West Virginia University Libraries ülüi Uli! I! Ililllllill 3 0802 102292931 7 EINE ED AUS JAVA. VON EUG. DUBOIS, M1LITAIBAKCT DER N1£D£RLAENJ)ISCH-INDISCH£K ARME. MIT ZWEI TAFELN UND BREI IN DEN TEXT GEDRÜCKTEN FIGUREN. B ATAVIA LANDESDRUCKEREI 189 4. NACHDRUCK 1915 G.E.STECHERT o& C? (ALFRED HAFNER) NEW-YORK. N EINE Uli AUS JAVA. VON EUG. DUBOIS, HILITAIRARZT DER NIEDERUERDISCH-INDISCHEN ARMES. MIT ZWEI TAFELN UND DREI IN DEN TEXT GEDRÜCKTEN FIGUREN. BATAVIA LANDESDRUCKEREI 189 4. NACHDRUCK 1915 G.E.STECHERT4C2 (ALFRED HAFNER) NEW- YORK. VORWORT. Auf Befehl des General-Gouverneurs von Niederländisch- Indien während der Jahre 1889 bis 1895, auf Sumatra und Java, vom Verfasser unternommene palaeontologische Nachforschungen hatten den Erfolg, dass eine ansehnliche Sammlung von Resten holocäner und jungpliocäner (oder altpleistocäner) Vertcbraten zusammengebracht wurde, deren Beschreibung hoffentlich in den nächsten Jahren erscheinen wird. Für die Abfassung einer einigermaassen vollständigen Beschreibung ist dio Vergleichung der gesammelten Fossilien mit ähnlichen Sammlungen, namentlich in europäischen Museon, und ist dio Benutzung von reicheren literarischen Hilfsquellen, als sie hier zur Verfügung stehen, entschieden erforderlich, — und so wird die Veröffentlichung jener Beschreibung und der in mancher Beziehung wichtigen allgemeineren Untersuchungsergehnisse wahr- scheinlich noch längere Zeit ausbleiben müssen. Die in der vorliegenden Abhandlung beschriebene Form ist jedooh von so ganz besonderem Interesse, und giebl zu Schlüssen -von so grosser und allgemeiner Bedeutung Anlass, dass es geboten erschien, unter Benutzung der beschränkteren hier verfügbaren Hülfsmittel, sie schon jetzt zu bearbeiten und der Oeffentlichkeit zu überliefern. Es sei mir hier gestattet Hprrn Professor Max Weber in Amsterdam meinen verbindlichsten Bank auszusprechen für seine wolwolienden Bemühungen bei der Herstellung der Tafeln und zwei der Textfiguren. TULDNG-AOUNG (Java), Januar 1894. EUG. DUBOIS. Digitized by the Internet Archive in 2012 with funding from LYRASIS Members and Sloan Foundation http://www.archive.org/details/pithecanthropuseOOdubo Classe. MAMMALIA. Ordnung, piumates. Neue Familie. Pithecanthropidae. Hirnschädel, absolut und im Verhältniss zur Körpergrösse viel geräumiger als bei den Simiidae, jedoch weniger geräumig als bei den Hominidae; Inhalt der Schädel- höhle ungefähr zwei Drittel vom durchschnittlichen Inhalte derjenigen des Menschen. Neigung der Nackenfläche des Hinterhauptbeines bedeutend stärker als bei den Simiidae. Gebiss, obwol in Rückbildung, noch vom Typus der Simiidae. Femur in seinen Dimensionen dem menschlichen gleich und wie dieser für den Gang bei aufrechter Körperhaltung gebaut. PITHECANTHROPUS ERECTUS, genus novum, species nova. 4) Geschichte. — Nebst vielen Ueberresten der auch schon anderwärts in den ande- sitischen Tuffen des Kendeng in den Residentschaften Madiun, Surakarta und Kediri angetroffenen Arten pleistocäner Säugetiere und Reptilien wurden in der Nähe von Trinil, im Bezirk Ngawi der erstgenannten Residentschaft,2) Knochen und ein Zahn eines grossen menschenähnlichen Säugers ausgegraben, der offenbar ein Glied, wie es die Ent- wicklungstheorie zwischen dem Menschen und seinen nächsten Verwandten unter den bekannten Säugetierarten voraussetzte, darstellt. In der linken Uferwand des Bengawan, ungefähr 1 M. unter dem Trockenzeit-Pegel des Flusses, und 12 — 15 M. unter der Ebene, in welcher dieser Fluss sein Bett eingegraben hat, wurde im September 1891 erst e.in Zahn, der rechte M. 5, gefunden, der einer mit Anthropopithecus troglodytes verwandten, aber grösseren Art zugeschrieben wurde. Einen ') Der Name Pdlhecanthropus wurde bereits von E. Haeckel (im 22. und 23. Vortrag von »Natürliche Schöpfungsgeschichte", Berlin 1868) einem hypothetischen Geschöpfe gegeben, das aufrecht ging und eine höhere geistige Entwicklung als die Anthropoiden, aber noch keine Sprache besass. — Die Art wurde von mir zuerst als Anthropofithecus ereclus kurz beschrieben im Rapport über meine palaeontologischen Untersuchungen auf Java während des dritten Quartals 1892 der am 27. November 1892 dem Director des Departements für Unterricht, Cultus und Industrie überreicht, und im »Verslag van het Mijnwezen" über jenes Quartal publicirt wurde. 2) Trinil ist ein kleines Gehöft am Bengawan, ungefähr drei Kilometer nordwestlich vom Dorfe Ngale im Distrikt Sepreh des erwähnten Bezirkes. 1 — 2 — Monat später wurde, nur 1 M. weit von der Stelle, an der der Zahn lag, und in demselben Niveau, ein offenbar von demselben Individuum herstammendes Schädeldach gefunden, das sich durch seine bedeutende Grösse und seine höhere Wölbung dem menschlichen Typus deutlich viel mehr näherte, als die lebende Schimpansenart. Endlich wurde im August 1892 während der Trockenzeit, 15 M. stromaufwärts in der Richtung des Stromes der in der Pleistocänzeit mit dem Material des Tuffs die Tierleichen angeschwemmt hatte, und aber- mals in demselben Niveau, das linke Femur aufgegraben, das noch mehr menschliche Eigentümlichkeiten aufweist, als die beiden anderen Teile. ') Während der Trockenzeit 1893 wurden in der Nähe der früheren Fundstellen weilere Nachforschungen nach anderen Resten derselben Form angestellt. Diese blieben jedoch erfolglos. Schädeldach. — Dieses, in der Norma verticalis und im Profil auf Taf. I Fig. 1 und Irt nach Photographien abgebildet, ist in einer Querobone zwischen der Glabella und einer etwa zwei Fingeibreiten unterhalb der Linea nuchae superior gedachten Linie un- regelmässig abgebrochen. Es ist länglich eiförmig, dolichocephal, und zeichnet sich durch seine bedeutende Grösse und durch die, namentlich in der Stirngegend hohe Wölbung vor dem dos Schimpanse und der anderen Anthropoiden auB. Die von der Ciabella bis zum hervorragendsten Punkte des Hinterhauptes (der Protubärantia accipitalis externa) gemessene Länge beträgt 185 m.M. Der grösste Querdurchmesser in der transversalen Fläche dieser Sagittalis, auf etwa einem Drittel ihrer Länge von rückwärts gemessen, einer Stolle, die derjenigen entspricht, bei welcher auch beim Menschen das Schädeldach seine ') Der Zahn wurde in meinem Rapport an den Direotor des Departements für Unterricht, Gultus und Industrie über das drille Quartal 1891, das Schädeldarb im Rapport über das vieitc Quartal desselben Jahres erwähnt; beides wurde in den »Verslag van liet Mijnwesson" vom Jahre 1891 aufgenommen. Die daselbst an- gegebenen Schädelmaasse waren genommen, bevor der Schädel ganz gereinigt war, und sind deshalb nicht voll- kommen genau. Es wäre thöricht, auf Grund jener so geringen Entfernung der Fundstellen an der Zusammetjhörigkeit der drei Reste zu zweifeln. Knochen von einem und demselben Individuum, und sogar Fragmente von einem und demselben Knochen, wurden sehr oft in relativ grosser Distanz (von 20 bis ISO Metern) von einander in den vulkanischen Tuffen angetroffen. Im Allgemeinen sind die Knoohen sehr zerstreut abgelagert, und nie fand man ein auch nur annähernd ganzes Skelet. Die drei hier beschriebene Skeletleüe stammen sicher von einem Wesen her, das eine Entwickelungsslufe zwischen den Menschenaffen und dem Menschen einnahm, und die Ergebnisse ihrer genauen anatomischen Untersuchung sind mit jener Zusammenhörigkeit im Einklang. Die Rodenoberfläche des Kendeng aber, wo die beireffende Vertebratenreste in grosser Menge vorkommen, ist viel tausendmal grösser als jene, welche diese menschenähnlichen Besten lieferte, und doch wurden, mit einer einzigen wahrscheinlichen Aus- nahme, nirgendwo anders unter der ganz gleichartigen Fauna Reste eines ähnlichen Wesens entdeckt! Nur das kleine Unlerkieferfragment, das in der »Natuurkundig Tijdschrift voor Nederlandsch-Indie" Teil 51, 1801, p. 95, nnd im »Verslag van hei Mijnwezen, 4" kwariaal 1890" kurz erwähnt, und damals einem anderen niedrigeren Typus des Genua Homo als dem exislirenden zugeschrieben wurde, scheint mir jetzt von der zu beschreibenden Form herzurühren. — 5 — grösste Breite erreicht, beträgt 130 m.M. Der Querdurchmesser hinter den Orbilae, dort wo der Schädel in der Norma •verticaiis arn schmälsten ist, beträgt 90 m.M. Am un- versehrten Schädel aber muss diese Dimension etwa 4 m.M. grösser gewesen sein ; auch war die schmälste Stelle des Schädels ein wenig weiter nach hinten gelegen. (Vergl. Fig. 1.) Der höchste Punkt des Gewölbes, der Scheitel, liegt 62 m.M. über der Sagittalis. Die Oberfläche des Schädeldaches ist glatt, die Nähte scheinen alle obliterirt tax sein. Durch seine doiichocephale Form, mit einem Längenbreitenindex von 70, unter- scheidet es sich auf den ersten Blick vqn dem des erwachsenen Orang-Utan, das stets deutlich brachycephal ist. *) Es fehlen ihm auch gänzlich die für den Gorilla so charak- teristischen Knochenkämme, dagegen zeigt es durch seine glatte Oberfläche und seine allgemeine Form grosso Ac.hnliob.keit mit dem Schädel von Anthropopithecus (vergl. Taf. I), jedoch noch mehr mit dorn von Hylobatea (Vlg. I). Fig. 1. P. Schädeldach von Pithccanlhropus ereclus. '/»• Hs. Schädel von Hylobalrs syndaelylus (I). '/*• Ansichten von oben (Norma verticaiis). Nach Photographien. Die Länge des Schädels eines erwachsenen männlichen Schimpanse giebt Owen 2) zu 5 inches und 3 lines, das ist 154 m.M. an, die Transversale hinler den Orbitae zu ') Bei einem 9 Exemplar finde ich als Breitenindex 82. ') R. Owen, On the Osteology of the Chimpanzee and Orang-Utan. Transact. Zool. Soc. Vol. L London 1835, p. 374. — 4 2 inches und 8 lines = 68 m.M. Das von Owen beschriebene Exemplar war ein er- wachsenes, doch relativ kleines Tier von 5 fect 10 inches = 117 m.M. Skelellänge. Die von Bischoff ') beschriebenen und abgebildeten Schädel stammen von mehr mittelgrossen Individuen her. Hier ist die Sagitlalis beim männlichen Schimpanse 137, beim weib- lichen 158 m.M. lang;2) während, insoweit dies aus den, mit Correction der perspecti vischen Ungenauigkeitea, nach Photographien verfertigten Abbildungen zu ersehen ist, die grössten Querdurchmesser, gemessen wie beim fossilen Schädel, beim männlichen Schädel 98 und beim weiblichen 07 m.M. betragen. Diese Verhältnisse stimmen überein mit den eines von mir gemessenen weiblichen Schimpansenschädels und sind auch wenig verschieden von jenen, die ich bei zwei Gibbonarten fand. 5) PiUiecaiithropus Anlltropioptheciis troglodyles. Hylobates Hylobalet cf — dieser zwei lebenden Gattungen durch die bedeutend höhere Wölbung. Der höchste Punkt dieser Wölbung liegt,, wie bereits oben angegeben wurde, 62 m.M. über der Sagittalis; der Längendurchmesser ist also blos dreimal so gross, während er dagegen beim Schimpanse das drei ein halb bis vierfache der Höhe beträgt. Bei dem männlichen Exemplar von Biscuoff beträgt diese Höhe 58 m.M., ist demnach 3.6 mal in der Länge enthalten, beim weiblichen Exemplar beträgt sie 36 m.M., ist also 3.8 mal in der Länge enthalten. Der von Hartmans ') abgebildete alte männliche Schimpansenschädel hat dieselbe Proportion wie der erstgenannte von Bischoff; der von mir gemessene weibliche gleicht in seinen Maassen Bischoff's weiblichen Schädel. Auch bei Hylobates ist das Schädelgewölbe in der Regel viel niedriger; doch bei einem ungewöhnlich hochgewölbten Schädel von H. agilis ist das Verhältniss ungefähr dasselbe wie bei der fossilen Art. Auch unter den Schimpansen können manche Individuen, wie das vor einigen Jahren in den Zoological Society's Gardens in London gestorbene Weibchen, und vielleicht wol als Rasse oder als zweite Art (Anthropopithems calvus , Du Chaillu), einen etwas gewölbteren Schädel besitzen;2) der Schädel — und das Gehirn3) — ist denselben individuellen Abweichungen unterworfen wie beim Menschen, — aber typisch und Regel sind diejenigen Verhältnisse, wie sie von Bischoff und Hartmawn abgebildet wurden. Beim Schimpanse wird, wie bei den übrigen Anthropoiden und beim Menschen,4) mit zunehmendem Aller die Schädel- wölbung stets geringer. Auch werden die Arcus supracüiares, deren Entwicklung mit der der Sinus frontales und der übrigen Lufthöhlen des Schädels, und demgemäss auch mit der Entwickelung der durch das Gebiss bestimmten Lufthöhlen des Gesichtsteils des Schädels, in Zusammenhang steht, relativ immer grösser. Dadurch wird, wie Yirchotv b) sagt »mit jedem Monate und Jahre des Lebens der Schädel auch der am meisten menschen- ähnlichen Affen dem Menschen-unähnlicher". Das fossile Individuum nun, das, wie aus der vollständigen Verschmelzung der Schädelnähte hervorgeht, bereits sehr alt war, besass eine Schädelwölbung und Augenbrauenbogen, wie sie meist nur beim Schimpanse gefunden werden, wenn dieser sich in jener Entwickelungsphase befindet, die man mit der eines neunjährigen Menschenkindes vergleichen kann. 6) Die Form des Hirnschädels ist menschen- ähnlicher als die des erwachsenen Schimpanse, und dies muss deshalb auch mit dem ') R. Hartmann, Die menschenähnlichen Affen und ihre Organisation im Vergleich zur menschlichen. Leipzig 1883, p. 64, Fig. 48. 2) A. D. Babtlet (On a fernale Chimpanzee now living in the Society's Gardens. Proceed. Zool. Soc. of London, 1883, p. 673—675, mit Abbildung) sagt von einem Exemplar dieser Art (?). dass es sich unter Anderem auszeichnet, durch den »more elevated skull" und seine »inlelligence far above that of the ordinary chimpanzee". s) C. Giacojuni, Sui cerveilo di un chimpanse. Torino 1886. '») Vergl. R. Fkoriep, Die Charakteristik des Kopfes, nach dem Entwickelungsgeselz desselben. Berlin 1 843 — und R. Virchow, Menschen- und Affenschädel. Berlin 1870. «) L. o., p, 23. *) W. Vrolik, Recherches d'anatomie comparee sur le chimpansö. Amsterdam 1841, PI. I. — Vergl. auch Tab. XX, Fig. 24 L c. bei Bischovf. — 6 — Gesichtsschadel der Fall gewesen sein; das Gchiss muss weniger entwickelt gewesen sein als das des Schimpanse, obwol es bei diesem schon mehr in Rückbildung begrilfen ist als bei den übrigen lebenden Anthropoidenarien. Nach der Wölbung seines Schädeldaches, nach der Form der Stirne samml den Arcus supraciliares, und auch nach der Form des Hinterhauptes steht das Fossil sogar nur wenig liefer als die diluvialen Menschenschädel des JNeanderlhales und von Spy (Schädel N°. 1). Die früher besprochene Höhe, des Schädelgewölbes ist bei diesen ungefähr zwei und ein halb mal in der Länge enthalten. Nach Hüxlet's Angabe1) beträgt die Länge des Neanderschädels 8 inches = 202 m.M., die Breite 5.75 inohes = 146 m.M., der Längenbreilenindcx 72, die Höhe des Scheitels über der Sagittallinie 5.4 inches = 86 m.M. Das Verhältniss zwischen Länge und Höhe ist demnach 2.4 : 1. Der Schädel N°. 1 von Spy, welcher dieselbe Bildung zeigt wie der Neanderthal-Schädel, ist sogar noch ein wenig länger (Breitenindex = 70) und niedriger. 2) Von Mayer und Virchow haben jedoch — meiner Meinung nach über- zeugend — nachgewiesen, dass die Skeletteile des Neanderthal-Menschen (und dasselbe gilt für N°. 1 von Spy) krankhaft verändert sind. Ein Vergleich mit diesen Schädeln kann deshalb nur sehr wenig Wert haben; ihre Capacität ist keineswegs gering, und normal gebildete Individuen derselben Basse zeigen höhere Schädelformen. Von nicht geringer Bedeutung ist die Thatsache, dass bei dem fossilen Schädel von Java die höhere Wölbung viel mehr auf Rechnung des Slirnteils als der hinteren Hälfte des Schädels kommt; diese letztere unterscheidet sich daduroh relativ nicht so sehr von der von Anlhropopithecus und namentlich von der von Hylobalcs. Der Slirnteil ist an der Stelle der früheren Sutura frontalis etwas kielförmig erhaben; dieser Kiel geht an der verstrichenen Sutura coronalis in einen flachen vier- seitigen Höcker über, von dem aus er sich noch eine kurze Strecke weit, dem Verlauf der früheren Sutura sagiltalls folgend, fortsetzt. Diese Bildung scheint daraufhinzuweisen, dass die Sutura frontalis erst bei relativ vorgeschrittenem Alter in Synostose übergegangen ist. Beim Schimpanse scheint diese Verwachsung der Slirnnaht schon in sehr frühem Alter zu Stande zu kommen. 3) Eine solche Scaphocephalie kommt namentlich bei erwachsenen weiblichen Schimpansenschädeln, jedoch mehr an der Stelle der Sutura sagiltalis, sehr oft vor. 4) Von den Lineae temporales superiores ist an der etwas verwitterten Oberfläche des Schädels nichts zu bemerken ; jedenfalls müssen sie sehr schwach gewesen sein, und, wie ') Th. H. Huxlev. Evidences a3 to Man's Place in Nature. London 1803. Deutsch: J. V. Carus, Zeugnisse für die Stellung des Menschen in der Natur. Braunschweig 1863, p. 159. *) J. Fbaipont et M. Lohest, La race humaine de Neanderthal ou de Canstadt en Belgique. Recherches ethnographiques sur des ossements humains decouverts dans les depots quaternaires d'unfl grotte ä Spy. Gant 1887, P- 21, 58, 97 und Fig. 1, 10 und 13. ') W. Vrolik, o. c, p. 3. *J R. H.ifVTMAHN, O.C. p. 111 an den Processus jugales des Stirnbeins zu sehen ist, relativ viel weiter von der Mittel- linie verlaufen sein, als dies sogar beim weiblichen Schimpansenschädel von Bischoff l) und bei dem von mir untersuchten der Fall ist. Obwol die Processus jugales der Schläfebeine nicht erhalten sind, so darf man doch aus dem noch vorhandenen Teile der Wurzel dieses Fortsatzes an der rechten Seite schliessen, dass sie seitlich relativ weniger hervorragten als beim erwachsenen Schimpanse. Das Hinterhauptbein biegt an der wenig markirten Proluberanlia occipüalis externa und der Lineae nuchae superior nicht so allmählich, sondern viel schärfer nach vorne um, als beim erwachsenen Schimpanse, so dass ebenso wie beim jungen männlichen Schimpanse, beim jungen Gorilla und auch bei den erwachsenen Gibbons, ein Torus occipüalis Irans- versus entsteht. Erst am Felsenbein muss dieser gewissermassen kammförmig hervor- geragt haben. 2) Die Linea nuchae inferior muss, wie bei den Gibbons, ziemlich nahe der L. n. superior verlaufen sein und bildete, wie bei jener Gattung, mit dieser und der Protuberantia occipüalis externa eine querlängliche Erhabenheit. ~°) Das Planum occipi- tale und das Planum nuchale des Hinterhauptbeins haben dieselbe Form wie bei Hylobates. Unterhalb der Linea nuchae inferior ist die letztgenannte Fläche zu einer scheinbar un- paaren Grube vertieft, in welcher die Daumenspitze genügend Raum findet. An dieser Stelle ist die äussere Compacta mit der Linea nuchae mediana nicht erhalten; demnach muss die Grube am unversehrten Schädel weniger tief und paarig und dem entsprechenden Teil bei den Gibbons ähnlich gewesen sein. Beim Schimpanse und Orang-Utan verlaufen die Lineae nuchae superior und inferior in weit grösserer Distanz von einander und ist das Planum nuchale stärker gebogen, nicht so flach wie bei der fossilen Form und bei den Gibbons. Von grosser Wichtigkeit ist der Umstand, dass, wie aus der umstehenden Figur zu ersehen ist, diese Fläche — namentlich ihr unterhalb der Lineae nuchae inferiores gelegener Teil — bei der fossilen Form eine viel bedeutendere Neigung besitzt, als bei den Anthropoiden. Durch diese stärkere Neigung der Nackenfläche des Hinterhauptbeins nähert Pühecanthropus sich dem Menschen, und wie beim Menschen muss diese Bildung zweifellos mit einer stärkeren Krümmung der Achse des Centralorgans und bedeutenderem Volum des Grosshirns und mit der aufrechten Körperhaltung, wie sie im Folgenden aus dem Bau des Femur gefolgert wird, in Beziehung gebracht werden. ') In soweit dies an Tab. XI, o. c. zu erkennen ist. 2j Vergl. R. Hartmans, o. c, p. 67. 3) Der Raum zwischen der oberen und unteren Nackenlinie des Hinterhauptbeins dient beim Menschen dorn Musculus semispinalis capitis (Complexus) zur Insertion. Ich war nicht in der Lage den Muskel bei Hylobates zu untersuchen; doch lässt die geringe Grösse jener Insertionsfläche bei diesem Genus und bei Pithecanthropus vermuten, da*s dieser Kopfstrecker, im Zusammenhang mit der relativ geringeren Schwere des Gesichlsschädels, bei den genannten Gattungen schwächer ist resp. war, als bei den übrigen Anthropoiden. — 8 Fig. 2. Profil des Schädels von Pithecanthropus (P) in Vergleichung mit jenen von Anthropopithecus troglodytes (A), von Hylobates agilis (Ha), von Hylobates synaactylus (Es) und vom (europäischen) Menschen (H). ') * Protuberantia occipitalis externa; + Linea nuchae inferior. Hinsichtlich der relativen Lage des Foramen occipitale an der Schädelbasis ist mit Sicherheit nichts Näheres zu sagen, als dass sie sich jedenfalls nicht viel weiter nach vorne befand, als bei den Anthropoiden. Die cerebrale Schädelhöhle ist grösstenteils mit einer Steinmasse gefüllt, die zu entfernen noch nicht Gelegenheit war. Ihr sagittaler Durchmesser beträgt 155 m.M. Die grösste sagittale Tiefe eines jeden Sinus frontalis ist 24 m.M. Bei einem jungen Schimpansenschadel 2) betrug die Länge aussen 128 m.M., die der Schädelhöhle 108 m.M. Die Sinus frontales waren demnach bei dem alten fossilen Individuum verhältnissmässig nicht stärker entwickelt. Die Dicke des unversehrten Schädelknochens beträgt am Planum nuchale, ein wenig unterhalb der Linea nuchae inferior des Hinterhauptbeins 4.5 m.M.; an derselben Stelle ist sie beim weiblichen Schimpanse 5 m.M. und bei Hylobates syndactylus ( Ranhe l) Maxim. 409 469 392 413 498 605 458 563 426 464 406 — — — — 365 — — — — 135 HO 133 Nach Welcker's genauen neueren Messungen ist der mittlere Schädelinhalt des Menschen bei den europäischen Völkern und den meisten mongolischen Stammen 1 400 — 150Ö c.M.5, und der anderer Bässen (Malayen, Papuas, Australier, Neger, Amerikaner) *} Bischoff, o. c , p. 50, 54, 57 und 60. ') R. Uahtmaxn, o.e., p. 116. J) Bischoff, o.e., p. 76. — Bei einem ungewöhnlich grossen (Q) Orang-Ulaa 375 c.M.J ») Vorgl. J. Raske, Der Mensch, Leipzig 1887. Bd. I, p. 393. — 10 — im Durchschnitt blos 50 — 100 c.M.3 geringer. ') Beim Gorilla, der unter den lebenden Arten der Menschenaffen den grössten durchschnittlichen Schädelinhalt besitzt, betragt dieser demnach nur etwa ein Drittel vom mittleren Inhalt des Menschenßohädels, und der grössle Inhalt, den man bei dieser Art, das ist also bei den Anthropoiden im Allgemeinen, gemessen hat, beträgt nur etwa zwei Fünftel vom mittleren Schädelinhalt des Menschen. Berücksichtigt man dabei ausserdem noch, dass der Körper und namentlich der Rumpf dieses Anthropoiden um soviel grösser ist, als der des Menschen,2) dann erscheint wirklich, was die Grösse derf Schädelirfnenraums und des Gehirns betrifft, der Abstand zwischen diesem lebenden Anlhropoid und dem Menschen sehr gross. Im Verhältniss zu seiner Körpergrösse nimmt der Schimpanse, der auch noch in anderer Hinsicht unter den lebenden Anthropoiden am höchsten steht, eine etwas günstigere Stelle ein, doch bedeutet das Wenige, wodurch er sich auf diese Weise dem Meuchen nähert, nichts im Vergleich zu dem grossen Abstand, der ihn von diesem trennt. Anders stobt es mit dem fossilen Schädel. Obwol der Körper der betreffenden Art, wie aus der Betrachtung des Femur hervorgehen wird, nicht grösser war als der des Menschen und denselben Bau besass, so betrug der Rauminhalt ihrer Schädelhöhlo etwa doppelt so viel als der des Gorilla. Man kann diesen Inhalt, in der Weise berechnen, dass man die linearen Maasse mit denen von möglichst gleichgeformten Schädeln von Anlhropopühecus und Hylobates vergleicht. Die sexuellen Unterschiede des Schädels sind bei diesen zwei Gattungen nur unbedeutend. Abgesehen von der geringeren Wölbung und den etwas grösseren Sinus frontales stimmt der von Bischoff abgebildete männliche Schimpansenschädel in seiner Form mit dem fossilen Schädel ziemlich genau überein, der, wenn man von den Eigen- tümlichkeiten, durch die e r grösser wird, absieht, nach dem Schimpansen- typus gebaut ist. Seine Länge und Breite verhallen sich zu denen bei diesem mittelmässigen Schimpansenschädei wie 1.33:1. Lässt man die erwähnten Eigentümlichkeilen, die ihn grösser machen, unberücksichtigt, dann muss sein Inhalt sich zu dem des männlichen Schimpansenschädcls verhallen wie 1 .353 : 1 ; der fossile Schädel muss demnach wenigstens 2.353 mal grösser sein. Jedoch ist die Höhe der Schädelwölbung von grossem Einfluss auf die Capacitäl des Schädels, was z. B. daraus hervorgeht, dass der Inhalt des Binnon- raums des von Bischoff abgebildeten weiblichen Schimpansenschädels, bei sonst gleichen Dimensionen, hauptsächlich wegen seiner geringen Wölbung und zum Teile auch durch die stärkere Entwickelung der Sinus frontales, 55 c.M.3 oder über lJj weniger beträgt als M II. Welcher, Die Kapazität und die drei Hauptduuhmesser der Scliädelkapsel bei den verschiedenen Nationen. Archiv für Anthropologie. Bd. tC, p. 1. Braunschweig 1885. Vergl. Ranke, o. c. II, p. 228. ') Nach Ranke (Der Mensch, Bd. II, p. 227) ist die absolute Grösse des Gehirns gerade proportionirt zur Länge (Masse) des Rumpfes, nach 0. Smell (Die Abhängigkeil des Hirngewichts von dem Körpergewicht und den geistigen Fähigkeilen. Archiv für Psychiatrie. Bd. 23, p. 43C) zur Oberfläche des Körpers. — 11 — der des männlichen. Man kann darum annehmen, dass der Inhalt der Schädeihöhle bei der fossilen Form wenigstens 2.4 mal so gross war, als bei dem erwähnten männ- lichen Schimpansenschädel. Letzteren bestimmte Bisghoff zu 410 c.M.5, was mit dem oben angegebenen, von Ranke nach 7 Exemplaren berechneten, mittleren Inhalt des Binnenraums des männlichen Schimpansenschädels übereinstimmt; als Rauminhalt des fossilen Schädels findet man also als Minimum 984 c.M.3 Zu einem ungefähr gleichen Resultate führt ein Vergleich mit dem Schädel von Hylobates syndaetylus. Am meisten nähert sich Schädel II, abgesehen von den relativ weniger entwickelten Sinus frontales, dem Schimpanse, und stimmt, abgesehen von der geringeren Wölbung, auch mit dem fossilen Schädel sehr gut überoin. Man braucht sich die Glabella blos 2 m.M. weiter vorne liegend zu denken, um, in der Worma verticalis, die Uebereinstimmung mit dem fossilen Schädel vollkommen zu machen. Die Maasse werden dann: Länge. Grösste Breiten- Temporale Höhe der Verhältniss Länge Inhalt Schädel- Breite. index. Breite. Wölbung. zu Höhe. hohle. 18b 130 70 90 ') 62 3 — AnthropopiUwcus troglodyles c? 137 98 71.5 — 38 3.6 410 Hylobates syndaetylus der fossile, und die Rugositat der Kau- fläche stärker. Dagegen befindet sich M.o beim Schimpanse in einem Zustand von Rück- bildung; auch bei dieser Art sind die beiden hinteren Spitzen der Krone, und van diesen namentlich die laterale., wie auch die schiofo Verbindungsleiste weniger entwickelt.3) Sowol bei Anthropopithecus sivahnsis als auch bei A. Uoglodi/tes sind die beiden hinteren Spitzen noch deutlich zu erkennen. 4) Auch bei Hylobaies syndactylns finde ich in einzelnen Fällen diese hinteren Spitzen woniger entwickelt, und, ist diose Rückbildung sehr stark aus- geprägt, dann bolrifft sie auch hier wieder hauptsächlich die laterale Spitze. An dem oben erwähnten, aussergewöhnlich hochgewölhlen Schädel von Ilt/lobates agilis befindet sich M.Z genau im selben Grade und auf dieselbe Weise in Rückbildung, wie dor fossile Zahn;5) für M.5 ist im Oberkiefer fast kein Platz; seine Zahnreihen convergiren nach vorne mehr als sie es bei diesem Genus gewöhnlich thun, und AT. 2 liegt mehr naoh aussen als Regel ') Dasselbe sali ich an dem oben erwähnten Schädel von Hyiubales agilis. *) E. Mühlreiteb, Anatomie des menschlichen Gebisses. Leipzig 1870, p. 37. J) R. Owek, üdontography. London 1840—1845, p. 446 und Taf. 118, Fig. 1. 4) Owen, Odonlography. Tafel 118, Fig. 1 ; Bischoff, o.e., Tab. VII und XVII; R. Lydekker, Palaeonlo logia indica. Ser. X, Vol. IV, Tal. I, Fig. 1 und 2. 5; DuvEnNoy (Caracteres anatomiques des grands singes pseudo-anthropomorphes, Archives du Museum d'histoire naturelle. T. 8) und J. H. F. Koiilbrügge (Versuch einer Anatomie des Genus Hylobates. p. 198, in: Zool. Ergebnisse einer Beise in Niederl. Ost-Indien von Max Weber. Leiden 1891) beobachteten dieselbe Betro- gression hei II. lar. — 15 — ist. Immer ist auch bei Hylobatcs der obere hintere Molarzahn kleiner als der zweite; starke Rückbildung von M.5 findet sich jedoch hei Hylobates nicht so regelmässig als an- geblich bei Anthropopitheciis. Die Uebereinstimmung, die hinsichtlich der relativen Rückbildung der beiden hinteren Spitzen von M.o zwischen diesen Genera und der fossilen Form besteht, und der Unterschied zwischen letzterer und dem Menschen, stehen gewiss im Zusammenhang mit der Lage dieses Zahnes mit Bezug auf M.% Bei Antkropopithecus und Hylobates liegt M.o nach innen, beim Menschen nach aussen von M.2 ; diejenige Spitze, der die geringste Function zukommt, ist also immer die rudimentärste. Wir dürfen deshalb an- nehmen, dass bei der fossilen Form das Gebiss, trotz seiner, allem Anscheine nach, stärkereu Retrogression, von demselben Typus war wie bei den zwei genannten Anthropoidengattungen, und dass es noch nicht die Hufeisenform besass, welche das menschliche Gebiss charak- terisirt, obwol es dieser doch etwas näher kam. Der grosse transversale Durchmesser, die Kürze in der Richtung von vorne nach hinten und die um so viel bedeutendere Rückbildung, sowol der hinteren Spitzen der Krone als auch der Wurzeln, unterscheiden die fossile Art aber auch mit grosser Wahrscheinlichkeit von jenen zwei Species von Antkropopithecus. Die Dimensionen der Krone von M.o sind: Pitkeeauthropus Anlhropopilhectis Anlhropopiikecus eiectus. »ivalensis c? troglodytes <$. *) Sagiüaler Durchmesser il.3 m.M. 10.4 8.9 Transversaler Durchmesser 15.3 41.6 12.1 Im transversalen, nicht verminderten Durchmesser ist also der Zahn (obwol wahr- scheinlich von einem 9) viel grösser als der der beiden Anlhropopilheci. Da er jedoch einer stärkeren Rückbildung unterworfen war, als dies bei Anlhropopiihecus troglodytes der Fall ist, so kann man aus dem Umstände, dass er dennoch eine grössere Breite besitzt, schliessen, dass der Schädel bedeutend grösser war als bei jener lebenden Art. Die für A. troglodytes angegebene Breite des Zahns ist der der beiden anderen Molares ungefähr gleich. Aus dem Verhältniss der Mahlzahnbreite bei diesen lebenden Species zu der bei der javanischen Art lässt sieh demnach schliessen, dass die letztere einen um wenigstens ein Viertel grösseren Sohädel besass, welches Resultat mit den wirklich beobachteten Schüdeldimensionen gut übereinstimmt. Diese Uebereinstimmung macht es wahrscheinlich, dass das Gebiss zwar kürzer aber nicht schmäler geworden war, wie man auch a priori erwarten durfte. Bei A. sivalensis ist M.5 schmäler als . die übrigen Molares des Ober- kiefers, doch war, wenn man nach diesen zwei vorderen Molares rechnet, diese Art blos wenig C/ia) grösser als die afrikanische. Auch durch die vollständige Abwesenheit jenes !) R. Lvdikkch, Furtbsr Ntjtioas of Siwalik Mammalia. Reoords Geol. Survey of India. Vol. 12, 1879. p. 8.8 und: Palaeociologia Iiwlica. Ser. X. Vol. 4, p. 3: A. sivalensis, u/m jaches = 10.4 m.M., i6/100 inches = 11.6 m.M. A. troglodytes, SS/1M ip.ches = 8.9 m.M., *8/,00 inches = 12.1 m.M. — 16 — erwähnten Cingulum, das man sowol bei .4. sivalensis als auch bei A. troglodylcs (bei diesem anscheinend immer) findet, weicht die javanische Form von diesen beiden Specios ab. ') Endlich unterscheidet die javanische Form sich von A. sivalensis und A. Lroglodytes noch durch die Verschmelzung der beiden äusseren Wurzeln von J)/.5, die bei den genannten Arten getrennt sind.*) Doch könnten alle diese Abweichungen, obwol dies sehr unwahrscheinlich ist, individuelle sein. Urteilt man blos nach diesem Zahn (dem einzigen Rost, der einen diiecten Vergleich mit der Siwalik-Art. ermöglicht) dann geht man doch am sichersten, wenn man die Arten trennt, es aber unentschieden lässt oh die javanische Form unter das Genus Anthropopitiiecus, unter Hylohates oder unter einen neuon («onus gerechnet werden muss; keinesfalls darf sie zum Genus Homo gebracht werden. Von den zwei übrigen bekannten fossilen Simiidae nimmt Dryopithecus seinem Unterkiefer und Gebiss zufolge nicht den höchsten, wie man frühor glaubte, sondern don niedrigsten Rang in der Reihe der Menschenaffen, nächst den Cercopithecidac ein, s) und ist Pliopithecus wahrscheinlich identisch, zum mindesten sehr nahe vorwandt mit Hylohates. Aus der ungewöhnlich starken Rückbildung von M. 5 kann man, wie schon oben gesagt wurde, auch auf eine starke Rückbildung des Gebissos in sagitlaler Richtung schliessen, und hierdurch wird also bestätigt, was schon aus der verhältnismässig schwachen Entwicklung der Sinus frontales des Schädels gefolgert wurde. Die Rückbildung des Zahns ist so bedeutend, dass dadurch die Annahme, dass das fossile Individuum ein weib- liches war, noch etwas an Wahrscheinlichkeit gewinnt. Femur. — Das linke Oberschenkelbein (Tafel II, Fig. I bis 5 und unistehend Fig. 3) ist nur wenig beschädigt ; am oberen Ende fohlt der grösste Teil vom Rande des Kopfes und ein Stückchen vom liintorrande des Trochanter major, am unteren Ende ist beim Aus- graben ein Stück aus der Fossa poplitea und ein kleineres von der vorderen Ecke des Condylus medialis verloren gegangen. Der Knochen rührt von einem erwachsenen Indivi- duum her; die Ossifikation aller seiner Teile war vollkommen abgelaufen, das Ober- flächenrelief ist scharf ausgedrückt. Er besitzt an der Hinten-Innenseite unter dem Tro- chanter minor eine ziemlich grosse Knochenwucherung. Als wirkliches »Schlüsselbein" der Skoletmechanik verdient das Femur eine genauere Beschreibung. In seinen Dimensionen und in seiner Gostalt zeigt es eino so grosse Uehorein- stinnnung mit diesem Stützpfeiler des Körpers beim Menschen, dass es auf den ersten ') R. Owe.n, Anatomy oi Yertebrate*. Vol. 3, p. 320, und : Lydeekf.k, Palaeonlologia Indica. Ser. X, Vol. 4, p. 3. l) Vergl. Owen, Odontography, p. 454 und Lydekkeb, Palaeont. Indira. Ser. X, Vol. 4, Tafel I, Fig. la. &) A. Gaodry, Lo Dryopiluöque. Memoires de la Societe Göologiquo cio France. Paleonlologie. T. 1. 18'JO, p. 8— 11. Taf. 1, und: Üomptas rendus de l'Academiu des Sciences. T. HO. Pari? !890, p. 373—370. — 17 — Blick scheint, als ob es sich von diesem gar nicht unterscheide. Bei näherer Betrachtung aber finden sich Verschiedenheiten. Jener Aehniichkeit wegen erscheint es angemessen der Beschreibung jedes einzelnen Teiles dieses Femur unmittelbar die Vcrgleichung mit dem des Menschen anzuschliessen. Fig. 3. P. Linkes Femur von Pilhecanthropiis ereclus. '/»• H. Linkes Femur des Menschen. '/»• a. Ansichten von vorn, b. von der Aussenseite. Nach Photographien. Der Knochen ist sehr lang; von der Mitte der die untersten Enden der Gondylon verbindenden Linie bis zum höchsten Punkte des Caput 455 m.M., welches Maass der mittleren Femurlänge beim Menschen (von 170 c.M. Körperlänge) entspricht. — 18 — Das Mittelstück ist etwas weniger convex nach vorne gebogen als beim Menschen. Es nähert sich der dreiseitig prismatischen Gestalt weniger; denn bei gleich starker Ent- wickelung der Crista femoris und bei gleich deutlicher Abplattung der lateralen hinteren fläche ist die mediale hintere Fläche convex und geht unmerklich in die convexe Vorder- fläche über, so dass man hier auch nicht von einem Angulus medialis, als Grenze der beiden letztgenannten Flächen, sprechen kann. Die relative Dicke des Mittelstücks ent- spricht der beim Menseben. Der Umfang beträgt in der Mitte 90 m.M., also Vs der Länge des Knochens. An dem 430 m.M. langen Femur eines Javanen betrug dieser Umfang 86 m.M., also gleichfalls V5 der Länge. Die Breite ist in der Mitte 27.5 m.M., das ist 0.06 der Gesammtlänge des Femur; diese ist l61/2 mal so gross. Laisger1) giebt dieses Verhältniss beim Manne mittlerer Grösse ebenfalls zu 0.06 an. Auch an den Schenkelbeinen dreier Javanen (unbekannten Geschlechtes) finde ich, dass die Breite un- gefähr I6V2 mal in der Länge enthalten ist. In sagittaler Richtung misst das Mittelstück, unterhalb der Stelle, wo die Crista femoris in ihre beide Labia auseinanderweicht, jedoch oberhalb der Stelle wo es breiter zu werden anfängt, 30 m.M., das ist Vis der Länge; dasselbe Verhältniss finde ich bei Javanen. Die Crista femom (Linea asiperu) divergirt nach oben, auf dieselbe Weise wie beim Menschen in ein Labium mediale und laterale; jener Teil ist aber fast ganz von dem er- wähnten Knochenauswuchs bedeckt, der, nach innen umbiegend, einen Abdruck der Arteria circumflexa medialis und ihrer Hauptverästelung zeigt, und der offenbar von einer Ver- wundung des Periost durch einen von unten und innen in den Schenkel gedrungenen Fremdkörper herrührt, welcher entweder während des ganzen Lebens des Tieres daselbst verblieb oder, wie ich es für viel wahrscheinlicher halte, ein traumatisches Aneurysma ver- ursachte. Wenigstens glaube ich eine nach unten offene, weite, blinde, dreiseitig pyra- midale Höhle mit abgerundeten Ecken, welche sich zwischen dieser Exostose und dem Körper des Knochens befindet, nicht anders erklären zu können. ') Diese Verwundung hat offenbar auf die Function und demnach auch auf die typische Form des Knochens keinen ') C. Langer. Anatomie der äusseren Formen des menschlichen Körpers, Wien 1884, p. 83. 2) Der von der Innen-Untenseite eingedrungene Gegenstand muss etwa 3.5 c.M. weit von seinem spitzen Ende ungefähr 2 c.M. breit und 1 c.M. dick, CJ c.M. weit von der Spitze 1.2 c.M. breit, und 0.7 C.M. dick gewesen sein. Gegen die Aussenseite des Schenkelbeins hin war der Gegenstand einigermaassen unregelmässig gestaltet. Dort verlief auch ein (etwa 2'/i m.M. dickes) Aestchen der A. circumflexa in der Höhle nach abwärts, und zwar zwischen deren im Uebrigen von glatten Wänden umgebenen Teile und dieser unregelmässigen Aussenseite; diese letztere setzt sich fort in eine viel kleinere und kürzere, scheinbar blinde conische Höhle mit nur 3 m.M. Oellhung. Das Ganze erweckt die Vermutung, dass es sich um eine Verwundung durch einen Holzsplitter handelte, entweder in Folge eines Falles von beträchtlicher Höhe, oder durch eine von unten gegen den Knochen gestossene und teilweise abgesplitterte hölzerne Pfeil- oder Lanzenspitze, oder endlich dadurch, dass eine derartige Waffe mitten in das Fleisch des Schenkels geschossen oder gestochen wurde, während das Geschöpf mit hinaufgezogenen Knieen rücklings auf der Erde las. — 19 — merklichen Einlluss gehabt, denn der Bau aller seiner Teile zeigt die vollkommenste Har- monie, namentlich in mechanischer Hinsicht. ') Das Labium laterale läuft nach oben, gegen den Trochanter major hin, in eine sehr starke und deutlich zu einem Kamm von 6 c.M. Länge und 1 c.M. Breite differenzirte Tuberositas glutaealis aus, deren oberes Ende gegenüber dem oberen Rande des Trochanter minor liegt; von hier aus verläuft die Muskelleiste als schwache Crista bis zum Trochanter major. Die Bildung der genannten Tuberositas ist ganz menschlich und dies muss deshalb auch mit jenem Teile des Musculus glutaeus maximus, der sich an ihr festsetzt, der Fall gewesen sein. Nach unten endigt die Crista femoris, ebenso wie beim Menschen, an der Grenze zwischen dem mittleren und unteren Drittel der Länge des Mittelstücks, jedoch derart, dass von der inneren Lefze, die auch beim Menschen immer weniger deutlich aus- geprägt ist, kaum Spuren zu sehen sind (was auch bisweilen beim Menschen vorkommt), und dass die äussere Lefze weniger deutlich ist als beim Menschen. Im Zusammenhang damit und mit der Abwesenheit eines Angulus medialis ist das Planum popliteum weniger ausgebildot als boim Menschen; anstatt (lach ist es etwas convex und die Verbreiterung des Mittelstückes gegen die Condylen zu gehl mehr unvermittelt von stalten. Bei einem Exemplar von Hyiobates syndacUjlus ist dieser Teil vollkommen menschlich, bei anderen wieder ist er wie an dem hier beschriebenen Fossil entwickelt; eine grosse Bedeutung ist diesem Unterschied vom menschlichen Femur also nicht zuzuschreiben; er scheint mit der stärkeron oder schwächeren Entwickelung der tiefsten, am Labium laterale entspringenden Bündel des Musculus vastus lateralis zusammenzuhängen. Schon an dieser Stelle sei jedoch hervorgehoben, dass eine ähnliche Bildung des Planum popliteum wie am fossilen Femur beim Menschen nie vorkommt. Ungefähr 3 c.M. über der Stelle wo die Crista femoris sich nach abwärts in "zwei Lefzen teilt, 5 c.M. unter der Mitte der Höhe des Knochens, liegt an der medialen Seite der Crista das wichtigste, in einem aufwärts verlaufenden Kanal führende Foramen nutri- tium. So ist es auch beim Menschen Regel. Die Längsaxe des Collum bildet mit dem Mittelstück einen Winkel von 125°. Dies entspricht dorn mittleren Werte dieses Winkels beim Menschen (nach Gegenbaür 120 bis 150°). 2) W. Krause3) giebt für den Mann 127—155", durchschnittlich 130°, für das Weib 112 — 125° an. Der Hals ist in sagillaler Richtung ebenso comprimirt wie beim Mensdien und zeigt dieselben Grössenverhältnisse. Das Caput bildet, wie beim Menschen, etwas mehr als die Hälfte einer Kugel, die 1) An einem Femur von Macacits cynomolgus mit einer ähnlichen jedoch viel ansehnlicheren traumatischen Exostose findet sich der unverletzte Teil des Knochens von vollkommen normaler Form und nicht verschieden von demselben Knochen der anderen Seite. 2) C. Gegenbauk, Lehrbuch der Anatomie des Menschen. 2. Aufl. Leipzig 1885, p. 270. s) W. Krause, Handbuch der menschlichen Anatomie. Bd. II. — 20 — in sagiltaler Richtung blos ein wenig und zwar derart comprimirt ist, dass der Krümmungs- halbmesser in der transversalen Ebene 22.5 m.M. und in der darauf senkrechten sngillalen 21.5 m.M. beträgt. Diese Maasse des Gelenkkopfes stimmen mit denen beim Menschen überein, wenn man auch hier den Knorpel nicht mitrechnet. Krause ') fand nämlich als mittleren Krümmungshalbmesser mit dem Knorpel 26.8 und 215 m.M. Die Fossa capitis nimmt denselben Platz ein und ist ebenso entwickelt wie beim Menschen. Der Trochantcr major, der Trochanter minor und die Fossa trochanterica gleichen bis in die Details den entsprechenden Teilen am Femur des Menschen. Dagegen ist die Crista intertrochanlerica verschieden; sie ist weniger erhaben, schmäler und nach innen gekehrt, so dass die Linie, welche, von aussen gesehen, die beiden Troohantcren mit einander verbindet, nicht fast gerade, sondern concav verläuft, Beim erwachsenen Orang- Utan ist diese Crista ungefähr auf dieselbe Weise entwickelt; beim jungen Orang-Utan dagegen linde ich ihre Form ganz menschlich. Ich glaube, dass die nachträgliche Ab- plattung dieses die Trochanteren verbindenden Knochenwulstes (welcher durch den Zug der kräftigen Musculi glulaei und des Musculus Ileopsoas an den Trochanteren des noch plastischeren jungen Knochens entstellt) zu einem scharfen und nach innen gewandten Kamm durch den Zug des Musculus quadralus femoris zu erklären ist, der bei den Affen (die, soweit mir bekannt ist, im erwachsenen Zustand sämmtlich eine derartig gebildete Crista intertrochanlerica besitzen) ein viel kräftigerer Muskel ist als beim Menschen, was auch bei der fossilen Form der Fall gewesen zu sein scheint. Die Linea obliqua femoris ist in ihrer oberen Hälfte (die dem Ligamentum ileo- femorale superius zur Insertion dient) an dor Vorderfläche ebenso breit und erhaben wie beim Menschen, nach unten aber (wo sich das Ligamentum ileo-femorale antcrius ansetzt) viel feiner. Hierin nähert sich die fossile Form den Affen, obwol bei diesen — selbst bei den Anthropoiden — die Linea obliqua noch schwächer entwickelt ist. Da diese Rauhig- keit hauptsächlich zur Insertion des genannten Ligamentum ileo-femorale (Bertini) dient, scheint wenigstens dessen unlerer Teil weniger stark gewesen zu sein, als beim Menschen. Doch ist die Möglichkeit nicht ausgeschlossen, dass der starke Oberrand der Exostose, der sich ungefähr an der Stelle befindet, wo sich beim Menschen die untersten Bündel des zuletzt genannten Teils des Ligamentum Bertini inseriren, diesem Bande als Insertions- slelle gedient hat, wodurch der gleich darüber liegende Teil der Linea schwächer geworden ist. Die Querlinie von der Aussenfläche des Trochanter major bis zum Scheitelpunkt des Caput misst 92 m.M. Genau dasselbe Maass findet man zwischen den entsprechenden Punkten eines gleich langen menschlichen Femurs. 2) Was das untere Ende des Knochens betrifft, so sind die beiden Epicondyli nicht «) O.e. *) Bei den drei Femora von Javanen (unbekannten Geschlechts) finde ich für dieses Verhältniss resp. 90 : 440, 88 : 430 und 72 : 380. — 21 — von den gleichnamigen Teilen beim Menschen zu unterscheiden. Zwischen ihnen ist das Femur 76 m.M. breit. Dieses Maass beträgt '/«' der totalen Länge des Knochens. Nach den Angaben von Langer1) ist dieses Verhältniss beim Menschen 0.17, das ist ebenfalls Ve. Oberhalb und hinter dem Epicondylus lateralis befindet sich am unteren Ende dos lateralen Randes des Planum popliteum, und sich aus der Aussenlefze der Linea aspera erhebend, ein plattes, ungefähr 1 c.M. langes und Vi c.M. dickes Höckerchen. Offenbar diente dieses zur Insertion der Fascia intermuscnlaris lateralis, die beim Menschen überhalb der Insertion des Ligamentum accessorivm laterale, mit welchem sie teilweise verschmolzen ist, am Epicondylus stattfindet.2) Es hat ganz das Ansehen einer inconstanten Bildung. Bei einem Exemplar von ffylobates agilis (d*) sehe ich es auf beinahe genau dieselbe Weise entwickelt, und bei einem Ilylobates syndaetylus (cT) finde ich ebenfalls ein ähnliches, jedoch schwächer ausgeprägtes Gebilde. Die Condyli femoris sind wie die des Menschen gebildet; jeder ist etwa 28 m.M. dick,3) 62 m.M. lang — ein Maass, das, wie beim Menschen (drei Javanen), 1% mal in der Länge des Femur enthalten ist — und auch ebenso hoch wie die menschlichen. Sie zeigen ganz dieselben und genau an derselben Stelle gelegenen seichten dreiseitigen Gruben, die eine — mediale — deutlicher und mehr nach vorne gelegen, die andere — laterale — undeutlicher, als Abdrücke der vorderen Ränder der Menisci beim Stehen in aufrechter Körperhaltung — ebenso wie beim Menschen. 4) Auch die Fossa intercondyloidea ist durchaus menschlich gebildet, nur scheinbar dadurch ein wenig schmäler, dass der laterale Rand des Condylus medialis, als offenbar inoonstanle individuelle Bildung, scharf über sie hinüberragt; etwas ähnliches ist bisweilen auch an menschlichen femora wahrzunehmen. An der Gelenkfläche für die Kniescheibe ist auch bei der genauesten Vergleichung mit den Beschreibungen des Femur in den Handbüchern der menschlichen Anatomie und mit dem menschlichen Femur selbst kein Unterschied zu entdecken. Sie ist ebenso wie beim Menschen 25 m.M. hoch 5) und oben 57 m.M. breit, auch ebenso tief und auf dieselbe Weise asymelrisch geformt. Die wichtigste. Uebereinstimmung zeigt jedoch die zur Verbindung mit der Tibia dienende Gelenkfläche. Sie beginnt an beiden Condylen vorne, an derselben Stelle wie beim Menschen, mit den früher erwähnten »Hemmungsfurchen" der Menisci, und ist an beiden Condylen nicht nur was Länge, Breite und Höhe betrifft, ebenso geformt, sondern ') C. Laisceb, Anatomie der äusseren Formen des menschlichen Körpers. Wien 1884, p. 83. s) J. Hekle, Handbuch der Anatomie des Menschen. 2. Aufl. Braunschweig 1871 — 1872. Bänderlehre, p. ISO— 151, und Muskellehre, p. 333. J) Vergl. Heisle, Knochenlehre. 3. Aufl. 1872, (o.e.) p. 282. *) Henle, Bänderlehre, o. c, p. 137. s) Heisle, Knochenlehre, o. c, p. 282. — 22 — sowol in sagiltalcr als auch in frontaler Richtung ebenso stark gokrümmt wie beim Menschen. In frontaler Richtung ist der laterale Condylus, wie beim Menschen, merklich stärker gekrümmt als der mediale und fast ebenso stark gekrümmt als in sagiltaler Richtung; der hintere Teil seiner Flache kommt dadurch einem Kugclsegment nahe, während die transversale Krümmung des medialen Condylus an der entsprechenden Stelle einen Radius von 70 m.M., mehr nach vorne einen Radius von 60 m.M. besitzt; gegen die Fossa intercondijfoidca hin ist diese Krümmung etwas stärker. 4) Sagittal sind beide Condylen in Spirallinien gekrümmt, deren Krümmungshalbmesser in der Richtung von vorne nach hinten abnehmen, doch kann man, wie beim Menschen, jedo von diesen ziemlich genau, als aus zwei Kreissegmenten bestehend, betrachten, 2) einem hinteren, den grösseren Teil des Umfangs einnehmenden, mit 17 m.M. Radius, und einem vorderen, das den kleineren Teil des Umfangs einnimmt, mit 58 m.M. Radius am medialen und 55 m.M. am lateralen Condylus; welche Zahlen mit den für den Menschen angegebenen übereinstimmen. 3) Krause findet für die mittleren Krümmungshalbmesser der hinteren Segmente resp. 18 und 19 m.M., und für die der vorderen Segmente 55 und 50 m.M. Nach den Brüdern Weber hat das hintere Segment einen mittleren Krümmungs- halbmesser von 17 m.M. Nach Meyer verhalten sich die Radien beider Segmente zu einander wie 4 : 7. Die Uebereinstimmung erscheint vollkommen, wenn man bedenkt, doss die angeführten Zahlen sich beim Menschen auf die noch mit dem Knorpel bekleideten Condylen beziehen. An zwei davon enlblösstcn Schenkelbeinen von Javanen, die ungefähr ebenso lang sind wie der fossile Femur, linde ich als mittleren Krümmungshalbmesser für das vordere Segment 55 m.M. und für das hintere 17 m.M. Die Form des unteren Gelenkendes beweist, dass das Femur so weit gestreckt werden konnte und auch gewohnheilsgemäss wurde, dass es mit der Tibia in eine gerade Linie kam. Diese Fähigkeit besitzt unter den Simiidae keine einzige Spocies. Der mediale Condylus steht tiefer als der laterale, und die Drehaxe des Kniegelenks bildet demnach keinen rechten Winkel mit dem Millclstück. Lässt man den Knochen lliil den unteren Enden der Condylen auf einer horizontalen Ebene aufrnhen, dann weicht das Mittelstück von der Verlicalen stark nach aussen ab. Der Winkel zwischen dieser Ebene (Kniebasis) und der anatomischen Axe beträgt nämlich 78°. Beim Menschen misst er nach Krause 76 — 84°. Der nach oben offene Winkel zwischen dor anatomischen und der mechanischen Femuraxe misst 5°; beim Monschen 5 — 7". Eine Senkrechte aus dem Mittelpunkte des Caput fällt 1 V» c.M. nach aussen vom ') Heslk. Bänderlehre, o.e., p. 139. *) Vergl. G. II. Metok, Die Statik und Mechanik des menschlichen Knochengerüstes. Leipzig 1873, p 363, und W. Krausf., Anatomie, Bd. II. ') Vergl. W. und E. Weber, Mechanik der menschlichen Gehwerkzmige. Göttingen 183ö, p. 174 G. H. Meyer, Statik und Mechanik, und vor Allem: W. Krause, Anatomie, 11. — 23 — Epicondylus lateralis', ebenso verhält es sich beim Menschen, speciell beim Weibe- Der Abstand zwischen der erwähnten Senkrechten und dem Epicondylus medialds beträgt 9 c.M. Die Entfernung zwischen den Drehpunkten der Hüftgelenke war demnach wenigstens 18 c.M., das ist 7s der ganzen Länge des Schenkelbeins. Beim Manne ist diese Ent- fernung typisch ungefähr gleich (bei mittlerer Grösse % — 4 c.M. grösser als) 2/s der mechanischen Axe des Schenkelbeins; genauer stimmt diese Proportion bei der fossilen Form mit dem typischen Verhalten beim Weibe von normaler Schenkellänge überein. Die Ent- fernung der beiden Acetabula muss 18 — 2x2.25=13.5 c.M. betragen haben. Die Länge des Femur ist gleich 3.4 mal dieser Abstand. Auch dies stimmt mehr mit dem typischen Verhältnisse beim Weibe als beim Manne überein. Und so machen es auch diese Ergeb- nisse wahrscheinlich, dass das fossile Individuum weiblichen Geschlechts war. Auf die horizontale Ebene prqjicirt, schneidet die Axe des Collum femoris die Quer- axe der Condylen unter einem Winkel von 15° (Torsion des Femur), entsprechend den von Schmidt (10 — 19°) und Merkel (7 — 26°) ') für den Menschen angegebenen Winkeln. Die Länge der mechanischen Axe des Femur (von der Mitte der Querlinie durch die Epicondylen des Kniegelenks bis zum Centrum des Caput) beträgt 415 m.M. Ebenso wie in der Regel beim Menschen, liegt der Mittelpunkt des Schenkelkopfes, beim natürlichen schiefen Stand des Knochens, in der horizontalen Ebene des oberen Bandes der Trochanter major. Vergleichung des Femur mit dem der Simiidae. Vom menschlichen Femur unterscheidet sich der fossile Knochen also nur durch das Fehlen eines Angulus medialis, durch die geringere Ausbildung des Planum popliteum und der Linea obliqua, und durch die concave Form der Crista intertrochanterica. Diese Punkte genügen jedoch — wie ich ausdrücklich hervorhebe — um die betreffende Art vom Menschen, der sich hierin stets abweichend verhält, zu trennen. In diesen, in mechanischer Beziehung untergeordneten Punkten stimmt das Femur mit dem der anthro- poiden Affen überein; im Uebrigen ist der Unterschied von den Letzteren viel bedeutender. Bei Gorilla ist, entsprechend dem schweren Oberkörper des Tieres, dieser Stütz- knochen relativ sehr dick, die Breite ist nicht mehr als etwa 8 mal in der Länge ent- halten;9) dem Knochen fehlt die Torsion um die Längsaxe vollkommen; sein Mittelstück steht senkrecht auf der Drehaxe des Kniegelenks, der Querlinie der Epicondylen ; 5) der Gelenkkopf ist weniger sphärisch, 4) u. s. w. Auch das Femur von Sitnia ist relativ dicker. Bei einem 9 Exemplar finde ich, ') Citirt von Krause, o. c. 2) Siehe die Abbildung bei Owen, Anatomy of Vertebrates. Vol. 2, p. 523. 3) Owen, Anatomy of Vertebrates. Vol. 2, p. 579. — C. Aeby, Beiträge zur Osteologie des Gorilla. Morphol. Jahrbuch. Bd. 4, p. 295—296. 4) Aeby, 1. c, p. 300. — 24 — dass die Breite des Miltelstückes 12'A mal und der Umfang 4'/» mal in der Gesammllänge des Knochens enthalten ist. Dieselbe Proportion zeigt der von Owen ') abgebildete männliche Orang-Utan. Die Torsion fehlt; bei dem untersuchten 9 Exemplar ruht der Schaft etwas schief auf den Condylen auf, obwol viel weniger als beim Menschen ; Owen2) sagt, dass beim (cT) Orang-Utan der Femur nicht schief gestellt ist. Die Fossa capitis fehlt, das Collum ist verhältnissmässig dünner, eine Crista femoris ist nicht vorhanden, die Condylen und die Gelenkfläche für die Kniescheibe sind nach dem Affentypus, das ist ganz anders gebaut als beim Menschen und bei der fossilen Form. Anthropopithecus, der durch die relativ beträchtlichere Länge der unteren Extremi- täten dem Menschen näher steht als der Gorilla und Orang-Utan, besitzt auch das längste und menschenähnlichste Schenkelbein;3) denn mit Bezug auf die Länge der unteren Ex- tremitäten hat der Oberschenkel bei allen Anthropoiden typisch dieselbe Proportion wie beim Menschen.4) Das Femur des von Owen beschriebenen d" Schimpanse ist 11 inches = 280 m.M. lang; das ganze Skelet misst 5 feet und 10 inches = 117 c.M. b) R. Hartmans °) giebt als — gewiss äusserst selten vorkommende — Maximalgrösse des cT Schimpanse 170 c.M, an. In demselben Verhällniss wie bei dem OwEw'schen Exemplar wäre das Femur eines solchen Schimpansenriesen 405 m.M. lang, also immer noch beträchtlich kürzer als der fossile Knochen, der überdies wahrscheinlich von einem 9 Individuum herrührt. Das Femur ist demnach mit Sicherheit um vieles länger als das des Schimpanse. Dass es auch mit Bezug auf die Körper- grösse länger war, beweist die Vergleichung mit den Dimensionen des Schädels der fossilen Form und des Schimpanse. Die Länge des Schädels ist zweifellos ein ziemlich richtiger Maass- stab für die Grösse des Rumpfes, denn um was die lebende Form relativ bei der Länge des Cerebralteils zu kurz kommt, das wird facialwärts durch die stärkeren Arcus supraciliares ersetzt. Bei der fossilen Form verhält sich die Länge des Femur zu der Länge des Schädels wie 2.46 : 1 und bei der lebenden Art wie 2.08 : 1, ist demnach bei erster un- gefähr V« grösser. Noch bedeutender ist der Unterschied der relativen Dicke. Nach Owen's Abbildung ist beim Schimpanse die Breite des Mittelstücks ll'A mal, die sagittale Dicke 12 mal in der Länge des Femur enthalten. 7) Er sagt auch, dass die Knochen der ') R. Owen, On the Osteology of the Chimpanzee and Orang-Utan. Trans. Zool. Soc. of London. Vol. I. 1835. PI. 30. s) Owen, On the Osteology of the Chimpanzee, 1. c., p. 366. *) W. H. Flower, Introduction to the Osteology of the Mammalia. 3. Edition. London 1885, p. 331. ') J. Ranke, Der Mensch. Leipzig 1887. Dd. 2, p. 8 und 9. Dasselbe gilt, wie ich mich überzeugt habe, als Regel für Hylobates. s) On the Osteology of the Chimpanzee. 1. c. p. 374 und 375. s) Citirt in Brehm's Tierleben. 3. Aufl. Leipzig und Wien 1890, Säugetiere, Bd. I, p. 75. Die mittlere Grösse des Schimpanse wird daselbst zu 150 c.M. angegeben. Die von Sa vage gemessenen cf Schimpansen waren nie länger als 150 c.M. Weibliche Individuen scheinen ein Maass von 130 c.M. niemals zu überschreiten. ') On the Osteology of the Chimpanzee. PI. 50 und PI. 48. — 25 — hinteren Extremitäten, und unter diesen speciell das Femur, verhällnissmässig länger und slärter sind als beim Orang-Utan;1) die nach Abbildungen berechnete relative Dicke wird also wol nicht zu gross genommen sein. 2) Hartmann 3) sagt, dass das Femur des weib- lichon Schimpanse viol schlanker ist als das des männlichen. Der Unterschied kann aber nicht sehr gross sein; denn beim Menschen, wo die geschlechtlichen und individuellen Unterschiede gewiss nicht kleiner sind, variirt die Länge des Femur bei erwachsenen Indi- viduen von normalem Wüchse höchstens um einmal das Maass der Dioko. — Wach Owen'ö Beschreibung 4) ist das Mittelstück des Femur des Schimpanso sanft nach vorne gebogen und in sagiltaler Richtung comprimirt; der Gelenkkopf, der eine Grube für das Ligamen- tum teres besitzt, ist ein Kugelabschnitt. — Der Condylus medialis ragt, wie an Fig. 50 bei Owen ") zu sehen ist, viel weniger über den lateralen Condylus nach unlen hinaus, und die anatomische Axe des Knoohens steht dem entsprechend viel weniger schief als beim Menschen und bei der fossilen Form. Owen sagt, dass bisweilen beides gar nicht der Fall ist.0) Beide Gondylen sind auch, insoweit dies aus der OwENschon Ab- bildung zu ersehen ist, kürzer als beim Menschen 7) und als bei der fossilen Form, und die Knieschoibe ist nach Abbildung und Beschreibung kleiner. s) Als den Abstand der Acelabula giebt Owen 4 inches — 102 m.M. an, wolche Grösse 2.7 mal in der Länge des Schenkelbeins enthalten ist, oin ganz anderes Verhällniss als bei der fossilen Form (5.4) und beim Menschen (5.4 beim Weibe). Dieser Unterschied zwischen dem Schimpanse einerseits und dem Menschen und der fossilen Form andererseits steht zweifellos in Zu- sammenhang mit der Verschiedenheit in der relativen Entwickelung des Oberkörpers und der unteren Extremitäten. Aus dem Vergleiche geht also mit Sicherheit hervor, dass zwischen dem Femur der fossilen Form und dem des Schimpanse bedeutende Unterschiede bestehen, hauptsächlich in der viel ansehnlicheren Schlankheit des fossilen Knochens und seiner relativ und absolut grösseren Länge, ferner in der Form des Schaftes und besonders des unteren Gelenkendes; Unterschiede, dio gross genug sind, um sofort wenigstens eine Trennung der Arten zu gebieten. Das Femur der Hylobaiidon unterscheidet sich von dem fossilen, ausser durch die ') Anatomy of Yertebrates. Vol. 2. p. 54G. 5) Ich bedaure es indessen sehr, dass ich keine Gelegenheit hatte-, diese Maasse am Skelet selbst zu nehmen. s) R. Hartmans, Die menschenähnlichen Affen, p. 70. *) On the Osleology of the Chimpanzee. s) Ibidem. 6) Ibidem, p. 3fi