgang. 173 an der Stelle der Erregung bekannt ist. Sollen zwei verschiedene Prä- parate auf ihre Erregbarkeit hin verglichen werden, so muß vorher das Stromdichteverhältnis an den Reizstellen bestimmt sein. Auch die Vergleichung der Erregbarkeit eines und desselben Präparates nach Einwirkung verschiedener Reagentien ist nur einwandfrei, wenn dabei die Stromdichte nicht geändert wird. Bei den meisten Versuchen, die Vergleiche der Erregbarkeit bringen wollen, ist aber diese notwendige Voraussetzung nicht erfüllt. Nur ganz wenige Beispiele mögen dies erläutern. Als fundamentalen Versuch für die Vergleichung der Erregbarkeit von Nerv und Muskel führt Hermann!) einen bekannten Ver- such von Rosenthal?) an. Dieser Versuch besteht bekanntlich darin, daß der Nerv eines Nervmuskelpräparates über den entsprechenden, curarisierten Muskel der anderen Körperhälfte gelegt wird und nun eine Elektrizitätsbewegung durch den curarisierten Muskel, auf dem der Nerv des nicht curarisierten liegt, erzeugt wird. Dann. zuckt nach Rosenthal der nicht curarisierte Muskel zuerst. Selbst für den Fall, daß dies wirklich immer so wäre (in der Tat kann man den Versuch auch so leiten, daß der curarisierte Muskel zuerst zuckt), so wäre durch diesen Versuch allein die größere Empfindlichkeit des Nerven gegen- über dem elektrischen Strom noch nicht bewiesen. Dafür ist das Verhältnis der Leitfähigkeit von Muskel und Nerv zu wenig be- kannt. Nach Alt und Schmidt?) beträgt dieses Verhältnis 0,17, während es von Hermann bei der Diskussion des Rosenthalschen Versuches zu l angenommen ist. Hat der Nerv aber, wie Alt und Schmidt gefunden haben, eine größere Leitfähigkeit wie der Muskel, so ist das Rosenthalsche Resultat auch ohne die Annahme einer größeren Empfindlichkeit des Nerven gegenüber dem Muskel erklärt. Aber es kommt ja überdies nicht auf die Stromdichte im maximalen Querschnitt, der vom Strom ganz ausgefüllt wird, an, sondern nur auf die Stromdichte an den Reizstellen, also bei Stromschluß auf die Stromdichte an den physiologischen Kathoden. Ohne eine genaue Diskussion des Stromverlaufes ist die Kenntnis der Stromdichten an den physiologisch wichtigen Stellen des Objektes nicht zu erlangen. Es wäre sehr wohl möglich, daß durch besondere Umstände (Bildung von Stromschleifen usw.) beim Rosenthalschen Versuch, ganz sicher in der ursprünglichen Form, wie ihn Rosenthal !) Hermann, L., Lehrb. d. Physiol., 14. Aufl. S. 150. 1910. 2) Rosenthal, J., Moleschott, Untersuch. z. Naturlehre d. Menschen, 3, 185—194. 1857. ®) K. Alt und K. E. F. Schmidt, Pflügers Arch. f. d. ges. Physiol., 53,575. 1893; Alt und Schmidt bedienten sich bei ihren Versuchen hoher Spannungs- ströme einer Influenzmaschine. Cremer (Nagels Hdb. 4, 918. 1909) glaubt, daß ihre Resultate durch Fleischl-Effekt gestört sind. Pflügers Archiv f. d. ges. Physiol. Bd. 193. 19 174 W. Steinhausen: Über Stromdichtebestimmung selbst beschrieben hat, eine Begünstigung des Nerven gegenüber dem Muskel eintreten könnte, so daß die erhöhte Erregbarkeit des Nerven nur eine scheinbare wäre. Es müssen daher erst Unterlagen für die Beurteilung des Stromverlaufes in körperlichen Leitern geschaffen werden. Daß die Stromdichte für die Frage der Erregbarkeit und Erregbarkeits- änderung von fundamentaler Bedeutung ist, geht auch aus den vielen Arbeiten hervor, die von klinischer Seite zum Studium der Empfindlichkeit z. B. der Nerven gemacht worden sind. Als Beispiel einer solchen Arbeit, in der im übrigen die Wichtigkeit der Stromdichte ausdrücklich anerkannt wird, kann die Abhandlung von Soltmannt) gelten. Soltmann behandelt die Frage, ob die Erregbarkeit der peripheren Nerven sich mit der Entwicklung eines Tieres ändert. Er findet beim Kaninchen, daß die Erregbarkeit der Nerven kurz nach der Geburt sehr gering ist, im Vergleich zur Erregbarkeit beim erwachsenen Tier, daß sie steigt mit zunehmen- dem Alter des Tieres und im Alter von 1!/, Monaten sogar höher ist, wie beim er- wachsenen Tier. 2 Diese Resultate haben eine große Rolle in der Pathologie gespielt und sind auch heute noch so gut wie unbestritten ?). Trotzdem sind sie unseres Erachtens auf einer falschen Voraussetzung aufgebaut. Soltmann legte nämlich die beiden zu prüfenden Nerven auf je ein Paar Ludwigscher versenkbarer Elektroden und schickte den Strom eines Induktionsapparates hintereinander durch die beiden Elektrodenpaare. Um gleiche Stromdichten zu haben, legte er zu jedem der beiden Nerven noch einen ausgeschnittenen Nerven des anderen Tieres hinzu, so daß auf jeder Elektrode je ein Nerv beider Tiere lag, und somit die Elektroden von einer Nervenmasse von gleichem Querschnitt überbrückt wurden. Die mittlere Stromdichte in der Mitte zwischen. den beiden Zuleitungsdrähten könnte somit wohl angenähert gleich gewesen sein, aber damit ist die Stromdichte an der Reiz- stelle selbst, den physiologischen Kathoden, noch nicht gleich, und damit auch die Schlußfolgerung nicht einwandfrei. In der Tat sind auch die Resultate von Solt- mann äußerst schwankend und rechtfertigen nicht die weitgehenden Schlüsse, die er gezogen hat. Ein Versuch zur Bestimmung der Stromdichte an den physiologischen Katho- den ist aber in diesem Falle garnicht versucht worden und wäre auch fast aus- sichtslos, da die Größe der Berührungsfläche der Elektroden und Nervenmasse zu wenig genau bestimmt werden kann. Man könnte noch eine große Reihe von Beispielen aus der Literatur anführen, in denen auf Erregbarkeitsdifferenzen geschlossen wird ohne Berücksichtigung der Stromdichten an der Reizstelle ?). Schwellenstromdichte für die Schließungszuckungen des isolierten Sartorius bei Reizung mit konstantem Strom. Es kann bezweifelt werden, ob die Stromdichte in einem tierischen Gewebe überhaupt exakt bestimmt werden kann und zwar deshalb, weil die Reizorte selber, ebenso wie die Leitfähiekeitsverhältnisse nicht genügend bekannt sind. Immerhin lassen sich für einige ganz einfache Fälle doch auch jetzt schon genauere Angaben machen. 1) OÖ. Soltmann, Jahrb. d. Kinderheilk. N. F., 1877. ?®) Vgl. z. B. Boruttau und Mann, Hab. 3) Vgl. z. B. A. Rösner, Über die Erregbarkeit verschiedenartiger quer- gestreifter Muskeln. Pflügers Arch. f. d. ges. Physiol., 81, 105—130. 1900. und die Beziehung der Stromdichte zum Erregungsvorgang. 175 Als ein solches einfaches Beispiel ist die Reizung des isolierten Sartorius mit absteigendem Strom anzusehen. Die Muskelfasern setzen in fast regelmäßiger Folge, die im übrigen weiter unten noch eingehend untersucht werden soll, an der Endsehne an, so daß das Ende des Muskels als abgestumpfter Kegel betrachtet werden kann. Der Stromverlauf ist somit ganz einfach zu bestimmen. Die Reizung setzt am Ende jeder Faser an. Von Nerveneinflüssen kann man absehen, wenn der Muskel vorher genügend curarisiert ist). Der Berechnung lege ich die Stromstärkewerte zugrunde, die ich anläßlich der Latenzzeitbestimmung in bezug auf die Reizstromstärken gefunden habe?). Ich fand damals für die Reizschwelle: Für den Muskel 1: 6,2-10°° Amp, Für den Muskel 10:2 -10°° Amp Für den Muskel 11:1 -10°° Amp. Die Schwellenstromdichte findet man durch Division dieser Schwellenstromstärken durch den kleinsten Querschnitt, der noch Muskelfasern enthält (vgl. später). Diesen kleinsten Querschnitt habe ich durch Ausmessen von Serienschnitten festgestellt?). Für den Muskel 1 bestimmte ich ihn zu 1,65 qmm, für den Muskel 10 zu 0,56 qmm, für den Muskel 11 zu 0,33 qmm, sodaß die Schwellen- stromdichte sich berechnet zu: 3,75, 3,6 und 3,05 - 10 °® Amp./qmm, im Mittel 3,5-10°° Amp./qma. Unter Berücksichtigung der großen Fehlerquellen, die durch die wech- selnde Benetzung der Muskeln, durch die Verschiedenheit der Präparation usw. bedingt sind, ist die Übereinstimmung der Werte eine relativ gute. Eine Angabe über Schwellenstromdichten für den Muskel bei Reizung mit konstantem Strom habe ich in der Literatur nicht auffinden können. Nur eine angenäherte Berechnung aus Stromstärkebestimmungen, die von einzelnen Autoren angestellt wurden, ist möglich. Besonders eingehende Stromstärkebestimmungen sind von neurologischer Seite anläßlich des Studiums der Entartungsreaktion aus- geführt worden. Am bekanntesten sind die Untersuchungen von Stintzing?*), die noch bis in die neueste Zeit?) als Normalwerte gelten. Um aus diesen Stromstärke- bestimmungen die Stromdichte berechnen zu können, müssen wir annehmen, daß die Elektrodengröße den zu untersuchenden Muskeln in der Querschnittsfläche ungefähr entsprechen, daß also weder ein großes Zusammendrängen, noch ein Ausbreiten der Stromfäden stattfindet und daß außerdem der Winkel zwischen Stromfäden und Muskelfasern genügend klein ist. Diese Berechnung kann natürlich nur ganz angenäherte Werte geben, denn man müßte wieder die Lage der physiologischen Kathoden kennen, das heißt überhaupt eine Einsicht in den Stromverlauf haben. Die Berechnung habe ich unter den angegebenen Voraussetzungen für einige von Stintzing untersuchte Muskeln durchgeführt. Die Tabelle I gibt das Resultat: !) 1. M. Langley, Proc. of the Royal Society, 78, 170—194. 1906. °) W. Steinhausen, Pflügers Arch. f. d. ges. Physiol., 18%, 26—46. 1921. ?) Uber die Untersuchungsmethode vgl. später. ) ) » R. Stintzing, Dtsch. Arch. f. klin. Med. 39. 76—139. 1886. >) Vgl. z. B. Boruttau und Mann, Handb,, 1, 460. 12* 176 W. Steinhausen: Über Stromdichtebestimmung Im zweiten Stab sind die Werte von Stintzing, im dritten die Elektrodengrößen und im vierten Stab die daraus berechneten Stromdichten angegeben. Tabelle I. Elektrode A aka Stromdichte M. cucullaris . 1,6 M. A. 12 1,3- 10°° Amp./qmm M. deltoideus . 1,2—2 M. A. 12 170, ” M. pectoral. maj. 0,4 M. A. 6 0:7: 105° 2 M. pectol. min. 0,1—2,5 M. A. 6 0.170:.4-105° x M. serratus . . 1,0--8,5 M. A. 12 0:8.2102° N Der Mittelwert der Schwellenstromdichte ist etwas kleiner, als der von uns für den Froschsartorius bestimmte Schwellenwert der Stromdichte. Daraus auf eine größere Empfindlichkeit des menschlichen Muskels schließen zu wollen, erscheint aber nicht angängig, da einmal die Werte untereinander zu stark abweichen und andererseits die Elektrodenfläche nicht ohne weiteres ein Maß für den Querschnitt des Muskels ist. Schwellenstromdichten bei Reizung anderer Gewebe. Vergleichen wir hierzu die Werte von Schwellenstromdichten für andere Gewebe und Organe, wie sie sich in der Literatur direkt ange- geben finden oder aus den niedergelegten Ergebnissen berechnen lassen, so finden wir folgendes: Die ersten Schwellenstromdichtebestimmungen in der Physiologie rühren von Hermann und Matthias!) her. Auch wurden von ihnen Einheitsbezeichnungen vorgeschlagen, die aber bis jetzt nicht in Anwendung gekommen sind. Die beiden Autoren bezeichnen mit A die Stromstärke von 1 Ampere auf den Quad- ratmillimeter und mit ö den millionten Teil dieser Größe, also d = 10 °® A, dem- nach ist ö — 1- 10 °° Amp./qmm. Die Stromdichtebestimmungen selbst haben sie an Larven von Rana temporaria angestellt, die sie in einen mit Leitungswasser gefüllten parallelepipedischen Trog brachten. Durch geeignete Zuführung des Stromes (Stanniolbelegung der Schmalseiten) sorgten sie für parallele Stromfäden. Sie finden die erste Stromwirkung (Zuckung oder rasch vorübergehende, leichte Unruhe) bei 0,3. 10 °° Amp./qmm (= 0,3 6). Für den Fall, daß die Larven den gleichen elektrischen Widerstand haben wie die umgebende Flüssigkeit, wäre der auf diese Weise bestimmte Wert zugleich die wahre Reizstromdichte. Im anderen Falle ist er es nicht, sondern nur eine ganz lose mit der Reizstromdichte zusammen- hängende Größe. Die antidrome ga'vanotropische Einstellung beginnt bei etwa 1,5 spätestens bei 3 ö. Bei 70 ö ist die tödliche Dosis fast erreicht. Daß auch hier nicht die Gesamtstromstärke, sondern die Stromdichte das maß- gebende ist, zeigt folgende Abänderung desVersuches. Nimmt man warmes Wasser, so sollten die Schwellenstromdichten sinken, da die Tiere mit der Wärme empfind- licher werden. Aber gerade das Gegenteil ist der Fall. Je wärmer das Wasser ist, um so größer sind die aus Gesamtstromstärke und Trogquerschnitt berechneten Strom- dichten, die denselben Reizerfolg hervorrufen. Das ist nur so zu erklären, daß die Tiere nicht so rasch die erhöhte Temperatur annehmen und deshalb ihre Leit- fähigkeit sich nicht in gleichem Maße erhöht hat, wie die des Wassers. Dadurch wird die Stromverteilung verändert in der Weise, daß ein größerer Teil des Stromes durch das Wasser geht und ein kleinerer durch die Larven. !) L. Hermann und Fr. Matthias, Pflügers Arch. f. d. ges. Physiol., 5%, 391—405. 1894. und die Beziehung der Stromdichte zum Erregungsvorgang. 177. Der Einfluß der Stromdichte auf den Reizerfolg kann noch deutlicher gemacht werden, wenn man das Leitungswasser durch physiologische Kochsalzlösung er- setzt. Dann tritt die antidrome galvanotropische Einstellung erst bei etwa 30 ö ein. Daraus würde sich für die erste Zuckung etwa 3 10°° Amp./qmm ergeben, also der zehnfache Wert wie für Leitungswasser. Wie sehr die Definition der Er- regbarkeit von der Kenntnis der Stromdichte abhängig ist, zeigt weiter folgende Tatsache. Benutzt man nämlich statt der Froschlarven Fischembryonen oder Fischehen als Versuchsobjekte, so findet man unter sonst gleichen Umständen schon bei 0,1 ö Schließungs- und Umlegezuckungen, bei 0,6 ö antidrome Einstellung. Hermann und Matthias bemerken selbst hierzu, daß dieser Unterschied ent- weder auf größerer Erregbarkeit der Fische oder geringeren inneren Widerstand gegenüber den Froschlarven zurückzuführen sei. Es gehen also hier wieder Strom- dichte und Erregbarkeit als voneinander abhängige Größen in die Versuche ein. Eine genaue Bestimmung der Stromdichten bei diesen Versuchen dürfte auf un- überwindliche Schwierigkeiten stoßen. Immerhin ist es auffallend, daß die von Hermann und Matthias angegebenen Schwellenwerte, wenigstens der Größen- ordnung nach nicht sehr von den unseren abweichen. Die meisten Angaben über Stromdichten in den zahlreichen Arbeiten über gal- vanische Reizung von Infusorien, Fischen usw. beziehen sich stets auf die mittlere Stromdichte, die im Reizraum vorhanden wäre, wenn die Versuchstiere und die Flüssigkeit, in der sie sich befinden, gleichen Widerstand hätten. So finden Blasius und Schweitzer!) für die Reizung der Goldorfe im Wasser die so definierte Schwel- lenstromdichte zu 0,35—0,47 - 10°° Amp./qmm, für die Reizung eines anderen Fisches 0,2 Mikroamp./qmm bereits als starken Reiz. Eine Ratte in Wasser kann 0,9 ö vertragen ohne Zeichen von Erregung zu geben. Nach Loeb und Maxwell?) sind Ströme von 0,7 ö mittelstarke und solche von 0,7—2 ö für die von ihnen untersuchten Tiere starke Reize. In einer anderen, zusammen mit Gerry ausge- führten Arbeit?) benutzt Loeb zur Reizung Ströme von 3—5 Ö. Schwellenstromdichte bei direkter Nervenreizung. Eine Stromdichtebestimmung, die sich besser nachprüfen und definieren läßt als die bisher besprochenen, ist die Stromdichte bei Nervenreizung. Auch hierüber gibt es auffallend wenig zahlenmäßige Belege. Hermann?) gibt den Schwellenwert für den Froschischiadieus zwar nicht an, er findet aber, „daß einin Brunnenwasser (!) longitudinal durchströmter Froschischiadieus bei 0,05 ö schon das Zuckungsgesetz für starke Ströme zeigt. Ein kurarisierter Unterschenkel gibt die ersten Schließungszuckungen bei etwa 0,08 ö6. Diese ganz ungefähren Angaben gelten nur für unser Leitungswasser; für Kochsalzlösungen sind viel höhere Dichten erforderlich“. Diese hier von Hermann angegebenen Werte sind anscheinend viel zu klein, denn es ist hier wieder unter mittlerer Strom- dichte die Stromdichte beim Eintritt in das Reizgefäß aber nicht die Stromdichte im Gewebe bezw. an den physiologischen Kathoden verstanden. Überdies enthalten die Versuchsresultate große Fehlerquellen, da die untersuchten Objekte sich nicht unter physiologischen Bedingungen befanden. !) E. Blasius und Fr. Schweitzer, Pflügers Arch. f. d. ges. Physiol., 53, 493 bis 543. 1893. ?) I. Loeb und S. S. Maxwell, Pflügers Arch. f. d. ges. Physiol., 63, ®) I. Loeb und W. Gerry, Pflügers Arch. f. d. ges. Physiol., 65, 41—47. 1897. 2) Hermann und Matthiasa. a. O. S. 395. 178 W. Steinhausen: Uber Stromdichtebestimmung Sehr genaue Werte der Reizstromstärken sind von Keith Lucas!) angegeben. Aus diesen Werten läßt sich aber nicht die Stromdichte berechnen, da der Quer- schnitt des Reizgefäßes nicht angegeben ist, außerdem der Stromverlauf in seinen Flüssigkeitselektroden ?) so kompliziert ist, daß wirksame Stromdichten zu be- rechnen ausgeschlossen erscheint. Eine angenäherte Berechnung der Stromdichten gestatten die Angaben von Zanietowski°). Er findet, daß bei einer Stromstärke von 0,1- 10° Amp.,: mit der der Froschischiadieus durchströmt wird, weder bei Schließung noch bei Öffnung des Stromes eine Zuckung auftritt. Ströme von größerer Intensität bis zu 1-10 Amp. sind schwache Ströme im Sinne Pflügers, 1—20 - 10 °° Amp. geben die Reak- tion von mittelstarken Strömen *). Nimmt man den Querschnitt des Ischiadiceus zu 0,5 qmm an, so erhält man als Schwellenwert 0,05 - 10 °° Amp./qmm. Auch hier ist diese Dichte nur die untere Schwelle, denn es ist anzunehmen, daß die eigentliche Reizung an einer Stelle geschieht, an der die zu der Elektrode laufenden Stromfäden dichter sind als in der Mitte, da Zanietowski den Nerven über gerade ausge- streckte Platindrähte legte. Um beim Nerven die Schwellenstromdichte zu bestimmen, genügt es, den Schwellenwert der Stromstärke bei reiner Längsdurchströmung und den Querschnitt des Nerven selbst zu bestimmen. Eine solche Bestimmung habe ich angestellt und dabei zur Reizung die Apparate benutzt, die ich bei der Latenzzeitbestimmung des Muskels angewandt habe’). Statt des Sartorius wurde der Gastrocnemius des Frosches in einen Muskeihebel eingespannt und eine Elektrode breit auf den Muskel, die andere am Endquerschnitt des Ischiadicus angelegt. Die Kathode lag am Muskel. Dann wurden die Stromstärken für die Schwellenreizung bestimmt. Die von mir auf diese Weise erhaltenen Werte sind die folgenden: Schwellenwert: unter 0,4.10°7” Amp. Nach Zanietowski: 1,0.10°° Amp. Die zweite Stufe des -Pflügerschen Gesetzes wurde beobachtet bei 8-10°” Amp. (Zanietowski fand 1-10°6 — 2.10°° Amp.) Die dritte Stufe wurde erreicht bei einer Stromstärke von 2 - 10 °® Amp., !) Keith Lucas, Journ. of physiol., 3%, 112—121. 1908. ?) Keith Lucas, Journ. of physiol., 34, 375. 1906. 3) I Zanietowski, Sitzungsber. d. Akad. d. Wissensch. Wien. Math.- physikal. Kl., 106, Abt. 3. 183—196. 1897. 4) Bei dieser Gelegenheit bedauert Zanietowski, daß in der physiol. Literatur die Stärke polarisierender Ströme meist nur mit allgemeinen Ausdrücken bezeichnet wird, wie z. B. ein Strom von 7 Grove usw., eine Ansicht, der man sich sehr wohl anschließen kann. 5) W. Steinhausen, Über die Latenzzeit des Sartorius usw. Pflügers Arch. t. d. ges. Physiol., 18%. 26—46. 1921 und Die Elektronenröhre als großer veränder- licher Widerstand. Pflügers Arch. f. d. ges. Physiol., 185, 70—73. 1920. Vgl. auch P. Lertes, Die Elektronenröhre als großer variabler Gleichstromwiderstand. Zeitschr. f. Physik, 4, 472—473. 1921. Einen Prioritätsstreit zu führen erübrigt sich m. E., weil der Gedanke der Anwendung der Elektronenröhre als Widerstand wohl in der Luft lag, wenigstens war diese Verwendungsmöglichkeit, wie ich nach- träglich feststellen konnte, anderen Physikern bereits bekannt, nur wurde sie nicht ausgenutzt, weil eine gleichgünstige Gelegenheit, wie sie durch die physiologischen Erfordernisse gegeben wird, sie anzuwenden, ihnen fehlte. und die Beziehung der Stromdichte zum Erregungsvorgang. 179 einem Wert, welcher zufällig mit dem von Zanietowski zusammen- trifft. Es sei dazu bemerkt, daß die Übergänge zwischen den einzelnen Stufen nur angenähert ermittelt wurden, da eine zu große Anzahl von Bestimmungen das Präparat zu sehr ermüden würde und der genaue Wert für die vorliegende Untersuchung nicht von ausschlag- gebender Bedeutung ist. Der Querschnitt des Nerven betrug 0,35 qmm. Daraus ergibt sich für die Schwellenstromdichte 1,14 - 10°” Amp./qmm. Diese Zahl ist in der Tat wesentlich kleiner als die für den kurarisierten Sartorius gefundene. Die Abhängigkeit des Reizerfolges von der Reizstärke und der Stromverteilung im Präparat. Nicht nur für die Ermittlung der Empfindlichkeit ist die Berück- sichtigung der Stromdichte an der Reizstelle ein unbedingtes Er- fordernis, auch für die Abhängigkeit des Reizerfolges von der Reiz- stärke ist die Stromverteilung in dem Reizobjekt von großer Bedeutung. Denkt man sich irgendein reizbares Objekt von einem elektrischen Strom derart durchflossen, daß der Strom an einer punktförmigen Stelle der Oberfläche eintritt, und an einem zweiten von diesem in beliebiger Entfernung liegenden Oberflächenpunkt wieder austritt, so wird der Strom sich in dem körperlichen Leiter verteilen, und die Dichte der Elektrizitätsströmung wird in den verschiedenen Teilen des Körpers verschieden sein. Denkt man sich weiter den Körper aus einzelnen voneinander unabhängigen reizbaren Gebilden im übrigen gleicher Art zusammengesetzt, so werden mit steigender Gesamtstromstärke auch die Stromdichten an den einzelnen Stellen des Körpers zunehmen. Besteht für jedes Körperelement die gleiche Schwelle für die Strom- dichte, nach deren Überschreitung eine Reaktion eintritt, so folgt, daß bei ungleichmäßiger Verteilung der Stromdichten im Körper die Anzahl der gereizten Elemente in einer gesetzmäßigen Weise mit der Gesamtstromstärke zunimmt. Ist die Reaktion der reizbaren Elemente stets dieselbe, so ist die Gesamtreaktion des Körpers aus der Kenntnis der Einzelreaktion in Abhängiskeit von der Reizstärke berechenbar, wenn es gelingt, die Stromverteilung in dem körperlichen Leiter zu bestimmen. Die Stromverteilung in einem körperlichen Leiter bei punktför- migen Elektroden kann aber nur für wenige Fälle berechnet werden. Schon bei ganz einfachen Körpern häufen sich die mathematischen Schwierigkeiten derart, daß eine Lösung unmöglich wird. Wir wollen daher nur für zwei einfache Fälle, die sich durch den Versuch prüfen lassen, die Stromverteilung betrachten und mit unseren experimen- tellen Ergebnissen vergleichen. Diese beiden einfachen Arten des 180 W. Steinhausen: Über Stromdichtebestimmung Stromdurchgangs sind verwirklicht in der Stromverteilung in einem parallelfaserigen Muskel bei Anlegung von flächenhaften Elektroden und in einem Nervenstamm bei Anwendung von punktförmigen Elektroden. Stromdichte in einem parallelfaserigen Muskel. Unter der Annahme, daß der elektrische Strom an einer flächen- haften, ebenen, zur Faserrichtung senkrecht stehenden Elektrode einem parallelfaserigen Muskel zugeleitet wird, ist die Stromdichte in jedem Querschnitt in erster Annäherung umgekehrt proportional dem Flächeninhalt des Querschnittes. Dabei ist die weitere Voraussetzung gemacht, daß die Leitfähigkeit im ganzen Muskel ebenso wie in den Sehnen den gleichen Wert hat. An den Ansatzstellen verkleinert sich der Querschnitt des Muskels durch Übergang von Muskelfasern in Sehnenanteile immer mehr und mehr, bis schließlich, wenn alle Muskelfasern sich an der Sehne be- festigt haben, der reine Sehnenquerschnitt erreicht ist. Am Sehnen- ende wird also die größte Stromdichte vorhanden sein. Die an den Sehnen zuerst ansetzenden Fasern werden bei der geringsten Gesamt- stromstärke gereizt werden. Dabei wird bei Stromschluß immer nur von demjenigen Muskelende die Reizung ausgehen, an dem der Strom aus dem Muskel austritt. Je größer die Stromstärke wird, um so mehr Fasern werden gereizt werden. Das Muskelende selbst können wir als kegelförmig betrachten. Dann wird bei geeigneter Anordnung der Elektroden die Stromdichte in den verschiedenen Querschnitten umgekehrt proportional der Quer- schnittsfläche zu setzen sein. Der Muskel ist auch hier wieder als elek- trisch homogener Körper angenommen. Die Berechtigung zu dieser Annahme über die Stromdichten in einem abge- stumpften Kegel ergibt sich aus Widerstandsmessungen, die an abgestumpften Kegeln angestellt wurdent). Zur Ableitung der Formel wird der Kegel in kleinste Teile geteilt, die man dann als zylinderförmig ansehen darf. Die Stromdichte in die- sem Elementarzylinder wird als gleichförmig über die ganze Fläche verteilt an- : ENT genommen Der Widerstand des Elementarzylinders ist dann W=4#- „. wenn 2 die reziproke Leitfähigkeit (spez. Widerstand), ! die Länge des Zylinders, s der Querschnitt ist. Für den abgestumpften Kegel wird der Widerstand dann: dx W=Al—. s Integriert man, so kommt: RL TON worin 2 die Höhe des Kegels und r, und r, die Radien der Grundflächen sind. Diese Formel wird allen Widerstandsmessungen kegelförmiger Körper zugrunde gelegt). 1) Vgl. B. Weinstein, EI. Techn. Zeitschr. 9, 25—32. 1888. ®2) Vgl. z. B. Winkelmann, Handb. d. Physik, 4, 246. und die Beziehung der Stromdichte zum Erregungsvorgang. 181 Die Stromverteilung im Innern eines Kegels wird also der angenommenen sehr ähnlich sein. Daß sie aber trotzdem nicht ganz mit dieser übereinstimmt, läßt sich leicht ableiten. Geht man von der Stromverteilung in einem Kugelsektor aus, wobei der Stromeintritt in der Spitze des Sektors und der Stromaustritt auf der Kugelfläche des Sektors stattfinden möge, so ist hier dieStromverteilung sofort anzugeben. Die Potentialflächen sind konzentrische Kugelflächen und die Strom- linien Radien. Die Stromdichte an diesen Potentialflächen ist für jede einzelne Potentialfläche konstant. Auf ebenen, zu der Sektorenachse senkrecht stehenden Querschnitten ist die Stromdichte aber nicht konstant, sondern nach der Mitte zu größer als am Rande des Querschnitts (vgl. später S. 186). Ersetzt man, um vom Kugelsektor zum Kreiskegel zu gelangen, die abschließende Kugelfläche durch eine ebene Fläche, und bringt diese Fläche auf gleiches Potential wie vordem die Kugelfläche, dann wird die Potentialverteilung im Innern des Kegels so verändert, daß die Stromdichten in der Kegelachse noch weiter zu ungunsten der Rand- partien zunehmen. Die Zerlegung des Kegels in lauter einzelne Zylinder, in denen die Stromdichte konstant ist, ist deshalb eine Vereinfachung, die zwar zu einiger- maßen brauchbaren Formeln für den Widerstand führen), die aber für die Er- rechnung der Stromdichten nur eine Annäherung: ist. Ich habe, um der Tatsache Ausdruck zu geben, daß die Annahme der gleichmäßigen Verteilung der Stromdichten über den Querschnitt des Kegels nur eine Annäherung ist, im folgenden bei der Ableitung der Anzahl der gereizten Fasern (S. 186) eine Elektrodenanordnung ange- nommen, bei der die Stromdichteverteilung genau angegeben werden kann. In der bereits erwähnten Arbeit über die Latenzzeit des Sartorius habe ich die funktionelle Beziehung zwischen Latenzzeit und Reizstromstärke aufgesucht und die experimentell gefundenen hyperbelähnlichen Kurven aus der Stromverteilung im Muskel theoretisch abzuleiten versucht. Unter Erweiterung der in der erwähnten Arbeit eingeführten For- meln kann man die Anzahl der gereizten Fasern auch folgendermaßen schreiben: Ist Q, der reine Sehnenquerschnitt, Q, der Querschnitt einer einzelnen Muskelfaser und Q, der Querschnitt des Sehnenanteils dieser Muskelfaser, so ist der Querschnitt an der Stelle, an der die erste Muskelfaser ansetzt: Ort Bd — Re und die Stromdichte: ; Qr SF 02 ET Q, Die Stromstärke, bei der gerade nur diese erste Muskelfaser ge- reizt wird, wollen wir mit i, bezeichnen. Dann ist also die Stromdichte am Muskelansatz für die Schwellenreizung: 2 D— : 5 Or 15 dr BEN Q. Die Stromdichte an einem beliebigen Querschnitt des Muskels ist: ® !) Vgl. dazu die Polemik von Guilleaume. La Lumiere &lectrique 24, 451—157. 1887; 2%, 323—328. 1888. 182 W. Steinhausen: Uber Stromdichtebestimmung Sollen alle in dem betr. Querschnitt gelegenen Fasern gereizt werden, so muß die Stromdichte den Wert der Schwellendichte D, erreichen, also: ; Or Ste X (dr 5 Q.) Daraus ergibt sich für die Anzahl der gereizten Fasern x: ne je \ dr Ta Q. \D 0 Er, D.h.:: Die Anzahl der gereizten Fasern ist eine lineare Funktion der Reizstromstärke i. Wir hatten auf dieser Grund- lage seinerzeit die Latenzzeitkurve diskutiert!) und das sich hieraus ergebende Hyperbelgesetz auch auf Reflexzeiten angewandt?)3). Es stand die Untersuchung noch aus, ob die Anzahl der in einem Quer- schnitt vorhandenen Muskelfasern wirklich eine lineare Funktion des Querschnittes ist. Diese Untersuchung wurde jetzt nachgeholt. =D. MA Der Sartorius wurde in derselben Weise präpariert und aufgespannt, wie er in den Versuchen gebraucht wurde, d. h. mit dem Tibiakopf und einem Teil des Beckens. Der Muskel wurde in ganz leichter Spannung vermittels Igelstacheln, die durch in die Knochenansätze gebohrte Löcher gesteckt waren, auf einem Holz- stückchen befestigt. Der Muskel hatte so die gleiche Lage wie bei den Latenz- zeitversuchen. Das Präparat wurde fixiert mit 10%, Formalin, gehärtet in Alkohol und über Chloroform in Paraffin eingebettet. Es wurden dann Serienschnitte von 20 u Dicke angefertigt und mit Van Gieson gefärbt. Die Muskelfasern wurden ausgezählt und die Querschnitte durch Nachzeichnen der Umrißlinien bei einer Vergrößerung von 5l und Auswägen bzw. Auszählen der Kleinquadrate der Zeichnung bestimmt. In der Abb. 1 ist das Resultat einer solchen Auszählung graphisch aufgezeichnet. Als Abszissen sind die Querschnitte in Quadratmillimetern und als Ordinaten die Anzahl der Fasern angegeben. Die Sternchen bedeuten die Zahlen für das Knieende und die Kreise die Zahlen für das Beckenende des Muskels. Wie man sieht, ist unsere Voraussetzung, 1) W. Steinhausen, a. a. O. 2) F. Kauffmann und W. Steinhausen; Über die Abhängigkeit der Reflexzeit von der Stärke des Reizes. Pflügers Arch. f. d. ges. Physiol. 190, 12—40. 1921. >) Während der Korrektur wurde ich aufmerksam gemacht auf die Arbeiten von H. Pieron, Recherches sur les lois de variation des temps de latence sensorielle en fonction des intensites excitatrices, L’annee psychologique 20, 17—96. 1914. Derselbe: De l’importance de la phase pöripherique dans la marge de variation des temps de latence sensorielle en fonction des intensites excitatrices Compt. rend. des seances de l’acad. d. sciences 172, 1612. 1921 u. a. — Pieron untersuchte, wie wir es für Latenzzeiten und Reflexzeiten getan haben, die Reaktionszeiten in der Nähe der Reizschwelle und fand auch für die Reaktionszeiten eine große Abhängigkeit von der Reizstärke. Als Interpolationsformeln benutzt er statt der bisher üblichen logarithmischen Ausdrücke gleichfalls Hyperbelgleichungen. Ich hoffe, bei nächster Gelegenheit auf die Resultate von Pi&eron ausführlicher eingehen zu können. und die Beziehung der Stromdichte zum Erregungsvorgang. 183 daß es sich um eine lineare Funktion handelt, in der Tat angenähert erfüllt. Bevor wir auf die weitere Diskussion dieser linearen Beziehung eingehen, wollen wir auf eine Abweichung aufmerksam machen, die sich im ersten Teil der Kurve für das Beckenende des Muskels zeigt. Diese Kurve biegt nämlich ungefähr bei dem Ordinatenwert 75 scharf nach der Abszissenachse um und trifft diese schon bei größeren Strom- stärkewerten als die gerade Linie für das tibiale Ende des Muskels. Faserzahl 0 7 2 3 Smm Querschnitt Abb. 1. Verhältnis der Faserzahl zum Muskelquerschnitt. Als Abszissen Querschnitte in qmm; als Ordinaten Anzahl der Fasern. x: Knieende, @): Beckenende des Muskels. Bei gleicher Stromstärke ist also die Stromdichte am Beckenende ge- ringer als am tibialen Ende. Notwendigerweise muß also die Reiz- schwelle für den absteigenden Strom tiefer liegen als für den auf- steigenden. Daß die Reizschwelle für den isolierten Muskel von der Strom- richtung abhängig gefunden wird, ist seit langem bekannt. Bieder- mann!) hat bereits darauf aufmerksam gemacht, und den Unter- schied der Reizschwellen auf Stromdichteunterschiede zurückgeführt. Aber erst mit einer quantitativen Meßmethode sind einwandfreie Resultate zu erzielen. Die Reizschwellenwerte verhalten sich genau umgekehrt proportional zu den Querschnitten an den äußersten Muskelenden. In der Tab. II sind dafür einige Beispiele aus meinen Versuchen angeführt. Im ersten Stab findet man die Reizschwellenwerte für aufsteigenden, im zweiten Stab für absteigenden Strom. Dann folgt die Verhältniszahl beider. Sie stimmt überein mit dem gefundenen Querschnittsverhältnis der Muskelenden. !) W. Biedermann, Elektrophysiologie, S. 185. 1895. 184 W. Steinhausen: Über Stromdichtebestimmung Tabelle II. Reizschwelle für | Reizschwelle für aufsteigenden absteigenden Verhältnis Strom Strom 12:10 582.1,08 3.-21057° 1,5 8.10, 808 20904105° 15, 11= 10% 7:8.:3102% 1,4 92.10.=° 5:64.10 ° 1,6 Dieses Resultat ist insofern von Wichtigkeit, als für den Unter- schied der Reizschwellen auch andere Gründe herangezogen wurden. So sieht Grützner!) die Zusammensetzung des Sartorius aus roten und blassen Muskelfasern als die Ursache des verschiedenen Verhaltens des Muskels an. Aus den vorstehenden Zahlen läßt sich ableiten, daß für die Erklärung der verschiedenen Reizschwellen die Verschiedenheit der Stromdichte allein verantwortlich gemacht werden kann. Im Zusammenhang hiermit steht die Frage der Reizschwellen- veränderung durch künstliche Veränderung der Stromdichte. Durch Eintauchen des Muskels in Ringerlösung kann man nämlich die Strom- dichte am einen Ende in weiten Grenzen verkleinern; dadurch wird die Reizstromstärke für die Schwellenreizung, ebenso die Stromstärke für gleichen Reizerfolg sehr stark erhöht, was zu einer Verschiebung der Latenzzeitkurve führt. Diese Verschiebung der Latenzzeitkurve habe ich in meiner Arbeit über die Latenzzeitmessung ausführlich be- schrieben. Leider ist es vorläufig unmöglich, den Stromverlauf in einem solchen halbeingetauchten Muskel exakt zu bestimmen, um daraus über den Ort der Erregung Aufschlüsse zu erhalten. Vielleicht gelingt es unter Anwendung großer flächenhafter Elektrode die Gesetzmäßig- keit der Reizschwellenerhöhung auch in diesem Falle genauer zu ver- folgen. Vorläufig wollen wir uns auf den einfachen Fall der Durch- strömung des isolierten Muskels beschränken. Stromdichte und Anzahl der erregten Muskelfasern. Wir können aus dem experimentellen Befunden und der Voraus- setzung der polaren kathodischen Erregung bei der Schließungszuckung folgende Schlüsse für die Beziehung zwischen der Stromstärke und der Anzahl der Muskelfasern ziehen: Wir hatten gefunden, daß die Anzahl der in einem Querschnitt vorhandenen Muskelfasern an den Muskelenden proportional mit der Querschnittsfläche wächst. Dies ist nur dadurch möglich, daß der Querschnitt einer Muskelfaser beim Übergang von der Sehne ganz plötzlich und in stets gleicher Weise bei den verschiedenen Fasern stark zunimmt und daß überdies die Zunahme in der Hauptsache vollendet ist, wenn weitere Muskelfasern ansetzen. 1) Vgl. Bonhoeffer, Pflügers Arch. f. d. ges. Physiol, 4%. 125. 1890. und die Beziehung der Stromdichte zum Erregungsvorgang. 185 Welche Gestalt dabei das Sehnenende annimmt, hängt davon ab, in welcher Art und Reihenfolge der Übergang der einzelnen Fasern stattfindet. Im für die Berechnung der Stromdichte einfachsten Fall wird das Ende des Gesamtmuskels einen abgestumpften Kegel dar- stellen. Das wäre dann der Fall, wenn die Anzahl der Fasern im Quer- schnitt als Funktion des Abstandes des Querschnitts vom Endquer- schnitt betrachtet mit dem Quadrat dieses Abstandes zunimmt. Trägt man die Anzahl der Fasern als Ordinaten und die Abschnitte der Quer- schnitte vom Endquerschnitt als Abszissen in ein Koordinatensystem ein, so müßte man also eine quadratische Kurve finden. In der Abb. 2 ist die Anzahl der Fasern als Funktion der Quer- schnittsabstände in der beschriebenen Weise eingetragen — die 500 300 200 700 GE ZEITEN TEEN 202200 2250528 30-7004 Abstand des Querschnifts vom Ansatzpunkt Abb. 2. Faserzahl in Abhängigkeit vom Abstand des Querschnitts vom Ansatzpunkt. Als Ab- szissen ist die Entfernung des Querschnitts vom Ansatzpunkt in 100 «, als Ordinaten die Faser- zahl aufgetragen. x: Knieende. @): Beckenende des Muskels. Sternchen stellen die Verhältnisse für das spitze Ende, die Kreise für das breite Ende dar. Während für das breite Ende des Sartorius der Faseransatz so kompliziert ist, daß er einer Berechnung nicht zu- gänglich ist, kann man für das spitze Ende die Annahme des kegel- _ förmigen Ansatzes in gewissen Grenzen bestätigen. Die Unregelmäßig- keiten, die die Kurve zeist, wird man dann dadurch berücksichtigen können, daß man das Muskelende sich zusammengesetzt denkt aus einer größeren Anzahl von abgestumpften Kegeln von verschiedenem Öffnungswinkel, wie es Weinstein!) bei der Berechnung des elek- trischen Widerstandes von Drähten mit veränderlichem Querschnitt getan hat. Wie sich aus der Abbildung ergibt, sind die Verschieden- heiten der Öffnungswinkel allerdings nicht groß. Für unsere weiteren Betrachtungen wollen wir sie vernachlässigen und demnach das Muskel- ende als einen einzigen geraden, abgestumpften Kegel betrachten. 1) B. Weinstein, a. a. O. 186 W. Steinhausen: Über Stromdichtebestimmung Um die Stromverteilung und die Stromdichte zu finden, nehmen wir eine punktförmige Elektrode in der Kegelspitze und eine flächen- hafte Elektrode am breiten Ende des Muskelkegels an, die ein Stück einer um die Kegelspitze beschriebenen Kugelfläche bildet. Dann ist der Kegelmantel bzw. die Begrenzung des Muskels durch Stromlinien gebildet und die Potentialfläche sind konzentrische Kugelflächen mit dem Zentrum in der Kegelspitze. Die Stromdichte ist dann umgekehrt proportional der durch den Muskel begrenzten Fläche einer Niveau- fläche. Da wir aber in Wirklichkeit (mit dem Mikrotom) nur ebene Schnitte durch den Muskel legen können, müssen wir noch die Ver- änderlichkeit der Stromdichte in einem ebenen Querschnitt unter- suchen. Die Stromdichte in einem senkrecht zur Kegelachse liegenden, ebenen Quer- schnitt ist nicht konstant über diesem Querschnitt, sondern variiert mit dem Abstand vom Mittelpunkt. Es ist nämlich das Potential in dem Kegel: u=:— 2 + const und die Stromdichte in jedem Punkt: ou 1 Bezeichnen wir mit d den senkrechten Abstand des Querschnittes von der Kegel- spitze, so wird r für jeden Punkt des Querschnittes: d 6080’ also: ou cos? or var Die Stromdichte variiert also mit dem Quadrat des Kos. des Öffnungswinkels. Der Maximalwert von ö wurde auf folgende Weise experimentell bestimmt: Es wurde aus der gemessenen Querschnittsfläche unter der Annahme, daß die Form des Querschnittes kreisförmig ist, für jede Tiefe des Serienschnittes des Muskelendes der Kreisradius berechnet. Es wurden dabei die Werte der Tabelle III gefunden, Tabelle III. Schnittiefe vom Beginn en Ba Von des Muskelansatzes in «u V: 0 416 4 240 475 400 953 00 620 1200 720 1480 780 2760 950 In der Abb. 3 sind die Werte noch einmal graphisch aufgezeichnet. Daraus ‚ergibt sich für den Maximalwert von ö 14° 10’ undcos?ö — 0,94. Obwohl die Schwankung nicht unerheblich ist (6%), habe ich sie doch nicht berücksichtigt, einmal weil die übrigen Fehlerquellen (Veränderung der Leitfähig- und die Beziehung der Stromdichte zum Erregungsvorgang. 187 keit, Benetzung usw.) größer sind und zweitens, weil ja die Annahme einer flächen- haften kugelförmigen Elektrode an der Kegelbasis und einer punktförmigen Elek- trode an der Kegelspitze nicht genau zutreffend ist. Eine strenge Lösung ist über- haupt nicht möglich. Es sollte nur die maximale Schwankung in einem Querschnitt berechnet werden. Ohne zu große Fehler zu begehen, kann man daher für die Fläche der Kugelkalotten die Sehnenflächen setzen und findet schließlich wie früher, daß die Stromdichte in einem Querschnitt konstant ist und umgekehrt proportional der Größe des Querschnittes. Besteht eine Stromdichteschwelle für die einzelne Muskelfaser, dann muß die Stromstärke direkt proportional der Größe des Querschnittes gesetzt werden, damit diese Schwelle in dem betr. Querschnitt erreicht wird. Setzt man also ©—=»p-0@, wo i wieder die Stromstärke, @ der Querschnitt und p eine Proportionalitätskonstante ist, dann bestimmt sich p aus der Bedingung, daß für den minimalen Muskelquerschnitt, d.h. für den Muskelquerschnitt, in dem nur noch eine Faser vorhanden ist, ? gleich der Schwellenstromstärke ist, die wir im Versuch bestim- do 200, 250 300 750 7000 7250 75001 Abb. 3. Radius des Querschnitts in Abhängigkeit vom Abstand des Querschnitts vom Faser- ansatz. Als Abszissen sind die Abstände des Querschnitts vom Ansatzpunkt, als Ordinaten die Radien der Querschnitte aufgetragen. men können. Die Anzahl der gereizten Fasern in Abhängigkeit von der Stromstärke erhalten wir dann dadurch, daß wir den Wert @ in der experimentellen Gleichung für die Abhängigkeit der Anzahl der Fasern von der Querschnittsfläche x =tgx (Q@—b) durch ? und p ausdrücken. In dieser Gleichung ist x die Anzahl der Fasern, @ wieder der Quer- schnitt, tg8x und b Konstanten. Also kommt: i v=tg8. (5). p J In einem von mir beobachteten Fall fand sich: tg = 36,4, p = 3,1 - 10°6 und 5 = 1,82, so daß schließlich die Gleichung für die Anzahl der gereizten Fasern in Abhängigkeit von der Reizstromstärke folgende Gestalt annimmt: D SL IOEE 1) i ist dabei in Ampere zu messen. Man hat also nur die beobachteten Stromstärken in Ampere in die Gleichung einzusetzen, um direkt die PB 36,1 188 W. Steinhausen: Uber Stromdichtebestimmung Anzahl der gereizten Fasern zu erhalten. Wie man sieht, ist in diesem einfachsten Fall die Anzahl der gereizten Fasern eine lineare Funktion der Stromstärke. Daß die Beziehung zwischen Anzahl der gereizten Fasern und Stromstärken eine so einfache ist, ist allerdings nur die Folge des ein- fachen Baues des tibiaien Endes des Sartorius und der vereinfachenden Annahmen, die wir gemacht haben. Eine direkte experimentelle Prüfung der Ableitung ist nicht möglich. Was wir messen können, ist nicht die Anzahl der gereizten Fasern, sondern nur die Gesamtreaktion des Muskels. Bei der Reaktion des Muskels können aber so viele neue Veränderliche mit ins Spiel treten, daß die ursprünglich so einfache Beziehung zwischen Reizerfolg und Stromstärke verwischt wird. Um- gekehrt können aus der beobachteten Reaktion des Muskels einfache Beziehungen zur Reizstromstärke abgeleitet werden, die auf ganz komplizierte Weise zustande gekommen sein können, ohne mit dem Wesen der Zuckung etwas zu tun zu haben. So fand Fick!) z. B. die Wurfhöhe, welche verschiedene Reize bei kon- stanter Belastung hervorrufen, innerhalb gewisser Grenzen der Reizgröße propor- tional und schloß daraus auf Proportionalität zwischen Reizgröße und Reizerfolg. Diese Proportionalität könnte man in der Tat auf die abgeleitete lineare Funktion zwischen Anzahl der gereizten Muskelfasern und Stromstärke (Reizgröße) zurück- führen. Immerhin ist die Wurfhöhe eine Größe, die erst wieder als Folgeerscheinung verschiedener hintereinander ablaufender Prozesse aufgefaßt werden kann, von denen jeder einzelne sehr komplizierter Art sein könnte. In der Tat hat auch Hermann?) gegenüber der Fickschen Anschauung darauf hingewiesen, daß die Proportionalität zwischen Wurfhöhe und Reizstärke auch mit der Annahme ver- einbar ist, daß jeder Reiz, wenn er überhaupt Anlaß zu einer Zuckung gibt, gleiche Kräfte auslöst, aber innerhalb um so kürzerer Zeit, je größer der Reiz ist. Aus dieser Annahme folgt eine Proportionalität zwischen Reizgröße und Anfangs- geschwindigkeit und damit auch zwischen Wurfhöhe und Stromstärke. Wie man sieht, wird hier die einfache Proportionalität auf einem Umwege erschlossen. Wir wollen uns aber gar nicht auf eine genauere Analyse der Be- ziehungen zwischen Hubhöhe, Arbeitsgröße, Wurfhöhe usw. zur Reiz- größe einlassen. Zweifellos kann die Beziehung zwischen diesen Größen eine ganz komplizierte sein und trotzdem braucht sich mit der Reiz- größe nur die Anzahl der gereizten Fasern zu ändern. Auch bei dieser einfachsten Annahme bleiben noch Veränderliche genug, um alle ex- perimentell gefundenen Abhängigkeitsverhältnisse dieser sekundär erst in Betracht kommenden Größen abzuleiten. Wir haben ja selbst in der Latenzzeit eine solche sekundär auf- tretende Größe in ihrer Beziehung zur Anzahl der gereizten Fasern !) A. Fick, Sitzungsber. d. Wien. Akad. II. Abt. 46, 350; 57, 79; 58, 220. 1862. — 63. Unters. üb. elektr. Nervenreizung, Braunschweig 1864. Vgl. auch Tiegel, Pflügers Arch. f. d. ges. Physiol., 13, 272. 1876. ?) L. Hermann, Handb. d. Physiol., 1, 109 u. 110. 1879. und die Beziehung der Stromdichte zum Erregungsvorgang. 189 untersucht und sie in einer einfachen Beziehung zur Reizstromdichte stehend gefunden. Wir haben aber seinerzeit schon darauf aufmerksam gemacht, daß dieselbe Beziehung unter Umständen als ein künstliches Produkt angesehen werden kann, indem eine Reihe von Faktoren, deren jeder vielleicht zu der Reizstärke in einem sehr komplizierten Ver- hältnis steht, derart zusammenwirkt, daß schließlich dieses einfache Gesetz zum Vorschein kommt. Zuckungshöhe und Anzahl der gereizten Fasern. Wenn wir daher untersuchen wollen, ob der Einfluß der Strom- dichte auf die Zuckungshöhe und die Anzahl der gereizten Fasern in der Tat von solcher Bedeutung ist, müssen wir daran erinnern, daß es sich nur um den Versuch einer Beziehungssetzung handeln kann. Durch die Schwellenstromdichte ist die unterste Grenze ziemlich genau feststellbar. Die Schwellenstromdichte wurde dabei auf folgende Weise bestimmt: Der Muskelhebel berührte mit einer Platinspitze eine auf einem Mikroskop- stativ befestigte Platinplatte, durch die Platinspitze und -platte wurde ein Wechsel- strom geschickt und der Kontakt mit Hilfe der Erregung eines Telephons kon- trolliert. Die Einstellung konnte so auf leiseste Berührung bewerkstelligt werden, so daß die geringste Bewegung des Muskels durch das Schweigen des Telephons sich anzeigte. Es konnten so noch Kontraktionen nachgewiesen werden, bei denen irgendeine sichtbare Bewegung der Hebelspitze noch nicht eintrat. Aus dem Unterschied der Schwellenstromstärken bei verschiedener Stromrichtung im Muskel und dem diesem proportionalen der Quer- schnittsfläche hatten wir auf das Wirksamwerden der Stromdichte geschlossen. Wenn die Zunahme des Reizerfolges nur von der Zunahme der Anzahl der Fasern bedingt würde, dann müßte das Maximum des Reizerfolges erreicht sein, wenn die Dichte des Stromes auch im größten Muskelquerschnitt die vorher ermittelte Schwellenstromdichte über- schritten hat. Diese maximale Stromstärke läßt sich folgendermaßen ableiten: Die Gleichung für die Anzahl der gereizten Fasern in Abhängiskeit von der Stromstärke lautete: Ü z—tg% F o) A Daraus erhält man für ? die Gleichung: = (eitg@ tb). p. Man erhält die maximale Stromstärke, indem man für x die beobachtete Gesamtfaserzahl des Sartorius (in unserem Versuchsbeispiel 453 Fasern und für 5 und tgx die gefundenen Werte einsetzt. Es wird dann diese maximale Stromstärke: 44,2. 10-° Amp. Die Schwellenstromstärke Pflügers Archiv f. d. ges. Physiol. Bd. 19. 13 190 W. Steinhausen: Über Stromdiechtebestimmung betrug: 5,6.10-% Amp. Also erst wenn die Stromstärke auf das 7,9fache des Schwellenwertes angewachsen ist, können alle Fasern des Muskels gereizt werden. Vergleichen wir hierzu die experimentell gefundenen Werte: In der Abb. 4 sind die Zuckungshöhen als Ordinaten und die absoluten Stromstärken in 10-% Amp. als Abszissen eingetragen. Die Sternchen gelten wieder für den Fall, daß die Kathode am spitzen Ende liegt, und die Kreise für die umgekehrte Stromrichtung. Das Maximum für die Zuckungshöhen sollte noch jenseits der untersuchten Stromstärken liegen. Wegen der Schädigungen, die solche starken Ströme dem Muskel bringen, konnte die Wirkung dieser Ströme bei unserer Ver- suchsanordnung nicht beobachtet werden. Aber eine andere Er- scheinung kann man aus den Kurven ablesen. Das ist die Umkehr des RS N N S S N 0246ER MM 1 78 20 22 24 26 28:0 Amp Reızstromstärke Abb. 4. Zuckungshöhen in Abhängigkeit von der Stromstärke. x: Knieende, O: Beckenende des Muskels. Verhältnisses der Zuckungshöhen bei starken Strömen. Die Kurven über- schneiden sich bei etwa dem 3,5fachen Wert der Schwellenstromstärke. Die Umkehr des Verhältnisses der Zuckungshöhen bei starken Strömen war schon Aeby!) bekannt. Er beobachtete aber nur den Gesamterfolg der Reizung, also die Zuckungshöhe bei stillstehendem Kymographion. Außerdem war bei seinen Versuchen Polarisation nicht ausgeschlossen, so daß seine Ergebnisse viel- leicht nicht ganz einwandfrei waren. Bei unserem Ansatz über die Stromverteilung im Muskel und ent- sprechend den experimentellen Grundlagen wäre zu erwarten, daß die Kurven für die beiden Stromrichtungen sich zwar einander nähern und im Maximalwert auch erreichen, um dann in eine einzige zur Abszissenachse parallele Gerade überzugehen. Die Umkehr des. Verhält- nisses der Zuckungshöhen läßt sich aber aus unserer Annahme über die Schwellenstromdichte und die Verteilung des Stromes im Muskel nicht erklären. Vielmehr muß für die Überschneidung der Kurven ein zweites Moment in Betracht kommen und dies wollen wir jetzt untersuchen. !) Chr. Aeby, Arch. f. An. u. Phys. 1867, S. 688—712. und die Beziehung der Stromdichte zum Erregungsvorgang. 191 Stromdichte und Dauerkontraktion. Die Reaktion des Muskels wird nämlich bei immer weiterer Steige- rung der Stromstärke eine qualitativ andere. Neben die Zuckung tritt die Dauerkontraktion, und diese Dauerkontraktion ist beim Sartorius stärker beim aufsteigenden als beim absteigenden Strom. In der Abb. 5 ist ein Versuch abgebildet, der bei rotierender Trommel aufgenommen ist und diese Verhältnisse veranschaulicht. Bei den geringsten Strom- stärken ist nur Zuckung bei absteigendem Strom vorhanden (nicht mit abgebildet!), dann tritt Zuckung auch bei aufsteigendem Strom auf, Abb. 5. Umkehr des Verhältnisses der Zuckungshöhen mit zunehmender Stromstärke Der Muskel hängt mit dem spitzen Ende nach oben in der Apparatur. X bedeutet, daß der Strom von unten nach oben den Muskel durchsetzt, daß also die Kathode am spitzen Ende des Muskels liegt, + umgekehrte Stromrichtung. Die Zahlen II,, usw. sind Skalenteile des Mannit- borsäurewiderstands, die höheren Zahlen entsprechen größeren Widerständen, also geringeren Stromstärken, da die Spannung konstant 105 Volt betrug. Die laufenden Zahlen 8 bis 22 an den einzelnen Zuckungskurven sind Protokollnummern. Zeitsignal !/, Sek. bei weiterer Steigerung der Stromstärke wächst die Zuckungshöhe für aufsteigenden Strom stärker als für absteigenden und schließlich wird die Zuckung für aufsteigenden Strom sogar höher wie für absteigenden Strom. Gleichzeitig sieht man, wie die Dauerkontraktion einsetzt. Biedermann!) erklärt diese Dauerverkürzung für eine Erschei- nung sui generis und ist der Meinung, daß sie mit der normalen katho- dischen Schließungsdauerkontraktion an den Faserenden in gar keinem ursächlichen Zusammenhang steht. Wenn die hier beobachtete Dauer- kontraktion mit der normalen kathodischen Schließungsdauerkontrak- tion identisch wäre, müßte sie nach Biedermann bei absteigendem 1) W. Biedermann, Elektrophysiologie, S. 178. 13* 1923 W. Steinhausen: Über Stromdichtebestimmung Strom größer sein als bei aufsteigendem Strom, da die Stromdichte am Knieende des Sartorius größer ist als am breiten Ende. Deshalb sucht Biedermann für die Umkehr der Zuckungsgrößen nach einer anderen Erklärung und gibt folgende: - Außer der normalen kathodischen Dauerkontraktion, die also in unserem Falle bei absteigendem Strom auch größer sein muß wie bei aufsteigendem Strom, ist bei starken Strömen noch eine anodische Dauerkontraktion vorhanden, die von sekundären Kathoden an der Anodenseite herrührt; da die Stromdichte am tibialen Ende größer ist, wird diese anormale anodische Dauerkontraktion größer sein, wenn die Anode am tibialen Ende liest, also bei aufsteigendem Strom. So könnte man in der Tat die Umkehr der Zuckungshöhen auf diese anodische Dauerkontraktion zurückführen. Es ist dabei aber nicht recht einzusehen, wie eine Überkompensation der Differenz von den primären Elektroden möglich ist. Viel naheliegender scheint es zu sein anzunehmen, daß die primäre kathodische Dauerkontraktion die auslösende Ursache des Phänomens ist. Daß die gesamte Dauerkontraktion bei absteisendem Strom kleiner ist wie bei aufsteigendem Strom, ergibt sich ja ohne weiteres aus den Zuckungskurven. Die Dauerkontraktion zeigt also das umgekehrte Verhalten wie die Schließungszuckung. Wenn wir hier wieder die Verteilung der Stromdichten berücksichtigen und wieder annehmen, daß die Dauerkontraktion dort zuerst auftritt, wo der Strom am dich- testen ist, müssen wir für die Umkehr in der Tat ein neues Moment einführen. Als ein solches zweites Moment dürften aber nicht, wie Biedermann annimmt, sekundäre Kathoden am anderen Muskelende wirken, da dann nicht einzusehen wäre, warum sekundäre Kathoden wirksamer sein sollten als primäre, vielmehr ist es viel natürlicher, die geringere Dauerkontraktion bei absteigendem Strom auf sekundäre Anoden zu beziehen, die bei größerer Stromdichte, also am tibialen Ende, eine stärker hemmende Wirkung auszuüben imstande sein wer- den. Versuche mit gebänderten Muskeln scheinen für diese Erklärung in unserem Falle zu sprechen. Stromdichte und Arbeitsgröße des Muskels. Nach der Theorie über den Einfluß der Stromdichte muß es für die Arbeitsgröße des Muskels bei verschiedener Belastung einen Unter- schied machen, ob der Muskel direkt oder indirekt gereizt wird. Bei indirekter Reizung ist eine Vergrößerung der Arbeitsgröße bei Steige- rung der Belastung nur dadurch möglich, daß der Weg, den der An- satzpunkt bei stärkerer Belastung zurücklegt, größer wird. Bei direkter untermaximaler Reizung ist aber eine Vergrößerung der Arbeitsgröße bei steigender Belastung auch dadurch denkbar, und die Beziehung der Stromdichte zum Erregungsvorgang. 193 daß der Muskel infolge der Belastung schmäler wird. Dadurch werden die Stromdichten in den mittleren Partien des Muskels größer. In- folgedessen könnte auch die Anzahl der gereizten Muskelfasern zu- nehmen, ohne daß die Reizstärke sichtbar variiert. Die Beobachtung von Fick!), Heidenhein?), v. Frey?) Santes- son®), daß bei geringer Belastung die Hubhöhe sogar größer sein kann als beim unbelasteten Muskel, ist auch durch eine Zunahme der Anzahl der gereizten Fasern infolge größerer Stromdichte erklärlich und findet sich daher auch nur bei direkter Muskelreizung. Bereits Heidenhain (a. a. OÖ.) hat zur Erklärung der Vergrößerung der Arbeitsleistung bei stärkerer Belastung die Veränderung der Form des Muskels herangezogen. Er schreibt darüber°): „Die Muskelbündel des Gastrocnemius setzen sich bekanntlich unter spitzem Winkel an die Sehne an. Bei Dehnungen des Muskels wird dieser Insertionswinkel kleiner. Es scheint nicht unmöglich, daß hierin der Grund der Vergrößerung der Hubhöhe beim Wachsen der Belastung liegt.“ Nehmen wir an, daß bei maximaler Belastung die Muskelfasern vollständig gestreckt werden, dann wäre selbst bei einem Öffnungswinkel von 45° die Kraft erst um 30% (cos 45° = 0,7) geringer. Bei der Anderung der Kraftrichtung infolge der Dehnung kann es sich aber nur um einige wenige Grade handeln. Die wirk- same Kraftkomponente wird sich also in ihrer Größe kaum ändern können. Heiden- hain hat im übrigen auch experimentell nachgewiesen, daß die Anderung der Kraftrichtung mit der Dehnung des Muskels nicht die Ursache der vergrößerten Arbeitsleistung bei stärkerer Belastung sein kann. Er hat nämlich die Vergröße- rung der Arbeitsleistung auch an parallelfaserigen Muskeln gefunden, bei denen eine Anderung des Winkels der Faserrichtung zur Spannungsrichtung überhaupt nicht in Frage kommt. Daß aber der Querschnitt der Muskelfaser mit der Belastung stark abnimmt, ist ersichtlich; auf der Möglichkeit der Querschnittsabnahme beruht ja überhaupt erst die Dehnung. Es ist also natürlich, daß in- folge der Belastung, wenn gleiche Stromstärke vorhanden ist, die Strom- dichte wächst, also unter Umständen eine erhöhte Arbeitsleistung des Muskels erzielt werden kann. Im einzelnen soll die Frage nicht behandelt werden. Die Arbeits- leistung des Muskels ist eine Erscheinung so komplexer Natur, daß sehr wohl eine Steigerung der Leistung auch durch die Spannungszunahme ' allein auf einem komplizierteren Wege erreicht werden könnte. Es soll hier nur auf den Zusammenhang der Arbeitsleistung auch mit der Stromdichte hingewiesen und eine Möglichkeit der Erklärung für die Erhöhung der Arbeitsleistung bei direkter Reizung herangezogen werden, die den Vorteil hat, auf einfache physikalische Begriffe zu führen. !) A. Fick, Beiträge z. vergl. Physiol. Braunschweig 1863, S. 52. ®) R. Heidenhain, Mechan. Leistung, Wärmeentwicklung u. Stoffumsatz bei der Muskeltätigkeit. Leipzig 1864, S. 113. ®) M. v. Frey, Arch. f. Anat. u. Physiol. 1887, S. 195. 2) C.G. Santesson, Skan. Arch. 1, 3, 1889; 3, 382, 1892; 4, 46,98—135, 1893. Bar ar 0% 194 W. Steinhausen: Über Stromdichtebestimmung Über die Stromverteilung im Nerven. Ein zweiter einfacher Fall der Stromverteilung, der sich berechnen läßt, ist der der Stromverteilung im Nerven. Es sollen hier nur die Versuchsergebnisse in einem speziellen Fall, dem Ischiadicus des Frosches, in Beziehung zur Stromdichte gebracht werden. Bei der Reizung des Froschischiadicus am gewöhnlichen Nerv- muskelpräparat zeigt sich, daß als erste Wirkung des elektrischen Stromes eine Dorsalflexion des Fußes auftritt und erst bei stärkeren Strömen eine Streckung des Fußes zu beobachten ist. Dieses Phänomen, das von Ritter zuerst gesehen wurde, wurde von Munck!) bereits durch die verschiedene Stromverteilung im Nerven zu erklären ver- sucht. Später hat Rollet?) die Erscheinung auf eine absolute erhöhte Erregbarkeit der Fußbeuger gegenüber den Streckern zurückgeführt. H. Osswalt?) hat später die Ansicht Rollets weiter zu stützen ge- sucht, indem er zeigte, daß auch bei chemischer Reizung sowie beim Vertrocknen des Nerven zuerst eine Dorsalflexion und dann erst bei Fortdauer des Reizes eine Aktion der Strecker und, da diese die stärkeren sind, schließlich eine Streckung des Fußes auftritt. Daß im allgemeinen bei der elektrischen Reizung des Ischiadicus in der Tat zuerst eine Tätigkeit der Fußbeuger sichtbar wird, davon kann man sich leicht überzeugen. Daraus aber ohne weiteres auf eine erhöhte Erregbarkeit der Beuger schließen zu wollen, dürfte nicht zulässig sein. Nur wenn die Stromdichte in den Nerven der Beuger und Strecker gleich wäre, könnte die Behauptung als bewiesen ange- sehen werden. Osswalt?*) geht sogar noch weiter und ‚zeigt‘, daß das Ritter- Rolletsche Phänomen durch eine Erhöhung der direkten Erregbar- keit der Beugemuskeln selbst zustande kommt. Er versenkt näm- lich einen vollständig curarisierten Unterschenkel in einen Trog mit Kochsalzlösung mit breiten Elektroden und findet, daß auch hier zuerst die Fußbeugung auftritt. Dagegen ist einzuwenden, daß die ‘ Versenkung eines Muskels in einen Trog selbst dann nicht zu gleichen Stromdichten im Muskel Veranlassung zu geben braucht, wenn vor der Versenkung im Trog parallele Stromfäden angenommen werden _ konnten. Es soll daher hier nur von der Stromverteilung im Nerven beim Ritter - Rolletschen Phänomen die Rede sein. Da die Frage der Eirregbarkeit so sehr mit der Frage der Stromdichte verknüpft ist, !)H. Munk, Arch. f. Anat. u. Physiol., 1875, S. 41. ?2) A. Rollet, Handb. d. Wien. Akad. 72, 386—389. ; ®) H. Osswalt, Über das Ritter-Rolletsche Phänomen, Pflügers Arch. f. d. ges. Physiol. 50, 215—234. 1891. =), H. Osswalt a:°a. O. und die Beziehung der Stromdichte zum Erregungsvorgang. 195 habe ich die Bedingungen aufgesucht, die erfüllt sein müssen, damit gleiche Stromdichten im Nerven vorhanden sind. Aus den Formeln, die weiter unten besprochen werden, ergibt sich, daß bei geringem Ab- stand der Elektroden voneinander eine ungleichmäßige Verteilung des Stromes im Nerven resultiert, die vollkommen genügend ist, den verschiedenen Eintritt der Erregung der verschiedenen Teile des Ischiadicus zu erklären. Dabei ist nur die Annahme gemacht, daß die Nerventeile, die die einzelnen Muskel des Unterschenkels versorgen, auch im Ischiadicusstamm noch getrennt verlaufen }). Um einen Überblick über die Stromverteilung im Nerven zu gewinnen, wollen wir den Nerven als Kreiszylinder ansehen, auf dessen Mantel die zwei punkt- förmigen Elektroden liegen. Der Nerv soll ebenso wie der Muskel als elektrisch homogener Körper vorausgesetzt werden. Die Elektroden sollen auf einer einzigen Erzeugenden des a BBESPEANN sein. Dann ist das Potential « nach H. Weber’): () W— n On u= I &,cos(nY) PO Ei (le "a9. 90 (&- en, J,(®r) [0) ß () ein PR te ee P JS 02 ) el ee en Darin bedeutet: z die Koordinate der Achse, die mit der Zylinderachse zu- sammenfällt, r und & Polarkoordinaten in der Mittelebene, S die Stromstärke, das Leitungsvermögen des Zylinders, — & die Entfernung der Elektroden von der Mittelebene des Zylinders, 2 die Höhe des Zylinders, J, die Besselsche Funk- tion nter Ordnung und # eine Wurzel der transzendenten Gleichung J,, (9) = 0. Der Radius des Zylinders hat dabei die Länge 1. Eine Äquipotentialfläche ist die Mittelebenez — 0. Für diese läßt sich sehr ou leicht die Stromdichte in jedem Punkt bestimmen. Wir haben dazu nur Z, zu bilden und dann 2 —=0 zu setzen. Nimmt man noch $ = 0 an (d. h. für einen unendlich langen Nerven), so wird: ou S = 904, Jnldur) \ El &, cos (ng) BROS BGE Für die Berechnung genügen die beiden Glieder mit 9 und 9%. Auf der Zylinderoberfläche, also für r = 1, wird: RN | 2 0, 23 90 \ ae Sur ad wie, \ £ ou nz . i In der Tabelle IV sind die Werte von er in der Mittel- 1!) Vgl. z. B. A. Stoffel, Orthop. Operationslehre. ?) H. Weber, Über die Besselschen Funktionen und ihre Anwendung auf die Theorie der elektrischen Ströme. Crelles Journal für Mathematik %5, 75—105. 1872. — H..Weber, Über die stationären Strömungen der Elektrizität in Zylindern. Crelles Journal für Mathematik %6, 1—20. 1873, 196 W. Steinhausen: Über Stromdichtebestimmung ebene berechnet: für den Fall x =1, «x =2, &=3-und zwar für fünf Punkte, den Mittelpunkt der Ebene z=0 und r=0 und vier je um 90° voneinander entfernte Punkte des Zylindermantels A Rh Tabelle IV. N ‘| en Ds Sen) ai 1 Be Be Be 0° 7169 1,08 1,02 90° und 270° 0,83 0.992 0,996 180° 0,02, 1 10000/0018 40,002 Je weiter die Elektroden also auseinanderliegen, d.h. je größer & ist, um so gleichmäßiger ist die Stromdichte in der Mittelebene. Von einer bestimmten Entfernung an ist die Stromdichteverschiedenheit überhaupt nicht mehr merklich. Finden wir in diesem Falle die Schwelle für die Dorsalflektoren niedriger als für die Beuger, so könnten wir, wenn die Stromdichte in der Mittelebene allein bestimmend wäre, auf die größere Erregbarkeit der Beuger schließen. Die Stromdichte in der Mittelebene ist aber nicht allein maßgebend für den Reizerfolg. Der Grund hierfür liegt in dem Umstand, daß es auch auf die Richtung ankommt, in der der Strom die Nervenfaser durchsetzt. Nach den Untersuchungen Galvanis u.a.!) tritt keine Reizung des Nerven ein, wenn der Strom genau senkrecht zur Faserrichtung verläuft. Der Winkel, den der Strom mit der Faserrichtung bildet, ist also von größtem Einfluß auf die Reizgröße. Eine Berechnung der Erregungsgröße unter Berücksichtigung der Stromrichtung ist vorderhand aber nicht möglich, da das Gesetz der Abhängigkeit des Reizerfolges von deı Stromrichtung zu ungenügend ermittelt ist. Bevor genauere Versuche darüber vorliegen, ist daher eine weitergehende Analyse unmöglich. Aus den mitgeteilten Berechnungen über die Stromverteilung im Nerven ergibt sich daher vorerst nur: für die Stromdichte in der Mittel- ebene eine starke Abhängigkeit vom Elektrodenabstand. Bei nahe- aneinander liegenden Elektroden ist die Stromverteilung in der Mittel- ebene sehr unregelmäßig. Bei weit voneinander abstehenden Elektroden (vom dreifachen Betrag des Nervendurchmessers an) ist die Strom- dichte in der Mittelebene überall nahezu gleich. Die Elektroden sind im betrachteten Fall auf dem Nervenmantel angebracht und nicht wie beim Muskel in der Verlängerung der Fasern selbst. Bei der Nervenreizung werden daher eine große Anzahl von 1) Vgl. J. Albrecht, A. Meyer, L. Giuffre, Pflügers Arch. f. d. ges. Physiol. 21, 426. 1880. und die Beziehung der Stromdichte zum Erregungsvorgang. 197 Fasern auch in senkrechter Richtung von Stromfäden durchsetzt werden müssen. Diese Stromfäden werden für die betr. Nervenfasern unwirksam sein. Andrerseits werden diejenigen Stromfäden die größte Wirkung ausüben können, die die Nervenfasern unter möglichst kleinem Winkel schneiden; das sind aber gleichzeitig diejenigen Stromfäden, die in der Mittelebene den Querschnitt der betr. Nervenfaser ausfüllen. Denn diese werden in ihrem Verlauf zu den Elektroden jede andere Nervenfaser unter einem größeren Winkel schneiden. Hierbei ist der Einfachheit halber nur der Raum zwischen den Elektrodenquerschnitten in Betracht gezogen. Die extrapolaren Strecken zeigen etwas andere, im Prinzip aber nicht abweichende Verhältnisse. Berücksichtist man also nur die so gekennzeichneten Stromfäden, dann ist in der Tat nur die Stromdichte in der Mittelebene maßgebend für die Reizgröße. Es wären dann auch die Schlußfolgerungen, die Rollet u. a. aus dem Reizerfolg für die absolute Erregbarkeit gezogen haben, einwandfrei. Aber unsere Voraussetzung über die wirksamen Stromfäden ist nicht richtig. Denkt man sich eine Elektrodenanordnung derart ge- troffen, daß gleiche Stromdichten in der Mittelebene herrschen, so wäre dadurch noch nicht die Gewähr für gleiche Reizgrößen im ganzen Nerven geboten. Vielmehr müßte für jede Stelle des Nerven die Strom- dichte und die Richtung der Stromlinien bestimmt werden und dann noch jede einzelne Stromlinie gemäß ihrem Winkel mit der Nervenfaser bewertet werden. Erst dann ließe sich die Reizgröße des Gesamt- stromes auf jede einzelne Nervenfaser berechnen. Die Bestimmung der Stromdichte und der Richtung der Strom- . linien bietet keine prinzipiellen Schwierigkeiten. Aus den angeführten Gleichungen ließen sich die beiden Größen leicht ableiten. Nur die letzte Bestimmung, nämlich die Bewertung der einzelnen Stromlinie in bezug auf ihre physiologische Reizgröße ist zur Zeit nicht möglich, da der Einfluß des Winkels zwischen Stromrichtung und Faserrichtung auf den Reizerfolg zu ungenau bekannt ist. Hier haben weitere Unter- suchungen einzusetzen. Zusammenfassung und Schlußbetrachtung. In einem tierischen Gewebe, das bekanntlich einen Leiter zweiter Klasse darstellt, kann der elektrische Strom nur Ionenverschiebungen primär bewirken. Die Größe dieser Verschiebung wird unter sonst gleichen Umständen wesentlich von der Stromstärke in der Flächen- einheit, der Stromdichte, abhängig sein. Von den übrigen unabhängigen Variabeln (Zeit, Temperatur usw.) kann dabei für unsere Zwecke zu- nächst abgesehen werden. Die Kenntnis der Stromdichte erscheint als ein erstes Erfordernis zur Beurteilung der Wirkung elektrischer Ströme, 198 W. Steinhausen: Über Stromdichtebestimmung ihre Bestimmung stößt aber in einem tierischen Gewebe oft auf große Schwierigkeiten. Denn einmal ist die Lage des Reizortes (und nur auf die Stromdichte am Reizorte kommt es allein an) meist nicht genügend bekannt und dann fehlt oft die Übersicht über die Stromverteilung im Reizobjekt selbst. Was die Verfolgung des Stromverlaufes in einem tierischen Gewebe so schwierig macht, ist die Tatsache, daß selbst in einem elektrisch- homogenen Körper die Strom- bzw. Potentialverteilung nur für ganz wenige einfache Fälle berechenbar ist. Eine direkte Beobachtung der Stromdichte, etwa durch Erzeugung von Nobilischen Ringen, wie sie für Flächenströme mit großem Erfolg angewandt wird, ist für körperliche Leiter nur unter ganz bestimmten Bedingungen möglich (Guebhard). So ist man in der Hauptsache auf die Berechnung angewiesen. Diese ist aber für den Fall, daß der Körper elektrisch inhomogen ist, wie es tierische Gewebe in der Regel sind, nicht durch- führbar. Man ist deshalb gezwungen, zur Stromdichtebestimmung einfachste Körperformen heranzuziehen und die Inhomogenitäten zu vernachlässigen. Die einfachsten Formen, bei denen sich wenigstens angenäherte Werte für die Stromdichte berechnen lassen, sind der isolierte Sartorius und der Nerv, die deshalb auch besonders eingehend untersucht wurden. Die Stromdichte ist dabei in zweifacher Weise mit der Muskel- zuckung verknüpft. Benutzt man rechtwinklige Stromstöße von genügender Dauer, so läßt sich für die Schließungserregung aus der Schwellenstromstärke und der Stromverteilung am Reizort (in diesem Falle an den physiologischen Kathoden) die Schwellenstromdichte er- mitteln, die dann ein absolutes Maß für die Erregbarkeit der Muskel- substanz überhaupt abgibt. Besteht das reizbare Gebilde aus einer großen Anzahl von einzelnen Elementen, von denen jedes für sich einzeln erregbar ist, wie wir es für die Muskeln in bezug auf die Muskelfasern und für den Nervenstamm in bezug auf die einzelnen Achsenzylinder annehmen, und ist die Stromdichte durch große Querschnittsänderungen im Verlauf des Muskels oder durch besondere Anordnung der Elektroden sehr ver- schieden, dann wird mit Zunahme der Gesamtstromstärke vom Schwellenwert aus die Schwellenstromdichte für immer größere Teile des reizbaren Gebildes erreicht werden. Wir kommen so durch rein physikalische Betrachtungen zu Gesetzen für die Abhängigkeit für die Anzahl der gereizten Elemente und damit des Reizerfolges von der Stromstärke (der Reizstärke). Zwei Fragen sind es also, die mit der Stromdichte besonders ver- knüpft sind, einmal die Frage nach der Erregbarkeit und zweitens die Frage nach der Abhängigkeit des Reizerfolges von der Reizstärke. und die Beziehung der Stromdichte zum Erregungsvorgang. 199 Für den Muskel ergibt sich dabei folgendes: Für den parallel- fasrigen unter Verjüngung an der Endsehne ansetzenden isolierten Sartorius des Frosches ist die Schwellenstromdichte relativ einfach zu bestimmen. Die erste Erregung wird dann eintreten, wenn die Strom- stärke im Gesamtstromkreis im kleinsten Querschnitt, der noch Ka- thoden bzw. Muskelfasern enthält, den Schwellenwert der Stromdichte erzeugt. Aus der Beobachtung der Schwellenstromstärke und der histo- logischen Untersuchung des Muskels läßt sich so die Schwellenstrom- dichte ermitteln. Die Schwellenstromstärke wurde aus Versuchen über die Latenzzeit des Muskels als der Wert der Stromstärke bestimmt, bei dem die Latenzzeit unendlich wird. Dieser Wert kann aus der Latenzzeitkurve mit ziemlicher Genauigkeit extrapoliert werden. Die Elektroden nehmen wir so an, daß die Stromdichte umgekehrt pro- portional mit dem Querschnitt gesetzt werden kann. Die Ermittlung des kleinsten Querschnitts, in dem noch Muskelfasern vorhanden sind, geschah durch Ausmessung der Querschnitte von Serienschnitten der betr. Muskeln. Als Mittelwert ergab sich so aus den Versuchen 3,5- 10 °% Amp./qmm. Die Berechnung der Stromdichten aus den in der Literatur nieder- gelegten Angaben über Schwellenstromstärken bei anderen reizbaren Objekten führte zu ähnlichen Werten, wenn sich auch im einzelnen wegen mangelnder Unterlagen für die Querschnittsberechnung und die Stromverteilung große Abweichungen fanden. Die zweite Frage der Abhängigkeit des Reizerfolges von der Strom- stärke erfordert eine genauere Kenntnis der Stromverteilung und des Faseransatzes im gereizten Objekt. Während Keith - Lucas aus der diskontinuierlichen Zunahme der Zuckungshöhe bei kontinuierlicher Zunahme der Stromstärke das Alles-oder Nichtsgesetz für die einzelne Muskelfaser abzuleiten versucht hat, habe ich versucht, aus den ab- soluten Werten der Stromstärken und der Faserverteilung unter Be- rechnung der Stromdichten die Zunahme der Anzahl der gereizten Fasern und damit der Zuckungshöhe abzuleiten. Dabei ist für unsere Frage gleichgültig, ob das Alles- oder Nichtsgesetz für die Muskelfaser gültig ist oder nicht, wenn nur die Reaktionen der einzelnen Muskel- fasern unter sich gleichartig sind. Die Anzahl der Fasern in Abhängig- keit von dem Muskelquerschnitt ergibt für das Knieende des Frosch- sartorius eine lineare Funktion. Da in erster Annäherung die Strom- dichte am kegelförmig sich verjüngenden Knieende des Sartorius wie angegeben dem Querschnitt umgekehrt proportional gesetzt werden kann, so wird auch die Anzahl der gereizten Fasern eine lineare Funk- tion der Stromstärke. Eine direkte Prüfung dieser Folgerung ist nicht möglich, da sich keine abhängige Variable auffinden läßt, die im ganzen 200 W. Steinhausen: Über Stromdichtebestimmung usw. Bereich der untersuchten Stromstärke proportional mit der Anzahl der gereizten Fasern zunimmt. Die bisherigen Kenntnisse über die Muskeltätigkeit widerstreiten aber nicht dem Satz, daß die Anzahl der gereizten Muskelfasern im Sartorius bei Reizung vom Knieende aus eine lineare Funktion der Stromstärke ist. Eine indirekte Prüfung wäre dadurch möglich, daß man das Verhältnis des Schwellenstrom- stärkewerts zum Maximalwert prüft. Das Verhältnis müßte gleich dem sein, das sich aus der Berechnung des maximalen und minimalen Querschnittes, in dem sich noch Fasernenden finden, ergibt. Hier ist aber eine zweite Schwierigkeit hinderlich, und das ist die Dauerkontrak- tion. Die Stromstärken müssen für die maximale Wirkung so sehr gesteigert werden, daß Dauerkontraktionen auftreten, die das erwartete Resultat nicht zum Vorschein kommen lassen. Diese Dauerkontraktionen geben ihrerseits Anlaß zu einer auffallenden Erscheinung, nämlich der Umkehr des Verhältnisses der Zuckungshöhen bei Umkehr des Stromes im Sartorius. Diese Umkehr kommt wahrscheinlich dadurch zustande, daß das Auftreten sekundärer Anoden auf die Dauerkontraktion hem- mend einwirkt und, da die Stromstärke am spitzen Ende des Sartorius größer ist wie am breiten Ende, so wird auch die hemmende Wirkung der sekundären Anoden früher und stärker ausgebildet sein bei ab- steigendem Strom wie bei aufsteigendem Strom. Als zweiten relativ einfachen Fall kann man die Reizung des Nerven berechnen. Durch die Anlegung der Elektroden an den Nervenmantel wird der Stromverlauf im Nerven selbst allerdings sehr kompliziert. Aber mit Hilfe Besselscher Funktionen läßt sich die Potentialverteilung trotzdem ermitteln. Es ergibt sich für die Stromdichte in der Mittel- ebene des Nerven eine starke Abhängigkeit vom Elektrodenabstand. Erst bei einem gegenseitigen Abstand der Elektroden von dem drei- fachen Betrage des Nervendurchschnittes kann die Stromdichte in der Mittelebene als gleichmäßig verteilt angesehen werden. Diese gleich- mäßige Verteilung der Stromdichten gibt aber noch keine Gewähr für eine gleichmäßige Reizgröße für alle im Nerven enthaltenden Nerven- fasern. Dazu müßte vielmehr für den Schließungsreiz die Stromdichte an den Kathoden in den einzelnen Nervenfasern berechnet werden. Mit Hilfe der gleichen Methode, wie bei der Berechnung der Stromdichte in der Mittelebene hätte man das tun können. Aber die Berechnung hätte nicht zum Ziel geführt, da in dem hier erörterten Fall auch die Stromrichtung in jeder einzelnen Nervenfaser in der Weise sich geltend macht, daß reine Querdurchströmung unwirksam ist. Solange aber noch keine zahlenmäßigen Belege für die Abhängigkeit vom Durch- strömungswinkel vorliegen, erscheint eine weitere Behandlung aus- sichtslos. Über humorale Übertragbarkeit der Herznervenwirkung. II. Mitteilung. Von O0. Loewi. (Aus dem pharmakologischen Institut der Universität Graz.) Mit 6 Textabbildungen. (Eingegangen am 26. September 1921.) In der ersten Mitteilung wurde der Nachweis erbracht, daß bei Vagus- bzw. Acceleransreizung am isolierten Kaltblüterherzen dessen Inhalt Vagus- bzw. Acceleranswirkung ausübt. Es schien nun von srößter Wichtigkeit zu sein, zu entscheiden, ob die wirksamen Stoffe des Inhalts primär unter dem direkten Einfluß der Nervenreizung entstehen oder aber sekundär als Produkte der infolge Vaguswirkung eintretenden Herzruhe bzw. der infolge Acceleranswirkung eintretenden gesteigerten Tätigkeit. Trifft ersteres zu, dann liest die Annahme nahe, daß die betr. Stoffe die Erscheinungen, zu denen die Nerven- reizung führt, auslösen. Trifft letzteres zu, dann könnten sie nur die Bedeutung haben, die auf andrem Weg ausgelösten Erscheinungen zu verstärken. In der vorliegenden Mitteilung sollen die auf diesen Punkt bezüg- lichen Untersuchungen und im Anschluß daran die bisherigen Ergeb- nisse von Untersuchungen über die Natur der Stoffe mitgeteilt werden. Zuvor sei aber berichtet über: I. Weitere Erfahrungen über die Wirksamkeit des Herzinhalts bei Vagus- bzw. Aeceleransreizung. Die Versuche wurden in der Zeit von April bis August in der früher beschriebenen Weise an Eskulenten und Kröten ausgeführt. Was die Reizbarkeit des Vagusstammes in dieser Zeit betrifft, sei nur erwähnt, daß, während die im Winter und Frühjahr noch leicht erzielbare Vagus- hemmung bei Eskulenten mit fortschreitendem Sommer immer geringer wird — mindestens wenn nicht bei intaktem Kreislauf und wenn nicht der Sinus gereizt wird!) —, bei Kröten umgekehrt die im Frühjahr schier unermüdbare und leicht durchbrechende Acceleranswirkung in !) Die „Saisonwirkung‘“ scheint hauptsächlich die prä-, nicht die post- ganglionären Endigungen zu betreffen. 202 OÖ. Loewi: der gleichen Zeit immer geringer wird und die hemmende Wirkung immer stärker hervortritt. Was nun die Wirkung der Inhalte während der Reizung anbetrifft, so war die des Vagusinhaltes des Frosches im Sommer begreiflicher- weise im ganzen schwächer hemmend als im Frühjahr. Am stärk- sten fand ich sie bei durch wiederholte Aus- waschung hypodynam gemachten Herzen, bei denen bekanntlich auch die Vagusreizwirkung " und, wieich fand, auch n 9 BAER 6. die sonst schwer erziel- Abb. 1. Erschöpftes Esculentenherz. 1. Ringer. 2. Inhalt bare positiv inotrope einer 20’-Vagusreizperiode. 3. + 0.01 mg Atropin. 4. 20’ Acce- h £ leransreizung. 5. Ringer. 6. Inhalt der Acceleransreizperiode. Acceleranswirkung sich sehr stark ausprägt. Abb. 1 zeigt einen Versuch an einem solchen ausgespülten Herzen. Die Vagusstammreizung, die das frische Herz nur vorübergehend still- stellte, führte in dem Maße, wie öfters ausgewaschen wurde, zu immer länger dauernden Stillständen. Während einer 20 Min. dauernden Reizung traten nur ganz wenige niedrige Pulse auf*). Bei Einführung des Inhaltes dieser Reizperiode fielen die Pulse tief ab (Abb.1, bei 2), um nach Atropinisierung (3) sogar über die ursprüngliche Höhe (Erklä- rung s. u.) hinauszugehen. Nunmehr führte Reizung des Stammes zu enormer Vergrößerung der Pulse (4) und nach Abklingen dieser infolge wiederholter Ringerwaschung bewirkte Einbringung des Inhalts dieser Acceleransperiode beträcht- liche Pulsvergrößerung (6). So rein und ungemischt ist die Wirkung der Inhalte nun keineswegs immer. Zunächst. ist zu bemerken, daß die Wirkung des Inhalts, wenn auch nur selten, mitunter versagt, und zwar kann sowohl in einem bestimmten Me ee Stadium der Herztätigkeit die Wirkung mit gemischter Wirkung. ausbleiben, um in einem andren wieder- zukehren, oder sie kann bei einem Tier über- haupt fehlen, um bei einem zweiten einzutreten. Inhalte aus Perioden, in denen auf Vagusreiz hin eine negativ inotrope Wirkung überhaupt: nicht eintrat, sind immer wirkungslos. Begreiflich ist, daß oft Misch- wirkungen des Inhalts zur Beobachtung gelangen, da ja Accelerans 1. 2. Abb. 2. Kröte. *) Im Anschluß an die Vagusreizung wurden die Pulse größer und blieben es: dauernd. Über humorale Übertragbarkeit der Herznervenwirkung. II. 203 und Vagus gleichzeitig gereizt werden. Ein sehr häufiges Bild ist das in Abb. 2 gebrachte. Es entstammt einem Versuch, wo, wie bei der Kröte sehr häufig, bei Stammreizung während der Hemmungswirkung plötzlich die Förderungswirkung durchbricht, und gibt ein reines Ab- bild der zeitlich aufeinanderfolgenden Reizerfolge: erst Hemmung, dann Förderung. Das Nacheinander der Wirkung bei gleichzeitiger Gegenwart fördernder und hemmender Substanz könnte von vorn- herein verblüffen. Doch scheint es die Regel zu sein, daLohmann®) (s. Kurven auf S. 223) es auch bei Anwendung von Adrenalin-Cholin- mischung beobachtete. Wahrscheinlich wird die Hemmungssubstanz rascher aufgenommen und so fällt ihre Wirkung in die Latenzperiode der Förderungssubstanz. Auch bei solcher Dosierung der Reizstärke, daß der Erfolg reine Förderungswirkung ist — auch hierbei ist übrigens der Vagus hemmend mitbeteiligt, da nach Atropinisierung die Förderungs- wirkung noch ansteigt —, zeigt der Inhalt oft einen hemmenden Vor- schlag vor der Förderungswirkung. Über weitere von den bisher be- schriebenen abweichende Inhaltswirkungen soll mit Rücksicht auf deren besondere Bedeutung für die im nächsten Abschnitt behandelte Frage dort berichtet werden. II. Entstehen die Inhaltsstoffe primär im Anschluß an die Nerv- reizung oder sekundär infolge der veränderten Herztätigkeit? Zunächst könnte daran gedacht werden, daß die Stoffe auch bei normaler Herztätigkeit gebildet, aber nicht oder nur in unwirksamen Spuren in die Füllung übergehen, bei Reizung aber und zwar des Vagus das Herz für den Vagusstoff, des Accelerans für den Acceleransstoff durchgängig wird. Obwohl für eine derartige selektive Permeabilität eine Analogie nicht vorliegt, habe ich in besonderen Versuchen, um die Möglichkeit der Anhäufung wirksamer Mengen der Stoffe bei nor- maler Herztätigkeit zu geben, das Herz 3 Stunden lang mit dem gleichen Inhalt schlagen lassen: er erwies sich als ebenso unwirksam wie ein Inhalt, der 20 Min. im Herzen belassen worden war. Es dürften dem- nach die Stoffe erst unter dem Einfluß der Nervenreizung gebildet werden und in die Füllung übergehen. Wenn anders das Auftreten des Vagusstoffes nur Folge der Herz- ruhe ist, sollte es auch in anderen Fällen von Herzruhe zu beobachten sein. Ich habe in vier Versuchen die erste Stanniussche Ligatur an- gelegt und den Inhalt eine ganze Stunde darin belassen. Trotz abso- luter Herzruhe in dieser Zeit erwies er sich in allen Fällen als ebenso wirkungslos wie der bei normaler Herztätigkeit gewonnene. Herz- ruhe schlechthin bedingt also das Auftreten des Vagusstoffes nicht. In Analogie hierzu ist anzunehmen, daß auch nicht Steigerung der Herztätigkeit schlechthin die Ursache des Auftretens des Accelerans- 204 OÖ. Loewi: stoffes ist. Prüfbar ist diese Vorstellung nicht, weil jedes behufs Steige- rung der Herztätigkeit angewandte Mittel gleichzeitig auch den Accelerans reizen kann, andrerseits Acceleransreizung bei gleichzeitiger Ausschaltung der gesteigerten Herzaktion wie z.B. durch Ca-arme Speisung oder Gifte deshalb in bezug auf die Produktion des Stoffes wirkungslos bleiben kann, weil gleichzeitig mit der Muskulatur auch der Accelerans bzw. die von ihm eingeleitete chemische Aktion gehemmt werden kann. Aber die angestrebte Entscheidung wurde auf ganz andere Weise, und zwar eindeutig getroffen. Es wurde bereits erwähnt, daß bei Vagusreizung mitunter der Er- folg zwischen Hemmung und Förderung wechselte und daß dann der Inhalt nach kurzem hemmenden Vorschlag förderte (s. Abb. 2). Diese Inhaltswirkung trat aber nun nicht nur ein bei Reizung mit gemisch- tem Erfolg, sondern auch bei 20 Min. anhaltendem rein hem- mendem. Dabei treten erhebliche, wenn auch nur quantitative Unterschiede im Verhalten der Frösche einer-, der Kröten andrerseits zutage, auf die bei der Wichtigkeit der Frage zunächst einzugehen ist. l. Verhalten des Frosches. Fast alle Inhalte vom Frosch stammend, wo der Reizerfolg ein rein hemmender war, wirkten zunächst lange und oft sehr beträchtlich hemmend (vgl. Abb. 1), schließlich aber erreichten die Pulse allmählich wieder ihre frühere Höhe. Wurde gar Atropin aufgesetzt, so wurden die Pulse regelmäßig etwas höher, als sie vorher waren [s. I. Mitt. Abb. 1 (bei 4) und diese Mitt., Abb. 1 (bei 3)]. Beim normalen optimal schlagenden Herzen hat Atropin diese Wirkung bekanntlich nicht. Sie kann nur so gedeutet werden, daß bei der Vagusreizung, auch wenn sie rein hemmend wirkt, beide Stoffe gebildet werden und in den Inhalt übertreten. 2. Verhalten der Kröte. Viel deutlicher ist die Nachweisbarkeit der Acceleransmiterregung, auch wenn der Erfolg während der Reizung ein rein hemmender ist, bei Untersuchung des Inhalts von Kröten. Bei diesen spricht, wie erwähnt, der Accelerans viel leichter an als bei Fröschen. Das äußert sich darin, daß oft während, immer nach Ende der Reizung unver- mittelt Acceleranspulse auftreten (s. Abb. 3 u. 3a). Infolge dieser Neigung des Krötenherzens zur Acceleransstotfproduktion ist. es mir nie gelungen, mit dem Inhalte eine längerdauernde Hemmung zu er- zielen. Ja in manchen Versuchen, wo die Hemmung sogar den Schluß der . Reizung überdauerte und der Inhalt noch während bestehender ll. "kung. ervenwil Uber humorale UÜbertraebarkeit der Herzn -[BUNIOU UT ‚GI I9p °T UOA SumfpnzFursg sap Jwuyeugurt '@ 'G "ZUNZIOISNIPA A9p uudag pun Aodung ur "TOdurg 'p "IM USZIOH U SunzwmIsndtA Aap pusayugA Iop “IOduryg 'G SBA SOp Auuywuyusg 'g *(,S[) Zunzieiasn ‘asuy °F 'soggey -(SUNyIIAUIBN YDOU Y9RuRp) D 7 6 '& UOA FSuUmmgum "9 Yy Top apurf pun ‘Ie sııp UOA ZUnInJug 'z irV Aa "IE "IUM 19p u M '& € A IZI u be Udo ’H wu 9H zaH UPpuaselyas uusagl 'z Todurg °T '990IM "ug ' qav oT SUNZIIISNIRBA OP PWOIUBA ‚05 wr ‚05 Op ‘Bdury UOA owBuyur op (2) siodung ‘T 8 'daV Ges] 14 Pflügers Archiv f. d. ges. Physiol. Bd. 193. OÖ. Loewi 206 -pus9wweIsJug9 9po1I9dzIa us19puR I9u IJogqe "zZ aM SOPINM UISSEI9A b b h ! l "BPIMMA UHUWOUFUYI USZISH U ‚02 y9ou Zunziog I9p opuyy you dap ‘opoLIodzreisuwlsf9d9dYy Au eur 'g gyonıp Zunzioy Iop opug yowu Ip “"potadzroisuwlefo9day-,0g Aero eyuf 'z "todurng '[ 099141 'Q "d4V eo : "G I ‘Iodury 'g 9PolIodzreisuw 1ofo9dYy-,05 sne goduy 'z BPONEdeunoNn-,0g sne gesury 'f Poly "Pr "daV ‚I G I ‘E ‘& ‘E ‚6 SI 01 9 € Über humorale Übertragbarkeit der Herznervenwirkung. II. 207 u Hemmung entnommen wurde, zeigte der Inhalt fast reine Förderungs- wirkung (Abb. 3 u. 3a). Diese Beobachtungen beweisen zwingend, daß nicht die Steigerung der mechanischen Herztätigkeit, sondern die durch die Reizung gesetzte Erregung als solche die Pro- duktion des Stoffes veranlaßt, daß diese mit anderen Worten dem mechanischen Erfolg der Reizung vorangeht. Dies Ergebnis war eigentlich a priori zu erwarten, da es doch ein seltsamer Zufall wäre, wenn als Folge der mechanischen Leistung ein Stoff abfallen würde, der selbst dann diese Art der mechanischen Leistung herbeiführte. Ist es danach in hohem Maße wahrscheinlich, daß die Produktion der Stoffe die Ursache des Erfolgs der Nervenreizung ist, so verlangen doch gewisse Punkte eine besondere Erklärung. Zunächst könnte es rätselhaft erscheinen, daß in obigen Versuchen als Wirkung der Nerven- reizung bloße Hemmung auftritt, obwohl doch auch oder sogar vor- wiegend Förderungsstoffe im Inhalt vorhanden sind. Doch sagt ja das Vorkommen und Mischungsverhältnis der beiden Stoffe im Inhalt nichts über die Größe der Produktion und über ihre Menge im Herzen selbst aus. Sind die Stoffe die Ursache der Wirkung der Nervenreizung, so muß man annehmen, daß so wie der Erfolg der Vagusreizung auch der Vagusstoff im Moment der Reizung entsteht, im Moment ihres Endes schwindet. Eine solche Annahme macht keinerlei Schwierigkeiten, da ja auch Systole und Diastole der Ausdruck momentaner chemischer Änderung sind. Auch die Tatsache, daß nach Aufhören der Reizung trotz der Gegenwart negativ-inotroper Stoffe im Inhalt die Pulse oft sogar größer werden als vor der Reizung, macht keine Schwierigkeiten: sie erklärt sich mit der Überkompensation durch den mitgereizten Accelerans. Sein Reizerfolg zeigt sich bekanntlich oft erst nach Ende der Reizung und überdauert das Ende der Reizung beträchtlich. Daß hieran mindestens teilweise die positiv-inotropen Stoffe des Inhalts beteiligt sind, geht daraus hervor, daß Wechsel des Inhalts die Puls- größe momentan herabsetzt. Aber auch wenn der wirksame Inhalt im Herzen belassen wird, sinken die Pulse allmählich ab. Z. T. ist dies auf Ermüdung infolge der langen Reizung, z. T. auf Zerstörung der Stoffe zu beziehen; denn wenn wirksamer Acceleransinhalt ins Herz gegeben wird, nimmt die Wirkung allmählich ab (Abb. 4), und wird jetzt Ringer eingefüllt und dann der bereits im Herzen gewesene In- halt, so ist seine Wirkung sehr gering (Abb. 4). Abb. 5 zeigt vergleichend die Wirkung der Inhalte dreier Acceleransreizperioden, von denen zwei direkt (2 u. 4) und einer (3) 30 Min. nach Aufhören der Reizung dem Herzen entnommen wurden. Aus all dem ergibt sich keinerlei Einwand gegen die Annahme, daß die Stoffe die Ursache des Erfolgs der Nervreizung sind. 14* 208 O. Loewi: II. Über die Natur der Stoffe. a) Der Vagusstoff. Die Tatsache, daß die Wirkung des Vagusstoffes durch Atrepin prompt behoben wird, engt die Zahl der in Betracht kommenden Körper stark ein und lenkt die Untersuchung in ganz bestimmte Richtung. Von den bisher bekannten im Organismus vorkommenden Stoffen kommen eigentlich nur Cholin und dessen Verwandte in Betracht. Ich untersuchte zunächst, ob es sich um Cholin selbst handle. Zwar ist seine Herzwirkung auch bei Anwendung sehr hoher Konzen- trationen verhältnismäßig schwach und führt kaum je zu diastolischem Stillstand, aber es könnte ja bei Vaguswirkung an Stellen zur Wirkung gelangen, die von den von außen eingebrachten nicht in gleicher Weise erreicht werden. Ich untersuchte also zunächst, ob und in welchen Mengen etwa im normalen und im Vagusinhalt von Kröte und Frosch Cholin vorkomme. Zu diesem Zweck wurde der beischwach saurer Reaktionim Vakuum völlig getrocknete Inhalt acetyliert und die Wirksamkeit des Acetylproduktes am Herzen geprüft, wie dies des genaueren Geiger und Loewi®) beschrieben haben. Es fand sich in 11 Versuchen sowohl im normalen wie im Vagusinhalt Cholin. Nachdem es auch im Diifusat von Darm [le Heux®?)] und Uterus [Engelhard?)] gefunden wurde, dürfte es wohl aus allen Organen diffundieren. Der Vagusinhalt enthielt immer und zwar zwei- bis fünfmal mehr als der Normalinhalt. Austitrierung des Gehaltes durch Vergleich mit dosiertem Acetylcholin ergab in der Vagusperiode einen Gehalt von Cholin entsprechend 1: 1—5 Millionen, eine am Herzen unter allen Umständen unwirksame Konzentration. Abb. 6 gibt einen derartigen Titrationsversuch wieder, der sowohl den Mehrgehalt der Vagusperiode wie den Vergleich mit Acetylcholin illustriert. Bei der Wichtigkeit der Frage sitherte ich das Ergebnis noch auf andern Wegen. Ich ermittelte in einigen Versuchen die Cholin- konzentration, die annähernd die gleiche Abnahme der Pulsgröße be- wirkt wie der Herzinhalt aus einer Vagusperiode des gleichen Herzens. Sie lag zwischen !/,oooo und */ıooooo-, Nunmehr wurde die Cholinlösung und der Herzinhalt acetyliert: die Cholinlösung bewirkte Stillstand in einer Verdünnung von !/;ooo entsprechend Acetylcholin t/,, Millionen, der Herzinhalt erst in einer Verdünnung von !/,o: er ist also 100 mal ärmer an Cholin. Da aber die durch den Herzinhalt bedingte Senkung ebenso groß war wie die durch die an Cholin hundertmal reichere Lösung, muß die Senkung durch den Herzinhalt durch einen viel wirk- sameren Körper bedingt sein. Schließlich wurde in zwei Versuchen der Cholingehalt in fünf aufeinanderfolgenden Normalperioden und einer darauffolgenden Vagusreizperiode festgestellt. Er nahm von Periode Über humorale Übertragbarkeit der Herznervenwirkung. II. 209 zu Periode ab, um in der Vagusperiode zu steigen. Aber auch in dieser war der Gehalt wesentlich geringer als in der ersten Normalperiode und doch schwächte der Vagusinhalt die Herztätigkeit, der Normal- inhalt nicht. Es ist also Cholin selbst nicht der negativ-inotrop wirksame Stoff des Herzinhalts, obwohl in der Vagusperiode mehr davon im Inhalt Abb. 6. Esculenta. 1. Ringer. 2. Acetylcholin !/,.. Millionen. 3. Acetylcholin !/,, Millionen. 4. Inhalt einer 20’-Normalperiode !/,. 5. Inhalt einer 20’-Vagusreizperiode !/,. 5. Entspricht ungefähr !/,, Millionen ; demnach war Cholinkonzentration im unverdünnten Herzinhalt !/,, Mil- lionen x 40 = !/ss0000- vorhanden ist*). Möglicherweise handelt es sich um Neurin, das mit Sicherheit im Organismus nachgewiesen wurde [Lohmann®)], allen- falls um Cholinester, deren Vorkommen früher vermutet [Hunt!®), Guggenheim®)], neuerdings sehr wahrscheinlich gemacht wurde [le Heux?)]. Ihre zweifellos sehr schwierige Reindarstellung steht allerdings noch aus. bh) Der Acceleransstoff. Die weitaus meisten Versuche wurden mit Inhalt aus Krötenherzen angestellt. Das Krötenherz ist nun im Gegensatz zum Froschherz sehr empfindlich gegen geringfügige Änderungen der Ringerlösung, und zwar bestehen, wiederum anders als beim Froschherz, große individuelle Unterschiede. So reagiert das eine auf Erhöhung des NaHCO,-Gehaltes von 0,01% auf 0,1% mit Steigerung der Pulsgröße, das andre mit Abfall. Beim einen bewirkt Verdoppelung des Ca-Gehaltes gering- fügige Vergrößerung der Pulsamplitüde, beim anderen schon systolische Contractur. Unter diesen Umständen prüfte ich zunächst, ob die Wirk- samkeit des Acceleransinhaltes etwa auf Änderung anorganischer Be- standteile beruhe. In Betracht kam Änderung der Alkalescenz und des Ca-Gehaltes. Bei der Untersuchung der Bedeutung der Alkalescenz machte ich regelmäßig eine eigentümliche Beobachtung: wurde Ringer mit 0,01% NaHCO, eingefüllt und nunmehr der Accelerans gereizt, so reagierte *) Auch hiervon ist nicht etwa die Herzruhe Ursache; denn der Stanniusinhalt ist sogar wesentlich cholinärmer als der normale. 210 O. Loewi: der Ringer danach saurer als vorher und färbte sich mit Rosolsäure schwach gelb. Wurde dagegen vor der Acceleransreizung NaHCO, freier Ringer eingeführt, so wurde der vorher neutrale nunmehr al- kalischer (mit Rosolsäure Rosafärbung). Schon diese Beobachtung spricht gegen die Bedeutung der Alkales- cenzänderung für das Zustandekommen der Wirksamkeit des Accelerans- inhaltes. Ebenso die folgende: Wurde bei Prüfung der für ein Herz optimalen NaHCO,-Konzentration gefunden, daß bei Herabgehen unter 0,01% die-Herztätigkeit litt, und wurde nun bei 0,01% der Accelerans gereizt, so trat volle Förderungswirkung des Inhalts ein, obwohl durch die Reizung die Alkalescenz in das Bereich der schädigenden gesunken war. Daß etwa Zunahme des Ca-Gehaltes im Herzinhalt dessen för- dernde Wirkung nach Acceleransreizung bedingt, war schon a priori beim äußeren Vergleich der beiden Wirkungen unwahrscheinlich. Einführung Ca-reicheren Ringers führt immer momentan zu größeren Pulsen, die des Acceleransinhaltes immer erst nach einer längeren Latenzperiode und auch dann ist der Anstieg viel allmählicher. Ferner erwies sich Steigerung des Ca-Gehaltes des Ringer bei der Kröte immer als fördernd auch in den seltenen Fällen, wo der Acceleransinhalt ver- sagte. Die Acceleransinhaltwirkung nimmt nach einiger Zeit ab (Abb. 4), die der gesteigerten Ca-Konzentration nicht; auch erschöpft sich letztere nicht bei mehrmaliger Einfüllung wie die des Inhalts. Trotzdem prüfte ich direkt, indem ich normalen Herzinhalt einer-, Acceleransinhalt andrerseits schwach ansäuerte, im Platintiegel sorg- fältig veraschte, nach schwacher Alkalisierung mit der dem Ausgangs- volumen entsprechenden Wassermenge aufnahm und nunmehr prüfte. In sieben Versuchen wirkte der veraschte Acceleransinhalt identisch wie der normale, hatte also beim Veraschen seine Wirksamkeit völlig eingebüßt. Auch sein wirksamer Bestandteil ist also, wie in Analogie zum Vagusstoif vorauszusehen war, organischer Natur. Zunächst vergewisserte ich mich darüber, ob etwa die Lipoide an der Wirkung des Acceleransinhalts teilhätten, obwohl sie wenigstens beim Froschherzen nur wenn dies erschöpft ist, wirken. Gegen ihre Bedeutung sprach von vornherein, daß normaler Herzinhalt, der am erschöpften Herzen bekanntlich voll wirksam ist, auch am frischen Krötenherzen, bei dem der Acceleransinhalt wirkt, versagt. Ferner sprach gegen Lipoidwirkung, daß in den meisten Versuchen von vorn- herein Ringer mit dem im hiesigen Laboratorium üblichen, für länger- dauernde Versuche sehr zweckmäßigen Zusatz von 0,001% Natrium oleinicum verwandt würde: die Wirkung des Acceleransinhaltes setzte sich darauf. Schließlich wurde in eignen Versuchen die optimale Lipoid- konzentration festgestellt: auch hierzu addierte sich die Acceleransinhalt- wirkung. Über humorale Übertragbarkeit der Herznervenwirkung. I. Dal) Nach diesen negativen Befunden lag es nahe zu prüfen, ob so wie der Vagusinhalt durch Atropin, der Acceleransinhalt durch ein sym- pathicuslähmendes Gift unwirksam würde. Die Versuche scheiterten daran, daß die zu diesem Zweck geprüften Ergotoxinpräparate, und zwar Ergotoxin. phosphor. (Dale) und Ergotamin. cerystall. pur. (Sandoz), selbst in so großen Dosen angewandt, daß die Herzaktion schon stark geschwächt ist, die Wirksamkeit der Sympathicusreizung zwar etwas schwächten, aber nicht aufhoben !). Danach bleibt die Möglichkeit, daß der Sympathicusstoff eine spezifisch sympathicomimetische ‚Substanz ist, bestehen. Nachdem in dieser Richtung versuchte chemische und physiologische Mikro- nachweise nicht zum Ziel führten, muß die Untersuchung mit größeren Materialmengen wieder aufgenommen werden. IV. Besprechung der Ergebnisse. Die Frage, ob die Nervenreizung direkt den sichtbaren Erfolg herbei- führt oder über den Umweg der Bildung chemischer Substanzen, die ihn ihrerseits bewirken, ist wiederholt erörtert worden. Ich greife aus der neueren Literatur beliebig einige wenige Autoren heraus. Demoor?’), dem es gelang durch Zusatz von Speichel mit Ringer- lösung durchspülte Speicheldrüsen zur Sekretion zu bringen, ist der Meinung, daß die Chordareizung zur Produktion einer Substanz führe, die sekretinartig wirke und mit dem Speichel abfließe. Koch) erörtert, ob nicht das Gastrin durch die sekretorischen Magennerven in Freiheit gesetzt und seinerseits erst die Sekretion anrege. Schließlich hält es auch Bayliss’) für möglich, daß der Nerv auf dem Umweg über die Bildung einer chemischen Substanz wirke. Durch die vorliegende Untersuchung dürfte zum erstenmal der Beweis für die Berechtigung einer derartigen Anschauung erbracht sein. Zwei Fragen sind es, die vor allem sich nunmehr aufdrängen: Auf welchem Weg führt der Nerv zur Bildung der Stoffe und wo wirken sie? Die erste Frage ist m. E. noch indiskutabel. Was die zweite be- trifft, so schicke ich voraus, daß die hemmende Inhaltswirkung auch am nicotinisierten, auf Vagusstammreizung nicht mehr ansprechenden Herzen noch beobachtet wurde, also postganglionär angreift. Früher hatte man die Auffassung, daß postganglionär angreifende Mittel, deren Wirkung durch Atropin aufgehoben wird, auf Nervendigungen wirken, da ja auch der Erfolg der Nervreizung durch Atropin ausgeschaltet wird. Wenn dem so wäre und wir es auf unseren Fall anwenden würden, würde also die Vagusreizung zur Bildung eines Stoffs führen, der diesen !) Übrigens wurde durch Zusatz von. NaHCO, sowohl die’ frühere Größe der Herzaktion wie die frühere Reizbarkeit des Sympathicus wiederhergestellt. 2 O. Loewi: gleichen Vagus endständig erregt. Dann hätten wir also im Erfolg der Nervreizung doch eine direkte Wirkung dieser zu sehen. Mit Rück- sicht darauf, daß gerade die so wie die Reizung der parasympathischen bzw. sympathischen Nerven wirkenden Stoffe als z. B. Pilocarpin einer-, Adrenalin andrerseits, auch nach Degeneration der postganglio- nären Nervenfaser ungeschmälert wirken, hat man das Nervende als Angriffspunkt aufgegeben und man nimmt heute gewiß mit Recht an, daß chemisch oder physikalisch charakterisierte Teile (receptive sub- stances) des Erfolgsorganes selbst den Angriffspunkt bilden. Gestützt wird dieser Standpunkt m. E. vor allem dadurch, daß noch nervfreie embryonale Organe auf die obengenannten parasympathischen und sympathischen Gifte ebenso reagieren wie die nervhältigen. Diese besonders charakterisierten Angriffspunkte brauchen ja nicht allen Organen zuzukommen und sie mögen der Ausdruck einer viel feineren funktionellen Differenzierung sein, als wie sie z. B. die bekannte Differenzierung der Muskeln in rote und weiße darstellt. Diesen Standpunkt vertretend, glaube ich, daß die Vagus- und Sympa- thicusstoffe nicht auf den Nerv sondern direkt aufs Erfolgsorgan wirken. Welcher Art diese Wirkung, ist unbekannt. Bekanntlich hat HowellS) gefunden, daß die Durchspülungsflüssigkeit zeitweise vagus- gsehemmter Herzen sich an Kalium aus dem Herzen anreichert. Hem- meter?) hat bei Nachprüfung dieser Versuche mittels übrigens ab- weichender Versuchsanordnung diesen Befund nicht bestätigt. Die Befunde der vorliegenden Untersuchung werden dadurch nicht berührt: die Wirkung der Vagussubstanz wird ja durch Atropin aufgehoben, die Kaliumwirkung nicht. Wenn dem Kalium überhaupt eine Rolle bei der Vaguswirkung zukommt, so kann diese nur eine Folge der Einwirkung des Vagusstoffes sein. Und das ist sogar wahrscheinlich, nachdem jüngst Zondek !P) und der Verf. 1!) gezeigt haben, daß Kalium an der Wirkung aller daraufhin untersuchten hypodynam wirkenden Stoffe beteiligt ist. Zusammenfassung. 1. Der Herzinhalt aus Perioden, während derer der Vagus- Accelerans gereizt wurde, wirkt im allgemeinen ganz entsprechend dem Reizerfolg: rein hemmend, rein fördernd oder hemmend und fördernd. 2. Unter Umständen wirkt, insbesondere bei Kröten, auch der In- halt aus Perioden, in denen Vagus-Acceleransreizung reine Hemmungs- wirkung zeigte, fördernd; daraus geht hervor, daß die fördernde Substanz primär im Anschluß an die nervöse Erregung produziert wird und nicht ein Stoffwechselprodukt der gesteigerten mechanischen Herz- tätigkeit ist. Über humorale Übertragbarkeit der Herznervenwirkung. II. 213 3. Sowohl in Normal- wie in Vagusreizperioden diffundiert Cholin in den Herzinhalt, und zwar in den Vagusreizperioden mehr; trotzdem ist Cholin nicht die Hemmung hervorrufende Vagussubstanz. 4. Die Acceleranssubstanz wird beim Veraschen des Herzinhalts zerstört. Literaturverzeichnis. !) Loewi, Pflügers Arch. f. d. ges. Physiol., 189, 239. 1921. — ?) le Heux, zit. nach Magnus, Die Naturwissenschaften, Heft 20. 1920. — ?) Engelhard, zit. nach Magnus, Die Naturwissenschaften, Heft 20. 1920. — *) Lohmann, Zeitschr. f. Biol. 56, 1911. — °) Demoor, Arch. intern. de physiol. 13, 187. 1913. — °) Koch, Amer. journ. of physiol. 51, 469. 1920. — ?) Bayliss, Prineiples of general physiology. III. Ausg. S. 344. 1920. — °) Howell, Amer. journ. of physiol., 21, 51. 1908.—°) Hemmeter, Biochem. Zeitschr. 63, 118 u. 140; 66, 437. 1914. — 10) Zondek, Arch. f. exp. Pathol. u. Pharmakol. 8%, 342. 1920. — !!) Loewi, Pflügers Arch. f. d. ges. Physiol. 18%, 123. 1921. — '?) le Heux, Pflügers Arch. f. d. ges. Physiol. 193, 8. 1918. — '?) Geiger u. Loewi, Biochem. Zeitschr.. im Druck. — “*) Hunt, Amer. journ. of physiol., 3, XVIII. 1899; 5, VI. 1901. — 15) Guggenheim, Biochem. Zeitschr. 65, 189. 1914. — '%) Lohmann, Pflügers Arch. f. d. ges. Physiol., 118, 215. 1907. Bestehen Unterschiede in der Pepsinverdauung des Frosches und der Warmblüter? Von Helmut Müller. (Aus dem Physiologischen Institute zu Königsberg i. Pr.) (Eingegangen am 22. August 1921.) Über das Temperaturoptimum für die Pepsinverdauung der Warmblüter sind zahlreiche Untersuchungen!) bekanntgeworden, die Resultate stimmen in befriedigender Weise überein. Das Optimum liegt annähernd bei der Bluttemperatur, bei 39-—40°C. Über 50° nimmt die Wirksamkeit ab, bei 5—10 Min. langem Erwärmen auf 60—70° wird das Pepsin, rein früher, bei Gegenwart von Salzen, Säuren und besonders Eiweißkörpern später, zerstört (Biernacki®)|. Natür- lich hat auch die Frage, wie sich das Pepsin der Poikilothermen, deren Bluttemperatur ja gewöhnlich weit unter 40° liegt, in bezug auf die Temperatur verhält und ob es mit dem Pepsin der Warmblüter identisch ist oder nicht, Interesse und verschiedentliche Bearbeitung gefunden. Aber die Resultate sind sehr widersprechend. Als untere Grenze für die Wirksamkeit des Warmblüterpepsins werden 13° (Schuff), 10° (Fick), 5° (Kühne) angegeben; nach Fick war bei 0° nie eine Wirkung fest- zustellen, während durch das Ferment von Hecht, Forelle, Frosch bei 0° geronnenes Eiweiß verdaut wurde; nach Flaum dagegen ist auch Schweinepepsin noch bei 0° wirksam, allerdings geht der Prozeß sehr langsam vor sich. Hoppe -Seyler?) veröffentlichte Unter- suchungen, in denen er das Optimum beim Hecht mit 20° angibt und findet, daß bei 5—20° die Verdauung sehr energisch vor sich geht; vorher schon hatten Fiek und Murisier angegeben, daß das Pepsin der Frösche, Hechte, Forellen bei niederen Temperaturen kräftig Eiweiß verdaue, bei Körpertemperatur des Warmblüters dagegen keine ener- gischere Wirkung zeigt. t) Vgl. Handbuch der vergleich. Physiologie von Winterstein, %, 1249if 1911. — Handbuch der Physiologie von Nagel, 2%, 551. 1907 — M. Flaum, Zeitschr. f. Biol. %8, 433. 1891. 2) Zeitschr. f. Biol., 28, 49. 1891. ®) Pflügers Arch. f. d. ges. Physiol. 14, 395. 1877. H. Müller: Bestehen Unterschiede in der Pepsinverdauung des Frosches usw. 215 Dem treten verschiedene Untersucher entgegen. Luchau findet die Verdauung bei verschiedenen Fischen bei 40 ° bedeutend energischer als bei 15°, andererseits übertreffen nach ihm Hecht und Zander die Warmblüter insofern, als bei ihnen das Ferment noch bei Tempera- turen wirkt, bei denen es bei höheren Wirbeltieren unwirksam ist. Letzterem widerspricht Krukenberg, der bei Schwein, Hecht und Hai bei niederen Temperaturen keine Überlegenheit des einen oder andern finden kann. Die für die Entscheidung des Streites über die Identität des proteolytischen Magenfermentes der Homoio- und Poikilo- thermen so wichtige Frage, wie sich das Kaltblüterpepsin verschiedenen Temperaturen gegenüber verhält, ist also noch immer ungelöst. In dieser Richtung Untersuchungen beim Frosche anzustellen, das war die Aufgabe, die mir von Prof. Weiss gestellt wurde, und die ich unter seiner Anleitung und durch seine Ratschläge unterstützt bearbeitete. Zu den Versuchen sollte die von Grützner!) angegebene Methode der Einwirkung von Pepsin auf mit ammoniakalischem Carmin ge- färbtes Fibrin angewandt werden. Ich färbte Fibrin in ammon. Carminlösung 24 Stunden, spülte es dann weitere 24 Stunden in fließendem Wasser ab. Das so gefärbte Fibrin ließ ich in 0,2%. Salzsäure quellen, zerkleinerte es mit der Schere und teilte die entstandene Gallerte auf Fließpapier in t/, bis l cem große Stücke. Zum Versuch gab ich zu jeder Portion der Fibrin- gallerte 4ccm 0,2proz. Salzsäure und ließ darauf die gleiche Menge mit Wasser verdünnten Pepsinextraktes einwirken. Letzterer wurde auf folgende Weise gewonnen. Von Magen und Oesophagus frisch getöteter Frösche (Rana escu- lenta) wurde die Schleimhaut abgekratzt, luftgetrocknet, im Mörser zerrieben und in Glycerin eingelegt (1 g getrockneter Schleimhaut auf 80 cem Glycerin). Da Vorversuche ergeben hatten, daß bei einer Salzsäurekonzentration von 1%/,, die Verdauung mindestens ebensogut vor sich ging, wenn nicht besser, also bei 2%/,, wurde zum Versuch der Pepsinextrakt nicht mit Salzsäure, sondern mit destilliertem Wasser verdünnt, und zwar derart, daß die Gesamtflüssigkeitsmenge für jedes Probiergläschen 5ccm betrug. Dieses Verfahren hatte auch den Vor- teil, daß eine Fehlerquelle, die sich nicht ganz vermeiden ließ, ver- ringert wurde. Die Salzsäure allein löst nämlich schon Fibrin?) auf, nur viel langsamer, als bei Anwesenheit von Pepsin. Immerhin ist bei höheren Temperaturen diese Wirkung der Salzsäure schon wesentlich, und man bekommt dann in Kontrollgläsern, die nur gefärbtes Fibrin in verdünnter Salzsäure, ohne Pepsin, enthalten, eine merkliche Färbung ee nn, Fortsetzung S. 221. 1!) Pflügers Arch. f. d. ges. Physiol. 8, 452. 1874; s. auch Korn, Über Me- thoden Pepsin quantitativ zu bestimmen. Diss. Tübingen 1902. ?®) Fermi, Zeitschr. f. Biol. 28, 000. 1891. > Löucl|i 0 008 | 19YA1YIs TOqR | Pens "De nel 10 194 OIM | ‚g0 ul °0€ 104 DIM | ‚g8 ucl "np ‚$Y u Gl 18 rail eo °C = 06 07 PeaDs eur 0%: 0% ı ndg ‚4oucl| O0 | [Sur (0):T0-C0-€0 andg YHucl ,6Z7uGl To | er Sul yynysosg SU ons /EFuZl vEUZE| $0 | (08 N OR) | u mdg Hrusl |@Euzıl Col 08 = = 2 ‚Löucl 0 e 10 < Co 0 es) gut [os nie — — — == £00 0 5 2000 dur ndg _ — £0°0 [«D} . k = (+21) & u Te u O1 uG "Ip ‚lE ucl "Apps ‚Gl ucl mdg ucl e'0 2 Seo AD Atos „andg N) Zu = | ATI0A "ur 19S ur "PP ypeAtos ‚OFull| 0OT| I | TOH :umarg 'y Ö &: - eAyds mdg & | ne _ 3 ed 2 20SE020, Seal 9% ul nn j 8% all Sa | en #1 \ s ? r Om an / u k z : A 10 . mdg | le IPLALTIS | "AP ands \ yur. 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Zunächst machte ich eine Reihe von Versuchen, um festzustellen, welche Konzentration des Pepsins für den Verdauungsvorgang am günstigsten ist. Dann untersuchte ich den Einfluß der Temperatur auf die Verdauung, wobei ich durchweg die gleiche Pepsinkonzentration anwandte, nämlich 0,3 cem des Extraktes, die ich vorher als die vor- teilhafteste erkannt hatte (s. Tab. I). 1. Einfluß der Pepsinkonzentration auf die Eiweißverdauung. Was zunächst die Pepsinkonzentration betrifft, so erwies sich bei 0° eine stärkere Konzentration als entschieden von Vorteil (Versuch 1). Bei höheren Temperaturen stieg ebenfalls die Wirksamkeit mit der Menge des Pepsins, jedoch nur bis zu einem gewissen Grade (0,3 ccm des Extraktes), um dann wieder abzunehmen. Bei 12° wirkte bald die mittlere, bald die stärkere Konzentration mehr, die Unterschiede waren nicht wesentlich. Im sanzen scheint es, daß mit steigender Temperatur die zur Erreichung eines günstigen Verdauungsergebnisses erforderliche Pepsinkonzentration geringer wird. Beachtenswert ist, daß so geringe Pepsinmengen, wie in 0,003 ccm des Extraktes ent- halten sein können, noch eine unzweifelhafte Wirkung ausüben; vgl. hierzu Pekelharing, der angibt, daß vom reinsten bisher dargestellten Pepsin 0,001 mg im 6ccm 0,2proz. Salzsäure noch schwach, aber deutlich auf Eiweiß wirkten. 2. Einfluß der Temperatur auf die Eiweißverdauung. Nun zu den Versuchen über den Einfluß der Temperatur. Sieht man zunächst von den hohen Temperaturen ab, so zeigte sich ein Ansteigen der verdauenden Wirkung des Pepsin mit der Temperatur. Lagen die Versuchstemperaturen nur wenig auseinander, so war ver- schiedentlich kein Unterschied festzustellen, doch ist bei Betrachtung aller Ergebnisse die Tendenz deutlich zu erkennen. Anders ist es bei höheren Temperaturen (40—60°). Hier widersprechen sich die Resul- tate. In drei Versuchen war die verdauende Wirkung stärker bei 40° als bei 30°, in einem Falle war es umgekehrt; ebenso überwogen zwischen 50° und 40° dreimal 50°, einmal 40°. Doch war der Unter- schied in keinem Falle bedeutend, so daß man wohl sagen kann: Die !) Bei einigen, zeitlich den letzten, Versuchen goß ich auch zum Fibrin anstatt 0,2 proz. Salzsäure destilliertes Wasser, so daß das ganze Verdauungsgemisch nur soviel Salzsäure enthielt, als zur Quellung des Fibrins gebraucht war, also einen sehr geringen Säuregrad hatte. Es stellte sich heraus, daß in diesen Versuchen die verdauende Wirkung des Gemisches nur wenig herabgesetzt war gegenüber den Versuchen mit stärkerer HCl-Konzentration. Es wäre angezeigt, besonders bei hohen Temperaturen mit derartig geringen Säurekonzentrationen zu arbeiten. Pflügers Archiv f. d. ges. Physiol. Bd. 19. 15 [2 SP: [3 = base OH ä | == | 0L : UNAIY IE N 2 | 22 3 AneZ 8 orl } > | och \ B> [ FAULA 2 “ [73 | 2) N se ja Uefre weleco e "10a (98%) Det va & 5 ‚02 D)H "IITOA UHLLLONITOA 69 :UNTALT GE Zee | Tee "L Z RE ag Een TIER SER Ze 9, FREE IIIBLAUYISISALR 2 "DZ ZungagT Ih A a "4U9IJO1S 17 — ToLLoeUoy \ ,Teuf (08) a u) F:[ er og "NITOA "IITOA S]I9JU9gJ0.13 ou 96 ul en. DH ‘Quoggg1s ae _ BZ SULLARE FE © OP oo : 3 nds en | PL = Pr & YORayos | REEL — | 20 ZI Oo ur 97 eo F:I = HoF /08E oh oll # "19p | ozugr Znds | = ‚ISUIE | EG = ie 2 [o B7 UOTULIONTTOA -9p um / «'°e ‚andg ah, :ULIATLT ER Ei : _ ng — = == an rien En nem a mtr — >= 67 084 \L "2 Sea == | 84 5 NPRALISATgE 094 ATEZ I _- Jory9vgqoaq | 94 ed »:1I + ERsch . yyoru pP = TISSUEM 5 0A zL : URL "SE & = 08 — 08 pet Ö + .82, ‘09 se | 0% 0 TOSSU M a UOLLLONTTOA 09 UOTE 5 a “ 12 = = = Se]5][o1JuUoM = APyapsodqu „GL | quagggas | “quagygan 'L72 = =2 | B 3 | “ x andg : \ (698) 04 | = + 00% '009 ‘009 | “ ga) = ‚ol uel ‚ınds ERSEL ‚9LUurt. | 997 80 PT E “ wpoTol ındg 09 ern En e UPTUULONTTOA andg [2.08 :ULIALTOE a = a = £ EM = - — En I ee is 2 | 0% ea: Be: | + 08 089 699 "TI ‘089 & | 1:99 | eo $:IJ i z | 128) IDH USLLWUIONTTOA | | 29 :UNALT '63 & | | + 088 09 089 ‘099 R 0 80 vl & sg | IOH = UALLLONTTOA 98 , ZUNALE SG a ——- — = li EEE EEE = — | | Faenleig 5 ı"PIS FG X F|'PIS TE X 8 | PIS FEX&| . 3 | er B 3 ea pen YOeN goan | basya myEN we | E Ale B | I STIL in der Pepsinverdauung des Frosches und der Warmblüter ? 223 Tabelle III. Resultate der Versuche Nr. 283—32 nach 24 Std. (+ = vollkommen, T. = zum Teil). Temp. |, 50 156 58 60 6264 65 66/6869 70| 71 | 2 |73] 74 |75| 76 |77| 78 |80 85° c N, 28 Elbe: | 29 | N ae als + m 30 + | + | + 5 al + | + | _ 32 | | (+) (+). I(-) (-) 33 + +|/+|J + | 34 | | .- /T.| - 35 | I+l+ 1 +21 +! T.|T. x Verdauungsgeschwindigkeit steigt mit der Temperatur zuerst rasch, dann immer langsamer, zwischen 30° und 50° ist der Unterschied nur gering. Bei noch höherer Temperatur (60°) ergibt sich eine deutliche Schwächung des Fermentes, ja es zeigt sich, daß eine längere Ein- wirkung von 60°C das Pepsin zerstört (vgl. Tab. II u. III). Zur näheren Untersuchung der abschwächenden Wirkung hoher Temperaturen traf ich folgende Versuchsanordnung. Der mit Wasser verdünnte Extrakt der Schleimhaut wurde zunächst für sich, aber nur einen Moment (im Gegensatz zu den oben angeführten Untersuchungen von Biernacky), auf die gewünschte Temperatur erhitzt, dann bei Zimmertemperatur in Berührung mit der Fibringallerte gebracht. Es zeigte sich, daß nach 24 Stunden immer alles verdaut war, wenn die Erhitzung des Pepsins bis 70° gegangen war, bei 71— 74° waren die Resultate schwankend, bei 75° war in beiden Fällen die Verdauung nicht vollkommen, über 75° war nach 24 Stunden nie eine Pepsin- wirkung festzustellen. In einem Falle, bei dem eine geringere Pepsin- konzentration (0,l ccm des Extraktes) angewandt worden war, war sogar schon bei 70° nach 24 Stunden keine Wirkung mehr zu erkennen. Es scheint also durch kurzdauernde Einwirkung von Temperaturen über 70° das Pepsin geschwächt und allmählich ganz zerstört zu werden. Das wird noch deutlicher durch Versuche 30, 33, 34, bei denen ein Einwirkenlassen des vorher auf höhere Temperaturen (50— 78°) er- hitzten Pepsins auf Fibrin bei 26° bzw. 30° ergibt, daß das Auftreten der ersten Spur von Färbung um so später erfolgte, je höheren Wärme- graden das Pepsin ausgesetzt gewesen war. Obige Untersuchungen ergeben also eine weitgehende Überein- stimmung mit den Resultaten, welche die Versuche über das Pepsin der Warmblüter gezeitist haben. Eine Identität der proteolytischen Magenfermente der Warmblüter und Kaltblüter erscheint daher wahr- scheinlich, läßt sich aber solange nicht sicher behaupten, als die che- mische Individualität dieser Stoffe noch dunkel ist. Ich kann meine Arbeit nicht abschließen, ohne mit aufrichtigem Dank des freundlichen Entgegenkommens und der guten Ratschläge gedacht zu haben, die mir von Herrn Professor Weiss zuteil geworden sind. Id DD IH. Müller: Bestehen Unterschiede in der Pepsinverdauung des Frosches usw. j g Zusammenfassung: l. Gleich der Pepsinverdauung bei Warmblütern nimmt auch beim Froschpepsin die verdauende Wirkung bis zu einer bestimmten Pepsinkonzentration zu, darüber hinaus aber wieder ab. 2. Die Stärke der verdauenden Wirkung des Froschpepsins steigt mit zunehmender "Temperatur zunächst rasch, dann langsamer. Das Optimum der Verdauung liegt etwa bei 40°. Die Wirkung hört bei 0° nicht auf. Temperaturen über 50° haben bei längerer, Temperaturen über 70° schon bei kurzdauernder Einwirkung eine Schädigung bzw. Zerstörung des Pepsins zur Folge, Temperaturen über 75° sofortige Zerstörung. Auch dieses Verhalten stimmt mit dem des Warmblüter- pepsins überein. Die Synergie von Akkommodation und Pupillenreaktion. Von cand. med. Hans Caspary und cand. med. Karl Goeritz. (Aus dem Physiologischen Institut zu Königsberg i. Pr.) Mit 2 Textabbildungen. (Eingegangen um 22. August 1921.) In den Veröffentlichungen von O. Weiß!) und E. Wlotzka?) über die Synergie von Akkommodation und Pupillenreaktion wird nach- gewiesen, daß die Pupillenverengerung bei der Einstellung des Auges für die Nähe nur dem Konvergenzvorgang und nicht der Akkommo- dation untergeordnet ist. Bei diesen Versuchen ist der Akkommodations- prozeß aus der deutlichen Abbildung des nahen Objektes geschlossen worden. Man kann bei der Wichtigkeit des Problemes wünschen, daß für die akkommodative Veränderung der Linsenform ein objektiver Beweis erbracht werde. Herr Professor Weiß forderte uns auf, Ver- suche anzustellen, ob dieser Beweis zu liefern sei. Die folgenden Be- obachtungen sind zu diesem Zwecke angestellt worden. Die Versuchsanordnung war in allen wesentlichen Punkten dieselbe wie in den Versuchen von Weiß und Wlotzka. Vor allem wurden die Versuche so eingerichtet, daß die Änderungen der Akkommodation möglichst ausgiebig sein mußten, während die Konvergenz konstant aber möglichst gering gemacht wurde. Die Gründe hierfür leuchten ohne weiteres ein. Es sollte entschieden werden, welchen Einfluß jeder der beiden Faktoren, Akkommodation und Konvergenz, auf die Pupille hat; mithin ist es zweckmäßig, den Faktor möglichst groß zu machen, dessen Einfluß man untersuchen will, den anderen aber möglichst klein. Deshalb ließen wir die Blicklinien beider Augen auf ein schwach leuchtendes punktförmiges Objekt in 4,32 m Entfernung konvergieren. Der Konvergenzwinkel betrug daher nur 0,82°. In einer Entfernung von 0,22 m wurde vor jedes Auge das stereoskopische Halbbild eines ab- gestumpften Kegels gebracht. Diese Bilder waren auf zwei Glasplatten gezeichnet (Abb. 1). Sie wurden so orientiert, daß die Augen ohne Änderung des Konvergenzgrades abwechselnd den fernen Punkt und die nahen Kegelhalbbilder deutlich zu sehen vermochten. Um dies !) Zur Erinnerung an Immanuel Kant. Halle 1904, S. 294. ?”) Pflügers Arch. f. d. ges. Physiol. 10%, 174. Pflügers Archiv f. d. ges. Physiol. Bd. 19. r}6 226 H. Caspary und K. Goeritz: leicht möglich zu machen, waren die beiden Halbbilder in einem Rahmen so angebracht, daß sie in der Horizontalen verschoben werden konnten. Sie wurden so angeordnet, daß die Blicklinien durch das Zentrum der kleinen Kreise hindurchgingen. In der Abb. 1 ist dieser Ort durch einen schwarzen Punkt angezeigt. Bei den Versuchen zeigte sich, daß die Pupillenweite bei der Ak- kommodation auf die Kegelhalbbilder sich nicht ändert. Die auf- Abb. 1. gewandte Akkommodationsvermehrung betrug etwa 5 Dioptrien. Da- gegen trat eine beträchtliche Verengerung der Pupillen ein, wenn nur ein Kegelhalbbild binokular d.h. unter Vermehrung der Konvergenz fixiert wurde. Wie in den Versuchen von Weiß und Wlotzka schwankte bei den ersten Beobachtungen die Pupillenweite bei der Akkommodation für die Nähe hin und her, ehe die Pupille ihre anfängliche Weite wieder zeigte. In einigen Versuchen haben wir eine geringfügige Erweiterung der Pupille bei der Akkommodation beobachtet. Vielleicht erklärt sich diese Erscheinung dadurch, daß das ferne Fixationszeichen bei Ak- kommodation auf die Kegelhalbbilder nicht mehr deutlich abgebildet wird. Infolgedessen wird die Helligkeit seines makularen Bildanteiles geringer, weil das Bild eine größere Netzhautfläche deckt. Wir wissen aus Beobachtungen von Hess!) und anderen, daß die pupillomotorische Wirkung der Netzhaut von der Macula zur Netzhautperipherie ab- nimmt; es könnte daher sehr wohl das Fixationszeichen pupillomotorisch stärker wirken, wenn es macular scharf abgebildet wird, als wenn es infolge der Akkommodation für die Nähe einen größeren Netzhaut- bezirk deckt, die Helligkeit also auf eine größere Fläche verteilt wird. In unseren Versuchen mußte dieser Faktor um so mehr ins Gewicht fallen, als sie in einem sehr wenig erhellten Raume angestellt worden sind im Gegensatz zu den Versuchen von Weiß und Wlotzka, die bei Tageslicht geschahen. 1) C. Hess, Grasfes Archiv 52, 143 —174. Die Synergie von Akkomodation und Pupillenreaktion. DI ' Für die Beobachtung der Pupillenweite sind keine besonderen Hilfs- mittel verwendet worden. Die Beleuchtung der Pupille durch die unten zu erwähnenden Lämpchen war ausreichend, um Veränderungen der Pupillenweite mit Sicherheit feststellen zu können. Eine Verengerung wäre uns nicht entgangen, selbst wenn sie nur den zwanzigsten Teil der Konvergenzverengerung betragen hätte. Um objektiv nachzuweisen, daß bei Einstellung auf die Kegelhalb- bilder akkommodative Veränderungen der Linse stattfinden, sind die Änderungen der Entfernung zweier Spiegelbilder der vorderen Linsen- fläche beobachtet worden. Es wurde so verfahren, daß die Entfernung der Spiegelbilder zweier Lämpchen auf der vorderen Linsenfläche bei Einstellung auf den fernen Fixationspunkt und bei Einstellung auf die Kegelhalbbilder gemessen wurde. Diese Messung geschah dadurch, daß dem Abstande dieser beiden Spiegelbilder der Linsenvorderfläche die Entfernung zweier anderen auf Hornhaut erzeugten Spiegelbilder gleich gemacht wurde. Diese letzteren wurden durch zwei andere Lämpchen erzeugt, deren Entfernung untereinander und vom Auge verändert werden konnte. Aus der Größe des Hornhautradius, dem Abstande der Lämpchen und ihrer Entfernung vom Auge kann die Größe der Hornhautspiegelbilder leicht berechnet werden. Gleich dieser Entfer- nung ist die Entfernung der Spiegelbilder der Linsenvorderfläche. Aus dieser kann man den Radius der Vorderfläche der Linse berechnen. Die Versuchsanordnung ist im einzelnen folgendermaßen (Abb. 2):-In einer Entfernung von 4,32 m von den Hornhäuten @ der Versuchsperson befindet sich in: Abb. 2. Augenhöhe das erwähnte Fixationszeichen F. In demselben Niveau befinden sich die beiden Kegelhalbbilder K auf zwei Glasplatten gezeichnet, so orientiert, daß ohne Konvergenzänderung abwechselnd das Fixationszeichen und die Mittelpunkte der kleinen Kegelkreise beobachtet werden können. Senkrecht übereinander befinden sich seitlich vom Auge zwei Glühlämpchen ZL, und ZL, vom Abstande Vß,, deren Spiegelbilder /, und /, auf der Vorderfläche der Linse aufgesucht werden. Der Abstand dieser beiden Lämpchen Z, und Z, wird unverändert beibehalten, ebenso der Abstand f,, welchen jedes Lämpchen von der Hornhaut hat. Die Vergleichsspiegelbilder auf der Hornhaut /3 und /, werden von zwei weiteren Lämpchen ZL, und Z, geliefert, die ebenfalls vertikal übereinander sich befinden. 16* 238 H. Caspary und K. Goeritz: Ihr Abstand Vx, und ihre Entfernung x, vom Auge kann beliebig verändert werden. Diese Lämpchen werden so eingestellt, daß ihre Hornhautspiegelbilder /3 und /4 denselben Abstand haben wie die beschriebenen Spiegelbilder /, und 2, der Vorder- fläche der Linse. Um bequem vergleichen zu können, wird die Spiegelung so er- zeugt, daß die Vergleichsbilder der Hornhaut A, und /, sich genau mit den Linsen- bildern 4, und /, decken. Die Lichtstärke der Hornhautbilder /, und /, wird durch Mattierung der erzeugenden Lämpchen mittels mehrerer Lagen transparenten Papiers passend abgestuft. Um gut vergleichen zu können, wird das Licht der Hornhautglühlämpchen Z, und ZL, mittels eines Stromschlüssels bei der Einstellung des Abstandes der Spiegelbilder 7, und /, abwechselnd ein- und ausgeschaltet. Der Abstand und die Lage der Vergleichslichter Z, und ZL, wird so lange geändert, bis beim Aufleuchten dieser Lichter ihre Spiegelbilder 4, und /, die Linsenspiegel- bilder /, und /, genau decken. Auf diese Weise kann man die Entfernung /, /, der Entfernung 4, /, sehr genau gleich machen. Jeder Versuch gliedert sich in drei Teile: l. Zuerst wird der ferne Punkt F ins Auge gefaßt. Der Abstand der Spiegelbilder /, und /, wird dem Abstand der Spiegelbilder 4, und /, gleich gemacht. 2. Es wird auf die Kegelhalbbilder X akkommodiert, dabei die Weite der Pupille beobachtet. 3. Während der Akkommodation auf die Kegelhalbbilder wird bei gleichzeitiger Aufmerksamkeit auf die Pupille der Abstand der Ver- gleichsspiegelbilder /, und A, auf der Hornhaut dem der Linsenspiegel- bilder A, und 4, gleich gemacht, indem man den Abstand von /, und L, entsprechend verändert. Als Beispiel diene folgender Versuch: Versuchsperson: K. Goeritz, Beobachter: H. Caspary. Abstand des Fixationspunktes F von den Hornhäuten . . . 4,32 m Abstand der Kegelhalbbilder von den Hornhäuten . . . . 0,22 m Abstand der Lampen L, und Z, von der Hornhaut : Pf, = 9% mm Abstand, ZBssia e ee 92 mm Nach Erfüllung der Bedingung, daß /,4, gleich A,A, ist, ist bei Fixation des fernen Fixationszeichens: Abstand der Lampen L, und ZL, von der Hornhaut :&, = 160 mm Abstand Ts Din u er A en Bei Fixation der Mittelpunkte der kleinen Kegelkreise ist: Abstand der Lampen Z, und ZL, von der Hornhaut : a, = 160 mm Abstand 2. ie. nee Den — 80 mm Ausdiesen Daten kann man zunächst die Größe des Abstandes der Ver- gleichsspiegelbilder V\, und V\ auf der Hornhaut berechnen. Man findet sie aus den Gleichungen: h ee (1) > EN M zlI zlI x Ve Voorem, : | (2) Die Synereie von Akkomodation und Pupillenreaktion. 9: [89] Ne) Hierin ist r—=8Smm der Krümmungsradius der Hornhaut, Nennt man den Abstand der. Spiegelbilder der Linsenvorderfläche beim Fixieren von F V,, und beim Fixieren der Kegelhalbbilder X V/}} so ist V, — V, und V, ® — Y%,. Man findet nun die beiden Werte für den Radius der orderiläche der Linse 0, beim Fixieren von F, 0, beim Fixieren von K aus den Gleichungen: B ! Gen) head) @e hc —.» B) an hf 9 a, ne “ht H)df 4 “ 2 2 v5. fi B ' In diesen Gleichungen ist d die Tiefe der Vorderkammer, f, und fs, vordere und hintere Brennweite der Hornhaut, V, und V}, und V); haben die oben angegebene Bedeutung, insbesondere ist V, — V S una IL II * < “ V.—V,: 62 8:10 1 23.692:7, — 31.092; fi =—-%; V,=52mm. Durch Rechnung ergibt sich aus den Gleichungen 1 und 2: V5, = 2,683; V;. = 1,951 mm. Mithin ergeben sich für den Linsenradius für Ferneinstellung die Werte aus Gleichung 3 und 4: 0, = 9,752 mm , 0 = 7,594 mm. Diese Verkleinerung des Linsenradius um 2,155 mm würde einer Akkommodationsvermehrung von etwa 3,5 Dioptrien entsprechen, wenn man aus dem schematischen Auge errechnete Werte!) zugrunde lest. Die Akkommodationsvermehrung in den Versuchen betrug in dem angeführten Beispiel etwa 5 Dioptrien. Die Übereinstimmung der schematischen Rechnung mit den wirklichen Verhältnissen ist so gut wie sie bei derartigen Messungen zu sein pflest. Wir ziehen aus den Beobachtungen den Schluß, daß die Pupillen- verengerung beim Nahesehen nicht der Akkommodation synergisch ist. Wenn man den Versuch macht, die Konvergenz zu vermehren, ohne an dem Akkommodationszustande des Auges etwas zu ändern, so tritt stets eine Pupillenverengerung ein. Es scheint daher die Pu- pillenverengerung mit dem Konvergenzakte unlösbar verknüpft zu sein. Die Akkommodation dagegen ist, wie aus den Versuchen von Heß hervorgeht, in weitem Umfange von der Konvergenz unabhängig. Wesentlich größer noch ist die Selbständigkeit der Pupillenbewegung dem Akkommodationsmechanismus gegenüber. Normalerweise finden beide Vorgänge beim Nahesehen stets gleichzeitig statt. Bei näherer Untersuchung zeigt sich aber, daß beide einem dritten Mechanismus, der Konvergenz untergeordnet sind. Von vielen Menschen kann die 1) O. Weiss, Pflügers Arch. f. d. ges. Physiol. 88, 93. 230 NH. Caspary und K. Goeritz: Die Synergie von Akkomodation usw. Konvergenz beim Nahesehen leicht willkürlich unterdrückt werden, nach einiger Übung, bei anderen gelingt dies schwieriger, vielen ist es unmöglich. Die erste Kategorie zeigt als Versuchspersonen eine völlige Unabhängigkeit der Pupille vom Akkommodationsvorgang, bei der zweiten Kategorie tritt mit der Akkommodation eine bald vorüber- gehende Pupillenverengerung ein. Es ist daher anzunehmen, daß die verschiedenen Resultate der verschiedenen Autoren auf derartigen Unterschieden der Versuchspersonen beruhen. Von einer erneuten Diskussion der Literatur glauben wir absehen zu dürfen, da seit den oben angeführten Beobachtungen keine -wesent- lichen experimentellen Untersuchungen über den Gegenstand angestellt worden sind. Auf die Mitteilung Lohmanns!), welcher einen Versuch von Hering modifiziert und eine eigene Beobachtung mitteilt, sei hier verwiesen. Auch hier ist das von unseren Beobachtungen abweichende Resultat wahrscheinlich durch latente Konvergenzimpulse zu erklären. Die oben beschriebenen Versuche haben wir aneinander angestellt. Zusammenfassung. In dem synergischen Bewegungskomplex der Konvergenz, Ak- kommodation und Pupillenverengerung sind Akkommodation und Pupillenverengerung dem Konvergenzakte untergeordnet, voneinander aber unabhängig. !) Berichte der Deutschen Ophthalmol. Gesellsch. 1908, S. 268 ff. h (Aus dem physikalischen Institut des wissenschaftlichen Instituts zu Moskau.) Untersuchungen über die Ionentheorie der Reizung. II. Mitteilung. Die Ionentheorie der Reizung und die Pflügerschen Gesetze. Von Dr. P. Lasareff. Mitglied der Akademie der Wissenschaften zu Petrograd, Professor an der Universität und Technischen Hochschule zu Moskau. Mit 1Textabbildung. (Eingegangen am 1. September 1921.) In. meinen früheren Arbeiten habe ich eine Theorie der Reizungen aufgestellt, die eine Weiterentwicklung der Theorie von Prof. Nernst und Prof. Loeb ist, und habe bewiesen, daß die Formel für die Gesetze der minimalen Reizungen folgende ist: Q, 71 Oz K (1) wobei C, die Konzentration der erregenden Ionen ist, €’, die Konzen- tration der erregungshemmenden Ionen, und Ä’ eine Konstante; die Formel muß als Grundgesetz für die Reizung der lebenden Gewebe gelten !). Dieses Gesetz (das Loebsche Gesetz) bezieht sich auf die Reiz- schwelle und begründet folglich die Beziehungen zwischen den (,- und den C',-Ionenkonzentrationen, die erforderlich sind, um eine minimale Reizung zu erzielen. Der Wert K’ ist verschieden für die verschiedenen Gewebe und kann durch experimentelle Untersuchungen genau bestimmt werden. Das durch die Formel (1) ausgedrückte und theoretisch in meinen Arbeiten 1910 für alle Reizungen abgeleitete Gesetz ist schon früher von Loeb 1906 empirisch für den Einfluß von Salzlösungen auf Muskeln und Nerven gefunden worden, und ich erlaube mir dieses Gesetz das Loebsche Gesetz zu nennen. Indem ich diese Formel (1) auf die Reizung der Muskeln und Nerven durch den elektrischen Strom anwandte, habe ich gefunden, daß alle Nernstschen Gesetze sich aus dem Loebschen Gesetz ableiten lassen. Auch habe ich dieses Gesetz als Basis für die Theorie des Dunkelsehens !) P. Lasareff, Pflügers Arch. f. d. ges. Physiol. 135, 196. 1910. 232 P. Lasareff: genommen!), und die vollständige Übereinstimmung zwischen Theorie und Praxis erlaubt uns diese Gleichung als eine Grundformel für Reizun- gen anzusehen. Schließlich ist dieses Grundgesetz der Reizungen von ‚Loeb durch sehr exakte und feine Untersuchungen der Bewegungen “des Balanus iberneus geprüft worden 2), und hat sich innerhalb der Grenzen der möglichen Beobachtungsfehler als genau erfüllt erwiesen. Man kann also dieses Loebsche Gesetz als das Grundgesetz der Reizun- gen für lebendes Gewebe ansehen. Dieser Umstand erlaubt uns anzunehmen, daß, wenn in normalem ungereiztem Zustande die Gleichung ©, —= K, ist, und, um einen Reiz 2 Y hervorzurufen, 6, — K’>K, Sein muß, bei vergrößertem ö- auch 92 D) die Reizbarkeit verstärkt wird, eine Verkleinerung des Wertes K’ da- gegen auch eine verringerte Reizbarkeit nach sich zieht. Diese Be- trachtungen dienen uns als Basis zum Beweis des Pflügerschen Gesetzes. Die animalischen Gewebe enthalten eine gewisse Anzahl von Ionen, die beim Durchleiten des elektrischen Stromes ihre Stellung verändern, bei geschlossenem konstanten Strome also überholen die beweglicheren Ionen die weniger beweglichen, so daß das Verhältnis der Ionenkonzen- trationen, welches im Ruhestand bestand, sich an den Elektroden verändern muß. Den Untersuchungen von Loeb zufolge sind es die K-Ionen, die die Gewebe reizen, und ihre Tätigkeit wird durch die Ca- (oder Mg-) Ionen herabgesetzt. Da die K-Ionen beweglicher sind 0, 0% als die Ca-Ionen, so vererößert sich das Verhältnis an der Kathode, ’ Oo wohin sich die K- und die Ca-Ionen hinbewegen. An der Kathode muß sich die Reizbarkeit vergrößern, an der Anode findet das Gegenteil statt; die Ca-Ionen bleiben hier in größeren Mengen zurück als die K-Ionen, also muß sich hier die Reizbarkeit verringern. Wenn der polarisierende Strom soweit verstärkt wird, daß der Reiz eintritt, so ist aus dem vorhergehenden leicht zu ersehen, daß sich der Reiz bei Schließung des Stromes zuerst an der Kathode bemerkbar machen muß. Bei Unterbrechung des Stromes diffundieren die an der Kathode angesammelten Ionen der Metalle zur Anode, und dann stellen sich hier, infolge der größeren Diffussionsgeschwindigkeit der K-Ionen, die für den minimalen Reiz erforderlichen Verhältnisse der reizenden und erregungshemmenden Ionen ein, daraus geht hervor, daß bei Unterbrechung des Stromes sich der Reiz an der Anode einstellen mub. Wenn der Strom konstant geworden ist, können wir Reizverände- rungen auch in quantitativer Form erhalten, wenn wir annehmen, daß der elektrische Strom durch das Protoplasma (Neuroplasma) und die !) P. Lasareff, Pflügers Arch. f. d. ges. Physiol. 154, 459. 1913. — 2) S.Loeb, Proc. of the nat. acad. of sciences (U.S. A) 1, 439. 1915. Untersuchungen über die Ionentheorie der Reizung. II. 233 darin enthaltenen Fibrillen geleitet ist. Die Leitungsfähigkeit dieser beiden Teile der Nervenfaser ist nicht gleich, und wir haben allen Grund anzunehmen, daß die Leitungsfähigkeit der Fibrillen die größere ist; die Stromlinien müssen also so verteilt sein wie es Abb. 1 zeigt. Der mittlere Teil FF stellt schematisch die Fibrille dar, die sie umgebenden Teile NN— NN das Protoplasma. Die Strom- linien gehen von einer Elektrode # R u NT, T N R, zur anderen P,. Nee W An den Punkten A und B, wo = die Stromlinien in die Fibrille Abb Ti ein- und wieder austreten, müssen sich die Ionen ansammeln, da die Fibrillenmembran für sie undurch- lässig ist; infolgedessen muß sich auch die Verteilung der Ionen in dem Raume AB unter dem Einflusse eines konstanten Stromes ändern. Wir können uns also den Nerv in der Form eines Zylinders vorstellen, an dessen Grundflächen Elektroden angebracht sind; weil die Fibrille sehr dünn ist, ist die Ansammlung der Ionen an den halbdurchlässigen Membranen auf dem ganzen Durchmesser des Nervs fast gleichmäßig, und wir können die obenerwähnten einfachen Bedingungen als zutreffend betrachten. In diesem Fall muß überall für eine jede der beiden Ionen- arten, die sich in einer sehr schwachen Lösung finden, die Diffusions- gleichung oc 02C do genügen, wobei die Richtung x von dem Berührungspunkte der einen Elektrode der Fibrille entlang zur anderen als positiv angesehen wird; k ist der Diffusionskoeffizient und ? die Zeit. Bei stationärem Zu- Rute \ | stande ist ee 0. Wir müssen also auf der ganzen Strecke des reiz- 2 baren Gewebes 02€ 0 haben. 0.02 Das Integral dieser Gleichung hat für alle Ionenarten die Form @=AzrÄtB (2) Dieses Integral muß den Bedingungen genügen, die x = 0 entsprechen. Bei stationärem Zustande des Stromleiters muß die zur Elektrode durch den Strom angeführte Salzquantität, die den Betrag iv hat (? = die Intensität des Stromes, v — eine Konstante), dem Diffusions- a 00. strom, der das Salz fortführt und dessen Ausdruck k —— ist, gleich O% sein, so daß dc k— =vi (3) CL 234 P. Lasareff: ist. Indem wir: n bestimmen (Gleichung 2) und in die Gleichung (3) einsetzen, finden wir N) (4) Um den Wert von B zu finden, schreiben wir, daß die Ionenzahl zwischen den Elektroden vor und nach dem Durchgang des Stromes unveränderlich ist und nehmen an, daß die Ionen von außen nicht in den Raum zwischen den Elektroden eindringen können. Die Zahl der Ionen vor Durchgang des Stromes ist gleich dem Produkt der Konzentration C', mit dem Volumen des Raumes zwischen den Elektroden; dieses letztere ist gleich dem Produkt des Abstandes der Elektroden @« mit dem Querschnitt der Fibrille o, folglich ist die Zahl der Ionen vor Durchgang des Stromes C,0« gleich. Um den entsprechenden Wert nach Durchgang des Stromes zu bestimmen müssen wir den Wert CÜo-dx, welcher die Ionenzahl in einem Zylinder, dessen Grundfläche gleich o und dessen Höhe d« ist, von 0 bis a integrieren; auf diese Weise ist die Zahl der Ionen im Zy- linder gleich [7 d q f ovia? [Codz= o[[Ax + B]de = Ey? -+oaB. J ö ö Da dieser Wert, welcher die Anzahl der Ionen nach dem Durchgang des Stromes darstellt, unverändert bleibt, so ist yid vd. Gong ıB da BG... Indem wir die Werte von B (5) und von A (4) in die Gleichung (2) einsetzen, finden wir für Ü den Wert ES ot u avi 0-+ 317 2 Wenn die Ionenkonzentrationen schwach sind, so muß die Diffusion der einen und der anderen Ionen als voneinander unabhängig betrachtet werden; folglich muß die Gleichung (6) sowohl für die reizhervorrufenden Ionen ©, als auch für die reizhemmenden Ionen (€, erfüllt sein, so daß vi a +3] und | a a] ist, wobei ©, und ©, die Konzentrationen der einen und der anderen Ionen in dem nichtgereizten Nerv darstellen. Untersuchungen über die Ionentheorie der Reizung. II. 235 Das Verhältnis . welches die Reizbarkeit bestimmt, ist gleich [03 ’ C, : kı 0 2) ehr il a 2 „ 2 1 ' v er zur = : i : ON: Es ist leicht zu sehen, daß, wenn x — 5 ist, das Verhältnis C. sich in ! _ b} — verwandelt, mit anderen Worten, daß der Reizbarkeitszustand @ dem normalen Reizbarkeitszustande entspuicht. Die Lage des neuen Punktes entspricht also theoretisch immer der Mitte des Abstandes zwischen den Elektroden, praktisch aber ver- schiebt sich derselbe mit der Verstärkung des Stromes gegen die Kathode hin. Eine Erklärung dieser Erscheinung muß darin gesucht werden, daß erstens die Diffusion der Ionen bei den Konzentrationen, welche in dem Leiter bestehen, nicht voneinander unabhängig sind, und daß zweitens stärkere Ströme die Anzahl der Ionen zwischen den Elek- troden ändern können. Was die Änderung der Reizbarkeit vom neu- tralen Punkt zur Anode und Kathode hin betrifft, so finden wir, indem wir diesen Punkt als Nullpunkt für ein neues Koordinatensystem a annehmen, also x — < RER 5 5 = %ı, Setzen, dab ’ Ua alt 0% Y alt nee RL ist. Führen wir die Division aus, so finden wir C @% h = e Dash. Y, | 2 v5 ELLE et » = Ba VE —E Velen. 00% ea a)‘ u Wenn x, nicht groß ist und positiv ist, was wir für a3 kı © Bl v den Muskel und den Nerv aehinen müssen, so zeigt die vorstehende Gleichung, daß das Verhältnis nz und folglich auch die Reizbarkeit von dem neutralen Punkte aus gegen die Kathode hin wächst und zur Anode hin abnimmt. (Aus dem Physiologischen institut der Universität Halle a. S.) Weitere Forschungen über die Senkungsgeschwindigkeit der roten Blutkörperehen bei gleichen und bei verschiedenen Tierarten und unter verschiedenen Bedingungen. II. Mitteilung?). Von Emil Abderhalden. (Ausgeführt mit Mitteln der Heinrich Lehmann- Stiftung.) Mit 65 Textabbildungen. ( Eingegangen am 20. September 1921.) Die quantitativ vergleichende Aschenanalyse des Blutes verschie- dener Tierarten hat unter anderem ergeben ?), daß die Zusammensetzung des Serums bei den gleichen und bei verschiedenen Tierarten in engen Grenzen eine konstante ist. Dieselbe Feststellung ergaben physikalisch- chemische Methoden. Der osmotische Druck des Blutplasmas bzw. -serums ist ebenfalls in engen Grenzen konstant. Weitere Erfahrungen und vor allem biologische Methoden haben dann ergeben, daß trotz der scheinbaren Einheitlichkeit in der Zusammensetzung des Blut- plasmas der verschiedensten Tierarten bedeutsame Unterschiede fest- stellbar sind, für deren Nachweis unsere bisherigen chemischen und viel- fach auch physikalischen Methoden noch nicht fein genug sind. Es fehlt uns vor allen Dingen noch die Einsicht in die feineren Zustandsände- rungen der im Blutplasma bei verschiedenen Tieren und bei ein und derselben Spezies bei verschiedenen Zuständen vorhandenen Stoffe. Die Aufmerksamkeit auf Besonderheiten im Verhalten des Blutplasmas zu den Blutkörperchen bei verschiedenen Tierarten und bei verschie- denen Zuständen ist neuerdings wieder durch die schon den alten Physiologen geläufige Feststellung, wonach die Senkungsgeschwindigkeit der roten Blutkörperchen keine einheitliche Größe darstellt, sondern viel- mehr, je nach der Blutart, eine verschiedene ist, gelenkt worden. Es ist das !) I. Mitteilung: Fermentforschung 4, 230. 1920. 2) Emil Abderhalden;: Zeitschr. f. physiol. Chemie %5, 65. 1898. E. Abderhalden : Senkungsgeschwindigkeit der roten Blutkörperchen usw. II. 237 Verdienst von Fähraeust), wieder darauf aufmerksam gemacht zu haben, daß die Senkungsgeschwindigkeit bei ein und derselben Tierart ver- schieden sein kann. So stellte er während der Schwangerschaft des Menschen eine stark vermehrte Senkungsgeschwindigkeit fest?). Bald zeigte es sich, daß auch bei entzündlichen Vorgängen im Organismus die Senkungsgeschwindigkeit der roten Blutkörperchen im gleichen Sinne beeinflußt wird. Linzen meier?) und eine Reihe anderer Forscher haben in neuerer Zeit sich bemüht, das Wesen der vermehrten oder verminderten Senkungsgeschwindigkeit der roten Blutkörperchen im Plasma auf- zuklären. Ferner sind eine Reihe von klinischen Arbeiten erschienen, die sich das Ziel setzten, die veränderte Senkungsgeschwindigkeit der roten Blutkörperchen in diagnostischer Hinsicht zu verwerten. Mich Jinteressierte die Beeinflussung .der;, Senkungss- geschwindigkeit der roten Blutkörperchen unter ver- schiedenen Bedingungen zunächst deshalb, weil bei den gleichen Zuständen, bei denen sich die sogenannte Abder- haldensche Reaktion feststellen läßt, auch eine veränderte Senkungsgeschwindigkeit der roten Blutkörperchen wahr- genommen worden ist. Dahinzielende Versuche haben denn auch ergeben, dal Zusatz von Peptonen in geeigneter Konzentration die Senkungsgeschwindigkeit der roten Blutkörperchen erhöht). Ferner wird die Senkungsgeschwindigkeit der roten Blutkörperchen im Plasma von Schwangeren verlangsamt, wenn dieses vor dem Zusatz von roten Blutkörperchen der Dialyse unterworfen wird. Wichtig war die Fest- stllung von Kürten), der zeigen konnte, daß Cholesterin die Senkungs- geschwindigkeit der roten Blutkörperchen stark beschleunigen kann, während Lecithin sie verlangsamt®). Da bei der Schwangerschaft eine Hypercholesterinämie wiederholt beobachtet werden konnte, kommt dem erwähnten Befunde von Kürten noch eine besondere Bedeutung zu. !) Vgl. die Zusammenfassung: Robin Fähraeus, The suspension-stability of the blood. Acta medica scandinavica 55, 1. 1921. — Vgl. ferner Alf We- stergren: Ebenda 54, 247. 1920. — Ferner findet sich eine sehr wertvolle Darstellung der ganzen Frage nebst der einschlägigen Literatur bei Kj. von Öttingen: Biochemische Zeitschr. 148, 67. 1921. ?) Bei Tieren scheint die Schwangerschaft nicht allgemein den gleichen Einfluß auszuüben, wenigstens fanden wir bei Kühen und Stuten keine ausge- sprochene Veränderung der Senkungsgeschwindigkeit der roten Blutkörperchen. Weitere Erfahrungen auf diesem Gebiete sind sehr erwünscht. 3) G. Linzenmeier: Pflügers Arch. f. d. ges. Physiol. 118. 69. 1920. *) Emil Abderhalden: Fermentforschung 4, 230. 1920. ®) Kürten: Dieses Archiv 185, 248. 1920. °) Nach eigenen Beobachtungen kann die erwähnte Wirkung des Cholesterins auch ausbleiben. Wahrscheinlich spielt der eigene Gehalt des Plasmas an Cholesterin und Leeithin eine Rolle. 238 E. Abderhalden: Weitere Forschungen Nun hat die Analyse des Gesamtblutes bzw. der roten Blutkörperchen verschiedener Tierarten zu bemerkens- werten Unterschieden in der Zusammensetzung geführt!), und zwar ergab sich u. a, daß die roten Blutkörperchen vom Pferd, Schwein und Kaninchen frei von Natron sind, während diejenigen der übrigen untersuchten Tiere einen sehr ähnlichen Gehalt an diesem aufweisen. Es war von Interesse, festzustellen, ob derartige Unterschiede in irgendeinem Zusammenhang mit der verschiedenen Senkungsgeschwindigkeit der roten Blutkörperchen bei verschiedenen Tieren stehen. Ferner war es von Interesse, an einer möglichst großen Zahl ver- schiedener Tierarten zu prüfen, ob nahverwandte Tiere ein übereinstimmendes Verhalten in der Senkungsgeschwin- digkeit der roten Blutkörperchen zeigen. Leider ist die gegenwärtige Zeit derartigen Versuchen nicht günstig. Es hält schwer, die notwendige Anzahl verschiedener Tierarten zu- sammenzubringen. Ich hoffe die unten mitgeteilten Ergebnisse durch umfassendere Versuche vertiefen zu können. Sie ergeben, daß ohne Zweifel nahverwandte Tiere unter gleichen Bedingungen ein ähnliches Verhalten in der Ge- schwindigkeit der Blutkörperchensenkung zeigen. Pferde und pferdeähnliche Tiere wie Maulesel usw. und ferner Rinderarten (Zebu usw.) bilden Gruppen. Beziehungen zur chemischen Zu- sammensetzung der roten Blutkörperchen sind nicht vor- handen, wie ein Blick auf das Verhalten der Senkungsgeschwindigkeit der roten Blutkörperchen beim Pferd, beim Schwein und beim Kanin- chen zeigt (vgl. die in Kurvenform dargestellten Versuchsergebnisse bei den einzelnen Fragestellungen). Die Senkungsgeschwindigkeit der roten Blutkörperchen kann durch verschiedene Momente beeinflußt sein. Wir haben auf der einen Seite die suspendierten Teilchen: die roten Blutkörperchen und auf der anderen das Suspensionsmittel: das Plasma. Bei den roten Blut- körperchen können wir nicht ohne weiteres ihre Anzahl in Rechnung setzen, vielmehr spielt, wie bereits erkannt ist, der Umfang der Agglu- tination der einzelnen Zellen eine große Rolle. Es wird angenommen, daß im Plasma es in erster Linie die Eiweißstoffe und von diesen ins- besondere die Globuline sind, die einen bestimmenden Einfluß auf die Suspensionsstabilität des Blutes haben. (Vergleiche hierzu insbesondere die Arbeiten von Fähraeus und von Oettingen |]. c.]). Es ist nahe- liegend, daran zu denken, daß andere Bestandteile des Plasmas wie Cholesterin, Phosphatide usw. ihren Einfluß auf dieSenkungsgeschwindigkeit der roten Blutkörperchen !) Emil Abderhalden: Zeitschr. f. physiol. Chemie %5, 65. 1898. über die Senkungsgeschwindigkeit der roten Blutkörperchen usw. Il. 239 indirekt in der Weise geltend machen, daß sie Einfluß auf den Zustand der Plasmaeiweißkörper und insbesondere auf den der Globuline haben. Von den verschiedensten Gesichtspunkten und Problemen aus wird zur Zeit dem physikalischen Zustand der Plasmabestandteile und ins- besondere der im kolloiden Zustand befindlichen erhöhte Aufmerk- samkeit zugewandt. Es sei u.a. an die Bemühungen erinnert, die Wassermannsche Reaktion in ihrem Wesen aufzuklären !), und ferner besteht die größte Wahrscheinlichkeit, daß den Erscheinungen des Schockes bei der Anaphylaxie u.a. Zustandsänderungen der Plasmaeiweiß- stoffe zugrunde liegen. Es ist eine der bedeutungsvollsten Aufgaben der Zukunft, den Zustand der Plasmakolloide unter den verschiedensten Bedingungen zu studieren. Ihr Hydratationsgrad, ihre elektrische La- dung, ihre Verteilung usw. muß für ihre Funktion in der mannigfachsten Weise bestimmend sein. Alle Zustandsformen in einer Lösung stehen in Wechselbeziehung. Es wird nicht vorkommen, daß nur eine Ver- änderung eines Bestandteils vorhanden ist, vielmehr wird jede Fest- stellung einer Veränderung an einem Stoff ein Reagens auf anderweitige Zustandsänderungen und der damit zusammenhängenden Eigenschaften sein. Mit dem Studium der Zustandsänderungen einer Klasse von Ver- bindungen des Plasmas wird der Hebel an einem Punkte angesetzt. Es werden sich unmittelbar weitere Ausblicke auftun. Der Begriff zustandsfremd und -eigen wird Inhalt erhalten. Man wird aus den Erscheinungen im Plasma auf solche in den Zellen, die schwerer zu- gänglich sind, schließen dürfen. Viele sogenannte pathologische Vor- gänge werden einer Erklärung zugänglich werden. Mit besonders sroßem Erfolge wird es möglich sein, dem bisher so vernachlässigten Wasserstoffwechsel nachzugehen. Er liegt nicht so einfach, wie der Kohlensäureaustausch. Manche einseitige Vorstellung wird fallen und größeren Gesichtspunkten Platz machen. Ohne Zweifel ist das Problem der Suspensionsstabilität des Blutes berufen, manche Aufklärung über Zustandsänderungen der Plasma- bestandteile und insbesondere der Plasmaproteine zu bringen. Man wird die Senkungsgeschwindigkeit der roten Blutkörperchen als Reagens benützen können. Mich interessiert vor allem auch das Problem, die Funktionen der roten Blutkörperchen unter verschiedenen Zustandsformen der Plasmabestandteile festzustellen. Es sind zunächst Versuche über den Gaswechsel bzw. die Sauer- !) Vgl. u. a H. Sachs und Kj. von Öttingen, Münch. med. Wochenschr. 68, 351. 1921. — Weitere Literatur und neue Ergebnisse vgl. bei Walter Weisbach: Wassermannsche Reaktion und Ausflockungs- reaktionen nach Sachs-Georgi und Meinicke im Lichte neuerer For- schungen. Gustav Fischer, Jena. 1921. 240 E. Abderhalden: Weitere Forschungen stoffaufnahme der roten Blutkörperchen bei verschiedener Suspensionsstabilität in Angriff genommen worden. Auf der einen Seite werden rote Blutkörperchen im eigenen Plasma unter verschiedenen Zuständen beobachtet, und auf der anderen soll der Ein- fluß von fremdem Plasma studiert werden. Über die Ergebnisse dieser Versuche, die naturgemäß eines großen Materiales bedürfen, soll später berichtet werden. Ich hoffe, daß auch von dieser Seite des ganzen Problems aus sich mannigfache neue Fragestellungen für die Pathologie ergeben werden und gewiß manche Erscheinung eine neue Beleuchtung erhalten wird. Wir müssen nach möglichst vielen funktionellen Proben suchen, um das Wesen der einzelnen, unter abgeänderten Bedingungen auftretenden Erscheinungen erkennen zu können. Je mehr wir die morphologischen Veränderungen durch solche in der Funktion der einzelnen Zellarten ergänzen und zum Teil auch ersetzen können, um so erfolgreicher wird die Aufklärung sog. pathologischer Erschei- nungen sein. Im Folgenden sei über eine Reihe von Fragestellungen berichtet, die als Vorarbeit für das erwähnte Ziel unserer Forschungen auf dem Gebiete der Abhängigkeit der 'Suspensionsstabilität der roten Blut- körperchen von bestimmten Bedingungen — seien sie nun im Plasma allein oder aber in den roten Blutkörperchen mit gelegen — ausgeführt worden sind. | 1. Fragestellung: Wie verhalten sich die verschiedenen Schichten der sich absetzenden Blutkörperchensäule in bezug auf die Senkungsgeschwindigkeit im eigenen Plas- ma? Oder anders ausgedrückt: Ist die Suspensionsstabilität der roten Blutkörperchen ein und desselben Blutes einheitlich oder finden sich Unterschiede? Die Beantwortung dieser Frage gibt zugleich eine Antwort auf eine weitere, nämlich die (2. Fragestellung), ob die Suspensions- stabilität der roten Blutkörperchen in der Tat, wie jetzt vielfach behauptet wird, nur abhängig von der Beschaffen- heit des Plasmas bzw. dem Zustand der Plasmaeiweißstoffe und insbesondere der Plasmaglobuline ist, oder ob nicht vielmehr den roten Blutkörperchen in ihren Wechselbe- ziehungen zu dem Suspensionsmittel auch eine ausschlag- gebende Bedeutung zukommt. Die folgenden Versuche sind in der Weise durchgeführt worden, daß Oxalatblut zentrifugiert wurde. Von dem vom Plasma durch Ab- pipettieren befreiten Blutkörperchenbrei wurden nunniehr aus ver- schiedener Schichthöhe Blutkörperchen herauspipettiert und in gleichen Mengen dem gleichen Volumen des gleichen Plasmas zugefügt. An- gewandt wurden bei allen Versuchen, wenn nichts besonderes erwähnt über die Senkungsgeschwindigkeit der roten Blutkörperchen usw. Il. 241 ist, 2cem Plasma und l ccm Blutkörperchenbrei. Das Gemisch wurde eleichmäßig durchgeschüttelt, und zwar in engen 10 cm hohen Röhr- chen. Alle Röhrchen waren genau gleich weit. Hinter ihnen wurde eine Skala aufgestellt, die gestattete, die Senkung der roten Blutkörper- chen durch Verfolgen der obersten Schicht genau zu verfolgen. In neuerer Zeit haben wir den in Abb. la und b dargestellten Apparat zu | u. .s ai =} IS} | an + l IE oe) ie En In EEE NR ET N ET ERETEN Er nn m em [ TTS Ee Abb. 1a. SaBENABEGERE: Er we rn = a: TERRRDIBERENNE - © en no E n | = © Bi: + IE } E mu & E = ® u r E BB. [3 BE LESLELELTEFREFEERERER U FEEETEENTEURENRENERUN: [ den Versuchen benutzt. Es handelt sich um ein aus Holz verfertigtes Gestell für die Röhrchen. Um Verdunstung und Verunreinigung zu vermeiden, ist ein Deckel angebracht, der die Öffnungen der Röhrchen während der Versuche verdeckt. Anstatt hinter den Röhrchen eine Skala aufzustellen, haben wir auch Röhrchen mit einer genauen Kalibrie- rung verwandt.!) (Vgl. Abb. lc und d.) In den Abb. 2— 10 sind in Kurvenform die Ergebnisse der Versuche mitgeteilt. Sie zeigen die Senkungsgeschwindigkeit des Gesamtblutes 1) Die Firma Rudolf Schoeps, Halle a. S., liefert den Apparat. Pflügers Archiv f. d. ges. Physiol. Bd. 19. 17 242 E. Abderhalden: Weitere Forschungen En und ferner verschiedener Schichten der Blutkörperchensäule nach er- folgtem Abzentrifugieren des Plasmas. Ferner wurde zu 2ccm Plasma l ccm durchgeschüttelter, d.h. gemischter Blutkörperchenbrei hinzu- gegeben. Dieser Versuch ist die eigentliche Kontrolle zu den Versuchen, bei denen zu 2 cem Plasma Blutkörperchen aus verschiedenen Schichten Abb. 1c. Abb. 1d. hinzugefügt wurden. Ein Blick auf die Befunde zeigt, daß die oberste Schicht sich langsamer senkte als die mittlere und diese wiederum langsamer als die unterste. Die Ergebnisse der an vielen Fällen durchgeführten Versuche waren stets die gleichen, sofern die Senkungsgeschwindigkeit im verwendeten Gemisch Plasma- und rote Blutkörperchen eine große war. Für langsam sich senkende Blut- en EEE ER. über die Senkungsgeschwindigkeit der roten Blutkörperchen usw. II. 243 0 20 30 0 50 60 70 80Mır. 710 20 30 40 50 60 70 80 90 100 110 120 Mır, 7 Abb. 2. Senkungsgeschwindigkeit der roten Abb.3. Senkungsgeschwindigkeit der roten Blutkörperchen Blutkörperchen von Schwangerenblut im verschiedener Schichten im Schwangerenblut. eigenen Plasma. I ——— Obere Schicht. II —- - - -— Mittlere Schicht. I ——— Obere Schicht. II — -— -— — Mitt- III s...... Untere Schicht. ZV Gesamtblut ist der Schicht II lere Schicht. III »....... Untere Schicht gleich. IV -.-.-. Gesamtblut. 0 20 30 % 50 60 70 80 90Min. 70 20 30 “0 50 60 70 80Mın, 6 Abb. 4. Senkungsgeschwindigkeit der roten Abb. 5. Senkungsgeschwindigkeit der roten Blutkörperchen von Schwangerenblut im eige- Blutkörperchen von Schwangerenblut im nen Plasma. eigenem Plasma. I ———— Obere Schicht. IT — — -— — Mittlere I ——— Obere Schicht. II - - - - Mitt- Schicht. /IIu.IV..... +-. Untere Schicht und lere Schicht. III »....... Untere Schicht Gesamtblut gleichlaufend. IV -.-.-. Gesamtblut. 17* 244 . E. Abderhalden:: Weitere Forschungen wo 50 60 70Min. 70 20 30 40 50 60 70 80 90 100 110 120 730 Mın. m #73 5 >-7 —ır u ö Abb. 6. Senkungsgeschwindigkeit der roten Blutkörperchen von Abb. 7. Senkungsgeschwindigkeit der Schwangerenblut im eigenen Plasma. roten Blutkörperchen von Schwange- I Obere Schicht. II — -— -— — Mittlere Schicht. renblut im eigenen Plasma. III zer... . Untere Schicht. I ——— Obere Schicht. [I - — - Mitt- lere Schicht. III »-»»»- Untere Schicht. UV Gesamtblut. 1 20 30 40 50 60 70 80 90 100Mın. 710 20 30 40 50 60 70 80 90 100 110 720 730 &) Abb. 8. Senkungsgeschwindigkeit der roten Blut- Abb. 9. Senkungsgeschwindigkeit der roten Blutkörperel| körperchen von Schwangerenblutim eigenen Plasma. verschiedener Schichten im Schwangerenblut. | I ——— Obere Schicht. II u. IV - - - - Mitt- I Obere Schicht. II - - - - Mittlere Schicht und (J lere Schicht und Gesamtblut. III »»-».-». Untere samtblut /V. III ........ Untere Schicht. Schicht. über die Senkungsgeschwindigkeit der roten Blutkörperchen usw. Il. 245 körperchen sind die Unterschiede nicht mit genügender Sicherheit feststellbar. Geht aus diesen Feststellungen ohne weiteres her- vor, daß die untere Blutkörperchenschicht nicht von zu- fällig beim Umschütteln des Gemisches Plasma—rote Blut- körperchen in der Nähe des Bodens des Gefäßes, in dem die Mischung. sich befindet, vorhandenen Blutkörper- chen gebildet wird? Darf geschlossen werden, daß die roten Blutkörperchen im Blut des einzelnen Individuums nicht vollkommen gleichartig sind? Es ergeben sich ganz von selbst Einwände. Es gelingt nicht, mittels einer gewöhnlichen 710 20 30 0 50 60 70 80 30 %0 MO 720 730 10Min. cm 7 N Z 3 R\ N NS N SI 7 en IT Ir 5 Abb. 10. h I Pferdeblut. II Pferdeblut, 1 Teil Blutkörperchen + 2 Teile Plasma. III 1 ccm Blutkörperchen der oberen Schicht +2 cem Plasma. TV en „mittleren „, +2 10a Na = „ unteren > +2 Zentrifuge das Plasma quantitativ von den Formelementen zu ent- fernen. Wir haben selbstverständlich das abzentrifugierte Plasma mit der allerobersten Blutkörperchenschicht entfernt und zu den Versuchen nur Blutkörperchenbrei verwendet, der ganz dickflüssig war. Es darf ohne weiteres angenommen werden, daß die tieferen Schichten der Blutkörperchensäule weniger Plasma zwischen den ein- zelnen Zellen enthielten als die oberen. Wir hätten somit bei den Ver- suchen mit den untersten Blutkörperchenschichten mehr rote Blut- körperchen in der Volumeneinheit zur Anwendung gebracht als in den mittleren und obersten Schichten. Es mußte geprüft werden, welchen Einfluß die Menge der roten Blutkörperchen bei gleichem Volumen des Plasmas auf die Senkungsgeschwindigkeit der roten Blutkörperchen hat. (3. Fragestellung.) Zur Entschei- dung dieses Problems wurden steigende Mengen von roten Blutkörper- 246 E. Abderhalden: Weitere Forschungen chen zu gleichen Mengen Plasma zugesetzt. Um zu vergleichbaren Resultaten gelangen zu können, mußten Blutkörperchen der gleichen Schicht zur Anwendung kommen. Wir wählten ganz allgemein die unterste Schicht, d.h. es wurde Blut zentrifugiert, das Plasma unter Verlust von roten Blutkörperchen abgehoben (d.h. es wurde die aller- oberste Blutkörperchenschicht mitentfernt) und dann die unterste Blut- körperchenschicht zu den Versuchen herauspipettiert. Die Abb. 11—18 zeigen, daß die roten Blutkörperchen sich um so rascher senken, je geringer dievonihnen angewandte 710 20 30 40 50 60 70 80 90 100 MO 120 730 7140 150 160 Min. S o\\ - a n \ EN I Kl \ 3 EN MESSEN N AR DS I \ NL ES N SR N N Be a NE X RL a en — var ER Pe N Eee a Erd VI De=mgzseooeor Zen enorm Ser SgeseceDengg N EACH N ae r NEE ea en [78 Abb. 11, Senkungsgeschwindigkeit der roten Blutkörperchen, die in steigenden Mengen dem gleichen Volumen eigenen und fremden Plasmas zugesetzt wurden. I 0,25 ccm Blutkörperchen aus Blut einer Nichtschwangeren + 2ccm eigenes Plasma. II 05 „ ’ + 2 5) ” ” ” ” ” „ II 0,75 ’ ” ” ” Ar 2 ” „ ” Tao es ee NO 5 v’ 025 ,„ RS } 5 +2 „ Plasma a. Schwang.-Blut vI 0,5 EL} „ F} „ Ar 2 ’ ” ’ ’ VII 0,75 5 r s, 5 +2, „ ’ ’ vIn 1,0 „ ’ + 2 10 20 30 40 50 60 7 80 90 700 Ho 720 730 140 150 160. Mur. Abb. 13. Senkungsgeschwindigkeit der roten Blutkörperchen, die in steigenden Mengen dem gleichen Volumen eigenen und fremden Plasmas zugesetzt wurden. I 0,25 ccm Rinderblutkörperchen + 2ccm eigenes Plasma. 120:52° RR as & III 075 „ Mn +2 „ “ IV 10% 7, 3 +2 „ 5 55 v0 „ 5 +2 „ Schweineplasma. V1:0:52 r +2 „ » VII075 „ 5 oe a VIII 10 „ ” ON 4 über die Senkungsgeschwindigkeit der roten Blutkörperchen usw. II. 247 0 20 30 #0 50 60 70 80 3 710 10 720 7130 140 750 160Mın. 9 Abb. 12. Senkungsgeschwindigkeit der roten Blutkörperchen, die in steigenden Mengen dem gleichen Volumen eigenen und fremden Plasmas zugesetzt wurden. I 0,25 cem Blutkörperchen aus Schwangerenblut + 2 ccm Schwangeren-Plasma. I100:502 5; ” » » 20, III 0,5 „ es ” +2 ,„ „ ZV.1,0, 5, 5 fh E24 5, En vv 025 +2 ,„ Plasma aus Blut einer Niehtschwang. VI 05 5 +2 ; RUE. VII 0,75 +2 ’ > „ 5 VIII 190 h ; E20, ’ ’ „ ’ 10 20 30 40 50 60 70 80 9 70 MO 120 730 140 750 7160 Mın. cm 7 \ \\ IN) \ 2 nl ı\ NN \ | Sr \ v IL IN \ 77 \ N I Ne IN Sa RR \ S \m a ee ug Ss SS no II up De anne > y Az Bu enmsn EL En u eirnindn v 6 Abb. 14. Senkungsgeschwindigkeit der roten Blutkörperchen, die in steigenden Mengen dem gleichen Volumen eigenen und fremden Plamas zugesetzt wurden. I 0,25 ccm Schweineblutkörperchen + 2 ccm eigenes Plasma. II 0,5 $2) E} ar 2 ” „ ” III 0,75 „ $ Anita 9 ” co IV 10 » Has, ” ” V 025 +2 „ Rinderplasma. vI 05 2 u VII 075 „ +2 & VIII 1,0 a 248 E. Abderhalden:: Weitere Forschungen 1 20 30 40 50 60 70 80 90 700 T10 120 730 740Mırn. Abh. 15. Senkungsgeschwindigkeit der roten Blutkörperchen, die in steigenden Mengen zu dem eleichen Volumen eigenen und fremden Plasmas zugesetzt wurden. I 025 cem Schweineblutkörperchen + 2 cem eigenes Plasma. IT 0,5: > +2 s III 0,15 ,„ > +2 h5 VER; > 2 B n 02H 5; +2 Pferdeplasma. Mao, N +2 % VII 0,75 en) VIII 1,0 +2 0 20 30 0 50 60 70 80 90 7100 0 120 130 740.Mır, cm 7 DIT 2 ur 3 178 er v 7 Tr ee) Abb. 16. Senkungsgeschwindigkeit der roten Blutkörperchen, die in steigenden Mengen zu dem gleichen Volumen eigenen und fremden Plasmas zugesetzt wurden. IT 0,25 cem Pferdeblutkörperchen + 2cem eigenes Plasma. II 05 ; 5 +2 en > III O0NDE ” +2 " TV ON ? +2 , = $ v’ 025 ,„ Re +2 „ Schweineplasma. LAN +2 VII 0,75 a +35, VIILENOR n 1 über die Senkungsgeschwindigkeit der roten Blutkörperchen usw. I. 249 Menge ist. Besonders deutlich ist dieses Ergebnis, wenn die ersten Zeiten der Versuche verglichen werden. Die Versuche sind teils mit Plasma des gleichen Blutes ausgeführt worden, dem auch die Blut- körperchen entstammten, zum Teil ist Plasma einer fremden Blutart angewandt worden. Der erhobene Befund zeigt, daß die schnellere Senkung der roten Blutkörperchen, die der tiefsten Schicht einer ab- zentrifugierten Blutkörperchensäule entnommen sind, nicht durch eine Anreicherung von Formelementen erklärt werden kann. Wir müßten vielmehr von diesem Gesichtspunkt aus eine langsamere Senkung erwarten. © 20 30 #0 50 60 70 80 90 wo mo 120 730 0 150Min. | | N | | ym ZI VvIvo Vz Abb. 17. Senkungsgeschwindigkeit der roten Blutkörperchen, die in steigenden Mengen dem gleichen Volumen eigenen und fremden Plasmas zugesetzt wurden. I 0,25 cem Hammelblutkörperchen + 2 cem eigenes Plasma. TO N +2 „ “ 5 TIINONDN, R +2 „ Mival.ON ©, r +2 53 5; 70,257, ’, +2 Schweineplasma AST RT, er +2 VII 075 „ s; 1. VIII 100 0% N DE 1 20 30 w 50 60 70 80 90 10 "MO 70 30 140 150 160Mır. | | I Abb. 15. Senkungsgeschwindigkeit der roten Blutkörperchen, die in steigenden Mengen dem gleichen Volumen eigenen und fremden Plasmas zugesetzt wurden. I 0,25 cem Schweineblutkörperchen +2 ccm eigenes Plasma. II0.57 0, 2, + III 0,5 „, r - 2V.1:.0 .;,; E, + 0'257: 5 + BIOS 5 + VIIa0%5 5 a + VALUE DE ” == ” cE > 9 „ Hammelplasma KDD DIDW 250 E. Abderhalden: Weitere Forschungen Wir haben auch versucht, anstatt mit einfach zentrifugierten roten Blutkörperchen mit gewaschenen zu arbeiten. Das Waschen sollte die letzten Spuren von Plasma entfernen. Es ergab sich jedoch, was übrigens 8 20 30 2 50 60 7 80 20 700 MO 720 130Mın. N N 2 N N N 3 I = IR Q 1 a Ar en = Hr Z I 5 . Abb. 19. I Blutkörperchen in 1% NaCl-Lösung gewaschen im eigenen Plasma. II 9 „ 0,9% ”„ ” ” b2} II a „ 0,8% R 5 en 3; IV ” ” 0,7% „ ” ” ”„ 14 a ungewaschen. 2 2 30. % so 60 70 80 90 700 110 120Mır. AN IN SEN 7 N N N N IN N N 2, NN N N NV N N N 3 Sn SR SS I mW I EIUE * IV zZ 5 Abb. 20. I Blutkörperchen mit 1% NaCl-Lösung gewaschen im eigenen Plasma. II EL ” 0,9% „ „ Li} „ E}} III B2 ”„ 0,85% J Ei Ei E2) IV r 00% Br » » > 14 PN ungewaschen. unterdessen schon bekannt geworden ist, daß selbst das Waschen der roten Blutkörperchen mit isosmotischer Kochsalzlösung für diese nicht indifferentist. Die angeführten Abbildungen (19— 22) bestätigen diese Beobachtung und zeigen darüberhinaus, daß die gewasche- über die Senkungsgeschwindigkeit der roten Blutkörperchen usw. II. 251 nen roten Blutkörperchen um so schneller sich senkten, je konzentrierter die angewandte Kochsalzlösung war. Unter- sucht wurden 0,7—1proz. Lösungen. (4. Fragestellung: Einfluß der Konzentration der Kochsalzlösung auf die Stabilität 10 20 30 #0 50 60 70 80 90 10 110 120Mır. m N 7 \ N 2 \\ 3 \ N N N N N 4 N = II IV. ES ag TE De ee DEV : Abb. 21. I Blutkörperchen mit 1% NaCl-Lösung gewaschen im eigenen Plasma. 1 5 » 09% R R III En 4.08% 2: nn > En IV ” ” 0,7% „ ” 9 2) 1% ss ungewaschen. 1 20 30 w 50 60 70 80 90 0 10 120Mir. cm 7 2 3 4 Abb. 22. I Blutkörperchen mit 1% NaCl-Lösung gewaschen im eigenen Plasma. II si » 09% ” » » » „ III in 08% > » » „ „ IV E}) ” 0,7% ER) Er er „ er 14 = ungewaschen. der roten Blutkörperchen.) Die Menge der verwendeten roten Blutkörperchen war in allen Fällen die gleiche: 1 ccm Blutkörperchen- brei, 2ccm Plasma. Da somit das Waschen der roten Blutkörperchen Einfluß auf ihre Senkungsgeschwindigkeit hat, konnte die oben gestellte Frage, ob der mehr oder weniger große Gehalt des Blutkörperchenbreies 252 E. Abderhalden: Weitere Forschungen an Plasma einen Einfluß auf die Senkungsgeschwindigkeit der roten Blutkörperchen hat, nicht an von Plasma frei gewaschenen Blutkörper- chen geprüft werden. Wir haben, um zu entscheiden, ob wirklich die roten Blut- körperchen ein und derselben Blutprobe eine verschiedene Senkungsgeschwindigkeit aufweisen, noch folgenden Versuch unternommen. Es wurde wieder die Stabilität der roten Blutkörperchen verschiedener Schichten der abzentrifugierten Blutkörperchensäule bestimmt und hierauf die mittlere und obere Schicht nach Zusatz von Plasma im gleichen Verhältnis, wie im ursprünglichen Blut, nach kräf- tigem Durchschütteln für sich noch einmal! gleich lange zentrifugiert, wie das ursprüngliche Blut. Nunmehr wurde wieder je eine obere und untere Schicht hergestellt und die Senkungsgeschwindigkeit der roten Blutkörperchen unter den üblichen Bedingungen festgestellt. Die Ergebnisse dieser Versuche waren unter sich recht ungleich, und zwar insofern, als nach erfoletem Zentrifugieren der einzelnen, nach der Schichthöhe getrennten Schichten, die Senkungsgeschwindig- keit der roten Blutkörperchen bald stark beschleunigt, bald auch ver- langsamt war. Es hat offenbar die Dauer des Zentrifugierens einen Einfluß. Meistens verhielten die beiden Schichten aus der gleichen Schichthöhe sich gleich, und wie Abb. 23 zeigt, behielten die 20 20 30 40 50 60 70 80 90 100 110 120 130 140,Mım 4 Abb. 23. I Schwangerenblut. II Schwangerenblut, 1 cem Blutkörperchen +2 cem Plasma. III 1 ccm Blutkörperchen der oberen Schicht +2 16 00 Kane Br „ mittleren „, +25, al unteren Re +2 „ BR BI! oberen 5 (der oberen Schicht) + 2 cem Plasma. vIIı unteren ER ” +2 VIII 1 oberen > der mittleren Schicht +2 TA \L unteren ER En 55 » +2 ursprünglichen Schichten auch nach der Teilung in zwei neue Schich- ten, in eine obere und eine untere, ein gleiches Verhalten bei, doch war dieser Befund durchaus nicht einheitlich. Es kam vor, daß z.B. über die Senkungsgeschwindigkeit der roten Blutkörperchen usw. 1. 253 die untere Schicht aus den einzelnen Schichthöhen sich langsamer senkte als die obere Schicht, doch waren die Unterschiede recht klein. Unsere Fragestellung, ob innerhalb desselben Blutes die roten Blutkörperchen alle ein gleiches Verhalten hinsichtlich der Senkungsgeschwindigkeit zeigen, läßt sich nicht ohne weiteres eindeutig beantworten. Das Zentrifugieren hat ent- schieden Einfluß auf die roten Blutkörperchen. Man könnte daran denken, daß die Formelemente durch den auf sie mehr oder weniger stark ausgeübten Druck untereinander verklebt werden, und daß da- durch verschieden große Komplexe zustande kommen, die sich dann verschieden rasch senken. Für diese Vermutung ließ sich allerdings aus dem mikroskopischen Bilde des Blutes keine sichere Stütze ab- leiten. Die roten Blutkörperchen wurden, nachdem sie nach erfolgtem Zentrifugieren in: Plasma übertragen waren, in diesem sehr energisch geschüttelt und dann die Senkungsgeschwindigkeit beobachtet. Wenn auch das Zentrifugieren, wie aus unseren Beobachtungen hervorgeht, einen Einfluß auf die Senkungsgeschwindigkeit der roten Blutkörper- chen hat, so deutet doch der Umstand, daß verschiedene Schichten der Blutkörperchensäule beim wiederholten Zentrifugieren ein verschiedenes Verhalten beibehalten, darauf hin, daß die roten Blutkörperchen nach ihrem phy- sikalischen Verhalten nicht einheitlich zu sein scheinen. Ich beabsichtige nach dieser Richtung weitere Untersuchungen an- zustellen. Bei dieser Gelegenheit möchte ich ausdrücklich darauf hinweisen, daß die Durchführung von Versuchen über die Senkungsgeschwindig- keit der roten Blutkörperchen ganz besonderer Sorgfalt bedarf, wenn es sich darum handelt, vergleichende Untersuchungen durchzuführen. Die Senkungsgeschwindigkeit der roten Blutkörperchenin einund demselben Plasma ändert sich mit der Zeit. Man kann z. B. nicht die Senkungsgeschwindigkeit der roten Blutkörperchen, die an einem Tage bestimmt worden ist, mit Ergebnissen vergleichen, die am anderen Tage mit demselben Blute, bzw. Plasma zur Beobachtung kommen. Man muß in solchen Fällen, wenn die Versuche nicht an einem Tage beendet werden können, alle Kontrollversuche am nächsten Tage aufs neue vornehmen. 5. Fragestellung: Wie verhält sich die Senkungsgeschwin- digkeit der roten Blutkörperchen im eigenen und im fremden Plasma? Das gestellte Problem hat zum Ziel, die weitere Fragestellung (6) zu entscheiden, ob für die Stabilität der roten Blutkörperchen nur die Beschaffenheit des Plasmas in Frage kommt oder aber auch diejenige der roten Blutkör- perchen. 254 E. Abderhalden: Weitere Forschungen Wir kennen Blutarten, die an sich eine große Senkungsgeschwindig- keit der roten Blutkörperchen aufweisen, während andere Blutarten umgekehrt eine stark verlangsamte Senkung derselben zeigen. Ver- halten sich nun die roten Blutkörperchen im Plasma der genannten extremen Fälle immer gleich, d.h. sinken z.B. im Plasma des Pferdeblutes, in dem die roten Blutkörper- chen des Pferdes sich sehr rasch senken, dieentsprechenden Zellen aller Blutarten gleich schnell? Sinkenfernerz.B. im Rinderblutplasma die roten Blutkörperchen aller Blut- arten gleich langsam unter, wie das bei denjenigen des Rindes selbst der Fall ist? Die Entscheidung dieser Fragestellung erschien uns von größtem Interesse zu sein. Wäre das Plasma allein für die Senkungsgeschwindig- keit der roten Blutkörperchen maßgebend, dann lägen relativ einfache Verhältnisse vor. Haben jedoch die roten Blutkörperchen an sich auch einen Einfluß, dann muß bei allen Versuchen, die sich auf die Beein- flussung der Suspensionsstabilität des Blutes beziehen, Rücksicht auf Zustandsänderungen im Plasma und in den roten Blutkörperchen, insbesondere in ihrer Grenzschicht genommen werden. % Schon bei der Fragestellung nach dem Einfluß der Menge der Blut- körperchen auf ihre Senkungsgeschwindigkeit sind Versuche mitgeteilt worden, die mit aller Deutlichkeit zeigen, daß das Blutplasma für diese nicht allein maßgebend sein kann. Abb. 11 und 12 ge- hören zusammen. Es wird gezeigt, wie sich rote Blutkörperchen aus Blut einer Schwangeren im eigenen Plasma und in solchem einer nicht schwangeren Person in bezug auf ihre Senkungsgeschwindigkeit ver- halten. Selbstverständlich wurden alle Versuche stets unter gleichen Bedingungen verglichen, d.h. im Vergleichsversuch war die Menge des Plasmas und der roten Blutkörperchen immer die gleiche. Ferner wurden stets Blutkörperchen ausder untersten Blutkörperchenschicht ausgewählt. Beim erwähnten Versuche wurden gleichzeitig die roten Blutkörperchen einer nicht schwangeren Person im eigenen Plasma und im Plasma einer Schwangeren auf ihre Senkungsgeschwindigkeit geprüft. Man erkennt, daß die roten Blutkörperchen der Schwangeren sich im Plasma der nicht schwangeren Person bedeutend rascher senkten als die Blutkörperchen der letzteren, während diese sich im Plasma der Schwangeren etwa so rasch senkten wie diejenigen der schwan- geren Person. Abb. 14 zeigt, daß Blutkörperchen vom Schwein sich in Rinderplasma, in dem sich die roten Blutkörperchen des Rindes außerordentlich langsam senken, sehr rasch absetzen. Andererseits senkten sich die roten Blutkörperchen des Schweines in Rinderplasma sehr langsam. Ganz entsprechende Ergebnisse zeigen die übrigen Versuche. über die Senkungsgeschwindigkeit der roten Blutkörperchen usw. 11. 255 In den Abb. 24—40 sind Versuche der folgenden Art mitgeteilt: Es wurden gleiche Mengen rote Blutkörperchen (stets der untersten Schieht entnommen) mit gleichen Mengen Plasma der gleichen Blut- art und fremder Blutarten im Verhältnis von 1 : 2 zusammengebracht. In einigen Fällen wurde zum Vergleich das ursprüngliche Blut, d.h. ohne vorhergehende Trennung von Plasma und Blutkörperchen ver- wendet. Es ergeben sich alle Einzelheiten der Versuchsanordnung aus den Abbildungen und den ihnen beigegebenen Bemerkungen. Überblickt man die erhaltenen Ergebnisse, dann erkennt man ohne weiteres, daß auch diese Versuche klar legen, daß dem Plasma als solchem bei der Suspensionsstabilität des Blutes eine große Bedeutung zukommt, daß jedoch die roten Blutkörper- chen auch mitbestimmend sind. Bestimmte Blutkörperchen- arten senken sich in jedem Plasma schnell. Dahin gehören die roten Blutkörperchen des Pferdes und des Maulesels — wahrscheinlich aller Verwandten des Pferdes. Andere Blutkörperchenarten senken sich im Gegensatz hierzu in jedem Plasma langsam. Dahin gehören die Rinder- blutkörperchen. In einzelnen Versuchen kann man genau erkennen, daß das Plasma auch dann einen ausgesprochenen Einfluß hat, wenn eine Blutkörperchenart sich an und für sich rasch oder schnell senkt. 20 20 30 40 50 60 70 80 390 100 #10 720 130 140 Min. N U AZIRIED.G cm a 4 SL 7 IS \ DL D44 \ Sur \ Sn N DIE zZ a S IS La \ S 27 \ 3 EN \ De IQ D Same IZ 4 a Be En x u / IV 5 H Abb. 24. I Pferdeblut. II Blutkörperchen vom Pferd + Plasma vom Kalb. III Blut vom Schwein. IV Blutkörperchen vom Schwein + Plasma vom Pferd. VY Blut vom Kalb. VI Kaninchenblut. VII Blutkörperchen vom Pferd + Plasma vom Kaninchen. VIII Hammelblut. IX Blutkörperchen vom Hammel + Plasma vom Pferd. X Blutkörperchen vom Kaninchen + Plasma vom Pferd. XI Taubenblut. XII Blutkörperchen von Tauben + Plasma vom Pierd. 256 E. Abderhalden ; Weitere Forschungen 0 20 30 40 50 60 70 80 90 100 70 120Mın. III Abb. 25. Senkungsgeschwindig- TUR keit der roten Blutkörperchen im cm) \\NS N Blut von Lueskranken, und in 4 R NN NL fremdem Plasma. N SER I! ZLuesblut Nr. 1 im 2. Stad. N, Se Ia Blutkörp, vom Luesblut % IR DER Nr. 1 + Plasma v. Schwein. 2 AN Sant IV Ib Blutkörperchen v. Schwein \ SEIEN N + Plasma von Lues Nr. 1. N BERN SS II Luesblut Nr, 2 im 2. Stad. N AU I IIa Blutkörp. vom . Luesblut 3 \ \ Sue = —_75 Nr.2 + Plasma v. Schwein. \ x Ss EEE N Z7a IIb Blutkörperchen v. Schwein \ N Be Berznn Ib, + Plasma von Lues Nr. 2. NE Bussen III Luesblut Nr. 3 im II. Stad. 4 ur Be @ IIIa Blutkörp. vom Luesblut DE Re I Nr.3 + Plasma v. Schwein Eee en IV Gesamblut vom Schwein. EEE LER 1 Abb. 26. Senkungsgeschwindig- keit der roten Blutkörperchen von Lueskranken im eigenen und fremden Plasma. I Luesblut Nr. 4 im II. Stad. Ta Blutkörp. von Luesblut Nr. 4 + Plasma v. Schwein. Ib Blutkörp. vom Schwein + Plasma von Lues Nr. 4. II TLuesblut Nr.5 im II. Stad. IIa Blutkörp. von Luesblut Nr.5 + Plasma vom Kalb. Ilb Blutkörperchen vom Kalb + Plasma v. Luesblut Nr.5. III Gesamtblut v. Kalb (gleich Kurve IIb). III Gesamtblut vom Schwein. 700 HMO 120Mın. -—. 4 Abb. 27. Senkungsgeschwindigkeit der roten Blutkörperchen in Menschen- u. Taubenblut. TI Menschenblut (nicht schwanger). II Taubenblut (Reistaube). III Blutkörperchen von Menschenblut + Plasma aus Taubenblut (nach 60 Min. Hämolyse), IV ., » Taubenblut + ” „ Menschenblut „ 60 , 5% V Menschenblut + 0,02% Seidenpepton; ebenso verhielt sich VI und VII mit 0,04% u. 0,06%, Seidenpepton. Taubenblut wurde mit den gleichen Mengen Pepton beobachtet, es zeigte sich kein Einfluß. über die Senkungsgeschwindiekeit der roten Blutkörperchen usw. II. 257 0 20 30 #0 50 60 "0 680 390 700 110 120Min. 02 20 30 4 50 60 70 80 90 700 710 120Min. cm & 70 20 30 cm 4 v7 Z ZT vIT IV Abb.2S. Senkungsgeschwindiekeit der roten Blutkörperchen ver- schiedener Blutarten im eigenen IIa III a und fremden Plasma. Schwangerenblut. Blut ein. Nichtschwangeren. Rinderblut. Blutkörperchen v. Schwan- gerenblut + Plasma aus Rinderblut. Blutkörperchen aus Blut einer Nichtschwangeren + Plasma aus Rinderblut. Blutkörperchen aus Rinder- blut + Plasma aus Schwan- gerenblut. Abb.29. Senkungsgeschwindigkeit der roten Blutkörperchen ver- schiedener Blutarten im eigenen I II III IV r VI VII VIII m und fremden Plasma. Pferdebhut. Blutkörperchen vom Pferd + Plasma vom Kalb. Blut vom Schwein. Blutkörperchen v. Schwein + Plasma vom Pferd. Blut vom Kalb. Blutkörperchen vom Kalb + Plasma vom Pferd —= Kurve V. Menschenblut (schwanger). Blutkörperchen aus Men- schenblut + Plasma vom Pferd. 40 50 60 70 80 90 7100 MO 29 730 740 750 Mın. | a JE FE RE 2] Abb. 50. Senkungsgeschwindigkeit der roten Blutkörperchen verschiedener Blutarten im eigenen und fremden Plasma. I Blut vom Schwein. II Blut vom Hammel. III Blutkörperchen vom Schwein + Plasma vom Hammel. IV Blutkörperchen vom Hammel + Plasma vom Schwein. Pilügers Archiv f. d. ges. Physiol. Bd. 198. 258 E. Abderhalden: Weitere Forschungen 0 20 30 4 50 60 70 80 90 100 0 120Mın. 6 Senkungsgeschwindigkeit der roten Blutkörperchen verschiedener Blutarten im eigenen und fremden Plasma. I Menschenblut (nicht schwanger). II Pferdeblut. III Rinderblut. IV Blutkörperchen von Menschenblut + Plasma von Pferdeblut. V Blutkörperchen aus Pferdeblut + Plasma von Rinderblut. VI Blutkörperchen aus Rinderblut + Plasma von Pierdeblut. Abb. 31. 70 20 30 0 50 60 70 80 90 100 110 120 130 140 750 160 170,Wır. I Senkung der Blutkörperchen im eigenen und fremden Plasma. I Menschenoxalatblut. II Menschenblutkörperchen + Schwangerenplasma. III Menschenblutkörperchen + Rinderplasma. IV Rinderoxalatblut. V Rinderblutkörperchen + Rinderplasma. VI Rinderblutkörperchen + Schwangerenplasma. über die Senkungsgeschwindigkeit der roten Blutkörperchen usw. 11. 259 1% 20 30 m 50 60 70 80 90 100 mo 120 730 140 750 7160 170 Min. & Abb. 33. 25. VIIL.21. Blutkörperchen im eigenen und fremden Plasma gesenkt. / und /V un- beeinflußtes Oxalatblut 3 ccm. II, III, V und VI je Icem Blutkörperchen auf 2cem Plasma. I Schweineoxolatblut. IV Menschenoxalatblut. II Schweineblutkörperch. + Schweineplasma. Y Menschenblutkörperch. + Menschenplasma. III Schweineblutkörperch. + Menschenplasma. VI Menschenblutkörperch. + Schweineplasma. 0% 20 30 40 50 60 0 8 9 70 70 120 7130 140 750 "60Min, 6 9 2 15Std. | See Ar] ee ee Sn S ZZ Abb. 34. 15. VII. 21. Je 2ccm Plasma auf 1 ccm Blutkörperchen. I Schweineblutkörperch. + Schweineplasma. VI Hammelblutkörperchen + Rinderplasma. II Schweineblutkörperch. + Hammelplasma. VII Rinderblutkörperchen + Rinderplasma. III Schweineblutkörperch. + Rinderplasma. VIII Rinderblutkörperehen + Hammelplasma. IV Hammelblutkörperch. + Hammelplasma. IX Rinderblutkörperchen +Schweineplasma. V Hammelblutkörperch. + Schweineplasma, 18* 260 #. Abderhalden : Weitere Forschungen über die Senkungsgeschwindigkeit usw. 0 20 30 40 50 60 He R 90 700 710 ER 130 MR An A MR ut 790 ne ar lese are ee Te ei grnavg —— = vr un 7 2 Zr 3 u 5 | | K a7 > Abb. 35. 20. VII. 1921. I, Vu. XI = 8ccm Oxalatblut, alle anderen Röhrchen = I ccm Blutkörperchen, 2 ccm Plasma. I Kälberoxalatblut. | VII Hammelblutkörperchen + Kälberplasma. II Kälberblutkörperchen + Kälberplasma. VIII + Pferdeplasma. III 5 + Hammelplasma. IX Pferdeoxalatblut. IV “ + Pferdeplasma. X Pferdeblutkörperchen + Pferdeplasma. VY Hammeloxalatblut. RER es + Hammelplasma. VI Hammelblutkörperch. + Hammelplasma. [ma + Kälberplasma. © 20 30 40 50 60 70 80 90 100 MO 720 730 10 150 160 770 180Mm ll re ee er 7 Abb. 36. 22. VIL 1921. V,X, AV u.XX =8ccm Oxalatblut, alle anderen Röhrchen = 1 ccm Blutkörperchen, 2cem Plasma. I Mauleselblutkörperch. + Mauleselplasma. XI Wallachstuteblutkörp. + Wallachstutepl. II 5 + Zebuplasma. AII „= + Mauleselplasma. III > + Wallachstutep!. XIII Mi + Zepuplasma. IV + Ostfriesenstutepl. XIV + Ostfriesenstutep!l. v Manleseloxalatblut. AV Wallachstuteoxalatblut. VI Zebublutkörperchen + Zebuplasma. XVI Ostfriesenstuteblutk. + Ostfriesenstutep!]. vII S + Mauuleselplasma. XVII I + Mauleselplasma. VIII IR + Wallachstuteplasma | XVIII In + Zebuplasma. XI + Ostfriesenstutepl. AIX + Wallachstutep!. X Ze buoxalatblut. AX Oetkriesentutedsalatblen, 0 20 30 #0 50 60 70 80 90 700 110 120 730 140 150 760 170 Mir. (TESTER SHT area PEST TER TER oe VE ERERE EEER | [0/ Abb. 37. 29. VII. 21. Blutkörperchensenkung im eigenen und iremden Plasma. /, VI, XI u. XVI je 3 cem unbeeinflußtes Oxalatblut. Alle anderen Röhrchen = 1 cem Blutkörperchen. 2 cem Plasma. Röhrchen III, VI, XT u. XIX hämolytisch. I Maultseloxalat. | XI Schweineoxalatblut. II Mauleselblutkörperchen + Mauleselplasma | XII Sec HmeiiebIuSkorpeteh. + Schweineplasm. III EN + Kälberplasma. | XIII + Mauleselplasma. IV r + Schweineplasm. | XIV En + Kälberplasma. 1% 25 + Pferdeplasma. | 2.49% + Pferdeplasma. VI Kälberoxalatblut. ler]; Pferdeoxalatblut. VII Kälberblutkörperchen + Kälberplasma. XVII Pierdeblutkörperchen + Pferdeplasma. VIII » + Mauleselplasma. |XVIII ss + Mauleselplasma. IX ” + Schweineplasma. | XIX ” + Kälberplasma. PR DB + Pferdeplasma. ERT Pr + Schweineplasma. 70 20 30 #0 50 60 70 80 90 700 70 120 130 740 150 Min. SITE INS N NE NESIINIENSE ROHR RI RL (1 Ense ceeneee 174 ? N N SEINES re u \ N ee EHER en U EN er ERROR 2 N Ex er EEE arte IV EN SL DEE N RE RS Re Bee var \ IS ’. N ER Ra. 3 NS RES AN Er REN SR en ar 1718 ee Be NEED ee Zä Seen ee DE y‚n en 4 Abb. 38. I Blut von Coma diabeticum Nr. I. Il ng „ I, 1cem Blutkörperchen + 2 ccm Plasma. III Blutkörperchen (A ccm) von Coma diabeticum I + 2 cem Pferdeplasma. IV „ (lccm) vom Pferd + 2ccm Plasma von Coma diabetieum Nr. 1. v Blut von Coma diabeticum Nr. II. VER; 1, „ HI, 1cem Blutkörperchen + 2cem Plasma. VII 1 ccm Blutkörperchen von Coma diabeticum Nr. II + 2 ccm Pferdeplasma. VIII 1 ccm vom Pferd + 2cem Plasma Coma diabetieum Nr. II. IX Pferdeblut. X ‚1 cem Blutkörperchen + 2cem Plasma. ” 262 E. Abderhalden: Weitere Forschungen Aus Anlaß dieser Versuche wurde die Beobachtung gemacht, daß außer der Schwangerschaft‘ beim Menschen die Lues eine sehr stark verminderte Suspensionsstabilität des Blutes bedingt. Stark ver- langsamt ist die Senkung der roten Blutkörperchen beim Diabetes 70 20 30 #40 50 60 O0 8 % %0 MO 7120 7130 140 Mın. Sy Abb. 389. Blut vom Diabetiker und Nichtdiabetiker. 16. IX. 21. I Diabetikerblut (Gesamtblut) II : 1 Teil Blutkörperchen + 2 Teile Plasma. III Diabetikerblutkörperchen + Nichtdiabetikerplasma (1:2). IV Nichtdiabetikerblut (Gesamtblut). 4 1 Teil Blutkörperchen + 2 Teile Plasma. vI Nichtdiabetikerblutkörperchen + Diabetikerplasma (1:2). 70 20 30 40 50 60 70 80 90 700 110 120 130 140.Mın. Y Abb. 40. Blut vom Diabetiker und Nichtdiabetiker (normal). 15. IX. 21. I Diabetikerblut (Gesamtblut). II a 1 Teil Blutkörperchen + 2 Teile Plasma. III Blut vom Nichtdiabetiker (Gesamtblut). IV 2, “ Me ‚„4t Teil Blutkörperchen + 2 Teile Plasma. h bedeutet hämolytisch. melitus (vgl. Abb. 38, 39, 40 [wenigstens gilt dies für die untersuchten schweren Fälle|). Auch bei Ikterus scheint eine Verlangsamung vorzuliegen. Bei akuter Nephritis wurde eine stark vermehrte Senkungsgeschwindigkeit der roten Blutkörperchen beobachtet. über die Senkungsgeschwindigkeit der roten Blutkörperchen usw. Il. 263 Wir stellten uns nunmehr die weitere Frage (6. Fragestellung), ob die roten Blutkörperchen beim Verweilen im fremden Plas- ma andere Eigenschaften annehmen. Zur Entscheidung dieses Problems gingen wir so vor, daß die roten Blutkörperchen, nachdem ihre Senkungsgeschwindigkeit in fremdem Plasma bestimmt war, ab- zentrifugiert und wieder in eigenes Plasma zurückgebracht wurden. Wie die Abb. 41-46 zeigen, blieb die Senkungsgeschwindigkeit ver- ändert. Wir haben uns endlich die Frage (7. Fragestellung): vorgelegt, ob sich die durch Verweilen in fremdem Plasma veränderte 0 20 30 #0 50 60 70 80 90 100 MO 720 730 140 150 160 170Mım. een ES BE re ee ea re] U Abb. 41. 30. VII. 21. Beeinflußte Blutkörperchen in das eigene Plasma zurückgebracht, Röhrchen VI--XIV hämolytisch. Röhrchen XV fällt wegen Mangels an Plasma aus. I Mauleseloxalatblut. II Mauleselblutkörperchen (Kontrolle). + Mauleselplasma. III en vorher + Kälberplasma + IV ee » + Schweineplasma + V ke: en + Pferdeplasma + VI Kälberoxalatblut VII Kälberblutkörperchen (Kontrolle). + Kälberplasma. VIII ss vorher + Mauleselplasma + IX n 5 + Schweineplasma + X 3 5 + Pferdeplasma + XI Schweineoxalatblut XII Schweineblutkörperchen (Kontrolle). + Schweineplasma. XI n vorher + Mauleselplasma + XIV 5 “ + Kälberplasma + XVI Pferdeoxalatblut. XVII Pferdeblutkörperchen (Kontrolle). + Pferdeplasma., XVII » vorher + Mauleselplasma + XIX + Kälberplasma + X + Schweineplasma + 264 E. Abderhalden: Weitere Forschungen DD 20 30 #4 50 60 70 80 390 10 MO 7120 730 140 150 160 170 780 190 200 210 Min. BRRERSE ST IERA1S; Taler Deere Nano 1a Dale ERST ER DB En ER ne 3 Abb. 42. 21. VII. 1921. 7, V, IX =3cem unbeeinflußtes Oxalatblut, alle anderen Röhrchen = 1 ccm Blutkörperchen auf 2 cem Plasma. I Kälberoxalatblut. II Kälberblutkörp. (Kontrolle) + Kälberplasma. III hs (vorher + Hammelplasma) + nn (Plasma vorh. + Hammelblutk.) N „ + Pferdeplasma) + ri 5 » + Pferdeblutk. v Hammeloxalatblut. VI Hammelblutkörp. (Kontrolle) + Hammelplasma. VII 55 (vorher + Kälberplasma) + Y “ » + Kälberblutk. VIII „+ Pferdeplasma) + = e: „ + Pferdeblutk. IX Pferdeoxalatblut. X Pferdeblutkörp. (Kontrolle) + Pferdeplasma. XI 2 (vorher + Hammelplasma) + ar % » + Kälberblutk. ZII e „ + Kälberplasma) + r 5 » + Hammelblutk. 0% 20 30 40 50 60 70 80 30 100 110 120 130 140 750 7160 170 Min. men Emmen m N IN m 5 S 4 N &T m N Ss 7 \ SIR DS IV N Ne 714 5) \ SR DIE SS. ELISE Be SS "X A ni UNE ee er XV; IE = ._ & er X Be RL, ee IT Abb. 43. 23. VII. 1921. Blutkörperchen aus fremd. Plasma in das eigene zurückgebracht. I Mauleselblutkörperchen (Kontrolle) + Mauleselplasma. II Re (vorher + Zebuplasma) + % III Re Er + Wallachplasma) + ss IV. ES 5 + Östfiriesenplasma) + = V Mauleseloxalatblut. VI Zebublutkörperchen (Kontrolle) + Zebuplasma. VII ;% (vorher + Mauleselplasma) ze > VIII “ „ + Wallachstuteplasma) + IX 35 En + Ostiriesenstuteplasma) + » X Zebuoxalatblut. XI Wallachstuteblutkörperchen (Kontrolle) + Wallachsuteplasma. ATI an (vorher + Mauleselplasma) + 5 XIII hy „ + Zebuplasma) - XIV „+ Ostfriesenstuteplasma) + AV Wallachstuteoxalatblut. XVI Ostfriesenstuteblutkörperchen (Kontrolle) + Ostfriesenstuteplasma. XVII 35 (vorher + Mauleselplasma) + 5 XVII AN + Zebuplasma) + 5 RI: 5 + Wallachstutepl.) + 5 BOX Ostiriesenstuteoxalatblut. über die Senkungsgeschwindigkeit der roten Blutkörperchen usw. TORSZON 304072830. 60 70 cm 4 Abb. 44. 19. VII. 21. Blutkörperchen aus I Sehweineblutkörperch. (Kontrolle) II. 7265 80 90 100 70 7120 730 140 7150 760 770 780 790Mırm. | | | iremdem Plasma in das eigene zurückgebracht. + Schweineplasma (Plasma). II „ (vorher + Hammelplasma) + (vorher + Hammelblutk.) III ER (UN 3 + Rinderplasma) + 35 lt + Rinderblutk.) IV Hammelblutkörperch. (Kontrolle) + Hammelplasma V „ (vorher + Schweineplasma) + (vorher + Schweinebl.) vI » (5. + Rinderplasma) + Ze N + Rinderblutk.) VII Rinderblutkörperch. (Kontrolle) + Rinderplasma A VII (vorher + Hammelplasma) + x (vorher + Schweineblk.) IX Mr ( + Schweineplasma) + 5; SU + Hammelblutk.) 70 20 30 #0 50 60 70 80 90 100 170 720 7130 740 750 160 170 Mır. | | | | | | | | am 7 Z g; 4 9 6 Abb. 45. 26. VII. 21. Blutkörperchen aus iremdem Plasma in eigenes gebracht. Das Blut wurde in allen Röhrchen während der Ablesung hämolytisch. I Schweineoxalatblut . II Schweineblutkörperch. (Kontrolle) + III (vorh. + Menschenplasma) + IV = Ir V Menschenoxalatblut. VI Menschenblutkörperch. (Kontrolle) - VII (vorh. + Schweineplasma) VIII + Schweineplasma. Plasma vorher + Menschenblutkörperch. Menschenplasma. Plasma vorh. + Schweineblutkörperch. 266 E. Abderhalden:: Weitere Forschungen 0 20 30 40 50 60 70 80 90 700 110 120 130 140 150 160 170Mır. 5 Abb. 46. 28. VII. 21. Senkung beeinflußter Blutkörperchen im eigenen unbeeinflußten Plasma — III u. VII bzw. unbeeinflußter Blutkörperchen im eigenen beeinflußten Plasma = IV u. VIII und Kontrollen 7, II, Y u. VI h = hämolytisch. I Schwangerenoxalatblut. II Schwangerenblutkörperchen (Kontrolle) + Schwangerenplasma. ıh. III 5 vorher + Rinderplasma + IV ” 3 vorher + Rinderblutkörperchen. V Rinderoxalatblut. VI Rinderblutkörperchen (Kontrolle) + Rinderplasma. vII ” vorher + Schwangerenplasma + VIII 2 + vorher + Schwangerenblutkörp. Senkungsgeschwindigkeit im eigenen Plasma durch Wa- schen mit diesem „umstimmen' läßt. Es ist dies, wie die Abb. 47 bis 55 zeigen, in der Tat der Fall. Der Einfluß des Waschens mit eigenem Plasma zeigt sich schon nach einmaligem Aufrühren in diesem. Wurde das Plasma nach erfolgtem Zentrifugieren erneuert und das Waschen wiederholt, dann näherte sich die Senkungsgeschwindigkeit im eigenen Plasma in vielen Fällen, jedoch nicht immer, wieder der ursprünglichen. Es ist naheliegend, die veränderte Senkungsgeschwindigkeit der roten Blutkörperchen nach Verweilen in fremdem Plasma darauf zurückzuführen, daß die einzelnen Blutkörperchen auch nach erfolgtem Zentrifugieren mit einer Schicht fremden Plasmas überzogen bleiben. Es besteht jedoch auch die Möglichkeit einer ‚„Umstimmung‘ der Teilchen der Grenzschichten der roten Blutkörperchen. Wir nahmen ferner die Frage (8. Fragestellung) in Angriff, ob das Plasma durch das Verweilen von ihm fremden Blutkörper- cheninihm Veränderungen erleidet. Einerseits wurde Plasma, dem Blutkörperchen einer anderen Art zugesetzt worden waren, nach deren Entfernung auf das Verhalten den eigenen Blutkörperchen gegenüber geprüft. Es zeigte sich ein deutlicher Einfluß auf die Sen- kungsgeschwindigekeit. über die Senkungsgeschwindigkeit der roten Blutkörperchen usw. II 2% 20 30 40 50 60 70 80 90 700 110 720 730 740 Mın urn “ \ 7 2 3 4 = 7 u 5 7 Abb. 47. Die in fremden Plasma gesenkten Blutkörperchen wurden 2 mal im eigenen Plasma gewaschen, bevor sie zur Senkung im eigenen Plasma angesetzt wurden. I Pterdeblut. II Pierdeblut. 1 Teil Blutkörperchen, 2 Teile Plasma. III Pferdeblutkörperchen + Kälberplasma, IV Re: V Kälberblut. VI Kälberblut, 1 Teil Blutkörperchen + 2 Teile Plasma. vII Kälberblutkörperchen + Pferdeplasma. VIII (vorher in Kälberplasma) + eigenes Plasma. (vorher in Pferdeplasma) + eigenes Plasma. 70 20 30 40 50 60 7 80 90 10 MO 120 7130 140 150 Mım. -S — nn na z_——.. 5 Abb.48. Die in fremden Plasma gesenkten Blutkörperchen wurden z. T. ]-,2- u. 3 mal mit eigenem Plasma gewaschen, bevor sie zur Senkung im eignen Plasma angesetzt wurden. I Pferdeblut. g II Pferdeblut, 1 Teil Blutkörperchen + ?2 Teile Plasma. III Pferdeblutkörperchen + Schweineplasma. IV = (vorher in Schweineplasma) + eignes Plasma. nicht gewaschen. v 5 5 = n En 15 I mal VI % VII > en = m" 5 3 268 E. Abderhalden: Weitere Forschungen 0 20 30 %W 50 60 80 go 700 110 120 130 740 750Mım, [SS] NS SASNI 4 Abb. +49, Die im fremden Plasma gesenkten Blutkörperchen wurden zum Teil 1-, 2- und 3mal im eigenen Plasma gewaschen, bevor sie zur Senkung im eigenen Plasma angesetzt wurden. I Schweineblut. II Schweineblut, 1 Teil Blutkörperchen + 2 Teile Plasma. III Schweineblutkörperchen + Pferdeplasma. IV Ri (vorher in Pferdeplasma) + eigenes Plasma, nicht gewaschen. V ER ee 5% ” + r2 5 lmal 5 VI 5 » A se + 5 Dies » vo 55 52 ” ;; + n 5 Ä SH ®> 70 20 30 #0 50 60 70 80 90 10 10 70 130 740Mım, N < ren = I cm nn Em 7 SS “x I N 7 SIESS Do - > m IIL Ze ae es Sell en SENDER U --_W7 2 III Zmor ST TV 3 4 Z ZZ 5 Abb. 50. Die im fremden Plasma gesenkten Blutkörperchen wurden zum Teil 1-, 2- und 3mal im eigenen Plasma gewaschen, bevor sie zur Senkung im eigenen Plasma angesetzt wurden. I Schweineblut. II Schweineblut, 1 Teil Blutkörperchen + 2 Teile Plasma. III Schweineblutkörperchen + Rinderplasma. Am nächsten Morgen wurden beobachtet: IV Schweineblut, 1 Teil Blutkörperchen + 2 Teile Plasma. V Schweineblutkörperchen + Schweineplasma, in dem vorh. Rinderblutkörp. gesenkt wurden. vI ss (vorher in Rinderplasma) nicht gewaschen. VII 5 TEN A 1 mal VII “ 4 N 2, = Ex & ee % 3, über die Senkungsgeschwindigkeit der roten Blutkörperchen usw. II. 269 Oo 22 30 W 50 60 70 80 9 700 710 130 730 7140 Min. IITTTIII422 2222-0 Im IV WUIVIIE 2 Abb. 51. Die im fremden-Plasma gesenkten Blutkörperchen wurden zum Teil 1-, 2- und 5mal im eigenen Plasma gewaschen, bevor sie zur Senkung im eigenen Plasma angesetzt wurden. T Rinderblut. II Rinderblut, 1 Teil Blutkörperchen + 2 Teile Plasma. IIT Rinderblutkörperchen + Schweineplasma. Am nächsten Morgen wurden beobachtet: IV Rinderblut, 1 Teil Blutkörperchen + 2 Teile Plasma. V Rinderblutkörperchen + Rinderplasma (in dem vorher Schweineblutkörp. gesenkt wurden). VI (vorher in Schweineplasma) + eigenes Plasma, nicht gewaschen. VII 5 nn 53 5 En “ URLS: imal 5 VIII > “ i > + 5 ss Der, > IX > „ 5 " 3F ” se 3,5 bs 0 20 30 .%0 50 60 70 80 30 100 10 7120 730 140Mır. 7: III = en I, Smmzza In N SI m Abb. 52. Im fremden Plasma gesenkte Blutkörperchen wurden zum Teil 1-, 2- und 3mal im eigenen Plasma gewaschen, bevor sie zur Senkung im eigenen Plasma angesetzt wurden. I Pferdeblut. II Pferdeblut, 1 Teil Blutkörperchen + 2 Teile Plasma. III Pferdeblutkörperchen + Rinderplasma. IW h (vorher in Rinderplasma) + eigenes Plasma, nicht gewaschen. 1 3 „ » DB + = > 1 mal a ” ’ „ ar ’ 2 ” » 1271 : ; are Bes 270 E. Abderhalden: Weitere Forschungen 10 20 30 40 50 60 %0 80 90 100 MO 120Min. N cm N SS \ 7 N N N NN \ IN 2 \ S 5 ER ee \ \ Abb. 53. 8. IX. 21. Die im frem- \ \ den Plasma gesenkten Blutkör- RER perchen z. T. 1-, 2- u. 3 mal im \ BISEN eigenen Plasma gewaschen, be- 3 N Pe SR vor sie.zur Senkung in eigenem N ag Plasma angesetzt wurden. \ >=7: \ 4 N 1718 N vIvaz N 5 Fe ng 6 T Pierdeblut (Gesamtblut). II > .1l cem Blutkörperchen + 2? cem Plasma. III 1 cem Pferdeblutkörperchen + 2cem Schweineplasma (hämol.) Zap es 2 + 2 cem Pferdeplasma (in dem zuvor Schweinekörperchen ge- senkt sind (schwach hämol.). i a „ (vorh. i. Schweineplasm.) nicht gewasch. +2cem eig. Plasma (stark hämol.) Kae: Eu EuE 5 il mal +2. a R Er 5 VIREIEE E FE es SER 5 +2 & VIII 1 len 2 Sn: „ +2 20 30 40 50 60 70 80 90 700 MO 720 Mın. cm 7 2 Abb. 54. 8. IX. 21. Die in frem- den Plasma gesenkten Blutkör- perchen wurden z. T.1-, 2- und 3 mal im eigenen Plasma gewa- 3 schen, bevor sie zur Senkung in eigenem Plasma angesetzt wurden. 4 5 [A T Schweineblut (Gesamtblut). II “ (1 Teil Blutkörperchen + 2 Teile Plasma). III 1 cem Schweineblutkörperchen + 2 ccm Pferdeplasma. El; 2 +2 ,„ Schweineplasma (vorher + Pferdeblutkörperchen). RS 5 (vorher + Pferdeplasma) + eigenes Plasma, nicht gewaschen. ale: “ SE % ee elımal 2 VERA 55 7 + = - 3 lie & VIII 1 ans a & oe: Pe — ann über die Senkungsgeschwindigkeit der roten Blutkörperchen usw. Il. 27 "0 20 30 40 50 60 70 80 90 100 110 120 730 0 150 160Mirn. = \ 2H3 \j \ \ \ 3 \ 1} \ N Vv 4 \ i \ IN az &) => S——— Se MV VI rat vz Abb. 55. 14. IX. 21. Die im fremden Plasma gesenkten Blutkörperchen wurden z.T. I-, 2- u.3 mal im eigenen Plasma gewaschen, ehe sie zur Senkung im eigenen Plasma angesetzt wurden. I Pferdeblut (Gesamtblut). II 5 li cem Blutkörperchen + 2ccm Plasma. III 1 ccm Pferdeblutkörperchen + 2ccem Rinderplasma. IV 2ccm Pferdeplasma (in dem zuvor Rinderblutkörp. gesenkt sind) + I cem eigene Blutk. v2, Ä + eig. Blutk. (die zuvor in Rinderp]. gesenkt sind), nicht gewaschen. Vals2 0, Re TR goR eo > 3 r Br n RR 1 mal H VEITE2RE R +» 5 >= 3 3 es 7 en 2 JRERTE2NE: ch En : ” in en Nr “ Sans Da jedoch, wie schon erwähnt, die Senkungsgeschwindigkeit der roten Blutkörperchen in ein und demselben Blute sich mit der Zeit ändert und trotz sorgfältig durchgeführter vergleichender Beobach- tungen mittels Kontrollversuchen, bei denen die Bedingungen soweit als nur möglich gleich gestaltet werden, wie im eigentlichen Versuche, die Möglichkeit bestehen bleibt, daß Feinheiten im physikalischen Ver- halten des Plasmas der Beobachtung entgehen, haben wir noch eine weitere besonders geeignete Methode zu den Untersuchungen heran- gezogen, und zwar die Beobachtung im Loeweschen Interfero meter. Die Versuchsanordnung war die folgende. Es wurde z. B. Plasma vom Pferde mit solchem der gleichen Blutprobe verglichen, d.h. beide Kammern des Interferometers wurden mit ein und demselben Plasma gefüllt. Der verwendete Apparat war mit gütiger Vermittlung von Herrn Privatdozenten Dr. Paul Hirsch, Jena, geeicht worden. Die sich ergebende Kammerdifferenz von 23 Trommelteilen wurde bei jeder Ablesung in Rechnung gesetzt. Das gleiche Plasma ergab selbstver- ständlich keinen Ausschlag, d.h. es wurde die Nullstellung abgelesen. Wurden zu dem Plasma vom Pferde Blutkörperchen des gleichen Pferdes hinzugefügt, dann zeigte es keine Änderung, d.h. nach dem Abzentrifugieren blieb die Nullstellung gewahrt. Wir verwendeten in allen Fällen gleiche Blutkörperchenmengen und beließen diese auch DM: E. Abderhalden: Weitere Forschungen zz gleiche Zeiten beim Plasma. Wurden nun zu Plasma vom Pferde vote Blutkörperchen z.B. vom Rinde zugefügt, und wurde daraufhin das abzentrifugierte Plasma mit solchen ver- glichen, das nur mit Pferdeblutkörperchen in Berührung gewesen war, dann stimmten diese beiden Plasmaarten optisch nicht mehr überein! Das gleiche war der Fall, wenn rote Blutkörperchen vom Pferd zu Rinderplasma zugefügt 6 740 06 ZT "3 130 I I 720 720 Z 770 7170 700 700 2 80 2 70 60 — 60 50 159 40 J 40 37 IT 30 m -30 ea m 120 70 2| 70 [0] EN) Abb. 56. Abb. 57. 7 Schweineplasma (mit Rinderblutkörperchen I Schweineplasma : Rinderplasma. zentrifugiert) zu Schweineplasma. II Schweineplasma (m. Rinderblutkörperchen II Rinderplasma (mit Schweineblutkörperchen zentrifugiert) : Rinderplasma. zentrifugiert) zu Rinderplasma. I/II Rinderplasma (mit Rinderblutkörperchen I1I Schweineplasma (mit Rinderblutkörperchen von II zentrifugiert) : Riuderplasma. zentrifugiert) zu Rinderplasma (mit IV Rinderplasma (mit Rinderblutkörp. von II Schweineblutkörperchen zentrifugiert). zum 2. Mal zentrifugiert) Rinderplasma. IV Schweineplasma zu Rinderplasma. V Rinderplasma (mit Rinderblutkörp. von II zum 3. Mal zentrifugiert) : Rinderplasma. VI Rinderplasma : Rinderplasma. und dann wieder entfernt wurden. Plasma von Rinderblut, das nur mit Rinderblutkörperchen in Berührung gewesen war, zeigte sich als nicht identisch mit Plasma von Rinder- blut, dem kurze Zeit Pferdeblutkörperchen beigemischt waren. Zu ganz entsprechenden Beobachtungen kamen wir, wenn wir bei anderen Blutarten die Blutkörperchen austauschten. Stets fanden wir, daß eine fremde Blutkörperchenart dem Plasma, dem sie zugefügt wird, besondere Eigenschaften verleiht. Abb. 56 zeigt z. B. das Verhalten von Schweineplasma zu solchem, in dem Blutkörperchen vom Rind sich kurze Zeit aufgehalten hatten, über die Senkungsgeschwindigkeit der roten Blutkörperchen usw. II. 273 und umgekehrt dasjenige von Rinderplasma zu solchem, dem Schweine- blutkörperchen zugesetzt gewesen waren. Gleichzeitig ist in der Ab- bildung dargestellt, daß Rinder- und Schweineplasma, interferometrisch gemessen, sich als sehr verschieden erweisen. Abb. 57 zeigt einen gleichen Versuch nur mit der Besonderheit, daß Rinderplasma mit roten Blutkörperchen vom Rinde zusammengebracht wurde, die zuvor in Schweineblutplasma 0% gewesen waren. Wie die Abbildung zeigt, 200 war das optische Verhalten des Plasmas von em diesen Blutkörperchen beeinflußt. Durch DM wiederholtes Zusammenbringen mit neuem Rinderplasma verminderte sich dieser Ein- 1 Eu fluß der Blutkörperchen auf das Plasma. 160 In Abb. 57a ist Schweineplasma mit 1750 Pferdeplasma verglichen mit und ohne 7 _jyo vorherigen Zusatz fremder roter Blutkör- m perchen. 3 Es fragt sich nun, v n wie die Beeinflus- u sung des Plasmas 700 durch die ihm 90 fremdeBlutkörper- 80 chenart zu erklä- a ren ist. Man könnte zunächst daran den- ” ken, daß die zugefüg- 50 ten roten Blutkörper- yo chen nicht durch sich 30 selbst wirken, sondern a2 vielmehr durch die geringe Plasmaschicht, 4 die sie von der ur- 9 sprünglichen Blutart I ne = anhaften haben. Das ır „ mit Pferdeblutk. zentrif.: Pferdeplasma. Interferometer ist r v x Pierdeplasma mit er einem sehr starken Ver- V „„ mit Pferdeblutk. zentrif.: Pferdeplasma mit Schweineblutk. zentrif. größerungsglase zu VET- VI Pierdeplasma mit Schweineblutk. zentrif. zu Pferdeplasma. gleichen. Es gibt ge- ringfügigste Veränderungen im physikalischen Zustand eines Mediums stark vergrößert wieder. Diese außerordentliche Empfindlichkeit des Instrumentes bedingt, daß unter den allergrößten Kautelen gearbeitet werden muß. Jede Verdunstung, jede Infektion usw. führt zu Ver- änderungen. Man kann sich leicht durch besonders hierauf gerichtete Pilügers Archiv f. d. ges. Physiol. Bd. 193. 19 274 E. Abderhalden: Weitere Forschungen Versuche davon überzeugen, welch großen Einfluß auch die allergering- sten Konzentrations- und sonstigen Änderungen auf das optische Ver- halten des Mediums bei der interferometrischen Beobachtung haben. Ohne genaue Kenntnis des Instrumentes führt die Verwendung des Interferometers leicht zu Trugschlüssen. Um die Frage zu entscheiden, ob die sicher außerordentlich geringfügige Zugabe von fremdem Plasma die gemachten %-50 -40 -30 -20 -0 0 +M +20 +30 +40 +50% a (en a RE! I ] BB 74 75 16 Ta T6b 9 eb Bar 202100, 0: BASIS S IN \ | I Abb. 58. Alle Röhrchen, außer Sa, 8b, 16a u. 16b wurden sofort zentrifugiert. 1 Rinderplasma + 0,1 ccm Rinderblutkörperchen gegen unbeeinflußtes Rinderplasma. 2 „ + 0,83 „ ER „ ” „ 3 „ Hr 0,5 „ LE 3» „ ” 4 „ Ir 1,0 „7 E£) „ „ ’ 5 " +0,10, Pferdeblutkörperchen ,, r zn 6 CH) Ar 0,3 EL) ’ ” Ei) „ 7 br} an 0,5 ’ Er) „ ’ „ 8 „ Ar 1,0 $) „ „ „ „ 8 a EL) ar 1,0 3 ’ 3 E>} ,’ 8 b „ sh 1,0 ” Er) „ „ „ Nach '!/, Stunde zentrifugiert. Rinderplasma nach 1 Stunde zentrifugiert. 9 Pferdeplasma + 0,1 cem Pferdeblutkörperchen gegen unbeeinfiußtes Pferdeplasma. 10 „ ei 0,3 EL} » „ „ „ 11 „ t 0,5 Er) EL} ”„ „ „ 12 " 12.005 2 2 " " 13 ns +01 ,„ Rinderblutkörperchen ,, a „> 14 ” st 0,3 „ EL} „ „ EI} 15 EL) + 0,5 »’ ei „ „ „ 16 „ Sr 1,0 E>) er „ EL) ”„ 16 a ’ ar 1,0 EL) „ „ ” bh} 16b 5 + 1,0 ; „ Nach !/, Stunde zentrifugiert. Pierdeplasma nach 1 Stunde zentrifugiert. Beobachtungen zu erklären vermag, haben wir folgende Gruppen von Versuchen ausgeführt. Die fremden roten Blutkörperchen wurden verschieden lange Zeit bei dem Plasma belassen. Die feststellbaren Änderungen wurden mit der Dauer des Verweilens der fremden roten Blut- körperchen im Plasma größer (vgl. Abb. 58 und 59). Diese Beobachtung spricht für dieAnnahme, daß die zugefügten über die Senkungsgeschwindigkeit der roten Blutkörperchen usw. Il. 275 Formelemente selbst es sind, die das ihnen fremde Plasma beeinflussen. Gleichzeitig wurde der Einfluß der Menge der fremden roten Blutkörperchen auf das Plasma studiert. Er äußerte sich um so stärker, je mehr rote Blutkörperchen zum Plasma hinzugefügt wurden. Wir haben ferner festgestellt, wieviel fremdes Plasma zu einer bestimmten Plasmaart zugefügt werden muß, um %-50 -40 -30 -20 -0 0 +1 +20 +30 +49 20 +60 +70% T "T T T T T T DEE VOIRIERG Abb. 59. 8. IX.21. Schweineoxalatblut zu Pferdeoxalatblut. TI Schweineplasma mit eigenen Blutkörperchen zentrifugiert: Schweineplasma. II Pierdeplasma > = En 5 Pferdeplasma. III 2 cem Schweineplasma + 1,0 cem Pferdeblutk. sofort zentrifugiert: Schweineplasma. IV 2 ” „ Ar 0,1 Ei „ »’ ’ „ Val 20, 5 205308; r RE2AT, r by ur, = RORZANNg n +10 „ = 5 3 VIII 2m is Fee „nach 1/, Std. Y IX 2 +10 „ eg EHER ; Änderungen hervorzurufen. Die Abb. 60-62 zeigen die Ergeb- nisse solcher Versuche. Es zeigt sich, daß schon ganz geringe Mengen von fremdem Plasma sich deutlich bemerkbar machen, und ebenso äußert sich schon ein sehr geringfügiger Zusatz von 0,9proz. Kochsalzlösung. Vel. hierzu Abb. 60 und 61. Ein Blick auf die Abb. 58, in der ein Versuch dargestellt ist, bei dem in steigenden Mengen scharf abzentrifugsierte rote Blutkörperchen zu {remdem Plasma zugefügt wurden, zeigt jedoch mit aller Deut- lichkeit, daß der Zusatz der Blutzellen nicht allein durch das anhaftende Plasma gewirkt haben kann. Der Zusatz von 0,1g Rinderblutkörperchen zu Pferdeplasma äußerte einen größeren Einfluß als die Zugabe von O,lccm Rinderplasma. Wir haben schließlich rote Blutkörperchen mit 0,9proz. Kochsalzlösung gewaschen und sie dann zum Plasma zu- 192 276 E. Abderhalden: Weitere Forschungen %-120_-110 -00 -90_-80 -70 -60 -50 -W%0 -30 - il ‚0 + + r + 9 5-78 2 / 7 ; Di & 20 0 02 0 20 +30 +40 +50 +60 +70 60 _+90 100 +710 «720 230% I 7, 57 ” 70 Abb. 60. 21.1IX.21. Zweierlei Rinderblut (bezeichnet mit I u. ID). Versuch mit Plasma, wel- ches mit eigenen und fremden, z. T. in 0,9% NaCl-Lösung gewaschenen, Blutkörperchen zentri- fugiert wurde. h 1 Plasma I + eigene Blutkörperchen zentrifugiert : unbeeinflußtes Plasma I. 2 5 Pi, „ (d.i. NaCl gewasch. sind): „, 55 T. 3 ' I + Blutkörperchen von Nr. II zentrifugiert: unbeeinflußtes Plasma I. 4 E. I+ ss „ II (die in NaCl gewaschen sind): unbeeinfl. Plasma I. 5 „ II + eigene mern zentrifugiert: unbeeinflußtes Plasma II. 6 „ I+ a = (in NaCl gewaschen) 55 EI: {6 ... 11 + Blutkörperchen von Nr. I zentrifugiert : unbeeinflußtes Plasma II. 8 II + 1 il! (in NaCl gewaschen): unbeeinflußtes Plasma II. 9 Plasma Nr.I: Pens Nr. II. Blutkörperchen und Plasma wurden immer im Verhältnis 1:2 zentrifugiert. 10 NaCl-Lösung (vorher + Blutkörperchen Nr. I) zentrifugiert : reine NaCl-Lösung. 11 „ ( ” ar „ II) E} E>) b+} %-700 -90_-80 -70 -60 -50 -40 -30 20-0 0 _ +1 +20 +30 +40 +50% f Tnmansestli T ala T TR I; T l Ingles 9) 9 4 32.729070 Abb 61. 20. IX. 21. Versuch mit Pferdeplasma, dem steigende Mengen Rinderplasma zugesetzt wurden, und mit Rinderplasma, welchem in steigenden Mengen Pferdeplasma zugesetzt wurde. I 1 ccm Pferdeplasma + 0,1 ccm Rinderplasma gegen reines Pferdeplasma. FERN +02 „ en on » » 1 UA +03 „ 5 ’e » » INT; +04 „ en 5 „ 1 , Rinderplasma + 0,1 .„ Pferdeplasma 5 hr = | “ pr 0,2 ., Pr » „ .’ en +03 „ EN 5 ee) nn + 0,4 U 3 4 5 6 7 8 9 Unbeeinflußtes an gegen nencres Prerderlaema, über die Senkungsgeschwindigkeit der roten Blutkörperchen usw. Il. 277 %-%00 -30_-80 -70 -60 -50 -40 -30 -20 -0 0 +10 +20 +30 +40 #50% Raralenme sel ea Ts Tao long] 6 DT, 4 ZEN 7, 7a & Abb.6la. 20.IX.21. Pferde- und Rinderplasma unter Zusatz von steigenden Mengen NaCl-Lösung. ; 1 1 cem Pferdeplasma + 0,03 ccm NaCl-Lösung gegen reines Pferdeplasma. äl +0,05 „ = ee 5 Ssnlle, 5 FON, % = r Be 41 ,‚, Rinderplasma + 0,03 ., r = s Rinderplasma ö 1 . + 0,05 » , > EL, + 0,01 71 Nall- ösung (vorher + Pferdeblutkörperchen) BEREnn reine Nacı- POSUnE: 8 15 (vorher + Rinderblutkörperchen) > o %-30 -20 -M 0 +10 +20% 761083) 123 Abb. 62. 21. IX. 21. Zweierlei Rinderblut. Zusatz von Spuren iremden Plasmas. 1 1ccm Plasma I + 0,2ccm Plasma II: Plasma I ale 7 I+04 „ Es 1008 # 11 al > 1e+20:62%, > Ti:00 55, I 41 11°--50:2% ,, B) Te ll: a „ IE-E04,),. E 1 KON EL a U ». »112-:20:627; 53 1 BON mes 7 Plasma I: Plasma II. gesetzt, und zwar teils zum eigenen, teils zum fremden. Dann wurden die Blutkörperchen nach einiger Zeit abzentrifugiert und das Plasma mit solchem verglichen, dem keine gewaschenen Blut- körperchen zugesetzt gewesen waren. Abb. 60 und 63 zeigen sehr deutlich den außerordentlich starken Einfluß des Waschens der roten Blutkörperchen mit der Kochsalzlösung. Es spricht auch hier alles dafür, daß nicht nur die mit den Blutkörperchen über- 278 E. Abderhalden: Weitere Forschungen tragene Kochsalzlösung, die trotz scharfen Zentrifugierens sicher jedem Blutkörperchen noch anhaftet, wirksam war, sondern die roten Blut- körperchen selbst einen Einfluß ausübten, und zwar offenbar einen verstärkten. Sie waren in gewissem Sinne für das Plasma noch fremder seworden. Die zum Waschen der roten Blutkörperchen benutzte Koch- salzlösung zeigte gegenüber reiner Kochsalzlösung ein verschiedenes optisches Verhalten. Es geht daraus hervor, daß die Waschflüssigkeit Substanzen aufgenommen hat, und zwar Plasmareste und vielleicht auch Bestandteile aus den roten Blutkörperchen selbst. Auch die %-120 -110 -100_ -30 -80 -70 -60 -50 -40 -30 -20 -0 0 +10 +20 +30 +40 +50% a ee | T T Tansplz Imezzl FIRE WIEN FT SANEga ge en 2.46 J 2 8 75 7 Abb. 63. 20. IX. 1921. Versuch mit Pferde- und Rinderplasma, in dem gewöhnliche, und in 0,9% NaCl-Lösung gewaschene Blutkörperchen zentrifugiert werden. 1 Pferdeplasma + Pferdeblutkörperchen zentrifugiert: unbeeinflußtes Pferdeplasma. 2 F + (vorher in NaCl-Lös. gewaschen) : unbeeinfl. Pferdepl, 3 D + in eebineörgerchen zentrifugiert: unbeeinflußtes Pferdeplasma. 4 $ + > (vorher in NaCl-Lös. gewaschen): unbeeinfl. Pferdep!. 5 Rinderplasma + sy zentrifugiert: unbeeinflußtes Rinderplasma. 6 n + (vorher in NaQl-Lös. gewaschen) : unbeeinfl. Rinderpl. 7 > + Pferdeblutkörperchen zentrifugiert: unbeeinflußtes Rinderplasma. 8 ns + (vorher in NaCl-Lös. gewaschen): unbeeinfl. Rinderpl. 9 55 5 Prerdeplascn, (Es wurden immer je 2cem Plasma + 1 ccm Blutkörperchen zentrifugiert.) Ringerlösung bewirkt ein verändertes Verhalten des Plas- mas. Auch sie ist diesem nicht äquivalent. Ein ‚„künstliches Plasma“ mit allen seinen physikalischen und chemischen Eigenschaften gilt es erst noch herzustellen. Man wird mit Hilfe des Interferometers ver- folgen können, inwieweit es möglich ist, dieses Problem zu lösen. Da schon das Plasma verschiedener Individuen sich optisch verschieden verhält, wird es nur möglich sein, von Fall zu Fall zu einem wirklichen „Plasmaersatz‘ zu kommen. Diese Beobachtungen zeigen, daß die interferometrische Methode, die ganz außerordentlich empfindlich ist, wie wohl keine zweite, geeignet über die Senkungsgeschwindigkeit der roten Blutkörperchen usw. II. 279 ist, die geringfügigsten Konzentrationsänderungen nachzuweisen. Man wird mit dieser Methode eine große Fülle von biologischen Fragestellun- gen in Angriff nehmen können. Es hat bereits Paul Hirsch!) das Interferometer zu immunochemischen Untersuchungen benützt. Da das Interferometer ganz außerordentlich empfindlich ist, muß jede Art von Untersuchungen durch möglichst viele Kontrollen in ihren Ergeb- nissen gesichert werden. Das von mir in den vorliegenden Studien in Angriff genommene Forschungsgebiet eröffnet weite Perspektiven. Es wird von besonderem Interesse sein, das Plasma derselben Tier- art bei verschiedenen Individuen zu verfolgen und festzustellen, ob sich Unterschiede zeigen, und vor allem, ob sich auf dem eingeschlagenen Wege feststellen läßt, daß die roten Blutkörperchen verschiedener Indi- viduen individuelle Eigenschaften haben. Die Fragestellung ist ge- geben: Hat das Verweilen der roten Blutkörperchen von Tier lim Plasma von Tier 2 der gleichen Art einen Einfluß auf dieses? Ferner wird es von größtem Interesse sein, das Verhalten von Plasma ein und derselben Tierart zu einer Standardlösung (z.B. Kochsalzlösung) zu prüfen und festzustellen, ob sich Beobachtungen ergeben, die für die einzelne Tierart im Vergleich zur anderen cha- rakteristisch sind. Endlich sollen die Versuche über den Einfluß des Zusatzes von artfremdem Plasma zu arteigenem und von Plasma verschiedener Individuen der gleichen Art weitergeführt werden. Vielleicht läßt sich auf diesen Wegen ein Beitrag zur Verwandtschaftsfrage verschiedener Tierarten er- bringen. Endlich eröffnet sich vielleicht ein erfolgreicher Weg zu Studien über das Verhalten von Plasma und Blut- körperchen unter verschiedenen pathologischen Zuständen. Es wird von Interesse sein, zu verfolgen, ob charakteristische Beein- flussungen des Plasmas durch rote Blutkörperchen aus dem Blute bestimmter Krankheitsfälle feststellbar sind. Der Weg ist durch die vorliegenden Beobachtungen ein gegebener. Ich hoffe in Bälde über das Ergebnis der in Angriff genommenen Untersuchungen berichten zu können. Sie sind sehr mühsam, weil es gilt, alle Fehlerquellen auf- zusuchen und sie vermeiden zu lernen. So dürfte die Art der Ernährung Einfluß auf das Verhalten des Plasmas und damit der roten Blut- körperchen haben. Man wird versuchen müssen, die zu vergleichenden Fälle unter möglichst gleiche Bedingungen zu bringen. So verlockend ein rasches Vordringen auf dem vorgeschlagenen und durch die mitge- teilten Untersuchungen vorbereiteten Wege auch ist, so muß im Inter- esse eindeutiger und sicherer Ergebnisse doch abgewartet werden, !) P. Hirsch, Fermentforschung 2; 269, 290. 1919. 280 E. Abderhalden: Senkungsgeschwindigkeit d. roten Blutkörperchen usw. II. bis an einem großen Material Erfahrungen gesammelt sind. Ich bitte, mir das von mir hier erschlossene Gebiet einige Zeit zu überlassen. Mir scheinen die gemachten Beobachtungen von verschiedenen Gesichtspunkten aus von besonderer Bedeutung zu sein. Es ist bekannt, daß manche Plasmaarten beim Zusatz bestimmter fremder Blut- körperchen Hämolyse zeigen. So erhält man regelmäßig Hämolyse, wenn man in Plasma von Pferden rote Blutkörperchen vom Schwein und umgekehrt bringt, ferner Menschen- und Taubenblut mischt. In anderen Fällen bleibt die Hämolyse aus (z. B. vertragen sich gut Hammel- und Schweineblut, Schweine- und Rinderblut). Offenbar findet trotz- dem eine Wechselbeziehung zwischen Plasma und roten Blutkörperchen statt. Sie gibt sich in der Änderung des optischen Verhaltens des Plas- mas kund, dem die betreffenden Blutkörperchen zugesetzt waren. Ob sich auch mittels des Polarisationsapparates und des Refraktometers Veränderungen feststellen lassen, muß noch geprüft werden. Jedenfalls sind sie mit dem Interferometer einwandfrei feststellbar. Es ist nahe- liegend, an quantitative Unterschiede zu denken. Im einen Fail ist die Einwirkung von Plasma und roten Blutkörperchen so eingreifend, daß Hämolyse eintritt, im anderen ist sie geringfügiger. Man erkennt mittels des Interferometers, daß die fremde Blutkörperchenart im fremden Plasma Veränderungen hervorruft, während die eigenen Blutkörperchen das nicht tun. Umgekehrt darf man schließen, daß in jedem Fall das fremde Plasma die fremden roten Blutkörperchen verändert — wenig- stens ist dieser Schluß sehr wahrscheinlich. Es bedarf noch vieler Untersuchungen, um die Art des Einflusses der roten Blutkörperchen auf das Plasma und umgekehrt denjenigen des Plasmas auf die roten Blutkörperchen festzustellen. Man wird in erster Linie an eine Beeinflussung von Eiweißstoffen oder allgemein von Kolloiden zu denken haben. Ferner besteht die Möglichkeit, daß die roten Blutkörperchen Stoffe abgeben, die die Konzentration des Plasmas an dispersen Teilchen vermehren. Umgekehrt können sie auch Stoffe aufnehmen. Bei diesen Untersuchungen erfreute ich mich der Unterstützung von Frl. Krebs und Frl. Hagemann. Beitrag zur Untersuchung der Beziehungen zwischen Hals- sympathieus und Pupille. Von E. Sternschein!). (Aus dem physiologischen Institut der deutschen Universität Prag und dem neuro- logischen Institut der Wiener Universität.) (Eingegangen am 26. September 1921.) Seit den grundlegenden Untersuchungen Langleys?) wissen wir, daß zwischen den aus dem Rückenmark austretenden Fasern des Sympathicus und seinen Endigungen im Erfolgsorgan je eine Nerven- zelle eingeschaltet ist. Genaueres über das Wesen und die Bedeutung dieser Schaltstation ist nicht bekannt. Während von einigen Autoren die vegetative Ganglienzelle als autonomes, reflexvermittelndes, tonisierendes Zentralorgan angespro- chen wurde [ich erinnere nur an die Schlußfolgerungen Popielskis?) und Roschanskys?*) betreffs der Ganglien des Plexus solaris, an die Angaben Nawrockis und Skabitschewskys?°) betreffs der Tätigkeit des Ganglion mesentericum inferius], wurde ihr von anderen eine sehr untergeordnete Rolle zuerkannt. Ja, Langendorff®$) glaubte einerseits zeigen zu können, daß bei einzelnen Kaninchen die Ver- engerung der Pupille ausgesprochener ist nach Exstirpation des obe- ren Halsknotens, als nach bloßer präganglionärer Durchschneidung, fand aber andererseits bei anderen Tieren unter gleichen Versuchs- bedingungen das entgegengesetzte Verhalten, das er paradoxe Reaktion nannte. Schließlich schienen ihm seine Versuche darauf hinzuweisen, daß dem zwischengeschalteten Ganglion überhaupt keine tonisierende Funktion zukommt, da er nach Exstirpation des Ganglion cervicale 1) Mitgeteilt im Wiener Verein für Psychiatrie und Neurologie am 24. Mai 1921. ?) Vgl. bes. J. N. Langley, Das sympathische und verwandte nervöse Systeme der Wirbeltiere. Ergebn. d. Physiol. 2, (2.) 818—872. 1904. 3) Popielski, Arch. f. Anat. (u. Physiol.) 338. 1913. 1) J. Roschansky, Zentralbl. med. Wissensch. 152. 1889. 5) F. Nawrocki und B. Skabitschewsky, Pflügers Arch. f. d. ges. Physiol. 48, 335. 1891; 49, 441. 1891. °%) OÖ. Langendorff: a) Sitzungsberichte der Naturforschend. Gesellsch. zu Rostock 1892; b) Zentralbl. f. Physiol. 15, 173. 1900; ce) Zentralbl. £. Physiol. 16, 483. 1901; d.) Klin. Monatsschr. f. Augenheilk. 38, Aprilh. 1900. 282 E. Sternschein: Beitrag zur Untersuchung supremum völlige Restitution der Funktion der Erfolgsorgane, direkte Vereinigung der präganglionären Fasern mit den postganglionären und die gewöhnlichen Symptome der Sympathicusreizung bei elektrischer Erregbarkeitsprüfung gefunden zu haben glaubte. Aus diesen Gründen erschien es nicht uninteressant, neuerlich an die Frage der Zentren-Natur der vegetativen Ganglien heranzugehen und dar- über systematische Versuche anzustellen, um so mehr, als auch betreffs der Frage der Hemmung und Förderungswirkung des Sympathicus auf die Pupille widersprechende Angaben herrschen. Im allgemeinen wird wohl ein fördernder Einfluß des Ganglions angenommen. Einige Autoren jedoch, wie Kowalewski!) glauben, hemmende Elemente im Ganglion cervicale supremum nachgewiesen zu haben. Die Untersuchungen (insgesamt 5l Kaninchen und 6 Katzen) er- strecken sich sowohl auf die Veränderungen anatomischer Natur im Ganglion cervicale supremum nach Durchschneidung der prä- bzw. postganglionären Fasern, als auch auf Ausfallserscheinungen und Ver- änderungen der Reaktionsfähigkeit der Erfolgsorgane bei prä- und bei postganglionärer Durchschneidung. Auf die anatomische Seite der Fragestellung soll hier?) nicht näher eingegangen werden. Es sei nur ganz kurz erwähnt, daß es möglich war, in beiden Fällen Veränderungen nachzuweisen. Sie betrafen immer das ganze Ganglion, wenn auch nicht alle Zellen in gleicher Weise und entsprachen bei Durchschneidung der postganglionären Fasern dem Typus der axonalen Degeneration. Im anderen Falle, bei Durch- trennung des Halsstranges unter gleichzeitiger Verhinderung der Re- generation durch Verlagerung des zentralen Stumpfes, zeigte sich an den Zellen des Ganglion cervicale supremum in gewissen Fällen homo- gene Kernschrumpfung, regelmäßig Verkleinerung der Zelle, Über- färbbarkeit durch basische Farbstoffe und Zackenbildung bzw. Kontur- veränderungen, die nicht durch artifizielle Schrumpfung bedingt sein konnten, da sie bei den im selben Block geschnittenen und ganz gleich- gefärbten Ganglien der gesunden Seite fehlten. Was die intra vitam beobachteten Ausfallserscheinungen betrifft, trat bei den Tieren, denen der Halssympathicus durchschnitten, bzw. das Ganglion cervicale supremum entfernt worden war, der seit Par- 1) N. Kowalewski, Unters. über die Innervation der Pupillenerweite- rung. Wissensch. Ann. der Univers. zu Kasan. 1885, S. 61. (Russisch. — Zit. nach Hofmann-Schwalbes Jahresbericht f. Anat. u. Physiol. 14, 121. 1885.) 2) Bezüglich des Details sei verwiesen auf meine Arbeit: Das Ganglion cervicale supremum nach prä- und postganglionärer Durchschneidung. Ober- steiner-MarburgsArb. aus dem neurolog. Institute der Wiener Universität 23, 155. 1921. der Beziehungen zwischen Halssympathicus und Pupille. 283 four du Petit!) und Cl. Bernard?) bekannte okulo-pupilläre Symptomenkomplex auf. Einige Differenzen sollen hier kurz be- schrieben werden. Außer der mehr-minder ausgesprochenen Miosis und dem ebenfalls variablen Enophthalmus konnte man in allen Fällen auch ein Höherstehen des ohrwärts gerichteten Lidwinkels beobachten, das zum Teil die Lidspaltverengerung hervorrief. Der bei Katzen nach Sympathicusläsion auftretende Nickhautvorfall konnte bei Kaninchen nie mit Deutlichkeit gesehen werden. Alle diese Symptome waren immer vorhanden, traten immer sehr prompt nach der Durchschneidung ein und bildeten sich bei Kaninchen) nur sehr langsam und unvollkommen zurück. — Wesentlich variabler, wasich hier nur nebenbei, bloß des Ver- gleiches wegen, erwähnen möchte, waren die Erscheinungen am Ohr. Während sie sich bei den meisten Tieren sehr bald, oft schon innerhalb der ersten Tage, völlig zurückbildeten, waren sie bei einem allerdings kleineren Teil sehr lange, sogar noch 106 Tage nach dem Eingriff, mit völliger Deutlichkeit vorhanden. Unter Umständen gelang es durch mechanische Irritation (gleichmäßiges Schlagen der beiden Ohren mit dem Finger) die gewissermaßen latente Differenz wieder manifest zu machen. Bei genauerer Beobachtung und unter Heranziehung der pharma- kodynamischen Untersuchungsmethoden war es möglich, scharf zwi- schen den Veränderungen bei Halsstrangsdurchschneidung und denen bei Exstirpation des Ganglions, bzw. nach Durchschneidung der post- ganglionären Äste (die in bezug auf die Effekte gleichwertig ist mit Exstirpation) zu unterscheiden. Hierzu eigneten sich am besten Tiere, bei denen auf der einen Seite der Halssympathicus präganglionär durch- schnitten, auf der Gegenseite das Ganglion cervicale supremum exstir- piert oder dessen postganglionäre Äste durchschnitten waren. Die 1) Parfour du Petit, Mem. d. l’acad. des sciences 1727, S. 1. (Zit. nach C. Budge, Die Bewegung der Iris. Braunschweig 1855.) ?2) Cl. Bernard, Journal de la physiol. (Brown-Sequard) 5, 410. 1862. 2) An Katzen wurde ein rascher Ausgleich der anfängl'chen Miosis auf der Seite der Exst rpation des Ganglion cerv. sup. von Budge (a. a. O.) und anderen, speziell von E. P. Braunstein (Zur Lehre von der Innervation der Pupillenbewezung. Wiesbaden 1894, spez. S. 83, Vers. 20 — schon nach 10 Tagen), beobachtet und zwar von letzterem auch nach rechtsseitiger Exstir- pation des Ganglion cerv. sup., welche zunächst stärkere Verengerung be- wirkte, und nach gleichzeitiger linksseitiger prägangl’onärer Durchschneidung. — Bei Hunden wurde weitgehender Rückgang des Sympathicusausfalles nach Durchtrennung am Halse beobachtet, doch blieb Ektropium und Pupillen- verengerung dauernd angedeutet (R. Petioky unter A. Tschermaks Le‘- tung, Über die Anpassung an einseitigen Vagusverlust bei Hund und Katze. Pflügers Arch. f. d. ges. Physiol. 152, 3. 1913. — Vgl. auchK. Tsukaguchi, Quart. Journ. exp. Physiol., 9, 281. 1916; E. A. Schäfer und H. O. Feiss, ebenda 9, 329. 1916; E. Sharpey Schafer, ebenda 12, 231.. 1919; G.T. Rogers, Americ. Journ. of physiol. 53, 15. 1920). 284 E. Sternschein: Beitrag zur Untersuchung Beobachtung von Meltzer und Auer), daß Exstirpation des Ganglion cervicale supremum, nicht aber präganglionäre Durch- schneidung, das Zustandekommen einer normalerweise nur mäßigen und nur kurze Zeit andauernden Adrenalinmydriasis begünstigt, konnte bestätigt werden. Es konnte weiterhin bei allen dementsprechend behandelten Tieren (im ganzen 10 Kaninchen) beobachtet werden, daß durchwegs die Miosis nach Exstirpation des Ganglions weniger ausgesprochen war als nach präganglionärer Durchschneidung, eine Erscheinung also, die mit den sog. paradoxen Fällen Langen- dorffs übereinstimmt?). Schließlich zeigtesich auch, daß diese Pupillen- differenz (Pupille auf der Seite der Exstirpation weiter als auf der Seite der präganglionären Durchschneidung) bestehen blieb bei nachträg- licher Exstirpation des noch vorhandenen Ganglions, wenn zwischen dem Momente der präganglionären Durchschneidung und der Ex- stirpation auf der gleichen Seite ein längerer Zeitraum, mindestens von ca. 14 Tagen lag?). Diese Differenz kann noch längere Zeit nach der zweiten Exstirpation — bis nach drei Monaten — deutlich nachweis- bar sein. Eine Differenzierung zwischen den Fällen mit präganglionärer Durchschneidung der einen Seite und Exstirpation des Ganglions der Gegenseite und jenen Fällen, bei welchen nachträglich auf der Seite der präganglionären Durchschneidung das Ganglion cervicale supremum exstirpiert worden war, gestattet die Reaktion der Pupille auf Adrenalin- einträuflung. Wie schon erwähnt, begünstigt die Exstirpation des Ganglions cervicale supremum, nicht aber präganglionäre Durchschneidung das Entstehen einer Adrenalinmydriasis. Wird nun auf der Seite der präganglionären Durchschneidung ebenfalls das Ganglion cervicale supremum exstirpiert, so tritt nach Adrenalineinträufelung auf dieser 1) S.J. Meltzer u. Cl. Meltzer- Auer, a) Zentralbl. £. Physiol. 1%, 651. 1903; b) Americ. Journ. of physiol. 9, 40. 1904. Analogerweise haben bereits ältere Autoren, speziell E.P. Braunstein (a. a. O. spez. S. 83, 139) toxische Mydriasis durch Curare, Atropin, Chloroform vorwiegend oder ausschließlich auf der Seite der Exstirpation im Gegensatze zur gesunden oder präganglio- när operierten Seite beschrieben. ?) Allerdings ergaben sich hierbei bei den einzelnen Tieren gewisse ind'vi- duelle Differenzen in der Weise, daß das Phänomen nicht immer sofort, sondern öfters erst nach einiger Zeit (spätestens 48 Stunden nach der Operation) manifest wurde. Ungefähr derselben Zeit bedurfte es in einigen Fällen, um die Adrenalinmydriasis nach conjunctivaler Applikation bei postganglionärer Durch- schneidung bzw. Ganglienexstirpation hervorrufen zu können. (Siehe auch S. J. Meltzer und Cl. Meltzer-Auera. a. O.) 3) Die Angabe S. J. Meltzers (Proc. of the nat. acad. of sciences U. S. A. 6, 332. 1920), der eine Lebenswichtigkeit der oberen Halsknoten behauptet, konnte demnach nicht bestätigt werden. der Beziehungen zwischen Halssympathicus und Pupille. 285 Seite die Reaktion viel später auf und zeigt einen trägeren Anstieg, als auf der Gegenseite, auf der von vornherein nur das Ganglion ex- stirpiert worden war. Es wird also durch die bloße präganglionäre Durchschneidung die Anspruchsfähigkeit der Pupille der entsprechenden Seite auf Adrenalin- instillation in den Conjunctivalsack geändert — eine Änderung, die aber erst manifest wird, wenn das Ganglion dieser Seite nachträglich ebenfalls exstirpiert wird und sich dann in der trägeren Dilatation der Pupille ausdrückt. Diese Änderung muß demnach entweder in den Endigungen der Axone des Ganglion cervicale supremum oder im Muskel selbst stattfinden. Die Tatsache, daß die geänderte Reaktion auch noch 3 Monate nach der Exstirpation des Ganglion cervicale supremum zu beobachten ist, also zu einer Zeit, wo die Nervenendigungen als degeneriert betrachtet werden können, spricht dafür, daß Vorgänge im Muskel selbst die Ursache der veränderten Reaktion darstellen. In Parenthese sei hier nur bemerkt, daß ich das von Langendorff angegebene Auftreten bzw. Stärkerwerden einer ‚„paradoxen“ Pupillen- reaktion durch die Narkose bei zwei Kaninchen beobachten konnte. Bei dem einen Kaninchen gelang es dreimal durch ganz tiefe Narkose, in welcher die Pupillen ganz eng, fast stecknadelkopfgroß waren, das Verhältnis umzukehren. Es war also jetzt die Pupille auf der Seite der Exstirpation enger als auf der Seite der präganglionären Durchschnei- dung. Dieses Verhalten blieb auch bestehen nach dem Tod des Tieres, der in der dritten Äthernarkose eingetreten war. Bei anderen Tieren gelang es mir nicht, dieses Phänomen zu provozieren, selbst dann nicht, als die Narkose bis zum Exitus fortgeführt worden war. Betrachtungen daran zu knüpfen, halte ich darum einstweilen nicht für erlaubt. Aus dem bis nun geschilderten verschiedenen Verhalten der Pupille dem Adrenalin gegenüber ergeben sich bezüglich des Wesens der Funk- tion der interpolierten Ganglien in der Hauptsache zwei Möglichkeiten. Sie könnten entweder im Sinne einer alterativen Hemmung der Re- aktionen des Erfolgsapparates wirken oder in dem einer tonisch-tro- phischen Zustands-Innervation [A. Tschermak!)]. Die Frage einer Hemmunssleitung im Halssympathicus mußte in erster Linie erwogen werden. Wir sehen aber, daß Reizung der post- wie der präganglionären Fasern unter normalen Umständen immer !) A. Tschermak: a) Physiologie des Gehirns. Nagels Handb. d. Physiol. IV/l. Braunschweig 1905, spez. S. 1, 12—14, 87—93; b) Pflügers Arch. f. d. ges. Physiol, 119, 165. 1907; c) Pflügers Arch. f. d. ges. Physiol. 136, 692. 1911; d) Monatsschr. f. Psych. und Neurol. 26. (Erg. H.) 312. 1909; e) Sitzungs- ber. d. Wiener Akad. d. Wiss., Abt. III., 118, 1. 1909; f) Folia neurobiol. 1, 30. 1907; g) Folia neurobiol. 3, 675. 1909; h) Wiener klin. Wochenschr. 27, 13. 1914. 286 E. Sternschein: Beitrag zur Untersuchung dieselben Erscheinungen der Mydriasis, der Erweiterung der Lidspalte, des Zurückziehens der Nickhaut usw. ergibt. Allerdings besteht, wie auch P. Schultz!) nachwies, eine gewisse Differenz der Reizschwelle zwischen prä- und postganglionärem Abschnitt — ein Unterschied, den man aber auf die Spezifität des zweiten Neurons beziehen kann. In Analogie zu den bekannten Versuchen an Gefäßnerven, an welchen infolge verschieden rascher Degeneration der Vasoconstric- toren und Dilatatoren die Reizung des peripheren Teils zu verschie- denen Zeiten nach Durchschneidung einen verschiedenen Effekt am Er- folgsorgan hervorruft, wurde nach präganglionärer Durchschneidung der Erfolg der Reizung des distalen präganglionären Abschnittes, resp. der postganglionären Fasern mit dem der Reizung auf der normalen Seite verglichen. Bei diesen Versuchen gelang nur der Nachweis, daß bei präganglio- närer Durchschneidung auch die Erregbarkeit der aus dem Ganglion entspringenden Äste im Laufe der Zeit deutlich abnimmt, ein Nach- weis, der auf unpublizierte Beobachtungen A. Tschermaks zurück- geht und den ich völlig bestätigen konnte. Dagegen konnte in keinem Zeitpunkt, weder durch präganglionäre noch durch postganglionäre Reizung eine Verengerung der Pupille er- zielt werden. Wir sind daher nicht berechtigt, anzunehmen, daß eine manifeste alterative Hemmung durch das Ganglion bewirkt wird. Andererseits wurden Beobachtungen gemacht, die dafür sprechen, daß neben der vorwiegenden Übermittelung eines cerebrospinalen Dilatationstonus ein hemmender Dauereinfluß vom Ganglion cer- vicale supremum ausgeübt wird, welcher die Anspruchsfähigkeit des M. dilatator pupillae auf einem relativ niedrigem Niveau erhält. Instillation von Adrenalin in den Conjunctivalsack normaler Kanin- chen ruft bekanntlich an der Pupille keine oder nur minimale Wirkung hervor. Wenn man dagegen die Tiere durch einmalige intravenöse Injektion von !/,cem Meerschweinchenserum vorbehandelte, nach 14 Tagen intravenös 1!/, cem defibriniertes Meerschweinchenblut reinji- zierte, ließ sich am nächsten Tage eine Adrenalinmydriasis erzielen. Eine ähnliche Wirkung wie Meerschweinchenserum hatte auch die intravenöse Injektion von 1!/,ccm sterilisierter Milch, 0,2 Vaccineurin oder 0,003 Alttuberkulin Koch?). 1) P. Schultz, Arch. £. (An. u.) Physiol. 1899, S. 352. 2) Ganz analoge Resultate wurden bei subcutaner Applikation von Adre- nalin erzielt. Bei Katzen gelang es nicht, Fieber und Sensibilisierung zu er- zeugen, obwohl hohe Dosen (0,2 Vaccineurin, 0,01 Tuberkulin, 800 Millionen Keime Typhusvaceine) subeutan und intravenös einverleibt wurden. Dieser Umstand beruht wahrscheinlich auf der bekannten Schwierigkeit, bei diesen Tieren eine Anaphylaxie hervorzurufen. Über Sensibilisierung am Menschen wird an anderer Stelle berichtet. der Beziehungen zwischen Halssympathicus und Pupille. 287 Diese Adrenalinmydriasis kann auch am Tier hervorgerufen werden, bei welchem die postganglionären Äste des Ganglion cervicale supremum durchschnitten worden sind. Dagegen verhält sich die Pupille nach präganglionärer Durchschneidung des Halssympathicus gegenüber Adrenalininstillation refraktär, bzw. reagiert nur minimal. Das von seinen zentralen Verbindungen getrennte Ganglion cervicale su- premum scheint demnach der durch die parenterale Einverleibung von Eiweiß eintretenden Sensibilisierung, welche zur Adrenalinmydriasis führt, entgegenzuwirken !). Eigenartig war das zeitliche Verhalten des Reaktionsablaufes nach Sensibilisierung. Während die Mydriasis auf Adrenalininstillation nach bloßer Exstirpation 6, ja 9 Stunden dauern kann, war nach Sensi- bilisierung anfangs die Reaktionsdauer auf 31/, bis 1/, Stunde herabgesetzt. Später zeigte sich eine deutliche Zunahme, zugleich nahm auch die ab- solute Reaktionsgröße, die Erweiterung der Pupille wieder ab, um für die normale Pupille ca. 3 Tage nach der Injektion fast Null zu werden). Es fragt sich, wieso die parenterale Eiweißzufuhr bzw. die Ana- phylaxie imstande ist, die Adrenalinmydriasis zu ermöglichen. Wir wissen, daß es zuweilen bei parenteraler Zufuhr von Protein- körpern, besonders wenn diese intravenös in größerer Menge einverleibt werden, zu einer Art von Schockwirkung kommen kann. Dieser Schock [s. auch Kaznelson?)] ist charakterisiert durch ein plötzlich einsetzen- des Beklemmungs- und Vernichtungsgefühl, Erweiterung der Haut- gefäße mit Cyanose der acralen Teile, Kopfschmerz, Parästhesien, Brechreiz, evtl. Bewußtseinsverlust und Kollaps. Dem eben be- schriebenen Zustand folgt in kurzem Intervall (schon nach 2 Stunden) Fieber mit initialem Schüttelfrost, oft auch Brechreiz, Kopfschmerzen und Diarrhöen. Der erste Teil der Reaktion ist also charakterisiert durch die klassischen Symptome der Anaphylaxie, wie sie vom Tier- experimente und von Beobachtungen am Menschen her bekannt sind. Sie unterscheidet sich von dieser nur durch das Fehlen der Inkubations- zeit, nach welcher erst der anaphylaktische Reaktionskörper gebildet und im Blute nachweisbar ist. !) Auch die paradoxe anfängliche Pupillenverengerung bei intravenöser Einspritzung von Adrenalin bleibt aus, wenn längere Zeit vorher das Ganglion cerv. sup. entfernt wurde (T. Kato und W. Watanabe, Tohoku Journ. of exp. med. I, 73. 1920). ?) Nebenbei sei daran erinnert, daß die Latenz und der Anstieg der reflek- torisch durch Reizung des zentralen Ischiadicusstumpfes ausgelösten Pupillen- erweiterung (Katze), welche prinzipiell nicht durch Erregung des Grenzstranges, sondern durch Hemmung in der Okulomotoriusbahn vermittelt wird, doch insofern vom Sympathicus mitbestimmt wird, als sie bei Ausschaltung des letz- teren verlängert wird, und zwar bei Exstirpation des Ganglion cerv. sup. mehr als. bei präganglionärer Durchschneidung (E. P. Braunstein,a a. O., spez. S. 95). 3») P. Kaznelson, Therapeutische Halbmonatshefte 1921, S. 266. 288 E. Sternschein: Beitrag zur Untersuchung Beiden Prozessen aber ist im Symptomenbild gemeinsam die auf- fallende Übereinstimmung mit einer Lähmung des autonomen Systems, besonders im Splanchnicusgebiete. Andrerseits wissen wir sowohl von der Fieberwirkung der parenteralen Eiweißzufuhr, wie von der durch Friedberger und Mita!) nachgewiesenen pyrogenen Form der Ana- phylaxie, daß sie sich in ihrer Erscheinungsform auffallend dem Symptomenkomplex bei „drenali vers tung nähern, ja man möchte sagen, ihm fast gleichen. Die höhere Anspruchsfähigkeit der Pupille auf Adrenalin nach parenteraler Proteinkörperzufuhr scheint demnach nur eine Teil- erscheinung der durch die Proteinkörper hervorgerufenen Sensibilisie- rung zu sein, die sich an den Erfolgsorganen des vegetativen Systems aus- spricht. Das Gesagte entspricht sehr wohl der Vorstellung, daß eine Teil- funktion des Ganglion cervicale supremum bzw. eine Voll- oder Teil- funktion gewisser Zellen desselben darin besteht, tonisch die Anspruchs- fähigkeit der Pupille auf Adrenalin auf einem tiefen Niveau zu erhalten — eine Leistung, die reinlich dann manifest wird, wenn dieses Ganglion von der zentralen Innervation gelöst ist. Dasselbe scheint demnach unter einem hemmenden Einfluß übergeordneter Neurone zu stehen. Es sei nicht versäumt zu bemerken, daß bereits N. Kowalewski eine ähn- liche Annahme — nämlich einen nicht bloß tonisierenden, sondern auch hemmenden Einfluß des Ganglion cerv. sup. auf den Erwei- terungsmechanismus der Pupille — vertreten hat. Allerdings leitete er sie bloß aus dem in gewissen Fällen rasch erfolgenden Rückgang der Pupillenverengerung nach Sympathicusdurchtrennung ab?). Auf den näheren Mechanismus der Wirkung der hintereinander- geschalteten zentralen Neurone soll hier nicht näher eingegangen werden; es seien hier nur die Versuche von Shima?) erwähnt, der nach Rückenmarksdurchschneidung gleichfalls Adrenalinmydriasis auslösen konnte. Nach all dem erscheint uns folgende Vorstellung über die Funk- tionen des zwischen Cerebrospinalachse und vegetativem Erfolgsorgan eingeschalteten Ganglion cervicale supremum am plausibelsten. Das Ganglion wirkt nicht im Sinne einer alterativen Hemmung, sondern es erhält tonisch die Anspruchsfähigkeit der M. dilatator auf einem tiefen Niveau und garantiert so die Konstanz eines bestimmten !) Friedberger und Mita, Zeitschr. f. Imm. 10. 216. 1911. ?) Dieser Annahme hat seinerzeit E. P. Braunstein (a. a. O., spez. 84, 96) widersprochen, indem er für den Rückgang der Ausfallserscheinungen das Prä- valentwerden eines auf den okulomotorischen Sphinctertonus wirksamen Groß- hirnrindenzentrums verantwortlich machte. Obige Gründe für eine Hemmungs- funktion des Ganglion cerv. sup. bleiben von einer solchen Eventualität bzw. einem solchen Einwande unberührt. ®) R. Shima, Pflügers Arch. f. d. ges. Physiol. 126, 269. 1908; 127, 99. 1909. der Beziehungen zwischen Halssympathicus und Pupille. 289 Ruhezustandes der Pupillen gegenüber hämatogen erregenden Pro- dukten des Stoffwechsels. Dank dieser tonischen Wirkung des Gang- lions auf die Pupille im Sinne einer Behinderung von Erweiterung müssen durch Stoffwechselprodukte bedingte Reize einen bestimmten Schwellenwert überschreiten, bevor es zu einer manifesten Erweite- rung der Pupille kommt. Daher kommt es, daß wenigstens in unseren Fällen mit Vergleich beider Seiten die Pupille nach postganglionärer Durchschneidung des Halssympathicus weniger eng ist, als nach prä- ganglionärer; da der dämpfende Einfluß des Teleneurons fehlt, kommt es eben leichter zu einer hämatogenen peripheren Dilatatorreizung und damit zu einer Minderung der Miosis, wie sie der Wegfall des nor- malen zentroneurogenen Dilatatortonus herbeigeführt hat. Das Aus- bleiben der Adrenalinwirkung nach präganglionärer Durchschneidung weist darauf hin, daß das Halsganglion selbst wieder unter einem hemmenden, d.h. dämpfungsmindernden Einfluß des Zentralnerven- systems steht. Nach dem Gesagten dienen die Ganglienzellen des G. cervicale supremum einerseits der Weitergabe des vom Zentralnervensystem übermittelten Dilatatortonus, andererseits dämpfen sie aus eigenem die Anspruchsfähig- keit desM. dilatator für hämatogene Reize, welche Funk- tion wiederum vom Zentralnervensystem hemmend be- schränkt wird. Die Einflußnahme des letzteren auf die betr. Ganglienzellen ist sonach eine doppelte!). In den Fällen von nicht-paradoxer Reaktion (mit stärkerer Miosis bei Fehlen des Ganglions) mag es sich um kompliziertere Verhält- nisse handeln. — Die damit durchgeführte Analyse der Funktion des oberen Halsknotens mag zu analogen Vermutungen über die Rolle anderer vegetativer Ganglien anregen. Die sensibilisierende Wirkung der parenteralen Eiweißzufuhr auf die Pupille soll hier nur erwähnt werden. Ebenso sei auf etwaige Ana- logien, die sich hieraus bezüglich der Genese der Adrenalinmydriasis beim Basedow, beim Pankreasdiabetes und bei der chronischen Ne- phritis ergeben, nur hingewiesen. !) Die Frage ob sich die verschiedenen Funktionen im Ganglion cerv. sup. auf verschiedene Zellen verteilen oder der gleichen Zelle zukommen, sei offen gelassen. Bezüglich des Problems der funktionellen Differenz von Neuronen und der mehr- seitigen Funktion desselben Neurons sei speziell verwiesen auf E. Hering (Zur Theorie der Nerventätigkeit. Leipzig 1899). R. P. Babkin, (Pflügers Arch. f. d. ges. Physiol. 149, 521, 1913, sowie Die äußere Sekretion der Verdauungsdrüsen. Berlin 1914. S. 85, 87) und A. Tschermak (siehe speziell die Arbeit H. Hitzkers, Pflügers Arch. f. d. ges. Physiol. 159, 487, spe- ziell 510. 1914; sowie J. Bernsteins Lebensarbeit. Ebenda 1%4, 1, speziell 49, 1920. Pflügers Archiv f. d. ges. Physiol. Bd. 193. 20 290 E. Sternschein: Anhang. Beitrag zur Untersuchung A. Auszug aus den Versuchsprotokollen. Kaninchen I. 24. VI. 1919. Präganglionäre Durchschneidung links. 4. VII. 1919. Faradische Reizung links. Schlitten-Induktorium, kleiner Akku- mulatort): Zeit 11h 45’ 11h 46’ 11h 47° 11h 59’ 12h 01’ 12h 02° 12h 03° 12h 04° 12h 04’ 12h 05° 12h 05° 12h 05° 12» 06° 12h 06° 12h 07° 12h 07’ 12h 07° 12h 08° 12» 08° RA in cm nn WW OT TRTWWIUWON [ Q -T OD [89] ==) linke Seite gereizter Teil: Erweiterung der Pupille: Halsstrang, peripherer Halsstrang, peripherer Halsstrang, peripherer Halsstrang, peripherer Ganglion, unterer Pol Ganglion, unterer Pol Ganglion, unterer Pol Ganglion, hoch oben . Ganglion, oberer Pol . Halsstrang, peripherer Ganglion, oberer Pol . Teil Teil Teil Teil Teil | Ganglion, oberer Pol. . Ganglion, oberer Pol . Ganglion, oberer Pol . Ganglion, oberer Pol . Ganglion, oberer Pol . Ganglion, oberer Pol. Ganglion, oberer Pol. . Ganglion, oberer Pol. | - to tooooooo + + 1) (schwach) (sehr schwach) 15. VIII. 1919. Faradische Reizung, Schlitteniduktorium, kleiner Akkumu- lator. Zeit 10h 43’ 10N 44’ 10h 45’ 10% 45’ 10" 46’ 10h 48’ 11n 04° 11" 05° 11" 06° 11207 Kaninchen XVII. 27. IX. 1920. Links präganglionäre Durchschneidung. RA in cm [ergo oBXo oEfo oiKeriKer) [oriKeräge oike +) Linke, operierte Seite, gereizter Teil: Teils 25 Halsstrang, peripherer Ganglion Ganglion Halsstrang, peripherer Ganglion Ganglion Teil . Rechte, normale Seite: Halsstrang, peripherer Ganglion Halsstrarg, peripheren Ganglion Pupille 1 |. Die Extremitäten spastisch. Pupille rechts enger als links. 12h Tier ganz munter, läuft im Zimmer herum. Pupille r <|]. Narkoseversuch Il. 13" 21° Beginn der zweiten Narkose. 13" 21’ Linke Pupille ganz deutlich enger als die rechte. 13% 36° Pupille r <1. Auf Schwanzkneifen wird reagiert. Kaninchen XLIII. 12. V. 1921. Links präganglionäre Durchschneidung hernach, Pupillen 1 ] 08 ee) (6) 6) ++ oo oo2P[oo0ooo0000 Hernach beide Ganglien' exstirpiert, Pupillen beiderseits eng, doch links eine Spur enger als rechts. 18. VII. 1921. Pupillen beiderseits eng, doch links deutlich enger als rechts. Kaninchen XLIV. 13. V. 1921. Postganglionäre Durchschneidung auf der rechten Seite, Pupillen nach der Operation 1 >1r. 17, V...1921. "Pupillel >r. 9h 25 Je 3 Tropfen Adrenalin beiderseits in den Conjunctivalsack. 10" Pupille rechts fast maximal weit, links mittelweit. 12h 35° Pupille 1 >r. 24. V. 1921. 13% 30’ 0,004 Alttuberkulin Koch in eine Ohrvene. 19" 15° Beiderseits Adrenalin in den Conjunctivalsack. Nach einer Stunde (Demonstration im Wiener Verein für Psychiatrie und Neurologie.) Beide Pupillen maximal erweitert. 26. V. 1921. 10h 45’ 0,0045 Tuberkulin intravenös. 16% 45° Pupille rechts eng, links mittelweit. 1 mg Adrenalin subcutan. 174 25’ beiderseits maximal weit. 19h 25° beiderseits gleich, sehr weit. Kaninchen XLVl. 14. V. 1921. Postganglionäre Durchschneidung links, präganglionäre Durch- schneidung rechts. 17.7. V2.1921.0,-Pupillenseng, rl 9" 20° 3 Tropfen Adrenalin beiderseits. 10% Pupillen: rechts eng, links mittelweit. 12h 35° Pupillen beiderseits eng, r 1. 20h 10° Reaktion abgeklungen. Beide Pupillen gleich. 20. V. 1921. 10% 10° Pupillen gleich. Adrenalin in den rechten Conjunctival- sack instilliert. 10% 30° Pupille rechts deutlich weiter als links. 11 20° Differenz noch immer deutlich. 11% 40° Reaktion abgeklungen. Pupillen r —=1. 23. V. 1921. 8%. 0,005 Alttuberkulin Koch intravenös. 10h 55° Pupillen beiderseits gleich. Adrenalin in den rechten Conjunctivalsack instilliert. 11h 10° Pupille rechts deutlich > links. 15% 35° Pupillen gleich. Adrenalin in den rechten Conjuncti- valsack instilliert. 15h 45° Pupille r >1. 16% 30° Pupille r deutlich > 1. 19h 45° Pupille r noch immer > links. 24. V. 13620’ Pupillen gleich. 0,007 Alttuberkulin Koch intravenös. 19" 15° Pupillen gleich, Adrenalin in den rechten Conjunktivalsack instilliert. Nach ca. 1 Stunde (Dem. im Ver. f. Psych. u. Neurol.). Pupille r >], rechts ad maximum erweitert. KaninchenL, normales Kontrolltier ohne Sensibilisierung mit Alttuberkulin. 23. V. 1921 gleichzeitig mit Kaninchen XLVII. 30 35° Adrenalin in den rechten Conjunktivalsack. 3h 45° Pupille r >| (Erweiterung etwas später als bei XLVIII). 3255’ Pupille r eine Spur >]. AhFPupillern—l: 24. V. 1921. 7215’ Adrenalin in den rechten Conjunktivalsack. Ca. 1 Stunde später (Demonstration in Ver. f. Psychiatr. u. Neurol.) Pupille vll KatzeV. 27. V.1921. In Äthernarkose links präganglionäre Durchschnei- dung des Sympathicus nach Isolierung vom Vagus. Nach der Operation Pupillen: l<2)| 8,5/6,5 8,5 / 8,0 | | !) Aus äußeren Gründen konnte leider die exakte Messung der Pupillenweite nicht bei allen Tieren, speziell nicht bei allen einseitig prä-, andersseitig post- ganglionär operierten, ausgeführt werden. ?2) Rechte Carotis unterbunden. (Aus dem biologischen Institut zu Frankfurt a. M.) Über Einwirkung der Kohlensäure auf den Blutzucker im Örganismus!). Von Friedrich Binswanger, Assistent am Institut. (Eingegangen am 6. Ok’ober 1921.) Die nachfolgende Arbeit ist der Überzeugung entsprungen, daß jede Beobachtung über das Verhalten der Kohlensäure im Organismus physiologisches Interesse erheischen muß. Im besonderen erschien es mir wichtig, der Frage nachzugehen, ob die Kohlensäure als Ver- brennungsprodukt einen Reiz zum Nachschub von Verbrennungsmate- rial auf die Regulatoren des Zuckerstoffwechsels ausübe. Claude Bernard hat darauf hingewiesen, daß Reizung des N. vagus zentral von den Lungenästen auf dem Wege über das Zucker- zentrum zu Hyperglykämie führt. Man konnte etwa an folgenden Mecha- nismus der Steuerung denken: Reiz der jeweils produzierten Kohlensäure auf die pulmonalen Äste desN. vagus — Zuckerzentrum — N.splanchnici — Glykogendepot der Leberzellen — Zuckerausschüttung. Bei meinen Untersuchungen hat sich, wie ich gleich hervorheben will, ein Anhalt für das Zurechtbestehen jener Vermutung nicht er- geben. Die Verfolgung der Einwirkung der Kohlensäure auf den Blut- zucker aber hat manch Erwähnenswertes erbracht und eine Reihe von wichtigen Unterfragen ergeben, wie die nach der Rolle des Sauer- stoffs und nach dem Verhalten der Körpertemperatur bei CO,-Ein- wirkung. Meinem Arbeitsplan lagen folgende Fragen zugrunde: 1. Führt Kohlensäure-Einwirkung auf den Organismus zu einer Hyperglykämie ? a) Unter welchen Bedingungen und mit welcher Regelmäßigkeit ? b) Lassen sich bei derartiger Einwirkung Beziehungen zu regulato- rischen Vorgängen auffinden ? 2. Falls eine regelmäßige Hyperglykämie eintritt, wie ist der Me- chanismus dieser Wirkung? !) Die Untersuchungen der nachfolgenden Arbeit wurden durchgeführt aus den Mitteln der Hermann Weil’schen Stiftung, wofür auch hier unser Dank aus- gesprochen sei. F. Binswanger: Einwirkung d. Kohlensäure auf d. Blutzucker im Organismus. 297 I. Durch die bisherigen Veröffentlichungen sind die Beziehungen der Kohlensäure zur Höhe des Blutzuckerspiegels noch nicht geklärt. Edie!) hat bei Hunden und Katzen durch Anreicherung der Atmungs- luft mit 10—15proz. Kohlensäure Glykosurie hervorgerufen, während selbst beträchtliche Verminderung des Sauerstoffgehalts (6%, und weniger) eine Glykosurie nicht ergaben — ein Resultat, das sich bei meinen Befunden nur mit den kurzfristigen Versuchen deckt. David?) und mit ihm Auel?) haben später in Arbeiten, die nur in lockerem Zusammenhang mit unserem Problem stehen, an normalen, reichlich ernährten Hunden nach mehrstündigem Atmen von bis zu 25% an- steigenden Kohlensäure-Luftgemischen Glykosurie gefunden. Bei einem phloridzinvergifteten Tier stieg in der Kohlensäuredyspnoe der Blut- zucker von 0,127 auf 0,199%. Ein Einblick in die Verhältnisse war zu erwarten vom Studium des Verhaltens des Blutzuckers, dessen systematisches Verfolgen erst die Bangsche Mikromethode ermöglicht hat. Bang selbst und Stenström#) erzeugten bei Kaninchen durch Curare, Kobragift, Strychnin oder Kohlenoxyd asphyktische Zustände und kamen zu der Ansicht, daß eine sogar tödliche Vergiftung durch Asphyxie keineswegs eine noch so geringe Steigerung des Blutzucker- gehalts zu bewirken brauche. Ich möchte schon jetzt betonen, daß mit dem Ausdruck ‚„Asphyxie‘ ein Berauben an natürlichen Atmungs- bedingungen durch verschiedenste Ursachen verstanden werden muß. Die Anstellung obiger, in ihren einzelnen Faktoren schwer überseh- barer Versuche dürfte zur Entscheidung der hier in Frage gestellten Beziehungen nicht von genügender Eindeutigkeit sein. Wir wissen ja nicht, ob diese Gifte, deren Angriffspunkt am Nervensystem bezw. am Hämoglobin man ziemlich genau kennt, andere Zellkomplexe, wie etwa die Leber, unbeeinflußt lassen. Auf die übrigen Versuche mit künst- lichem Luftmangel und Kohlensäure werde ich später zurückkommen. In meinen Versuchen mit Kohlensäure-Luftgemischen habe ich stets darauf geachtet, daß ein annähernd der natürlichen Luft ent- sprechender oder überschüssiger Gehalt an Sauerstoff vorhanden war, daß die Kohlensäure, die die Tiere selbst erzeugten, ständig entfernt wurde und daß auch eine Ablagerung der spezifisch schwereren und daher langsam diffundierenden zugeführten Kohlensäure vermieden wurde. !) Edie, Biochem. Journ. 1, 455. 1906. Zit. nach Bioch. Zentralbl. 5. Ref. 233. 1906/07. ?2) David, Münch. med. Wochenschr. 61, I, 868. 1914. ®) Auel, Zeitschr. f. exp. Med., 2, 421. 1914. 4) Bang u. Stenström, Biochem. Zeitschr. 50, 437. 1913. 298 F. Binswanger: Die Versuche wurden vorwiegend an Kaninchen und Katzen an- gestellt. Als Atmungsraum diente anfänglich für kleinere Tiere ein 7,5 1 fassender Exsiccator; später wurde ein Exsiccator mit 281 In- halt verwendet, in dem sogar zwei erwachsene Katzen gleichzeitig untergebracht werden konnten. Es wurde für kräftige Durchlüftung unter Wahrung des Atmo- sphärendrucks gesorgt. Im kleinen Exsiccator wurde der Gaswechsel auf etwa 1 1, im großen auf etwa 7 l in der Minute eingestellt. Die Anordnung war eine möglichst einfache: In eine Woulffsche Flasche mündeten unter Wasser drei Leitungen: 1. Luftstrom einer Wasserdruckpumpe, 2. Kohlensäurestrom und 3. Sauerstoffstrom, beide direkt aus der Bombe. Die Regulation von Kohlensäure und Sauerstoff erfolgte an ein- fachen Feinregulierventilen. Das Ausströmen der Kohlensäure in höherer Konzentration brachte am Ventil häufig Eiskrusten hervor, die störende Stromschwankungen zur Folge hatten. Ein automatisches Reduzierventil der Firma Dräger, das stets größere Schwankungen verhindert, stand mir erst im späteren Teil der Versuche zur Verfügung. Von der Woulffschen Flasche führte eine Leitung des Gasgemisches an einem Wassermanometer vorbei, das eine stete Kontrolle ergab, ob der Atmosphärendruck eingehalten war. Darauf gelangte das Ge- misch in den Exsiccator, der ‘mit dem Thermometer versehen war. In diesem Raum konnten die Tiere frei stehen oder sitzen. An der abführenden Leitung ermöglichte ein Dreiweghahn die Entnahme von Gasproben, ohne den Durchleitungsstrom zu unterbrechen. Eine Wassersaugpumpe, die an die gleiche Wasserleitung wie die Druck- pumpe angeschlossen war, entfernte das Gasgemisch. Der Apparat befand sich in einem gleichmäßig temperierten Zimmer. Sank die Außentemperatur unter 15°C, so wurde durch einen Heiz- teller oder ein Wasserbad die Temperatur im Exsiccator auf etwa 20° C gebracht, um störende Temperatureinflüsse auf den Blutzucker- spiegel zu vermeiden. Die Gasproben wurden in Hempel-Pipetten analysiert; die Kohlen- säure durch Kalilauge absorbiert. Der Sauerstoff wurde in den orien- tierenden Versuchen nach der Empfehlung von Durig in einer alka- lischen Natriumhydrosulfitlösung, in der sich feinmaschige Fisendraht- netze befanden, bestimmt. — Der Kohlensäuregehalt wurde alle 5 bis 10 Min. je nach Auftreten von Schwankungen festgestellt; in länger dauernden Versuchen mit gleich bleibendem Druck seltener. Die erste Gasprobe wurde frühestens 2 Minuten nach Einbringung der Tiere in den schon im Gang befindlichen Gasstrom entnommen. Es werden Über Einwirkung der Kohlensäure auf den Blutzucker im Organismus. 299 in den Protokollen entweder der gleichbleibende Gehalt oder die Grenz- werte bei Schwankungen angegeben. Die gefundenen Werte sind auf ganze Zahlen abgerundet; von einer Umrechnung auf den jeweiligen Barometerdruck wurde abgesehen. Vereinzelt wurde absichtlich die Konzentration während des Versuchs geändert. Der Blutzucker wurde im Gesamtblut nach der neuen Methode von Bang!) bestimmt. Mehr- fache Kontrollen mit durch Wägung und Titration bestimmten und vorsichtig verdünnten Traubenzuckerlösungen bestätigten die ge- nügende Genauigkeit der in Betracht kommenden Werte. Die Fehler- grenze der Bestimmungen hielt sich meistens innerhalb 0,01%, bei beträchtlich erhöhten Werten erreichte sie bis zu 0,02%. Darüber hinausgehende Fehler stellten den Versuch in Frage, so daß von seiner Verwertung abgesehen wurde. Von einer gleichzeitigen Eiweißkonzen- trationsbestimmung im Blut glaubten wir bei den zum Teil großen Ausschlägen der Blutzuckerkurven absehen zu können, da durch Konzentrationsverschiebungen derartige Steigerungen sicher keine Er- klärung finden. Blutzuckerentnahmen während eines Versuchs unter- brachen diesen etwa 5 Minuten. Den Versuchstieren wurde am Vorabend das Futter entzogen, um auch leichte Schwankungen des Blutzuckers durch Nahrungs- aufnahme zu vermeiden. Zwischen zwei Versuchen am gleichen Tiere wurde stets eine mehrtägige Pause eingeschaltet. Der Urin wurde nach den Durchleitungen auf Zucker, vereinzelt auch auf sonstige patho- logische Bestandteile untersucht. Im Protokoll sind nur die positiv aus- gefallenen Proben notiert. Überblicken wir die Resultate 1—33 und nehmen wir 0,02%, als deutliche Steigerung des Blutzuckerspiegels an, so ergibt sich: Durchleitung mit Kohlensäure-Luftgemischen (unter ungefährem Ersatz des verdrängten Sauerstoffs) mit einem Kohlensäuregehalt unter 14%, erhöht den Blutzuckerspiegel des Kaninchens nicht; auch nicht bei 51/,stündiger Dauer (Vers. 25). Werden 14—20 proz. Ge- mische verwendet, so treten mäßige Steigerungen von 0,02— 0,04%, auf. Der erhöhte Spiegel hält sich selbst bei über 2 Stunden Durchleitung unverändert (Vers. 19). Übersteigen die Gemische 20%, so tritt regel- mäßig eine bedeutende Steigerung auf, meist über 0,05 bis zu 0,23%. Die Steigerung ist eine äußerst prompte (Vers. 13 u. 20). Sie zeigt keine Parallele zu weiterer Zunahme der Konzentration des Gemisches, auch nicht zur Dauer der Durchleitung, sondern hängt von noch un- bekannten, zum Teil sicher individuellen Faktoren ab. Der Ernährungszustand spielt keine wesentliche Rolle, wie Vers. 10 nach 84stündigem Hungern des Tieres beweist. Mäßige Steigerung ist !) Bang u. Stenström, Biochem. Zeitschr. 50, 437. 1913. 300 Versuche an Kaninchen: F. Binswanger: meist junge Tiere, mit Rüben und Heu gut gefüttert Sa Vers. IR TO) a N Arie S Kohlen- Blutzucker 2 Es atmet: Sr Dauer — Bemerkungen > | 0, vorher a 1 950 g schwer. Tierch.a E in 0, 1.1=°:0-10. 2 del. 10 40’ 10,10 |0,10 3 del. 8—35 15° [0,09 10,16 4 dgl. 5 45’ [0,08 | 0,09 5 del. 17 30° 10,12 10,14 6 dgl. 1820 40’ 10,105 | 0,125 7 del. 24—27 1b. .10,11 |0,165 | Blutzucker., 2 Std. später: 0,115 8 del. 18—20 30° [0,14 10,17 | 16—21 |3h 35’ 0,29 | 17 25310.33/ 0,23 | Urin: Sacch. + leb- hafte Reduktion 9 de] ı 20—26 1% 30’10,095 | 0,14 10 del 22—36 30° |0,115 ‚0,17 | Nach 84stündigem | Hungern 11 |800 g schwer. Tierch.b| 18-31 | 30’ [0,11 |0,22 12 del. 10—19 452 ,19,13, :1:0,17 13 dgl | 33—39 8 10,10 0,16 | Blutzucker 1 5’ spä- ter: 0,10 14 | del. 14—21 56° 10,17 0,16 | 22 33, 0,20 15 del. 20—26 | 30 |o,1ı [0,19 16 |1380 g schweres Tier c 6,5 40’ [0,115 | 0,125 17 del. 10—25 157 25 10° [0,09 0,18 18 del. 1921 30210,11.0.0,19 19 del. 14—15 33’ 10,105 | 0,145 30, 0,145 60° 0,145 20 dgl. 30 5° 10,09 0,16 | Nur 1 CO,- Analyse 21 |1400 g schweres Tier d 13 25° 10,10 /0,11 22 del. 13 45’ 10,115 | 0,125 23 del. 2225 302 10, 112=1.0,18 24 dgl. 30° 10,09 0,09 | Nur Luftdurchleite. 18 30’ 0,11 20—23 30’ 0,165 25 del. 910 30’ [0,115 0,115 52.307 0,115 26 \840 & schwer. Tierch. e 18 [0.105 10,10 | Nur Luftdurchleitg. 20—23 302210 .2.100,22 Über Einwirkung der Kohlensäure auf den Blutzucker im Organismus. 301 Fortsetzung. = Kohlen- Blutzucker 2 Es atmet A Dauer Bemerkungen > 0% vorher Sa 27 |1950 g schweres Tierf 157.1.0,13 | 0,125| Nur Luftdurchleite. 19 25 30’ | 0,32 Du ı 0,20 | Nur Luftdurchleite. 21—27 157 ı 0,26 | Nach Blutzuckerent- | nahme subk. In- | jektion von 0,3 mg | Suprarenin. 1h 20 | später: Blutzucker | 0,41 Urin: Sacch. | + + (starke Re- | | duktion) 28 |1220g schweres Tierg| 30 | 0,12 | 0,115| Nur Luftdurchleiteg. | 1836 307 | 0,24 | 14:20 | 0,13 | Nur Luftdurchleite. ; 21-229 10 | 0,16 29 |1650 g schweres Tierh | 21—23 25° | 0,135 | 0,20 30 1700 g schweres Tieri| 22—31 30° | 0,13 | 0,36 | Urin: Saech. + | | (schwache Reduk- | tion) 31 |1850 g schweres Tierk | 25—26 1157..150:10 10:26 32 || 900 g schweres Tierl | 15—28 1521.0511571,. 0:26 33 1200 g schweres Tierm | 22—29 | 30’ | 0,115| 0,235 34 |1050 g schweres Tiern 25—409 ' 30 I 0,085 | 0,085 35 del. | ıs=ı7 I ®o [o11 | 0075 190-287 0.952 | 0,05 schon etwa nach einer Stunde abgeklungen (Vers. 13); höhere sinkt nicht so schnell zur Norm (Vers. 27). Bei langer Durchleitungsdauer kann ein Absinken des hohen Spiegels stattfinden (Vers. 8). Möglicher- weise wirkt die eintretende Glykosurie hier ausgleichend. Durchleitung nach einer Pause kann den schon gesunkenen Spiegel nochmals heben (Vers. 27 u. 28). Suprarenin direkt nach der Kohlen- säurehyperglykämie injiziert erweist sich noch sehr wirksam (Vers. 27). Zu Glykosurie kommt es nur in den Versuchen mit den höchsten Blut- zuckerwerten. Ihr Auftreten zeigt, daß es sich nicht nur um eine Ver- mehrung irgendwelcher reduzierender Substanzen im Blut, wie sie Stepp nachgewiesen hat, handelt, sondern um echte Zuckerspiegel- erhöhungen. Durchleitet man Kohlensäuremengen, die noch keine deutliche Blutzuckersteigerung hervorbringen, so fällt an den Kaninchen nur auf, daß die normale Atmung mit ihrer schnellen, über 100 betragenden Frequenz, Unregelmäßigkeit und Oberflächlichkeit sich in eine völlig regelmäßige, vertiefte Atmung von etwa 70-90 zählender Frequenz 302 F. Binswanger: wandelt. Die Tiere bewegen sich und putzen sich noch. — Wird die Kohlensäurekonzentration weiter bis zu etwa 20% gesteigert, so werden die Tiere ruhig und schläfrig. Sie reagieren nur mehr wenig auf äußere Reize; ab und zu beobachtet man ein ataktisches Nicken des Kopfes. Steigt die Konzentration noch höher, so können sich die Tiere meist nicht mehr aufrechthalten und sinken in Narkose. Zu bedrohlichen Störungen der Atmung kommt es erst bei Konzentrationen zwischen 30 und 40%. Bei einzelnen Tieren zeigte sich die Wirkung hohe: Kohlensäuredosen auf den Kreislauf durch einen Hautgefäßkrampf, der sich wenige Minuten nach der Durchleitung plötzlich löste und erst dann die Blutentnahme aus dem Öhre ermöglichte. Sinken der Kon- zentration unter 20% läßt das Tier in wenigen Sekunden sich erholen. In Vers. 8, bei dem absichtlich die Konzentration gewechselt wurde, konnte regelmäßig durch Zurück- oder Aufschrauben des Kohlensäure- ventils unter Wechseln der Werte zwischen 16 und 21% ein Sichauf- richten und ein Zusammensinken des Tieres erreicht werden. In den Vers. 34 u. 35 ist das paradoxe Verhalten des Blutzuckers bei einem Tier n gezeigt. Vielleicht ist eine Erklärung für diese Aus- nahme in der Richtung zu suchen, daß 1. das Tier nach jeder Durch- leitung einen sehr starken, sich lange nicht lösenden Gefäßkrampf zeigte, so daß kaum Blut aus den Ohren zu gewinnen war und im zweiten Ver- such aus dem Herzen durch Punktion entnommen werden mußte, daß 2. die Sektion des Tieres ergab, daß die Leber mit multiplen, gelben steck- nadelgroßen Herdchen von krümeliger Beschaffenheit durchsetzt war. Versuchean Katzen: Tiere verschiedenen Alters mit Fleisch oder Abfallsblut — auch vereinzelt mit etwas Milch — ferner mit Brot und Kartoffelabfällen gut gefüttert. ei co, Blutzucker 5) Es atmet konz. Dauer ET asfe aR DREFRUS AR Bemerkungen > % vorher [nachher 1 Katze 232 18—26|: 30° | 0,12 | 0,33 | Urin: Red. ++ 2 | junges Kätzchen 233|19—29| 30’ | 0,105 | 0,305| Urin: Red. ++ 3 23 = 50° 1 0,09 | 0,09 | Nur Luftdurchleite. 12—15| 30 0.28 | Urin: Red. -—+ 30 Dig 0,335 4 “ A 235| 4—7 30° 1 0,10 | 0.16 | Urin: Red. ++ 17—18| 30° 0,38 Ha = 235 4 20° | 0,085 | 0,09 | z= 19) 030. 092 6 Katze 230 5—8 302.1.0,10270.15 M 2 4—5 30’ | 0,08 | 0,09 6—13| 30° 0.21 8| 287 12—17| 15° | 0,10 | 0,20 9 2A 10—13| 30° | 0,11 | 0,25 | Urin: Red. schwach + ı 8—12| ıh 0,25 10 | 0249 | 4-6 20° | 0,12 | 0,12 | Blutzucker 1" 10° später | 9=H.| 220 | 0,24 0,10. Urin: Red.+ (Spur) Über Einwirkung der Kohlensäure auf den Blutzucker im Organismus. 303 Fortsetzung. 2] CO, Blutzucker 5 | Es atmet konz. Dawer | Bemerkungen >| % vorher |nachher ul Katze 250 11—17| 20° | 0,10 | 0,34 | Blutzucker nach 35’: 0,255; 1210: 0,17; 2220: 0,105 | | Urin: Red. ++ 12 0255 8.15. 2152 1.0.09. 1..0:255.| Urin: Red. 13 200 59 20° | 0,09 | 0,265 14 | a ı 4—11| 15 | 0,085 | 0,16 | Blutzucker n. 1% 10’: 0,085 15 252 ı11—12| 10° | 0,08 | 0,235| Blutzucker nach 20’: 0,195 16 256 14—20| 10’ | 0,085 | 0,185 17 259 Dat 122.0,1127|7031:6 6—7 3u 0,22(?) 18 | 2259 10213172572 70,152 170,272) Urin: Red. 10 12 22457 0,14 19 | 259 17—22| 20’ | 0,10 | 0,36 | Urin innerhalb der ersten | 2 Std. Red. ++, später 0 20 | „254 10 15 | 0,095 | 0,18 210) „260 110-13| 25 | 0,10 | 0,215| Blutzucker nach 1 Std. 0,16 22 | ER | 8—14| 25 | 0,10 | 0,19 23 | 22H] |11—12| 12° | 0,015 | 0,21 | 17—22| 10 | 0,30 Wir sehen, daß die Katze, deren normaler Blutzuckerspiegel sich von dem des Kaninchens nicht wesentlich unterscheidet, mit bedeutend höherem Blutzuckeranstieg auf Kohlensäureeinatmung reagiert. Dabei genügen schon Konzentrationen von 7% ab und es bedarf nur einiger Minuten Atmung darin, um regelmäßig sehr ausgesprochene Steige- rungen zu erzielen. Entsprechend tritt bei den höheren Blutzucker- werten vielfach Glykosurie ein. Sonstige pathologische Bestandteile konnten im Urin nicht nachgewiesen werden. Die Kurve des Blutzuckers fällt auch hier schnell ab. Nach 1 bis 2 Stunden, je nach seiner Höhe, sinkt er zur Norm. Bei Beobachtung von Katzen während der Durchleitung bemerkt man, daß bei Konzentrationen, die den Blutzucker noch nicht merklich in die Höhe treiben, die Atmung, deren Frequenz normalerweise um 30 beträgt, beschleunigt und: vertieft wird. Beim Steigen der Konzen- tration stellt sich sehr starke motorische Unruhe mit Ataxie ein, leb- hafte Speichelsekretion und Pupillenerweiterung. Zwischen 12—15%, sinkt das Tier in Narkose. Auch die für die Atmung bedrohliche Kon- zentrationsgrenze liegt tiefer wie beim Kaninchen — bei 20—30%. Daß etwa die Verschiedenheit der Vorernährung zwischen den beiden Tierklassen — ÖOmnivoren und Herbivoren — Veranlassung zu der Verschiebung des Grenzwertes der Einwirkung der Kohlen- säure bilde, erscheint unwahrscheinlich, nachdem eine längere Zeit mit pflanzlicher Kost ernährte Katze keinerlei Veränderung der Emp- findlichkeit gegenüber CO, zeigte: Katze 281. 30 Min. in einem 10 304 F. Binswanger: Einwirkung der Kohlensäure auf den Blutzucker usw. bis 12% CO, enthaltenden Durchleitungsstrom reagiert mit einem Anstieg des Blutzuckers von 0,11 auf 0,21%. Dasselbe Tier nach 8 Tagen rein pflanzlicher Ernährung zeigt bei gleicher CO,-Einwirkung eine Steigerung von 0,11 auf 0,19%. Kaninchen reagieren auf 10 bis 12%, CO,-Beimischung noch nicht. Eine kleine Reihe von Versuchen am Hund, deren Aufzählung hier unterbleiben möge, gab ein ähnliches Bild wie bei der Katze; je- doch scheint die Hyperglykämie noch nicht bei so niedriger Kohlen- säurekonzentration wie bei der Katze einzutreten. Jedenfalls ist einst- weilen die Katze zum Studium der Kohlensäurewirkung auf den Blut- zucker das geeignetste Tier. Das Ergebnis der geschilderten Versuche läßt sich dahin zusammen- fassen: Kohlensäurebeimischung zur Atmungsluft führt bei Kanin- chen, Katzen und Hunden von einer gewissen Konzentration ab zu Hyperglykämie. Der Grenzwert bei diesen Tierklassen liegt verschieden hoch; innerhalb derselben Klasse erscheint er fast gleichmäßig. Wir müssen noch näher auf die Rolle des Sauerstoffs in derartigen Versuchen eingehen. Haben doch Araki!) und auch Auel in lang- dauernden Versuchen mit Sauerstoffmangel Glykosurie gefunden. Das hellrote Aussehen (außer bei Gefäßkrampf) der entnommenen Blut- proben bei meinen Durchleitungen beweist eine genügende Arteriali- sierung. Um Vergleiche zur Kohlensäurehyperglykämie zu erhalten, wurden folgende Versuche angestellt: = 2 | Blutzucker kn | Es atmet Konz. | Dauer — Bemerkungen > % vorher | nachher 1| Katze 58 | ı2 | 0 | 0,10 | 0,10 y| del. 8 | 25° 1 0,10 | 0,10 | Ausgesprochener Lufthunger | | | | (schnappende Atmung) 3 | Katze 269 | 6-7 | 3% | 010 | 0, del. 4 | Katze 277 | 56° | | 023 Beträchtliche Einschränkung der Sauerstoffzufuhr führt also in so kurzer Zeit, wie sie für die meisten Kohlensäureversuche angewendet wurde, nicht zu Blutzuckersteigerung. Erst in dem mehrstündigen Versuch, in dem das Tier durch hochgradige Atemnot stark mitge- nommen war, trat eine solche auf. Extremste Beschränkung von Sauer- stoffzufuhr ergab allerdings (Katze 277) schon rascher erst außerordent- liche Erregung, dann schweren Kollaps und gleichzeitig Hyperglykämie. Die Ergebnisse meiner Versuche sprechen nicht für die Ansicht von Bang und Stenström, daß ‚die Kohlensäure unmöglich das Wesentliche bei der Asphyxie-Hyperglykämie sein könne“. Ihre An- !) Bang, Bioch. Zeitschr. 8%, 248. 1918; Bang u. Hatlehoel, 8%, 264. 1918. Über Einwirkung der Kohlensäure auf den Blutzucker im Organismus. 305 nahme. der Luftmangel spiele die ausschlaggebende Rolle, wird durch meine Versuche nicht bestätigt. In ihren vier Versuchen mit Kohlen- säure-Anreicherung ist es nicht möglich, sich über die Konzentration der CO, ein Bild zu machen. Erstickung in Wasserstoff ergab Hyper- elykämie. Kine Kohlensäurestauung ist hierbei keinesfalls ausge- schlossen. Bei einem in der eigenen Kohlensäure langsam erstickten Tier, bei dem die Verff. keine Steigerung fanden, kann der erhöhte Blutzuckerspiegel ähnlich wie bei der Katze in Vers. 18 beim Tod wieder abgesunken sein. 3 Die Kohlensäure - Hyperglykämie ist nach meinen Un- tersuchungen eine feststehende, stets wieder experimentell nachweisbare Tatsache. Besitzt nun diese Kohlensäure-Hyperglykämie Beziehungen zu irgendeinem Steuermechanismus im Kohlenhydrathaushalt ? Eine Vorstellung, wie sie zu Beginn dieser Arbeit geäußert wurde, könnte Wahrscheinlichkeit gewinnen, wenn Schwankungen der Kohlen- säureproduktion, etwa bei intensiver Muskelarbeit, sich auch in Konzentrationsschwankungen in der Lunge äußern würden. Auf Grund von neueren Anschauungen ist die Kohlensäurekonzen- tration in den Alveolen durch die feine Regulation der mechanischen Atemtätigkeit und der mit dieser einhergehenden Diffusion auf den Reiz der Wasserstoffionen im Blut hin normalerweise nur geringen Schwankungen unterworfen. Im Falle von Muskelarbeit kommt es nach den Untersuchungen von Mettenleiter!) unmittelbar nach kurzdauernder Arbeit zur Erhöhung der CO,-Spannung im venösen und arteriellen Blut: es kompensiert also die Atmung und der Blut- strom zunächst die mächtige Kohlensäurezufuhr noch nicht. Hier könnte physiologischerweise eine CO,-Hyperglvkämie einsetzen. Nach einigen Minuten sinkt im arteriellen Blut die CO,-Spannung offenbar infolge Übertretens von Säure aus den Muskeln unter die Norm; es kommt zur Erniedrigung des Alveolengasdrucks. Nach lang anhalten- der, schwerer Muskelarbeit tritt eine durch leichte Acidose bedinste Überkompensation der Atmung ein. Wir sehen also, daß es bei der Muskelarbeit tatsächlich zu Schwan- kungen der CO,-Konzentration in den Alveolen kommt, die außer von der Kohlensäureproduktion vom jeweiligen Grad der Säuerung des Orga- nismus abhängen. Um von anderem Ausgangspunkt aus mir einen Einblick in die Frage der CO,-Einwirkung auf den Zuckerspiegel im Blut zu verschaffen, versuchte ich zu erforschen, ob etwa eine Herabsetzung der CO,-Span- nung im Blut mit einer Erniedrigung des Blutzuckerspiegels einhergeht. Zu diesem Zwecke rief ich beim Menschen durch eine bei sonstiger !) Mettenleiter, Dtsch. Arch. f. klin. Med., 11%, 517. 1915. Pflügers Archiv f. d. ges. Physiol. Bd. 193. 21 306 F. Binswanger: Ruhe durchgeführte übertriebene Atmung und dadurch bedingte ex- treme Entfernung von CO, aus dem Blut längere Akapnie hervor und bestimmte vor der forcierten Atmung und in der Akapnie den Blutzucker: Ve | Dauer der forcierten Dauer der llalersıe | Atmung Akapnie vorher | nachher use B — — — — I — 1 ed nn — — _ u ————n ee m 3] 19 Minuten 2’ 20” 01052102011 M. | 20 Minuten 24,10% 0,11 | 0,105 Die Herabsetzung der Kohlensäurespannung im Blut beeinflußte also den Blutzuckerspiegel nicht. — Die von Claude Bernard entdekte Hyperglykämie durch Vagusreizung hat Macleod!) neuerdings durch die Begleitumstände jener Reizung erklärt: Wurden Maßnahmen ge- troffen, bei der Vagusreizung Erstickungsvorgänge hintanzuhalten, so trat die Hyperglykämie nicht auf. Il. Ich wende mich nun der Frage nach dem Mechanismus der Kohlen- säurehyperglykämie zu. Die der Erhöhung des Blutzuckerspiegels w.agefähr gleichzeitige Beeinflussung des Zentralnervensystems, ferner die speziell auf das sympathische Nervensystem hinweisenden Symptome: Speichelfluß, Pupillenerweiterung, die bekannte Blutdrucksteigerung ließen erwarten, daß das Zuckerzentrum die führende Rolle spiele. Reizung des Zucker- zentrums wird nach unserem bisherigen Wissen auf dem Weg der Nn. splanchnici weitergeleitet. Ich schildere hier zwei von mir erfolgreich durchgeführte Versuche mit Durchschneidung dieser Nerven: l. Katze 252 wird 2 Tage nach einer hyperglykämisch wirkenden Atmung im Kohlensäurestrom am 18. VIII. 1920 laparotomiert. Der bis zum Ganel. coeliacum verfolgbare linke, dann der rechte N. splanchnicus werden durchschnitten. Das Tier erholt sich. Vom 25. VIII. an macht es einen matten Eindruck, frißt kaum, hat schlei- miges Erbrechen und fiebert mäßig. Geringes Klaffen und Eitern der Bauchwunde. Vom 30. an erholt sich das Tier, frißt und ist munter. \ €0,-Konzen- Blutzucker Datum | tration ı Dauer TER TIERE Mars Bemerkungen % | vorher | nachher 16.2 Val 101 10 0,08 0,235 Vor Operation 20. VEIT 12152097152 0.09 0,225 Nach Operation DA VIIT: 10 alsı 0,11 0,11 28: VIII.) 20-30 15° O1 97018 | 207 0,08 0,24 !) Macleod, Amer. Journ. of physiol., 19, 388. 1908. Zit. nach Bang, Der Blutzucker, S. 101. 1913. Über Einwirkung der Kohlensäure auf den Blutzucker im Organismus. 307 2. Katze 256 wird 2 Tage nach erfolgreicher Kohlensäuredurch- leitung beiderseits splanchnicotomiert. Das Tier wurde dann einmal durchleitet; es starb bei der späteren Ausführung des Zuckerstichs. | CO,-Konzen- Blutzucker Datum | tratron Dauer = Bemerkungen | % | vorher | nachher 3 RR ur 10,7. | 14—20 10°.| 0,085 | 0,185 | Vor der Operation 13. IX. | 12-16 127 012 | 0,155 | 1 Tag nach der Operation Die beiden Versuche lassen zuder Annahme kommen, daß die blutzucker- treibende Wirkung der Kohlensäure peripher vom Zuckerzentrum angreift, wennauch eine Mitwirkung des Zuckerzentrums dadurch nicht ausgeschlos- sen ist. Bemerkenswert ist jedenfalls, daß im Versuch 1 vom 27. VIII. zur Zeit des schlechten Allgemeinbefindens bei einer sonst den Blutzucker noch steigernden Dosis von CO, keine Steigerung eingetreten ist, und daß im Versuch 2 am 13. IX. die Steigerung verhältnismäßig gering war. Um unbekannte Wege vom Zuckerzentrum zur Peripherie auszu- schalten, wurden auch noch Durchschneidungen von Rückenmark und Truncus vago-sympathicus ausgeführt. Bei zwei Katzen gelang die Durchschneidung des Rückenmarks in Höhe des 2. und 3. Dorsal- segments, bei einem Kaninchen in Höhe des ersten Dorsalsegments. Bei höher oben versuchten Durchschneidungen starben die Tiere zu schnell, um noch Durchleitungen vornehmen zu können. Freund und Schlagintweit!) haben den Nachweis erbracht, daß der Zucker- stich beim Kaninchen bei Durchschneidung des Rückenmarks in Höhe des 5. Dorsalsegments oder kranialwärts davon ausbleibt. Die Hyper- glykämie, die ich bei CO,-Einatmung meiner zuletzt genannten Ver- suchstiere feststellen konnte, muß ich hiernach als wahrscheinlich für die periphere Wirkung der Kohlensäure sprechend ansehen, wenn auch ein voller Beweis erst bei Durchschneidung oberhalb des 1. Dorsal- segments zu liefern ist, von dem nach Cl. Bernard die obersten den Zuckerstich leitenden peripheren Fasern ausgehen sollen. Die Durchlei- tung erfolgte etwa 2—2!/, Stunden nach der Rückenmarksdurch- schneidung, die in kurzer Chloroformnarkose vorgenommen wurde. | C0,-Konzen- Blutzucker Tier | tration Dauer 5 Bemerkungen % vorher | nachher Kaninchen| 16-28 | 15 | 011 oe Kaninchen | 18-24 | 25 oo 013 Nach der Operation Katze 2577| 10—13 152 0,09 0,22 Vor der Operation — 10 15° | 039 ' 0,555 |Nach der Operation Katze 246 | — — OMos au lee Vor der Operation in Nar- | | | kose — 1% 207 016,2 [0,24 Nach der Operation Freund u. Schlagintweit, Arch. f.exp. Path. u. Pharmakol., 76, 303. 1914. Ze 308 l’. Binswanger: Bei Katze 257 ist eigentümlich, daß die Rückenmarksdurchschnei- dung eine Erhöhung des Blutzuckers mit sich brachte, wie wir sie ähnlich beim Zuckerstich finden. Es ist kaum möglich, daß in diesem Fall die Steigerung dadurch wenigstens zum Teil erklärt wird, daß der Versuch in der Zeit unternommen wurde, in der die Kurve nach einer zuckerstichähnlich wirkenden Reizung sich noch im An- stieg befinden konnte, da bereits 21/, Stunden zwischen Durchschneidung und Blutzuckerentnahme (0,39) verflossen waren. Bei Katze 246 konnte wegen der großen Bissigkeit des Tieres eine vorherige Durchleitung nicht durchgeführt werden.!) Auch die beiderseitige Ausschaltung des Truncus vago-sympathicus konnte die Kohlensäurehyperglykämie nicht verhindern. Katze 232: Am 10. VIII. 1920 Resektion des rechten Truncus vago -sympathicus und anschließend Excision der Stimmbänder. 23. VIII. Resektion des linken Truncus vago-sympathicus. Das Tier ließ sich darauf S Wochen am Leben erhalten. Gefressenes wurde häufig erbrochen; vorübergehend Durchfall. Die Pulsfrequenz stieg von 140 auf 220—240, die Atmung blieb regelmäßig und war bei der CO,-Durchleitung stark verlangsamt. | C0.-Konzen- Blaze Datum | tration Dauer rap nmEiGERSaETEETUE Bemerkungen % | vorher nachher 9.VIM. | 18-26 30: 0,19 0,33 | Vor Operat. Urin Red.+ + 21. VIU. | 20—22 30° 0,105 0,26 Nach einseitiger Durch- | | schneidung 10.IX. || 19-26 30 0,115 0,24 Nach doppelseitiger Durch- | | schneidung Spielen nun bei der peripheren hyperglykämischen Wirkung der Kohlensäure die für den Zuckerhaushalt sonst wichtigen Organe eine Rolle ? !) Anmerkung bei der Korrektur: Eine in letzter Zeit im biologischen In- stitut durchgeführte Durchschneidung des Rückenmarks in Höhe des 1.—2. Dor- salsegments — Katze 300 — ergab einen Blutzuckergehalt von 0,10% vor der Operation. 3 Stunden danach war derselbe auf 0,13%, angestiegen. Durch halbstündige Co,-Einatmung (10—12%) sank er auf 0,10% ab. Nach weiteren 5 Stunden hatte sich der Blutzuckerspiegel auf 0,19% gehoben, um durch Coz- Einatmung (12%) während 30 Minuten auf 0,16% abzusinken. Dann wurde das Tier durch Entbluten getötet. In der gefüllten Blase fanden sich 35 ccm eiweißfreien Urins mit 1,9% Zucker. — Also: auch hier erbrachte die Rücken- marksdurchschneidung allein einen Anstieg des Blutzuckers, der sich aber im Gegensatz zur Hyperglykaemie nach Zuckerstich kontinuierlich fortsetzte. Das sind wichtige Beobachtungen, die weiter verfolgt werden sollen. — Die Senkung des Zuckerspiegels durch die Co,-Einwirkung läßt sich vielleicht — mit allem Vorbehalt — aus einer den Anstieg noch überbietenden Nierenbeeinflussung — Glycosurie! — erklären. Über Einwirkung der Kohlensäure auf den Blutzucker im Organismus. 309 Für die Nebenniere und die Bauchspeicheldrüse kann ich dies ver- neinen, denn nach Entfernung dieser Organe war noch immer Kohlen- säurehyperglykämie zu erzielen. Katze 249 wurde 2°/, Stunden nach doppelseitiger Nebennieren- exstirpation in den CO,-Strom gebracht (Resultat s. Tabelle). Katze 260 wurde 2 Tage nach totaler Exstirpation des Pankreas in den CO;- Durchleitungsapparat eingesetzt. Die Normalwerte dieser Tiere finden sich in der Tabelle der Durchleitungen von normalen Katzen. Das von verschiedenen Seiten bemerkte Absinken der Blutzucker- werte nach Nebennierenexstirpation zeigte sich erst beim Übergang zur Agonie. CO;- Tier | Konz. | Dauer | 0, NE | Blutzucker vorher nachher 249 | 6—13| 15’ | 0,10 | 0.165] 2°/, Std. nach Nebennierenexstirpation 250 | 8&—13| 15’ | 0,10 | 0,29 | Nach linksseit. Exstirpation Urin: Red.+ 250 15—22) 15’ | 0,125 0,20 | Nach völliger Exstirpation der Nebennieren (R. Nebenniere) 260 | 8—14| 30° | 0,34 | 0,40 | Blutzucker 1" 10° später 0,35, Urin schon vor- her Red. ++ Bemerkungen Will man bestimmte Stellen des Körpers als Angriffspunkte der CO, bezeichnen, so verbleiben nach unseren derzeitigen Anschauungen vom Kohlenhydratstoffwechsel nur das Ganglion coeliacum mit seinen peripheren Ausbreitungen und die Leberzellen als Anschlagsstellen, deren Reizung durch CO, eine Ausschüttung von Traubenzucker im Gefolge haben könnte. Die Glykogendepots der Muskeln müßten allerdings auch noch einer besonderen Prüfung unterworfen werden. Über Allgemeinwirkungen auf die Körperzellen und auf diesem Um- weg sich abspielende Beeinflussung des Kohlenhydratstoffwechsels ist zu wenig Greifbares bekannt, um hierauf eine genügend begründete Erklärung der Hyperglykämie aufbauen zu können. Die vor allem bei der Katze recht beträchtliche Steigerung des Blutzuckers spricht für eine Einwirkung auf die großen Kohlenhydrat- depotsin der Leber. Ist nun vielleicht der Säurecharakter überschüssiger Kohlensäure hierbei verantwortlich ? Elias und Kolb!) haben gefunden, daß Säuren selbst in geringen Mengen Glykogen direkt in der Leber mobilisieren. Gegen Säurewirkung steht dem Organismus das Hilfsmittel der Ammoniakbindung zur Verfügung. Eine Zunahme der Ammoniak- ausscheidung auf Kosten der Stickstoffausscheidung ließ sich selbst nach 4stündiger Durchleitung von Hyperglykämie erzeugenden Kohlen- säuremengen nicht nachweisen. !) Elias, Bioch. Zeitschr., 48, 120. 1913. 310 F. Binswanger: Katze 263 (Gewicht während Versuchsperiode 4 Pfund 130 g — 4 Pfund 260 8. Stoffwechselkost: 100 & Fleisch, 50 & Brot, 20 g Zucker. Versuchstag | NH,;:N | 3emerkungen Ela 1e 2 I E21 3 102213 4 Te: en: 6 -|,1 :.21 7 I] 8 I Le ln 9 ne 18 10 ER ER) 11 | 1:14 197 I:=218 13 Io] 14 Mal 05 15 2:12: 15 16,2 31 12-98 | 17 aller el ' 4 Std. CO, Atmung (Urin: 4,3%/,, Blutzucker vorher 0,10, | nachher 0,17. 18 I ee 19 | 1: 14 20 In 1:14 a 22 1:16 Ein zu diesem Versuch paralleler ließ ebenfalls keine wesentliche Verschiebung des Verhältnisses NH,:N erkennen. Versuche, durch Alkalieinverleibung die CO,- Hyperglykämie zu beeinflussen, führten nicht zur Unterdrückung derselben. Katze 277 erhält 2 Uhr 20 Min. vor Durchleitung 2,0 g Ätzkalk und 1,08 kohlensauren Kalk in Milch eingegossen; alsdann 30 Min. dauernde Durchleitung mit 13—15% Kohlensäure: Blutzucker vorher 0,13, Blutzucker nachher 0,40. Kaninchen 189 erhielt 1 Uhr 35 Min. vor Durchleitung 5g Natr. bicarb. in Wasser eingegossen. 30 Min. Durchleitung mit 21—27% Kohlensäure. Blutzucker vorher 0,12, Blutzucker nachher 0,19. Auf Grund dieser negativen Ergebnisse muß ich annehmen, daß die Kohlensäure überhaupt nicht fähig ist, im Körper Ammoniak abzu- spalten. Gemäß Untersuchungen von Siegfried!) haftet die Kohlen- !) Siegfried, Zeitschr. £. physiol. Chemie, I. Mitteil., 44, 85. 1905; II. Mitteil. 46, 401. 1905. Über Einwirkung der Kohlensäure auf den Blutzucker im Organismus. 311 säure in den Organen an Eiweiß und Eiweißspaltlingen bis zu den Aminosäuren herab in Form von Karbaminsäuren H NEE n NS 00H . COOH Eine derartige Bindung wird vielleicht erst dann eintreten, wenn die normalen ‚Puffersubstanzen‘‘ der Kohlensäure in erster Linie die Al- kalien des Plasmas und der roten Blutkörperchen unter Heranziehung der Na-Ionen des Kochsalzes im Serum (Hamburger), ferner die Eiweißsubstanzen des Plasmas und der roten Blutkörperchen erschöpft sind. Ein Grund, an eine allgemeine zu Hyperglykämie führende Zell- einwirkung der Kohlensäure zu denken, könnte aus dem Verhalten der Körpertemperatur abgeleitet werden. Ich beobachtete regelmäßig bei hyperglykämisch wirkenden Durchleitungen, Absinken der Temperatur um ca. 2—3°. Ein völliger Parallelismus zwischen Temperaturabfall und Blutzuckersteigerung war aber nicht vorhanden. Einige Beispiele: CO;- | Blutzucker Temperatur Tier IKOnZAR ED aUET | nr segng Fr - = % vorher nachher vorher nachher Katze 367 | 10-14 | 30 | 0,12 | 020 33,8 | 35,9 2 | 246 307 0,09 0,09 38.9 | 39,0 a | 14 35’ 0,07 0,21 38.5 sl | 1Std. später 38,6 „ 270 | 11—16 307 0.08 | 0,16 39,4 | 36,6 | | 1Std. später 38,0 | 36,2 203 1152 55422170,108 050,17 383 | | | | 1 Std. später 37,4 Man könnte an die Möglichkeit denken, daß es bei der Überladung der Gewebe mit Kohlensäure zu einer Hemmung in der Kette der Ver- - brennungsreaktionen in der Zelle, also zu einer Oxydationshemmung und damit zu einer Herabsetzung des Zuckerverbrauchs kommt. Der Blutzuckerspiegel könnte sich allerdings nur dann hochhalten, wenn die Leber weiterhin ihre Zuckerausschüttung fortsetzt. Einen be- stimmten Hinweis auf solche Verhältnisse habe ich bisher nicht ge- funden. Daß die Temperaturherabsetzung eine primäre Rolle spielt und erst sekundär die von Lüthje, Embden und Liefmann!) ver- folgte Blutzuckersteigerung bei Unterkühlung bedingt, ist bei dem raschen Auftreten der Hyperglykämie und den oft hohen Graden derselben sehr unwahrscheinlich. Die interessante und mir wichtig erscheinende Beobachtung der Temperatursenkung unter CO,-Ein- !) Lüthje, Embden u. Liefmann, Hofmeisters Beitr., 10. 312 F. Binswanger: Uber Einwirkung der Kohlensäure auf den Blutzucker usw. fluß werde ich in ihrem Ablauf und Wesen in einer späteren Arbeit weiter verfolgen. Durch meine Befunde eröffnen sich zur Beurteilung von experimen- tellen Hyperglykämien interessante Ausblicke. E. Neubauer!) zeigte, daß viertelstündiges Abklemmen der V. hepatica beim Kaninchen zu starker Glykosurie führt. Er zeigte ferner, daß es beim Zuckerstich, desgleichen bei Adrenalin-Einspritzungen zu Hyperämie der Leber kommt und er weist darauf hin, daß Eingriffe, die durch Vasokon- striktion im Splanchnicusgefäßsystem Leberhyperämie erzeugen, fast durchweg zuckertreibend wirken. Liegt es nicht nahe, eine lokale Kohlensäureüberladung hiermit kausal in Beziehung zu bringen? Die Klinik hat bis jetzt dem Verhalten des Blutzuckers bei Kohlen- säurestauung im Organismus wenig Untersuchungen gewidmet. Ar- noldi?) hat jüngst auf eine bei CO,-Bädern eintretende Hyperglykämie aufmerksam gemacht. In Analogie zu meinen Tierversuchen vermute ich eine Einwirkung der Kohlensäure auf den Blutzucker beim Men- schen erst bei höheren Konzentrationen. 1) Neubauer, Biochem. Zeitschr. 43, 335. 1912 u. 52, 118. 1913. 2) Arnoldi, Berl. klin. Wochenschr. 53, 619. 1916. Die Beziehungen des Ruhestromes zur Erregbarkeit. II. Mitteilung. Versuche am Froschrückenmark. Von Hermann Voelkel. (Aus dem Physiologischen Institut der Universität Rostock.) Mit 3 Textabbildungen. (Eingegangen am 12. Oktober 1921.) Die Versuche über die Beziehungen des Ruhestromes zu der Erreg- barkeit am Nerven und Muskel!) ergaben die völlige Unabhängigkeit beider Erscheinungen voneinander. Die nachfolgend mitzuteilenden Versuche sollen die am Rückenmark des Frosches gewonnenen Resul- tate wiedergeben. Als Versuchstiere wurden Rana esculenta und Rana temporaria verwandt, denen in üblicher Weise das Rückenmark mit einem Nervus ischiadicus und dem dazu gehörigen Unterschenkel herauspräpariert wurde. Die angewandte Methodik war die gleiche wie bei den an Nerven angestellten Versuchen?). Das isolierte Rückenmark wurde in der gleichen Weise, wie der Nerv durch die Glaskammer hindurchgezogen. Als Maß für die Erregbarkeit diente die durch mechanische Reizung (durch Kneifen der Zehen) untersuchte Reflexerregbarkeit des Prä- parates. Beck?) erwähnte bereits, daß sich der Rückenmarksquerschnitt nicht in allen Fällen negativ gegen den Längsschnitt verhielt, sondern, daß häufig auch ein umgekehrtes Verhalten zu beobachten war. Die gleiche Beobachtung machte ich im Laufe meiner Versuche und be- mühte mich, eine Erklärung dieser Erscheinung zu finden. Es zeigte sich, daß beim Herauspräparieren des Rückenmarkes feine Nerven des Plexus lumbalis knapp am Rückenmark durchschnitten werden. Kam nun die Ableitungselektrode des Längsschnittes mit diesen Nerven- enden in Berührung, während die andere Elektrode am oberen Quer- schnitt angelegt war, so schien sich der Querschnitt positiv gegen den Längsschnitt zu verhalten. Wurden die Nervenenden in solchen Fällen unter einer Lupe vorsichtig ohne Verschiebung der Elektroden zur .!) Dieses Archiv 200, 200. 1921. 212 0282208 ?) Dieses Archiv 155, 461. 1914. 3h4 H. Voelkel: Seite gelegt, so daß sie nicht mehr mit der Ableitungselektrode in Be- rührung kamen, so trat sofort ein Strom in umgekehrter Richtung auf, bei dem sich also der Querschnitt negativ zu der Längsoberfläche verhielt. Der Querschnitt der Nerven verhält sich negativ gegen den Rückenmarksquerschnitt und täuscht dadurch einen sich gegen den Rückenmarksquerschnitt negativ verhaltenden Rückenmarkslängs- schnitt vor. Hiermit wäre auch der ‚Beweis‘, „daß die Richtung des sogenannten Ruhestromes unter anderem auch davon abhängig ist, ob eine Stelle mit dem’Galvanometer verbunden ist, welche in größerer Anzahl Nervenzellen enthält, und daß die Gegenwart dieser Zellen ein Steigen des positiven Potentiales bewirkt“, für welchen Beck!) diese Erscheinung hielt, durch die einfache Beobachtung widerlegt. In den nachfolgenden Versuchen war der Querschnitt immer direkt oberhalb des Abganges der Vagusgruppe angelegt und mit der einen Ableitungselektrode in Berührung gebracht, die Längsschnittelektrode lag der Dorsalseite des Rückenmarkes der Lumbalschwellung an. A. Versuche mit Verminderung der Erregbarkeit. Zur Verminderung der Reflexerregbarkeit des Rückenmarkes be- diente ich mich, wie bei den Versuchen am Nerven, der Narkose mit Äther- und Chloroformdämpfen. Die Resultate waren die gleichen, wie die bereits an Nerven und Muskeln gewonnenen. Wurde das Narkoti- cum auf dem Querschnitt allein appliziert, so fand eine Verstärkung des Ruhestromes statt. Wirkte das Narkoticum nur auf den Längs- schnitt ein, so trat eine Verminderung des Potentialgefälles ein. Wenn jedoch das Narkoticum auf den Quer- und Längsschnitt gleichzeitig einwirkte, ergab sich keine Änderung des Ruhestromes. Die Erregbar- keit sank in allen Fällen ab und kehrte bei nachträglicher Verdrängung des Narkoticums durch reinen Sauerstoff wieder. Die Narkose wirkt sonach, wie am Nerven und Muskel, un- abhängig von der Beeinflussung der Erregbarkeit stets im Sinne einer Negativierung der jeweiligen Angriffsstelle. Ein umgekehrtes Verhalten des Ruhestromes d.h. eine Verstärkung desselben bei Applikation des Narkoticums auf den Längsschnitt und eine Verminderung bei Applikation auf den Querschnitt fand sich. in allen Fällen, in welchen zu Beginn des Versuches der Querschnitt sich positiv gegen den Längsschnitt verhielt (siehe oben). Auch diese Ver- suchsreihe erbrachte den Beweis, daß die Narkose in allen Fällen negativierend wirkt. Bemerkt sei noch, daß der Ruhestrom des Rückenmarkes keinerlei Veränderung erfährt, wenn der mit ihm in Zusammenhang stehende Nervus ischiadicus narkotisiert wird. 1) 1. c. 8. 462. Die Beziehungen des Ruhestromes zur Erregbarkeit. II. 315 B. Versuche mit Steigerung der Erregbarkeit. Baglioni!) entdeckte, daß bei Betupfung der Lumbalschwellung mit einer 0,1 proz. Strychninlösung der Ruhestrom des Rückenmarkes verstärkt wird. Gleichzeitig findet auch eine Steigerung der Erregbarkeit statt. Bei der Wiederholung dieser Versuche ergab sich, daß eine 0,1 proz. Strychninlösung stets eine Verstärkung des Ruhestro- mes, gleichgültig, ob dieselbe nur auf den Querschnitt oder Längsschnitt oder auf beide gebracht wurde, unter einer erheblichen Steigerung der Er- regbarkeit herbeiführte. Als ein weiteres Mittel, den Ruhestrom zu verstärken, er- wies sich Cocain, mit wel- chem gleichfalls der Quer- schnitt oder Längsschnitt be- tupft wurde. Eine 1,0 proz. Cocainlösung (in physiologischer NaCl-Lö- sung) ergab eine Steigerung des Ruhestromes unter Ab- sinken der Erregbarkeit (siehe Kurve 1). Bei längerer Einwirkung war die Giftwirkung nicht mehr reversibel, sondern führte zu einer mit Absinken des Ruhestromes verbundenen Lähmung des Rückenmarkes. Dasselbe zeigte sich auch bei Applikation einer 0,5 proz. Co- cainlösung. Eine 0,2proz. Lösung ergab eine Steigerung sowohl des Ruhe- stromes, als auch der Erregbar- keit, gleichgültig, ob das Cocain Istr ET EREE: Kurve 1. Wirkung einer 1 proz. Cocainlösung auf den Querschnitt. Ruhestrom. ----- Erregbarkeit. [/ 7% Kurve 2. Wirkung einer 0,2 proz. Cocainlösung auf den — Ruhestrom. 20 30 Längsschnitt. — /Istr 20 Erregbarkeit. 30 70 70 2 Kurve 3. Wirkung einer 0,1 proz. Cocainlösung auf den B/7 40 SOMiM. Längsschnitt. Ruhestrom. Erregbarkeit. auf den Quer- oder den Längsschnitt allein gebracht wurde. (Kurve 2.) Bei Applikation einer 0,1 proz. Cocainlösung auf den Quer- oder 1) Zentralbl. f. Physiol. 19, 345. 1905. 316 H. Voelkel: Die Beziehungen des Ruhestromes zur Erregbarkeit. II. Längsschnitt fand gleichfalls eine Steigerung des Ruhestromes statt, jedoch wurde die Erregbarkeit bei dieser geringen Konzentration nicht beeinflußt (siehe Kurve 3). Alle diese Befunde, welche zeigen, daß der Ruhestrom durch die genannten Alkaloide stets gesteigert, die Erregbarkeit aber je nach der Konzentration entweder herabgesetzt oder erhöht wird oder völlig unbeeinflußt bleibt, sprechen wiederum dafür, daß Ruhestrom und Erregbarkeit unabhängig voneinander sind und machen auch die Deutung von Baglioni, der die Verstärkung des Ruhestromes durch Strychninwirkung als einen Beweis für die elek- tromotorischen Kräfte der Ganglienzellen ansieht, hinfällig. Über Fehlermögliekkeiten beim Vornehmen radiophysiolo- gischer Untersuchungen. Von H. Zwaardemaker in Utrecht. (Eingegangen am 17. Oktober 1921.) Seit 1916 war ich in der Lage, nicht zum geringsten Teil durch die freundliche Mitarbeit meiner Assistenten und Doktorandi, eine Reihe neuer Tatsachen zutage zu fördern, die vielleicht von allgemein bio- logischem Standpunkt Beachtung verdienen. Es finden sich darunter Antworten auf einige der Natur vorgelegte Fragen, jedoch auch zu- fällige Befunde mischen sich hinein. Hauptsächlich gruppieren sich die neuen Errungenschaften um die folgenden Punkte: l. In künstlichen Durchströmungsflüssigkeiten kann das Element Kalium durch jedes beliebige andere radio-aktive Element vertreten werden; 2. die Dosierung des Stellvertreters hat in radio-äquivalenten Mengen zu erfolgen (eine komplette Äquivalenz wird z.B. erreicht, wenn die Mengen Kaliumsalz und Uransalz sich verhalten wie 10:1); 3. bei Kaltblütern hat man im Sommer sowohl vom K als auch von den Vertretern eine kleinere Dosis zu nehmen als im Winter; für Warmblüter fanden wir bisher keine Saisondifferenz ; 4. unter den Stellvertretern zeigt sich ein scharfer Antagonismus zwischen leichten und schweren Metallen; dieser Antagonismus läßt sich quantitativ abwägen; 5. neben den Leichtmetallen stellt sich beim Antagonismus eine von außen zugeführte &-Strahlung, neben den Schwermetallen eine von außen zugeführte P-Strahlung; Strahlung und radioaktive Elemente lassen sich in ihren physiologischen Wirkungen mit positivem oder negativem Vorzeichen additiv zusammenfügen. Die Systeme, für welche die radio-äquivalente Vertretung und der Antagonismus Geltung hat, sind die folgenden: &) die Automatie des Herzens; b) die Automatie des Darmes; c) die Automatie des Uterus; d) die Automatie des Froschoesophagus; e) Die Kontrolle der Permeabilität des Capillarendothels; 318 H. Zwaardemaker: Über Fehlermöglichkeiten f) die Kontrolle der Zuckerabscheidung in den Glomerulis; g) die Synapsen zwischen Vagus und Herz und zwischen Vaso- motoren und Gefäßmuskulatur. Nicht hierher gehören: das Wachstum von Colpidium [Peters]t), die Entwicklung der Echinodermeneier [R. Loeb]?). Merkwürdigerweise erscheinen in der letzten Zeit Mitteilungen in der Literatur, aus welchen hervorgeht, daß hier oder dort die Versuche zur Bestätigung unserer Befunde fehlgeschlagen sind. Es sei mir daher gestattet, auf einige Schwierigkeiten hinzuweisen, die sich wie es scheint, für Anfänger auf diesem Gebiet der Forschung erheben können. Ich benütze dabei die Erfahrungen, die wir im Laufe der Zeit gesammelt haben, wenn wir im Institut neue Arbeiter und die Studenten mit Versuchen über äqui-radioaktive Vertretung beschäftigt sahen. Die Fehler, die oft begangen werden, sind natürlich je nach dem Organ verschieden. Froschherz. Man nehme eine Kroneckersche Kanüle und nicht eine der in moderner Zeit zu anderen Zwecken angegebenen Glas- kanülen. Eine Straubsche Kanüle soll nicht verwendet werden, weil dann, auch bei häufigem Wechsel der Speiseflüssigkeit, diese ungenügend erneuert wird, und auf die Dauer eine zu große Menge Kalium aus dem Kaliumdepot der Muskelzellen in der Ventrikelhöhle zur Anhäufung kommt?). Auch eine Symeskanüle ist weniger geeignet, weil man dann außer der Automatie der Kammer noch jene der Vorkammer und das Leitungsvermögen zwischen Vorkammer und Kammer zu beachten hat. Die Versuche sind vorläufig bloß auf die Kammerautomatie gerichtet. Also soll das Präparat nur die Kammer erhalten. Endlich ist auch die Böhmsche Kanüle ?) verwerflich, weil sie einen engen Ausflußkanal hat. Infolgedessen geschieht die Entleerung der Lacunen bei geschwächtem Herzen unvollständig und gerade auf die Flüssigkeitserneuerung inner- halb der tief in die Muskelmassen sich erstreckenden Höhlen kommt es an. Die Kroneckersche Kanüle hat diesen Nachteil nicht, da ihr Eingangsweg eng, ihr Ausgangsweg weit ist. Daß sie aus Metall an- gefertigt ist, störte bis jetzt nicht. Ferner beachte man die Reinheit der Chemikalien (Chlornatrium enthält oft Kalium in störender Menge), die Neutralität der Lösungen, die Luftdurchperlung der Strömungsflüssigkeit. Der Strömungsdruck soll ungefähr 9cem H,O sein. 1) A. Peters, Journ.. of physiol. 55, 1. 1921. ?) R. Loeb, Journ. of gen. physiol. 3, 229. 1921. ®2) Jannink, Amer. Journ. of physiol. 45, 153; Mitchell und Wilson, « Journ. of gen. physiol. 4, 45. *#) R. Böhm, Arch. f. experim. Pathol. u. Pharmakol. %5, 232. beim Vornehmen radiophysiologischer Untersuchungen. 319 Im Anfang des Versuches bestimme man die Minimum- und die Maximummenge an Kaliumchlorid, welche pro Liter Durchströmungs- flüssigkeit eine ununterbrochene Automatie garantiert. Dann wähle man eine mittlere Dosis für die Vertretungsversuche. Zur Orientierung fange man mit Uran an, und zwar in einer lOfach kleineren Dosis als man vom Kalium verwendete. Tastend gehe man hinunter, resp. hinauf, bis man die geeigneteste stellvertretende Lösung gefunden hat. Zwischen den aufeinanderfolgenden Versuchen spüle man mit kaliumfreier Ringer - scher Lösung reichlich aus. Nie verweile man lange bei einer nahezu toxischen Dosierung, damit unumkehrbaren Wirkungen vorgebeugt werde. Diese gefährliche Grenze liegt im Sommer viel niedriger als im Winter. Keinen Augenblick darf man die Durchströmung unter- brechen. Auch zur Auswechselung der Flüssigkeiten geschehe das nicht. Die Wechselflüssigkeiten sollen im voraus bereitstehen. Der Druck soll immer derselbe bleiben, auch wenn die Flüssigkeiten erneuert wer- den. Auf Paradoxe (siehe meine früheren Artikel) sei man gefaßt, ebenso auf das Fehlen derselben bei den niedrigen Dosierungen an Sommerfröschen!). Kaninchenherz. Man sorge für reichliche Durchströmung des Coronarsystems und warte, wenn das Herz mit kaliumfreier Lösung zum Stillstand kommt, nicht länger als eine Minute mit der Einführung des stellvertretenden Elements. Der Wechsel der Flüssigkeiten soll unmittelbar stattfinden, denn das Säugetierherz verträgt die Abwesen- heit eines radioaktiven Elementes nur ganz kurze Zeit. Die Paradoxen sind auch hier vorhanden. Kaninchendarm. Die Flüssigkeit, die in einem kleinen Behälter das sich bewegende Darmstück umspült, muß dauernd erneuert werden. Also ist eine permanente Durchströmung des Behälters einzurichten, welche besonders ausgiebig sei, mehrere Liter pro Stunde. Man kann zur Anfertigung derselben sehr wohl Leitungswasser be- nützen, wenn man den Calciumgehalt desselben kontrolliert. Die Tem- peratur werde peinlich durch Thermoregulation auf 38°C gehalten. Die Durchperlung mit Sauerstoff erfolge in einem dem kleinen Behälter vorgeschalteten Gefäß,- worin auch der Wechsel der Flüssigkeiten vor- genommen wird. Paradoxen beobachtet man sehr gewöhnlich beim Übergang von Uran auf Kalium, seltener umgekehrt. Uterus. Dieses Organ erfordert die gleichen Maßnahmen wie der Darm. !) Solche Sommerdosen waren p.L. in Juni/Juli 1921 KCl 13 mg, NO,(NO,)s 1 mg (Mittelwerte aus 23 Versuchen). Man vergleiche ferner: H. Zwaardemaker, La technique de l’etude de la radio-activite physiologique. Arch. neerland. de - physiol. 5, 285; sowie Journ. of physiol. 45, 33. 320 H. Zwaardemaker: Über Fehlermöglichkeiten Ödemversuche. Bei Durchströmung des Gefäßsystems des Frosches regele man die Sättigung der Flüssigkeit mit Luft und die Raschheit der Strömung in der Weise, daß innerhalb einer Arbeitszeit, sagen wir innerhalb 6 Stunden, kein Ödem auftritt. Dann lasse man an einem anderen Frosch einen Versuch mit kaliumfreier Flüssigkeit folgen und beobachte den sich überall entwickelnden Hydrops. Wenn man hierauf für die neuen Versuche statt kaliumfreier eine Ringerlösung mit radioaktivem Element in äquivalenter Dosierung nimmt, so zeigt sich das Ödem ebensowenig, wie vorher im Versuch mit richtig durch- perlter normaler Lösung. Gefäßweite. Bei Laewen-Trendlenburgscher Durchströmung der hinteren Extremitäten des Frosches bleiben, wenn kaliumfreie Ringersche Lösung durchgeleitet wird, die Vasomotoren während der ersten Stunden faradisch erregbar. Anders wenn man der Lösung im Sommer 3, im Winter 4 mg Uransalz pro Liter zufügt. Dann erlischt bald die Erregbarkeit der Gefäßnerven für die Reizstärken, die an- fänglich erfolgreich waren. Umschaltung auf normalen oder uran- haltigen Ringer (radio-äquivalente Dosierung), z. B. 12 mg Uransalz p. L. stellt die Erregbarkeit bald wieder her. Emanationsversuche. Man achte darauf, daß die Emanation in freien Gefäßen rasch verdampft. Übrigens bedenke man, daß man ebenso wie bei den übrigen Vertretungen die Wiederherstellung der Pulsationen nicht unmittelbar erwarten darf. Meistens hat man !/, bis !/, Stunde mit aktiver Flüssigkeit zu durchströmen. Zwar haben wir Fälle abgebildet wo der ganze Vorgang in kürzerer Zeit verlief, jedoch handelte es sich dann um Ausnahmefälle, die wir gerade auswählten, um den Prozeß in einer Kurve zusammenfassen zu können. Bestrahlungsversuche gelingen nur mit sehr weichen P-Strahlen oder mit a&-Strahlen, die das Organ allseitig aus der Nähe erreichen. Bis jetzt sind physiologische Wirkungen, welche von harten P-Strah- len oder y-Strahlen herrühren, unbekannt. Daher nützt es auch nichts sich sehr starker, in Platin eingehüllter Präparate zu bedienen. Bloß mit schwachen in sehr dünnes Glas eingeschmolzenen oder mit schwachen hinter Mica aufgehobenen Präparaten ist es gelungen, die durch Kaliumentziehung verlorengegangenen Bewegungen zurück- zurufen. Um einigermaßen den Grad der Wirkung zu beurteilen, habe ich die gleichen Präparate, mit welchen physiologisch gearbeitet wurde, auf Icm Distanz über eine Bakterienkultur (leuchtende Bakterien) aufgestellt und die Hemmung der Entwicklung derselben beobachtet. Wenn man diese Versuche also zu wiederholen beabsichtigt, wird man sich zuvor zu überzeugen haben: l. daß die Präparate eine Wirkung dieser Ordnung haben, nicht mehr und nicht weniger; beim Vornehmen radiophysiologischer Untersuchungen. 321 2. daß das Organ durch Kaliumentziehung unmittelbar vorher zur Ruhe gekommen ist. Eine weiche P-Bestrahlung vorzunehmen, bevor man das normale Kalium entfernt hat, hätte keinen Sinn, denn die Radiation des neben dem Herzen aufgestellten Präparates würde in der Tiefe des Gewebes nur eine geringe Vermehrung der bereits vorhandenen freien Kalium- strahlung ergeben können, zu gering um in Betracht zu kommen. Wie sich die Sache bei den allseitigen Poloniumbestrahlungen verhält, ist noch in keiner Weise aufgehellt. Nur steht fest, daß man frisch her- gestelltes, auf Kupferblech niedergeschlagenes Polonium anzuwenden und das Froschherz allseitig mit dieser Strahlung zu umgeben hat. Ich habe im vorhergehenden versucht, ganz kurz die wichtigsten Schwierigkeiten hervorzuheben welchen man in den radio-physiologi- schen Versuchen begegnet. Am besten läßt sich mit Froschherzen im Winter experimentieren, am Warmblüterorgan erreicht man den Zweck zu allen Zeiten, vorausgesetzt jedoch, daß man sehr ausgiebig und unter guten Bedingungen durchströmt!). !) Eine Zusammenfassung unserer Untersuchungen findet man in Ergebnisse der Physiologie 19, 326. 1921. Pilügers Archiv f.d. ges. Physiol. Bd. 193. [So] m Untersuchungen über die tonisierenden und trophisehen Funktionen des Sympathieus. Von N. Takahashi. (Aus dem physiologischen Institut der Universität Zürich.) (Eingegangen am 20. Oktober 1921.) Die Untersuchungen, über welche nachstehend berichtet wird, wurden in erster Linie in der Absicht unternommen, den Einfluß der sympathischen Innervation auf Entwicklung und Erhaltung des Massen- bestandes einzelner Organe kennen zu lernen. Dabei richteten wir unser Augenmerk nicht nur auf die vegetativen Organe, sondern be- sonders auch auf die Skelettmuskulatur. Grund hierfür war durch die zur Zeit in Diskussion stehende Frage der Abhängigkeit des Skelett- muskeltonus vom Sympathicus gegeben!). Da ist der Gedanke sehr naheliegend, daß sich eine Störung der sympathischen Versorgung nach einiger Zeit in einer Massenabnahme der betreffenden Muskulatur wider- spiegelt. i Versuchsplan. Den zur Untersuchung kommenden Tieren wurde der Grenzstrang im Bereiche des Lumbal- und z. T. des Sakralgebietes einseitig exstir- piert. Nach einem einzelne Wochen oder Monate dauernden Intervall wurden die Tiere getötet und die Organe, auf welche ein Augenmerk zu legen wir Grund hatten, mit der nicht operierten Seite verglichen. Als Indikator diente uns das Organgewicht. — Für einzelne Organe wurde auch eine histologische Untersuchung des Gewebes angeschlossen. Orientierung über die Blutgefäße suchten wir in Radiogrammen, die !) Boeke, J., Die doppelte (motorische und sympathische) efferente Inner- vation der quergestreiften Muskelfasern. Anat. Anz. 44, 343. 1913; Boceke, J. and Dusser de Barenne, J. G., The sympathetic innervation of the crossed- striated muscle fibres of vertebrates. Proc. Kon. Ak. Wetensch. Amsterdam 21, 1227. 1919. De Boer, S.: Die quergestreiften Muskeln erhalten ihre tonische Inner- vation mittels der Verbindungsäste des Sympathicus (thoracales autonomes System). Fol. Neuro-biol. %, 378. 1913. Dusser de Barenne, J. G.: Über die Innervation u. den Tonus der quergestreiften Muskeln. Pflügers Arch. f. d. ges. Physiol. 166, 145. 1916. Negrin y Lopez, J.u. v. Brücke, E. Th., Zur Frage nach der Bedeutung des Sympathicus für den Tonus der Skelettmuskulatur. Pflügers Arch. f. d. ges. Physiol. 166, 55. 1916. W. Saleck u. E. Weitbrecht: Zur Frage der Beteiligung sympathischer Nerven am Tonus der Skelettmuskulatur. Zeitschr. f. Biol. #1, 246. 1920. De Boer, S.: Die autonome Innervation des Skelettmuskeltonus. Pflügers Arch. f. d. ges. Physiol. 190, 41. 1921. N. Takahashi: Die tonisierenden u. troph. Funktionen d. Sympathicus. 323 nach Injektionen des Arteriensystems mit Zinkleim aufgenommen worden waren. Bei mehreren Tieren wurden ferner vor dem Töten die Tonusverhältnisse der Hinterschenkelmuskulatur kontrolliert. Durchführung der Untersuchungen. Als Versuchstiere wurden Meerschweinchen gewählt. Die Operation geschah nach den Vorschriften der Aseptik. Es wurde in jedem Fall der linke Grenzstrang als der leichter zugängliche exstirpiert. 3 Tiere wurden im Sinne einer Ergänzung . doppelseitig operiert. Zur Exstirpation wurden die Eingeweide, mit Kompressen bedeckt, zur Seite gezogen, das hintere Bauchfell entlang der Wirbelsäule ge- schlitzt und unter peinlichster Vermeidung von Nebenverletzungen die Grenzstrang- ganglien und Nervenverbindungen herausgehoben. Über die Ausdehnung der Exstirpation gibt die tabellarische Zusammenstellung für jedes einzelne Tier Auf- schluß. Soweit als möglich wurde das Bauchfell hernach wieder vernäht und die Bauchhöhle über den in situ gebrachten Eingeweiden in zwei Etagen geschlossen. Zwei Tage vor und ein Tag nach der Operation erhielten die Tiere nur Wasser und hernach Brot und Milch, vom 5. bis 6. Tag an die gewöhnliche Nahrung, bestehend in Runkelrüben und Heu. Bevor ein Tier nach einer Zwischenzeit von wenigstens 14 und höchstens 227 Tagen zur Tötung kam, wurde sein Lebend- d. h. Bruttogewicht festgestellt. Sodann unterwarf ich die Tiere noch der bereits erwähnten Untersuchung der Tonusverhältnisse der Hinterschenkelmuskulatur. Nach Betäuben durch Kopfschlag erfolgte Ausbluten an den präparierten und eröffneten Carotiden. Unmittelbar nach dem Verbluten präparierte ich die Aorta descendens thoracica frei und injizierte aus einer Stempelspritze unter sachtem Druck frisch zubereiteten, auf 40° abgekühlten Zinkleim. Nach Abbinden der Aorta unterhalb der Injektionsstelle kam das Tier, in genau symmetrischer Rücken- lage fixiert, für ca. 12 Stunden in den Eisschrank, um nach Eintritt der Toten- starre und vollkommener Verfestigung des Zinkleimes im Röntgeninstitute des Züricher Kantonspitales (Leiter Privatdoz. Dr. Schinz) radiographisch aufge- nommen zu werden. Bei der Sektion wurde zuerst der Magen und Darm herausgenommen und ent- leert. Mit dem Körper zusammen gewogen ergab sich das Nettogewicht. Hierauf erfolgte Kontrolle des Operationsresultates, d. h. die Feststellung der in der Tabelle notierten Ausdehnung der Grenzstrangresektion. Der Darm vom Pylorus bis zum Anus, Leber, Niere, Nebenniere, Keimdrüsen wurden sauber herauspräpariert und einzeln gewogen. Aus der Arteria femoralis wurde rechts und links unmittelbar vor dem Eintritt in den Schenkelkanal jederseits ein kleines Stück an genau sym- metrischen Stellen exstirpiert zum Zwecke histologischer Untersuchung. Die ge- samte an Oberschenkel und Unterschenkel inserierende Muskulatur wurde nach Abziehen der Haut abpräpariert, gewogen und schließlich auch Oberschenkel- und Unterschenkelskeletteile auf die Wage gelegt. Zum Schlusse folgte die Aus- messung der Zehenklauen der Hinterfüße. Resultate. Die auf die beschriebene Weise erhaltenen Daten finden sich in Tabelle I, nach steigendem Körpernettogewicht geordnet, zusammen- gestellt. Bei Tier Nr. 3, 4 und 6 war diese zweite, d.i. Nettogewichts- bestimmung leider vergessen worden. Die eingesetzten Zahlen sind aus den Erfahrungen von anderen Tieren betreffend die Differenz zwischen Brutto- und Nettogewicht geschätzt. Die ihnen anhaftende Unsicher- heit ist durch das Zeichen ‚,‚ca“ angedeutet. 22* DarbelleT: N. Takahashi: Untersuchungen Organgewichte vom Meerschweinchen nach einseitiger und doppel- | se Exstirpationsbezirk Körpergewient Gonaden Nr. || en E Herz| Leber Darm| B | | (Tage) Links Rechts (brutto)) (netto) | L. | R. Jen ee Ale el ae (2 | 25| 1 [U.3Lumb.-, 40 | 354 |1,31|15,45|36,0 |1,38]1,50) | 1. Sakr.-W. | . 140 | 14 U.3 Lumb. | U.3 Lumb.-, | 440 388 1,70 15,85| 25,0 [1,1111,837 | 0.2 Sakr.-W.\O.2 Sacr.-W. | | | 3° | 175 _|UT.3Lumb.-, 495 |ca.400 |1,43 23,46 22,58|0,6 0,6 | | 1. Sakr.-W, | | 43| 163 |U.3Lumb.-, 575 490 11,32 25,8 |24,8 [0.381,34 | 0.2 Sakr.-W. | Dose 1alr U.3Lumb. | U,3 Lumb. | 593 505 1,74 23,6 |31,0 0,82,0,71] 69 | 59 U.3 Lumb. 685 | ca.560 1,91| 22,68 27,9 [1,32]1,86° 89 | 21 U. 4 Lumb.-, 691 569 2,14 24.55! 32,0 |0,61 0,60, | 1. Sakrı.W.- | 4 72202291 20:3 Lumbz. 774 677 11,921 31,0 |37,0 10,13/0,11 | 1. Sakr.-W. inel. 4 | | | Embryonen | | (96 8) | 15 | 2927 |U.3Lumb.-,| U.3Lumt. | 780 | 680 12,41 28.81/36,0 12,5512,47 1. Sakr.-W. | | | | Neben den paarigen Organen, welche uns den Effekt der einseitigen FEliminierung des Grenzstranges durch Vergleich des Rechts- und Linksorganes erkennen lassen, sind auch Herz, Leber und Darm auf- geführt. Die Bestimmung der Gewichte dieser Organe geschah in der Absicht, den Quotienten aus Organgewicht und Körpergewicht zu bilden und der entsprechenden Zahl vom Gesundtier gegenüberzustellen. Bei einem trophischen Einfluß des Sympathicus wäre eine Verschiebung dieser Verhältniszahl besonders bei den doppelseitig operierten Tieren zu erwarten. Beim Herzen ist eine indirekte Rückwirkung der ge- änderten peripheren Kreislaufwiderstände denkbar, vielleicht auch ein sekundärer Effekt von seiten gestörter Nebennierenfunktion. Auf Grund der vorliegenden Zahlen konnte aber keine Gesetzmäßigkeit eruiert werden. Die Bezugswerte vom Gesundtier sind nicht so konstant, daß sie eine Schlußfolgerung gestatteten. Wenn die Gewichtsdaten der un- paaren Organe dennoch mit aufgeführt werden, geschieht dies in der Meinung, daß sie bei analogen Studien vielleicht doch einmal eine nützliche Ergänzung bilden werden. Über die paarig angelegten Organe ist folgendes zu sagen: Niere: kein Anhaltspunkt für systematische Differenz zwischen rechts und links. Nebenniere: Es besteht bei mehreren Tieren ein merklicher Unterschied zwischen rechts und links; er ist aber weder so konstant noch so prägnant, daß er als Konsequenz der Operation gedeutet werden könnte. a über die tonisierenden und trophischen Funktionen des Sympathicus. 3925 seitiger Exstirpation des Bauchsympathicus (geordnet nach steigendem Tiergewicht). BERLIN. B.| no Rem RT ur. Links | Rechts ‚19 [0.18 [2,3 |2,31| 9,8 | 95 1,27,12,75|1,0511,02 | 08 0,9 0,9 | 0,88 0,9 0,8 125 [0,26 12,351 2,33 11,47111,37 1,32) 1,33]1,091,06 | 0,65 0,7 07 | 0,65 0,7 06 ‚18 [0,14 [1,9 | 1,87[18,34 17,62] 1,36| 1,33| 1.001,04 0:6% 22.050 HOF 9207753 0,,702.0:5 127 10,27 12,0 |2,2 115,9 [15,84]1,42| 1,41[1,12]1,08 | 0,65 0,7 0,7105 06 0,6 21 [0,24 |2,78| 3,1 |20,53118,15|1,8 | 1,72]1,5711,56 | 055 07 08| 08 07 06 ‚22 [0,21 |2,23| 2,31 | 22,14122,02[1,78| 1,85/1,4411,51 | 07 09 09 | 08 08 0,65 90,365] 4,32! 3,65 |19,48117,5 [2,19] 2,17]1,7511,84| 09 11 11| 08 11 09 ‚29 0,24 [3,0 f 116,8 1:91101:9012.5011.5521°. 057 2.0,8.70:9 17.082 770:8.7.0:8 „42 10,37 12,65| 2,67 [24,2 23,75 1.9221. 911.1. 511,21077.0.8720:9 71,0 | 018557. 0:93. 08 | Keimdrüsen: bei weiblichen Tieren keine Differenz, bei männ- lichen dagegen ausgesprochene Hypoplasie auf der ope- rierten Seite. Zur besseren Übersicht sind diese Zahlen aus der Tabelle ausgezogen und in Tabelle II nochmals reproduziert und zwar mit den von zwei Gesundtieren stammenden Daten nach steigendem Nettogewicht zusammen geordnet. Wir werden auf die Diskussion dieser Verhältnisse zurückkommen. Muskulatur der Hinterschenkel: keine Spur von Reduktion der Masse auf der operierten Seite. Wenn eine Differenz über- haupt besteht, so ist diese eher als Massenzunahme auf der Seite mit exstirpiertem Sympathicus zu erkennen. Ausgesprochen ist dies bei Tier Nr. 14, 3 und 8. Es läßt sich aber mit diesen kleinen Differenzen nicht viel anfangen, weil die doppelseitig operierten Tiere Nr. 12, 5 und 1 einen analogen Unterschied ebenfalls zeigen. Dem Ausbleiben einer Massenreduktion schenken wir deshalb Beachtung, weil sich dies Ver- halten in Widerspruch mit der Annahme einer entscheiden- den Bedeutung des Sympathicus für’ den Skelettmuskeltonus stellt. Oberschenkel- und Unterschenkelknochen: Die Gewichts- zahlen liegen rechts und links in unmittelbarer Nachbarschaft. Länge der Zehenklauen stimmen ebenfalls im Bereiche der Meßfehler und zufälliger kleiner Abweichungen rechts und links überein. Wir leiten daraus nicht nur das Fehlen eines direkten trophischen 326 N. Takahashi: Untersuchungen Einflusses auf diese Gebilde der Epidermis ab, sondern auch das Fehlen einer Bevorzugung in der Benützung eines der beiden Hinterschenkel ; eine solche müßte sich durch verschiedene Abnützung kenntlich machen. Als Gesamtresultat ergibt sich somit lediglich für die Keimdrüsen, und zwar bemerkenswerterweise nur für die männlichen, eine Rück- wirkung der Sympathicusexstirpation. Sie ist, wie speziell aus Tabelle II hervorgeht, in einzelnen Fällen außerordentlich prägnant wie z. B. bei Nr. 4 und Nr. 14. Erheblich ist sie noch bei Nr. 6, angedeutet bei Nr. 12; sie fehlt dagegen bei Nr. 8. Hier liegen aber die Gewichtszahlen, auf gesunde Verhältnisse bezogen, erheblich unter der Norm, so daß das Fehlen einer Differenz zwischen rechts und links nicht als Ausbleiben eines Effektes. sondern vielmehr als doppelseitiger Effekt zu bewerten ist. Diese Tatsache findet im summierten Gewicht beider Hoden Aus- druck. Die Zahl entspricht nicht dem nach der Körpergröße zu er- wartenden Wert. Ob das Übergreifen des Hypoplasieeffektes auf die nichtoperierte Seite durch eine Mitverletzung der Innervation der rechten Seite erklärt werden darf, kann ich nicht entscheiden. Bei der Kleinheit der Verhältnisse, speziell im kleinen Becken, wäre dies schon möglich. Tabelle II. Keimdrüsen vom Meerschweinchen; gesunde, einseitig und doppel- Et) I fe) seitig operierte Tiere: Exstirpation des Bauchsympaticus. [se £ Hod 5 Nr. ISOLDE wicht ne Hoden r. u. 1. | Operierte Seite teren | netto rechts | links Tage a) Männliche Tiere: Geordnet nach steigendem Tiergewicht. 5 13: 2354 1,50: 201,38 2,88 linksu.rechts | 17 14 | 388 kes an, 1 2,94 links 14 5a 480 DOM IA 4.46 normal 4 ca. 490 1734.4.5.0:38 1,72 links 163 5 505 0372910820182 1,55 links u. rechts 117 6a 600 233 | 2,4 4,7 | normal 6 ca. 560 1,86 1,32 2,18 links 59 8 569 0,60 0,61 124 links 21 1 680 A720 22,55 5,02 links u. rechts 22H b) Weibliche Tiere: Geordnet nach steigendem Tiergewicht 3 | ea. 400 0,6 0,6 1,2 links 0 15 | 677 0,11 0,15 0,24 | links | 91 ‚inel. Embr. 96 & - | | Auffallend ist die Tatsache, daß sich die Größe der Differenz zwischen rechts und links nicht restlos durch die Dauer des Intervalles zwischen Operation und Tötung erklären läßt. Nr. 4 bietet allerdings bei dem sehr langen Intervall von 163 Tagen. den größten Unterschied. Für Nr. 14 ist aber der Unterschied mit einem Intervall von nur 14 Tagen über die tonisierenden und trophischen Funktionen des Sympathicus. 327 markanter als bei Nr. 6 mit einem Intervall von 59 Tagen. Eigen- tümlicherweise fällt Nr. 1 vollständig aus der Rolle. Dem doppelseitig operierten Tier fehlt das Zeichen einer Hypoplasie der Hoden. Es handelt sich um den Fall mit dem größten Intervall zwischen Operation und Tötung (227 Tage). Diese Tatsache läßt die Frage aufwerfen, ob vielleicht nach und nach wieder eine funktionelle Restitution der ge- schädigten Innervation und damit eine Kompensierung der Atrophie zustande kommt. Mit Rücksicht auf alle operierten Tiere sei noch er- wähnt, daß ein Grund fehlt, in Nebenverletzungen die Erklärung für die Abweichungen zwischen rechts und links zu suchen. Insbesondere schließe ich eine Verletzung des Vas deferens aus! Das histologische Bild der Hoden ist durch das Fehlen einer deut- lichen Spermiogenese gekennzeichnet; besonders markant sind die Ab- weichungen von der Norm am Gegenpol des Nebenhodens. Eine ge- nauere Beschreibung der hier vorgefundenen Verhältnisse wird an anderer Stelle erfolgen durch gemeinschaftliche Publikation mit Herrn Dr. Slotopotzki, Assistent am hiesigen anatomischen Institut, welcher die eingehende histologische Verarbeitung des Materiales freundlichst übernommen hat. In Parallele mit dem Einfluß der sympathischen Innervation auf den Massenbestand der Keimdrüsen steht eine in vivo gemachte Be- obachtung. Es befand sich bei einzelnen Tieren für 7—14 Tage nach der Operation (Nr. 8, 12 und 1) der Penis im Zustand kontinuierlicher Erektion. Bei Nr. 4 war dies der Fall bis zum Tode des Tieres, d.h. während der ganzen Dauer von 163 Tagen. Bei Nr. 14, 5 und 6 fehlte hingegen dieses Symptom, dessen Zustandekommen wohl durch Über- gewicht der parasympathischen Innervation erklärt werden muß, herbeigeführt durch Beseitigung einer sonst vom Sympathicus dauernd ausgehenden Hemmung. Was schließlich die Blutgefäße im Ausstrahlungsgebiet der Lumbal- und Sakralwurzeln des Sympathicus anbetrifft, so ließen diese einen Unterschied zwischen operierter und intakter Seite nicht er- kennen d.h. weder im Radiosramm des Injektionspräparates, noch im histologischen Bild, über welches mir in dankenswerter Weise Herr Dr. Slotopotzki Bericht erstattete. Offenbar findet der Ausfall der konstriktorischen Innervationsimpulse eine ausreichende Kompensation peripheren Ursprunges, bevor der direkte Einfluß gestörter Trophik oder die abnorme Erweiterung der Gefäßwand mit konsekutiver Überlastung der Wandungselemente im Aufbau etwas ändern, wenig- stens soweit dies im Bereiche der Feststellungsmöglichkeit mit den von uns verwendeten Mitteln liest. Zum Schluß geben wir noch den Bericht über die Prüfung der Tonusverhältnisse, wie sie an den Hinterextremitäten am Schlusse des 328 N.Takahashi: Die tonisierenden u. trophischen Funktionen d. Sympathicus. Intervalles zwischen Operation und Tötung zur Beobachtung gelangten. Die Kontrolle erstreckte sich auf die Tiere Nr. 1, 5, 8, 9, 12, 14. Sie ergab hinsichtlich einer Differenz zwischen operierter und intakter Seite und im Vergleich zum Normaltier ein absolut negatives Re- sultat. Beim Abheben des der Untersuchung unterworfenen Tieres von der Unterlage zeigte sich wohl ab und zu eine asymmetrische Haltung der in leichtem Beugetonus herabhängenden Hinterschenkel. Bei öfterem Wiederholen der Kontrolle war aber von einer als konstant zu bewertenden Bevorzugung einer bestehenden asymmetrischen Haltung nichtszu merken, nicht vonder Rückseite, nicht vonder Bauchseite gesehen. Allerdings wurde peinlich auf symmetrisches Anfassen der Tiere geachtet. Ich hielt das Tier ohne Druck um die obere Brust- hälfte, die Zeigefinger unter den Oberarm gelegt. Das gleiche Resultat ergab sich übrigens beim Aufheben der Tiere an der Nackenhaut. Bei unseren durch keine vorgefaßte Meinung beeinflußten Beobachtungen war es auch nicht möglich, im Widerstand der beiden Hinterschenkel gegen passive Flexion, ferner im direkten Anfühlen der Extensoren und Flexoren einen Tonusunterschied heraus zu merken. Einzelne Diffe- renzen von Tier zu Tier und von Seite zu Seite waren durchaus unregel- mäßig. Schließlich fehlten auch Anzeichen eines Unterschiedes in der Reflexbereitschaft der beiden Hinterschenkel; sie antworteten in der bekannten Weise auf plötzliches Fallenlassen oder plötzliches Anheben ganz gleichmäßig und zeitlich koinzidierend. Zusammenfassung. Es wird die Frage experimentell geprüft, ob sich ein trophischer Einfluß der sympathischen Innervation feststellen läßt im Sinne einer Störung der Massenentwicklung oder Erhaltung des normalen Massen- bestandes einzelner Organe, nach Entfernung des Grenzstranges im Lum- bal- und Sakralgebiet. Für Niere, Nebenniere, Muskulatur, Arterien, Skeletteile der Hinterschenkel und für die Zehenklauen lautet das Resultat negativ, für die Keimdrüsen — d.h. die männlichen — wird eine eklatante Hypoplasie auf der Seite des exstirpierten Bauchsympathi- cus festgestellt. Dem Ausbleiben einer Rückwirkung auf die Muskulatur geht die in vivo gemachte Feststellung parallel, daß, entgegen der An- nahme eines tonisierenden Einflusses des Sympathicus, eine Tonus- differenz zwischen operierter und intakter Seite nicht hat festgestellt werden können. Die vorliegende Arbeit wurde auf Anregung und unter Leitung von Herrn Prof. W. R. Hess ausgeführt. Ich spreche ihm an dieser Stelle meinen Dank aus! (Aus dem Physiologischen Institut der Universität Halle a. S.) Weitere Beiträge zur Kenntnis von organischen Nahrungs- stoffen mit spezifischer Wirkung. XI. Mitteilung. Versuche an Tauben. Von Emil Abderhalden. (Ausgeführt mit Mitteln der Heinrich Lehmann- Stiftung.) Mit 28 Textabbildungen. (Eingegangen am 20. September 1921.) In früheren Mitteilungen ist der Nachweis geführt worden, dab Tauben monatelang mit geschliffenem Reis bei Wohlbefinden erhalten werden können, wenn der erwähnten Nahrung Hefe oder Kleie zugesetzt wird. 0,5 g getrocknete Hefe waren ausreichend, um lange Zeit das Kör- pergewicht auf gleicher Höhe zu halten!), ja in vielen Fällen trat Ver- mehrung des Körpergewichtes ein. Es sind nach dieser Richtung weitere Versuche mit dem gleichen Erfolg durchgeführt worden. Es interessierte mich nun festzustellen, ob die geringe Menge Hefe, die dem Reise zugesetzt wird, in irgendeiner Weise eine Wirkung zeigt, wenn sie beiFehlen jeder sonstigen Nahrung zugeführt wird. Es wurden Tauben hungern gelassen, d. h. sie erhielten nur Wasser vorgesetzt. Das Körpergewicht und die Körpertemperatur wurden täglich festgestellt. Gleichzeitig erhielten andere Tauben Hefe- pillen. Die Hungertauben verloren innerhalb von 10 Tagen durch- schnittlich 98 g an Körpergewicht, diejenigen, die Hefepillen erhielten, 115g. Die Zugabe von Hefe hat somit einen schnelleren Absturz des Körpergewichtes zur Folge gehabt. Bei anderen Versuchsreihen war das Ergebnis dasselbe gewesen. Es ergibt sich aus dieser Feststellung, daß die verabreichte Hefenmenge nichtin der Lage ist, mit ihren Inhaltsstoffen die Hungertiere vor Körpergewichtsverlusten zu schützen. Sie veranlaßt im Gegenteileine beschleunigte Abnahme des Körpergewichtes. In dieser Erscheinung kommt offenbar ein ge steigerter Zellstoff- wechselzum Ausdruck. Nun wissen wir aus früheren Mitteilungen, !) Vgl. Mitt. V: Pflügers Arch. f. d. ges. Physiol. 188, 60. 1921. 330 E. Abderhalden: Weitere Beiträge zur Kenntnis daß aus Hefe gewonnene Produkte den Gaswechsel steigern). Es steht die erwähnte Beobachtung mit dieser Feststellung durchaus in Ein- klang. Wurde die Trockenhefe 1 Stunde bei 120° erwärmt, dann verlor sie ihre beschleunigende Wirkung auf den Stoffwechsel und den Gewichtsverlust. Hungertauben, denen Hefepillen der genannten Art verabreicht wurden, verloren innerhalb von 10 Tagen durchschnittlich 91 g an Körpergewicht. Erwähnt sei noch, daß bei einer sehr großen Anzahl von Versuchen der erwähnten Art bemerkt wurde, daß im Durchschnitt die Tiere, denen während der Hungerperiode Hefepillen gegeben worden waren, sich viel gieriger auf nach Abschluß der Hungerperiode dargebotenen Reis ‚stürzten, als reine Hungertiere. Hervorgehoben sei ferner, daß wir eine große Zahl von Versuchs- tieren durch eine eigenartige Erkrankung der Schleimhäute des Rachens verloren. Die tierärztliche Diagnose lautete: ‚Geflügeldiphtherie‘, doch war diese Diagnose nicht über jeden Zweifel erhaben. Es zeigten sich kleine weiße Flecken auf der Rachenschleimhaut. Bald folgten dann Schwellungen. Wiederholt war auch eine ausgesprochene Conjuneitivitis mit Verklebung der Augenlider vorhanden. In einzelnen Fällen zeigten sich Hornhauttrübungen. Wiederholt wurde auch festgestellt, daß Schleimhautblutungen entstanden waren. Die meisten dieser Fälle zeigten sich nach länger dauernder Fütterung mit geschliffenem Reis. Die Zugabe von Hefe verhinderte das Auftreten der erwähnten Er- scheinungen nicht, dagegen waren sie bei den Hefetieren viel seltener. Eine direkte Übertragung der Infektion war in einzelnen Fällen wohl möglich. Sie blieb jedoch oft aus. Es konnte deutlich gezeigt werden, daß die mit geschliffenem Reis ernährten Tiere besonders empfänglich für die erwähnte Erkrankung waren. Normal ernährte Tiere erkrankten neben den kranken Tieren nicht. Es handelt sich offenbar um eine Herabsetzung der Widerstandsfähigkeit der Gewebe durch die einseitige Ernährung. Es sind die beobachteten Erscheinungen ohne Zweifel in Parallele zu setzen mit den bei anderen Tieren, z. B. Ratten, nach einseitiger Ernährung festgestellten Erscheinungen an Fell, Haut und ferner an den Augen). Die folgenden Versuchsprotokolle und Abbildungen geben einen Einblick in einen Teil der ausgeführten Untersuchungen. (Versuchs- protokoll 1—18 und Abb. 1—18.) !) Vgl. Emil Abderhalden: Ptlügers Arch. f. d. ges. Physiol. 18%, 50. 1921. — Emil Abderhalden und Ludwig Schmidt: Ebenda 185, 141. 1920. — Emil Abderhalden und W. Brammertz: FEbenda 186, 265. 1921. — Emil Abderhalden: Festschrift der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaftzur Förderung der Wissenschaften zu ihrem 10 jährigen Jubiläum. 1. 1921. — EmilAbderhalden und A. Wertheimer: Pflügers Arch. f. d. ges. Physiol. 191, 258. 1921. 2) Vgl. Emil Abderhalden: Pflügers Arch. f. d. ges. Physiol. 1%5, 187..»1919. 331 von organischen Nahrungsstoffen mit spezifischer Wirkung. XI -UOyOANRH pun upänpT uop Jnw uopoıg uEUNBIgZILAUDS TOMZ Nur NEIST[OU SAnnL 88 "IN "7 "A4V N >| Ei! Yab-SM . + —. ai ap H2b-SnON Wypsab# ; IH Bi aybSO 6 AREFICE /42S8i so An SIaY Ya Say; JH Zi u STD Wallıd 2 + 2124 \PUDYag|B4NDSZIDS 2 YSH i =: immer IL 2 Say b‘ EIZINETZ) 4 E 1 jEIBIEI aan | H 0U 93 TU SH mL Oh EL TU SU HU 00 A TU 80L hol 00. 96 76 TE 09 96 76 oh mh Oh GE TE BEN EU UUEINT 277] 332 E. Abderhalden: Weitere Beiträge zur Kenntnis Bei weiteren Versuchen verfolgten wir den Einfluß von 1 Stunde auf 120° erwärmter Hefe auf das Verhalten von Tauben, die ausschließlich mit geschliffenem Reis. ernährt wurden; ferner wurde der Einfluß von mit Chloroform bzw. Aceton ausgezogener Hefe bei der gleichen Art der Ernährung ge- prüft. Wir haben ferner die Wirkung von Hefeautolysat bei reiner Reisnahrung zu verfolgen versucht. Endlich wurde seschliffener Reis angewandt, der mit 5proz. Salzsäure in rag: ZERO ETOTLER TO 202 SDEN EDEN EIZEN GEN UOE SHE USED ENIE: Kae Fe I Erg T T T ] | | | | Rz Too teteeet nl fe Ga & Q- or er | | er He, DZ Heye 7. Mers S IS T QaSS + ai 4 aus WW esch Sn oo NS 19 nur b ccm } Hefeaufolysar 470 L 1 1; Qöce Hefeaurolysar, Ce — 5 Pillen Temperatur 37.0 + | 35° 2 ERBE U SR Abb. 2. Nr. 89. Taube hellbraun und grau gesprenkelt. t ei der Kälte während 24 Stunden ausgezogen worden war. Die Salzsäure wurde neutralisiert und die Flüssigkeit abgegossen. Der verbleibende Reis wurde mehrmals mit Wasser ausgewaschen und dann getrocknet und verfüttert. Die Ergebnisse dieser Versuche lassen sich ohne weiteres aus den mitgeteilten Abbildungen erkennen. Der mit Salzsäure ausgezogene Reis führte sehr rasch zu starken Gewichtsverlusten. Der Zusatz von Hefepillen vermochte die fallende Körpertemperatur wieder zu heben, das Körpergewicht dagegen fiel weiter. Entweder reichten die in 0,5g Hefe enthaltenen Nutramine nicht aus, weil dem Reis, der nach unseren Erfahrungen selbst noch geringe Mengen von solchen Substanzen enthält, diese ent- 339 XI. © >’ von organischen Nahrungsstoffen mit spezifischer Wirkun: "ZIEMUIS-MVIS HANLL 06 IN EdAY 1 | | 11 En E | 5 | As I - | | die EESEHE BRRERER nyowacku l N 12302 ala ESSSERRLAND N _ a JEIEURI ” | Ir | 1 S-&ODIO OD: SI SS & ATS A| ST ESEREBERE IE - ILL IEHSISTT: Sa Ball 1 I EN ER RS ST Ki IR NS | S- N 1 S a un F | N S Ne SS $ $ = ® N SS Ik EN I 3 Sr N) a RN EIRRER Sa ae; IQ R SREHHHER | Sn 3ER 8 SSIIITR -ERIELEEE u © SHERI\ SIE N IL RS S } S[8 | N /! f 4 | Sud \AAU MAL 1 $ -n NEARE un aaa 5 BBER: N \ U N & u Zue | SERET | R + BaRaala aa a Eh ? dakaaala) en Blaizlzialalaleı | ERS HEEFEEEEREEHESTTEE H{EEEEEEFEFEEEFFFFFFFFFFE eRsasaaalalezeı kB HEN NEHNENEENENSHSEEEHNDE N Ya EL Bl Hhl Oh EL TU BEL HE DE MU ZU 80 HOL DOLL 6 EEE RB U U 99 49 09 9 % Un Ah On E EBE MED A U0O8BIHT 334 E. Abderhalden:: Weitere Beiträge zur Kenntnis $ ZOIPYSMIRAUN) 1OSOITOZ/AH UIZF x all 4 SU LH HOT | 2 Ste + er S ee 7A j S N [ 3) T IE say punyag| 4% | | S NY ie IE ] RS BE | N ar 5 ® F lei! ul N 2 BE Eat st I IT Te BsoFT 5) | Sir en ei G+ SIayf 4253 m Ba —! NS IE 28, be0o= (> al S | | I Bay ab) sro dad C+ Say Buou2g [IH DT N a =| s ae ST] Ex Bes Be I Sr’ 4—- E —- | ES | S ii [ ES AR Ss et ] IF 7 1 ri Ss | = ı A — 1 + S al jE + ai = al I — —e = ; | 8 im T +94 T SI =" x all [Ss] T T N 1 SQ 4% T D + \ IBBIN | Siesike ES DB Bel Si [E | il ES | IS = S | 'S IE N SE ua a le el eye a j 7 AN S Zi | | ir + dt Sa 1 7 r ‚ur al _ . S S je ae let 2 - —- Lt + + Je 4— + lat S 4 L m ae Pr a 4 I or tt 4 ıL S ] j Jr Pr li ja ea ] Si | dszikatt a st BEER ! 5 ee A HR RE ER RE ER 772772 . [34 BE0- Jo 426 NZZ: ES al N un muumu mumen anım Inu toshomoafyWroLzt Tay ypsab° N ig NEN DOORS IUERE S [ 7 alt IE Tine Ss =— 1 IE Bi S u ee: [IS] oO Ri {=} . IB = ist eg DENESS S = 5 SS | | | KSRS | | | Jassop Inu Z—- | STISSSSSS SSNSSSNSNSNS Abb. 4. Nr. 91, Taube, hellgrau mit zwei schwarz-braunen Streifen auf den Flügeln, Kopf grau-weiß gesprenkelt. 33) AT. oO oO pezifischer Wirkung. Nahrungesstoffen mit s von organischen ‚geom SAMEL "26 IN "9 'daV SEcH Eee AHrHH anal Ei BIaSIEIGajejs Ellalaiz ale Blalaj2ja [EBERNEI HEuEBER \ EEENTEReRIE 14 4 aaa] TEL 9U mr 0 M EU kl a muiuzen. SL noL 00 9 ee RM U 89 19 09 ” EEE HE EL UAUEIHT :boy 336 E. Abderhalden: Weitere Beiträge zur Kenntnis lag: 2.468.112 Ib: 202.24 ..28, 322.36. 402 Wi Y8 3227506, 60, al j gern Tlefe 0,39 TIEJa ii | autolysat mı)5% HCl\behand Reis ie /ıl. REIS 2\ ESC, [>} EL =T 299 Einged. paurolysar\e gen Se Pıllen >> SI Feet 8 I: Q Q 7 Abb. 6. Nr. 95. Taube schwarz-grau. Tag: 24 68.00.12, %, 20. 24. 28, 32. 36, %. 44 48 52. 56. e a ash { Abb. 7. Nr. 96. Taube grau-schwarz. Flügel braun gesprenkelt. von organischen Nahrungsstoffen mit spezifischer Wirkung. XI. 3371 ‚gen aa < L + 15 Pillen aus [4 Abb. 8. Nr. 84. Taube grau mit schwarzen Streifen auf den Flügeln. Tag: 8.10.12. 16,.20. 24. 28.32. 36. 40. 44. 48, 52. 56. 60. 64. 68. 72. 76. 80, 84. 88. 92. 96. 700. 104 108. Abb. 9. Nr. 85. Taube grau und schwarz gesprenkelt. Pflügers Archiv f. d. ges. Physiol. Bd. 193. 23 39 8 E. Abderhalden: Weitere Beiträge zur Kenntnis /ag: 2 24a 8012. 16 20. 24 28, 32. 36. 40. Yu 48. 52. 56, 60, 64, 68, 72. 70, 80, 84 88. 92. 96. 700, To efsaelotonpT oT — mama (am myeca Hay Hanna Human HmmIRL baue Ka VOvEM Hama VeONR Hama Cru FI UN VE TEE TR DO FEN KOT FE OF ZI | real ga T nalı r ar mal FI 'f [ (ala! 17 ai Kor, ji ergewic, EORDSERE REIN H Aefe|\ Hefe al r r ae I ErEcEn I En IL all = us\gehr 959 n Taıateeileoieeil Mer je], 039. Bes EOERRERBER j = Abb. 10. Nr. 92. Taube weiß, braun gesprenkelt. E20 124 28. 32.: 3640 4u Wa 52.56 60 6% bb 7a 76 80. HH ji = + BEEBENGE en N S: 5 S 039 [N EEEEE Hefe ie 0,59 aus gef. na 1 I ir-Hefe Pillen 2 Hefe. BE Se 1 [ Ri 059 Ei ( d. Reis =059 T WReısl #5 Pillen fr Hefe AN | 2 ZZ gerr Here 1 5% CI tbehand! Reis +5 Pillertaus get =; 2] ACH 6 SE aus | i j | a Ei P aus ge) Lgesc —geschl Reis #5 N S + T Fall / + 5, Pillen j Abb. 12. Nr. 99. Taube schwarz-grau gesprenkelt. 339 XI. von organischen Nahrungsstoffen mit spezifischer Wirkung. NEIS-ZIEMUOS OqNBL 'E6 IN "IL 'AAV ua 9m 09 9% ET Dr Im Oh GE TE BENE DO U en 0] 23> 340 E. Abderhalden: Weitere Beiträge zur Kenntnis S 4 y mairsj7=] T ZaEERIP, IS al A| sr——a = SSD IL | > SS S Su 8 a Fi TG 7 7Z2% EIS “u 660 een SE al ZT. L DIES x Pu ÖOLZ ZH 420 san vallıd SE >} ® = n — + —-- 7 bsb 7 a « ce / ge AH D50 = Ya Jar snr- ud A — mi za 11 Say jpuay2g 74 %8 a st] S —; N nr & —- Tr rn & + 7 un ber? ——— | AL —l.. S 22 as Een) (ER ES| | > N Pelalala]n) ea SS . lie 4 / Yaylld 5 + Stay | 14258 >/ ERROR NS IE =| “= = EM 670= af 4ab sm 7 — Lad 5 + SI PUDY2G IH HG HU \ r S + & ( r eat | er Euesa \ Wi S h 1 Sl REMDRBERTERE N sl zen Ei (el ’ en N | een IL — EN S BS; N SI N \ S; 1 S S N T Q Qu = AIERES S ul S ke N Ss N = a! AL u 1 Pe R E j Je BEO= IH HBL. S a aızE uaylld S4 SIey-Jy2sa0-, SS ll | ! a | ESS = St ee 3ay-b50-—— AH BEE uallid SD SISTSESYSIS SFTSLSESESFSTSESESHOHLSEIOTESTFONEONES SSISSSSISSSSISISISSRISSSS SR Taube hellgrau mit zwei braunen Streifen auf den Flügeln. Abb. 13. Nr. 100. von organischen Nahrungsstoffen mit spezifischer Wirkung. XI. 3A: lag: ZRUBORESTOTZERTONSZONDZENZERE ILS U0: 44 48. 52. 56, 60, 64, 68. 72. %. 80, 84. 88. 92. Abb. 14. Nr. 101. Taube schwarz-braun-grau gesprenkelt. Tag: 2.4 6,8.1.12. 9%, 20. 24, 28, 32. 36. 40, 44 48, 52. 56, 60. 64. 68, 72. 76. 80, 84 88. 92. Abb. 15. Nr. 94. Taube rotbraun. 342 E. Abderhalden: Weitere Beiträge zur Kenntnis lag: 40 2.46.8012. %, 20. 24. 28, 32, 36, 40, 44 48. 52. 56. 60.64 68. 72. 706, 80, 84 88, 92, _96, 100.104. 108. Le 222 S 9a > H .. 3.390 aa | Bas x S 380 een = -—. IH 370 I 7 + [alla a0 Öngen, ewIcht a] 350 4 nen 1 340 Nasfesl T eat 4 malen] + T BEE in 330 al iR Ir] al mr Al IZON S S - nn IN NN DS LLNS & 300: EN SS - IN NIE 8 290 S SIT 8S an sg Lit all 280 SH EN ei NN ke AN AN EIAEN ZEENNEEN RS 2B0S sg T 14 ul ii 47° IH g 1 4 Ian ataftel stouefgetng 40° IB! ? \ | 2 perartur < N ag, | Tempera. S Kae SA aa ar Kajaa 378, f ALL EL 36 0 — Au 4 Lupe LE) Due 1 IE L Abb. 16. Nr.86. Taube hellgrau mit zwei braunen Streifen auf den Flügeln. mr 1%, 20 24 28. 32. 36, 40. 44 48, 52, 56, 60,64, 400 N 390.4 ME = as en) Abb. 17. Nr. 97. Taube schwarzgrau. von organischen Nahrungsstoffen mit spezifischer Wirkung. XI. 343 zogen worden waren, oder aber es minderte der Verlust an anderen Substanzen und besonders an Kohlenhydraten den Nährwert des Reises so stark herab, daß er zur Ernährung ungenügend war. Nach dieser Richtung angestellte Untersuchungen ergaben, daß offenbar beide Möglichkeiten in Betracht kommen. Es wurde der mit Salzsäure aus- gezogene Reis durch Zusatz von Rohr- und Traubenzucker ergänzt. Der Gewichtsabfall war nunmehr geringer. Er wurde noch weiter ver- langsamt, wenn die zugesetzte Hefemenge verdoppelt und verdreifacht wurde. In Abb. 15, Taube Nr. 94, ist ein Vergleichsversuch mit derselben Trockenhefe ausgeführt. Das eine Mal ist sie 1 Stunde auf 120° er- rag: 24681012. 16, 20, 24 28. 32. 36, 40, 44 48, 52. 56 60. 64 68. 7. D 76. 80, 84 86. 92. 96, 0.104 350 Dachte] | | | | | ana | | 340 } | _ eich! t SRH EFESEFREEFEERBFRBFESFESFRGFEGFEH 320 ana ea jein ee] peleır et BL | ] ll salaN LINLEEREEEEREEREERTREREEEEERTLEHREEEEREKEE NH So | Sr] RESET ER EI | N NIS >zU nn 444 un Saas \ + 4 EIEN f | | MIIRSES EN | | 20.843 Sy M PRTIORERT ERERRErTInNEEH 260 Sp! UL | [SR | N LEN | FAN SEE NEENENE R 240 res S ii t DS, 44? jet Ss [BR < 40° n 2 S EN - Duaanıı 36° I al 35° pe je pe] Abb. 18. Nr. 95. Taube grau-schwarz-weiß gesprenkelt. wärmt worden, das andere Mal wurde die Hefe nicht erwärmt ver- abreicht. Bei Zugabe der ersteren Art von Hefe trat nach kurzer Zeit ein starker Temperatursturz auf, das Körpergewicht nahm nach einer vorübergehenden Zunahme rasch ab. Sobald nichterwärmte Hefe zugegeben wurde, hob sich das Körpergewicht, und die Temperatur stieg wieder an. Abb. 16, Taube Nr. 86, Abb. 17, Taube Nr. 87, Abb. 18, Taube Nr. 95 ergeben einen gleichen Befund. Aus diesen Versuchen ergibt sich mit aller Deutlichkeit, daß die ‘verwendete Hefe nur durch die Anwesenheit bestimmter bisher unbekannter Stoffe, und nicht etwa durch die Zufuhr bekannter Materialien wie Eiweiß, Nucleoproteide usw. wirksam war. Besonders interessant ist der Vergleich zwischen Versuchen, bei denen lange Zeit hindurch erwärmte Hefe gegeben worden war, mit \ 5 344 E. Abderhalden: Weitere Beiträge zur Kenntnis entsprechenden Versuchen, bei denen nichterwärmte Hefe zur Ver- abreichung kam. Während es, wie gesagt, in sehr vielen Fällen gelang, mit 0,5g Hefe das Körpergewicht monatelang ganz oder teilweise konstant zu erhalten, war das mit der erwärmten Hefe nicht der Fall. Es gelang ferner Gewichtsverluste, die bei alleiniger Verabreichung von geschliffenem Reis entstanden waren, zu beheben, und ganz beträcht- liche Gewichtszunahmen zu erreichen, wenn nichtgewärmte Hefe zu- geführt wurde. Entsprechende Versuche mit erwärmter Hefe konnten in keinem einzigen Falle das Fallen des Körpergewichtes aufhalten. lag: 2 4 6.8.1012. %. 2024 28. 32.36 40. 44. 48. 52. 56.60.64 68, 72. 76, 80. 84. 38. 92._96,_100, 104. 370 360 T 350 r ii r 340 — u In I m ii 330 ne - ıL — 20 Hörbergewicht JEER \ | 370 r | Sr r 300 Tr r Sr g nr + 290 Ing Rs x + N 280 SH [ I 270 = Nam SS a) + 260 14 4% eh Ss 250-8! H Sem 4 S ns 240148 ALL LE i Sa 14 _. T PR 2301 zu. SH R iS BERN 220 == Se: g 3 S 210 Dia ereE um Sera 4 IN 200 | SINS NIS =] a AL Y\ 2 IN N S \Y Q T E 5 40° meT ron nr N 390 _ || | Temperatur. In VEN R 38° | 4 ini Tt jezi \| 37 Tu ann + (| | Bi Eh \ Ex u BEN] ii a 35° | Abb. 19. Nr. 74. Taube grau mit zwei schwarzen Streifen auf den Flügeln. Als Beleg für eine Zunahme des Körpergewichtes durch Zugabe von 0,5g Hefe, sei auf Abb. 19, Taube Nr. 74, Abb. 20, Taube Nr. 76, Abb. 21, Taube Nr. 83 verwiesen. Ein besonders interessanter Versuch ist in Abb. 1 enthalten. Das Versuchstier erhielt am 43. Versuchstage, nachdem es Ab- nahme der Körpertemperatur und sonstige Erscheinungen der alimentären Dystrophie. zeigte, Hefepillen, die aus Trockenhefe dargestellt waren, dieim Jahre 1903 hergestellt worden war.'|Diese alte Hefe erwies sich noch als durchaus wirksam. : vou organischen Nahrungsstoffen mit spezifischer Wirkung. XI. 345 S Q S | | IE s ] S | NS N | Ss N Sem - N LEBE S zejnalaujen|e| N —+ N Re T Li — a S IESIE Ss -L IK S & T ai | S | + + N 1 az Hay 7 oJ Ri .— afay\yebsno-vajlid5 3 8 4 E N {de} S = S dztosabgo| ung 7 Stay = [eı] Ss - 4 S ; = S Bi 8 Wall B Seele lese je E F Ss 2 Bee S = 5 Sray-2Seb A , E { Ss ee STD WElId. S 3 ZI erIr = Q [zu “ IR e77 77 7% Te zD zo) S SEM [UPS26 + Lande Sayanyosuauı BIO Q S 3 S <« R im N | RS II s N | RS & N I N S 4 EN S S i S N 2 NS) =) IR & -| Kü+ S | - Eee Ss s a s " | N [Bees| S — - x Ss sed! | SS vayı JU42Sab- Weitere Beiträge zur Kenntnis Abderhalden: E. 346 -I9P999 WENVIS-ZIEMUIS Mu DqneL "ES ’INn "Ic 'd4V Tee R INH NS BANEEBENEHANEENINENE I ZEEIHEBNE jEBENEEE BEBEE| SIRHTSS u N | ERSISIBIELL SSH IH OEREENEREEER! SE5 N IR \ | - | zz N IQ 1 nid, | TNY/NnLIN - SaaE AREdER ITENS UN. || 430. | N ten 1 SON \ g Bi = SLEFSPOSASERRLENSTHEIFEEZERENEEEN $ IN = 1 EIS IH sg N SELL SEEN 48 5 Sn 3 | a = Bela B SS EN 4 SE & ! 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Tag: 348 Emresen er (RD WRLKT, +4 A | Ss N ES EN 2| } 8 =! = : Bi JE = E | ] & S | 5 1 Es 1 E = IE 2 2 || [ mn Ss = : | Bay wosabs fay Da - 3a zuabazabeno asson— © NS Fu yoounp m wo22yy Vogoyy yursno LIE F = u E 5 4 3 Vay mpsabr3eyßso-] = - = E aa ange & S ill H | Be] © N 1 ; | oe oa S il 19S2D+4 Ua SE yY2SUAU BILD © & 2 ale Zi } I F Sg S i E | ® : Si i = S S L INı =1: L + A S | N A Ä R S a: S S IN 1 IS [ RS \ x EN NS} A] IS 5 Ss N + N; Es} N N + « eur S —t fe Q ale Ss | IN | N S | | St Sc SN L Ne | Ss) I | 1 ® I T me 1452 Scuf Stay Ay252b+ El Da a a u u Eu SSSSSSSSSSIIAITTSSSESSER SSSSISSSSÄISISISTTISFRSSSE efieder, Ri Fr 6 Taube mit schwarzem Nr. 81. Abb. 26. von organischen Nahrungsstoffen mit spezifischer Wirkung. XI. 349 Tag: 20020724128 182.126 740.194 148.152. 156.160 164 168 172.176 180.184 168 192.196. 200.204 208.212. 216 220.224 28.232.236, 240 N 200 Ka II [| ajlaleleı I! SL EEEEEERESHEHEEKFERFSHERFERFEKEHFEHEHEEH [| R [| 260 I 5 [| ron. } [N = {8 5 Körpergehhcht || SS II u ale] an aa ITTTSISTE 240 [ER] Ss S 2370 Al ala Lil ! FIR N al 220 .- AaTar mm S N] 20 4 i 41 IS I ss 200 ir = EI 44 39° N 9 [SEI Beim] z Arena LILLIFEE 137, I IB1 lag: 246810712. 76. 20. 24 28. 32. 36. 40, 44 48, 52, 56. 60, 64. 68. 72, 76, 80, 84. 88, 92. I. 700. 704 108. NZ. 116, 120, _ +geschl Reis 1ges 15 -geschl REIS 0,5g9-Hefe 70) ef + Bu m S es == - = Bee ZyE N S S Gesch /E SS N w SS REIS jesıl I, | PJ [==] iches\Gehirt IS} S ee] {2 aus|gerr-Hefe= 159. 7g Menschlk | | \ IQ 7 ES: S| Si IE v2. SD ERANENEE NOV RUNINEDITG HH aaa o \ Ft N — % Ü NORRENGAERE 290 [I] ANSRERATNN BRAaRGERE Abb. 25. Nr.77. Taube schwarz und grau gesprenkelt. Vag: 28 De 160. T64 I68. 172. 176. 760. 184 188. 7192. 196, 200, DE N | R 270N 88 “ SSUNEBERS S 2ZIONE—TSEN I .. Imze S Nu 885) \ Aönpergemwicht ZSOSTIISSS | 1 > 230 II HIST —- SS LSSU 470 2207 Ir SIT dt l o SQ AL 40° 210 SS [EEE RE LEER MEER 39° 200 Sy N A IS \ SS 38° 190 SS Jemperatur- N Abb. 27. Nr.66. Taube grau mit zwei braunen Streifen auf den Flügeln und Häubchen. 350 E. Abderhalden: Weitere Beiträge zur Kenntnis 248, 252. 256, 260. 264. 268, 272. 276, 280, 284, 288, 292. 296, hr — IC + ew qg 196, 200, 204. 208. 212. 216, 220, 224, 228. 232. 236, 290,244 Körper I Tag: 156,760. 164,168. 172. 176._180._184 188.192, sıay osab+afayı-650 afay-yab-smo-UsjjId G Abb. 28. Nr. 69. Taube grau-schwarz-braun. In den mitgeteilten Versuchen haben wir wiederholt zur Bekämp- fung der Symptome der alimentären Dystrophie Autolysat aus Hefe angewandt. Eserwies sich als gut wirksam. Die Autolysate vertrugen auch das Eintrock- nen bei niederer..Nemperatur sehr gut. Die Abb. 22—27 zeigen Versuchs- , perioden, während welcher Hefe- pillenverabreicht wurden, die aus Hefe bestanden, die teils mit Chloroform, Aceton und Wasser ausgezogen worden waren. Diese Versuche zeigen, wie schon früher mitgeteilt wurde !), daß es nicht gelingt der Hefe mit den erwähnten Extrak- tionsmitteln die wirksamen Stoffe vollständig zu entzie- ' hen. Abb.28, Taube Nr. 69, ist die Fortsetzung des in Mitteilung V mitgeteilten Versuches. Er umfaßt 296 Tage und zeigt besonders deut- lich, wie lange Tauben bei alleiniger Verabreichung von geschliffenem Reis unter Zugabe von wenig Hefe am Leben erhalten werden können. Das Versuchstier erkrankte schließ- lich an Erscheinungen der oben erwähnten Krankheit und wurde getötet. Es ist endlich versucht worden, die ganzen Erscheinungen der alimentären Dystrophie durch an- dere Stoffe als Hefe und Kleie, und den aus diesen Produkten isolierbaren Verbindungen zu beein- flussen bzw. ihr Auftreten zu ver- hindern. Der Erfolg war bisher ein 1) Vgl. EmilAbderhalden: Pflü- gers Arch. f. d. ges. Physiol. 178,260. 1920. von organischen Nahrungsstoffen mit spezifischer Wirkung. XI. 351 negativer. Angewandt wurden Gehirnsubstanz von normalen Tau- ben und solchen, die an alimentärer Dystrophie eben gestorben waren. Während bei der Verwendung des Gehirns der letzteren Fälle niemals ein Erfolg feststellbar war, trat einige Male eine Besserung bei Ver- abreichung von Gehirnsubstanz normaler Tauben ein, jedoch war das Ergebnis kein regelmäßiges. Auch war der Erfolg nicht mit demjenigen zu vergleichen, der eintritt, wenn Produkte aus Hefe oder aus Kleie verabreicht werden. Ferner wurde, von bestimmten Erwägungen aus- gehend, fruktosediphosphorsaures Natrium und Kalium- phosphat in den drei Formen, ferner Ameisensäure, ferner OÖxysäuren; &-Oxyisobutylessigsäure, x- und $-Oxybutter- säure, verwendet. Ein günstiger Einfluß war in keinem Falle zu bemerken. Aus den mitgeteilten Versuchen geht einwandfrei hervor, daß die verabreichte Hefe nicht durch die Zufuhr bekannter Nah- rungsstoffe wirksam ist. Sie beschleunigt durch bisher un- bekannte, gegen Erwärmung bei höherer Temperatur (120°) empfindliche Stoffe den gesamten Stoffwechsel. Der durch Hefe- und Kleiestoffe vermehrte Stoffumsatz äußerte sich besonders deutlich amGesamtgaswechsel,undferneramGas- wechsel der einzelnen Zellen. Es läßt sich ferner zeigen, daß im Hungerstoffwechsel gleichfalls eine deutliche Beschleu- nigung des Stoffwechsels durch die erwähnten Stoffe be- wirkt wird, wenigstens ist der Gewichtsverlust bei Ver- abreichung von Hefe größer, als wenn die Versuchstiere ohne Hefezugabe hungern. Der Befund, daß auf 120° er- wärmte Hefe die Körpergewichtsabnahme bei Hungertauben nicht beeinflußt, weist besonders deutlich darauf hin, daß der festgestellte Einfluß der Hefe auf den Stoffwechsel auf thermo-labile, bisher unbekannte Stoffe zurückzuführen ist. Während nichterwärmte Hefe in relativ kleinen Men- gen (0,5g) imstande ist, Tauben monatelang bei Ernährung mit geschliffenem Reis bei Wohlbefinden zu erhalten und Ausbrüche von Erscheinungen der alimentären Dystrophie zu vermeiden, ja selbst Gewichtszunahmen zu bewirken, ist dies bei Zugabe von erwärmter Hefe zu geschliffenem Reisnichtder Fall. Durch Auskochen von Hefe durch Chloro- form, Alkohol, Aceton, Wasser verliert die Hefe ihren Ein- fluß auf den Stoffwechsel nicht. Bei niederer Temperatur hergestellte Trockenhefe kann jahrelang aufbewahrt blei- ben, ohne daß die wirksamen Stoffe zugrunde gehen. Alle Beobachtungen, die bis jetzt über die Bedeutung der sogenannten Nutramine, oder wie man diese Stoffe nennen will, vorliegen, be- 352 E. Abderhalden: Weitere Beiträge zur Kenntnis weisen, daß diese Produkte für den Zellstoffwechsel unent- behrlich sind. Sie stellen ohne Zweifel Katalysatoren dar. Sie beschleunigen die Stoffwechselprozesse, vor allem spielen siebeiden Oxydationen unzweifelhaft eine hervor- ragende Rolle. Ob sie hierbei aktiv eingreifen, oder nur da- durch wirksam sind, daß sie bestimmte Zustände schaffen, die für die Oxydation Vorbedingung sind, bleibt unent- schieden. Aus unseren Beobachtungen geht hervor, daß diese unbekannten Stoffe vom tierischen Organismus offen- bar nicht gebildet werden können. Es scheint auch das Speicherungsvermögen ein nursehr geringeszu sein. Weitere Studien über dieses Problem sind noch im Gange. Ich möchte ausdrücklich darauf hinweisen, daß der erste positive Befundüber eine wohldefinierbare Wirkungdersogenannten Nutramine die Feststellung war, daß sich durch derartige Stoffe diealkoholische Gärungder Hefe beschleunigenläßt!), und ferner, daß Hefezellen durch Anwesenheit solcher Stoffe inihrer Vermehrung stark beeinflußt werden?). Diese beiden wichtigen Befunde sind, wie aus der Literatur leicht feststellbar ist, von uns zum ersten Male und auf jeden Fall ganz unabhängig von anderen Autoren in eindeutiger Weise erhoben worden. Mit dem Befunde der Beschleu- nigung der alkoholischen Gärung ist gezeigt worden, daß die soge- nannten Nutraminein bisher noch unbekannter Weise Fer- mentvorgänge beeinflussen und zwar beschleunigen können. Ich habe den Eindruck, daß bei der alkoholischen Gärung die wirksamen Stoffe durch Beeinflussung des Zustandes der in Frage kommenden Fermentteilchen, und vielleicht auch der zu verändernden Substrate, ihre Wirkung entfalten. Ein vollgültiger Beweis für diese Annahme kann jedoch zur Zeit noch nicht erbracht werden. Die Feststellung, daß die so- genannten Nutramine diealkoholische Gärung, die Zellver- mehrung, undendlich den Gaswechsel der Zellen und damit des Gesamtorganismus und damit die Körpertemperatur be- einflussen, hat nicht nur für die Auffassung des Wesens der unbekannten Nahrungsstoffe eine sehr große Bedeutung, sondern darüber hinaus noch eine sehr wichtige, metho- dische Bedeutung, ist es jetzt doch möglich den wirksamen Stoffen durch Vergleichung ihrer Wirkung im erwähnten Sinne nachzugehen. Es liest mir fern, behaupten zu wollen, daß !) Vgl. hierzu Emil Abderhalden und A. Schaumann: Pflügers Arch. f. d. ges. Physiol. 1%2, 1. 1918; Fermentforschung 2%, 120. 1918. — Emil Abderhalden: Ebenda 3, 44 1919. 5 ?) Emil Abderhalden und Adrienne Köhler: Pflügers Arch. f. d. ges. Physiol. 1%6, 209. 1919. von organischen Nahrungsstoffen mit spezifischer Wirkung. XI. 353 nur ein bestimmter Stoff für alle beobachteten Erscheinungen in Frage kommt. Es ist sogar wahrscheinlich, daß mehrere Stoffe wirksam sind. Da in letzter Zeit verschiedene Arbeiten erschienen sind, die die vorliegenden Feststellungen entweder unberücksichtigt gelassen haben oder aber sie als neue Befunde hinstellten, möchte ich an dieser Stelle ausdrücklich an die von hier aus gemachten Erfahrungen verweisen. Es muß ferner hervorgehoben werden, daß es mehr als fraglich geworden ist, ob die Bezeichnung ‚‚Polyneuritis“ noch allgemein für die nach ausschließlicher Verabreichung von geschliffenem Reis bei Vögeln auftretenden Erscheinungen anwendbar ist. Trotz eifriger Be- mühungen ist es mir nicht gelungen, regelmäßig oder auch nur häufig Veränderungen im Nervensystem aufzufinden, die auf einen Entzündungs- prozeß bzw. aufeine Degeneration hindeuten, sofern es sich um Tiere han- delte, die akut unter den bekannten Krämpfen erkrankten. Schon der prompte Erfolg der Einspritzung von Hefe- oder Kleiepräparaten bei schwersten nervösen Störungen muß stutzig machen. Der Ausdruck „Polyneuritis' mußunbedingtfürdieseFälleausgemerzt wer- den. Es ist besser von einer alimentären Dystrophie zu sprechen. Es spricht manches dafür, daß die ganzen Erscheinungen mit der herabgesetzten Oxydationsmöglichkeit der Zellen zusam- menhängen. Das Nervengewebe ist bekanntlich gegen Sauerstoffmangel besonders empfindlich. Es ist möglich, daß bei chronischem Verlauf der Fälle, und namentlich wenn sich Lähmungen zeigen, stets wirklich degenerative Erscheinungen im Nervensystem aufzufinden sind. Die histologische Untersuchung von gelähmten Tauben, bei denen übrigens die Zufuhr von Hefe- und Kleiestoffen nur insofern eine Wirkung hat, als das gesamte Befinden sich hebt, während die Lähmungen lange Zeit bestehen bleiben, hat Anhaltspunkte dafür gegeben, daß eine wirkliche Neuritis vorkommen kann. Es sind hierbei auch von uns deutliche Degenerationen im peripheren Nervensystem und im Rücken- mark festgestellt worden }). Es kann nicht genug hervorgehoben werden, daß die Beobachtungen an schnellwachsenden Tieren, wie z. B. an Ratten und ferner an Vögeln, nicht ohne weiteres auf andere Tiere und insbesondere den Menschen übertragen werden dürfen. Die Versuche, mit vitamin- bzw. nutramin- haltigen Pflanzenprodukten bei Menschen und insbesondere bei Kindern therapeutisch erfolgreich bei den verschiedensten sogenannten ‚Avi- taminosen“ einzugreifen, haben bisher keine entscheidenden Erfolge gezeitigt. Einzig der Skorbut macht eine Ausnahme. Hier ist der !) Vgl. die Literatur zu dieser Frage bei E.Abderhalden und H.Schau- mann: Pflügers Arch. f. d. ges. Physiol. 192, 1 (1918). Pflügers Archiv f. d. ges. Physiol. Bd. 193. 24 354 E. Abderhalden: Beiträge zur Kenntnis von organischen Nahrungsstoffen usw. Einfluß von Fruchtsäften usw. eindeutig festgestellt. Es ist dringend notwendig, daß alle klinischen nach dieser Richtung gehenden Unter- suchungen mit größter Kritik verfolgt werden, damit nicht durch vor- eilige Schlußfolgerungen das an und für sich sehr schwierige Forschungs- gebiet noch schwerer übersehbar gemacht wird. Der Haupterfolg der ganzen Forschung auf dem Gebiete der noch unbekannten Nahrunss- stoffe ist zunächst darin zu erblicken, daß bei der Konservierung von Nahrungsmitteln alles vermieden wird, was die unbekannten Nahrungs- stoffe zerstören könnte. Bei der Durchführung dieser Versuche erfreute ich mich der Unter- stützung von Schwester Margarete Richter und Frl. Jahn. Weitere Beiträge zur Kenntnis von organischen Nahrungs- stoffen mit spezifischer Wirkung. XII. Mitteilung. Vergleichende Untersuehungen über das Verhalten des Gewichtes und des Wassergehaltes von einzelnen Organen bei Tauben, die nor- mal ernährt wurden, bzw. ausschließlich geschliffenen Reis mit und ohne Hefezusatz erhielten, bzw. vollständig hungerten. Von Emil Abderhalden. (Aus dem Physiologischen Institut der Universität Halle a. S.) Mit 2 Textabbildungen. Oo (Eingegangen am 21. September 1921.) Es schien mir von großem Interesse, zu verfolgen, wie die einzelnen Organe sich in bezug auf das Gewicht und die Zusammensetzung bei Tieren verhalten, die durch ausschließliche Ernährung mit geschliffenem Reis an alimentärer Dystrophie erkrankt sind. Zum Vergleich wurden Tiere in gleicher Weise untersucht, bei denen gar keine Nahrung ver- abreicht worden war. Als Standardtiere wurden zum weiteren Vergleich gleichalterige Tiere untersucht, die völlig gesund waren und in normaler Weise ernährt worden waren. Als Versuchstiere dienten Tauben. Über den Verlauf der Versuche unterrichten soweit die ‚„Reistiere‘“ in Frage kommen die Mitteilungen V- und XI. Die Nummern der einzelnen Versuchstiere beziehen sich auf die entsprechende Tauben, über die zum Teil in den erwähnten Mitteilungen berichtet ist. Außer den erwähnten Tieren sind zwei Hungertiere (Taube A und B) verwendet worden. Über den Verlauf der Körpergewichtsabnahme unterrichten die Abb. 1 und 2. Ferner sind schon längere Zeit zurückliegende Unter- suchungen an den Tauben 22, 27, 34 und 36 verwertet. Es sind dies Tauben, die längere Zeit (vergleiche die Zeiten in der untenstehenden Tabelle) mit geschliffenem Reis plus Zusatz von 0,25 g Hefe ernährt worden waren. Diese Tiere wurden getötet, ohne daß sie zuvor irgend- welche Erscheinungen von alimentärer Dystrophie gezeigt hatten. Die vorliegenden Untersuchungen erstrecken sich auf die Fest- stellung des Gewichtes der einzelnen Organe und ihres Wassergehaltes. Es wurden jeweilen die einzelnen Organe sofort 24* 356 E. Abderhalden: Weitere Beiträge zur Kenntnis nach dem Tode der Tiere diesen entnommen und ihr Gewicht bestimmt. Stets wurden die Organe ganz verwendet. Sie wurden dann bis zur Gewichtskonstanz bei 110° getrocknet und so der Wassergehalt festgestellt. Es sei zunächst hervorgehoben, daß die größte Gewichts- abnahme bei der quergestreiften Muskulatur zu finden ist. Versuchstag: NE ZESEID IT OEBTLENINTOETIET2ETE, Versuchsrtag: Dat ZEISY 5 450 + E wo 430 l at 420 | \ | ‚Körpergenicht Ik 390 — H na CENTER IEETONSTIEETZ, el + 40°? Bee EEE 39°? Abb. 1. Taube 102 (schwarz-braun) Abb.2. Taube 103 (dunkel-hellgrau, helle hungert vom 25. VIII. bis 6. IX. Beine) hungert vom 25. VIII. bis 5. IX. Eine genaue Feststellung des Gewichtes der gesamten quergestreiften Muskulatur ist aus naheliegenden Gründen nicht leicht durchführbar. Es kommt noch hinzu, daß gerade bei ihr große individuelle Unter- schiede vorhanden sind. Schon die einfache Betrachtung des Brust- muskels zeigt, wie außerordentlich rasch dieser bei ausschließlicher Ernährung mit geschliffenem Reis abnimmt. Es ist von großem Interesse, daß im Vergleich zu dem Verhalten normalernährter Tiere bestimmte Organe sowohl bei den Hungertieren, wie auch bei den an alimentärer von organischen Nahrungsstoffen mit spezifischer Wirkung. XI. 357 Dystrophie erkrankten, als bei den mit geschliffenem Reis plus Hefe ernährten Tauben, ihr Gewicht unverändert bei- behalten haben und ferner auch im Wassergehalt keine oder höchstens eine geringfügige Veränderung aufweisen. Sonrzeigen Gehirn, Herz, Lunge, und Nieren bei den er- wähnten Gruppen von Tieren in engen Grenzen das gleiche Gewicht und den gleichen Wassergehalt. Was den Magenanbetrifft, so zeigte er beiden Hungertauben einen geringen Gewichtsverlust. Er war bei den an alimentärer Dystrophie erkrankten Tieren etwas größer. Der Wassergehalt war geringer als bei den normalen Tieren. Sehr groß war der Gewichtsverlust beim Darmkanal. Im Vergleich zum Gewicht des Darmkanales beim normal ernährten Tiere zeigte sich ein Gewichtsverlust von 50% und mehr. Der Wassergehalt war im Durchschnitt bei den an alimentärer Dystrophie erkrankten Tieren größer als bei den normalen Tiersn, jedoch kleiner als bei den Hungertauben. Bei den mit geschliffenem Reis plus Hefe ernähr- ten Tieren kann man ein mit der Dauer des Versuches parallel gehen- des Abnehmen des Gewichtes des Magens und des Darmes feststellen. Der Wassergehalt des Darmes steigt mit der Dauer des Versuches all- mählich an. Bei der Leber und bei der Pankreasdrüse zeigte sich bei den letzteren Tieren ein gleiches Verhalten. Beide Organe verloren mit der Dauer des Versuches mehr und mehr an Gewicht. Besondersstark war der Gewichtsverlust bei der Pankreasdrüse. Immerhin war er im Durchschnitt nicht so groß wie bei den reinen Hungertieren. Der Wassergehalt der Pan- kreasdrüse war nicht wesentlich verändert. Bei der Leber finden sich zum Teil auch sehr starke Gewichtsverluste. Die Ge- wichtsabnahme dieses Organes war bei den reinen Hungertieren größer als bei den an alimentärer Dystrophie erkrankten Tauben. Der Wasser- gehalt war etwas geringer als bei den entsprechenden Organen normal ernährter Tiere. Die vorliegende Untersuchung zeigt, daß ein spezifisches Ver- halten in der Gewichtsabnahme und im Wassergehalt der einzelnen Organe — es gilt dies auch für die quergestreifte Muskulatur — bei an alimentärer Dystrophie erkrankten Tieren und bei solchen, die mit geschlifienem Reis und Hefte ernährt worden waren, nicht feststellbar ist. Vor allen Dingen ist von großem Interesse, daß das Gehirn sein Gewicht aufrecht erhält. Im großen und ganzen gewinnt man aus den vorliegenden Zahlen den Eindruck, als ob es sich bei den an alimentärer Dystrophie erkrankten Tieren, bzw. den lange Zeit hindurch mit ge- schliffenem Reis und Hefe ernährten Tieren um einen pro- 358 FE. Abderhalden: Beiträge zur Kenntnis von organischen Nahrungsstoffen usw. trahierten Hungerzustand handelt. Es sei ausdrücklich hervor- gehoben, daß die Tauben 22, 27, 34 und 36 zum geschliffenen Reis nur 0,25 g getrocknete Hefe erhalten hatten. Diese Menge reichte nicht aus, um die Tiere vor Gewichtsverlusten zu schützen. Zu dem Hunger- zustand, der offenbar darauf zurückzuführen ist, daß trotz Zufuhr von Nahrung deren Verwertung infolge un- genügender Anwesenheit von Nutraminen eine unge- nügende ist, gesellen sich dann noch infolge der gestörten Zellatmung die charakteristischen Symptome der alimen- tären Dystrophie: Appetitlosigkeit, stark eingeschränkte Drüsentätigkeit, gestörter Gaswechsel, Abnahme der Kör- pertemperatur, Krämpfe und eventuell Lähmungen. In dieser Hinsichtistes von großer Bedeutung, daß dieTauben, die 3 bis 4 Monate bei einer aus geschliffenem Reis plus 0,58 Trockenhefe bestehenden Nahrung ihr Körpergewicht bei- behielten, Organgewichte zeigten, die von denen normaler Tauben nur wenig abwichen. Es gilt dies insbesondere von dem Gewichte der Leber, der Pankreasdrüse und des Darm- kanales. Es betrug das Durchschnittsgewicht von 12 Tauben der genannten Art bei den Organen: Gehim. 2% sel 2.22. 188840. 1 Leber Sn... Ma Az Lunge: 2: 2 22 Sn 200 840.258,9480.9 | Pankreas. . .°. oz Herzen ,1247:0| Magen nn. 0 Be 5,8754 8 | Darmkanal nn. 6,5748 8 Der Wassergehalt ist bei diesen Versuchen nicht bestimmt worden. Sobald sich ein Fallen des Körpergewichtes einstellt, zeigt die quer- gestreifte Muskulatur eine Gewichtsabnahme. Das gleiche ist der Fall bei den Organen Leber, Pankreas und Darmkanal. Die glatte Mus- kulatur wird auch atrophisch. Vielleicht beruht wenigstens zum Teil dar- auf die Obstipation, die sich bei Tauben, die ausschließlich mit geschlif- fenem Reis ernährt werden, einstellt. Der Kropf stellt in schweren Fällen einen ganz schlaffen Sack dar, in dem große Mengen von Nahrung lange Zeit hindurch liegen bleiben können. Erwähnt sei ein häufiger Befund, nämlich eine intensiv grüne Färbung im Innern des Magens. Sie ist durch Gallenfarbstoff bedingt. Ein Zurücksteigen von Darminhalt nach dem Magen findet offenbar häufig statt. Bei der Durchführung eines Teiles dieser Versuche erfreute ich mich der Unterstützung von Schwester Margarete Richter und Frl. Jahn. Nummer bzw. | Art der Taube | Normaltaube 66 72 74 76 87 8 Hungertaube A B Durchschnitt d, Hungertauben Durchschnitt d. an allmentärer Dystrophie er- krankt. Tauben | Normaltaube Durchschnitta. Bestimmungen an sechs nor- malen Tauben einer anderen Versuchsreihe Magen frisch Br [4 [4 | 6,9973 1,5510 3.8384 1.0784 | 6,1859 1,8890 | | 8,6971 1,1362 | 4,3562 11,2190 5,4972 1,5833 | 5,9642 11,7041 | 5,8416 11,5\ 11,099 \ 6,9286 } 6,3851 | 4,9232 1,9350 6,9933 | 1,5613 I | | 5,9886 1,6169 5,6321 1,5488 | 5,2115 1,4697 |: 4,9985 |1,4746 Pflügers Archiv f. d. trockn, 5,4463 3,9139 [4,3317 | 1,9260 | Darm Leber Gew.- Verlust [4 2,7600 4,2969 2,5609 3,1372 71,90 69,46 69,27 71,01 71,19 71,43 4,2601 7 3,0026 172 12129 4,6672 | | 3,4882 20,71 5,4463 4,561 4,3717 7 4,0833 17 3,0239 hkoso ges. Physiol. 71,82 | Gew.- Vi zu ge trockn. BE frisch Gew.- isch |, ge | En Verlust| % | trockn. g 8,620211,3896 5,442810,7830 5,5342/0,8563 2,7579 0,3559 2,6398/0,3233 4,7820/0,6131 1,7876 0,2253 7,2306 an s6 9,6598 |°5,61 4,6779 84,53 2,4020 87,09 2,3165 187,75 4,1689 |8 1,5623 8 3,3140) 4,8674 0,4118 0,5013 2,9022 4,3661 | 4,0903 3,6342 88,64 3,2979 186,59 7,2306 83,86 3.8240 0,5261 8,6202 1,3896 6,8821 1,1012 5,7509 84,00 | | 6,4022]1,0071 5,3951 184,27 6,0174/0,8720 5,1448 185,49 5,7168 0,8061 \4,9107 185,89 5.0022 0,6582 j& 3440 |80,84 Bad. 19, 9 8,0915 8,8085 2 6,460711,6894 14,7713 |73,85 3,7494/0,8710 12,8784 3,6119)0,9432 2,6687 4,18960,9867 | 13.2029 76,44 6,1016 1,5297 [4,5719 \74,92 2,0899 6,0016 7|3,2845 4,8638 0,8247 1,1580 2,4598 [74,89 [3,7058 |76,20 4,0742 0,9914 3,0828 35,55 | 5,3625 1,3517 4,0158 5,8085 2,0215 6,2870 172,06 7.9514 1,9019 |6,0495 76,08 | | | | 7,7275 1,8777 5,8498 |75,70 7,1382|1,7846 |5,3536 \75,99 6,7211/1,6937 |5,0274 174,80 6,0145.1,0337 |4,4808 74,50 Dauer E. Abderhalden: Weitere Beiträge zur Kenntnis von organischen Nahrungsstoffen mit spezifischer Wirkung. XI. Lunge Herz Nieren Pankreas Gehirn en ge- Gew.- B | ge- Gew.- ” ge- Gew.- | lesen ge- | Gew. lass] R ge- Gew.- Bemerkungen Gera TEnn a frisch | grockn. |Verlust | 9, | (ech | erockn.|Verlust| 5 | ech trockn,|Verust| ©, | Eh | trookn. | Verlust| ©, | Tech |trockn.|Verlust| &% — Anee 4 Lt 8 E Pt 4 B g zZ [3 [4 g [4 eg Al E g 2ER g | o | Tage > 1 3,2927/0,6466 [2,6461 80,36 2,5711 0,5800 1,9911 177,44 2,30360,4500 1,3536 180,46 1,4753|0,3433 |1,1320 |76,73 | 1, 78690, 3567| 1,4312 80,09| Gewicht der Taube: 426g | 3,4388/0,5209 2,9179 |84,85 | 2,947510,5753 |2,3722 80,48 | 1,8427 ,0,3410 [1,5017 /81,49 | 0,3912/0,0928 0,2984 |76,27 1176910, 3115 1,4576 182,39] Anfangsgew. d. Taube: 268 g, Endgew.: 197 71 | 26,50 | 201 2,9214/0,5615 |2,3599 80,78 | 2,5552 0,5615 [1,9937 78,02] 1,1953 0,2234 0,9719 81,31 | 0,5682)0,1509 |0,4173 \73,44 | 2,054110,3828 1,6713 81,36 r en 330 8, " 217g | 113 | 3424| 112 3,9345/0,6362 |2,2983 |78,32| 2,2831,0,4443 1,8388 181,39 | 1,6490 0,3053 1,3437 31,49 | 0,6432/0,1426 |0,5006 |77,83 | 1,8851/0,3540 1,5311 181,22 Re ee 367 g, = 183g | 184 | 50,15 | 106 2,4215 0,4977 1,9238 \79,44 | 1,6120|0,3125 1,2695 \80,51 | 1,0811/0,1997 |0,8814 81,52] 0,4726:0,1097 \0,3629 170,78 | 1,8088 0,3178 |1,4910 182,43 c 5 340 g, „ 167g | 173 | 50,90 | 136 3,7799/0,4486 3,3313 /88,13.| 2,9071/0,5636 |2,3435 80,61 | 1,5990 0,3082 |1,2908 80,72 ” en: 394 g, " 249g | 145 | 36,80 | 64 3,4064 0,7598 2,6466 \77,69 | 4,5587 0,9947 3,5640 |78,19 | 2,1566 0,3732 |1,7834 |82,69 | 0,97260,2459 |0,7267 |78,83| 2,1906 0,4055 1,7851 81,49 en engel sau üb 3,0816 0,5812 2,5004 81,14 | 2,2218/0,4024 1,8194 81,19 | 1,2990,0,2448 [1,0512 |81,15.| 0,3937 0,0880 0,3057 \77,65 1,9501/0,3784 11,5717 80,60 A 359g, „ 188g | 171 | 47,63 13 3,7354 0,7473 2,9881 179,99 | 2,6666 0,4705 2,1961 82,36 | 1,5772)0,2627 |1,3145 |83,34 | 0,3793 0,0756 0,3037 \80,07 | 2,2017/0,4037 1,7980 81,66 n ; 452 8, “7 221g | 231 | 51,10 11 3,4085|0,6643 2,7442 80,57 | 2,4442 0,4365 2,0077 81,78 | 1,4381/0.2538 1,1843 32,25 | 0,3865 0,0818 0,3047 78,86 2,0759/0,3911 1,6848 81,13 3,1504 0,5208 2,5796 |81,54) 2,8106 0,5953 2,2353 29,86 | 1,5873/0,2918 |1,2955 81,54] 0,6096 0,1484 0,4612 76,63 1.9416 0.3543 1,5873 81.28 | | | | | | | | | | 3,2927 0,6466 2,6461 80,36 | %,5711/0,5500 1,9911 77,44) 2,3036 0,4500 1,8536 |S0,46| 1,4753 0,3433 1,1320 176,23 1,2669 0.3557 |1,4312 50,09 | 3,0012.0,5901 2,4111 |80,34| 2,6500.0.5830 2,0670 78,00] 2,5110/0,4598 2,0512 81,69) 1,5299 0,3519 1,1780 136,99] 1,9885 0,3729 1.6106 80,99 | | | | | | | | | 3,6118 0,6112 |3,0006 |83,07 2,6847 0,5612 2,1235 179,09 2,2045 0,4189 1,7856 |80,99 1,2134/0,2790 0,9344 77,00 | 1,9484 0,3702 |1,5782 180,99 Anfangsgew. d. Taube: 368g, Endgew.: 2 74 | 20,10 50 3,7224.0,7399 |2,9825 80,12 2,843210,6152 2,2280 78.36 2,1234/0,4034 1,7200 |81,00 | 1,0189 0,2242 0,7947 |77,99 | 2,0112/0,3811 |1,6301 181,05 B Er 375 8, 100 | 26,66 100 3,6975 0,7321 2,9604 180,20 2,9112/0,5824 2,3288 |79,99 1,9468/0,3698 1,5770 181,00 | 0,8212 0,1727 0,6485 |78,97 | 2,1134 0,4212 1,6922 180,07 u" We 412g, 1 135 | 32,76 | 150 3,4857 0,7465 2,7362 78,49 2,877210,5261 | ‚43511 81,71] 1,7224 0,3272 |1,3952 81,00 0,7822/0,1622 0,6200 79,26 1,9848/0,3773 |1,6075 80,99 N ei 389 g, n 156 40,10 | 200 Be MENT: Cholin als Hormon der Darmbewegung. VI. Mitteilung. Experimentelle Therapie der Magendarmlähmung nach Peritonitis und Laparotomie. Von K. Arai, Tokio. (Aus dem Pharmakologischen Institut der Reichsuniversität Utrecht.) Mit 12 Textabbildungen. (Eingegangen am 24. Oktober 1921.) Zur Erklärung der verwickelten Bewegungen, welche der Verdauungs- kanal ausführt, hatte Magnus schon früher die Vermutung geäußert, daß die Magendarmwand selbst einen Reizstoff enthalten müsse, der die automatischen Zentren der Darmwand in Dauererregung versetzt. Im pharmakologischen Institut in Utrecht hat Weiland!) gefunden, daß wenn man eine Dünndarmschlinge einige Zeit in Wasser oder Kochsalzlösung liegen läßt, durch die Serosafläche des Darmes eine Substanz in die Außenflüssigkeit diffundiert (Biodialyse), welche eine ausgesprochen erregende Wirkung auf den Säugetierdünndarm besitzt. Diese Substanz wirkt nicht nur auf die Bewegungen des isolierten überlebenden Dünndarms erregend, sondern ruft auch bei Katzen, die mit Wismutkartoffelbreigemisch gefüttert werden, Verstärkung der Antrumperistaltik des Magens, beschleunigten Übertritt des Futters ins Duodenum, deutliche Erregung der Pendelbewegungen und der Peristaltik des Darmes hervor. Nach den genauen Untersuchungen von Le Heux?) aus dem gleichen Institute wirkt diese Substanz auf Atmung, Blutdruck, Magendarmbewegungen usw. qualitativ und quantitativ in gleicher Weise wie die entsprechenden Mengen von Cholin. Er hat weiter mehr als ?/, der durch Biodialyse gewonnenen wirksamen Substanz in der Form von chemisch reinem Cholin isoliert und hat daraus geschlossen, daß das Cholin ein physiologischer Erreger der automatischen Darmbewegungen ist. Im Anschluß hieran wies !) Weiland, Arch. f. d. ges. Physiol. 14%, 171. 1912. ®) J.W. le Heux, Arch. f. d. ges. Physiol. 193, 8. 1918. 360 KERATAT: Le Heux!) weiter nach, daß die Bewegungen des Magens und Dünn- darms durch intravenöse Einspritzung von 10 mg Cholinchlorid deut- lich gesteigert werden. M. von Kühlewein?) hat dann weiter gezeigt, daß die Magendarmlähmung, welche durch zweistündige tiefe Chloroformnarkose hervorgerufen wird, sich durch intravenöse Ein- spritzungen von 10 mg Cholin fast vollständig aufheben läßt. Während bei normalen Katzen die sichtbaren Bewegungen des Dickdarmes durch Cholin verhältnismäßig wenig beeinflußt werden, tritt die Dickdarm- wirkung des Cholins bei Katzen nach tiefer Chloroformnarkose sehr viel deutlicher hervor. Ich habe es mir zur Aufgabe gestellt, die experimentell therapeutische Wirkung des Cholins bei verschiedenen anderen Formen der Magen- darmlähmung zu untersuchen, und dadurch für die therapeutische Anwendung dieses Stoffes beim Menschen eine breitere experimentelle Basis zu schaffen. Von den in Betracht kommenden Möglichkeiten wählte ich die Magendarmlähmung bei der Katze nach experimentell erzeugter Peritonitis und nach Laparotomie. Methodik. Die Katzen hatten vor jedem Versuche wenigstens 24 Stunden gehungert, so daß der Magendarmkanal praktisch leer war, und erhielten dann 25 ccm Kartoffel- brei mit 10 & Bariumsulfat und soviel Wasser, als für die Bereitung eines dicken Muses nötig war. Die Katzen wurden stets in einem bequemen Holzkasten mit dem Löffel gefüttert und wurden darauf anfangs in halbstündigen, später in stünd- lichen Pausen durchleuchtet. Das Röntgenbild wurde durch Schirmpausen fest- gelegt und danach die Länge der Dünndarmschatten mit einem Kurvimeter ge- messen. Zwischen den Einzelbeobachtungen saßen die Tiere in einem bequemen Käfig. Die Ergebnisse wurden in der üblichen Weise in Kurvenform dargestellt (siehe die gestrichelten Kurven auf Abb. 2 und 4). Die Peristaltik des Antrums beginnt unmittelbar nach der Fütterung, die Magenentleerung dauerte in meinen Versuchen durchschnittlich 31/,;, Stunde. Der Dünndarm füllt sich rasch, das Maximum der Dünndarmfüllung wird nach 2 Stunden erreicht. Danach nimmt die Dünndarmfüllung wieder ab, so daß nach 7 Stunden nur noch ein geringer Rest vorhanden ist. Der erste Schatten im Anfangsteil des Kolons wird nach etwa 2?/, Stunden sichtbar, 3 Stunden später tritt der erste Schatten im distalen Kolon auf. Innerhalb 24--30 Stunden nach der Fütterung erfolgt meistens I—2 malige Kotentleerung. Auf den Diagrammen gibt die Kurve die Gesamtlänge der Dünndarmschatten in Zentimetern an. Die unten gezeichneten horizontalen Linien entsprechen der Dauer der Magenfüllung. Die oberhalb der Kurve gezeichneten Linien beziehen sich auf den Dickdarm. Ihr Anfang entspricht dem ersten Auftreten des sichtbaren Inhalts im proximalen Kolon, ihr Ende dem ersten Auftreten von Schatten im distalen Kolon, so daß die Länge dieser Linien die Dauer der Passage durch das proximale Kolon angibt. !) Derselbe, Arch. f. d. ges. Physiol. 190, 301. 1921. ?) M. v. Kühlewein, Arch. f. d. ges. Physiol. 191, 99. 1921. Cholin als Hormon der Darmbewegung. VI. 361 Experimentelle Peritonitis durch chemische Stoffe. Durch die Arbeiten vonMarchand!), Büngner?), Georgiewski °) Heinz?) und anderen wissen wir, daß gewisse chemische Stoffe, wie Jod, Terpentinöl und andere, eine Entzündung der serösen Häute beim Tiere hervorrufen können, wenn sie direkt in die Brust- oder Bauchhöhle eingespritzt werden. Heinz hat von 4 Kaninchen je einem intraperitoneal bzw. intrapleural 2 ccm 2proz. Jodlösung oder 2ccm 10 proz. Terpentinöl in Emulsion eingespritzt und gesehen, daß man mit Jodlösung eine adhäsive und mit Terpentinöl eine mehr circum- scripte eitrige Entzündung der Bauch- oder Brusthöhle hervorrufen kann, wobei eine geringgradige Exsudation von wechselnder Stärke eintrat. Opie?) sah dagegen nach der Einspritzung von lccm Ter- pentinöl bei Hunden typische serofibrinöse Pleuritis auftreten, wobei eine Ansammlung serofibrinöser Flüssigkeit in den Vordergrund trat. Außerdem war er®) imstande, durch wiederholte Einspritzung von Terpentinöl die Leukocytenzahl des Peritonealexsudates zu erhöhen und dadurch die anfangs seröse Entzündung manchmal (nicht immer) in eine eitrige umzuwandeln. In einem Vorversuche spritzte ich 2 Katzen je 1 ccm pro Kilogramm 2 proz. Lugolsche Jodlösung intraperitoneal ein. Die Tiere machten schon unmittelbar nach der Einspritzung einen sehr kranken Eindruck, lagen gekrümmt oder platt auf dem Bauche, schrien und erbrachen mehrfach. Die Atmung war etwas dyspnoisch, der Herzschlag frequent. Beide Tiere starben in der Nacht und wurden am folgen- den Morgen seziert. Man konnte schon makroskopisch in der Bauchhöhle starke Hyperämie, in eineın Falle auch eine ausgedehnte subseröse Blutung feststellen, das Peritoneum war in der Gegend der Injektionsstelle deutlich trübe, die be- nachbarten Dünndarmschlingen miteinander lose verklebt. Die Exsudatmenge betrug im einen Falle 15 ccm, im anderen 7 ccm einer gelblichen, leicht getrübten Flüssigkeit. 0,5 ccm pro Kilogramm derselben Lugolschen Lösung ist dagegen nicht tödlich und ruft ausnahmslos eine typische serofibrinöse Peri- tonitis bei Katzen hervor. Die Stärke der Entzündung ist sowohl klinisch als pathologisch-anatomisch in den verschiedenen Versuchen von fast gleicher Intensität, so daß sich diese Dosis für die weiteren Versuche als sehr zweckmäßig erwies. Das Krankheitsbild sei im folgenden etwas genauer geschildert. Während Marchand und seine Schüler die zu untersuchende Sub- stanz mit Hilfe von imprägnierten Schwammstücken in die Peritoneal- !) Marchand, Zieglers Beiträge z. allg. Path. u. pathol. Anat. 4. 1888. °®) v. Büngner, Zieglers Beiträge z. allg. Path. u. pathol. Anat. 19. 1896. ?) Georgiewski, Zieglers Beiträge z. allg. Path. u. pathol. Anat. 25. 1899. *) Heinz, Virchows Archiv 155. °) E. Opie, Studies from the Rockfeller Institute for Medical Research. Vo- lume VII. 1907. 6) Derselbe, ebenda. 362 K. Arai: höhle einführten, folgte ich der einfacheren von Heinz angegebenen Methode. Die Tiere wurden mit Chloräthyl betäubt und dann unter streng aseptischen Kautelen ein kurzer Hautschnitt etwas seitlich von der Mittellinie gemacht, darauf die Linia alba aufgesucht, mit einer Scherenspitze eine kleine Öffnung gemacht, und durch diese eine Kanüle eingeführt. Stets wurde 0,5 ccm pro Kilogramm 2proz. Lugolscher Lösung (2,0 Jod, 4,0 Jodkalium, 100 Aqua dest.) vorsichtig injiziert. Die Wunde wurde darauf durch Naht geschlossen. Man ist auf diese Weise sicher, daß die gesamte eingespritzte Menge wirklich in die Bauchhöhle kommt, und daß nicht etwa der Darm oder andere Organe angestochen werden. An den erstfolgenden Tagen sind die Tiere krank und liegen be- wegungslos im Käfig. Eßlust fehlt. Vom 3. bis 4. Tage an bessern sie sich aber und fressen gut, nach 6 oder 7 Tagen sehen sie wieder voll- ständig gesund aus. Beim Betasten der Bauchwand kann man am 2., 3. und manchmal auch am 4. Tage Hitzegefühl und Spannung mehr oder weniger deutlich feststellen. Herztätigkeit und Atmung bleiben meistens während des ganzen Verlaufes ungeändert. Tötet man die Tiere nach 48 Stunden, so sieht man nach Eröffnung der Bauchhöhle das große Netz und die Därme in normaler Lage; der untere Zipfel des Netzes ist aber häufig mit der vorderen Bauch- wand (meist an der Injektionsstelle) und mit den Dünndarmschlingen verwachsen. Auch die Dünndarmschlingen selber, besonders in der Umgebung der Einspritzungsstelle, sind miteinander verklebt und bilden ein mehr oder weniger großes Konglomerat, die Verwachsung ist aber nicht so fest, wie das Heinz bei seinen Kaninchen beobachtete, sondern läßt sich durch leichte Manipulationen lösen. Das Bauchfell sieht feucht, getrübt oder matt aus und ist mäßig hyperämisch. Auf dem Serosaüberzug der miteinander verklebten Dünndarmschlingen ist meist leichte Fibrinauflagerung und eine ziemlich starke Gefäß- injektion zu sehen, an manchen Stellen sogar zahlreiche punktförmige Blutungen. Auch die Dickdarmserosa, der Blasenüberzug und das Beckenperitoneum sind häufig injiziert, während der Magen fast immer frei von Injektion ist. Die Mesenterialgefäße sind sehr blutreich, die mesenterialen Lymphdrüsen in allen Fällen stark geschwollen und manchmal auch hyperämisch. Die Magendarmschleimhaut bleibt stets unverändert, weder Blutungen noch Katarrh sind zu sehen. An den übrigen Organen findet man keine nennenswerten makroskopischen Veränderungen. Die Flüssigkeit, welche sich nach 48 Stunden in der Bauchhöhle befindet, beträgt 12—26 cem, ist schwach gelblich und leicht getrübt. Sie enthält keine schleimigen, flockigen oder krümeligen Beimengungen, gerinnt dagegen nach wenigen Minuten zu einer festen Masse. Das spe- Cholin als Hormon der Darmbewegung. VI. 363 zifische Gewicht beträgt 1,017—1,020, rote und weiße Blutkörperchen sind nicht darin nachzuweisen. In einem Falle fand Dr. Le Heux die Reaktion auf freies Jod negativ, dagegen auf gebundenes Jod schwach positiv. Der Entzündungsprozeß, welcher durch Einspritzung von Jod- lösung hervorgerufen wird, scheint zwischen 48 und 72 Stunden nach der Injektion sein Maximum zu erreichen. Das ergibt sich nicht nur aus den klinischen Erscheinungen, sondern auch aus den pathologisch- anatomischen Befunden von Tieren, welche je zu 2 oder 3 in ver- schiedenen Stadien der Erkrankung getötet und seziert wurden. Vom 4. Tage ab vermindert die Flüssigkeit in der Bauchhöhle sich deutlich, am 7. Tage ist keine Spur von Exsudat mehr zu finden. Parallel damit nimmt auch die Injektion des Peritoneum parietale und viscerale ab, so daß am 7. Tage fast keine Injektion mehr zu sehen ist, während die Verwachsungen zwischen dem großen Netz und den Darmschlingen und zwischen den einzelnen Darmschlingen noch am 10. Tage zu finden sind, und zwar etwas fester als in den früheren Stadien. Tabelle I. Tabelle der Flüssigkeitsansammlung in der Bauchhöhle in den verschiedenen Stadien nach der Jodinjektion. Zeit nach der 2.Tag 3. Tag 4. Tag 5. Tag 6. Tag 7. Tag 10. Tag Injektion: cem ccm ccm ccm ccm ccm ccm 9 26 35 5 3 1) 8 6 25 10 3 8 8 {8} 12 15 ) 17 15 Die Magendarmbewegungen bei der experimentellen Jod- peritonitis. Die Magenbewegungen bei der experimentellen Jodperitonitis unter- scheiden sich deutlich von denen bei normalen Katzen. Allerdings füllt sich der Magen in der ersten halben Stunde nach der Fütterung bis zum Pylorus, zeigt aber von Anfang an nur schwache Antrum- peristaltik. Der Magen sieht deutlich schlaff aus. In den ersten 3 Stun- den nach der Fütterung nimmt die Magengröße allerdings deutlich ab, aber doch weniger schnell als normal. In den folgenden Stunden da- gegen ändert sich das Magenbild nur noch wenig, so daß man in den aufeinanderfolgenden Beobachtungsstunden kaum einen Unterschied feststellen kann (Abb. 1). In fast allen Fällen ist der Magen am Ende des Beobachtungstages noch nicht leer; nur in einem Falle hatte bis zum Abend Entleerung stattgefunden. In den ersten 5—6 Stunden nach der Fütterung ist die Peristaltik des Pylorusteiles sehr träge und hört danach vollständig auf, der Magenfundus erscheint dann kugelförmig und liegt bewegungslos in der Bauchhöhle. Der Magen 364 K. Arai: entleert sich also am Beobachtungstage nur bis zu einem gewissen Grade. Diese Verhältnisse sind auf Abb. 4 (++-+--+) im Gegensatz zu den Normalversuchen ( -) deutlich zu erkennen (siehe unten 8. 368). Entsprechend dem Verhalten der Magenentleerung sieht man !/, Stunde nach der Fütterung einige zentimeterlange Schatten im Dünndarm, die im Laufe der folgenden Stun- den allmählich an Länge zunehmen, so daß etwa 4 Stunden nach der Fütterung nahezu das Maximum erreicht wird, also etwa 2 Stun- den später als inden Normalversuchen. Dabei rücken die Dünndarmschatten, welche in der l. und 2. Stunde in der rechten Hälfte der Bauchhöhle zu sehen sind, zwischen der 3. und 4. Stunde nach links herüber. Im weiteren Verlaufe nimmt nun die Dünndarmfüllung weder zu noch ab, sondern behält bis zum Abend dieselbe Ausdehnung. Das steht im Gegensatz zu den Normalversuchen, in denen die Dünndarmfüllung zwischen der 2. und 4. Stunde verhältnismäßig schnell und in den darauffolgenden Stunden etwas langsamer abnimmt, bis der Dünndarm nach 7 Stun- den schließlich fast völlig leer geworden ist. ee Einzelne Dünndarmschlingen waren in allen Katze (@kg) hat 2 Tage vorher Versuchen deutlich verbreitert, erschienen n ER ee zwei- bis dreimal so dick als in der Norm ten. 10 Uhr FütterungmitBarium- und deutlich lufthaltig. Diese Verbreiterung N N War "oftlso hochgradig, daß eine Verwechs- leuchtung nach !/, und danach in stündlichen Zwischenräumen. Jung mit Dickdarmschatten für den ungeübten Magen schlaff, sehr träge Antrum- BEE , 4 peristaltik, die nach 5Stunden Beobachter möglich erscheint. Rhythmische ganz aufhört. Sehr langsame Seomentierung und Dünndarmperistaltik sind Magenentleerung. (Auf !/, ver- E € kleinert.) viel seltener zu sehen als in den Normal- versuchen. Der erste Schatten im proximalen Kolon trat durchschnittlich 4!/, Stunde nach der Fütterung auf, also deutlich verspätet. Dagegen erfolgte der Übergang des Futters aus dem proximalen in das distale Kolon meistens viel schneller als in den Normalversuchen. Schon 1 Stunde nach dem Beginn der Dickdarmfüllung war gewöhnlich der erste Schatten im distalen Kolonteile zu sehen. Der Dickdarm- schatten war dabei sehr breit und lufthaltig, ähnlich wie das am Dünn- darme zu sehen war. In manchen Versuchen sah der Dickdarm ganz schlaff und gesprenkelt aus. Zwischen proximalem und distalem Kolon Cholin als Hormon der Darmbewegung. VI. 365 war in den meisten Fällen ein deutlicher Kontraktionsring zu sehen, Antiperistaltik und Peristaltik waren dagegen niemals wahrzunehmen. Am folgenden Morgen hatten sich der Magen und der Dünndarm vollständig entleert, und der Speisebrei befand sich im Dickdarm und zwar meistens bis zum Rectum herunter. Nur in einem Falle war 24 Stunden nach der Fütterung noch ein geringer Schatten von 6 cm Länge im Dünndarme zu sehen. In den nächsten 24 Stunden erfolgte keine Kotentleerung, nur in einem Falle wurde in diesem Zeitraum eine sehr geringe Kotmenge entleert. 60 oa SQ IS Q S oO der Dünndarmschaffen ın cm IS Q S Gesamtlänge 7 7 8 GREZE? 2 3 % 2 & Stunden ERESERSEREN EINER SENAT AREA ER Ee ANETTE YTTETLTTTTEN EL CREINEARTIETET EEE HEN Beige 1 7257 9057; 12057. Abb. 2. Verlauf der Magendarmbewegungen bei Katzen nach intraperitonealer Einspritzung von 0,5 ccm pro Kilogramm 2proz. Jodlösung. Die Kurven geben die Gesamtlänge der Dünndarm- schatten in Zentimetern, die horizontalen Linien darunter die Dauer der Magenfüllung, die horizontalen Linien oberhalb den Beginn der Füllung des proximalen und distalen Kolons an. Sonstige Erklärung im Text. Es war nun weiter zu untersuchen, in welchen Stadien nach der Jodeinspritzung die stärkste Magendarmlähmung zustande kommt. Daher wurde in der obenbeschriebenen Weise je ein Tier 24, 48, 72, 96 und 120 Stunden nach der Jodeinspritzung gefüttert und durchleuchtet. Das obenstehende Diagramm (Abb. 2) veranschaulicht das Verhalten der Magenbewegungen, der Dünndarmfüllung und das Auftreten von Schatten im proximalen und distalen Kolon in den verschiedenen Stadien nach der Einspritzung auf das deutlichste. Man sieht, daß die Erkrankung 24 und 48 Stunden nach der Einspritzung am stärksten ausgesprochen ist, daß die Magenentleerung nach 72 Stunden sich schon etwas gebessert hat, daß auch die Dünndarmkurve sich anfängt 366 K. Arai: der Norm zu nähern, und die Dickdarmfüllung ebenfalls verfrüht wird. 96 und 120 Stunden nach der Einspritzung bessert sich das Bild noch weiter. Die Kurven veranschaulichen, wie außerordentlich typisch und sesetzmäßig das ganze Krankheitsbild verläuft, und wie man tatsächlich durch das Röntgenverfahren einen fast quantitativen Aufschluß über den Ablauf der Störung erhält. Die Funktionsstörung geht mit den oben geschilderten pathologisch- anatomischen Befunden fast vollständig parallel. Auf Grund dieses Ergebnisses kann man also 24—48 Stunden nach der Einspritzung den Höhepunkt der Erkrankung erwarten. Die Wirkung des Cholins auf die peritonitische Magendarm- lähmung. In der nächsten Versuchsreihe wurde nun festgestellt, wie sich diese krankhafte Veränderung der Magendarmtätigkeit durch Cholinein- spritzung beeinflussen läßt. Die Vorbehandlung war die gleiche wie in der vorigen Versuchsreihe, nur wurde 20—25 Minuten nach dem Fütte- rungsschluß in die V. Saphena 10 mg pro Kilogramm Cholinchlorid in l ccm physiologischer Kochsalzlösung langsam eingespritzt. Das ver- wendete Cholinpräparat war von Herrn Dr. Le Heux aus Äthylchlor- hydrin und Trimethylamin synthetisch bereitet worden und auf Rein- heit geprüft. | Die Wirkung des Cholins auf die Motilität des Magens trat in allen Versuchen deutlich hervor. Gleich nach der Cholineinspritzung kam es zu einer außerordentlich lebhaften Verstärkung der Antrumperistaltik und außerdem zu einer Beschleunigung der Magenentleerung. Schon 5—10 Minuten nach der Injektion sieht man außergewöhnlich starke Einschnürungen im Antrumteil des Magens auftreten, welche peri- staltisch nach dem Pylorus hin verlaufen. Diese Einschnürungen sind sehr tief und die einzelnen Wellen folgen sich in Abständen von 10 bis 15 Sekunden, so daß man häufig 4 oder 5 solcher Wellen gleichzeitig im Antrumteile sehen kann. Durch diese mächtigen Magenkontrak- tionen wird das Futter nach dem Dünndarme herüber befördert, so daß der Magen bei jeder neuen Durchleuchtung an Größe abgenommen hat und schließlich 31/, Stunden nach der Fütterung vollständig leer geworden ist. Abb. 3, welche mit Abb. 1 verglichen werden muß, gibt einen deutlichen Eindruck von der geschilderten Wirkung. Man kann die beschriebene Cholinwirkung außerdem auf den Kurven der Abb. 4 verfolgen, auf welcher die gestrichelten Linien (—— + — -— ) die Nor- malversuche, die Kreuzlinien (+-+-+--) die Peritonitisversuche, die ausgezogenen Linien ( ) die Verhältnisse bei den mit Cholin behan- delten Peritonitistieren wiedergeben. Man erkennt, daß durch die Cholin- behandlung die Magenentleerung wieder vollständig normal geworden ist. Cholin als Hormon der Darmbewegung. VI. 367 Durch die beschleunigte Magenentleerung wird die Menge des in der Zeiteinheit in den Dünndarm beförderten Speisebreies stark vergrößert. Schon nach 1 Stunde wird eine Gesamtlänge der Dünndarmschatten von 34cm gemessen. Häufig kann man den schußweisen Übergang des Futters ins Duodenum beobachten. Diese Schüsse folgen ziemlich schnell aufeinander. Schon gegen Ende der 2. Stunde erreicht, gerade so wie in den Normalversuchen, die Darmfüllung ihr Maximum und nimmt dann verhält- nismäßig schnell ab, so daß am Ende der Beobachtungszeit (nach 7 Stunden) der Dünndarm sich noch vollständiger als unter normalen Bedingungen entleeren kann. In jedem Stadium der Versuche kann man deutliche rhythmische Segmen- tierung des Dünndarminhaltes und Peri- . ARE 10h 35° staltik beobachten, wodurch das Bild sich a». 3. Peritonitis. Versuch 2. Katze während der Durchleuchtung fortwährend (18kg) hat 2 Tage vorher 0,5 ccm ER an o Bi pro Kilogramm 2proz. Jodlösung in- verändert. Häufigkeit, Stärke und Aus- traperitoneal erhalten. 9h 35° Fütterung dehnung dieser Bewegungen standen jeden- mit Barium-Kartoffelbrel. Direkt da- nach 10 mg pro Kilogramm Cholin- falls denen bei normalen Tieren in keiner HClintravenös. Sehr lebhafte Antrum- Weise nach, dagegen wird der allgemeine Put A IE ee Tonus der Darmschlingen wenig beein- flußt. Trotzdem ich besonders darauf achtete, habe ich keinen nennenswerten Unterschied im Tonuszustand des Dünndarmes zwischen den peritonitischen und den mit Cholin behandelten Tieren nachweisen können. Ein Blick auf Abb. 4 lehrt, daß durch die Cholinbehandlung der Zustand bei Peritonitis durchaus verändert wird, und daß die Kurve so gut wie vollständig mit der Normalkurve übereinstimmt. Das erste Auftreten von Schatten im proximalen Kolon wird ebenfalls durch die Cholineinspritzung deutlich beschleunigt und er- folgt durchschnittlich nach 31/, Stunden, also fast zur normalen Zeit. Es dauert dann im Durchschnitt 13/, Stunden, bis die Nahrung ins distale Kolon gelangt, die Passage erfolgt also nicht mehr so abnorm schnell wie in den Peritonitisversuchen, wenn auch immer noch etwas schneller als bei normalen Tieren. Es beruht das sicherlich zum Teil darauf, daß nach der Cholineinspritzung im proximalen Kolon deutliche Anti- peristaltik auftritt. Im distalen Kolon sind in den meisten Fällen Kontraktionsringe nachzuweisen. In 4 von 6 Versuchen trat bis zum folgenden Morgen ein- oder zweimalige Kotentleerung auf, und der Dickdarm war dann am folgenden Morgen, also nach 24 Stunden voll- ständig leer, während in den anderen Fällen bis zum folgenden Morgen 368 K. Arai: sich nur der proximale Teil ganz oder fast ganz entleert hatte, und das Futter hauptsächlich im distalen Kolon bis zum Anus herunter zu sehen war. Der entleerte Kot war von normaler Konsistenz. Die geschilderten Versuche und die Kurven zeigen, daß es in diesem Falle durch Cholineinspritzung gelungen ist, die peritoniti- sche Magendarmlähmung praktisch vollständig zu be- seitigen. Es ist also ein geradezu idealer Erfolg der Therapie erzielt worden. Daß tatsächlich der peritonitische Darm durch Cholin erregt werden kann, wurde außerdem noch durch besondere Versuche extra corpus festgestellt. 2 Tage nach der Jodeinspritzung wurde einer peri- [24 IS 1 IS) Prrrrsrse tree "rau, ee N Q ww Oo Dünndarmschaften in cm IS >) S Gesamtlänge der 7 0037, 2 3 4 5 6 a: nn nn nn nn nn nn Abb.4. ---+- Normalversuche. ++-+-+ Peritonitisversuche. ———— Peritonitis-Cholin-Ver- suche. Die Kurven geben die Gesamtlänge der Dünndarmschatten in Zentimeter, die horizon- talen Linien darunter die Dauer der Magenfüllung, und die horizontalen Linien oberhalb den Beginn der Füllung des proximalen und distalen Kolons an; der Pfeil den Zeitpunkt der intra- venösen Cholineinspritzung. tonitischen Katze eine Darmschlinge, die möglichst viel Fibrinauf- lagerung, Injektion usw. zeigte, entnommen und in 70 ccm Ringer- scher Flüssigkeit aufgehängt. (In diesem Falle wurde Ringerlösung gewählt, weil der Katzendünndarm sich hierin besser bewegt als in Tyrodelösung, welche zuckerhaltig ist.) Auf Zusatz von 0,5 mg Cholin zu 70 ccm Flüssigkeit trat eine minimale Erregung, auf 1 mg eine deut- liche Zunahme der Bewegungen mit leichter Tonussteigerung und auf 5 mg eine außerordentlich starke Tonuszunahme mit Vergrößerung der Kontraktionen auf (Abb.5). Dieses Ergebnis wurde in zwei über- einstimmenden Versuchen erhalten. Parallelversuche am normalen Katzendünndarm zeigten genau das gleiche Verhalten. Es wird also Cholin als Hormon der Darmbewegung. VI. 369 der peritonitische Dünndarm durch Cholin quantitativ in der gleichen Weise erregt, wie der Dünndarm normaler Katzen. Während Weiland eine Wirkung seiner Darmextrakte auf den Dick- darm vollständig vermißt hatte, ergab sich in den Röntgenversuchen von Le Heux ein deutlicher Einfluß des Cholins auf die Passage durch das proximale Kolon, während allerdings sichtbare Bewegungen am Dickdarme durch Cholineinspritzung nicht hervor- gerufen wurden. In den experimentell therapeutischen Versuchen, welche v. Kühlewein bei der Magendarm- lähmung nach der Chloroformnarkose erzielte, zeigte sich eine deutliche Be- einflussung der Dickdarmtätigkeit und der Kotentleerung durch Cholinein- spritzung. Da auch in meinen Ver- suchen ein Effekt auf die Kotentlee- rung deutlich war, und auch ein Fort- schreiten des Inhaltes im Dickdarm nach Cholin festgestellt werden konnte, wurde es sehr wahrscheinlich, daß Cho- lin bei der peritonitischen Darmläh- mung eine deutliche Wirkung auf den Dickdarm besitzt. Da dieses eine be- trächtliche praktische Bedeutung hat, wurde esin besonderen Versuchen noch weiter sicher gestellt. Zu diesem Zwecke wurden die Tiere am Abend vorher c) 5,0 mg Cholin-HCl. Empfindlichkeit des isolierten, peritonitischen Katzendünndarmes in 70 cem Pingerlösung gegen Cholin-HCl. b) 19 mg Cholin-HCl. mit Kontrastbrei gefüttert, so daß am 5 folgenden Morgen die Nahrung voll- ©. ständig in den Dickdarm übergetreten al war, was jedesmal vor dem Röntgen- ne schirm kontrolliert wurde. Alle Tiere =E hatten 48 Stunden vorher eine Jod- einspritzung ins Peritoneum erhalten. In 5 Versuchen ohne Cholinein- spritzung wurden diese Tiere nunmehr lediglich in regelmäßigen Intervallen Pflügers Archiv f. d. ges. Physiol. Bd. 193. I) or 370 | K. Arai: durchleuchtet, und der Zustand der Nahrung im Dickdarm und etwaige Bewegungen desselben geprüft. In 5anderen Versuchen wurde 10 — 15 Mi- nuten nach der ersten Durchleuchtung Cholin-HCl langsam in die V. saphena eingespritzt, wobei die Menge des injizierten Cholins in einem Falle 10 mg pro Kilogramm, in den übrigen 15 mg pro Kilogramm betrug, weil wir durch Erhöhung der Dosis ein deutlicheres Resultat erwarteten und irgendwelche schädlichen Wirkungen dabei nicht beobachtet wurden, abgesehen von profuser Salivation, welche stets auftrat, und fibrillären Zuckungen an Rumpf und Extremitätenmuskeln, welche letztere nur manchmal gegen Ende der Injektion ganz vorübergehend zu sehen waren. In den Versuchen ohne Cholineinspritzung (Abb. 61) blieb das Röntgenbild in den aufeinander folgenden Stunden praktisch un- geändert. Mindestens 8 Stunden lang nach der ersten Durchleuchtung wurde immer noch die gleiche Lage der Schatten im Dickdarm an- getroffen, und es ließ sich weder Antiperistaltik im proximalen Kolon noch Peristaltik und Kontraktionsringe im übrigen Dickdarm nach- weisen. Nur in 2 von 5 Fällen war der proximale Teil des Dickdarms am folgenden Morgen praktisch leer, aber in den übrigen war das Futter so gut wie gar nicht verschoben. In allen Fällen ließ sich innerhalb 24 Stunden keine Kotentleerung feststellen. In den Versuchen mit Cholineinspritzung (Abb. 6 II) trat jedoch ein ganz anderes Verhalten ein. Schon nach Einspritzung von 10 mg pro Kilogramm Cholin war der proximale Kolonteil 3 Stunden nach der Injektion praktisch leer und nachts erfolgte Stuhlgang, so daß am folgenden Morgen im ganzen Dickdarm kein Schatten mehr zu sehen war. In den übrigen Fällen wurde 15 mg pro Kilogramm eingespritzt. Im 2. Falle war der proximale Teil 7 Stunden nach der ersten Durch- leuchtung, und im 3. Falle 4 Stunden nach der ersten Durchleuchtung vollständig leer, und es erfolgte einmalige Kotentleerung in der Nacht. Im 4. Falle war innerhalb 24 Stunden keine Kotentleerung zu sehen, jedoch trat ein deutliches Fortschreiten der Schatten ein, indem das proximale Kolon schon nach 3 Stunden nahezu leer und nach 6 Stunden vollständig leer gefunden wurde, und am folgenden Morgen das Futter im distalen Kolon bis zum Anus vorgeschritten war. Im 5. Falle war die Wirkung am deutlichsten; schon 2 Stunden nach der Einspritzung war das proximale Kolon fast vollständig entleert und 5 Stunden später war nach einer einmaligen Kotentleerung im ganzen Dickdarm kein Schatten mehr zu sehen. Trotzdem also ein sehr deutliches Fortschreiten der Schatten im Laufe des Versuchstages nach der Cholineinspritzung auftrat, ist es mir nicht gelungen, trotz besonders darauf gerichteter Aufmerksamkeit während der kurzen Zeiten der Röntgendurchleuchtung auch wirkliche "gaVv "JI9PURI9AuNn 48%} UHSIOW UAPU9Z]0OF UMZ SIG U9ATOIg TOPJIquLIEpYOICT Ta uouy N) :9—% ‘I '93%L, UHPU9SLOF me Zungyonoyama "IOyIoA PR pusqy we Sungsggng "opımMm YzMıdsoZum Teouogrıoderur Zunsofpof %z 34 01d ua C/ü AALLIoA AdRL, . uauap ‘uazyey 'sipuogmg "IT 'aT ‘9 [ Ar) JS Hay — — — $ ® v ® & & 8 “|. e | ff. Er .ıR BR, AG \ \eS Ss |. \ \ u IN || Na Sa | ar Na Na a A/L ‚0648 un 023 yE 27 ya Yu ” y0L = y6 US WIM — TE zme a 7 En or { Pal f ll 4/9916 ‚AUS ‚Hyn HuYE Hy AZ Yyi Yu gLy0L ‚SLyb J4rY4S Hay 4 Cholin als Hormon der Darmbeweeune. VI. A/S.UY6 ‚AS ‚Hyn JURIS HIayy A/H,0246 ‚DEYS ‚Deyn IY2ON SBP WI JuryS W104 ‚DEyh Ein bischen Stuhl in der Nacht N Arai: K. a2 -WIIBPNOICT UHP FuR gugurmg doyoımoct *Bungyonofysand U9IsI9 I9P yoru IyPırp JIH-UNOYI Zw gT—OT UOA ZUnZMIdsumg 9SOUHABIJUT :9—® "IT 9 "qqav ‚Yy6 Bupbjyris rd Bi gy 01/049 x 2 = 2 ; a >. f { Pu W \ p f e Ä 7 -n n 7 X \ Ns N _ \ 2 2 % el - L yr yE y2 % yäl yH Va rg MR zo Zop ui jynyS «1ay) ? NEUEN HG ] Br ) } r ET! ! R ; { N j ' \ ® n » q h q % I! h) a) \ N q ; C , ö N) j 2 ’ we] See ee Z 2 = > a I L A7E ‚0176 4 yn E 7 DZ ya yH a ER 1297727277 I ya Bug UNOYD 2 = ’ N @ 1 f ) a \ es ) ’ Bo 2 \_. u, & A/'EL ‚OLy6 ‚OLyS ‚Ayn ‚OlyE Ol yl ‚Olyd ‚OLyU ‚Hyd Sn ‚IL y6 20 ap 4 /yyS ya Bus u Eyoyo Baer a | ar { 4 f } \ N ) ) h % & 2 { 7 S ) I TE 2] = Ne = Lı u” — pi E EeerS =) (Bere A/U v6 us un E 2974 77 ya yu 401 ‚O£y6 y6 KY2Oy Zap 1 ]4YS 4 0 Biisı #104) nn { ‘ N t ı b ° < & l ) { ) ’ ’ { ) ] ( ’ ) ) Br e ) 0 9 ) = Du ü para J | Ve Kar er % 2 /; 7 ® “ & A/OSLYE ıHyS ‚Hyn ıHyE SLyZ 2777, ‚SLya B2277 ‚Zy4 ‚Hyb Ein bischer Stuhl nachts "A'sl ATI "AI (q "A'%C (8 Cholin als Hormon der Darmbewegung. VI. 373 Bewegungen des proximalen oder distalen Kolons zu sehen, so daß man also wird annehmen müssen, daß unter dem Einfluß des Cholins an den Dickdärmen peritonitischer Tiere nur außerordentlich langsame Kontraktionen ausgelöst werden. Das praktisch wichtige Ergebnis dieser Versuche aber ist, daß bei der Peritonitis durch Einspritzung von Cholin sich ein deutlicher Einfluß auf die gestörten Diekdarm- bewegungen ausüben läßt, und daßin fast allen Fällen es zur Kotentleerung kommt. Ebenso ließ sich am isolierten über- lebenden Dickdarme von 2 peritonitischen Katzen feststellen, daß sowohl das proximale als auch das distale Kolon in gleicher Weise durch Cholin erregt werden, wie die entsprechenden Darmteile normaler Katzen. Die minimal erregende Dosis in 70 ccm Ringerscher Flüssig- keit betrug sowohl für den peritonitischen wie für den normalen Dick- darm 0,5 mg Cholin. Ähnlich wie das in der Arbeit von v. Kühlewein geschehen ist. wurde nun geprüft, ob die schlechte Motilität des Magendarmkanals bei Peritonitis darauf beruht, daß der Darm in diesem Zustande cholin- arm wird, und ob andererseits der Erfolg der Cholintherapie auf den Ersatz des verlorengegangenen Cholins der Darmwand bezogen werden muß. Um diese Frage zu entscheiden, bestimmte ich den Cholingehalt des Dünndarms von zwei peritonitischen und zur Kontrolle von zwei normalen Katzen. Die Tiere wurden durch Nackenschlag getötet, der ganze Dünndarm heraus- genommen und ein Biodialysat hergestellt, indem zunächst der Dünndarm mehr- fach mit körperwarmer Tyrodelösung von innen und außen sorgfältig gereinigt und dann 1 Stunde bei 38° in 50 ccm Aq. dest. aufgehängt wurde, wobei beide Enden des Darmes fest zugebunden und außerhalb der Flüssigkeit gelagert waren, damit die Innenseite des Darmes mit der Außenflüssigkeit nicht in Berührung kommt. Das Dialysat wurde dann auf dem Wasserbade zur Trockne gedampft, in 10 ccm absolutem Alkohol aufgenommen, filtriert und das alkoholische Filtrat wieder zur Trockne gebracht. Der hellbraune Rückstand wurde dann in 2 ccm Tyrodelösung gelöst. Dieses Dialysat ließ ich dann auf eine überlebende isolierte Dünndarm- schlinge vom Kaninchen einwirken. Auf Zusatz von !/,ccm und 1 cem des Dialysates des peritonitischen und des normalen Katzendarmes trat eine deutliche Erregung des Testobjektes ein. Es stellte sich heraus, daß das Dialysat des peri- tonitischen Katzendünndarmes qualitativ wie quantitativ genau so wirkt wie das Dialysat des normalen Darmes [ Abb. 71)]. Zum Beweise, daß die erregende Wirkung des Dialysates wirklich durch Cholin bedingt ist, benutzte ich die Eigenschaft des letzteren, 1) Nach jeder Prüfung wurden die Darmschlingen mehrmals ausgewaschen, bis die Bewegungen wieder ganz normal wurden. 374 K. Arai: durch Acetylieren eine Wirkungssteigerung bis zum 1000fachen zu erfahren. Daher wurde 0,5 ccm des Biodialysates (entsprechend !/, des verwendeten Darmes) auf dem Wasserbade eingedampft und mehrere 2% ! :I,5 ccm t05 ccm a) b) Abb. Tau.b: Wirkung der Darmdialysate auf den normalen, isolierten, überlebenden Kaninchen- dünndarm in 70 cem Tyrodelösung. a) Zusatz von 0,5 ccm Dialysat des normalen Katzendünn- darmes. b) Zusatz von 0,5 cem Dialysat des peritonitischen Katzendünndarmes. Male mit Essigsäure-Anhydrid zur Trockne gebracht. Der Rückstand wurde in 10 ccm Aqu. dest. aufgenommen. Auf Zusatz von 0,0001 ccm des acetylierten Dialysates auf 70cem Tyrodelösung erfolgte keine ! 0,0005 ccm ': b) Abb. Sa u. b: Wirkung der acetylierten Darmdialysate auf den normalen, isolierten, überleben- den Kaninchendünndarm in 70 ccm Tyrodelösung. a) Zusatz von 0,0005 cem acetyl. Dialysat des normalen Katzendünndarmes. b) Zusatz von 0,0005 ccm acetyl. Dialysat des peritonitischen Katzendünndarmes. -f00005cem Erregung, dagegen nach 0,0005 ccm eine mäßige und nach 0,001 ccm eine starke Erregung. Diese war mit dem Acetylat des normalen wie des peritonitischen Darmes gleich stark (Abb. 8). Aus diesen Versuchen erhellt, daß bei der Peritonitis sicher kein Cholinverlust der Darmwand eintritt, und daß daher die Beeinträch- tigung der Magendarmbewegungen auf anderen Ursachen beruhen muß. Cholin als Hormon der Darmbewegung. VI. 375 Postoperative Magendarmlähmung und ihre Beeinflussung durch Cholin. Die Magendarmbewegungen bei der Katze nach Laparo- tomien. In der Nachbehandlung frisch Laparotomierter spielen die Stö- rungen der normalen Magendarmfunktion, die postoperative Magen- darmlähmung, eine sehr wichtige Rolle. Wie die Untersuchungen von Cannon und Murphy!) im Jahre 1906 gezeigt haben, wirken hierbei eine Reihe von Faktoren zusammen, unter welchen die Narkose, das Bloßliegen der Därme an der Luft, das Anfassen und Zerren, die Ab- kühlung und andere Einflüsse eine große Rolle spielen. Cannon und Murphy haben mit dem Röntgenverfahren den Einfluß dieser ver- schiedenen Faktoren quantitativ festgelest. Zur Bekämpfung dieser postoperativen Magendarmlähmung ist bis- her eine ganze Reihe von Mitteln, z. B. Peristalin, Sennatin, Hormonal, Pituitrin und andere im Laufe der letzten 10 Jahre von verschiedenen Seiten versucht worden. Es wurde denn auch über eine ganze Reihe von Erfolgen und auch von Mißerfolgen berichtet?). Im Anschluß an die im vorigen Abschnitte geschilderten Experimente wurde nun ver- sucht, ob Cholin auch auf die postoperative Magendarm- lähmung heilend wirkt. Einer der hier in Betracht kommenden Faktoren, n.1. die Chloroformnarkose, ist in der vorhergehenden Arbeit von v. Kühlewein analysiert worden. Es hat sich dabei herausgestellt, daß die schädlichen Folgen der Chloroformnarkose auf die Magendarm- bewegungen sich durch Cholin in sehr weitgehendem Maße aufheben lassen. Die Katzen wurden unter der Glasglocke mit Äther narkotisiert, ihnen dann durch die Glottis ein Gummikatheter bis zur Bifurkation der Trachea eingeführt, und mit Hilfe desselben die Athernarkose nach dem Meltzerschen Insufflations- verfahren fortgesetzt. Darauf wurde die Bauchhöhle des Tieres in einer Länge von 3—4 cm geöffnet, der Magen und Dünndarm eventriert und jedesmal 5 Minuten lang an der Luft liegengelassen. Dann wurde Magen und Dünndarm mit 4 Fingern, d. h. mit Daumen und Zeigefinger jeder Hand leicht und sorgfältig massiert, so daß der Inhalt des Magendarmkanals dadurch analwärts verschoben wurde. Darauf wurden Magen und Dünndarm wieder in die Bauchhöhle versenkt und der Bauch in zwei Etagen geschlossen. Die ganze Operation dauerte 25 bis 30 Minuten und wurde unter streng aseptischen Kautelen ausgeführt. Nach dem vollständigen Erwachen aus der Narkose, d. h. etwa 30 Minuten nach Operationsschluß, wurden die Tiere mit dem Barium-Kartoffelbreigemisch gefüttert und in regelmäßigen Zeitintervallen durchleuchtet. Durch eine derartige Laparotomie wurden die Magendarmbewegun- gen außerordentlich stark beeinflußt. In der ersten !/, Stunde nach der Fütterung war häufig noch ein Schatten im Oesophagus zu sehen. !) W. B. Cannon, The medical factors of digestion. London 1911. ?) Genauere Beschreibung über Peristaltikmittel steht in der Arbeit von F. Ebeler, Med. Klinik, Nr. 37, 1913. 376 K. Arai: Gleichzeitig füllte sich der Magen nur in seinem Fundusteil, während der Pylorusteil bis zum Ende der 1. Stunde frei von Inhalt blieb. Erst in der nächsten Stunde trat der Schatten bis zum Pylorus. Im Antrum waren dann sehr träge peristaltische Wellen zu sehen, welche von Zeit zu Zeit undeutlich wurden. Der Übertritt von Inhalt in das Duodenum erfolgte außerordentlich langsam. Häufig begann die Dünndarm- füllung erst 2 Stunden nach der Fütterung und nahm nur sehr all- mählich zu. In einem Falle begann der Übertritt in den Darm sogar erst nach 4 Stunden. Die Magenentleerung erfolgte so langsam, daß [20 oa oO I SQ S2 Q o N SQ Gesamtlönge der Dünndarmschaffen ın am ww S ON 7, 2 3 4 5 6 2 9 2 Stunden ee nn nina nenn NS Normalversuche. +++ + Laparotomie-Versuche. ——— Laparotomie-Cholin-Versuche Abb.9. Die Kurven geben die Gesamtlänge der Dünndarmschatten in Zentimeter, die horizcn- talen Linien darunter die Dauer der Magenfüllung und die horizontalen Linien oberhalb den Beginn der Füllung des proximalen und distalen Kolons an; der Pfeil den Zeitpunkt der intravenösen Cholineinspritzung. der Magen auch am Abend des Versuchstages fast noch die ursprüng- liche Größe hatte. Zu einem Übertritt von Nahrung aus dem Dünn- darm ins Coecum kam es am gleichen Tage nicht mehr; nur in einem Versuche war 7 Stunden nach der Fütterung der Beginn der Kolon- füllung zu sehen. Im Dünndarm war rhythmische Segmentierung und Peristaltik nur selten zu beobachten. Erste Stuhlentleerung fand nur in einem Falle innerhalb 30 Stunden nach der Fütterung statt, bei den übrigen blieb sie aus. Zeichnet man sich ein Diagramm der Verdauungsbewegungen (Abb. 9), so ergibt die (++-+-+-)-Linie ein völlig anderes Bild als in den Normalversuchen (—- -—.+). Man erkennt die Dauer der Cholin als Hormon der Darmbewegung. VI. 3717 Magenfüllung während des ganzen Versuchstages, das verspätete Ein- treten und das außerordentlich langsame Ansteigen der Dünndarm- füllung und das vollständige Fehlen eines Schattens im Dickdarm während des Versuchstages. Die Wirkung des Cholins auf die postoperative Magen- darmlähmung. Um die Cholinwirkung auf diesen Krankheitszustand zu studieren, wurden die Tiere genau in der gleichen Weise vorbehandelt, und sorg- fältig darauf geachtet, daß sowohl die Narkose als auch die mechanische Manipulation und die anderen Einflüsse möglichst genau so gehalten wurden, wie in den Versuchen ohne Cholin. Es wurden dann in der ersten halben Stunde nach der Fütterung 10 mg Cholinchlorid in 1 cem physiologische Kochsalzlösung pro Katze (nicht pro Kilogramm) in die V. saphena eingespritzt. Die Dosis war also in dieser Versuchsreihe wesentlich kleiner als in der erstgeschilderten Reihe mit peritonitischen Tieren. 10—15 Minuten nach der Einspritzung kann man bereits den Über- gang des Futters aus dem Fundus in den Pylorusteil und eine lebhafte Antrumperistaltik nachweisen. In manchen Fällen sieht man sogar schon um diese Zeit den schubweisen Übergang des Inhaltes ins Duo- denum. Zahl und Stärke der peristaltischen Antrumwellen schien viel größer zu sein als unter normalen Bedingungen. Der Magen nahm von der 2. Stunde nach der Fütterung an allmählich an Größe ab und wurde meistens zwischen der 5. und 6. Stunde vollständig leer, während die Dünndarmfüllung in der 3. Stunde ihr Maximum erreicht hatte, und der Inhalt allmählich nach dem Dickdarm verschoben wurde, wo der erste Schatten etwa 33%/, Stunden nach der Fütterung zu sehen war. Rhythmische Segmentierung und Peristaltik waren im Dünndarme auffallend stark zu sehen. Infolgedessen nahm auch die Dickdarm- füllung schnell zu, so daß am Ende der 7. Stunde der erste Schatten im distalen Kolon auftrat. In allen Fällen erfolgte wie in der Norm innerhalb 24—30 Stunden eine einmalige Kotentleerung. Abb. 9 veranschaulicht dieses therapeutische Ergebnis auf das deutlichste. Die punktierte Linie (—-— -— ) entspricht den 6 Normal- versuchen, die Kreuzlinie (+++) 6 Laparotomieversuchen, die ausgezogene Linie ( — —- -) entspricht den 6 Laparotomieversuchen, in welchen nachher Cholinchlorid eingespritzt wurde. Man sieht den deutlichen Einfluß des Cholins auf die Magenentleerung und erkennt, daß die Form der Kurve der Dünndarmfüllung so gut wie vollständig normal geworden ist und nur etwa um so viel nach rechts verschoben wurde, als der Einspritzung des Cholins nach der Fütterung entspricht. Auch die Zeit für die Füllung des proximalen und distalen Kolons und 378 K. Arai: die Passage durch das proximale Kolon sind nahezu normal. Es ist anzunehmen, daß, wenn in dieser Versuchsreihe die Cholindosis ebenso groß genommen wäre wie in der ersten Versuchsreihe mit Peritonitis, auch in diesem Falle das Bild ein vollständig normales geworden sein würde. Aber auch die verwendete kleinere Dosis hat einen außer- ordentlich deutlichen Einfluß auf die postoperative Magendarm- lähmung ausgeübt. Bei der Sektion einer derartig behandelten Katze, welche in der 6. Stunde nach der Fütterung zu diesem Zwecke getötet wurde, fand sich das Fehlen jeder abnormen Veränderung im Magen, Darm und den anderen Organen, und es ließ sich ferner die gleiche Verteilung des Magendarminhaltes nachweisen, wie sie vorher auf dem Röntgen- schirm zu sehen gewesen war. Der Magen war fast leer und enthielt nur etwa 5 ccm eines mit Magensaft stark verdünnten schwach barium- haltigen flüssigen Inhaltes von schwach saurer Reaktion. Im Dünn- darm, besonders im lleum fand sich in einer Ausdehnung von 22cm Inhalt von der für diesen Darmabschnitt charakteristischen Konsistenz, während der Dickdarm bis zum Beginn des distalen Kolons mit dickem Bariumbrei gefüllt war. Versuche über die Cholinwirkung auf die Dickdarmbe- wegungen bei laparotomierten Katzen. Ebenso wie in der Versuchsreihe mit Peritonitis wurden auch an den laparotomierten Tieren besondere Experimente über die Wirkung des Cholins auf die beeinträchtigten Dieckdarmbewegungen angestellt. Die Tiere hungerten mindestens 24 Stunden vor dem Versuche. Der Dickdarm wurde abends oder kurz vor der Operation durch einen Einlauf von lauwarmem Wasser entleert. Dann wurde in Äthernarkose nach dem Meltzerschen Insuffla- tionsverfahren die Bauchhöhle 3—4 cm weit in der Mittellinie eröffnet, der Dick- darm sorgfältig herausgebracht und 5 Minuten lang an der Luft liegengelassen und darauf mit 4 Fingern leicht analwärts massiert. Nach dieser Manipulation wurde der Dickdarm wieder in die Bauchhöhle zurückgeschoben und die Bauch- wand zugenäht. Eine Stunde nach der Operation wurde das von Cannon an- gegebene Milch-Eierklystier eingeführt; dieses besteht aus 100 ccm Milch, 2 g Stärkemehl, 1 Ei und 25 g Bariumsulfat, welche in einer Schale so lange aufge- kocht werden, bis eine bestimmte breiartige Konsistenz erreicht ist. Hiervon wurden jedesmal 50 ccm ins Rectum eingeführt, was sehr langsam und nicht stoß- weise geschehen muß und meistens 5—7 Minuten dauerte. Die Versuche gliedern sich in 3 Reihen. Jede Versuchsreihe besteht aus 5 Versuchen, nämlich: 1. Versuche, in welchen lediglich der Zustand des eingeführten Klys- mas und die Dickdarmbewegungen in den sich folgenden Beobach- tungsstunden genau festgestellt wurden. 2. Versuche, in welchen das Cholin sofort eingespritzt wurde, um den Einfluß desselben auf die Bewegungen des distalen Kolons zu sehen. Cholin als Hormon der Darmbewegung. VI. 379 3. Versuche, in welchen das Cholin erst dann eingespritzt wurde, wenn der eingeführte Brei in das proximale Kolon bis zum Coecum übergetreten war, um die Beeinflussung der Bewegung dieses Kolon- abschnittes festzustellen. Erste Versuchsreihe (Abb. 10 I). Direkt nach der Einspritzung blieb der Brei zunächst im distalen Kolon liegen und wurde erst nach einiger Zeit ins proximale Kolon und Coecum heraufbefördert. Die Zeit, nach welcher der Brei im Coecum anlangt, ist verschieden, doch war im Durchschnitt nach 1—2 Stunden ein mehr oder weniger dicker Schatten im proximalen Kolon zu sehen. Bei den operierten Katzen ließen sich im Dickdarm keine Bewegun- gen auf dem Röntgenschirme feststellen. Weder Antiperistaltik im proximalen noch Peristaltik im distalen Kolon waren zu sehen. In den weiteren Beobachtungsstunden kam es nur zu einer ganz minimalen Verschiebung des Inhaltes im proximalen Teil, so daß in 2 von 5 Fällen einige Zentimeter lange Dünndarmfüllung zu sehen war, welche erst 2 bzw. 5l/, Stunden nach dem Klystier auftrat, und nach mehreren Stunden spontan wieder verschwand. Der Übertritt von derartigen Klystieren aus dem proximalen Kolon in den Dünndarm ist bei nor- malen Katzen bereits von Öannon und anderen beobachtet worden. Bei den laparotomierten Tieren ist dieser Übertritt deutlich gehemmt. Die Kotentleerung erfolgte ganz regellos, wie die nachstehende Tabelle zeigt. Die Entleerung geschah niemals vollständig, sondern hauptsächlich aus dem distalen Kolon; nach der Entleerung blieb das Röntgenbild mehrere Stunden und in einem Falle sogar bis zum folgenden Morgen vollständig ungeändert. Tabelle II. Versuche ohne Cholin, Worte Entleerung des eingeführten Klysmas nach Stunden nummer | 0-4, | 37,-—1 12 | 23 | 34 | 45 56 fl | | größtenteils 2 etwas | | | etwas 3 | | größtenteils 4 etwas | IR etwas B) | | | etwas Zweite Versuchsreihe (Abb. 10 II). Spritzt man direkt nach dem Klystiere durch eine vorher bei der Operation in die V. jugularis externa eingebundene Venekanüle 15 mg pro Kilogramm Cholinchlorid intravenös ein, so ist das Bild ganz anders als in der vorigen Versuchsreihe. Das angegebene Klysma wurde ausnahmslos innerhalb 3 Stunden nach der Einspritzung "Ul[oUy BUUO :9—% ‘TI "BUIsAIM ı9d T9IqUInLIBE UONDIP 9SONIEN I9p SUR UHYIBAAHT WUOP U9RBUu U9YTOTUI9 U9ZIBM 9ICT "SOUNBPNOLTSOP OBessu N pun otWLogoABdeT :IN—I or "day JHWS som/3 DT \ r ——i A ’ \| (9 A 4 L E L ‚OLyS ‚OlyrR ‚OL yt OLYEL ‚ObyH ‚DyH UMS SOMJa u Die | | ’ [ ‘ N I (p N) J er b S Se L IE E (0 == ‚DEYE ‚GLyS ‚Lynn ‚SLyE ‚Hyd ‚SLuÜL HyE ‚GHYU ‚gLytt BZ, IUYS uU9ZIOM r kr = .. uogsyowu wy 'z S < ( (0 hd : I (m 1774 Yf ydu ıSEyl yU IYUYS SDA 1/3 IYIS som,2 y 4 ] | 5 & (a / ’ mr L | = | .Ocyh ‚OS yE ‚OSYU ‚DEyYU ‚051401 JUUS Br \ A =] = 22er | | | “ & | N \ Q, = an | = II — L ie L rel Bee] 72779 ‚IGnYU ‚Hyh ‚sAyWA (1974811 wOp pet IM9IP) EN = & — Cholin als Hormon der Darmbewegung. VI. 381 (direkt nach dem Klistier Ser ) ar MA2O' m : FR ganz BL leer ıF_ k Sr | T Suhl 1R70' JIR2O' rryo' JERZO +hm' FF 7] r 1 Q > nu IN S - eG a N ? S ’ — RS ‚+ IA N etwas Stuhl Stahl MEZON Ry5' 727720 7R20' 2R20' —S eiri2 | I S | S: - | — G | R A j je | | | Suhl arr20' 12720 7%20' N r er \ N \ x ST N A E | etwas Stuhl Stuhl 3Rr20' Abb. 10II, a—e: 15 mg pro Kilogramm Cholin-HCL direkt nach dem Klysma, entleert, und zwar so vollständig, daß fast kein Rest mehr im Dick- darm zurückblieb. Überblickt man die nachstehende Tabelle, in welcher die Kotentleerung nach dem Klystiere angegeben ist, und vergleicht sie mit der vorstehenden, so ergibt sich ein deutlicher Unterschied zwischen den beiden Versuchsreihen. Tabelle III. Versuche mit Cholin. Versuchs- Entleerung des eingeführten Klysmas nach Stunden nummer 0-7, To 2-3 are: l |\vollständig | 2 etwas | etwas vollständig 3 etwas | fast vollständig 2 | etwas |vollständig | De ‚vollständig | 382 K. Anai: Diese schnellere Entleerung beruht auf den durch Cholin gesteigerten Bewegungen des distalen Kolonteiles, wie auf dem Röntgenschirm deut- lich zu erkennen ist. Man sieht schon 5—10 Minuten nach dem Schluß der Einspritzung kräftige Kontraktionen an dem vorher ganz schlaff daliegenden gefüllten distalen Kolon eintreten, die etwa an der Grenze zwischen proximalem und distalem Kolon beginnen und sehr langsam analwärts ziehen, so daß häufig 3—5 Wellen gleichzeitig zu sehen sind. Diese Bewegungen waren zu sehen, solange der Dickdarm seinen Inhalt behielt, und wiederholten sich periodisch. Nur in einem von 5 Fällen waren sie nicht deutlich zu erkennen. Dieselben nehmen im Rectum an Tiefe zu, so daß hier der Brei zum Anus befördert wird, bis ein Teil oder der ganze Inhalt entleert wird. In 3 Fällen ließ sich der Entleerungsmechanismus vor dem Schirme beobachten. Dritte Versuchsreihe (Abk. 10 III). In der dritten Versuchsreihe wurde das Cholin meistens 1 Stunde (in 2 Fällen 2 Stunden) nach dem Klistiere eingespritzt, nachdem jedesmal das Bild vor der Injektion durch Röntgendurchleuchtung festgestellt war. Auch in diesen Versuchen traten dieselben Befunde am distalen Kolon auf, die bei der vorigen Versuchsreihe geschildert worden sind, nämlich gesteigerte Bewegungen, schnellere Entleerung des Klysmas usw. Aber auch im proximalen Kolon war die Wirkung des Cholins deutlich zu sehen. In allen Fällen traten mehr oder weniger starke Kontraktionen in dem vorher bewegungslosen oder höchstens undeutliche Bewegungen zeigenden Dickdarmabschnitte auf, und in 3 Fällen waren sie ganz besonders stark ausgesprochen. Diese Bewegun- sen im proximalen Kolon begannen etwa 5—10 Minuten nach der Cholineinspritzung, also gleichzeitig mit denen des distalen Kolons. Sie nahmen an der Grenze zwischen beiden Kolonabschnitten ihren Anfang und liefen langsam cöcalwärts, so daß man häufig mehrere tief eingeschnürte Kontraktionsringe gleichzeitig beobachten konnte. Die einzelnen Bewegungen dauerten etwa 1 Minute und wiederholten sich in Pausen von einigen Minuten. Durch diese Antiperistaltik wurde _ der Brei in der Richtung nach dem Coecum heraufbefördert. Die Folge hiervon war eine mehr oder weniger starke Dünndarmfüllung. Die Antiperistaltik dauerte so lange, als das proximale Kolon stärker ge- füllt war. Der Übertritt in den Dünndarm begann gewöhnlich mit dem Einsetzen der gesteigerten Bewegungen im Coecum und verschwand spontan nach einigen Stunden, worauf der schattengebende Brei wieder in den Dickdarm zurückbefördert wurde. Die Dünndarmschatten selbst waren verhältnismäßig dünn, rhythmische Segmentierung konnte ich an ihnen nicht beobachten. Cholin als Hormon der Darmbewegung. VI. (direkt nach dem Klistier) 12"70' 1% 10° 7A30' 2f.70’ gro’ yhzo' 383 12rr0' 2R zo’ 72R20' 7A20' 72R30' 2ZR20' | rer L. wos Sfuhl 3h7no' 4A20° “ e/was Stuhl p® L —— sowanva Dyosd Diurgy W049 I et N N == 12h25' 7720° IR35° 2fzo: 3R29° 4R2ZO' RL RR f- | I elle J | Suhl Yuhl Abb. 10 II, a—e: 15 mg pro Kilogramm Cholin-HCL 1—2 Stunden nach dem Klysma. Die kleinen Pfeile auf den Abbildungen zeigen die Bewegungen der betreffenden Diekdarmabschnitte. Deutlicher Einfluß auf den Diekdarm. Zusammenfassend läßt sich sagen, daß die intravenöse Einspritzung von Cholin in den bei dieser Versuchsreihe verwandten größeren Dosen die Bewegungen des Dick- darmes nach Laparotomien bei Katzen außerordentlich steigert, und zwar sowohl die Antiperistaltik des proximalen als auch die Peristaltik des distalen Kolons. Hierdurch kommt es zu einem beschleunigten Abtransport des Dickdarminhaltes nach dem Rectum zu. Spätestens nach 3 Stunden erfolgt Stuhlgang, wonach in der Mehr- zahl der Fälle der Dickdarm vollständig leer ist; in der Minderzahl der Fälle findet sich noch ein Rest im distalen Kolon, während im proxi- malen Kolon fast stets kein Inhalt mehr vorhanden ist. 384 K. Arai: Es ergibt sich also aus allen diesen Versuchen, daß die durch Laparotomie und mechanisches Mißhandeln des Magendarmkanals ausgelöste Funktionsstörung sich durch Cholineinspritzungen so gut wie vollständig beheben läßt. Im Anschluß hieran wurde nun ebenso wie in der Versuchsreihe mit Peritonitis untersucht, ob die postoperative Magendarmlähmung von einem zu geringen Cholingehalt des Darmkanals abhängig ist. Der sesamte Dünndarm einer operierten, zur Kontrolle auch der einer normalen Katze, wurde in je 50 ccm körperwarmem destillierten Wasser aufgehängt, nachdem sie mit körperwarmer Tyrodelösung mehr- fach ausgewaschen und ausgespritzt und an beiden Enden fest ab- gebunden waren. Nach einstündiger Extraktion wurde die Außen- a) Abb. 1la u.b: Wirkung der Darmdialysate auf den normalen, isolierten, überlebenden Kaninchen- dünndarm in 70 ccm Tyrodelösung,. a) Zusatz von 0,5 cem Dialysat des normalen Katzendünndarmes. b) Zusatz von 0,5 cem Dialysat des Dünndarmes einer laparotomierten Katze. Gleich starke Erregungswirkung. flüssigkeit auf dem Wasserbade getrocknet, der Rückstand mit 10 ccm absolutem Alkohol extrahiert, filtriert und das Filtrat vorsichtig und langsam abgedampft. Der erhaltene hellbraune Rückstand wurde dann in 2ccm Tyrodelösung gelöst. Wie Abb. 11 zeigt, wirkt 0,5 ccm des Extraktes vom Darm des operierten sowohl wie des normalen Tieres in derselben Stärke erregend auf den isolierten Kaninchendünndarm in 70 cem Tyrodelösung. Eine weitere Versuchsreihe hatte dasselbe Er- gebnis. Hieraus ergibt sich, daß die postoperative Magendarmlähmung nicht auf einem Mangel von Cholin im Magendarmkanal beruht. Die günstige Wirkung des Cholins bei diesem Zustand kann daher nicht auf einen Ersatz des verlorengegangenen Cholins in der Darmwand, sondern muß auf eine Erhöhung des Cholinbestandes im Blute oder Darme zurückgeführt werden. Cholin als Hormon der Darmbewegung. VI. 385 Zur Bestimmung der kleinsten Dosis, welche noch imstande ist, nach Laparo- tomie und Massieren des Magens und Dünndarms die Magendarmlähmung günstig zu beeinflussen, kann folgendes dienen: in den meisten Versuchen wurden 10 mg bei Tieren von durchschnittlich 2 kg Gewicht eingespritzt, also etwa 5 mg pro kg. In einem Falle wurden 10 mg bei einer Katze von 3 kg injiziert, also etwa 3 me pro kg. Noch 3 Stunden nach der Fütterung war in diesem Versuche der Magen- fundus schlaff und weder Antrumperistaltik noch Dünndarmfüllung zu sehen. 3 Stunden später wurden nochmals 7 mg, also 2,3 mg pro kg intravenös injiziert. 3/, Stunden nach dieser zweiten Einspritzung füllte sich der Pylorusteil endlich, eine träge Magenperistaltik begann, so daß erst 5 Stunden nach der Fütterung die Dünndarmfüllung 18 cm und in der letzten Beobachtungsstunde am Abend 31 cm betrug, ohne daß es an diesem Tage noch zu Diekdarmfüllung gekommen wäre. Am nächsten Morgen fand sich das Futter hauptsächlich im Dickdarm und nur noch 7 cm im Dünndarm. Bei der Sektion dieser Katze konnte keine pathologisch-anatomische Abweichung makroskopisch festgestellt werden. Soweit man aus einem derartigen Versuch Schlüsse ziehen kann, würde sich hieraus ergeben, daß eine Einzeldosis von 3 mg pro kg bei der Katze nicht genügt, um die Magendarmlähmung nach Laparotomie in hinreichender Weise aufzuheben. Versuche über die Wirkung des Cholins auf den isolierten Diekdarm. Le Heux konnte in seinen Versuchen über die Wirkung des Cholins auf die Magendarmbewegungen normaler Katzen mit dem Röntgen- verfahren feststellen, daß die von ihm verwendeten kleinen Cholindosen (etwa 5 mg pro Kilogramm) keine deutlichen auf dem Röntgenschirm sichtbaren Bewegungen des Dickdarmes hervorriefen, sondern nur zu einer beschleunigten Passage durch das proximale Kolon führten. Sowohl in den Versuchen von v. Kühlewein als in den in dieser Arbeit geschilderten Experimenten hatte sich ergeben, daß bei der Magendarmlähmung, die durch Chloroformnarkose, Peritonitis und Laparotomie hervorgerufen wird, etwas größere Dosen (etwa bis zu 15 mg pro Kilogramm) eine außerordentlich deutliche Wirkung auf die Diekdarmbewegungen ausüben, wie sie vor allem in der vorstehenden Arbeit geschildert werden konnte. Dieses Ergebnis ließ an den alten Angaben von Weiland aus dem hiesigen Laboratorium zweifeln, nach welchen die von ihm hergestellten Darmextrakte (Biodialysate), deren Wirkung, wie wir jetzt wissen, auf Cholin beruht, keine Wirkung auf den Dickdarm besitzen sollten, und zwar beziehen sich alle Angaben Weilands sowohl auf den iso- lierten Dickdarm als auch auf das Studium der Diekdarmbewegungen nach dem. Röntgenverfahren an Katzen. Aus diesem Grunde habe ich die direkte Wirkung des Cholins auf den überlebenden isolierten nor- malen Dickdarm nochmals untersucht und dabei auch den Befund von Weiland mit dessen Darmextrakten nochmals geprüft. Zu diesem Zwecke wurden 3 Katzen und 3 Kaninchen durch Nackenschlag getötet, aus den Carotiden verblutet, der ganze Darm einschließlich des Dickdarmes Pflügers Archiv f. d. ges. Physiol. Bd. 193. 26 386 K. Arai: herausgenommen und sorgfältig von innen und außen mit körperwarmer Salz- lösung gereinigt. Auch der Darm eines Affen, der nach Athernarkose gestorben war, diente zu diesen Versuchen. In jedem Falle wurde je ein 3—4 cm langes Stück vom Dünndarm, dem proximalen und distalen Kolon entnommen und in 70 ccm Tyrodelösung (bei den Katzendärmen Ringerlösung) aufgehängt. Der überlebende Dickdarm beschreibt viel unregelmäßigere Kur- ven als der Dünndarm, und zwischen den einzelnen Präparaten zeigen sich große Verschiedenheiten in der Form der Kurven. Trotzdem behält ein und dasselbe Präparat stundenlang fast gleichen Tonus, gleiche Amplitude und gleichen Rhythmus bei. Nachdem deren Kon- stanz festgestellt war, wurde die zur Erzielung einer Cholinwirkung nötige Minimaldosis bestimmt. Die Ergebnisse der verschiedenen Ia Ib Ila Ilb Abb. 12. Wirkung des Cholin-HCL auf den normalen, isolierten, überlebenden Katzendickdarm in 70 cem Ringerlösung Ia und Ib proximales Kolon. Ia und Ila 0,5 mg Cholin-HCL. ITa und IIb distales Kolon. 1b und IIb 1.0 mg Cholin-HCL. Versuche stimmen befriedigend überein. Ein Zusatz von 0,1 mg Cholin- chlorid auf 70 cem Flüssigkeit ruft eine unsichere, eine solche von 0,5 mg in jedem Falle eine sichere Erregung mit mehr oder weniger starker Tonuszunahme des Darmes hervor. Bei Zusatz von lmg war stets eine kräftige Wirkung zu erzielen. Es entspricht dieses einer Verdünnung von 1: 70000 (siehe Abb. 12). Irgendein wesentlicher Unterschied in der Erregbarkeit des Dünn- und Dickdarmes und auch in der Erregbarkeit des proximalen und distalen Kolons fand sich bei den 3 untersuchten Tierarten (Katze, Kaninchen und Affe) nicht. In allen Fällen wurde dasselbe Ergebnis erzielt. Es stellte sich also heraus, daß das Cholin auf den überlebenden Diekdarm und zwar sowohl auf das proximale wie auf das distale Kolon qualitativ sowie quantitativ in der gleichen Weise einwirkt wie auf den überlebenden Dünndarm. Cholin als Hormon der Darmbewegung. VI. 387 Versuche am überlebenden Dickdarm mit Biodialysaten. Einem frisch getöteten Kaninchen wurde der 72g schwere Dünn- darm entnommen, sorgfältig von innen und außen gereinigt und 1 Stunde lang bei 38° in 50 ccm Tyrodelösung aufgehängt, ohne daß die Innen- seite des Darmes mit der Flüssigkeit in Berührung kommen konnte. Die Wirkungsweise dieses Dialysates wurde am überlebenden isolierten Dickdarm, und zwar sowohl dem proximalen wie dem distalen Kolon und zur Kontrolle auch am isolierten Dünndarm geprüft. 1 cem wirkte minimal erregend, während 5ccm eine deutlich erregende Wirkung entfalteten und 15 ccm stark wirkten. Der Effekt war sowohl auf das proximale wie auf das distale Kolon ungefähr der gleiche wie am Dünn- darm. Diese Versuche zeigen also, daß sowohl Cholin als auch das Bio- dialysat des Dünndarmes auch auf den Dickdarm erregend wirkt und daß die ursprüngliche Angabe von Weiland auf einem Irrtum beruht, dessen Ursache sich jetzt nicht mehr feststellen läßt. Es ist also durchaus verständlich, daß in meinen experimentell- therapeutischen Versuchen sich mit Cholin eine so starke Wirkung am Dickdarme erzielen ließ. Bestimmung der Giftigkeit des Cholins. Nachdem sich in den vorher geschilderten Versuchen ergeben hatte, daß dem Cholin eine sehr starke therapeutische Wirkung bei experi- mentell hervorgerufenen Magendarmlähmungen zukommt, ist die Grundlage für die klinische Anwendung am Menschen geschaffen. Es ist daher nötig, eine genaue Kenntnis der tödlichen, toxischen und der unschädlichen Dosis in ihrem Verhältnis zu den therapeutisch wirk- samen Mengen zu gewinnen. In der Literatur finden sich bereits zahlreiche Angaben, welche sowohl bei Tierexperimenten, als auch bei der klinischen Anwendung des von Werner eingeführten Enzytols (borsaures Cholin) bei der Röntgentherapie am Menschen gewonnen worden sind. Gaethgens!), der die erste experimentelle Untersuchung über Cholin ausführte, stellte fest, daß große Dosen die Tiere durch Atem- lähmung töten. Nach Böhm?) ist Cholin verhältnismäßig ungiftig. Von den Säuge- tieren sind Katzen am empfindlichsten. Bei Kaninchen rufen 0,7 & keinerlei Lähmungserscheinungen hervor. Dosen unter 0,3g haben auch bei Katzen, abgesehen von einer rasch vorübergehenden, un- erheblichen Salivation, niemals deutliche Vergiftungserscheinungen zur Folge. 1) Gaetgens, Dorpater mediz. Zeitschr. 1870. ?) Böhm, Arch. f. experim. Pathol. u. Pharmakol. 19. 1885. 26* 388 K. Arai: Asher und Wood!) beobachteten bei Hunden und Kaninchen, daß intravenöse Einspritzung von 0,01 —0,05 g pro Kilogramm des Merk- schen Präparates einen vorübergehenden mehrere Minuten anhaltenden Atemstillstand verursachte. Mott und Halliburton?) untersuchten eingehend die Wirkung auf den tierischen Organismus und beobachteten, daß Hunde und Katzen die Cholinvergiftung besser vertragen können als Kaninchen; die angewandten Dosen betrugen etwa 0,001 mg Cholin pro Kilogramm, und die Autoren geben ausdrücklich an, daß es ihnen niemals gelang, ein Tier mit Cholin zu töten. Die Respiration wurde wenig oder gar nicht beeinflußt. Lohmann?) isolierte aus den Nebennieren eine Substanz, die nach seinen Angaben Cholin ist. Dieser Körper schien besonders heftig auf Katzen zu wirken. 0,0368 waren für ein Tier von 1560 g tödlich. Bei einer Katze, welche vorher eine dreimalige intravenöse Einspritzung von Cholinchlorid von im ganzen 0,0266 2 erhalten hatte, war eine weitere Injektion von 0,0376 g desselben Präparates tödlich, und bei einer anderen Katze, welche vorher im ganzen 0,042 & in mehreren Injektionen erhalten hatte, trat nach einer weiteren Einspritzung von 0,017 g der Tod ein. Modrakowski?) beobachtete, daß 0,0037 g pro Kilogramm des käuflichen Cholins ein Kaninchen, und 0,006 & pro Kilogramm desselben Präparates einen Hund tötete. Karl Vogt?°) untersuchte die Giftwirkung des Cholins auf ver- schiedene Tierarten und fand, daß eine Katze von 2,5 kg, welche am l. Tage 0,28, am 2. Tage 0,49 und am 3. Tage 0,5 g (subcutan ?) ein- gespritzt bekam und diese Dosis gut vertragen hatte, nach einer 4. In- jektion von 1g (also 400 mg pro Kilogramm) innerhalb 15 Minuten zugrunde ging. Dreyfus®) fand bei einer Untersuchung über die Giftigkeit ver- schiedener Ptomaine für Kaninchen, daß die tödliche Dosis des Cholin- chlorids 0,0011 g pro Kilogramm bei intravenöser und 1 g pro Kilogramm bei subceutaner Injektion beträgt. Aus dieser Zusammenstellung ergibt sich, daß die Angaben der ver- schiedenen Autoren beträchtlich voneinander abweichen und sich teil- 1) Asher und Wood, Zeitschr. f. Biol. 3%, 307. 1899. ®) Mott and Halliburton, Philadelphia monthly medical Journal 1899, July (zitiert nach Modrakowski). ?) Lohmann, Arch. f. d. ges. Physiol. 118, 215. 1907. #) Modrakowski, Arch. f. d. ges. Physiol. 124, 601. 1908. ®) Karl Vogt, Sitzungsberichte und Abhandlungen der naturforschenden Gesellschaft zu Rostock. Neue Folge. Bd. 1. Sept. 1909. %) Dreyfus, Lucien, Compt. rend. de la soc. de biol. 83, Nr. 17, 481. 1920. Cholin als Hormon der Darmbewegung. VI. 389 weise widersprechen. Es erschien daher wünschenswert, die Giftwirkung des Cholins noch einmal zu untersuchen, um eine Basis für die Anwen- dung am Krankenbette zu schaffen. Tabelle IV. Bestimmung der Giftwirkung des Cholins bei Mäusen (subeutan). = | ERE= Subcutan #1 &3| injizierte le 2 |Cholinmenge Erfolg Symptome 2 | & A & ; © | in |ı mg ” | g |cem |pr.kg 1 | 25 |025| 10 Kein Einfluß 2 | 18 [0,18 | 100 Fast kein Einfluß 3 | 20 10,40, 200) Erholung Sehr leichte Atemverlangsamung 4 20 [0,60 | 300] Erholung Sehr leichte Atemverlangsamung 5 | 20 | 1,00 ‚1000 Tod | Sehr starke Unruhe, Atemverlangsamung u. | | Dyspnöe, starke Salivation, Krämpfe, | | Atemstillstand in 6”. 6 | 20 [0,50 500] Erholung | Unruhe, Atemverlangsamung, keine Sali- | vation, vollkommene Erholung nach 45'. 7, 17 10,60 | 700 Tod Starke Unruhe, Atemverlangsamung und Dys- | | pnöe, Salivation, Zuckungen der Extremi- | täten, Atemstillstand in 14’ s | 21 |0,63 | 600] Erholung Fast dieselben Erscheinungen wie oben, keine | | Zuckungen, vollkommene Erholung nach | Ih 30’ 9 | 16 [0,56 700 Tod Starke Unruhe, Atemverlangsamung und | | Dyspnöe, starke Salivation, Atemstillstand \ | | nach 20’ 10 | 20 [0,60 600] Erholung Fast dieselben Erscheinungen wie oben, sehr | leichte Salivation, vollkommene Erholung nach 1h: 20’. Das Cholin wurde in physiologischer Kochsalzlösung gelöst und unter die Rückenhaut eingespritzt. Wenn man eine tödliche Cholin- dosis subcutan gibt, so wird das Tier schon direkt nach der Einspritzung sehr unruhig, läuft im Becherglase herum und zeigt starke Reflex- erregbarkeit. Nach einigen Minuten wird das Tier verhältnismäßig ruhig, die Atmung stark verlangsamt, vertieft und dyspnoisch, die Zitterbewegungen der Schnurrhaare sind deutlich zu sehen. In diesem Stadium tritt profuse Salivation, manchmal auch Tränenfluß auf, die Atembeschwerden werden dann immer stärker, bis das Tier unbeweg- lich daliegt, und innerhalb 14—20 Minuten nach der Einspritzung an Atemstillstand zugrunde geht. Bei der Sektion unmittelbar nach dem Atemstillstand wurde ausnahmslos beobachtet, daß das Herz noch 10—30 Minuten weiter schlägt, und endlich diastolisch stillsteht. An den verschiedenen Organen waren keine nennenswerten makroskopi- schen Veränderungen festzustellen. 390 K. Arai: Aus dieser Versuchsreihe (siehe Tabelle IV) ergibt sich, daß Dosen bis 300 mg pro Kilogramm außer leichter Verlangsamung der Atmung keine Wirkung hervorrufen, daß auf 600 mg noch Erholung eintritt, während 700 mg pro Kilogramm tödlich sind. Bestimmung der Giftwirkung des Cholins bei Katzen nach intravenöser Einspritzung. Tabelle V. Bestimmung der Giftwirkung des Cholins bei Katzen (intravenös). ee | B N ER SCHEEE Far = 'Körper- Cholininjektion 4 N Risse] \ D A) : me 2 1 . R ge 5 Tsche ; 3 | ; g ” gew Ergebnis Erscheinungen nach der Einspritzung „|| ın mg |: ol ‚Do | in Sek. PP kg ccm ‚pro kg 17 1:97.21 0,78: | 100: 50 Tod Starke Salivation u. Tränenfluß, fibril- | | | läre Zuckungen, Atemstillstand. 2 | 1,50 |1,00 | 50. | 50 Tod Starke Salivation u. Tränenfluß, fibril- | | | läre Zuckungen, Atemstillstand 3 | 1,43 | 0,72 | 25 50 | überlebt | Starke Salivation u. Tränenfluß 4 | 1,70 |0,60 | 35 | 90 Tod Starke Salivation u. Tränenfluß, Atem- | | | stillstand | 30 | 40 Atem- | Fast dieselben Erscheinungen wie oben, | | stillstand, 4’ langer Atemstillstand, durch künst- | | überlebt liche Atmung gerettet 5 || 1,01 | 0,61 In dieser Versuchsreihe wurde das Cholin sehr langsam innerhalb 40 —90 Sekunden in die V. saphena eingespritzt. Schon gegen Ende der Injektion tritt in allen Fällen starke Salivation und Tränenfluß auf, während fibrilläre Zuckungen der Rumpf- und Extremitätenmuskulatur nur in den Fällen mit Atemstillstand zu sehen waren. Die Todesursache ist in allen Fällen Atemstillstand. Nach Schluß der Injektion ist das Tier ruhig und die Atmung beträchtlich verlangsamt. Im Verlauf von weiteren 5 Minuten steht dann die Atmung schließlich still, während das Herz, welches direkt nach dem Injektionsschluß langsam und etwas unregelmäßig schlägt, noch 10 Minuten nach dem Atemstillstand fühl- bar bleibt. Nach 25 mg pro Kilogramm (Versuch 3) waren Atmung und Herztätigkeit weniger beeinflußt, und nach 30 mg (Versuch 5) konnte das Tier durch 4 Minuten lange künstliche Atmung gerettet werden. Folgende Tab. veranschaulicht diese Verhältnisse der Atmung und der Herztätigkeit genauer. Tabelle VI. Ver- | Atemfrequenz pro Minute Herzfrequenz pro Minute Ss Ss- | 3 Kann ‚ direkt vor | direkt nach in noch direkt vor | direkt nach in noch | d.Injektion | d.Injektion | weiteren 5’ d.Injektion | d. Injektion weiteren 5’ 1 36 18 0 165 0 14 90 2 42 20). 215 0 186. 1° -,.99 3 42 36 48 189 | 114 165 4 48 18 (0) 204 | 114 105 | 5 a 0 ia, sd 75 Cholin als Hormon der Darmbewegung. VI. 391 In allen Fällen war durch die Bauchwand hindurch gesteigerte peristaltische Bewegung des Dünndarmes sichtbar, welche besonders nach dem Atemstillstand noch dautlicher wurde. Es ergibt sich also (siehe Tabelle V) aus dieser Versuchsreihe, daß bei vorsichtiger intravenöser Einspritzung 25 mg außer Salivation und Tränenfluß keine wesentlichen Symptome hervorruft, daß 30 mg reversibelen Atemstillstand bewirkt und 35 mg tödlich ist. Es sollte nun festgestellt werden, ob durch sehr langsamen intra- venösen Einlauf stark verdünnter Cholinlösungen sich die Giftigkeit des Cholins vermindern ließe. Dieses wurde schon dadurch wahr- scheinlich, daß die bei der Cholinvergiftung auftretenden Symptome im wesentlichen von vorübergehender Natur waren, wie sich das für Atemstillstand, Herzunregelmäßigkeit, fibrilläre Muskelzuckungen usw. feststellen ließ; nur die gesteigerte Speichelsekretion dauerte längere Zeit an. Die Versuchsanordnung hierzu war folgende: Die Katzen wurden erst mit Äther narkotisiert und ihnen eine kleine Venen- kanüle in die V. jugularis externa eingeführt. Einige Stunden darauf wurde das Tier auf einem Tierhalter aufgespannt, die Venenkanüle mit einer geeigneten Bürette verbunden, aus welcher man die Flüssigkeit mit bestimmter Temperatur (38° C) und mit beliebiger Geschwindigkeit in die Vene einlaufen lassen konnte. Tabelle VII. R Körper-| Konzentr. | Geschwin- D | | Gesamtm. | DR Tre = | Gesamt- z gewicht| d. angew. | digkeit der E | | der einge- | en: menge des £ der Cholinlös. Einläufe | I ne Erfolg | spritzten er eingespritz- ‚vo Katze |mg in ccm |mgproMin. 218 | \ Cholinlös. | unten Cholins = kg Kochsalz]. u. kg tion | in ccm mg mg pro kg = FRE TE ET PLERTEEE EN VEREINTEN SIFERR FREE ER 5 — 1120 020 | 087 33194 Ten: 154,0 | 3080 | 1540 20 1367 120.40001 20:00 282.444 Iebt | 186,5, 746.09 | 2016 3| 24 | 08% | 26 | 25’| Atem- 19,22 153,6 64,0 4 || 2,0 | 0,6% 1,9 | 35’\stillstand| 22,6 | 135,6 67,8 0624 0055902 m 3 5 51a eo 65,4 6| 23 | 02% 2,3 28’ 73,4 | 146,8 63,8 2721021,651,2.05495,20720,9 4ı lebt 87,0 348,0 210,9 Wenn man also (siehe Tabelle VII) die Cholinlösung in einer Kon- zentration von 0,2 —0,4%, sehr langsam mit einer Geschwindigkeit von 0,5—0,9 mg pro Kilogramm und Minute intravenös einlaufen läßt, so kann man den Einlauf länger als 3 Stunden lang fortsetzen und über 200 mg pro Kilogramm Cholin einspritzen, ohne daß irgendwelche schädlichen Nebenwirkungen zu bemerken sind. Einige Stunden nach dem Schluß des Einlaufes befindet sich das Tier in vollständigem Wohl- befinden. Wenn man dagegen eine höhere Konzentration von 0,5 —0,8% mit ungefähr der gleichen Schnelligkeit einlaufen läßt, wobei also die pro Kilogramm und Minute eingeführte absolute Cholinmenge eine größere ist, erreicht man plötzlich eine Grenzdosis, bei welcher der 392 K. Arai: Atemstillstand eintritt. Dieselbe liegt oberhalb 1,3 mg pro Kilogramm und Minute. Man kann natürlich auch mit der verdünnteren Lösung Atemstillstand des Tieres hervorrufen, wenn man die Geschwindiskeit des Einlaufes von 0,8 bis auf 2,3 mg pro Kilogramm und Minute steigert, wie das im 6. Versuche der Fall war. Bei der Geschwindigkeit des Ein- laufes zwischen 1,3 und 2,6 mg pro Kilogramm und Minute war die tödliche Gesamtmenge ziemlich konstant und lag zwischen 63,8 und 67,3 mg pro Kilogramm. Bei diesen Versuchen ließen sich die Erscheinungen, welche das Tier während des Einlaufes zeigte, genau beobachten und ebenfalls die Dosen, nach welchen die verschiedenen Symptome auftraten. Zuerst erfolgt Salivation und Tränenfluß, die mit fast gleicher Intensität bis zum Schluß des Einlaufes dauern. Der Speichelfluß ist profus und war in einem Versuche so hochgradig, daß ich etwa 60 ccm eines klaren leicht fadenziehenden Speichels aufsammeln konnte. Die Salivation tritt schon 2—5 Minuten nach Beginn des Einlaufes mehr oder weniger stark auf. Fibrilläre Zuckungen der Muskulatur ließen sich frühestens nach der Injektion von 24 mg pro Kilogramm, spätestens nach 40 mg be- obachten. Zuckungen treten an verschiedenen Stellen an Rumpf und Extremitäten auf, und zwar anfallsweise mit wechselnder Dauer (1—7 Minuten). Nach großen Dosen wiederholen sich die fibrillären Zuckungen in Zeitintervallen von 10—-20 Minuten. Gleichzeitig mit den fibrillären Zuckungen oder etwas später kommt es zum Sträuben der Haare an Brust und Schwanz. Die Weite der Pupillen ändert sich während des ganzen Verlaufes so gut wie gar nicht. Starke peristaltische Bewegungen des Dünndarmes sind schon vor dem Atemstillstand durch die Bauchwand zu konstatieren, treten aber nach dem Atemstillstand besonders deutlich hervor. Im 1., 2. und 7. Versuche waren Atmung und Herztätigkeit nur wenig beeinträchtigt, erst in den späteren Stadien des Einlaufes war eine geringere Verlangsamung derselben nachzuweisen. In den übrigen Versuchen mit größerer Einlaufsgeschwindigkeit wurde die Atmung dagegen ganz plötzlich langsam, unregelmäßig und oberflächlich und manchmal auch krampfhaft, während das Tier selber ruhig dalag und der Cornealreflex schwand. In wenigen Minuten kam es dann zum Atemstillstand, während das Herz langsam und unregelmäßig aber kräftig eine Zeitlang weiter schlug. In 3 von 4 Fällen ließen sich die Tiere allein durch Unterbrechung des Einlaufes (eventuell mit gleich- zeitiger künstlicher Atmung) wieder zum Leben bringen. Kurz vor dem Atemstillstand während des comatösen Zustandes wurde in der Regel eine große Harnmenge entleert. Das eine Tier, welches sich trotz aller Manipulationen durch künstliche Atmung nicht Cholin als Hormon der Darmbewegung. VI. 393 retten ließ, und bei dem das Herz noch 6 Minuten nach dem Atem- stillstand weiter schlug, wurde seziert. Dabei fand sich leichte “Aufblähung beider Lungen, diastolischer Herzstillstand, ohne irgend- welche nennenswerte makroskopische Veränderungen an den übrigen Organen. In den späteren Stadien des Einlaufes ließ sich tropfenweise Schweißsekretion von den Fußsohlen beobachten. Da eine derartige Schweißsekretion aber manch- mal allein beim längeren Aufspannen der Tiere auf dem Tierhalter zu sehen ist, ist es nicht sicher, ob es hier wirklich sich um Cholinwirkung handelt. Vergleich der Giftigkeit des Cholinchlorids mit der des borsauren Cholins (Enzytol). Auf Grund der Empfehlungen Werners!) und verschiedener Kli- niker?) wurde zu intravenösen Einspritzungen am Menschen vielfach Enzytol (borsaures Cholin) verwendet, welches eine geringere Giftig- keit besitzen soll. Da es sich nicht etwa um den Borsäureester des Cholins, sondern einfach um das Borat handelt, so schien diese Angabe von vornherein wenig wahrscheinlich zu sein. Wir haben daher eine experimentelle Nachprüfung vorgenommen. Ein hier aus dem Handel bezogenes Enzytolpräparat, welches stark alkalisch reagierte und einen leichten Geruch nach Trimethylamin besaß, wirkte viel giftiger als Cholinchlorid. Dosen von 41,4, 23,7 und 18,8 mg Enzytol pro Kilogramm (entsprechend Dosen von 35,0, 20,0 und 15,9 mg pro Kilogramm Cholin- chlorid) töteten Katzen durch Atemstillstand, wobei künstliche Atmung immer erfolglos blieb. Tabelle VIII. .Körper- Injektion des borsauren Cholins 2 gew.d. Ergebnis Symptome Tier. kg|in ecm| in mg pro kg | in Sek. 1) 1,59 | 0,56 | 35,5 (30,0) | 50 |Atemstill- Starke Salivation u. Tränenfluß | | | stand | fibrilläre Zuckungen, 4’ langer | überlebt Atemstillstand 2| 1,10 | 0,26 ' 23,7 (20,0) | 60 | überlebt | Starke Salivation u. Tränenfluß, | fibrilläre Zuckungen . 3| 1,95 | 0,58 | 29,6 (25.0) SO |Atemstill- Wie oben, Atemstillstand (3° | | stand lange künstl. Atmung), | überlebt 4 1,56 | 0,29 | 18,8 (15,9) | 55 | überlebt Starke Salivation und Tränenfluß 5 1,84-| 0,76 | 41,4 (35,0) | 35 Tod ‚Starke Salivation u. Tränenfluß, | | ' fibrilläre Zuckungen, Atemstill- | | stand, Tod. t) Werner, Dtsch. med. Wochenschr. 2. 1905. ?) Baisch, Münch. med. Wochenschr. %4. 1914. Mehler, Asher, Beitrag zur Klinik der Tuberkulose 33. 1913. Fischer, Dtsch. Zeitschr. f. Chir. 161, 1. kis 2. Heft, 1921. 394 K. Arai: Frisches, chemisch reines, borsaures Cholin, welches durch Dr. Le Heux im hiesigen Institut aus synthetischem Cholin dargestellt wurde, reagiert in Lösung ebenfalls stark alkalisch, besaß aber keinen Geruch’ nach Trimethylamin. Das Präparat wurde mit physiologischer Koch- salzlösung verdünnt und dann in die V. saphena langsam injiziert. In dem 4. Stabe der Tab. VIII bezeichnen die Zahlen in Klammern die entsprechenden Dosen Cholinchlorid. Die Erscheinungen, welche die Tiere bei und nach der Einspritzung des borsauren Cholins zeigten, waren genau die gleichen, wie nach der Einspritzung von salzsaurem Cholin in entsprechenden Dosen. Es ergibt sich aus diesen Versuchen, daß das Enzytol, berechnet auf gleichen Cholingehalt, nicht ungiftiger ist als salzsaures Cholin. (10 & Enzytol entspricht ungefähr 8,45 g Cholinchlorid.) Zusammenfassung der Ergebnisse. 1. Intraperitoneale Einspritzung von 0,5 ccm pro Kilogramm einer 2proz. Lugolschen Jodlösung ruft bei Katzen eine typische sero- fibrinöse Peritonitis mit charakteristischen pathologisch-anatomischen Veränderungen des Peritoneums hervor, welche sich durch große Regel- mäßigkeit des Verlaufes auszeichnet, und dadurch sich für experimentell- therapeutische Versuche besonders gut eignet. Die Erkrankung er- reicht anatomisch zwischen 48—72 Stunden ihr Maximum und heilt nach einer Woche spontan, wobei geringe Verwachsungen der Därme und des Peritoneums zurückbleiben. 2. Die Magendarmbewegungen sind bei der Jodperitonitis deutlich verlangsamt und abgeschwächt. Die Passage der Nahrung durch den Magen und Dünndarm ist außerordentlich verzögert, der Durchtritt durch das proximale Kolon erfolgt beschleunigt, Kotentleerung ist stark beeinträchtigt. Diese peritonitische Magendarmlähmung ist zwischen 24 und 48 Stunden nach der Jodeinspritzung am deutlichsten nachzuweisen, wird darauf geringer und ist nach 120 Stunden größten- teils geschwunden. 3. Die geschilderten Symptome der peritonitischen Magendarm- lähmung lassen sich durch intravenöse Einspritzung von Cholinchlorid in Dosen von 10 mg pro Kilogramm vollständig beseitigen. Dabei kommt es zu einer Zunahme der Magendarmbewegungen und zu be- schleunigter Passage durch den Verdauungskanal, so daß ein voll- ständig normaler Ablauf des Verdauungszyklus resultiert. Die Dickdarm- bewegungen werden angeregt und normale Kotentleerung hervorgerufen. 4. Während der peritonitischen Erkrankung besitzt der Katzen- dünndarm einen normalen Cholingehalt. 5. Der isolierte, überlebende Dünn- und Dickdarm peritonitischer Katzen ist für Cholin gerade so gut erregbar wie die Därme normaler Tiere. Cholin als Hormon der Darmbewegung. VI. 395 6. Durch Laparotomie mit Eventrieren der einzelnen Abschnitte des Magendarmkanals und Manipulieren derselben an der Luft, wird bei Katzen eine typische postoperative Magendarmlähmung erzeugt, welche der beim Menschen beobachteten entspricht. 7. Durch intravenöse Einspritzung von 10 mg Cholinchlorid (etwa 5mg pro Kilogramm) lassen sich die Symptome dieser Magendarm- lähmung beseitigen. Es kommt zur Steigerung der Bewegungen des Magendarmkanals und zu einer beschleunigten Passage der Nahrung durch denselben. Durch Dosen von 15 mg pro Kilogramm läßt sich eine besonders deutliche Erregung der Dickdarmbewegungen im proxi- malen und distalen Kolon und Entleerung des Dickdarmes hervor- rufen. Es war dieses besonders in Versuchen deutlich, in welchen der vorher leere Dickdarm mit einem Kontrastklysma von geeigneter Konsistenz gefüllt war. 8. Auch bei der postoperativen Magendarmlähmung ist der Cholin- gehalt des Dünndarmes gegenüber der Norm nicht erniedrist. 9. In Verbesserung früherer gegenteiliger Angaben wird gezeigt, daß auch der normale isolierte Dickdarm von Katzen, Kaninchen und Affen durch Cholin gerade so gut erregt werden kann, wie der Dünn- darm derselben Tiere. Ein Unterschied zwischen proximalem und distalem Kolon ließ sich dabei nicht feststellen. 10. Die verwendeten Cholindosen (bis zu 15 mg pro Kilogramm) rufen bei der Katze nach intravenöser Einspritzung keine schädlichen Wirkungen hervor. 11. Die tödliche Dosis von Cholinchlorid ist bei Mäusen nach sub- cutaner Einspritzung 0,7 g pro Kilogramm, bei Katzen nach gewöhn- licher vorsichtiger intravenöser Injektion 35 mg pro Kilogramm. 30 mg pro Kilogramm rufen reversiblen Atemstillstand hervor, 25 mg werden ohne Schaden ertragen. 12. Bei sehr langsamem Einlauf stark verdünnter Lösungen von Cholinchlorid in die Vene ergibt sich, daß man bei einer Einspritzungs- geschwindigkeit von 1,3—2,6 mg pro Kilogramm und pro Minute bis zum Tode 63,35—67,8 mg pro Kilogramm einspritzen kann, also etwa das Doppelte der oben angegebenen tödlichen Dosis. Wird die Ein- spritzungsgeschwindigkeit noch weiter erniedrigt oder die Verdünnung der Flüssigkeit vermehrt, kann man noch größere Dosen einverleiben. Ein Einlauf mit einer Geschwindigkeit von 0,35—0,9 mg pro Kilogramm und Minute ist fast ungiftig und wird stundenlang ohne Schaden ertragen. 13. Die Giftigkeit des borsauren Cholins (Enzytol) entspricht genau dessen Cholingehalt. 14. Durch die geschilderten Experimente ist eine sichere Basis für die therapeutische Anwendung des Cholins bei Magendarmlähmungen des Menschen gegeben. Körperstellung und Labyrinthreflexe beim Affen. Von R. Magnus. (Aus dem Pharmakologischen Institut der Reichsuniversität Utrecht.) Mit 5 Textabbildungen. (Eingegangen am 17. Oktober 1921.) Im Laufe der Untersuchungen, welche in den letzten 12 Jahren im Pharmakologischen Institut zu Utrecht ausgeführt wurden, und welche das Studium derjenigen: Reflexe zur Aufgabe hatten, die zur Erhaltung und zum Einnehmen der Körperstellung führen, sind Beobachtungen am Frosch, Meerschweinchen, Kaninchen, Katze und Hund angestellt worden. Außerdem liegen jetzt zahlreiche Beobachtungen von patho- logischen Fällen am Menschen vor, und für einzelne von diesen Re- flexen sind wir auch über die physiologischen Verhältnisse am Men- schen unterrichtet. Zum besseren Verständnis der Befunde beim Men- schen war es aber wünschenswert, eingehendere Untersuchungen am Affen auszuführen. Ich hatte in den letzten Jahren Gelegenheit, 14 Affen verschiedener Arten im Laboratorium zu halten. Es waren 5 Macacus Rhesus, 4 Macacus Cynomolgus, 2 Cercocebus, 1 Cerco- pithecus pentaurista und 2 mittelgroße javanische Affen, deren Art nicht genau bestimmt werden konnte. Die Tiere waren teilweise über ein halbes Jahr im Laboratorium. Sie wurden in den großen Stoffwechselkäfigen nach Hans Meyer gehalten, in denen sie herumspringen und am Dache auch klettern kennten; ein Teil von ihnen lief frei im Zimmer herum und war ganz zahm und zutraulich. Die Beob- achtungen wurden in regelmäßigen Abständen vorgenommen, so daß sich all- mählich ein sehr großes Beobachtungsmaterial gesammelt hat, von dem hier nur die Hauptsachen berichtet werden sollen. 2 von diesen Tieren wurden decerebriert, bei 4 anderen Tieren wurde die Großhirnexstirpation vor den Thalamis ausgeführt auf dieselbe Weise, wie dies früher für Kaninchen!) ausführlich geschildert worden ist. Die Optici blieben bei den letzteren Versuchen intakt. Die Tiere wurden am Tage der Operation, in ein- zelnen Fällen auch noch am folgenden Tage beobachtet. Bei einem dieser Thalamus- affen waren 2 Monate vorher beide Labyrinthe exstirpiert worden. Bei 2 der Tiere wurde die einseitige Labyrinthexstirpation durch Dr. deKleyn ausgeführt, das eine wurde nachher 21 Tage, das andere 38 Tage lang beobachtet. !) Pflügers Arch. f. d. ges. Physiol. 163, 405. 1916. R. Magnus: Körperstellung und Labyrinthreflexe beim Affen. 397 Nach diesem Zeitraum wurde dann das zweite Labyrinth exstirpiert. Das eine Tier lebte danach noch 21 Stunden, das andere 63 Tage. Bei diesem letzteren wurde dann die oben erwähnte Großhirnexstirpation ausgeführt und auf diese Weise Beobachtungen am labyrinthlosen Thalamusaffen gesammelt. Da, wie weiter unten zu schildern sein wird, die Affen sehr lebhafte optische Reaktionen zeigen und die Augen eine wichtige Rolle für die Körperstellung spielen, ist es bei der Untersuchung häufig nötig, optische Eindrücke auszuschalten. Das ging bei den benutzten Affen nur außerordentlich schwer mit der Kopfkappe, da die Tiere sich dieselbe mit großer Geschicklichkeit vom Kopfe rissen. Nur bei einem Affen ließen sich derartige Beobachtungen ausführen, und auch hier ge- wann man den Eindruck, daß das Tier durch die Kopfkappe stark gehemmt wird. Um diesen Fehler auszuschalten, wurden daher die Tiere narkotisiert und ihnen in Narkose beide Lidspalten mit je 3 Knopfnähten geschlossen. Nach dem Er- wachen aus der Narkose wurden dann am selben oder am folgenden Tage die be- treffenden Beobachtungen ausgeführt und danach in leichter Narkose die Knopf- nähte wieder entfernt. Derartige Versuchsreihen an Affen mit geschlossenen Augen wurden an 3 verschiedenen Tieren ausgeführt. Bei einem dieser Tiere wurde außerdem noch 2mal der Augenverschluß nach der doppelseitigen Labyrinth- exstirpation vorgenommen, einmal kurze, einmal längere Zeit nach der Exstir- pation, so daß auf diese Weise das Verhalten der Tiere unter Ausschluß der vesti- bulären und optischen Reflexe festgestellt werden konnte. Bei diesen Gelegenheiten wurden dann gleichzeitig Beobachtungen angestellt über das Verhalten der Tiere in verschiedenen Stadien der Narkose, und da sich hierbei interessante Ergebnisse herausstellten, wurden derartige Narkoseversuche mehrfach wiederholt, so daß im ganzen an normalen Affen 10 Äthernarkosen und 2 Chloroformnarkosen, und am doppelseitig labyrinthlosen Affen 2 Äthernar- kosen vorgenommen wurden. Diese Narkoseexperimente wurden gemeinsam mit Dr. ©. R. J. Versteegh ausgeführt, der mit einer Untersuchung über die Wir- kung der Narkotica auf die Körperstellung beschäftigt ist und seinerzeit darüber im Zusammenhang berichten wird. Die Tiere waren sehr verschieden zahm. Die Cynomolgen waren im allge- meinen scheu und hatten Neigung zum Beißen. Die Rhesusaffen waren zahm, einer von ihnen wurde gewissermaßen als normales Haustier gehalten und zeichnete sich durch große Zutraulichkeit und Ungeniertheit in seinen Bewegungen aus. Wenn man mehrere scheue Affen in einem Käfig zusammenhält, und die Tiere einzeln aus dem Käfig herausnehmen will, ist es zweckmäßig, sich mit einer Art von Fechthandschuh zu bewaffnen, da, wenn man das eine Tier gepackt hat, die anderen häufig zu beißen versuchen. Auch für die Untersuchung der scheuen Tiere selber empfiehlt es sich, sich eines derartigen Handschuhs zu bedienen. Bei der Schilderung der Ergebnisse folge ich der Einteilung der Reflexe, welche sich .bei unseren früheren Untersuchungen heraus- gebildet hat. Zuerst werden die Reaktionen auf Bewegungen be- schrieben, danach diejenigen, welche durch bestimmte Lagen ausgelöst werden. Soweit es sich um die Labyrinthe handelt, hat sich bei Be- obachtungen bei Kaninchen und Meerschweinchen herausgestellt!), daß die Reaktionen auf Bewegungen Bogengangsreflexe, die Reaktionen der Lage dagegen Otolithenreflexe sind. !) Pflügers Arch. £. d. ges. Physiol. 186, 6 u. 61. 1921. 398 R. Magnus: A. Reaktionen auf Bewegungen. l. Drehreaktionen (ausgelöst durch Winkelbeschleunigungen). a) Kopfdrehreaktion. Zur Untersuchung der Kopfdrehreaktion hält man das Tier am besten in vertikaler Haltung mit dem Kopf nach oben und dem Gesicht nach innen!) zum Experimentator gewendet. Man packt das Tier an der Haut des Nackens oder Rückens. Ungebärdige Tiere lassen sich am besten hantieren, wenn man mit einer Hand die beiden Unterarme hinter dem Rücken zusammenhält. Wenn man sich nun auf dem Absatz herumdreht und das Tier also auf diese Weise einen Kreis beschreiben läßt, in dessen Mittelpunkt man selber steht, dann wird im Beginn der Drehung der Kopf in der Drehrichtung?) gedreht. Nach dem Aufhören der Drehung (Nachreaktion) geht der Kopf in umgekehrter Richtung, also in diesem Falle der ur- sprünglichen Drehrichtung entgegen. Kopfdrehnystagmus ist nicht stets vorhanden, aber doch nicht selten nachzuweisen, ebenso wird gelegentlich schwacher Kopfdrehnachnystagmus wahrgenommen. Wenn man das Tier bei dieser Drehung mit dem Gesichte nach außen hält, so erfolgt die Reaktion im umgekehrten Sinne, d.h. die Kopfdreh- reaktion geht in der der Drehung entgegengesetzten Richtung. Nach Aufhören der Drehung dagegen erfolgt die Nachreaktion in der ursprüng- lichen Drehrichtung. Der Nystagmus und Nachnystagmus schlagen natürlich in der der Reaktion bzw. Nachreaktion entgegengesetzten Richtung. Diese letztere Versuchsanordnung entspricht der Drehung, wie sie beim Menschen in der Klinik meistens ausgeführt wird. Ich halte jedoch bei Tierversuchen die erstbeschriebene Art, bei der das Gesicht des Versuchstieres zum Experimentator gewendet ist, für zweckmäßiger, weil man dann gleichzeitig während der Drehung die Augenreaktion und den Augennystagmus beobachten kann. Setzt man das Tier in einen größeren Käfig und diesen letzteren auf eine Drehscheibe, so kann man bei dem freisitzenden Tiere ebenfalls Drehreaktionen beobachten. Wenn die Drehung genügend schnell ausgeführt wird, schließt sich an die Kopfdrehreaktion eine Uhrzeigerbewegung umgekehrt zur Drehrichtung an, die bei einem der Versuchstiere besonders lebhaft zu sehen war. Wenn man die optischen Eindrücke mit einer Kopfkappe oder noch besser durch Vernähen der Augenlider ausschließt, dann tritt die Kopf- drehreaktion und Nachreaktion mit großer Sicherheit und Stärke ein. Wenn man das Tier in Rückenlage mit dem Kopf nach außen hält, so daß das Becken des Tieres gegen den Beschauer zuweist, so wird bei Ausführung der Drehung der Kopf ebenfalls in der Drehrichtung ge- dreht, während die Nachreaktion in umgekehrtem Sinne erfolgt. Es !) Diese Stellung wurde stets verwendet, wenn nicht das Gegenteil ausdrück- lich bemerkt ist. >) Also nach der vorangehenden Schulter hin. Körperstellung und Labyrinthreflexe beim Affen. 399 handelt sich hier ebenso wie bei der zuerst beschriebenen Drehreaktion® um eine Bewegung des Kopfes um die Achse Hinterhauptloch-Scheitel, wobei also die Nase des Tieres zur einen Schulter gedreht wird. Als Drehrichtung wird diejenige Seite angegeben, nach welcher die Nase des Tieres hingedreht wird. Hält man dagegen das Tier in Rückenlage in der Luft, so daß die Wirbelsäule sich in der Drehrichtung befindet und die rechte oder linke Seite des Tieres zum Experimentator weist, so wird, wenn das Tier mit dem Kopf voran gedreht wird, der Kopf dorsalwärts gebeugt; wenn man das Tier mit dem Schwanz voran dreht, wird der Kopf ventralwärts gebeugt. Wird das Tier aus der vertikalen Stellung mit Kopf oben in Rücken- lage umgelegt, so erfolgt eine deutliche vertikale Drehreaktion, bei der der Kopf ventralwärts gebeugt wird. Um Spontanbewegungen aus- zuschließen, ist es wünschenswert, diesen Versuch in leichter Äther- narkose auszuführen. Es handelt sich hierbei um eine echte Dreh- reaktion und nicht um eine tonische Kopfstellung, denn die Reaktion tritt nur im Beginn der Drehung ein. Die Kopfdrehreaktion und die Nachreaktion läßt sich nach Ex- stirpation des Großhirnes (beim Thalamusaffen, drei Beobach- tungen) mit außerordentlich großer Lebhaftiskeit nachweisen. Dagegen war in allen 3 Fällen kein Kopfnystagmus beim Drehen auszulösen !). Die Kopfdrehreaktion ist gegen Narkose sehr restistent, sie ist noch in einem Stadium deutlich vorhanden, in welchem die Stellreflexe, die Reaktionen auf Progressivbewegungen und die später zu schildernden Arm- und Beckendrehreaktionen fehlen. Dagegen ist die Augendreh- reaktion in diesem Stadium dann ebenfalls vorhanden. Ebenso wie in gewissen Stadien der Narkose die Augendrehreaktion ohne gleichzeitigen Nystagmus vorhanden ist, ist auch die Kopfdrehreaktion früher zu beobachten als der Kopfdrehnystagmus. Der Kopfnystagmus kommt dann ungefähr in einem gleichen Stadium des Erwachens aus der Nar- kose wieder zurück, in welchem auch der Augendrehnystagmus auf- tritt. Narkosestarre und tonische Labyrinthreflexe auf die Extremi- täten sind meistens vorhanden, wenn die Kopfdrehreaktion beim Er- wachen aus der Narkose nachweisbar wird. Nach einseitiger Labyrinthexstirpation ist die Kopfdreh- reaktion vorhanden. Ebenso wie das beim Menschen und den bisher beobachteten Versuchstieren sich nachweisen läßt, ist nach einseitiger Labyrinthexstirpation die Kopfdrehreaktion asymmetrisch, indem sie beim Drehen nach der einen Seite stärker ist als nach der anderen. Merkwürdigerweise war bei den zwei Affen, welche nach einseitiger Labyrinthexstirpation längere Zeit beobachtet wurden, das Verhalten genau entgegengesetzt. Nach linksseitiger Labyrinthexstirpation war !) Nach Erfahrung bei anderen Tierarten wohl Schockerscheinung. 400 R. Maenus: ‘bei dem einen Tiere die Kopfdrehreaktion beim Drehen nach rechts schwach, beim Drehen nach links dagegen stark. Bei dem anderen Tiere. dagegen war die Reaktion beim Drehen nach rechts stark und beim Drehen nach links schwach bzw. fehlte ganz, während die Nach- reaktion bei diesem Tiere sich umgekehrt verhielt, d.h. beim Drehen nach links stark und beim Drehen nach rechts schwach war. Nach etwa einem Monat verschwand dieser Unterschied, und die Kopfdrehreaktion war beim Drehen nach beiden Seiten ungefähr gleich stark auszulösen. Nach doppelseitiger Labyrinthexstirpation fehlt die Kopf- drehreaktion vollständig. Man kann das am besten nachweisen bei Tieren, bei denen man die Augen durch Vernähen der Augenlider ge- schlossen hat. Dann ist beim Drehen weder eine Drehreaktion, Nach- reaktion noch Kopfnystagmus auszulösen, ebenso ist beim labyrinth- losen großhirnlosen Thalamusaffen keine Kopfdrehreaktion auszulösen. Wenn man dagegen einen intakten labyrinthlosen Affen mit offenen Augen in der oben geschilderten Haltung (Kopf oben, Gesicht nach innen) schnell dreht, so bleibt gewöhnlich der Kopf nicht ruhig stehen, sondern wird nach einer oder der anderen Seite gedreht. Meistens wird er in der umgekehrten Richtung gedreht, wie das der Labyrinthdrehreaktion entsprechen würde. Nur einmal wurde er bei einem Affen in der richtigen Richtung gedreht. Häufig kann man auch bei Tieren mit offenen Augen überhaupt keine Kopfdrehung nach- weisen. Diese Drehreaktion des Kopfes bei offenen Augen, welche auch nach Exstirpation der Labyrinthe eintritt, ist optisch bedingt. Sie wird ausgelöst dadurch, daß das Tier bestimmte Gegenstände fixiert. Man kann das dadurch nachweisen, daß man dem Tier das Fixieren unmöglich macht, z. B. indem man sich selbst und dem Affen ein großes Tuch oder einen Mantel über den Kopf breitet wie einen Baldachin. In derartigen ‚„‚Baldachinversuchen“ tritt nun beim Drehen labyrinth- loser Tiere niemals eine Kopfdrehreaktion ein, so daß also Kopfbewegun- gen, welche labyrinthlose Tiere mit offenen Augen beim Drehen aus- führen, auf optische Eindrücke bezogen werden müssen. Die geschilderte Methode des Baldachinversuches ist auch zur Untersuchung der Augen- drehreaktion beim labyrinthlosen Tiere geeignet. Wenn man unter einem derartigen Baldachin Affen mit intakten Labyrinthen dreht, so erfolgt natürlich die normale Kopfdrehreaktion, Kopfdrehnachreaktion und unter Umständen der zugehörige Nystagmus mit großer Deutlichkeit. b) Augendrehreaktion und N ystagmus. Die Untersuchung geschieht am besten in aufrechter Haltung mit dem Gesicht nach innen. Der Hinterkopf des Tieres wird mit der Hand festgehalten, damit keine Kopfdrehreaktionen während der Drehung Körperstellung und Labyrinthreflexe beim Affen. 401 auftreten können, weil Halsbewegungen ihrerseits wieder einen Einfluß auf die Augenstellungen ausüben können (de Kleyn)!). Das Tier reitet dabei am besten auf dem Oberarm des Untersuchers oder wird mit der anderen Hand am Schwanz gehalten. Im Beginn der Drehung weichen bei dieser Stellung des. Tieres die Augen in der Drehrichtung ab, während der Nystagmus in umgekehrtem Sinne schlägt. Nach dem Aufhören der Drehung erfolgt die Nachreaktion der Augen im um- gekehrten Sinne d.h. der Drehrichtung entgegen, während der Nach- nystagmus in der ursprünglichen Drehrichtung schlägt. Die Dreh- reaktion ist von optischen Eindrücken unabhängig, sie erfolgt auch unter dem Baldachin. Ebenso kann man bei Tieren, bei denen die Augenlider vernäht sind, beim Drehen die Nystagmusschläge der Augen durch die geschlossenen Lider hindurch sehen. Brinst man das Tier in Rückenlage mit dem Kopf nach außen, die Wirbelsäule also in der Richtung des Radius des Kreises, den der Kopf beschreibt, so erfolgt beim Drehen eine rotatorische Reaktion der Augen mit rotatorischem Nystagmus in umgekehrter Richtung. Auch Nach- reaktion und Nachnystagmus sind deutlich. Um den rotatorischen Nystagmus gut zu sehen, ist es zweckmäßig, wenn man unter Cocain- anästhesie mit einem erhitzten Stempel ein Kreuz auf die Cornea brennt. Man kann das ohne dauernden Schaden für das Tier tun, da nach wenigen Tagen das Kreuz bereits verschwunden ist. Bringt man das Tier in Rückenlage mit der Wirbelsäule in die Dreh- richtung und dreht mit dem Kopf voran, so erfolgt eine Augendeviation nach oben und Nystagmus nach unten. Dreht man dagegen in der Richtung mit dem Schwanz voran, so erfolgt die Augendeviation nach unten, der Nystagmus nach oben. Auch hier läßt sich Nachreaktion und Nachnystagmus deutlich beobachten. Auch beim Umlegen aus der aufrechten Stellung in Rückenlage läßt sich diese vertikale Drehreaktion deutlich beobachten. Für alle diese Untersuchungen ist es nötig, daß die Stellung des Kopfes zum Körper sich dabei nicht ändert. Die geschilderten horizontalen, vertikalen und rotatorischen Augen- drehreaktionen lassen sich auch in tiefer Chloroform- und Äther- narkose beobachten, sie verschwinden erst bei sehr tiefem Narkoti- sieren. Zu einer Zeit, wo die Narkosestarre deutlich ausgeprägt ist und sich tonische Labyrinthreflexe auf die Extremitäten nachweisen lassen, ist in der Narkose die Drehreaktion der Augen und die Nachreaktion häufig sehr stark ausgesprochen, während, wie das bereits für andere Tierarten bekannt ist, der Drehnystagmus und Nachnystagmus noch nicht auftritt. Erst bei weiterem Erwachen aus der Narkose kommt auch der zugehörige Nystagmus, während in diesem Stadium die Laby- 1) Pflügers Arch. f. d. ges. Physiol. 186, 82. 1921. Pflügers Archiv f. d. ges. Physiol. Bd. 19. LS) | 402 R. Magnus: rinthstellreflexe, die Reaktionen auf Progressivbewegungen und die unten zu schildernden Arm- und Beckendrehreaktionen noch nicht vorhanden sind. Nach Exstirpation des Großhirnes (Thalamusaffe) lassen sich die geschilderten Drehreaktionen (horizontal, vertikal und rotatorisch) mit großer Deutlichkeit nachweisen, ebenso die Nachreaktionen. In den ersten Stunden nach der Operation ist gewöhnlich nur die Deviation, dagegen noch nicht der Nystagmus auszulösen. Bei einem Tier dagegen war 5 Stunden nach der Operation sowohl bei der horizontalen als auch bei der vertikalen und rotatorischen Drehreaktion der Nystagmus und der Nachnystagmus deutlich vorhanden. In den ersten 4 Wochen nach einseitiger Labyrinthexstir- pation erfolgt die (horizontale) Augendrehreaktion unsymmetrisch, indem beim Drehen nach der einen Seite starke, beim Drehen nach der anderen Seite schwache Reaktion auftritt. Gerade so, wie das oben für die Kopfdrehreaktion geschildert wurde, war bei den beiden Affen, bei welchen die einseitige Labyrinthexstirpation ausgeführt wurde, die Richtung dieser Asymmetrie genau entgegengesetzt. Bei dem einen Tiere war nach linksseitiger Labyrinthexstirpation die Reaktion auf Drehen nach der rechten Schulter des Tieres schwach, nach links da- gegen stark, während bei dem anderen Tiere beim Drehen nach rechts starke, beim Drehen nach links schwache Reaktion auftrat. Stets war, wenn starke Reaktion zu beobachten war, auch starker Nystagmus vorhanden, während umgekehrt schwache Drehreaktion mit schwachem Nystagmus gepaart ging. Wenn beim Drehen nach rechts starke Re- aktion auftrat, dann war die Nachreaktion schwach, trat beim Drehen nach rechts schwache Reaktion auf, dann war umgekehrt die Nach- reaktion stark. Nach Ablauf eines Monates verlor sich der Unterschied. Da es sich nur um Beobachtungen an zwei Tieren handelt, läßt sich nicht sagen, welche von den beiden Beobachtungen das regelmäßige Verhalten wiedergibt. Nach doppelseitiger Labyrinthexstirpation fehlt die Augen- drehreaktion. Es läßt sich dies am besten unter dem Baldachin nach- weisen. Unter diesen Umständen ist beim Drehen niemals eine De- viation oder ein Drehnystagmus gesehen worden. Ebensowenig ließ sich beim labyrinthlosen Thalamusaffen Augendrehreaktion nachweisen, und wenn man nach doppelseitiger Labyrinthexstirpation mit Äther oder Chloroform narkotisiert, so ist bei einer Narkosetiefe, bei welcher bei Tieren mit intakten Labyrinthen die Augendeviation und der Drehnystagmus deutlich zu sehen sind, nichts hiervon nach- zuweisen. Diese Versuchsbedingungen werden hier so ausführlich geschildert, weil, wenn man labyrinthlose Affen ohne Narkose mit offenen Augen Körperstellung und Labyrinthreflexe beim Affen. 403 in der angegebenen Weise dreht, man häufig Augenabweichungen und nicht selten auch Nystagmus zu sehen bekommt. Die Richtung dieser Augenabweichungen und des Nystagmus sind unregelmäßig; meistens erfolgt die Augenabweichung ebenso wie der Nystagmus im umgekehrten Sinne als die von den Labyrinthen ausgehende Drehreaktion. Gelegent- lich schlagen aber die Augen auch in der erwarteten Richtung, manchmal erfolgt beim Drehen weder Augenabweichung noch Nystagmus. Da, wie oben mitgeteilt wurde, weder unter dem Baldachin noch nach Großhirnexstirpation noch nach Narkose diese Augenabweichungen und Nystagmus zu sehen sind, so ergibt sich, daß es sich hier um optisch ausgelöste Augenabweichungen und Nystagmus handelt. Es sind dieses Reaktionen, welche mit dem Eisenbahnnystagmus des Menschen vergleichbar sind und darauf beruhen, daß der Affe während des Drehens sich bemüht, bestimmte Gegenstände im Raume fixiert zu halten, und dann von Zeit zu Zeit die Augen wieder in die Ausgangs- stellung mit einer schnellen Nystagmusbewegung zurückbrinst. Diese Reaktion hat nichts mit den Labyrinthen zu tun. In den Versuchen, in welchen labyrinthlose Affen narkoti- siert wurden, ließ sich in gewissen Stadien der Narkose ein deutlicher horizontaler oder vertikaler Narkosenystagmus nachweisen, der bei weiterem Erwachen aus der Narkose schwand. Es ist dieses deshalb von Interesse, weil es die Auffassung bestätigt, daß der Narkose- nystagmus vom Labyrinth unabhängig ist und durch eine Ein- wirkung des Narkoticums auf das Zentrum zustande kommt. Die Tatsache, daß doppelseitig labyrinthlose Affen beim Drehen mit offenen Augen mit Augenabweichung und Nystagmus vom Typus des Eisenbahnnystagmus reagieren, zeigt, daß die Affen sehr lebhaft fixieren und starke optische Reflexe besitzen, eine Beobachtung, die im Laufe dieser Arbeit noch vielfach bestätigt werden wird. c) Labyrinthdrehreaktionen auf die Extremitäten und das Becken. Direkte unkomplizierte Labyrinthdrehreaktionen auf die Extremi- täten und das Becken sind meines Wissens bei Warmblütern bisher nicht beschrieben worden. Allerdings haben Bäräny, Reich und Rothfeld!) Tiere (Kaninchen) auf dem Drehstuhle rotiert und die nachher auftretenden sogenannten Reaktionsbewegungen beschrieben. Hierbei wurde nach dem Aufhören der Drehung der Kopf der Tiere freigelassen. Es erfolgten Reaktionsbewegungen des Kopfes, an welche sich dann verschiedene Bewegungen der Tiere: Fallen nach der Seite, Rollen, Vor- und Rückwärtsbewegungen anschlossen. Diese Beobach- tungen machten es schon in hohem Grade wahrscheinlich, daß die 1) Neurol. Centralbl. 31, 1139. 1912. Vgl. auch Rothfeld, Verh. Dtsch. Naturforschergesellsch. 1913. I, 26. Zi 404 R. Magnus: Labyrinthe eine Drehreaktion auf die Extremitäten auslösen können. Da aber stets hierbei Kopfabweichungen auftraten, war nicht zu sehen, inwieweit diese Kopfabweichungen sekundär tonische Halsreflexe auf die Extremitäten hervorriefen oder die beobachteten Erscheinungen direkte Labyrinthwirkungen auf die Extremitäten waren.!) Andererseits ist beim Menschen bekannt, daß nach Rotationen Vorbeizeigen mit den Armen und Beinen und Fallreaktionen auftreten. Bei ersteren handelt es sich um Willkürbewegungen, deren Ausführung nach Rotationen in einer verkehrten Richtung erfolgt; bei den Fallreaktionen spielen jedenfalls Gleichgewichtskompensationen eine Rolle. Auch diese Be- obachtungen am Menschen sind daher ohne vorhergehende Analyse zu kompliziert, um einen direkten Einfluß der Labyrinthe auf die Ex- tremitäten daraus ableiten zu können. Beide Beobachtungsreihen machen es aber wahrscheinlich, daß ein solcher Einfluß besteht. Beim Frosche hat Dusser de Barenne?) gezeigt, daß direkte Labyrinth- drehreaktionen auf die Extremitäten bestehen. Hält man einen Affen in aufrechter Körperhaltung mit dem Kopfe nach oben und dem Gesichte nach innen zum Experimentator gerichtet frei in der Luft und führt nunmehr eine Drehbewegung aus, wobei der Experimentator dafür zu sorgen hat, daß eine Kopfdrehreaktion nicht auftreten kann, zu welchem Zwecke die eine Hand des Experimentators den Hinterkopf des Tieres fest umgreift, so sieht man bei Drehbewegun- sen in sehr wechselndem Ausmaße eine Reaktion der Extremitäten und des Beckens erfolgen. Bei voll ausgebildeter Reaktion wird mit dem in der Drehrichtung vorangehenden Arme eine kräftige Abduction ausgeführt, wobei der Ellbogen gestreckt wird und die Hand eine Greifbewegung macht; der zurückbleibende Arm dagegen wird adduziert. Das Ergebnis ist, daß das Tier mit beiden Armen in der Drehrichtung greift. Eine ent- sprechende Bewegung wird mit den Hinterbeinen ausgeführt. Hierbei wird das vorangehende Hinterbein abduziert, zugleich in der Hüfte gebeugt und im Knie gestreckt, während das zurückbleibende Hinter- bein adduziert wird. Gleichzeitig erfolgt eine kräftige Drehung des Beckens, welche u. U. bis zu 90° betragen kann, in der Drehrichtung, d.h. in der Weise, daß die Ventralfläche des Beckens gegen die Dreh- richtung gedreht wird und das Tier also mit seiner Bauchseite voran- geht. Nicht in allen Fällen ist diese Bewegung in allen Einzelheiten ausgesprochen; es kann vorkommen, daß sich nur das Becken dreht, !) Rothfeld (Pflügers Arch. f. d. ges. Physiol. 192, 272. 1921) faßt neuer- dings die Reaktionsbewegungen des Körpers und der Extremitäten als sekundäre Folgen der Kopfreaktion auf (Anm. b. d. Korrektur). 2) J.G. Dusser de Barenne, Über eine neue Form von vestibulären Reflexen beim Frosch. — Psych. en Neurol. Bladen 1918 (Winkler-Festschrift). Körperstellung und Labyrinthreflexe beim Affen. 405 oder daß nur der vorangehende Arm abduziert wird, oder daß überhaupt nur die Arme und nicht das Becken reagieren usw. Daß es sich hierbei um eine typische Labyrinthreaktion handelt, ergibt sich daraus, daß erstens die Reaktion in genau der gleichen Weise auftritt, wenn die Augenlider vernäht sind, und zweitens daraus, daß sie nach doppel- seitiger Labyrinthexstirpation fehlt. Nach dem Aufhören der Drehung kann bei empfindlichen Tieren eine Nachreaktion des Beckens auftreten, das dann in der umgekehrten Richtung gedreht wird. Die Beckendrehreaktion läßt sich am besten studieren, wenn der Ex- perimentator mit der einen Hand den Hinterkopf des Tieres faßt und mit der anderen den Schwanz so umgreift, daß Drehung des Tieres möglich ist. Sobald das Tier während der Drehung mit den Händen einen Gegen- stand packen und sich an diesem festhalten kann, kommen die ge- schilderten Reaktionen nicht zustande. Die bisher beschriebenen Reflexe treten auf, wenn der Kopf bei der Drehung des Tieres seine Lage gegen den Rumpf nicht ändert. Läßt man dagegen den Kopf frei, so tritt die am Anfang dieser Arbeit ge- schilderte Drehreaktion auf, durch welche der Kopf in der Drehrichtung gedreht wird, so daß die Nase nach der Drehrichtung sieht. Hierdurch wird die Drehreaktion auf die Extremitäten und das Becken verstärkt. Durch die Drehung des Kopfes gegen den Rumpf werden nämlich zu- nächst die tonischen Halsreflexe auf die Extremitäten ausgelöst, welche der Regel folgen, daß das sogenannte Kieferbein gestreckt, das Schädel- bein gebeugt wird. Die vorangehenden Extremitäten sind in diesem Falle Kieferbeine und werden gestreckt, die zurückbleibenden gebeugt. Es kommt also zu einer Verstärkung der Streckung des abduzierten vorangehenden Armes und zu einer Beugung des adduzierten zurück- bleibenden Armes. Dasselbe tritt an den Beinen ein. Durch die Drehung des Halses gegen den Rumpf wird außerdem der Halsstellreflex aus- gelöst, durch welchen sich die Drehung des Halses auf die Wirbelsäule fortsetzt in der Weise, daß der Körper der durch den Kopf begonnenen Drehung folgt. Hierdurch wird die Drehwirkung auf das Becken verstärkt. Wird das Tier bei fixiertem Kopf und aufrechter Körperstellung nicht mit dem Gesicht nach innen, sondern mit dem Gesicht nach außen gedreht, so tritt gewöhnlich keine asymmetrische Reaktion der Arme ein. Sie werden vielmehr beide nach oben gehoben, so daß dadurch eine Art von ‚Adorantenstellung‘‘ zustande kommt. Wird das Tier in Rückenlage mit dem Kopf nach außen gedreht, dann führen die Arme meist nur eine einfache Greifbewegung aus. Hält man das Tier in auf- rechter Körperstellung so, daß die eine Seite zum Experimentator hin- ‚sieht, so wird bei Drehung mit dem Gesicht voran das Becken nach außen gedreht, während bei Drehung mit dem Hinterkopf voran das 406 R. Magnus: Becken nach innen gedreht wird. Nach Aufhören der Drehung tritt eine Nachreaktion im umgekehrten Sinne ein. Auch nach Großhirnexstirpation (Thalamusaffe) ließ sich eine Drehreaktion auf die Extremitäten erzielen, wenigstens trat bei einem Tiere 1t/, Stunden nach der Operation bei fixiertem Kopf eine Streckung des zurückbleibenden Armes, nach dem Aufhören der Bewegung eine Beugung desselben ein. Ab- und Adduction war in diesem einen Falle nicht nachzuweisen. Die Beobachtungen zeigen jedenfalls, daß Dreh- reaktionen auf die Extremitäten auch nach Entfernung des Großhirnes erfolgen können. Die geschilderten Drehreaktionen auf die Extremitäten und das Becken sind sehr empfindlich gegen Narkotica. Beim Erwachen aus Chloroform- oder Äthernarkose gehören sie zu denjenigen Reflexen, welche am spätesten zurückkehren und sich erst zu einer Zeit nach- weisen lassen, wenn die Stellreflexe sich schon vollständig entwickelt haben. Sie verhalten sich in dieser Beziehung gerade so wie die Reak- tionen auf Progressivbewegungen (siehe unten). Diese Beobachtungen zeigen, daß beim Affen die Adductoren und Abductoren der Extremitäten ebenfalls unter der Herrschaft der Laby- rinthe, und zwar des Bogengangsapparates stehen. Bei den bisher studierten Labyrinthreflexen handelte es sich meistens um eine Be- einflussung der Beuger und Strecker der Extremitäten. Die abnorme Körpersteliung, welche bei Kaninchen, Meerschweinchen, Katzen und Hunden nach einseitiger Labyrinthexstirpation eintritt, und welche zu einer starken Abduction in einem und zu einer starken Adduction im anderen Vorderbeine führt, ist keine direkte Labyrinthausfallsfolge, sondern wird bedingt durch die Torsion des Thorax, welche ihrerseits wieder eine Folge der durch die Labyrinthexstirpation verursachten Halsdrehung ist. Nach einseitiger Labyrinthexstirpation ist beim Affen die Beckendrehreaktion nach beiden Seiten vorhanden. In mehreren Fällen ließ sich ein Unterschied bei Drehung nach rechts oder links nicht nachweisen. Bei demjenigen Affen aber, bei welchem nach linksseitiger Labyrinthexstirpation die Kopf- und Augendrehreaktionen beim Drehen nach links am stärksten waren, trat auch die Drehreaktion auf die Extremitäten beim Drehen nach links stärker auf als beim Drehen nach rechts. Barenne konnte am Frosch zeigen, daß die Drehreaktion auf die Extremitäten nach doppelseitiger Labyrinthexstirpation schwindet, nach einseitiger Labyrinthexstirpation asymmetrisch wird, dagegen nach Entfernung des Großhirnes über den Lobi optici und nach Durchtrennung der cervicalen Hinterwurzeln bestehen bleibt. Körperstellung und Labyrinthreflexe beim Affen. 407 2. Reaktionen auf Progressivbewegungen. In einer früheren Arbeit!) konnten wir für Meerschweinchen, Kanin- chen, Katzen und Hunde eine ganze Reihe von Reaktionen auf Pro- gressivbewegungen beschreiben, welche von den Labyrinthen ausgelöst werden. Nach Versuchen am Meerschweinchen ergab sich?), daß ent- gegen der bisherigen Annahme, die Auslösungsstätte dieser Reflexe die Bogengänge, sind ?). Zur Untersuchung dieser Reaktionen beim Affen eignet sich die sogenannte Liftreaktion weniger gut, weil die Tiere, wenn man sie auf ein Brett stellt und auf diesem vertikal in der Luft auf- und abbewest, gewöhnlich Fluchtversuche machen. Doch läßt sich bei zahmen Tieren nachweisen, daß bei Liftbewegung nach oben am Ende der Bewegung eine schwache Streckung der Extremitäten erfolgt, während bei Lift- bewegung nach unten Streckung im Beginn der Bewegung eintritt und an den Vorderbeinen sehr viel deutlicher als an den Hinterbeinen wahr- zunehmen ist. Sehr viel besser kann man die Reaktion auf Progressiv- bewegungen untersuchen, wenn man das Tier frei schwebend in der Luft hält (Sprungbereitschaft). Hält man das Tier in Normalstellung mit horizontaler Wirbelsäule an der Rückenhaut in der Luft und führt nunmehr eine Progressivbewegung nach unten aus, so werden die vier Extremitäten gestreckt und die Zehen häufig gespreizt. Hierbei reagieren also alle vier Beine. Hält man dagegen das Tier in aufrechter Körperstellung mit dem Kopf nach oben, so reagieren bei Vertikal- bewegung nach unten nur die Hinterbeine, und zwar werden diese in Hüfte, Knie- und Fußgelenken gestreckt und gleichzeitig die Zehen gespreizt, so daß die Hinterbeine in eine Bereitschaftsstellung kommen, um das Gewicht des fallenden Körpers bei Berührung mit der Unterlage abzufangen. Genau das Umgekehrte erfolgt, wenn man das Tier mit dem Kopf nach unten hängen läßt und nunmehr eine Vertikalbewegung nach unten ausführt. In diesem Falle reagieren nur die Vorderbeine. Sie gehen dabei ebenfalls in Streckstellung, wobei sie in der Richtung nach dem Boden zu bewegt werden; die Hände werden gespreizt. Auch in diesem Falle machen sich also die Arme gewissermaßen bereit, das Gewicht des Körpers am Ende des Sprunges aufzufangen. Diese Reaktion tritt auch in sehr deutlicher Weise ein, wenn die Augen vernäht sind, und ist daher von optischen Eindrücken un- abhängig. Es handelt sich um einen außerordentlich empfindlichen Reflex, zu dessen Auslösung eine nur sehr geringe Vertikalbewegung des Tieres genügt. 1) Pflügers Arch. f. d. ges. Physiol. 186, 39. 1921. ?) Ibid. 8, 54 u. 61. 1921. ®) Über eine etwaige Beteiligung der Otholithen, vgl. ibid. S. 57. 408 R. Magnus: Auch nach Großhirnexstirpation ist diese Reaktion vorhanden, sie ließ sich bei einem 'Thalamusaffen 7 Stunden nach der Operation nachweisen. Dagegen ist die Reaktion sehr empfindlich gegen Narkose und tritt daher bei dem Erwachen aus Äther- und Chloroformnarkose erst sehr spät, und zwar erst nach den Stellreflexen auf, ungefähr gleich- zeitig mit der Arm- und Beckendrehreaktion. Nach einseitiger Labyrinthexstirpation sind die Reaktionen auf Progressivbewegungen unverändert erhalten und treten, soweit sich wenigstens an 2 Tieren feststellen ließ, an den rechts- und links- seitigen Extremitäten mit gleicher Intensität auf, und zwar auch dann, wenn die Augen durch Knopfnähte verschlossen sind. Dagegen fehlen die Reaktionen auf Progressivbewegungen nach doppelseitiger Labyrinthexstirpation. Dieses läßt sich bei labyrinthlosen Affen mit verschlossenen Augen deutlich nachweisen. Ebenfalls ist nach Großhirnexstirpation bei labyrinthlosen Tieren die Reaktion auf Pro- sressivbewegungen aufgehoben. Bei intakten labyrinthlosen Tieren mit offenen Augen erfolgt bei Progressivbewegungen in der Mehrzahl der Fälle ebenfalls keine Reaktion, nur zweimal wurde bei einem Tier gesehen, daß unmittelbar vor dem Erreichen des Bodens eine Spreizung der Hände auftrat, welche nachweislich optisch bedingt war, denn sie blieb nach Verschluß der Augen fort. Beobachtungen an einem freilaufenden und springenden labyrinth- losen Affen, der über 2 Monate dauernd beobachtet wurde, lehrten, daß das Fehlen der Reaktionen auf Progressivbewegungen nach dem Laby- rinthverlust sich dauernd sehr störend für das Tier geltend macht, und daß ein Ersatz dieser Reaktionen mit Hilfe optischer Eindrücke nicht erreicht wird. Daher kommt es, daß, wenn es dem labyrinthlosen Affen auch wirklich einmal gelingt, in normaler Stellung beim Springen auf den Boden anzulangen, er doch immer mit einem hörbaren Knall auf- fällt, weil die Extremitäten nicht in die richtige Auffangsstellung für das Gewicht des fallenden Körpers gelangen. Schon hieraus ergibt sich, von wie großer Bedeutung die geschilderten Reflexe auf Progressiv- bewegungen bei dem frei lebenden Tiere sind. B. Reflexe der Lage. Wie in früheren Arbeiten gezeigt wurde, sind die Reflexe der Lage nicht ausschließlich Labyrinthreflexe. Es beteiligen sich an ihnen auch andere Rezeptionsorgane. Bei allen diesen Reflexen spielen vom Halse ausgehende Erregungen eine große Rolle; bei den Stellreflexen außer- dem noch die oberflächliche und tiefe Sensibilität des ganzen Körpers. Körperstellung und Labyrinthreflexe beim Affen. 409 1. Tonische Hals- und Labyrinthreflexe auf die Körper- muskel (Stehreflexe). Beobachtungen über tonische Hals- und Labyrinthreflexe bei je zwei decerebrierten Affen habe ich bereits vor einigen Jahren vor- läufig mitgeteilt!). Die abgekürzten Versuchsprotokolle seien hier wiedergegeben. Versuch TI. 14.4. 1915. Kleiner Cercocebus © . Äthernarkose. Carotiden abgebunden. Vagi durchtrennt. Decerebrierung mit nachfolgender Ausräumung der vorderen Schädelhöhle unter vorübergehender Abklemmung der Vertebralarterien. 10h 35°. Ende der Operation. Schwache Herztätigkeit. Keine Spontan- atmung, Tier schlaff. Künstliche Atmung. 10h 55°. Spontanatmung. Puls kräftig. Tier schlaff. Keine Reflexe. 11 30°. Beinenoch schlaff. Kopfdrehen in rechter Seitenlage, so daß der Schädel nach unten kommt, bewirkt geringe Zunahme des Strecktonus im rechten Hinter- bein. Beim Kopfdrehen mit dem Schädel nach oben erschlafft das rechte Hinterbein. In Fußstellung erfolgt auf Kopfheben (+ 135°) Zunahme des Strecktonus der Hinterbeine, auf Kopfsenken (— 135°) Erschlaffung der Hinterbeine ?). In Rückenlage ist Strecktonus der Hinterbeine vorhanden, wenn die Mund- spalte + 45° über die Horizontale gehoben ist. Die Hinterbeine sind schlaff, wenn die Mundspalte — 45° unter die Horizontale gesenkt ist, und wenn der Kopf stark auf die Brust gebeugt wird (+ 135°). Wird das ganze Tier ohne Änderung der Stellung des Kopfes zum Rumpfe aus der Fußstellung (— 135°) in Rückenlage (+ 45°) gedreht, so erfolgt Streck- tonus in beiden Hüftgelenken. Heben und Senken des Kopfes in Seitenlage ist von zweifelhafter Wirkung. Also sind tonische Labyrinthreflexe vorhanden. 12h 30°. Sehr schöne Labyrinthreflexe auf die Hinterbeine. Bei Drehen des ganzen Tieres um die Bitemporalachse (ohne Bewegung des Halses) ist das Maxi- mum des Strecktonus, wenn der Kopf sich in Stellung 0° bis + 45° befindet, am stärksten bei + 45°. Das Minimum ist bei — 135° Die Tonuszunahme wird deutlich, wenn der Kopf die Stellungen — 45° und + 90° passiert. Die Labyrinth- reflexe lassen sich ebenfalls sehr deutlich beim Drehen des ganzen Tieres um die Wirbelsäule als Achse nachweisen. Es reagieren allein die Hinterbeine deutlich. Kopfheben und -senken in Seitenlage ist wirkungslos. Halsreflexe sind nicht stark ausgebildet. 1" 45’. Zustand ziemlich ungeändert, Halsreflexe nicht deutlich, Labyrinth- reflexe gut, stark ausgeprägt auf die Hinterbeine, jetzt aber auch schwach deut- lich an den Vorderbeinen. Auch der Tonus der Nackenstrecker hat sein Maximum, wenn der Kopf in Stellung + 45° steht, sein Minimum bei — 135°. 2h 10°. Eingegipst mit 3 Bleiplatten. Mundspalte etwa 45° gegen die Wirbelsäule geneigt. 2h 25°. Tonus der Hinterbeine: Strecktonus beim Drehen von -—- 135° über —- 90°, + 45° und 0°. Bei — 45° und — 90° deutlicher Beugetonus. Bei — 135°, — 180° und -- 135° schlaff. Von - 135° ab wieder Strecktonus. !) Arch. neerland de physiol. 2, 484. 1918 (Pekelharing-Festschrift). ?) Die Winkelgrade geben die Neigung der Mundspalte gegen die Horizontal- eben an. Vgl. die Abb. für die Katze in Pflügers Arch. f. d. ges. Physiol. 145, 463. 1912. 0° ist bei Rückenlage und horizontaler Mundspalte. 410 R. Magnus: Beim Drehen um die Wirbelsäule als Achse maximaler Strecktonus der Hinter- beine in Rückenlage, minimal in Bauchlage. 2h 45’. Entfernung des Gipsverbandes. Durchschneidung des Rückenmarkes am 12. Brustwirbel. Danach Vorderbeine schlaff. Keine Labyrinthreflexe auf die Vorderbeine, wohl aber auf die Halsmuskeln. Sektion: rechte Kleinhirnhemisphäre verletzt. Vierhügel vollständig ent- fernt. Nervi acustici beiderseits intakt. Der Decerebrierungsschnitt geht durch die Medulla oblongata, links vor, rechts durch das Tuberculum acusticum. Versuch II. 16. 4. 1915. Kleiner Cercocebus I. Äthernarkose. Carotiden abgebunden, Vagi durchtrennt. Decerebrierung mit nachfolgender Ausräumung der vorderen Schädelhöhle unter Abklemmung der Vertebralarterien. Schnitt unter Leitung des Auges gerade vor dem Tentorium cerebelli. 10% 20°. Ende der Operation. Spontanatmung. Beginnende Starre aller 4 Beine. 10h 30°. Kräftige Starre. „Steht‘‘ auf den Hinterbeinen. 10h 35. Starre maximal an allen 4 Extremitäten. Schwanz und Nacken tonisch gehoben. 10h 45°. Seitenlage. Hebensenken. Kopf dorsal: Strecktonus der Vorderbeine + » „ Hinterbeine — Kopf ventral: ef „ Vorderbeine — >» „ Hinterbeine + Kopfdrehen. Hals- und Labyrinthereflexe kombinieren sich auf die Vorder- und Hinterbeine in wechselnder Stärke. Fußstellung. Kopfheben. Strecktonus der Vorderbeine + 55 „ Hinterbeine — Kopfsenken. Strecktonus der Vorderbeine — is „ Hinterbeine + (spontane Streckung). Kopfwenden. Vorderes Kieferbein +-\ « 3 ; Vorderes Schädelbein | Semache an Rückenlage. Kopfwenden. Vorderes und hinteres Kieferbein + >» > 53 Schädelbein — Hebensenken. — 45°: Vorderbeine +, Hinterbeine — 0°: ” AR ” al a: 45°: ” A » air + 90°: R — ı „stark 4. Die Vorderbeine haben bei -- 45° etwas mehr 'Tonus als bei — 45°. Hängelage Kopf unten. Kopfdrehen. Vorder. u. hint. Kieferbein + . » » Schädelbein —. Drehen des ganzen Tieres um die Wirbelsäule als Achse ohne Änderung der Stellung des Kopfes zum Rumpfe, Mundspalte 45° gegen die Wirbelsäule geneigt: Rückenlage. Vorder- und Hinterbeine und Nacken + Strecktonus. Fußstellung. „5 R ” = „ — = Beim Drehen um die Bitemporalachse findet sich, daß der Strecktonus der Vorder- und Hinterbeine bei + 90° kommt, bei + 45° maximal ist, bei 0° etwas abnimmt und bei — 45° deutlich schwindet, bei — 135° sind die Beine ganz schlaff. 11% 30°. Maximumbestimmung für die Labyrinthreflexe mit demselben Ergebnis wiederholt. Körperstellung und Labyrinthreflexe beim Affen. 411 Hängelage Kopf unten. Kopfdrehen bewirkt Halsreflexe. 11h 45°. Eingegipst mit 3 Bleiplatten. Danach ist das Tier ziemlich schlaff Das Maximum der Strecktonus der Glieder ist bei Rückenlage des Tieres [+ 45°). 2h 20°. Schlaff. Reflexlos. Gipsverband entfernt. Sektion: Keine Blutung im Schädel. Schnitt gerade durch die hinteren Vierhügel. Vor der Brücke steht ventral noch ein Streifen von 3 mm Breite. Klein- hirn und Medulla oblongata intakt. Dieselben tonischen Hals- und Labyrinthreflexe auf die Körper- muskeln lassen sich nun außerdem vortrefflich studieren bei intakten Affen in Äther- oder Chloroformnarkose. Sobald die Narkose- starre gut ausgesprochen ist, lassen sich meistens auch die beschriebenen Stehreflexe in den verschiedenen Lagen des Körpers im Raume und bei den verschiedenen Stellungen des Kopfes zum Körper sehr gut demonstrieren. Die Stehreflexe sind in einem Narkosestadium gewöhnlich sehr deutlich ausgesprochen, in welchem noch keine Stellreflexe ausgelöst werden können, dagegen Kopf- und Augen- drehreaktionen vorhanden sind. Auch beim Thalamusaffen lassen sie sich deutlich nachweisen. Unmittelbar nach der Großhirnexstir- pation ist gewöhnlich eine deutliche Enthirnungsstarre ausgesprochen. In diesem Stadium ist das Versuchsergebnis das gleiche, wie bei den vorher beschriebenen Beobachtungen an zwei decerebrierten Affen. | Wenn dann allmählich der Schock der Operation vorübergeht und die Enthirnungsstarre schwindet, dann bildet sich auch beim Affen ein Zustand aus, in welchem der Tonus der Muskeln in den Extremitäten und am Halse nicht wie bei der Enthirnungsstarre d.h. eine über- triebene Steifheit der Streckmuskeln der Extremitäten sowie des Nackens und des Schwanzes ist, sondern die Tonusverteilung in der Körper- muskulatur sich mehr der Norm nähert. Hierdurch wird bewiesen, dab ebenso wie bei den anderen bisher untersuchten Tierarten die Ent- hirnungsstarre nicht auftritt infolge der Abtrennung des Großhirnes, sondern infolge der Abtrennung von Zentren im Mittelhirn, wobei die genaue Lage desjenigen Schnittes, bei welchem noch Enthirnungsstarre auftritt, und desjenigen Schnittes, bei welchem gerade die normale Tonusverteilung in der Muskulatur auftritt, noch bestimmt werden muß. Wenn beim Thalamusaffen die Enthirnungsstarre schwindet und die normale Tonusverteilung deutlich wird, dann lassen sich die tonischen Hals- und Labyrinthreflexe auf die Extremitäten ebenfalls noch mit großer Deutlichkeit nachweisen. Legt man z. B. einen solchen Thalamus- affen in Rückenlage, so tritt nach mehr oder weniger langer Latenz eine tonische Streckung der Arme ein. Setzt man das Tier, ohne die Stellung des Kopfes zum Körper zu ändern, in Bauchlage, dann werden die Arme gebeugt, und zwar so, daß der Strecktonus schwindet und häufig ein aktiver Beugetonus nachweisbar wird. 412 R. Magnus: An den beiden Affen, bei welchen einseitige Labyrinthexstir- pation vorgenommen wurde, ließ sich nachweisen, daß ebenso wie bei den anderen bisher untersuchten Tierarten ein Labyrinth genügt, um die tonischen Labyrinthreflexe auf die Gliedermuskeln der rechten und der linken Körperseite in gleicher Weise auszulösen. Nach doppel- seitiger Labyrinthexstirpation sind natürlich nur die tonischen Halsreflexe vorhanden. während die tonischen Labyrinthreflexe fehlen. Nach einseitiger Labyrinthexstirpation tritt eine Kopf- drehungein. Diese Kopfdrehung löst ihrerseits tonische Halsreflexe auf die Extremitäten aus, wie das in einer früheren Arbeit!) ausführlich geschildert worden ist. Auch beim Affen wird beispielsweise der Tonus- unterschied der Extremitäten nach linksseitiger Labyrinthexstirpation durch die dabei auftretende Kopfdrehung deutlich verstärkt, während beim Geradesetzen des Kopfes der Unterschied geringer wird. Bei einem Tier nach doppelseitiger Labyrinthexstirpation und mit verschlossenen Augen, bei welchem also keine tonischen Labyrinthreilexe auf die Gliedermuskeln mehr auftreten konnten, zeigte sich, daß wenn das Tier in Normalstellung in der Luft gehalten und der Kopf stark dorsal gebeugt wurde, die Arme gestreckt und in einer Art von Adorantenstellung in die Luft gehoben wurden (Hals- reflex). Wenn man einen normalen Affen so tief narkotisiert, daß die Drehreaktionen auf die Extremitäten und das Becken nicht eintreten, dagegen die tonischen Hals- und Labyrinthreflexe vorhanden sind, so tritt bei Drehbewegung in der Luft die Kopfdrehreaktion auf. Diese löst einen tonischen Halsreflex aus, wodurch der vorangehende (Kiefer-) Arm gestreckt, aber infolge des Fehlens der Armdrehreaktion nicht abduziert wird. Es wird also hierbei eine Modifikation der Dreh- reaktion in der Narkose bedingt. Aus diesen Versuchen, welche sich in glücklicher Weise ergänzen, ergibt sich, daß beim Affen die tonischen Hals- und Labyrinthreflexe auf die Körpermuskeln sich grundsätzlich in der gleichen Weise ver- halten, wie bei den bisher untersuchten Tieren. Sie lassen sich nach dem Decerebrieren und in der Narkose in deutlichster Weise hervor- rufen. Beide sind Reflexe der Lage und dauern so lange an, als der Kopf eine bestimmte Lage zum Rumpfe oder im Raume beibehält. Die Labyrinthreflexe werden ausgelöst, wenn der Kopf seine Lage zur Horizontalebene ändert. Der Strecktonus an den vier Glied- maßen und der Tonus der Nackenheber ändert sich dabei stets gleich- sinnig. Es gibt nur eine Lage des Kopfes im Raume, bei der dieser Tonus maximal ist (Rückenlage des Kopfes, Mundspalte + 45° gegen die Horizontale gehoben) und nur eine, bei der er minimal ist, (die um !) Pflügers Arch. f. d. ges. Physiol. 154, 178. 1913. Körperstellung und Labyrinthreflexe beim Affen. 413 180° davon verschiedene Lage des Kopfes). Bei allen anderen Lagen des Kopfes im Raume wird der Gliedertonus auf dazwischen gelegene Werte eingestellt. Die Versuche reichen nicht aus, um festzustellen, wie groß die individuellen Schwankungen in der genauen Lage des Maximums und Minimums sind. Ein Labyrinth genügt, um den Tonus der. Gliedermuskeln auf den beiden Körperseiten zu beherrschen. Die Zentren für diese Labyrinthreflexe reichen im Hirnstamme nicht weiter nach vorne als die Eintrittsebene der Nervi octavi. Die Halsreflexe werden ausgelöst durch Änderung der Stellung des Kopfes zum Rumpfe. Bei diesen reagiert immer ein Extremitäten- paar gegensinnig zum anderen. Bei Drehen des Kopfes nimmt der Strecktonus desjenigen Vorder- und Hinterbeines zu, nach denen der Unterkiefer gerichtet wird (Kieferbeine), während der Strecktonus der Beine auf der anderen Körperseite (Schädelbeine) abnimmt!). Beim Kopfwenden erfolgt die Tonuszunahme auf derjenigen Körperseite, nach welcher der Kopf gewendet (geneigt) wird, während auf der anderen Körperseite der Strecktonus der Glieder abnimmt. Beim Kopfheben werden die Vorderbeine gestreckt, die Hinterbeine erschlaffen, beim Kopfsenken werden die Hinterbeine gestreckt, während die Vorderbeine erschlaffen. In der letzteren Beziehung verhält sich also der Affe gerade so wie die Katze und Hund und umgekehrt als das Kaninchen. Bei den verschiedenen Lagen des Tieres im Raume führen die verschiedenen Kopfbewegungen zu verschiedenen. aber gesetzmäßigen Kombinationen der tonischen Hals- und Labyrinthreflexe auf die Körpermuskeln, wodurch sich die Körperstellungen des decerebrierten Tieres bei wechselndem Kopfstand ergeben. 2. Stellreflexe. Beim decerebrierten Tiere, welches sich im Zustande der Ent- hirnungsstarre befindet, wird die Spannungsverteilung in der Körper- muskulatur beherrscht durch die bisher beschriebenen tonischen Hals- und Labyrinthreflexe. Die Stellung, welche das Tier im Raume ein- nimmt, wird bestimmt durch den Experimentator. Das Tier bleibt in derjenigen Lage, die ihm gegeben wird, stehen oder fällt, wenn kein Gleichgewicht vorhanden ist, einfach um. Sobald aber außer der Medulla oblongata noch das Mittelhirn in funktionsfähigem Zustand mit dem Zentralnervensystem in Verbindung bleibt, wie das z. B. bei Thalamustieren der Fall ist, ändert sich das Verhalten. Zunächst tritt, !) Beim nichtdecerebrierten Affen hat M. Minkowski (Schweizer Arch. f. Neurol. u. Psychatrie 1, 389. 1917) nach Zerstörung der Centroparietalwindungen rechts und der Parietalwindungen links den umgekehrten Halsreflex auf Kopf- drehen in den linksseitigen Gliedmaßen auftreten sehen. 414 R. Magnus: wie schon erwähnt, statt der Enthirnungsstarre eine mehr normale Tonusverteilung der gesamten Körpermuskulatur auf, so daß nicht nur die Streckmuskeln sich in einseitigem Tonus befinden, sondern auch die Beugemuskeln hieran teilnehmen. Im Vergleich zum decerebrierten Tiere hat aber das Mittelhirn- oder Thalamustier das Vermögen dazu erworben, selbst die richtige Körperstellung einzuneh- men. Die Gesamtheit derjenigen Reflexe, welche hierzu führen, be- zeichne ich als ‚„Stellreflexe‘, im Gegensatz zu den beim decerebrier- ten Tier allein vorhandenen Stehreflexen. Die im Mittelhirn liegen- den Stellzentren empfangen ihre afferenten Erregungen von verschie- denen Rezeptionsorganen. Zunächst sind es auch wieder hier die Laby- rinthe, welche Labyrinthstellreflexe auslösen. Diese veranlassen es, daß der Kopf aus allen verschiedenen Lagen immer in die Normal- stellung zurückgeführt wird. Außerdem spielen Erregungen der Körpersensibilität eine Rolle. Sobald der Körper in asymmetrischer Stellung auf der Unterlage aufliegt, so gehen von den sensiblen Körper- nerven (oberflächlicher und tiefer Drucksinn) Erregungen aus, welche erstens dazu führen, daß der Kopf im Raume richtig gesetzt wird (Körperstellreflexe auf den Kopf), nnd zweitens dazu, daß der Körper im Raume die richtige Stellung einnimmt, (Körperstell- reflexe auf den Körper). Sobald ferner bei diesen verschiedenen Reaktionen der Kopf in bezug: auf den Körper eine abnorme (ge- drehte, gebeugte oder gestreckte) Lage annimmt, so werden durch diese abnorme Stellung des Halses Erregungen ausgelöst, welche da- zu führen, daß der Körper dem Kopfe folgt und in bezug auf den Kopf wieder seine normale Stellung einnimmt (Halsstellreflexe). Alle diese Stellreflexe lassen sich bei Hund, Katze und Kaninchen nach vollständiger Exstirpation des Großhirnes in wirksamer und nor- maler Weise beobachten. Tiere, welche ein intaktes Großhirn besitzen, können noch eine weitere Gruppe von Stellreflexen dazu bekommen, das sind die optischen Stellreflexe. Diese spielen beim Kaninchen keine, dagegen bei Hund und Katze eine größere Rolle. Durch die optischen Stellreflexe wird der Kopf in Normalstellung gebracht, was vor allen Dingen dann erfolgt, wenn das Tier mit den Augen irgend- einen Gegenstand fixiert und auf diese Weise den Kopf nach den Gegenständen im Raume orientiert. Die Versuche am Affen zeigen, daß dieses Tier grundsätzlich über die gleichen Stellreflexe verfügt, wie sie bei den früher untersuchten Tier- arten festgestellt werden konnten. Eine Besonderheit ist, daß die optischen Stellreflexe besonders lebhaft sind, und daß man daher beim Experimentieren diese mit großer Sorgfalt berücksichtigen bzw. aus- schließen muß. Zweitens sind Körperstellreflexe auf den Körper außerordentlich stark ausgesprochen, was für die Bewegungen dieses Körperstellung und Labyrinthreflexe beim Affen. 415 Tieres, besonders auch beim Klettern, von großer Bedeutung zu sein scheint. Mit Ausnahme der optischen Stellreflexe sind sämtliche erwähnten Stellreflexe beim Affen auch nach Exstirpation des Großhirnes (Tha- lamusaffen) nachzuweisen. Allerdings ist, wie später zu schildern sein wird, in den Versuchen mit doppelseitiger Großhirnexstirpation der Schock ziemlich groß, aber es ist trotzdem gelungen, das normale Vor- handensein der Stellreflexe auch beim Thalamusaffen vollständig nach- zuweisen. a) Labyrinthstellreflexe auf den Kopf. Wenn man die Labyrinthstellreflexe beim intakten Tier isoliert untersuchen will, dann muß man erstens die Körperstellreflexe und zweitens die optischen Stellreflexe ausschalten. Das erstere erreicht man dadurch, daß man das Tier frei in der Luft hält, das zweite durch Verschluß der Augen. Letzteres geschieht zweckmäßig nicht mit einer Kopfkappe, weil diese gerade die Stellreflexe besonders deutlich zu hemmen scheint, sondern durch Vernähen der Augenlider. Zur Untersuchung wird das Tier am Rücken gepackt und dann frei in der Luft gehalten. Falls die Tiere sehr unruhig sind, kann man sie auch an den hinter dem Rücken festgehaltenen Unter- armen packen. Hält man ein Tier auf diese Weise frei am Rücken in Normal- stellung mit horizontaler Wirbelsäule in der Luft, so sieht man, daß der Kopf die gewöhnliche Stellung im Raume einnimmt, d.h. Mund- spalte nahezu horizontal, etwa 35° unter die Horizontalebene gesenkt, die Verbindungslinie der beiden Ohren horizontal, Kopf im Nacken dorsal gehoben. Hält man das Tier in rechter oder linker Seitenlage, so wird der Kopf aus der Seitenlage heraus gegen die Normalstellung zu gedreht, und wird bei intakten Tieren vollständig in die richtige Normalstellung mit horizontal stehender Verbindungsslinie beider Ohren gebracht. Dreht man dann z. B. das Tier aus rechter in linke Seitenlage, so sieht man, daß der Kopf im Raume stehen bleibt und diese Drehung nicht mitmacht, während das Becken eine Drehung von 180° ausführt. Hält man das Tier am Becken in aufrechter Stellung mit dem Kopfe nach oben, so wird ebenfalls der Kopf in der Normalstellung gehalten. Wenn man nunmehr das Becken so dreht, daß man das Tier in die umgekehrte Stellung mit dem Kopfe nach unten brinst, dann sieht man, daß zunächst der Kopf seine Stellung im Raume voll- ständig unverändert beibehält und erst, wenn die Vertikalstellung mit dem Kopf nach unten nahezu erreicht ist, etwas sich bewegt. Stets ist hierbei eine sehr starke Dorsalbeugung des Kopfes deutlich, durch welche der Kopf mehr oder weniger vollständig der Normalstellung genähert wird. Während gewöhnlich die Mundspalte einen Winkel von 416 R. Magnus: 35° mit der Horizontalen bildet, wird bei Hängen mit dem Kopf nach unten dieser Winkel meistens 60—80°, d.h. also, daß, wenn man die Stellung des Beckens in der Luft um 180° ändert, die Mundspalte ihre Neigung nur 25—45° ändert. In denjenigen Fällen, in denen das Tier weniger erregbar ist, kann die Mundspalte auch vertikal nach unten hängen, aber auch dann ist Dorsalbeugsung des Kopfes deutlich zu sehen. Hält man das Tier in Rückenlage in der Luft, so ist es zuerst unruhig, bis es auf eine oder die andere Weise den Kopf in die Normal- stellung gebracht hat. Das kann geschehen durch einfache spiralige Drehung des Körpers, meistens aber dadurch, daß der Kopf und der Vorderkörper ventral gebeugt werden, was gewöhnlich so weit geht, daß der Kopf völlig in Normalstellung kommt und die Mundspalte — 135° oder horizontal steht oder nur 10—20° über die Horizontal- ebene gehoben ist. Mitoffenen Augen sind natürlich diese Labyrinthstellreflexe eben- falls vorhanden, und der Kopf wird bei allen Lagen im Raume recht- gesetzt. Diese Labyrinthstellreflexe auf den Kopf spielen beim freien Fall durch die Luit die entscheidende Rolle. Ebenso wie die Katze und das Kaninchen vermag auch der Affe sich in der Luft umzudrehen, so daß er am Ende des Falles in Normalstellung mit den vier Füßen auf die Erde kommt. Hierbei wird schon im Beginn des Falles der Kopf gegen die Normalstellung hin gedreht, wie das z. B. aus den Reihenphoto- graphien von Marey für Katze und Kaninchen!) hervorgeht. Hält man einen Affen in 2m Höhe über dem Boden in Rückenlage und läßt ihn dann fallen, so dreht er sich prompt um und kommt, ohne sich zu verletzen, mit den vier Füßen auf dem Boden an. Nach doppelseitiger Labyrinthesxtirpation ist dagegen dieses Vermögen erloschen, das Tier plumpt wie ein Sack herunter und fällt in Seitenlage oder in Rückenlage auf den Boden. Man muß natürlich dafür sorgen, daß das Tier weich auf einem Bündel Stroh auffällt. Das Verhalten der Labyrinthstellreflexe wurde auch bei 3 Thala- musaffen untersucht. Bei diesen stellte sich heraus, daß, nachdem der erste Schock nach der Operation verschwunden war, sich schon am Tage der Operation die Labyrinthstellreflexe deutlich nachweisen ließen. In Normalstellung am Becken in der Luft gehalten, wurde der Kopf in Normal- stellung gebracht. Aus der Seitenlage wurde der Kopf mehr oder weniger voll- ständig gegen die Normalstellung hin gedreht (Abb. 4, S. 47), so daß dieselbe bei 2 Tieren vollständig, bei einem anderen bis auf 45° erreicht wurde. Drehte man !) Abb. siehe bei Liesegang, Wissenschaftl. Kinematographie. Düsseldorf 1920. S. 6. Körperstellung und Labyrinthreflexe beim Affen. AT den Körper des Tieres in der Luft aus einer Seitenlage in die andere, so ließ sich deutlich sehen, daß der Kopf durch den geschilderten Reflex mit mehr oder weniger gutem Erfolg in der Normalstellung festgehalten wurde. Bei aufrechter Körper- stellung in der Luft wurde der Kopf in Normalstellung gehalten. Beim Hängen mit dem Kopf nach unten war die Dorsalbeugung des Kopfes deutlich, die Mund- spalte stand entweder vertikal nach unten oder wurde von hier aus noch um 10° gegen die Normalstellung hin gedreht. Beim Übergang aus der Hängelage mit Kopf oben in Hängelage mit Kopf unten, bei welchem also das Becken um 180° gedreht wurde, führte der Kopf nur eine Drehung von 45° aus. Wurden die Tiere in Rückenlage gehalten, so wurde der Kopf durch Ventralbeugen in die Normal- stellung gebracht, wobei die Mundspalte entweder horizontal oder etwas über die Horizontale gehoben stand. Da der Thalamusaffe keine optischen Stellreflexe besitzt, kann man diese Untersuchung ohne Verschluß der Augen ausführen. Aus dem Geschilderten ergibt sich, daß beim Thalamusaffen die Labyrinthstellreflexe auf den Kopf mit außerordentlich großer Deutlichkeit vorhanden sind. Anhangsweise sei noch erwähnt, daß, wenn man einen labyrinthlosen Thalamusaffen in Seitenlage in der Luft hält, der Kopf in Seitenlage steht (Abb. 1 S. 31), so daß also die oben erwähnte Drehung des Kopfes aus der Seitenlage um 45° oder 90° gegen die Normalstellung zu nicht etwa durch Schwerkrafts- wirkung vorgetäuscht wird. Beim Erwachen aus der Narkose läßt sich das Wiederauftreten deı Labyrinthstellreflexe mit großer Deutlichkeit verfolgen. Die Stell- reflexe fehlen noch zu einer Zeit, in welcher die tonischen Hals- und Labyrinthreflexe auf die Gliedermuskeln und die Kopf- und Augen- drehreaktionen sowie der Nystagmus voll entwickelt sind. Dagegen treten die Stellreflexe früher auf als die Arm- und Beckendrehreaktionen und die Reaktionen auf Progressivbewegungen. Von den verschiedenen Stellreflexen kommen die Labyrinthstellreflexe etwas früher zurück als die Körperstellreflexe auf den Körper, dagegen nach den Körper- stellreflexen auf den Kopf. Diese Beobachtungen wurden bei ver- schiedenen Atfen gemacht, von denen bei einzelnen die Augen vernäht waren. Nach doppelseitiger Labyrinthexstirpation fehlen die Labyrinthstellreflexe auf den Kopf vollständig. Man untersucht dieses am besten bei Tieren mit geschlossenen Augen. Dieses wurde bei dem einen labyrinthlosen Affen 14 Tage und 1!/, Monate nach der Exstirpation des zweiten Labyrinthes ausgeführt. Hält man ein solches Tier in verschiedenen Stellungen in der Luft, so ergibt sich, daß der ‚Kopf jetzt keine feste Lage im Raume mehr einnimmt. Z. B. kann bei Normalstellung in der Luft der Kopf mit der Schnauze senk- recht nach unten hängen oder sich in rechter oder linker Seitenlage befinden oder sogar dorsal gebeugt gehalten werden. Wird das Tier in Seitenlage in der Luft gehalten, so steht der Kopf in Seitenlage ohne Drehung und hängt nur der Schwerkraft folgend etwas mit dem unteren Ohr nach unten. In aufrechter Stellung in der Luft gehalten kann der Kopf entweder in Normalstellung gehalten werden Pflügers Archiv f. d. ges. Physiol. Bd. 193, 28 418 R. Magnus: oder sich in rechter oder linker Seitenlage befinden, ohne daß diese Stellung korri- giert wird. Läßt man das Tier mit dem Kopf nach unten hängen, so wird meist der Kopf ventral gebeugt gehalten, so daß die Mundspalte horizontal oder sogar etwas nach oben steht, oder der Kopf hängt mit der Schnauze nach unten. Hält man das Tier in Rückenlage in der Luft, so befindet sich der Kopf entweder in Rücken- lage oder in rechter oder linker Seitenlage. Meistens wird er jedoch in Rückenlage gehalten. Hieraus ergibt sich also, daß nach Verlust der Labyrinthe und Verschluß der Augen das freiin der Luft gehaltene Tier seinen Kopf nicht mehr orientieren kann. Wird der labyrinthlose Affe mit offenen Augen frei in der Luft gehalten, so zeigt sich auch jetzt, daß der Verlust der Labyrinthe sich deutlich fühlbar macht. Es kommen aber nunmehr die optischen Stellreflexe dazu, welche weiter unten zu schildern sein werden, und welche den Kopf vorübergehend in die Normalstellung zu bringen imstande sind. Zwischendurch sinkt aber der Kopf immer wieder in verschiedene abnorme Lagen zurück. Hierfür sei folgendes angeführt: Bei Normalstellung in der Luft kann der Kopf wechselnd nach links oder rechts gewendet sein, sich auch durch Dorsal- beugung nahezu in Rückenlage oder in einer der beiden Seitenlagen befinden. Bei Seitenlage des Körpers kann der Kopf sich entweder ebenfalls in Seitenlage befinden oder sogar gegen die Rückenlage zu gedreht oder in irgendwelche be- liebigen anderen Stellungen gebracht werden. Bei aufrechter Körperhaltung mit dem Kopf nach oben wird der Kopf häufig ventral gebeugt, so daß er mit der Schnauze nach unten hängt, oder er fällt hintenüber, so daß er sich in Rückenlage befindet, oder er wird in Normalstellung gehalten. Bei Hängelage mit dem Kopf nach unten befindet sich der Kopf in allen verschiedenen Lagen, auch in Rücken- lage oder in maximaler Ventralbeugung, wird aber natürlich auch manchmal zwischendurch durch Dorsalbeugung in Normalstellung gebracht. In Rückenlage befindet sich der Kopf in Rückenlage und kann von da aus alle möglichen anderen Stellungen einnehmen. Charakteristisch ist, daß, wenn man das Tier in Rückenlage in der Luft hält und dann etwas schüttelt, nicht, wie das bei normalen Tieren der Fall ist, der Kopf sofort durch Ventralbeugen in die Normalstellung übergeht, sondern in Rückenlage gehalten bleibt. Das Fehlen der Labyrinthstellreflexe nach doppelseitiger Labyrinthexstirpation läßt sich auch besonders deutlich beim Thalamusaffen nachweisen. Bei diesem wird bei Seitenlage in der Luft der Kopf in strenger Seitenlage gehalten (siehe Abb. 1), bei Rücken- lage steht der Kopf in Rückenlage, bei aufrechter Körperstellung mit dem Kopf oben wird die Mundspalte vertikal nach oben gehalten, und bei Hängelage mit dem Kopf nach unten tritt Ventralbeugen des Kopfes ein, so daß die Mundspalte schräg nach oben und ventralwärts hängt. Die Stellreflexe nach einseitiger Labyrinthexstirpation sind bisher eingehender beim Kaninchen!) und bei der Katze?) unter- !) Pflügers Arch. f. d. ges. Physiol. 194, 134. 1919. >) Ibid. 180, 75. 1920. Körperstellung und Labyrinthreflexe beim Affen. 419 sucht worden. Es hat sich herausgestellt, daß die Verhältnisse dadurch kompliziert werden, daß sich hierbei 2 Gruppen von Reflexen super- ponieren. Macht man bei einem decerebrierten Tier die einseitige Labyrinthexstirpation, so tritt die bekannte Drehung des Kopfes nach der Seite des fehlenden Labyrinthes auf, wobei das Ohr der operierten Seite ventralwärts gedreht wird. Diese Halsdrehung wird als „Grund- drehung‘ bezeichnet, sie hat ihr Maximum, wenn der Kopf sich in Rückenlage bei etwas über die Horizontale gehobener Mundspalte befindet, ihr Minimum bei um 180° dazu verschiedener Stellung. Die Grunddrehung läßt sich beim intakten Tiere am reinsten unter- suchen, wenn man das Tier in Hängelage mit dem Kopf nach unten brinst. Auf diese Grunddrehung superponiert sich bei erhaltenem Mittelhirn nun der Labyrinthstellreflex. Nach einseitiger Laby- rinthexstirpation ist das Verhalten so geändert, daß das Tier dann Abb. 1. Macacus Rhesus. Vollständige Großhirnexstirpation 34 Tage nach doppelter Labyrinth- exstirpation. Das Tier wird am Becken und den Vorderbeinen in linker Seitenlage in der Luft gehalten. Der Kopf steht in linker Seitenlage und ist nur, der Schwere folgend, etwas nach unten gesunkeu. Fehlen der Labyrinthstellreilexe auf den Kopf. stets den Kopf in Seitenlage mit dem fehlenden Labyrinthe nach unten zu bringen strebt. Durch die Kombination des Labyrinthstellreflexes und der Grunddrehung ergeben sich nun bei den verschiedenen Lagen im Raume sehr verschiedene Resultate, welche in den zitierten Arbeiten eingehend geschildert wurden. Auch beim Affen hat sich herausgestellt, daß die bei den übrigen Tierarten gemachten Feststellungen zur Er- klärung der beobachteten Stellungen genügen. Bei beiden Affen war das linke Labyrinth exstirpiert. Einer wurde danach über 3 Wochen, der andere länger als 2 Monate beobachtet. In Normalstellung in der Luft wurde bei offenen Augen der Kopf entweder nach der Seite des fehlenden Labyrinthes gewendet oder so gedreht, daß das Ohr mit dem fehlenden Labyrinthe ventralwärts gerichtet wurde. Meistens aber wurde der Kopf infolge der optischen Stellreflexe mehr oder weniger gerade gehalten. In Seitenlage des Tieres kommt es durch verschiedene Kombination der Grund- drehung und des Labyrinthstellreflexes zu einseitig verschiedenem Verhalten. Nach linksseitiger Labyrinthexstirpation findet bei rechter Seitenlage des Tieres in der Luft eine Addition der Grunddrehung und des Labyrinthstellreflexes statt, wodurch der Kopf aus der Seitenlage in die Normalstellung gedreht wird. Dieses ließ sich auch nach Verschluß der Augen bei beiden Affen nachweisen. Bei linker 28= 420 R. Magnus: Seitenlage in der Luft wirken sich dagegen Grunddrehung und Labyrinthstellreflex entgegen, und infolgedessen wird der Kopf bei verschlossenen Augen in linker Seitenlage, d.h. nicht gedreht, gehalten. Dieses Verhalten war auch noch einen Monat nach der Operation deutlich nachzuweisen. Bei offenen Augen findet natür- lich häufig eine Drehung des Kopfes gegen die Normalstellung auch aus linker Seitenlage statt, dieselbe ist aber immer nur vorübergehend. Bei aufrechter Körperstellung mit dem Kopfe nach oben wird der Kopf bei offenen Augen gerade gehalten mit mehr oder weniger starker Neigung nach der Schulter. Bei Hänge- lage mit dem Kopf nach unten ist das Verhalten sehr verschieden. Man kann meistens feststellen, daß die Grunddrehung, gerade wie das auch bei Kaninchen und Katzen zu sehen ist, im Laufe der Zeit zunimmt, so daß sie nach 2—3 Wochen 70—90° beträgt. Da nun infolge des linksseitigen Labyrinthverlustes durch die Grunddrehung der Kopf im allgemeinen mehr Neigung hat, sich nach der linken Schulter zu neigen, würde bei Hängelage mit dem Kopf nach unten der Kopf da- durch in rechte Seitenlage kommen. Das ist aber genau die umgekehrte Seiten- lage als die, in welche der Labyrinthstellreflex den Kopf zu bringen trachtet. Das Ergebnis ist ein Wettstreit,in welchem beim Affen häufig der Labyrinthstellreflex gewinnt, so daß bei Hängelage mit dem Kopf nach unten wohl eine Drehung im richtigen Sinne, dagegen eine Wendung des Kopfes (Neigung zur Schulter) in um- gekehrtem Sinne erfolgt, so daß der Kopf sich in linker Seitenlage in der Luft befindet. In Rückenlage in der Luft findet zunächst ein Wettstreit zwischen der Grunddrehung und dem Labyrinthstellreflex statt. Nach den Untersuchungen beim Kaninchen hat sich aber ergeben, daß es eine Lage gibt, in welcher die beiden Reflexe zusammenwirken: das ist, wenn der Kopf durch Ventralbeugung auf den Bauch des Tieres gelagert wird und dabei die Seite des fehlenden Labyrinthes nach unten liegt. Diese eigentümliche Zwangsstellung, welche in der Arbeit über die Stellreflexe beim Kaninchen?) stereoskopisch abgebildet ist (s. dort Abb. 2), wird auch gelegentlich beim Affen eingenommen. In anderen Fällen führt die Grund- drehung zu rechter Seitenlage, der Labyrinthstellreflex manchmal dagegen zur linken Seitenlage des Kopfes im Raume. Beide Lagen sind aber dem Tiere offenbar unbequem und führen zu Unruhe, Kopfkreisen usw. Kommt dann unter irgend- einem Einfluß noch ein optischer Stellreflex dazu, dann kann vorübergehend der Kopf auch durch Ventralbeugen in die Normalstellung gebracht werden. Aus den geschilderten Beobachtungen ergibt sich also, daß die Labyrinthstellreflexe sich beim Affen mit großer Deutlichkeit nachweisen lassen, und daß sie denselben Gesetzmäßigkeiten gehorchen, wie das bei den früher unter- suchten Tierarten der Fall war. Sie wirken zweifellos deut- lich mit, um dem Tier seine Orientierung und seine Körper- stellung im Raume zu ermöglichen. b) Körperstellreflexe auf den Kopf. Schaltet man bei Kaninchen, Katzen und Hunden die Labyrinth- stellreflexe auf den Kopf aus und außerdem bei Katzen und Hunden auch die optischen Einflüsse, so vermögen sie frei in der Luft gehalten ihren Kopf nicht in die Normalstellung zu bringen. Sobald man die Tiere aber mit dem Boden in Berührung bringt, wird das anders. Legt 1!) Pflügers Arch. f. d. ges. Physiol. 1%4, 134. 1919. Körperstellung und Labyrinthreflexe beim Affen. 421 man ein solches Tier z. B. in Seitenlage auf den Boden, so wird durch die asymmetrische Erregung der sensiblen Nerven der Körperober- fläche und der Tiefe ein Reflex durch Vermittelung des Mittelhirnes ausgelöst, durch welchen der Kopf in die Normalstellung gedreht wird. Man kann die Erregung dadurch kompensieren, daß man die andere Körperseite, welche nicht auf dem Boden aufliest, ebenso stark reizt, was z.B. durch ein mit einem Gewicht beschwertes Brett geschehen kann. Während diese Körperstellreflexe auf den Kopf bei den genannten Tierarten sich mit großer Lebhaftigkeit aussprechen und daher leicht zu demonstrieren sind, ist das beim Affen nicht der Fall, und es würde wahrscheinlich auch nicht möglich sein, sie aufzufinden, wenn man diese Reflexe nicht vorher kennte. Im Laufe der Beobachtungen haben aber doch die Fälle sich gehäuft, welche beweisen, daß diese Reflex- gruppe ebenfalls beim Affen vorhanden ist, wenn sie auch nicht so stark ausgesprochen ist wie bei den anderen Tieren. Einige von diesen Be- obachtungen sollen hier angeführt werden. Ein normaler Affe wurde mit Äther narkotisiert. Beim Erwachen aus der Narkose war ein Stadium vorhanden, in welchem die Labyrinthstellreflexe auf den Kopf noch nicht nachzuweisen waren und das Tier deshalb, wenn es in Seitenlage in der Luft gehalten wurde, den Kopf in Seitenlage hielt. Wurde das Tier nunmehr in rechter oder linker Seitenlage auf den Tisch gelegt, so wurde sofort der Kopf gegen die Normalstellung gedreht und nahm schließhießlich vollständig die Normal- stellung ein. Bei einem normalen Affen war nach Großhirnexstripation (Thalamusaffe) nach 1?/, Stunden noch kein Labyrinthstellreflex auf den Kopf nachzuweisen. Sobald das Tier aber auf den Tisch gelegt wurde, drehte es aus linker und rechter Seitenlage den Kopf 45° + gegen den Normalstand hin. Kurze Zeit darauf wurde die Normalstellung fast vollständig erreicht. Es wurde oben geschildert, daß, wenn man.nach linksseitiger Labyrinthexstirpa- tion einen Affen in linker Seitenlage in der Luft hält, dann die Grunddrehung und der Labyrinthstellreflex sich gerade so weit kompensieren, daß der Kopf in linker Seitenlage gehalten wird. Legt man nun ein solches Tier auf den Tisch, so wird der Kopf gegen den Normalstand gedreht (am ersten Tage nach der Operation), und wenige Tage darauf nimmt der Kopf wieder vollständig die Normalstellung ein. Diese letztere Beobachtung ist nicht ganz eindeutig, weil hierbei die optischen Reflexe nicht ausgeschlossen worden sind. Da aber die optischen Eindrücke die gleichen sind oder mit gleicher Stärke wirken müssen, wenn das Tier in der Luft oder auf dem Tisch gehalten wird, so braucht dieser Versuch nicht ganz verworfen zu werden. Am besten läßt sich natürlich diese Frage untersuchen, wenn beide Labyrinthe exstirpiert und die Augen vernäht sind. Ein solches Tier, bei welchem also, wenn es in der Luft frei gehalten wird, keine Stell- reflexe mehr vorhanden sind, wurde beim Erwachen aus der Äther- narkose auf den Tisch gelegt, und es ergab sich, daß der Kopf sofort nach der Normalstellung hin gedreht wurde, während in diesem Narkose- stadium der Körper zunächst noch in Seitenlage blieb. Später, als bei 422 R. Magnus: weiterem Erwachen aus der Narkose das Tier bereits die Fähigkeit hatte, wieder aufzusitzen, konnte man nachweisen, daß auch jetzt der Kopf beim Aufsitzen voranging, d.h. zuerst in die Normalstellung ge- dreht wurde. Nimmt man ein labyrinthloses Tier ohne Narkose mit verschlossenen Augen an den hinter dem Rücken gehaltenen Unter- armen und hält es zunächst in Seitenlage in der Luft, so befindet sich der Kopf in Seitenlage. Sowie man das Tier in dieser Lage auf den Tisch legt, geht der Kopf gegen die Normalstellung hin. Diese Be- obachtungen mit Verschluß der Augen wurden bei einem labyrinth- losen Affen 3 Wochen und 1!/, Monate nach der Labyrinthexstirpation vorgenommen. Die Beobachtungen zeigen das Vorhandensein der ge- nannten Reflexe, aber sie spielen beim normalen Affen nur eine untergeordnete Rolle für die Körperstellung. c) Halsstellreflexe. Sobald sich aus irgendeinem Grunde der Kopf in der Normalstellung befindet, der Körper aber noch nicht, so muß der Hals in irgendeiner Weise gedreht, gebeugt oder gestreckt sein, d.h. sich in einer abnormen Stellung befinden. Hierdurch werden von den Receptoren des Halses aus über das Mittelhirn Reflexe ausgelöst, durch welche der Körper gegen den Kopf gerade gestellt wird. Diese Halsstellreflexe lassen sich am besten untersuchen, wenn man das Tier in Rückenlage bringt und nun den Kopf dreht. Die Halsstellreflexe führen dann zu einer spiraligen Drehung der Wirbelsäule, so daß das Becken eine Drehbewegung aus- führt, die sich bei den meisten Tierarten mit großer Deutlichkeit nach- weisen läßt. Beim Affen beteiligt sich auch der Schwanz an dieser Drehreaktion. Die Halsstellreflexe lassen sich sowohl bei normalen Affen als auch in Narkose und nach Großhirnexstirpation beim Thalamusaffen nachweisen. Sie sind nach doppelseitiger Laby- rinthexstirpation unverändert vorhanden, auch wenn die Augen verschlossen werden. Auch beim labyrinthlosen Thalamus- affen lassen sie sich demonstrieren. Auch bei der Beobachtung der frei sich bewegenden Tiere läßt sich das Vorhandensein der Halsstellreflexe deutlich sehen, vor allen Dingen bei labyrinthlosen Tieren, wenn der Kopf durch optische Reaktionen in eine bestimmte Stellung gebracht wird. Der Halsstellreflex spielt ebenfalls eine große Rolle beim freien Fall eines Tieres mit intakten Labyrinthen. Bei diesem geht durch den Labyrinthstellreflex auf den Kopf zuerst der Kopf in die Normalstellung, und der Körper wird dann durch den hierdurch ausgelösten Halsstellreflex ebenfalls in die Nor- malstellung gedreht, so daß er in der richtigen Stellung auf dem Boden ankommt. Körperstellung und Labyrinthreflexe beim Affen. 423 d) Körperstellreflexe auf den Körper. Durch asymmetrische Berührung des Körpers mit der Unterlage werden nicht nur die Körperstellreflexe auf den Kopf, sondern eben- solche Reflexe durch Vermittelung des Mittelhirnes auf den Körper selber ausgelöst, so daß der Körper auch direkt, ohne dem Kopfe dabei folgen zu müssen, in Normalstellung gebracht wird. Man kann diese Körperstellreflexe auf den Körper am besten untersuchen, wenn man den Kopf in einer abnormen Lage z. B. Seitenlage festhält und nun den Körper auf den Tisch legt, unter Umständen je nach der Empfindlich- keit des Tieres ihn hierbei etwas auf der Unterlage hin und her schiebend. Dann sitzt der Körper mit mehr oder weniger großer Sicherheit auf, trotzdem bei der abnormen Lage des Kopfes der Halsstellreflex ihn in einer anderen Richtung dirigieren müßte. Es ist dieses die beste Me- thode, um beim intakten Tiere das Vorhandensein der Körperstellreflexe auf den Körper zu untersuchen. Beim Affen sind die Körperstellreflexe auf den Körper mit ganz außerordentlich großer Lebhaftigkeit wie bei fast keinem anderen Tiere entwickelt. Es genügt eine ganz leichte Berührung des Bodens oder des Gitterdaches des Käfigs mit einer oder mehreren Extremitäten, um sofort den Körper des Affen in besstimmter Weise gegen den Boden oder das Dach zu orientieren. Bei den bisher untersuchten Tieren wurde einfach die Tatsache des Aufsitzens aus Seitenlage bei Berührung mit der Unterlage konstatiert, ohne daß über den Mechanismus besondere Beobachtungen angestellt wurden. Beim Thalamusaffen stellte sich nun im Zustande des Schocks heraus, daß man das allmähliche Sichentwickeln der Aufsitz- reaktion beobachten kann, und es sollen daher an dieser Stelle zunächst einige Protokolle von Thalamusaffen gegeben werden, die zugleich zur Veranschaulichung des Verhaltens derartiger Tiere, von denen hier mehrfach in der Arbeit die Rede ist, dienen sollen. Kleiner Affe, weiblich (Cercopithecus Pentaurista). 3. 6. 1918. — 10%. Äthernarkose, Carotiden unterbunden, Vagi durchschnitten, Trachealkanüle. Trepanation, Fortnahme des Schädeldaches beiderseits, es bleibt eine sagittale Spange über dem Sinus saggittalis stehen. Exstirpation beider Großhirnhälften, Thalami bleiben stehen. Ende der Narkose 11h. Tier schlaff, Patellarreflexe +, Lidreflex +. 11h 5%. Spontane Atmung, spontaner Lidschlag, abwechselnd Streck- und Beugetonus der 4 Extremitäten, schöne tonische Hals- und Labyrinthreflexe. Beim Umlegen aus Bauch- in Rückenlage deutliche Streckung der Vorderbeine, Kopfdrehen in Seitenlage führt zu einer Kombination von Hals- und Labyrinth- reflexen. Spontaner horizontaler (Narkose-?) Nystagmus nach links. 11h 10°. Kopf symmetrisch. Das Tier bleibt, wenn es auf seine 4 Extremitäten gesetzt wird, mit aktiv gehobenem Kopfe sitzen. Wenn es gehalten wird, steht es auf den steif gestreckten Hinterbeinen. Stellreflexe sind noch nicht vorhanden. 11" 15‘. Nystagmus hat aufgehört. Beugetonus der 4 Beine, gleichseitiger Beuge- und, gekreuzter Streckreflex +. 424 R. Magnus: 11" 30° Kaureflex vorhanden. Kopfdrehreaktion und -nachreaktion schwach, aber deutlich. Augendrehreaktion und -nachreaktion sehr stark, Augendreh- nystagmus und Nachnystagmus fehlt. Keine deutliche Pupillenreaktion auf Belich- tung. Lidreflex +. Auf Berühren der Lippe Bewegung derselben, starker Kau- muskeltonus. 11" 45°. Noch keine deutlichen Labyrinthstellreflexe in der Luft. Auf den Tisch gelegt, dreht das Tier bei rechter oder linker Seitenlage den Kopf um 45— 70° gegen die Normalstellung zu. 12" 5° Keine Halsstellreflexe auf Kopfdrehen in Rückenlage. Wird bei Seitenlage des Tieres auf dem Tisch der Kopf mit der Hand in Normalstellung gebracht, so sitzt der Körper nicht auf. Kopfdrehreaktion und -nachreaktion viel stärker. Sehr starker Körperstellreflex auf den Kopf bei Seitenlage des Körpers auf dem Tische (45—70°). Andeutung von Labyrinthstellreflexen in der Luft bei Seitenlage; diese Reflexe sind aber noch nicht stark entwickelt. Bei Hängelage Kopf oben wird der Kopf steif in Normalstellung gehalten. Bei Hängelage Kopf unten steht der Kopf nahezu in Rückenlage durch starkes Ventralbeugen. Auch in Rückenlage in der Luft wird der Kopf in Rückenlage gehalten. Wird das Tier in der Luft aus der Bauchlage in die Rückenlage umgelegt, so erfolgt nach langer Latenz eine starke tonische (‚‚pathetische‘‘) Streckung der Vorderbeine. Beim Umlegen aus Rückenlage in Bauchlage erfolgt kräftige tonische Beugung. Dieser Reflex ist wiederholt auszulösen. Bei Seitenlage auf dem Tisch geht das untere Hinterbein in starker tonischer Streckung nach hinten, das obere Hinterbein in starker Beugung nach vorne und ventral. Der Schwanz wird nach der ventralen Seite gebeugt. Beide Vorderbeine sind in starker Beugestellung. Dabei ist der Kopf nahezu in die Normalstellung gekommen, und der Körper gelangt auf diese Weise in Bauchlage (Normal- stellung). Dieser Reflex geht vorläufig noch sehr langsam, aber deutlich. Die Schultern sind das letzte, was in Normalstellung kommt. Sobald der ganze Körper in Bauchlage liegt, werden die Hinterbeine wieder normal gehalten. Es handelt sich hier um einen Körperstellreflex auf den Körper (außerdem Körperstellreflex auf den Kopf und schwache Labyrinthstellreflexe auf den Kopf). Starker Greifreflex. Das Tier hält sich mit den beiden Händen an 2 Zeige- fingern und kann auf diese Weise in der Luft gehalten werden. Die Enthirnungs- starre ist verschwunden, der Tonus der Gliedmaßen ist mehr ‚„‚normal‘‘. 14 30° Noch keine deutlichen Labyrinthstellreflexe in der Luft in den ver- schiedenen Lagen. In rechter Seitenlage auf den Tisch gelegt, wird der Kopf etwa 45° nach links gegen die Normalstellung zu gedreht. Auch die Schulter ist etwa 30° gegen die Normalstellung gedreht, das rechte Vorderbein ist gebeugt und kommt mit der Hand auf der Bauchseite zum Vorschein, der linke Arm liegt gestreckt auf der linken Seite. Das rechte Hinterbein ist gestreckt, das linke Hinter- bein gebeugt und nach vorne gezogen, der Schwanz ist nach links herüber geklappt und liegt mit der Spitze auf dem Tisch. Auf etwas Hin- und Herschütteln kommt das Tier auf diese Weise in Bauchlage. Kopf, Schultern und Becken bleiben nur etwa 30° gegen die Horizontale geneigt, die Wirbelsäule ist etwas nach links konkav. Wird das Tier auf die linke Seite gelegt, so ist das Bild spiegelbildlich umgekehrt. Einmal rollt das Tier sogar nach dem Auflegen auf den Tisch sofort in Bauchlage. Wird bei Seitenlage des Tieres der Kopf mit der Hand in die Normalstellung gebracht, so geht der Vorderkörper in Bauchlage, während das Becken noch 30° gegen die Horizontale geneigt bleibt und das untere Hinterbein gestreckt ist. Kopfdrehen in Rückenlage bewirkt noch keine deutlichen Halsstellreflexe auf das Becken. Wird das Tier an beiden Zeigefingern des Experimentators aufgehängt (Greif- reflex mit den Händen), so bringt es sich durch deutliche aktive Muskelanstrengung Körperstellung und Labyrinthreflexe beim Affen. 425 (besonders in den Schultergelenken) in Normalstellung und hängt in halbem Klimmzug. Man kann es mit einem Zeigefinger an einer Hand tadellos in auf- recht stehender Haltung halten. Selbst an der linken Hand gehalten steht es allein auf dem rechten Hinterbein, während das linke gebeugt ist, oder auf dem linken Hinterbein, wenn es an der rechten Hand gehalten wird. Noch keine deutliche Pupillarreaktion auf Belichtung. Wird das Tier an beiden Unterschenkeln in der Luft gehalten, so stellt sich der Körper tadellos im Raume richtig ein. Abb. 2. Cercopithecus pentaurista.- Thalamusaffe. 4°/, Stunden nach Öperationsschluß. Be- ginnendes Aufsitzen aus linker Seitenlage auf dem Tisch. Linkes Hinterbein gestreckt, rechtes Vorder- und Hinterbein gebeugt, Schwanz nach rechts herübergeklappt. Drehung des Körpers zur Normalstellung. Kopf noch ziemlich in Seitenlage. Abb. 3. Cercopithecus pentaurista. Thalamusaffe, 4°/, Stunden nach Operationsschluß. Das Tier umgreift mit der rechten Hand den Finger des Experimentators und steht aufrecht auf halb- gebeugten Hinterbeinen mit gebeugtem linkem Arm und normal gehaltenem Kopf. In rechter und linker Seitenlage in der Luft ist jetzt Labyrinthstellreflex zu sehen. In Rückenlage ist der Labyrinthstellreflex aber noch nicht deutlich (einmal angedeutet). Wird das Tier in Rückenlage auf den Tisch gelegt, so erfolgt starke Ventral- beugung von Kopf und Thorax (Aufsitzreaktion), dann fällt es auf die Seite und zeigt dann den gewöhnlichen oben geschilderten Körperstellreflex. Das Tier kann noch nicht frei auf dem Tische sitzen. 2h 40’. Stereoskopische Photogramme (Abb. 2 und 3) in Seitenlage auf dem Tisch und aufrecht sitzend an einem Finger gehalten. 3b. Wird der Affe in Rückenlage auf den Tisch gelegt, so erfolgt zuerst Beugung der Hinterbeine und Ventralbeugung des Kopfes und Thorax, so daß der Kopf in Normalstellung steht. Darauf Streckung der Hinterbeine, Zurücklegen des Kopfes auf den Tisch, dieser wird dann seitwätrs gedreht, der Körper fällt auf die be- 426 R. Magnus: treffende Seite, und es schließt sich der gewöhnliche Aufsitzreflex aus Seiten- lage an. Labyrinthstelireriexe in der Luft: Seitenlage: Kopf 45° zur Normalstellung gedreht (beiderseits). Hängelage mit Kopf oben: Kopf in Normalstellung. Bauchlage in der Luft: Schnauze vertikal nach unten. Hängelage Kopf unten: Kopf noch ventral gebeugt, Mundspalte — 45°. Rückenlage in der Luft: Kopf in Rückenlage. Die Labyrinthstellreflexe sind also nur in Seitenlage vorhanden, in den übrigen Stellungen kaum angedeutet. Kopf- und Augendrehreaktionen stark, noch kein Nystagmus. Enthirnungs- starre ist nicht vorhanden, der Tonus der Glieder ist normal. Wird das Tier aus Rückenlage auf dem Tisch an den Händen (aktiver Greif- reflex) in die Luft gehoben, so ist das Aufrichten in normalen Hängestand durch aktiven Klimmzug sehr stark ausgesprochen. 31 20’. Labyrinthstellreflexe: Bei Seitenlage in der Luft wird der Kopf 45° gegen die Normalstellung gedreht. Rückenlage in der Luft: Kopf ventral zur Normalstellung gebeugt. Hängelage mit Kopf oben: Kopf in Normalstellung. Labyrinthstellreflexe sind jetzt also deutlich. 5h 30°. Augendrehnystagmus positiv. Stellreflexe unverändert. 4. Juni 1918. Morgens 9" 30’ Labyrinthstellreflexe jetzt deutlicher aus- gesprochen, in Seitenlage in der Luft wird der Kopf 45° gegen die Normalstellung gedreht. Bei Hängelage mit dem Kopf nach oben und bei Normalstellung (Bauch- lage) in der Luft wird der Kopf aktiv in der Normalstellung gehalten. Bei Hänge- lage mit dem Kopf nach unten steht die Mundspalte vertikal nach unten. Wird das Tier also aus der Stellung mit Kopf oben in die Stellung mit Kopf unten ge- dreht (Drehung um 180°), so führt der Kopf nur eine Drehung von 45° aus. ‚letzt sind also die Labyrinthstellreflexe deutlich ausgesprochen. Rückenlage in der Luft: Der Kopf wird durch Ventralbeugung nahezu in Normalstellung gebracht, sinkt aber allmählich in Rückenlage zurück. In rechter Seitenlage auf den Tisch gelest: Kopf 45° gegen Normalstellung, Schultern 45°, Becken 45°. Beide Vorderbeine gebeugt, unteres Hinterbein ge- streckt nach hinten, oberes Hinterbein gebeugt nach vorne, Schwanz nach links herübergeklappt. In linker Seitenlage auf dem Tisch dieselbe Lage spiegelbildlich. Wird aus Seitenlage auf dem Tische der Kopf vom Experimentator in Normal- stellung gebracht, so gelingt es nach einigem Hin- und Herschütteln, den Körper des Tieres in Normalstellung zu bringen (beiderseits). Normalstellung des Tieres auf dem Tisch: Kopfheben bewirkt tonische Streckung der Vorderbeine, Kopfsenken Beugen der Vorderbeine. Das Tier bleibt in normaler Bauchlage auf dem Tisch liegen, ohne umzufallen. Starker Lidreflex, auf Belichtung erfolgt weder Pupillarreaktion noch Lid- kneifen. Kopfdrehreaktion und -nachreaktion stark, Augendrehreaktion und -nach- reaktion stark, etwas Augenystagmus, kein Nachnystagmus. Liegt das Tier in der oben geschilderten Stellung in Seitenlage auf dem Tisch mit gestrecktem unteren und gebeugtem oberen Hinterbein, so ist, um diese asym- metrische Stellung aufzuheben, das Auflegen eines beschwerten Brettes auf die obere Körperseite und außerdem Druck auf die Außenseite des Oberschenkels erforderlich. Eines allein genügt nicht. Es wird also der geschilderte Reflex ausgelöst durch die asymmetrische Erregung des Drucksinnes an der Rumpfseite und an der Außenseite des Oberschenkels. 10h 45. Augendrehnachnystagmus. Körperstellung und Labyrinthrefleye beim Affen. 42T Greift nach dem Finger des Experimentators, sobald dieser mit einer seiner 4 Hände in Berührung kommt. Macht sehr ‚„normale‘‘ Bewegungen mit dem Körper, wenn er in verschiedenen Lagen in der Luft aufgehängt wird. Labyrinthstellreflexe in der Luft jetzt sehr deutlich. 11h 10. Die charakteristische Stellung der Hinterbeine bei Seitenlage des Tieres auf dem Tische ist nicht abhängig von der Kopfdrehung zur Normalstellung.. sondern bleibt auch bestehen, wenn der Kopf gegen die Schultern rechtgesetzt wird. Der Zustand des Tieres bleibt bis zum Abend des zweiten Tages unverändert. 5. Juni morgens tot gefunden. Sektion: Inder vorderen Schädelhöhle wenig Blut (aber keine Kompression), keine Meningitis, Hirnnerven einschließlich der Optici, aber ausschließlich der Olfactorii intakt. Der Schnitt geht dorsal: medial durch das orale Drittel des 3. Ventrikels und lateral quer durch das Pulvinar; ventral: beiderseits 3 mm vor und parallel mit den Tracti optici. Rechts steht vom Lobus pyriformis ein zweikirschkerngroßes Stück, links nur ein minimaler Rest. Tadellose Operation. Mittelhirn vollständig erhalten. Thalamus nicht voll- ständig erhalten. 17. Januar 1921. Macacus Cynomolgus, weiblich. Äthernarkose. Trachealkanüle, Carotiden abgebunden, Vagi durchtrennt. Wegnahme des Schädels an beiden Seiten mit Erhalten einer mittleren Spange über dem Sinus sagittalis. Typische Großhirnexstirpation mit temporärem Ab- klemmen der Vertebrales mit den Fingern, mäßige Blutung. 10h 25°. Ende der Operation und der Narkose. 10h 30°. Beginnende Enthirnungsstarre. Patellarreflexe positiv. Spontan- atmung. 10h 35°. Cornealreflex beiderseits positiv. Spontane Kaubewegungen, viel Speichel. Spontaner Lidschlag, kein Pupillreflex. 10h 50°. (Kälte- ?) Zittern der Hinterbeine. Bei Berühren des Kopfes Reaktion aller 4 Beine und Schwanzbewegungen. Tonus der Nackenheber. 11h 50°. Gute spontane Atmung. Der Affe liegt in linker Seitenlage auf dem Tisch, Kopf etwa 30° gegen den Normalstand gedreht, ebenso die Schultern. Linkes Vorderbein gestreckt, Hand am Becken. Rechtes Vorderbein gebeugt im Ellbogen und Handgelenk, linkes Hinterbein gestreckt wie auf Abb. 2. Rechtes Hinterbein gebeugt (s. dieselbe Abb.). Der Schwanz ist dagegen nicht herüber- gebeugt, sondern liegt ruhig auf dem Tisch. Wird das Tier auf die rechte Seite gelegt, so sind rechter Arm und rechtes Bein gestreckt, die linken Extremitäten gebeugt, der Kopf ist nicht deutlich gegen die Normalstellung zu gedreht. In Rückenlage und Hängelage mit dem Kopf nach oben und unten lassen sich in der Luft noch keine Labyrinthstellreflexe nachweisen, dagegen wohl in Seitenlage. Linke Seitenlage in der Luft: der Kopf wird um 60° gegen die Normalstellung zu gedreht. Schultern 45°. Rechte Seitenlage in der Luft: der Kopf wird, 80° gegen die Normalstellung zu gedreht, d. h. fast vollständig rechtgesetzt, die Schultern 50°. Wird das Tier jetzt in rechter Seitenlage auf den Tisch gelegt und etwas hin- und hergeschoben, dann wird die Kopfstellung nicht deutlich besser, dagegen tritt jetzt die Streckung des untenliegenden und die Beugung des obenliegenden Beines und desgleichen der Arme deutlich zutage. Besonders ist die Streckung des unteren Hinterbeines in beiden Seitenlagen sehr gut ausgesprochen. Auch die Schwanzbewegung nach der Bauchseite zu ist jetzt deutlich. Es ist klar, daß diese Kombination von Labyrinthstellreflexen auf den Kopf und Körperstellreflexen 428 R. Maenus: auf die hinteren Extremitäten und den Schwanz das Tier in Normalstellung bringen muß. Die beschriebene Körperlage tritt auch beiderseits ein, wenn der Kopf in Seitenlage festgehalten und der Körper auf der Unterlage etwas hin- und her- geschoben wird. Beim Umilegen des Tieres in symmetrische Rückenlage treten wundervolle tonische Labyrinthstellreflexe mit Streckung der 4 Extremitäten auf. Kopfdrehen in Rückenlage macht Abnahme dieses Tonus und außerdem deutliche Halsstell- reflexe auf das Becken. In Hängelage mit dem Kopf nach unten und in Rückenlage sind dieLabyrinth- stellreflexe höchstens angedeutet. Kopfdrehreaktion und -nachreaktion nach beiden Seiten. Kein Kopfnystag- mus. Augendrehreaktion und Drehnystagmus, Nachreaktion und Nachnystagmus außerordentlich deutlich. Bei Drehen des Tieres in Seitenlage ist vertikale Augen- drehreaktion und -nachreaktion, Nystagmus und Nachnystagmus stark ausge- sprochen. Starke Greitbewegungen der Hände. Sitzt gut, wenn er an beiden Händen ge- halten wird, ebenso, wenn er an einer Hand gehalten wird. Kein Sprungreflex. Die Hinterbeine haben Beugetonus, und deshalb kann das Tier nicht aufrecht stehen. Armdrehreaktion positiv, auch wenn die Drehreaktion des Kopfes verhindert wird. Auf Berühren der Cornea Lidreflex und Kopfzucken. Keine Pupillarreaktion, keine deutliche akustische Reaktion auf Händeklopfen und Pfeifen. 2h 20°. Der Affe liegt in rechter Seitenlage auf dem Tisch, rechtes Bein nach hinten gestreckt, linkes Bein gebeugt. Der Schwanz ist dorsalwärts gehoben und hängt über den rechten Tischrand nach unten. Das Becken steht bereits 30° gegen die Normalstellung gedreht, der rechte Arm ist nach hinten gestreckt, der linke Arm im Ellbogen maximal gebeugt, liegt neben dem Hals auf dem Tisch. Die Schultern sind etwa 45° gegen die Horizontale gedreht, der Kopf noch mehr, etwa 60° gedreht. Beim Hin- und Herschütteln auf dem Tisch wird der Kopf noch etwas mehr gegen den Normalstand zu bewegt. In linker Seitenlage auf dem Tische nimmt das Tier genau das Spiegelbild dieser Haltung an.. An beiden Händen deutlicher Greifreflex, an den Füßen nicht. Die Schwanz- stellung ist anders als bei dem Affen auf Abb. 2, sonst ist die Stellung aber genau dieselbe, Wird das Tier in Seitenlage auf den Tisch gelegt, so tritt außer der geschilderten asymmetrischen Stellung der Extremitäten eine Ventralbeugung des Thorax und Halses ein, an welche sich dann Drehung des Vorderkörpers zur Normalstellung anschließt. Labyrinthstellreflexe in der Luft. Rechte Seitenlage: Thorax 45°, Kopf etwa 30° gegen die Normalstellung gedreht. Linke Seitenlage: Schultern 45°, Kopf etwa 60° gegen die Normalstellung gedreht. Hängelage Kopf oben: Kopf in Normalstellung, Mundspalte horizontal. - Hängelage Kopf unten: Mundspalte vertikal nach unten, deutliche Dorsal- beugung des Kopfes. Rückenlage: Kopf in Rückenlage, deutliche tonische Streckung der Arme und Beine. Beim Umlegen in Bauchlage Verschwinden des Strecktonus. Kopf- drehen in Rückenlage bewirkt deutliche Halsstellreflexe auf das Becken. Wird der Kopf in Seitenlage festgehalten und der Körper in Seitenlage auf dem Tisch hin und her bewegt, so geht das untere Hinterbein in Streckstand, das obere in Beugestand, während beide Arme gebeugt werden. Körperstellung und Labyrinthreflexe beim Affen. 429 Kopfdrehreaktion und -nachreaktion deutlich, kein Kopfnystagmus. Augen- drehreaktion und Drehnystagmus, Nachreaktion und Nachnystagmus sehr deut- lich und zwar sowohl horizontale Reaktion und Nystagmus als auch vertikal, wenn das Tier in Seitenlage gedreht wird. Keine deutlichen Reflexe auf Progressiv- bewegung. Kopfdrehen in Seitenlage macht deutliche tonische Halsreflexe auf die Vorderbeine, Umlegen aus Seiten- in Rückenlage führt zu stärkerer tonischer Streckung (tonische Labyrinthreflexe auf alle 4 Beine). Deutliche tonische Halsreflexe auf die Augen (Horizontalbewegungen der Augen, wenn der Körper Horizontalbewegungen gegen den feststehenden Kopf ausführt; dagegen Vertikalabweichungen und Raddrehungen vom Halse aus nicht deutlich zu erzielen). Der Affe sitzt an beiden Händen gehalten tadellos da, ebenso, wenn an einer Hand gehalten, dagegen kann er nicht stehen, weil der Tonus der Hinterbeine Abb.4. Macacus Cynomolgus. Thalamusaffe, 4'/, Stunden nach Operationsschluß. Das Becken wird in rechter Seitenlage in der Luft gehalten (die Hinterbeine hängen passiv nach unten). Thorax 45°, Kopf 60—70° gegen Normalstellung gedreht. Labyrinthstellreflex. Abb.5. Macacus Cynomolgus. Tnalamusaffe, 4!/, Stunden nach Operationsschluß. Beginnendes Aufsitzen aus linker Seitenlage auf dem Tisch. Linkes Hinterbein gestreckt, rechtes Vorder- und Hinterbein gebeust. Körper- und Kopf zur Normalstellung herübergedreht. Der Schwanz beteiligt sich nicht an der Aufsitzreaktion. dazu nicht ausreicht. Der Kopf wird gut in Normalstellung gehalten. Beißt auf einen Metallstab. Eine Rübe, die zwischen die Zähne geschoben wird, bleibt dort unverändert sitzen. Wird die Rübe dagegen auf die hintere Zunge gebracht, so wird sie prompt heruntergeschluckt. Der Greifreflex ist jetzt auch an den Hinterhänden ausgesprochen. Auf Kneifen der Backenhaut treten einzelne Kaubewegungen auf. Photographische Aufnahmen des Tieres in Seitenlage auf dem Tisch und in Seitenlage in der Luft gehalten (Abb. 4 und 5). 54 25°. Zustand im wesentlichen unverändert. Zur Bestimmung der Rad- drehungen des Auges wird ein Kreuz auf die cocainisierte Hornhaut gebrannt. 430 R. Maenus: Wird das Tier in Rückenlage mit den Augen nach oben gebracht und. gedreht, so tritt deutliche rotatorische Drehreaktion, Drehnachreaktion und Drehnystagmus und Nachnystagmus auf. Von den tonischen Halsreflexen auf die Augen lassen sich nur Horizontal- abweichungen durch Drehung des Körpers gegen den feststehenden Kopf auslösen. Liftreaktion nach unten: Im Beginn erfolgt Streckung der Arme. Liftreaktion nach oben: Streckung der Arme am Ende der Bewegung. Der Körperstellreflex auf die Extremitäten läßt sich gerade so wie bei dem erst beschriebenen Affen durch Druck mit einem beschwerten Brett auf die obenliegenden Körperseite und auf die Außenseite des obenliegenden Oberschenkels aufheben. Eines für sich allein genügt nicht. 18. ‚Januar. Morgens tot gefunden. Wahrscheinlich erstickt durch Schleim in der Trachealkanüle. Sektion: Schädelhöhle nicht mit Blut gefüllt, an der Schädelbasis keine Blutung. Optici intakt. Medulla oblongata, Kleinhirn, Mittelhirn vollständig unverletzt. Hinterer Teil der Thalami, Pulvinar, 3. Ventrikel intakt. Rechts steht die Fimbria und rechts sind an der Basis minimale Rindenreste (Lobus pyramidalis) stehengeblieben: Ideale Operation. Diese beiden Versuchsprotokolle geben ein sehr anschauliches Bild des Verhaltens der Affen in den ersten 2 Tagen nach vollständiger doppelseitiger Großhirnexstirpation. Für uns hier ist von Interesse das Verhalten der Körperstellreflexe auf den Körper. Legt man ein solches Tier in Seitenlage auf den Tisch, so wird das untenliegende Hinterbein gestreckt, das obenliegende gebeugt, und es erfolgt gieich- zeitig eine Drehung des Beckens gegen die Normalstellung zu, wie das auf den beiden stereoskopischen Photographien (Abb. 2u. 5) deutlich zu sehen ist. Bei dem Üercopithecus beteiligt sich außerdem der Schwanz an dem Körperstellreflex, indem er nach der Ventralseite herüber- geschwungen wird, und auf diese Weise den Schwerpunkt in der nötigen Drehrichtung verlegt. Bei dem Macacus dagegen erfolgt die Schwanz- reaktion nicht; es steht das damit im Einklange, daß der Macacus auch in intaktem Zustande von seinem Schwanz weniger Gebrauch macht zur Einnahme und zur Erhaltung der normalen Körperstellung. Die genannte Reaktion ist beim decerebrierten Affen nicht vorhanden, dagegen beim Thalamusaffen. Wir werden also auch hier die Lage der Zentren in das Mittelhirn lokalisieren dürfen. Die Reaktion ist unabhängig von der Lage des Kopfes im Raume, und tritt sowohl bei Seitenlage als auch bei Normalstellung des Kopfes ein. Die Rezeptoren für den Reflex liegen an der Seite des Rumpfes und der Oberschenkel und zwar ist eine ziemlich ausgedehnte asymmetrische Erregung der Rezeptoren nötig. Einfacher Druck auf den Oberschenkel oder allein auf die Körperflanke genügt nicht. Beim Erwachen aus der Narkose läßt sich anfangs bei Seitenlage auf dem Tische überhaupt keine Aufsitzreaktion des Tieres nachweisen. Dann tritt als erstes die Streckung des einen und die Beugung des anderen Hinterbeines auf, ohne daß im übrigen sich die Lage des Körpers Körperstellung und Labyrinthreflexe beim Affen. 431 auf dem Tische ändert. Bei weiterem Abklingen der Narkose wird dann das Becken gegen die Normalstellung gedreht, während die Schultern noch liegen bleiben. Manchmal ist in diesem Stadium auch schon eine Drehung des Kopfes gegen die Normalstellung, sei es von den Laby- rinthen aus oder durch Körperstellreflex, vorhanden. Dann schließt sich an die anfängliche Reaktion der Hinterbeine eine Stellungsänderung der Vorderbeine an, und schließlich erfolgt ein Hinüberdrehen des ganzen Körpers in die Normalstellung, also eine Aufsitzreaktion, die aber dann noch so langsam und allmählich erfolgt, daß man ohne weiteres das schrittweise Abläufen in verschiedenen Tempos erkennen kann. Je mehr nun das Tier aus der Narkose erwacht, desto schneller spielt sich der ganze Vorgang ab, so daß man schließlich beim Aufsitzen des nicht festgehaltenen Tieres die einzelnen Akte nicht mehr auseinanderhalten kann. Legt man ein solches Tier in Seitenlage auf den Tisch und hält den Kopf in Seiten lage fest, dann sitzt nunmehr der Körper mit großer Geschwindigkeit auf, aber man kann meist auch hier noch erkennen, daß die Reaktion am hinteren Körperende beginnt, daß also die Hinterbeine die Be- wegung einleiten. Schließlich erfolgt beim normalen Tier das Aufsitzen des Körpers, auch wenn der Kopf in Seitenlage festgehalten wird, blitzartig, so daß dann sich nicht mehr das Zustandekommen dieser Reaktion erkennen läßt. Außer der beim Thalamusaffen so genau ge- schilderten Reaktion der Hinterbeine kommt nun aber beim Affen miterhaltenem Großhirn auch noch die umgekehrte Reaktion vor. indem nämlich zuerst das untere Hinterbein gebeugt und unter den Leib gezogen wird; hierdurch erfolgt eine Beckendrehung. Das obere Hinterbein wird gestreckt und seitlich abduziert, kommt dadurch mit der Fußsohle auf den Boden, und das Tier schiebt jetzt mit aufstehendem Fuß das Becken hinüber, während das ursprünglich unten liegende Hinterbein mehr gestreckt wird, und dadurch das Becken in die Normal- stellung kommt. Man kann bei normalen Tieren diese beiden Re- aktionen abwechselnd nebeneinander auftreten sehen, ohne daß sich bisher eine Ursache feststellen ließ, durch welche die eine oder die andere Reaktionsweise bevorzugt wird. Nach linksseitiger Labyrinthexstirpation tritt eine Kopf- drehung ein; infolgedessen kommt es, daß in den ersten Tagen nach der Operation das Aufsitzen aus Seitenlage, wenn der Kopf in Seitenlage fest- gehalten wird, beirechter Seitenlage besser möglich ist als bei linker Seiten- lage, weil eben die Kopfdrehung das Aufsitzen aus der einen Seitenlage hindert, auf der anderen befördert. Der Unterschied ist aber bereits nach 2 Tagen geringer, und nach etwa 11 Tagen vollständig verschwunden. Auch nach doppelseitiger Labyrinthexstirpation ist der geschilderte Körperstellreflex auf dem Körper natürlich unverändert erhalten, und auch Verschluß der Augen bedingt keinen Unterschied. 432 R. Magnus: Am doppelseitig labyrinthlosen Affen mit geschlossenen Augen ließ sich noch folgender schöne Stellreflex nachweisen: 14 Tage nach der Labyrinthexstirpation wurden die Augen vernäht. Wurde das Tier nunmehr am Schwanze mit dem Kopf nach unten in der Luft gehalten, so hing der Körper vertikal nach unten und der Kopf wurde meistens in Rückenlage gehalten. Bewegte man das Tier jetzt vertikal nach unten, so trat keine Reaktion auf Progressivbewegungen ein. Sobald jedoch das Tier mit dem Scheitel den Boden berührte, ging sofort Kopf und Körper in Normalstand und zwar in der Weise, daß zunächst eine Hand gestreckt wurde und den Boden berührte, worauf sich dann die Reaktion des übrigen Körpers anschloß. Die genauere Beobachtung an folgenden Tagen ergab, daß wenn das Tier mit dem Scheitel den Boden berührte, zunächst eine, beispielsweise die rechte Hand gegen den Boden hin gestreckt wurde; sobald die Hand den Boden berührte, erfolgte der Aufsitzreflex, indem der Kopf nach dieser rechten Seite gedreht und gewendet wurde, worauf das Tier dann den Körper nach dieser Seite überneigte und der andere linke Arm eine Schrittbewegung machte. Es erfolgte also zunächst Streckung des rechten Armes, Berührung des Bodens mit der Hand, Dorsalbeugung des Kopfes, Übergang des Kopfes in Normalstellung, Rechtsdrehung und Wendung des Kopfes, erste Schrittbewegung mit dem linken Arme, Rechtsumkehrt des Tieres. Diese Reflexfolge ließ sich mehrmals in gesetzmäßig gleicher Weise auslösen. Das Entscheidende dabei ist zweifellos die asymmetrische Erregung, welche von der Berührung der einen Hand mit dem Boden ausgeht. Sehr deutlich ist auch die Rolle der Körperstellreflexe zu erkennen, wenn der labyrinthlose Affe im Käfig beobachtet wird. Während das Tier frei in der Luft gehalten vollständig desorientiert ist, bewegt es sich auf dem Boden des Käfigs mit großer Sicherheit und Geschicklich- keit, aber noch viel größer ist die Geschicklichkeit des Tieres, wenn es am Gitterdach des Käfigs klettert. Offenbar genügen die Erregungen, welche von den vier Händen ausgehen, um den Körper und den Kopf des Tieres genau zu orientieren. Allerdings ist in diesem Falle (Klettern am Dach) der Kopf nicht in Normalstellung, sondern um 180° davon verschieden, und wird fast ausnahmslos in Rückenlage gehalten, aber die Bewegungen des Tieres sind außerordentlich sicher und prompt, und es kommt unter diesen Umständen, wenn einige Zeit nach der Operation verflossen ist, auch niemals vor, daß das Tier dabei strauchelt oder fällt. e) Optische Stellreflexe. Während beim Kaninchen mit erhaltenem Großhirn außer den bisher geschilderten Stellreflexen sich keine anderen haben nachweisen lassen, treten beim Hunde und bei der Katze mit erhaltenem Großhirn Körperstellung und Labyrinthreflexe beim Affen. 433 noch die optischen Stellreflexe dazu. Diese haben zu ihrem Zustande- kommen außer dem Mittelhirn noch die Großhirnrinde nötig. Diese optischen Stellreflexe spielen beim Affen eine außerordentlich große Rolle. Sie fehlen beim Thalamusaffen, und man wird daher annehmen dürfen, daß auch beim Affen die optischen Stellreflexe über die Groß- hirnrinde laufen müssen. Schon die einfache Beobachtung der Tiere lehrt, daß fortwährend Blickbewegungen mit dem Kopfe gemacht werden, daß hierbei der Kopf zu den gesehenen Gegenständen z. B. dem Experimentator in bestimmter Weise orientiert wird und daß hieran sich Stellungs- änderungen des ganzen Körpers anschließen. Die Bedeutung dieser optischen Stellreflexe läßt sich nun besonders gut erkennen, wenn man das Verhalten doppelseitig labyrinthloser Affen in der Luft bei offenen und geschlossenen Augen vergleicht. Bei geschlosse- nen Augen ist das Tier vollständig desorientiert und nimmt jede be- liebige Lage im Raume ein. Werden dagegen die Augen geöffnet, so ist in der Ruhelage, wenn das Tier nicht irgendeinen bestimmten Gegenstand erblickt oder betrachtet, ebenfalls keine bestimmte Lage des Kopfes vorhanden. Sobald aber irgendein Gegenstand die Auf- merksamkeit des Tieres erregt, sei es nun der Experimentator oder eine in das Zimmer hereintretende Person, eine Fliege oder das Futter, so erfolgt sofort eine Reaktion des Kopfes, welche, wenn das Tier frei in der Luft gehalten wird, in der Drehung des Kopfes gegen die Normal- stellung besteht. Auf diese Weise kann in Seitenlage, in Hängelage mit dem Kopf nach unten, in Rückenlage usw. der Kopfin Normalstellung gedreht werden, auch wenn die Labyrinthstellreflexe ausgeschlossen sind. Es ist aber immer zu beobachten, daß diese Reaktion nur so lange dauert, als die optische Aufmerksamkeit des Tieres im Spiele ist; sobald diese aufhört, geht der Kopf wieder in die ursprüngliche Ausganssstellung zurück, die dann bei fehlenden Labyrinthstellrefiexen entweder Seiten- lage oder Rückenlage oder irgendeine andere abnorme Lage ist. Auch nach einseitiger Labyrinthexstirpation läßt sich beob- achten, daß die optischen Stellreflexe die typische Kopfstellung, welche nach einseitiger Labyrinthexstirpation in den verschiedenen Lagen des Körpers in der Luft eintritt, stören. Sobald die Aufmerk- samkeit des Tieres erregt wird, geht der Kopf mehr oder weniger aus der betreffenden Ausgangsstellung in die Normalstellung zurück. Wenn durch optische Stellreflexe der Kopf in die Normalstellung gebracht ist, so schließen sich hieran dann die gewöhnlichen Halsstell- reflexe an, so daß der Körper dem Kopfe folgt. Auf diese Weise ist es möglich, daß durch einen optischen Reiz mit Hilfe des Rezeptors Auge der Körper in eine bestimmte Bereitschaftsstellung gebracht wird. Pflügers Archiv f.d. ges. Physiol. Bd. 193. 29 434 R. Magnus: Beim Erwachen aus der Narkose kommen die Stellreflexe, wie schon oben für die Labyrinthstellreflexe auseinandergesetzt wurde, erst nach den tonischen Hals- und Labyrinthreflexen auf die Extremitäten, und nach dem Auftreten der Kopfdrehreaktion und der Augendrehreaktion zum Vorschein. Gewöhnlich ist auch der Augendrehnystagmus bereits vorhanden, ehe die Stellreflexe auftreten. Die Reihenfolge unter den Stellreflexen selber ist diese, daß zuerst die Körperstellreflexe auf den Kopf deutlich werden, dann die Labyrinthstellreflexe in der Luft sehr allmählich sich entwickeln, und es dann einige Zeit dauert bis die Hals- stellreflexe folgen, d.h. bis auf Geradesetzen des Kopfes eine Reaktion, ein Folgen des Körpers deutlich wird. Die Körperstellreflexe auf den Körper sind die letzten und entwickeln sich, wie das oben geschildert wurde, schrittweise. Zu einer Zeit, wo die Stellreflexe bereits alle deutlich entwickelt sind, ist die Beckendrehreaktion und die Reaktion auf Progressivbewegungen noch nicht vorhanden. Durch diesesVerhalten beider Narkose charakterisiertsich dieGruppeder Stellreflexe als eine in sich geschlossene zusammengehörige Reflexgruppe. Zusammenfassend läßt sich sagen, daß für den Affen außer den Labyrinthstellreflexen die außerordentlich lebhafte Entwicklung der Körperstellreflexe auf den Körper und der optischen Stellreflexe charak- teristisch ist, während die Körperstellreflexe auf den Kopf bei diesen Tieren an Bedeutung vollständig zurücktreten. Beim Thalamuskaninchen läßt sich der Sprungreflex sehr deutlich beobachten, ebenso bei der Thalamuskatze, wenn die Tiere mit senk- recht stehender Wirbelsäule mit dem Kopf nach oben auf den Tisch gestellt werden, auf welchem sie mit den Hinterbeinen aufruhen. Wird jetzt der Kopf stark dorsal gebeugt, so erfolgt ein kräftiger Sprung mit den Hinterbeinen. Dieser selbe Reflex läßt sich auch beim Affen nach dem Erwachen aus der Narkose in einem bestimmten Stadium nach- weisen. Setzt man das Tier mit den Hinterbeinen auf den Tisch, so sind bei normaler Kopfstellung oder bei Ventralbeugung des Kopfes die vier Extremitäten gebeugt. Sowie man nun aber jetzt den Kopf dorsalwärts beugt, so tritt stärkste Streckung der Hinterbeine mit einem kräftigen Sprung auf. Bei einem Tiere griffen dabei die Vorderbeine in der Luftnach oben. Das Tier führt also eine Bewegung aus, als ob es beim Sprunge einen Ast oder das Gitterdach mit den Händen greifen wollte. Beim Thala- musaffen habe ich diesen Reflex nicht nachweisen können, weil hier offen- bar der Schock nach der Operation in den ersten 2 Tagen noch zu groß ist. 3. Kompensatorische Augenstellungen. Die kompensatorischen Augenstellungen sind Reflexe der Lage und dürfen nicht mit den Augendrehreaktionen verwechselt werden. Wenn man das Tier aus einer Lage in die andere bringt, muß man stets so lange Körperstellung und Labyrinthreflexe beim Affen. 435 warten, bis die Drehreaktionen verschwunden sind und muß dann die veränderten Augenstellungen (Dauerstellung) feststellen. Wenn man einen intakten normalen Affen mit seinen außerordentlich lebhaften Blickbewegungen untersucht, so läßt sich von kompensatori- schen Augenstellungen nichts beobachten. Ich glaubte daher auch im Anfang, daß dem Affen diese tonischen Reflexe fehlten. Erst genauere Untersuchung hat ergeben, daß der Affe auch diese Reflexe besitzt. Durch die Untersuchungen von Bäaränyt) und neuere eingehende Arbeiten von de Kleyn?) wissen wir, daß außer den Labyrinthen auch die Rezeptoren des Halses einen Dauereinfluß auf die Augenstellung besitzen, und daß sich bei den verschiedenen Lagen des Kopfes im Raume und zum Rumpfe die tonischen Labyrinthreflexe auf die Augen und die tonischen Halsreflexe auf die Augen in wechselnder Weise kombinieren. Will man die Labyrinthreflexe auf die Augen untersuchen, so muß man sorgfältig darauf achten, daß sich die Lage des Kopfes zum Rumpfe nicht ändert. Will man die tonischen Halsreflexe auf die Augen untersuchen, so muß man dabei die Lage des Kopfes im Raume unverändert lassen, oder man muß die Labyrinthe exstirpieren. Zum Studium der kompensatorischen Augenstellungen wurden die Augen mit Cocain anästhesiert, und dann ein Kreuz auf die Cornea gebrannt, so daß man die veränderte Stellung des Bulbus in der Orbita jeweils genau erkennen konnte. Ein derartiges Kreuz beschädigt die Hornhaut nicht auf die Dauer, nach wenigen Tagen ist das Auge wieder ganz klar. Die tonischen Labyrinthreflexe auf die Augen lassen sich am besten beim Erwachen des Tieres aus Äther- oder Chloroform- narkose nachweisen. Man kann dann sehen, daß wenn das Tier so umgelest wird, daß es mit dem Gesicht und den Augen nach oben sieht, die Bulbi vertikal nach unten d.h. caudalwärts abweichen. Wird um- gekehrt der Affe so gelest, daß er mit den Augen nach unten, nach dem Fußboden hinsieht, dann werden die Bulbi nach oben gedreht, also stirnwärts. Dieses Verhalten wurde bei zwei verschiedenen Affen fest- gestellt. Die kompensatorischen Vertikalabweichungen sind maximal in den beiden oben angegebenen Stellungen, bei den übrigen Lagen des Kopfes im Raume sind die Vertikalabweichungen geringer. Die genauen Lagen des Maximums und Minimums für diese Reflexe wurden nicht bestimmt. Hierzu würden photographische Aufnahmen erforderlich sein. Während beim Kaninchen kompensatorische Raddrehungen ein sehr großes Ausmaß von etwa 90—100° besitzen, sind dieselben beim Affen sehr viel geringer, und kommen schätzungsweise etwa mit !) Zentralbl. f. Physiol. 20, 298. 1907. 2) Pflügers Arch. f. d. ges. Physiol. 186, 82. 1921. 29* 436 R. Magnus: der Größe der kompensatorischen Raddrehungen beim Menschen über- ein. Sie lassen sich am deutlichsten erkennen, wenn man das Tier auf die Seite legt. In Seitenlage steht dann an beiden Augen der untere Corneapol nach dem Fußboden hingedreht, der obere Corneapol nach der Decke. Es werden also beide Augen hierbei gleichsinnig gedreht. Das Maximum der Raddrehung liegt ungefähr bei rechter und linker Seitenlage des Tieres. Genauere Bestimmungen wurden nieht aus- .geführt. Die kompensatorischen Augenstellungen (Labyrinthreflexe) treten beim Erwachen aus der Narkose sehr frühzeitig auf, sie wurden bereits sehr kurz nach dem Vorhandensein der Augendrehreaktionen fest- gestellt, und zwar zu einer Zeit, wo noch kein Augendrehnystagmus vorhanden war. Sie kommen also in der Narkose deutlich früher als die Stellreflexe. Zum Nachweis der tonischen Halsreflexe auf die Augen bringt man den Affen, nachdem er in genügende Äther- oder Chloroform- narkose versetzt ist, in aufrechte Körperhaltung mit dem Kopfe nach oben. Der Kopf wird jetzt in seiner Stellung fixiert und mit dem Rumpfe Bewegungen ausgeführt. Steht der Kopf in Normalstellung, und wird jetzt der Rumpf oceipitalwärts gehoben, so daß der Rücken des Tieres gegen den Hinterkopf zu bewegt wird, so gehen die Augen nach unten. Wird andererseits der Rumpf des Tieres ventralwärts gebeugt, so gehen die Augen nach oben. Durch diese Bewegung des Rumpfes in der Sagittalebene des Kopfes werden also Vertikalabweichungen der Augen hervorgerufen. Eine Kombination der tonischen Hals- und Labyrinthreflexe auf die Augen bekommt man, wenn man das Tier in aufrechter Stellung in der Luft hält, und nunmehr den Kopf beugt oder streckt. Wenn man den Kopf mit dem Kinn zur Brust beust, dann gehen die Augen nach oben, führt man dagegen eine Dorsalbeugung des Kopfes aus (Kopf- heben), so gehen die Bulbi nach unten. Hierbei handelt es sich natürlich um Dauerstellungen, die durch Kombination der tonischen Hals- und Labyrinthreflexe auf die Vertikalabweichung der Augen zustande kommen. Um mit Hilfe der tonischen Halsreflexe Raddrehungen der Augen zustande zu bringen, muß man den Rumpf in der Frontalebene des Kopfes bewegen. Zu diesem Zwecke bringt man das Tier wieder in aufrechte Körperstellung mit dem Kopf nach oben, so daß sich der Kopf in Normalstellung befindet. Der Kopf wird fixiert und der Rumpf nunmehr in der Frontalebene des Kopfes gegen den Kopf gewendet, so daß die rechte Schulter sich dem rechten Ohr bzw. bei der umgekehrten Bewegung die linke Schulter dem linken Ohre nähert. Die Raddrehung an beiden Augen erfolst hierbei stets gleichsinnig und zwar in der Weise, Körperstellung und Labyrinthreflexe beim Affen. 437 daß der obere Corneapol den bewegten Rumpf flieht, oder m. a. W. die Augen sich in derselben Drehrichtung bewegen wie der Rumpf. Das Ausmaß dieser Raddrehungen ist nicht sehr groß, aber doch immerhin so, daß man es mit Sicherheit erkennen kann. Eine Kombination der tonischen Hals- und Labyrinthreflexe auf die Raddrehungen erhält man, wenn man das Tier in Hängelage mit Kopf oben bringt und nunmehr den Kopf zur rechten oder linken Schulter neigt. Dabei treten dann Raddrehungen auf, welche der Drehrichtung des Kopfes entgegengesetzt erfolgen. Es handelt sich auch hier um Dauerstellungen, das Ausmaß ist gering. Kompensatorische Vertikalabweichungen und Raddrehungen der Augen können also sowohl von den Labyrinthen wie vom Halse aus ausgelöst werden. Horizontalabweichungen dagegen kommen von den Labyrinthen aus nicht zustande, denn wenn man bei Normal- stellung des Kopfes den Kopf in der Horizontalebene dreht, ändert sich die Stellung der Otolithen zum Horizonte nicht, und es können infolge- dessen keine dauernden Änderungen der Augenstellung durch toni- sche Labyrinthreflexe (Otolithenreflexe) zustande kommen, während natürlich Drehreaktionen in der Horizontalebene sehr deutlich er- folgen. Dauernde Augenabweichungen bei Veränderung der Stellung des Kopfes in der Horizontalebene können daher nur durch tonische Halsreflexe ausgelöst werden. Es ist mir nicht gelungen, solche tonische Horizontalabweichungen vom Halse aus während der Narkose nachzuweisen, dagegen gelang dieses in zwei Versuchen an Thalamus- affen. Das eine war ein normaler Thalamusaffe, bei dem anderen war längere Zeit vorher die doppelseitige Labyrinthexstirpation ausgeführt worden. Man führt die Drehung des Rumpfes gegen den Kopf in der - Ebene der Mundspalte aus. Z. B. kann man das Tier in Normalstellung in der Luft mit horizontaler Wirbelsäule halten und den Kopf in Normal- stellung im Raume bringen, so daß die Mundspalte horizontal steht, oder etwas unter die Horizontalebene gesenkt ist. Führt man nun mit dem Rumpfe "gegen den feststehenden Kopf eine Bewegung in der Horizontalebene aus, so gehen beide Augen des Tieres horizontal nach seiner rechten Seite, wenn die linke Schulter sich dem linken Ohr nähert, und umgekehrt nach der linken Seite, wenn die rechte Schulter sich dem rechten Ohr nähert. Bei den beiden untersuchten Thalamusaffen war die Reaktion außerordentlich deutlich ausgesprochen!). !) Man braucht sich nicht darüber zu wundern, daß zur Auslösung der tonischen Raddrehung und der tonischen Horizontalabweichung vom Halse aus jedesmal die Schulter dem Ohr genähert wird. Denn die Ausgangsstellungen sind in diesen beiden Fällen verschieden. Zur Auslösung der Raddrehung befindet sich die Mund- spalte vertikal zur Richtung der Wirbelsäule, während zur Auslösung der Hori- zontalabweichungen die Mundspalte ungefähr in der Ebene der Wirbelsäule liegt. Es werden also in beiden Fällen ganz verschiedene Halsbewegungen ausgeführt, 438 R. Magnus: Aus dem Gesagten ergibt sich, daß die kompensatorischen Augen- stellungen in ihrer Abhängigkeit vom Labyrinth und vom Halse grund- sätzlich denselben Gesetzen gehorchen wie beim Kaninchen. Während aber bei letzterem Tiere die kompensatorischen Augenstellungen während des Lebens eine außerordentlich große Rolle spielen und das ganze Sehen des Tieres beherrschen, treten diese Reflexe beim Affen, ebenso wie das beim Menschen bekanntlich auch der Fall ist, vollständig zurück. Die richtige Einstellung der Augen wird hauptsächlich dadurch kon- trolliert, daß die Augen in einer Frontalebene liegen und die Sehfelder sich zum Teile decken, während die kompensatorischen Augenstellungen höchstwahrscheinlich nur dazu dienen, das Konstantbleiben des Ge- sichtsfeldes bei Kopf- und Körperbewegungen in sehr geringem Aus- maße zu unterstützen!). Daß auch beim Menschen ähnliche Verhält- nisse vorliegen, und daß hier die kompensatorischen Augenstellungen sowohl von den Labyrinthen wie vom Halse aus beherrscht werden, ergibt sich aus neueren Beobachtungen, welche Paul Schuster [ Berlin ]?) veröffentlicht und welche mit Beobachtungen vondeKleynan der hiesigen psychiatrischen Klinik von Prof. Winkler übereinstimmen. C. Verhalten der Affen nach einseitiger Labyrinthexstirpation. Die einseitige Labyrinthexstirpation wurde an zwei Makkaken durch Dr. A.de Kleyn ausgeführt. Man kann hierbei nicht wie bei Katze, Kaninchen und Hund von der Bulla aus vorgehen, da der Affe eine solche nicht besitzt, sondern muß die Operation in derselben Weise vornehmen, wie das beim Menschen geschieht, d.h. vom Mastoid aus. Eine nähere Schilderung erübrigt sich, da die Verhältnisse denen beim Menschen sehr ähnlich sind. In beiden Fällen wurde das linke Labyrinth exstirpiert. Das eine Tier wurde danach 22 Tage, das andere 38 Tage beobachtet. Bei dem einen Tier schlug kurz nach dem Erwachen aus der Narkose kurze Zeit ein Nystagmusder Augen nach links (Reizungssymptom), um dann nach kurzer Zeit umzuschlagen. Bei dem anderen Tier trat gleich direkt eine deutliche Augenabweichung nach links auf mit einem sehr starken Nystagmus nach rechts. Der Nystagmus ist rein horizontal. Augenabweichung und Nystagmus sind am folgenden Tage noch vorhanden, um nach 2—3 Tagen zu schwinden. Von da an stehen die Augen normal, und es werden normale Bewegungen nach alen Seiten ausgeführt. und schon aus diesem Grunde müssen die hierdurch ausgelösten tonischen Reflexe auf die Augenmuskeln verschieden sein. Vielleicht spielen auch noch ‚Schaltungen ““ dabei eine Rolle. !) Vgl. auch M. Bartels, Graefes Arch. f. Ophthalmol. 101, 299. 1920. 2) Dtsch. Zeitschr. f. Nervenheilk. 90, 97. Körperstellung und Labyrinthreflexe beim Affen. 439 Bei einem Tiere erschien am 2. und 3. Tage nach der Operation das Auge der linken Seite etwas tiefer zu stehen, also vertikal nach unten abgelenkt zu sein, doch läßt sich das nicht ganz leicht beurteilen, da infolge der linksseitigen Facialis lähmung die beiden Lidspalten ungleich weit sind. Bei dem anderen Affen war eine derartige Vertikalabweichung nicht wahrzunehmen. Es läßt sich also nicht mit Sicherheit sagen, ob dieselbe ein regelmäßiges Vorkommnis ist. Die Kopfdrehung, welche nach einseitiger Labyrinthexstirpation auftritt, ist bereits oben S. 419 ausführlich geschildert worden, worauf verwiesen sei. Hier braucht nur hinzugefügt zu werden, daß am Tage nach der Operation bei einem Tier ein deutlicher Kopfnystagmus nach rechts nachzuweisen war, der am 2. Tage verschwand. Die Kopf- wendung nach links, d.h. die Neigung des Kopfes zur linken Schulter, war bei dem einen Tier noch längere Zeit sehr deutlich ausgesprochen, so daß sie nach beinahe einem Monate noch 45° betrug. Bei dem an- deren war sie von Anfang an sehr gering, weil sie beim freien Sitzen durch die Körperstellreflexe auf den Kopf und die optischen Stell- reflexe sehr bald korrigiert wurde. Eine Rumpfdrehung als direkte Labyrinthausfallsfolge läßt sich beim Affen nicht nachweisen. Hängt man das Tier senkrecht mit dem Kopf nach unten und korrigiert die Kopfdrehung vollständig, so steht auch der Thorax ganz symmetrisch. Läßt man den Kopf los, so daß die Kopfdrehung wieder auftritt, so folgt der Thorax dem Kopfe ; hier handelt es sich um einen vom Halse ausgelösten Reflex. Sehr deutlich war bei beiden Tieren der einseitige Tonusverlust der Extremitätenmuskeln nachzuweisen. Zu diesem Zwecke hält man das Tier in Rückenlage in der Luft und setzt den Kopf gegen den Körper gerade. Bei dem einen Tier war das linke Vorderbein deutlich schlaffer und blieb so etwa einen Monat lang, während an den Hinter- beinen der Unterschied weniger gut zu sehen war. Bei dem anderen Tier war dieser Unterschied 38 Tage lang an den Vorderbeinen mit großer Deutlichkeit vorhanden, und war am letzten Beobachtungstage auch in Narkose stark ausgesprochen. Bei diesem Tier ließ sich ein entsprechender Unterschied auch an den Hinterbeinen nachweisen, dieser wurde nach 10 Tagen inkonstant, war aber doch von Zeit zu Zeit zu sehen und nach 38 Tagen in Narkose noch sehr deutlich vorhanden. Wird der Kopf nicht expreß vom Experimentator gegen den Rumpf gerade gesetzt, sondern läßt man ihn die natürliche nach Labyrinth- exstirpation auftretende Drehung einnehmen, so wird durch den Hals- reflex der Tonusunterschied der Extremitäten noch mehr verstärkt. Das allgemeine Verhalten der Tiere soll an der Hand des Proto- kolles von demjenigen Affen geschildert werden, der die Erscheinungen am stärksten zeigte, während das andere Tier, bei dem die Labyrinth- exstirpation schonender ausgeführt worden war, diese Symptome sehr viel weniger aufwies. 440 R. Magnus: 28. 11. 1921. Der Affe (Macacus Rhesus) wurde nach dem Erwachen aus der Nar- kose auf den Boden gelegt und rollte unter starken Laufbewegungen nach links (der Seite der Operation), wobei er in der Richtung seines Kopfes nach vorwärts kam, aber zwischendurch auch imstande war, aus linker Seitenlage aufzusitzen (Wechsel zwischen Rollbewegungen und normalen Körperstellreflexen auf den Kopf). Auch beim Affen war deutlich, daß, wie das früher für das Kaninchen gezeigt wurde, Rollbewegungen nur dann auitreten, wenn das Tier den Versuch macht zu laufen. eim Aufsitzen und bei Bewegungen ist die Schlaffheit der linken Extremitäten und die Streckung und Abduktion der rechten sehr deutlich. Wird der Kopf gegen den Körper geradegesetzt, so steht der Thorax beim Sitzen auf der Erde gerade, das linke Vorderbein ist aber etwas schlaffer. Bei Drehung des Kopfes nach links wird der Tonusunterschied der Beine sehr deutlich. In den Käfig gesetzt, treten heftigste Rollbewegungen auf, danach Körperstellreflexe auf den Kopf mit Auf- sitzen und heftigem Schwanken des Kopfes. Der Affe stößt darauf dauernd mit dem Schädel gegen die Glaswand des Käfigs und wird daher in einen kleinen Käfig gesetzt. Hier sitzt er breitbeinig schwankend, der Kopf ist etwa 45° gedreht und gewendet. Am folgenden Morgen sitzt der Affe ruhig im Käfig, der Kopf ist stark gedreht, weniger gewendet. Zwischendurch kann der Kopf auch kurze Zeit in Normalstand gehen beim Fixieren von Gegenständen (optisch). Sitzt mit den Vorderbeinen breitbeinig, kann aber auch auf den Hinterbeinen allein sitzen, rollt danach einmal nach links, sitzt dann wiederholt aus linker Seitenlage auf, danach mehrfaches Rollen nach links. Beim Springen aus dem Käfig fällt er mit hörbarem Knall auf den Boden, rollt darauf längere Zeit durchs Zimmer, wobei er abwechselnd rollt oder sich aus linker Seitenlage aufsetzt. Er kann mehrere Sprünge durchs Zimmer machen, fällt dabei dann aber nach links. Beim Laufen neigt der Körper stark nach links. Er springt auf ein etwa 40. cm hohes Brett, fällt dann nach links her- unter, klettert darauf, ohne zu fallen, auf das etwa 2m hohe Dach des Käfigs, ist auch imstande, etwa lm weit zu springen. Erist auf dem Gitterdach noch deutlich ungeschickt, fällt aber nicht; schwankt beim Sitzen, strauchelt, aber hält sich dann an den Stäben des Daches gut fest. Er kann im großen Käfig gut sitzen, klettert von unten an das Gitterdach, kann aus der Schüssel trinken, wobei er erst den ganzen Kopf ins Wasser steckt, aber danach ruhig trinkt. Kurz darauf ißt erim Käfig Rüben, sitzt dabei in normaler Weise frei, unter deutlichem Schwan- ken des Oberkörpers. Am folgenden Tage kann er bereits geschickt klettern, fällt nur einmal beim Springen nach links, läuft gerade, beim Sitzen hängt sein Körper nach links über. Hierauf geht die Besserung der Bewegungen sehr schnell vorwärts. Bereits nach 6 Tagen ist er durchaus geschickt. Nach etwa einem Monat sind die meisten Bewegungen tadellos und nach Ablauf der Beobachtungszeit anscheinend ganz normal; nur gibt der Diener an, daß er noch in einigen Ausnahmefällen beim Sprunge verkehrt springt und nach links fällt. Beim anderen Affen war 14 Tage nach der Operation noch manchmal ein Fallen nach links zu beobachten. Das Tier kletterte aber mit großer Geschick- lichkeit auf das Dach des Käfigs, nach 3 Tagen sprang er vom Tisch durch die Luft in den Käfig, ohne dabei zu fallen. Die genaue Analyse der Erscheinungen nach einseitiger Labyrinth- exstirpation braucht hier nicht vorgenommen zu werden, da es sich grundsätzlich um dieselben Vorgänge handelt, wie sie für Katze, Hund, Kaninchen und Meerschweinchen bereits früher!) ausführlich ge- !) Pflügers Arch. f. d. ges. Physiol. 154, 178. 1913. Körperstellung und Labyrinthreflexe beim Affen. 441 schildert worden sind. Der Affe verhält sich, sowohl was seine Halsreflexe als was die direkten Labyrinthausfallsfolgen betrifft, ungefähr so wie der Hund, wie aus der Betrachtung der zwei Tabellen auf S. 296 und 301 der zitierten Arbeit hervorgeht, nur ist beim Affen der Tonusunterschied der beiderseitigen Extremitäten nach einseitigem Labyrinthverlust von sehr viel längerer Dauer als beim Hunde. Er verhält sich ungefähr so, wie beim Kaninchen. Aus dem Angeführten ergibt sich, daß der Affe sehr deutliche Sym- ptome nach Ausschaltung des einen Labyrinthes zeigt, daß diese aber verhältnismäßig schnell wieder kompensiert werden, so daß nach wenigen Wochen das Tier in seinen Bewegungen kaum mehr dadurch gehindert wird. Anhangsweise sei erwähnt, daß bei der Labyrinthexstirpation stets der Facialis verletzt wurde, so daß es zu einer dauernden Facialis- lähmung kam. Außerdem war die linke Pupille enger als die rechte, es beruht das darauf, daß wie de Kleyn und Socin!) gezeigt haben, die Sympathicusfasern zum Auge durch das Mittelohr verlaufen und daher bei der Labyrinthexstirpation unterbrochen werden. D. Folgezustände doppelseitiger Labyrinthexstirpation. Bei den beiden Affen wurde 22 bzw. 38 Tage nach der Entfernung des linken die Exstirpation des rechten Labyrinthes von Dr. de Kleyn vorgenommen. Das eine Tier wurde am folgenden Morgen tot gefunden, das andere dagegen konnte noch über 2 Monate beobachtet werden, worauf dann der Versuch durch Großhirnexstirpation (Thalamusaffe) beendet wurde. Wenn man die Labyrinthexstirpation zweizeitig ausführt und einen genügend langen Zeitraum zwischen beiden Operationen verstreichen läßt, so tritt zuerst der von Bechterew?) beschriebene Symptomenkomplex auf, daß nämlich nach der Entfernung des 2. Labyrinthes nicht nur die Symptome der linksseitigen Labyrinthexstirpation zurückgehen, sondern ein Umschlag nach der anderen Seite erfolgt. Dieses war bei den beiden Affen deutlich ausgesprochen. Nach dem Er- wachen aus der Narkose fand sich eine deutliche Augenabweichung nach rechts mit einem sehr starken Nystagmus nach links. Bei einem Tiere war dieser bereits am Nachmittag geschwunden, bei dem anderen war am folgenden Tage noch schwacher Nystagmus nach links vorhanden, während nach 3 Tagen Augenstellung und Augenbewegungen wieder ganz normal geworden waren. Auch der Kopf wurde unmittelbar nach der Operation nach rechts gewendet; bei dem einen Tiere war dieses am Nachmittag noch deutlich, bei dem anderen am folgenden Tage bereits nicht mehr nachzuweisen. Auch bei Hängelage mit dem Kopfe nach unten war die Wendung nach rechts am Tage der Operation ausgesprochen. Bei einem Tiere fand sich auch Kopfnystagmus nach links. !) Pflügers Arch. f. d. ges. Physiol. 160, 407. 1915. 2) Pflügers Arch. f. d. ges. Physiol. 30, 312. 1883. Vgl. auch ibid. 154, 279. 1913. 442 R. Magnus: Der Tonusunterschied der Extremitäten schlug ebenfalls um. Bei dem einen Tiere war beim Erwachen aus der Narkose das rechte Vorderbein deutlich schlaffer als das linke, der Unterschied ließ sich am Nachmittage noch nachweisen. Bei dem anderen Tiere war am Tage der Operation noch kein Unterschied vorhanden, dagegen vom 2. bis zum 5. Tage an den Vorderbeinen und am 5. Tage auch an den Hinterbeinen deutlich zu sehen. Später dagegen waren die rechtseitigen Extremi- täten nicht mehr schlaffer. Das Tier, das nur am Tage der Operation beobachtet werden konnte, zeigte Kopfschwanken, fiel, wenn es auf den Boden gesetzt wurde, hin, konnte danach wieder aufsitzen, kroch breitbeinig, wobei der Körper nach rechts überhing. Beim Laufen strauchelte es und fiel nach rechts, um dann wieder aufzusitzen, es lehnte sich dann mit der rechten Körper- seite gegen die Wand, zeigte Neigung zum Rückwärtskriechen. Bei dem anderen Tiere ließ sich das Allgemeinverhalten 2 Monate lang gut beobachten. Am Tage der Operation saß es breitbeinig schwankend, rollte zweimal, am Nachmittage war es bereits imstande, Brot mit der Hand zu greifen und zu essen. Es trank unter Kopfschwanken, fiel beim Springen hin, zeigte Uhrzeigerbewegungen nach rechts, und strauchelte am Nachmittag beim Laufen nach rechts. Dagegen war es imstande, am Gitterdach des Käfigs ruhig und sicher zu hängen. Am folgenden Tage sitzt es schwankend unter lebhaftem Umsehen nach rechts und links, kriecht rückwärts, zeigt Uhrzeiger- bewegungen nach rechts, sitzt breitbeinig mit den Vorder- und Hinter- beinen, klettert noch ungeschickt aber ohne zu fallen. Auf dem Gitter- dach des Käfigs sitzend, schwankt es noch stark. Schon an diesem Tage kann man die starke Entwicklung der optischen Reflexe erkennen, das Tier benutzt seine Augen, um sich zu orientieren und aufrecht zu erhalten. Auch die Körperstellreflexe auf den Körper spielen zweifel- los eine sehr große Rolle. Nach 5 Tagen ist der Affe bereits imstande, geschickt am Gitterdach des Käfigs zu klettern und an dem Dach hän- gend, hin und her zu schaukeln, wobei der Kopf in allen möglichen Lagen steht. Beim Springen strauchelt das Tier noch. Einmal fällt es vom Gitterdach des Käfigs 2m herunter, kommt dabei nicht mit den Pfoten auf die Erde, sondern mit dem Kopf, wobei der Schädel hart auf dem Grunde aufschlägt. Am 6. Tage klettert das Tier noch etwas ungeschickt und fällt mit einem Knall vom Dache herunter, läuft breitbeinig mit dem Bauch am Boden kriechend. Nach 19 Tagen ist das Klettervermögen sehr viel besser geworden, dagegen ist das Tier auf dem Boden immer noch wenig geschickt, fällt nach rechts und einmal sogar hintenüber auf den Rücken. Beim Fallen vom Dache kommt er auf die eine Seite. In der Folge wird nun immer deutlicher, daß das Klettern dem Tiere sehr viel leichter wird als das Laufen auf dem Boden. Nach einem Monat klettert es vom Boden auf das Dach und springt Körperstellung und Labyrinthreflexe beim Affen. 443 auch auf ein hochstehendes Brett ohne zu straucheln, dagegen wird es ungeschickt, sobald es aufgeregt wird, und springt vom Tisch auf den Boden, wobei es mit hörbarem Knall auf den Kopf fällt. Nach 36 Tagen ist es imstande 50 cm durch die Luft vom Dach des einen Käfigs zum anderen zu springen, ohne zu fallen. Auf dem Boden läuft es noch manchmal rückwärts, beim Springen fällt es einmal auf den Bauch. Auf dem Gitterdach des Käfigs ist es sehr viel sicherer, weil es sich hier mit vier Händen festhält. Vom Dache fällt es, als es ge- jagt wird, auf den Rücken, später einmal auch auf den Kopf. Nach 50 Tagen läuft es schnell aber breitbeinig durch das Zimmer, immer noch etwas schwankend, springt 40 cm weit von Dach zu Dach, fällt dabei zweimal, weiß sich dabei aber immer noch festzuhalten. Beim Sitzen sieht es sich lebhaft nach beiden Seiten um, so daß es sich fortwährend optische Eindrücke verschafft. Nach 58 Tagen fällt es beim Springen vom Tisch immer noch auf die Seite, läuft auf dem Boden mit den Vorderbeinen noch breitbeinig; als es vom Boden auf das Dach des Käfigs klettert, rutscht es, aber ohne zu fallen, und hält sich danach oben am Dache mit den vier Händen sorg- fältig fest. Es ist dem Tiere also in dieser Zeit möglich geworden, wieder sehr ausgiebige Bewegungsfähiskeit zu bekommen. Selbst das Springen geht wieder, wenn der Affe vor dem Sprunge sich sorgfältig optisch orientiert. Fällt er dagegen durch eine Unachtsamkeit herunter, so ver- mag er sich in der Luft nicht mehr umzudrehen und schlägt wie eine tote Masse mit dem Kopf oder dem Körper auf den Boden auf. Beim Klettern ist er außerordentlich geschickt, wenn er auch gelegentlich einmal strauchelt oder abgleitet. Auf dem Boden dagegen ist die Be- wegungsstörung immer noch deutlicher zu sehen als beim Klettern. Schwanken ist hier bis zum Schlusse vorhanden gewesen. Bei den wiederholten Beobachtungen fiel es auf, daß der laby- rinthlose Affe über eine sehr große Muskelkraft verfügte und sich mit großer Energie aus den Händen des Experimentators zu befreien wußte. Er war imstande, sehr weite Sprünge auszuführen und zeigte sehr starken Widerstand in den Armen und Beinen. Es kann also auch für den Affen die Meinung, daß nach doppelseitigem Labyrinthverlust eine allgemeine Schlaffheit der Muskulatur eintritt, ruhig in das Gebiet der Fabel verwiesen werden, wie das früher z.B. auch für Katzen!) bewiesen werden konnte. An dem gleichen Tiere wurde 13 und 48 Tage nach der Exstirpation des 2. Labyrinthes der Verschluß der Augen vorgenommen. Hier- durch wurden die Bewegungsstörungen sehr viel deutlicher. Das Tier war auch sehr viel vorsichtiger und hing am liebsten regungslos am 1) Pflügers Arch. f. d. ges. Physiol. 159, 208. 1914. 444 R. Magnus: Gitterdach des Käfigs in Rückenlage, wobei sich der Kopf in Rücken- lage befand. Auf dem Boden zeigte er ein breitbeiniges tastendes Laufen mit Manegebewegungen, die durch Kopfdrehen eingeleitet wur- den. Wenn er bei diesem Laufen mit der Schnauze an einen Wider- stand stieß, dann kroch er rückwärts. Weitere Beobachtungen beim freien Laufen und Klettern wurden nicht vorgenommen, weil ich fürch- tete, daß das Tier sich dabei verletzen würde. Affen mit intakten Labyrinthen, denen die Augen verschlossen wurden, zeigten nur sehr wenig Störungen, sie liefen lebhaft durch das Zimmer und stießen überall an; sobald sie an einen senkrecht stehenden Gegenstand kamen, kletterten sie mit großer Geschicklichkeit in die Föhe, ohne dabei zu fallen. I 64 Tage nach der Exstirpation des 2. Labyrinthes wurden bei dem Affen die Großhirnexstirpation ausgeführt. Das Verhalten dieses Tieres ist bereits in großen Zügen weiter oben geschildert worden. Es war imstande, wenn es an beiden Händen gehalten wurde, auf den Hinterbeinen zu stehen, und ebenso, wenn es an der rechten oder linken Hand allein gehalten wurde. Der Sprungreflex auf Dorsalbeugung des Kopfes fehlte, die Körperhaltung beim Stehen war eine gute, die Ent- hirnungsstarre schwand bald nach der Operation und machte einem normalen Gliedertonus Platz. Das Tier zeigte deutlichen Greiireflex und konnte gut an den Vorderbeinen hängen, wobei es eine normale Körperhaltung einnahm. E. Schluß. Das Hauptergebnis dieser Untersuchung ist, daß der Affe grund- sätzlich über die gleichen Arten von Reflexen zur Aufrechterhaltung seiner Körperstellung und zur Einnahme der verschiedenen Haltungen und Lagen im Raume verfüst, wie die anderen bisher untersuchten Tierarten. Nur macht er, wie übrigens jede bisher untersuchte Spezies, von diesen Reflexen einen anderen Gebrauch als die übrigen Tiere. Es hängt das zum Teil mit seinem eigenartigen funktionellen Bau zusammen. Der Affe ist ein Tier mit vier Armen, welches hauptsächlich auf Klettern und Springen eingerichtet ist, und bei dem außerdem infolge der höheren Entwicklung des Großhirnes die niederen Hirnteile in anderer Weise in Anspruch genommen werden. Es sei hier nur an die lebhaften Willkürbewegungen, welche von der Großhirnrinde aus- gehen, erinnert, an die sehr starke Entwicklung der optischen Stell- reflexe, an die optische Einstellung der Augen usw. Man braucht, um sich dieses klar zu machen, sich nur den Unterschied zwischen einem Affen und z. B. einem Meerschweinchen und Kaninchen zu vergegenwärtigen, um sofort zu erkennen, daß durch den verschiedenen Bau der Tiere die glei- chen Reflexgruppen zu sehr verschiedener Verwendung kommen müssen. Körperstellung und Labyrinthreflexe beim Affen. 445 Mit Ausnahme der optischen Stellreflexe, für welche die Anwesenheit der Großhirnrinde nötig ist, liegen auch beim Affen die Zentren für den gesamten Steh- und Stellapparat vom vorderen Üervicalmark bis zum Mittelhirn lokalisiert, und zwar in grundsätzlich derselben örtlichen Verteilung, wie das auch bei den anderen bisher untersuchten Tier- arten gefunden wurde!). Dieser zentrale Steh- und Stellapparat garan- tiert dem Affen ein Zusammenarbeiten seiner einzelnen Körperteile, eine harmonische Tonusverteilung in der gesamten Körpermuskulatur, und ermöglicht dem Tiere nach ausgeführter Willkürbewegung oder von einer abnormen Körperlage aus die Wiederherstellung der Grund- stellung, von welcher aus dann neue Bewegungen ausgeführt werden können, sei es, daß dieselben Reflexe von anderen Körperstellen oder Willkürbewegungen unter dem Einfluß der Großhirnrinde sind. Die in dieser Arbeit beschriebenen Leistungen des Hirnstammes sind Minimalleistungen, denn sie gründen sich auf Beobachtungen an Affen nach Großhirnexstirpation, nach welchen die Tiere nur 24 bis 48 Stunden lebten. Aber auch die bisher vorliegenden Beobachtungen an Affen, welche nach Großhirnexstirpation längere Zeit am Leben gehalten wurden, haben noch nicht zu weitergehenden Ergebnissen geführt. Noch niemand hat einen schockfreien Thalamusaffen längere Zeit beobachtet. Es ist also möglich, daß noch eine Reihe von weiteren Funktionen dazu kommen, wenn man imstande wäre, schockfreie Thalamusaffen herzustellen. Nach meinen Beobachtungen läßt sich mit großer Wahrscheinlichkeit voraussagen, daß die Körperstellreflexe auf den Körper und die Geh- und Lauffähigkeit der Tiere, sowie die Springfähigkeit durch den Schock nach der Großhirnexstirpation wesentlich beeinträchtigt worden sind, und daß also der schockfreie Thalamusaffe diese Funktionen bedeutend besser zeigen wird, als in den bisherigen Versuchen erzielt werden konnte. Die Beobachtungen über das Verhalten der Thalamusaffen, wenn man sie frei an den Hän- den in der Luft aufhängt und die dabei auftretenden Klimmzüge beob- achtet, lassen es selbst wahrscheinlich erscheinen, daß ein Affe mit erhaltenem Mittelhirn aber entferntem Großhirn auch noch klettern kann. Andererseits machen die Beobachtungen an schockfreien Tha- lamuskaninchen, -Katzen und -Hunden es unwahrscheinlich, daß beim Affen etwa prinzipiell neue Leistungen von seinem Hirnstamm aus- gehen, die bei den niedrigen Tieren nicht vertreten sind. Wenn man dieses berücksichtigt, dann kann man sich ein ungefähres Bild von den Einzelleistungen des Hirnstammes beim Affen machen, ist aber bisher nicht imstande zu sagen, wie weit der Thalamusaffe imstande ist, aus diesen Einzelleistungen eine zweckmäßige Bewegungsorganisation zusammenzusetzen, und was ein solches Tier nun tatsächlich beim 1!) Pflügers Arch. f. d. ges. Physiol. 198, 124. 1920. 446 R. Magnus: Gehen, Laufen und Springen und Klettern zu leisten imstande sein wird. Diese Fähigkeiten des Thalamustieres aber müssen wir unbedingt erst kennen, wenn wir die Leistungen des Großhirns mit Sicherheit beurteilen wollen. Wer die Entwicklung der Großhirnphysiologie in den letzten 40 Jahren übersieht, wird sich nicht verhehlen können, daß. dieser Voraussetzung sehr häufig nicht genügt ist. Reizungsver- suche am Großhirn lassen uns immer nur Einzelleistungen erkennen, ja sie zeigen uns unter Umständen auch nur, daß ein bestimmter tiefer gelegener, z. B. im Hirnstamm präformierter Mechanismus von oben aus (von der Rinde) in Tätigkeit gesetzt werden kann. Diejenigen Ver- suche, bei denen mehr oder weniger große Teile der Großhirnrinde ex- stirpiert worden sind, zeigen Symptome, welche weniger durch den Ausfall des Weggeschnittenen (wozu auch die Schockerscheinungen ge- rechnet werden sollen) als durch die Funktion des Übriggebliebenen bedingt sind. Diese letztere Selbstverständlichkeit wird häufig über- sehen. Nun setzt sich aber die Funktion des nach der Exstirpation Übriggebliebenen zusammen aus der Funktion der Rinde, des Hirn- stammes und des Rückenmarkes. Solange man die Funktion der beiden letzteren für sich allein nicht kennt, kann man auch die Rindenfunktion nicht genau umgrenzen, und man weiß daher in vielen Fällen nicht, ob die Funktion, welche ein Affe nach Exstirpation eines Rindenfeldes noch ausführt, auf der Tätigkeit der Reste seiner Großhirnrinde oder auf der Tätigkeit des Hirnstammes und eventuell noch tiefer gelegener Zentren beruht. Auch diejenigen Untersuchungen über die Funktion der Großhirnrinde beim Affen, welche unter dem Namen der sog. Affenpsychologie bekannt sind, werden in vielen Fällen eine sicherere Grundlage bekommen, wenn erst die Funktion des Hirnstammes in Einzelheiten ausgearbeitet sein wird. Nach den Beobachtungen, über welche in der vorstehenden Arbeit berichtet werden konnte, ist der Affe im wesentlichen ein Klettertier, bei welchem die Stehrefiexe ungefähr dieselben sind, wie bei den an- deren bisher untersuchten Tierarten. Die Stellreflexe dagegen zeigen die Eigenart, daß außer den Labyrinthstellreflexen besonders die Körperstellreflexe auf den Körper entwickelt sind, und zwar besonders diejenigen Körperstellreflexe, welche von den vier Extremitäten aus- gehen. Durch diese starke Ausprägung der Körperstellreflexe auf den Körper wird es erreicht, daß der Körper des Tieres eine gewisse Un- abhängigkeit vom Kopfe gewinnt. Daß die Hände dabei eine starke Rolle spielen, ergibt sich aus der größeren Sicherheit des Kletterns im Gegensatz zum Laufen. Im ganzen erkennt man bei der Beobachtung der Tiere, daß es sich um einen außerordentlich fein zusammenarbeiten- den Mechanismus handelt. Es ist ferner besonders deutlich geworden, Körperstellung und Labyrinthreflexe beim Affen. 447 daß außer diesen im Mittelhirn lokalisierten Steh- und Stellreflexen auch noch die optischen Stellreflexe beim Affen eine sehr bedeutungs- volle Rolle spielen. Das harmonische Zusammenwirken von Labyrinth, Körpersensibili- tät und Augen ermöglicht dem Affen die Präzision seiner Stellungen und Bewegungen. Während beim Kaninchen, wie Bartels gezeigt hat, die Augen hauptsächlich von den Labyrinthen und nach den neueren Unter- suchungen von de Kleyn auch vom Halse aus orientiert werden, und beim Kaninchen optische Stellreize für die Augen keine Rolle spielen, ist es beim Affen gerade umgekehrt. Bei diesem werden die Augen hauptsächlich optisch orientiert, dagegen spielen die kompensatorischen Augenstellungen nur eine untergeordnete Rolle, etwa so wie auch beim Menschen. Von den Labyrinthen aus werden vertikale und rotatorische, vom Halse aus vertikale, rotatorische und horizontale kompensatorische Augenstellungen ausgelöst. Diese kompensatorischen Augenstellungen sind beim intakten wachen Tier überhaupt nicht zu untersuchen wegen der starken optisch ausgelösten Augenbewegungen. Entsprechend dieser optischen Orientierung sind nun beim Affen die Augenbewegungen auch außerordentlich lebhaft und werden durch die entsprechenden Kopfbewe- sungen unterstützt. Die Augen werden vom Affen nicht nur benutzt, um die Körperstellung zu beeinflussen und zu korrigieren (optische Stell- reflexe), sondern auch zur Kontrolle der Körperbewegungen. Es läßt sich das z. B. deutlich beim Springen labyrinthloser Affen verfolgen. Die Reaktionen der Augen auf rotatorische Bewegungen (Winkel- beschleunigungen) sind lebhaft. Die Augen- und Kopfdrehreaktionen folgen denselben Gesetzen wie bei den anderen Tieren, werden aber ebenfalls durch optische (Fixations-)Reaktionen mit beeinflußt bzw. gestört. Sehr deutlich läßt sich z. B. beim labyrinthlosen Affen ein Eisenbahnnystagmus nachweisen, der sich aufheben läßt, wenn man die optischen Eindrücke ausschaltet (Baldachinversuch). Sehr schön lassen sich beim Affen die Drehreaktionen auf Extremi- täten und Wirbelsäule untersuchen. Es konnte gezeigt werden, daß sie von den Labyrinthen direkt ausgelöst werden, und daß die dabei auftretenden Halsbewegungen die Reaktion unterstützen. Die Reaktionen auf Progressivbewegungen sind beim Affen jeden- falls sehr wichtig, wie das bei einem Tiere, in dessen Lebensweise das Springen eine so große Rolle spielt, begreiflich ist. Besonders deutlich kann man das beim Springen labyrinthloser Affen beobachten, welche den Reflex auf Sprungbereitschaft nicht mehr besitzen und daher, wenn sie auch in richtiger Stellung auf den Boden kommen, nicht mehr im- stande sind, das Gewicht des Körpers mit den Vorder- oder Hinter- beinen abzufangen, um dadurch eine unsanfte Berührung mit dem 448 R. Magnus: Boden zu vermeiden. Bei dem Reflex der Sprungbereitschaft ließ sich eine interessante Schaltung feststellen. Bei Hängelage mit dem Kopf nach unten wird bei Vertikalbewegung nach unten die Reaktion nur an den Vorderbeinen ausgelöst, während wenn das Tier in Hängelage mit dem Kopf nach oben sich befindet, bei derselben Bewegung nach unten der Reflex nur an den Hinterbeinen auftritt. Welche Rezeptoren für diese Schaltung verantwortlich gemacht werden müssen, wurde bisher noch nicht untersucht. Nach der Exstirpation eines oder beider Labyrinthe ist dem Affen eine sehr weitgehende Kompensation möglich, weil die anderen, nicht von den Labyrinthen ausgehenden Steh- und Stellreflexe eine wichtige Rolle spielen. Ist doch das Labyrinth niemals das ausschließliche Rezeptionsorgan bei der Auslösung der verschiedenen Gruppen von Steh- und Stellreflexen. So kommt es, daß der einseitige Labyrinth- verlust praktisch so gut wie vollständig kompensiert werden kann; auch nach doppelseitiger Labyrinthexstirpation ist eine sehr weit- gehende Wiederherstellung der Funktion möglich. Nur in der Luft ist das Tier nach wie vor desorientiert. Hier können ihm allein die Augen helfen. Es geschieht das in der Weise, daß der Affe vor einem Sprunge genau mit den Augen die Entfernung und die Richtung abschätzt und dann die Bewegung ausführt, was ihm nach längerer Übung auch mit ziemlich großer Sicherheit gelingt. Dagegen ist das Tier nicht imstande sich im Raume zu orientieren, wenn plötzlich eine unerwartete Be- wegung durch die Luft ausgeführt wird, wie das z. B. beim freien Fallen eintritt. Hier fällt das Tier, da ihm die Labyrinthstellreflexe auf den Kopf und infolgedessen auch der anschließende Halsreflex fehlen, in beliebigen Stellungen nach unten und kann sich in der Luft nicht richtig umdrehen, außerdem fehlt ihm auch der Reflex der Sprungbereitschaft. Ausdrücklich sei aber auch an dieser Stelle nochmals darauf auf- merksam gemacht, daß der Affe nach doppelseitiger Labyrinthexstir- pation einen sehr guten allgemeinen Muskeltonus besitzt, daß die Bewe- gungen keineswegs kraftlos ausgeführt werden, und die Glieder des Tieres durchaus nicht schlaff sind. Nur die von den Labyrinthen abhängigen Änderungen des Tonus bleiben aus. Es ist also nicht richtig, wenn man noch bis in die jüngste Zeit in einschlägigen Arbeiten lesen kann, daß „bekanntlich nach doppelseitiger Labyrinthexstirpation der Muskel- tonus vermindert ist“. Die hier geschilderten Beobachtungen an niederen Affen lassen den Wunsch rege werden, derartige Untersuchungen auch an Anthropoiden auszuführen. Auch sollte es möglich sein, denjenigen Teil der Versuche, der sich ohne Operationen und ohne sonstige Schädigungen bewerkstelligen läßt, am Menschen vorzunehmen. Erst dann wird für die Beantwortung mancher Fragen der Pathologie eine feste Basis geschaffen sein. Physikalisch-ehemische Untersuchungen über die Bildung der Gallensteine. I. Der Einfluß der Zusammensetzung der Durehströmungsflüssig- keit auf die Geschwindigkeit der Gallenabsonderung und auf die Bildung von Gallenkonkrementen. Von N. A. Bolt und P. A. Heeres. (Aus dem Physiologischen Institut der Reichsuniversität Groningen [Holland.) (Eingegangen am 27. Oktober 1921.) Einleitung. . Das Problem der Bildungsweise von Konkrementen in Sekretions- und Exkretionsprodukten, besonders der Gallen- und Harnsteine, ist in der letzten Zeit vielfach, besonders physisch-chemischer Weise stu- diert worden. Wir dürfen nur an die Namen von Lichtwitz und Schade erinnern. In diesen Untersuchungen haben wir uns bemüht, einen Beitrag zu geben zur Kenntnis der Bildung von Gallenkonkrementen. Wie bekannt, unterscheidet man hauptsächlich zwei Arten von Gallen- steinen, die einander scharf gegenüberstehen, und wovon außerdem auch Kombinationen bestehen. Diese beiden Arten, die (Eiweiß-) Bilirubinkalk- und die Cholesterinsteine sind einander nicht nur ungleich in ihrer Zusammensetzung, sondern auch in der Entstehungsweise. Die Bilirubinkalksteine brauchen nach Schade!) einen Entzündungs- prozeß der Gallenwege, wobei der Kalk aus den Exsudationsprodukten sich verbindet mit Bilirubin zu Bilirubinkalk, der also in größeren oder kleineren Quantitäten in der Galle auftritt. Unter normalen Verhält- nissen wird dieser Stoff von Schutzkolloiden in Lösung gehalten, aber jetzt wird er von den präzipitierten Eiweißkolloiden (aus der Entzündung entstanden) gefällt. Auch Liehtwitz ist dieser Ansicht). Diese Steine zeigen konzentrischen Schichtenbau. Über die Bildung der Cholesterinsteine sind die Autoren nicht einig. Liehtwitz braucht auch hier einen Kern ebenso wie bei den Bilirubin- !)H. Schade, Die physikalische Chemie in der inneren Medizin S. 288. Dresden und Leipzig 1920. ®2) L. Liehtwitz, Klinische Chemie S. 308. Berlin 1918. Pflügers Archiv f. d. ges. Physiol. Bd. 193. 30 450 N. A. Bolt und P. A. Heeres: kalksteinen; für diesen Kern sei aber eine Entzündung nicht notwendig!). Aber schon Aschoff äußert die Meinung, daß diese Steine auch durch einfache Stauung entstehen können, ebenso wie Schade, der die, in der Gallenflüssigkeit vorliegenden Zustände als wichtige Ursache be- trachtet. Dieser Autor hat experimentelle Untersuchungen angestellt über die Bildung von Cholesterinsteinen in vitro?). Wie bekannt, ist das Cholesterin ein hydrophobes Kolloid (Porges und Neubauer)?). Es wird denn auch nur in Lösung gehalten durch die Anwesenheit von Stoffen, die als Schutzkolloide (Cholate, Lecithin, Mucine u.a.) dienen. Es sei hier daran erinnert, daß Cholesterin, wenn es in kolloidale Lösung gegangen ist, wasseranziehende Eigenschaften zeigt*). In dieser Be- ziehung könnte man es hydrophil nennen. Aus den interessanten Unter- suchungen von Lifschütz?) ist hervorgegangen, daß dieses wasser- anziehende Vermögen zurückzuführen ist auf ein immer neben Chole- sterin vorkommendes Oxydationsprodukt, das von seinem Erfinder Metacholesterin genannt worden ist®). Oben erwähnte Untersuchungen von H. Schade ergaben haupt- sächlich folgendes: Wenn eine übersättigte Cholesterinlösung, in welcher Cholate als Schutzkolloide dienen, auskrystallisiert, zeigt sich das Cholesterin als feine Nadeln, die durch sekundäre Umbildung in eine stabilere Form übergehen: die bekannten ‚Cholesterintafeln“. Ähnliche Krystalle setzen sich auch bei postmortaler Abkühlung der Leichengalle ab. Hier muß besonders hervorgehoben werden, daß in diesem Fall niemals zusammenhängende Massen mit ‚„Stein“-struktur präcipitieren. Hinzufügung einiger Tröpfchen fettartiger Substanz, (z.B. aus der Galle extrahiertes Fett, aber auch Olivenöl) genügt, dem Prozeß einen ganz anderen Anblick zu verleihen. Die Weise, in welcher sich jetzt das Cholesterin absondert, ist die sogenannte tropfige Entmischung’). !) L. Lichtwitz, Über die Bildung der Harn- und Gallensteine 8. 79. Berlin 1914. ®) Zusammenfassende Darstellung: Schade 1. c. 2832—295. ?) Porges und Neubauer, Kolloid-Zeitschr. 5, 4. 1909; Biochem. Zeitschr. 4, 152. 1907. *) Das Wasserbindungsvermögen von Fettgemischen (und auch von ganzen Organen) ist nach A.Mayer und Mitarbeitern dem Verhältnis Cholesterin: tot Fettsäuregehalt abhängig (Coöffieient lipocytique). Travaux du lab. Phys. phys.-chem. vol. 3. Paris 1913—1914. 5) Zusammenfassung in J. Lifschütz, Zur Ursache der Wasseraufnahme- fähigkeit tierischer Fette, insbesondere des Wollfettes. Hoppe-Seylers Zeitschr. f. physiol. Chem. 114, 108. 1921. 6) Die Resultate Lifsch ütz konnten leider von Windaus u. Lüders (Z. physiol. Chem. 115, 257, 1921) nicht bestätigt werden. ?) Vgl. besonders H. Bechhold, Die Kolloide in Biologie und Medizin 8. 17. Dresden und Leipzig 1919. Physikalisch-chemische Untersuchungen über die Bildung der Gallensteine. 451 Die Tröpfchen sind schon makroskopisch wahrzunehmen. Es sind die- selben Bildungen, die Naunyn!) schon als primitivste Anlage der Gallensteine in der Gallenblase erkannte. Mikroskopisch konnte man den Vorgang mehr in Einzelheiten ver- folgen. Es zeigte sich, daß die Tröpfchenform durch die herrschenden Zustände im Gemisch während geraumer Zeit erhalten bleibt; durch die Wirkung der Oberflächenkräfte können mehrere Tröpfchen zu- sammenfließen, so daß das Präcipitat eine zusammenhängende Masse bildet. Noch ist bemerkenswert, daß die zusammenfließenden Cho- lesterintröpfehen das für ihr Entstehen notwendige Fett wieder frei machen, so daß es aufs neue wirksam sein kann. (Schade, l.c., S. 286. Abb. 18.) Wir haben versucht, einen Beitrag zum Studium dieses Problems zu liefern, durch Untersuchungen über: Die Gallenabsonderung aus der überlebenden Leber des Frosches. Das Organ wurde durchströmt mit einer Salzlösung, wie es im hiesigen Laboratorium mit Froschnieren?) und -Magen®) auch schon gemacht worden ist. Methodik der Durchströmung der überlebenden Froschleber. Es wurde in folgender Weise präpariert: Einem dekapitierten männlichen Frosche mit zerstörtem Rückenmark wurden Bauch- und Brustwand und Schultergürtel vorsichtig wegpräpariert. Um dennoch der Leber ihre natürliche Stellung zurückzugeben und Torsion der Gallengänge zu vermeiden, wurde das Präparat von der Seite durch zwei Plastizinmauern unterstützt. Die Durchströmungskanüle wurde nach Freipräparieren in die Art. coeliaca gebracht und fest angebunden. Wir achteten darauf, das Mesenterium nicht zu verletzen. Auf diese Weise wurden Leber und Magen durchströmt. Bei guter Durchströmung sah man die Gefäße im Mesenterium sich unmittelbar füllen, ebenso wie die des Magens. — Das Herz mußte fast immer durch Einschneiden vor einem zu großen Druck behütet werden, dann aber funktionierte es auch fast immer bis zum Ende des Experimentes. Leber und Milz wurden zum größten Teil entfärbt. Magen und Darm blieben immer gut mechanisch reizbar und zeigten oft spontane spastische Kontraktionen. Bei Durchströmung mit der oben genannten, modifizierten Ringerlösung, deren Zusammensetzung unten erwähnt wird, wurde meistens das Auftreten von Ödemen des Magens und der Beine beobachtet. Der Druck der Durchströmungsflüssigkeit wurde geregelt durch die Höhe des Gefäßes, das die Flüssigkeit enthielt, und durch die Weite der Kanüle. Mittels eines T-Rohres war es uns möglich, nacheinander zwei Flüssigkeiten zu durchströmen. Nachdem die Kanüle in die Art. coeliaca gebracht war, wurde der Fundus der Gallenblase vorsichtig eingeschnitten und alle Galle sorgfältig weggespült !) Naunyn, Klinik der Cholelithiasis. Leipzig 1892. — Die Gallensteine, ihre Entstehung und ihr Bau. Jena 1921. ®) Hamburger en Brinkman, Verslag. Kon. Ac. v. Wet. in Amsterdam, 27. Januar und 29. September 1917; Biochem. Zeitschr. 88, 97. 1918. ®) Brinkman en Mej. v. Dam, Verslag. Kon. Ac. v. Wet. in Amsterdam, Dezember 1920. 30° 452 N. A. Bolt und P. A. Heeres: (mit der Ringerlösung), wobei dafür gesorgt wurde, daß die Galle nicht in Berührung mit dem Herzen kam. In die Offnung der Gallenblase wurde jetzt eine dünne, etwa 10 cm lange Glaskanüle (Radius 0,75mm) gebunden, welche an ihrem freien Ende unterstützt wurde, so daß sie ein wenig schräg nach oben stieg. Die gebildete Galle konnte hierin hinaufsteigen. Als Durchströmungsflüssigkeit wurde stets eine modifizierte Ringer- lösung verwendet, welcher eventuell Stoffe beigefügt werden konnten. Diese modifizierte Ringer, welche wie gesagt!) schon bei der Durch- strömung der überlebenden Froschniere und des Froschmagens ver- wendet wurde, wo es sich herausstellte, daß sie die optimal-physiologi- sche war, hat die folgende Zusammensetzung: NaCl. 1.21... 9.22.0559 NaH00,. 207.7.2.0,29% KO 127 e8:230,029, CaCl, 6.89... . - 0,049 während ?p = 8,0. Durcehströmungsversuche der überlebenden Froschleber mit modifizierter Ringerlösung. In Anbetracht des physiologischen Leistungsvermögens dieser Flüssigkeit, als es galt, das normale Retentionsvermögen der über- lebenden Froschniere für Glucose aufrecht zu erhalten, lag die Vermutung auf der Hand, daß auch die Leber während einer Durchströmung wenigstens eine kurze Zeit imstande sein würde, normal funktionierend zu bleiben. Es zeigte sich aber sofort, daß am allerwenigsten eine nor- male Gallenflüssigkeit gebildet wurde. Schon sehr bald nach dem Anfang der Durchströmung füllte sich die Kanüle mit einer ziemlich großen Menge wasserartiger, sehr schwach gelb bis grün gefärbter Flüssigkeit, welche allmählich darin aufstieg. Nach einer vorhergehen- den Verlangsamung der Sekretion sieht man plötzlich ein gelbes Kon- krementchen aus der Gallenblase hervortreten. Die schnelle Flüssig- keitsbildung stellt sich wieder her, um jedesmal nach einiger Zeit eine Störung zu erleiden durch das Hineindringen eines neuen Konkrementes. Der Versuch konnte in dieser Weise gewöhnlich eine bis anderthalbe Stunde fortgesetzt werden. Wir haben eine ganze Reihe dieser Experimente angestellt und kamen fast immer zu dem gleichen Resultat. Jedesmal wurde die Gallenblasenkanüle während eines Versuches ganz gefüllt; die Anzahl der Konkrementchen wechselte ebenso wie ihre Größe. Die Konsistenz war mehr oder weniger schwammartig, die Farbe gelb bis grüngelb. Folgender Versuchsbericht diene als Beispiel einer derartigen Durch- strömung: (Es soll hier noch bemerkt werden, daß, um jedesmal eine möglichst voll- ständige Übersicht über den ganzen Zustand des durchströmten Präparats zu !) Hamburger und Brinkman,|. ce. Physikalisch-chemische Untersuchungen über die Bildung der Gallensteine. 453 bekommen, zugleich der Zustand, in welchem Herz, Magen und Darm sich befanden, beobachtet wurde.) Frosch 4. 28. XII. 1920 p. m. I. Durchströmungsflüssigkeit: Ringer. (Die Tropfenzahl aus der noch nicht in die Art. coeliaca hineingebrachten Kanüle beträgt 150 pro Minute.) II. Präparationsbericht: Getöbee en a er a 220, Anfang der Durchströmung mit Ringer... . . 3ı Hineinbringen der Kanüle in die Gallenblase . . . 31 10° III. Versuchsbericht: a) Zustand des Herzens: Die Regelmäßigkeit ist gut; die Frequenz beträgt 50 pro Minute; die Füllung ist stark, der Sinus wird eingeschnitten. b) Zustand des Magens und des Darmes: Beide bleiben mechanisch gut reizbar und zeigen dann und wann spontane spastische Kontraktionen, c) Gallensekretion: Unmittelbar nachdem die Kanüle hineingebracht worden ist, steigt eine zuerst hellgrüne, später farblose Flüssigkeit allmählich in der Glascapillare auf. Nach 10 Minuten (32 20’) erscheint ein hellgelbes Konkrement, das durch die Flüssigkeit mitgeschleppt wird; die Flüssigkeit steigt jetzt wieder schnell auf, in der ersten Minute nach der Loslösung des Pfropfes 12 mm, in der zweiten und dritten Minute zusammen 18 mm. Dann erscheint ein zweites Konkrement. Dies wiederholt sich noch einige Male, bis um 3" 40° die Kanüle voll ist und um 3» 50° die Sekretion hält. (Bei diesem Versuche wurde auch die Menge Flüssigkeit, mit welcher pro Zeiteinheit" durchströmt wurde, gemessen. Zu diesem Zweck wurde um 3h 15’ ein Glasröhrchen in den Sinus des Herzens gebunden, das die Durchströmungs- flüssigkeit nach einem Meßglas abführte. Um 3" 50° wurden 68 ccm gemessen, die Menge pro Minute beträgt also zirka 2 ccm.) Natürlich wurden die Konkremente eingehender untersucht. Zu diesem Zweck wurden sie mit möglichst wenig Flüssigkeit auf Bang- sche Papierstückchen gebracht, welche, nachdem sie genügend ge- trocknet waren, mit Chloroform extrahiert wurden. Mit der Lieber- mannschen Cholestolprobe zeigte sich, daß die Konkremente zum größten Teil aus Cholesterin bestanden. Auf den getrockneten Papier- chen konnte mit der Rosenbachschen Reaktion Bilirubin nachge- wiesen werden. Hiernach wurde das Konkrement mikroskopisch unter- sucht. Es zeigten sich runde und ovale Körper oder Tropfen, von kleinen runden Tröpfchen umringt, welche sich mit Osmiumsäure schwarz färbten und also fettartiger Natur waren. Es besteht bei uns kein Zwei- fel, daß dieses Bild Schades ‚‚tröpfiger Entmischung‘ ganz analog ist. Offenbar konnte bei uns diese Form nicht so lange erhalten bleiben, als es Schade in vitro gelang. Er bekam durch die Wirkung der Ober- flächenspannung eine Konfluenz der Tropfen aus welcher sich der radiäre Bau der Steine entwickelte !). Wir sahen in mehreren Tropfen 1). Schade, l. c. $. 286, Abb. 18. 454 N. A. Bolt und P. A. Heeres: unverkennbar Cholesterintafeln sich bilden, bevor eine Konfluenz möglich war. Durch diese Beobachtung war aber zugleich die Natur dieser Tropfen genügend festgestellt. Obendrein zeigte das Bild im Polarisationsmikroskop eine große Anzahl doppeltbrechende Kryställ- chen, welche auch wieder als Cholesterin erkannt wurden. Die Gallensekretion, die wir hier bekamen, muß unseres Erachtens wenigstens in zwei Hinsichten abnormal genannt werden. An erster Stelle ist die Menge, an zweiter die Beschaffenheit des Produktes un- physiologisch. Das Auftreten von Konkrementen kann nicht einfach als abhängig von der großen Flüssigkeitsbildung betrachtet werden, da Verdünnung normaler aus der Gallenblase erhaltener Galle gar nicht zu Niederschlagsbildung führt. Um das Auftreten in diesem Fall zu erklären, muß man annehmen, daß ein Mißverhältnis entsteht zwischen dem Cholesterin und den als Schutzkolloiden tätigen Bestandteilen des Sekretes. Letztere sind dadurch nicht mehr imstande, ersteres in kolloidaler Lösung zu erhalten. Die bedeutende Flüssigkeitsbildung veranlaßte uns jetzt, in Anbetracht des Einflusses, welcher in der Literatur dem osmotischen und Quellungsdruck der Gefäßflüssigkeit zugeschrieben wird (besonders in Drüsen) !), unsere Durchströmungs- flüssigkeit einer Revision zu unterziehen. Wir wollen hier kurz die Ansicht Bayliss’?) über den Sekretionsprozeß hervorheben. Während der Ruheperiode bauen die Drüsenzellen Stoffe auf, welche als Vor- läufer der Bestandteile des Sekretes zu betrachten sind. Ihre Bildung ist wahrscheinlich ein reversibler Prozeß, so daß sie nach einiger Zeit dank der Anhäufung dieser Stoffe aufhört. Wenn die Drüse in Tätigkeit versetzt: wird, geht unter dem Einfluß kolloidosmotischer und elektro- osmotischer Kräfte?) ein Wasserstrom durch die Zelle, wodurch die gebildeten Stoffe mitgeführt werden. Weitere Einzelheiten des Pro- zesses sind für unseren Zweck weniger wichtig. Dann soll daran er- innert werden, daß die Lebercapillaren Äste in das Innere der Leber- zellen senden, so daß sie hier keine eigenen Wände mehr haben (Schä- fer)®). Es wird hierdurch verständlich, daß besonders die Leberzellen sehr empfindlich für Änderungen in der Wasseranziehung der zirku- lierenden Flüssigkeit sein werden. Demoor°) fand schon, daß bei Durchströmung der Leber mit 1,5% NaCl-Lösung die Konzentration dieser Lösung geringer wurde, während sie bei einer 0,6% NaCl-Lösung dagegen zunahm. Zugleich fand er aber, daß die Durchströmung mit !) Bayliss, Principles of general Physiology. Chapter VI& XI ?) Bayliss, l.c. S. 348. ?) Vgl. auch Hamburger, Osmotischer Druck und Ionenlehre. Bd. II. S. 434. ) ) » E. A. Schäfer, Proceedings Royal Society, Edinburgh 24, 65. 5) J. Demoor, M&moires de l’Academie Royale belgique. 2*me Serie. Tome II. Physikalisch-chemische Untersuchungen über die Bildung der Gallensteine. 455 1,5 proz. NaCl-Lösung schneller vor sich ging als eine solche mit 0,6 proz. Lösung, während eine 0,9proz. Lösung in der Mitte lag. Aus beiden Beobachtungen läßt sich schließen, daß die Zellen Wasser aufnehmen aus einer hypotonischen Salzlösung. Die hierdurch verursachte Quel- lung hemmt die Zirkulation, weil die Gefäße enger werden. =: Obwohl die von uns verwendete Ringerlösung gewiß als dem Blute isotonisch betrachtet werden darf, unterscheidet sie sich davon be- deutend in einer Hinsicht, und zwar in dem osmotischen Kolloiddruck. Weiter ist im Blut das Wasser zum größten Teil am Serumeiweiß ge- bunden, während in der Ringerflüssigkeit viel freies Wasser vorkommt. Bei unserer Durchströmung mit Ringer waren die Leberzellen also in der Gelegenheit, viel mehr Wasser aufzunehmen, als sie normalerweise imstande sind. Dies erklärt genügend die Verdünnung des in die Gallen- blasenkanüle aufsteigenden Produktes, wie diese. hervorging aus der Farbe und aus der großen Menge. Daß zugleich auch eine Änderung im Verhältnis der festen Bestandteile auftreten muß, haben wir oben schon hervorgehoben. Um nun den osmotischen Kolloiddruck und die Viscosität unserer Durchströmungsflüssigkeit zu erhöhen, haben wir Kolloide hinzugefügt. Durchströmungsversuche der überlebenden Froschleber mit modifizierter Ringerlösung, welcher Kolloide zugesetzt waren. In der Tat führten diese Durchströmungen zum erwarteten Re- sultat. Als Kolloid verwendeten wir einige Male Gummi arabicum, sonst durchweg Gelatine in Konzentrationen von 0,5—3%. Es zeigte sich, daß eine Konzentration von 1,5% die optimale war; kleinere führten nicht zum erwünschten Resultat, während bei größeren die Viscosität zu beschwerlich wurde. Bei diesen Durchströmungen wurde auch nicht mehr das Auftreten von Ödemen beobachtet. Was die Gallensekretion betrifft, so sahen wir jetzt eine langsame Bildung einer stärker gefärbten grünen Flüssigkeit, welche immer voll- kommen klar war, und in welcher nur in einem einzigen Fall ein sehr kleines Konkrementchen beobachtet wurde. Die im ganzen gebildete Menge betrug höchstens /, derjenigen, welche im Durchschnitt in der vorigen Serie von Durchströmungen erzielt wurde. Auch hier wurde in einer großen Anzahl Versuche stets dasselbe Resultat erreicht. War hiermit also vollkommen unseren oben entwickelten Erwartungen ent- sprochen, — das jetzt erhaltene Produkt kam ja der normalen Galle sehr nahe —, so meinen wir doch, daß außer dem geänderten Kolloid- gehalt hier noch ein anderer Faktor im Spiele gewesen sein könne. Durch die erhöhte Viskosität dieser Durchströmungsflüssigkeit wurde 456 N. A. Bolt und P. A. Heeres: ja eine viel langsamere Strömung erreicht. Fanden wir in der ersten Versuchsreihe zum Beispiel, daß 2ccm pro Minute passierte, wurden hier u. a. 0,33 ccm gemessen. Heidenhain!) bemerkte schon, daß die Gallenabsonderung gewissermaßen der Zirkulationsgeschwindigkeit parallel geht. Auch Bayliss ?) schließt sich dieser Meinung an. Wenn wir nun den großen Unterschied in der Durchströmungsgeschwindigkeit zwischen beiden Versuchen in Betracht ziehen, so darf die Vermutung aus- gesprochen werden, daß dieser Einfluß sich hier auch geltend gemacht hat. Weil die Gallensalze ein bekanntes Cholagogon bilden und im Körper die Gallensekretion stimuliert wird von den jedesmal durch die Darm- wand zurückresorbierten Gallenbestandteilen, haben wir nachprüfen wollen, ob ein solcher Einfluß auch bei unseren Durchströmungen festzustellen war. Zu diesem Zweck versetzten wir die Durchströmungs- flüssigkeit (Ringer + 1,5% Gelatin) mit der normalen Galle des Frosches, welche leicht beim Einschneiden der Gallenblase zu erhalten war. Das Resultat war folgendes: Es bildete sich viel Flüssigkeit, welche oft einigermaßen trübe war und schnell abgesondert wurde. Der fördernde Einfluß der Gallen- bestandteile auf die Geschwindigkeit der Gallenbildung war unverkenn- bar. Es war nun weiter für uns die Frage, wodurch bei Durchströmung mit kolloidfreier Salzlösung das Cholesterin (und Bilirubin) der Galle nicht länger in kolloidaler Lösung zu halten war. Wie schon oben er- wähnt, meinten wir dies einem Fehlen an Schutzkolloid zuschreiben zu müssen. Wir versuchten deshalb auch dieses Schutzkolloid der Durch- strömungsflüssigkeit beizugeben, damit es, zugleich in der Galle ab- gesondert, das Cholesterin als disperse Phase verteilt erhalten könnte. In erster Linie schien uns Beigabe von ein wenig Lecithin berechtigt, weil dieses Phosphatid in der Natur immer zusammen mit Cholesterin. vorkommt und es dort als komplexes Kolloid in Lösung zu erhalten weiß. Unseres Erachtens war überdies ein derartiges Experiment er- wünscht in bezug auf die Therapie der Cholelithiasis. Wenn es uns nämlich gelingen würde, durch Zusatz von Lecithin das Cholesterin (und den Bilirubinkalk) in Lösung zu erhalten oder sogar eventuell ge- bildete Präcipitate wieder aufzulösen, schien uns dieses Resultat nicht ohne Interesse. Dazu stellten wir noch folgende Experimente an: Durchströmungsversuche derüüberlebenden Froschleber mit modifizierter Ringerlösung, welcherLecithin zugesetzt war. Bei diesen Durchströmungen wurde eine Lecithinkonzentration an- gewendet von ungefähr 1/,,% was als eine ziemlich physiologische Quantität zu betrachten ist. Diese Lösung wurde hergestellt durch !)R. Heidenhain, L. Hermanns Handbuch der Physiologie. Leipzig 1883 54 129*263. 2) W: M. Bayliss, l.e. 8.345. Physikalisch-chemische Untersuchungen über die Bildung der Gallensteine. 457 Mischung einer Lösung in Äther mit warmem Wasser, worauf der Äther unter anhaltendem Rühren verdampft wurde. Mit diesen Lösun- gen wurden dann die zur Herstellung der Ringerflüssigkeit verwendeten Standardlösungen verdünnt. Wir bekamen in dieser Weise eine fast klare Lecithinemulsion schwach gelber Farbe, welche sich während des ganzen Versuches gut haltbar zeigte!). Bei diesen Durchströmungen bildeten sich nicht mehr die ansehnlichen Konkremente, welche wir in der ersten Versuchsreihe zu Gesicht bekamen. Sehr konstant zeigten sie jetzt eine Tendenz, in Lösung zu bleiben. Die sezernierte Flüssigkeit war trübe und hatte eine milchweiße Farbe. (Künstliche Emulsionen, in denen Cholesterin mit Hilfe von Lecithin als Schutzkolloid in Lösung erhalten wird, haben ganz dieselbe Farbe.) Auch ist die Sekretion hier weniger schnell als bei der Verwendung reiner modifizierter Ringer- lösung. Um deutlich den Unterschied im Resultat zwischen Durch- strömung mit Ringer und mit Ringer + 0,1%, Lecithin hervortreten zu lassen, haben wir einige Doppeltdurchströmungen angestellt. Mit Hilfe der einfachen oben erwähnten Versuchsanordnung konnten wir ab- wechselnd mit beiden Flüssigkeiten durchströmen. Als Beispiel eines derartigen Experimentes möge folgendes dienen: Frosch 48. 28. II. 1921 a. m. I. Durchströmungsflüssigkeit: a) Ringer; b) Ringer + 0,1% Leeithin. II. Präparationsbericht: Getoteb es 5 10R4B; Anfang der Durchströmung mit Ringer . . . . . 10455’ Hineinbringen der Kanüle in die Gallenblase . . . 11% 15° III. Versuchsbericht: a) Zustand des Herzens: Die Regelmäßigkeit ist gut; die Frequenz beträgt 15 pro Minute; die Füllung ist groß. b) Zustand des Magens und des Darmes: Der Magen ist stark kontrahiert und der Darm mechanisch gut reizbar., c) Gallensekretion:; Sofort nach dem Hineinbringen der Kanüle fängt die schnelle Bildung einer klaren Flüssigkeit an, mit der schon bald gelbweiße Konkremente nach außen treten; um 11" 20’ ist das Flüssigkeitssäulchen 1,5 cm lang. Um 11h 20’ fängt die Durchströmung mit Ringer + 0,1%, Lecithin an. Von jetzt an bildet sich ziemlich schnell eine wenig trübe Flüssigkeit (11h 25°). Von 11h 40’ an wird wieder durchströmt mit Ringer, worauf viel Sekret mit vielen Konkrementen abgesondert wird. 5 Das Lecithin hat also eine charakteristische Wirkung. Wir beab- sichtigen diese noch näher zu untersuchen. Vielleicht kann durch chemische Untersuchung des Gallenproduktes diese Wirkung des Leci- !) Seither ist es im hiesigen Institut gelungen, durch sorgfältige Säuberung des Handelslecithins Emulsionen herzustellen von glänzender Klarheit und hoher Oberflächenaktivität, welche sich während längerer Zeit haltbar zeigten. 458 N.A.Boltu.P. A. Heeres: Physik.-chem. Unters. üb. d. Bildg. d. Gallensteine. thins noch mehr präzisiert werden. Man könnte zum Beispiel in folgen- der Weise verfahren: Das Sekret wird auf Bangsche Papierchen ge- bracht, diese werden getrocknet und dann nacheinander extrahiert mit Petroläther und absolutem Alkohol. In dieser Weise werden dann Cholesterin und Lecithin getrennt und können nach der Methode Grigauts und durch Messung der Capillaraktivität quantitativ be- stimmt werden. Jedenfalls zeigt sich auch hier der Antagonismus zwischen dem Lecithin und dem Cholesterin. Zusammenfassung. l. Bei Durchströmung der überlebenden Froschleber mit einer modifizierten Ringerflüssigkeit wird ein reichliches Gallensekret ab- gesondert mit sehr viel Konkrement. 2. Enthält die Durchströmungsflüssigkeit ein Kolloid z. B. Gelatine, so bekommt man eine viel geringere Sekretion, eines diesmal ganz konkrementfreien Produktes. 3. Die sub 1 erwähnten Konkremente bestehen zum größten Teil aus Cholesterin und bilden sich durch ‚‚tropfige Entmischung“ (Schade). 4. Wenn der äquilibrierten Salzlösung Lecithin hinzugefügt wird, zeigen die Bestandteile des Sekretes eine unverkennbare Tendenz, in Lö- sung zu bleiben. Aus praktischen Gesichtspunkten kann dies vielleicht in der Zukunft eine Bedeutung erhalten. Kurze Mitteilungen. Zur Physiologie der Capillaren am Nagelwall gesunder Personen. Von S. S. Chou und W. Dieter. (Aus dem physiologischen Institut der Universität Berlin.) (Eingegangen am 23. Dezember 1921.) Die von Lombard im Jahre 1911 ausgearbeitete Methode der Capillarbeobachtung hat bisher keine prinzipiellen Änderungen erfahren. Es ist möglich, bei schwacher Vergrößerung ein sehr klares Bild der ober- flächlichen Gefäße des Coriums zu bekommen, wenn man einen Tropfen Glycerin oder Öl auf die Haut bringt und mit einem kleinen Deck- gläschen bedeckt, nachdem man für genügend starke Beleuchtung gesorgt hat. So lassen sich nicht nur die Erscheinungen des Blutkreis- laufes beim Menschen ohne weitere Eingriffe verfolgen, sondern auch Beobachtungen über die Ergebnisse mechanischer, thermischer, che- mischer und elektrischer Einwirkungen am peripheren Gefäßapparat direkt anstellen. Um zunächst zu erfahren, welche Erscheinungen bei völlig gesunden Personen vorkommen können und welche unbedingt als pathologisch aufzufassen sind, haben wir eine größere Zahl von Beobachtungen am Nagelwall bei gesunden Personen (größtenteils Studenten) durchgeführt, da diese Körperstelle aus bekannten Gründen besondere Vorteile für die Untersuchung bietet. Bei über 500 Beobachtungen stellten wir durch Messungen mit einem besonders geeichten Okularmikrometer die Länge des ohne weiteres sichtbaren Teiles der Capillarschleifen fest. Bei einer einigermaßen konstanten Breite der Capillaren (arterieller Schenkel 0,01—0,03 mm, venöser Schenkel bis zu 0,05 mm) ist die Länge der Schleifen an den einzelnen Fingern nicht unbeträchtlichen Schwankungen unterworfen. Vergleicht man die Mittelwerte aus einer großen Beobachtungsreihe miteinander, so lassen sich zwei große Gruppen unterscheiden, wenn man sie nach den Regeln der Wahrscheinlichkeitsrechnung betrachtet: 1. 160—400 u, 2. 400—550 u Länge. Die erste Gruppe umfaßt etwa 60%, die zweite etwa 30%, der untersuchten Fälle. Es ließ sich fest- stellen, daß die Länge der Capillaren an dieser Körperstelle beim Ge- sunden abhängt: 460 S. S. Chou und W. Dieter: I. Von der absoluten Länge der einzelnen Schleifen ; II. von der Sichtbarkeit der Capillaren, die beeinflußt sein kann: 1. Von der Beschaffenheit der Epidermis; 2. von dem Feuchtigkeitsgehalt der Gewebe; 3. von der Lage der Capillaren zur Blickrichtung; 4. von der Stärke der Lichtquelle. Im speziellen Falle erfährt die Länge der Capillaren Veränderungen durch Einflüsse des Berufes, der Witterung, der Hautpflege usw., die alle miteinander eng zusammenhängen. Werden die Hände durch die Arbeit stark in Anspruch genommen, so finden wir fast ausschließ- lich relativ kurze Capillaren (durchschnittliche. Länge 0,1—0,2 mm), die außerdem zu über 50% gewundenen Verlauf zeigen können, wobei stets die derbe Beschaffenheit der Epidermis auffällt; es läßt sich kon- statieren, daß bei zarter Epidermis lange Capillarschleifen, und bei derber Epidermis kurze Capillarschleifen vorherrschend sind. Bei S Chinesen und Japanern, die uns zur Untersuchung zur Verfügung standen, fanden wir allerdings durchweg sehr lange Capillaren (stets länger als 0,55 mm), obwohl die Derbheit der Epidermis teilweise wesentlich kürzere Capillaren hätte erwarten lassen, so daß wir annehmen müssen, daß hier noch andere Momente (Rasseneigentümlichkeiten ?) mit im Spiele sind, *worüber wir uns aber wegen der geringen Zahl der untersuchten Fälle jedes Urteils vorläufig enthalten müssen. Die Zahl der in einem 3,0 mm langen, 0,15 mm breiten äußersten Hautstreifen sichtbaren Schleifenscheitel beträgt bei gesunden Personen 30—34 Schlingen; sie ist nur geringen Schwankungen unterworfen. Sind die Capillaren schlecht gefüllt, so läßt sich ihre genaue Zahl nach einem warmen Armbade von 10 Minuten Dauer leichter ermitteln. Ob außer diesen noch weitere, zunächst leere und deshalb unsichtbare Capillaren vorhanden sein können, vermochten wir bisher nicht zu ent- scheiden. Um die Frage der Contractilität der Capillaren des Menschen zu prüfen, d. h. die funktionelle Äußerung contractiler Elemente im Sinne einer Abnahme der lichten Weite des Gefäßes, suchten wir pharmako- logische Agentien möglichst unmittelbar zur Einwirkung auf die Capil- laren zu bringen. Da wir die subeutane bzw. intramuskuläre Injektion für prinzipiell falsch halten, weil es unmöglich ist, auf diesem Wege an die Capillaren allein heranzukommen, haben wir zuerst die obersten Hautschichten entfernt. Nach der hierzu durchgeführten Behandlung mit Bariumsulfid konnten wir sehr bald Zeichen einer leichten Ent- zündung dadurch feststellen, daß diese Hautstellen schon makroskopisch hochrot waren und diesem Befunde entsprach auch das mikroskopische Bild. Die Capillaren waren stets prall gefüllt, ihre Konturen so scharf gezeichnet wie vorher. Die Strömung war sehr rasch, das Lumen der Zur Physiologie der Capillaren am Nagelwall gesunder Personen. 461 Gefäße nur der pralleren Füllung entsprechend weiter. Auf diese Haut- stellen brachten wir nun eine Lösung von Suprareninum hydrochloricum 1 :1000, konnten aber auch bei sehr langer Einwirkung nur feststellen, daß sich die Strömung nicht wesentlich verändert hatte. Die Gefäße waren weniger prall gefüllt als vorher, erschienen infolgedessen enger; Stasen als Ausdruck für Angiospasmen (Hinselmann) ließen sich bei sonst gleichen Versuchsbedingungen nicht nachweisen. Wir haben dann vergeblich mehrere Cantharidenpräparate anzuwenden versucht und erzeugten deshalb mit Öl von 130° eine Brandblase, die wir ab- trugen, um Suprarenin in Glycerin (1 : 1000) auf den desepithelisierten Nagelwall zu bringen. Die Beobachtungen zeigten keinen wesentlichen Unterschied von den oben mitgeteilten Veränderungen; wenn man annimmt, daß diese durch das Suprarenin verursacht wurden, daß letzteres also zur Einwirkung kam, so läßt sich doch nicht behaupten, daß die Arteriolen nicht beeinflußt wurden. Wenn wir auch in früheren Versuchen mit Atropin keine eindeutigen Besonderheiten feststellen konnten, ist es doch nicht schwer, durch chemische Reize Lumen- schwankungen der Capillaren zu erhalten, aber es ist eben vorläufig noch unmöglich, mit Bestimmtheit zu entscheiden, welche Verände- rungen durch das Verhalten von Arterien und Arteriolen bedingt sind und welche sichere Reaktionen der Capillaren selbst darstellen. Bei der Deutung der Erscheinungen nach mechanischen und thermischen Reizen haben wir die gleichen Bedenken. Nach Streichen über den Nagelwall oder nach Druck auf denselben mit dem aufgelegten Deckglase erscheinen die Capillaren praller gefüllt und dementsprechend weiter, die Strömung ist etwas lebhafter, nach längstens 2 Minuten ist der ursprüngliche Zustand wieder erreicht. Diese Erweiterung der Gefäße mit beschleunigter Strömung erhielten wir auch auf thermische Reize, während Verengerungen des Lumens der Capillaren und verlangsamte Strömung auf Kälteeinwirkung folgt, doch ist es unmöglich, mit den Reizen nur die Capillaren zu treffen. Es war uns also nicht möglich, durch Capillarbeobachtung Er- scheinungen festzustellen, die für eine aktive Contractilität der Capil- laren sprechen müßten. Lumenschwankungen der Capillaren sind durch mechanische, chemische und thermische Einflüsse zu erzielen, durch diese kann die Strömung in den Capillaren weitgehend direkt beeinflußt werden. Diese Schwankungen sind zum Teil durch die Ar- terien und Arteriolen bedingt, zum Teil aber mögen es wohl auch selb- ständige Veränderungen des Lumens der Capillaren selbst sein. Über die Untersuchungen von Dr. Mareus Maier und HansLion: Experimenteller Nachweis der Endolymphbewegung im Bogen- gsangsapparat des Ohrlabyrinthes bei adäquater und ealorischer Reizung. „Pflügers Archiv“ Bd. 187, 8. 47. 1921. Von Professor Gilberto Rossi (Florenz, Laboratorio di Fisiologia). (Eingegangen am 20. Dezember 1921.) Die Verff. geben an, daß es vor ihren Untersuchungen nie gelungen war, die Endolymphbewegungen, verursacht durch rotatorische und calorische Reizung, zu sehen. Was die Endolymphbewegungen, welche die rotatorischen Kopf- beschleunigungen begleiten, anbetrifft, möchte ich die Aufmerksamkeit auf meine eigene Veröffentlichung lenken: Sul comportamento della endolinfa durante le accellerazioni rotatorie del capo. (,,Archivio di Fisiologia“ Vol. XIII, p. 335. 1915), in welcher ich, durch ähnliche Verfahren wie die genannten Autoren, zeigen konnte, daß solche Bewegungen in Labyrinthpräparaten von Mustelus canis (Haifisch) vorhanden sind. Ich erkenne durchaus die technische Ge- schicklichkeit der Autoren an, welchen es gelang, dieselben Experimente an Tauben zu machen, wo meine Versuche mißglückten. Was die Versuche der Autoren an Modellen anbetrifft, muß ich an meine zwei Veröffentlichungen erinnern: Sulla viscositäa della endolinfa e della perilinfa (,‚Achivio di Fisiologia“, Vol. XII, p- 416. 1914) und Di un modello per studiare gli spostamenti dellaendolinfaneicanali semicircolari (,Archivio di Fisiologia“ Vol.-XIII, p. 350. 192T). In meinem ersten Artikel stellte ich, durch ein Mikroviscosimeter, die Endolymphviscosität fest. In dem zweiten stellte ich an Celluloid- modellen von der Größe der Bogengänge von. Mensch und Taube) die Bewegungen einer Flüssigkeit. welche dieselbe Viscosität wie die Endo- lymphe besaß, dar. Die Ergebnisse der Autoren stimmen in vielen wesentlichen Punkten mit den meinigen überein. Weitere Untersuehungen über den Einfluß der Wasserstoff- ionenkonzentration auf die Blutgefäße unter besonderer Be- rücksichtigung des Pufferungsgrades der Durchströmungs- | flüssigkeit. Von Edgar Atzler und Gunther Lehmann. (Aus dem Kaiser-Wilhelm-Institut für Arbeitsphysiologie Berlin.) Mit 3 Textabbildungen. (Eingegangen am 14. Oktober 1921.) In unserer letzten Arbeit!) über den Einfluß der Wasserstoffionen- konzentration auf die Blutgefäße des Frosches gelangten wir zu folgen- den Ergebnissen: Sowohl den H- als auch den OH-Ionen kommt eine kontrahierende Wirkung auf die Blutgefäße zu, sobald ihre Konzen- tration einen bestimmten Grenzwert überschreitet; dieser liest für die OH-Ionen niedriger als für die H-Ionen. Die normale Wasserstoffzahl des Blutes liegt bereits in dem Wirkungsbereich der OH-Ionen. Die Blutgefäße befinden sich demnach unter physiologischen Bedingungen in einem leichten Kontraktionszustande, den wir als die physiologische Laugencontractur bezeichnet haben. Saure Stoffwechselprodukte ver- mindern die physiologische Laugencontractur und erweitern damit zunächst die Strombahn. Wird im Experiment ein Tier, dessen physiologische Laugencontrac- tur noch erhalten ist, mit einer schwach angesäuerten Perfusions- flüssigkeit durchströmt, so wird eine Gefäßerweiterung eintreten, falls nicht nervöse Mechanismen störend eingreifen. Wir werden in dieser Arbeit zeigen können, daß die physiologische Laugencontractur auch dann noch erhalten bleibt, wenn das Tier vor Anstellung des Säure- versuches mit einer der üblichen ungefähr neutralen, aber schwach oder gar nicht gepufferten Lösungen durchströmt wird. Wir selbst konnten diese Erscheinungen in zahlreichen Versuchen beobachten und erklären damit die Befunde älterer Autoren, die ganz allgemein schwa- chen Säuren eine erweiternde Wirkung auf die Blutgefäße zuschreiben. Neuerdings hat auch Heymann?) Versuche über die Wirkungen !) Atzler und Lehmann, Pflügers Arch. f. d. ges. Physiol. 190, 118. 1921. ?) Paul Heymann, Über die Wirkung kleinster Säure- und Alkalimengen auf die Gefäße und andere glattmuskelige Organe. Arch. f. exp. Pathol. u. Pharmakol. 90, 27. 1921. Pflügers Archiv f. d. ges. Physiol. Bd. 198. 31 464 E. Atzler und G. Lehmann: Weitere Untersuchungen kleinster Säure- und Alkalimengen ausgeführt und ist im allgemeinen zu ähnlichen Ergebnissen gekommen, wenngleich er sie anders deutet. In unserer oben genannten Arbeit kam als Perfusionsflüssigkeit eine Gummi-arabicum-Ringerlösung zur Verwendung. Dieser wurden wech- selnde Mengen verschiedener Säuren und Alkalien zugesetzt, um die mit der Gaskette gemessene Wasserstoffionenkonzentration zu variieren. Auf diese Weise ließ sich die relative Belanglosigkeit der Anionen gegen- über den H-Ionen zeigen. Wir begegneten schon damals dem Einwande, daß wir auf die Pufferung verzichtet hätten, mit dem Hinweise, daß die in dem Gummi arabicum enthaltene Arabinsäure infolge ihrer niedrigen Dissoziationskonstante puffere. "Trotzdem erschienen Ergänzungsunter- suchungen wünschenswert, bei denen die verschiedenen Wasserstoffionen- konzentrationen durch. die üblichen Puffersalze hergestellt wurden. I. Einfluß des Pufferungsgrades der Perfusionsflüssigkeit auf die Schwellenwerte der H- und OH-Ionenwirkung auf die Gefäße. Eine Gummi-arabicum-Ringerlösung erzeugt in dem Py- Bereich 5—7 das Optimum der Strombahn; wird 77 kleiner als 5 oder größer als 7, so kontrahieren sich die Gefäße, und zwar um so stärker, je weiter wir uns von dem optimalen 2-Bereich entfernen. Es galt nun der rage näherzutreten, ob diese Verhältnisse bei verschieden starker Pufferung eine Veränderung erfahren; erst nach Klärung dieser Frage kann man nähere Aufschlüsse über die Wasserstoffionenempfindlichkeit der Gefäße unter natürlichen Bedingungen erwarten. Wir durchströmten nach dem gleichen Verfahren, wie wir dies in der mehrfach erwähnten Arbeit eingehend beschrieben haben, den Ge- samtfrosch mit Lösungen von verschiedenem Pufferungsgrad: Wir wählen das Wort Pufferungsgrad für den speziellen Zweck .dieser Arbeit -und verstehen darunter die Resistenz der Wasserstoffionen- konzentration einer Lösung - gegen den Zusatz von Säuren resp. Alkalien; je mehr Kubikzentimeter einer Normalsäure man beispiels- weise zu 100 ccm einer Pufferlösung zufügen muß, um ihre Wasserstoff- ionenkonzentration um eine Zehnerpotenz zu ändern, desto größer ist ihr Pufferungsgrad. | Es kamen in diesen Versuchen Lösungen von drei verschiedenen Puffer ungsgraden zur Verwendung, die durch Variieren der molaren Konzentration der Puffersalze hergestellt wurden. Gummi arabicum konnte diesen Pufferlösungen nicht zugesetzt werden weil das Calcium des Gummis mit der Phosphorsäure des Phosphatpuffers einen Nieder- schlag von Calciumphosphat bilden würde. Die verwendeten Lösungen hatten folgende Zusammensetzung: Lösung a: (Pufferungsgrad stark) 90 Teile Kochsalzlösung und 10 Teile einer Mischung von primärem und sekundärem resp. sekundärem über den Einfluß der Wasserstöffionenkonzentration auf die Blutgefäße usw. 465 und tertiärem Natriumphosphat!) in einer Gesamtphosphatkonzen- tration von "/,. Isotonie der Lösung in bezug auf das Froschblut wurde hier und in den übrigen Fällen durch eine auf Grund von Gefrier- punktserniedrigungen passend gewählte Kochsalzkonzentration erreicht. Lösung b: (Pufferungsgrad schwach) 90 Teile Ringerlösung (mit entsprechend variierter Kochsalzkonzentration), 10 Teile Phosphat- pufferlösung in einer Phosphatkonzentration von ca. "/,,, bzw. Milch- säurepufferlösung in entsprechender Konzentration. Lösung c: (Pufferungsgrad null) 0,7 proz. Kochsalzlösung, der un- mittelbar Salzsäure resp. Natronlauge zugesetzt wurde. Diese Lösungen ermöglichten es, in dem notwendigen p7-Bereich jede gewünschte Wasserstoffionenkonzentration in drei verschiedenen Pufferungsgraden herzustellen. Die Variation der Wasserstoffzahl er- folgte bei den Lösungen a und b durch Änderung des Verhältnisses Ntze & ! | | & ern, l | EN Eng 4 5 6 7 8 Fi © ß db) ı | | | a 2 3 4 o; [A 7 y% (6 x N IS | ı | SET | | f | L 2) 2 3 4 &) (0) 7 e 9 70 Abb. I. "Pufferungsgrad der Perfusionslösung bei «@ = stark, bei b = schwach, bei e = null (unge- puffert). Zwischen xa, #p und yy erfolgt keine Einwirkung auf die Geiäße. zwischen primärem und sekundärem bzw. sekundärem und tertiärem Phosphat oder Milchsäure und milchsaurem Natrium; bei Lösung c durch die jeweils zugesetzte Menge Säure oder Lauge. Mit Hilfe von Durchströmungsversuchen am Frosch wurde für jede der drei verschieden stark gepufferten Lösungen diejenige Wasserstoff- ionenkonzentration ermittelt, welche gerade keine Gefäßkontraktion mehr herbeiführte; als Vergleichslösung diente dabei eine Lösung von der Wasserstoffionenkonzentration 95 — 6 vom jeweils gleichen Puffe- rungsgrade. Die Versuchsergebnisse sind in Abb. 1 niedergelegt. Die Linien a, b, c, auf denen die Wasserstoffzahlen angegeben sind, entsprechen den verschieden stark gepufferten Lösungen a, b, c. x bedeutet, daß die Lösung die Gefäße kontrahiert, © daß sie keine Wirkung auf die Gefäße ausübt. Die Zone der Unwirksamkeit für die Wasserstoffionen ist für die verschieden stark gepufferten Lösungen verschieden. Sie liegt auf der Zeichnung zwischen den Linien &Py. Man sieht also, 1) Michaelis, Die Wasserstoffionenkonzentration. 3 466 E. Atzler und G. Lehmann: Weitere Untersuchungen daß sich die unwirksame Zone mit dem Pufferungsgrade ändert: für Lösung a liegt die Zone zwischen 5,65 und 6,6, für Lösung b zwischen 4,2 und 7,45 und für Lösung c zwischen 2,9 und 9,35. Wir erhalten demnach bei starker Pufferung nur eine schmale unwirksame Zone, die sich mit der Abnahme des Pufferungsgrades verbreitert. Besprechung der Ergebnisse. Eine Lösung von hohem Pufferungsgrad hat gegenüber einer solchen von niedrigem Pufferungsgrad nach unserer obigen Definition den Vorzug, daß sie ihre Wasserstoffionenkonzentration bei Zusatz einer bestimmten Menge von Säure resp. Lauge weniger ändert als eine schwach gepufferte Lösung. Machen wir zunächst die Annahme, deren Richtigkeit wir im zweiten Kapitel dieser Arbeit beweisen wer- den, — daß eine saure Flüssigkeit bei der Passage durch den Frosch etwas weniger sauer wird, daß weiterhin eine alkalische Flüssigkeit etwas weniger alkalisch wird, und daß diese Reaktionsänderung dem Pufferungsgrade der Perfusionslösung antibat sei, so ergibt sich die Möglichkeit, den obigen Befund zu deuten. Für den jeweiligen Kontraktionsgrad der Gefäße ist diejenige Wasser- stoffionenkonzentration maßgebend, welche das contractile Element in der Gefäßwand umspült. Das capillare Gebiet als ausschlaggebend anzusehen, erscheint naheliegend. Die unmittelbare Messung der hier herrschenden Wasserstoffionenkonzentration ist uns nicht möglich; wir können aber zu einem Näherungswerte gelangen, wenn wir nicht nur die Wasserstoffionenkonzentration der einfließenden Lösung (Py- Einlauf), sondern auch die Wasserstoffionenkonzentration nach der Froschpassage messen (p,-Auslauf). Für unsere Betrachtungen wollen wir annehmen, daß p,-Auslauf der tatsächlich wirksamen Wasserstoff- ionenkonzentration gleich ist. Zur weiteren Darstellung bedienen wir uns mit Vorteil der graphi- schen Methode. Die Kurve A B (Abb. 2) ist nach dem in unserer letzten Arbeit besprochenen Verfahren bei Anwendung der Gummi-arabicum- Ringerlösung, die sich als schwach gepuffert erwies, gewonnen worden. Auf der Abszissenachse sind die ?y7-Werte der Durchströmungslösungen, als Ordinaten die zugehörigen Werte für K!) aufgetragen. Im p,- Bereich 5-7 ist K=1; hier sind also die Gefäße maximal erweitert. !) Für diese Versuche wurde ein Durchströmungsapparat benutzt (Pflügers Arch. f. d. ges. Physiol. 190, 118. 1921), welcher die Zeit registriert, die nötig ist, damit ein bestimmtes Volumen Flüssigkeit in das Gefäßsystem eintritt; bei jedem auf einem Kymographion verzeichneten Ausschlag des Apparates ist die gleiche Flüssigkeitsmenge in den Frosch eingetreten. Auf der Abszissenachse eines recht- winkligen Koordinatensystems werden in gleichen Abständen die gemessenen Sekundenzahlen als Ordinaten aufgetragen. Um die gewonnenen Kurven zahlen- mäßig vergleichen zu können, wurden die Versuche so geleitet, daß die mit der über den Einfluß der Wasserstoffionenkonzentration auf die Blutgefäße usw. 467 Wird p5 größer als 7, oder kleiner als 5, so kontrahieren sich die Gefäße, wie auf der Kurve aus dem Ansteigen der K-Werte ersichtlich ist. Unter der Abszissenachse ist in einem gewissen Abstande parallel zu ihr eine Linie ausgezogen, auf der die p„-Werte des Auslaufes eingetragen sind; diese Linie soll als Abszissenachse für die korrigierte (gestrichelt ge- zeichnete) Kontraktionskurve dienen; diese gestrichelte Kurve berück- sichtigt also die tatsächlich wirksamen Wasserstoffionenkonzentrationen, die auf das contractile Element einwirken. Aus Versuchen, die im zweiten Kapitel dieser Arbeit erwähnt werden, ergibt sich, daß eine stark gepufferte Lösung von py — 9,65 bei der Froschpassage auf etwa 4 — 5,9 verändert wird. Wir verbinden diese beiden Punkte auf den Abszissenachsen des Ein- und Auslaufes durch eine ( gezeichnete) Linie und schließen, daß eine Lösung 4 ( fe) x 1 / A = N K I A BR Ph-Einlauf 3 U Abb.2. AB ist die alte Kontraktionskurve mit Gummi arabicum-Ringerlösung; die gestrichelt gezeichnete stellt die korrigierte Kurve dar. Pufferungsgrad stark —-—-—, mittel —0O—0—0, null x — x—x. vom Pufferungsgrad unendlich, die ihre Wasserstoffionenkonzentration also gar nicht ändern würde, mindestens eine 9 — 5,9 haben muß, um unwirksam zu sein. Wir können nun weiter folgern, daß eine schwach gepufferte Lösung (durch —-o—-0-o angedeutet), von einer P?4 — 4,2, die ebenfalls die Gefäße gerade nicht beeinflußt, im Kontakt mit dem Gewebe so weit geändert wird, daß sie auch mindestens den Wert unwirksamen zu vergleichende Lösung jedesmal genau 30 Minuten einwirkte. Die Ordinatenhöhe D,, nach einer Einwirkung von 30 Minuten verhält sich zu der Ordinatenhöhe D, am Beginn der Einwirkung umgekehrt wie die entspre- chenden Sekundenvolumina. Da aber das Sekundenvolumen eine Funktion des 30 Querschnittes ist, so haben wir in dem Ausdruck DR einMaß für die Querschnitts- 0 änderung. Wir können also sagen kr: zo Den kr: ZUR D, =; wo r den Radius des Gefäßrohres zu Beginn der Einwirkung, r, nach 30 Minuten und %k den Proportionalitätsfaktor bedeutet. Die rechte Seite der Gleichung wird als Kontraktionsgrad K bezeichnet. Der Sinn dieser Größe wäre dahin zu deuten, 2 et daß sich die Summe der Gefäßflächen von r} 7 auf K verkleinert. 468 E. Atzler und &. Lehmann: Weitere Untersuchungen Py = 5,9 erreicht; denn dieses 97 stellt ja ein Maß für die im Frosch- körper gerade nicht mehr wirksame Wasserstoffionenkonzentration dar. Verwenden wir schließlich eine gar nicht gepufferte Lösung, (mit —x—x—x bezeichnet) so muß deren Wasserstoffzahl noch niedriger sein (etwa 3), wenn die Grenze der Unwirksamkeit erreicht werden soll. Auch diese Lösung wird im Froschkörper eine 94 = 5,9 anneh- men. Hat die Flüssigkeit eine von der Blutreaktion wenig abwei- chende Wasserstoffionenkonzentration, so wird sie dem geringen Diffusionsgefälle entsprechend!) ohngeachtet des Pufferungsgrades eine geringe Änderung bei der Froschpassage erleiden. Für die alkalische Seite der Kurve ergeben sich ähnliche Verhältnisse wie für die saure Seite. Auch unter natürlichen Verhältnissen wird diesem Befund eine Bedeutung zukommen. Wir haben die ?7-Linie des Auslaufes in der Abb. 2 als Abszissenachse für die absolute Kontraktionskurve der Gefäße benutzt (gestrichelt ausgezogen). Wollte man eine solche Kurve im Experiment finden, so müßte der Frosch mit einer Lösung durchspült werden, deren Wasserstoffionenkonzentration unverändert bleibt. Das ist technisch nicht möglich. Messen wir aber die Wasserstoffionen- konzentration des Blutes, so bestimmen wir ja unmittelbar diejenige Wasserstoffionenkonzentration, welche das contractile Element um- spült. Für physiologische Bedingungen gilt daher die gestrichelt ge- zeichnete absolute Kontraktionskurve. Diese absolute Kurve schafft für die Theorie der physiologischen Laugencontractur noch günstigere Verhältnisse, als wir sie in unserer letzten Arbeit fanden. Denn der Abstand der unwirksamen Zone von der Blutreaktion ist noch größer geworden. Infolge dieser Kurven- verschiebung ist der an dem K-Wert gemessene Grad der physiologischen Laugencontractur gewachsen. In Abb. 2 bedeutet « den Grad der phy- siologischen Contractur nach dem alten rein experimentellen Verfahren, b gibt dieselbe Größe an der absoluten Kurve wieder; wie man sich überzeugen kann, ist durch das neue Verfahren der gesuchte K-Wert auf etwa das 5fache gestiegen. il. Die Änderung der Wasserstoffionenkonzentration der Durch- strömungslösung beim Durchlauf durch den Frosch. Im vorigen Kapitel nahmen wir an, daß das Gewebe die Fähigkeit besitzt, eine unphysiologische Wasserstoffionenkonzentration der Durch- strömungsflüssigkeit zu verändern und der Blutreaktion anzunähern. Im folgenden soll über die Versuche berichtet werden, die uns’ zu dieser Annahme geführt haben. !) Siehe auf der Kurve die —-—:—: Verbindungslinie zwischen ?,-Ein- lauf = 6,6 und 7,-Auslauf — 6,65. über den Einfluß der Wasserstoffionenkonzentration auf die Blutgefäße usw. 469 Wir durchströmten die hintere Froschextremitätnach Laewen-Tren- delenburg mit den schon im ersten Kapitel beschriebenen verschieden stark gepufferten Lösungen. Die aus der Venenkanüle abfließende Flüssig- keit wurde in bestimmten Zeitabständen in einzelnen Portionen gesam- melt, die Menge gemessen und die Wasserstoffionenkonzentration mit der Gaskette gemessen. Besonders streng wurde darauf geachtet, daß der Ausfluß nicht mit dem Hautsekret des Frosches in Berührung kam. Zur Erläuterung des Verfahrens geben wir zunächst einige Versuchs- protokolle. 1. Weibl. Esculenta, 74 g, Pufferungsgrad stark (Milchsäurepuffer). Pn-Einlauf 4,24. Durchlaufszeit | Bu uene® ccm/Min. ?p-Auslauf 10h 20° bis 10h 357 98 | 4,58 1027352,,102750/ 82 5,47 4,49 10h 50° „„ 115 057 70 4,67 | 4,47 172270577,,22110720/ 58 3,87 4,52 11172062.,7.112750/ s0 2,67 4,52 114.50’ ,„ 12420’ 52 1,75 4,55 12020725,1212507 40 1,33 4,57 1215507521220; 25 0,83 4,57 122070:,72. 222207 34 0,57 | 4,55 2122 ,2,780.20% 22 0,37 4,53 312207 ,, 42:20) 17 0,28 | 4,55 2. Männl. Esculenta, 62 g, Pufferungsgrad schwach (Milchsäurepuffer). Pa-Einlauf 3,82. | aufsmenge | e | Durchlaufsmenge | cem/Min. Durchlaufszeit Rn | | Pp-Auslauf 9h 10’ bis 9h 25’ 44 | 2,93 5,02 925’ „ 9h40’ 32 la 4,41 9% 40° „„ 10h 10° 82 Dan 4,29 10h 10° „ 10h 40’ 114 3500 | 4,24 10h 40° „, 11240’ 180 3,0 | 4,28 11h 40° ,. 12h 40’ 162 | 2,7 | 4,23 12h 40° „ 1540 122 2,03 4,17 140° , 2540 | 85 | AD a 2140’ „ 3140’ 78 | 1,3 3,98 3. Weibl. Esculenta, 72 g, Pufferungsgrad schwach (Phosphatpuffer). Pu-Einlauf 8,59. I | Durchlaufsmenge Durchlaufszeit | en cem/Min. P?p-Auslauf 2 50° bis 3h 10/ 64 on > 3h 10’ „,.3h 40’ 43 | 1,43 | 7,63 3140’ „ 4410 34 | 1,13 | 7,62 4610’ „, 4h 50’ 32 | 1,07 | 7,58 4h 50° „„ 51 30’ 34 0,85 | 7,59 3304. 0M202 4 NO SEE I el 470 E. Atzler und G. Lehmann: Weitere Untersuchungen 4. Weibl. Esculenta, 160 g, Pufferungsgrad O0 (Salzsäure). p,-Einlauf 3,07. Durchlaufszeit | Den cem/Min. Pp-Auslauf 10 25° bis 10n 40° | 98 6,53 6,72 105407 „.118.10%\) 134 4,47 | 6,54 11h 10° „ 11540 | 96 3,2 6,83 11h 40°, 12407 | 136 3,27 6,69 1240 „ 2130 | 150 1.36 6,60 2.307, ah 4577| 46 0,61 6,35 3h'45’ 62.007 35 1 20,26 6,42 Aus den Protokollen ergibt sich also, daß das Froschgewebe die Fähigkeit hat, eine Durchströmungslösung von abnormer Wasserstoffionenkonzentrationsozuverändern,daßsie sich der Blutreaktion nähert. Dies gelingt dem Gewebe um so besser, je geringer der Pufferungsgrad der verwendeten Lösung ist. Damit haben wir den Beweis unserer im ersten Kapitel aufgestellten Behauptung erbracht!). Es wird vielleicht auffallen, daß diese Regulationsfähigkeit vor- wiegend dem Gewebe zugeschrieben wird; es mag näher liegen, zunächst an die Lymphe zu denken. Wir haben auch Versuche in dieser Richtung angestellt. Aus Lymphfisteln konnten wir genügend Flüssigkeit ge- winnen, um mit der Gaskette Messungen vorzunehmen. Soweit wir bis jetzt die Resultate überblicken können, ist die Lymphe nicht imstande, die oben geschilderte Regulation vorzunehmen. Aus den Versuchen ergab sich weiter, daß die Regulationsfähigkeit des Organismus im Laufe von Stunden nachläßt. Der Kurvenverlauf erfolgt im allgemeinen in der Art, daß die Regulationsfähigkeit von ihrer anfänglichen Höhe, die durch die Mischung der Salzlösung mit dem Blute bedingt ist, zunächst rasch abfällt, um dann mehrere Stunden fast konstant zu bleiben. Gegen Ende des Versuches hat es manchmal den Anschein, als ob ein geringes Ansteigen der Regulationsfähigkeit eintritt. Das ist aber nicht der Fall; der Anstieg mancher Kurven gegen Ende des Versuches ist wohl nur auf die geringere Durchfluß- geschwindigkeit zurückzuführen, die einen längeren Kontakt mit dem Gewebe und damit natürlich auch einen vollkommeneren Ausgleich der Differenz der Wasserstoffionenkonzentration bewirkt. 1) Anmerkung während der Korrektur: Kurz nach Abschluß der vorlie- genden Studie gelangte die neue Arbeit von Fleisch (Zeitschr: f: alle. Physiol. 19, H. 3/4, S. 310) in unsere Hände, in der er berichtet, daß ‚‚eine schwach ge- pufferte, alkalische Lösung mit einer [H'] von 0,35-10 ' beim Passieren des Gefäßsystems, zweifellos infolge Aufnahme der sauren Stoffwechselprodukte, gesäuert wird und mit einer [H'] von 1,7710" ausfließt“. Leider hat dieser Autor nicht die Veränderung saurer Lösungen geprüft; dann wäre vielleicht auch beim Säugetier die obige Gesetzmäßigkeit gefunden worden. Auf die Fleischsche Arbeit werden wir ausführlich in unserer nächsten Publikation eingehen, in welcher wir über unsere Durchströmungsversuche am Säugetier berichten werden. über den Einfluß der Wasserstoffionenkonzentration auf die Blutgefäße usw. 471 Schließlich sei hier noch darauf hingewiesen, daß der Pufferungs- grad der Gummi-arabicum-Ringerlösung ungefähr unserem Pufferungs- grad schwach entspricht. IN. Die Pufferungspotenz des Organismus. Die Fähigkeit des Organismus, eine ihn durchströmende Lösung von abnormer Wasserstoffionenkonzentration der Blutreaktion anzu- nähern, wird individuell verschieden stark ausgebildet sein; sie wird in erster Linie von der Menge Puffersalze, die in dem Gewebe des Orga- nismusenthalten sind, abhängen. Im Interesse einer klaren Verständigung wollen wir diese Fähigkeit im folgenden als Pufferungspotenz bezeichnen. Es soll nun versucht werden, diese Pufferungspotenz zahlenmäßig zu erfassen. Eine rein mathematische Behandlung des Problems stößt leider auf allzu große Schwierigkeiten und führt zu verwickelten Diffe- rentialgleichungen!). In der Abb. 3 ist eine Capillare A B im Längsschnitt gezeichnet, die von den Gewebszellen 1, 2, 3 usw. umgeben ist, welche die Puffer- salzee enthalten mögen. ; e 7 2 3 4 Zelle 1 vorbei, so wird von A dieser nach den Diffusions- =. 0 0 DREREBERER Menge Puffer abgegeben; 8 x ges Be Abb. 3. 4 Beine Blutcapillare, die im Stoffaustausch mit von der Zelle 2 wird, dasich den Zellen 1,2,3,4.... steht. ja nun die 95 der Durch- strömungsflüssigkeit derjenigen der Zelle genähert hat, dem geringeren Diffusionsgefälle entsprechend etwas weniger Puffer abgegeben und so fort. Strömt die Flüssigkeit an den Zellen dauernd vorbei, so wird also der Puffervorrat in der ersten Zelle am raschesten und in den fol- genden immer langsamer aufgebraucht werden. Der verschiedene Puffergehalt in den einzelnen Zellen wird aber einen ausgleichenden Diffusionsstrom von Zelle zu Zelle erzeugen. Als weiteres komplizieren- des Moment kommt hinzu, daß die Geschwindigkeit der Pufferungs- abnahme in den Gewebselementen von der Strömungsgeschwindigkeit abhänst. Verwenden wir Lösungen von sehr anormaler Wasserstoff- ionenkonzentration, so verlängert sich infolge der Gefäßkontraktion der Kontakt mit den Zellen. Schließlich wäre es für eine rein mathe- matische Behandlung noch nötig, genauere Annahmen über die Ge- schwindigkeit des osmotischen Druckaustausches und der Durch- mischung in den einzelnen Schichten des Flüssigkeitsstromes zu machen. is !) Herr Prof. Gildemeister hatte die Liebenswürdigkeit, uns bei diesen Überlegungen zu beraten. [ef 472 E. Atzler und G. Lehmann: Weitere Untersuchungen Diese Schwierigkeiten veranlaßten uns, auf rein experimentellem Wege die Pufferungspotenz zu messen. Wir gingen zu diesem Zwecke von unseren, im ersten Kapitel erwähnten Perfusionslösungen aus, setzten ihnen steigende Mengen von %/,,„- NaOH bzw. soweit sie alkalisch waren %/,„ HCl unter Vermeidung von Kohlensäurefehlern zu und maßen die Wasserstoffionenkonzentration vor und nach dem Zusatz. Indem wir für jede der verwandten Lösungen möglichst viele derartige Werte bestimm- ten, erhielten wir Kurven, aus denen zu ersehen war, wieviel prozentualer Zusatz notwendig war, um eine bestimmte Wasserstoffionenkonzentration zu erhalten. Wir verglichen nun diese Kurven mit den vom Frosch voll- zogenen ?yp-Änderungen und erhielten so, ausgedrückt in "/,„NaOH bzw. "/,„HCl ein Maß für die Pufferungspotenz des Frosches. Hatte beispielsweise ein Froschpräparat den Einlauf von p% 3,2 auf 5,7 geändert, so bestimmten wir an der für diese Perfusionslösung geltenden Kurve denjenigen prozentualen Zusatz an "/, NaOH, der nötig ist, um die gleiche ?,-Änderung hervorzurufen. Wir bestimmten nach diesem Verfahren die Leistung des Frosches für die einzelnen Portionen und konnten durch Addition dieser Leistungen ein Urteil über die gesamte Pufferungspotenz des Frosches gewinnen. Es soll aber nicht außer acht gelassen werden, daß wir auf diesem Wege die Pufferungspotenz nur in grober Annäherung bestimmen. Solange wir noch keinen Einblick in das chemische Geschehen dieser tegulationsvorgänge haben, mag es jedoch berechtigt erscheinen, zu informatorischen Zwecken die Leistung des Frosches auf "/,-NaOH resp. ?/,,„.HCl zu beziehen. Die erhaltenen Resultate sind in Tabellenform niedergelegt: Nr. 9. p,-Einlauf = 4,24, Pufferungsgrad stark (Milchsäure), Gewicht des Frosches 74 g. Änderung entspricht en a Py-Auslauf Zusatz Desgl. pro Min. 1: 2: 3. 4. 5) 15 98 4,58 26,46 1,76 15 832 4,49 16,4 1,09 15 70 4,47 12,6 0,84 15 58 4,52 12,18 0,81 30 s0 4,52 16,8 0,56 30 52 4,55 13,0 0,44 30 40 4,57 10,4 0,35 30 25 4,57 6,5 0,216 60 34 4,55 8,5 0,142 60 22 4,53 5,06 0,084 60 17 4,55 4,25 0,071 Sa. 132,15 + Korrektur 13,49 (siehe unten!) 145,64 196,81 pro 100 & Frosch iiber den Einfluß der Wasserstoffionenkonzentration auf die Blutgefäße usw. 473 Nr. 10. pr-Einlauf = 4,55, Pufferungsgrad stark (Milchsäure), Gew. 65 g. i 2. N 4. 5. 15 60 4,78 7,80 0,52 20 68 4,74 7,82 0,39 15 41 4,75 4,92 0,328 30 50 4,76 6,25 0,208 30 29 4,79 3,92 0,131 60 24 4,81 3,60 0,06 120 14 4,91 2,52 0,021 135 65 4,84 10,4 0,077 30 62 4,75 71,75 0,247 30 45 4,74 5,18 0,173 Sa. 60,16 —. Korrektur 46,28 106,44 pro 100 g 163,76 Nr. 11. pr-Einlauf — 6,14, Pufferungsgrad stark (Phosphat), Gew. 68 g. Ik 2% 3 4. BB 15 47 6,32 5,64 0,376 15 IM 6,34 23 0,153 15 32 6,3 3,36 0,224 15 31 6,28 2,79 0,186 30 66 6,28 5,94 0,198 30 104 6,2] 4,37 0,145 30 123 6,23 6,89 0,229 30 90 6,19 2,97 0,099 30 48 6,21 2,02 0,067 65 50 6,28 4,50 0,069 70 28 6,28 2,52 0,036 75 14 6,21 0,59 0,0079 Sa. 43,89 + Korrektur 0,4 44,29 pro 100g 65,13 Nr. 13. pu-Einlauf — 7,97, Pufferungsgrad stark (Phosphat), Gew. 60 g. Il. 2, 3% 4. n/., HCI 5. 10 90 7,8 4,5 0,45 15 36 7,82 3.96 0,264 15 78 7,84 3,12 0,208 3 140 7,95 2,66 0,089 30 64 7,91 1,79 0,059 30 80 7,90 1,6 0,053 60 130 7,94 1,3 0,022 60 170 7,94 17 0,0284 60 128 7,98 0,38 0,0064 30 . 54 7,98 0,16 0,0054 Sa. 21,27 — Korrektur 0,24 21,51 pro 100g 35,85 7 E. Atzler und G@. Lehmann: Weitere Untersuchungen { ! Nr. 3. Pu-Einlauf — 6,41, Pufferungsgrad schwach (Phosphat), Gew. 70 g. 1. 2. 3 4 5 15 101 6,83 5,45 0,363 15 110 6,51 1,2] 0,081 15 92 6,50 0,92 0,061 15 36 6,58 1,72 0,115 15 83 6,50 0,83 0,055 15 76 6,51 0,84 0,0056 15 59 6,52 0,71 0,047 Sa. 11,68 —+ Korrektur 8,61 20,29 pro 100 g 28,99 Nr. 5. Pn-Einlauf — 3,90, Pufferungsgrad schwach (Milchsäure), Gew. 75 g. 5 gi IR 2. : 4. 5. 15 68 4,78 9,52 0,635 15 62 4,36 7,75 0,515 15 63 4,29 6,30 0,42 15 57 4,22 4,85 0,323 15 48 4,26 4,32 0,288 15 43 4,28 4,3 0,386 15 38 4,28 3,8 0,254 15 36 4,28 3,6 0,24 15 34 4,29 3,4 0,226 15 30 4,27 2,94 0,196 30 52 4,29 52 0,173 30 46 4,28 4,6 0,153 30 38 4,33 4,18 0,129 60 58 4,32 6,39 0,106 120 33 4,37 10,45 0,087 Sa. 81,60 — Korrektur 26,97 108,57 pro 100g 144,76 Nr. 6. pn-Einlauf — 3,31, Pufferungsgrad schwach (Milchsäure), Gew. 682, . < p} 5 18 2. 9. 4. R 15 64 4,92 22,4 1,49 15 63 3,84 13,86 0,925 15 61 3,9 15,25 1,02 15 52 3,86 11,96 0,798 15 44 3,88 10,47 0,697 15 44 3,89 10,78 0,718 30 34 3,92 21,42 0,715 30 53 3,96 14,31 0,477 30 51 3,97 14,02 0,468 30 30 4,02 8,55 0,285 30 36 4,02 10,3 0,344 30 29 4,02 8,29 0,276 60 42 3,99 11,93 0,199 50 30 3,98 8,49 0,17 Sa. 182,03 — Korrektur 51,85 233,88 pro 100g 343,94 t über den Einfluß der Wasserstoffionenkonzentration auf die Blutgefäße usw. 47! Nr. 7. pa-Einlauf — 8,59, Pufferungsgrad schwach (Phosphat), Gew. 728. 1. 2. 3. 4, He 5 20 64 7,62 1,66 0,08 30 43 7,63 1,08 0,036 30 34 7,62 0,88 0,029 30 32 7,58 0,9 0,03 40 34 7,59 0,92 0,023 50 44 net! 0,97 0,0194 Sa. 6.41 + Korrektur 1,28 7,69 pro 100 g 10,68 Nr. 14. ?r-Einlauf — 6,43, Pufferungsgrad schwach (Phosphat), Gew. 68 g. 1. 2, 8% 4. 5: 15 122 6,68 3,66 0,244 15 122 6,66 3,05 0,202 30 230 6,59 3,45 0,115 30 120 6,61 2,04 0,068 50 86 6,61 1,46 0,0292 Neuer Einlauf 6,38 60 82 6,61 2,05 0,0343 60 42 6,69 ll 0,0521 120 28 6,82 1,48 0,0123 Sa. 18,70 — Korrektur 0,8 19,50 pro 100 g 28,67 Nr. 15. . pr-Einlauf — 3,82, Pufferungsgrad schwach (Milchsäure), Gew. 62 g. lt Di o: 4. 5: 15 44 5,02 8,6 0,572 15 32 4,41 4,32 0,288 30 82 4,29 9,02 0,301 30 114 4,24 11,4 0,38 60 180 4,28 19,6 0,327 60 162 4,23 16,3 0,267 60 122 4,17 9,75 0,162 60 85 4,12 6,4 0,106 60 78 3,98 3312 0,052 Sa. 88,51 + Korrektur 6,11 94,62 pro 100g 152,61 Nr. 16. pr-Einlauf — 1,99, Pufferungsgrad 0 (Salzsäure), Gew. 84 g. ie 2 3 4 5 20 33 6,69 18,81 0,94 30 23 5,23 12,65 0,42 50 20 4,34 10,6 0,21 200 22 3,52 11,44 0,057 Da: 15355 — Korrektur 13,395 66,395 pro 100 & 79,46 476 E. Atzler und @. Lehmann: Weitere Untersuchungen Nr. 17. Pu-Einlauf = 3,07, Pufferungsgrad O0 (Salzsäure), Gew. 160 g. 1. 2. 3: 4. 3. 15 98 6,72 5,88 0,39 30 134 6,54 7,80 0,258 30 96 6,83 5,95 0,198 60 156 6,69 8,16 0,136 110 150 6,60 9,0 0,082 5 46 6,35 2,67 0,036 135 35 6,42 2,07 0,0153 Sa. 41,53 — Korrektur 1,45 42,98 pro 100 & 26,86 Nr. 18: pu-Einlauf — 4,09, Pufferungsgrad 0 (Salzsäure), Gew. 165 8. T. 2, 3, 4. 5. 15 120 7,33 2,52 0,169 15 145 6,80 2,76 0,184 30 245 6,53 4,41 0,147 60 2370 6,49 4,59 0,078 65 184 6,62 Se 0,051 60 82 6,51 1,39 0,023 120 77 6,02 1,16 0,0097 Sa. 20,14 — Korrektur 0,92 | 21,06 pro 100 & 12,76 Nr. 23. Pu-Einlauf — 3,23, Pufferungsgrad 0 (Salzsäure), Gew. 137 g. ”) EN A 5.. 14 37 7,38 1,89 0,1325 27 so 7,20 3,925 0,145 49 112 7,20 5,59 0,112 63 109 7,04 5,014 0.0795 59 100 6,80 4,5 0,0762 60 97 6,37 4,08 0,068 73 s4 6,35 3,53 0,0484 72 83 6,06 3,32 0.0462 Sa. 31,853 — Korrektur 18,018 49,871 pro 100 & 36,4 In obigen Tabellen sind im ersten Stabe die Durchströmungszeiten in Minuten, im zweiten Stabe die in diesen Zeiten aus der Venenkanüle aus- gelaufenen Flüssigkeitsmengen und im dritten Stabe deren Wasserstoff- zahlenangegeben. Ausdem vierten Stabe ersieht man.die der Froschleistung in dem jeweiligen Versuchsabschnitt entsprechende Zusatzmenge. Be- trägt sie wie im ersten Protokoll Nr. 9 für die erste Versuchsetappe 26,46 ccm "/,,-,NaOH, so heißt das, daß das Froschgewebe die Wasser- stoffionenkonzentration der Perfusionsflüssigkeit so verändert hat, als über den Einfluß der Wasserstoffionenkonzentration auf die Blutgefäße usw. 477 ob man zu der Durchlaufsmenge (98 ccm) 26,46 ccm "/,„- NaOH hinzu- gefügt hätte. Die Dauer der Versuchsabschnitte war verschieden, infolgedessen mußten die im Stab 4 gewonnenen Zahlen durch die Versuchszeit dividiert werden, um die in Stab 5 verzeichneten Werte für die Zeiteinheit zu bekommen. Die Zahlen des Stabes 4 sind in jedem Protokoll addiert worden, um die gesamte Pufferungspotenz des Fro- sches zu finden. Da jedoch im allgemeinen die Kurven nicht bis zur völligen Erschöpfung der Pufferungspotenz fortgeführt werden konnten, so wurde zu der obigen Summe noch ein Wert als Korrektur hinzu- addiert, der in folgender Weise erhalten wurde. Die Zahlen des Stabes 5 wurden in Kurvenform aufgezeichnet (Abszisse — Zeit, Ordinaten — Zahlen des Stabes 5). Die Kurven trugen Exponentialcharakter; sie fielen zuerst steil ab und näherten sich dann asymptotisch der Nullinie. Wie aus den obigen Tabellen ersehen werden kann, erreichten wir im Experiment immer diesen fast geradlinigen Teil der Kurve. Wir verlängerten die Kurve geradlinig bis zur Nullinie; das Flächenintegral dieses verlängerten Kurvenstückes stellt dann die gesuchte Korrektur dar. Die Kolonnensumme 4 + Korrektur ist abhängig von der Pufferungs- potenz des Organismus und von der Wasserstoffzahl sowie dem Puffe- rungsgrad der einlaufenden Lösung. Die beigefüste Tabelle erläutert dies. 2 Pufferungsgrad der Lösung H Null Schwach Stark ) 11 36 3 7 29—29 65 6 5 163 145 197 4 13 153 36 344 B} 27 2 s0 Der Frosch hat also um so stärker reguliert, je weiter die Wasser- stoffzahl der Perfusionslösung von der Blutreaktion entfernt ist und je höher der Pufferungsgrad derselben ist. Könnten wir für den Puffe- rungsgrad der Lösungen einfache Zahlen einsetzen, so wären wir mit Hilfe der gewonnenen Zahlen imstande, auch die Pufferungspotenz des Frosches zahlenmäßig auszudrücken. So müssen wir uns mit dem Hinweise begnügen, daß die gewonnenen Werte eine definierte Funk- tion dieser Größe darstellen. Immerhin gestattet uns diese Untersuchung, den in Frage kommenden Regulationsvorgang zu deuten. Unser Befund läßt sich verstehen, wenn wir die Diffusionsgesetze auf diesen Vorgang anwenden. Haben wir zwei 478 E. Atzler und G. Lehmann: Einfluß der Wasserstoffionenkonzentration usw. Lösungen A und B von verschiedener Wasserstoffionenkonzentration durch eine für Elektrolyte permeable Membran getrennt, so wird der Ausgleich der [H'] um so rascher erfolgen, je größer das Diffusions- gefälle in bezug auf die Wasserstoffionen zwischen den beiden Lösungen ist. Seinun B stark gepuffert, so werden sich auch hier die verschiede- nen Wasserstoffionenkonzentrationen dem Diffusionsgefälle entsprechend ausgleichen; nur ist dieses System dadurch kompliziert, daß das Diffusionsgefälle infolge der starken Pufferung der Lösung B länger erhalten bleibt. Demnach wird die regulierende Lösung A rascher und stärker erschöpft. Die Lösung A würde dem Froschgewebe, die Lösung B der Perfusionslösung entsprechen. Zusammenfassung. l. Durchströmungsversuche an Fröschen mit Lösungen verschiede- ner Wasserstoffionenkonzentration ergaben, daß der Grad der Kon- traktion der Gefäße nicht allein von den Wasserstoffionen, sondern auch von dem Pufferungsgrade abhängt. Eine stark gepufferte Lösung übt zwischen 9, = 5,65 und 6,6 keine Wirkung aus; bei einer schwach gepufferten Lösung liegt die unwirksame Zone zwischen 4,2 und 7,45, bei einer ungepufferten Lösung zwischen 2,9 und 9,35. 2. Diese Erscheinungen sind darauf zurückzuführen, daß das Froschgewebe die Fähigkeit besitzt, eine Durchströmungslösung von abnormer Wasserstoffionenkonzentration so zu ändern, daß sie sich der Blutreaktion nähert. Je geringer die Lösung gepuffert ist, um so voll- kommener erfolgt diese Annäherung. 3. Diese Fähigkeit des Organismus wird zahlenmäßig ausgedrückt. Über den Fleischleffekt bei Pflanzen. Von Kurt Stern. (Aus dem Institut für animalische Physiologie, Theodor-Stern-Haus, Frankfurt a.M.) Mit 5 Textabbildungen. (Eingegangen am 15. Oktober 1921.) Schließt oder öffnet man den primären Kreis eines Induktions- apparates, so entstehen bekanntlich in der sekundären Spule elektro- motorische Kräfte, die proportional der Steilheit der Intensitätsände- rung des primären Stromes sind. In der nebenstehenden Abb. la sei der Stromverlauf des primären Stromes bei Schließung (A) und Öff- nung (B) dargestellt, und zwar als Abszisse die Zeit, als Ordinate die Stromintensität. Der bei der Schlie- „) 2| Bung des primären Stromes in der primären Spule selbst entstehende Induktionsstrom wird, da er dem pri- mären Strom entgegengerichtet ist, ») dessen Ansteigen verzögern und dem- gemäß wird die Kurve nicht stellson- , ee 5 dern flach ansteigen. Beim Öffnen kann Nach Garten. Erklärung im Text. der entstehende, dem primären Strom gleichgerichtete, Öffnungsextrastrom das Verschwinden des primären Stromes nur hemmen während der kurzen Zeit der Trennung der Kontakt- flächen, die bei starken Strömen ein wenig durch den auftretenden Öffnungsfunken verlängert werden kann. Der Stromabfall ist also erheb- lich rascher als der Stromanstieg. In Abb. 1b ist der entsprechende Ver- lauf im sekundären Kreis dargestellt, wenn die sekundäre Spule me- tallisch geschlossen ist. Infolge des langsamen Anstieges des primären Stromes entsteht ein langsam an- und absteigender Schließungsinduk- tionsschlag mit verhältnismäßig niedrigem Maximum der Strom- intensität, dagegen infolge der größeren Steilheit der Änderung des primären Stromes beim Öffnen ein steil an- und absteigender Öffnungs- induktionsschlag mit verhältnismäßig hoher maximaler elektromotori- scher Kraft bzw. Intensität. Die von der Abszissenachse und der In- tensitätskurve eingeschlossenen Flächen, die die Elektrizitätsmengen Pflügers Archiv f. d. ges. Physiol. Bd. 193. 3) 480 K. Stern: des S- bzw. Ö-Schlages darstellen, sind gleich, und man erhält infolge- dessen an einem in den sekundären Kreis eingeschalteten ballistischen Galvanometer für S- und Ö-Schläge gleiche Ausschläge, da dessen Aus- schläge unabhängig von der zeitlichen Intensitätsverteilung den durch- gehenden Elektrizitätsmengen proportional sind. Fleischl!) hat nun den sekundären Kreis nicht metallisch, sondern durch lebende Gewebe, Nerven, geschlossen und gefunden, daß nunmehr die Galvanometerausschläge nicht mehr gleich sind, sondern daß bei Einzelschlägen der Ausschlag des Galvanometers beim Ö-Schlag größer ist als beim S-Schlag, und daß bei rascher Aufeinanderfolge von S- und Ö-Schlägen (Einschalten eines Wagnerschen Hammers in den pri- mären Kreis) ein Ausschlag im Sinne der Richtung des Ö-Schlages auftritt. Dieser ‚‚Fleischleffekt“ ist erst von einer gewissen Strom- stärke an merklich und wächst mit steigender Stromstärke. Er tritt, wenn auch viel schwächer, an toten tierischen Geweben, ja sogar an mit Flüssigkeit gefüllten Capillaren auf [CÜremer?)]. An pflanzlichen Objekten sind Untersuchungen über den Fleischleffekt, soweit mir bekannt, noch nicht angestellt, nur Cremer gibt an, daß er den Effekt auch an Pflanzen gefunden hat. Bei Gelegenheit einer Untersuchung über die Reizwirkung von Ö- und S-Schlag auf Berberisstaubfäden, bei denen gleichzeitig auch die durchgehenden relativen Elektrizitäts- mengen gemessen wurden, beobachtete ich®), daß ganz entsprechend dem Nerven auch dieses pflanzliche Gewebe eine stärkere Reizwirkung des Ö-Schlages zeigt und, in den sekundären Kreis eingeschaltet, Un- gleichheit der Ausschläge für Ö und S bewirkt, so daß auch hier die beim Ö-Schlage durchgehende Elektrizitätsmenge größer ist als die beim S-Schlage hindurchgehende. Diese Erscheinung wurde näher untersucht, sowohl bei reizbaren wie bei nicht reizbaren Geweben. Versuchsanordnung. In den primären Kreis eines Funkeninduktors (Boas’ „Intensiv-Funken- induktor“ mit 15 cm Schlagweite bei maximaler Belastung) waren drei parallel geschaltete Akkumulatoren von 2,1 V, ein Amperemeter, ein Regulierwiderstand und ein Quecksilberschlüssel hintereinander geschaltet (Abb. 2). In dem sekun- dären Kreis waren die mittleren Klemmen einerWippe mit den Polen der sekundären Spirale verbunden, zwei seitliche Klemmen führten zu einem Quecksilberschlüssel, der als Kurzschlußschlüssel diente und das Abblenden von Ö- bzw. S-Schlag nach Wunsch gestattete. Von den zwei anderen Klemmen der Wippe war die eine mit einer Elektrode verbunden, während die andere zu einer Klemme eines regu- lierbaren Widerstandes (shunt) führte. Von der anderen Elektrode führte ein Draht zu einer zweiten Klemme des Shunt. Zwei weitere Drähte führten von !) Fleischl v. Marxow, Ges. Abhandl. S. 290. 1893. 2) Cremer, Zeitschr. f. Biol. 45, 298 u. 5ll. 1904; 46, 77. 1905 und Nagels Handbuch IV, 919. 1904. 3) K. Stern, Zeitschr. f. Botan. 14. 1922. Erscheint demnächst. Über den Fleischleffekt bei Pflanzen. 481 zwei weiteren Klemmen des Shunt zum Galvanometer (Spiegelgalvanometer von Hartmann & Braun mit objektiver Skalenablesung). Wurden also bei geöff- netem Kurzschlußschlüssel die Elektroden direkt miteinander verbunden, so ging der Induktionsschlag vom positiven Pol der sekundären Spule aus durch die Wippe, die Elektroden, den Shunt, das Galvanometer zur Wippe und zum negativen Pol zurück. Durch Veränderung des Widerstandes des shunts konnten fünf ver- schiedene Empfindlichkeiten des Galvanometers erhalten werden. Die Elektrizitäts- mengen, die bei diesen 5 Empfindlichkeiten durch gleiche Skalenausschläge an- gezeigt wurden, verhielten sich wie 1:10:100:1000:10 000. Wenn bei zu großer Elektrizitätsmenge und Empfindlichkeit der Lichtfleck über das Ende der Gal- vanometerskala hinausgewandert wäre, so würde also auf geringere Empfindlichkeit eingestellt. In den Tabellen sind, anstatt jedesmal Skalenausschlag und Emp- findlichkeit anzugeben, alle Skalenausschläge für ein- und dieselbe Empfindlichkeit berechnet angegeben. Die Berechnung erfolgt, je nachdem ob bei höherer oder Abb. 2. 4A=Akkumulator, R= Regulier- widerstand, Pr=primäre, Se=sekundäre Spirale, Am = Amperemeter, S=Schlüssel, W=Wippe, N=Nadelelektr., Sy=Shunt, G = Galvanometer. 2 niedrigerer Empfindlichkeit beobachtet wurde als bei der der Berechnung zugrunde gelegten, durch Dividieren oder Multiplizieren des beobachteten Aus- schlages mit 10 oder einer Zehnerpotenz. Durch Umlegen der Wippe im sekundären Kreis wurde es erreicht, daß alle Ausschläge nach derselben Richtung zeigten, so daß eventuelle Verschiedenheiten im Galvanometerausschlag nach beiden Richtungen nicht berücksichtigt zu werden brauchten. Der sekundäre Kreis war durch Glasplatten und Führung der Drähte über Glasröhren isoliert. Benutzt wurden bei den folgenden Versuchen drei Arten von Elektroden: l. polarisierbare Nadelelektroden; 2. unpolarisierbare Fadenelektroden; 3. unpolarisierbare Flüssigkeitselektroden. Die Nadelelektroden bestanden aus Nähnadeln, an die die Zuleitungsdrähte angelötet waren, und die bis auf die etwa 2cm hinausragenden Spitzen in Glas- röhrchen eingeschmolzen waren. Als Fadenelektroden erwiesen sich die von Bose!) und mir?) früher benutzten für längere Versuche als nicht recht geeignet. Da dieselben aus einem Zinkstab bestehen, der in ein mit Bolus alba verschlossenes !) Ch. J. Bose, Comparative Electrophysiology. London 1907. 2) K. Stern, Ber. d. Dtsch. Bot. Ges. 34, 1. 1921. 32% 482 K. Stern: mit Zinksulfat gefülltes Röhrchen taucht und der mit Knopscher Lösung oder Leitungswasser befeuchtete Faden direkt in den Boluspfropfen eingeknetet ist, so trocknen diese Fäden sehr leicht aus, was ihren Widerstand erheblich verändert und saugen leicht Zinksulfat nach. Ich habe deshalb doppelwandige Elektroden benutzt, die folgendermaßen gebaut sind (Abb. 3). Ein etwa 6cm langes Glas- röhrehen von 3 mm lichter Weite ist unten mit aufgebundener Schweinsblase verschlossen und mit konzentrierter Zinksulfatlösung gefüllt, in die ein amalgamierter Zinkstab taucht, der mittels eines Korkplättehens am oberen Ende des Röhrchens gehalten wird und eine Messingklemmschraube zur Aufnahme der Zulei- tungsdrähte trägt. Über das obere Ende dieses Röhrchens ist ein Stück Gummischlauch von etwa l cm Länge gezogen. Ein zweites Röhrchen von etwa 10 mm lichter Weite und 6cm Länge ist an seinem unteren Ende in ein kurzes capil- lares Stück ausgezogen, durch das ein Baumwollfaden ge- zogen ist, den ich meist durch einen lockeren Knoten inner- 6 halb des Glasröhrchens befestige. Über das Ende des Röhr- chens ist ebenfalls ein Gummischlauch gezogen. Nunmehr wird das weite Glasröhrchen etwa zu einem Drittel mit Knopscher Lösung gefüllt und durch Eintauchen in ein mit dieser Lösung gefülltes Becherglas so erhalten. Dann wird das enge Röhrchen hineingeschoben, und zwar so, daß der Gummiring an seinem oberen Ende sich halb über, halb unter dem oberen Ende des weiten Röhrchens befindet. sch Schließlich wird rasch der Gummischlauch des äußeren Röhrchens um einige Millimeter nach oben gedrückt, wobei er sich fest an den Gummiring des inneren Röhrchens anlegt und dadurch das Innere des weiten Röhrchens vor dem Eindringen von Luft schützt. Jetzt kann man das Ganze aus dem DBecherglas herausnehmen, ohne befürchten zu müssen, daß die Knopsche Lösung ausfließt, da, sowie einige Tropfen abgetropft sind, die Luft in dem oberen Teil des Röhrchens verdünnt wird und infolgedessen der Überdruck der Außenluft ein weiteres Austropfen verhindert. Die Saug- kraft des Fadens dagegen reicht hin, um den Faden stunden- lang feucht zu erhalten. Die Elektroden werden in Kork- plättchen gesteckt und diese an Stativen befestigt. Die beiden Gummischläuche werden zweckmäßig mit Fett gegeneinander Abb. 3. B-Bindiaden, gedichtet. Indessen haben sich auch diese Elektroden als Gl=Glas, Gu=Gummi, nicht völlig geeignet erwiesen. Vor allem ist bei allen Faden- K=Korkplättchen, jektroden der Kontakt mit dem Gewebe, wenn auch besser Sch=Schweinsblase, : & i : - Zeymkstäbchen. wie bei metallischen Elektroden, so doch keineswegs in auf- einander folgenden Versuchen und im Verlauf eines Versuches völlig gleichbleibend und dadurch kommen oft erhebliche Schwankungen des Übergangswiderstandes zwischen Gewebe und Elektrode zustande. Bei weitem die besten Resultate erhielt ich mit Flüssigkeitselektroden. Solche sind in der tierischen Physiologie zum erstenmal von Munk, später von Bethet) angewendet worden. Ich bediente mich einer von Bethe konstruierten Form (Abb. 4), die durch Abklemmen bzw. Öffnen von Hähnen es gestattet, den Strom bald durch das Gewebe, bald durch eine Flüssigkeitsröhre zu schicken und dadurch die Elektroden während eines Versuches auf Unpolarisierbarkeit zu prüfen und !) ef. Schwarz, Pflügers Arch. f. d. ges. Physiol. 138, 494. 1911. Über den Fleischleffekt bei Pflanzen. 483 die Verschiedenheit oder Gleichheit im Verhalten von Gewebe und Salzlösung bei der gerade zu untersuchenden Anordnung jederzeit feststellen zu können. Diese Elektroden bestehen aus zwei reagensglasähnlichen Röhren, an deren un- terem Teil nach vorn zwei T-Stücke in gleicher Höhe angeschmolzen sind. Die unteren Enden der T-Stücke können durch U-förmig gebogene Capillaren verschie- dener Länge und Weite mittels Gummischläu- chen verbunden werden. Jedes T-Stück trägt einen Hahn, und zwar das eine in seinem unteren Teil, das andere im oberen Teil. Auf den beiden nach oben zeigenden Armen der T-Stücke sind Glasröhrchen mittels Gummistrümpfen aufgesetzt, deren obere Enden im gleichen Niveau liegen und eine schlitzförmige Einbuchtung haben, um bequem Pflanzenstengel aufnehmen zu können. In das untere Ende der reagensglasförmigen Teile sind Platindrähte eingeschmolzen, die außen eine Öse zum Aufnehmen der Zulei- tungsdrähte bilden. Diese Platindrähte werden innen durch eine eingefüllte Hg-Schicht von etwa 5 mm überschichtet. Darüber wird mit einer Pipette eine Schicht von etwa 1 cm mit Knopscher Lösung gut durchgeschüttelten Kalomels eingefüllt und der ganze Apparat luftblasenfrei mit Knopscher Lösung gefüllt. Verbindet man nun durch einen Pflanzenteil die oberen Enden und schließt den unteren Hahn, so wird damit die leitende Verbindung der beiden Elektroden durch die verbindende Capillare abgesperrtt und der Strom muß app. 4. G@=Gummischlauch, K=Capıl- durch den Pflanzenteil gehen. Schließt man lare, Ka = Kalomel, @ = Quecksilber, dagegen den oberen Hahn und öffnet den P=Platinöse. unteren, so wird die leitende Verbindung der Elektroden durch den Pflanzenteil abgesperrt [und der Strom fließt durch die verbindende Capillare. In beiden Fällen ist der Widerstand des abgeklemmten Teils so groß, daß der durch denselben fließende Strombruchteil für die meisten Messungen vernachlässigt werden kann. Die Schlauchverbindungen werden durch Fett und angezogene Drähte gedichtet. Versuchsergebnisse. A. Versuche an Pflanzenteilen ohne Gelenke. Zunächst wurden die Elektroden auf das Auftreten oder Nicht- auftreten von Fleischleffekt geprüft. Dazu wurden je zwei Elektroden einer Art durch gegenseitige Berührung kurz geschlossen und bei vier wachsenden Stromstärken im primären Kreis je ein S- und Ö-Schlag in Zwischenräumen von 2 Minuten hindurchgeschickt, und zwar abwechselnd gleich und entgegengesetzt gerichtete S- und Ö-Schläge. Die Ergebnisse sind in der Tabelle I zusammengestellt; in derselben bedeuten: Amp. — Stromstärke im primären Kreis in Ampere, S = Schließungsschlag, Ö = Öffnungsschlag, die darunter stehenden Zahlen die Skalenausschläge. 484 K. Stern: Dabelle.T. | Nadelelektroden Fadenelektroden Flüssigkeitselektroden Ar Ip. N IZUUBUNRITSTEESRONNETETT EITHER Te ZEN FEAETeT 5 - Tr | S. | ö. S. 1 200. S. | ö. 02 | zo | 200 | 50 | 50 5 5 0.4 500 | 500 110 110 12 12 0,72°.:21°.. 900: 24900 185 185 20,5 20,5 oe 2050 © |. 2050 435 435 45 46 Wie man sieht, geben also die drei Elektrodenarten bei dem auch in den späteren Versuchen benutzten Stromstärkenintervall von 0,2—1,5 Amp. im primären Kreis bei Einzelschlägen praktisch gleiche Ausschläge für S- und Ö-Schlag!), und ein bei Einschalten von Geweben auftretender Fleischleffekt beruht sicher auf der Wirkung der Einschaltung dieses Gewebes. In der Tat trat bei Einschalten von beliebigen lebenden pflanzlichen Geweben stets der Fleischleffekt auf. Die Stärke des Effektes erwies sich von einer Reihe von Faktoren ab- hängig. In der folgenden Tabelle sind die Ergebnisse einer Reihe von Versuchen an einem Blattstielstück der Bohne (Phaseolus vulgaris) von etwa 5cm Länge dargestellt. Es wurden stets gleichgerichtete S- und Ö-Schläge angewendet, indem zwischen zwei Schlägen stets die Wippe im sekundären Kreis umgelegt wurde. Die einzelnen Schläge folgten in einem Zeitraum von je 1 Minute. Die Fadenelektroden wurden 5 Minuten vor Beginn des Versuches angelest, um einen even- tuellen Einfluß der Quellung der Cuticula möglichst zu verringern. Unter ‚aufsteigend‘ verstehe ich die Richtung von der Basis zur Spitze des Blattes, unter ‚absteigend‘ die umgekehrte. Die zeitliche Aufein- anderfolge der Versuche war a, b, c, d. Die Ergebnisse bringt Tabelle II. Aus dieser Versuchsreihe, die nur ein Beispiel von zahlreichen ist ergibt sich folgendes. 1. Der Fleischleffekt tritt sowohl bei auf- wie absteigender Rich- tung der Induktionsschläge auf, und zwar in annähernd gleichem Maße?2). 2. Der Fleischleffekt wächst mit steigender durch die Pflanze hindurchgehender Elektrizitätsmenge. 3. Der Fleischleffekt ist verschieden stark je nach der Art der Elektroden. Da diese selbst keinen Effekt geben und die Pflanze in den ausgeführten Versuchen im wesentlichen unverändert bleibt, so ist der Fleischleffekt verschieden stark je nach der Art des Kontaktes !) Auch Fleischl (l. c) fand bei seinen unpolarisierbaren Elektroden keinen Fleischl-Effekt, doch kann nach Lohnstein (Ann. d. Phys. 51, 219. 1894) beim Tetanisieren auch bei unpolarisierbaren Elektroden Fleischl-Effekt auftreten. 2) Ein gewisser Unterschied ist wahrscheinlich doch vorhanden und dürfte vor allem bei kürzeren Intervallen zwischen S- und Ö-Schlag deutlich werden. Über den Fleischleffekt bei Pflanzen. 485 Tabelle II. a) Fadenelektroden | b) Nadelelektroden = a seitlich anliegend seitlich anliegend urchidje obere Cuti- | d) Nadelelektroden seitlich anliegend Amp. |) ceula durchgestoßen |, So) BE) She 70 I. Aufsteigend. a8. 7° 6 Das 99.2 099 On Oel er 12 0 5 65 | 68 a 2 08 18 25 0 16 130 | 140 19 1 | 24 34 0 21 170 | 200 Ol a 26 0 16 130 140 Qi | 14 0 5 65 68 0 3 087 leo 7 0 1,5 30° |. 30 | 0 1 II. Absteigend. oA 2a | 94.2]. 36 2 11 0,8 Ta 0 94 OD 50 70 2,5 21 Le ee ee: Bei Ild war das Blattstielstück auf die Nadeln aufgelegt. zwischen Elektroden und Pflanzen. Im besonderen zeigte sich der Fleischleffekt bei unverletzter Cuticula bei Nadelelektroden sehr viel stärker als bei Fadenelektroden, bei durchstoßener Cuticula sehr viel schwächer als bei unverletzter, allgemein bei schlechterem Kontakt (Versuch II b) stärker als bei gutem (Versuch Il d). Eine andere Versuchsreihe diente zur Untersuchung der Frage, ob und inwieweit der Fleischleffekt an den lebenden Zustand der Pflanzen- sewebe gebunden sei. Verwendet wurden zwei Scmlange Hieracium- stengelstücke, durch die in Intervallen von 1 Minute gleichgerichtete S- und Ö-Schläge geschickt wurden. Lagen dieselben den Flüssigkeits- elektroden auf, so wurde erst 5 Minuten nach dem Auflegen mit dem Versuch begonnen, um etwaige Wirkungen von Quellungserscheinungen der Cuticula nach Möglichkeit zu verringern. Die zeitliche Aufeinander- folge der Versuche ist a, b, c usw. Wie man aus den Versuchsproto- kollen ersieht, wurde in der ersten Versuchsreihe das Stengelstück zuerst lebend, dann abgetötet auf Flüssigkeits- und Nadelelektroden untersucht, zuletzt noch einmal auf Flüssigkeitselektroden, in der zweiten Versuchsreihe war nur die Reihenfolge der Verwendung von Nadel- und Flüssigkeitselektroden umgekehrt. Das Abtöten wurde durch 10 Mi- nuten langen Aufenthalt in kochendem Wasser bewirkt. Jede Versuchs- anordnung wurde bei von 0,2 über 0,4 und 0,7 bis 1,5 Amp. steigender und symmetrisch fallender Stromstärke im primären Kreis unter- sucht. Siehe Tabelle III. Das Hauptergebnis der Versuche ist folgendes: Während die leben- den Pflanzenteile sowohl auf Nadel- wie auf Flüssigkeitselektroden deutlichen Fleischleffekt zeigen, weisen die abgetöteten denselben nur 486 K. Stern: Tabelle III. I. Versuchsreihe. j a) Lebend auf \ ; 2 c) Abgetötet auf | „. Mm e) Abgetötet auf Am- || Flüssigkeitselek- Mer at | Flüssigkeitselek- | Van ann | Flüssigkeitselek- pere troden DEN BEN troden VITRRNEE ‚troden s ö S ö S ö S | ö S ö 02 .105| 11 a 7 | 9 8 | 6 | 340.) 052 0,4 22 25 3 1) 50 50 12 16 50 50 0,7 40 50 5 20 90 90 25 35 90 y0 1,5 || 100 | 140 15 80 200 200 65270 190 190 0,7 40 50 16 32 90 90 29 36 90 90 0,4 DANN I 12 50 50 9 10 50 | 50 0,2 nl 14175 4 4 DU Di. 4 4 22 22, II. Versuchsreihe. n | b) Lebend auf Fe = n ai d) Abgetötet auf BEER: R I a) Lebend auf ein 5 c) Abgetötet auf Bea): E . | e) Abgetötet auf Am- || Nadelelektroden Flüssigkeitselek- Nadelelektroden ke Nadelelektroden pere 2 @ _ troden ER 20 en KEREN S | {6) Ss {6) Ss Ö Sn 70) S Ö 02.0 | oo 11] 20 We | a She 0,4" 0,5 5,5 24 26 8,5 17 50 50 h) | % 0,7 D, | 22 40 50 24 43 90 90 13 1% 1:5. 15 ı 100 110 140 50 120 220 220 20 60 022 | 86 45 50 30 44 95 95 18 21 0,4 || 11 15 36 29: 1712. 1°0417 50 50 N | 0,2 5 6 12 12 4 53D 27.5 27,5 145 2,5 noch auf Nadelelektroden auf, dagegen nicht mehr auf Flüssigkeits- elektroden. Man ersieht ferner auch aus diesen Versuchen die bereits aus dem Mitgeteilten bekannte Zunahme des Fleischleffektes mit der Zunahme der Stromstärke im primären Kreis also mit der durchgehen- den Elektrizitätsmenge und die Abhängigkeit der Stärke des Fleischl- effektes von der Art der Elektroden; denn der Effekt ist bei den Nadel- elektroden viel stärker als bei den Flüssigkeitselektroden. Man ersieht schließlich — und dies ist ein Resultat, das besonders für reizphysio- logische Untersuchungen von Bedeutung ist —, wie ungleichmäßig die Ergebnisse symmetrischer Versuche bei Nadelelektroden sind im Ver- hältnis zu der außerordentlich guten Übereinstimmung der Zahlen- werte symmetrischer Versuche bei Flüssigkeitselektroden. Offenbar ändern sich bei Nadelelektroden die Übergangsbedingungen des Stromes bei aufeinanderfolgenden Stößen sehr leicht, sei es daß der Kontakt sich direkt durch geringste Erschütterungen ändert, sei es indirekt durch die Wirkung chemischer Produkte an den Elektroden. B. Versuche an Pflanzenteilen mit Gelenken. Daß die Wirkung des S-Schlages bei der elektrischen Reizung von Gelenken kleiner ist als die des Ö-Schlages ist bereits mehrfach in der Über den Fleischleffekt bei Pflanzen. 487 Literatur erwähnt so von Brunn!) und Bose?). Aber diese Angaben enthalten keine zahlenmäßigen Belege. Auch ist in ihnen die Wirkung der Richtung von S- und Ö-Schlag nicht berücksichtigt, sondern sie beziehen sich offenbar auf entgegengesetzt gerichtete S- und Ö-Schläge. Da nach den Erfahrungen der Elektrophysiologie besonders über die tonischen Wirkungen von Gleichströmen damit gerechnet werden muß, daß der vorangehende S-Schlag die Erregbarkeit für einen entgegen- gesetzt gerichteten Ö-Schlag erhöht, so mußte untersucht werden, ob die beobachtete stärkere Wirksamkeit des Ö-Schlages etwa auf einer derartigen Erregbarkeitserhöhung durch den vorangegangenen S-Schlag beruht. Es mußte ferner gleichzeitig mit der Beobachtung des Reiz- erfolges von S- und Ö-Schlag die Messung der in beiden Fällen durch a) b) €) Abb. 5a—c. a) Elektroden an Spitze und Basis einer Fieder; b) eine’ Elektrode am Blattstiel, eine an der Sproßachse; c) beide Elektroden am Blattstiel. den Pflanzenteil hindurchgehenden Elektrizitätsmengen erfolgen, um zu sehen, ob auch hier Fleischleffekt auftritt und ob und welche Be- ziehungen zwischen Fleischleffekt und verschiedener Reizwirkung von S- und Ö-Schlag bestehen. Die Versuche wurden mit Fadenelektroden ausgeführt, und zwar an Mimosen. In den Versuchsprotokollen sind angegeben die Stromstärken des primären Stromes, die Skalenaus- schläge des ballistischen Galvanometers, das ohne Shunt benutzt wurde, um höchste Empfindlichkeit zu erzielen und die Reaktion für S- und Ö-Schlag. Dabei bedeutet R das Ausbleiben, Z das Eintreten einer Reaktion, Bl Blatt. Die Versuchsanordnung entsprach genau den Versuchen mit Pflanzenteilen ohne Gelenke, nur wurde zwischen jedem S- und Ö-Schlag 2 Minuten gewartet (Abb. 5, Tabelle IV). 1) J. Brunn, Beitr. z. Biol. d. Pflanzen v. FE. Cohn 9, 307. 1909 ?) Ch. J. Bose, Researches on Irritability. London 1912. 488 K. Stern: Tabelle IV. l. Versuche an Blättchengelenken. Die Fäden der Elektroden liegen an Spitze und Basis einer Blattfieder. A. Gleichgerichtete S- und ÖO-Schläge. a) Aufsteigender Strom. r | Blatt Skalenteile | Reaktion | ar S | (6) | S {6) VA: 0 1,5 RZ alle Bl 04 | 2. 0 0,5 R | Z einige Bl. 0,6 ||n.5Min.2. 0 1:5 R Z alle Bl. On: 0 3 R 'Z alle Bl. 05 | 4. 0 3 R Z alle Bl. 0,5 5. 0 0,5 R zZ. lorder Bl: b) Absteigender Strom. 0,5. | 1. 0 2 | R Z alle Bl. 0,5 | 2: 0 2: R | Z alle Bi. Be 0 3 U ch Z alle BI. . Entgegengesetzt gerichtete S- und Ö-Schläge. a) S absteigend. O aufsteigend. 05 | je 0 0 R | R ON 1: 0 1 R Z alle Bl. | 2, ) 1 Z einige Bl. | Z alle übri- | een Bl. b) S absteigend, Ö aufsteigend. 0,4 | 1a 0) | 0,5 R | Z alle Bl. el 0 0 RZ alle Bil II. Versuche an Blattgelenken. 1. Direkte Reizung. Eine Elektrode am Blattstiel, eine an der Sproßachse. A. Gleichgerichtete S- und Ö-Schläge. | Blatt Skalenteile Reaktion Amp. Nr. ; — : a | Sn | Se a) Aufsteigender Strom. 0,45 | 1 0) 1:5 | R:l.R 0,35 2: 0 | 3 Rule 9Z b) Absteigender Strom. 0,35 |. 321335 Raul R 0,4 ik 32.1244 R | Z 0,25 2 0 1 R | Z 0,25 38 Ol Ro 02 Z 0,2 4. | 2 | — DES) 2 02 le . Entgegengesesetzt gerichtete S- und Ö-Schläge. a) S absteigend, Ö aufsteigend. 0,5 | 1: OFF TER Z b) S aufsteigend, Ö absteigend. 0,2 | 2, 1:0 0222 BR Z Über den Fleischleffekt bei Pflanzen. 489 Tabelle IV (Fortsetzung). 2. Indirekte Reizung. Beide Elektroden liegen am Blattstiel in 2em Entfernung voneinander A. Gleichgerichtete S- und Ö-Schläge. a) Aufsteigender Strom. N Blatt Skalenteile Reaktion a Nr. mare 0.18 TE | DD) | R | VRR 808. 19100) R R Bao a nz b) Absteigender Strom. 0.16 1. 05 | 3 R % 0,09 2» 1 1,5 R R 0,12 9, oA R Z u 3. | 1 = y% u Vo | ee 1 2 R Z 0 5. | 0 1,5 R G B. Entgegengesetzt gerichtete S- und Ö-Schläge. a) S absteigend, Ö aufsteigend. 0,4 | 1. 10 1 Re b) S aufsteigend, Ö absteigend. 0,2 2: | 0 OBEAINER Z Aus den angeführten Versuchen ergibt sich nun zunächst, was ja nach den vorangegangenen Untersuchungen als selbstverständlich vorauszusetzen war, daß auch bei den Gelenkpflanzen der Fleischl- effekt auftritt, und zwar tritt er im wesentlichen in gleichem Maße auf bei Verwendung von gleichgerichteten und entgegengesetzt ge- richteten S- und Ö-Schlägen, jedenfalls bei dem verhältnismäßig langen Intervall von 2 Minuten zwischen zwei Schlägen. Die stärkere Wirkung des Ö-Schlages ist also nicht auf eine tonische Wirkung des S-Schlages zurückzuführen, womit natürlich nicht gesagt ist, daß bei geeigneter Versuchsanordnung eine tonische Wirkung eines vorangegangenen In- duktionsschlages sich überhaupt nicht nachweisen lassen würde. Es besteht ferner eine Beziehung zwischen Fleischleffekt und Reizwirkung von S- und Ö-Schlag, nämlich die, daß der stärkeren Reizwirkung bei gleicher Stärke im primären Strom auch eine größere durch die Pflanze hindurchgehende Elektrizitätsmenge entspricht. Man ersieht aus den Versuchsprotokollen — in denen auch einige Versuche angeführt sind, bei denen weder S- noch Ö-Zuckung eintrat —, daß der Fleischleffekt auch deutlich zutage tritt, wenn keine Reaktion eintritt, daß er also nicht etwa Folge einer bei einer Reaktion auftretenden Widerstands- abnahme des Gewebes ist, wenngleich eine solche infolge des Austrittes von Zellsaft in die Intercellularen bei der Reaktion sicher auftritt. Zu 490 K. Stern: denselben Ergebnissen hatten mich!) übrigens bereits Versuche an Berberisblüten geführt; außerdem war dabei noch festgestellt worden, daß, je ausgeprägter die Verschiedenheit in der Reizwirkung von S- und Ö-Schlag, um so ausgeprägter auch der Fleischleffekt ist. Umgekehrt wird man also um möglichst ausgeprägte Verschiedenheit von S- und Ö-Zuckung zu erhalten, Versuchsbedingungen wählen müssen, die einen möglichst deutlichen Fleischleffekt geben. C. Schlußfolgerungen aus den Versuchsergebnissen. Versteht man unter ‚„Fleischleffekt‘ ganz allgemein das Auftreten eines größeren Galvanometerausschlages beim Durchsenden des Ö- Schlages als bei dem des S-Schlages durch irgendeinen Widerstand, sei es nun bei Einzelschlägen, sei es bei nicht sinusförmigem Wechsel- strom, und ohne daß etwas über die Art der Kontakte und die Stärke der Schläge vorgeschrieben sei, so geht sowohl aus früheren Versuchen verschiedener Forscher wie aus den meinen mit aller Deutlichkeit hervor, daß ein so allgemein definierter Fleischleifekt nicht auf eine Ursache zurückgeführt werden, sondern auf den verschiedensten Ur- sachen beruhen kann. Je nach den speziellen Versuchsbedingungen werden bald die einen bald die anderen Ursachen wesentlich für den unter diesen Bedingungen beobachteten Effekt verantwortlich zu machen sein. Man vergleiche z. B. die Ergebnisse, die mit Nadel- und Flüssigkeitselektroden bei lebenden und abgetöteten Pflanzenteilen er- zielt wurden: Der Fleischleffekt war mit Flüssigkeitselektroden bei lebenden stark, bei abgetöteten gleich Null, mit Nadelelektroden bei lebenden sehr stark bei abgetöteten schwächer, aber oft noch stärker als bei lebenden mit Flüssigkeitselektroden. Aus den Versuchen mit Flüssigkeitselektroden ergibt sich also, daß der Fleischleffekt wenigstens teilweise ein Effekt der lebenden Substanz ist und insoweit mit dem Abtöten verschwindet. Dasselbe Ergebnis fand Fleischl?) für die Nerven. Aus den Versuchen mit den Nadelelektroden folgt aber, daß man unter bestimmten Versuchsbedingungen wie eben z. B. bei Ver- wendung der einen sehr lockeren sogenannten ‚Schlotterkontakt‘ sebenden Nadelelektroden stets auch an toten Geweben Fleischleffekt bekommt, daß es also auch einen solchen als Kontakteffekt gibt. Diese Ergebnisse stehen im übrigen in vollster Übereinstimmung mit früheren von Hoorweg gewonnenen. Hoorweg?) fand, daß ganz allgemein beim Vorhandensein von Schlotterkontakten im sekundären Kreis : Fleischleffekt auftritt, sei es, daß er z. B. die Graphitplatten des Engel- 1) Stern, Zeitschr. f. Botan. 14, 1922. Erscheint demnächst. 2) Fleischl, 1. c. ®) Hoorweg, Dtsch. Arch. f. klin. Med. 52, 543. 1894; Pflügers Arch. f. d. ges. Physiol. 99, 619. 1903. Über den Fleischleffekt bei Pflanzen. 491 mannschen Schraubenrheostaten einem nur ganz leichten Drucke aus- setzte, sei es, daß er einen Metalldraht ganz lose in eine Klemmschraube einsteckte, so daß diese nur an einzelnen veränderlichen Stellen den Draht berührte. Die physiologische Nutzanwendung dieses Befundes für elektrophysiologische Versuche mit Induktionsreizen liegt so auf der Hand, daß nicht näher darauf eingegangen zu werden braucht. Damit ist aber die Möglichkeit der Verursachung von Fleischleffekt ohne Mitwirkung des lebenden Gewebes noch lange nicht erschöpft. Die im vorstehenden geschilderten Versuchsergebnisse gelten nämlich nur etwa für den Bereich von Elektrizitätsmengen, der in meinen Ver- ‘suchen tatsächlich verwendet wurde. Cremer!) hat aber gezeigt, daß man bei sehr starken Schlägen noch einen anderen Effekt, nämlich den thermischen Effekt berücksichtigen muß. Er geht davon aus, daß der rascher verlaufende Öffnungsschlag auch eine höhere Erwärmung des durchflossenen Widerstandes hervorrufen muß als der langsamere S-Schlag. Da mit der Erwärmung im allgemeinen der elektrolytische Widerstand abnimmt, so kann unter Umständen der stärkere Ausschlag des Ö-Schlages auf eine Widerstandsabnahme infolge Temperatur- erhöhung zurückgeführt werden. So benutzt Cremer eine Capillare mit unterphosphoriger Säure zwischen unpolarisierbaren Elektroden. Die unterphosphorige Säure hat ein Optimum der Leitfähigkeit bei etwa 55°, so daß also die Leitfähigkeit unterhalb positive, oberhalb negative Temperaturkoeffizienten hat. Cremer findet nun, daß der Fleischleffekt unterhalb 55° normal, oberhalb invers ist, d.h. daß oberhalb 55° der größere Ausschlag im Sinne der S-Schläge erfolgt. Unter Zuhilfenahme der Hypothese, daß speziell einzelne capillare Räume der lebenden Gewebe besonders stark erwärmt würden, gelingt esCremer, es wahrscheinlich zu machen, daß bei sehr starken Schlägen auch die thermische Komponente von Bedeutung ist. Für die schwachen Schläge, wie sie von anderen Untersuchern und mir verwendet wurden, dürfte aber diese Komponente nur eine untergeordnete Rolle spielen. Schließlich sei noch erwähnt, daß nach Hoorweg auch Kondensator- wirkung eine Rolle beim Fleischleffekt spielen könnte, da der höher gespannte Ö-Schlag den Kondensator, als den man bis zu einem ge- wissen Grade das Gewebe auffassen kann, mit einer größeren Elektrizi- tätsmenge aufladen wird als der niedriggespannte S-Schlag. Als all- gemeine Erklärung für den Fleischleffekt wie Hoorweg wollte kommt aber, wie Öremer gezeigt hat, dieses Moment sicher nicht in Betracht. Wenn auch die drei angeführten Momente: Kontakt-, thermische und kondensatorische Wirkung, je nachdem wir es mit lebenden oder toten Geweben zu tun haben, sich in verschiedenem Maße geltend machen werden, so erscheint doch der graduelle Unterschied, der hierbei im 1) Cremer, |. c. 492 K. Stern: allgemeinen zwischen lebendem und totem Gewebe bestehen dürfte, gering gegenüber dem Größenordnungsunterschied wie er zwischen toten und lebenden Geweben bei zwei anderen Momenten besteht, die bei der Verursachung des Fleischleffektes durch lebende Gewebe möglicher- weise eine beträchtliche Rolle spielen, nämlich der Polarisation und den Erregungsströmen. Beide sind bereits von Fleischl und Hermann!) zur Erklärung des Fleischleffektes herangezogen worden. So schreibt Hermann: „Bewiesen ist, daß ein den Nerven durchfließender Strom einen ihm selbst gleichgerichteten Zuwachs empfängt, wenn der Nerv erregt wird. Bewiesen ist, daß der steilere Induktionsstrom den Nerven stärker erregt. Da nun nicht der mindeste Grund vorliegt, warum nicht der erregende Strom selber den gleichen Zuwachs empfangen soll wie jeder andere, so ist die Erscheinung ohne Künstelei erklärt.‘ Auch Bose?) hat sich im Prinzip eine entsprechende Erklärung zu eigen gemacht. Fleischl selbst hat offenbar mehr an polarisatorische Effekte gedacht und auch Gildemeister hat die Bedeutung seiner Versuche über Änderungen der Polarisierbarkeit für die Erklärungs- möglichkeit des Fleischleffektes hervorgehoben. Aber sowohl die Her- mannsche wie die Fleischlsche Anschauung von der Natur des Effektes sind noch rein hypothetisch. Ein tieferes Eindringen in seine Ursachen wird erst angebahnt werden können, wenn man nach der von Gildemeister angegebenen Methodik gleichzeitig den Ohm- schen Widerstand und die Größe der Polarisation bei S- und Ö-Schlag mißt. Es ist nun noch einiges über die Beziehung zwischen Fleischleffekt und Reizwirkung von S- und Ö-Schlag zu bemerken. Nachdem du Bois- Reymond ein Gesetz aufgestellt hatte, demzufolge die Reizwirkung eines elektrischen Stromes mit der Steilheit seines Anstieges wächst, hat man ganz allgemein als Ursache für die ja zuerst an Nerven und Muskel beobachtete starke Reizwirkung des Ö-Schlages dessen schnelle- ren Geschwindigkeitsanstieg verantwortlich gemacht und auf eine et- waige Beziehung der verschiedenen Reizwirkung von S- und Ö-Schlag zum Fleischleffekt meines Wissens nicht hingewiesen. So schreibt z. B. Biedermann?): „Eine interessante, hierhergehörige Tatsache, die ebenfalls im wesentlichen auf dem Einfluß der Steilheit einer Stromesschwankung aufderen erregender Wirkung beruht, ist die ungleiche Wirkung der S- und Ö-Schläge eines Induktionsapparates. Ausnahmslos zeigt sich die erregende Wirkung des S-Schlages viel geringer als die des Ö-Schlages. Da nun, wie sich mittels des Galvanometers nachweisen läßt, die Menge der sich abgleichenden Elektrizität in beiden Momenten gleich ist, so !) Hermann, Pflügers Arch. f. d. ges. Physiol. 19, 416. 1879. 2) Bose, 1. c. 1907. 8. 278. ?) W. Biedermann, Elektrophysiologie II, S. 546. 1895. Über den Fleischleffekt bei Pflanzen. 493 dürfte die Verschiedenheit der physiologischen Wirkung hauptsächlich im Unter- schied des zeitlichen Verlaufes der beiden Induktionsströme begründet sein.“ Diese Behauptung Biedermanns stimmt aber nicht, denn es läßt sich jaim Gegenteil nachweisen, daß die Mengen der sich abgleichenden Elektrizität bei Einschalten von Geweben ungleich sind. Allerdings kann man, ohne daß Reizung auftritt, bei langsamem Stromanstieg in den Muskel und Nerven Ströme von einer Stärke sich einschleichen lassen, die beim plötzlichen Stromschluß maximale Reizung ausgelöst hätte. Das zeigt, daß für den Reizerfolg tatsächlich die Schnelligkeit des Strom- anstieges von Bedeutung ist. Es ist aber doch fraglich, ob die unter- schiedliche Wirkung des Geschwindigkeitsanstieges einer Elektrizitäts- menge nicht vor allen Dingen sehr stark ist beim Vergleich zwischen sehr langsam und schnell ansteigenden Elektrizitätsmengen, dagegen vielleicht zu vernachlässigen ist beim Vergleich des an und für sich schon recht schnell ansteigenden S-Schlages mit dem noch steileren Ö-Schlag. Die bis- her nach dieser Richtung hin ausgeführten Versuche sagen darüber nichts; denn in ihnen allen ist lediglich Rücksicht genommen auf die Gleich- heit der mit verschiedener Steilheit, wenn ich so sagen darf, zugeführ- ten Elektrizitätsmengen. Wie aber bei gleicher zugeführter Elek- trizitätsmenge verschiedener Steilheit die durch das Gewebe hindurch- gehenden Elektrizitätsmengen sich verhalten, das ist nicht berück- sichtigt worden. Der Fleischleffekt beweist aber gerade, daß bei gleichen zugeführten Elektrizitätsmengen verschiedene Elektrizitätsmengen durch die Gewebe hindurchgehen. Es müßten Versuche ausgeführt werden, bei denen untersucht wird: Wie verhalten sich gleiche durchgehende Elektrizitätsmengen verschiedenen Anstieges? Es wäre leicht möglich, daß sich dann, sofern man nur gleiche durchgehende Elektrizitäts- mengen von einer nicht zu geringen Steilheit verwendet, ein Unterschied oder ein wesentlicher Unterschied in der Reizwirkung bei verschiedener Steilheit überhaupt nicht zeigt. Leider eignen sich Mimosenversuche als Versuche an einem Objekte, dessen Erregbarkeit von Blatt zu Blatt und Stunde zu Stunde beträchtlichen Schwankungen unterliegt, nicht zu einer derartigen Untersuchung und ist deshalb auch aus den von mir angeführten Versuchen hierüber nichts zu entnehmen. Sollte aber der als möglich vorausgesagte Effekt sich bei anderen Objekten zeigen, so müßte also die Erklärung der geringeren Wirkung des S-Schlages nicht im wesentlichen auf dessen geringe Steilheit als solche direkt zurück- geführt werden, d.h. auf die langsame Intensitätsveränderung, sondern auf die relative zum Ö-Schlag geringere durchgehende Elektrizitäts- menge, wobei natürlich zunächst offen bleiben muß, ob nicht eine in- direkte Wirkung der Steilheit vorliegt, indem das Durchgehen der klei- neren Elektrizitätsmenge beim S-Schlag auf dessen langsamerem An- stieg beruht. Ebensogut könnte jedoch z. B. die Größe der durch- 494 K. Stern: Über den Fleischleffekt bei Pflanzen. gegangenen Elektrizitätsmenge eine Funktion der maximalen Spannung eines Einzelschlages sein und dann hätte also vielleicht die verschiedene Reizwirkung von S- und Ö-Schlag mit deren Geschwindigkeitsanstieg überhaupt nichts zu tun. Aber selbst bei der Messung gleicher hindurch- gehender Elektrizitätsmengen verschiedenen Stromanstieges wäre eine eindeutige Entscheidung über die wahre Ursache der reizphysiologischen Ungleichartigkeit von S- und Ö-Schlag nicht ohne weiteres möglich; denn man braucht sich nur an die Theorie Hermanns zu erinnern, der den Fleischleffekt durch Aktionsströme erklären will, um zu bemerken, daß auch die galvanometrisch gemessene durchgehende Elektrizitäts- menge vielleicht bereits Elektrizitätsmengen enthält, die erst Reiz- wirkungen darstellen, und daß demnach als gleich hindurchgegangen gemessene Elektrizitätsmengen primär noch gar nicht gleich zu sein brauchen. Der Erklärung der verschiedenen Wirkung von S- und Ö- Schlag muß eben zunächst eine genaue Analyse des Fleischleffektes vorangehen, wie diese aber auch ausfallen mag, auf alle Fälle wird man schon jetzt als Erklärungsmoment für die verschiedene Reizwirkung von S- und Ö-Schlag die Tatsache, daß beide auch verschiedene Elek- trizitätsmengen am Galvanometer anzeigen, nicht außer acht lassen dürfen. . Zusammenfassung der Ergebnisse. 1. Fleischleffekt tritt allgemein an pflanzlichen Geweben auf. 2. Er ist bei den vorliegenden Versuchsbedingungen im wesentlichen unabhängig von der Richtung der Schläge und wächst mit steigender Elektrizitätsmenge. 3. Er ist abhängig von der Art des Kontaktes zwischen Elektroden und Gewebe und vom Zustand des Gewebes (lebend oder tot). Dies ist für die Technik von Reizversuchen mit S- und Ö-Schlägen zu beachten. 4. Zwischen Fleischleffekt und Reizwirkung von S- und Ö-Schlägen besteht die Beziehung, daß der stärkeren Reizwirkung des Ö-Schlages eine größere durch die Pflanze gehende Elektrizitätsmenge entspricht. Diese Beziehung ist bei der Erklärung der verschiedenen Reizwirkung von S- und Ö-Schlag zu berücksichtigen. 5. Fleischleffekt kann auf verschiedenen Ursachen beruhen z.B. Kontakt-, thermischen, kondensatorischen, polarisatorischen und Er- regungserscheinungen. Ob und welche davon bei einem bestimmten Falle in Wirkung treten, muß durch spezielle Untersuchung unterschieden werden. Herrn Prof. Bethe und Herrn Privatdozenten Steinhausen spreche ich für ihre Unterstützung meinen besten Dank aus. Die gesamte Kraftkurve des tetanisierten Froschgastroenemius und ihr physiologisch ausgenutzter Anteil. Von Otto Beck. (Aus dem Institut für animalische Physiologie (Theodor Stern-Haus) und der Universitätsklinik für orthopädische Chirurgie, Frankfurt a. M.) Mit 6 Textabbildungen. (Eingegangen am 20. Oktober 1921.) Heidenhain!) hat in seinen grundlegenden Untersuchungen über mechanische Leistung und Wärmeentwicklung bei der Muskeltätigkeit nachgewiesen, daß die mechanischen Bedingungen, unter denen der Muskel vor oder während der Tätigkeit sich befindet, von maß- gebendem Einfluß auf die Entwicklung der lebendigen Kräfte sind. „Die Gesamtsumme?) von lebendigen Kräften, welche durch ein und dieselbe Reizung des Nerven in dem Muskel ausgelöst wird, ist Funk- tion der Spannung, in der sich der Muskel befindet. Sie wächst bei zunehmender Spannung bis zu einer gewissen Grenze der letzteren, um jenseits derselben wieder abzunehmen‘. Ein Mangel in den Deduktionen Heidenhains macht sich besonders darin geitend, daß die mechani- schen Bedingungen vor oder während der Muskeltätigkeit durch seine Versuchsanordnung nicht scharf genug umgerenzt werden konnten, worauf O. Frank?) in seiner ‚Thermodynamik des Muskels‘ hinweist und wo er besonders auf die ungenaue Fassung der Begriffe ‚Spannung und Summe der lebendigen Kräfte‘ durch Heidenhain aufmerksam macht. Eine genaue Abgrenzung der mechanischen Zustandsänderungen im Muskel vor und während seiner Tätigkeit und deren Abhängigkeits- verhältnisse wurden erst durch die Untersuchungen A. Ficks?) er- möglicht durch Einführung des Begriffes der isotonischen und 1) Heidenhain, Mechanische Leistung, Wärmeentwicklung und Stoff- umsatz bei der Muskeltätigkeit. Leipzig 1864. 2) A. a. ©. S. 93. ?2) O. Frank, Thermodynamik des Muskels, Ergebn. d. Physiol. III, 2. Abt. 1904, S. 438. 4) A. Fick, Mechanische Arbeit und Wärmeentwicklung bei der Muskel- tätiekeit. Leipzig 1882. Pflügers Archiv f. d. ges. Physiol. Bd. 193. [Sb] 496 O0. Beck: Die gesamte Kraftkurve des tetanisierten isometrischen Kontraktion. Erst durch die von Fick ausgearbeiteten Methoden war der Weg gegeben, die einzelnen Variabeln experimentell zu finden, von denen die Muskeltätigkeit, die Entwicklung der Spannung und der Verkürzung abhängig ist. A. Fick!) hat nachgewiesen, daß bei derisometrischen Zuckung die Längenänderung bzw. Anfangsspannung vor der Zuckung ein bestimmender Faktor für die Größe des Spannungszuwachses bei der Kontraktion des Muskels ist; er hat festgestellt, daß, wenn die „natürliche Länge“ des Muskels um ein geringes überschritten wird, ein verhältnismäßig hohes Spannungsmaximum erreicht wird, das aber bei weiterer Vergrößerung der Länge nicht proportional wächst, sondern sogar bei fortwährender Zunahme der Länge und folgeweise der Anfangsspannung wieder abnimmt. Soweit ich aus der Literatur ersehe, sind systematische Versuche über die Beziehungen zwischen der Anfangsspannung des Muskels und seiner Spannungsentwicklung im Tetanus bisher nicht an- gestellt worden. Vor allem fehlen Angaben darüber, welcher Teil der Gesamtspannungskurve bei verschiedenen Anfangslängen des Muskels im tierischen Organismus ausgenutzt wird. Ich habe mir daher die Untersuchung folgender Fragen zur Aufgabe gestellt: 1. Welche Spannungen können von dem von seinem Insertionspunkte abgetrennten Muskel bei maximaler tetanischer Reizung vom Nerven aus durchlaufen werden, wenn man die Anfangslänge des Muskels vom vollständig entspannten Zustand bis zur höchsten erreichbaren An- fangsspannung variiert ? 2. Welche Anfangslängen und Anfangsspannungen hat der Muskel in seinem natürlichen Verband bei den verschiedenen physiologisch möglichen Stellungen des übersprungenen Gelenks, und welche Span- nungen können bei diesen verschiedenen Anfangslängen im isometri- schen Tetanus (vom Nerven aus) erreicht werden ’? 3. Welcher Teil der überhaupt möglichen Gesamtspannungskurve wird physiologisch ausgenutzt? 4. Welche beste Definition kann für die „absolute“ Muskelkraft gegeben werden ? 5. Welche Längenänderungen durchläuft der Muskel innerhalb der physiologischen Gelenkstellungen ? In der vorher erwähnten Arbeit von A. Fick spielt die „natürliche Länge‘ des Muskels eine gewisse Rolle. Fick gibt aber nicht an, wie er die „natürliche Länge‘“ des Muskels genauer gemessen hat; es kam bei seinen Untersuchnngen auch nicht so wesentlich darauf an, die „natürliche Länge“ ganz bestimmt zu umfassen. Es genügte eine un- gefähre Schätzung der Lage des Punktes, wo der Muskel eben seine 3), A.a. 0:8. 182; Froschgastrocnemius und ihr physiologisch ausgenutzter Anteil. 497 „natürliche Länge‘ hatte; es zeigte sich, daß das Spannungsmaximum etwas über der ‚natürlichen Länge“ erreicht wirg. se Der Begriff der ‚natürlichen Länge“ hat nun in der Muskelpshysio- logie eine besondere Bedeutung. Über die Schwierigkeiten, sie genau zu bestimmen, wird aber meistens hinweggegangen. Es muß daher hier auf den Begriff und die Methoden der Bestimmung etwas näher ein- gegangen werden. Nach E. Weber!) besitzt eine Muskelfaser ihre „natürliche Länge‘ dann, wenn sie zur Ruhe gelangt ist und gar keine äußeren Kräfte auf sie einwirken. Man schreibt einer Faser eine konstante natürliche Form und Länge zu, wenn sie immer dienämliche Länge und Form annimmt, sobald sie zur Ruhe gelangt und keine Kräfte mehr auf sie einwirken. Carl Ludwig?) definiert die „natürliche Länge‘ des Muskels in demselben Sinne wie E. Weber als die Länge des ruhenden und ungespannten Muskels. Dasselbe versteht auch A. Fick unter der „natürlichen Länge“. Johannes Müller?) und Carl Ludwig gebrauchen statt „natürlicher Länge“ auch die Bezeichnung ‚„Normallänge“. Die „natürliche Länge‘ wäre also einmal abhängig von dem „Ruhezu- stand‘, und dann davon, daß keine Kräfte von außen auf die Muskelfaser dehnend oder komprimierend wirken. Es handelt sich nun in erster Linie darum, festzustellen, wodurch der Ruhe- zustand des Muskels gekennzeichnet ist. ©. Frank) hat darauf hingewiesen, daß wir den Wegfall der Arbeit nicht als Kennzeichen der Ruhe des Muskels an- nehmen können, da es verschiedene mechanische Zustandsänderungen des Muskels gibt, in denen er nach außen keine Arbeit leistet. Er bezeichnet daher als das Charakteristikum des Ruhezustandes des Muskels das Wegfallen der Reizung. „In der Ruhe befindet sich der Muskel, wenn er nicht gereizt wird?).‘“ Für den ausgeschnittenen Muskel gelingt es annähernd die Ruhelänge, die „natürliche Länge“ festzustellen, die geringer ist als die ‚natürliche Länge“ innerhalb des Körpers. Im ausgeschnittenen Muskel streben die einzelnen Muskel- elemente einer sphärischen Gestalt zu, der Muskel im ganzen fältelt sich etwas. Wir müssen aber, das hat OÖ. Frank®) neuerdings ausdrücklich betont, bei Be- stimmung der natürlichen Länge gefaserter Substanzen verlangen, daß sie gerade gestreckt sind. OÖ. Frank nimmt an, daß selbst bei der Belastung 0 der elastische Widerstand niemals 0 werden kann. Selbst bei dem Versuch, die „natürliche Länge‘ des ausgeschnittenen Muskels zu finden, ergeben sich Schwierigkeiten. Es kommt einmal ganz darauf an, was der Muskel vorher durchgemacht hat. Wir wissen vor allem durch M. Blix’), daß der Muskel die Erscheinung der „elastischen Nachwirkung‘ zeigt. Wenn er dehnenden Kräften ausgesetzt wird, nimmt er nicht sofort die endgültige Länge an; weiterhin, und das ist für uns wichtig, nach dem Aufhören der deformierenden Kraft kehrt der Muskel nicht sofort wieder in den Gleichgewichtszustand zurück, !) Weber, Muskelbewegung, Wagners Handwörterb. d. Physiologie Bd. III, 2, 100. Braunschweig 1864. ?) Carl Ludwig, Lehrbuch der Physiol. des Menschen 1, 456. 1858. ®) Joh. Müller, Handbuch der Physiol. des Menschen 2, 61. 1843. 4) OÖ. Frank, Thermodynamik des Muskels. S. 386. SEI CASA 387. 6) O0. Frank, Die Elastizität der Blutgefäße. Zeitschr. f. Biol. 71, 267. 1920. ”) M. Blix, Skandinav. Arch. f. Physiol. 3, 316 und 4, 399. 1892/1893. 33* 498 O. Beck: Die gesamte Kraftkurve des tetanisierten den er bei der Belastung OÖ besessen hat, sondern er braucht Zeit, um seine Länge im deformationslosen Zustand zurückzugewinnen. Es kann demnach der Zeit punkt eine wesentliche Rolle spielen, in dem wir die „natürliche Länge‘“ messen. War der Muskel vorher dehnenden Kräften ausgesetzt, so müssen wir mit der Messung so lange warten, bis die Nachwirkung möglichst ausgeglichen ist. Die Er- müdung, die Temperatur, beim ausgeschnittenen Muskel auch. die Wasserver- dunstung sind von großem Einfluß auf die Länge des Muskels, besonders auf die Größe der elastischen Nachwirkung. Viel schwieriger, ich behaupte sogar ganz unmöglich, wird die genaue Be- stimmung der „natürlichen Länge“ innerhalb des tierischen Körpers. Der Tonus und reflektorische Einflüsse von seiten der Haut, der Sehnen und namentlich der antagonistischen Muskelgruppen, können in jedem Moment die Länge des Muskels verändern; die Größe dieser Längenänderung können wir auch nicht annähernd abschätzen. Das trifft schon zu, wenn der Muskel von seinem Insertionspunkt abgelöst ist. Man vergleiche vor allem die Versuche Sherringtons!) und seiner Schüler an Säugern und die Versuche Jäderholms?) am Frosch. Wichtig erscheinen in diesem Zusammenhang Befunde von Bethe?) und Bethe und Kast'), die sie am Menschen bei Untersuchungen über die reziproke Innervation der Antagonisten und den Synergismus verschiedener Muskelsysteme an den Muskelstümpfen Amputierter erhoben haben. Hier schwankt die Länge des Muskels im „‚Ruhezustand‘, d. h. dann, wenn der Amputierte das Gefühl hat, der Muskel sei vollkommen schlaff, in recht erheblichem Maße, je nachdem, was vorher mit ihm geschehen ist und in welchem Zustand sich der Antagonist befindet. Die Schwierigkeiten steigen, wenn der Muskel im natürlichen Verbande ist. Selbst wenn wir, was immerhin zweifelhaft ist, die Innervation ausschalten können, so bleiben noch eine Reihe von Bedingungen, deren Einfluß auf die Länge des Muskels wir nicht entfernt übersehen können. Der Muskel im tierischen Körper ist in seiner Länge im Ruhezustand abhängig von der Stellung des oder der Gelenke, über die er hinwegzieht, von dem Zustand der Antagonisten, von der Spannung der ihn umgebenden Weichteile, besonders der Fascien. Seine physikalisch- chemische Beschaffenheit, der Ernährungs- und Ermüdungszustand sind mit- bestimmend für die zeitliche Dauer und den Grad der elastischen Nachwirkung. Eine große Rolle spielt ferner die Selbstmassage durch die eigene Tätigkeit des Muskels. Es ist bekannt, daß jeder Muskel durch längere Stillstellung, durch Ver- bände und andere mechanische Behinderungen seine Länge und Dehnbarkeit wesentlich ändern kann. H. v. Recklinghausen’) hat vor kurzem die E. Webersche Definition der „natürlichen Länge‘ des Muskels auf den Muskel innerhalb des menschlichen Körpers übernommen. Er definiert: „Als natürliche Länge der Faser L und als natürliche Länge des Urelements (Querscheiben oder einzelne Muskelkästchen) Lu definieren wir jene Länge, welche diese Gebilde einnehmen, wenn sie nicht innerviert und belastet sind, d. h. wenn weder die inneren Kräfte der Kontraktion noch äußere dehnende Kräfte verlängernd auf sie einwirken.‘ Die Definition !) Literatur bei T. Graham Brown, Die Reflexfunktion des Zentralnerven- systems usw. Ergebn. d. Physiol. 13, 279. 1914. ?) G. A. Jäderholm, Untersuchungen über Tonus, Hemmung u. Erregbar- keit. Pflügers Arch. f. d. ges. Physiol. 114, 261. 1906. ®) Bethe, Beitr. z. Problem der willkürl. bewegl. Prothesen. Münch. med. Wochenschr. 1916, S. 1577. *) Bethe und Kast, Pflügers Arch. im Druck. ?) H. v. Recklinghausen, Gliedermechanik u. Lähmungsprothesen, Bd. I, S. 6. . 1920. Froschgastroenemius und ihr physiologisch ausgenutzter Anteil. 499 ist physikalisch zweifellos richtig, man könnte sie durch die noch kürzere ersetzen: Die natürliche Länge des Muskels ist seine Länge im defor- mationslosen Zustand. Diese kurze Definition enthält alles, was die natürliche Länge bestimmt, denn deformationslos ist der Muskel nur, wenn er nicht gereizt und nicht gedehnt ist. Zweifelhaft ist es aber, ob die „natürliche Länge‘ eine wirkliche Konstante ist und ob nicht viel mehr der sich selbst überlassene Muskel in längeren Zeiten allmählich einer immer geringeren Länge zustrebt. Das, was wir bestimmen können, ist nur ein Annäherungswert, dem aber immerhin eine praktische Be- deutung zukommt. Fraglich muß es weiterhin bleiben, ob wir innerhalb des Tier- körpers diesen deformationslosen Zustand herstellen können und ob auch die dort gefundenen Werte, besonders wenn der Muskel noch innerviert ist, auch als An- näherungswerte gelten dürfen. Recklinghausen!) hat an verschiedenen Muskeln des Menschen die natür- liche Länge zu bestimmen versucht. Daß seine Resultate höchstens Annäherungs- werte ergeben können, brauche ich nach meinen Ausführungen nicht mehr be- sonders zu betonen. An sich gilt natürlich die Webersche Definition auch für den Muskel im lebenden Körper. Die Frage dreht sich nur darum, die Bedingungen zu finden, die selbst im Ruhezustand des Muskels im Körper seine Länge mitbe- stimmen, der Größe und Zeit nach, die Gelenkstellungen ausfindig zu machen, bei denen der Muskel gerade entspannt ist, den Einfluß der umgebenden Weich- teile und Antagonisten auszuschalten oder zu bestimmen und dann noch den Zeitpunkt zu treffen, in dem vorhergegangene, mechanische Zustandsänderungen im wesentlichen abgeklungen sind. Bloßes Abtasten und Betrachten, ob die Sehnen schlaff sind oder sich an- spannen, wie es R. empfiehlt, kann doch zu recht beträchtlichen Täuschungen führen; solange keine besseren Methoden beim Menschen gefunden sind, wird man sich allerdings so behelfen müssen. Daß auch damit schon etwas herauszubekommen ist, hat R. in seinem Buche gezeigt. Im allgemeinen ist man sich in der physiologischen Literatur über den physika- lischen „Begriff“ der „natürlichen Länge“ des Muskels einig, in der anatomischen Literatur, so z. B. bei R. Fick?) finde ich abweichende Anschauungen. R. Fick meint, man könnte als „natürliche Länge“ die Länge des Muskels betrachten, die er bei durchschnittener Sehne annimmt, wenn er nicht inner- viert ist und wenn sich das übersprungene Gelenk in Mittelstellung vor der Durch- schneidung befindet. R. Fick?) glaubt, eine andere Länge zu erhalten, wenn sich das Gelenk nicht in Mittelstellung, sondern in der ein oder anderen Grenzstellung befände. Es ist mir nicht recht verständlich, wieso der Muskel nicht endgültig nach Aufhören der deformierenden Kraft seine Gleichgewichtslage bei natürlicher Länge immer erreichen soll, einerlei, ob das Gelenk vor der Durchschneidung der Sehne Mittel- oder irgendeine andere Stellung eingenommen hatte. Wenn R. Fick weiterhin die Forderung aufstellt, man müsse bei der Bestim- mung der „natürlichen Länge‘ zwischen innervierten und nichtinnervierten Muskeln unterscheiden, so ist diese Forderung nicht besonders zu betonen, da ja an sich in dem Begriff der „natürlichen Länge‘ enthalten ist, daß der Muskel deformationslos, also auch im Ruhezustand sein muß. Die Schwierigkeiten wachsen noch erheblich, wenn es gilt, die natürliche Länge eines mehrgelenkigen Muskels in situ bei erhaltener Sehne festzulegen. Denn die Länge des Muskels hänst ab von dem jeweiligen Gelenkwinkel der Gelenke, die er in seinem Verlauf überspringt. !) Recklinghausen, |. c. 1, 93. ?) R. Fick, Handb. d. Anatomie u. Mechanik d. Gelenke, II, 208. 1910. 500 Ö. Beck: Die gesamte Kraftkurve des tetanisierten Wenn ich eine Froschpfote bei gestrecktem Kniegelenk in extreme Spitzfuß- stellung bringe und die Sehne des Gastrocnemius (plantaris longus) bei durch- schnittenem Nerven durchtrenne, so zieht sich der proximale Sehnenstumpf noch etwas zurück; bringe ich aber bei extremer Spitzfußstellung das Kniegelenk zu- gleich in eine Beugestellung von etwa 150°, so tritt keine Distanzänderung der durchtrennten Sehnenstücke mehr ein, wird das Kniegelenk noch weiter bis zum Maximum gebeugt, so legt sich der Muskel in Falten, er wird unter seine natür- liche Länge verkürzt. Seine „natürliche Länge‘ liegt bei maximal plantarflek- tiertem Fuß bei einer Beugestellung des Kniegelenks von ca. 140—150°. Über den Begriff der „natürlichen Länge‘ kann also eigentlich kein Zweifel bestehen. Man muß sich nur darüber im klaren sein, daß sich der geforderte deformationslose Zustand nur annäherungsweise erreichen läßt. Um tonische Einflüsse auszuschalten, habe ich daher bei allen Versuchen den Nerven durchschnitten. Um ferner den Einfluß des Antagonisten auszuschalten, habe ich bei allen Versuchen mit nicht durchschnittener Achillessehne die Endsehnen der Antagonisten durch- trennt. Die Nachdehnung, die sich nach jeder Reizung bemerkbar macht, gleicht. sich bis zu einem gewissen Grade aus, wenn zwischen den einzelnen Bestimmungen genügend lange gewartet wird. Unter diesen Bedingungen ist die ‚natürliche Länge‘ etwa an der Stelle jeder Versuchsreihe zu suchen, wo gerade eben bei Variation der Entfernung zwischen Muskelursprung und isometrischern Hebel eine Durchbiegung der Spannungsfeder bemerkbar wird. Zur Literatur sei noch folgendes bemerkt: Außer der natürlichen Länge des ruhenden, ungedehnten Muskels unter- scheidet man seit E. Weber noch die „natürliche Länge des unbelasteten, maximal erregten“ Muskels. Dafür gebraucht Recklinghausen!) die Bezeichnung ‚‚mini- male Länge des Muskels“ oder ‚innere Endlänge“. Die funktionelle Abhängigkeit, die A. Fick zwischen Länge und Span- nungszuwachs bei isometrischer Zuckung am Gastrocnemius des Frosches gefunden hat, konnte OÖ. Frank?) für den Herzmuskel bestätigen, bei welchem den Längenänderungen des Skelettmuskels Änderungen des Volums und den Spannungsänderungen Änderungen des Druckes ent- sprechen. Mit wachsender Anfangsspannung bzw. Füllung ergab sich in seinen Versuchen ein Steigen der Maxima der isometrischen Kurven und von einer gewissen Füllung ab wieder eine Abnahme derselben; später fand aber wiederum ein Ansteigen der Maximalspannungen statt. Der Einfluß beliebig gewählter Anfangsspannungen auf die Kraftentwicklung des Muskels bei der Zuckung hat auch F. A. Feuerstein?) unter Grützners Leitung an verschiedenen ausgeschnittenen Froschmuskeln mit einer dem Über- lastungsverfahren ähnlichen Methode zu ermitteln versucht. Auf die Ersebnisse seiner Versuche komme ich später noch zu sprechen. IDlcuS..1e. °) OÖ. Frank, Zur Dynamik des Herzmuskels. Zeitschr. f. Biol. 3%, 377. 1895. ®) F. A. Feuerstein, Zur Lehre von der absoluten Muskelkraft. Pflügers Arch. f. d. ges. Physiol. 43, 1355. 1888. Froschgastrocnemius und ihr physiologisch ausgenutzter Anteil. 501 Der Gedanke, die Kraft des Muskels innerhalb des lebenden Körpers bei ver- schiedener Gelenkstellung zu bestimmen, hat bereits Henke!) beschäftigt; er wollte den Arm der Versuchsperson nach und nach in verschiedene Beugegrade bringen und für jeden derselben die Kraftmessung ausführen. Henke hat aber später nie derartige Versuche mitgeteilt. Neuerdings wurde das Problem, den Kraftablauf einzelner Muskeln oder Muskelgruppen innerhalb des menschlichen Körpers experimentell zu verfolgen, von verschiedener Seite in Angriff genommen. Herz?) hat mit einem Gewichts- hebeldynamometer für verschiedene Winkel der Gelenkstellung die maximale Zugkraft zusammengehöriger Muskelgruppen, also das resultierende Drehmoment gemessen und die erhaltenen Resultate in einem Gelenkmuskeldiagramm dar- gestellt. Seine Versuche und Auseinandersetzungen verlieren leider dadurch an Wert, daß er nicht scharf genug den von ihm gebrauchten Ausdruck „Zugkraft“ definiert und bald darunter die Spannung der Muskeln und dann wieder ihre Dreh- momente versteht, worauf bereits v. Recklinghausen hingewiesen hat. Bethe und Franke?) haben mit einem Federdynamometer den Ablauf der äußeren Kraftkurve menschlicher Muskeln untersucht; Franke?) hat in einer weiteren Mitteilung aus solchen am ganzen Arm gewonnenen Kurven den wirk- lichen Ablauf der Kraftkurve der Beuge- und Streckmuskeln des Ellbogengelenks berechnet. Recklinghausen’) hat am Flexor sublimis des 3. Fingers mit einem Dynamometer die Längsspannungskurven bestimmt, daraus den Ablauf der Muskelkraftkurven berechnet. Allgemeine Methodik. Als Versuchsobjekt verwandte ich sehr kräftige Frösche, und zwar Esculenten, Die Versuche wurden am m. Gastrocnemius ausgeführt. An einem drehbaren Stativ (Abb. 1) sind zwei Hebel an- gebracht, a und 5b; Hebel a zeichnet als isometrischer Hebel die Spannung des Muskels während des Tetanus an der rotierenden Trommel auf. Als isometrischen Hebel gebrauchte ich eine starke, durch einen Zeiger ver- längerte Stahlfeder mit mehreren zu beiden Seiten symmetrisch angeord- neten Einkerbungen, in die ein klei- ner metallener Steigbügel eingreift, der an seinem oberen Ende an einer kreisrunden Öse ein Muskelhäkchen aufnimmt. Diese steigbügelähnliche Vorrichtung ist so ausgearbeitet, daß sie mit einer rillenförmigen Vertie- fung sich genau in die Kerben der Stahlfeder einfügt, so daß der Steig- bügel lotrecht zur isometrischen !) Henke, Die Größe der absoluten Muskelkraft aus Versuchen neu be- rechnet. Zeitschr. f. rat. Med. 24, 247. 1865. ”) Herz, Lehrbuch der Heilgymnastik, 1903, S. 40. °) Bethe und Franke, Beiträge zum Problem der willkürlich beweglichen Armprothesen IV. Münch. med. Wochenschr. 1919, S. 201. *) Franke, Pflügers Arch. f. d. ges. Physiol. 180, 303. 1920. 2)EA2.205,82 102: DIomzz Abb. 1. 502 O. Beck: Die gesamte Kraftkurve des tetanisierten Feder gestellt werden kann und die Feder beim Tetanus eine gleichmäßige Durch- biegung erfährt. Die Feder wurde mehrmals geeicht; sie ist in einen Eisen- stab eingenietet und fest am Stativ angebracht. Hebel b dient zur Registrierung der Längenänderung; er ist fest mit dem Träger der Knochenklemme verbunden und macht daher jede Auf- und Abwärts- bewegung des Muskelursprungs mit, die durch Zahnstange und Trieb bewirkt wird. Bei dem Versuche mit dem Muskel in situ war an Stelle der Knochenklemme ein Froschkreuz angebracht. Während des isometrischen Tetanus kann sich der Muskel nur ganz unwesentlich verkürzen und zeigt fast nur Spannungsänderungen. Die Dehnung des Muskels und Vergrößerung seiner Anfangsspannung bzw. die Entspannung wurde jeweils vor dem isometrischen Tetanus durch Betätigung des Triebes 7’ vorgenommen. An dem Längenhebel greift der in Abb. 1 aufgezeichnete Hebel ce an, der den Ausschlag des Hebels b vergrößert. Diesen Vergrößerungs- hebel habe ich nur in den letzten Versuchen einige Male benützt, um die Genauigkeit der Messung der Längenänderung zu erhöhen. In den eigentlichen Versuchen habe ich den Steigbugel am isometrischen Hebel immer in die zweite Kerbe eingesetzt, die vom Befestigungslager der Stahl- feder 2 cm entfernt ist. Die Länge des ganzen Hebels a beträgt vom Endpunkt des Befestigungslagers aus 25 cm. Kerbe 2 hat sich in den Vorversuchen am geeignetsten erwiesen, da der Muskel bei dieser Anordnung im Tetanus .die Feder nur wenig, durchbiegen konnte, also kaum merkliche Längenänderungen erfuhr, ee aber die Anfangsspannung und der Spannungszuwachs noch aus- reichend groß verzeichnet wurden. Die Versuche wurden teils am ausgeschnittenen, teils am durchbluteten Muskel innerhalb des Körpers angestellt, der N. ischiadicus wurde bei letzteren vor dem Versuch durchschnitten. Die Reizung des Muskels erfolgte indirekt vom Nerven aus mit Induktionsapparat und Wagnerschem Hammer bei etwa 40 Unterbrechungen in der Sekunde immer bei annähernd gleichem Rollenabstand, der so gewählt war, daß eine maximale Reizung zustande kam. Der N. ischiadicus wurde über Platinelektroden gelagert. In den ersten Versuchen habe ich die Sehne des Gastrocnemius mit einem Muskelhäkchen angehakt, das Verfahren hat sich für diese Anordnung nicht be- währt, da bei sehr starker Dehnung des Muskels das Häkchen die Sehne durch- schnitt. Als brauchbares Verfahren erwies sich mir dann, die Sehne mit einer kreisrund abgekanteten Sehnennadel zu durchstechen, einen kräftigen Seiden- faden durchzuführen, ihn auf der einen Seite zu knoten, die andere Fadenschlinge um die Sehne herumzuführen und dann einen Doppelknoten anzulegen. Die beiden Fadenenden wurden schließlich zu einer kurzen Schlinge vereinigt, in die das Muskelhäkchen eingreifen konnte, das mit dem anderen umgebogenen Ende in die Öse des Steigbügels eingehakt wurde. Mit diesem Verfahren gelang es mir, den Muskel sehr weit zu dehnen, ohne daß der Faden die Sehne schlitzte, wodurch, selbst wenn der Faden nicht ganz ausreißt, die Längenänderungen falsch auf- geschrieben würden. Um möglichst auch eine ungewollte und nicht kontrollier- bare Dehnung der Sehne auszuschließen, so daß die ganze Längenänderung, die Dehnung nur den Muskelbauch selbst betrifft, habe ich die Achillessehne dicht am Muskelansatz mit dem Faden armiert. Die größte Aufmerksamkeit war bei den Versuchen darauf gerichtet, daß der Muskel senkrecht über dem isometrischen Hebel angeordnet wurde und seine Kraftrichtung lotrecht am Hebel angriff. Die Anordnung des Versuches am ausgeschnittenen Muskel ergibt sich aus der Abb. I. Ich glaube auf die nähere Beschreibung der Methodik und der Ausführung dieser Versuchsreihe sowie auf die Reproduktion einer der erhaltenen Kurven Froschgastrocnemius und ihr physiologisch ausgenutzter Anteil. 503 verzichten zu können, da die Resultate mit der Versuchsanordnung am durch- bluteten Muskel, dessen Sehne von vornherein durchtrennt wurde, vollkommen übereinstimmen, und sich am ausgeschnittenen Muskel lediglich sehr bald und störend die Ermüdung geltend macht, so daß der Muskel, wenn er bei fortschreiten- der Dehnung mehrmals gereizt wird, bei nachfolgender Entlastung nur mehr ge- ringe Spannung entwickelt, so daß die rückläufige Kurve der Gesamtspannung, des Spannungszuwachses und der Anfangsspannung ganz wesentlich von der ersten Kurve bei zunehmender Länge abweicht. Versuche am durehbluteten Muskel im Körper des lebenden Tieres. a) Bei tenotomierter Sehne. Spezielle Methodik: Am Tage vor dem Versuche oder manchmal unmittelbar vorher Großhirn- stich nach Goltz. Der Frosch wird in Bauchlage auf einem Froschkreuz mittels der Vorderpfoten aufgebunden. Von dem Kreuz ist der linke Schenkel abgesägt, der rechte abgeschrägt, damit das Kreuz möglichst nahe mit dem rechten Schenkel an die isometrische Feder herangebracht werden kann. Nur auf diese Weise gelang es, den Muskel mit seiner Sehne senkrecht über der isometrischen Feder am Steig- bügel angreifen zu lassen. Das linke Bein des Frosches wird dicht unterhalb des Hüftgelenks, nach zentraler Abbindung der Gefäße mit einem starken Seidenfaden, amputiert, damit es nicht beim Herabhängen durch reflektorische Bewegungen während des Versuchs an die isometrische Feder anschlagen kann. Am rechten Ober- schenkel wird unter sorgfältigster Schonung der Gefäße der N. ischiadicus freigelegt, auf eine genügend weite Strecke nach oben zu isoliert und möglichst zentral durch- schnitten. Den rechten Ober- und Unterschenkel mußte ich gut befestigen, damit nicht durch aktive Bewegungen und passive Verschiebungen während des Ver- suches ungewollte Änderungen der Länge und der Kraftrichtung durch Änderung des Angriffspunktes des Muskels am Hebel eintreten konnten. Um das zu erreichen, habe ich einen dünnen, spitzen Nagel durch den Femurknorren hindurch in das Froschkreuz getrieben. Zur Fixierung des Unterschenkels, den ich auf kleine untergelegte Korkstückchen lagerte, damit er in gleicher Richtung mit der Ober- schenkelachse sich befand, habe ich durch ein enges Bohrlech der Tibia dicht oberhalb des Fußgelenks gleichfalls einen feinen Nagel in das Froschkreuz ge- schlagen. Unmittelbar unterhalb des Steißes wurde durch die Analgegend, ab und zu durch den linken Oberschenkelstumpf ein kräftiger Nagel zur weiteren Be- festigung des Tieres angebracht, damit auch der Rumpf noch besser fixiert blieb. Freilegung und Durchtrennung der Achillessehne von einem kleinen Haut- schnitt aus, Armierung der Sehne mit einem Seidenfaden in der oben beschriebenen Weise. — Die Endsehnen der Streckmuskeln am Unterschenkel werden durch- schnitten, um den Einfluß von seiten der Antagonisten des Gastrocnemius aus- zuschalten. Der Verlauf eines Versuches ist aus Abb. 2 zu ersehen. Als Anfangs- oder Ausgangslänge wählte ich eine Entfernung der Knochenklemme von der Feder, bei welcher der Muskel sicher entspannt war (L,) und die kleiner war als die „natürliche Länge“ (Z,) vermehrt um die Länge des Sehnenanteils und des Gehänges, so daß sich der Muskel erst etwas leer zusammenziehen mußte, ehe er an der Feder angriff. Von da aus wird vor jedem isometrischen Tetanus die Länge vergrößert, und zwar in der ersten Versuchsreihe so weit, bis das Maximum der isometrischen b) a) 504 OÖ. Beck: Die gesamte Kraftkurve des tetanisierten Kurve überschritten ist. Die Dehnung des Muskels wird in diesem ersten Abschnitte des Versuches nicht zu hoch getrieben, damit der Muskel nicht geschädigt und zu stark ermüdet wird. In der zweiten Reihe des Versuches wird dann rückläufig die Anfangsspannung bzw. die Länge vor jeder Reizung vermindert, und zwar wird bis zu einer vollkommenen ungespannten Länge zurückgegangen, die kleiner als die Z„ ist, und bei welcher die Muskelfasern nicht mehr geradege- streckt, sondern gekrümmt erscheinen. Von dieser ungespannten Länge aus wird dann im 3. Abschnitt des Versuches unmittelbar anschließend von neuem die Länge schrittweise vor der Reizung vergrößert. Der Muskel wird diesmal bis zur äußersten Grenze, jedenfalls sehr stark gedehnt. In einigen Versuchen habe ich dann noch in einer 4. Periode von der sehr starken Dehnung aus den Muskel wieder entlastet. Aus den erhaltenen Kurven (z. B. Abb. 2) Abb. 2. (Versuch I, 24. II. 21). a) = Abszisse des isometrischen Hebels. b) = Abszisse des Längenhebels. » ergeben sich durch Ausmessen ohne weiteres die gewünschten Werte: die Längenänderung (A L,), die Anfangsspannung (AS), die Gesamt- spannung (GS) und der Spannungszuwachs (A 8). 1. Die Entfernung des Längenschreibers von der Abszissenachse d nach oben entspricht der Längenänderung, vermindert um den Anteil der Durchbie- sung der isometiischen Feder. Da diese Durchbiegung der Längenänderung proportional ist, kann ohne wesentlichen Fehler von ihr abgesehen werden. 2. Die Erhebung des isometrischen Hebels über die Abszissenachse a erfolgt beim ungereizten Muskel, wenn er über eine bestimmte Grenze gedehnt wird, also Anfangsspannung bekommt, beim gereizten Muskel im isometrischen Tetanus. Die Größe der Erhebung des isometrischen Hebels vor dem isometrischen Tetanus ist gleich AS, die Größe der Erhebung im Tetanus von der Abszisse a an gerechnet entspricht der Gesamtspannung (@8). Der Spannungszuwachs ist gleich @8 — AS. Beispiel: In Abb. 3, Kurve A (Versuch III vom 24. II. 1921) sind die vor der Reizung jeweils hervorgerufenen Längenänderungen des Muskels als Abszissen, die Anfangsspannung und die Gesamtspannung in g als Ordinaten aufgetragen. Die einander entsprechenden Kurven 505 Froschgastrocnemius und ihr physiologisch ausgenutzter: Anteil. B ur bunuupalssbunfuy u 00L 006 008 00L 008 006 00€ 008 001 (0) 2 a £ "gay u/ 92 "Or... Aal 4 Bunsapupuabun 7 GR [77 0L age! 4 % 2: EBERSE ee LH 506 O. Beck: Die gesamte Kraftkurve des tetanisierten der Anfangsspannung und der Gesamtspannung sind in gleicher Strich- führung gezeichnet. Die Gesamtspannungskurve, die dem ersten Abschnitt des Versuches entspricht (dick ausgezogene Kurven — - —), wo von einer ungespannten Ausgangslänge Z, der Muskel zunehmend vor der Reizung gedehnt wurde, zeigt anfangs ein annähernd proportionales Wachsen der Gesamtspannung (etwa bis Punkt 5) und steigt dann bei Ver- größerung der Anfangsspannungen zu einem Maximum an (Punkt 7). Von da aus nimmt die Gesamtspannung bei weiterem Wachsen der Länge und Anfangsspannung wieder ab. Die Dehnung des Muskels und damit die Anfangsspannung wird nicht zu weit getrieben, um eine Schädigung des Muskels zu vermeiden. Die Kurve der Anfangsspannung verläuft von der ‚‚natürlichen Länge‘ des Muskels aus beginnend, in der die Anfangsspannung gerade noch O ist (etwa bei Punkt 4), zuerst ziemlich flach, um dann bei ungefähr einer Anfangsspannung von 100—140 g an (Punkt 7 und 8) schnell steiler zu werden. Die Last, die den Muskel um ein bestimmtes Maß dehnt, ist von der ‚natürlichen Länge‘ aus gerechnet zuerst gering; der. Muskel ist hier sehr dehnbar, wenig elastisch. Später nimmt die Dehnbarkeit des Muskels ab, seine Elastizität zu. Man braucht unsere Kurvenfläche nur im Sinne des Uhrzeigers um 90° zu drehen, um die Dehnungskurve des ruhenden Muskels zu erhalten, die der Kurve der Anfangsspannung gleich ist. Der Endpunkt 10 des ersten Abschnittes des Versuches bildet zu- gleich den Anfangspunkt zu dem zweiten Abschnitt; von hier ab wird der Muskel wieder schrittweise entlastet, Anfangsspannung und Länge rückläufig vermindert. In der so erhaltenen, dünn ausgezogenen Kurve (—— x —— x) wird wieder ein Maximum der Gesamtspannung er- reicht, das aber tiefer liegt wie in der ersten Kurve. Sonst weist die Kurve einen ähnlichen Verlauf auf, wie die erste, ohne aber mit ihr in irgendeinem Punkt wieder zusammenzufallen. Die Kurve der Anfangsspannung in der zweiten Periode des Versuches, die als Entlastungskurve des Muskels bezeichnet werden kann, fällt tiefer wie die Kurve der Anfangsspannung im ersten Teil. Das Maximum der Gesamtspannung wird hier bei einer geringeren Anfangsspannung (Punkt 14), aber bei derselben Länge wie in Abschnitt I erreicht. In etwa der Hälfte aller meiner Versuche liest das Maximum der Gesamtspannung in der 2. Periode des Versuches bei derselben, manchmal sogar bei einer etwas höheren Anfangsspannung wie in der 1. Periode. Die Längen, beidenen das Maximum vor- und rückläufig gelegen ist, sind aber bei ein und demselben Versuch immer annähernd gleich. Der 3. Teil des Versuches schließt unmittelbar an den Endpunkt des 2. an, die Länge wird wieder fortschreitend vermehrt. Die dünn Froschgastrocnemius und ihr physiologisch ausgenutzter Anteil. 507 gestrichelte ®©---©---© Kurve der Gesamtspannung verläuft zu- erst entweder zusammenfallend wie in diesem Versuch oder wenigstens sehr nahe an der Gesamtspannungskurve in der 2. Periode. Das Maxi- mum (Punkt 22) liegt bei einer etwas höheren Anfangsspannung wie in Abschnitt 2, erreicht aber nicht ganz dieselbe Höhe; die Länge, bei der es erreicht wird, ist wieder nahezu die gleiche. Vom Maximum fällt die Gesamtspannungskurve bei wachsender Anfangsspannungzunächst wieder ab, um dann bei sehrstarker Dehnung des Muskels wieder steil anzusteigen (von24 und 25ab) und einem Punkt zuzustreben, der viel höher als das durchlaufene Maximum gelegen ist (Punkt 29). Der höchste Punkt konnte bei keinem Versuche erreicht werden, da der Muskel bei einer noch stärkeren Dehnung, als sie in diesem Versuche zur Anwendung kam, zerreißt. Bei dem beschriebenen neuen Anstieg wird der Abstand zwischen Gesamtspannung und Anfangsspannung immer geringer; der Spannungszuwachs nimmt also immer mehr abtrotzdes AnsteigensderGesamtspannung, die im letzten Teil in der Hauptsache fast nur aus der u Den unun besteht, Die Kurve der zugehörigen a ea ®---©---© liegt höher wie die vorhergehende Entlastungskurve X — — x — — x ‚sie nähert Schi im Anfangs- teil der ersten Dehnungskurve — - — , verläuft dann parallel mit ihr, um schließ- lich ganz steil anzusteigen. In der Kurve B sind in der Richtung der Abszisse die Werte der Anfangsspannung in g, in der Richtung der Ordinate die Werte des Spannungszuwachses in g eingetragen. Die Kurven geben also, beginnend von der natürlichen Länge, die Differenz der ent- sprechenden Kurven in A, d.h. den Spannungszuwachs resp. die durch die Erregung geleistete Spannungsenergie wieder. Schon bei einer relativ geringen Anfangsspannung von 50 —100 g wird das Maximum des Spannungszuwachses erreicht. Von da aus fallen die Spannungskurven steil ab: bei den sehr hohen Anfangsspannungen in Abschnitt 3 (©---©---©) des Versuches ver- läuft die Kurve später etwas flacher werdend gegen den Nullpunkt zu. Die Nullinie ist in keinem der Versuche erreicht worden, selbst bei den stärksten Dehnungen, bei denen der Muskel noch nicht reißt, entsteht bei Reizung noch ein langgezogener, geringer Kraftzuwachs im iso- metrischen Tetanus. Versucht man mit der Dehnung noch weiter zu gehen, dann berstet der Muskel entweder schon bei der Dehnung oder er reißt von seiner Sehne im isometrischen Tetanus ab oder es bersten innerhalb des Muskels die Fasern. b) Versuche am durchbluteten Muskelinnerhalb des Körpers bei erhaltenem Gelenk. Spezielle Methodik. Großhirnstich nach Goltz. Der Frosch wird in der beschriebenen Art auf dem Kreuz befestigt, der N. ischiadicus freigelegt, möglichst zentral abgeschnitten, 508 0. Beck: Die gesamte Kraftkurve des tetanisierten die Gefäße geschont. Um die Antagonisten des Gastrocnemius, die Streckmuskeln, vollkommen auszuschalten, wird der N. peronaeus durchtrennt, außerdem die Apn. 4. Sp. F. RK < DE 4 Durchschn. Strecksehnen am Fußrücken tenotomiert. Die Achillessehne wird von einer kleinen Hautineision aus freigelegt und dicht am Übergang in die Mus- kulatur mit der beschriebenen Seidenschlinge ar- miert. Die Sehne wird aber zunächst noch nicht durchschnitten, das Froschkreuz wird am Stativ derart befestigt, daß der Muskelzug wieder lotrecht am isometrischen Hebel angreift. Die Entfernung zwischen dem Muskelursprung und dem isometrischen Hebel wird so eingestellt, daß der Steigbügel mit seiner rillenförmigen Vertiefung der Feder gerade ohne Spannung bei Spitzfußstellung der Froschpfote anliegt. Um diese Einstellung besser kontrollieren zu können, habe ich mir einen Indicator konstruiert, indem ich an der Unterfläche der isometrischen Feder eine zweite schmale, leicht durchzubiegende Feder anbrachte, die von dem Steigbügel mitgehoben wurde und an einer an der isometrischen Feder seitlich angeklebten Skala an- zeigte, wann sich gerade der Steigbügel an die isometrische Feder anfügte. Das Kniegelenk ist fixiert und leicht gebeugt (ca. 160°). Die teta- nische Reizung geschah wie auch früher nur so lange, bis das Maximum der Kontraktion erreicht war. Der Verlauf eines Versuches ist aus Abb. 4 zu ersehen (Versuch vom 22. II. 1921). l. Die Froschpfote wird in Spitzfuß- stellung (Abb. 4, Sp. F.) gebracht, die Längen- einstellung des Muskels wird geändert, bis der Bügel bei Spitzfußstellung dem isome- trischen Hebel sich gerade ohne Spannung anfügt. Darnach Reizung des Muskels. — In der Spitzfußstellung hat der Muskel wie er- sichtlich eben keine Spannung; seine Länge würde demnach der ‚natürlichen Länge“ des Muskels etwa entsprechen (bei einer Stellung des Kniegelenkes von ca. 160°). 2. Die Froschpfote wird passiv in die rechtwinklige Stellung (Abb. 4, R <<) geführt, die Entfernung zwischen Froschkreuz und isometrischem Hebel soweit geändert, daß der Bügel wieder satt anliegt. Die Stellung des Hebels wird durch eine kurze Abszisse auf der Trommel festgelegt. Der Fuß wird dann freigegeben, wobei er annähernd in Spitzfußstellung zurückkehrt. Durch die bei der 90 °-Stel- Froschgastrocnemius und ihr physiologisch ausgenutzter Anteil. 509 lung entstandene Anfangsspannung wird der isometrische Hebel so weit durchgebogen, wie der entstandenen Anfangsspannung entspricht (siehe die Kurve). Reizung des Muskels bei dieser Anfangsspannung. 3. Die Froschpfote wird in extreme Dorsalflexion gebracht, die Entfernung zwischen Muskel und Hebel so weit reguliert, bis wieder der Steigbügel der isometrischen Feder satt ohne Spannung anliegt (Abb. 4, D. Fl.). Diese Stellung der isometrischen Feder wird an der Trommel durch eine kurze Abszisse markiert. Der Fuß wird wie vorher freigegeben, der bei der Dorsalflexion gedehnte Muskel sucht sich zu entspannen, wirkt infolge der elastischen Spannung auf die isometrische Feder, die er entsprechend der elastischen Zusammenziehung durch- biegt und so die Anfangsspannung bei Dorsalflexion auf der Kurve markiert. Reizung des Muskels bei dieser Anfangsspannung. In einzelnen Versuchen (8) wurde nach dem isometrischen Tetanus in Spitz- fußstellung, in der der Steigbügel durch Anderung der Länge wieder ohne Anfangs- spannung satt anlag, die Achillessehne durchschnitten. Dabei zeigte sich in den Versuchen, in denen das Kniegelenk in Streckstellung fixiert war, daß der Muskel sich noch 'etwas zusammenzog, also noch etwas geTtehnt war. Diese Anfangs- spannung war aber meistens so gering, daß sie an der starken isometrischen Feder keine merkliche Durchbiegung hervorbrachte, wenigstens nicht beim Angriff in Kerbe 2. In der Mehrzahl der Versuche (16) habe ich die Sehne tenotomiert, nachdem ich vorher die Froschpfote in extreme Dorsalflexion gebracht hatte (Abb. 4, Durchschn.) und die ganze Anordnung so getroffen war, daß an dem Hebel gerade keine Spannung wirkte. Nach der Durch- schneidung zog sich der Muskel entsprechend der elastischen Dehnung bei Dorsalflexion unter Durchbiegung des Hebels zusammen. In allen diesen Versuchen habe ich die Beobachtung gemacht, daß die Durchbiegung des Hebels nach der Durchschneidung der Sehne aus der Dorsalflexion heraus (also auch die Anfangsspannung) geringer war als vorher, wenn der Fuß bei erhaltener Sehne aus der Dorsal- flexion in Spitzfußstellung gebracht wurde. Entweder mußte sich der Muskel nach der Durchschneidung seiner Sehne verlängert haben, was sehr unwahrscheinlich ist, oder aber die Sehne konnte sich nach der Durchschneidung vom Fußgelenk abheben; der Zug am Hebel wurde auf diese Weise etwas verändert, was sich sofort in der geringeren Durchbiegung bemerkbar machen mußte. Dadurch wird die Länge des Muskels nach der Tenotomie der Sehne geändert, eine Änderung, die ich in den Versuchen nicht genau messen konnte. Eine weitere Schwierigkeit, die Länge des Muskels konstant zu erhalten, liegt darin, daß sofort bei stärkeren Dehnungen mit der primären Anfangsspannung und der tetanischen Verkürzung die Nachdehnung sich geltend macht und da- durch wiederum ungewünschte und nicht genau meßbar zu verfolgende Längen- änderungen im Sinne einer Vermehrung der Länge eintreten. Meist behält der Muskel unmittelbar nach dem isometrischen Tetanus Verkürzungsrückstand, 510 0. Beck: Die gesamte Kraftkurve des tetanisierten der zeitlich und der Größe nach um so bedeutender wird, je mehr der Muskel er- müdet ist. Sehr rasch tritt aber nach dem Verkürzungsrückstand die elastische Nachwirkung ein, der Muskel nimmt eine andere Länge an wie vor dem isometri- schen Tetanus, er verlängert sich. Diese Dehnung nach dem Tetanus bei starken Belastungen oder bei gehinderter Zusammenziehung hat bereits Heidenhain!) beobachtet, Blix?) hat dieselben Erfahrungen bei seinen Versuchen über Wärme- bildung des Muskels bei verschiedener Länge oder verschiedener Anfangsspannung gemacht. Blix sagt: „Erstens kann man nicht maximale Reize brauchen, wenn man mit kräftigen Muskeln arbeitet, denn dann bersten sie, reißen sich von selbst ab; zweitens wird der Muskel bei jedem Versuch gedehnt, so daß er zu Ende der Kontraktion eine ganz andere Spannung hat als er vor der Kontraktion hatte.‘ Nach der Durchschneidung der Sehne (Abb. 4, Durchschn.) habe ich dann die Länge und Anfangsspannung des Muskels vor jedem iso- metrischen Tetanus wieder vergrößert, bis die Maxima der isometrischen Kurven deutlich abgenommen haben, dann wurde wieder rückläufig in der 3. Periode des Versuches die Länge vermindert, der Muskel so weit entlastet, bis er eine Länge bekam, die kleiner als die ‚‚natürliche Länge‘ war. Im 4. Abschnitt wurde der Muskel wieder gedehnt. Dies- mal wurde zu sehr hohen Anfangsspannungen gegangen, so daß der Muskel im isometrischen Tetanus nur mehr geringen Spannungszuwachs entwickelte, in dem 5. Teil des Versuches wurde der Muskel wieder von Tetanus zu Tetanus entlastet. Ich wähle aus den Versuchen einen aus. Von einem zweiten gebe ich in der Tabelle I die berechneten Werte. Die Zahl der Versuche beträgt über 30, davon 24 brauchbare. Bei den nicht brauchbaren Versuchen handelte es sich entweder um Fehler in der Versuchstechnik., bei anderen zerriß der Muskel während des Versuches. Abb. 5 (Versuch 22. II. 1921). In der Richtung der Abszisse (Kurve A) sind wieder die Längen- änderungen, in der Richtung der Ordinate Gesamtspannung und An- fangsspannung aufgetragen. Die dick ausgezogene Kurve A, (— : — - —) entspricht dem Gesamtspannungszuwachs von Spitzfußstellung bis zur extremen möglichen Dorsalflexion innerhalb des erhaltenen Gelenkes, es ist die physiologische?) Gesamtspannungskurve innerhalb der normalen Gelenkexkursion. Die mögliche Gelenkexkursion umfaßt einen Winkelbereich von etwa 120—130°. Die entsprechende Längen- änderung des Muskels im vorliegenden Fall beträgt 3,5 mm. Diese Kurve der Gesamtspannung steigt von der Spitzfußstellung (680 g) aus steil an, erreicht ihren höchsten Punkt bei der Dorsaltlexion (1200 g). !) Heidenhain,. c. S. 9. ?) Blix, Skandinav. Arch. f. Physiol. 12, 114. 1902 und 5, 150 u. 173. ®) Der benutzte Ausdruck „physiologisch“ erfordert insofern eine Einschrän- kung, als wir nicht wissen, ob der Frosch bei reflektorischer Innervation eine gleich- starke Erregung des Muskels bewirken kann. Außerdem verändert er unter physio- logischen Bedingungen die Stellung des Kniegelenks und damit auch die Anfangs- spannung des M. gastrocnemius. Froschgastroenemius und ihr physiologisch ausgenutzter Anteil. 511 Die zugehörige Kurve der Anfangsspannung beginnt bei der Spitzfuß- stellung, in welcher der Muskel eben keine Spannung hat, nimmt dann mäßig ansteigend zu, beträgt bei der Dorsalflexion ca. 71g, bei der rechtwinkligen Stellung etwa 15 g. Ich möchte nur bemerken, daß es sich bei der bezeichneten rechtwinkligen Stellung in den Versuchen nicht streng um die Stellung von 90° handelt, die Froschpfote wurde mit der Hand in die mit dem Auge abgeschätzte rechtwinklige Stellung geführt und gehal- ten. Dabei kann es sich na- 3790 türlich manchmal um einige Grad weniger gehandelt ha- 7000 ben. Aus sämtlichen Ver- suchen ergibt sich aber, daß 820 die Anfangsspannung bei der Dorsalflexion immer etwas 00 mehr wie das Doppelte der Anfangsspannung bei der rechtwinkligen Stellung be- trägt, der Muskel also be- reits im Anfang nicht ganz 500 + proportional mit der Zu- nahme der Last gedehnt wird. 400 So große Unterschiede aber wie in diesem Versuche habe 300 ich sonst nicht beobachtet, sodaßich diesesabweichende 29077 Verhältnis darauf zurück- 7300 a 100 führe, daß entweder der Fuß en nicht ganz in die rechtwink- ol I 3 lige Stellung gebracht war OS 2 a Tann Ne 3 2 2 oder der Muskel, während die z 7 Pfote in der Stellung um 90° rl SEELE: 2 ern R 5 A, = +— .—.—. (l-3) Gesamtspannung (obere Kurve) hi m gehalten und die Länge und Anfangsspannung innerhalb der physiologischen Gelenk- oe) ARTEN spannungslosen An- exkursion. Bei 3 nach der Reizung Sehne durchschnitten. liegen des Steigbügels ander A= -—.—.—. (4—10). Gesamtspannung und Anfangs- isometrischen Feder geän- spannung bei weiterer Vermehrung der Ausgangslänge. e A,= x --- x --- x Gesamtspannung und Anfangsspannung dert wurde, sich nachdehnte. nr) bei Verminderung der Länge. Hinter Punkt 3 (Ab- A, = - -@)- -@- -@& (19—28), Anfangslänge bzw. Anfangs- : spannung itweike vermehrt, 26—28 Muskel sehr stark bildung 4, Kurve A) wurde gedehnt. dann die Sehne aus Ne onedesoenoie (28—32) Anfangsspannung bzw. Länge S wieder vermindert. der Dorsalflexion heraus durchschnitten. Nach der Durchschneidung hat die Anfangsspannung ganz wesentlich abgenommen, der Muskel hat sich verlängert. Nach der Durchschneidung wurde sofort gereizt. Das Maximum der Gesamtspannung in diesem isometrischen Tetanus hat nach der Durchtrennung der Sehne sogar etwas zugenommen, trotzdem die Aunkkernegsppannan abnahm, der Muskel sich also er- Pflügers Archiv f. d. scs. Physiol. Bd. 182. 34 Hi O0. Beck: Die gesamte Kraftkurve des tetanisierten längert hat (vgl. 3 und 4). Es wird dann in der dünn ausgezogenen Kurve A, —-—— -— -) die Länge weiter vermehrt und so die Anfangsspannung vergrößert; die Gesamtspannungskurve steigt noch etwas weiter an bis zu einem Maximum. Bei Punkt 5 beträgt die An- fangsspannung 86 g, bei Punkt 6 ca. 150g. Ob das Maximum gerade mit Punkt 5 zusammenfällt oder zwischen Punkt 5 (1350 g) und 6 gelegen ist, läßt sich nicht sagen. Von da ab fällt die Gesamtspannung beim weiteren Wachsen der Anfangsspannung wieder ab. Bei 56lg Anfangsspannung beträgt die Gesamtspannung ca. 1060 8; dieses ent- spricht der Gesamtspannung, die der Muskel in der Mitte zwischen rechtwinkliger Stellung und D. Fl. innerhalb des erhaltenen Gelenkes entwickelt hat. Von der Anfangsspannung 561 g bei 10 ab wird in der 3. Periode des Versuches der Muskel wieder entlastet (A, x --- X). Die zugehörige Kurve der Anfangsspannung liegt auch hier unterhalb der Kurve in Abschnitt 2. In der rückläufigen Gesamtspannungskurve (X --- X -) liegt das Maximum tiefer als in Kurve A, (-— - —:). Die Länge des Muskels wird dabei so weit vermindert, daß sie weit kleiner als die /, des Muskels ist. Die ‚natürliche Länge“ des Muskels hat sich ver- ändert, sie liegt an einer Stelle, wo in Abschnitt 1 und 2 der Muskel bereits Anfangsspannung hatte, der Muskel hat sich also im Laufe des Versuches gedehnt. In :der nächsten Periode (@---@--) wird der Muskel von der vollkom- men ungespannten Länge aus wieder langsam gedehnt. Die Kurve der Gesamt- spannung verläuft zuerst ein Stück weit neben der Gesamtspannungskurve in Abschnitt 3, schneidet sie dann (bei 21) da, wo der Muskel anfängt, Anfangs- spannung zu bekommen, und erreicht bei 23 ein Maximum, das weit tiefer und auch bei einer etwas geringeren Muskellänge liegt wie in A, und A,. Dann fällt sie etwas flacher wie in Abschnitt A, und A, bis 26 ab und steigt bei weiterer Vermehrung der Anfangsspannung steil an in der Weise, daß der Abstand zwischen der Gesamtspannung und der Anfangsspannung immer kleiner wird, ohne aber selbst bei sehr hoher Anfangsspannung gleich 0 zu werden. Bei einer Anfangs- spannung von etwas über 1000 g (bei 28) wird im 5. Abschnitt des Versuchs die Länge wieder vermindert (also früher als in Abb. 3). Die Kurve der Anfangsspannung A, (®- - -@---) verläuft oberhalb der Kurve A,, zuerst nahe an der Dehnungskurve A,, mit der sie an einzelnen Punkten 23, 24, 25 nahezu zusammenfällt, und steigt dann ganz steil an. Die Kurve der Gesamtspannung im letzten rückläufigen Teil des Versuchs (-- - -e- - -.) fällt von Punkt 28 steil ab und verläuft von Punkt 30 ab zuerst ganz flach, um dann bei 31 wieder etwas abzufallen. Sie hat einen ganz anderen Verlauf wie die Kurven der Gesamtspannung in den früheren Perioden des Versuchs. Ihr fehlt das (relative) Maximum. Die Ermüdung und die Schädigung der Muskel- substanz durch die übermäßige Dehnung in A, haben den Kraftablauf im Muskel vollkommen verändert. In Kurve B (Abb. 5) ist auf der Abszissenachse die Längenände- rungin Millimeter, auf der Ordinatenachse der Spannungszuwachs in Gramm eingetragen. Froschgastrocnemius und ihr physiologisch ausgenutzter Anteil. 513 Im natürlichen Kraftablauf innerhalb des Gelenkes wird der größte Spannungszuwachs bei Dorsalflexion erreicht, aber erst bei einer etwas größeren Länge wird das absolute Maximum des Spannungs- zuwachses erhalten. In einigen Versuchen lag der größte physiologisch erreichbare Spannungszuwachs dichter am absoluten Maximum, aber niemals jenseits desselben. [0] % 4 6 8 70 12 [9] 100 200 _300 +0 500 600 700 800850 mm Längenanderung Anfangsspannung ın gr Abb. 5. Kurve B. 1—- 3 B,= -— : —.. —.. Spannungszuwachs innerhalb des Gelenkes. 4—-10 B,= »-— -— .—. Spannungszuwachs bei Vermehrung der Länge. 10—19 B,= x --- x ---x Spannungszuwachs bei Verminderung der Länge. 19-28 B, = © - -@- -@ Spannungszuwachs bei Vermehrung der Länge und Anfangsspannung. 28—32 B;, = -—e--e--e Spannungszuwachs bei Verminderung der Länge. Kurve C. C, 1-3, C, 4—10, C, 10—18, C, 20—28, C, 283—32. Physiologisch wird also vondem ganzen Verkürzungsweg des Gastroenemius nahezu der für den Spannungszuwachs günstigste Teilausgenutzt. Bei weiterer zunehmender Anfangslänge fällt die Kurve steil und dauernd ab. Der Spannungszuwachs zeigt also im Gegensatz zur Gesamtspannung nur einen höchsten Punkt, ein Maximum. Das Maximum des Spannungszuwachses bei der Entlastung des Muskels (Kurve D,) wird bei einer größeren Länge des Muskels gewonnen als das Maximum in B, und besitzt nicht die Höhe wie in Abschnitt B, des Versuchs. Im übrigen hat die Kurve B, einen ähnlichen Verlauf wie B,. Im 4. Teil des Versuchs ändert sich die Spannungszuwachskurve wesentlich, sie zieht anfangs neben der Kurve B,, 34* 514 OÖ. Beck: Die gesamte Kraftkurve des tetanisierten schneidet dieselbe dann bei Punkt 21, erreicht ein weit tiefer liegendes Maximum als in B, und B,. Das Spannungsmaximum liegt bei einer etwas kleineren Muskel- länge wiein B, und B,. Bei sehr starker Dehnung des Muskels sinkt der Spannungs- zuwachs immer mehr und mehr ab bis fast zur Nullinie (bei 28). Die Kurve B, zeigt (gegenüber der Kurve A,) ein Maximum, aber an einer sehr niedrig gelegenen Stelle. Jede spätere Kurve hat sich gegenüber der vorhergehenden ver- ändert und verflacht, in besonders hohem Maße die letzte, der eine sehr starke Anfangsspannung vorausging. Diese Erscheinung trat gleichartig in allen angestellten Versuchen ein. In Kurve II C (Abb. 5)ist die Anfangsspannung in gin der Rich- tung der Abszisse, derSpannungszuwachsin der Richtung der Ordi- nate eingeträgen. Das absolute Maximum des Spannungszuwachses liegt etwas höher als das Maximum bei der Dorsalflexion, beträgt ca. 1210 g, der Spannungszuwachs bei der Dorsalflexion im erhaltenen Gelenk vor der Sehnendurchschneidung ca. 1130 g, nach der Tenotomie aus der Dorsalflexion heraus etwa 1190 g, bei der Spitzfußstellung ca. 686 g. Wenn wir die oben erwähnten Versuchsfehler, die Nachdehnung des Muskels nach jedem isometrischen Tetanus, die Abhebung der Sehne nach der Durchschneidung vom Fußgelenk und die damit verbundene unvermeidliche, wenn auch geringe Änderung der Kraftrichtung und Muskellänge berücksichtigen und die Größe der Anfangsspannung zu- grunde legen, die der Muskel vor Durchschneidung der Sehne gehabt Tabelle I. Versuch: 7. III. 21. + 4A ln = Längenänderung über die natürliche Länge in mm. AS = Anfangsspannung in mm!). GS = Gesamtspannung in mm). Nr. |+4Inx10| Asx5 | G8x5 | Nr. +4 Inx10| ASx5 | 68x5 1 Spitzfußstellung | 0 0 63,0 18 38 0 83.0 2 R<-Stelluung | 27 3.5 | 110.0 19 | 33 0 67,0 3 Dorsalflexion | 50 85 | 143.0 20 26 0 52,5 4 Durchschneiden | 50 3.5 | 136,5 21 | 19 0 50,0 aus DFI. | 22 | 12 ) 49,0 5 | 63 4.0 ' 145,0 33 | 23 0,2 u 24755 6 76 13.0 | 150.0°$ 24 |: - 31 0 67,5 7. | 86 19:0, ,, MOD on A 0, 1,9155 8 "2.95 35.0: | 132.5 26 | 51 2,0 | 105,0 9 | 103.5 51,0 125.0 27: | 63 4,0 | 115,0 10 | 96 31.521108 07. 17 27 2 7a 90 1135 11 |» :91 92,5....1320.0 29 1.91... 9509..990 12 | 85 12.5. 13750,.30° 1%, 101 42,5 | 93,0 13 0.78 7.5 | 136.0 3 60,5 | 86.5 14 I 40 | 1315 | 32 | 122 87.0 100,0 15 Ian! 1 1481190190.0 33=3] 135 271123700128:0 16 3%) | 1,0 113.0 32] = 149201,:148°5, 31600 17 I 49. 1 ,0r81 109,0 !) Anmerkung. Gemessene Werte -der Kurve 1mm = 7,143 8. Froschgastrocnemius und ihr physiologisch ausgenutzter Anteil. 515 hat, dann kommt das Spannungsmaximum bei der Dorsalflexion noch näher an das absolute Spannungsmaximum heran. Bei Vermehrung der Anfangsspannung (Abb. 5 C) fällt der Spannungszuwachs stark ab. Die Spannungszuwachskurven bei der Entlastung C', und Wiederdehnung des Muskels ©, haben einen ähnlichen Verlauf wie die Kurven in den früheren Ver- suchen, in denen beim durchbluteten Muskel die Sehne beim Beginn des Ver- suches durchtrennt wurde; bei stärkster Dehnung geht der Spannungszuwachs fast bis auf O0 herab; bei Wiederentlastung nach der übermäßigen Dehnung erreicht der Muskel nur mehr einen ganz geringen Spannungszuwachs, dessen höchster Punkt tiefer liegt als der Spannungszuwachs bei der natürlichen Länge des frischen, unermüdeten und ungeschädigten Muskels und etwa die Hälfte desselben 350 g beträgt (bei 31). Die Kurven aller anderen Versuche haben einen ähnlichen Verlauf und weichen in keinem wesentlichen Punkt von dem beschriebenen Versuch ab. Von einem zweiten Versuch gebe ich die aus dem Versuch gewonnenen Werte in nebenstehender Tabelle 1 wieder. Die absolute Kraft des Gastroenemius. Die hier gewonnenen Kurven des ganzen Kraftablaufes des Muskels in ihrer Abhängigkeit von der Anfangslänge können dazu dienen, die absolute Kraft zu bestimmen. Es muß aber zunächst darauf ein- gegangen werden, was wir unter „absoluter Kraft‘“ verstehen wollen, denn die Ansichten gehen hierüber ziemlich weit auseinander, obwohl die Frage noch in neuerer Zeit wiederholt diskutiert worden ist. Der Begriff der „absoluten Muskelkraft‘‘ und die Bestimmung der- selben geht bekanntlich auf E. Weber!) zurück. E. Weber versteht darunter das Maß der größten Kraft bezogen auf den physiologischen Querschnitt. ‚Da die größte Kraft beim Beginne der Kontraktion vom Muskel ausgeübt wird, so ist das Maß seiner größten Kraft das Gewicht, das er durch seine Kontraktion gar nicht zu heben vermag, welches aber auch umgekehrt ihn nicht auszudehnen vermag. Dieses Maß der größten Kraft meint man, wenn man im allgemeinen vom Maße der Muskelkraft spricht.“ E. Weber?) wollte die absolute Kraft bei der „natürlichen Länge‘ bestimmen und nahm an, daß die Aufgabe auch in der Weise gelöst werden könnte, ‚wenn man das Gewicht findet, welches er (der Muskel), wenn er ausgedehnt war, bis zu dem- selben Gleichgewichtspunkte hebt‘, wo er dieselbe Länge wie im un- tätigen, nicht ausgedehnten Zustand, hat. Abgesehen von der Schwie- rigkeit, die natürliche Länge in der Weberschen Versuchsanordnung zu messen und abzugrenzen, erreicht der Muskel in gedehntem Zustand bis zu einer gewissen Anfangsspannung, wie sich aus meinen Versuchen ergibt, ein weit höheres Spannungsmaximum als bei seiner natürlichen Länge. 1) E. Weber, a. a. ©. S. 84. 2) E. Weber, a. a. O. S. 86. 516 OÖ. Beck: Die gesamte Kraftkurve des tetanisierten Am Menschen bestimmte E. Weber die absolute Kraft der Waden- muskulatur bei rechtwinkliger Stellung des Fußes und gestrecktem Kniegelenk. In dieser Stellung der beiden Gelenke hat aber die Waden- muskulatur sicher nicht ihre natürliche Länge; sie ist gedehnt. (Dasselbe gilt für die Bestimmungen, die einige andere Autoren an der Wadenmuskulatur, an den Armbeuger usw. angestellt haben.) Die meisten späteren Autoren haben sich Weber angeschlossen. So definiert ©. Ludwig!) als absolute Muskelkraft des ausgeschnittenen Muskels das Gewicht, das der gereizte Muskel, ohne sich zu verkürzen, tragen kann. ‚Die ganze zu dieser Zeit im Muskel entwickelte lebendige Kraft muß gerade mit dem Zug der Schwere im Gleichgewicht stehen, weil kein Anteil jener Kraft zur Formänderung verbraucht wird.‘ Ähnliche Definitionen finden sich in den Arbeiten und Lehrbüchern von A. Fick?), L.Hermann?), Tigerstedt®), Hoeber?°). VonRecklinghausent) bezeichnet gleichfalls neuerdings wieder als absolute Muskelkraft die Höchstkraft eines Muskels vom natürlichen Querschnitt I bei natürlicher Länge. Der Anschauung Recklinghausens, daß die absolute Muskelkraft jederzeit und für jeden Muskel den gleichen Wert hat, kann ich mich aus verschiedenen Gründen nicht anschließen. Wir wissen, daß die Kraft eines Muskels abhängt von mancherlei Einflüssen, deren Größe wir nicht bestimmen können. Selbst wenn wir immer gleiche und maximale Innervation voraussetzen, kommt es doch ganz darauf an, was mit dem Muskel vorher geschehen ist. Er- müdungseinflüsse, Änderungen im Ernährungszustand, reflektorische Einflüsse vor allem seitens der Antagonisten ergeben zweifellos beim gleichen Muskel in verschiedenen Versuchsperioden verschiedene maximale Spannungen. Noch unwahrscheinlicher ist die Annahme Recklinghausens, daß die absolute Muskel- kraft für jeden Muskel desselben Individuums den gleichen Wert hat. Wir wissen doch, daß die Muskeln aus roten und weißen Fasern aufgebaut und verschieden stark mit Bindegewebe und elastischen Fasern durchsetzt sind, so daß die Maximal- spannung nicht dieselbe sein kann. Dann kommt es doch auf die Übung an. Bei Muskeln, die häufig gebraucht und geübt werden, wird man eine größere absolute Kraft finden als bei ungeübten. (Vgl. z. B. die Angaben von Franke, l. c. S. 319 und 321.) Von anderen Forschern wurde der Begriff der absoluten Muskelkraft nicht in dem Sinne E. Webers aufgefaßt. So bezeichnet z. B. Feuerstein’) jede bei einzelnen Zuckungen erreichte Kraft (eben noch abgehobenes Gewicht) als absolute Kraft, das bei variierter Ausgangslänge erreichte Zuckungsmaximum als „maxi- male absolute Kraft“. Henke und Knorz?°) haben die absolute Muskelkraft am Menschen bei mittlerm Verkürzungsgrad und dann auch bei noch weiterer !) Carl Ludwig, Lehrb. d. Physiol. Bd. I, S. 464. 1858 ®) A. Fick, Compendium d. Physiol. Wien 1882. Derselbe, Myographische Versuche am lebenden Menschen. Pflügers Arch. f. d. ges. Physiol. 41, 176. 1887. ®) L. Hermann, Pflügers Arch. f. d. ges. Physol. %3, 430. 1898 und Lehrb. d. Physiol. 1910, S. 141. 4) R. Tigerstedt, Physiologie des Kreislaufes. S. 324. Leipzig 1921. 5) Hoeber, Lehrb. d. Physiol. 1920. 6) v: Recklinchausen, a..a. 0. Bd1,.S.11. ”) Feuerstein, a.a. O., S. 355. s) Henke und Knorz, a.a. 0. Froschgastroenemius und ihr physiologisch ausgenutzter Anteil. 517 extremer Verkürzung des Muskels berechnet. R. Fick!) will unter absoluter Muskelkraft, für die er einen neuen Namen, „Muskelkrafteinheit‘, prägt, die Spannungsgröße eines Quadratzentimeters Muskelsubstanz bei mittlerer Dehnung, d.h. bei mittlerer Stellung desübersprungenen Gelenks verstanden wissen, ohnenäher anzugeben, in welcher Stellung bei einem zweigelenkigen Muskel die beiden Gelenke sich befinden müssen, damit die mittlere Dehnung des Muskels erreicht wird. Die Muskelkrafteinheit sollnach R. Fic keinen Mittelwert für die verschiedenen bei der Muskeltätigkeit auftretenden Spannungen, durchaus nicht den Maximalwert dar- stellen. Das widerspricht doch wieder dem Begriff „absolut“. Und dann läßt sich das Maß der mittleren Dehnung des Muskels noch schwieriger festlegen wie die „natürliche Länge“ des Muskels. E. Weber hat unter absoluter Kraft die größte Kraft des Muskels gemeint, d.h. offenbar die größte Kraft, die der Muskel erreichen kann, was sich schon in dem Wort ‚absolut‘ ausdrückt. Wenn er bei der Be- stimmung von einer Länge ausgeht, welche annähernd der ungespannten Länge, also der ‚natürlichen Länge‘ entspricht, so beruht das wohl darauf, daß er irrtümlich annahm, daß bei dieser Länge die größte Kraft zu suchen sei. Ob diese Deutung nun zutreffend ist oder nicht, das ist jedenfalls sicher, daß die meist benutzte Definition der ab- soluten Muskelkraft dem Begriffe ‚absolut‘ nicht entspricht. Wichtig ist aber folgendes. Die natürliche, gerade ungespannte Länge des Muskels ist nicht genau festzulegen. Wie unsere Versuche zeigen, weist aber die Gesamtspannungskurve und die Kurve des Spannungszuwachses gerade in dem Gebiete, in dem die ‚‚natür- liche Länge“ liegen muß, ein außerordentlich starkes Ansteigen der Spannungswerte auf. Es ist z. B. ganz willkürlich, ob man in meiner Abb. 3, Kurve A, die natürliche Länge an den Punkt 4, oder weiter nach 3, oder weiter nach 5 zu legen will. Man könnte also der Berech- nung gerade so gut den Spannungswert von 500 g, 600 g wie den von 700 g zugrunde legen. Mit einem so unbestimmten Maße ist nichts anzu- fangen. Man muß weiter bedenken, daß es eine einigermaßen gut definierte ungespannte Länge nur bei quergestreiften Skelettmuskeln gibt, aber nicht bei glatten Muskeln, deren absolute Muskelkraft doch auch in Vergleich zu setzen ist. Überlegungen ähnlicher Art haben bereits O. Frank?) bewogen als absolute Kraft (für die Querschnittseinheit berechnet) das absoiute Spannungsmaximum einer isometrischen Kurvenschar zu nehmen. Eine ähnliche Definition hat in jüngster Zeit auch Fr. Franke?) ge- geben, und auch die von H.O.Reys?) weicht nicht sehr erheblich davon ab, wenngleich sie weniger präzise gefaßt ist. Aber auch diese Definitionen sind noch nicht ganz eindeutig. Wie ich gezeigt habe, DR. Fick, a.a. O., S. 297. ) ©. Frank, Zeitschr. f. Biol. 32, 382. 1895. RE aRrmamıkerrasa. 0: *) J. H. O. Reys, Pflügers Arch. f. d. ges. Physiol. 160, 195. 1915. vw o 518 O. Beck: Die gesamte Kraftkurve des tetanisierten nimmt die Gesamtspannung nach Erreichung eines Maximums wieder ab, um dann erneut zu einem viel höheren Wert fast geradlinig an- zusteigen. Dal hier ein zweites Maximum angestrebt wird, ist nicht sehr wahrscheinlich. Aber immerhin müßte man, wenn die Gesamt- spannung als Grundlage für die absolute Muskelkraft gewählt wird, den höchsten, erreichbaren Wert nehmen. In meinen Kurven ist stets ein deutliches (relatives) Maximum der Gesamtspannung vorhanden; dieses ist gut definiert und könnte als Grundlage dienen. Es ist aber denkbar, daß dieses nicht überall vorhanden ist und daß die Kurve bei manchen Muskeln ohne deutliches relatives Maximum ständig bis zum Zerreißen des Muskels ansteigt. Daher muß ein besser definierter Punkt zugrunde gelegt werden. Dieser ist gegeben in der Kurve des Spannungszuwachses. Der Spannungszuwachs (bezogen auf Anfangslänge Abb. 4 B oder An- fangsspannung Abb. 3B und 4C) weist nur eine höchste Erhebung auf. In der Regel wird auch allein der Spannungszuwachs physiologisch ausgenutzt werden können und damit ein physiologisches Interesse besitzen. Ich gebe daher folgende Definition: Die absolute Muskelkraft ist der maximale Spannungs- zuwachs, bezogen auf die Einheit des Muskelquerschnittes, welcher bei maximaler Erregung und günstigster Anfangs- länge erreicht wird. Bei dem hier allein untersuchten Gastrocnemius trifft das Maximum des Spannungszuwachses fast genau mit dem Maximum der Gesamtspannung zusammen. Da außerdem die Anfangs- spannung an diesem Punkt eine geringe ist, so kann mit hinreichender Annäherung in diesem Falle auch das relative Maximum der Gesamt- spannung für die Berechnung verwendet werden. Das wird aber. mög- licherweise nicht in allen Fällen zulässig sein. Um aus dem Maximum des Spannungszuwachses die absolute Kraft berechnen zu können, ist noch die Kenntnis des Muskelquerschnittes erforderlich, und zwar muß das Maximum des Spannungszuwachses auf den physiologischen Querschnitt bezogen werden, d.h. auf den Querschnitt aller im Muskel vorhandenen Fasern. Nur bei parallel- faserigen Muskeln genügt die Bestimmung des anatomischen Quer- schnittes. Bei dem verwickelten Bau des Gastrocnemius ist eine genaue Querschnittsberechnung bisher noch nicht gemacht worden. H. Gans hat unter der Leitung von von Frey!) am Froschgastrocnemius durch Auszählen der Fasern den physiologischen Querschnitt zu eruieren versucht, indem er unter Berücksichtigung des Ansatzwinkels der Fasern des Gastrocnemius die Zahl eines parallelfaserigen Muskels, des Sartorius verglich. Sehr überzeugend scheinen mir aber auch diese Berechnungen nicht zu sein. Sonst hat man sich im allgemeinen beim Gastrocnemius und anderen gefiederten Muskeln mit der Fest- stellung des anatomischen Querschnittes begnügt, der keine richtigen Resultate !) v. Frey, Handb. d. physiol. Methodik. II, 3, S. 109. 1908 und Sitzungsber. der Physik. med. Ges. Würzburg 1905, S. 33. Froschgastrocnemius und ihr physiologisch ausgenutzter Anteil. 519 liefert und kleiner ist als der physiologische Querschnitt (Hermann, R. Fick). E. Weber!) hat den Querschnitt aus dem Volumen des Muskels und der mittleren Faserlänge berechnet, eine Methode, die auch v. Recklinghausen?) empfiehlt. Das Volumen erhält man aus dem Gewicht des Muskels dividiert durch das spezifische Gewicht, das gleich 1,058 gefunden wurde. ‚Das Volumen in ccm dividiert durch die mittlere Faserlänge in cm gibt den Querschnitt des Muskels in gem‘ (E. Weber, S. 90). Bei einem Muskel, wie beim Gastrocnemius, oder sonstigen gefiederten Muskeln ist es aber unmöglich, auch nur annähernd die mittlere Faserlänge zu bestimmen. Die Methode, die E. Weber angewendet hat, an einzelnen Stellen des Muskels die Faserlänge zu messen und daracs dann den Mittelwert der Länge zu berechnen, ist nicht ausreichend. Die Fasern sind bei vielen Muskeln nicht parallel, sondern schräg verlaufend, sind oft durch Sehnen- züge unterbrochen und besitzen einen verschiedenen Gehalt von Bindegewebe, Fett und elastischen Fasern. Bei dieser Sachlage habe ich vorderhand von der Berechnung des physiologischen Querschnittes abgesehen und zunächst noch den ana- tomischen der Berechnung der absoluten Muskelkraft zugrunde gelegt. Sowie eine genaue Methode der Bestimmung des physiologischen Quer- schnittes vorliegt, sind die Werte leicht umzurechnen. Der anatomische Querschnitt wurde auf zweierlei Art bestimmt: An der Stelle der größten Muskeldicke habe ich zwei aufeinander senkrechte Durchmesser mit dem Zirkel abgemessen und daraus den Querschnitt berechnet. Um Kontroll- werte zu erhalten, habe ich den Muskel an der Stelle seines größten Umfanges mit einem scharfen Messer senkrecht durchtrennt, die Muskelquerschnittsfläche auf berußtem Papier abgedruckt und aus der erhaltenen planimetrischen Fläche den Querschnitt festgestellt. Die Anderung des Querschnitts durch die Dehnung auf die Länge, bei welcher das Maximum des Spannungszuwachses gefunden wird, ist so gering, daß sie gegenüber anderen Fehlerquellen unberücksichtigt bleiben kann. Außer der absoluten Muskelkraft habe ich die maximale Kraft aus dem Spannungszuwachs bei den physiologischen Gelenkstellungen be- rechnet, bei der Spitzfußstellung, in der der Muskel gerade noch ohne Dehnung war, bei der Stellung um 90° herum, und bei der extremen Dorsalflexion. Die maximale Kraft bei der Spitzfußstellung würde dann der Kraft bei der ‚natürlichen Länge‘ des Muskels ungefähr ent- sprechen, welche von E. Weber und den meisten Autoren als ‚‚absolute Kraft“ aufgefaßt wurde. In Tabelle II, S. 320, sind die berechneten Werte aus 11 Versuchen verzeichnet. Als Mittelwert für die ‚absolute Kraft‘ nach unserer Definition ergibt sich ein Wert von 1,83 kg für die ‚‚absolute Kraft‘, im Sinne der herkömmlichen Definition von 1,1kg. Die Unterschiede bei den ein- zelnen Tieren sind so erheblich, daß sie auf Versuchsfehlern nicht be- ruhen können. Es muß daher abgelehnt werden, daß die ‚absolute Kraft“ eine für die Tierart charakteristische Konstante ist. ETC SLSTE 2) A.a. ©. Ba.I, S: 90. 520 OÖ. Beck: Die gesamte Kraftkurve des tetanisierten Tabelle ll. | Länge | Gew. Maximum Maximale : R = Quer- .& AD SoTE Spannungszuwachs ae Versuchs | Mast] Anus. |Fehmitt | nun tete inabei ln | in in Am wachses in kg n Ta 1.DFI. 2.90°. 1921 mm g | aem | ing pro gem | DFI | 90° |Sp.-F.| 3, Sp.-F. 12:10. |. 95 107..|.05 | 1100 | 22. 1060940 650. 1. 21 N | 2. 1,88 | | 3.13 16. II... |. 25. 10,92 | 0,7 1.1280. | 1,83 |1100|850: 640: 1. 1.57 | | | | 2.19 | | 3. 0,91 18. II. | 30 | 095 | 0,56 | 1340 2,4 11160 |780| 530 | 1. 2,0 | | | 2. 1,38 | | 3. 0,94 22.IL "| 25 | 0935| .07 | 1210. | 173.:11180).900.|:686:]° 1. 1,69 | | 2. 1,29 | | | 3. 0,98 93. H. 25 | 0,79%| 056 940 | 1,565 | 94101790 1.520 | 1. 1,66 Versuch I || | | 2. 1,4 | | 3. 0,9 23.18. , |, 94 1065-1, 0,53 | 1030. | 1.9422] .900.8301.720. 12°. 1.7 Versuch IL | 2.- 1,56 | 3. 1,35 24. I. | 22 1059 | 0,44| 790 1,8 1. 111212232 40.85. 1.0,49 1,930 1,89 Versuch I 1. II. 13:26 8.0,90° 0.7485 °900 1,20 Versuch II 7:11. .|..26: |.0,7:|:056 |. 980 1,755 | 950|740| 640 | 1. 1,68 | | 9.163 | 3. 1,14 14.11. % 0 225.5..0,7 0,57. | 1000 |. 1,05%1.10001 96042712.) 1° 1.07 | | | | 2. 1,69 | 3. 1,25 Verkürzungsgröße des Gastroenemius. Der Verkürzungsweg, den der Gastrocnemius des Frosches beim Übergang von der Dorsalflexion zur Spitzfußstellung durchläuft, ist verhältnismäßig gering. Er beträgt in dem ausgewerteten Versuch Abb. 5, IE A oder IIB 3,5 mm, er ist gleich der Längenänderung von der Spitzfußstellung (1) bis zur Dorsalflexion (3) und ist auf der Abszissen- achse aufgetragen. Da das in den Hauptversuchen angewandte Ver- fahren der Messung der Muskelverkürzung ziemlich ungenau war, habe ich versucht, auf anderem Wege bessere Werte zu finden. Als erster hat E. Weber!) die Größe der Verkürzung des Muskels bei ver- schiedenen Graden von Spannung zu messen versucht, indem er die M. hyoglossi !) E. Weber, a. a. O. 8. 69. Froschgastrocnemius und ihr physiologisch ausgenutzter Anteil. 521 des Frosches an einem Ende befestigte und am anderen Ende eine Wagschale mit Gewichten anhing. Dicht neben dem Muskel war eine Millimeterteilung senkrecht angeordnet und ein Kokonfaden durch den Muskel hindurchgeführt und nach beiden Seiten horizontal und geradlinig ausgespannt. Der vor der Skala vorbei- ziehende, geschwärzte Faden stieg mit dem Muskel auf und ab und diente als Indicator. Die Bewegung des Fadens an der Skala wurde mit einem Fernrohr beobachtet und zeigte die Änderungen der Muskellänge bei der Tätigkeit und in der Ruhe bis auf !/) mm an. A. Fick hat eine Methode zur Messung der Verkürzung am skelettierten Unterschenkel angegeben, die später von Braune und O. Fischer, von Lydie v. Besser und Mollier, Steinhausen und R. Fick!) angewandt und von dem letzteren Autor ausführlich beschrieben ist. Die Muskeln werden abgeschnitten, in die Sehnenstümpfe wird ein kräftiger Faden befestigt, der durch eine in der Mitte des Ursprungsfeldes des Muskels ange- brachte Öse geführt und durch ein kleines Gewicht in Spannung gehalten wird. Das Gewicht geht an einem Maßstab vorbei und zeigt bei Bewegungen des Fußes die Längenänderungen am Maßstab an. Ich habe mit einem ähnlichen Verfahren die Verkürzungsgröße zu messen versucht. Die Verkürzung wurde aber nicht an einem Maß- stab abgelesen, da mir diese Methode bei so geringen Verkürzungen, wie sie beim Froschgastrocnemius stattfinden, etwas zu ungenau er- schien. Die Verkürzung wurde aneiner Registriertrommel in stark vergrößertem Maßstabe aufge- schrieben und aus den erhaltenen Kurven die wirkliche Verkürzungs- sröße berechnet. Abb. 6 gibt eine schematische Darstellung der Ver- suchsanordnung. An einem Stativ ist eine Knochen- klemme befestigt, die den skelettierten Unterschenkel fest umgreift, außerdem ist ein Halbkreis mit Winkelteilung am Stativ angebracht; der Drehpunkt der Fußgelenkachse ist im Mittelpunkt des Halbkreises zentriert. An dem erhal- tenen Stumpf der Achillessehne ist ein langes Metallhäkchen eingehakt, das mit dem oberen umgebogenen Ende in eine Öse des Schreibhebels eingreift. Die Öse ist von dem Drehpunkt des Hebels 9 mm, die Spitze des Schreibhebels 133 mm entfernt. Der Schreibhebel wird anfangs so eingestellt, daß er bei Spitzfußstellung (180°) horizontal steht. Wird jetzt passiv die Froschpfote in dorsalflektierende Richtung geführt, so hebt sich die Spitze des Schreibhebels entsprechend der Winkelgröße und zeichnet an der Trommel die Längenänderungen in starker Vergrößerung auf, aus der leicht die wirklichen Verkürzungen zu berechnen sind. In Tabelle III auf S. 522 sind die Resultate einiger Versuche ver- zeichnet. !) R. Fick, a. a. ©. Bd. II, S. 304 (hier weitere Literaturangaben). ai ID IV O0. Beck: Die gesamte Kraftkurve des tetanisierten Tabelle III. Datum des a ee Gr Versuches Muskels in | größe in Versuches | Muskels | in | größe in 1921 in mm Grad | mm 1921 | in mm | Grad mm Tas a 22. 1. RE 150 | 0,81 150 0,95 130222215 120 1.79 90° | 2,84 90 3,0 | 7102.1003°37 | 70 3,8 16.110 20 :25:5 SO 220% 25,4 150 | 0,9 Messung Ne) 3,8 120: |. 1.72 rückläufig | 90 2,8 90 3,0 wiederholt | | 120 1,69 1001.38 | | 170 = 16a an 2bar 700 3:8 kdrl. 0.26.10 1708 1 0 Versuch rück-, 90,721 73,05 1 222 1215087 190164 läufig wieder- 120.) 1,75 I: 130 ll hot | | 150 | 0,98 | 90 2,75 | ' 180 I 60 3,87 1:81: 25,4 | 15 ı — | 150. |. 0,81 130 1135) 907772184 A) 3.37 | Die in der Tabelle III erhaltenen Werte geben eine recht gute Übereinstimmung mit den Verkürzungswerten, die ich in den vorher beschriebenen Versuchen innerhalb des Bereiches der physiologischen Gelenkstellungen gefunden habe. Die Werte liegen etwa zwischen 3,4 und 3,9 mm. Vergleicht man damit die größtmögliche Verkürzung des Muskels nach Durchtrennung der Endsehne (von der größten physio- logischen Länge aus gerechnet), die etwa zwischen 9 und llmm schwankt, so kommt man zu dem Resultat, daß nur ein kleiner Teil der Hubhöhe, wenig mehr als ein Drittel, physiologisch ausgenützt wird. Der kraftlose Endteil bleibt unbenutzt. Zur Faserlänge konnten die physiologischen Verkürzungen nicht in Beziehung gesetzt werden, da die mittleren Faserlängen nicht bekannt sind. Als Länge der Muskeln sind in der Tabelle die Längen des gesamten muskulösen Teils angegeben. Zusammenfassung und Diskussion der Ergebnisse. Diehöchste Gesamtspannung und der größte Spannungs- zuwachs innerhalb der physiologischen Gelenkbewegung wird bei der indirekten tetanischen Erregung des Froschgastrocnemius bei der Dorsalflexion des Fußes und bei fast gestrecktem Knie- gelenk erreicht, also bei der Beinstellung, bei welcher der Muskel die Froschgastroenemius und ihr physiologisch ausgenutzter Anteil. 523 größte physiologische Dehnung besitzt. Nach Durchschneidung der Sehne wird bei einer noch etwas höheren Anfangsspannung, als sie bei der Dorsalflexion vorhanden ist, ein relatives Maximum der ‘esamtspannungunddasabsoluteMaximumdesSpannungs- zuwachses erhalten, von dem aus bei weiterer Dehnung bzw. weiterer Zunahme der Anfangsspannung ein deutlicher Abfall erfolgt. Die Kurve der Gesamtspannung durchläuft bei weiterer Dehnung ein Minimum, um später wieder steil anzusteigen. Im Gegensatz hierzu fällt die Kurve des Spannungszuwachses nach Über- schreitung ihres Maximums, das annähernd bei derselben Anfangs- spannung wie das Maximum der Gesamtspannung liest, dauernd ab und nähert sich schließlich bei stärkster Dehnung dem Nullpunkt. Der zweite Anstieg in der Gesamtspannungskurve erfolgt durch die sehr stark zunehmende Anfangsspannung; die einzelnen Kurvenpunkte der Gesamtspannung und der Anfangsspannung nähern sich immer mehr. Der höchste Wert der Gesamtspannung wurde in keinem der Versuche erreicht, weil jedesmal, wenn er angestrebt wurde, der Muskel bei sehr starker Dehnung an einem Punkte der Kurve zerriß, wo er noch bei der Kontraktion geringen Spannungszuwachs entwickelt hätte. Das Maximum des Spannungszuwachses wurde in den meisten Versuchen bei einer etwas geringeren Länge bzw. Anfangsspannung erhalten als das Maximum der Gesamtspannung, in einigen Versuchen bei derselben Länge, nie bei einer größeren. Wenn wir die bereits oben erwähnten Nachdehnungen des Muskels nach dem isometrischen Tetanus und die unvermeidliche, nicht genau meßbare Längenänderung nach der Durchschneidung der Sehne be- rücksichtigen und die Anfangsspannung in Rechnung stellen, die der Muskel vor der Tenotomie bei der Dorsalflexion hatte, so ergibt sich aus den Versuchen, daß der höchste physiologisch erreichbare Spannungszuwachs mit dem absoluten Maximum zusam- menfällt oder wenigstens ganz nahe an die Höhe desselben heranreicht. Dementsprechend kommt auch das physiologische Maximum der Ge- samtspannung bei der Dorsalflexion in die Nähe des relativen Maxi- mums der Gesamtspannung zu liegen. Das trifft aber nur zu, wenn das Kniegelenk fast gestreckt ist, wodurch der Gastrocnemius bei Dorsal- flexion des Fußes eine nicht unbeträchtliche Anfangsspannung erhält. Bei gebeugtem Kniegelenk ist der Gastrocnemius bei Dorsalflexion des Fußes fast entspannt, so daß der Frosch in Hockstellung ohne be- sondere Anspannung des Tibialis anticus den Fuß in Dorsalflexion halten kann. Bei der Spitzfußstellung ist auch bei fast gestrecktem Kniegelenk gerade keine Anfangsspannung vorhanden; der Muskel hat also in dieser Stellung seine sogenannte „natürliche Länge“. 524 O0. Beck: Die gesamte Kraftkurve des tetanisierten Die „natürliche Länge“ ist die Länge im deformations- losen Zustand. Sie ist zwar, wie auseinandergesetzt wurde, theo- retisch genau definierbar, aber in der Praxis nicht genau festzulegen (Nachdehnung, tonische Erregungen bei erhaltener Innervation usw.). Hierdurch wird das von A. Fick gefundene Gesetz, daß mit wachsen- der Länge über die natürliche Länge hinaus in einem kleinen Bereich ein verhältnismäßig hohes Spannungsmaximum bei der isometrischen Zuckung gewonnen wird, das dann bei größerer Längenzunahme und folgeweise der Anfangsspannung wieder abnimmt, im isometrischen Tetanus für den ausgeschnittenen und für den durchbluteten Muskel innerhalb des tierischen Körpers bestätigt. Es wird aber für den Tetanus dahin erweitert, daß bei stärkerer Dehnung ein abermaliges Ansteigen der Gesamtspannung erfolgt und daß selbst bei stärkster Dehnung des Muskels bei der Kontraktion noch eine geringe Spannungsentwicklung auftritt. Außerdem wird in meinen Versuchen für den physiologischen Gelenkbereich nachgewiesen, daß mit zunehmender Länge von der „natürlichen Länge‘ aus, die ungefähr bei Spitzfußstellung liest, Ge- samtspannung und Spannungszunahme ansteigt, um bei der Dorsal- flexion, wo die Länge und die Anfangsspannung physiologisch am größten ist, einen höchsten Wert zu erreichen. Fr. Franke!) hat in seinen Versuchen am lebenden Menschen für den Triceps, Biceps und Brachialis gefunden, daß das Maximum der Kraft nicht bei der größten physiologischen Länge zu liegen scheint, sondern bereits vorher überschritten wird, also bei einem — allerdings nicht um viel — geringeren Verkürzungsgrad gelegen ist. Die Aus- nutzung des möglichen Verkürzungsweges scheint bei diesen Muskeln wesentlich größer zu sein als beim Froschgastrocnemius und es scheint hier, im Gegensatz zum Froschgastrocnemius, das Maximum des Span- nungszuwachses noch innerhalb des physiologisch ausgenutzten Teiles der Kraftkurve zu liegen. Feuerstein?) hat in seinen Versuchen bei Anfangsspannungen von 600 bis 800 g bei der Zuckung des Muskels noch ein Ansteigen der Kraftentwicklung beobachtet. Ich habe bei derartig hohen Anfangsspannungen bereits eine wesent- liche Abnahme der Maxima beobachtet oder schon ein erneutes Ansteigen. A. Fick?) hat die Maxima der Gesamtspannung bei der isometri- schen Zuckung für die verschiedenen Ausgangslängen miteinander verbunden und so eine „Dehnungskurve des tätigen Muskels‘ kon- struiert. Diese Kurve gibt die graphische Darstellung des gesetzmäßigen Zusammenhanges zwischen Länge und Spannung des gereizten Muskels. Von Recklinghausen) gebraucht dafür die Bezeichnung ‚Längen- IE. Franker 1..c. 2) Feuerstein, |. c. 3) A. Fick, l. c. *) v. Recklinghausen, a. a. O. Bd. 1, 8. 8. Froschgastrocnemius und ihr physiologisch ausgenutzter Anteil. 525 spannungskurve des tätigen Muskels“ und vermeidet es, über die Deh- nungskurve des tätigen Muskels etwas auszusagen. Daß die Längen- spannungskurve (während der Erregung) wirklich der Dehnungskurve des gereizten Muskels entspricht, wie A. Fick annimmt, ist nur dann richtig, wenn der Muskel über keine Sperrmechanismen verfügt. Ob solche vorhanden sind, soll in einer späteren Arbeit untersucht werden. Von Recklinghausen gibt an, daß für jeden Innervationsgral eine eigene Längenspannungskurve existiere, die bei stärkster Innervation durch eine gerade Linie dargestellt würde. Diese Annahme, daß zwischen Spannung und Länge in einem gewissen Bereich Proportionalität be- steht, konnte ich in meinen Versuchen für die physiologische Gelenk- exkursion nur annähernd bestätigen; vollkommen gestört wird die Proportionalität der Gesamtspannung und des Spannungszuwachses bei geringerer Länge, als die natürliche ist, und bei stärkerer Dehnung, als sie der Muskel physiologisch erfährt. Gesamtspannung und Spannungszuwachs sind zwar Funktionen der Länge des Muskels, aber nur bei geringen Anfangsspannungen besteht eine annähernde Proportionalität. Bei hohen Anfangsspannungen werden die Berechnungen sehr kompliziert. Anders verhält es sich mit der Gesamtenergie, die der Muskel bei der Erregung entwickelt. Versuche von A. V. Hill!) und Evans haben im ganzen die bereits in den Grundzügen von M. Blix gefundenen Tatsachen, daß die bei der Muskeltätigkeit entwickelte Gesamtenergie, also Wärmeentwicklung und mechanische Arbeit der Anfangslänge des Muskels vor dem iso- metrischen Tetanus in gewissen Grenzen annähernd proportional ist, bestätigt und erweitert. Ebenso hat Rohde?) die Ansicht O. Franks bestätigt gefunden, daß, je größer die Ausgangslänge bzw. Anfangs- spannung des Muskels ist, desto größer die Gesamtenergie ist. Schließ- lich betont E. Starling®), daß ‚die Energie der Kontraktion, an welcher Muskelsubstanz sie auch gemessen wird, eine Funktion der Länge der Faser ist“. Im tierischen Körper wird die mögliche Kraftentwicklung des Muskels nur auf einer verhältnismäßig kurzen Strecke ausgenutzt. Der Muskel vermag sowohl bei einer kleineren Länge als der geringsten, im Körper vorkommenden, und bei einer weit größeren Dehnung (An- fangsspannung) als der physiologischen noch ganz bemerkenswerte Spannung zu entwickeln. Bei vollkommener Erschlaffung und Fältelung des Muskels entsteht bei der Kontraktion noch Kraft, die in dem natür- lichen Geschehen nicht zur äußeren Arbeit verwendet werden kann, da 1) A. V. Hill, Die Beziehungen zwischen der Wärmebildung und den im Muskel stattfindenden chemischen Prozessen. Ergebn. d. Phys. 15, 428. 1916. ?2) Rohde, Arch. f. experim. Pathol. u. Pharmakol. 68, 401. 1912. 3) E. Starling, Das Gesetz der Herzarbeit. Bern 1920. 526 0©.Beck: Die gesamte Kraftkurve des tetanisierten Froschgastrocnemius usw. entweder der Gelenkmechanismus die Ausnutzung verhindert oder die entwickelte Kraft nicht hinreicht, die Antagonisten über das physio- logische Maß hinaus zu dehnen. Beim Froschgastrocnemius wird etwa nur ein Viertel bis ein Fünftel des ganzen möglichen Verkürzungsweges ausgenutzt und nur etwas mehralsein Drittel des Verkürzungsweges, der zwischen der Länge des größten Spannungszuwachses und der geringsten Länge gelegen ist. Die Kurve der Anfangsspannung verläuft zuerst ziemlich flach gegen die Abszissenachse, um dann ohne einen deutlichen Knick steil an- zusteigen. Die steilere Richtung der Kurve beginnt bei meinen Ver- suchen bei einer etwas geringeren Anfangsspannung, als sie der Muskel bei der Dorsaltlexion besitzt. Die Annahme von Recklinghausens!), daß die Kurve der Anfangsspannung bei durchschnittenem Nerven aus zwei Teilstücken besteht, findet in meinen Versuchen insofern eine Be- stätigung, als sich die Kurve aus einem flach verlaufenden und einem steil ansteigenden Teil zusammensetzt; dagegen kann ich mich der Anschauung von Recklinghausens nicht anschließen, daß der Über- gang durch einen scharfen Knick abgegrenzt ist. Bei erhaltenem Nervensystem glaubt von Recklinghausen sogar drei Teilstücke der Kurve, die sich deutlich voneinander trennen, annehmen zu müssen, von denen das zweite Teilstück auf einer tonischen Erregung des Nerven beruhe. — Die Kurve der Anfangsspannung, welche einer Entlastung des Muskels entspricht, fällt in meinen Versuchen immer etwas unter- halb der Kurve, die vorher aus der fortschreitenden Dehnung des Muskels erhalten wurde (Nachdehnung). Aus dem Maximum des Spannungszuwachses läßt sich die absolute Muskelkraft berechnen, für die folgende Definition gegeben wird: Die absolute Muskelkraft ist der maximale Spannungszuwachs bezogen auf die Einheit des Muskelquerschnittes, welcher bei maximaler Erregung und günstigster Anfangslänge erhalten wırd. In 11 Versuchen wurde „die absolute Kraft‘ des Gastrocenemius des Frosches im Mittel zu 1,83kg pro Quadratzentimeter des anatomischen Quer- schnittes berechnet. Für die größte Kraft bei der ‚natürlichen. Länge‘ (meist gebrauchte Definition der ‚absoluten Muskelkraft‘‘) ergab sich im Mittel aus S Bestimmungen ein Wert von 1,1 kg pro Quadratzenti- meter. Herrn Professor Bethe sage ich den herzlichsten Dank für die vielfache Anregung und das große Interesse, das er mir bei der Aus- führung und Ausarbeitung der Versuche stets entgegenbrachte. ‘)H. v. Recklinghausen, Gliedermechanik 1, 10. Die Wirkung des Kohlensäurebades beim Gesunden nebst Be- merkungen über den Einfluß des Hochgebirges. Von G. Liljestrand und R. Magnus. Mit 2 Textabbilduneen. (Eingegangen am 26. Oktober 1921.) Inhalt: I. Einleitung (S. 527). ı 1V. Verhalten der Körpertemperatur II. Methodik (S. 529). | (S. 540). III. Der respiratorische Gaswechsel | V. Änderungen des Kreislaufs (S. 548). (S. 534). VI. Zusammenfassung (S. 552). | VII. Anhang (S. 553). 1. Einleitung. Von Senator!), Loewy?), Johansson?) und anderen ist gezeigt worden, daß die chemische Wärmeregulation beim Menschen bei Ab- kühlung an das Auftreten von Muskelzittern und Muskelbewegungen gebunden ist, und daß sie ausbleibt, wenn man alle Muskelbewegungen unterdrückt. Indessen dürfte die Möglichkeit einer chemischen Wärme- regulation ohne Muskelbewegungen nicht gänzlich von der Hand ge- wiesen werden können und wird in der Literatur immer noch lebhaft diskutiert. So behaupten Freund und seine Mitarbeiter, eine solche Regulation beim Kaninchen nachgewiesen zu haben, indem einerseits eine gewisse chemische Regulation auch nach hoher Brustmarkdurch- schneidung bestehen blieb [Freund und Grafe®)], andererseits beim curarisierten Tier Fieber ohne Erhöhung der umgebenden Temperatur erzeugt werden konnte [Freund und Schlagintweit’). In dem !) H. Senator, Untersuchungen über die Wärmebildung und den Stoff- wechsel. Virchows Arch. f. pathol. Anat. u. Physiol. 1872, S.1. 2) A. Loewy, Über den Einfluß der Abkühlung auf den Gaswechsel des Menschen. Pflügers Arch. f. d. ges. Physiol. 46, 139. 1890. 3) J. E. Johansson, Über den Einfluß der Temperatur in der Umgebung auf die Kohlensäureabgabe des menschlichen Körpers. Skandinav. Arch. f. Physiol. 2123201897. *)H. Freund und E. Grafe, Untersuchungen über den nervösen Mechanismus der Wärmeregulation. Arch. f. exp. Pathol. u. Pharmakol. %0, 135. 1912. 5) H. Freund und E. Schlagintweit, Über die Wärmeregulation curari- sierter Tiere. Arch. f. exp. Pathol. u. Pharmakol. %%, 258. 1914. Pflügers Archiv f. d. ges. Physiol. Bd. 193. 35 528 G.Liljestrand u. R. Magnus: Wirkung des Kohlensäurebades beim Gesunden erstgenannten Falle aber sind Muskelbewegungen nicht ausgeschlossen, in dem letzteren ist es nicht bewiesen, daß es sich überhaupt um che- mische Regulation handelt. Es schien uns nun von Interesse, beim Menschen den Gaswechsel unter Verhältnissen zu bestimmen, die als besonders günstig für das Auftreten einer chemischen Wärmeregulation ohne Muskelbewegungen betrachtet werden können [vgl. auch Lusk!)]. Wir sind hierfür von folgender Überlegung ausgegangen: Bekannt- lich tritt im kühlen kohlensauren Bade eine Erweiterung der Hautgefäße auf, wobei der Badende sich subjektiv warm fühlt, aber trotzdem ziemlich viel Wärme an das Wasser abgibt. Muskelzittern tritt nicht ein, so daß also im kühlen Kohlensäurebad die physikalische Wärme- regulation durch die Haut wenigstens teilweise und die chemische Wärmeregulation durch Muskelbewegungen vollständig ausgeschaltet wird. Es dürften daher sehr günstige Bedingungen für das Zustande- kommen einer chemischen Wärmeregulation ohne Muskelbewegungen vorliegen, und da wir über das Bestehen einer solchen verschiedener Meinung waren, beschlossen wir, die Frage gemeinsam experimentell zu untersuchen. Da dem einen von uns von früher her bekannt war, daß die kohlen- sauren Bäder in St. Moritz eine lebhafte Hautröte hervorrufen, und daß man in ihnen sich noch bei Badetemperaturen unterhalb der Kör- pertemperatur behaglich warm fühlt ohne zu zittern, wählten wir als Ort für unsere Untersuchungen Bad St. Moritz. Für unsere Zwecke war von Vorteil, daß dort vor kurzem eine klimatisch-balneologische Station errichtet worden war. Wir sprechen dem St. Moritzer Kur- verein, der uns diese Arbeitsmöglichkeit in freundlichster Weise zur Verfügung stellte, und dem ärztlichen Leiter derselben, Herrn Dr. med. St. Hediger, der uns während der ganzen Dauer der Untersuchung in jeder Weise gefördert hat, unseren besten Dank aus. Bad St. Moritz liest 1770 m über dem Meere, der Barometerstand betrug während unseres Aufenthaltes vom 10. VII. bis 10. VIII. 1921 615 bis 620 mm, die Temperatur ging nachts bis auf + 8° C herunter und stieg in diesem heißen Sommer meist am Tage bis 20 —25° im Schatten. Während der ganzen Zeit herrschte fast ausnahmslos sonniges Wetter. Die Kohlensäurebäder werden von einer Quelle von 9° C gespeist, welche bei dieser Temperatur im Liter 1225 ccm freie Kohlensäure (auf 0°, 760 mm und Trockenheit reduziert) enthält. Das Badewasser wird durch ein Röhrensystem erhitzt, durch welches Dampf strömt. Ein Bad von 33° enthält, ehe der Badende einsteigt, etwa 680—730 cem 0O,, und der Gehalt nimmt während eines dreiviertelstündigen Bades um etwa 10% ab. Wir verdanken diese Angaben Herrn Dr. Hediger. 1) G. Lusk, The elements of the science of nutrition, 3!"4 ed. Philad. 1919; Kap. Temperaturregulierung. nebst Bemerkungen über den Einfluß des Fochgebirges. 529 Der Körper bedeckt sich unmittelbar nach dem Einsteigen mit einer dichten Lage von Gasblasen, die sich auffallend lange auf der Haut halten. Der Gasverlust der Bäder in St. Moritz ist denn auch ein sehr geringer, und da die Badezellen gut ventiliert sind, ist der Kohlensäure- gehalt der Luft über dem Wasserspiegel ein überraschend niedriger. Während nach den Angaben von v.d. Heide!) der Kohlensäuregehalt der Luft über künstlichen Kohlensäurebädern in 30 Minuten von 1,5—6,5% auf 11,85 — 24,2%, steigt und über den natürlichen Kohlen- säurebädern in Ems und Altheide in derselben Zeit von 0,21 —0,75 auf 2,09—2,19% in die Höhe geht, war der Kohlensäuregehalt der Luft über einem St. Moritzer Bad von 33° bis 30,5° nach 4 Minuten 0,32%, nach 25 Minuten 0,16%, und nach 42 Minuten 0,05%, alles in Mund- höhe. Der Prozentgehalt der Außenluft betrug wie gewöhnlich 0,04. Unmittelbar nach dem Einsteigen in das Bad von etwa 33° tritt ein ausgesprochenes Wärmegefühl auf, und die Hautröte wird nach 20 Sekunden bis 5 Minuten deutlich. In Bädern von 29° ist dagegen bereits deutliches Kältegefühl vorhanden, das in eigenartiger Weise mit gleichzeitig vorhandenem Wärmegefühl kontrastiert, indem, wenn srößere Gasblasen entweichen, Kältegefühl, an anderen Stellen gleich- zeitig Wärmegefühl besteht. Im allgemeinen haben wir für unsere Zwecke eine Anfangstemperatur von 33° als die günstigste gefunden. Diese ging im Laufe eines dreiviertelstündigen Bades meistens um 1° bis 1,5° herunter. II. Methodik. Wir haben alle Versuche an uns selber angestellt: R. M., 47 Jahre, 1,60 m lang, Anfangsgewicht am 13. VII. 71,9 kg, am 2. VIII. 71,5 kg, mit deutlichem Fettpolster, körperlich gesund. — G. L., 35 Jahre, 1,66 m lang, Anfangsgewicht am 16. VII. 60,5 kg, am 2. VIII. 61,3 kg, mager, körperlich gesund. Wir haben während dieser Zeit an den freien Nachmittagen und den Sonntagen Spaziergänge und kleinere Bergtouren mit Steigungen bis zu 1300 m bei schönem, sonnigen Wetter mit starker Strahlung ausgeführt und sind während unseres Aufenthaltes beide an Gesicht und Händen stark gebräunt worden. Für G. L. waren aus früheren Versuchen ?2)—5) bekannt: der Gaswechsel im Tiefland in der Ruhe und bei verschiedenen sportlichen Betätigungen, die alveolare !) R. v. d. Heide, Über den Kohlensäuregehalt verschiedener Formen natür- licher und künstlicher Kohlensäurebäder und der darüber lagernden Luftschichten. Veröff. d. Zentralstelle f. Balneologie. I. Heft. S. 14. ?)G. Liljestrand und N. Stenström, Studien über die Physiologie des Schwimmens. Skandinav. Arch. f. Physiol. 39, 1. 1919. 3) Dieselben, Respirationsversuche beim Gehen, Laufen, Ski- und Schlitt- schuhlaufen. Ibid. 39, 167. 1920. *)G. Liljestrand und J. Lindhard, Zur Physiologie desRuderns. Skandinav. Arch. f. Physiol. 39, 215. 1920. >) G. Liljestrand und N. Stenström, Wirkung von Massage und passiven Bewegungen auf Gaswechsel und Minutenvolumen des Herzens. Skandinav. Arch. f. Physiol. (erscheint demnächst) 42. 1922. 35* 530 G.Liljestrand u. R. Maenus: Wirkun® des Kohlensäurebades beim Gesunden Kohlensäurespannung, das Minutenvolumen des Herzens bei Ruhe und Arbeit, der schädliche Raum der Atmungswege!), die Kurve der CO,-Bindung des Blutes bei wechselnder CO,-Spannung ?). Für R. M. waren diese Daten nicht festgestellt. Wir verfügen also für die eine Versuchsperson über ein sehr ausgedehntes, genau festgestelltes Zahlenmaterial, das als Basis für unsere Schlußfolgerungen dienen kann. i Mit wenigen Ausnahmen (die Ausnahmen betreffen einige Versuche, wo nur Temperaturmessungen ausgeführt wurden) wurden sämtliche Versuche des Morgens nach dem Erwachen in nüchternem Zustande vorgenommen. Die Versuchsperson begab sich ausihrem Zimmer direkt nach dem im gleichen Gebäude befindlichen Laboratorium und machte zunächst eine dreiviertelstündige Vorperiode bei völliger Muskelruhe auf einer Ruhebank durch. Es sind also sämtliche Versuche unter sog. Standardbedingungen ?) (Muskelruhe, Nüchternheit) ausgeführt. Zur Bestimmung des Gaswechsels atmete die Versuchsperson, mit Nasen- klemme versehen, durch ein Mundstück und ein Lovenventil mit einem schädlichen Raum von insgesamt 30 ccm Frischluft ein, welche durch einen weiten Gummi- schlauch von außen durch das Fenster zugeleitet wurde. Die Ausatmungs- luft ging zunächst durch ein Bohrsches Mischgefäß?) von 31 Inhalt und von da durch eine trockene Gasuhr. Unmittelbar vor der Gasuhr wurde die Temperatur der Atemluft gemessen. Die ursprüngliche Gasuhr stammte ebenso wie alle anderen benutzten Apparate aus dem Stockholmer physiologischen Institut und war genau geeicht. Sie wurde während des Verlaufs der Untersuchungen leck und mußte daher durch eine Züricher Gasuhr ersetzt werden, welche wir mit Hilfe des mitgebrachten Spirometers eichten. Die Ablesungen auf der ersten Gasuhr konnten mit einer Genauigkeit von 40 cem, auf der zweiten von 200 ccm ausgeführt werden. In denjenigen Versuchen, in welchen gleichzeitig die Kreislaufsgröße bestimmt wurde, war zwischen Mundstück und Lovenventil ein Dreiwgehahn nach Krogh eingeschaltet, wodurch der schädliche Raum des Ventils auf 70 ccm wuchs. Nachdem die Versuchsperson mindestens 10 Minuten, meist länger, durch die Ventile und die Gasuhr geatmet hatte, begann der eigentliche Respirations- versuch, in welchem während einer mit der Stoppuhr bestimmten Zeit, die stets etwas über 5 Minuten betrug, die Menge der durch die Gasuhr strömenden Luft gemessen wurde. Gleichzeitig wurde alle 20 Sekunden aus dem Bohrschen Misch- gefäß durch ein feines capillares Bleirohr eine kleine Luftmenge in eine mit Queck- silber gefüllte Gaspipette abgesogen, so daß am Ende der fünfminutigen Periode die Pipette eine Durchschnittsmischprobe der Exspirationsluft enthielt. Die Gasentnahme begann und endete jeweils 20 Sekunden nach der Ablesung der Gasuhr, weil etwa so lange Zeit für den Weg vom Mischgefäß zur Gasuhr in Rech- nung gebracht werden muß. Am Anfang und Ende der Periode wird die Luft- temperatur an der Gasuhr abgelesen. Die Versuchsperson zählte während der Versuche selbst die Atemfrequenz. In der Mehrzahl der Fälle haben wir unmittelbar 1) G. Liljestrand, Über die Größe der Kohlensäureabgabe bei Verminderung des Kohlensäurepartiardruckes in den Alveolen. Skandinav. Arch. f. Physiol. 33, 154. 1916. ®) A. Krogh und G. Liljestrand, Eine Mikromethode zur Bestimmung der Kohlensäure des Blutes. Biochem. Zeitschr. 104, 300. 1920. ®) A. Krogh, The respiratory exchange in animals and man in Monographs on biochemistry. London 1916. *) G. Liljestrand, Über die Größe der Kohlensäureabgabe bei Verminderung des Kohlensäurepartiardruckes in den Alveolen. Skandinav. Arch. f. Physiol. 33, 154. 1916. nebst Bemerkungen über den Einfluß des Hochgebirges. 531 nacheinander zwei derartige Respirationsversuche angestellt, bei den letzten Kreislaufversuchen genügte eine derartige Periode. Die Analyse der Ausatmungs- luft wurde mit einem etwas modifizierten Haldane-Apparat ausgeführt, dessen Genauigkeit etwa 0,02%, beträgt. Aus den Analysenergebnissen und den Ablesungen der Gasuhr läßt sich ohne weiteres die Sauerstoffaufnahme und Kohlensäureabgabe berechnen. Sie sind stets auf 0°, 760mm und Trockenheit reduziert. Für G. L. ließ sich auch mit Kennt- nis seines schädlichen Raumes (90 ccm) die alveolare Kohlensäure- (bzw. Sauerstoff-) Spannung nach der Formel von Bohr!) berechnen. Am Ende der Ruheperiode wurden außerdem die Pulsfrequenz und die Rectal- temperatur bestimmt. In denjenigen Versuchen, in welchen außerdem das Minutenvolumen des Kreislaufs gemessen wurde, schloß sich unmittelbar an den Gasuhrversuch ein Spirometerversuch zur Feststellung der venösen Kohlensäurespannung an. Die Bestimmung der Kreislaufsgeschwindigkeit erfolgte nach dem Ficekschen Prinzip, welches nach den Versuchen von Liljestrand und Lindhard?) und nach späteren Erfahrungen von Liljestrand und Stenström?) (dort genaue Beschreibung der Methode) bei Kenntnis der Kohlensäureabsorptionskurve des Blutes regel- mäßige Ergebnisse gewährleistet. Das Spirometer einschließlich seines schädlichen Raumes wird vor dem Versuche mit einem sauerstoffreichen Luftgemisch gefüllt, damit bei der letzten Atmung aus dem Spirometer die Luft noch mindestens 25% Sauerstoff enthält; hierdurch wird erreicht, daß auch bei der letzten Atmung das Blut sich hinreichend mit Sauerstoff sättigen kann. Der Spirometerluft wird so viel Kohlensäure zugesetzt, daß die Kohlensäurespannung ungefähr die gleiche ist wie die des venösen Blutes. Mit Hilfe des Kroghschen Dreiweghahnes atmet die Versuchsperson zunächst vollständig, d. h. bis zur Residualluft in die Außenluft aus, macht darauf eine möglichst tiefe Inspiration aus dem Spirometer und nach ein bis zwei Sekunden eine halbe Exspiration, worauf der Hahn so gedreht wird, daß weder ein- noch ausgeatmet werden kann. Nach etwa 8 bis 10 bis höchstens 12 Sekunden wird der Rest der Luft schnell in das Spirometer ausgeatmet und darauf der Dreiweghahn wieder zur Außenluft gedreht. Nach der ersten und zweiten Exspiration in das Spirometer wird aus dem Schlauch zum Spirometer in un- mittelbarer Nähe des Dreiweghahnes je eine Luftprobe zur Analyse entnommen. Die Bewegungen des Spirometers und die Zeit werden auf dem Kymographion verzeichnet. Aus der Kurve?) läßt sich ohne weiteres bei Kenntnis des schädlichen Raumes und der Größe der Residualluft die Anfangsfüllung der Lunge nach der ersten Inspiration, die Größe der ersten und zweiten Exspiration und ihr zeitlicher Abstand feststellen, Stimmt die Kohlensäurespannung der Spirometerluft zutällig mit der des venösen Blutes überein, so darf sich die Kohlensäurespannung der ersten und zweiten Luftproben nicht ändern. Dieser Idealfall wird in Wirklichkeit selten erreicht. Man wird daher stets eine mehr oder weniger große Zu- oder !) Chr. Bohr, Blutgase und respiratorischer Gaswechsel in Nagels Handbuch der Physiologie des Menschen I, S. 54. 1909. ®) G. Liljestrand und J. Lindhard, The determination of the circulation rate in man from the arterial and venous CO,-tension and the CO,-output. Journ. of physiol. 53, 420. 1920. ®) G. Liljestrand und N. Stenström, Wirkung von Massage und passiven Bewegungen auf Gaswechsel und Minutenvolumen des Herzens. Skandinav. Arch. f. Physiol. 42, 1922. *) Vgl. A. Krogh, Funktionsuntersuchungen an den Lungen mittelst gas- analytischer Methoden in Abderhaldens Handbuch der biochemischen Arbeits- methoden 8, 529. 1915, 532 G. Liljestrand u. R. Magnus: Wirkung des Kohlensäurebades beim Gesunden Abnahme finden; macht man mehrere derartige Versuche nacheinander, so gelingt es häufig, Kohlensäuremischungen zu treffen, von denen die eine etwas höhere, die andere etwas niedrigere Spannung hat als das venöse Blut. Dessen Spannung muß also zwischen den Spannungen in den Spirometerversuchen liegen. Kennt man die Diffusionsgeschwindigkeit der Kohlensäure zwischen Venenblut und Alveolarluft für die betreffende Versuchsperson bei verschiedenem Kohlensäure- gefälle, so kann man aus der Änderung der Kohlensäurespannung pro Sekunde zwischen der ersten und zweiten Luftprobe die wahre Kohlensäurespannung durch Interpolation finden. Diese Interpolation ist natürlich nur dann erlaubt, wenn die Kohlensäurespannung der Alveolarluft derjenigen des venösen Blutes sehr nahe kommt. Wir haben daher, um dieses zu erreichen und um die Bestimmungen in kürzerer Zeit machen zu können, folgende Veränderung an der bisher beschriebenen Ver- suchsweise vorgenommen, welche sich als sehr zweckmäßig erwiesen hat. Nach dem Ende des ersten Spirometerversuches wird das Spirometer nicht mit einem neuen Gemisch gefüllt, sondern es wird die Spirometerluft, welche sich während des ersten Versuches natürlich der Kohlensäurespannung des venösen Blutes genähert hat, als Luft für die zweite Bestimmung verwendet. Man erhält dann auch, wenn der Kohlensäuregehalt der Spirometerluft im ersten Versuch von dem des Venenblutes stärker als erwünscht abweicht, von selbst ein Luftgemisch, das für den zweiten Versuch eine genaue Berechnung erlaubt. Wir haben zwischen den beiden Spirometerversuchen pr immer eine Pause von mindestens *2 1 Minute eingeschaltet, um den unmittelbaren Einfluß der ver- tieften Atemzüge auf den Kreis- lauf sich ausgleichen zu lassen. Die Kurve der Kohlensäure- 9 abgabegeschwindigkeit zwischen den Alveolen und dem Venenblut für G. L. bei einer mittleren Ver- 7 suchsdauer von 8—10 Sekunden findet sich in Abb. 1 und die ent- sprechenden Daten in Tab. IX. Es wurden zwei Versuchsreihen von je sechs Bestimmungen mit -3\! wechselndem Kohlensäuregehalt a a BONES 22 angestellt, und die Geschwindigkeit Abb. 1. Kurve zur Korrektion der gefundenen Werte der Zu- oder Abnahme der Kohlen- der venösen CO,-Spannung bei G. L. Nach oben Ab- säurespannung in der Alveolarluft weichungen in mm Hg vom tatsächlichen Werte, nach a f 5 ’ rechts abgegebene (+), bzw. aufgenommene (-) Menge berechnet. In der Abb. 1 sind die CO, in cem pro Sek. + Versuch vom 6. VIII, x Ver- beiden Versuchsreihen auf den- Anal or Annan selben Nullpunkt bezogen. Für die Berechnung des Minutenvolumens brauchen wir außerdem die ar- terielle Kohlensäurespannung; diese ergibt sich ohne weiteres aus der alveolaren Kohlensäurespannung. Die gesamte Kohlensäureabgabe pro Minute ist im Re- spirationsversuch bestimmt worden, und das Minutenvolumen des Herzens findet man, wenn man die totale Kohlensäureabgabe pro Minute durch die Differenz zwischen den prozentischen Kohlensäuregehalten des venösen und arteriellen Blutes dividiert. Diese Werte für den Kohlensäuregehalt des venösen und arteriellen Blutes findet man aus der schon früher erwähnten Kurve der CO,-Bindung des Blutes von G. L. bei wechselnder CO,-Spannung (vgl. S. 530). Dabei ist allerdings tl nebst Bemerkungen über den Einfluß des Hochgebirges. 533 zu berücksichtigen, daß in unseren Versuchen die alveolare Kohlensäurespannung bei einer gleichzeitig vorhandenen Sauerstoffspannung in den Alveolen von etwa s0—90 mm gefunden wurde, wie die Tab. XI zeigt. Nach der Kurve von Bar- croft!) dürfte dann das Hämoglobin nur zu etwa 92%, gesättigt sein. Bei den Bestimmungen der venösen Kohlensäurespannung lag dagegen die alveolare Sauerstoffspannung wesentlich höher, etwa bei 150 mm, da wir ja sauerstoff- reiche Luftgemische verwendeten, so daß die Sättigung des Hb etwa 98% betragen haben dürfte. Es bedeutet dies also, daß in unseren Versuchen die Sättigung des Hämoglobins bei den Bestimmungen der alveolaren Kohlensäurespannungen etwa 6%, weniger vollständig war als bei den entsprechenden Bestimmungen der venösen Kohlensäurespannung. Wie Christiansen, Douglas und Haldane°) sowie Joffe und Poulton?) gezeigt haben, nimmt aber das Blut um so mehr Kohlen- säure auf, je unvollständiger die Sättigung des Hämoglobins ist, und es muß deshalb in unseren Versuchen eine entsprechende Korrektur angebracht werden. Peters, Barr und Rule*) haben aus den erwähnten Beobachtungen einen mathematischen Ausdruck für die Einwirkung der unvollständigen Sättigung des Hämoglobins auf das Niveau der Kohlensäureabsorptionskurve angegeben. Der oben erwähnte Sättigungsunterschied von 6% entspricht danach (bei einer Kohlensäurespannung von 30—40 mm) einer Erhöhung der Kohlensäureabsorptionskurve um etwa 0.36%. Wir haben in entsprechender Weise die betreffenden Korrekturen in unseren sämtlichen Versuchen berechnet. Die absolute Größe der Korrektion ist natürlich etwas unsicher, sie ist aber jedenfalls klein und in den verschiedenen Versuchen sehr wenig verschieden, und die Unsicherheit beeinflußt somit die Schlußfolgerungen nicht. Wir haben bei unseren Versuchen auch angenommen, daß die Form der Kohlensäureabsorptionskurve des Blutes bei verschiedenen Kohlensäurespannungen, wie sie für G. L. im Tieflande bestimmt worden ist, sich bei 1800 m Höhe nicht ändert. Ob die absoluten Werte etwas tiefer liegen, spielt für unsere Ergebnisse keine Rolle. Bei der Ausführung dieser sämtlichen Bestimmungen bewahrte die Versuchs- person vollständige Muskelruhe und lag vollständig bequem auf der Ruhebank, wobei das Ventil so aufgehängt und befestigt war, daß man keine aktive Muskel- anstrengungen machen mußte, um dasselbe im Munde festzuhalten. Nur bei den Spirometerversuchen führte die Versuchsperson gleichzeitig mit den forcierten Atembewegungen die Drehung des Dreiweghahnes aus, was gegenüber den Atem- bewegungen selbst keine wesentliche Anstrengung bedeutet. Da die Spirometer- versuche stets nach allen übrigen ausgeführt wurden, beeinflussen diese Bewe- gungen das Ergebnis der letzteren nicht, und der Spirometerversuch selbst läuft so schnell ab, daß die Bewegung selber das Ergebnis des Spirometerversuches nicht beeinträchtigt. Nach dem Ruheversuch stieg die Versuchsperson ins Kohlensäurebad, in welchem sie bewegungslos lag. In einer Reihe von Versuchen haben wir während der ganzen Dauer des Bades durch die Ventile Frischluft von außen eingeatmet, um den etwaigen Einfluß eingeatmeter Kohlensäure auszuschalten. In allen anderen Fällen haben wir dem eigentlichen Versuche eine Vorperiode von min- !) J. Barcroft, The respiratory function of the blood. Cambridge 1914, S. 48. ?) J. Christiansen, C. G. Douglas und J. S. Haldane, The absorption and dissociation of carbon dioxide by human blood. Journ. of physiol. 48, 244. 1914. ®) J. Joffe und E. P. Poulton, The partition of CO, between plasma and corpuscles in oxygenated and reduced blood. Journ. of physiol. 54, 129. 1920. 4) J. P. Peters, D. P. Barr und F. D. Rule, The carbon dioxide absorption curve and carbon dioxide tension of the blood of normal resting individuals. Journ. of biol. chem. 45, 489. 1921, 534 @.Liljestrand u. R. Magnus: Wirkung des Kohlensäurebades beim Gesunden destens 10 Minuten Ventilatmung vorhergehen lassen. Nach dieser Zeit wurden dann dieselben Bestimmungen wie in der Normalperiode mit derselben Technik wiederholt. Die Gesamtdauer der Vorperiode im Bade betrug mindestens 20 Mi- nuten, so daß die Nachwirkung der zum Einsteigen in die Badewanne erforderlichen Muskelbewegungen sich nicht mehr geltend machte. (Beweis Sauerstoffzahlen S. 535 und 537.) Auf bequeme Lagerung, völlige Muskelruhe, bequemen Sitz des Ventils wurde sorgfältig geachtet. Stets wurde auch protokolliert, sobald bei zu kalten Bädern Zitterbewegungen auftraten. In den ersten Versuchen haben wir die Temperaturmessung — die immer im Rectum ausgeführt wurde — nach dem Verlassen des Bades, in den späteren dagegen im Bade selber vorgenommen. Einige Kontrollbestimmungen zeigten, daß, wenn nach dem Bade kein Zittern auftritt, die Messungen das gleiche Ergebnis hatten. In einzelnen Fällen haben wir auch nach dem Bade noch eine Nachperiode mit Bestimmung der Körpertemperatur und des Gaswechsels vorgenommen, während die Versuchsperson im Bademantel, mit Wolldecken bedeckt, auf dem Liegestuhl lag. Als Beispiel wird ein vollständiges Versuchsprotokoll im Anhang gegeben. Zur Ergänzung haben wir noch einige Vergleichsversuche mit Bestimmung der Körpertemperatur im kühlen Süßwasserbade ausgeführt und ferner, um den natürlichen Verhältnissen bei der Badekur nahe zu kommen, einige Versuche im Kohlensäurebad nach dem Frühstück und nach vorhergehender Muskelarbeit angestellt. Ill. Der respiratorische Gaswechsel. Über die Wirkung von Kohlensäurebädern auf den respiratorischen Gaswechsel des Menschen liegen Untersuchungen von Winternitz!) vor, der mit künstlichen Kohlensäuresoolbädern bei indifferenter Wassertemperatur arbeitete. Er beobachtete durch das Bad eine Ver- mehrung der Ventilation um etwa 1 Liter; gleichzeitig stieg der respira- torische Quotient, bisweilen über 1. Nach der Auffassung von Winter- nitz beruht dies darauf, daß Kohlensäure durch die Haut resorbiert und zusammen mit der im Körper gebildeten Kohlensäure durch die Lungen ausgeschieden wird. Als Stütze dieser Auffassung werden u.a. Berechnungen der alveolaren Kohlensäurespannung mitgeteilt, wo- nach die Spannung im Badeversuch wächst. Indessen dürfte die Be- weiskraft dieser Versuche gering sein. Nur in einem einzigen Falle (S. 283) werden die nötigen Daten für die Berechnung mitgeteilt, und dabei der persönliche schädliche Raum einfach geschätzt (und außer- dem der schädliche Raum von Ventil und Mundstück nicht berück- sichtigt). Was den Sauerstoffverbrauch betrifft, so fand er im Kohlen- säurebade ‚in einigen Fällen eine Steigerung, die über das Maß der durch vermehrte Atmung bedingten O,-Aufnahme hinausgeht“. Nach Loewy?) soll hier eine wirkliche Anregung des Erhaltungsumsatzes !) H. Winternitz, Über die Wirkung verschiedener Bäder insbesondere auf den Gaswechsel. Dtsch. Arch. f. klin. Med. %2, 258. 1901—02. ?) A. Loewy, Der respiratorische und der Gesamtumsatz in Oppenheimers Handbuch der Biochemie Bd. 4, 1. Hälfte, S. 241, nebst Bemerkungen über den Einfluß des Hochgebirges. 535 vorliegen. Winternitz fand !/,—2!/, Stunden nach dem Bade den Sauerstoffverbrauch nur sehr wenig — offenbar innerhalb der Versuchs- fehler — gegenüber dem Ruhewert geändert, Die Ergebnisse unserer Respirationsversuche bei R.M. finden sich in Tabelle I und II. Die Sauerstoffaufnahme schwankt in den Normal- versuchen zwischen 187 und 233 ccm pro Minute, im Mittel 206, in den Badeversuchen zwischen 176 und 238, im Mittel 205. Die Werte sind also identisch. Vergleicht man die Versuche des gleichen Tages, wie z.B. vom 27. VII., so tritt dieses Resultat ebenfalls hervor. Es hat also im kühlen Kohlensäurebad keine Zunahme der Sauer- stoffaufnahme stattgefunden. In dem Versuch vom 22. VIi., in welchem die Sauerstoffaufnahme nicht in der Gasuhr, sondern im Spirometer bestimmt wurde (1—2 Minuten Dauer), fand sich 28 Minuten nach dem Bade eine Sauerstoffaufnahme von 210 cem pro Minute, d.h. der gleiche Wert wie in dem ersten Normalversuch. Dabiernlie 2Der respiratorische Gaswechsel bei R. M. Normalversuche. 7 | Ventilation | Atmungs- | O,-Auf- Puls- Versuchstag Ihe frequenz nahme Resp. frequenz Bemerkungen | pro Min. | pro Min. | cemp.Min. Quotient pro Min. ie, as |, a ae 194 0,71 — 13. VII. | 4,42 J m 187 0,69 Zi TASVAI, 4,82 19,1 — || | 60 14. VII. 4,93 1950 4, 19] 0,77 J | | 22. VII. | 209 | 54 [| | Spirometer- 22 VIE. 198 I El versuche DS VALLE 5,25 14,0 | 228 0,84 \ EN 27. VII. 5,35 14,6 233 0,82 3 Mittel 4,89 RT 206!) 0,77 Tabelle II. Der respiratorische Gaswechsel bei R.M. Badeversuche. = | | Venti- | Atm.- |O,-Auf-| „ ee Be \Versuchs- ı Badetemp. Badedauer | lation Fre- | nahme | “eSp. HU SıLez | > ) as IL. quenz com | U0- quenz | Bemerkungen | Grad Min. ® ®) pro Min. pro Min. ‚pro Min. tient pro Min. VI. | 27.5268 515 4,80 | 20,6 | 204 0,76 Extremitätenwarm, BEVII. | 27,5—26,8 = 5,01 | — 176. | 0,93 Rücken kalt, kein EV. | 30,3 16-26 | 4552. 18,5 191 0,91 60 Zittern 4. VII. 30,3 5,27 | 19,2 | 193 | 1,041 Pa VII. 33,2— 31,8 32 | 215 | 58 | Spirometerversuch VII. 33,2—31,8 28 nach | 210 52 ‘Desgl. n. d. Bade d. Bade V11. 33—32 \ 125,708 | 147077226 0,97, 62 VII. 284 | 604 | | 281 non 7 Mittel | 5,23 17,4 | 2059] 0,94 | | 1) Die Spirometerversuche nicht mitgerechnet. 2) Es werden Anfang des ersten und Ende des letzten Baderespirations- versuches angegeben, 536 @. Liljestrand u. R. Magnus: Wirkung des Kohlensäurebades beim Gesunden Im Gegensatz zu der konstant bleibenden Sauerstoffaufnahme steht die Zunahme der Gesamtventilation, welche mit Ausnahme des ersten Versuches vom 14. VII. bei allen Bestimmungen im Kohlensäure- bade deutlich hervortritt. Im Mittel steigt die Ventilation von 4,89 auf 5,23 Liter (red.). Da Kohlensäureeinatmung hierbei keine Rolle spielen kann (Ventilatmung), dürfte es höchstwahrscheinlich sein, daß die Ursache dieser Hyperventilation in dem Hautreiz im Kohlensäure- bad gesucht werden muß. Die Bedeutung von allerlei sensiblen Reizen für die Ventilation ist ja aus zahlreichen Beobachtungen wohlbekannt. Als Beispiele können Versuche mit kalten Duschen!), mit elektrischen Reizen ?) und mit Massage und passiven Bewegungen ?) erwähnt werden. Inwieweit von der Haut resorbierte Kohlensäure in demselben Sinne mitwirkt, läßt sich ohne besondere Versuche schwer entscheiden. Eine Folge der Hyperpnöe ist die vermehrte Kohlensäureausschei- dung, welche in allen Versuchen deutlich war und in der Tabelle sich Tabelle Ill. Der respiratorische Gaswechsel bei G.L. Normalversuche. x | Venti- | Atem.- | Alv. CO;-| O,-Aufn. | Resp. |Pulsfre- | Versuchs- Tate) Freq. Spann. eem | Quo- quenz Bemerkungen tag | pro Min. ‚pro Min.| mm Hg | pro Min. ı tient |pro Min. . 18. VII. DAT: 1208.91) 2 10 208.3 0,881. 18. var |.475 | 70). 2509 | 004.20 19.- VII. 300 1 ro as — | an ee ee 202 VIE ANT2\ 8.7.92 |,2958,11..2199220,92 0 © CO,-Auswaschung 20. vi | 451 | 7A | 278 | >00 | 00 > 29. VII. 3,95 la a 214 0,87 air. 409: | 1873600 215 0885 30. VII. 4,27 9,9 | 34,3 | 218 | 0,87 | 48 31. VII. 3,67 8,3 |- 34,3 | 204 | 0,80 | 48 1. VII. | 3,96 9:82107,.33.47011:1985 71 ,0:842 12.248 2: ValL..| 4,28 | 7782| ,33,5.| 220: 50.91. 48 3 syipıa. | 441° 0.19.02 2355521125207, | 0.905 1,449 4. VIII. 4,26 6,1 32,8 226 0,91 | 54 Fremd. Koll. anwes. 6. VIIL | 4,11 | 7,0:| 32,5 | 223 | 0,84 | 46 .| Am 5, VII. Bergtour 8. VIE 4,03,67..1008:20 2135,00 |,.0992 1 6018221 446 Mittel | 4,02 | 88 | 324 | 210 | 0,88 | 49 120,13. | 0,5: |# 0,39) 125. 2,43) 8.0.01 31206 !) M. Rubner, Die Wirkung kurzdauernder Duschen und Bäder auf den respiratorischen Gaswechsel beim Menschen. Arch. f. Hyg. 46, 390. 1903. ?) A. Krogh und J. Lindhard, A comparison between voluntary and electri- cally induced. muscular work in man. Journ. of physiol. 51, 182. 1917. ») G. Liljestrand und N. Stenström, Wirkung von Massage und passiven Bewegungen auf Gaswechsel und Minutenvolumen des Herzens. Skandinav. Arch. f. Physiol. 42, 1922. *) Die Versuche vom 20. VII. nicht mitgerechnet. 5) Der Versuch vom 4. VIII. nicht mitgerechnet. nebst Bemerkungen über den Einfluß des Hochgebirges. 537 in der Erhöhung des respiratorischen Quotienten äußert. Dieser beträgt in der Normalperiode 0,69 —0,84, im Mittel 0,77, in den Badeversuchen 0,76 —1,04, im Mittel 0,94. Die Atemfrequenzändert sich bei R.M. praktisch nicht, die Mittelzahlen betragen 17,7 in der Norm und 17,4 in den Badeversuchen. Diese Ergebnisse an R.M. werden durch die zahlreichen Bestim- mungen an G.L. in jeder Weise bestätigt (Tabelle III und IV). Die Sauerstoffaufnahme beträgt hier in der Normalperiode 198 bis 223, im Mittel 210 & 2,4ccm pro Minute, in der Badeperiode 194 bis 225, im Mittel 218 + 2,8 cem. Auch hier also ist die Sauerstoffaufnahme vollständig unverändert geblieben, und von irgendeiner An- regung des Stoffwechsels durch das Kohlensäurebad ist keine Spur zu sehen. Erwähnung verdient der hierbei nicht mit berücksichtigte Ver- such vom 14. VIII., der durch die Gegenwart eines besuchenden Kol- legen beeinflußt wurde. An diesem Tage betrug die Sauerstoffaufnahme in der Normalperiode 226 ccm, in der Badeperiode 247 ccm, wobei im Tabelle IV. Der respiratorische Gaswechsel bei G. L. Badeversuche. er a Venti- | Atm.- | Alv. [Os-Auf-| nee hPuiztre. | Pr Versuchs- |) Badetemp. | d lation Fre- CO,- | nahme Er | B ie tag | | auer 1% quenz Spann. | ccm na! ‚ quenz | emerkungen Grad Min.!) pro Min.|pro Min.| mm Hg pro Min.| su) |prO Min. = | MIT BE | En, a 18. VII. 32—32 15—25| 5,55| 10,1 — 27 20:97 39 is. VII. | 3233 | 4,32| 11,6 - — | 205 | 0,80 18. VII. 4555| 4,881 7:6 — 192 | 0,961 ER Rs vom. In Bad| Ars) 93 7 | 206 | 0,845 | 20 | 7 Versuche n.'d. Bad 19. VII. |.33—31,3 | 10-20 | 3,97 | 10,9 | 34,6 203 | 0,90 Er 9. vır. | | 3,99.| 10,8 | 33,1 | 204 |. 0,87 20. VII: | 33—31,2 | 15—25 4,09 | 9,8 | 33,6 203 | 0,94 52 20. VII. | 3,89 | 9,7 | 34,1 198 | 0,93 ‚(Pulsfr. b. 43 n. Bad) 21. VII. 33 |. 40 >928! 6,0 | — :)>461 | 0,88 |50--46| Minim.-Wertb.Zitt. | | | | 4—-9’ n. Bad 29. VII. | 33—31,6 |20—30| 4,02 | 11,0 | 34,4 210 | 0,90 29. VII. | 4,58 | 13,3 | 33,7 225 | 0,92 ED. vi. 133,1 31,736 41| 5,05| 11,1 | 31,8 | 219 | 0,98 | 44 Ei. vIl- |33—31,3 |3439| 5,22 11,8 | 307 | 2221095 | 4 1. VI. | 33—31,5 |30-35|. 4,74 | 10,0 | 31,1 | 194.| 102 | 46 2. VIII. | 34—32,6 | 31—36 4,75 10,7 | 34,6 220 | 0,98 44 3. VIII. | 33—31,6 | 3136| 5,12 | 14,3 | 35,0 220 | 0,96 46 4. VII. | 33—32 |30—35 | 5,64 8,2 | 30,8 247 | 1,03 50 Kine Beweg. (fremd. | | | Kollege anwesend) 4.64 | 11,0 | 33,0 |-211 | 094 | 46 ttel d. Versuch & “= Se »° Mittel d. Versuche im Bade +0,16 #0, |-+0,52)42,83))-+ 0,0141,4 !) Anfang bzw. Ende der Respirationsversuche angegeben. ?) Die Versuche vom 20. VII. nicht mitgerechnet. ?) Der Versuch vom 4. VIII. nicht mitgerechnet, 538 @.Liljestrand u. R. Maenus: Wirkung des Kohlensäurebades beim Gesunden Bade eine einmalige Bewegung notiert wurde. (Werden die beiden Versuche mit eingerechnet, werden die Mittel bzw. 211 +24 und 213 + 3,7 ccm.) In dem gleichen Versuche war auch die Pulsfrequenz abnorm hoch. Man könnte vielleicht erwarten, daß der Sauerstoff- verbrauch im Kohlensäurebad schon aus dem Grunde etwas steigen müßte, weil ja die Atmungsarbeit an und für sich (bisweilen auch die Arbeit des Herzens) etwas größer wird. Indessen dürfte die hierdurch zu erwartende Steigerung!) nur etwa 2% des Gesamtverbrauches betragen und deshalb?) von der Erniedrigung des Stoffwechsels kompensiert werden, welche durch die im CO,-Bade stattfindende Temperatursenkung bedingt wird. In einer Versuchsreihe, welche an G. L. im Februar dieses Jahres in Stockholm vorgenommen wurde, betrug die Sauerstoffaufnahme pro Minute 193 bis 236 cem, im Mittel 215 + 2,7 ccm (16 Versuche). Hier- aus ergibt sich, daß die Sauerstoffaufnahme in der Ruhe unter Standardbedingungen im Gebirge (1800 m) bei G.L. die gleiche ist wiein der Ebene, wenn man durch Nachtruhe und genügend lange Vorperiode den Einfluß von Muskelarbeit, Sonnen- bestrahlung, Wind u. dgl. vom vorhergehenden Tage abklingen läßt. Das Ergebnis steht im Einklang mit den Resultaten von Loewy?), sowie von Hasselbalch und, Lindhard®) im pneumatischen Kabinett, sowie mit den Ergebnissen von Zuntz und Schumburg?) im Höhenklima, während z. B. Jaquet und Stähelin®) dagegen schon bei 1600 m Höhe eine Steigerung des Umsatzes fanden. Es scheint uns die Vermutung nahezuliegen, daß der Unterschied der Ergebnisse bei den verschiedenen Verfassern mit einem in den verschiedenen Fällen etwas wechselnden Grade von Muskelspannung usw. zusammenhängt. Am 18. VII. betrug die Sauerstoffaufnahme in den Normalperioden 208 und 209 cem, im Kohlensäurebade von 32° nach 15—25 Minuten 217 und 205 ccm und 45 —55 Minuten nach diesem Bade 192 bis 206 ccm. AuchbeiG.L.findetalsoinder Nachperiodebiszu55 Minuten keine Zunahme des Sauerstoffverbrauches statt. Dieses Re- !) Vgl. hierüber G. Liljestrand und N. Stenström, Studien über die Phy- siologie des!Schwimmens S. 54ff. 2) Vgl. hierüber z. B. A. Krogh, The respiratory exchange in animals and man 8. 91ff. 3) A. Loewy, Untersuchungen über die Respiration und Zirkulation bei Änderung des Druckes und des Sauerstoffgehaltes der Luft. Berlin 1895. “ ) K. A. Hasselbalch und J. Lindhard, Zur experimentellen Physiologie des Höhenklimas 2. Biochem. Zeitschr. 68, 265. 1915. 5) Schumburg und N. Zuntz, Zur Kenntnis der Einwirkung des Hoch- gebirges auf den menschlichen Organismus. Pflügers Arch. f. d. ges. Physiol. 63, 461. 1896. 6%) A. Jaquet und R. Stähelin, Stoffwechselversuch im Hochgebirge. Arch, f. d. exp. Pathol. u. Pharmakol, 46, 274. 1901. nebst Bemerkungen über den Einfluß des Hochgebirges. 539 sultat gilt natürlich nur, solange kein Muskeizittern eintritt. In dem Versuch vom 21. VII. trat nach dem Bade starkes Muskelzittern ein, die Sauerstoffaufnahme stieg dabei in der 4. bis 9. Minute bis 461 (die Zahl stellt einen Minimalwert dar, weil die Gasuhr an diesem Tage leck wurde). Das Ergebnis stimmt mit den früheren Beobachtungen an derselben Versuchsperson, bei welcher in einem Süßwasserbade von 25° Muskelzittern erfolgte und die Sauerstoffaufnahme auf 498 stiegt). Ähnliche Werte für den Einfluß des Zitterns hat Loewy?) im Süß- wasser von 26,5° gefunden, wobei der Sauerstoffverbrauch von 208 auf 361, bzw. von 250 auf 470 stieg. Lusk?) fand nach sehr kalten Bädern während der Zitterperiode die folgenden extremen Werte: 432 (Ruhe 273), 628 (Ruhe 224) und 865 (Ruhe 304). Die Ventilation bei G. L. betrug in der Normalperiode 3,00 bis 4,75, im Mittel 4,02 + 0,13 L., in den Badeversuchen 3,39 bis 5,64, im Mittel 4,64 -- 0,16 L. Auch hier hat also im Kohlensäurebade eine deutliche Steigerung der Ventilation stattgefunden. Bei G. L. steigt dabei in der Mehrzahl der Versuche die Atemfrequenz (Mittel 8,3 = 0,5 in der Normalperiode, 11,0 -- 0,4 in den Badever- suchen). Bei Muskelzittern (Versuch vom 21. VII.) steigt die Ven- tilation auf über 9,3 L. In Stockholm betrug die Minutenventilation, ebenfalls auf 0°, 760 mm und Trockenheit reduziert, 4,41 bis 5,78, im Mittel 5,07 = 0,12 L., so daß also eine gewisse Abnahme der redu- zierten Ventilation stattgefunden hat. Werden die Ventilationswerte dagegen auf 37°, vorhandenen Barometerdruck und mit Feuchtigkeit gesättigt berechnet, so findet man sowohlin Stockholm wie in den Normalversuchen in St. Moritz den Wert 611 L. Die tatsächliche Ventilation ist also unverändert geblieben. Die Folge der Überventilation im Kohlensäurebade ist eine Er- höhungder Kohlensäureausscheidung, die sich in einer Steige- rung des respiratorischen Quotienten äußert. Derselbe beträgt in der Normalperiode 0,50 bis 0,94, im Mittel 0,88 = 0,01, in der Bade- periode 0,80 bis 1,03, im Mittel 0,94 -- 0,01. Die vermehrte Kohlensäure- ausscheidung im Kohlensäurebade darf nicht als ein Beweis für ver- mehrte Kohlensäureproduktion oder für Kohlensäureaufnahme durch die Haut, wie Winternitz dies getan hat, angeführt werden, sondern ist mindestens zum größten Teile die Folge der Überventilation. Das ergibtsichausdem Herabgehen deralveolaren Kohlensäure - spannung. Am 20. VII. fand schon in der Normalperiode eine starke !) G. Liljestrand und N. Stenström, Studien über die Physiologie des Schwimmens S. 17. 2) A. Loewy, Über den Einfluß der Abkühlung auf den Gaswechsel des Menschen S. 217 u. 218. ®) G. Lusk, The influence of cold baths on the glycogen content of man. Americ. journ. of physiol. 27, 427. 1910—11. 540 @. Liljestrand u. R. Magnus: Wirkung des Kohlensäurebades beim Gesunden Kohlensäureauswaschung statt, die durch hohen Quotient und auf- fallend niedrige Kohlensäurespannung charakterisiert wird. In dem folgenden Badeversuch ist die Spannung der Kohlensäure höher, was eine ungezwungene Erklärung darin finden kann, daß der Kohlensäure- vorrat des Körpers während der halben Stunde, die in diesem Versuch zwischen dem Ende der Normalversuche und dem Beginn des Bades verfloß, wieder die normale Höhe erreichte. Mit dieser einzigen Aus- nahme zeigt sich aber immer, daß die alveolare Kohlensäurespannung in den Badeversuchen kleiner ist als in den vorhergehenden Normal- versuchen. Als Mittel, wobei also die Versuche vom 20. VII. unberück- sichtigt bleiben, erhalten wir 34,4 + 0,3 mm in den Normalversuchen und 33,0 = 0,5 mm in den Badeversuchen. Hieraus ergibt sich, daß an der Mehrausscheidung von Kohlensäure in der Badeperiode die Hyperventilation wesentlich beteiligt ist. In dem Abschnitt über die Kreislaufversuche wird außerdem gezeigt, daß gleichzeitig mit der arteriellen auch die venöse Kohlensäurespannung sinkt. Es kann also eine wesentliche Mehrproduktion von Kohlensäure im Bade ausgeschlossen werden, wie das ja auch bei dem Konstantbleiben der Sauerstoffaufnahme zu erwarten ist. Auch eine wesentliche Auf- nahme von Kohlensäure durch die Haut ist im Bade offenbar aus- geschlossen. Die alveolare Kohlensäurespannung beträgt bei G. L. in Stockholm 36,2 bis 41,0 mm, im Mittel 38,3 + 0,3 mm. Hieraus ergibt sich auf das deutlichste, daß beim Übergang vom Flachlande auf 1800 m Höhe eine deutliche Herabsetzung der alveolaren Kohlensäurespan- nung eingetreten ist. Die Herabsetzung beträgt durchschnittlich 4,4 7 0,44 mm. Da der Barometerstand gleichzeitig um etwa 140 mm abgenommen hat, findet sich also für eine Senkung des Barometerstandes um 100 mm eine Erniedrigung der alveolaren Kohlensäurespannung um 3+0,3mm. Hasselbalch und Lindhard!) finden durchschnittlich den Wert 4 mm für die betreffende Senkung. Die Übereinstimmung ist also, wenn man die Unsicherheit berücksichtigt, befriedigend. IV. Verhalten der Körpertemperatur. Seit den klassischen Versuchen von Liebermeister?) ist es bekannt, daß im kühlen Süßwasserbade (ohne Kohlensäure) die Hautgefäße sich kontrahieren und auf diese Weise die Wärmeabgabe herabgesetzt wird. Das Ergebnis ist, daß die Temperatur des Körperinnern sich nicht ändert oder selbst um einen kleinen Betrag steigen kann. Wir haben !) K. A. Hasselbaleh und J. Lindhard, Zur experimentellen Physiologie des Höhenklimas 2. Biochem. Zeitschr. 68, 277. 1915. ®2) C. Liebermeister, Handbuch der Pathologie und Therapie des Fiebers. Leipzig 1875. nebst Bemerkungen über den Einfluß des Hochgebirges. 541 für uns selbst diese Verhältnisse unter Standardbedingungen durchaus bestätigen können, wie die folgende Tabelle zeigt. Tabelle V. Körpertemperatur im Süßwasserbad. “ Ei Körpertemperatur NS el er-Ee| ade- — —— VORmar | suchs- Badetemp. | qauer vor nach Bemerkungen tag || person | = i | Grad Min. dem Bade 33—32 322136,54:21 36,49° |Keine Hautröte. Ge- | 23. VL |R. M.| | | | fühl indifferent bis | | kühl. Kein Zittern. | | | Nach dem Abtrock- | | | | nen behaglich. NADEL | BB 39 36,5°, 26° 36,65° |Haut blaß. Sehr leich- | 397 36,63° tes Zittern, Zitter- grenze, von außen | | | sichtbar. Gefühl in- | | different bis kühl. 5. VEIE |KREUME 1729,229 229 °(136,58°) 36,68° | Haut blaß, Körper kühl. | Hals, Rücken, Schul- ter kalt. Zittern! un- | terdrückt. Puls vor- | her 54, nachher 58. NA IE DE er 29 136,68°| 9’ 36,61° | Puls vorher 50, nach | 29° 36,65° | 16° 42, nach 29° 48. Haut blaß. Anfangs Zittern, das später aufhört. Kaltan Rük- ken, Hals und Schul- tern. 189) oa 189) ot D Qu (Hier wie im folgenden bedeuten die fettgedruckten Zahlen, daß die be- treffenden Messungen von Puls und Temperatur im Bade selbst ausgeführt wurden.) Bei R.M. bleibt im Süßwasserbade von 29 und 33° die Innen- temperatur gleich, bzw. steigt um 0,1°, während die Haut blaß wird, ein Gefühl von Kühle eintritt, aber kein Muskelzittern erfolgt, während bei dem mageren G. L. zeitweise ganz leises Zittern auftrat. Im Gegensatz hierzu steht das Verhalten im kohlensauren Bade von 33°. Hier erfolgt nach kurzer Zeit eine lebhafte, durch Gefäßerweiterung bedingte Hautröte, mit welcher ein deutliches Wärmegefühl gepaart geht. Die Folge muß sein, daß die im gewöhnlichen Wasserbade auf- tretende physikalische Wärmeregulation nicht zustande kommt, und daß daher eine erhöhte Wärmeabgabe stattfindet. Schon der ein- fache Augenschein lehrt, daß die Kohlensäureblasen auf der Haut dieses nicht verhindern können, denn sie sind keineswegs so dicht an- einandergeschlossen, daß sie einen zusammenhängenden Gasmantel bilden, welcher als Isolierschicht dienen könnte. Nun haben die im vorigen geschilderten Respirationsversuche mit Sicherheit ergeben, dal 542 G. Liljestrand u. R. Magnus: Wirkung des Kohlensäurebades beim Gesunden durch das Kohlensäurebad keine Zunahme der Sauerstoffauf- nahme veranlaßt wird. Die Folge der gesteigerten Wärmeabgabe ohne gleichzeitige Steigerung der Verbrennungen muß demnach eine Abnahme der Körpertemperatur sein. Diese ist denn auch tatsächlich von uns als konstante Folge des Kohlensäurebades be- obachtet worden, solange völlige Muskelruhe eingehalten wird. Das Ergebnis sieht man aus der Tabelle VI bei R.M. Die Nor- maltemperatur unter Standardbedingungen beträgt hier 36,0 —36,6°, im Mittel 36,36°. Nach dem Bade von 30,3—33,2° sind die ent- sprechenden Werte 35,7—36,2°, Mittel 36,03°. Tabelle VI. Körpertemperatur im Kohlensäurebad unter Standardbedingungen bei R.M. Körpertemp. Versuchs- || Badetemp. Bade- TEE j dauer vor nach Bemerkungen tag En tr Grad Min dem Bade 13. VII. |27,5:--26,8| 15 — ,35,8° [Messung direkt nach dem Bade. — Extrem. warm. Rücken kalt. Kein | Zittern. 36,0° 35,7° |Messung direkt nach dem Bade. 36,55° 36,1° | Direkt nach dem Bade. Im Bade be- | haglich. Nach Bad Hautröte, Kälte- | gefühl ohne Zittern. ‚36,31°]35 Min. nach dem Bade. 14: V1E.@ 00 80:3 26 26. VII. | 29—28,3 3l _ Niemals behaglich. Hautröte vor- 22. VII. | 33,2—31,8| 40 handen, aber geringer als bei 33°. | Abwechselndes Kältegefühl. Kein | Zittern. 36,32° 36,2° | Direkt nach dem Bade: 36,2°. Leb- | hafte Hautröte. 36,38°| 36,1° | Grenze des Behaglichen. Sehr schöne im Bett) Hautröte 36,6° vor Bad Dry 832232. 940 28. VIL || 32 30,5 | 40 Bei G. L. beträgt die normale Morgentemperatur unter Standard- bedingungen 36,1 —36,47 °, im Mittel 36,23°, nach dem Bade 35,9 — 36,26°, im Mittel 36,07° (vgl. Tabelle VII; nur Versuche ohne Zittern mit- gerechnet). Interessanterweise besteht für diese Temperatursenkung im Kohlen- säurebad ein Optimum, welches für die Verhältnisse in St. Moritz bei 31—33,5° liegt. Bei kälteren Bädern ist nämlich die Hautröte und das damit verbundene Wärmegefühl nicht mehr so stark ausgeprägt, es kommt zu einer mehr oder weniger deutlichen physikalischen Wärme- regulation mit Kältegefühl in der Haut und damit zu einer Einschrän- kung der Wärmeabgabe. Bei R. M. warin dem einen Versuche (13.VII.) im Bade von 27,5—26,8° die Körpertemperatur auf 35,8° gesunken, nebst Bemerkungen über den Einfluß des Hochgebirges. 543 Tabelle VII. Körpertemperatur im Kohlensäurebad unter Standardbedingungen bei G. I. ee ” er a dauer | vor | Bemerkungen Grad \ Min. Baus 2 15. VII. | 3231 25 |36,18°| 36,2° |Direkt nach dem Bade. Etwas Zit- | tern während des Bades, starkes | Zittern nach dem Bade. 16. VII. | 33—32 38 136,2° | 36,0° | Direkt nach dem Bade. Im Bade warm, nach dem Bade Zittern. 36,28° 36,1° Direkt nach dem Bade (nach 1 Std. | 36,36°). Im Bade behaglich warm. Sehr kleine Zitterbewegungen. Nach dem Bade anfallsweise leichtes Zittern. Hände blau, Nase rot. 36,28°| 35,9° | Direkt nach dem Bade. Im Bade behaglich. Nach dem Bade starkes 18. VII. | 32—32 25 19. VII. | 33—31,3| 41 | Zittern. 36,1° |36,13° | Direkt nach Zittern nach dem Bade. Im | Bade behaglich, nachher ziemlich starkes Zittern, Hände livide. 36,33°° — |Im Bade behaglich. t/, Min. nach dem Bade Zittern, das nach 2Min. 20. VII. | 33-312] 43 AUSSVDne 3 3337,11 140 | stark wird. 36,47° 36,58° | Geringe späte Hautröte (rosa ohne Jyanose). Kältegefühl weniger alsim Süßwasserbad. Schwaches Zittern. 36,32°|36,05° | Frieren, kein Zittern. 36,28° 36,01 ° | Behaglich. 36,12° 35,9%2° | Gute Hautröte. Subjektiv etwas küh- | | | ler als gewöhnlich. Kein Zittern. I AyanıE 33—31,5, 46 [36,31°136,14° | Gute Hautröte. Lauwarmes Gefühl. DVI 34-32,6| 4 36,26° 36,24°| Keine gute Hautröte. Allmählich kommt sie doch. . VII. | 33—31,6) 47 |36,28°,36,1° | Behaglich. Schön rot. Am Ende et- | | | was kühl. Kein Zittern. 4. VIM. || 33—32,0| 43 — 36,26° Mäßig, aber deutlich rot. | 26. VIL. |29,228,8| 25 29. VIL | 3331,60 4 30. VII. |33,1—31,7| 5 a. vi] ar 2 so während sie am 26. VII. im Bade von 29 —28,3° nahezu konstant blieb. Bei G. L. stieg die Körpertemperatur im Bade von 29,2—28,8° (Ver- such vom 26. VII.) von 36,47 ° auf 36,58 °, wobei ganz schwache Zitter- bewegungen notiert wurden. Im Bade von 33 —31,5° erfolgt die Abnahme der Körpertemperatur, ohne daß die Versuchsperson davon etwas merkt, weil sie durch die Gefäßerweiterung in der Haut getäuscht wird. Durch diese Hautwärme wird auch das Muskelzittern gehemmt; sobald man näm- lich aus einem Kohlensäurebade, in welchem die Körpertemperatur gesunken ist, heraussteigt, tritt sofort, wenn nicht der Abkühlung der Pflügers Archiv f. d. ges. Physiol. Ba. 193. 36 544 @.Liljestrand u. R. Magnus: Wirkung des Kohlensäurebades beim Gesunden Haut durch Frottieren, Einwickeln in warme Decken usw. entgegen- gearbeitet wird, lebhaftes Muskelzittern ein. Diese Hemmung des Muskelzitterns infolge der Hautwärme macht überhaupt erst die Ab- kühlung des Körpers im Kohlensäurebade möglich. Über das Zustandekommen der Gefäßerweiterung im Kohlensäurebade können wir folgendes aussagen. Sie ist sicher nicht verursacht durch eingeatmete Kohlensäure, denn sie trat in allen unseren Versuchen mit Ventilatmung auf das deutlichste ein. Sie ist vielmehr rein lokal be- dingt und beschränkt sich streng auf diejenigen Körperstellen, welche ins Wasser eintauchen. Sie ist auch sicher nicht durch den mechanischen Reiz der Blasen als solche hervorgerufen, denn wenn man sich von einem Hautstreifen durch sanftes Hin- und Herbewegen des Fingers die Blasen etwa 7 Minuten lang dauernd entfernt und dadurch die Haut frei von Bläschen hält, so ist diese genau so hyperämisch wie ihre Umgebung. Die Hyperämie muß also auf eine direkte lokale Kohlensäurewirkung bezogen werden. Daß diese nicht durch den prickelnden Reiz der Gas- bläschen mechanisch bedingt wird, zeigt der soeben geschilderte Ver- such. Dasselbe beweist die Erfahrung, welche man mit den Kohlen- säuregasbädern in Franzensbad gemacht hat (Fellner, nach He- diger!) zitiert), in denen deutliches Wärmegefühl auftritt, ohne daß Gasblasen entstehen können. Es bleibt daher nichts übrig, als eine chemische Wirkung der Kohlensäure auf die Hautgefäße anzunehmen. Diese muß demnach in die Haut eindringen. Daß dieses möglich ist, dürfte sich schon daraus ergeben, daß Kohlensäure auch durch die Haut abgegeben wird und zwar nach den Untersuchungen von Gerlach?) und Schierbeck?) in einem Betrage von 0,94 bzw. 1,13 ccm pro Quadratdezimeter und Stunde (von Krogh?) berechnet). Es erhebt sich hier natürlich die Frage, ob es nicht möglich ist, diese supponierte Kohlensäureaufnahme durch die Haut durch eine gesteigerte Kohlensäureabgabe in den Lungen nachzuweisen. Es wird dies aber wohl nur in sehr viel länger dauernden Versuchen möglich sein, als wir sie anstellen konnten, so daß man von kleinen Schwankungen des Kohlensäurevorrates unabhängig ist. Die Gründe, weshalb die im Koh- lensäurebade in unseren Versuchen festgestellte Zunahme der Kohlen- säureausscheidung nicht in diesem Sinne verwertet werden kann, sind oben S. 539 angeführt. !)S. Hediger, Die Kohlensäurebäder und ihre Wirkung auf die Zirkulation. Schweiz. med. Wochenschr. 1921, NET. ?) Gerlach, Uber das Hautatmen. Arch. f. Anat., Physiol. u. wiss. Med. 1851, 8. 430. ? ®) Schierbeck, Kohlensäure- und Wasserausscheidung durch die Haut. Arch. f. Anat. u. Physiol. 1893, physiol. Abt.: 116. 4) A. Krogh, Some experiments on the cutaneous respiration of vertebrate animals. Skandinav. Arch. f. Physiol. 16, 348. 1904. nebst Bemerkungen über den Einfluß des Hochgebirges. 545 Die Temperatursenkung im Kohlensäurebad wird besonders deut- lich, wenn man nicht von den Standardbedingungen ausgeht, bei welchen die Körpertemperatur schon an sich niedrig ist, sondern wenn man den Einfluß des Kohlensäurebades zu beliebigen Tageszeiten und nach Muskel- arbeit untersucht. Eine Übersicht über diese Versuche gibt Tabelle VIII. Tabelle VII. ohne Ruheversuche. Körpertemperatur im Kohlensäurebad nach Spaziergang oder | Ver- Bade- Bade- Körpertemperatur suchs- , Vorperiode | temperatur | dauer = Bemerkungen person Grad Min. | vor dem Bade | nach dem Bads R. M. Heiß. 133,1-_32,0 40 | 37,6° (Puls 70) Bonn ° (Puls 60) Nach einigen Minuten in- | Spazier- | | tensives Hitzegefühl, | gang | das spät. verschwindet. ale: Heiß. 3332 18 37,45° (Puls72)| 137,05°(Puls56)| Bald s. heiß. Hitzegefühl Spazierg. 29 36, ‚89° (Puls 60)| verschwindet später. R. M., Heißer , 33—32 20 Balz 36,65 Kein Frieren, indifferent. | ao 32 | 36,3° |R. M.| Lesen im | 33—31,8 | 22[36,2° (Puls 59) 36,4° Rhythmische Handbewe- | | Garten 34 36,2° (Puls 61) gungen auf dem Bauch. | Wegstreichen der Blasen | verhindert die Hautröte nicht. | nach 30’ R. M.| 9 25’ Bi Bekleidet 37,1° (Puls 70) | 36,8° (Puls 66) | YuyST, | auf Ruhe- | nach 60’ | Schnell | bank. 36,86° (Puls64) bergauf u. nach 90’ zurück. | ı36,8° (Puls 66) Rot. Kopf. | nach 120’ Puls 96 136,85° (Pu!s 66) R. M. Spazier- Da] | 3137,5° (Puls 78) (Puls%0)| 6 Min. lang starkes Hitze- | gang. be) ‚37,0%2°(Puls68)| gefühl. Dann behaglich | | Starker 35 136,%2° (Puls 62) warm. Sofort starke | ‚ Schweiß. | 50 136,47°(Puls60)| Hautröte. | | | ( 30 '36,46°(Puls59)| Völlige Muskelruhe. Erst | | I 'Nach d. || 6 36, 56°(P.54)1)| kühl, nach 4 Min. be- | Bade. 90 36,53°(Puls54)| haglich warm. | Ba 36,54° (Puls56) | 130 '36,8° (Puls 68)| Nach Aufstehen u. Ankleid. \G. L. | Treppen- 8831 ‚62) 151[37,56°(Puls93) 37,36°(Puls%3)| Anfangs etwas heiß, dann | steigen 30 13%. 10°(Puls65)| indifferent,späterKälte- | ‚ während gefühl. Haut blaß. Kein | | 20 Min. Zittern. | R. M.|Nach d.Ess.| a) 15 31.582 37,36° Anfangs warm, dann in- | 20 Min. lang 30 37,0%° different, später kühl. | ee 45 36,80° Kein Zittern. Anfangs | | Schweiß Hautröte. !) Beim Messen leichtes Zittern der Gesäßmuskulatur ohne Kältegefühl. Danach wieder Ruhe. 2) Süßwasserbad (im Tiefland). 36* 546 @G. Liljestrand u. R. Magnus: Wirkung des Kohlensäurebades beim Gesunden Am 29. VII. hatte R.M. nach einem Nachmittagsspaziergang bei heißem Wetter eine Körpertemperatur von 37,6°. Durch ein Kohlen- säurebad von 33° und 40 Minuten ging dieselbe auf 36,8° zurück. G.L. hatte nach demselben Spaziergang 37,45°, die Temperatur sank im Bade in 18 Minuten auf 37,05° und in 29 Minuten auf 36,89°. R.M. hatte am 31. VII. an einem heißen Tage ohne Spaziergang nachmittags eine Temperatur von 37,1°, welche im Bade von 33° nach 20 Minuten auf 36,65°, nach 32 Minuten auf 36,3° herunterging. Am 10. VIII. betrug nach einem Spaziergang nachmittags die Temperatur 37,5° und sank im Kohlensäurebade nach 18 Minuten auf 37,02°, nach 35 Minuten auf 36,72°, nach 50 Minuten auf 36,47° (vgl. Abb. 2). Hieraus ergibt sich eine durchschnittliche Abnahme der Körpertemperatur pro 10 Mi- nuten um 0,2°. Voraussetzung für diese Temperatursenkung ist allerdings völlige Muskelruhe; in dem Versuch vom 7. VIII., in welchem in der ersten oO 20 40 60 80 700 720 740 760 Min. 780 Abb. 2. Die Rectaltemperatur bei R.M. in den Versuchen vom 8. VIII. (+) und 10. VIIL (x). Die Pfeile geben in den Versuchen an, wann die Versuchsperson aus dem Bade ging, bzw. sich wieder anzukleiden begann. Hälfte des Versuches durch rhythmische Handbewegungen die Gas- blasen auf einem Hautstreifen weggestrichen wurden, erfolgte Ansteigen der Körpertemperatur, welche in der 2. Periode bei völliger Muskelruhe wieder sank. Über den weiteren Verlauf der Körpertemperatur nach einem Kohlen- säurebade berichtet Abb. 2. Auf derselben ist zunächst — punktierte Linie — nach dem Versuch am 8. VIII. der Verlauf der Körpertempe- ratur nach einem Spaziergang ohne Bad wiedergegeben. Die Versuchs- person R.M. hatte in einer halben Stunde eine kleine Höhe schnell bestiegen, wobei Schweißausbruch und Gesichtsröte auftraten. Die Körpertemperatur betrug danach 37,1°. Darauf legte sich R.M. be- kleidet auf die Ruhebank. Nach einer halben Stunde war die Tem- peratur 36,8° und hielt sich bis zum Ablauf der 2. Stunde auf dieser Höhe. Im Versuch vom 10. VIII. hatte sich R.M. durch einen ein- stündigen Spaziergang die Körpertemperatur auf 37,5° erhöht. Im Kohlensäurebad von 33° und 50 Minuten sank die Temperatur auf 36,47 °, also über 1°. Diese Temperatur hielt sich, nachdem sich die Versuchs- nebst Bemerkungen über den Einfluß des Hochgebirges. 547 person, in das Badetuch und in Wolldecken gehüllt, auf die Ruhebank gelegt hatte und dort möglichst bewegungslos blieb, 2 Stunden lang fast unverändert auf dieser Höhe; dabei war bereits nach 10 Minuten behagliches Wärmegefühl eingetreten. Als dann nach Ablauf von 2 Stunden R.M. aufstand und sich ankleidete und hierbei natürlich Muskelarbeit ausführte, stieg die Temperatur innerhalb 10 Minuten auf 36,8°. Daß auch ein gewöhnliches Süßwasserbad nach vorhergehender Muskelarbeit die Temperatur reduzieren kann, zeigt der Versuch vom 4. X. bei G.L. Jedoch ist diese Wirkung schwächer als in dem entsprechenden Kohlensäurebad, wie der Vergleich mit dem Versuch vom 29. VII. lehrt. Auch bei R.M. (Versuch vom 22. X.) sank die durch Muskelarbeit auf 37,55° gesteigerte Körpertemperatur im Süßwasserbade nach 15, 30 und 45 Minuten auf 37,36°, 37,02° und 36,80° (zu vergleichen mit dem CO,-Bad am 10. VILI.). Aus diesen Beobachtungen ergibt sich, daß wirim Kohlensäure- bade wahrscheinlich das wirksamste temperaturherab- setzende Mittel beim Gesunden besitzen, mit welchem man bei völligem subjektiven Wärmegefühl und ohne jedes Unbehagen die Körpertemperatur je nach den Umständen um 1° und bis 35,8° rectal erniedrigen kann, ohne daß dabei eine regulatorische Steigerung der Verbrennungen (wenigstens innerhalb der ersten anderthalb Stunden) eintritt. Da unsere Versuche eindeutig ergeben haben, daß eine An- regung des Stoffwechsels im kühlen Kohlensäurebade nicht eintritt, dürfte die bekannte erfrischende Wirkung des Kohlensäurebades auf dieser Abkühlung des Körpers beruhen. Man fühlt sich nach einem derartigen Bade sehr zu Bewegungen aufgelegt und hat das subjektive Gefühl einer gesteigerten Motilität. Sache des Arztes ist es, in welcher Weise er die Temperaturerniedrigung ausnützen will. Läßt er den Patienten nach dem Bade sich bewegen, so steigt die Temperatur in- folge der Muskelarbeit, und die Temperaturerniedrigung wird hierbei sekundär durch die gesteigerte Wärmeproduktion ausgeglichen, welche natürlich absolut von dem Grade der Arbeit abhängig ist. Läßt man dagegen den Patienten nach dem Bade ruhen, so bleibt die Körper- temperatur niedrig, der Stoffwechsel unverändert, und der Patient bleibt unter dem Einfluß der niedrigen Körpertemperatur (mit Puls- verlangsamung usw.). Man wird also nach Belieben die eine oder die andere Wirkung hervorrufen können. Über das Verhalten des Pulses im Kohlensäurebade finden sich An- gaben in den mitgeteilten Tabellen. Nach unseren Erfahrungen tritt im kühlen Kohlensäurebade eine geringe Abnahme der Pulsfrequenz ein, welche der Verminderung der Körpertemperatur entspricht. Bei G. L. sank der Puls durchschnittlich (Tabelle III und IV) von 49 + 0,6 548 @. Liljestrand u. R. Magnus: Wirkung des Kohlensäurebades beim Gesunden auf 46 + 1,4; in einem Falle wurde direkt nach dem Bade als niedrigster Wert eine Pulsfrequenz von 39 gemessen bei einer Körpertemperatur von 36,1°. Bei G. L. trat überhaupt in der Ruheperiode nach dem Bade eine deutliche weitere Senkung der Pulsfrequenz ein. So war z. B. am 20. VII. am Ende des Bades von 43 Minuten und 33—31,2° die Puls- frequenz 52 und sank in der Ruheperiode nachher nach 2 Minuten auf 46, nach 5 Minuten auf 45, nach 9 Minuten auf 43. Ziemlich deutlich ergibt sich der Parallelismus zwischen Körper- temperatur und Puls in den Versuchen der Tabelle VIII (vgl. die Ver- suche vom 8. VIII. und 10. VIII.), wo im allgemeinen die Pulszahlen mit der Körpertemperatur heruntergehen. Jedenfalls läßt sich aus unseren Feststellungen ableiten, daß die Pulsfrequenz im kühlen Kohlensäurebade im wesentlichen der Körper- temperatur folgt, und daß andere Einflüsse nur eine untergeordnete Rolle spielen. V. Anderung des Kreislaufes im Kohlensäurebad. Obgleich zahlreiche Untersuchungen über die Wirkung der Kohlen- säurebäder auf den Kreislauf mitgeteilt worden sind, finden sich keine Beobachtungen über die Beeinflussung des Minutenvolumens des Herzens durch diese Bäder. Man hat sich bis jetzt mit vergleichenden Messungen des Blutstromes in einzelnen Gefäßgebieten!) 2) begnügen müssen, aus denen dann geschlossen wurde, daß das Schlagvolumen des Herzens und wahrscheinlich auch das Minutenvolumen im Kohlensäurebade (vor allem bei indifferenten oder wenig kühleren Temperaturen) zu- nimmt. Hierbei ist aber zu berücksichtigen, daß die verwendeten Methoden (Tachographie, Volumbolometrie) schon deshalb einen ziem- lich beschränkten Wert haben, da kompensatorische Änderungen in anderen Gefäßgebieten als dem eben untersuchten einen störenden Einfluß haben können. Außerdem geben die erwähnten Methoden keinen Aufschluß über die Größe einer eingetretenen Änderung. Wir teilen von unseren Versuchen zuerst in den Tabellen IX und X die Bestimmungen der venösen Kohlensäurespannung bei G.L. in der Ruhe und während des Bades mit. Auf Grund dieser Werte und der Ergebnisse der Respirationsversuche (Tabelle III und IV) sind die Zahlen der Tabelle XI erhalten. Aus diesen ergibt sich folgendes: Die Kohlensäurespannung des venösen Blutes beträgt bei G.L. in der Ruhe 40,4—43,1, im Mittel 41,8 +4 0,3 mm, die Kohlensäurespannung 1) O. Müller und E. Veiel, Beiträge zur Kreislaufphysiologie des Menschen, besonders zur Lehre von der Blutverteilung II: Die gashaltigen Bäder, Volkmanns Sammlung klin. Vortr., Neue Folge Nr. 630—632. 1911. 2)S. Hediger, Volumbolometrische Messungen der Kreislaufwirkung einfacher und kohlensaurer Bäder. Schweiz. med, Wochenschr, 1920, Nr. 24, nebst Bemerkungen über den Einfluß des Hochgebirges. 549 Tabelle IX. Venöse Kohlensäurespannung bei G. L. während Ruhe. | Ver- | CO,-Span- | Verände- |, . Tatsächliche, ae | es | ang der oe elvs a Ve: co. Bemerkungen g | a 7 a | 2 2 korr. Wert pannung | Sek. mm Hg Cem pro Sek. | mm Hg 29. VII. 10,0 41,7 | +0,58 | 42,55 \ I 29. VII. | 7,6 43,9 | —0,65 | 42,75 22 Say 10,221 2541,8050.2.030,|,42,0 N Sy | 101 | eo | Aid a Pavel 055 1 Ale ven Wo or os |. | 90 2. | 13,3. 42.2 212002, 1142,9 5 ORSVEITE 11.9 | 4159 10,10 | 42,0 (ees SV | 10,100, 4957 10,37 | 43,05 SOVIEL 05 | A| N 3,1 ASSVAIITEIN 858 42,0 — 0,86 40,25 | Fremd. Koll. anwes. A OD an on 085 | 406 }104 | BENZIN: | 22102 20,21 6. VII. |.10,3 | Al,l + 0,04 GSVIE 86 | 38,2 +0,76 41,05 6. VII. | 92 40,8 10,36 6-VIl. | 9,7 42,6 06 6. VII. | 9,7 42,2 043 SV 80 41,65 |! + 0,23 8 Val 11.918 39,6 +0,93 8. VIE. 10,9 40,6 2.0.81 41,85 8. VII. || 9,9 39,9 + 0,70 8. VIII. | 9,0 42,4 — 8. VIII. | 10,0 41,85 | + 0,00 Mittel 41,8 + 0,3 Tabelle X. Venöse Kohlensäurespannung bei G.L. in den Badeversuchen. | Ver- | CO,-Span- | Verände- |,,.,; ‘ Tatsächliche Versuchs- | suchs- | nung dr | rung d.alv. V El ee CO.;- Banaakiunaan tag dauer 2. Probe 00; a Wert Spannung = Sek. mm Hg ccm pro Sek.| ı mm Hg 29. VII. | 7,8 41,3 | — 0,38 40,8 40,8 30. VII. | 10,0 41.152 1.215.019 41,25 |\y41s 30. VII. || 9,6 41,35 + 0,11 41,4 IE SI m es 505 7 0083097.) ©3099 31. VII 8,8 40,6 + 1,08 — IVO 40,25 + 0,04 40,25 N 205, | 005 | a0 2. VIII. | 10,8 41,7 I 0,25 | 41,85 41,85 3. VII. | 10,4 41,1 | — 0,03 | 411 3vL 105 411 | +007 | arı lau ey) | Ri En 0 a0: E 019 u \ 36,45 Fremd. Koll. anwes. Mitte] 40,2 + 0,7 Versuchs- tag 29. VII. 3. vl. L:VIL. BAVLEN: 8. VII. Mittel 29.VII. 30.V1l. 31.VIl. 1.VI1l. 2.VIII. 3.VIll. 4.VIIL.!)| 36,45 | Mittel — Volumprozent |xr | | | CO,-Spannung u, Volumprozent | CO, en arter. ee CO,-Ab-| Minu- Ka, | an 3 mm Hg Span- | ©0: im Blute |Blut nach Korr. | c \ |gabepro| ten- | rn L Puls-) ei: nung für unvollständ. | Diffe- Min. volu- Blut freu. | 2 2 re IR HERE EE EHE LERBENN Sättigung des | Se men L. | venös jarteriell mm Hg] venös arteriell} Hämoglobins | ccm | | com | , cem f l | | 142,65 | 34,9 | 80 | 45,73 | 41,64 42,01 3,72 | 190 | 5,1 | 42 | ag | 100 | 41,7 34,3 78 145,25 | 41,28 41,67 3,58 | 164 4,6 | 44 | 48 | 96 141,95 | 33,4 | 81 | 45,37 | 40,77 41,14 4,23 | 167 | 3,9 | 5ı |as | 8 2.VIl. |42,2 | 33,5 | 83 | 45,50 | 40,83 41,19 4,31.1:199: | 4,6: | a8. 148208 3.VItı. |43,1 | 35,5 | so |45,95 | 41,97 42,34 3,61 | 185 | 51 | aı |#9 | 10% 4.VILl.*) 40,4 | 32,8 83 144,62 | 40,42 40,78 3,84 | 205 5,3 43 54 | 98 41,05 | 32,5 | 82 ni a 40,61 4,32 | 188 | 44.| 51:46 | 9 | 41,85 390 78 145,33 | 41,70 42,09 3,24 | 164 5,1 39 46 | 111 ı 41,8 4,8 45 98,5 320,8 +0,2. (+1,6 +34 40,8 Dan 82 44,80 40,95 41,31 3,49 207 5,9 38 — — 24163 31,8 86 45,06 , 39,84 40,19 4,87 | 214 44 ı 50 44 | 100 39,9 30,7 87 44,35 | 39,20 39,54 4,81 210 4,4 50 43 | 102 | 40,2 all 88 144,50 | 39,44 39,77 4,73 198 4,2 | 46 |46 | M 41,85 , 34,6 33 145,33. | 41,47 41,83 3,50 | 216 6,2 |: 36 44 | 140 41,1 | 35,0 | 83 | 44,95 | 41,70 42,06 2,89.| 212 7,3 | 30 46 | 109 30,8 88 142,48 | 39,26 | 39,59 2,89 | 255 8,8 28 50 | 176 40,2 5,921. 40% | 128° +0,7 | 550 @. Liljestrand u. R. Magnus: Wirkung des Kohlensäurebades beim Gesunden Tabelle Xl. Minutenvolumen des Herzens bei G.L. des arteriellen Blutes 34,4 + 0,3 mm. Durch die Hyperpnöe im Kohlen- säurebade geht die venöse Kohlensäurespannung im Mittel auf 40,2 + 0,7, die arterielle auf 33,0 + 0,5 mm zurück. Es wird also, da in unseren Versuchen der Kohlensäuregehalt der Inspirationsluft nicht erhöht wird, das Kohlensäureniveau des ganzen Körpers sinken müssen. Ein ähnlicher Unterschied findet sich, wenn man die venöse und arterielle Kohlensäurespannung des Blutes bei G. L. in Stockholm und St. Moritz miteinander vergleicht. Nach 8 Versuchen betrug die venöse Kohlensäurespannung im Tieflande im letzten Februar bei G.L. 47,1-+ 0,2 und im arteriellen Blut 38,8+ 0,3mm Hg. Ebenso wie also im Hochgebirge die alveolare Kohlensäurespannung sinkt, geht sie auch ganz parallel im venösen Blute herunter. Die Ergebnisse der beiden Versuchsreihen (alveolare und venöse Kohlensäurespannung, zwei unabhängige Bestimmungsreihen) bestätigen sich demnach voll- ständig. Vergleicht man die Werte im Kohlensäurebade in St. Moritz mit den Ruhewerten in der Tiefebene, so ergibt sich für erstere ein beträchtlicher Grad von Akapnie; es mag aber betont werden, daß hierbei völliges Wohlbefinden besteht und keinerlei Krankheitserschei- nungen deutlich werden. !) Besuch eines Kollegen an diesem Tag. nebst Bemerkungen über den Einfluß des Hochgebirges. 551 Das Minutenvolumen des Kreislaufes in der Ruhe betrug bei G.L. 3,9—-5,1L., nur im Versuch vom 4. VIII. (Besuch eines Kollegen) 5,3 L. Der Mittelwert ist 4,8 + 0,2. Im Tieflande war das Minuten- volumen bei G. L. im Februar 3,9—5,7 L., im Mittel 4,6 + 0,2, so daß also die Kreislaufgröße in St. Moritz in der Ruhe genau die gleiche ist wie in Stockholm. Hasselbalch und Lindhard!) haben im pneu- matischen Kabinett bei 488—589 mm ebenfalls das Minutenvolumen unverändert gefunden. Es erhebt sich nun die Frage, inwieweit die Gefäßerweiterung in der Haut, welche im Kohlensäurebad auftritt, die Kreislaufsgröße beein- flußt. A priori kann man an zwei Möglichkeiten denken, entweder muß die Kreislaufsgröße infolge der Eröffnung des Stromgebietes durch die Haut zunehmen, oder es tritt kompensatorisch eine Verengerung in anderen Gefäßgebieten (vor allem im Splanchnicusgebiet) auf, so daß sich der gesamte Kreislauf nicht ändert. In unseren Versuchen zeigte sich, daß beide Möglichkeiten verwirklicht sind. In den Versuchen 30. VII., 31. VII. und 1. VIII. blieb das Minutenvolumen unverändert und betrug im Mittel 43 _L., in den 4 übrigen Versuchen ergab sich dagegen eine bedeutende und weit über die Fehlergrenzen der Methode hinausgehende Zunahme des Blutumlaufes bis auf 5,9—8,8, im Mittel 7,3 L. Zu bemerken ist, daß die Hautröte in den Fällen, wo das kleine Minutenvolumen im Bade gefunden wurde, ebenso deutlich hervortrat wie in den anderen Fällen. Man wird deshalb dieses Ergebnis wohl so deuten müssen, daß infolge der Erweiterung der Hautgefäße die Durch- blutung der Körperoberfläche beträchtlich zunimmt, daß aber eine Kompensation durch Verengerung anderer Gefäßgebiete in wechseln- dem Maße erfolgt, so daß der Kreislauf entweder konstant bleibt oder zunimmt. Die Bedingungen, unter denen das eine oder das andere eintritt, haben wir nicht näher untersuchen können. Da die Sauerstoffaufnahme pro Minute im Kohlensäurebad un- verändert bleibt, muß natürlich in denjenigen Fällen, in denen das Minutenvolumen des Herzens steigt, die Sauerstoffaufnahme pro L. Blut abnehmen. Sie sank bei G.L. von durchschnittlich 45 auf 40 ccm proL. Die von uns beobachtete Wirkung des kühlen Kohlensäurebades auf das Minutenvolumen des Herzens. ist offenbar von derselben Art wie diejenige, die Lindhard?) für warme Süßwasserbäder gefunden hat. Im allgemeinen beobachtete er nämlich bei solchen Bädern von 40,5 — 44° Vergrößerung des Minutenvolumens, bei einer Versuchsperson blieb aber diese Wirkung aus, was auch als eine Kompensation in anderen !) K. A. Hasselbalch und J. Lindhard, Zur experimentellen Analyse des Höhenklimas II. Biochem. Zeitschr. 68, 265. 1915. 2) J. Lindhard, Über das Minutenvolumen des Herzens bei Ruhe und bei Muskelarbeit. Pflügers Arch. f. d. ges. Physiol. 161, 2931f. 1915. 552 @G.Liljestrand u. R. Maenus: Wirkung des Kohlensäurebades beim Gesunden Gefäßgebieten aufgefaßt wird. Dagegen steigt im warmen Bade die Puls- frequenz erheblich, während sie in den kühlen Kohlensäurebädern sinkt. Wegen der Abnahme der Pulsfrequenz im Kohlensäurebad muß das Schlagvolumen des Herzens ansteigen. Diese Zunahme ist natürlich in denjenigen Versuchen am größten, in welchen auch das Minuten- volumen größer wird. Im letzten Falle wurden sehr beträchtliche Schlagvolumina beobachtet, von 140—159, in dem Versuche vom 4. VIII. sogar von 176ccm (gegenüber dem Mittelwert der Normal- versuche von 98,5 ccm). Unsere Ergebnisse beziehen sich bisher nur auf den Gesunden. Inwieweit die Heilwirkung der Kohlensäurebäder bei Erkrankungen der Kreislaufsorgane auf diesen Veränderungen beruht, muß natürlich noch besonders untersucht werden. Erst dann wird man sagen können, ob und in welchem Umfange Pulsverlangsamung, mäßige Vergrößerung des Blutumlaufes und Zunahme des Schlagvolumens bei Kreislaufs- krankheiten günstige Wirkungen ausüben können. Erwähnt mag noch werden, daß unter den von uns untersuchten Bedingungen der Blutdruck im kühlen Kohlensäurebade im wesent- lichen unverändert blieb. Bei R.M. wurde er am 16. VII. vor dem Bade zu 130/80, im Bade nach 15 Minuten zu 130/80 und 132/90 ge- messen, bei G. L. sank erim Bade von 38 Minuten von 120/95 auf 110/60, bei Dr. Hediger war er vor dem Bade 110/90 und 110/80, im Bade nach 18 Minuten 110/80. VI. Zusammenfassung. A. Wirkung der Höhe (1800 m). Der Standardstoffwechsel (d. h.- der Stoffwechsel bei völliger Muskelruhe und in nüchternem Zustande) bleibt vollständig unverändert, ebenso ist das Minutenvolumen des Herzens und die Lungenventilation (unred.) die gleiche wie in der Ebene. Auch nach größeren Bergtouren mit starker Besonnung wurden am folgenden Morgen diese Werte völlig normal gefunden. Dagegen fand sich eine deutliche Verminderung der alveolaren Kohlensäurespan- nung um durchschnittlich 4,4 = 0,4 mm und eine Abnahme der Kohlen- säurespannung des venösen Blutes um 5,3 = 0,4 mm. B. Wirkung des Kohlensäurebades. Während im kühlen Wasserbade die Hautgefäße sich kontrahieren und infolgedessen die Innentemperatur des Körpers nahezu unverändert bleibt, erfolgt im kühlen Kohlensäurebade (33°) eine starke Erweiterung der Hautgefäße mit deutlichem subjektiven Wärmegefühl. Diese beruht auf einer lokalen Kohlensäurewirkung auf die Hautgefäße. Infolge hiervon wird die Wärmeabgabe erhöht. Eine Steigerung des Stoffwechsels (chemische Wärmeregulation) und Steigerung der Sauerstoffaufnahme erfolgt aber weder während des Bades noch in der Nachperiode, Die Folge ist, daß nebst Bemerkungen über den EintHuß des Hochgebirges. 553 die Körpertemperatur sinkt. Unter Standardbedingungen konnte die Kör- pertemperatur auf 35,8° und bei gewöhnlichen Verhältnissen bis um mehr als 1° herabgesetzt werden. Werden nach dem Bade keine Muskelbewe- gungen ausgeführt, so bleibt die Temperatur auf diesen niedrigen Werten. Sobald dagegen Muskelbewegungen ausgeführt werden, steigt sie sofort. Das Kohlensäurebad ist ein außerordentlich wirksames Mittel, um beim Gesunden die Körpertemperatur ohne jede subjektiven Be- schwerden herabzusetzen. Durch die Erwärmung der Haut wird das Auftreten von Muskel- zittern verhindert, nach dem Bade kann Muskelzittern auftreten, worauf sofort Temperatursteigerung erfolgt. Wird die Badetemperatur tiefer genommen (29°), so kann auch im CO,-Bade physikalische Wärmeregulation und Muskelzittern eintreten. Infolge der Hautgefäßerweiterung strömt mehr Blut durch die Haut. In 4 von 7 Versuchen nahm infolgedessen das Minutenvolumen des Herzens deutlich, im Mittel um 52% zu, in 3 Versuchen war die Kreis- laufsgröße unverändert, vermutlich weil eine kompensatorische Ver- engerung anderer Gefäßgebiete auftritt. Die Pulsfrequenz sinkt im Bade entsprechend der Erniedrigung der Körpertemperatur, infolge- dessen tritt eine Vergrößerung des Schlagvolumens auf, welche natürlich in denjenigen Versuchen, in welchen der Gesamtkreislauf steigt, sehr beträchtlich ist (Maximalwert 176 ccm). Der Blutdruck ändert sich nicht wesentlich. Im Kohlensäurebade erfolgt, auch wenn Luft mit normalem Kohlen- säuregehalt eingeatmet wird, eine deutliche Zunahme der Atmungs- sröße. Infolge hiervon wird Kohlensäure ausgewaschen, die Kohlen- säurespannung im arteriellen und venösen Blute sinkt, und der respira- torische Quotient kann über 1 steigen. Durch unsere Versuche kann natürlich die Möglichkeit einer chemi- schen Wärmeregulation ohne Muskeltätigkeit nicht ausgeschlossen werden. Sicher ist nur, daß eine solche durch das kühle Kohlensäure- bad nicht ausgelöst bzw. beeinflußt wird. VII. Anhang (Versuchsprotokoll als Beispiel). 3. VIII. 1921. Bar. 617,5 mm. Versuchsperson: G. L. Ruheperiode beginnt 630’ vorm., Ventilatmung beginnt 753’. Ruhe- respirationsversuch 1 7" 15’ bis 7% 20°. Unmittelbar danach Bestimmung 1 der venösen Kohlensäurespannung, 7% 21° Bestimmung 2 der venösen Kohlensäure- spannung. Körpertemperatur 7% 35° 36,28°. Pulsfrequenz 49. Geht um 7h 40’ in das Kohlensäurebad von 33°. Ventilatmung im Bade beginnt um 8". Re- spirationsversuch 2 um 8" 11’ bis 8" 16°. Unmittelbar danach Bestimmung 3 und 8% 19’ Bestimmung 4 der venösen Kohlensäurespannung. Körpertemperatur um 85h 27° 36,1° (im Bade), Pulsfrequenz Sh 28° (im Bade) 46. Badetemperatur jetzt 31,6°. Zustand im Bade behaglich, am Ende doch etwas kühl; kein Zittern, Schön rot bald nach dem Einsteigen, Nach dem Bade auch gute Hautröte, M E 554 @G.Liljestrand u. R. Magnus: Wirkung d. Kohlensäurebades b. Gesunden usw. N Respirationsversuche. | == ———— ——— = | Ventilation Re- BEER : SERIE | Vnti- Be (0°, 760 Temp. | spira- Exspirationsluft | Inspira- Differenz | & 3|/3537%|Re 2 | uDauer.in vera] ER dere@e« DEE ton Suite. Re Een | Bean Nr. lation | mm, Trok- Gasuhr tionen co Oo lee = au Qu dir. L. | kenheit) L, | Uhr | pro 2 a er Ba ee 0: || Min. | "pro Min. | Grad | Min. % % a) %.l a SS SE D: TR . 2 T Zns —— SER T ——— = m en = —_ —— T = 1. 5,10. 1730:2 441 | 17,65| 12,0 | 4,24 | 16,34| 21,03 [4,20] oo] 18 207 0,0 2 1.5.10 | .35;8 5,12 21,8: | 14,3 | 4,18 | 16,66] 20,96 ]4,14!4,30| 212 220 2 Alveolare Kohlensäurespannung und Sauerstoffspannung | Ee — Si Rh: : Ber (Formel von Bohr: & — Enge —,woE = Exspiration, S = schädlicher Raum, | N A e und i der Gehalt der Exspirations- bzw. Inspirationsluft an Kohlensäure bzw. | Sauerstoff). | Alveolare Kohlensäure Alveolarer Sauerstoff Nr. E (unred.) E—S ESEL ZT] Alan r Ar | % | mm Hg Y mm Hg 1 ll I . 495 335 6,23 39.9 14.1 80 | 2 I Asa aa 6.14 | 35.0 14,6 83 | Bestimmungen der venösen Kohlensäurespannung. 2 HERE TEEN Core are | Versuchs- | Luft in den Kohlensäure geben (+) od. co ee \ Nr. dauer Lungen —- —— =| aufgenommen Dal: Probe 1 | Probe2 | Probe 2 (-) cem pro | nung mm ] Sek. 1% 9, %, | mm Ra: | korrig. Wert RESTE TE BE RP RRTE | 1 10.1 2.09 1.26 7,50 42,7 +:0,37 43,0 \ 431 i 2 1111 2,54 114 | 7,44 42,4 +0,51 !431 ; i 3 10,4 2.97 UA 41,1 0:03: 2 AR hai 1 | 4 10,4 1,99 alles Ivo v2 | 41.1 +0,07 | 41,1 ? | Minutenvolumen des Herzens. os u oh Volumprozent | ‚Spannung olumprozent CO, im | co, im arter. | «- Iente O,-Auf- R mm Hg Blute Blut nach Korr.| Von Ninusen nahme pro Nr. | E ist, sat, „Prozent volumen L. Blut re u] ee a u m a unyo = alla Differenz . E # : tigung’) des venös arteriell venös arteriell Hämoglobins m: cem | 1 43.1 39.5 45,952 | 541.97 42,34 3.61. | 5,1 41 104 N 2 41,1 35,0 44.95 | 41,70 42,06 2,89 | 30 159 ° !) Von der Annahme der konstanten Stickstoffmenge in der In- und Exspira- tionsluft berechnet. (Wenn N, den Prozentgehalt in der Exspirationsluft bedeutet, N, a - 20.93). 100 — 20,97 3) ®) Da die Sättigung des Blutes mit Sauerstoff bei der Bestimmung der venösen Kohlensäurespannung zu 98%, (vgl. S. 533) und in den Respirationsversuchen 1 und 2 zu 91,7% bzw. 92,0%, gesetzt werden kann, beträgt die Korrektion im Versuch 1: 18,6.0,32 (0,98 — 0,917) = 0,375, > ® 2: 18,6.0,32 (0,98 — 0,92 ) =.0,357. Hier ist 18,6 die Sauerstoffkapazität des Blutes und 0,32 der Korrektionsfaktor nach Peters, Barr und Rule (für CO,-Spannungen 30—40 mm), ist der korrigierte Wert | il (Aus dem Physiologischen Institut der Universität Halle a. S.) Beiträge zur vergleichenden Physiologie der Spermatozoen. II. Mitteilung. - Weitere Studien über Salzwirkungen. Von Privatdozent Dr. phil. et med. Ernst Gellhorn, Assistent am Institut. Mit 10 Textabbilduneen. (Eingegangen am 2. November 1921.) In der ersten Mitteilung!) sind unter anderem Versuche mitgeteilt worden, aus denen hervorgeht, daß die Wirkung einiger Neutralsalze auf die Lebensdauer und Beweglichkeit von Warmblüter- und Kalt- blüterspermatozoen verschieden ist, und daß unter letzteren die Sper- matozoen der Seetiere eine Sonderstellung einnehmen. Die Unter- suchungen wurden in der Weise angestellt, daß zu der Flüssigkeit, die für die betreffenden Spermatozoen als indifferent anzusehen ist, bzw. in der die Spermatozoen normalerweise ihre Funktion erfüllen, geringe Mengen von KCl, SrCl,, CaCl,, MgCl, und BaCl, hinzugefügt wurden. Nun liegen diese Versuche insofern besonders kompliziert, als jedes der Salze, deren Wirkung studiert werden sollte, nicht isoliert, sondern in einem Salzgemisch seinen Einfluß geltend macht. Da aber Brunnen- wasser, Ringersche Flüssigkeit und endlich Meerwasser sowohl hin- sichtlich der Konzentration der vorhandenen Salze wie auch ihrer quali- tativen Zusammensetzung sich ganz erheblich unterscheiden, so geht aus diesen Versuchen nicht ohne weiteres hervor, ob die erwähnten Neutralsalze auch bei isolierter Anwendung in Aq. dest. die gleichen Wirkungen ausüben wie in den genannten Salzgemischen. Es schien deshalb von Interesse, die vergleichenden Studien in der angedeuteten Richtung fortzuführen. Ich habe mich aber in den folgenden Untersuchungen nicht auf die genannten Salze beschränkt, sondern vielmehr systematisch die Wirkung der Alkalimetalle sowie der alkalischen Erden und anderer mehrwertiger Metalle auf die Lebens- dauer und Beweglichkeit der Spermatozoen geprüft. Und zwar waren für die Ausführung der Versuche folgende Über- legungen maßgebend. Wir sind durch die Untersuchungen von Wein- 1!) Pflügers Arch. f. d. ges. Physiol. 185, 262. 1920. 556 E. Gellhorn: land!), Hoeber?) und Lillie?) über die Wirkung der Alkalisalze auf das Flimmerepithel unterrichtet. Die Resultate der Autoren stimmen unter Berücksichtigung der Kritik Hoebers recht gut überein und führen nach dem Grade der Giftigkeit geordnet für die Kationen zu der Reihe R< Rb LuCl, CsCl Auch hier wieder sollen die Klammern darauf hinweisen, daß Li, Cs, K, Rb einerseits, Na und NH, andererseits in dem Sinne zusammen- gehören, daß innerhalb dieser Gruppen kleine Verschiebungen benach- barter Kationen in dem in der Reihe angedeuteten Sinne beobachtet werden. Eine Reihe weiterer Versuche wurden an den Spermatozoen von Meerschweinchen angestellt. Das Ergebnis dieser Versuche ist deshalb bemerkenswert, weil die Kationenreihe der 37* oQı 562 E. Gellhom: Meerschweinchenspermatozoen nicht etwa durch Ver- tauschung der Stellen von ein oder zwei Gliedern aus der Kationenreihe der Froschspermatozoen zu ent- wickelnist, sondern weil sie die genaue Umkehrung der Dextr. 5,42% 1,6 | . KO1 2), 0,4 | u. RbOL 27, 0,4 Dextrose 5,42% | . Lil 2/5 0,4 Dextrose 5,42°/, Osch7/ 0,4 . NH,CH %s 0,4 . NaCl», 024 lIonenreihe der Spermatozoen von Rana temporaria bildet. Tabelle III. Meerschweinchen. 1.98.30, 12.102.307 120730 20307 3230, 4h 30° 5a “5 eut gut eut | beweglich | schwach | einzelne | ganz V | beweglich | beweglich | beweglich | beweglich | beweglich | einz. bw eut gut gut | fast gut | beweglich | schwach schwa Dextr. 5,42% 1,6 | beweglich | beweglich | beweglich | beweglich | beweglich | bewegl | eut eut gut | fast gut | beweglich | schwach einzel; beweglich | beweglich | beweglich , beweglich beweglich | bewegl ı unbeweg- | | | lich | | unbeweg- | Dextrose 5,42°%/, | lich | | cut beweglich | schwach | unbeweg- | beweglich | beweglich lich | Dextrose 5,42%, Aus Tabelle III und der graphischen Darstellung geht nämlich hervor, daß Cs und Li in höchstem Maße giftig sind. Die Spermatozoen sind sofort oder nach sehr kurzer Zeit völlig unbeweglich. Dagegen konservieren K und Rb die Beweglichkeit der Sperma- tozoen am besten. Na und NH, nehmen eine Mittel- stellung ein; aber Na ist stets weniger schädlich als NH,. Unterschiede zwischen Li und Cs fehlen völlig, zwischen K und Rb sind sie sehr gering. In einem Teil der Versuche ist die Lebens- dauer der Spermatozoen in K die gleiche wie in Rb, gewöhnlich schädigt K etwas ' weniger als Rb, doch kommt gelegentlich auch eine ge- ringe Differenz zugunsten des Rb vor. Wir können deshalb die Ergebnisse unserer Versuche in folgender Reihe zusammenfassen: KSRb Naja, Na.50. 7/ın . N»HPO, % . Na-acetat "/y .'NaN 0,20 . Na-cıtrat 2/so B NaSCN no .NaF 2), 1027307 112. 10% 12230: 28157 30 452 fast gut bewegl. fast gut bewegl.| beweglich | vereinz. bewgl.| unbewegliel fast gut bewegl. ‚ schwach bewegl. fast gut bewegl. fast gut bewegl. fast gut bewegl. \ fast gut beweg- lich einzelne bewegl. . Na-tartrat, %/ao gut beweglich unbeweglich unbeweglich beweglich vereinzelt bwgl. gut beweglich fast gut beweel. fast gut beweeal. fast gut beweg- ich vereinzelt bwal. gut beweglich beweelich vereinz. bwgl. fast gut bwel. beweglich beweglich beweglich, et- was schlechter vereinz. bwel. 'gut beweglich schwach bwe]. unbeweglich fast gut bwgl. beweglich schwach bwel. schwach be- weglich unbeweglich gut beweglich | oz. vereinz. DW einzelne bewe einzelne bewe einzelne bewe vereinzelt bt weglich | beweglich | Beiträge zur vergleichenden Physiologie der Spermatozoen. I. 565 Aus dem Versuche ist ersichtlich, daß auch den Anionen eine sehr verschiedene Wirkung auf die Lebensdauer und Beweglichkeit der Spermatozoen zukommt. Fluorid und Rhodanid wirken fast momentan tödlich, auch unter der Einwirkung von Jodid und Citrat ist die Beweglichkeit von vornherein sehr gering und im Ver- laufe einer sehr kurzen Zeit‘ völlig ge- schwunden. Diesen lähmenden Anionen steht direkt gegenüber die Gruppe Tartrat, Sulfat, Phosphat und Acetat, die die Be- weglichkeit der Spermatozoen oft mehrere Stunden (3—4) optimal erhalten. Zwi- schen diesen beiden Gruppen steht Bro- mid, Nitrat und Chlorid. Zwar erhält sich auch in diesen Lösungen die Be- weglichkeit der Spermatozoen eine Zeit- lang gut, die Abnahme in der Beweglich- keit tritt aber stets früher ein als in der Tartratgruppe. Suchen wir auf Grund dieses Versuches die Anionenreihe festzustellen, so erhalten wir nach steigender Giftwirkung geordnet folgende Reihe: Tartrat < Sulfat < Phosphat < CH,C00 < NO,, Br NO, >Br Na <= < NH, —— — je Les -Os Li> Cs. Eine gegenseitige Entgiftung beider Salze in dem Sinne, daß die Kurve des Salzgemisches außerhalb der Kurven jedes der beiden Komponenten verläuft, wird jedoch bei der angegebenen relativen Konzentration der Salze in dem Salzgemisch LiCl-+ KCl und CsCl-+ KCl nicht beobachtet. Der in unseren Versuchen für Kalium und Natrium nachgewiesene lonenantagonismus findet in neueren Untersuchungen von Neu- schloß!) über die Änderung der Oberflächenspannung von Leeithin- solen unter dem Einfluß von Salzgemischen (NaCl + KCl) sowie in Versuchen über die Bedeutung dieser Salzkombination für die Hämo- lyse eine interessante Parallele. Neuschloß fand nämlich in seinen kolloidehemischen Studien, daß bei bestimmtem Verhältnis von Na- trium zu Kalium die Oberflächenspannung des Lecithinsols die gleiche wie in destilliertem Wasser ist und konnte in Hämolyseversuchen den Nachweis erbringen, daß bei dem Verhältnis 1 Na : !/,, K und !/,, Na : 1 K die Hämolyse, hervorgerufen durch Hypotonie der Lösung, ein Minimum zeigt. So tritt bei Verwendung von NaCl in 0,08 molarer Konzentration 46%, Hb aus, in KCl-Lösung sogar 67%, während bei der Salzkombination 1 NaCl : !/,, KClnur 28% und bei !/,, NaCl + IKC1 21% Hb in Lösung gehen. Es liegt also hier ebenso wie in dem Ver- such, der der Abb. 1 zugrunde liegt, ein echter Ionenantagonismus vor. Neuschloß erklärt seine Befunde mit der Annahme, daß die Kolloide der Zellhaut durch die Einzelsalze eine Zustandsänderung im Sinne einer Dispersitätsverminderung und hierdurch eine geringere _ Widerstandsfähigkeit gegen osmotische Einflüsse erfahren. In Salz- gemischen wie Kaliumchlorid + Natriumchlorid wird diese Wirkung herabgesetzt und infolgedessen auch die osmotische Resistenz erhöht. Diese Resistenzerhöhung ist aber nicht nur gegenüber Schwankungen des osmotischen Druckes anzunehmen, sondern unter Berücksichtigung !) Pflügers Arch. f. d. ges. Physiol. 181, 17. 1920; 181, 40. 1920; 181, 45. 1920. Ferner Kolloid-Zeitschr. %%, Heft 6, S. 292. 1920. Vgl. auch Handovsky, Pflügers Archiv f. d. ges. Physiol. 185, 7. 1920 und die Entgegnung von Neu- schloß, Pflügers Arch. f. d. ges. Physiol. 18%, 136. 1921. Pr wu oaoD- 580 E. Gellhorn: | der Versuche Ostwalds, Osterhouts sowie der geschilderten Befunde an Spermatozoen des Frosches ist es wahrscheinlich, daß Gemische von Natriumchlorid + Kaliumchlorid in bestimmtem Verhältnis die Integrität der Zellen länger erhalten als Lösungen von Einzelsalzen, weil Dispersitätsänderungen der Kolloide der Zellhaut in den Salz- gemischen ein Minimum aufweisen. II. Die Entgiftung des Chlor-, Jod- und Bromions dureh andere An- ionen bei ausschließlicher Anwendung von Natriumsalzen. Die gleichen Gesichtspunkte, die zur Untersuchung von Salz- gemischen der Alkalimetalle mit gleichem Anion, aber verschiedenem Kation geführt und auch innerhalb dieser Reihe starke antagonistische Wirkungen aufgedeckt hatten, sind auch für die folgenden Untersuchun- gen maßgebend. Wir suchten nämlich zu entscheiden, ob nicht die Giftigkeit von NaCl bzw. NaBr und NaJ durch Hinzufügung anderer Natriumsalze, die mit Rücksicht auf ihre Stellung in der Anionenreihe!) als sehr ungiftig angesehen werden müssen, vermindert oder aufgehoben werden kann. Das ist nun in der Tat der Fall, wie die folgenden Ver- suche beweisen. Tabelle II. Rana temporaria. N LIBRI 212500: A 4h 45’ N . NaCl Ayo 'gutbwel.) gut bewegl. fast gutbwgl. beweglich gz. vereinz. bwg wNaBr /,5 |beweglich beweglich beweglich | schwach beweglich vereinz. beweg . Na0l+-Na-acetat (1:1) | gut bwgl.| gut bewegl. fast gut bwel. | bwel. od. etw. besser, beweglich . NaBr+Na-acetat (1: 1)|beweglich |fastgutbwel. fast gut bwel.| beweglich | beweglich ' Tabelle IV. Rana temporaria. |.» 7.122152 10% | SR 2N14 5 | 2u 3 Nad Zn | gut bewegl. beweglich vereinz.bwegl. | 22. vereinz. bwel. | unbeweglie . NaJ + Na-acetat (1:1) |sehrgutbwegl.| gut bewegl. | gutbewegl. beweglich | vereinz.bws . NaJ-+Na-acetat (1:'/) |sehrgutbwgl.) gut bewegl. | fast gutbwgl. | schwach bewegl. | unbeweglie Wir beschränken uns aus räumlichen Gründen auf die Wiedergabe der Protokolle von an Rana temporaria ausgeführten Versuchen. An den Sper- matozoen von Rana esculenta wurden die gleichen Resultate erzielt. In Abb. 3 und 4 wird gezeigt, daß Na-Acetat zu Lösungen von NaBr, NaJ oder NaCl hinzugefügt die Beweglichkeit der Spermatozoen viel besser erhält, als es die Halogene des Natriums allein vermögen. Besonders scharf lehrt dies der Vergleich der NaCl + Na-Acetat- mit der NaCl-Kurve sowie die entsprechenden NaJ-Kurven der Abb. 4. Hat sich doch in dem Gemisch von Na-Acetat + NaCl die Beweglich- keit der Spermatozoen mehrere Stunden fast unvermindert erhalten, während sie zu diesem Zeitpunkt in der Kochsalzlösung beinahe er- 1) Vgl. die vorhergehende Mitteilung in Pflügers Arch. f. d. ges. Physiol. 193, 564 fi. 1922. Beiträge zur vergleichenden Physiologie der Spermatozoen. II. 581 loschen ist. Aus den Kurven der Abb. 4 ist ersichtlich, daß die Zahl der beweglichen Spermatozoen im Verlaufe des Versuches in der Lösung NaJ + Na-Acetat bedeutend langsamer abnimmt als in der NaJ- Lösung, wenn auch die Lebensdauer in dem Gemisch beider Salze nur unbedeutend verschieden ist. Dabei macht es keinen Naßr +Wa-acetat WaBr Abb. 3. Abb. 4. wesentlichen Unterschied aus, ob NaJ : Na-Acetat sich wie 1 Mol. :1/ 0 Mol. verhalten oder in äquimolekulares Mengenverhältnissen ange- wendet werden. Ein Vergleich in quantitativer Beziehung ist zwischen Versuchen der Abb. 3 und 4 nicht möglich, da sie von verschiedenen Versuchen herrühren. Dies gestattet aber das Studium der folgenden Protokolle und Abbildungen, soweit mit den Spermatozoen desselben Hodens .gleichzeitig Versuche mit NaCl, NaBr und NaJ allein sowie mit den entsprechenden Salzgemischen ausgeführt wurden. Abb. 5 zeigt nun, daß durchgehend die Beweglichkeit in den Ge- mischen der Halogensalze des Natriums wesentlich besser ist als in den reinen Halogensalzen. Während die Kurven der Halogensalze derart Tabelle V. Rana temporaria. ls 124.457 25157 an Hurnz 62192 all "yo gut beweg- | beweglich |vereinzelt| gz. verein-| unbeweglich E lich bewegl. | zeltbwgl. aBr "yo gut beweg- beweglich | vereinzelt gz. verein- | unbeweglich — lich | bewegl. zeltbwgl. as = beweglich | einzel. bwgl. unbwgl. | — — —_ NaCl+NaS0,(1:?/10) | gut bewegl. | gut bewegl. | bewegl. bewegl. einzel. bwgl. einzel. bwgl. aBr+ Na5SO, (1: 7/10) sehr gut | sehr gut | sehr gut | gutbwgl. fast gutbwgl. schw. bwegl. \ beweglich beweglich bewegl. | aJ+Na,SO,(1:1) | gut bewegl. beweglich |vereinzelt| unbwgl. oder besser | | bewegl. 582 e E. Gellhorm: | verlaufen, daß ein Unterschied zwischen NaCl und NaBr nicht hervortritt, ] | NaJ aber stärker schädigt, zeigen die Kurven der Salzgemische deutliche Unterschiede im Sinne der Reihe: NaBr + Na,SO, < NaCl WaBrtNa,50%, + Na,80, < NaJ + Na,S0,, | ‘70 wenn man den Grad der Schäd- lichkeit für die Spermatozoen be- rücksichtigst. Es entspricht dies ja auch der Anionenreihe Br, Cl), die, wie früher gezeigt wurde, sich in den meisten Versuchen fin- det. Daß auch hier wiederum Br und Cl viel enger zusammenge- hören als Br und Cl zu J, geht Mall + Na, 50, 70 NaBr aus dem Verlauf der Kurven der — Salzgemische hervor. Genügt es NaJ+Naz 50, 1:1 doch, Natriumsulfat im Verhält- Abb. 5. nis 1/,,:1 Mol. zu NaCl bzw. NaBr hinzuzufügen, um eine sehr starke entgiftende Wirkung zu erhalten, während ein Effekt von Na,SO, gegenüber Natriumjodid erst bei äquimolekularen Mengen beider Salze und auch dann nur in geringem Grade eintritt. Denn die Stärke der Beweglichkeit der Spermatozoen in NaJ + Na,SO, ist noch etwas geringer als in reiner NaCl -oder NaBr-Lösung. Ganz analoge Verhältnisse ergeben sich aus Abb. 6. Tabelle VI. Rana temporaria. IL 157 gap: 1Dr45, on 30 1. NaCl%/jo |sehrgut bwel. sehrgutbwgl.| gut beweglich beweglich ‚einzel. bwg 2. NaBr "/yo \sehr gutbwel. sehrgutbwgl.| gut beweglich beweelich einzel. bwg 3.NaJ %/y | gut bewegl. | beweglich | vereinz. bewegl. 22. vereinz. bwgl.| unbeweglie 4. NaCl-+ Na-tartrat(1:1) |sehrgutbwel. |sehrgutbwgl. fast sehrgutbwgl. gut beweglich |fastgutbwg 5. NaBr+Na-tartrat(1:1) |sehrgutbwel. sehrgutbwgl.| gut bew eglich | gut beweglich fastgutbwg‘ 6. NaJ-+Na-tartrat (1:1) |sehrgutbwgl.| gut cal beweglich vereinz. bewegl.| unbeweglie Die Entgiftung der Halogensalze gelingt hier durch Natriumtartrat, das mit den Halogensalzen in äquimolekularen Mengen gegeben wird. Tabelle VI. Rana temporaria. Ih 3b7157 5R:45% 1:4Na@l a; beweglich einzelne bewegl. vereinz. bewegl. 2. NaBr ji fast gut bewegl. einzelne bewegl. vereinz. bewegl. 3. NaJ " | inselns bewegl. | gz. vereinz. bwgl. unbeweglich 4. NaCl rs "Na,HPO, (1:1) sehr gut bewegl.| gut beweglich beweglich 5. NaBr + NaHPO, (1:1) | sehr gut bewegl. gut beweglich beweglich 6. NaJ + Na;HPO, (1:1) | sehr gut bewegl. | fast gut bewegl.| vereinz. bewegl. Beiträge zur vergleichenden Physiologie der Spermatozoen. III. 583 Zu dem Versuch der Abb. 7 ist zu bemerken, daß Na,HPO, zur Entgiftung der Halogensalze besonders geeignet zu sein scheint. Denn hier liegt auch eine starke Wirkung gegenüber dem Jodnatrium vor, da die Beweglichkeit der Spermatozoen in NaJ + Na,HPO, nicht bloß erheblich größer ist als in reiner Jodnatriumlösung, sondern weil das Salzgemisch noch weniger als NaBr und NaCl schädigt. Zusammen- fassend läßt sich also sagen, daß sämtliche Anionen unserer erstenGruppe(Phosphat, Tartrat, Acetat,Sulfat)dieHalogene hinsichtlich ihrer Wirkung auf die Beweglichkeit der Sper- matozoen des Frosches entgiften können, undzwar Br und NaCl +Wa-tartrat, NaBr + Na-tartrat Ted; NaCl + Na, HPO,, NaBr +Na, HPO, Te7, Wall, WaBr NWaJ+Na,HPO, Na J+Na-tarfraft Tat, Abb. 6. Abb. 7. Cl leichter als J. Zur Entgiftung des Natriumjodids scheint Na,HPO, besonders geeignet. Allerdings muß hervorgehoben werden, daß, so bedeutend auch die Verbesserung der Beweglichkeit in den genannten Gemischen gegen- über der Wirkung von NaCl, NaBr und Na,J ist, ein echter Ionen- antagonismus doch nicht vorliegen dürfte. Denn die Wirkung von Na,HPO,, Na-Tartrat, Na,SO, und Na-Acetat ist, wenn diese Salze isoliert zur Anwendung kommen, nicht ungünstiger als die erwähnten Elektrolytkombinationen. Immerhin ist es bemerkenswert, daß Na,HPO usw. ihren Einfluß noch ungeschwächt auf die Beweglichkeit der Sper- matozoen ausüben, selbst wenn die NaCl-Moleküle in der zehn- oder zwanzigfachen molaren Menge vorhanden sind. Auch die Versuche an Spermatozoen von Meerschweinchen führten zu dem gleichen Ergebnis. IS) 584 E. Gellhorn : Tabelle VII. Meerschweinchen. gu 10" 110307. 12230, 26307 1. NaCl %/, 0,4, Dextr. 5,42°/, 1,6 |unbeweg.| — N N | . NaCl + NaHPO, 0,4") (1:'/0) | sehr gut | sehr gut | sehr gut | beweglich vereinz. Dextrose 5,42°/, 1,6 beweglich | beweglich beweglich | beweglich . NaCl + Na-acetat 0,4. (1: 7/0) gut gut beweglich schwach \gz.vereinz. Dextrose 5,42°/, 1,6 beweglich | beweglich, beweglich beweglich . NaÖl + Na-tartrat 0,4 (1:'/20) | schwach | schwach | schwach vereinzelt unbeweg- Dextrose 5,42°%/, 1,6 beweglich | beweglich | beweglich | beweglich lich NaCl + Naz HPOy st. rg NaCl + NWa-acelat 1:76 NaCl +Na-fartrar Abb. 8. Die Spermatozoen, die dem Nebenhoden eines Meerschweinchens entnommen waren, das ich erst etwa 2 Stunden nach dem Tode aus dem Hygienischen Institute erhielt, waren sehr schwach beweglich, so daß in wenigen Minuten in der Kochsalzlösung jede Beweglichkeit erloschen war. In der Kombination NaCl + Na,HPO, bzw. Na-Acetat oder Na-Tartrat konnte längere Zeit eine zum Teil sehr lebhafte Be- weglichkeit festgestellt werden. In dieser Richtung wirkt Phosphat > CH, COO > Tartrat, so daß Lebensdauer und Beweglichkeit in dem Ge- misch NaCl + Na,HPO, ein Optimum zeigen. Es fragte sich aber, ob Na-Acetat ebenso wie Na,HPO, nicht allein durch Änderung der Wasserstoffionenkonzentration die Beweglichkeit der Spermatozoen begünstigen, da ja gerade für Warmblüterspermatozoen die Bedeutung einer schwach alkalischen Reaktion erwiesen ist?). !) Die Salzgemische, deren relative Mengenverhältnisse auf Normallösungen bezogen in Klammern angegeben sind, besitzen mit Rücksicht auf die durch Dextrose hergestellte Verdünnung eine "/yo-Konzentration. Die Dextroselösung bewirkt Isotonie mit 0,9°/, Kochsalzlösung. 2) Köllicker, Zeitschr. f. wiss. Zool. 7, 201ff. 1856. — Engelmann, Die Flimmerbewegung. — E. Gellhorn, Pflügers Arch. f. d. ges. Physiol. 185, 262. 1920. Beiträge zur vergleichenden Physiologie der Spermatozoen. III. 585 Tabelle IX. Meerschweinchen. on gu TAHE 102207 12.102257 Ian 197307 aUl!) + Dextrose schwach | schwach | vereinzelt | unbewegl.) _ beweglich] beweglich) beweglich aCl + NaHPO, (1:'/) gut sehr gut gut fast gut | beweglich + Dextrose beweglich| beweglich beweglich| beweglich aCl + Na-acetat (1:!/j0) beweglich| fast gut | fast gut | fast gut | beweglich + Dextrose | beweglich beweglich beweglich aCl + NaSO, (1:!/10) gut beweglich schwach | vereinzelt | unbewegl.| + Dextrose beweglich beweglich beweglich aCl + Na-tartrat (1:'/,) gut gut gut gut schwach + Dextrose beweglich beweglich beweglich beweglich) beweglich a0l + KH;PO, (1:?/,0) beweglich| unbewegl. — | — —_ | + Dextrose | | | | aclı an en gut gut |gutbeweg-| fast sehr | sehr gut | beweg- K,HPO, beweglich beweglich lich, etwas|gutbeweg- beweglich lich (1: 1/10) + Dextrose | besser lich NaCl + K;3HPO, (1:!/)| gut sehr gut | sehr gut | sehr gut | sehr gut | gut be- + Dextrose | beweglich, beweglich! beweglich) beweglich) beweglich weglich Daß die Reaktion nicht allein maßgebend ist, zeigt Abb. 9, da auch den Neutralsalzen Na,SO, und besonders Na-Tartrat eine erhebliche entgiftende Wirkung gegenüber Kochsalz zukommt. Des weiteren Cl+Na, HPO, Wall + K, HPO, 7% WaCl+Na-acerat KH POn = NaCl+ po, PH"? NaCl +Na, 50, Na Cl+Na-tartrat WaCl+KH, PO, Abb. 9. finden sich in Abb. 9 Versuche mit primärem und sekundärem Kalium- phosphat sowie einem Gemisch beider Salze von der ?p = 7. Die Ver- suche zeigen nur einen geringen Unterschied zwischen der Wirkung !) Die Salze werden in den gleichen Konzentrationen wie im Versuch der Tabelle VIII angewendet. Du Ah" einzelne beweglich einzelne beweelich unbewegl. einzelne beweglich fast gut beweglich 586 E. Gellhorn: des neutralen Phosphatgemisches und dem sekundären Phosphat zu- sunsten des letzteren. Besonders interessant ist, daß die Beweglichkeit der Spermatozoen in NaCl + ee Pn = 7 noch besser erhalten ist als in NaCl + Na,HPO,. Wir können aus diesem Versuch ent- nehmen, daß auch für die Spermatozoen des Meerschweinchens ein Antagonismus zwischen Natrium und Kalium besteht, dessen Gültig- keit für die Spermatozoen des Frosches wir oben erwiesen haben. Die Vermehrung der Acidität durch Zusatz von KH,PO, wirkt aber so stark schädigend, daß weder Kalium noch Phosphat eine entgiftende Wirkung entfalten kann. Die Stärke der antagonistischen Anionenwirkung führt nach dem Versuche der Abb. 9 zu der Reihe Phosphat, CH,COO > Tartrat >> SO,, da die Unterschiede zwischen den drei ersten Gliedern der Reihe relativ gering und für die Überlegenheit von Phosphat und CH,COO gegenüber Tartrat die alkalische Reaktion mitverantwortlich zu machen ist. III. Über die Wirkung mehrwertiger Kationen auf die Beweglichkeit der Spermatozoen. Lebensdauer und Beweglichkeit von Spermatozoen des Frosches wie des Meerschweinchens wurden in Lösungen von Chloriden von (a, Ba, Sr, Mg, Zn, Fe und Cd sowie von Bleiacetat und Co(NO,), fest- gestellt. Die Konzentration der Salze ist in den Froschversuchen wieder !/, normal; in den Versuchen an Warmblüterspermatozoen wird so viel Traubenzucker hinzugefüst, als zur Herstellung der Isotonie mit 0,9% NaCl’erforderlich ist. Tabelle X. Rana temporaria. l DAL I In 2B lan. on aa dd 1. CaCl; "/a0 | sehr gut | sehr gut | beweglich | schwach | einzelne | beweglich beweglich | beweglich | beweglich 2.28: Os. 75 | beweglich | beweglich schwach | einzelne einzelne | beweglich beweglich | beweglich 3. BaCl, %go | fast gut fast gut beweglich | schwach schwach ' beweglich beweglich beweglich | beweglich 4. OdOl; "/ao || vereinzelt | unbeweglich ‘ beweglich | 5. Pb-Acetat |) n/o ı unbeweglich — 6. ZnCl, "/ao || vereinzelt | unbeweglich | \ beweglich 7. Co(NO3)s schwach einzelne | ganz vereinz. | unbeweglich n/yo \ beweglich beweglich beweglich | 8. MgCl;"/a | sehr gut sehr gut gut fast eut beweglich | beweglich beweglich beweglich beweglich | 9. FeClz "/ao | unbeweglich | | Beiträge zur vergleichenden Physiologie der Spermatozoen. III. . CaCl, "/yo =Sr@l3.2/7, BaQl, "so . CdCl; "ao . ZmÖl, P/ao . MgÜl, "/yo . Pb-Acetatn/yo | . Co(NO,;)s Un | | ı sehr gut bwgl.| sehr gut bwgl. | sehr gut bweal. ı gut beweglich ı schwach bwegl. schwach bwegl. | gz.vereinz.bwgl. Tabelle XI. 10h 45° 11h 45° gut beweglich schwach bwel. beweglich unbeweglich beweglich schwach bwel. vereinz. bwgl. | gz.vereinz.bwe]. Rana esculenta. 12h 30’ schwach bwel. | einzelne bwegl. schwach bwel. unbeweglich unbeweglich vereinz. bwgl. eut beweglich | 587 9h schwach bwel. einzelne bwgl. schwach bwel. vereinz. bwel. gut beweglich oo PP um ne®l: 2, | Aus den Versuchen ergibt sich, daß Bleiacetat und Eisenchlorid fast momentan die Spermatozoen abtöten; auch in ZnCl, und CdCl, tritt sehr bald eine starke Schädigung der Beweglichkeit auf. Etwas weniger giftig ist (CoNO,),. Dennoch gehört es mit Pb, Fe, Zn und Cd in die unbeweglich | Pbracetat Cdllz Fellz ZnCl, Abb. 10. Reihe der im Vergleich zur Wirkung von NaCl lähmenden Kationen. Die andere Gruppe wird von Mg, Ca, Sr, Ba gebildet. Mit der Lebens- dauer der Spermatozoen in NaCl verglichen wirkt im allgemeinen Ca und Mg weniger schädlich; doch sind die Unterschiede gering. Für die Spermatozoen von Rana temporaria und esculenta ergeben sich über- einstimmend nach dem Grad der Schädlichkeit die Reihen: MsCl, Sr>Ba. 10. 590 E. Gellhorn: FEintsprechend aber den nur geringen Differenzen innerhalb dieser Reihe wird in anderen Versuchen auch eine Umstellung der Glieder dieser ee NaCl +Pb-acerat NaCl+CaCl;z NaCl +Mgll, Abb. 13. Spermatozoen mehr vor. .. NaCl U), . NaCl + Call; (le: 1/00) . NaCl + BaClz (il: 1/200) . NaCl + SrQ], (1: 1. 200) . NaCl + MgÜl, (1: 1/g00) 5 NaCl + Co(NO;3)s 1 : "/200) . NaCl + FeÜl, (USE 1/50) . NaCl + Pb-Acetat (ie 1/20) . NaCl + ZnCl, (der: 1/20) NaCl + CdCl, (1: 1/20) I | gut beweg- Tabelle XIV. 104 gut bewee- lich gut bewegl. oder besser | gut bewegl. oder besser. fast sehr gut beweelich | fast sehr gut | beweglich fast sehr gut beweglich fast sehr gut beweglich fast sehr gut beweglich fast gut beweglich lich Reihe beobachtet, aber deutliche Unter- schiede werden vermißt. Stets aber kom- men dem Ca, Sr, Ba und Mg echte ant- agonistische Wirkungen in dieser Kon- zentration zu, da selbst die am günstig- sten wirkenden Calcium- und Magne- siumionen, wie oben dargelegt, bei iso- lierter Anwendung die Spermatozoen- beweglichkeit nur wenig länger als NaC] zu erhalten vermögen. Pb-Acetat und FeCl, wirken in den genannten Konzen- trationen auch in Verbindung mit NaCl sofort tödlich. In beiden Lösungen tre- ten die in der vorigen Mitteilung ge- schilderten charakteristischen morpho- logischen Veränderungen auf. Auch in den Gemischen NaCl + ZnCl, und NaCl Ranatemporaria. + CdCl, vermögen nur wenige Sper- matozoen sich zu bewegen, und im | Verlaufe einer Stunde oder darunter finden sich keine beweglichen 18 2RTDEN NN an AD: 4h 457 gut beweg- | beweglich | einzelne | ganz vereinz. lich | | beweglich beweglich ‚fast sehr gut fast gut | beweglich schwach beweglich beweglich | beweglich gut bewegl. | gut beweg- | beweglich einzelne oder besser | lich | beweglich gut bewegl. fast gut beweglich schwach oder besser | beweglich beweglich gut bewegl. | gut beweg- | beweglich einzelne oder besser | lich beweglich gut bewegl. fast gut einzelne einzelne oder besser , beweglich beweglich beweglich fast sehr gut | gut beweg- beweglich schwach beweglich lich beweglich gut beweg- beweglich schwach schwach lich beweglich beweglich einzelne ganz vereinz. unbeweglich —_ beweglich beweglich fast gut schwach | einzelne unbeweglich beweglich | beweglich ' beweglich Beiträge zur vergleichenden Physiologie der Spermatozoen. III. 591 Die Frage, ob nicht die in "/gop-Lösung lähmend wirkenden Kationen: Cd, Zn, Fe und Pb in noch schwächerer Konzentration gegenüber NaCl einen entgiftenden Ein- fluß zeigen, suchten wir durch den Versuch der Abb. 14, in dem 2/5000° Lösungen zur Verwen- dung kamen, zu ent- scheiden. In der Tat zeigt sich, daß mit Aus- nahme von CdCl, und ZnCl, alle verwendeten Salze deutliche ant- agonistische Wirkun- gen entfalteten. Die ge- ringste Wirkung hat wiederum Co(NO,), ;die Unterschiede zwischen Ca, Sr, Ba, WaCl# Zn Cl, Nall+Batı: NaCl +MgÜt, Nall+GCl, Abb. 14. Ms, daß eine Reihe nicht sicher aufgestellt werden kann. Etwas anders liegen die Verhältnisse bei Rana esculenta. 10R 1. NaCl 2/ fast gut be- weglich | 2. NaCl + CaCl, fast gut be- len) weglich 3. NaCl + Ba0l, fast gut be- (1: 1/20) weglich 4. NaCl + MgO], fast gut be- | (1:"/200) weglich 5. NaCl + SrCl, beweglich (1 :1/200) 6. NaCl + CdCl, fast gut be- (1:2/200) weglich 7. NaCl + Co(NO;), | fast gut be- (eiziern) weglich 8. NaCl + FeÜl; fast gut be- A) weglich 9. NaCl + ZnQ], ı schwach be- (ee) ı weglich 10. NaCl + Pb-Acetat | fast gut be- (len) weglich un beweglich beweglich beweglich beweglich beweglich bwel., etwas schiechter schlechter schwach be- weglich einzelne be- weglich | schwach be- weglich bwgl., etwas Tabelle XV. Rana esculenta. 12% schwach be- weglich schwach be- weglich , schwach be- weglich schwach be- weglich schwach be- weglich vereinzelt be- weglich schwach be- weglich einzelne be- weglich vereinzelt be- weglich Pb und Fe sind so gering, 11 45’ einzelne be- weglich einzelne be- weglich einzelne be- weglich einzelne be- weglich einzelne be- weglich unbeweglich einzelne be- weglich | vereinzelt be- einzelne be- weglich weglich unbeweglich unbeweglich In !/gooo normaler Lösung wirken Fe, Pb, Cd und Zn lähmend. Aber auch Ca, Sr, Ba, Mg und Co zeigen keine antagonistischen Wirkungen. Denn Lebensdauer und Beweglichkeit der Spermatozoen stimmen in den. Elektrolytgemischen mit der Beweglichkeit in NaCl fast völlig überein. Pflügers Archiv f. d. ges. Physiol. Bd. 19. 39 5992 EB. Gellhorn : Tabelle XVI. Rana esculenta. 10250 1142157 1215307 1730, 220157 1. NaCl "ao fast gut fast gut | vereinzelt | unbeweg- 7 beweglich | beweglich | beweglich lich 2. NaCl + BaÜl, fast gut | fast gut fast gut fast gut | beweelich E) beweglich | beweglich beweglich | beweglich 3. NaCl + CaCls fast gut fast gut | schwach | einzelne | ganz ver- (1: 1/20) beweglich | beweglich | beweglich | beweglich | einz. bwgl. 4. NaCl + MgOl, fast gut fast gut einzelne , vereinzelt | vereinzelt ea) beweglich | beweglich beweglich | beweglich | beweglich 5. NaCl + SrCl, fast gut fast gut | beweglich schwach einzelne (1: 1/20) - beweglich | beweglich | ‚beweglich | beweglich 6. NaCl+ Co(NO,) | fast gut fast gut einzelne einzelne | unbeweg- (a) beweglich | beweglich | beweglich | beweglich lich Werden hingegen stärkere Konzentrationen ("/ggo-Lösungen) ver- wendet, so besitzen Ba, Sr, Mg, Ca und Co, letztere wiederum nur in sehr geringem Maße, eine antagonistische Wirkung. Auch hier waren die Unterschiede in der antagonistischen Wirkung zwischen Ba, Sr, Ca NaCl NaCl + Ca Clz » +örliz +BrCl;z +Mg Clz +0 (NO, ), NaCl+ Fell; Abb. 15. Abb. 16. und Mg in einem Teil der Versuche so gering oder inkonstant, daß die Aufstellung einer Reihe nicht angängig ist. Dagegen fehlte die ant- agonistische Wirkung dieser Kationen niemals. Werden FeCl, und Pb-Acetat in ganz schwachen Lösungen ("/,o000) zur Untersuchung ihres entgiftenden Einflusses auf NaCl benutzt, so ist zwar eine lähmende Wirkung von FeCl, und Pb-Acetat nicht mehr vorhanden. Eine Besserung der Beweglichkeit und Lebensdauer gegen- über reiner Kochsalzlösung wird aber ebenfalls vermißt. Zur Erklärung der Tatsache, daß allein Cd und Zn antagonistische Wirkungen gegenüber NaCl an den Spermatozoen von Rana temporaria vermissen lassen, sei daran erinnert, daß diese beiden Kationen auch sonst eine physiologische Sonderstellung einnehmen. Die Stärke der NaCl +Ball, NaCl + SrCl, NaCl+MgCl, NaCl +Gall NaCl + & (Os) a En —— nm na nn nn — nn nn nn fi | Beiträge zur vergleichenden Physiologie der Spermatozoen. II. 593 entgiftenden Wirkung an dem Flimmerepithel von Arenicolalarven geht in der von Lillie!) gefundenen Reihe der Größe des elektrolytischen Lösungsdruckes parallel. Nur für CdCl, und ZnCl, gilt diese Paralleli- tät nicht und Hoeber?) weist darauf hin, daß auch nach den Unter- suchungen von Matthews?) die Minimalkonzentration, die notwendig ist, um die Entwicklung befruchteter Eier von Fundulus heteroclitus zu verhindern, für eine Reihe zweiwertiger Salze dem Lösungsdruck mit Ausnahme von ZnCl, und CdCl, parallel geht. Nach Hoeber hängt die relativ große Giftigkeit von ZnCl, mit seiner starken Hydrolyse, die des Cadmiumchlorids mit seiner geringen Dissoziation zusammen. Des weiteren ist an den Versuchen, die mit den Spermatozoen von Rana esculenta durchgeführt wurden, die relativ hohe Konzentration, die erforderlich ist, damit Ba, Sr, Mg, Ca und Co antagonistische Wir- kungen gegenüber NaCl zeigen, bemerkenswert. Denn nach den Ver- suchen von J. Loeb#) genügt z. B. der 4000. Teil einer dem NaCl äqui- molekularen CoCl,-Lösung, um die Giftwirkung einer reinen Kochsalz- lösung auf die Entwicklung befruchteter Eier von Fundulus deutlich zu hemmen. Diese relative Unwirksamkeit mehrwertiger Kationen hinsichtlich der Entgiftung des Natriumions scheint nun nicht etwa auf die Sper- matozoen des Frosches beschränkt zu sein. Vielmehr, weisen sowohl die Untersuchungen Hirokawas°) an Rattenspermatozoen sowie meine eigenen®) an Meerschweinchenspermatozoen darauf hin, daß ähnliche Verhältnisse auch bei den Warmblüterspermatozoen vorliegen. Denn Hirokawa findet, daß NaCl + KCl + CaCl, für die Erhaltung der Spermatozoenbeweglichkeit nicht günstiger als reine NaCl-Lösung ist, während ich den gleichen Befund an den Spermatozoen des Meer- schweinchens erheben und nachweisen konnte, daß die Überlegenheit von Ringerscher Flüssigkeit für die Erhaltung des Lebens der Sper- matozoen nur auf den Gehalt an NaHCO, zurückzuführen ist. Die Ergebnisse der vorliegenden Untersuchungen lassen sich dahin zusammenfassen, daß nicht nur zwei- und mehr- wertige Kationen die Giftigkeit des Kochsalzes für die Be- weglichkeit der Spermatozoen aufzuheben vermögen, son- derndaßauchin Elektrolytgemischen der Reihe der Alkali- metalle die Entgiftung eines Kations durch ein anderes DElliiersle: ®) Hoeber, Physikalische Chemie der Zelle und der Gewebe, S. 485 u. 533. 4. Aufl. Leipzig. 1914. ?2) Mathews, Americ. journ. of physiol. 10, 290. 1904. *) Loeb, Pflügers Arch. f. d. ges. Physiol. 88, 68. 1901. ) >) Biochem. Zeitscchr. 90. 290. 1909. 6) Pflügers Archiv f. d. ges. Physiol. 185, 270. 1920. 395 594 E.@Gellhorn : Beiträge zur vergleichenden Physiologie der Spermatozoen. II. erfolgenkann. Ebensotrittbeiausschließlicher Verwendung von Natriumsalzen die Entgiftung der Halogene durch Phosphat, Tartrat, Sulfat und Acetat ein. Auch der letzt- genannten Elektrolytkombination dürfte eine größere phy- siologische Bedeutung zukommen, da z. B. einige orien- tierende Versuche über die Atmung der roten Blutkörper- chen eine Erhöhung der Atmungsgröße gegenüber reiner Kochsalzlösung ergaben. Den Geltungsbereich der Wirkung dieser Elektrolytgemische festzusetzen, bleibt weiteren Untersuchungen vorbehalten. Es wird der Nachweis erbracht, daß auch die zwei- bzw. dreiwertigen Kationen Mg, Ca, Sr, Ba, Fe, Pbin geeig- neten Konzentrationen starke antagonistische Wir- kungen gegenüber NaCl ausüben, während diese bei Zn und Cd vermißt werden. Wechselwirkungen gleichzeitiger Erregung mehrerer Haut- sinne. I. Mitteilung. Die Beeinflussung der Tastschwelle dureh die Hauttemperatur, Von Rudolf Allers und Fanny Halpern. (Aus dem Physiologischen Institut der Universitä Wien [Psychol. Abt. Dr. Allers].) Mit 3 Textabbildungen. (Eingegangen am 5.. November 1921.) Das Verhalten der verschiedenen Hautsinne bei mehrfacher Er- regung hat schon wiederholt das Interesse der Forscher wachgerufen. Man kann sich von Untersuchungen in dieser Richtung Aufklärung er- hoffen nicht nur über gewisse physiologische Beziehungen, welche zwischen den einzelnen Sinnesfunktionen der Haut obwalten mögen, sondern auch über manche psychologischen Fragen, die dem Problem- kreise der „Enge des Bewußtseins“ angehören. Aus beiden Gesichts- punkten heraus wurden Arbeiten begonnen, deren erste sich zunächst die Klärung einiger rein physiologischer Vorfragen zum Ziele setzt. Soll nämlich letztlich die Frage nach der psychologischen Bedeutung gleichzeitiger Sinneserregungen Beantwortung finden, so muß vorab darüber möglichste Einsicht erlangt werden, ob eine rein physiologische Beeinflussung der Sinnesempfindlichkeit, inwieweit und in welcher Richtung sie Platz greifen kann. Wir haben es uns daher zum Ziele gesetzt, die Tastempfindlichkeit bei gleichzeitig dauernd geänderter Temperatur zu prüfen. Hierbei handelt es sich zwar auch um gleichzeitige Erregung zweier Sinnes- apparate, jener des Tast- und des Temperatursinnes. Da aber die Temperaturveränderung eine dauernde war, konnte man annehmen, daß die psychologischen Momente der Bewußtseinsenge, der Aufmerk- samkeitseinstellung u. del. gegenüber den physiologischen Zustands- änderungen in den Hintergrund treten würden. Denn wir wissen, daß innerhalb relativ weiter Grenzen eine Adaptation der temperatur- empfindlichen Elemente eintritt, so daß nach einiger Zeit die Wahr- nehmung einer gegenüber der Norm geänderten Temperatur beein- trächtigt, ja völlig ausgeschaltet sein kann. Diese Bedingung wurde in unseren Versuchen erfüllt, indem die Prüfung der Tastschwelle immer erst nach einer gewissen Zeitspanne der Erwärmung angestellt wurde. 596 R. Allers und F. Halpern: Versuchsanordnung. Die Prüfung wurde am Handrücken im dritten Spatium interosseum vor- genommen, wobei behufs tunlichster Beibehaltung ein und derselben Reizstelle die Hand der Versuchsperson in einer ein für allemal angefertigten Gipsmoulage fixiert wurde. Die Reizstelle wurde so gewählt, daß in ihrer unmittelbaren Um- gebung kein Haar sich befand. ; Zur Reizgebung dienten uns fallende Tasthaare. Da es nur auf die Bestimmung relativer Werte und nicht auf die Ermittlung eines zahlenmäßigen Ausdrucks für die absolute Schwelle ankam, verzichteten wir auf die Verwendung einer Serie von Tasthaaren, um so mehr, als wir auf eine stetige Abstufbarkeit der Reize glaubten Wert legen zu sollen. Das verwendete Tasthaar war an seinem oberen Ende durch ein kleines Papierblättchen gezogen und daran mittels eines feinen Tropfens von Klebstoff befestigt. Dieses Papierblättchen lag einem kleinen Rahmen aus Eisenblech auf, der durch einen Elektromagneten gehalten wurde und bei Öffnung des Stromes fiel. Der Metallrahmen wurde durch einen zweiten, der an einem Stativ befestigt war, aufgefangen. Die Oberseite dieses wie die Unterseite des ersten Rahmens waren mit Watte belegt, um störende Geräusche zu vermeiden. Das Tasthaar wurde durch ein Glasröhrchen geführt, um seitliche Abweichungen hintanzuhalten. Als Maß der Empfindlichkeit diente die zur Auslösung einer Tastempfindung eben erforderliche Fallhöhe, die in halben Millimetern abgelesen wurde. Als Schwelle bezeichnen wir jene Fallhöhe, bei der 50% richtige Antworten erzielt werden konnten. Die Erwärmung der Haut geschah mittels einer in variabler Entfernung angebrachten Glühlampe. Anfangs wurde die Temperatur mit Hilfe eines Ther- mometers, in den genaueren späteren Versuchen thermoelektrisch gemessen. Die Versuche wurden im Sommer 1921 vorgenommen bei meist ziemlich hoher, aber wenig schwankender Zimmertemperatur. Es standen uns vier Versuchspersonen zur Verfügung, die als A, B, C, D bezeichnet werden. Versuchsergebnisse. In den beigefügten Kurven sind die erhaltenen Resultate ohne weiteres abzulesen. In Abb. 1 erscheinen drei Kurven, die an den Versuchspersonen A und B gewonnen wurden. Betrachtet man zunächst die Kurven 1 und 2, so sieht man, daß diese sich nahezu decken. Die in Millimetern als Ordinate ersichtlich gemachte Schwelle sinkt nach zunehmender Er- wärmung ab, passiert ein Minimum, um bei weiterer Steigerung der Temperatur wieder erheblich anzusteigen. Die 3. Kurve stammt von der Versuchsperson A, die zu dieser Zeit durch vorangegangene Versuche bereits stark ermüdet war. Es ist überhaupt zu bemerken, daß bei allen Versuchspersonen sehr rasch Ermüdung eintrat. Offenbar deswegen liegen alle Werte der 3. Kurve wesentlich höher als die der Kurven 1 und 2. Während aber diese bei steigenden Temperaturen gewonnen worden waren, wurde diesmal mit der höchsten Temperatur begonnen und zu immer niedrigeren Tem- peraturen fortgeschritten, Trotzdem zeigt die Kurve ganz denselben Wechselwirkungen gleichzeitiger Erregung mehrerer Hautsinne. I. 597 Verlaufstypus. Wir dürfen wohl daraus schließen, daß die Erhöhung der Schwelle, die mit zunehmender Temperatur sich an den Kurven | und 2 einstellte, nicht etwa als Ermüdungswirkung angesehen werden darf. Die Gleichmäßigkeit des Kurvenverlaufes in allen 3 Versuchen drückt sich auch in den Differenzen zwischen Minimum und Anfangs- werten aus. In den Kurven | und 2 sank die Schwelle von 3,5 auf 0,5 oder sogar weniger, d.h. um mehr als 3; in der Kurve 3 beträgt der Abfall von 4,5 zu 1,5 ebenfalls 3. Die durch die weitere Er- wärmung bewirkte Erhöhung der Schwelle beträgt bei der Kurve 1 nur 1,5, für die Kurve 3, bei der die erreichte Höchsttemperatur annähernd die gleiche wie für 1 war, allerdings 6—1,5 = 4,5, für die Kurve 2, die bis zu einer etwas höheren Tempe- Fallhöhe a © oa &o [91 SONNSN NS LO TS MSN “on ao 714 716° /emperatur Abb. I. Die Zahlen der Abszisse bedeuten je 1° Er- wärmung über die in diesen Versuchen nicht gemessene Ausgangstemperatur der Haut. ratur geführt werden konnte, 4,5—0,5—= 3. Wir glauben nicht, daß diese Abweichungen, angesichts der offensichtlichen Gleichartigkeit des Kurvenverlaufes, irgend wesent- lich ins Gewicht fallen können. Um die Einwirkung der Ermüdung, der wir schon den Versuchen der Kurve 3 gegenüber nur eine geringe Bedeutung für die eigenartige Kurvengestaltung zuschreiben dürfen, genauer beurteilen zu können, wurden länger dauernde Reizserien bei gleichbleibender Hauttempe- ratur vorgenommen. Sie ergaben ein stetiges lineares Ansteigen der Schwelle. Dieses Ansteigen setzt anscheinend schon nach einem Inter- vall ein, das für die Temperaturversuche noch in den absteigenden Schenkel der Kurve fallen dürfte, so daß man möglicherweise die Emp- findlichkeitszunahme noch höher zu veranschlagen hätte. Doch können wir uns, mangels eigens darauf gerichteter Untersuchungen über diesen Punkt nicht aussprechen. Die Kurven der Abb. 2 wurden an den Versuchspersonen A und Ü bei thermoelektrischer Messung der Hauttemperatur gewonnen. Auch diese beiden Kurven zeigen den gleichen Typus wie die vorhin be- sprochenen. Bei beiden Versuchspersonen liegt das Minimum etwa zwischen 33 und 35°. Die bei weiterer Temperaturerhöhung auftretende Abnahme der Empfindlichkeit konnte nicht allzuweit verfolgt werden, da beide Versuchspersonen die stärkere Erwärmung sehr bald als un- 598 R. Allers und F. Halpern: erträglich empfanden. Die Ausgangstemperatur lag für Versuchsperson A bei 28°, für Versuchsperson © bei 30°. Trotzdem zeigen beide die gleiche Anfangsempfindlichkeit, wie auch bei beiden der Abfall zum Minimum den gleichen Wert, nämlich 6!/, beträgt. Die höchste Temperatur wurde bei Versuchsperson A mit 38°, bei Versuchsperson C mit 39° erreicht; diesen beiden Temperaturen entspricht eine Zunahme der Schwelle von 2 und 3. Wenn es erlaubt ist, die an zwei differenten Versuchspersonen gewonnenen Resultate zusammenzulegen, so würden diese Zahlen den Schluß zulassen, daß der weitere Kurvenverlauf zu- nächst noch ein gleichmäßiges Ansteigen aufweisen würde. Auch bei Yallköhe diesen Versuchen zeigte sich, daß die Kurve ihren Typus beibehält, ob man nun von tiefen zu hohen oder von hohen zu tieferen Temperaturen fort- schreitet. Ob der geringfügige Unter- schied in der Lage des Mini- u & & SS N VO OTTO SINN &ı 5 mums bei den zwei Kurven — 33° und..382 —vaelleicht 5 : f 5 mit der verschiedenen Aus- 5 gangstemperatur — 28° und 30° — zusammenhängt, sind 20. 200,130. 9 092) 30 Sg JB OS: . 5 Hauffemperatvr wir nicht imstande zu ent- Abb. 2. scheiden. Bemerkenswerter istes, daß die Kurve 2 mit einer hohen Schwelle einsetzt, wiewohl die Haut- temperatur relativ hoch war. Man könnte daran denken, daß bei lange anhaltender Erwärmung sich die Schwellenwerte wieder ausgleichen, gewissermaßen auf das habituelle Niveau zurückkehren würden. Über diese Frage werden erst weitere Untersuchungen Aufklärung bringen können. Aus diesen Versuchen ergibt sich also, daß mit zunehmender Erwärmung die Tastempfindlichkeit zu einem Optimum ansteigt, um dann wieder erheblich abzusinken. Es fragt sich nun, welche physiologischen Momente für dieses Ver- halten den Grund abgeben mögen. In erster Linie war an die durch die Erwärmung gesetzte stärkere Durchblutung der Haut zu denken. Bei zwei Versuchspersonen © und D wurde die Tastempfindlichkeit nach aktiver Hyperämisierung untersucht. Um diese herbeizuführen, be- dienten wir uns der reaktiven Hyperämie nach vorübergehender Kälte- einwirkung. Die aktive Hyperämie bewirkte bei den beiden Versuchs- personen ein Absinken der Schwelle um 3,5 und 3, Werte also, die Wechselwirkungen gleichzeitiger Erregung mehrerer Hautsinne. I. 599 denen des Minimums in den Temperaturversuchen gleichkommen. Es liegt demnach nahe, in der thermisch ausgelösten Hyperämisierung den empfindlichkeitssteigernden Faktor zu sehen. Damit würde überein- stimmen, daß in der Literatur von Herabsetzung der Tastempfindlich- keit in anämischen oder anämisierten Körperteilen berichtet wird. Es war indes zu erwägen, ob die aktive Hyperämie als solche es sei, welche diese Wirkung hervorbringe, oder ob sie nicht etwa nur mecha- nisch eine Zustandsänderung der Haut setzte, als deren Ausdruck die Schwellenverminderung erscheinen würde. Diese Frage zu beant- worten, stellten wir erstens Versuche bei passiver Hyperämie durch Stauung an. Die Stauung wurde durch gradweise Umschnürung des Öberarmes bewirkt, welche nur so weit gesteigert wurde, daß der Puls der Art. radialis keine wesentliche Veränderung erfuhr, um so einerseits die Komplikation durch mangelnde Blutzufuhr, andererseits die durch Kompression der Nervenstämme tunlichst zu vermeiden. Die Schwellen- werte zeigten in diesen Versuchen ganz das gleiche Verhalten wie in jenen mit kongestiver Hyperämie. Aktive und passive, kongestive und Stauungshyperämie bewirken gleichermaßen ein Absinken der Tastschwelle, das dem bei Erwärmung angetroffenen gleichkommt. Beiden Formen der Hyperämie gemeinsam ist die stärkere Blut- füllung in den Gefäßen der Haut und der darunter gelegenen Partien. Dadurch wird eine stärkere Spannung der Haut bewirkt werden müssen. Um die Frage zu entscheiden, ob und inwieweit diese Spannungs- zunahme an der Bewirkung der Empfindlichkeitszunahme teil hat, stellten wir Versuche mit passi- Fallhohe ver Spannung der Haut an. Zu 7 diesem Behufe wurde radial und a ulnar von der zu prüfenden Haut- z; stelle je ein etwa 3cm breiter 5 Heftpflasterstreifen befestigt, der % an seinem anderen Ende eine Schnur für anzuhängende Ge- , wichte trug. Die erzielten Er- 25 gebnisse sind in Abb. 3 ersicht- 2 lich gemacht. Wenn zwar der Da Verlaufder (ausgezogenen)Kurve „, ein etwas anderer ist als jener 0 0 ZI ESHON N OOESSONE700N 12008 740) der bisher beschriebenen, so zeigt Belastung in g sich doch auch hiereine Schwel- Abb. 3. lenabnahme bei zunehmen- der Belastung und ein darauffolgendes Zunehmen bei fortgesetzter Steigerung der Spannung. Die Schwelle sank 600 R. Allers und F. Halpern: bei der Versuchsperson D von 3,5 auf 1 bei einer Belastung von 50-—70g und erreichte bei einer von 80 g wieder 3,5, bei 100g 4,5, bei 150 & schließlich 6. Es hat also den Anschein, als ob die durch die Hyperämie bewirkte Zunahme der Hautspannung einen nicht un- wesentlichen Anteil an der dabei zu beobachtenden Empfindlichkeits- veränderung hätte. Um so mehr wird man geneigt sein, das mechanische Moment der Spannungszunahme gegenüber dem der Durchblutung in den Vordergrund zu stellen, als ja bei der passiven Spannung eine Anämisierung der Haut in größerem oder geringerem Umfange ein- treten muß. Es erschien nicht uninteressant, den Einfluß der Erwärmung auf die Tastempfindlichkeit der passiv gespannten Haut kennen zu lernen. Bei der Versuchsperson D wurde die optimale Tastempfindlichkeit durch passive Spannung bei einer Belastung von 708g erzielt; die Schwelle betrug 1. Wurde nun die Haut erwärmt, so sank die Schwelle unter 0,5. Daraus folgt, daß das mechanische Moment der Spannung nicht ausreichenkann, um das Verhalten der Tastempfindlichkeit erwärmter Hautteile zu erklären. | Nun wäre es möglich, daß die Spannung, wie sie im Versuche durch Belastung der Heftpflasterstreifen bewirkt wurde, und die von innen her durch die bessere Durchblutung erzeugte in ihrer mechanischen Auswirkung nicht ohne weiteres gleichzusetzen wären. Man hätte daran denken können, durch intracutane oder subcutane Injektionen von Kochsalzlösung eine solche Spannung von innen her zu erreichen. Doch schien uns dieser Versuch infolge der von der Infiltrations- anästhesie her bekannten, möglichen Beeinträchtigung der Empfind- lichkeit nicht einwandfreie Resultate zu versprechen. Aussichtsreicher mochten Versuche an Kranken mit einseitigen Ödemen sein, welche einen Vergleich zwischen der veränderten und der entsprechenden nor- malen Seite zuließen. Allerdings mußten wir für diese Fälle von der Anwendung unserer Versuchsanordnung Abstand nehmen und uns mit der Prüfung durch Tasthaare zufrieden geben. Versuche dieser Art an einer Kranken mit kardialen Stauungs- ödemen, welche an der rechten oberen Extremität bedeutend stärker waren als an der linken, ergaben eine bedeutende Beeinträchtigung der Tastempfindlichkeit an dem stärker geschwollenen Gliede. Dagegen ergab sich bei einem Falle von einseitigem geringgradigen Ödem infolge von Narbenkompression in der Axilla eine Herabsetzung der Schwelle an der kranken Extremität. Daraus könnte man schließen, daß — analog unseren Spannungsversuchen — der Grad der Hautspannung für die Änderung der Schwelle maßgebend sein müsse. Um hierüber weitere Aufklärung zu erhalten, stellten wir Versuche an Kranken mit Ascites an, bei welchen wir die Tastempfindlichkeit vor, während und Wechselwirkungen gleichzeitiger Erregung mehrerer Hautsinne. 1. 601 nach der Entleerung des Ascites durch Punktion untersuchten. Bei einer Kranken mit hochgradigem Ascites ergab die Prüfung mittels der Tasthaare — an vier Stellen des Abdomens — vor der Punktion eine im Vergleich zu Normalbefunden oder der Tastempfindlichkeit am Thorax der Kranken ganz beträchtliche Erhöhung der Schwelle. Im Laufe der Punktion sank die Schwelle mehr und mehr ab und er- reichte nach Entleerung von etwa 31 ein Minimum. Dann nahm sie wieder zu, ohne indes die Höhe der ersten Prüfung wieder zu erreichen. Bemerkenswert ist, daß dieser Anstieg in dem Augenblick zu beginnen schien, in welchem sich eine deutliche Entspannung der Haut durch eine feine Runzelung kundzugeben begann. Ein Punkt bedarf noch der Erörterung. Bei der Spannung der Haut durch Gewichte wird zweifellos die Haut dünner, man könnte glauben, daß durch die stärkere Durchblutung eher eine Dickenzu- zunahme, wenn schon bei gleichzeitiger Steigerung der Spannung, Platz greifen müsse. Zweifellos ist dies richtig, wenn man das Ganze der Haut berücksichtigt. Für unsere Befunde können aber nur Zustandsände- rungen jener Hautschichten in Betracht kommen, welche zwischen Oberfläche und Tastapparat gelegen sind, in erster Linie also die Epi- dermis. In der aber kann, wie ein Blick auf die histologischen Bilder lehrt, von einer merklichen Dickenzunahme durch stärkere Gefäß- füllung nicht die Rede sein. Es muß vielmehr gerade die stärkere Durchblutung der tiefer gelegenen Hautpartien zu einer Spannungs- zunahme infolge des stärkeren von innen her wirkenden Turgors und damit, wenn überhaupt zu einer Dickenveränderung, so nur zu einer Verdünnung der Schichten oberhalb der Sinnesapparate führen. Die den Befunden bei Hyperämie und passiver Spannung der Haut entsprechenden, umgekehrten Resultate wurden bei Anämisierung und Entspannung erzielt, wie ja schon der erwähnte Versuch an der Kran- ken mit Ascites dartut. Anämisierung durch Abkühlung bewirkte bei der Versuchsperson D ein Ansteigen der Schwelle von 3,5 auf 5. Mochte man hier an eine die Empfindlichkeit herabsetzende Wirkung der Kälte denken, so wird dieser Einwand beseitigt durch Versuche, bei denen die Anämisierung durch längeres Hochhalten der oberen Ex- tremität bewirkt wurde; auch hier verschob sich die Schwelle von 3,5 auf 5. Eine Hautveränderung, die in ihrer Wirkung vielleicht ganz oder zumindest großenteils als Entspannung aufgefaßt werden darf, wird erreicht, wenn man die Hand längere Zeit in einem warmen Bade ver- weilen läßt. Bei hinlänglicher Dauer kommt es dabei bekanntlich zu Runzelungen der Haut, die kaum anders denn als Entspannung ge- deutet werden können. Diese Runzelungen bestehen fort, auch wenn die Haut schon ihre normale Temperatur wieder angenommen hat. 602 R. Allers und F. Halpern: Untersucht man in diesem Zeitpunkt die Tastempfindlichkeit, so findet man ebenfalls eine beträchtliche Herabsetzung. Wir geben ohne weiteres zu, daß diesem Versuche allein genommen nur eine geringe Beweiskraft beizumessen ist, weil die Art der auftretenden Hautveränderung nicht näher bekannt ist, und sicherlich eine Zahl unkontrollierbarer Faktoren — z. B. die Wasseraufnahme, die Quellung der Epidermis — mit im Spiele ist. Zusammengehalten mit den sonstigen Erfahrungen aber und unter der noch einigermaßen berechtigten Annahme, daß hier tat- sächlich neben anderen Alterationen auch eine Spannungsverminderung sich geltend macht, glauben wir auch diesen Versuch an die Stelle unserer Beweisführung einschalten zu dürfen, um so mehr, als die gleichen Resultate auch durch ein Bad mit hypertonischer (5 proz.) warmer Kochsalzlösung zu erzielen sind. Theoretisches. Unsere bisherigen Ausführungen können wir dahin zusammen- fassen, daß die Herabsetzung der Schwelle für Druckreize durch Erhöhung der Hauttemperatur teilweise auf Grund der vermehrten Spannung der Haut (durch die Hyperämie) zustande komme, daß mit dieser Erklärung jedoch nicht alle wirksamen Momente erfaßt seien. Wir verkennen, wie ausdrücklich angemerkt sei, nicht, daß die bloße Tatsache eines Durchganges durch ein Minimum noch nicht eine Gleichsetzung der wirksamen Momente rechtfertigen würde, da dieses Vorkommnis eine viel zu verbreitete Reaktionsform lebender Materie überhaupt bildet. Indes glauben wir durch die vorangegangenen Überlegungen gezeigt zu haben, daß wir einigen Grund haben, gerade das Moment der Spannung als das den verschiedenen Einflüssen gemein- same herauszustellen. Gibt es aber ein solches Gemeinsames, so ist die — wenn auch hypothetische Gleichsetzung — um vieles gerechtfertigter. Es fragt sich, ob wir für die in Rede stehende Erscheinung eine theoretische Deutung zu geben vermögen. Es ist hier notwendig, die zu diesem Thema uns bekannt gewordenen Literaturangaben kurz zu besprechen. Einige Autoren haben die Tatsache der Empfindlichkeitssteigerung und späteren Empfindlichkeitsabnahme bei zunehmender Erwärmung der Haut beschrieben. Th. V. Mooret) hat mit einer allerdings unvollkommenen Be- stimmung der Hauttemperatur Kurven erhalten, die unseren ziemlich ähneln. Die Erwärmung bewirkte er durch ein Gefäß mit mehr oder weniger warmem Wasser, das über der zu prüfenden Hautstelle an- !) The Influence of Temperature and the Electric Current on the Sensibility of the Skin, Psychol. Rev, 1%, 347, 1910, Wechselwirkungen gleichzeitiger Erregung mehrerer Hautsinne. I. 603 gebracht war; er maß die Temperatur zwischen Wärmequelle und Haut und berechnete die Hauttemperatur — ein Verfahren, das mangels einer Bestimmung der Ausgangstemperatur der Haut notwendig nur unsichere Resultate liefern konnte. Zur Prüfung bediente er sich der Tasthaare. Nach seinen Berechnungen liest das Optimum der Be- rührungsempfindlichkeit zwischen 35 und 38°, während über und unter diesem Temperaturbereich die Schwelle größer ist. Godefroyt) findet ebenfalls ein dem von Moore und auch von uns beschriebenen analoges Verhalten. Auch er bediente sich der Tast- haare. Diese Angaben stehen, wie auch unsere Erfahrungen, im Gegen- satz zu denen von v. Frey?) und Kiesow, welche bei einer Abkühlung in Wasser von 8° keine Veränderung der Schwelle bemerken konnten. Moore macht für diese auffallende Angabe Versuchsfehler verantwort- lich. Godefroy hingegen sucht diese Differenzen dadurch zu erklären, daß er auf ein verschiedenes Verhalten isoliert gereizter Druckpunkte und deren Umgebung hinweist. Wir haben keinen Anlaß, uns auf diese Kontroverse näher einzulassen, da von keiner Seite, außer der v. Freys selbst, die Frage nach der Natur der erregenden Momente diskutiert wird. Auf diese aber kommt es, wie unten besprochen wird, wesentlich an. Die wenigen Arbeiten, die sich sonst mit diesem Thema befassen, ha- ben großenteils nur die Sensibilitätsverminderung bei starker Ab- kühlung im Auge oder die durch Anämie bewirkte. So handelt Eulenburg?) von der Wirkung der Wärmeentziehung, Alsberg*) von der Anämie, ohne die taktile Sensibilität zu berücksich- tigen. Eine Untersuchung aus dem Jahre 1876 von Serebrenni ist uns nicht zugänglich gewesen’). Was nun die theoretische Interpretation der Befunde anlangt, so hat Moore darauf verwiesen, daß das Empfindlichkeitsoptimum in jenes Temperaturintervall fällt, welchem das Maximum der elektro- lytischen Dissoziation entspreche. Anschließend an die Bestrebungen von J. Loeb versucht er eine rein physikalisch-chemische Auslegung zu geben, indem er den physiologischen Apparaten eine unter dem !) Beiträge zur Kenntnis des Drucksinnes. Fol. neurobiol. 6, 452. 1912. ?2) Die Sinnesfunktionen der Haut. Abhandl. d. Sächs. Ges. d. Wiss. 23, 611. 1897. 3) Berl. klin. Wochenschr. 2, 510. 1865. 4) Über den Raum- und Temperatursinn bei verschiedenen Graden der Blut- zufuhr. Inaug.-Diss. Marburg 1863. 5) Über den Einfluß der Hautreize auf die Sensibilität der Haut. Inaug.-Diss. Bern 1876. Eine Berner Dissertation von dem Jahre 1900 von Motchoulsky (Quelques recherches sur les variations de la sensibilit& cutange sous l’influence de certa’nes causes phys’olog’ques et pathologiques) berichtet über ein, allerdings wenig auffälliges Parallelgehen von Temperatur und Raumschwelle, welche ab- nimmt bei höherer Körper- oder Außentemperatur. 604 ; R. Allers und F. Halpern: Einfluß der Ionen stehende und mit dem Dissoziationsgrad variierende teagibilität zuschreibt. Es ist schon an und für sich mißlich, zwischen relativ so einfachen Vorgängen, wie die elektrolytische Dissoziation einer ist, und so komplexen, undurchsichtigen, wie sie die Daten der Sinnesphysiologie uns anzunehmen zwingen, Parallelen zu ziehen. Dieses Bedenken bleibt auch dann noch bestehen, wenn man berück- sichtigt, daß für Moore neben seinen — wie bemerkt methodisch nicht ganz einwandfreien — Befunden die zahlreichen Untersuchungen J: Loebs und seiner Schüler über Salzwirkung mit als Argument dienen konnten. Die Erklärung Moores wird aber hinfällig durch die von uns er- hobene Beeinflußbarkeit der taktilen Schwelle durch Spannungs- änderungen bzw. durch kongestive und passive Hyperämie. Unsere Erwägungen müssen ihren Ausgang nehmen von der Tat- sache der Veränderlichkeit der Schwelle mit der Spannung der Haut. Wie die Einwirkung des Druckreizes auf die perceptorischen Elemente stattfindet, wissen wir nicht.. Da diese unter der Hautoberfläche ge- legen sind, muß die äußere Einwirkung irgendwie ihnen zugeleitet werden. Eine Veränderung der Schwelle kann daher ihre Ursache haben entweder in einer gesteigerten Ansprechbarkeit der Sinnesapparate oder in einer verbesserten Reizzuleitung. Die erste Annahme würde besagen, daß die Reizfortleitung, Reizausbreitung in der Schicht zwischen Hautoberfläche und Sinnesapparat unverändert geblieben sei, ein und dieselbe Erregungsgröße aber die perceptorischen Elemente bereits anspreche, während die zweite aussagen würde, daß ein und derselbe äußere Reiz mit größerer Intensität an den perceptorischen Apparat gelange. Es könnten auch beide Veränderungen, die der sen- siblen Ansprechbarkeit und der Reizzuleitung gleichzeitig bestehen, mit gleichem oder entgegengesetztem Vorzeichen. Fragen wir, welche Veränderungen in dem System Hautschicht + Sinnesapparat durch eine geänderte Spannung gesetzt werden, so scheinen sich folgende Faktoren herauslösen zu lassen: l. Die Haut wird durch die Spannungszunahme dünner. 2. Die Haut wird durch die Spannungszunahme weniger eindrück- bar, ist schwerer zu deformieren. 3. Die Spannung erzeugt eine Erregung der Sinnesapparate, da sie ja unter Umständen wahrgenommen werden kann. Am einfachsten schiene es, die Schwellenabnahme bei zunehmender Spannung der Verdünnung der Schicht zwischen Hautoberfläche und Sinnesapparat zur Last zu legen. Je dünner diese Schicht ist, desto weniger von der Reizenergie — allgemein gesprochen — könne ver- lorengehen, ein desto größerer Teil der die Hautoberfläche treffenden Einwirkung werde den Sinnesapparat erreichen. Den Durchgang durch ein Minimum könnte man unter solcher Voraussetzung sich dadurch Wechselwirkungen gleichzeitiger Erregung mehrerer Hautsinne. I. 605 erklären, daß man annehmen würde, es gäbe bis zu einer bestimmten Spannungshöhe die Verdünnung den Ausschlag, darüber hinaus aber überwiege die verminderte Deformabilität. Denn das zweite Moment könnte ja nur im Sinne einer Schwellenzunahme bei gesteigerter Spannung wirksam sein. Dieser Anschauung gibt auch W. Nagel Ausdruck, wenn er schreibt: ‚Eine zwischen die aufgesetzte Haarspitze und die Nervenendigung eingeschobene Platte von den Eigenschaften der Haut, halb elastisch, halb starr, teils auch teigig nachgiebig, wirkt so, daß man sich an Stelle der drückenden Haarspitze einen die nerven- haltige Schicht direkt berührenden idealen drückenden Körper gesetzt denken kann, der einen um so größeren idealen Querschnitt hat, je mehr die Haut die Eigenschaft einer straff gespannten Membran hat. Daher wird, bei gleichbleibender Kraft des Haares, die physiologische Reizwirkung auf die Nervenendigungen um so geringer ausfallen, je srößeren Widerstand die Haut dem Haar bietet!).“ Allerdings handelt es sich für Nagel um die Beurteilung von Ver- suchen, die mit Tasthaaren vorgenommen worden waren. Da aber die Kurven, welche bei der Erwärmung der Haut mit dieser Methode er- zielt werden, mit unseren Resultaten eine sehr gute Übereinstimmung zeigen, und die von uns erhobenen Befunde bei passiver Spannung den gleichen Kurventypus repräsentieren, so dürfte seine Überlegung auch für unsere Versuche zu Recht bestehen. Wir müßten also anneh- men, daß die Verdünnung der Haut zunächst wirksamer sei, während die geringere Deformabilität zurücktrete, bei höheren Spannungsgraden das Verhältnis sich jedoch umkehre. Das ist nicht unwahrscheinlich, da ja die Abnahme der Schichtdicke mit zunehmender Spannung immer geringer werden muß. Unsere Kurve erschiene dann als die Resultante zweier in entgegengesetztem Sinne wirksamer Momente. Diese Annahme würde in der Tat für befriedigend gelten können, wenn nicht die Befunde bei Entspannung der Haut eine andere Deutung verlangten. Wir sahen, daß dabei ein Ansteigen der Schwelle statthat. Ein solches wäre nur erklärlich, wenn dem angenommenen schwellen- vermindernden Moment der mit der Entspannung einhergehenden Zu- nahme der Deformabilität eine schwellensteigernde Dickenzunahme der Haut zugeordnet wäre. Eine solche ließe sich vielleicht für die Ver- suche annehmen, in welchen die Entspannung durch ein protrahiertes warmes Bad bewirkt wurde; man könnte hier an eine Quellung der Haut durch Wasseraufnahme denken. Indes ist auch diese Annahme kaum statthaft, da die gleichen Resultate auch bei Verwendung eines Bades aus hypertonischer Salzlösung zutage traten, bei welcher An- ordnung eine Quellung kaum angenommen werden kann. Noch schwerer aber ist es, die Schwellenzunahme bei mechanischer Entspannung, wie 1) Pflügers Arch. f. d. ges. Physiol. 59, 595. 1895. 606 R. Allers und F. Halpern: wir sie experimentell und an pathologischem Material beobachten konnten, auf eine Dickenzunahme zu beziehen. Denn wenn eine solche in merklichem und wirksamem Grade eintreten würde, so könnte das nur der Fall sein, wenn vorher die Elastizität der Haut über Gebühr in Anspruch genommen worden wäre. Dann aber müßte im Zustande der Spannung die verringerte Deformabilität, wenn die Voraussetzung, von der wir ausgingen, zu Recht bestehen soll, so sehr ins Gewicht gefallen sein, daß mit der Entspannung eine Abnahme der Schwelle, nicht aber eine Zunahme verbunden wäre. Man wird aber kaum der Ansicht sein können, daß die normale Haut des Handrückens sich in einem Zustande besonderer Dehnung durch Spannung befinde, der eine Verdickung durch Entspannung ermöglichen würde. Die rein mechanische Inter- pretation der Versuchsresultate führt sohin zu in sich widerspruchs- vollen Folgerungen und kann daher, zumindest als alleiniges Erklärungs- prinzip nicht aufrecht erhalten werden. Wir haben oben als dritten von vorneherein als wirksam zu denken- den Faktor die mit der Spannung der Haut gesetzte Erregung der per- zipierenden Apparate angeführt. Daß es ein und dieselben Sinnes- elemente sind, welche Druck- und Spannungswahrnehmungen ver- mitteln, wird allgemein angenommen, und es besteht auch wohl kaum ein Grund diese Identifizierung anzuzweifeln. Wir haben uns also die Frage vorzulegen, wie die simultane Erregung durch Spannung und Druck auf die Schwelle für die letztere Reizqualität einwirken könne. Vorab ist indes folgendes zu erwähnen. Es wäre denkbar, daß zwar die perzipierenden Elemente bei der Wahrnehmung von Druck und von Spannung die gleichen wären, daß aber die Qualität der Erregung in beiden Fällen eine verschiedene sein könnte. Je nach der Annahme, der man beitritt, würde die eben aufgeworfene Frage ein anderes Aus- sehen gewinnen. Denn in dem einen Falle würde es sich um das simul- tane Auftreten gleichartiger, in dem anderen um das qualitativ ver- schiedener Erregungen in ein und demselben Sinnesorgan handeln. Stellen wir uns vorerst auf den Boden der Annahme gleichartiger Erregung, so dürfte sich die Sachlage folgendermaßen darstellen lassen. Auf den Sinnesapparat wirkt die jeweilige Spannung ein, deren Größe wir als s bezeichnen wollen; die Spannungen nehmen in den Versuchen ständig zu; es ist also s„41 > 5„. Zu diesen Spannungsreizen treten die, der Annahme nach qualitativ gleichartigen, Druckreize, deren Reihe als die der r bezeichnet werde. Diese Reihe geht durch ein Minimum. Bis zu diesem ist also 7,41 ». Sind die beiden Erregungen — Spannung und Druck- reiz — gleichartig, so sollte das Webersche Gesetz annähernd zu- mindest gelten, d. h. bekanntlich, es müßte die Relation Reizzuwachs zu Reiz annähernd eine Konstante sein. Die Haut in natürlicher Span- Wechselwirkungen gleichzeitiger Erregung mehrerer Hautsinne. I. 607 nung s; muß von einem Druckreize der Größe r, getroffen werden. damit diese Wahrnehmung stattfinde; die Relation Reizzuwachs zu Reiz ist also — Die Haut im Spannungszustand s, > s, gestattet nun das Entstehen einer Wahrnehmung bei einem Druckreiz r, < r,; die Relation ist nunmehr an dr i Son. se. de. die Abstände der Spannung bzw. des Reizes von den in dem Ausgangs-. 1, —d, Mi st d; S sı i da ja der Zähler verkleinert, der Nenner aber zugleich vergrößert wurde. Weit entfernt davon, eine Konstante zu sein, nimmt vielmehr das dem Weberschen Gesetz zugrunde gelegte Verhältnis ab. Nach dem Durchgang durch das Minimum finden wir folgende Beziehungen. Es seien Spannung und Reiz im Momente des Minimums s„ bzw. Ya. Nun nehmen Spannung und erforderlicher Reizzuwachs beide zu, da Smyı > Sm und-rm+ı > Im : Die Relation gestalte sich zu Nm+1 2 Fan AR d, Sm+1 Im ale d, | keit der Konstanz gegeben, somit auch die der Gültigkeit des Weber- schen Gesetzes. Es läßt sich nun rechnerisch zeigen, daß die aus unseren Versuchen zu entnehmenden Beziehungen zwischen Spannungs- und Druckreiz- zunahme den Bedingungen des Weberschen Gesetzes nicht entsprechen. Wir wollen die etwas umständliche Darlegung hier nicht wiedergeben. Da Fallhöhen (Millimeter) und Spannungen (Gramme) nicht unmittel- bar summiert werden können, so müssen sie auf ein hypothetisches gemeinsames Maß gebracht werden; dies ist statthaft, da voraus- setzungsgemäß Druck- und Spannungsreize gleichartig sein sollen. Mit dieser Hilfsannahme gelingt es zu zeigen, daß keinerlei Konstanz der Weberschen Relation statthat, die Reizzuwächse vielmehr die für die Konstanz erforderliche Größe erheblich übersteigen. Würde man, was ja lange Zeit nach vielen Autoren geschehen ist, voraussetzen, daß das Webersche Gesetz für Erregungen des Druck- sinnes zu Recht bestehe, so würde folgen, daß entweder unsere Versuchs- ergebnisse nicht durch das Zusammenwirken der als gleichartig ge- dachten Spannungs- und Druckreize erklärt werden könnten, oder aber, daß diese Annahme der Gleichartigkeit beider Reizarten fallen müsse. Nun hat aber K. Hansen!) jüngst auf Grund sorgfältiger Versuche die Gültigkeit des W eberschen Gesetzes für ausschließlich intensive Än- derungen von Druckreizen mit gutem Grunde in Abrede gestellt. Soweit das Gesetz überhaupt für den Drucksinn gelte, sei es ausschließlich 1) Zeitschr. f. Biol. %3, 167. 1921. Pflügers Archiv f. d. ges. Physiol. Bd. 193. 40 wenn wir als d, und d, zustand vorfindlichen bezeichnen. Es ist klar, daß In diesem Kurvenbereich wäre also die Möglich- 608 R. Allers und F. Halpern: durch die extensive Reizänderung bedingt. Da es sich nun bei unseren Versuchen um Reizungen minimaler Flächenelemente mit eben merk- lichen Reizen handelt, von einer besonderen Extensität des Reizes also schwer die Rede sein kann, so scheint die Tatsache des Nicht- zutreffens der Weberschen Gesetzmäßigkeit nichts für oder wider irgendeine Interpretation unserer Resultate bedeuten zu können. Immerhin müssen wir, mit Rücksicht auf die Feststellungen Hansens, die Frage nach der Möglichkeit einer Änderung der Reizextensität mit unseren Versuchsbedingungen kurz erörtern, d.h. wir haben zu fragen, ob die in unseren Versuchen gesetzten Zustandsänderungen der Haut eine bis zu einem Maximum ansteigende und dann wieder abnehmende Reizausbreitung zuzulassen vermöchten. Hierbei scheidet das Moment der sensoriellen Empfindlichkeitsänderung aus, und es bleiben allein die physikalischen Faktoren zu berücksichtigen, die Diekenab- und die Spannungszunahme. Wird die Schicht zwischen Reizeinbruchsstelle und empfindendem Element dünner, so bestände allerdings die Möglich- keit, daß mehr perzipierende Elemente von dem sich in der Schicht irgendwie fortpflanzenden Reiz getroffen würden. Mag es sich nun um Deformation oder Erschütterung oder sonst etwas handeln, immer werden wir eine nach Art von Kugelwellen sich fortpflanzende Reiz- ausbreitung annehmen müssen, . die selbstverständlich um so mehr Elemente erreichen wird, je kleiner die trennende Schicht ist. Dann aber müßte mit zunehmender Spannung die Schwelle kontinuierlich, wenn auch natürlich nicht linear, abnehmen und dürfte nicht durch ein Minimum gehen. Andererseits möchte die Spannungszunahme in- folge der verminderten Deformabilität die Reizausbreitung hemmen. Wir hätten also wiederum jenes Problem vor uns, das wir oben er- örterten, und damit jene Schwierigkeit, die uns die Erfahrung bei Entspannung bereitet. Wir sind also doch gezwungen, auf ein im Sinnes- apparat selbst gelegenes Moment zu rekurrieren. Gilt das Webersche Gesetz unter den gegebenen Bedingungen nicht, so kann die Unstimmigkeit zwischen seinen Forderungen und unseren Resultaten keinen Einwand bilden gegen die Annahme einer Gleichartigkeit der Reize durch Druck und Spannung. Es scheinen also Gründe der „Ökonomie“ dafür zu sprechen, an dieser Annahme festzuhalten. Wie allerdings aus dem Zusammenwirken gleichartiger Reize die gefundene Kurve resultieren soll, ist nach wie vor unverständlich. Andererseits scheint die gegenteilige Annahme einer qualitativen Ungleichheit von Druck- und Spannungsreiz einen, wenn auch noch höchst ungewissen, Ausblick auf eine Interpretation zu eröffnen. Er- innern wir uns daran, daß Urbantschitscht) gelegentlich eine Herab- 1) Pflügers Arch. f. d. ges. Physiol. 42, 161. 1888; 94, 385. 1903; 106, 93. 1904. Wechselwirkungen gleichzeitiger Erregung mehrerer Hautsinne. I. 609 setzung von Schwellen unter dem Einflusse disparater Reize beschrieben hat, zwar ohne irgend diese Veränderung messend zu verfolgen, aber doch mit einer Bestimmtheit der Angaben, die an dem Vorkommen solcher Beeinflussung kaum zweifeln läßt. Diese Einwirkung ist wohl wesentlich als eine psychische zu denken. Bei solcher Annahme würde es nun verständlich, daß bis zu einer gewissen Größe der eine — dauernde — Reiz der Spannungszunahme fördernd wirken könnte, um bei wei- terer Zunahme so das Übergewicht zu erhalten, so daß der zweite Reiz — Druck — nicht mehr perzipiert würde. Daneben spielen zweifellos die physikalischen Momente eine wichtige Rolle, was wir ausdrücklich hervorheben, um den Verdacht einseitiger Erklärungswillkür abzuwehren. In welcher Weise diese verschiedenen Momente sich miteinander verquicken, werden erst weitere Unter- suchungen aufklären können, die einerseits den Gedanken von Ur- bantschitsch aufnehmen, andererseits das innerphysiologische Ver- halten der Haut unter weiter variierten Bedingungen erforschen sollen. Derartige Arbeiten sind im hiesigen Institut bereits in Angriff ge- nommen. Zusammenfassung. l. Bei Erwärmung der Haut erhält man eine Kurve für die Druck- schwelle, welche bei etwa 36—38° durch ein Minimum geht. 2. Eine gleichgestaltete Kurve entsteht durch passive Spannung der Haut. 3. Hyperämie, sowohl kongestive als durch Stauung bewirkte, ver- mindern die Druckschwelle. 4. Spannungen durch Ödeme und Ascites erhöhen oder vermindern die Druckschwelle je nach der Größe der entstandenen Spannung. 5. Entspannung der Haut läßt die Druckschwelle ansteigen, wenn die Spannung normal oder nur wenig über normal war, läßt sie ab- sinken, wenn die Spannung hochgradig war. 6. Für die Deutung des Verhaltens der Schwelle kommt vor allem das Moment der Spannung in Betracht. 7. Inwieweit die rein physikalischen Veränderungen: Verdünnung der Haut und Veränderung der Deformabilität, inwieweit die simultane Sinneserregung den Ausschlag geben, bedarf weiterer Aufklärung. 40* (Aus dem physiologischen Institut der Universität Breslau.) Der Einfluß gefäßerregender Mittel auf die Elastizität der Arterienwand. Von Dr. med. J. Schleier, Assistent am Institut. Mit 7 Textabbildungen. (Eingegangen am 8. November 1921.) Einleitung. Im Zusammenhang mit der Frage, ob die Gefäße nur Leitungs- röhren darstellen oder sich aktiv an der Bewegung des Blutes beteiligen, wurden von F. Schaefer!) Versuche angestellt, in denen er die Hinter- beine des Frosches abwechselnd unter gleichbleibendem und rhythmi- schem Druck durchströmte und die dabei ausfließenden Mengen mit- einander verglich. Dabei zeigte sich, daß nach Zusatz von gewissen gefäßerregenden Mitteln die pulsatorische Strömung, auf gleichen Mittel- druck bezogen, der konstanten überlegen war. Später fand H. Hühne?) eine Überlegenheit rhythmischer Durchströmungsart auch ohne Zusatz von gefäßerregenden Mitteln bei Versuchen an frischen Kaninchen- nieren. Diese Überlegenheit rhythmischer Durchströmung kann ent- weder physiologische oder physikalische Gründe haben. Einen physio- logischen Grund (Eigentätigkeit der Gefäße) anzunehmen, wird über- flüssig, wenn es gelingt, die Überlegenheit rhythmischer Durchströmung auf physikalische Gründe zurückzuführen. Von A. Fleisch®) wurde nun die Dehnbarkeit des Gefäßsystems zur Erklärung der genannten Erscheinung herangezogen, sofern durch diese der Widerstand der Blut- bahn mit steigendem Druck herabgesetzt wird, und zwar in stärkerem Maße als dem Druck entspricht. Daher ist die Stromstärke bei rhyth- !) Fritz Schaefer, Der Einfluß gefäßerregender Mittel auf die bei kon- stantem und rhythmischem Druck durch die Hinterbeine des Frosches getriebenen Flüssigkeitsmengen. Pflügers Arch. f. d. ges. Physiol. 16%, 378. 1915. ®) Hubert Hühne, Zur Frage einer Förderung des Blutstromes durch pulsatorische Tätigkeit der Blutgefäße. Pflügers Arch. f. d. ges. Physiol. 165, 180. 1916. 3) A. Fleisch, Die relative Überlegenheit der rhythmischen Durchströmungs- art bei überlebenden Organen als Zeichen aktiver Fördertätigkeit der Arterien. Pflügers Arch. f. d. ges. Physiol. 194, 177. 1919. J. Schleier: Der Einfluß gefäßerregender Mittel auf die Elastizität usw. 611 mischem Druck nicht gleich der bei konstantem mittleren Druck auf- tretenden, sondern größer. Nun zeigte sich aber in den Schaefer- schen Versuchen eine Überlegenheit rhythmischen Druckes nur bei Anwendung bestimmter vasoconstrictorischer Mittel, vor allem des Adrenalins, nicht aber bei anderen, wie Bariumchlorid, eine Erscheinung, die von Fleisch darauf zurückgeführt wird, daß die erregten Gefäße relativ stärker gedehnt werden als normale. Damit scheint die Frage erledigt; wenn sie im folgenden von neuem behandelt wird, so hat das seinen Grund erstens darin, daß Fleisch nicht auf die Unterschiede zwischen Adrenalin- und Bariumchloridwirkung eingeht, ferner hat Fleisch die Schaeferschen Befunde, daß ohne gefäßverengernde Mittel konstante und rhythmische Strömung gleichen Stromeffekt haben sollen, auf die von Schaefer angewandten hohen Drucke zurückgeführt, ohne nähere experimentell begründete Angaben zu machen, wie sich das Verhältnis der beiden Durchströmungsarten bei niedrigeren Drucken gestalten würde. Daher war noch zu prüfen, wie sich die Dehnbarkeit der Gefäße unter Adrenalin- und Bariumchloridwirkung in der Breite der von Schae - fer verwendeten Drucke zwischen ca. 30—60 cm W. ändert, desgleichen bei niederen Druckwerten. Zur Methodik. Die Feststellung der Dehnbarkeit der Gefäße kann in dem vorliegen- den Fall, wo die Eigenschaften nicht einer einzelnen Arterie, sondern einer ganzen Gefäßbahn untersucht werden müssen, nur mit Hilfe der Durchströmung von überlebenden Gefäßbahnen unter steigendem Druck und Bestimmung der Durchflußmengen ausgeführt werden. Übrigens wurde von M. William!) und dessen Schüler J. E. Kesson?) bei Ge- legenheit anderer Untersuchungen an ausgeschnittenen Arterien fest- gestellt, daß kontrahierte Gefäße bei zunehmender Belastung anfangs weniger, dann stärker gedehnt werden als normale. Als Versuchsobjekt dienten die Gefäßbahnen von Winterfröschen (Tempo- rarien und Esculenten). Die unteren Extremitäten wurden am obersten Lenden- wirbel vom übrigen Körper getrennt und von der Bauchaorta aus durch eine ein- gebundene Glaskanüle durchströmt. Die zur Durchströmung verwendete Ringer- lösung?) enthielt in 51 Wasser: NaHCO, 1,5 g, KC1 2,1 g, CaCl, 1,2 g und NaCl 35 g. Unmittelbar vor der Kanüle wurden Druck und Stromstärke mit Hilfe eines Tor- sionsfedermanometers und einer kleinen registrierenden Stremuhr bestimmt. !) M. William, On the properties of the arterial walls. Proc. Roy. Soc. 1902, S. 109. ?) J. E. Kesson, The elasticity of the hollow viscera. Quaterly Journal of experimental physiology, Vol. VI, Nr. 4, S. 355. 1913. ®) Fröhlich und Morita, Pharmakologische Untersuchungen an den vaso- motorischen Zentren für das Splanchnicusgefäßgebiet des Frosches, Arch. f. exper. Pathol. u. Pharmakol. 78, 280. 1915. 612 J. Schleier: Der zur Durchströmung notwendige Druck wurde durch Wassereinlauf in eine 21/,1 fassende Druckflasche F, erzeugt. Der Wasserzulauf zur Druckflasche erfolgte von der Wasserleitung aus und ließ sich durch verschiedene Stellung des Hahnes WH regulieren. Der in der Flasche herrschende Druck ließ sich an einem 1,25 m langen Steigrohr StR ablesen. Druckabfall wurde nach Abstellung des Zulaufes durch Wasserablauf aus der Druckflasche durch die Widerstandscapillare WK bewirkt. Durch den Abfluß aus der Capillare entstand in einer Minute ein Druck- abfall von 60 cm W. auf 0. Der Druckanstieg wurde so geregelt, daß Druckanstieg auf diesen Wert und Druckabfall sich annähernd gleichmäßig vollzogen. Die Druckflasche war mit einer zweiten, 250 ccm fassenden Flasche F'7, luftdicht ver- bunden. Diese Flasche enthielt die Durchströmungsflüssigkeit. In die Schlauch- verbindung nach der Stromuhr war ein Kurbelhahn KH eingeschaltet, durch SER. i | | H kalr IE ZEN | R E | | — ec j = nı— = Ze A. Abb. 1. Schema der Versuchsanordnung. WH Wasserleitungshahn KH Kurbelhahn 4A Ausguß St registrierende Stromuhr Fr Drucktflasche M Federmanometer StR Steigrohr P Froschpräparäat WK Widerstandscapillare K Kymographion Fr Durchströmungsflüssigkeit ent- J Jaquetscher Zeitschreiber haltende Übergangsilasche dessen Drehung man rhythmische Druckschwankungen hervorrufen konnte. Nachdem auf dem Kymographion X die Durchflußvolumina bei steigendem und fallendem Druck und Durchströmung mit normaler Ringerlösung aufgezeichnet worden waren, wurde der Ringerlösung mit einer Pipette Adrenalin synthet. „Hoechst“ 1 :1000 zugesetzt, so daß sich Verdünnungen ergaben, die in den einzelnen Versuchen zwischen 100 000 und 2 000 000 schwankten. Die Adrenalin- wirkung war in den einzelnen Präparaten bei gleicher Konzentration eine ver- schieden starke. Nach dem Adrenalinzusatz wurde die Durchströmung so lange im Gang gehalten, bis an der Verlangsamung der Bewegungen des Stromuhrhebels eine deutliche Adrenalinwirkung zu erkennen war. Dann wurden wieder die bei steigendem und fallendem Druck durch das Präparat {ließenden Volumina aufge- zeichnet. Gleiche Versuche wurden vorgenommen, nachdem die Gefäße durch Bariumchlorid verengert waren. Es wurden zunächst die von Schaefer ange- gebenen Verdünnungen von Bariumchlorid 1:20 000 Ringerlösung angewendet, ohne daß ein Erfolg auf das Stromvolumen zu erkennen war. Bei Zusatz von Barium- Der Einfluß gefäßerregender Mittel auf die Blastizität der Arterienwand. op} jaN 3% chlorid zeigte aber die Ringerlösung eine Trübung. Nach Prüfung mit den einzelnen Bestandteilen der Ringerlösung ergab sich, daß Bariumchlorid mit dem verwendeten Kochsalz, das Verunreinigungen von Sulfa- ten enthielt, einen Niederschlag erzeugte, ebenso einen Niederschlag mit Natrium- bicarbonat. Verwendet man also Barium- chlorid in der üblichen Ringerlösung, so ist es möglich, daß man ein vermindertes Durchflußvolumen erhält, weil die flockig ausfallenden Bariumsulfate und -carbonate die Capillaren verstopfen, ohne daß über- haupt eine Bariumchloridwirkung erzeust wird. Es wurde deshalb zur Herstellung der Bariumchloridverdünnungen nur che- misch reines Kochsalz verwendet und das Natriumbicarbonat fortgelassen. Die ver- wendeten Lösungen enthielten in 51 KCl 2,1 g, CaCl, 1,2 g und NaCl 36,5 g. Um eine der Adrenalinwirkung annähernd entspre- chende Bariumchloridwirkung zu erzielen, wurden Lösungen von 1 g Bariumchlorid in 1000 cem der angegebenen, modifizierten Ringerlösung verwendet. Beim Einströmen der Bariumchloridlösungen traten deutliche Muskelzuckungen auf, die sich nach weni- gen Minuten beruhigten. Dann wurde der Versuch begonnen und, ebenso wie oben beschrieben, Druck und Ausflußvolumen registriert. Die geschilderte ‚Methode er- wies sich für die Prüfung der Dehnbarkeit der Gefäße in der Höhe der von Schaefer verwendeten Drucke als gut brauchbar. Die Aufzeichnung niederer Drucke ging aber z. T. dadurch verloren, daß mit Hahnöffnung der Druck sprung- weise in die Höhe ging und dief'genaue Hahnregulierung, die die gewünschte Steig- geschwindigkeit des Druckes regelte, einige Sekunden Zeit in Anspruch nahm, so daß der Versuch erst beginnen konnte, wenn der Druck eine Höhe von ca. 20 cm Wasser erreicht hatte. Deshalb wurde in einer zweiten Versuchsreihe, in der es darauf ankam, die Abhängigkeit der Durchfluß- menge vom Druck auch bei niederen Drucken zu bestimmen, die Druckände- g unter rhythmisch e des Manometers 4,0 . Druck. b) Durchströmun 6} 27 2, Zeit in Sek., Stromvolun 1. a) Durchströmung unter gleichförmig steigendem und fallendem Druck. 13 M | Die Kurven bedeuten von oben nach unten gelesen: en und Druckkurve. -Stromvolu rung durch Heben und Senken der die © Durchströmungsflüssigkeit enthaltenden =: Flasche erzeugt. Diese wurde an einem BE Maßstab, dessen Nullstrich sich in Höhe 2 der Manometermembran befand, im Takte Rz 614 J. Schleier: eines Metronoms mit der Hand gehoben und nach Erreichung des Maximums wieder ebenso gesenkt. In allen Versuchen nahm der Druckanstieg bei konstantem wie bei rhythmischem Druck je eine Minute in Anspruch. Die Flasche wurde in den Ver- suchen mit gleichförmigem Druck in jeder Sekunde um 0,5 cm, in den Versuchen mit rhythmischem Druck in jeder 1!/, Sekunde um 1 cm gehoben bzw. gesenkt. Der rhythmische Druck wurde durch Hahndrehung im Takte des Metronoms er- zeugt, die Zahl der Pulse betrug 50 in der Minute. Die Abbildung 2 S. 613 stellt ein Beispiel der so erhaltenen Kurven dar. Die Kurven wurden mit einem Koordinatenmesser ausgemessen und die Auf- zeichnungen des Manometers und der Stromuhr in absolute Werte umgerechnet. Die den Pulsdrucken entsprechenden Mitteldrucke wurden nach der bekannten Wägungsmethode!) ermittelt. Fehler in der Bestimmung der Durchflußmengen können erstens durch Ver- letzung von Seitenästen der Aorta entstehen. Diese Fehlerquelle wurde dadurch ausgeschaltet, daß die Kanüle bis unmittelbar vor die Teilungsstelle der Aorta herangeführt wurde. Ein anderer Fehler entsteht durch Bildung von Ödemen. Um solche festzustellen, wurden die Präparate vor und nach der Durchströmung gewogen und diejenigen Versuche ausgeschaltet, bei denen die Gewichtszunahme mehr als 15% = ca 3 g betrug. Da die Menge der während einer ganzen Versuchs- reihe durchgetriebenen Flüssigkeit etwa 150 cem betrug, so ist der hierdurch ent- stehende Fehler höchstens ca 2%, fällt also nicht ins Gewicht. Ergebnisse. Da die Schaeferschen Versuche bei Drucken über 25 cm angestellt sind, soll zunächst betrachtet werden, wie sich über dieser Druckhöhe die Abhängigkeit des Durchflußvolumens vom Druck gestaltet. Aus einer Reihe von grundsätzlich übereinstimmenden, mit der ersten Me- thode angestellten Versuchen ist ein Beispiel in Abb. 3 graphisch dar- gestellt. Die Darstellung beschränkt sich der Raumersparnis wegen auf die erste Hälfte des Versuches, bei der der Druck ansteigt, da die zweite Hälfte bei Druckabfall keine grundsätzlichen Abweichungen zeigt. Aus Abb. 3 ist ersichtlich: 1. daß die absoluten Durchflußmengen bei normalen Gefäßen ungleich viel größer sind als bei erregten; 2. daß beide Kurven einen gegen die Abszisse konvexen Verlauf nehmen, d.h. daß die Durchflußmengen rascher wachsen als die Drucke und 3. daß die Normalkurve die stärkste Krümmungsänderung bei Drucken unter 40 cm zeigt, die der Adrenalinkurve aber erst über diesem Werte, d.h., unter Adrenalinwirkung wird die Erscheinung, daß die Strom- stärke rascher wächst als der Druck erst bei den höheren Druckwerten deutlich. Um den Unterschied im Verhältnis von Durchflußvolumen und Druck zwischen normalen und erregten Gefäßen noch anschaulicher darzustellen, wurde das beim Druckzuwachs von 25 auf 35cm W. ausfließende Stromvolumen auf Zeit- und Druckeinheit reduziert und 2) J. A. Tsch uewsky, Vergleichende Bestimmung der Angaben des Queck- silber- und Federmanometers auf den mittleren Blutdruck. Pflügers Arch. f. d. ges. Physiol. %%, 585. 1898. Der Einfluß gefäßerregender Mittel auf die Elastizität der Arterienwand. 615 — ] gesetzt und dann die Verhältniszahlen der Stromvolumina bei Druckzuwachs um weitere je 10 cm berechnet. Das Ergebnis ist in der folgenden Tabelle enthalten. Druck em W. 25—8 3545 | 4555 | 55-45 | 4585 | 353 Verhältniszahlen der Normal 1 IE2 153 183 a 0,9 Stromvolumina Adrenalin 1 2,8 5,0 7,8 Tr 2 Aus den unter steigendem Druck angegebenen Zahlenreihen geht her- vor, daß die Volumina unter Adrenalinwirkung verhältnismäßig stärker wachsen als bei normalen Gefäßen, d.h. daß die erregten Gefäße mit steigendem Druck relativ stärker gedehnt werden als die normalen. Abb. 4 veranschaulicht dieses Verhalten. 70 78 9 16 8, S 714 S 7 N 872 SQ R SI S S S Q 70 Ä 2 I; AN Q ES S S 6 IS 3 S SQ 4 2 2 7 — | oO 70 20 30 40 50 60 25 35 45 55 cm Wasserdruck cm Wasserdruck Abb. 3. Druck und Volumen bei Durch- Abb. 4. Überproportionalität strömung mit Ringerlösung und nach desVolumen zum Druckanstieg Adrenalinwirkung (hoher Druck). © Escu- nach Adrenalinwirkung. lenta, 7Sg K.-G. ------ Durchstreömung __ --.--- Durchströmung mit mit Ringerlösung, ——— Durchströmung Ringerlösung. ———- Durch- mit Ringerlösung + Adrenalin 1: 400 000. strömung mit Ringerlösung + Adrenalin 1: 400 000. Auch beim Druckabfall ist Überproportionalität des Stromvolumens zum Druck vorhanden. Bemerkenswert ist, daß in der Adrenalinreihe die Zahlen bei absteigendem Druck wesentlich höher sind als die bei aufsteigendem Druck berechneten, in der Normalkurve aber nicht. Diese Erscheinung kann man als Nachdehnung betrachten, wenn es sich hier überhaupt um einen physikalischen Vorgang handelt und nicht um eine durch den hohen Druck veranlaßte Erschlaffung der Gefäße. 616 J. Schleier: Von den gleichfalls mit dem ersten Verfahren angestellten Ver- suchen mit Bariumchlorid gibt Abb. 5 ein Beispiel. - Der Unterschied in dem Verhalten der absoluten Stromstärke bei normalen und erregten Gefäßen ist hier nicht so stark ausgesprochen wie in dem Adrenalinversuch (Abb. 3), doch zeigt sich auch hier, daß beide Kurven einen gegen die Abszisse konvexen Verlauf nehmen, wobei der konvexe Verlauf unter Bariumchloridwirkung schon bei niedrigeren Drucken als im Adrenalinversuch deutlich wird. Die gleiche Berechnung wieim Adrenalinversuch (Tab. S. 615) ergibt folgende Werte: us cm W. | 25—85 | 6 35—45 154 Er 55—45 | 45—85 | 35—25 nen der © Normal 1 | 108) 1,91 1,8 1,4 | 0,7 Stromvolumina j Bariumchlorid 13,5 6,5 8,2 7:0. 172441 Es zeigt sich auch hier, daß unter Bariumchloridwirkung bei stei- gsendem Druck die Gefäße im Vergleich zur normalen Bahn relativ stär- ker gedehnt werden, und daß bei fallendem Druck die Dehnung nur teilweise zurückgeht. Als Hauptergebnis dieser ersten Versuchsreihe zeigt sich in allen Versuchen überein- stimmend, daß das Stromvolu- men bei normalen Gefäßen nur wenig stärker ansteigt, als dem Druck entspricht, bei den durch Adrenalin und Bariumchlorid erregten Ge- 0 0 eo 70 faben, dagesen’in sehr ae em Wasserderuk stärkerem Grade. Abb. 5. Druck und Volumen bei Durchströ- In der mit der zweiten Methode mung mit Ringerlösung und nach Bariumchlorid- R wirkung (hoher Druck). © Temporaria 48 gK.-G. angestellten Versuchsreihe kam es ccm Durchflußvolumen „un. Durchströmung mit Ringerlösung. darauf an. die Beziehungen Zwi- Durchströmung mit Ringerlösung + 2 2 Bariumehlorid 1: 1000. schen Druck- und Volumenanstieg vor und nach Wirkung vasocon- strietorischer Mittel auch bei niederen Druckwerten zu ermitteln, die im Bereich der physiologischen Werte des Blutdruckes des Frosches (A. Fleisch 1. c.S8. 197) liegen. Das Ergebnis eines solchen Versuches unter Adrenalinwirkung stellt Abb. 6 dar. In Übereinstimmung mit dem entsprechenden Versuch unter hohem Druck (Abb. 3) zeigt sie, daß beide Kurven gegen die Abszisse konvex verlaufen, wobei die Kurve unter Adrenalinwirkung bis zu Drucken von 24 cm ausgesprochen konvex ist, die Krümmung der Nörmalkurve Der Einfluß gefäßerregender Mittel auf die Elastizität der Arterienwand. 617 dagegen schon bei Drucken über 10 cm W. gering wird. Die Berechnung der Verhältniszahlen des auf Zeit- und Druckeinheit reduzierten Volu- mens ergibt, als Einheit das bei Druckzuwachs von 5 auf 10cm W. durchfließende Volumen angenommen, folgende Zahlenreihe: Druck von W. | 5-10 10-15 15-20 5530 | 3025 2520 2015 15—10 mE IER NER Dee Sr Teen elanie- en | | | 2012 | 0,6 zahlen des f | 2 | | en | Adrenalin | ı | 11 | 15 11912825 |21|09| 0 Die relativ stärkere Dehnbarkeit der Adrenalinbahn ist ausgespro- chen, jedoch weniger stark als beihohem Druck. Zum Druckverhältnis 30 .:50 verhält sich das auf Zeit- und Druckeinheit reduzierte Volumen wie 1:5, zum Druck 7,5 : 27,5 aber nur wie 1 :2,8. Im Gegensatz zu den frü- heren Versuchen zeigt sich aber, daß die Ausflußmengen bei fallendem Druck geringer sind als bei steigendem, und von einem gewissen Druck unter 10 cm W. = 0 werden. Hier muß ein Faktor hinzukommen, der bei hohen Drucken keine Rolle spielt, wahrscheinlich die Füllung der Bahn. Die vor das Prä- parat geschaltete Stromuhr registriert zwar bei Drucksteigerung über 0 die Flüssigkeitsmengen, die die Bahn füllen, bleibt aber bei sinkendem Druck stehen, sobald der Zufluß aufhört, die dann noch aus dem Präparat strömenden Mengen entgehen der Aufzeichnung. In einigen Versuchen zeigte die Stromuhr bei fallendem Druck und ganz niedrigen Druckwerten sogar eine rückläufige Strömung an '(Windkesselwirkung der Bahn). Das Ergebnis eines weiteren, gleich- falls mit der zweiten Versuchsanord- ccm Durchfluß volumen : . [) DINETONNETSTREEZONZETN 30 nung angestellten Bariumchloridversu- NE WERSET Ark ches stellt Abb. 7 dar (S. 618). Abb. 6. Druck und Stromvolumen bei In diesem Versuche zeigt sich im PDurchströmung mit Ringerlösung und nach Adrenalinwirkung (niedriger Druck). Gegensatz zudem vorhergehendenschon 3 Eseulenta 398 K.-G. ------ Durch- . e B strömung mit Ringerlösg. Durch- in der normalen Bahn eine auSZeSpEo: strömung mit Ringerlösung + Adrenalin chene Konvexität der Kurve zur Ab- 1: 2.000 000. 618 J. Schleier: szisse, die unter Bariumchloridwirkung ebenfalls noch stärker wird. Die in gleicher Weise wie auf S. 617 angestellte Berechnung der Volumen- verhältniszahlen ergibt. Druck em W. 5—10 | 10-15) 15 20 2025 2530 Yy Sn ee 1 q zahlen der Barium- Stromvolum. J chlorid 3025| 25- 20 20-15 1510 —— | “ | PIUEFERT 41] 10 1020 8127 36 | 78 | 44 15 | 05 03 Dieses Präparat zeigt schon unter natürlichen Verhältnissen ein ausgeprägt schnelleres Ansteigen des Volumens zum Druck, wie es im AS) o ccm Durchflußvolurmen SS an [7 9; 70 75 20 25 30 cm Wasserdruck Abb. 7. Druck und Stromvolumen bei Durchströmung mit Ringerlösung und nach Bariumchloridwirkung (niedriger Druck). 5 Temporaria 388g K.-Gew. Durch- strömung mit Ringerlösung. Durch- strömung mit Ringerlösung + Bariumchlo- rid 1: 1000. mens zum Druckanstieg zeigt. E vorhergehenden erst unter Adrenalin- wirkung deutlich wurde. Unter Ba- riumchloridwirkung erfährt diese Er- scheinung dann noch eine quantitative Verstärkung. In Vergleich zu dem auf Abb. 6 dargestellten Versuch, der bei gleich- sroßem Präparat und bezüglich Zeit- und Druckanstieg unter gleichen Be- dingungen angestellt worden ist, finden wir einen geringeren Gesamtdurchfluß, was zweifellos auf einem stärkerem Kontraktionszustand des Gefäßsystems beruht. Die Bahn mit höherem Gefäß- tonus zeigt also Überproportionalität des Volumen- zum Druckanstieg, die Bahn mit großem Gesamtdurchfluß, d.h. geringem Tonus aber annähernd Proportionalität. Bei dem Vergleich der Wir- kungdeskonstantenundrhyth- mischen Druckes auf die Strom- stärke istnach A. Fleisch zuerwarten, daß der rhythmische Druck dem kon- stanten um so mehr überlegen ist, je mehr sich durch Dehnung der Bahn Überproportionalität des Volu- Diese Überproportionalität tritt aber an den Gefäßen nicht bloß als eine Folge der künstlichen Erregung ein, sondern ist schon an den normalen Gefäßen zu bemerken, wie der Vergleich auf S. 618 zeigt. Wir müßten demnach in dem zuletzt genannten Ver- such (S . 617 u. 618) Überlegenheit rhythmischer Durchströmungsart auch schon bei den normalen Gefäßen erhalten. Der Finfluß gefäßerregender Mittel auf die Elastizität der Arterienwand. 619 Zur Prüfung dieser Schlußfolgerungen wurde der Vergleich der Wirkung konstanter und rhythmischer Durchströmung bei niederen Druckwerten ausgeführt, der bei Schaefer fehlt. Das Ergebnis ist in der folgenden Tabelle zusammengestellt. Gesamtdurchfluß in nn cem bei: such | Durchströmung mit Druckverhältnisse glEICH ER PRESIIEE auf förmiger | er Seite Durch- er strömung strömung | 0—30 cm W. steigend und | Gleu Ringerlösung fallend. Die Mitteldrucke SOWIE | 3,5 617 | Ringer + Adrenalin der rhythmischen Durchströ- 13 2,5 5 mung sind den entsprechen- den Drucken der gleichför- Tu] ineerlö o ; - 2 il; DT Su Ringerlösung migen Durchströmune I 5 1,2 2,6 gleich. Druckanstieg und | Abfall je 60 Sek. Das Ergebnis dieser Tabelle ist: 1. Überlegenheit der rhythmischen Durchströmungsart unter Adrenalin- ebenso wie unter Bariumchlorid- wirkung. 2. Überlegenheit ohne vasoconstrietorische Mittel in dem zu- letzt genannten Versuch bei geringem Gesamtdurchfluß, also höherem Gefäßtonus. Als Hauptergebnis der zweiten Versuchsreihe zeigt sich, daß die erhöhte Dehnbarkeit der Bahn, welche die Überpropor- tionalität zur Folge hat, nicht eine spezifische Wirkung der vasoconstrictorischen Mittel ist, sondern daß die Gefäße relativ um so dehnbarer sind, je höher ihr Tonus ist. Die Gefäße zeigen also ein gleiches Verhalten, wie es bei anderen glatten Muskeln (Magenring vom Frosch) schon P. Sch ulz!) mit anderen Metho- den nachgewiesen hat. Nachdem durch die vorliegenden Versuche die Bedingungen klar- gestellt sind, unter denen die rhythmische Durchströmungsart einen größeren Stromeffekt haben muß als die konstante, sind die Schaefer- schen Befunde leicht verständlich. Die Überlegenheit rhythmischer Durchströmungsart ist abhängig von dem Fähigkeitsgrad der Bahn, sich unter steigendem Druck zu dehnen. Diese Eigenschaft ist in dem- selben Gefäße ebenso von dem Tonus als von dem Druck abhängig. Bei niederstem Tonus tritt annähernde Proportionalität der Strömung zum Druck schon bei geringem Druck, bei höherem Tonus erst bei höheren Drucken ein. Bei den Druckwerten der Schaeferschen Ver- suche ist bei der Durchströmung der unkontrahierten Bahn bereits annähernd Proportionalität zwischen Druck und Durchflußvolumen 618 |Ringer + Bariumchlorid !) P. Schulz. Zur Physiologie der längsgestreiften (glatten Muskeln). Arch. f. Anat. u. Physiol. 1903, S. 17. 620 J. Schleier: Der Einfluß gefäßerregender Mittel auf die Elastizität usw. erreicht und daher haben rhythmische und gleichförmige Durchströ- mung annähernd gleichen Stromeffekt, während wie wir oben sahen, bei niederen Drucken auch ohne Gefäßtonica die rhythmische Strömung überlegen sein kann. Ein prinzipieller Unterschied, wie ihn Schaefer l.c. zwischen Adrenalin- und Bariumchloridwirkung bezüglich des Stromeffektes aufstellt!), konnte in keinem Versuche gefunden werden. Vermutlich war bei den Schaeferschen Bariumchloridkonzentrationen 1 : 20 000 die Abnahme des Stromvolumens durch die auf S. 613 geschil- derten Vorgänge bedingt und gar keine Bariumchloridwirkung. In allen vorliegenden Versuchen war auch unter Bariumchloridwirkung die rhythmische Durchströmung der gleichförmigen überlegen. Aus den Versuchen geht deutlich hervor, daß die unter gewissen Umständen beobachtete Überlegenheit rhythmischer Durchströmungs- art nicht im Sinne der aktiven Beteiligung der Gefäße an der Blutbe- wegung gedeutet werden darf, sondern sich aus der Art der Dehnbarkeit der Bahn ableiten läßt. Zusammenfassung. Der Einfluß vasoconstrictorischer Mittel auf die Dehnbarkeit der Blutgefäße wird untersucht, indem die Gefäße der hinteren Extremitäten von Fröschen vor und nach Einwirkung von Adrenalin und Barium- chlorid unter steigendem und fallendem Druck durchströmt und dabei Drucke und Stromvolumina messend verfolgt werden. Die kontrahierten Gefäße sind bei höheren Drucken relativ dehn- barer als die unkontrahierten. Die Überlegenheit rhythmischer Durchströmungsart über die kon- stante unter der Wirkung vasoconstrictorischer Mittel läßt sich aus der erhöhten Dehnbarkeit der Gefäße allein erklären und kann nicht als Stütze der Hypothese von der aktiven Beteiligung der Gefäße an der Blutbewegung angeführt werden. !) Allerdings gibt Schaefer an, bei einer Bariumchloridkonzentration von 1:5000 an eine Überlegenheit rhythmischer Durchströmungsart gefunden zu haben und führt dieses Ergebnis auf die bei dieser Konzentration auftretenden Muskelzuckungen zurück, die eine strombeschleunigende Wirkung haben sollen. Diese Annahme erscheint nach den vorliegenden Untersuchungen nicht wahr- scheinlich. Die Wirkung der durch Bariumchlorid hervorgerufenen Muskelzuckun- gen auf die Strömung käme ja auch den unter gleichförmigem Druck geförderten Strommengen ebenso zugute wie den unter rhythmischem Druck hindurchfließen- den, würde also beim Vergleich beider gar nicht in Betracht kommen. Kurze Mitteilungen. Das anatomische Substrat der Herzautomatie der Wirbeltiere ist nicht die Ganglienzelle. Ri Von Prof. Hering, Köln a. Rh. (Eingegangen am 9. Januar 1922). Die Veranlassung zu dieser Abhandlung gibt mir der zweite, eben erschienene Band der Physiologie des Kreislaufes von R. Tigerstedt. Wie ich in Referaten in der Deutschen medizinischen Wochenschrift hervorgehoben habe, ist es sehr erfreulich, daß Tigerstedt sich jetzt nach 28 Jahren doch noch entschlossen hat, eine zweite Auflage seines Buches erscheinen zu lassen, denn kein anderer wäre hierfür so geeignet gewesen, wie er selbst. So dankbar wir es daher anerkennen müssen, daß er sich in seinem Alter dieser großen Mühe noch unterzogen hat, so schließt das doch nicht ein und wird er auch nicht erwarten, daß wir dem Inhalt des Buches in allen Punkten zustimmen. Als ich jetzt den $55 ,„Das anatomische Substrat der Herzautomatie‘‘ las, wurde mein Herz, von dem ich überzeugt bin, daß es myogen schlägt, doch etwas nervös, da seine Darstellung, besonders in einem Punkte, den Tatsachen nicht gerecht wird. Dieser Punkt bezieht sich auf die Frage, ob die Ganglienzellen des Herzens die Träger der Automatie sind. . Am Schlusse des oben erwähnten $ 55 sagt Tigerstedt S. 149 und 150: „Überblicken wir das hier zusammengestellte Material, so finden wir, daß die mei- sten Erscheinungen beim Herzen, unter Herbeiziehung gewisser Hilfshypothesen, durch die eine oder andere der folgenden Annahmen etwa ebensogut erklärbar sind: A. Die Ganglienzellen des Herzens sind Träger der Automatie desselben; sie besitzen an verschiedenen Orten des Herzens eine verschieden stark entwickelte automatische Fähigkeit, und zwar ist diese bei denjenigen Ganglienzellen, welche sich am venösen Ende des Herzens vorfinden, am größten. B. Eine auf embryonaler Stufe stehende und sonst funktionell verschiedene Muskulatur ist Sitz der automatischen Erregbarkeit des Herzens; diese Muskulatur besitzt an verschiedenen Orten des Herzens eine verschieden stark entwickelte automatische Fähigkeit, und zwar ist diese bei der Muskulatur am venösen Ende des Herzens am größten.“ Hierzu wäre zunächst folgendes zu sagen. Obwohl Tigerstedt das Herz der Wirbellosen und der Wirbeltiere getrennt bespricht, tut er dies nicht bei der Erörterung des automatischen Substrates der Herzautomatie. Dadurch kommt es, daß er bei der Besprechung der Automatie des Wirbeltierherzens wiederholt das Limulusherz heranzieht, was ich nicht für zweckmäßig halte und auch deswegen nicht für angebracht, weil es den Blick für die Genese der Automatie beim Wirbeltierherzen trübt. Was nun die Frage anbelangt, ob die Ganglienzellen des Herzens die Träger der Automatie bei den Wirbeltieren sind, so hat Tigerstedt 622 Hering: Das anatomische Substrat die Bedeutung der Tatsache, daß dieintrakardialen accelerierenden Herznerven postganglionäre Fasern darstellen, gar nicht entsprechend gewürdigt, denn. diese Tatsache beweist, daß das anatomische Substrat für die Automatie beim Wirbeltierherzen des vom extrakardialen Nervensystem isolierten Herzen, gleich- gültig ob im Körper nervös isoliert oder herausgeschnit- ten, nicht die intrakardialen Ganglienzellen sind. Was Tigerstedt diesbezüglich von mir auf S. 146 und 147 an- führt, ist folgendes: „Unter Hinweis darauf, daß die intrakardialen accelerierenden Herznerven postganglionäre Fasern darstellen (vgl. Kap. XXII), in deren Verlauf keine Ganglien- zellen eingeschaltet sind, und daß sie also ihre Wirkung direkt auf die Herzmusku- latur ausüben müssen, folgert er!) nämlich, daß die Ursprungsreize des Herzens nicht in Ganglienzellen entstehen können. Die betreffende Acceleranswirkung würde also nicht nur keinen Grund gegen die myogene Hypothese, sondern viel- mehr einen direkten Beweis für dieselbe darstellen. Gegen die Ganglienzellenhypothese spricht ferner nach Hering die Tatsache, daß das Adrenalin sogar das schlaglose Herz wieder zum Schlagen bringen kann, denn nach allen vorliegenden Erfahrungen hat diese Substanz ihren Angriffs- punkt nicht in etwaigen Ganglienzellen, sondern in den sympathischen Nerven- endigungen. Wenn nun das Adrenalin die Reizbildung des Herzens fördert bzw. neu hervorruft, ist dies wieder ein Grund gegen die Annahme der Ganglienzellen als Träger der ursprünglichen Herzreize.“ Dazu sei bemerkt, daß ich nicht gesagt habe, die Tatsache der post- ganglionären Acceleranswirkung sei ein direkter Beweis für die m yogene Theorie, sondern nur dafür, daß die Ursprungsreize sich nicht in den Ganglienzellen des Herzens entwickeln. Wenn nun Tigerstedt im Anschluß an die eben zitierten Sätze meint: „Indessen ist weder die Accelerans- noch die Adrenalinwirkung in dieser Hinsicht eindeutig, da man sich ja denken kann, daß durch dieselben allerdings der Herzmuskel direkt angegriffen wird, aber dennoch die normale, natürliche An- regung zu den Herzkontraktionen von den Ganglienzellen ausgeht.‘ so kann man, da intrakardial in dem Verlauf der Acceleransfasern keine Ganglienzellen eingeschaltet sind, seine Äußerung, man könne sich denken, daß dennoch die normale natürliche Anregung zu den Herz- kontraktionen von den Ganglienzellen ausgeht, füglich nur so verstehen, daß Tigezstedt die extrakardialen Ganglienzellen meint, von denen die Acceleransfasern zum Herzen ziehen. Diese Meinung von Tigerstedt die den oben gesperrt gedruckten Satz nicht tangiert, ist aber auch nicht zutreffend, denn schaltet man die Acceleratoren durch ihre Durch- schneidung zwischen dem Herzen und den extrakardial gelegenen Ganglien und damit auch den Einfluß der letzteren aus, dann schlägt das Herz weiter und nur der Acceleranstonus fällt weg, was mit Bezug auf die Frequenz an einem gewissen Herabgehen derselben zu erkennen 2 HR: Hering, Arch. L.ıd.ges. Physiol.7141,7511.77917: der Herzautomatie der Wirbeltiere ist nicht die Ganglienzelle. 623 ist, worüber Tigerstedt ja selbst an anderer Stelle des Buches auch berichtet. Es ist demnach jene als Einwand geäußerte Meinung nicht zutreffend. Ich vermute, daß sich Tigerstedt bei Niederschrift jener Äußerung unwillkürlich von den Ergebnissen hat beeinflussen lassen, die man am Limulusherzen erhalten hat. Auf S. 148 sagt Tigerstedt, nachdem er vorher auf die von Lang- ley gefundene Tatsache, daß in dem peripheren Verlauf der autonomen Nervenfasern nur eine Ganglienzelle eingeschaltet ist, und auf die weitere Tatsache, daß die den beschleunigenden Nerven zugehörigen Ganglien- zellen außerhalb des Herzens liegen, hingewiesen hat: „Es läßt sich indessen auch denken, daß gerade diese in die Vagusbahn ein- geschalteten Ganglienzellen die wahren Träger der Automatie des Herzens und der einzelnen Herzabteilungen darstellen. Dann würden die hemmenden Nerven ihre Wirkung auf diese im Grunde motorischen Zellen ausüben.‘ Diese Äußerung ist mir, ganz abgesehen davon, daß ihr noch vieles andere widerspricht, gerade im Zusammenhang mit den von Langley gefundenen Tatsachen nicht verständlich und wird es auch nicht durch das, was Tigerstedt später noch hinzufügt, denn, wenn die in die Vagusbahn eingeschalteten Ganglienzellen die wahren Träger der Automatie des Herzens wären, dann müßten nach jener Auffassung die Acceleransfasern zu diesen intrakardial gelegenen Ganglienzellen in Beziehung treten, und die Acceleransfasern würden dann von den extrakardial gelegenen Ganglienzellen nicht direkt zur Herzmuskulatur ziehen, sondern in ihrem Verlauf bis zur Herzmuskulatur von Ganglien- zellen nochmals unterbrochen werden, was den tatsächlichen Angaben von Langley direkt widerspräche. Hinsichtlich des anatomischen Substrates der Automatie des Wirbel- tierherzens kann man es zwar als noch nicht bewiesen ansehen, daß die Automatie eine myogene ist, aber man kann heute berechtigterweise nur die Alternative aufstellen, ob die Automatie eine myogene oder eine neurogene ist, nicht aber, ob sie eine myogene oder eine gangliogene ist, wie dies in dem oben angegebenen Schlußergebnis des $55 auf S. 150 unter A und B geschieht. Bezüglich der Ganglienzellen weisen die bekannten Tatsachen direkt darauf hin, daß die Automatie keine intra- sondern eine extra- ganglionäre ist. Dadurch, daß Tigerstedt in dem angeführten Kapitel die neurogene Theorie von der Ganglienzellentheorie nicht scharf trennt und die eben genannte Alternative, auf die es heute ankommt, nicht entsprechend scharf herausgearbeitet hat, und wiederholt das Limulusherz als Ein- wand heranzieht, wenn er vom Wirbeltierherzen spricht, bekommt der Leser kein richtiges Bild darüber, um welche Alternative es sich heute beim Wirbeltierherzen handelt. Pfllügers Archiv f. d. ges. Physiol. Bd. 193. 41 Zur Frage der Wirkung jodierter Eiweißkörper auf die Metamorphose von Froschlarven. Von I. Abelin. (Aus dem Physiologischen Institut der Universität Bern.) (Eingegangen am 16. Januar 1922.) Neuere Untersuchungen haben mit Sicherheit gezeigt, daß die von Gudernatsch beschriebene Beschleunigung der Froschlarvenmeta- morphose für die Schilddrüsenstoffe nicht streng spezifisch ist. Es sind einige Verbindungen bekannt (Dijodtyrosin, Dijodtyramin Jodalbacid u. a.), welche die Metamorphose der Kaulquappen und des Axolotls in ganz gleichem Sinne beeinflussen!). Als weitere Tatsache muß angeführt werden, daß diese ganz sonderbare Schilddrüsenwirkung auf die Amphibienlarven an die Anwesenheit einer Jodkomponente ' geknüpft ist: jodfreie Schilddrüsen geben diese Reaktion nicht?). Es wurde bereits mehrfach versucht, an Stelle der Schildd.aüse künstlich jodierte Eiweißkörper den Larven zu verfüttern. Der Ausfall dieser Versuche war aber ganz verschieden. M. Morx, Jensen sahen nach Verfütterung von jodierten Eiweißkörpern eine Beschleunigung der Metamorphose, in den Versuchen von Lenhart, Rogoff und Marine, Romeis waren jodhaltige Eiweißkörper ohne Wirkung?). Um bei diesen sich widersprechenden Angaben eigene Erfahrungen auf diesem Gebiete zu sammeln, habe ich im Sommer 1921 einige Ver- suche mit joderten Eiweißkörpern angestellt. Es wurden von mir jodiert: 1. Gelatine, als Typus eines Eiweißkörpers mit einem ganz geringen Gehalt an ceyclischen Aminosäuren; 2. Casein, welches be- kanntlich mehrere cyclische Aminosäuren enthält. Die Jodierung des Caseins wurde wie folgt ausgeführt): 10 Casein puriss. Hammarsten wurden in 500 ccm Wasser unter Zusatz von NaHCO, gelöst und in kleinen Anteilen mit einer Lösung von 5g Jod und 10g Jodkalium versetzt. Es wurde abwechselnd Jod- und NaHCO,-Lösung hinzugefügt, das Gemisch blieb immer alkalisch. Insgesamt wurden 10g NaHCO, verbraucht. Das Jod wurde zuerst sehr rasch, dann aber immer lang- samer vom Casein aufgenommen. Schließlich resultierte eine ganz dnnklebraune Lösung. Sie wurde filtriert, gegen gewöhnliches Wasser mehrere Tage dialysiert, bis die Dialysierflüssigkeit nur schwach gelb 1) I. Abelin, Biochem. Zeitschr. 102, 58. 1920; 116, 138. 1921. 2\.C. Wegelin, und I. Abelin, Arch. f. experim. Pathol. u. Pharma- kol. 89, 219. 1921. 3) Vgl. Biochem, Zeitschr. 102, 78. 4) Vol. A. Oswald. Hofmeisters Beiträge, Bd. 3, S. 514. I. Abelin: Zur Frage der Wirkung jodierter Biweißkörper usw. 625 aussah. Beim Filtrieren dieser Lösung in das gleiche Volumen mit Essigsäure versetzten Alkohols fiel ein hellgelbes Pulver aus, das beim Trocknen dunkler wurde. Die Jodierung der Gelatine erfolgte mit einigen Abänderungen in ähnlicher Weise. Von der Gelatine wurden aber nur geringe Jodmengen aufgenommen. Im Kaulquappenversuch zeigte die jodierte Gelatine gar keine Wirkung. Das jodierte Casein hatte die Resorption des Schwanzes bei den Larven etwas beschleunigt, eine typische Beschleunigung der Metamorphose trat aber nicht ein. In den oben zitierten Versuchen von Jensen!) war dagegen Jodcasein wirksam. Wie ist das wechselvolle Ergebnis all dieser Versuche zu erklären ? Ich glaube, nur durch den verschiedenen chemischen Aufbau der gebrauchten jodierten Eiweißkörper. In einer früheren Untersuchung?) konnte an Hand zahlreicher Versuche gezeigt werden, wie sehr die Wirkung auf die Metamorphose der Larven von der Konstitution des jodhaltigen Moleküls abhängt. Be- denkt man nun erstens, wie verschieden die Eiweißkörper aufgebaut sind, und zweitens, wie verschieden die Jodierung eines Eiweißkörpers je nach den Mengenverhältnissen von Jod und Eiweiß, je nach der Temperatur, der Zeitdauer der Jodeinwirkung, der Reaktion des Me- diums usw. ausfällt, so wird es klar, daß sehr nahe verwandte Eiweiß- körper, ja sogar ein und derselbe Eiweißkörper ganz verschiedene Pro- dukte bei der Jodierung ergeben können. Von all diesen Jodprodukten sind aber nur einige, die gerade die biologisch günstigste Jodbindung enthalten, wirksam, die anderen aber, trotz ihres reichlichen Jodgehaltes und ihrer Eiweißnatur, infolge ver- änderter Konstitution ohne Wirkung. Es geht daraus auch hervor, daß die Wirkung jodierter Eiweißkörper auf die Metamorphose der Kaulquappen mit der Frage nach der Eiweiß- oder Nichteiweißnatur der wirksamen Schilddrüsenstoffe sehr wenig zu tun hat. Denn wir finden folgendes: Nichteiweißkörper wie Dijodtyrosin, Dijodtyramin (und vielleicht noch manche andere jodierte ringförmig gebaute Amino- säure) sind wirksam, jodierte Eiweißkörper können wirksam oder auch unwirksam sein! Auch mit dem Prozentgehalt an Jod können diese Eigentümlichkeiten der jodhaltigen Eiweißkörper nichtzusammenhängen. Es kommt vor, daß ein den Kaulquappen gegenüber wirksamer jod- haltiger Eiweißkörper bei der weiteren Jodierung unwirksam wird. Maßgebend ist also nur das konstitutive Moment und es ist möglich, daß bei weiterer Ausarbeitung dieser Frage die Kaulquappenmethode als biologische Reaktion und als interessante Kontrolle bei der Fest- stellung der Konstitution von jodhaltigen Eiweißkörpern wird mit- benutzt werden können. !) Jensen, (. r. soc. de biologie 83, 315; Chem. Zentralbl. 19204. 360. ?), I. Abelin, Biochem. Zeitschr. 116, 138. 1921. —m 4]* Autorenverzeichnis. Abderhalden, Emil. Weitere Forschungen über die Senkungsge- schwindigkeit der roten Blutkörper- chen bei gleichen und bei verschie- denen Tierarten und unter verschie- denen Bedingungen. II. Mitteilung. 3. 230. — Weitere Beiträge zur Kenntnis von organischen Nahrungsstoffen mit spe- zifischer Wirkung. XI. Mitteilung. Versuche an Tauben. S. 329. — Weitere Beiträge zur Kenntnis von organischen Nahrungsstoffen mit spe- zifischer Wirkung. XII. Mitteilung. Vergleichende Untersuchungen über das Verhalten des (rewichtes und des Wassergehaltes von einzelnen Orga- nen bei Tauben, die normal ernährt wurden, bzw. ausschließlich geschlif- fenen Reis mit und ohne Hefezusatz erhielten, bzw. vollständig hungerten. SESHE und Ernst Gellhorn. Weitere Untersuchungen über die von einzel- nen Organen hervorgebrachten Sub- stanzen mit spezifischer Wirkung. VI. Mitteilung. 8. 47. Abelin, I. Zur Frage der Wirkung jodierter Eiweißkörper auf Metamor- phose von Froschlarven. S. 624. Allers, Rudolf, und Fanny Hal- pern. Wechselwirkungen gleichzei- tiger Erregung mehrerer Hautsinne. I. Mitteilung. Die Beeinflussung der Tastschwelle durch die Hauttempe- 8. 595. Arai, K. Cholin als Hormon der Darmbewegung. VI. Mitteilung. Ex- perimentelle Therapie der Magen- darmlähmung nach Peritonitis und Laparotomie. S. 359. Asher, Leon. Über die chemischen Vorgänge bei den antagonistischen Nervenwirkungen. S. 84. ratur. Atzler,Edgar, u.GuntherLeh- mann. Weitere Untersuchungen über den Einfluß der Wasserstoff- ionenkonzentration auf die Blutge- fäße unter besonderer Berücksich- tigung des Pufferungsgrades der Durchströmungsflüssigkeit. S. 463. Beck, Otto. Die gesamte Kraftkurve des tetanisierten Froschgastrocnemius und ihr physiologisch ausgenutzter Anteil. S. 495. Bethe, A. J. Rich. Ewald. S. 109. Binswanger, Friedrich. 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