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1 von

Friedrich Gerftäder.

Erfier Band.

Eidamertfea.

Stuttgart und Tübingen. J. G. Sotta’fber Perlag 1853.

Buchbruderei ver I. &. ECotta' ſchen Buchbanylung ın Etuttqart

zen nn np mn

Inhalt

des erften Bandes.

Die Ausfahrt . Rio de Janeiro

Fahrt von Rio de Janeiro bie Buenos Ayres

Buenos Ayres und feine Umgebung . Ritt durch bie Pampas en Die Pampas. Fortſetzung

Mandoan . .

Bintermarfch über bie Cordilleren Valparaiſo und Chile.. Wanderung durch die Straßen der Stadt

. Eine Race auf dem Kirchhof zu Balparaifo . Die Reform umb Weiterreife nad; Californien .

um... u

1. Die Ausfahrt.

An Bord des Talisman in der Wefer 18. März 1849. Es ift ein wunderliches, eigen» thümliches Gefühl, an Bord eines Yahrzeuges, vor Beginn einer langen Eeereife, noch im alten Bater- land feft vor Anker zu liegen, und dieſem, während man Die Reife felber noch gar nicht begonnen, ben heimifchen Boden noch nicht verlaffen hat, doch auch eigentlich fchon nicht mehr anzugehören es ift ein wunberliche8 aber auch recht fataled Gefühl und hält unfere Nerven in einer Abfpannung, die und zuleht ordentlich ben Zeitpunkt erfehnen läßt, vor dem es Manchem im Anfang wohl heimlich gebangt hatte den Abſchied von feiner Muttererbe.

Auf die Paffagiere eines Auswandererfchiffes macht das übrigens den verfchiebenartigften, wenn auch im Entrefultat fich ziemlich gleich bleibenden Eindruck. Unthätig und mit langweiligen verbroffenen Geſich⸗ ten treiben fich Die Meiften von ihnen bald an dem,

GerRäder, Reifen 1. 1 1

2 faum fünfzig Schritt entfernten Rand (wir liegen bicht vor Groß's Hotel in Brafe) bald an Bord umher, und fo ungemüthlih, fo unbehaglid Alles am Ufer ift, ebenfo jeder Bequemlichfeit und Ruhe fürmlich trogend, ift ed an Bord.

Fortwaͤhrend treffen noch neue Paſſagiere mit einer Mafle von Gepäd ein, als ob jeder Einzelne erwarte, - bie Arche Noäh zu eigener Difpofition geftellt zu bes fommen. Alle Lufen find geöffnet, Kiften, Koffer, Bettfäde, Körbe, Schachteln ıc. ftehen überall in Menge; fein Menſch findet was ihm felber gehört, Namen werden vermwechfelt und Koffer und Kaften waren ed von Anfang an. Die Matrofen, bie biefem gewohnten Treiben dabei mit ber Außerften Gleich gültigfeit zufchauen, fteigen in einer wahrhaft fabel haften Gemuͤthsruhe über das wild umbhergeftreute | Paflagiergut Hin und her, treten Hut- und andere Schachteln in ganz unbeftimmte Kormen und Facons, hiffen, was ihnen in den Wurf fommt manchmal nur durch das verzweifelte Zufpringen der Paflagiere verhindert in ben unteren Raum, etwas mehr unter ben Füßen weg zu befommen, und fehren fidh fonft an gar nichts, während fi) die Zwiſchendecks und auch Gajütöpaffagiere gerade im Gegentheil um Alles befümmern, jedes Collo befehen und unterfuchen wollen, über die Lufen hinüber oder auch hinein

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—-

fhreien, und Alles thun, was in ihren Kräften fteht, die Verwirrung aufs Aeußerfte zu fteigern.

Naſſes Wetter vermehrt nur natürlich das Un- angenehme, ja Widerliche folchen Zuftandes, und fein Wunder, daß Mandher wirklich voller Verzweiflung in das dunkle Chaos in die Höhle des Zwi⸗ fhendeds, nicderftarrt, aus der ihm ein enormer. widerliher Dunſt entgegenquillt, und bie ihm nicht fünf bis ſechs Wochen, wie auf einer Reife nad Newyork, nein ebenfoviele Monate hindurch zum faft alleinigen Aufenthalt&ort dienen fol, Wäre Taufens den von biefen ein foldher Blid verftattet gewefen, als fie noch zwifchen „Auewandern” und „zu Haufe bleiben“ im Geiſte ſchwankten, wie Viele, o wie un- endlich Viele würden nie in ihrem Leben ein Echiff betreten, die aber können jet natürlich ‚nicht mehr jurüd, und müflen nun auch, mit einem alten beuts ſchen Spruͤchwort, audeflen, was fie ſich vorher in aller Unschuld auf das forgfältigite eingebrodt hatten,

Was das Gepäd übrigens betrifft, fo orbnet ſich das, erft einmal ein paar Tage in Eee, gar bald von felber. Ganz unglaubliche Quantitäten werden in die wirklich Heinken Räumlichkeiten weggeftaut, und Sachen und Gegenftände, an deren Unterbringen man bis dahin formlich verzweifelte, befommen einen Plag und ſcheinen vollfommen gut aufgehoben bie

4 dahin aber heißt es „Geduld und Fuͤgſamkeit“ bie ine Unenbliche. ° Unfere Paffagiere für Californien denn ber Talisman ift direft nad San Brancisco beſtimmt bilden eine höchft eigenthümliche und wirklich intereſ⸗ fante Mafle. Es find faft lauter junge fräftige Leute, die jenem abenteuerlichen Leben des neu entdedten Eldorado mit fo goldenen Träumen entgegengehen, wie fie nur je ein Alchymift in feiner büfteren Etube geträumt hatte Feine einzige Frau fein Kind ift zwifchen ihnen. Die meiften, befonders die Zwifchen- beds-Paflagiere, find dazu, bei ihrer Ankunft an Bord, bi8 an bie Zähne bewaffnet, Manche auf wirklich fomifche Art. Co fam geftern Einer vom Dampfboot auf den Talisman mit einer Flinte, einem Epaten und einem baummollenen Regenfchirm. „Mit dem Epaten willſt Du wohl 8’&old 'rauskriegen?“ frug ihn ein Matrofe. „Ich werd's doch nicht follen mit ben Händen raußer frabbeln,” antwortete ihm ber Mann im hödjiten Ernft.

Spaten: führen übrigens die Meiften bei ficb; Manche Dubende davon auch Maflen von alten Eäbeln, Piltolen, Dolchen, Bajonnet-Flinten und überhaupt Waffen kommen zum Borichein, als ob eine Rüftfammer geplündert wäre, oder ein Antiquis tätencabinet aufgejtellt werden follte.

5 Eine Perfönlichfeit- darf ich jedoch Hier nicht übergehen, benn fie hat nicht allein bei uns, fonbern auch in ganz Bremen großes Auffehen erregt. Eb it das ein Mefierichmied aus Magdeburg hier jebt nur kurzweg der Rieſe genannt, ber ebenfalls nad Galifornien auswandern will.

Der Leer denke ſich eine wahre Herkuleegeftalt, von riefigem Körperbau mit fraufem Bart,” rothen Wangen und gutmüthigen klaren Augen nur ein Hlein wenig zu baudhig, alfo eine Figur, die fchon ohnebieß durch ihren coloffalen Umfang aufgefallen wäre, nun auch noch nach folgender Art gekleidet: grüne Bloufe, helle Beinkleider und weißen Turner but; um ben Leib einen etwa fünf Zoll breiten weißen Ledergurt und an dieſem erftens einen wahrhaft riefigen Pallaſch, der über die Eteine Elirrt, neben biefem einen Hirfchfänger, ber an der Etelle allers dinge nur wie ein Mefler ausfieht, und neben dem Hirfchfänger noch einen gigantifchen „"Nidfünger“ zum Zufammenflappen ebenfalls etwa 18 Zoll lang. Außerdem trägt dieſe Titanengeftalt einen Doldy mit Terzerolläufen daran, wie eine verhältnipmäßige Ans zahl von Piftolen.

Noch abenteuerlicher, ja fait komiſch wird aber biefe Perſonlichkeit durch ihre Begleitung. Es find das drei, hier jeßt „Trabanten“ genannte Indivibuen,

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bie den mächtigen Führer in Diminutivform, wie bie Lootfen den Haififch, umfchwimmen. Drei jehr Fleine

tänner, ebenfalld in grünen Bloufen, Turnerhüten und mit dem weißen Gurt, alfo ganz wie junge Niefen, und nur ftatt des Pallafches mit fehr kurzen Meflern oder Hirfchfüngern an der Eeite. Ich habe wirklich lange nichts Originelleres gefehen.

Der Riefe ift dabei allen Anfchein nach ein hochſt gutmüthiger, ja faft gemüthlicher Mann wie das meift alle großen fräftigen Naturen find er läßt ſich Pallaſch und Meſſer von allen Leuten herauss ziehen und unterfuchen, und fommt mir überhaupt vor wie ein Kauffahrer, ber Kanonen ohne Munition führt. Wie mir gefagt wurde, kann der Mann harakteriitiich ja auch natürlich genug, nicht reiten, und fol einen Heinen Handwagen benugen wollen. Wie der wohl Galifornien betritt?

Die Auswanderung fcheint dieſes Jahr, wie fidy das auch faum andere erwarten ließ, an ©röße alle anderen Jahre weit zu übertreffen. Bremen fchwärmt von Auswanderern aus allen Theilen Deutfchlands, und jeder Bahnzug bringt neue Maflen, ja nicht felten fogar muͤſſen Ertragüge genommen werben, die Hinzuftrömenden zu befördern. Die Wefer- Dampf: boote fönnen in ihren regelmäßigen Fahrten gar nicht einmal mehr alle Paflagiere ihren Echiffen und ben

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äußeren. Häfen zuführen, und felbft die Echlepp- dampfer müflen deßhalb mit zum Paffagiertransport genommen werben, was bis dahin noch in feinem anderen Jahr nöthig geworden war. In Brafe liegt eine fehr große Anzahl und Bremerhafen fol eben- falls überfüllt feyn.

Unfer Fahrzeug, der Talisman, ift ein wackeres, noch ziemlich neues und gut ausfehendes Echiff (eine Barfe von 180 Laſt) und full fchnell und gut fegeln. Der Eapitän it noch ein junger Mann und macht feine erfte Reife ald wirklicher Führer eines Schiffes. Der Cargadeur iſt ein „befahrener“ im Seeausdrud „weit zur Eee gewefen“) und waderer Mann, die Paffagiere fcheinen faft durchgängig ber gebildeten Klaffe anzugehören, und alle Ausfichten find alfo vorhanden wind and weather permit- ting eine angenehme und fchnelle Fahrt hoffen zu Dürfen. |

Der Zudrang nad) Californien hat übrigens, wie es fcheint, mit der Ausrüjtung dieſes Fahrzeugs erft begonnen; nicht einmal all die Fracht kann mitge- nommen werden, bie eingeliefert wurbe, und bie Firma Heydorn und Comp., Die noch mehrere andere Schiffe dem Talisman nachzufenden gebenft, beab⸗ jichtigt au in San Francisco ein Zweiggefchäft unter ber Firma Bajelen Friſius und Comp. zu

8 etabliren. Herr Clemens Pajeken geht mit bem Zalisman, Herr Friſius mit der Gefina ald Cargo deur hinüber.

Geftern Abend ging hier bei Brafe das neue deutſche Kriegsdampfihiff Britannia unter dem Abfeuern der Landböller vor Anker e8 iſt ein tüchtiges, ftarf und fharfgebautes und gewiß fchnelles Boot und wird hoffentlich fein Möglichited gegen den Feind thun (Co ſchöne Träume). Mit freudigem Etolz ſah ih an feinem Bord die ſchwarz-roth-goldene Flagge wehen möge fie über alle ihre Feinde triumphiren.

Nachdem wir und nun über eine Woche in einem folhen Zmitterdafeyn zwiſchen Reifenden und Anfüßi- gen herumgetrieben, kam endlich die frohe Botſchaft, daß wir „unter Segel gehen,“ oder wenn wir feinen günftigen Wind befämen, wenigftend mit der rüds ftrömenden Ebbe der Mündung der Wefer zutreiben follten. Unfere Gefchäfte mit dem Land waren balb abgebrochen und regulirt, und noch an bemfelben Abend lösten wir Die Taue, bie und noch am Ufer hielten und ſchwammen ben Fluß hinunter. Die Naht mußten wir freilih wieder vor Anker gehen, und daſſelbe Spiel trieb der Wind mit und ben naͤchſten Tag.

Gerüchte über neuausbrechende Beinbfeligfeiten mit

9 Dänemarf gaben und dabei ziemlich gegründete Urs ſache, eine Unterbrechung unferer Reife fürchten zu müffen, fall wir nicht den Canal, wenigſtens vor ber Aufkuͤndigung des Waffenftiliftands, erreichten, denn unfere Flotte lag noch in den Windeln (ich dachte damals wahrlich nicht, daß ich fie bei der Nüdfehr fhon im Leichenhemde finden follte) und bänifche Kreuzer hätten und einen böfen Streich durch bie Rechnung machen fünnen.

Der Abfchied vom Vaterland if fehon immer an und für fich ein trübes niederdrüdendes Gefühl, felbft wenn bie Fahrt günftig und den Wuͤnſchen entipres chend ift, wie nun, wenn noch Mißmuth und Lang⸗ weile über aufgehaltene, ja bedrohte Fahrt hinzu- fommen, und fein Wunder alfo, daß fich die Meiften unferer Paſſagiere mürrifch und unzufrieden an Ded berumtrieben, und ficherlich mit nicht günftigen Aus gen das legte Etüd ihres Vaterlandes, die niederen monotonen Ufer bed Weferftromes, betrachteten, als ein eigenthümlicher Zwiſchenfall der ganzen Eache eine andere Wendung gab.

Der größte Theil der Paſſagiere beftand, wie fhon gelagt, aus jungen, unverheiratheten Leuten, und von biefen war Einem berfelben ſchon an Bord, ich glaube fogar durch den Lootfen, aus Nederei das Taguerreotyp eines nicht befonbers geachteten Mädchens

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nachgefandt. Das ſchien unter den Paflagieren bes fannt geworben zu feyn; die Seeleute mochten es wohl ebenfall8 erfahren haben, und plöglicy hieß es, das Bild gerade feh cd, das den bofen Wind bringe, und wir müßten hier fo herumtreiben, bie es über Bord geworfen wäre. Es dauerte auch gar nicht lange, fo war fchon der Beichluß gefaßt e8 ber Tiefe zu übergeben, benn Seeleute wie Jäger find alle ein wenig abergläubiih. Das Gerücht des beabfichtigten Opfers lief mit Windesfchnelle von Mund zu Mund und unter donnerndem Hurrah flog, wenige Minuten fpäter, das arme Bild in den ftillen Weferitrom hinab.

Ob fi) nun irgend ein, bei den Blafebälgen droben, angeftellted Engelein einen Epaß mit uns machen wollte, ober das Bild wirklich auf irgend eine eleftromagnetifche Weife mit den Geiftern der Luft in Verbindung ftand; kurz, fo viel war gewiß, bie’ Heine Tafel konnte kaum ben Wefergrund berührt haben, als ſich die Segel leife an zu heben fingen; vorn am Bug begann das Wafler zu Fräufeln, die auf dem Etrom fchwimmenden Blafen, mit benen wir bie bahin friedlich niebergetrieben waren, blieben zurüd, und in faum einer Viertelftunde hatten wir eine zwar leichte, aber doch günftige Briſe, bie von Etunde an wuchs und uns endlich mit vellgeblähten Cegeln, und zwar noch an bdemfelben Abend, an

ben letzten Weſertonnen vorüber in bie Norbfee hin⸗ einführte. |

Als wir Bremerhafen gerade gegenüber waren, fam ein Boot von dort ab, zwei Leute faßen darin, ruberten aus Leibeskräften und hatten ed nur ihrem zeitig genug vom Ufer fahren zu danfen, baß fie uns wirflih einholten, denn das Schiff lief wenigftend fünf Knoten durchs Wafler. Die Paflagiere ftanden faft Alle an Ded und fchauten gefpannt nach biefem legten Boten vom feften Land herüber. Der Ca⸗ pitän glaubte, ed fey eine Depeiche für ihn, und bie Uebrigen zerbrachen fi den Kopf, was die Sen⸗ dung zu bedeuten haben fönne, denn Niemand be- fand fich im Boot, als eben die beiden Rudernden. Und was brachten fie? einen Brief für einen ber Zwifchendedspaflagiere.

„He Eule Schulze ein Brief für Dich!" rief es aus einer Anzahl Kehlen, ald das heranfchießende Boot von einem zugeworfenen Tau gehalten, mit dem Talisman fortgezogen wurbe, und Einer der Bootsleute an Bord gefprungen war.

„Ein Brief für mich?“ fagte der Angeredete, ber ſich jest hinzubrängte, anfcheinend ganz erftaunt, ja faft erfchredt, „ich gehe nicht wieder zurück.“ |

Während noch einige der Uebrigen lachten, er- brach er den Brief und frug zugleich den Boots⸗

12 mann, was er als Botenlohn zu beanfpruchen habe.

„Einen Dollar,“ Iautete die tröftliche Antwort, bie den armen Teufel von Paflagier nicht wenig erichredte „einen Dollar,“ wiederholte er ganz verblüfft und las dabei zugleih den Inhalt des Briefes halblaut vor ſich hin lieber Bruder, id rufe Dir nochmald ein Lebewohl aus der Ferne zu ih wünſche Dir eine recht glüdliche Reife und gute Gefundheit und das koſtet einen Dollar und laß recht bald etwas recht Gutes von Dir hören ed grüßt und füßt Dich taufendmal Dein getreuer Bruder Franz und dafür will ich mein ganzes Leben lang nichts weiter thun, ald Briefe trandpor- tiren wie können Sie denn bafür einen Dollar fordern ?"

„Das ift Tare,“ betheuerte der Mann, „und es war wahrhaftig feine Kleinigfeit, das Echiff mit fol- chem Fortgang noch einzuholen feyen Sie froh, daß wir noch zur rechten Zeit gefommen find.”

„Ich?“ fagte der Paflagier ganz erftaunt „für einen Thaler zehn Eilbergrofchen das Stüd wünfch ich den Leuten dad ganze Jahr hindurch eine

% ‚glüdliche Reife” ich wollte Eie wären eine halbe Etunde fpäter gefommen.“ Der Mann mußte jedoch feinen Tollar befommen,

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und Herr Schulze fügte fich endlich feufzend barein, nachdem er dem Bootsmann noch vorher ben, wenn auch vergeblichen Borfchlag gemacht hatte, ihm ben Brief für das halbe Porto wieder abzunehmen.

Aus der Wefer erft hinaus wurde ber Wind immer fchärfer und befler, wir mußten aufbrafien und liefen vor günftigfter Brife wohl fieben bis acht Meilen.

Dem nicht nautifchen Lefer hier übrigens gleich im Anfang wenigftend einen Begriff ‘der nautifchen Rechnungsart zu geben, werden ein paar Worte ges nügen. Der Lauf des Echiffes wird nad) dem Log gemefien (jedes Eonverfationslerifon gibt darüber Auskunft) und wenn e8 heißt, das Echiff läuft 3.2. acht Knoten in der Stunde (nadh den Merf- malen in ber Loglinie) fo find damit englifche Meilen gemeint; heißt e8 acht Meilen in ber Wacht, fo find das geographifche oder vielmehr nautifche. Bier englifche gehen aber auf eine nautifche, und vier Etunden auf eine Wacht, fo daß adıt Knoten oder Meilen Cengl.) die Etunde auch bafielbe ift, was acht Meilen bie Wacht bebeutet, denn wenn man von ber Wacht fpricht, rechnet man nur nad nautifchen Meilen.

Donnerftag Abend um fieben Uhr liefen wir alfo in bie Rorbfee ein am Freitag Abend mit Dunfel-

werben fahen wir fchon die Leuchtfeuer von Dover etwas fpäter auch die von Calais und Eonntag Morgend, am 25. erreichten wir die Mündung des englifchen Canals.

»With the blue above and the blue below

And silence reigns wherever we go«

So lagen denn all die gefährlichen Dünen und Eandbänte der Norbfee al die grünen Untiefen bes Canals glüdlich Hinter ung mit biefen allen aber auch die Heimath, und es war ein wahrlich nicht zu befchreibendes Gefühl das mich ergriff, ale idy endlich einmal wieder auf dem blauen, fo wun⸗ bervol blauen Dcean, aber auch fo fern von ben Meinen fchaufelte, nun aufs Neue einem wilden tollen Leben in die Arme geiprungen.

Die Gefühle meiner Mitpaflagiere fchienen größ- tentheild anderer Art; mit nur fehr geringen Aus nahmen wurden bie meiften feefranf, und wen nicht das grimme Eeeleidb, den jagte gewiß die nichte- würdige Kälte unter die Deden, fo daß das Verded bie erften Tage ziemlich verodet lag. Non günftigem Wind getrieben ſchoſſen wir aber rafch dahin, und mit dem freubigen Bewußtſeyn einen ziemlich fatalen Theil der Reife überftanden zu haben, mifchte ſich jest auch noch das beruhigende Gefühl jeder Gefahr eines, Durch die Dänische Blofade möglichen Aufenthalte

15 glüdlih entgangen zu feyn. Da tauchte ein Segel am Horizont auf es fam näher, und unfere Bernröhre zeigten und eine, gegen den Wind anla- virende Brigg.

Ein Segel auf offenem Meere iſt ftets ein in- tereflanter Gegenftand, um fo mehr biefes, da es das erfte war, das und auf dem Ocean in Eicht fam, und wir fchauten feinem Nahen mit gefpannter Aufmerffamfeit entgegen. Es kam mehr und mehr heran an unferem Gaffelbaum flatterte die Bremer Flagge und von dem anderen Fahrzeug ftieg grüs ßend die bänifhe das weiße Kreuz im rothen Gelbe, empor. Es war vielleicht ein SHolfteiner, aber jedenfalld wehten diefe beiden feindlichen Flaggen bier was aud die Nationen daheim gegen- einander beginnen mochten, fich friedlich gegenüber, und jtiegen zulegt Abſchied nehmend dreimal auf und nieber.

Mit derjelben herrlichen Brife erreichten wir bie Breite der Infel Madeira, die wir jedoch nicht zu Geficht befamen, und trafen hier den Nortoftpaflat, der und eine rafche Bahrt, unferem naͤchſten Ziele zu, verſprach, oder und doch wenigſtens glüdlich und ſchnell unter den Aequator bringen mußte.

Die Eee, bie bis dahin eine fehr ftarfe Duͤnung gehabt, wurde in ben Paflaten ziemlich ruhig, bie

16 Seekranken erholten ſich vollfommen, und man fah wieder einmal freundliche belebte Befichter und etwas fehr feltenes bis Dahin Hungrige Mägen. Es wird jegt aber auch Zeit, daß ich zu unferem Schiff und deſſen Paflagieren und Eintheilung übers gehe.

Der Talisman führte 101 Raflagiere 31 in der Gajüte und 70 im Zwiſchendeck, und es iſt dieß vielleicht das erfte deutſche Auswandererfchiff das, gänzlich ohne Frauen an Bord, fat nur mit jungen Leuten in Eee, einem fernen WBelttheile zuging. Die erfte Woche auf dem Meere zeigte aber fchen wie nöthig es fen, daß eine gewiſſe Ordnung befonders in das Zwifchended gebracht werde, wo Ordnung und Reinlichfeit auf einer fo langen Fahrt Durch die heiße Zone beſonders nöthig find, und wo doch eigents ih niemand verpflichtet war Darauf zu fehen. Die Paflagiere entwarfen dephalb unter fich (wobei ſich befonderd ein Herr Kamberg verdient machte), Sta⸗ tuten, ermählten 8. zum Präfidenten des Zwiſchen⸗ decks, andere Paflagiere zu Vorjtänden, und erreichten Dadurch vollfommen alle die Bequemlichkeiten, Die durch Ordnung und Reinlichfeit nur erreicht werben fonnten. Diefe Etatuten zeigten jih um fo vorzügs licher, da fie in ihren einzelnen Punkten erit aus deins gender Nothwendigfeit hervorgegangen waren, und

mn. ·—

ich will deßhalb für ſpaͤter nachfolgende Schiffe eine Abſchrift derſelben Hier beifügen. ZwiſchendecksStatuten der Barke Talisman.

„Es kann einem jeden Paſſagier des Talisman nur daran gelegen ſeyn, daß Ordnung, Reinlichkeit und gegenſeitiges anſtaͤndiges Benehmen unter ben Paſſagieren eingeführt und feſtgehalten werde. Zu dem Ende haben ſaͤmmtliche geehrte Mitreiſende dieſe Statuten durchzuleſen und ihre Genehmigung zuzu⸗ fagen, indem ja zu erwarten fteht, daß jeder Orb- nungs= und Friebliebende mit dem Inhalt derfelben vollfommen einverftanden feyn wird.

$. 1. Jeder Bettlamerad hat genau darauf zu fehen, daß die in einer oje liegenden Paſſagiere allwöchentlih ein reines Hemde, überhaupt reine Leibwäfche anziehen.

$. 2. Es muß durchaus von jedem Mitreifenden Darauf gefehen werben, daß niemand ſich im Zwiſchen⸗ decke wafche oder den Kopf reinige.

$. 3. Es werben von ben Baffagieren täglich zwei die Jour übernehmen, um Reinlichkeit und Ord⸗ nung im Zwiſchendeck aufrecht zu erhalten.

$. 4. Rauchen und Feuer anmachen im Zwi⸗ ſchendeck kann nicht geftattet werben.

$. 5. Alle 14 Tage findet eine neue Vorftands- Gerfäder, Reifen. 1. 2

18 wahl flatt, und muß ber Gewählte die Stelle das erftemal annehmen.

$. 6. Jeder Paflagier muß feinen Koffer fo einrichten, daß er bie nothwendigſten Sachen nur in dem einen Collo behält und die übrigen Eachen zum „verftauen” ober „in den unteren Raum packen,“ geben fann.

$. 7. Jedes Gepäck muß in ober vor ber zu bewohnenden Eoje placirt werben.

$.8. Es darf.nichts im Zwifchended auf bie Erbe geworfen werden, wie 3. B. Häringe- ober Gitronenfchalen, Brod, Fleifh u. f. w., auch barf barin feine Pfeife gereinigt, noch igarrenftimmel weggeworfen werben.

8. 9. In der Eoje felbft darf fein Eſſen auf bewahrt werden, Die Erfrifhungen natürlich auége⸗ nommen, bie vom Lande mitgenommen find, wie 3. 2. Citronen, Zuder, Getränfe, Tabaf, Cigar⸗ ren u. f. w.

$. 10. Terjenige, ber ſich Efien aufbewahren

will, muß dafür Eorge tragen, daß biefes außerhalb

ber Goje an einem feften Orte feinen Platz findet, ohne irgend jemand zu beläftigen.

$. 11. Jeden Morgen um acht Uhr haben fidh die Paflagiere aus dem Zwifchended zu entfernen, damit dieſes gereinigt werben fann.

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$. 12. Die Reinigung gefchieht in der Reihen- folge, und zwar den vom Vorſtand zu beftimmenden Nummern der Eoje nad. -

$. 13. Die Matragen werben ebenfalld aus beftimmten Gojen jeden Morget und abwechfelnd aufs Verdeck gebracht und von ihren Eigenthümern aus- geklopft und gelüftet.

$. 14. Der Aus⸗ und Eingang der Paflagiere von Coje Nr. 1, 2, 3, 4, 11, 12, 13 und 14 ge ſchieht durch die große Hinterlufe; der der Bewohner ber Gojen 5, 6, 7, 8, 9, 10, 15, 16, 17, 18, 19 und 20 durch die Vorderluke.

$. 15. Wer von ben Paflagieren vor dem Rein⸗ machen nicht aufgeitanden ift, muß liegen bleiben bis alles in Ordnung ift.

$. 16. Beſchwerden jeder Art müflen dem Vor fland angezeigt werden, und wird dieſer bemüht feyn ſolche zu befeitigen.

$. 17. Daß obige Paragraphen in allen ihren ein- zelnen Punkten befolgt werden, dafür wird ber von ben Mitreifenden gewählte Vorftand Eorge tragen.”

Ich Habe die vorfiehenden Etatuten faft wortlich nachgefchrieben unb ihre Nupbarkeit hat ſich in den fpäteren Monaten auch vollftändig bewährt:

Eo nöthig aber auch Orpnung und Reinlichfeit auf einem Schiffe find, fo verlangen bie Paflagiere

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doch gewöhnlich noch mehr als dieſe, und Leute bie noch nie eine Eeereife gemadht haben, und vielleicht gar mit dem Gedanken an Bord kommen, hier bie: felben Bequemlichkeiten zu finden wie auf dem feften Land, müflen fi denn wohl, wie dad auch faum anders gefchehen fann, fehr in ihren Erwartungen getäufcht finden.

Sonderbar oder vielmehr eigenthuͤmlich iſt es dabei, daß gerade ſolche, die es in der Heimath am ſchlechteſten hatten, die den meiſten Entbehrungen ausgeſetzt waren und ſich kaum fo gute und regel mäßige Kojt, bei harter Arbeit, verfchaffen konnten, wie fie es jetzt auf dem Echiff befamen, es auch ftetS zuerſt find Die unzufrieden über Efien und Trin- fen werden, während gerade die Verwöhnteſten, bie gleich mit ber Vorausſicht von vielen Entbehrungen | an Bord gingen, es auch meiltend am ruhigften und geduldigjten ertragen, und es eher unter ihrer Würde halten über folche Kleine Unbequemlichkeiten, bie nun doch einmal mitgemacht werden müffen, ein Wort zu verlieren.

Unfer Schiff hatte Hierin noch einen befonderen Nachtheil. Auf kurzen Reifen, wie nach den Ber einigten Etaaten, oder felbit nach Rio de Janeiro, wo ber längite Termin ber Fahrt, wenn nicht ein befon- berer Unglüdsjall eintreten follte, zwei Monat feyn

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kann, läßt Mancher fchon eher fünfe gerade feyn, und wenn er erft anfängt irgend einen Mebelftand zu fühlen, fo ift dann auch ſchon ein fo bedeutender Theil der Reife zurüdgelegt, baß fie e8 faum noch ber Mühe werth glauben eine Aenderung zu verlangen. Unfere Fahrt mußte dagegen, felbit im günftigften Fall ſchon fünf Monate dauern, ja es Fonnten ſechs und fieben daraus werden, und wo andere Reifende ed bald überftanden mußten, da begannen e8 bie Unfrigen erft recht zu fühlen und fchlugen Lärm. Hierzu fam noch daß wir Deutfchland gerade in ber bewegteften Zeit verlaflen hatten und Volke⸗ verfammlungen fo zu fagen ein „dDringendes Beduͤrf⸗ niß“ geworden waren; bie Folgen blieben deßhalb nicht aus.

Unzufriedenheit murrte gar bald an Borb des Tas lisman im Zwifchendede wie in ber Gajüte,. und befonderd klagte das erftere, und zwar nicht ohne Grund, über ungenießbares, oder wenigitend allzu zähes und altes Fleiſch, wie allerdings ohne Grund, über Beichränfung des ihnen verfprochenen Raumes.

In der Cajuͤte waren ebenfalls viele Unzufriedene, gegen die Koſt ſowohl, wie gegen die Schlafbehaͤlter der neueingerichteten oder beſſer geſagt oktroyirten Gajüte, Die eine zweite, unter Deck gelegene Abtheilung

%

.22 ber eigentlichen über Ded gelegenen aber Fleinen Gajüte bildete, und in ber That etwas viel Perfonen, befonders für einen Aufenthalt unter ber heißen Zone faßte.

Hierzu waren den Leuten in Bremen fo. günftige Berfprechungen gemacht, daß fie bei fo niederem Fahr⸗ preis, felbit nicht mit dem beften Willen gehalten werden fonnten, follte der Rheder nicht augenichein- lihen Echaden dabei haben. Der Paflagepreid war nämlid 200 Rthlr. Gold Gajüte, und 125 Rthlr. Gold Zwifchended, mit Beföitigung für eine Reife, auf die man recht gut durchfchnittlich ein halbes Jahr rechnen fonnte.

Viele der Paſſagiere fchienen babei ben feiten, unerfchütterten Glauben zu haben, baß ber Paflage preiß unter jeder Bedingung auch wieder heraus- gegeffen werden müſſe, auf die Paſſage felber rech⸗ neten fie gar nichte.

Das Alles gab die Urſache mancher fatalen Scene an Bord, Volksverſammlungen wurden gehalten und Präfidenten erwählt, Gommiffionen ernannt und Adreffen entworfen, und die Regierung wäre jeden falls durch die fehr große Majorität abgeſetzt worden, hätte man nur eben, wenn auch nicht eine | beifere, das wäre das wenigjte gewefen, aber nur

: eine andere gehabt.

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Der einzige Troft war noch bie hoffentlich baldige Ankunft in Rio de Janeiro, denn dort follte einer be beutenden Anzahl von Uebelftänden abgeholfen oder was nicht zu heben war, doch wenigftend gebeflert werben.

Unfere Reife felbft bot wenig Merfwürdiges; am 13. April famen wir in Eicht der fchroffen, kahlen, baumlofen Berge der capverdifchen Infeln es war Can Nicholas am naäͤchſten Morgen fuhren wir, gerade mit Eonnenaufgang und bei herrlicher Beleuch- tung der maflenhaften Lavaabhänge, an dem gewaltigen und hohen Vulkan der Infel Fogo vorüber. Es ift ein kahler, foloflaler Kegel, ohne die mindefte, von dort aus wenigftens fichtbare Vegetation; nur eine einzige menfchliche Wohnung erfannten wir am Fuße bes Berges.

Wir näherten uns jest fcharf dem Aequator, und am Conntag, den 15. April, fam auch ſchon bie Anmeldung bed unausweichlichen Reptun, und zwar burch feine eigene Gemahlin Amppitrite, Die mit einem Begleiter „Reptuns fein Barbier,“ wie ihm auf dem Rüden ftand, zu und an Bord ftieg.

Eie frugen bei dem Gapitän, nach üblicher Sitte, an, wann Neptun felber erfcheinen bürfe, feinen Tribut einzufordern, und wurden auf den nädhiten Conntag, an dem wir und ber Linie ziemlich nah befinden mußten, beichieden. .

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Ic habe mehre Echweinefifche tüchtige Burfchen von circa 200 Pfund Gewicht harpunirt, leider aber waren wir bis jegt noch nicht glüdlich genug, auch nur einen einzigen von diefen an Bord zu befommen die meiften riffen, wenn wir fie faft ſchon ficher zu haben glaubten, von ber Harpune aus unb fhlugen in See zurüd, und bei einem brach fogar eine ftarfe eiferne Harpune ab.

Das Harpuniren dieſer Fiſche ift übrigens ſchon an ſich felber eine Hochit intereffante Jagd. Der Echmeinefifch (wahrfcheinlich der fogenannte Delphin der Alten, da ein wirklicher Delphin nie groß genug gefunden wäre, den Arion an's Yand zu tragen, und biefe „Springer” auch der Befchreibung eher ent- fprechen) Ddurchitreift, befonderd bei friicher Brife, wenn dad Echiff rafch durch's Waſſer geht, die Eee in zahlreichen Schaaren. Die Fiſche fpringen dann vorzüglich gem Dicht vor dem Buge her und fpielen in den fchäumenden, hochauffprigenden Wellen, denen fie jih oft, mit dem ganzen Körper über Wafler, vorausfchnellen. Der Harpunirende aber jteht vorn ebenfalld vor dem Bug des Fahrzeugs, in ben Ketten bed Stampfholzes, unter dem vorjtehenden Klüverbaum und wartet bis ihm einer der lebendigen, herüber und hinüberfchiegenden Echaar zum ficheren oWurje fommt. Unter dem YBugfpriet muß babei ein

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Blod feftgemacht feyn, in welchem das an die Harpıme geichlagene Tau läuft. An diefem Tau ftehen an Bord Leute, ded Rufs gemwärtig, und: fobald ber Fifch bie Harpune hat, ziehen fie in möglichfter Echnelle benfelben über Waller, damit die Fluth, gegen bie er jest angerifien wird, das Gewicht nicht noch vermehrt, das die ſchwache Harpune überdieß ſchon zu halten hat. Zu gleicher Zeit muß ein Matrofe draußen ebenjalld eine Echlinge bereit halten, fie dem Gefangenen, fowie er ihn nur erreichen kann, um den Echwanz zu werfen. Diefer aber fchlägt dabei aus Leibeöfräften um fih, und müht ſich unausgeſetzt durch fein bedeutendes Gewicht höchft nachdruͤcklich unterftügt wieder loszukommen.

Es läßt fich denken, baß ed dadurch mit vielen Echwierigfeiten verbunden ift, einen folchen gewaltigen Fiſch an Bord zu holen, und wir haben fünf auf dieſe Art fchon förmlich verloren.

Das Fleiſch des Echweinchfches ift ziemlich gut und es laſſen fich hefonders vortreffliche fogenannte Deeiiteafd davon bereiten. Das Harpuniren ifl, obgleich der Fiſch im vollen Eprung getroffen feyn will, keineswegs fehr ſchwierig, doch gehört eine fihere Hand und etwas Uebung dazu.

Mitten’ zwifchen dem Jubel und Lärm der Bafla- giere ging aber in ber nämlichen Zeit ein Mann.

26 herum, der ſich um Alles das nicht fümmerte, bie Etellen vermied, wo luftige Leute beifammen waren, und ſtets ſtill und abgefchieden finfter brütend und mit feinen eigenen, jedenfall® traurigen Gedanken befchäftigt, an irgend einem einfamen Pläschen ſaß, wo er das auch immer auffuchen mußte.

Der Mann hatte das Heimweh. Mir war er wohl ſchon lange aufgefallen, aber ich glaubte immer, er leide vielleicht noch an den Folgen ber Seekrank⸗ heit, von der er fehr mitgenommen worden; eines Tages aber fam er mit thränenden Augen zu mir, und bat mich, ich möchte Doch um Gottes Willen den Bapitän dahin zu bewegen fuchen, daß er ihn mit Dem nächiten Schiff, was uns begegne, zurüd nach Deutſchland ſchicke. Er habe leichtfinnig gehandelt er habe eine Frau und drei Kinder daheim zurückgelaſſen, während ibm jetzt die Erinne⸗ rung an ſie das Herz zerreiße und er blutige Thränen weinen moͤchte, wenn er an den Abſchied von den Seinen dächte, wo ihm die Kleinen um den Hals fielen und ihn baten, Dar er nicht von ihnen geben mödite. Gr ſäbe jet ein daß er unrecht, daß er unverannvortlich aehundelt Nabe, und ten auch fein Neined Kapital, amd er auf Die Reiſe gewandi, nun wrieren, to wolle er dod licher den legen Riennig mr wenn, wicht surudjulemmea und Dann im

27 Baterland, bei den Seinen Tag und Nacht arbeiten, das Verlorene wieder einzubringen.

ALS fi) dem Dann erſt einmal der ftarre Schmerz gelöst, als er Worte gefunden hatte, gerieth er faft außer fih und bie Thränen flürzten ihm die bleich gehärmten Wangen nieder. Ich that allerdings Alles, was in meinen Kräften ftand, ihn zu tröften, was aber fonnte ih ihm als Troft fügen. Ein Schiff zu finden das ihn zurüdnähme, darauf durfte er gar nicht rechnen, denn wenn wir wirflich eines trafen, wie dad auch fpäter gefchah, fo hätte ihn das gar nicht jo ohne weitered aufnehmen dürfen, und Alles was ih ihm rathen fonnte war, ſich den Schritt ben er gethan, noch einmal recht zu überlegen und dann, wenn wir nad) Rio fämen entweber alle trüben Gedanfen bei Seite zu werfen und in das Leben bas er fich jegt einmal gewählt, mit beiden Füßen zugleich hineinzufpringen, oder wenn er fühle daß er Unrecht gehandelt habe und den Echritt bereue, ober auch nicht im Stande fey die Trennung zu ertragen, von Rio de Janeiro aus, mo er fat jeden Tag Gelegenheit habe, wieder heimzufehren in bie Arme der Seinen.

Der Mann beruhigte fich endlich; als wir einige Tage fpäter ein Echiff trafen, erwähnte er nichts weiter von feiner früheren Abficht und noch vor Rio

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antwortete er mir auf meine Frage danach, daß er fich entfchloffen habe feinen Plan durchzuführen und nach Californien zu gehen. Als er aber fpäter in Rio de Janeiro die heimmärtd beflimmten Echiffe ſah, und gar Menfchen ſprach die ſich darauf freuten nun bald wieder zu Haufe bei den Ihrigen zu feyn, da mochte dad Heimweh wohl wieder mit der alten gewaltigen Kraft ausgebrochen feyn und alle feine anderen Entſchluͤſſe über den Haufen geworfen haben. Er nahm feine Sachen vom Bord des Talisman und ging ald Paflagier an Bord des dorthin beftimmten Schiffes, nach Bremen zurüd.

Wir befanden und jegt ziemlich unter ber Linie und famen auch unter die hier faft unvermeibliche Windftille; die Hite hatte ich mir aber viel fchlimmer gedacht, denn bei einem kaum bemerfbaren Luftzug war fie ganz erträglich, und felbjt ohne Diefen kaum drüdend. Am heißeften Tag hatten wir im Schatten 27° Reaumur.

Eined ber vielm Seemährchen ift es, daß bie Schiffe bei Winditile unter dem Aequator alle halbe Etunden oder alle Etunden mit Waſſer begofien werden müflen, wenn fie nicht fpringen follten; unfere Deds wurden nur Morgens wie gerwohnlich gewaſchen, Regenfchauer jind übrigend hier gewöhn⸗ lich häufig und beſonders in der Nacht ftörend, wo

29, bie Schläfer an Ded fat jede Nacht durch einen Guß gewedt und in ihre dunftigen Cojen mit den naſſen Betten binabgefchidt wurden. Denen, welche bie Linie pafliren und die Nacht gern, troß des Regens, an Ded fchlafen wollen, will ich übrigens ein Mittel nennen, wie fie auch, troß eines recht tüchtigen Regengufled, in ber freien Luft troden ihren Platz behaupten können. Cie müflen vor allen Dingen eine Hängematte haben und mögen dieſe nun aufs fpannen wo fie wollen, darüber hin aber, und zwar von oben nach unten ziehen fie ein ſchwaches Tau, und über dieſes hängen fie ihre wollene Dede, ober noch befier, ein großes Etüd getheerter Leinwand, das fie nur bei heftigem Winde gegen die Wand hin- zufammenbinden müffen, und ber ftärkfte Regenſchauer fann ihnen nichts anhaben. Während die anderen mit ihren naflen Deden und Matrazen in Cajüte und Zwifchended hinunterrutfchen und taumeln, liegen fe fühl und troden unter ihrem Regendach. Die Schaͤdlichkeit der Monditrahlen unter dem Aequator haben wir auch noch nicht empfunden; ich fchlafe jegt ſchon feit dem 450 nördlicher Breite im Freien, und ein großer Theil der Paffagiere mit mir, feit wir unter ber heißen Zone find, und noch befinden wir uns, hie und ba ein Kleines Unmwohlfeyn abge rechnet, vollkommen gefund.

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Eonntag den 22. April, ziemlich unter dem Aequa⸗ tor, fam ber fchon vorher angemeldete Neptun mit Frau Gemahlin und „Warbier;" er wurde vom Capi⸗ tän freundlich empfangen. Der Gott, ber übrigens beiläufig gefagt ein wenig „ruppig” ausfah, ſprach fi) mit dem Gapitän in der englifchen Eprade ihm wahrfcheinlich Die geläufigfte zuerft aus, und. wandte ſich dann an bie, ihn etwas ängftlich geſpannt umftehenden Paflagiere.

Die ganze Ceremonie ift befannt genug und kann bier füglich unbefchrieben bleiben, das Ganze iſt auch auf Paflagierfchiffen nur ein harmlofer Echerz, von dem fich feiner der Paflagiere wenn er nicht wirt lich krank ift augichließen Tann, alfo deßhalb auch gar feinen ſolchen Berfuch machen ſollte. Man wird einfach mit einem Eimer Ecewafler ein ganz ans genehmes Gefühl in der Hige begofien, und läßt fih von der Eeefeife, die in ſchwarzer Farbe befteht, Durch das Unterzeichnen eines freiwilligen Beitrag®, ber auf unferem Echiffe von zwei Tollar bis \, Dollar nieder lief, freifprechen.

Mit der tropifchen Taufe erhob fich aber auch eine recht frifhe Zrife und am Nachmittag famen wir in Sicht eincd Segels. Es war bie englifche Fregatte Agincourt, Bapitän Niskett, jegt zum Packetſchiff zwi⸗ hen Ealcutta und London benugt, bie dicht an und

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heranfegelte und zu unfer aller Freude, ein Boot an Bord ſandte. Gluͤcklich alle bie, welche für folchen Hall Briefe in die Heimath vorbereitet hatten. Der Agincourt war am 27. Januar von Balcutta aus gefegelt, und fam mit dem Eüboftpaffat in fieben Tagen von Helena. An Bord hatte er viele deutſche Paſſagiere vom Cap der guten Hoffnung, und biefe ließen uns durch den Secondelieutenant ‚einen liebeng- würdigen jungen Mann, der zu und an Bord fam, um beutfche Zeitungen bitten. Capitän Meyer fandte ihnen ein ganzes Padet und ich hätte nur dabei feyn ı mögen, wie fie bei der Rüdfunft des Bootes darüber t berfielen. & Am 25. fingen wir, trotz ber langen vorherge it gangenen Windftille, in der ſich Haififche doch fonft = fo gern zeigen, ben erften Hai es war ein Burfch se von circa 5 Fuß Länge und fo gierig, daß er, obs ch gleich er einmal fchon halb aus dem Waſſer vom 3 Hafen wieder abfiel, doch ungefäumt und förmlich ‚= wüthend zu ihm zurüdfehrte, ihn einfchlang und nun unter Jubelgefchrei an Bord gezogen wurbe, wo er eo nicht wenig um fich her fchlug und die Neugierigen ie s bald in ehrfurchtsvolle Ferne zurüdwics. Am Abend ga ließ ich feinen Echwanz, den beften Theil des Fifches, m braten das Fleiſch war delicat und fehmedte be ze fonderö gut Falt mit Eſſig und Pfeffer.

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Unter dem zweiten Grab füblicher Breite trafen wir den vollen Eüdoftpaffat, der ung jegt mit ſchwel⸗ Ienden Eegeln der brafilianifchen Küfte entgegenführt.

Erft in der Breite von Gap Frio, unfern ber brafilianifcken Küfte follte unfer monotoned Xeben in etwas unterbrochen werden. Ein fehr heftiger Pampero nämlidy ein Eturm auf den ich fchon fpäter näher zu fprechen fommen werde, und ber hauptfüchlich am La Plata wüthet, hatte feine gewöhnlichen Grenzen einmal ein wenig auégedehnt, und wehte hier eben noch mit fo fürchterlicher Kraft, daß mehre Schiffe an der Küfte verunglüdt feyn follen und ein portuws gieſiſches Kriegsfchiff, Dicht vor dem Hafen von Nie be Janeiro, alle drei Majten verlor. Wir befamen tüchtig eind „auf Die Muͤtze,“ und arbeiteten mehren Tage unter Dicht gereeften Marsfegeln gegen ben Sturm an. Außerdem übrigens, daß wir ein wenig umhergeworfen und aufgehalten und viele ber Paſſa⸗ giere wieder feefranf wurden, hatten wir weiter feine böfen Folgen zu tragen.

Am 11. Mai fahen wir Morgens, nachdem wir in der Nacht vergebens nach dem für dort angegebenen Leuchtfeuer ausgeſchaut, Gap Frio und liefen von hier aus, die pittoreäfen Küjtengebirge Brajiliens fort während in Eicht, fütwärte, dem Hafen von Nie be Janeiro entgegen. Ter Wind war dabei günftig,

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und bie Küftenberge find fo hervorragend und fcharf abgezeichnet, daß ein Vorbeilaufen bes Hafens‘, noch dazu bei flarem Wetter, faum vorfommen kann, den⸗ noch machte es Gapitän Meyer, trotz der zeitigen Warnung des alten Steuermanns Echnell möglid). Noch vor Dunkelwerden war ich mit dem Gapitän oben auf ber Vor⸗Mars⸗Raae, und er zeigte mir von, dort aus eine vor uns liegende Kleine Infel, die er mir als den Hafen von Rio gerade gegenüber bes ſchrieb. Als wir aber Abende, gerade nad) Dun felmerben, beim Thee faßen, fam ber Steuermann herein und berichtete, daß eben dwars über zu ftars bord das Feuer von Raza, das glei unter dem Eingang bes Hafens brennt, fichtbar würde, und unfer Gapitän fprang etwas beftürzt nad) oben.

Es war in der That fo; wir gingen zwar augenblids ich mit dem Schiff herum, Stromung und Wind aber gegen und, hatten wir den günftigen Augenblid ſchon verpaßt, und mußten nun nody bis zum nädh ften Abend, alfo volle vier und zwanzig Stunden aufs freugen, in ben Hafen endlich einzulaufen.

Am 12. Mai Nachmittags hatten wir das ganze prachtvolle Panorama, das ben fchönften Hafen ber Welt umfchließt, vor und, und ſchon fonnten wir den „Zuderhut,” der als treffliche Landmarke das linfe Ufer des Eingangs bildet, unterfcheiden. Je

GerRäder, Reifen. 1. 3 3

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mehr wir uns dem Lande näherten, befto deutlicher traten bie einzelnen Gruppen, enblich die Umrifle der Vegetation und zuletzt fogar Das fo lang entbehrte, lebende Grün der Bergrüden und Wälder, aus denen hochftämmige Palmen aufragten, hervor; an ben bei- ben Heinen Infeln Baya und Maya (Bater und Mut- ter) fegelten wir dicht vorüber, und erreichten gerabe nad) Eonnenuntergang den Platz von dem wir, wäre es hell geweſen, alles hätten überfchauen fönnen, mas dad Auge in diefer neuen Welt überrafcht und entzüdt.

Unter den Tropen folgt aber dem Eonnenunter- gang auch faſt augenblidliche Nacht, und ald wir vom Hort Santa Cruz angerufen oder vielmehr ans gebrüllt wurden (denn die Etimme Fang ale ob jie aus der Unterwelt fäme), lag fchon tiefe Nacht auf dem Meere, und nur unzählige Yichter verriethen bie Nähe einer volfreichen Etabt, eines belebten Hafens.

Nachdem ſich unier Cargadeur, welcher ber por tugieſiſchen Sprache mächtig war, eine Zeitlang mit dem Befehlshaber Des Forts in jolchen »unintelligible roars,« wie fie Boz ſo treffend nennt, unterhalten, und feiner vom andern, wie ich feft überzeugt bin, ein Wort veritanden hatte, glitt unfer Fahrzeug an vielen andern dort vor Anfer liegenten Dicht vorüber, wobei wir eines der Echiffe fo Licht paflirten, Daß man eine Muͤtze hätte an deſſen Bord werfen fönnen.

35 Wenige herüber und hinüber gerufene Worte fagten und, daß es ein Landsmann ſey die Hamburger Brigg Merk oder Merks, Kapitän Valentin, und ein donnerndes Hurrah begrüßte die Landsleute. Gleich darauf ließen auch wir ben Anfer fallen.

Es war bis dahin an Bord die Befürchtung aus gefprochen, daß die Paffagiere der fremden Echiffe ohne einen vom brafilianifchen Conſul in Deutfchland | viſirten Paß zu haben, nicht würden and Land ge- laffen werden; glüdlicherweife zeigte fi) das aber andere, denn als am nächſten Morgen das foge- nannte Bifitenboot zu und an Bord fam, wurde und bald die fummarifche Erlaubniß zu Theil, fo rafch und fo zahlreih an Land zu fahren, wie wir nur wollten. Man kann fich denfen, daß wir fchnell genug davon Gebrauch machten, und ed dauerte nicht lange, ſo ruderten wir (am 13..Mai Morgens), im herrlichiten Eonnenlicht, dem freundlichen Ufer ent- gegen. „Brafilien ift nicht weit von hier," fangen einige, und alle freuten fich der prachtvollen Ratur, die und umgab.

Der Hafen von Rio be Janeiro ift übrigens ſchon zu oft befchrieben, als daß ich noch einmal etwas verfuchen follte, was eigentlich doch unmöglich ift biefe Raturfchönheiten die ftille Bay, die am Ufer bald zeritreuten, bald zu Maflen zufammengedrängten

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Gebäude, bie hohen, bald fihroffen, bald mit ber herrlichften Vegetation bededten Hügel und Gebirge, die zahlreichen Schiffe und Boote, die Flaggen aller Länder und Welttheile, die Forts und Baftionen mit ihren Kirchen und Kanonen bas alles läßt fich wohl fchildern und ausmalen, aber dem Lefer einen wirklichen Begriff, ein treues Bild davon zu geben, das, glaub ich, ift rein unmöglich.

2. Rio de Janeiro.

Die Etadt felber, und mit wie Manchem auf der weiten Gottes Welt geht es nicht ebenfo vers liert indefien gewaltig, wenn man erft ihre nähere Bekanntſchaſt macht. Die Etraßen find, mit wenigen Ausnahmen, eng und fchmugig, und die Maffe der Eflaven, mit ihren unzähligen farbigen Abftufungen, bie dem Auge überall in den Weg tritt, macht einen zu widerlichen Gindrud auf den Europäer, ihn, in dem fcharfen Eontraft nicht felbft die herrliche Natur der man übrigens in ben ſchmalen Straßen auch faft entrüdt ift vergeflen zu machen.

Im Hafen von Rio be Janeiro lagen Maffen von Bahrzeugen; fo ftarf ich aber auch die fchon bes gennene Auswanderung nach Californien vermuthet haben mochte, fo hatte ich doch nie geglaubt, daß eine folhe Anzahl von Echiffen dahin beftimmt feyn fönnte, wie fie fhon, mit Paſſagieren, biefen Port berührt hat, und noch, faft jeden Tag, berührt.

38 Beſonders viel amerikaniſche Schiffe lagen im Hafen von Rio, und die Bewohner der Stadt find fo daran gewöhnt, in jedem Fremden einen californifchen Can⸗ bidaten zu finden, daß vorzüglidh die Neger ohne Unterſchied fehon von weitem jedem etwas fremdartig ausfchenden Dann ihr „Salifornier” entgegenrufen und fie begehen felten einen Irrthum.

Mo wir gingen und ftanden tönte und der Ruf: „oho Californier!“ nach, und befonderen Spaß machte mir Einer unferer Mitpaffagiere, der feit überzeugt war, ganz in Die Yandestracht weiße Beinfleider und dunflen Brad gekleidet zu feyn, und dieß Bels wort nur einzig und allein auf feinen, durch das Ecewaffer etwas mitgenommenen Hut bezog. Er befchloß alfo fich jedenfalls einen neuen, ächt brajts linnifchen zu kaufen und verließ ung auch bald darauf in Diefer löblichen Abſicht. Ten Hut faufte er aller Dinge, und noch Dazu in guter Qualität, wer befchreibt aber fein Entſetzen, als er kaum um bie nächte Ede fchon wieder mit dem fürchterlichen Wort „oho Balifornier!" begrüße wurde. Unſer Kamerab hat die Neger, von denen dieſer Zuruf beionder® audgeht, für eine „barbariihe Nation“ erflärt, Die ihre Sklavenfeſſeln im reichjten Maße verdient.

An demfelben Tage war ein „Stiergefecht" mit noch einer Menge anderer Anpreifungen und Ber

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ſprechungen angekündigt, und da ich hörte baß biefe Art Vergnügungen hier nach und nach mehr in Verfall fame und überhaupt nicht fo oft ftattfände, fo befchloß ich es jebenfalld zu befuchen. Ein Stiergefecht in Brafilien hatte überhaupt an fich ſchon eine eigene Anziehungskraft, und in höchft gefpannter Erwartung ging ich mit” einigen befreundeten Paflagieren bes Talisman dem angegebenen Orte, wo der Kampf ftattfinden follte, entgegen.

Wir fanden eine ziemlich geräumige Arena, ringsum Logen und vor biefen freie Bänfe, alles übrigend von rohem Holze und eben genug mit weißer Waflerfarbe beitrichen, um Beinfleider und Röde zu befhmugen. An den fich gegenüberliegenden Etellen ber Arena waren große vieredige Pappfcheiben mit grob gemalten Figuren aufgeftellt, hinter die fich, wie ich fpäter fand, die Stierfämpfer im Fall der Noth retirirten und ringe an ber Einfaflung liefen gleich fall8 breite Latten bin, auf weldye bie verfolgten „Streiter” hinauffpringen fonnten. Ein paar ziemlich fade Handwurfte durften auch hier nicht fehlen; ber eine war, wie ed in Rordamerifa gewöhnlich Eitte ift, ſchwarz gemalt, und führte in den Paufen komiſche Regertänge aus; der andere ſchien nur an fich felber den meiiten ©efallen zu haben, wenigftens lachte niemand anderes über ihn.

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Die Hauptfiguren der Arena waren zwei Perfonen; ein Epanier der die ganze Anordnung des Schau⸗ ſpiels zu leiten fchien, ein bildfchöner junger Mann in altfpanifcher Tracht auf Meinem, feurigem Roß, und neben dieſem ein anderer Reiter, der jedoch eher einem preußifchen Küraflier aus dem breißigiährigen Kriege, ald einem fpanifchen Etierfämpfer gli. Ex trug einen bdreiedigen Hut und langen Pallaſch an der Eeite, hatte aber eine fo fabelhafte Achnlichkeit mit Napoleon (d. 5. dem wirflichen) daß es und Allen zugleich auffiel.

Diefer war der Hauptgegner bes gehetzten Thieres, und erntete auch ben meilten Beifall.

Außer den Fußkämpfern, die, wie unfere Bauer jungen in gelbe Hofen und rothe Weiten gefleibet gingen, ftolzirte noch eine Perfonlichkeit in der Arena umher, welhe um fo mehr bie Aufinerffamfeit bes Publikums auf ſich 309, da fie auf dem Zettel ganz befonderd, und noch dazu mit großen Buchitaben angekündigt und ber Menge alfo förmlich verſprochen war. In dieſer Perſon fann ich dem Leſer aber Niemand Geringeres als el Diabo, den Teufel felber, vorführen, ber in feine Lieblingefarben, gelb und roth, gefleidet, mit langen Hörnern und längerem bintennachfchleifendem Echweif die Etiere ganz her ausfordernd zu enwarten fehien, ſich aber, als fpäter

Al

ba8 Zeichen gegeben wurbe, befcheibener ald man es hätte glauben follen, auf die Barriere zurüdzog, und bier ebenfalld einen „ftilen Beobachter" abgab.

Der fpanifche Ritter gab endlich das Zeichen zum Beginne, ein Neger öffnete von innen das eine Thor und zog ſich bligesfchnel auf feinen Stand zurid. eine Eile ſchien übrigens ziemlich unnöthig gewefen zu feyn, denn der erfte Bulle der in dem Eingang bald darauf erfchien, fah harmlos genug aus, baute fich zuerft einen Augenblid ganz erftaunt um denn er hatte wohl kaum erwartet hier fo zahl reihe Gefellfchaft zu finden und fuchte dann, fo raſch ihn feine Füße trugen, das gegemüberliegende Thor.

Damit ſchien aber dem Publikum keineswegs gedient; wildes Pfeifen und Trommeln begrüßte dus arme friedliche Thier von allen Eeiten, und ein paar Männer fprangen in die Arena und mit xothen Tüchern darauf zu und fuchten es zu reizen und anzufeuern. Im Anfang wollte ihnen das aber nicht gelingen, ber Bulle fchien feft entfchloflen gar nichts übel zu nehmen, und leiftete nur einen höchft lobens⸗ werthen pafliven Wiberftand. Nur erſt ald Rapoleon mit einer Holzlanze auf ihn zufprengte, ihm biefe in den Raden ftieß und einen mit flatterndem Papier um⸗ büllten Stachel barin zurüdließ, verließ ihn feine gute

42 Laune etwas unb er machte einige ſchwache Ans griffe.

Es mag fonft in jeder Hinficht ein höchſt fchäß- bares Thier gewefen feyn, zur Arena eignete es fich aber nicht, und als ihm endlich zum Abgang das Thor wieder geöffnet wurde, folgte ihm ein folche® Ziſchen und Pfeifen, wie ich es felbft bei der erften und einzigen Aufführung eines Dettinger'ichen Luſt⸗ ſpieles in Leipzig nicht gehört hatte es fehlten ihm nur bie faulen Orangen um ihn vollitändig zu bemüthigen.

Der zweite Bulle „war eine Kuh,” aber ein kleines munteres, keckes Ding, das fi dem erjten, ber fi ihm in der Arena zeigte, mit trogigem Muthe entgegenwarf und, ganz das Gegentheil von feinem | ftillen Borgänger, fürmlih auf Krafeel auszugehen ſchien.

Hier muß ich übrigens bemerken, daß der brafi⸗ Hanifche Etierfampf keineswegs wie der altfpanifche, auf Tod und Blutvergießen hinausläuft ben Etieren jind deßhalb auch die Hörner mit großen hölzernen Futteralen und Knöpfen bededt, fo daß fie weber Roß noch Reiter verwunden fonnen; aus gegen feitiger und nicht mehr ald billiger Höflichkeit wird dann aber au das Thier zum Schluß nicht von dem Matador abgejtochen, fondern einfach hinaus

gejagt, oder, fol das Vergnügen noch größer feyn, eingefangen und hinausgeworfen.

Unfere Kuh hatte indeflen ſchon einige der papier- rauſchenden Stacheln eingelegt befommen, und Ras poleon fprengte ihr jeßt entgegen, den Kampf zu vollenden, fand aber hier einen weit gemwandteren und fhnelleren Gegner als an dem vorigen Kopfhänger, und eine einzige ungefchidte oder Ängftliche Bewegung des Pferdes brachte diefes fo weit in ben Bereich feines gehörten Feindes, daß es ihm mit dem rafchen Eeitenfprung nicht mehr entgehen fonnte. Die Kuh faßte e8 unter dem Bauch und wuͤrde ihm dieſen, wären ihre Hörner in ihrem natürlihen Zuftand gewefen, aufgefchligt haben, fo aber fanden die ftumpfen Kuppen, in allem Grimm und Kampfesmuth vorwärts geftoßen, einen zu harten Widerftand, und das rechte Horn dis armen Thieres brach dicht über dem Kopfe weg, fo daß nur ber blutende innere Stumpf ftehen blieb; mit diefem fämpfte fie aber noch unverdrofien, uneingefchüchtert fort, und bot ben ſtets neu auf fie einftürmenden, boch nie Stand haltenden Angreifern troßig bie blutige tim. Es war ein wiberlicher Anblid, und ich freute mich als man bad arme Thier endlich erlöste, damit e8 einem anderen, Fräftigeren, Bahn machen fonnte.

Eine Zwiſchenpauſe folgte hier, bie wieder mit

4A einigen höchſt matten Taͤnzen bed Bemalten ausge füllt wurbe, bis enblich der dritte Etier erſchien. Es war dieß ein junger, feuriger, ſchwarzer Burfche, mit hohem Höder auf den Echultern und ein paar büfter und wild blidenden Augen. Er ftrafte auch fein muthiges Ausfehen keineswegs Lügen, und hielt fidh tapfer genug, bad ganze Neden und Verfolgen blieb aber doch immer daffelbe und wurde fchon langweilig, als einer der Fußkaͤmpfer dem Gefecht eine ganz uns erwartete Wendung gab. Er ftellte fich nämlich dem Etier mit eben den papierumhüllten Etacheln, wie das früher gefchehen war, entgegen, anftatt Diefe aber | bem Thier an den Hals zu werfen, und barin rafdı. zur Eeite zu fpringen, begegnete er muthig dem Ans griff, umfaßte das gegen ihn anftürmende niederge bogene Haupt bes Feindes mit den Armen, und ſuchte es durch fein Gewicht niederzudrüden. Eeine Kamp raden eilten ihm natürlich gleich zur Hülfe und warfen ſich ebenfalld auf den gemeinfamen Seind; dieſer aber fhleifte troß allen Widerſtandes den fühnen Gegner mit fi bis zur Einfaffung der Arena und prefke ihn gegen dieſe mit aller Kraft feines fchweren Köv pers. Der Etierfümpfer wußte ſich aber geſchick zwiſchen den Hörnern zu halten, und als nun der erſte Anlauf vorüber war, gewannen bie vier Kämpfer endlich die Ueberhand, und fchleppten den ſich madhtle®

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firäubenden Stier, unter dem donnernden Beifalleruf der Menge, hinaus. Der Mann fam allerdings biegmal gut davon d. h. er hinkte nur etwas und verließ bald darauf den Kampfplag wäre hier aber, wie vorher, dem Stier dad Horn abgebrochen, fo mußte er ihn rettungslos gegen die Bretterwand zerquetichen, es bleibt beghalb jedenfalls ein etwas riskantes Handwerk. \

Die Eonne war jegt ihrem Untergange nahe und gleich danach bricht in den Tropen die Nacht ein; das Etiergefecht näherte fich alfo jedenfalls fei- nem Ende, und noch immer hatte der „Teufel“ auch nicht den minbdeften Antheil an dem Kampf genom- men, fondern fich wirklich den Teufel um das Ganze gefümmert. Das einzige, was ihn vor den übrigen Zufchauern augzeichnete, war jeine gelbe und rothe Tracht, und Hörner und Schwanz bie Sinnbil- der Er. hoͤlliſchen Majeftät. Damit war aber daß lebendige brafilianiiche Publifum nicht zufrieden, einen Theil des auf dem Anfchlagzettel Berzeichneten hatten fie nun gehabt, und jegt verlangten fie auch ben verfprochenen Teufel.

„Dh Diabo Diabo!“ tönte es zuerſt von einer, und glei darauf im wilden ftürmifchen Chor von allen Seiten oh Diabo Diabo! ohrengellendes Bieifen, Stampfen, Trommeln und mit den Ctöden

46 gegen bie Baͤnke Schlagen wildes Gefchrei und Getobe „oh Tiabo, oh Diabo!“

Der Epanier fprengte dem Orte zu, wo Diabo noch immer in ftiller Beſchauung faß, dieſer aber erwartete fein Kommen nicht, fondern tauchte lieber, fih unangenehmen Erörterungen zu entziehen, Hinter die Bretterwand unter und verfchwand. Damit aber war das jegt einmal gereizte Publikum nicht zufries dengeitellt; ob bei der Ankündigung des Teufels auf dem Zettel die Tireftion beabfichtigt hatte, dieſen eine aftive, oder nur rein paflive Stellung einnch men zu laflen; ferner, welche Alnficht der Teufel felber von der ganzen Sache hatte, blieb ſich vollfommen gleich ber Lärm wurde immer toller ber Teufd folte und mußte vor, und der Epanier fah fich fe lange genöthigt, ab- und zuzureiten, bi Diabo mb (ih unter Gelächter und Pfeifen mißmuthig gem erfchien, in die Arena langfam hinunterfletterte und auf den, indeffen nur Ärger gereisten Etier po fchlenderte.

Tiefer gewahrte aber faum die grellfarbige, abew teuerliche Geftalt, als er feinen anderen Feind gam vernachläfligte und mit eingelegten Hörnern ofm weitere Warnung, bligesfchnell auf den nicht weni Erfchredten zufprang. Der arme Teufel mußte jo denjalle eine Ahnung bes ihm bevorftehenden Unfal#

47 ehabt haben, er machte auch faſt gar feinen Verfuch, er drohenden Gefahr zu entgehen im nädhften Roment hatte ihn der Stier auf bie Hörner gefaßt, bleuderte ihn zu Boden, flürmte über ihn hin und urde nur durch Die anderen herbeieilenden Kämpfer an verhindert, dem geftürzten Fürften ber Finſter⸗ weiteren Schaden zuzufügen. Der unglüdliche eufel ließ aber feinerfeit® Schwanz und Hörner ängen und ſchlich unter dem donnernden Hohn und ubelruf der Menge, hinkend, und fi nur noch sanchmal jcheu nach dem wilden Gegner umfchauend, ı feinem ficheren Ei Hinter der Barriere zuruͤck.

Es war indefien ziemlich dunkel geworden, immer ber verlangte das aufgeregte Publiftum nach länge m Kampf und neuen Anjtrengungen bes ſchon er» atteten Thieres, bis fich dieſes endlich auf das ıtfchiedenfte weigerte, auch nur das mindefte weiter ım Vergnügen der nicht zufrieden zu ſtellenden Menge eizutragen. Es warf fich brüllend auf bie Erde ieder, und als wir, der Qudlerei fatt, die Arena erließen, zerrten noch im Dunfeln fünf oder fech® Renichen an dem armen gequälten Geichöpf herum nd fuchten es vergebens wieder aufzuftacheln.

Das war ein Eonntagsvergnügen ber Brafilias er, an dem auch zahlreiche Damen Theil nahmen.

Am nächften Abend befuchte ich das, dem heiligen

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Januarius gemweihte Theater; das große und Haupt theater der Etabt fteht gegenwärtig unbenügt, dieß aber ift ein kleines, gemüthliches Gebäude mit zwei Rängen, und in ber Mitte die dicht verhangene, faiferlihe Loge. Die Einrichtung ift übrigens ganz nach europäifcher Art, nur daß in den Logen, fchon des Klimas wegen, Rohrfeflel ftehen.

Eine Eigenthümlichfeit hat aber dieß brafilias nifche Theater, die einige von unferen PBaflagieren felber ein Feines Intermezzo fpielen lich.

Ich befuchte e8 mit drei Mitpaflagieren bes Tas lisman, zwei jungen Kaufleuten aus Bremen und einem "unvermeiblichen Weinreifenden; als wir aber das Parterre betraten, richteten jich Aller Blicke nad und, und ich fing mich ſchon an von oben bis um ten zu betrachten, ob ich vielleicht irgend etwas Auf fallendes, Ungewöhnliches an mir trage, das bie Aufnerkfamfeit des ganzen Publifums fo plöpfid angezogen hätte. Ich konnte aber nichts Derartige an mir, noch an meinen Begleitern entdeden, ebew fowenig in ber Nachbarihaft, benn wir alle Bier fahen uns gleichzeitig danady um, und fehten und endlich ruhig auf die nächften Bänfe, in der Hofe nung nieder, dad Publikum bald mit einem andern | Gegenftand als unferen werthen Perfonen befchäftigt ' zu fehen, als plöglich ein ehrwuͤrdig dreinſchauender

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Logenfchließer zu und trat und ſich o wie freund- ih die und umgebenden Gefichter alle Tächelten an meine drei Begleiter wandte, benen er, ba fie feine portugieftiche Anrede ungemein pafliv hinnah⸗ men, durch Zeichen und mehrmaliges Antupfen fund that, daß fie mit ihren hellen Röden hier wohl erfchienen feyen, ‘aber durchaus nicht bleiben fönnten. Ich fchaute mich jest um und fah wirk lih, daß alle Männer ohne Ausnahme bunffe Ueber fleider trugen; die Gefticulationen des Alten wurden aber immer ungebuldiger und deutlicher, das Publi⸗ kum in den Rängen freute ſich ungemein, und die drei armen Teufel ich felber trug ganz zufällig einen bunflen Rod mußten, mit dem WWeinreifen- den an ber Epite das Orchefter fpielte indeflen immer fort dad Haus wieder verlaflen.

Es wurden einzelne Akte aus Tragödien unb Lußfifpielen gegeben; zwei davon hielt ich aus, aber es war nichts als Dialog, bei dem fich das Publi- fum ebenfalls zu langweilen fchien. Alle Augen- bli meldete der Bebiente einen Fremden oder brachte einen Brief, der dann, regelmäßig vier Eeiten hal- tend, laut vorgelefen wurde. Applaudiren hörte ich nur einem ber Echaufpieler, ber fehr beliebt fchien, unb ben fie dreimal hintereinander empfingen.

Am naͤchſten Morgen beſchlos ich eine kleine

Gerſtacker, Reifen. 1. 4

50 Lanbpartie zu machen und ritt mit einigen Freun⸗ den zufammen hinaus ind freie.

Die brafilianifhen Pferde find Fleine, muntere, ausdauernde Thiere und gehen meiſtens, was id; wenigftens daran fah, Paß oder Galopp. Die auf bem Land wohnenden Pflanger und Kaufleute aber, bie Morgens in die Stadt fommen und Abende wie der hinauereiten, gebrauchen auch nicht felten Maul thiere ebenfalls eine Fleinere Race als ich fie in Kordamerifa gefunden habe und erreichen mit biefen ihr Ziel wohl nicht ganz fo raſch, aber doch jedenfall8 weit bequemer und ficherer.

Die Umgegend von Rio iſt wirklich paradiefſiſch die file Bai mit ihren zahlreihen Maften und lebendig hin» und wieberfchießenden Booten Die niedlichen Gärten mit ihren Orangen, Bananen und Palmen, Kaffeebäumen und Blumenbüfchen, die be ben pittoreöfen Berge und Felskuppen, Die weit übereinander herüber ſchauen bie eigenthümlice Tracht und Farbe der Eingeborenen und Sklaven, die zu Markt ziehenden Neger, die Viehtreiber und Verkäufer, das Alled macht mit feinen wechfelnden phantaſtiſchen Geitalten auf den Fremden einen eigew thümlichen, wohl faum zu vergeſſenden Gindrud. Der Unterfchied mit der Heimath ift zu auffallend; man fühlt, dag man in einem fremden, tropifchen Lanke

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it, und jeder Edhritt, jede Biegung der Straße, jede und begegnende Perfönlichkeit bringt dem mehr und mehr erregten Geifte, dem gierig umherfchwei- fenden Auge Neues, Intereffantes.

Leider konnte ich aber nicht lange in biefem ihönen Lande verweilen, denn ein neuer, erft in den legten Tagen an Bord flüchtig gefaßter Plan war mir fo lieb geworden, daß ich befchloß, es koſte was ed wolle, ihn durchzuführen.

An Bord des Talidman war nämlich ein junger Italiener, von englifhen Eltern geboren, der, mehr aus Prahlerei wahrſcheinlich, als einer ernften Abficht wegen, eine Wette gemacht hatte (und zwar mit eind gegen zwanzig), daß er die Landreife durch Eüdamerifa durchführen wolle. Mir felber war bie Landreiſe fchon bis dahin fortwährend im Kopf herum: gegangen, das damalige Reich&minifterium hatte mir einen Zufhuß unter dem Vorbehalt bewilligt, daß ich beftimmte Länder, zu denen die La ‘Plata- ftaaten gehörten, dafür befuchen wolle, und wenn ich auch bie feſte Abficht hatte, dieſe jedenfalls auf dem Rüdweg, um das Gap ber guten Hoffnung heim- kehrend, zu bereifen, fo lag bazmifchen doch noch ein langer Zeitraum und außerdem die ganze Welt, und ich befchloß endlich, mich in Rio de Janeiro wenig: ſtens genau nach einer folchen Landreife zu erfundigen

und dann, vernünftiger Weiſe, meinen Plan danach zu faflen.

In Rio erhielten wir aber zu unferem Erftaunen fo mißliche Nachrichten über Die argentinifche Repu⸗ blik, durch die Hier mein Weg, querüber durch bie Pampas lag, ed wurden uns folche entſetzliche Ge⸗ fhichten von den jebt empörten Indianern und nad ber dem Echnee ber Eordilleren, die wir gerabe hätten mitten im Winter pafliren müffen, erzählt, daß mein Begleiter die Eache in Verzweiflung auf gab, And feinen Tollar Wette bezahlte. War ich aber vorher noch unentichloffen geweien, fo ſchien «6, als ob mich diefe, fonft keineswegs ermuthigenben Rachrichten erft hartnädig gemacht hätten. Schon in Nordamerika hatte ich erfahren wie oft ſolche Be richte weit entfernter Strecken übertrieben feyen und Manches in der Nähe eine ganz natürliche Färbung befomme, was und, weit davon entlegen, in fabel⸗ hafter Weife auegefhmüdt wurde. Nicht menig ver traute ich dabei auf mein gutes Glück, das mir in früherer Zeit fhon manchmal durchgeholfen, und bad Refultat war, daß ich mit einem kleinen beutfchen Schooner der unter argentinifcher Flagge zufällig im Hafen lag und nad) Buenos Ayres beftimmt war, meint Paſſage abſchloß, und mich fhon am 16. Mai auf diefem nach der argentinifchen Republif hin, einfchiffte

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In den La Plataſtaaten und den weiten Pam⸗ pas Suͤdamerika's lernte und ſah ich mehr, als an Bord eines, von Paſſagieren dicht gedraͤngten Schif⸗ fes, und was die Gefahren betraf ſo beſaß ich zu vielen Leichtſinn, an die eher zu denken, als fle mir wirflich entgegentraten.

Kür alle ſolche übrigens, welche nach mir Luft haben follten biefelbe Tour zu unternehmen, möchte ich eine wohlmeinende Warnung hier beifügen, und biefe befteht darin, ihre Papiere bei guter Zeit fertig zu machen, damit fie nicht im enticheidenden Augen- bli durch irgend eine erbärmliche Kleinigkeit, die ihnen aber förmlich unüberwindliche Echwierigfeiten in ben Weg wirft, aufgehalten werden. Nicht allein muß man nämlich feinen Pag von dem Buenos Ayres Conful viſirt und ebenfalls von der Polizei die Ex laubniß darauf verzeichnet haben, auf einem anderen Schiffe ald mit dem man angefommen, den Hafen wieber verlafien zu dürfen, fondern es ift auch noch eine Erlaubnißfarte nöthig „das Paflagiergut von einem Schiff auf das andere fchaffen zu bürfen,* und befindet fich zufällig ein ‚Gewehr“ bei diefen Effecten, fo fangen Aufenthalt und Koften an ind Yabelhafte zu gehen, denn dad Gewehr muß dann, wenn man nicht andere Mittel und Wege findet dem Rechte fchlendrian zu entgehen, erſt and Ufer gefchafft, und

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ich glaube mit AO Procent verfteuert, und dann erft wieder an dad neugemählte Echiff gebracht werben. Rad zwei Uhr Nachmittags ift aber auch felbft dieß nicht mehr möglihh, und der ganze wie ber nächft- folgende Tag verfäumt, da die Edhiffe nur mit der, bis 10 Uhr etwa wehenden Landbrife auslaufen kön⸗ nen. Ich meinestheild habe ed nur der Freunblich⸗ feit und wirklich aufopfernden Gefälligfeit de Herm Viceconfuld Heymann in Rio Janeiro zu banfen, daß ed mir überhaupt möglich wurde allen Anfor derungen zu genügen, und mit den nöthigen Papieren von Bord des Talidman und an Bord des San Martin zu fommen; eine geraume Zeit meined funzen Aufenthalts in Rio iſt mir aber durch dieſe entfek lichen Weitläufigfeiten wirklich auf das fatalfte ver bittert worben.

In Rio de Janeiro befam unfer Eapitän übrb gend noch mit feinen Pafjagieren, erftlich wegen ber Koft und dann unfreundlichen Betragene wegen, Scandal, und außerdem noch ſämmtliche Capitäne ber dort liegenden beutfchen Echiffe auf den Hals, bab aber einzig und allein durch eine feiner gewöhnlichen Prahlereien.

Um eine etwas fürzere Reife gemacht zu Haben 30g er ſich zwei Tage von der Ueberfahrt ab, ul gab ftatt 49 Tagen nur 47 an. Dabei hatte at

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aber die bäniiche Blokade ganz vergefien, benn ftatt den 24. mußten wir alfo den 26. in See gegangen feyn, und in Rio wußte man noch gar nicht andere, al8 daß an dem Tage die Blofade der Wefer und Elbe wieder vollftändig in Kraft getreten fey. Ca- pitän Meyer Eonnte alfo nicht gut mehr zurüd, und log den Leuten nun eine lange ©efchichte vor, wie er fih durch die dänifchen Kreuzer burchgeftohlen, und. wie ſchlau und vortrefflich ex e8 dabei angefan- gen babe. Damit ftieß er aber ganz unerwarteter Weife in ein noch weit fchlimmeres Wefpenneft, denn hierdurch gerieth er in die materiellen Intereflen der Gapitäne, die in Rio fehnlichft auf Fracht warteten, und nur immer noch durch die ſchwankenden Nach⸗ richten über die bänifche Blofade, ob fie eintreten würde oder nicht, zurüdgehalten waren. Verhielt fi) aber die Sache fo, wie fie Capitaͤn Meyer er- zählte, fo blieb es ja gar feine Trage mehr bie Wefer und Elbe waren blofirt und bie Kaufleute von Rio konnten es für jebt gar nicht riekiren, Ladungen dorthin zu fenden.

Natürlich konnte, bei fo vielen Paſſagieren, ber genaue Tag unferer Abfahrt aber gar nicht lange geheimgehalten werden; der alte Capitaͤn Valentin befam es einmal zufällig in einem Gaſthaus von einem ber Paffagiere heraus, und nun ging das

Wetter los. Ich felber Hatte übrigens zu viel mit meinen eigenen Sachen zu thun mich darum etwa zu fümmerh, und hörte nun, baß fie tüchtig zufammen: gefommen wären.

Der Talisman mußte noch wenigftens eine volle Woche im Hafen bleiben, und da ber San Martin augenblidlich fegelte, hatte ich die Hoffnung Buenos Ayres zu erreichen ehe mein altes Echiff nur wieder in See ging. Dort fonnte ich mich dann einige Wochen aufhalten, und hoffte fo immer noch Valpa⸗ raiſo am ftillen Meere zu erreichen, ehe ber Talidman im Stande war bie oft fehr langwierige Reife um Gap Horn zu beenden. Fuͤr den Fall aber daß mir irgend etwas paflire, oder ich aufgehalten würde, hatte ich vom Cargadeur wie Bapitän bed Talidman das fefte Verfprechen erhalten, daß fie meine Effecten in dem Gefchäft von Lampe, Müller und Fehrmann einfegen wollten, und ich fonnte bann fpäter mit einem andern Heydorn'ſchen Schiffe nah San Fra cisco nachkommen.

3. Sahrt von Rio de Janeiro bis Buenos Ayres.

Den Umftänblichfei en Rio de Janeiro's glüdlich ntgangen meine Bücheflinte mußte ich fogar noch m Bord des San Martin hinüber ſchmuggeln chiffte ih mich am 16. Mai auf biefem Heinen Schooner nach Buenos Ayres ein, und bie erften Tage chien auch ein ziemlich guter Wind unfere furze Fahrt egünftigen zu wollen. Die Reife kann, wenn Alles ufammenftimmt, recht leicht in fünf Tagen zurüd- jelegt werben; hatten wir bieß aber erwartet, fo olten wir uns bald geivaltig getäufcht finden, denn er Wind wurde nur zu bald conträr, und am 21. erwanbelte ein Pampero die ruhig wogende See in ein bildes, flurmgepeitfchtes Meer, auf dem unfere fleine Rupfchaale von Fahrzeug auf das unerbittlichite um⸗ ergeichleudert wurde.

Pampero ift übrigens ein Wort das ber, biefe See Befahrende, gerade zu Genüge zu hören befommt, ind mit dem ich ben beutfchen Lefer (der es fich auf

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59 reften wird und dann allerdings den Schiffen höchft efährlich werden muß.

Unfer fpäterer Lootfe, ein alter Amerikaner, ıgte mir, daß er es fchon erlebt habe, wie ber Jampero auf foldhe Art dreimal in 24 Stunden um en Compaß gewechlelt fey. Die See geht nach bie n Stürmen ungemein hoch und der Aufenthalt in inem Heinen Echooner ift nichts weniger ald anges ehm; man wirb von einer Seite an bie andere ge yorfen, und weder Ruh noch Raft ift zu finden. ft am dritten Tag beruhigt ſich gewöhnlich das Bafler wieder.

Ein folder Pampero jagte une nun am 21., 2. und 23., größtentheild mit Dicht gereeften Se ein und nur mittelmäßig unferen Cours verfol- end, auf der Eee herum, unb- befonders tröftenb yar dabei die Ausjicht, in ganz kurzer Zeit biefen ngenehmen Beſuch erneut zu befommen, ba bie Jamperod um diefe Jahreszeit gewöhnlich mit jedem Rontwechlel, mit Neumond, erftem, letztem Viertel nd Vollmond, alfo den Monat viermal, wieders ehren. Am 25. befierte fich der Wind, und am 26. amen wir in Eicht bes nörblichen La Platasüfere.

Am 27. waren wir in der Mündung bei ber infel Lobos (Seehundsinſel), bie, wie einer meiner lten Lehrer in Leipzig vom Hafen fagte, „ihren

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Namen wirklich mit Recht führt,“ wir fahen Maſſen von Eeehunden in bem jetzt vollflommen ruhigen Waſſer, denn ber Wind farb bald zu völliger Stile ab, und unfer Gapitän verficherte mich, er würde das Boot ausfegen, wenn ich einen ber Seehunde von Bord aus fchießen fonne. Um meine gute Büuͤche⸗ flinte nicht auf der See einzufchmugen und vom Gew waſſer rojten zu laflen, hatte ich bis dahin meiner Jugdluft Gewalt angethan. Die Gelegenheit war aber zu verlodend Seehundsjagd im Rio be la Plata und Wild dazu in Mafle; ich lud, und zwei Seehunde, bie fich gleich nacheinander auf etwa 40 Schritte dem Schiff näherten und das rauhe, aufb Außerfte erftaunte Geficht über Wafler zeigten, büß ten ihre Unvorfichtigfeit mit dem Tode. Raſch wurbe nun das kleine Boot ausgefept, ehe wir aber zu ben Erlegten hinfommen konnten, waren fie ſchon gefunfen.

Ich Schoß jept noch nacheinander ſechs Stüch, meift in den Kopf, ohne aber im Etande zu feyn, auch nur einen einzigen ind Boot zu befommen; ben fiebten traf ich endlich, um ihn nicht gleich zu töbten, weil fie dann augenblidlich wegfanten, in den Halß, und als unfer Boot, während das verwundete und balbbetäubte Thier auf dem Waſſer herumichlug, bicht an ihn Hinanglitt, fchleuberte der vorn im Bug flo bende Matrofe die zu biefem Zweck fchon bereit

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gehaltene Harpune auf ben Sinfenden. Das war aber gerade fo, als ob er das Eifen auf einen Wollfad geworfen hätte, es ging gar nicht durch bie weiche, elaftifche, aber auch zähe Haut, und wäre ber tödt⸗ lich Getroffene nicht noch einmal felber an die Ober: fläche gefommen, wir hätten ihn ebenfall® verloren, fo aber erwifchte ihn der Eteuermann noch glücklich an einer Floße und wir holten ihn über Bord. Es war ein tüchtiger Burſche und trug eine vortreffliche Haut.

Den ganzen Nachmittag hatte ſich Fein Lüftchen geregt; die See, oder hier vielmehr die freilich ganz der See gleichende Mündung der La ‘Plata lag fpies gelglatt und unbewegt, und ber Himmel fah fo rein aus, ald ob er im Leben feine Wolfe getragen ober je wieder dulden würde, daß eine foldhe feine Klars heit verbüftern folle. Erſt jetzt, als es gegen Abend ging, erhob ſich ein leifer, leifer Luftzug, und bie Richtung, aus ber dieſer wehte, wie die Art, wie er ſich raſch veränderte, gefiel unferem Capitän, ber biefed böfe Waſſer fchon. lange befahren, fo wenig, daß er und augenblidlih mit dem Sprachrohr zus brüllte, an Bord zu kommen.

Wir hatten und indeflen, eifrig mit den See bunden beichäftigt, den Henker darum gefümmert, wie es fonft um uns ausfah, wenn ſich aber auch

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noch fein gefährliches Anzeigen bliden ließ, wußten wir doch Alle zu gut, wie raſch das auf See ein treten fann, und an Bord ift in ſolchem Falle aud ber Barometer ein vortrefflicher Warner, ber fchon manches Segel, ja manches ganze Schiff gerettet hat. Ohne alfo auch weiter nur einen Moment zu fäw men, ja ohne nur noch einen Echuß auf hie und ba emportauchende Eeehunde zu thun, mit denen wir und doch nun nicht weiter aufhalten durften, ruber ten wir zum Schiff zurüd, fo raſch uns die, vom vier Fräftigen Matrofen geführten Riemen bringen fonnten, und faum dort angelangt, folgte auch ſchon ein raſch gegebener Befehl dem anderen. Das Boot wurde zuerſt wieder durch fämmtliche Mannſchaft an Bord genommen, und ber Eeehund blieb für jegt

unbeacdhtet darin liegen. Der Gapitän hatte inbefin

noch einmal nach bem Barometer gefehen, und Be leichteren Eegel kamen gleich darauf herunter, bas Marsjegel wurde gereeft, und wir waren kaum be mit fertig, als raſch und drohend von Weiten her eine dunkle Wolkenſchicht aufftieg und der Wind uw gleich ziemlich fcharf von Norten an zu wehen fing

Beſſerer Zeichen bedurfte es nicht. Das große Segel wurde jegt ebenfalld, das Marsfegel dicht ge reeft, das mainsail ganz jeft gemacht, und nun ging ber Tanz wieder los. Noch war's nicht dunkel

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geworben, als fi der Wind nad) Rordweſt, dann gegen Weften berumfchlug, und bald pfiff wieder, vom fluthenden Regen begleitet, ein fo wüthender Pampero über ben weiten Strom dahin, daß ber Eturm durch die Blöde und Taue heulte, die Eee mehr und mehr aufgerüttelt, ihre weißen Kämme in einem wahren Spritzſchaum über bie Fläche fanbte und die kleine Infel, in deren Nähe wir heute herum- geſchwommen, ſchon lange wieder unferen Bliden entfehwunden war. -

Die ganze Nacht dauerte es fo fort; ich wurbe zweimal aus ber nur mit einer fehr niederen Schut- wand verfehenen Coje geworfen, ja felbft ber naͤchſte Tag bot und wenig Beflered. Der eigentliche Pam⸗ pero, wie der erfte und tollite Anjturm des Wetter genannt wird, hatte ſich allerdings in etwas gelegt, aber ed wehte doch noch troßdem ein ganz anftän- diger Sturm, und unfer kleines Fahrzeug arbeitete auf eine verzweifelte Weife in den aufgerüttelten Wogen umher, die den Mitteltheil beffelben fortwaͤh⸗ rend bededt hielten, und beim Auf- und Niederftei- gen ihre klare, perlende Fluth fogar bis dicht an's jiemlich erhöht liegende Steuer fpülten.

Der Ean Martin früher „Earl Heinrich” und jest nun umgetauft, weil er unter argentinifcher Blagge fuhr, war, was die Seeleute ein „tüchtiges

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noch fein gefährliche Anzeigen bliden ließ, wußten wir doch Alle zu gut, wie raſch das auf See ein, treten fann, und an Bord ift in ſolchem Galle aud) ber Barometer ein vortrefflicher Warner, ber ſchon manches Segel, ja manches ganze Schiff gerettet hat. Ohne alfo auch weiter nur einen Moment zu fäus men, ja ohne nur noch einen Schuß auf hie und ba emportauchende Eeehunde zu thun, mit denen wir und doch nun nicht weiter aufhalten durften, ruber ten wir zum Edhiff zurüd, fo raſch und die, von vier Fräftigen Matroſen geführten Riemen bringen fonnten, und faum dort angelangt, folgte auch ſchon ein raſch gegebener Befehl dem anderen. Das Boot wurde zuerſt wieder durch fämmtliche Diannichaft an Bord genommen, und ber Eeehund blieb für jept unbeachtet darin liegen. Der Capitän hatte indeſſen noch einmal nad) dem Barometer gefehen, und be leichteren Eegel kamen gleich darauf herunter, das Marsfegel wurbe gereeft, und wir waren faum bw mit fertig, ald raſch und drohend von Weſten her eine dunfle Wolfenfchicht aufitieg und der Wind jw gleich ziemlich fcharf von Norden an zu wehen fing

Beſſerer Zeichen bedurfte e& nicht. Das große Segel wurde jebt ebenfalls, das Marsfegel dicht ge reeft, das mainsail ganz feft gemacht, und nun ging ber Tanz wieder los. Noch war's nicht dunkel

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eworbden, als fjich der Wind nach Nordweit, dann egen Welten berumfchlug, und bald pfiff wieder, om fluthenden Regen begleitet, ein fo wüthender Bampero über den weiten Strom dahin, daß ber Sturm durch die Blöde und Taue heulte, die See nehr und mehr aufgerüttelt, ihre weißen Kämme in inem wahren Spritzſchaum über die Fläche fandte ind die Kleine Infel, in deren Nähe wir heute herum- ſeſchwommen, ſchon lange wieder unferen Bliden ntfchwunden war. -

Die ganze Nacht dauerte es fo fort; ich wurbe weimal aus ber nur mit einer fehr niederen Schutz⸗ vand verfehenen Coje geworfen, ja felbft ber naͤchſte Tag bot und wenig Beflered. Der eigentliche Pams yero, wie der erfte und tollite Anfturm bes Wetters jenannt wird, hatte ſich allerdings in etwas gelegt, ıber es wehte Doch noch tropdem ein ganz anftän- ger Eturm, und unfer Fleined Fahrzeug arbeitete nuf eine verzweifelte Weife in den aufgerüttelten Wogen umher, die ben Mitteltheil beffelben fortwäh- send bebedt hielten, und beim Auf- und Nieberftei- jen ihre klare, perlende Fluth fogar bis dicht an's ſiemlich erhöht liegende Steuer fpülten.

Der Ean Martin früher „Carl Heinrich“ und jest nun umgetauft, weil er unter argentinifcher Blagge fuhr, war, was die Seeleute ein „tüchtiges

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Seeboot“ nennen, und fegelte beſonders gut; bieß fonnte aber natürlich nicht verhindern, daß das Fleine Ding von ber hochgehenden Eee auf das unbarm⸗ herzigfte umbergeworfen wurde, und wir felber flogen in ber Cafjüte, wenn man fich nicht wirklich aus Leibesfräften fefthielt, bald aus biefer Ede in jene, mit dem einzigen Bortheil, daß man nie an feine alte Etelle zurüdzugehen brauchte, weil uns bie naͤchſte Bewegung gewöhnlich fchon felber dorthin, oder doch in die nächfte Nähe, zurückb rachte. Beim Eſſen lag, wie bei allen Echiffen in ſchlechtem Wetter, ein Geitell von Duerleiften auf dem Tiſch, die Teller am Hinunterrutfchen zu verhindern. Das unfere war gute zwei ZoU hoch, und doch fprangen fie oft baw über hin. Keinen Löffel Euppe fonnte man ale w | rungen betrachten, bis er nicht wirklich binunterge [hludt war, und wenn man bei Tiſch fühn genug feyn wollte, mit beiden Händen zu eflen, fo mußte man ſich wenigitens indeflen mit ben Beinen fe halten. Es war eine traurige Eriftenz und ber Wind blie uns dabei fo in bie Zähne, daß wir nicht allein gar feinen Sortgang machen fonnten, fondern im Gegen theil wieder weit zurüd und in Eee hinausgetrieben wurden. Seevögel gab es hier in faft unglaublicher Menge.

Wegen bed Kriegs zwiſchen Buenos Ayres und

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Montevideo, wobei Rofas die Stabt Montevideo von. der Lanbfeite her feft eingefchloffen hielt, konnten biefe feine Provifionen und befonders Fein Fleifch aus dem inneren Lande befommen, und zahlreiche Fahrzeuge waren befchäftigt geweien, Rinder von Rio Grande aus Brafilien nad) Montevideo hinaufzuführen. Der San Martin war ebenfalls früher zu diefem Gefchäfte verwendet worden, ehe er Die argentinifche Flagge führte. Diefe Kleinen Schooner wurben nun nicht felten, von einem tüchtigen Pampero überrafcht, ges nöthigt, ihr Vieh über Bord zu werfen, und da auch ſelbſt auf glüdlichen Reifen einzelne Stüde immer daraufgingen, fo trieben faft ununterbrochen todte Rins der in der Mündung bed Stromes herum. Dadurch aber hatte ſich eine wahre Unmafle von Seevögeln . hierhergezogen; Albatroffe, Captauben und Gott weiß, wie viel verfchiedene Arten von großen und feinen Möven, fo daß fie manchmal zu Taufenden über bie aufgerüttelten Wogen ftrichen und das Schiff fort- während kreiſchend umzogen.

Am zweiten Tage des Sturms hatten wir ein eigenes Echaufpiel, das ich im Leben nicht vergeflen werde. Die See ging fehr hoch, der heulende Weft peitfchte noch toll und wild hinein und das Heine fhwergeladene Fahrzeug Capitän Haufchild kam mit Salz von den capverbifchen Infeln ächzte und

GerRäder, Reifen, 1. 5

66 arbeitete mühfelig gegen die immer neu herandrängen ben Waflermafien an, als der Ruf eines, vom auf ber Bad ftehenden Matrofen unſere Aufmerkſamkeit borthin lenkte. Der Mann fah leichenblaß aus und beutete nach vorm, vor dem Bug aber ſchwamm auf ben Wogen ein großes hölgerne® Kreuz, das die ev regte Fluth irgendwo vom Lande mußte losgeriſſen haben, und gerade jebt hob es die andrängende Well aufrecht empor, daß es faft fenfrecht gerade vor bem Bug des Schiffes ftand im naͤchſten Augenblid verſchwand es, bie Fluth trug es unter oder neben uns hin, ohne baß wir es bemerften, und wenige Secunden fpäter flieg es bicht hinter uns wieder aufrecht in berfelben Art empor.

Mer abergläubifch gemefen wäre, hätte das allew dinge gar leicht für ein böfes Omen halten können, und überbieß ift ber La Plata, über den nur, felbf bie jept noch, fehr unvolllommene Karten eriftiren, mit feinen flachen Ufern und gefährlichen Sandbaͤn fen, ein gar böſes Waſſer, das ſchon mancher armen Schiffomannſchaft das Leben gefoftet hat, wir kuͤm merten und aber wenig um das Omen, benn eben wurde bie Leber des fpäter auegefchlachteten See hunde aufgetragen und das frifche Fleiſch voch zu einladend, nicht alle anderen, noch dazu trüben Ge danken zu verfcheuchen.

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Am dritten Tag legte fi) der Sturm zwar, ber Wind drehte aber, ftatt nach dem Süden herumzu⸗ gehen, wie er das nach einem Pampero faft jedesmal thut, nach Norden herum, und faßte uns ba in eine nördlich durch Land abgegrenzte Bai, aus ber wir, gegen Wind und Strömung an, mehre Tage gar nicht herauskreuzen fonnten. Endlich, am 16. Tag unferer Ausfahrt von Rio de Janeiro, erreichten wir die am rechten Ufer. gelegene punta del Indio, ber gerade gegenüber ein Leuchtſchiff anfert, das auch zugleich Lootfen für bie einlaufenden Schiffe an Bord hat. Hier befamen wir ebenfalld einen Lootſen, einen alten Amerifaner,, der feiner Ausfage nach den Fluß auf das genauefte fannte, und uns bald nad) Buenos Ayres zu führen verſprach.

Das zu unterftügen befamen wir noch an dem⸗ felben Nachmittag einen tüchtigen Sübofter, und liefen nun von einer herrlichen Briſe den jetzt ſchon gelb und trüb werdenden breiten Strom hinauf.

Wie ſchon gefagt, ift der La Plata einer der am fhlimmften zu befahrenden Ströme ber Welt; nir⸗ gends bietet fich dem Schiffer eine Landmarf, fein Fahrzeug danach zu fteuern, die Etrömung ift, ber Breite und ber vielen Untiefen des Stromes wegen, ebenfalls unbeftimmt, aber nichts beftoweniger ftark, und die einzige mögliche Art, das Schiff zu führen,

mit dem Loth ober Eenfblei. Ummterbrochen fteht benn auch, von dort an, wo bie eigentlichen Sand bänfe beginnen, ein Mann außen von der Echany kleidung, ber fich exft durch ein feftgefchlagene® Tan vor dem Wegfallen gefichert hat, und wirft das Loth oft Einer an jeder Seite, und danach fteuert ber Lootfe, der den Grund hier fehr genau fennen muß, das Schiff.

Solcher Art liefen wir die ganze Nacht durch, und in der Dunfelheit war es gerabe fein angeneh mes Gefühl, rechts und links Bänke zu wiflen, bie, nur bei ber geringften Bahrläfligfeit, Schiff umd Mannfchaft zu Grunde richten Eonnten.

An dem allen gingen wir aber raſch und ficher vorüber und Morgens um 2 Uhr fahen wir uns ber Außenrhebe von Buenos Ayres, die wir aber nativ lih nur an ben bort vor Anker liegenden Schiffen erfennen fonnten, gerade gegenüber. Die Fluth, von dem Süboften verflärkt, hatte uns dermaßen begim fligt, daß wir zwei Stunden eher nach Buenos Ayreb famen, ehe es ber Lootſe, der und noch viel weiter zurüd glaubte, erwartet hatte, und wir fonnten von Süd fagen, daß uns ber Irrthum beffelben nicht irgendwo auf den Eand feßte.

Wie es war hielten wir vafch ein paar Strich höher, nahmen bie leiten Segel nieder, braßten bie

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m etwas mehr an, und liefen mitten zwiſchen Schiffe hinein, unter denen wir, am erſten güns n Platz angefommen ben Anfer in die Tiefe n ließen.

4. Buenos Ayres und feine Umgebung.

Die Rhede von Buenos Ayres ift nichts weniger als günftig gelegen, denn auf ber inneren können nur Heine Fahrzeuge, bie nicht tiefer als acht Fuß gehen, anfern, während bie äußere wenigftens vier englifche Meilen vom Lande entfernt liegt und bel einem ftarfen Eübofter wie wir ihn gerade uw glüdlicher Weife hatten, die Fahrzeuge faft ebenfogut in offener Eee bleiben fonnten. Cine andere Unaw nehmlichfeit ift die, daß bei einem folchen Wind bie See ebenfallß gegen das flache feljige Ufer ſteht, und durch ihr Branden den Booten großentheild das Law ben unmögli macht ja zu nur etwaß tief gehew den Booten muͤſſen felbit bei ruhigem Wetter befonberd bazu gehaltene Karren hinausfahren, Mannfchaft ober Ladung in Empfang zu nehmen.

Einen vollen Tag lagen wir foldher Art auf be Rhede, mit der Stadt in der Ferne vor und, ohne an Land zu fönnen, und am zweiten Tag wehte &

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noch ebenfo ſtark. Der Capitän, dem bange war, daß fein Ealz im Preife fallen würde (was auch wirklich an demſelben Morgen geichab, denn am vorigen Tag hätte er noch eine vortreffliche Fracht gemacht) wollte fich aber nun unter feiner Bedingung länger zurüdhalten lafien, während ber Lootfe, ber ich bei einer von mir aus Rio mitgenommenen und noch wenig angefprochenen Flaſche Abfynth bene that, erklaͤrte, der Bapitän fönne, wenn ihm das Spaß mache, in foldher See an Land fahren, er felber bliebe aber an Bord. Ich hielt mich natürlich zum Sapitän, denn ich hatte das an Bord herumgeworfen werben herzlich fatt befommen. Unfer Heiner Echoos ner fchaufelte nämlich, felbft auf der Rhede, noch fo ſtark, daß wir ein Segel auffegen mußten, das Fahr⸗ jeug nur in etwas auf ber Seite zu halten, und felbft das wollte nichts helfen.

Als der Lootfe übrigens fah, daß wir wirklich Ernft machten, ſchaͤmte er ſich allein zurüdzubleiben ; das große Boot war indeſſen ausgeſetzt, die Sachen hinein gelaflen, der Feine Maft aufgeftellt, und von gänftigem Winde getrieben, fchoßen wir in unferem feinen Fahrzeug pfeilfchnell über die aufgeregte ſchäu⸗ wende See des gewaltigen Stromes, ber Haupts und Reſidenzſtadt ber argentinifchen Republif, Buenos Ayres, entgegen.

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Im Anfang war ich ziemlich darauf gefaßt ge weien, durch die Eprigwellen, vielleicht gar durch eine übergehende See ordentlich burchnäßt zu werben, wider Erwarten famen wir aber glüdli und ſelbſt ziemlich troden an Land.

Der Wind hatte ebenfalls in der lebten Stunde bedeutend abgenommen, bie Brandung am Ufer lief nad) und ber Steuernde wußte eine Welle fo trefflid zu benutzen baß fie uns, mitten zwifchen ein paar

flache Felsplatten hinein, an eine Etelle an's Ufer

feste, wo wir gefchügt lagen und leicht und verhält nißmäßig troden an Land kommen konnten Aber Buenos Ayres felber?

Haft du dich, Tieber Lefer, wohl fchon einmal recht lebhaft in die Märchen von Taufend und eime Nacht Hinein verſetzt, wo ganz plöplic und umen wartet auf ein einfaches Indiehändefchlagen ober ein anderes hoͤchſt unfchuldiges Zeichen die wunderlichſten Geftalten und Landichaften aus dem Boden Kerauf fteigen und ben Befchauer überrafchen? Haft bu dab, fo wirft bu bir einen ungefähren Begriff von bem Eindrud machen fönnen ben meine Umgebung, bi nun ſchnell um mich her aufftieg, auf mich hervor brachte. Die Ausfiht auf die Stadt war mir bi dahin naͤmlich, da ich Hinten im Boote gefeflen um wir gerade vor dem Wind ber Küfte entgegen lichen,

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ganz durch das breite aufgefpannte Segel entzogen worden, und jest, als biefes fiel, war e8 als ob ein Vorhang niebergerollt wäre um mich mit vorher forgfältig berechnetem Effect zu überrafchen.

Bor mir lag, von ber Brandung befpült, bie fhäumend über loſe hingeſtreute flache Felsblöcke hin⸗ wegſprang und ſprudelte, der Landungeéplatz von Buenos Ayres, und das Ufer wimmelte förmlich von abenteuerlichen, phantaͤſtiſchen Geſtalten. Finſtere, ſcharfgezeichnete und ſonngebräunte Geſichter ſtarrten uͤberall unter ſchwarzen Huͤten und rothen Muͤtzen auf uns hin, und wohin auch das Auge fiel, begeg⸗ nete ihm grelle, bunte, meiſt aber zinnoberrothe Farbe. Die Tracht der Männer erhöhte dabei das Pittoredfe der Barben. Den Kopf bebedt meiſtens eine rothe, ſtets Fed auf einer Seite getragene Müge. Der Poncho oder Mantel (ein viereckiges Stüd Zeug, bucch deſſen aufgefchligte Mitte der Kopf geſteckt wird) fällt in malerifchen Yalten um den Körper nieder, und ift nur gewöhnlich über dem rechten Arm burd) einen Knopf oder Hafen in bie Höhe gehalten, um jenem freie Bewegung zu geftatten. Die Beine fteden barunter in weißen langbefranzten Unterhofen, zwi⸗ ſchen benen wieder ein buntfarbiges Tuch um bie Lenden gegürtet ift, die Yüße meiftene in unge gerbien Kuhs oder Pferdebeinhäuten, auf deren

74 Zubereitung ich fpäter zurüdfommen werde. Eo aub ftaffirt hängt der „Saucho“ auf feinem Pferde, und bie beiden vorn aus bem Hautftiefel fchauenden Zehen in ben kleinen ſchmalen Steigbügel geftügt, die Linke träge auf ben hinten am Sattel befeitigten Laſſo geitemmt, ſchaut er mit ben fcharfen dunflen Augen mürrifch auf den „Fremden“ Hin, wirft fich dann im Eattel herum und fprengt im geitredten Galopp das Ufer entlang.

Doch von dieſem wird der Blid gar bald zu bem übrigen Treiben ber lebendigen Etadt gezogen. Uns zählige Boote fchießen unter ſchwellenden Segeln vom Yande, ober zwilchen ben dort vor Anfer liegenden fleinen Bahrzeugen bin; großmächtige zweiraͤdrige Karren fahren überall in dem feichten Uferwaſſer herum um Ladung und Mannichaft aus ben Fahr zeugen zu nehmen, Die zu tief im Waſſer gehen be fonder& bei der unruhigen See bis dicht and Trodne zu laufen. Bier treibt ein brauner, mit zerrifienem Poncho bededter Junge eine Heerde rauh genug aus⸗ jehender Poneys in den Strom, und gerade vor die bald mitten zwiſchen ihnen hinjchiegenden Boote hinein, dag die Thiere oft Dem raſch Dahergleitenden Bug gar nicht mehr jo Ichnell ausweichen fönnen, um nicht jelten durch Die Wucht des Fahrzeugs umge worfen werden. Tort jtolziren eine Anzahl der wildeh

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und wunbderlihft ausfehenden Soldaten die mir in meinem ganzen Leben noch vorgelommen find, ziem- lich Iäflig vor dem Gebäube bed Hafencapitäns herum. Gleich daneben fingt und jubelt eine Anzahl betrun- fener Matrofen, bie jenes Kriegsichiff da draußen, von beflen Hed ber Bennant flattert, ſchon vor vier Tagen an Land gelaflen hatte, unb jet, trog ben wiederholten Bitten und Drohungen der Officiere noch nicht wieder an Bord befommen fonnte. Kurz, Mer fchen und Wogen drängen und treiben durch einander hin, und das Auge wird nicht fatt, die neuen Bilder in fi aufzunehmen, _

Kaum weniger intereffant ift dabei die wenn aud) nicht an Naturfchönheiten, doch ſonſt an manchen Eigenthümlichkeiten reiche Scenerie. Das Land, wie überhaupt das ganze Ufer bes La Plata, von ber Mündung bis hierher ift flach und bietet nur wenige Hügel, ja felbft Höchft fpärlichen Baumwuchs; Die Bauart der Stabt aber, bie niedrigen Häufer und flachen Dächer, die vergitterten Fenſter und das büftere Roth der Backſteine gibt dem ganzen Platz einen fo befondern Anftrih, daß man ben erften Eindrud dieſer zufammengebrängten Häufermaflen wohl ſchwer⸗ lich vergeflen wird.

Aber auch oben an der Landung haben die nach europäifchem Geſchmack gefleideten Männer eine Aus

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geltinung, bie befondere dem Fremden raſch ins Auge false anb Sehne ganze Aufmerkfamfeit erregt. Die werlluihje Farbe fplelt felbft in ihrem Anzug eine brhenttennbe Wolle, und dient dazu fie als Bürger ber wogendiniiihen Republik zu bezeichnen. Die Bürger br Nepublit müſſen nämlich ben vom Gouverneur Moaſng grarbenen Geſeben nach eine grellrothe Weſte ren of lebeib in ihrem Belieben ſteht ein ahre Land um Den Hut, und in einem Knopfloch in her Wand von eben Der Karbe tragen, am dran die Varije der Republik: »Vina la confedera- warte rrnlvia wmueran los sallajes. asquerosot unten Lauten ame ſcdwarzen Vuchnaben ge Bantto a Vie Verne ander ſich übderall kein Vortancaı wird aheltlli au dem te nicht den A tag nd Bote Ss nd edtite ne weret. em Weltigettieiin ride Wi Angerudt. Nu üe Made Want utabdiygenake weine: zu DB Aeikbigptiie eo mt ie vbi ae a Yet ed situ ht den Dee mr az ien wine Aladdin ln srschär Meurer ee Uetep DET eye tal N tie di Ri: eh

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rgentinifche auch auf Teinen Augenblid vergeflen zu ıflen unter weſſen Gewalt es jept ſteht. Fruͤher hatte z darin wenigftens ein nur höchſt mittelmäßiges Ge- ächtniß, und es ift wohl faum ein Märchen was ir erzählt wurde, daß fich in jener Zeit der haͤu⸗ gen Revolutionen bie Leute, wenn fie morgens aufs achten, nicht felten frugen „wer ift denn num eute Gouverneur" Jept hat fich das geändert, und je Argentiner wiflen für ben Augenblid wer Gous erneur iſt.

Trotzdem aber, daß die Regierung der jungen depublik für jetzt wohl ſtark und ſicher befeſtigt ift, 1 inn man den Staat ſelber doch immer nur als im imtftehen bezeichnen. Bis jetzt hat er ſich, während er ewigen Kriege mit dem Nachbarſtaat Montevideo ur erft ſchwach ausbilden fönnen, der Handel auf em Etrome wurde durch bie Blokade der Engländer nd Franzofen gehemmt, und die Bürger mußten, nflatt zu den nüslichen, einträglichen Befchäftigungen es Bürger und Landmanns, zu Wehr und Waffen reifen. Auch das Volk im Innern war noch zu

Ich fchrieb das vor drei Jahren, ale Rofas noch feft das Kener in Bänden bielt, und er würbe e8 meiner Meinung ach noch halten, hätte er ſich mit der Regierung feiner eigenen depublik begnügt; Montevideo war ihm aber erft ein Dorn im Inge und wurbe dann ein Nagel zu dem Sarge feiner Diktatur.

78 wild und troßig, und fuͤgte fi) nur höchſt ungern und erft nach heftigem Widerftand ben firengen @e fepen, die feiner Willtür hemmend in ben Weg tra ten. Ja felbft die wilden Etämme ber Pampas Indianer fchredten buch ihre rohen Grauſamkeiten und nicht felten tollfühnen Angriffe die fleißigen Land» bebauer zurüd fi weiter ind Innere zu wenben. Sept aber fcheint die fchlimmfte Krifis überfianden, und Die argentinifche Republif geht vielleicht bald und mit rafchen Echritten einer Wohlhabenheit und Vervollfommnung entgeges, die ihr auch ſchon ihrer glüdlichen Lage und ihres gefunden Klima's wegen im reichiten Maße gebührt.

Für jept liegt noch alles im erften Beginnen, nichts faft von allen hier verbrauchten Yabrifaten wird im Lande felber angefertigt, felbft der Bande fieht ſich für feine einfachen Beduͤrfniſſe auf ba Ausland angewieſen. Seine Ponchos werben in Ow ropa gemwebt, feine großen eifernen Sporen ebenden gegoflen, das geringite Kleibungeftüd das ex träg, die Botas ausgenommen, kommt über ba Me herüber, und felbit einzelne eigene Erzeugniffe müfles erft verſandt werden um In anderem als rohen Zw ftand hier benutzt werden zu Fönnen. Hierher gehört befondere bie Wolle, ja fogar das Mferdehaar dad die Tapezierer ber hier fo theuern Arbeit wegen ia

79 Deutſchland oder England Fräufeln laſſen, um 8 her- nach zu ihrem Geſchaͤft zu, verwenden.

Auch den Hortichritt des Ackerbaues hindert ber Mangel an Arbeitern, und ber dadurch unverhältniß- mäßig erhöhte Lohn. Weiter im Innern des Landes fehen fi die Leute nur auf Viehzucht befchränft, und find nicht im Stande die nöthigen Koften an Einfriebigungen und Gräben für anzulegende Selber zu beftreiten, die überhaupt in dem holzarmen Lande ziemlich hoch zu ftehen kommen müflen. Die Ausfuhr der Produfte beweist dieß gbenfalls wie von der Weſtkuͤſte Afrika's werden von hier aus bis jeßt nur Rohftoffe, als da find Häute, Wolle, Talg, Haare x. . ausgeführt, und doch hat das Land alle die Hülfs⸗ quellen bie es einft zu einem ber blühendften der Erde machen müflen.

Es läßt fich dabei denken daß noch nicht viel für Ne Verbeſſerung des Landes felber gefchehen konnte. Dem Hafen fehlt noch ein ordentlicher Leuchtthurm, wie ein Damm ober Ausbau, Damit Boote auch, wa jet hei einem heftigen Sübofter förmlich unmöglich it, vor der Brandung ungehindert landen und löfchen lönnen. Ja der Fluß felber muß fpäter, um bie Echiffe vor den nur zu häufigen und gefährlichen Sandbänfen zu warnen, an noch mehren Stellen mit , Seuchtfeuern und Baken und Tonnen verfehen werben.

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Auch die Straßen der Etabt find fchlecht beleuch und in noch ziemlich trauriger Verfaffung 1 Regenwetter gleichen die meiften flüfligen Moräft und die unförmlichen, aus bem Inneren kommend Wägen tragen viel dazu bei, fie in biefem Zufla zu erhalten.

Ein Staat kann aber nie auch gleich volllomm gefchaffen, er muß ausgebildet werden, unb wenn ii argentinifchen Republik nur ein längerer Zeitram „ber Ruhe bleibt, daß fie fih von den erft kaum übe ftandenen Kriegen und SYeftrengungen erholen fam fo muß fie, mit allen ihr zu Gebote ſtehenden Mittel reißende Fortſchritte machen.

Gouverneur Rofas fcheint dabei gerade der Ma zu feyn, das Fräftige wilde und auch wohl blutbürfig Bolt der Gaucho's felber ein Gaucho aus ihre Mitte, mit al ihren Tugenden und Laſtern ir Zaum zu halten. Er hat fi als Gouverneur be Republik, trog allen Intriguen und offenen Angriffe ber Gegner bis jebt zu behaupten gewußt, er hat ii Indianer ſchon mehrmald gezüchtigt und in ihe Grenzen zurüdgetrieben und dem Land wie beflen Ber fehr mehr Eicherheit gegeben als es je früher, fo we ih darüber hören konnte, gehabt hat. Dabei iſt je endlich nach langem Etreite ein fechömonatlicher Waffen Kiliftand mit Montevideo gefchloflen, ber wohl, wi

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man hier hofft und wünfcht, in einem gütigen Aus⸗ gleih endigen wird. 1 Tas Legte ift dann gehoben was dem Lande feine, bis jett überdieß fchon fo fpär- lihen Bewohner fo gänzlich entzog, daß an manchen Etellen die Eſtancias von ihren Inſaſſen total ent- blößt wurden, daß die Gebäude zerfielen und das Vieh fich in alle Welt zerfireute. Wenn dann noch eine tüchtige Einwanderung (die ſchon jebt von den benachbarten Staaten, befonderd von Rio Grande und Rontevideo begonnen hat), den Eingeborenen zu Hülfe fommt, fo fann ugp muß fi das Land in kinen Erzeugniflen von Jahr zu Jahr beffenf, und man darf ihm wohl eine glüdlihe Zukunft vorher fünden.

Was fein Klima betrifft, fo ift fchen der Name Buenos Ayres (gefunde Luft) eine Art Buͤrgſchaft dafür; die Stadt felbft ift keineswegs unbedeutend, kenn fie zählt über 80,000 Einwohner und die Ge biude find, wenn auch niedrig, doch gänzlich aus

4 Die neueren Creigniffe haben gezeigt, daß jene Hoffe mungen und Wiiniche nicht erfüllt werben follten, ein neuer Kueg bat das Yanb beunruhigt, Roſas, der bis dahin fo ge-

fſirchteie Diktator ift vertrieben, und es kommt jest nur darauf er, cb bie neue Regierung, der es gewiß nicht an gutem Billen fehlen wird ihre eigenen Interefien zu wahren, aud be Kraft bat ihre Abfichten durchzuführen, und fich den Ge⸗ heriem ber Gauchos zu ſichern.

GerRäder, Reifen. L s 6

82 Stein aufgeführt, fo baß Yeueröbrünfte nur h felten vorfommen.

Die Kirchen, von denen e8 eine große Anzah geben fcheint, verleihen mit ihren gemwölbten Kup ber Refidenz ein faft morgenländifches Anſehen, bie fonngebräunten Geftalten der Bewohner auch neswegs wiberfprechen, aber bie rajchen lebend Bewegungen dieſes centaurenartigen Bolfes paflen ı zu dem Bild das wir und gewöhnlid von den ft ernften Eöhnen Muhameds machen, und die der Kirchen predigen den „rechten Glauben.”

Ich habe meinem Tagebuch hier etwas ve griffen, denn ber Lefer kann ſich wohl benfen daß das nicht Alles gleich auf den erften Blid übe für die erften Tage die ic in Buenos Ayres brachte, bleibt mir aber auch nur fehr wenig zu zählen, denn meine Belchäftigung befchränfte großentheild darauf zuerft ein Unterfommen zu fu und dann herumzuhören was bie Leute hier ı meine Abficht, quer durch's Land hin nach PValpaı zu, fagen würben.

Das erfte hatte weiter feine Echwierigfeit, | ich fand in einem englifchen Haus, in welchem gewöhnlich deutſche und daͤniſche Capitaͤne von beiden Rationen befanden fich gerade eine zier bedeutende Anzahl in Buenos Ayres einquartieı

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einem mäßigen Preis Bett und Kofl. Defto feliger fah e8 aber mit dem anderen aus. Die e bie ich frug ob ich die Reife jetzt durch bie pas unternehmen fönnte, fagten einfach nein, es e nicht möglich die Bampasindianer hätten fich be in biefem Augenblid wieder gegen Rofas bet, und durchftreiften die Eteppen nad allen tungen in Banden von 200-300 Mann de ich von ihnen erreicht, und das fen, wie bie ven jept ftünden, faum anders möglich, fo hätte wf fein Erbarmen zu igchnen, es fen feftes. Geſetz ihnen bie jungen Frauen und Maͤdchen mitzu⸗ ppen und den Männern einfach die Hälfe abzu- iden. Käme ich aber auch wirklich nach Mendoza, ı fie aber nicht einmal die Möglichfeit fähen, fo te ich dann dort jedenfalls liegen bleiben, ba ie Gordilleren gerade mitten im Winter, im Jult, te, und dieſe Durch Schnee, um foldhe Jahres Rets, gefchloffen fände ein Verſuch dort berzugehen wäre einfacher Wahnfinn, und id) lieber fehen, daß ih wenn ih doch nun al nad Valparaifo müßte, Paflage auf einem gerade in biefer Zeit abgehenden Echiffe fände, nich ficher und um mäßigen Paſſagepreis id) e 100 Tollar, bis nach Valparaiſo hinüber en würben.

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Hätten mir das nur zwei, ober zehn, ober zwanzig Leute gefagt, fo wäre noch ber Troft dabei geweſen, daß Andere auch eine andere Meinung über die Sache hätten, fo aber waren, wunberbarer Weiſe, Alle gerade in biefer Eache einig, und ich fing in be That ſchon an zu glauben ich hätte irgend ein wahn⸗ finniged Unternehmen vor, von dem ich doch am Ente, wenn ich mir nicht muthwillig wollte den Hals ab» ſchneiden laſſen, abftehen mußte.

Der amerikanifche Gonful, ein Mr. 3. Graham von Ohio, der mir überhaupt mit wirklicher Zeik aufopferung die größten Gefälligfeiten erwies, gab fh felber alle Mühe etwas Gewiſſes oder vielmehr Tröß lichered über die Reife zu erfahren, denn ich hate ihm gefagt ich verlange weiter nichts, als nur einen Menfchen in ber ganzen Etabt zu finden ber mir zugeſtehe daß bie Tour eben möglich wäre. Enblich trieben wir einen alten Epanier ich habe feinen Namen vergrfien auf, der längere Zeit in Mendon felber gewohnt hatte, und biefer, ber auf bie erfe Anfrage Hin ebenfalld nein antwortete, meinte amd ih achſelzuckend, möglich fey es allerdings, aber ih müßte viel Glüd haben.

Biel Glück Hatt’ ih, alfo war die Eade abs gemadht.

Tamit im Reinen, ſchien es, als ob mir ein

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ordentlicher Stein vom Herzen gefallen wäre, und xh fonnte mich nun in voller Ruhe al den fremden wunderlihen Eindrüden hingeben, bie biefe fremde und wunberliche Umgebung auf mid” machte. Was ih jezt auch noch gegen bie Reife felber hörte, bes kadıtete ich vom richtigen Gefichtspunft aus und ließ tie Leute eben reden.

Vor allen Dingen beichäftigte ich mich nun da⸗ mit, meine furze Zeit in Buenos Ayres auch fo gut {3 möglich anzuwenden, und fo viel ich konnte über Ne Berhältniffe der Deutſchen dort, oder überhaupt kr Fremden, in Bezug ber Auswanderung zu hören. Im Auftrag hierzu von unferem früheren beutfchen Reiheminifterium (wenn Die Deutfchen Doch wes nigſens nie vergeflen wollten, baß fie einmal ein Reihsminifterium hatten) fuchte ich auch direkt dom Präfidenten ber Republif zu erfahren, in wie weit er beutfche Einwanderung begünftigen würde, ud machte mehre Kleine Streifzüge in bie nächte Kühe der Etabt, bie dortigen Eſtancias und Ans Manzungen felber zu fehen, wie etwas Näheres über Ike Bearbeitung und ihren Fortgang zu hören.

Ehe ich jedoch dazu übergehe, will ich mich in ein War Morten noch mit der Stadt felber beichäftigen.

Buenos Ayres ift eine längs dem Fluß in regel- wißigen Blöden und breiten Straßen vortrefflich

86 ausgelegte Stadt, die einen fehr bedeutenden Ylächen raum einnimmt, unb eine doppelt fo große Zahl ve Einwohnern in fich faflen Fönnte, wäre nicht bi weitläufige fpanifche Bauart mit ben niederen © bäuden und Iuftigen Hofräumen, mehr auf das warm Klima als darauf berechnet, eine Mafle von Seele ober vielmehr Körpern, in einen möglichft Feine Raum zufammen zu drängen.

Die Tracht der Einwohner ift eine wunderlich Mifchung von Franzöfifh, Spanifh und Indianifl die gebildetere Klaffe wie die Fremden tragen Di franzoͤſiſche Tracht rad, Oberrod, lange Bein fleider und fchwarzen Hut, bie Argentiner nur eber mit dem parriotifchen Zufag ber rothen Weite uml bem rothen Hutband, dennoch aber, und befonben beim Reiten, auch dem des Poncho. Da ich dieſe Poncho aber, bei einem längeren Aufenthalt in Süb amerifa, wohl ziemlich häufig erwähnen werde, iR di vielleicht beffer ihn hier gleich fo kurz, aber auch I genau al8 möglich, zu befchreiben.

Der Poncho ift, aus den verfchiebenartigiten Stef fen von ber feinften Weberei nieder bis zu be gewöhnlichften wollenen Dede hinunter verfertigt, ei . länglich vierediges Stück Zeug, mit einem Sclig i ber Mitte, gerade groß genug, ben Kopf hindurch 5 laffen. Er hängt in Falten über die Schultern hi

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unter, wirb aber beim Reiten, befonder® wenn ber Reitende feinen Laflo zum Gebrauch fertig hält, auf der rechten Schulter in die Höhe genommen und feft genöpft, den rechten Arm frei zu laflen.

Der Gaucho und Peon oder Diener, felbft bie meiften Abtheilungen der Soldaten, wenigftens bie ganze Cavallerie tragen dieſen Poncho, und darunter, Ratt der Hofen Die fogenannte cheripa, ein bem Poncho ähnliches Stud Tuch, das hinten am Gürtel befeftigt ift, und zwifchen den Knieen durch, vorn zum Gürtel heraufgezogen und dort eingeftedt wird.

Die Füße der unteren Klafien, natürlich nur bie der Männer, fteden in Stüden ungegerbter Haut, die fie den Beinen junger Pferde und Rinder nur eben abgeftreift haben, fie auf die eigenen Füße zu eben. Die Haare werden mit ihren feharfen Mef- fern herunterrafirt und das Fell dann durch Del ge- ſchmeidig erhalten.

Die Tracht der Frauen ift meift fpanifch, wenig- Rens gibt ihnen die Mantille ein folches Ausfehen, obgleich die Tamen der argentinischen Reſidenz, felbit den Franzöſinnen nicht in gefchmadvoller Toilette nachſtehen würden.

Merkwürdig für den Fremden, und für mich bes ſonders ungemein intereffant, ift das Leben und Trei⸗ ben in ben Straßen felber. Die wilden Geftalten

ber Gauchos mit ihren flatternden Ponchos u Kopftüchern die großen unbehülflichen Wägen, b von Ochfen gezogen, mit ihren zwei riefigen, oft ze Fuß hohen Riemen ummidelten Rädern durch Stadt rollen die Gauchojungen, die Morgens ı ihren zwei Milchblechen auf dem Pferd, das ei nadte Bein herunterhängend, das andere auf Eattel gezogen, zu Markt fommen Die zerlump! Eoldaten, die vor den öffentlichen Gebäuden Wa fiehen Die vorherrſchend grell rothe Farbe | ganzen Bevölferung die langen, freilich verke nen Meffer in den Gürteln bie niederen Häu Dabei und vergitterten Fenſter, das Alles glitt n oft wie die wunderlichen Bilder einer Laterna mag vor den Augen vorüber und ich freute mich da wohl im Etillen, daß ih da wirflidh mitten bi fite in al dem Schaffen und Treiben, und fo recht hineinftürmen dürfe in das freie fröhlü Leben.

Was nun die Bergnügungen ber Etadt | trifft, fo bin ich freilich nicht im Stande viel daruͤl zu fagen meine Zeit war mir dort viel zu fna zugemeflen, mich biefem überlaffen zu Dürfen, u nur einer Defchreibung nach, kann man in foldye et nicht genug. eingeweiht werden, dem Leſer wiel einen beutlichen Begriff zurüdgeben zu fonnen. T

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wenige, was ich aber darüber weiß, ſoll ihm nicht vorenthalten bleiben.

Buenos Ayres Hat zwei, und wie e8 heißt, fehr gut befuchte Theater, das eine das PVictoriatheater, ſoll eine recht tüchtige Oper befigen, das andere bringt Schauſpiele, verfchmäht e& aber auch nicht, Taſchen⸗ fpieler und Eeiltänzer in feine Räume und ben Kreis feiner Wirkſamkeit aufzunehmen.

- Aber felbft im Theater entgehen die Argentiner nicht der Devife, bei der es nur fehlt, daß fie bie der auch noch mit auf Die einzelnen Bröbchen truden müßten. Viva la confederacion Argen- lina etc.

Bor jedem Stück nämlich Oper, Schau⸗- ober - Luſtſpiel, mag ed nun in Amerifa, Aften oder Europa film, muß ber Vorhang, ehe es felber beginnt, aufgezogen werben dann ftehen fümmtliche Spie⸗ Imde auf der Bühne, die Hauptperfonen voran, ber Chor Hinter ihnen (ſaͤmmtlich im Coftüm) und bie erſteren rufen nun mit lauter Stimme:

Hauptperfonen: Viva la confederacion Argentina worauf der Ehor einfällt,

Eher: Viva!

Sauptperfonen: Mueran los salvajes Unitarios!

Chor: Mueran.

Dann fällt der Vorhang, es entfteht eine kleine

90 Pauſe, und das Etüd Tann nun, nachdem bas Publikum vecht in ben Geift befielben hineinverſetzt ift, beginnen. !

Buenos Ayres erfreut fi auch neben biefen Theatern ober erfreute fich wenigftens damals, eines Puppen» ober Marionettenfpield mit berfelben entfeglichen Devife über dem grob gemalten Borhang und bderfelben Verpflichtung gegen das Geſet, nad der felbft die Marlonetten vor dem Beginn „aufge treten werben müflen“ und ihre Leiter hinter ben Goulifien mit lauter Etimme rufen Viva la con- foderacion mueran los salvajes Unitarios.

Es eriftirt in der Stadt ein Lefeclub, der auch beutfche, franzöfifche, engliſche und portugiefifche Zei: tungen hält. In Buenos Ayres felber erfcheinen vier Zeitungen, brei fpanifche und eine englifche „The Britiſh Padet” aber unter diefen fein einziged eigentliche8 Localblatt. Am wunderlichiten iſt übrigens in dem Leſecirkel die Deutfche Literatur vertreten.

Ewas Achnlichee habe ich Übrigens auch fräter einmel in Sidney geieben, wo die engliſchen Echauipieler bei einer be- jender® feierlichen Gelegenheit ebenfalle nach Art der Argentimer vor dem Aufang Des Stückes und in vellem Coſtüm in Maſſe beraustraten und ihr God save Ihe qucen fangen. Belon- dere rũhrend made fib dieß, da in tiefen loyalen Bunih feibt ein Chor von „Seeräubern“ (in Balfe's Oper Ihe es- chantress) mit einftunmten.

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Die in dem Anfchlagzettel verzeichneten Sournale find: Augsburger Allgemeine Zeitung, Börfenhalle, Kri⸗ tifche Blätter, Preußifche Zeitung der Freifchüß, Eiberfelder Zeitung, Deutfcher Freihafen und Berliner Zeitung. Bon diefen find aber nicht da: Augsburger Allgemeine Zeitung, Preußifche Zeitung, Deutſcher Sreihafen und Berliner Zeitung; nur ber Freifhüg und die Börfenhalle fommen regelmäßig. Außerdem lagen noch auf dem Tifch, ohne angezeigt zu feyn: bie Grenzboten, die Sliegenden Blätter und die Düffel- borfer Hefte. Bon englifchen Zeitungen wird, außer verfchiedenen Magazines und Reviews, die Times, Morning Chronicle, Illuſtrated London News, Lon⸗ don Price Current, Lloyds Lit, Spectator, Gore General Abdvertifer, Eraminer und ber Liverpool Mercury, Liverpool Albion und Liverpool Times gehalten. Bon den franzöfifchen Blättern ftehen an- gezeigt: Journal des Debats, Journal du Havre, Democratie, Le Cabinet be lecture, Revue de Paris, La Reform, Le Eiecle, La Prefie, Moniteur Unis verfelle; Le Rational, Union, L'Illuſtration. Doch fehlten auch hiervon einige.

Was die hiefige deutſche Literatur betrifft, fo fieht es mit ber traurig genug aus; an eine beutfche Zeitung iſt gar fein Gebanfe, und ſelbſt beutiche Bücher find nur in fehr wenigen und meift zufällig

92 - hierher verfchlagenen Eremplaren bei zwei deutſchen Yuchbindern, Herren Remife und Kaifer, zu haben. Viel würde von diefen allerdings nicht an Deutiche abgefeßt werben, benn der Handwerkerſtand liest leider fehr wenig und fauft noch weniger Bücher, Manches würde aber doch Abnahme finden, unb jedenfall8 verdiente diefer Gefchäftszweig etwas mehr Aufmerkſamkeit.

Gleich in den erſten Tagen machte ich einen Heinen Abſtecher in die naͤchſte Umgebung der Stabt, einige Deutſche, die in ber Naͤhe ihre Eſtancias haben follten, zu befuchen, und felber einmal mit eigenen Augen dieſe füdamerifanifchen Farmen zu fehen, von denen ich fo Mandıes gehört, und doch noch feinen rechten Begriff befommen hatte.

Mein Begleiter war ein Heiner deutfcher Bauer, feinen Namen habe ich vergeilen, nichts komiſcheres gab es aber, als ihn oben auf feinem riejigen Pferd fauern zu ſehen, und beim Trab fürchtete ich mehre male, daß e8 ihn förmlich auseinander fchütteln würde. Er kannte aber die ganze Nachbarſchaft, und brachte mich zu einigen feiner Bekannten, mit Denen er vor achtzehn oder zwanzig Jahren über See gefommen war, und die ſich hier meiftend in vortrefflichen Umftänden befunden.

Die Umgegend von Buenos Ayres bietet, außer

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dem breiten ſchönen Strom mit ſeiner Menge von Maſten, deſſen gegenuͤberliegende Ufer nur manchmal bei ſehr hellem Wetter ſichtbar ſeyn ſollen, ſehr wenig Pittoreskes; trotz dem iſt die Natur auch in dieſer Geſtalt ſchön, und beſonders feſſelt manche Eigen⸗ thuͤmlichkeit das Auge des Europaͤers. Zu dieſen gehören die Einfriedigungen der Gaͤrten und kleineren Felder nahe bei der Etadt, Die des großen Holz mangels wegen meiftend aus Dicht aneinander ges pflanzten wuchernden Aloes und Cactus beftehen. Vorzüglich Ichön fehen die Aloes aus mit ihren rie- figen fleifchigen Blättern und ben oft bis über 24 Fuß hoch aufgefchoffenen Blüthenftengeln (jebt leider nicht in der Blüthe), und fo Dicht Drängen fie zu- fammen, daß ein Pferd oder Rind wohl nicht leicht den Durchgang wagt, ein Menich fich aber erft eine Dahn hindurch fchneiden oder hauen müßte. Auf ſolchen Einbruch ſteht jedoch Todesſtrafe, und bie Geſetze laſſen hier nicht mit fich fpaßen.

Mitten zwiſchen ſolchen Gärten und Heden ritten wir hin, vergebens aber fuchte das Auge einen or⸗ dentlihen anftändigen Baum, ber eine Abwechslung in die grengenlofe Fläche brachte; nur kleines niederes Gefträuh, Weiden und derartiges Buſchwerk begegs nete dem Blick, und die Bluͤthenſtengel der Aloe reichten hoch uͤber dieſe hinaus.

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In dem Deutichen, Herm —, befien Farm wir hauptfächlich befuchen wollten, fanden wir einen freundlichen gefälligen Mann, der uns bereitwillig feine ganze Einrichtung, wie Felder und Wirthichaft zeigte.

Alles was er gepflanzt hatte fchien vortrefflich zu gedeihen, die Felder und Holzpflanzungen waren mit Aloe bicht umzäunt und gegen das Eindringen ber Thiere vollflommen gefichert, er hatte tüchtige Pferde, einen, aber natürlich draußen weidenden ſehr guten Vichbeftand, und z0g durch die Nähe ber Etadt fhon durch Mil und Butter einen nicht unbebew tenben pecuniären Nutzen.

Der Mann war aber aud in anderer Hinfict ein ächter amerifanifcher Farmer geworden, und hätte fih feinen Brüdern in Rordamerifa ohne weiters anreihen fönnen er fchimpfte aus Leibeöfräften ayf die Deutichen und meinte, dieſe follten nur um Gottes Willen nicht auswandern oder nah Eüb amerifa fommen, denn arbeiten wollten fie doch nicht, und zum zuguden brauchten fie Niemanden mehr, ba hätten fie gerade genug. Er beichäftigte auch eine Anzahl yon Epaniern auf feinem Grundſtück Ein zelne warfen Gräben aus, an denen hier die Cactus und Aloeheden gepflanzt werden, Andere entnahmen ben dichten Reihen ber lebteren junge Echößlinge,

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neue Echupfenzen damit anzulegen ; wieder Anbere bieben junge Pfirfichftämme ab, und banden fie zu einer beftimmten Größe von Bündeln, zum Verkauf in die Stadt zufammen, denn fo arm iſt dieſer Theil der Welt an Holz, daß wirklich Pfirſichholz, nur zu dieſem Zweck angebaut, den größten Theil bes Brennmateriald liefert. Nirgends beichäftigte er aber Deutfche und verficherte uns, wenn er auch einmal einen deutfchen Arbeiter Friegte, fo verdienten fie gewöhnlich das Brod nicht, denn erſtens wollten fie nicht arbeiten, und dann forderten fie den drei⸗ doppelten Lohn von dem, was er dem fleißigften Epanier gäbe.

Ich konnte natürlich nicht unterfuchen ob ber Mann recht hatte, jedenfalls war aber feine Klage, . wenn auch wohl hie und da begründet, doch im All- gemeinen übertrieben. Die Leute bie ſchon in Deutfch- land nie gearbeitet haben, und nun mit den ertras vaganteften Ermartungen nach einem fremden Welttheil auswandern, mögen natürlidy dort ebenfalls nichts ttun, ja felbft die arbeitende Klaffe hat ſich meift immer fo eine Heine Beihoffinung mitgebracht, nad) der es in dem fremben Welttheil doch wohl ein Bis⸗ ben leichter für die Eehnen gehen könnte, ale in dem alten Vaterland wenn fie das auch eben nicht deutlich ausfpricht, und iſt dann im Anfang

eben nicht angenehm überrafcht, wenn fie das nich beftätigt findet; dieſe Legteren richten ſich aber gar bald auch in das Alte Gewohnte wieder ein, und werden gute Arbeiter und Landbebauer.

Von dort ritten wir noch nach einigen anderen Eftanciad hinüber, bei denen wir aber bie Eigen⸗ thümer nicht felber auffuchten, und famen zulegt au ein altes wunberliches Gebäude das, wie mir mein Geleitemann fagte, in früherer alter Zeit einmal eine Kirche und ein Klofter gewefen fey, für Die Deutfchen hier aber audy noch in anderer Beziehung wichtig und intereffant wäre, ba es ben bamald von Roſas herübergegogenen Einmanderern für längere Zeit zum Durch Die Regierung angerwiefenen Aufenthalt gedient hätte. Diefe deutfchen Arbeiter follten nämlich gerade in eher Periode eingetroffen feyn, wo fie der Gou⸗ verneur, mitten in ber politifhen Aufregung, un möglich gleich unterbringen und verwenden konnte er hatte nicht einmal Arbeit für fie, wie trefilich ı fi) aber damals gegen die Deutſchen benomm hätte, konnte der alte Burſche nicht genug ruhm Ihnen murde nicht allein das alte Klofter zum Aufe haltsort angewiefen mit ben nöthigen Provijionen Frau und Kind, nein die Männer befamen auch ihren trefflichen TZagelohn ausbezahlt, ohne daß fie nur zu irgend einer Arbeit aufgefordert gewefen w

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„Das waren Zeiten” rief mein alter Deutfcher, und hielt fein Pferd an, fich beim Reiten, denn fein Thier trabte ein wenig hart, nicht vielleicht einmal aus Berfehen bie Zunge abzubeißen, „das waren Zeiten, alle Tage unfer gutes Eſſen, dreimal fo gut wie wir's in Deutichland gehabt, und unfer Tage- lohn, viermal fo viel wie wir hätten dort verdienen fonnen und „gar nifcht“ dabei zu thun und das dauerte viele Monate da haben wir und von ber Seereiſe recht erholen können und wie wir ja nachher was fchaffen follten, da konnte man ſich auch noch immer mit größter Bequemlichkeit Drum herum drücken, aber ber Lohn ging fort.“

Eine ebenfo nütliche Bevölkerung ſchien Roſas jest darin zu halten, eine Anzahl der leeren Zellen war nämlich von einem Echwarm Pampasindianern Angenommen, bie von Rofas befiegt und gefangen genommen, bier von ihm friedlich gehalten und er⸗ nährt wurben.

Ob er selber fo friedlich gegen biefe, ihm ſtets leinblich gefinnten und blutbürftigen Etämme dachte, will ich dahingeftellt ſeyn laſſen, aber ex durfte bie tahfüchtigen Horben, benen das ganze Innere feines Landes preisgegeben lag, auch nicht unnöthig reizen md zur Vergeltung treiben, und befhalb wurden

diefe Kinder der Steppe hier in ihrer Sefangenfiaft, Ge rpader, Reifen. 1.

98 in ber fie aber anfcheinend ganz frei herumgingen fo gut und nachſichtig behandelt wie nur irgen! möglich.

Dicht an der Etadt follte noch ein ähnliches abeı viel ſtaͤrkeres indianifche® Lager des nämlichen Etam mes ſeyn, ber ebenfall® den Platz nicht wieder ver laflen durfte.

Es war eine, nicht fehr große, aber gedrängt fräftig musfulöfe Menfchenrace den nordamerifanifchen Indianern, befonderd in Haar und Farbe gar nicht unähnlich und um die einzelnen, in dem weiten Hof raume errichteten Lagerfeuer fauerten bie verfchiebenen Bamilien, ihrer Mahlzeit entgegenharrend. Die Män . ner fanden dabei oft auf, und ſchritten gravitaͤtiſch, in ihre Deden gefchlagen, in den ©ängen herum, während die Frauen die Heinen dürftigen euer mw fammenfhürten und in Oluth zu halten fuchten, dw mit das dicht daran gehangene Fleiſch wenigſtens in etwas burchbraten und gar werbe.

In ihren Zimmern, wenn eine Art offener Exälle überhaupt fo genannt werben kann, fah es ebenfalt wilb genug aus bie Lagerftätten, meift von Bam busftöden hergerichtet, waren etwas vom Boden er höht ein eigener Luxus ben fie hier mit dem Schlafen trieben; ein paar wollene Deden und felbP gewebte Ponchos und Eheripas bildeten das gan

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ve .

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übrige Ameublement, denn fie wurden zugleich zu Tiſchen wie Stühlen verwandt; man hätte denn noch ein paar Pferdefhädel dazu rechnen wollen, die den Familienvätern zu Lehnfefleln zu dienen fchienen.. Das ganze Gebäude fah dabei wild und fehaurig genug aus nicht ein einziges Fenſter war noch mit einem gefunden Schalter verfehen bie Thüren Bingen theils hie und da in einer Angel, und fchlen- terten und Flapperten mit dem Luftzug hin und wieder, oder waren auch ſchon großentheild von den barin gerade nicht ferupulöfen Eöhnen der Eteppe, zu Feuerholz klein gefchlagen und aufgebraucht worden. Selbſt die alte Kapelle ſchien von ben gierigen Händen der Zeit, und den faft noch gierigeren der Men- hen, nicht 'verfchont geblieben. Die Wände ftanden, ihres früheren Schmucks beraubt, falt und fahl ba, nur hie und da hingen noch ein paar alte verwitterte Zierrathen, die es ben Leuten nicht der Mühe werth gemeien feyn mochten "aus ihrer etwas unbequemen Höhe herabzuholen, in einer ber Eden; tn einer zu⸗ Immengebrochenen Nifche fland auch ein faum mehr erlennbares Steinbild von einem Heiligen ober Bögen es wäre ſchwer gewefen das jet zu beftims men. Wenn aber auch alles übrige Holzwerf, eben wohl zu Feuerung, herausgebrochen ſeyn mochte, hatte wan doch ben Altar, vielleicht in einer Art Ehrfurcht

100 ber felbft den heibnifchen Pampas vor dem Gott ber Chriſten eingeprägt feyn mochte, ftehen laflen, und fogar bie alte, ſchwer geftidte Altardede hing noch, wenn auch in Besen und ſchon faft verwittert, von dem vorderen Theil befielben herunter.

Sch wanderte lange Zeit in dem alten wunder lichen Gebäude umher, fo lange daß es mein Kleine Begleiter zulegt ſchon herzlich fatt befam, und mich frug, was man in den verwetterten windichiefen Ro ftern denn nur fo ewig zu fchauen finden könnte Da ich daran verzweifelte ihm das je begreiflich mw hen zu fönnen fliegen wir endlich wieder auf unfer Pferde und ritten weiter.

Auf dem Rüdweg befuchte ich die Quinta oder "

das Luftfchloß des Gouverneurs, das Fremden fett offen fteht jie liegt etwa eine Stunde Wegs von der Stabt entjernt höchft angenehm dicht am Strom, und der Bli erfreut fidh dort zum erftenmal wie der an grünen fchattigen Bäumen, die das nieder, von Säulengängen umfchlofiene Luſthaus bicht um geben. Der Aufenthalt muß hier, beſonders im Sommer, reigend feyn, nur die Berge fehlen dem Hintergrund und dem Auge dadurch auch die freund⸗ lichen, weit binausfchweitenden Gebirgshaͤnge wit ihren fühlen Schluchten und moofigen Felſen. Alles iſt flach, und es kommt Einem manchmal ordentlich

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as Gefühl, ale ob man fich hoch über bie Ebene mporheben und froh aufathmend das weite fchöne, ber noch fo wilde Land überfchauen möchte.

Der Plab um die Quinta her ift ungemein gut m Stand erhalten und eine Eorgfamfeit auf bie feinfte Pflanze verwendet die befonders bann einen aft wohlthätigen Eindrud auf den Befchauer macht, venn man bie wilden ©eftalten babei fieht, die hier nit vorfichtiger Hand Bäume und Blumen pflegen.

Zu den Merfwürdigfeiten der Duinta gehört eine merikaniſche Brigg, bie einmal bei einem heftigen Südofter hier auf das Land getrieben, und fpäter von Rofas angefauft wurde. Iept fteht fie hoch und trocken mitten zwifchen den fie umfchmiegenden Weis ven, über welche bie beiden Maften hoch und Tahl Mnausragen. Sie iſt übrigens im Innern fehr ele gant zu einem einzigen Salon hergerichtet und eine bequeme Treppe baran hinaufgebaut.

Zu den Wundern biefer Brigg gehörte, wie mir erzählt wurde, früher auch noch eine darin aufgeftellte Drehorgel, Die Rofas einmal früher Gott weiß welchem Wandernden Prager abgefauft bie Spanier aber, welche die Brigg befuchten und bie Orgel fpielten, ſollen erft auf die richtige Art herumgebreht und nach⸗ ber verfucht haben, das Inftrument „abzurichten" um es auch ruͤckwärts muſiciren zu machen, was aber

102 bie Etifte wohl nicht vertragen Tonnten, Die Orgel mußte wenigftend fpäter, gänzlicher Unmöglichkeit wegen auch nur noch einen einzigen Taft weber nad) rechts noch links herum aus ihr herauszudrehen, ent fernt werben.

Der Eintritt zu biefem Fahrzeug ift, wie bei ber Quinta, den Fremden auf bad gaſtfreundlichſte ge öffnet, und felbft die dort Wache haltenden und Die Beichauer Herumführenden Eoldaten find auf das ſtrengſte angewieſen Fein ihnen gebotenes Geſchenk zu nehmen.

Beſonders gut hat mir bei der Anlage ſeines Luſtorts gefallen, daß der Gouverneur, alles Fremb⸗ artige und Fremde verſchmaͤhend, die wilden Thiere ſeines eigenen Landes hierher verpflanzt hat und haͤlt. So ſieht man in einem weiten, von niederem Eiſen⸗ gitter umfchlofienen Raum eine Anzahl ber fübames rifanifchen Etrauße oder Bafuare; in einem ber klei⸗ neren Gebäude liegt, an allerdings etwas fehr bünner Kette, und fonft ganz frei, ein prachtvoller argentinis ſcher gefledter Tiger dem aftatifchen ganz gleich, nur etwas Heiner, und in einem Käfig nicht weit Davon entfernt, ein Kaguar oder amerifanifcher Loͤwe. Dem Tiger find übrigens bie Zähne abgefeilt und bie Krallen dicht befchnitten fo daß ex, wenn er fi) los⸗ riffe, einen Menfchen höchften® tobtquetfchen könnte.

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Selbft die fernen orbilleren haben zu biefer Heinen Ereolemenagerie, wie fie in Louifiana fagen würden, einen Tribut liefern müflen, denn auf einer, von tiefem Graben umzogenen und Aloe, Cactus und Dornhede dicht umfchloflenen Wiefe, grafen Drei Lama's und Guanaka's.

Auf dem Heimritt hielten wir uns etwas länger bei den Kafjernen auf die gleich unterhalb der Quinta fiehen. Es find das lauter Heine, nicht weit von einander und zwar einfach genug errichtete Hütten, die ein förmliches feftftehendes Lager bilden, in dem die Eoldaten mit ihren Bamilien wohnen. Das Ganze hat auch in der That mehr ein indianifches als civilifirtes Anfehen, und die Eoldaten, die hier ganz nad) indianifcher Weife Icben und lagern, können wirklich faft mehr zu wilden als civilifirten Stämmen gerechnet werben.

Diefem entfprechend, fieht auch ein großer Theil bes Militärs wunderlich und wüft genug aus, rauh und abgerifien, eher einer Räuberbande ald einem anftändigen Heere gleich ich verlange wahrhaftig feine Kamafchendisciplin und je einfacher die Coldaten gehalten werden, deſto weniger find fie ein „theueres Spielzeug“ des Fürſten, aber einerlei Hoſenbeine können fie denn doch haben, und wenn fie nun einmal am linken Fuß keinen Schuh erzwingen fönnen, fo

104 follten fie e8 wenigftene wie ihr Rebenmann machen, und den vom rechten ebenfalls herunter laflen.

Uebrigens follen es tüchtige Burfchen feyn, und fih in den früheren Kriegen fchon wacker gefchlagen haben. Mir wurde gefagt daß fie wie die Mauern ſtehen wenn man fie nur einmal vor dem Davon laufen bewahren kann.

Die reguläre argentinifche Kavallerie hat dagegen ein deſto pittoreskeres, ja wirklich romantiſches An- fehen. Die dunfelblauen Ponchos mit weißen Rand» fireifen und rothem Futter, bie gleichen langen und fpigen Mügen vorn mit ben Zipfeln herumgelegt und befeftigt, machen ſich vortrefflih. Dabei tragen fie eben ſolche blaue mit weißen Ligen befepte Cheripa und weiße befranzte Leggins.

Auch eine Abtheilung der regulären Infanterie fieht originell und gut aus. Tiefe if ganz in bie Nationalfarbe roth gefleidet. Feuerrothe fpige Müpe eben in der Art wie bei der Kavallerie getragen, feuerrotben Poncho mit weißen Streifen ringe berum und chen ſolche Cheripa gleichfalls mit weißen befranzten Leggins oder Unterboſen.

Eines eigenen Geſedes muß ich aber bier, da ich gerade von dem Militär ſpreche, ermäbnen. In fruͤderen Zeiten we Ne Miliz noch in Maſſe aufic» deten wurde und daufig in der Stadt ererciren mußte

Hi

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fi) einzuüben, gefchah es oft daß Fremde die nicht militärpflihtig waren, alfo an biefen Uebungen aud) nicht theilzunehmen brauchten, über bie, vielleicht etwas abenteuerlihen Geftalten lachten und ihren Spaß darüber hatten. War bieß nun die Urfache, oder mehr ber angegebene Grund: „daß Fremde in ber Zeit, welche argentinifche Bürger dem Wohl bes Staates opfern mußten, nicht allein Geld verdienen, und biefe dadurch doppelten Echaben leiden follten,” furz das Geſetz erfchien, und war noch damals in Kraft, daß fich Niemand, fo lange zu gewiflen ange febten Stunden (meiftene Sonntags) erercirt wird, bei Strafe arretirt zu werben, auf ber Straße dürfe bliden lafien. Alle Läden waren gefperrt, und felbft der Aufenthalt auf den flachen Dächern zu diefer Zeit unterfagt.

So firenge wurde dieß Geſetz dabei gehalten, daß ſich felbft auf dem Lande, wenn dort Draußen Manöver war, Niemand durfte fehen laflen; feinem Reifenden war es erlaubt in folcher Zeit und in der Gegend feinen Weg fortzufegen, und fogar bie Hirten mußten in ihre Behaufungen zurüd. Die einzige Ausnahme land bei den Schafheerben ftatt, bei denen ein Schäfer bleiben durfte.

Bon biefem Heinen Ritt, der mich faum aus ber nahen Umgebung ber Stadt, und noch nicht einmal

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aus den Heden ber Felder hinausbrachte, zuruͤckgekehrt, befam ich eine Einladung des Bremer Gonfule, Herrn *** feine, etwa drei Leguas, etwa neun eng lifche Meilen entfernte Eftancia zu befuchen.

Mir war dieß aus zwei Gründen fehr angenehm, benn erſtens lernte ich dadurch einen Fleinen Theil bes Inneren fennen, und zweitens übte ich mich ein wenig im Reiten ich wünfchte mich felber erſt einmal wieder zu probiren ob ich auch einen fo langen anftrengenben Ritt, wie ich jetzt vor mir hatte, gut aushalten wuͤrde.

Das ging jedoch befier als ich erwartete, denn wenn ich auch in Rordamerifa wochenlang Binterein- ander im Sattel gehangen hatte, war ich Doch wieber bie langen Jahre in Deutichland nur fehr felten „an Bord eined Pferdes" gefommen. Ich empfand nicht bie geringfte Unbequemlichkeit, ja im @egentheile ergoß es ſich mir ordentlich wieder wie mit neuer frifcher Lebenskraft durch die Adern nach fo langer Seereiſe die frifche herrliche Luft einathmen und auf einem ftarfen Fräftigen Thier über die Ebene bahin- braufen zu koͤnnen.

Nur zu fehr beengt fanb ich mich noch im Anfassg durch Heden und Gebäude mid) drängte ed wieder einmal, franf und frei hinaus in das wilde unge hemmte Leben zu tauchen, und Alles was mid an

107 Civiliſation erinnerte war dabei meinen Gefühlen eine Art Hemmſchuh. Hier beginnen aber erft bie orbent- lichen Pampas, denn bis dahin findet man boch noch einen Fleinen Hügel oder wenigftend etwas erhöhtes Land, mit einzeln zerftreutem Buſchwerk oder An- pflanzungen von Pfirfih-, Paradies⸗ und andern

Bäumen, weiter hinein aber fol das ganz aufhören,

und das Auge nichts finden auf dem es haften Fönne als eine einzige ununterbrochene, meerähnliche Fläche.

Anfieblungen kann man übrigens biefe Eftancia’s gar nicht nennen; es find nur Gebäude mit mehren Einfriedigungen, Bieh darin zu halten, und die Bes wohner berfelben machen auch nicht den mindeften Berfuch felbft nur das zu bauen was fie für fi allein zu Brod oder Bemüfe brauchen könnten. Fleifch iR die einzige Rahrung; der Sübdamerifaner ißt hier wirklich Fleiſch zu Fleiſch,“ und alles faſt was er braucht weiß er ben Thieren bie er fehlachtet abzu- gewinnen.

Diefe Pläge im Innern des Landes haben dann aber auch wahrlich nicht das Gemüthliche, Wohnliche, Eichere einer europäifchen Landwirthichaft. Das rein lich ſtille Treiben eines Landguts, deſſen Bewohner fich Hauptfächlich von Vegetabilien naͤhren, fehlt ihnen ganz; überall bezeichnet Tod und Verweſung das rauhe Handwerk des Viehzüchtere. Wohin das Auge,

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befonber6 in ber Nähe der Häufer, blidt, find Spuren von gefchlachteten ober gefallenen Stüden Vieh m fehen; überall liegen Häute, Schädel, Eingeweide, Homer, Hufe, Knochen, Blutfpuren; taufende und taufende von Aasgeiern, Raubvögeln und Möven ums fhwärmen biefe Pläpe, und die Naſe muß fi er wirflih an den im Anfang widerlichen frifchen und faulen Fleiſch⸗ und Blutgeruch gewöhnen.

Die fonft friedlichen und eigentlich nicht fleiſch⸗ frefienden Hausthiere lernen ſich ebenfalls in das Unvermeibdliche fügen und verändern ihre Natur, Huͤh⸗ ner und Gänfe, felbft die Truthühner leben allein vom Fleiſch, und die Schweine werben baven ge mäftet. Ueberall liegen friihe Häute ausgefpannt oder hängen zum Trodnen auf, und befonderd in der Nähe der Stadt, wo bie großen Saladeros ober Echlädhtereien find, begegnet da8 Auge, wohin es fi aud) wendet, den Spuren der Berwefung. Sechs bis acht Fuß hohe Mauern find allein ganz von Etierföpfen, die Hömer alle gleichmäßig übereinaw bergelegt, errichtet, ja Die Vertiefungen ber Straße jelbt mit Gebeinen und Knochen ausgefüllt. © ſah ih 3. 2. eine Stelle, wo Taufende und Tauſende von unfchuldigen Echafsföpfen dazu bienen follten, eine fonft unbezweifelte Riefenpfüge in befahrbare Chauſſee zu verwandeln. IR es ba ein Wunder,

109 daß bie Bewohner biefes Landes, von nichts als Fleiſch genährt, fortwährend fchlachtend und immer von Blut und Verwefung umgeben, felber wild und blutdürftig find, und nur zu oft ein Menfchenleben nicht höher halten als das eines Stiers oder Pferdes? Die rein animalifche Nahrung muß ben Menfchen nothwendig verwildern, und die an das Mefler ges wöhnte Hand wird mit dem Gebrauch befielben zu ſehr vertraut, es nicht auch manchmal miß brauchen m follen, ober doch wenigſtens in „unbefchäftigten Stunden“ bamit zu fpielen.

Einen freundlicheren Anblid gewähren übrigens die weiten, nur vom Horizont begrenzten Wielen, auf denen zahlreiche Heerden von Rindern, Schafen und Pferden, theils in zufammenhaltenden Maflen, teils einzeln zerftreut weiden. Eine ungeheure Menge «, don wilden Geflügel belebt dabei jeden anderen Plag, s: md nicht allein Raubvögel, fondern auch wilbe En- im, Bänfe, Schwäne, Reiher, Flamingos ıc. durch⸗ ziehen bie Luft, ober fliehen in dem Sumpfwafler der Eteppe.

Die Jagd auf Waflervögel iſt hier in der That ungemein ergiebig, und ich habe felbit in Louiſiana, wo es doch wahrlich Enten und Echnepfen zur Ges mige gab, nichts Aehnliches gefehen. Wir gingen nur ein einzigesmal mit ben Flinten hinaus, und

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zwar mehr um bie verfchiebenen Gattungen Witt fehen, als viel davon zu fchießen; ich fanb aber n lid meine fühnften Erwartungen übertroffen.

Das Wild, was wir in etwa einem halben : fahen, war: Echwäne, wilde Bänfe, viele Arten Enten und Tauchern. Zwei Arten von Flamin— eine rofenrothe Art, die beſonders wunderſchön « fah wenn fie mit auögebreiteten Ylügeln auffl und eine andere, etwas größere mit bunflerem 9 und Schwarz. Unzählige Kibige, bie ebenfalls ef find, bier aber, da man doch genug Geflügel | felten erlegt und dadurch faft zahm werben; Wal - fhnepfen, Becaflinen in formlichen Bölfern von und 90 Stück, Etrandläufer, eine Art Waſſern bahn, fo groß wie ein gewöhnlicher Truthahn, a nicht genießbar, dann einen anderen Bogel von Größe eined Birkhuhns, auch wohl noch et größer, ber ein fo belifates Fleiſch Haben fol der Faſan; ferner Gott weiß, wie viele Gattun von Raubvögeln, Aasgeien, Möven und Hei Eulen, Reihen und Etörchen. |

Außerdem gibt es hier noch in ungeheurer Me ein Thier, das ſehr große Achnlichkeit mit dem Hi fter Hat, in Größe und Lebensart aber faft dem To gleihlommt. Es lebt in Höhlen, in ben Etep) und fommt gegen Abend ins Freie. Ein jur

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111 Bremer, Namens Gäfar, ber fo freundlich war, mich dort herumzuführen, fchoß eines, damit ich es näher befchauen konnte; wenn man aber darauf ausging, glaub’ ich ficher, daß man, befonderd in mondhellen Nächten, gerade fo viel deren erlegen fönnte, wie man Ladungen von Pulver und Schrot bei fich hat. & gibt Taufende davon in den weiten Wiefen. Eine eigene Art von Ottern belebt hier ebenfalls die Gewäfler in großer Anzahl, gegen die fehr ergie- bige Jagd berfelben hat aber Roſas ein Geſetz er- laffen, ihren Nutzen für feine Soldaten aufzufparen, wenn fie aus dem Krieg mit Montevideo zurüdfom- wen würden. Das Erlegen der Strauße oder Ka- fünre ift ebenfalls bei harter Strafe unterfagt, weil die Thiere nicht fo raſch follen ausgerottet werben. Hoͤchſt intereffant war es mir, auf der Eftancia einen Deutfchen zu finden, der biefe verwaltete, und niht weit davon entfernt eine eigene zum rund» eigenthum hatte. Zufälligerweife fand ich in ihm fogar einen Eachfen, Herrn Papsdorf, der mir Man- ches beftätigte, was ich auf meinem früheren Auß- Aug in das Land gehört hatte, und noch außerdem manche vortreffliche und nügliche Mittheilungen machte. Er Hatte ſich übrigens vollflommen naturalifitt, wie eine Tochter des Landes geheirathet, und feine Eöhne hingen, in Eheripa und Poncho, wie ächte

112 Gauchos auf den Pferden und warfen ben Laflo fe geſchickt, wie irgend ein anderes ber wilden Etep penkinder.

Das, was ich durchſchnittlich über die Berhält nifle des Landes und befonders diefer Eftancia® hörte, ift etwa das Yolgende. .

Tas Eigenthum ift jetzt hier, wie mir von all Eeiten unwiderfprochen verfichert wurde, vollkommen gefhüst, und Todeéſtrafe droht meiſtens, bei fa geringen Uebertretungen, ben ertappten Verbrechern. Ich würde aber übertreiben wollte id) fagen, ber eigentliche Charakter des Volkes felber ſey dadurch ebenfalls vollfommen im Zaume gehalten. Der av gentinifche Gaucho ift gar gefchwind mit feinem Meſſer bei der Hand, und trogdem, daß es ihm in ber Sta auf das Etrengfte verboten ift es zu tragen, fallen doch nur zu häufig noch Morbthaten, jelbit in den Straßen, vor; Diele rühren aber faft jedesmal von Streitigkeiten untereinander ber, und es foll dann au, wie. bad ja ebenfalld an anderen Orten be Hall ift, das fchlimmfte Volk gerade in ber Stabdi verfammelt feyn. Sehr weit im Inneren bedrohen allerdings die Indianer nur zu oft einzeln gelegene Ejtancias, und überfallen und morden die Bewohner; fo weit braucht fich aber auch der deutſche Anfiebier, für den noch Land in Maſſe in der nächtten Nähe

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MR, nicht hinaus zu wagen, und in ben benachbarten Provinzen hat er dann von ben Eingeborenen, ben „Bampasindianern” nichts zu fürchten.

Sonſt aber bietet dieſes Land dem beutfchen Aus- wanderer jeden Bortheil, ben ihm nur irgend ein anderer Welttheil bieten fann. Das Klima läßt kaum mad zu wuͤnſchen übrig; Krankheiten fallen aller dings ver, follen aber keineswegs bösartiger Natur fe. Der Boden ift, ungleich den meiften Prairien im Rordamerifa, in den Pampas faft überall vor- trefflich und liefert, felbft mit der ungemein einfachen Bearbeitung, herrliche Ernten. Der Hauptnahrungs- eig bed Landes ift übrigens, wie auch die Pro- huftenausfuhr von Häuten, Fleiſch, Talg, Wolle ıc. beweist, die Biehzucht und einen ziemlich beutlichen Begriff von der Mafle Viehs, die fich hier befindet, und der Leichtigkeit, mit der es gezogen werben fann, mag eine kurze Ueberficht der verfchiedenen Preife hier an Ort und Stelle geben.

Die Preife find nad) fpanifchen Dollaren gerechnet.

Bon Rindern, als dem Hauptnahrungezweig, fo Ret hier ein gefchnittener fetter Ochfe von 24, Jahr wa 2%, Dollar. Ein gefchnittener fetter- Ochfe von 3 Jahr etwa 2%, Dollars. Eine Kuh 2 bis 2%, Tollard. Eine zahme Milchkuh wird (mit Kalb) bis zu 5 Dollard bezahlt.

Gerſtacher, Reifen. 1. 8

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Kauft man das Bieh aber in der Heerbe, wie es jedesmal beim Beginn einer Anfieblung gefchieht, fe bezahlt man es durchſchnittlich mit %/, bis zu 1 “Doll. Man reitet bei einem foldyen Kauf einen Theil einer Heerde, je nachdem man nun viel ober wenig 8a pital daran wenden kann ober will, ab, und zählt dann die alfo abgefchloffenen Thiere. Kälber werden aber auf biefe Art nicht mitgerechnet, ſondern drein⸗ gegeben.

Bon Pferden koſtet ein zahmes Reitpferb gemöhn ih 5 bis 51% Doll., ein noch unzugerittener Wallach aber die Hälfte. (Hengfte werben höchitend mit einem Dollar bezahlt eine Etute foftet von %, bis I Doll. Stuten werden übrigens hier nie geritten.)

Der Preis der Echafe ift wohl der verfchiebenke, benn man hat hier die fogenannten feinen Merine ſchafe, die biß zu 6 Doll. das Stück bezahlt werben. Das betrachten bie hieligen Landwirthe aber als einen enormen Preis, und ed müflen dann ganz aufßerge woͤhnlich fchöne Thiere feyn. Im Ganzen if ka Durchſchnittspreis für gute Schafe hier etwa !, Doll. das Etüd (alſo etwa 15 Egr.), kauft man fie aber weit im Lande drin, und zwar die gewöhnlichfte, ev dinärſte Eorte, fo bezahlt man fie in der Heerde mit 1', bis 2 Peſos (ein Peſos hat noch nicht gam Fr 21, Egr.) das Etüd. Schaffelle foften dann auf

115 as ganze Dupend nur von 1 bis 2 Doll. Das Schwein iſt noch faft das theuerfie Thier hier im ande und wird mit 5, ein fettes mit bis zu 10 Doll. verkauft.

Der Preis der von ben Thieren gewonnenen Däute fteht natürlich mit ihnen felber im Verhältniß. Rindehäute koſten die Paſado (35 Pfb.) 2 bis 2, Dell. Eine Haut wiegt von 26 28 Pd. (Das Hefige Gewicht ift etwa 8 Procent leichter als das jeutiche Zollgewicht). Pferdehaͤute Foften von 1. bis 1%, Doll. Der Preis der Wolle ift Dagegen ver Khieden. Sie wird die Aroba (25 Pfb.) von 1 bie 3/, Doll, bezahlt. Gute Merinowolle koſtet Dagegen oft etwas über 5 Doll. die Aroba.

In der That wird hier nicht viel Kapital ver- langt, einen Anfang zur Viehzucht zu befommen, ba man bei größeren Quantitäten auch felbft noch bil- liger Taufen kann. Wie z. B. vor nicht langer Zeit an Anfiebler weiter im Inneren bes Landes eine Heerde Schafe von 5000 Stüd, durchſchnittlich das Etid mit einem halben Peſos, alfo etwa 11 Pfen- nigen, bezahlte.

Das Land ift dagegen, wenigftens im Verhältniß Mm früherer Zeit, ſchon etwas geftiegen, immer aber nech billig genug, dem bdeutfchen Auswanderer bie trösten Bortheile zu bieten. Die Berechnung bes

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Landes findet Hier nach Baras flatt (bie Bara | gleich 2%, rheinländifche Fuß.) Die Regierung ve fauft das Land in Streden von 1%, Leguas Län, (die Legua zu 6000 Baras), in ber Breite v 1 Bara zu 1 bis 1%, Doll. per Strecke. In d Nähe der Städte ſteigt es aber natürlich, je ne feinem Verhältnig. Billiger ald ein Dollar die Baı ift es jeboch wohl nirgends, man müßte es benn au zweiter Hand erhalten Tonnen.

Das Getreide ift hier gerade gegenwärtig ung mein billig, ebenſo die Gemüfe, von denen bie zwei Kartoffelernte reif geworden. Ueberhaupt fann bi Anfiebler mit verhältnigmäßig nur fehr geringer beit hier feine Exiſtenz gründen, und alle hier a fäfligen Deutfchen flimmen darin überein, daß e ihrer Meinung nach fein befieres Land für ihre arme Landsleute gäbe, als gerade Sübamerifa, wo fie fick barauf rechnen fönnten, mit Fleiß und Sparſamlel auch Fleiß und Sparſamkeit belohnt zu fehen.

Die Regierung ift dabei, fo wenig fie Urſach bat ben Engländern und Franzoſen gut zu fegm fehr gern geneigt, beutfche Auswanderung bieher y geftatten und zu ſchuͤtzen; Fremde find Hier überhaur (durch ein befonderes Geſetz bes Gouverneurs) ſeh geihügt, und das fpricht gewiß für das Volk felbe jo arg e8 auch manchmal wohl ift gefchildert worbes

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dag, während bie Engländer ben La Plata blodirten, Engländer und Franzoſen hier indeflen ungehindert, ja unbeleidigt, ihren Aufenthalt hatten.

Deutiche Einwanderer können bier Land erhalten und find militärfrei. Weiter unterftügen fcheint aber die Regierung hiehergefandte Anfiebler nicht zu wollen. !

Eo fehr nun auch die Deutfchen im Allgemeinen bier Einwanderer von Deutfchland zu fehen wünfchen, und fo allgemein die Klage über Arbeitermangel ift, fo wenig dürfte auf eine Unterftügung ber Einmwan- derer von Seiten der Deutfchen felber gerechnet werben. Man kann fi) kaum einen Begriff von der Theil- nahmlofigfeit machen, Die meine guter Landsleute in Eüdamerifa jedem anderen Gegenftand fchenfen, ber nicht ihr eigenes Ich betrifft. Dem Einzelnen wer: den fie allerdings hie und da gefällig feyn, und ich Bin felbit von fehr Vielen auf das freundlichfte aufs genommen und behandelt worden. Im Ganzen aber fimmert ſich ber Deutfche hier feiner eigenen Aus⸗ lage nah nur um das was ihn angeht und hieß ſind keineewegs feine Landsleute und ich babe an verfchiedenen Plägen den Ball gehabt, daß

"Auch dieß gilt natürlich von ber früheren Rojas Regie rung, Doch glaube ich faum, daß bie jegige mehr, wenn viel

leicht fo viel thun wlrbe. ..

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‚ih, befonders zu Sachſen kam, denen ich doch aus ihrer Vaterſtadt und deren nädhfter Umgebung hätte Nachricht geben können, und nicht einmal von ihnen gefragt wurbe, wie e8 dort gehe und ftehe. (Herr Papos⸗ dorf machte Davon allerdings eine rühmliche Ausnahme.)

Einen hoͤchſt eigenthümlichen Baum bat bie ars gentinifche Republif, und der einzige, ber wenigſtens in der Nähe von Buenos Ayres zu einiger Höhe empor wächst. Es ift dieß der fogenannte Ombu, ber in feinem ganzen Wachsthum fogar Aehnlichfeit mit dem Banian Indiens zeigt. Wie bei biefem hängen nämlich die Zweige felber durch niedergefentte id möchte fie fat Stügen nennen, mit ben Murzeln zufammen, und bilden dadurch die wunder lichften Formationen, die man fi nur bei einem Baum denken fann.

Gerade hier ftand ein ſolcher, beflen eigentlicher Stamm vielleicht ſechs Fuß im Durchmefler hatte, ganz unten am oben breitete fi) aber die Wurzd, oder das untere Ende des Stamms noch viel mehr aus, ja bildete an einigen Stellen förmliche Eige, und von hier aus ſchoſſen dann theild fchräg, theild gerabe, theild eigenfinnig gefrüummt, Strebepfeilem gleich dieſe Etügen aus, und verloren fich oben in bem ungemein Dichten, birnblattartigen Laub bee Baumes.

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Er gibt jedoch nichts als Schatten, denn fein Holz wäre nicht einmal zur Feuerung zu verwenden, fo naß und ſchwammig ift es. Eben fo find die klei⸗ nen bitteren turbanartigen Früchte, die er trägt, und die förmlich waflergefüllt fcheinen; zum Zierbaum eignet er ſich aber vortrefflich.

Nach Buenos Ayres zurüdgelehrt, erfuhr ich, daß in kurzer Zeit der argentinifche Eorreo oder Cou⸗ rier von Buenos Ayres nah Mendoza wirklich ab- gehen würde. Er hatte erft, der ausgebrochenen India- ner wegen, feinen Ritt verfchieben wollen, fich jegt aber entichloflen zu verfuchen ob er durchfäme und mir wurde gefagt, daß ihm die Begleitung eines be⸗ waffneten Mannes gewiß angenehm ſeyn würde. Durch die freundliche Vermittlung eined amerifani- ihen Kaufmanns, Mr. Hutton, da ich felber der fpa- nischen Sprache noch nicht fo weit mächtig war, fchloß ih auch mit dem Correo bald einen Vertrag, nad) dem er ſich verbindlich machte, mir für vier Unzen 64 fpanifhe Dollar Pferde und Sleifch, bie Bierde zum reiten, das Fleiſch zum eſſen unterwegs bie Mendoza, einem kleinen Städtchen am Buße ber Gorbilleren, zu liefern, und überhaupt alle Koften, die wir bis dahin haben würden, zu beftreiten. Er ſagte mir aber dabei gleich und ganz offen, daß er, wenn er bie Indianer im Süden herauffommen fähe,

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fo rafch ihn die Pferde trügen nad Rorben in bie Gebirge flüchten würde, und wenn ich dann nicht mitfäme, oder überhaupt auf dem Marſch liegen bliebe, fo fey das nicht feine Schuld und er könne weiter nichts dafür thun.

Auf alles das war ich vorbereitet, mit alle die fem zufrieden, und unfere Abreife wurde auf ben 17. Juni feftgefegt. Dadurch gewann ich auch no eine kurze Zeit für mich, Buenos Ayres beſſer ken⸗ nen zu lernen.

Die Aueéwanderung hat ſchon von früheſter Zeit mein ganzes Intereſſe in Anſpruch genommen, und ich ſuchte noch fortwährend, wo immer mir Das mr möglich war, Erfundigungen über die Verhälmife ber Fremden, befonderd der Deutfchen, einzuziehen. Durch ben befontern Auftrag des Hanbelsminife riums des beutfchen Reiches hatte ich aber auch neh außerdem bie Verpflichtung übernommen, nach beiten Kräften über Die Yänder zu berichten, bie ich geeig net zur Auswanderung finden würde, eben fo bie Berhältniffe und Ausjichten der ausgerwanderten und dort ſchon angefiedelten Deutfchen zu fdhildern.

Die Ausfichten der Deutſchen gerabe in ben La Plataftaaten aber zu erfahren, fchien es mir das ficherfte, mich an Rofas, den Gouverneur oder Diktator derfelben felber zu wenden. Der amerikaniſche

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Conful verficherte mich jedoch, daß Roſas felber nur hoͤchſt Selten felbft einen Gefandten empfange, unb Donna Manuelita, die Tochter des gefürchteten Gauchohaͤuptlings, gewöhnlich Audienz ertheile.

Hier aber ſchien für mich eine ziemlich bedeu⸗ tende Schwierigkeit zu liegen, ich war nämlich vom Bord des Talisman nur eben fo weggegangen, wie ih gedachte in den Sattel zu fteigen und der einzige Anzug den ich mit hatte, beftand in einem Reitkittel von dem gröbften hellgrauen wollenen Stoff, eben ſolchen Hofen, hohen Waflerftiefeln und einem ſchwar⸗ im, breiträndigen Filzhut konnte ich fo vor Donna Ranuelita, der erften Dame bes argentinifchen Reis 8, erfcheinen? Der amerifanifche Eonful fagte ja, Donna Manuelita follte eine fo liebenswürbige, wie vernünftige Dame feyn, Mr. Graham garantirte mir, daß ich nicht allein empfangen, fondern auch freundlich empfangen werben würde, und feinen Wor⸗ im treu führte er mich eines Abends felber bei iht ein,

Tie Gauchoſoldaten, die vorn im Portal und den Gängen Wache ftanten, ſchauten nicht fchlecht, ale ih ſolcher Art gekleidet, noch dazu in dem fonft fo verponten Blaugrau durch die Pforten ihres Herrn Kritt, liegen und jedoch ungehindert pafliren und wir betraten bald darauf das Audienzzimmer.

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Der Eaal war ganz in europäifchem Geſchmack eingerichtet, ber Boden mit fehr geſchmackvollen bun- ten Tepichen bebedt und nur die hohe Iuftige Tede trug ein argentinifches Abzeichen bie ſchwarz und tothen Farben (Sieg oder Tod) der Federacion.

Wir waren noch ein wenig zu frih gefommen die Diener brannten erft die Kerzen an und ich be nutzte indeflen meine Zeit zuerft meine ganze Umge bung mir genau zu befchauen und dann Betrachtungen anzuitellen ob meine Wafferitiefeln wohl nicht bie eriten wären, Die je diefen koſtbaren Teppich betreten hätten. Zange blieb mir aber dazu feine Zeit, Die Thuͤren öffneten fich plöglich und herein traten nach und nad, „Die Großen des Reiche” vielleicht, fo viel ich Davon wußte, denn ich kannte feinen von ihnen, aber Hals lich gepugte Herren und Tamen, Die Herren ſaͤmmt⸗ ib in dunkelblauen Fracks (die hellblaue Hark bezeichnet Die Unitarios) mit rothen Weiten und Hub bändern, und alle im Knopfloch das rorhfeidene Band mit der ſchwarz gedrudten furchtbaren Deviſe Mue run los salvajos Unitarios. Die Tamen im deyar teiten frangöfiichen Goitüm. Weide Theile betrachteten mich aber, und ich entichuldigte vollkommen ihre Neu: gierde, mit kaum verhehltem Gritaunen, und jchienen ſich gegenfeitig fragen zu wollen, „mad tut bu bier im Heiligthum?“ Che aber der amerikaniſche

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ſonſul im Stande war nur überhaupt meine Eriftenz ı entfchukdigen, erfchien Donna Manuelita felber nd empfing mich, nachdem ihr Mr. Graham mit m paar Worten meine Abficht gejagt hatte, mwäh- mb fie ihn felbft in ber Entichuldigung meines An- ages unterbrach, auf das freunblichfte.

Donna Manuelita verftand allerdings, wie mir Rr. Graham fagte, das Englifche, ſprach es aber nelleicht noch nicht geläufig genug und mochte fich eßhalb nicht darin unterhalten; eben fo ging ed mir xit dem Branzöftfchen und bie Unterhaltung wurbe eßhalb durchaus fpanifch geführt, wobei Bir. Gra- yam fo freundlich war zu bollmetfchen. Die Donna xerſprach mir übrigens mit ihrem Vater, der Aus- danderungsfache wegen, in wie weit er nämlich teutiche Einwanderung begünftigen würde, zu reden md mir noch, ehe ich Buenos Ayres verließ, das Refultat mitzutheilen.

Indefien hatte ſich eine ziemlich zahlreiche Gefell- haft eingefunden und ich fah mich bald im Geſpraͤch wit zwei jungen argentinifchen Damen, von benen Ne eine fehr geläufig englifch fprach und Die andere ingefangen hatte deutfch zu lernen, fo daß ſie eben- alls fchon viel verftehen und ſich auch ziemlich beut- id ausdrüden konnte.

Ich verbrachte, trop meinem nichts weniger als

124 hoffähigen Anzug, ein paar fehr angenehme Stun⸗ ben in fo liebenswürbiger ®efellichaft, mußte aber ein paarmal bei mir felber lachen, wenn ich daran dachte, was die Hoffchranzen Daheim fagen würden, wenn jemand nur einen ſolchen Gedanken faflen follte, in folher Tracht bei ihrem Hofe zu erfcheinen.

In Buenos Ayred befteht auch jept eine deutſch⸗ evangelifche Gemeinde, deren Paftor und Oberhaupt Herr A. 2. Eiegel if. Den Lefer wird es übrigend interefliren, das erfte Bapitel der Kirchenftatuten von Buenos Ayres, 340 Eüder Breite in den La Plata ftaaten, zu hören.

Erites Gapitel,

Begriff und Umfang der Deutich- evangeliichen Gemeinde in Buenos Ayres.

$. 1. Die deutich:evangelifche Gemeinde in Buenes Avres bildet einen Zweig ber unirten ewangeliichen Yandeafirche in Preußen. Cie bat fich dieſer Kirche nach einem Befchluffe der Generalverfammlung ber Semeinde im Monat April 1845, unter folgenden, ihr von dem Miniſterio der geiftlicben, Unterricht und Medicinalangelegenbeiten d. d. Berlin den 11. Januar 1845 Rr. 31,536 geitellten Propofitionen freiwillig angefchlofien.

1. In Betreff der Lehre bes Cultus und ber Dieciplin ift das Bekenntniß, die Lilurgie und Be

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Orbnung ber evangelifchen Kirche Preußens für bie Gemeinde in Buenos Ayres wefentlih maßgebend und beflimmend. Es wird daher auch bie Agende der preußifchen Landeskirche die Norm für ben Got- tesdienſt und bie gottesdienftlichen Handlungen in ber Gemeinde abgeben.

DI. Das Eonfiftorium der Provinz Brandenburg in Berlin ift diejenige geiftliche Behörde, an welche fh die Gemeinde, refp. der Vorſtand bevfelben, in allen denjenigen inneren Angelegenheiten und Streit fragen zu wenden, und die Entfcheidbung abzuwarten hat, über weldye, indem fie das PVerhältniß zu ber biefigen Landesregierung ganz unberührt lafien, eine Verftändigung und Einigung der Gemeinde nicht hat Rattfinden können. Es betrifft dieß namentlich Streit- fragen über bie Lehre und ben @ottesbienft, über Dißciplinarmaßregeln, fofern fie nicht in das Gebiet der bürgerlichen Geſetze und Einrichtungen hinüber reichen, endlich Mißhelligkeiten zwifchen dem Prediger ud der Gemeinde und Klagen ber lehteren gegen dem erſteren.

I. Tas Gonfiftorium der Provinz Brandenburg bat das Recht, ben Prediger ber Gemeinde zu ers Kennen, und ihn für ben Dienft ber Gemeinde zu vociren. Die Gemeinde, refp. ber Borftand, Hat im Salle der Bacanz um die Wiederbeſetzung der Stelle

126 bei dem genannten Eonfiftorium nachzufuchen, : darf, ohne Genehmigung dieſer Behör den ihr zugewiejenen Prediger nit ı laffen .

Nun foll mir noch Einer fagen, daß «8 in Bu Ayres Feine Deutfche gibt.

Unter den Deutfhhen in Buenos Ayres, ı fie auch keinen bleibenden Aufenthalt da haben, len übrigens die Schiffscapitäne eine fehr bebewi Rolle, und befonderd Tann man fie Nachmittags ihren englifchen, amerifanifchen und bänifchen @ gen erft durch die Etraßen ber Stadt traben dann in vollem Barriere durch das flache Land g piren ſehen.

Eapitäne haben nämlich eine ungemeine Bor für Pferde, die bei Pferden jedoch wie “Pferd miethern keineswegs gegenfeitig fit, denn Ed capitäne verfichen gewöhnlid mit Ausnal natürlid ebenfowenig ein Pferd zu reiten wi zu behandeln, und glauben das äußerjte getha haben, wenn fie fich „an Borb halten.” Bon S und Nachgeben ift natürlich bei ihnen feine ® fie fahren im Sattel herum, wie ein loßgegany Paket auf einem Padthier, reißen in die ohn ſchon fcharfen Zügel, nur um ſich im ©leichge zu halten, unb werfen das ganze Gewicht

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Körperd dagegen, wenn fie das Pferd einmal bewegen wollen langfam zu gehen ober ganz ftill zu fiehen. Die Thiere werden dadurch wund geritten und abges bet, und die Pferbevermiether hier, fait lauter Eng- länder und Amerifaner, haben einen folchen Ueberblid in den Perfonen ihrer Kunden, daß fich Leute, bie nur das geringfte Seemännifche an ſich tragen, feft darauf verlaffen konnen, die abgerittenften und über- dieß vielleicht ſchon aufgegebenen Kraden zu befommen. &6 geichieht deßhalb ſehr häufig daß foldhe arme Echlachtopfer, felbft wenn fie ihr Thier einmal nicht übermäßig abgeritten haben, in ben Ball kommen, & plöglich flürzgen und verenden zu fehen, wonach Ne dann noch das Vergnügen haben, nicht allein zu duß in die Stadt zurüd zu gehen, fondern auch noch Ns Sattelzeug zu tragen. Höchft erftaunt find fie, dann meiftend, wenn man ihnen für das verlorene Bierd wenig oder gar nichts abnimmt, und es fcheint kb deßhalb das Gerücht verbreitet zu haben, es fey Khon genug von einem, in Buenos Ayres gemiethe in Pferd Zaum und Sattel zurüd zu bringen, das übrige Habe feinen Werth; die Capitäne haben aber mit fo nichtöwürdige Pferde gehabt, daß fich bie ' wener förmlich ſchaͤmen auch noch Geld bafür A verlangen, weil Jemand fo freundlich geweſen > Bar, es für fie hinaus auf den Anger zu reiten.

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Wer ein gutes Pferd ausmiethet und baı Schaden kommt, Tann ſich auch darauf verlaffe er theuer genug bafür zu zahlen Hat für 8 Ayres naͤmlich denn Pferde find dort übe ſpottbillig.

So viel ſchon hatte ich, während meines? halts in Buenos Ayres, von den Saladero Schlachtplaͤßzen dieſes bedeutenden Handeleort Fleiſch und Haͤute gehört, daß ich nicht umhin | bie, mir von allen Seiten befchriebenen Plaͤt einmal felber zu befuchen.

Diefe Schlachtplaͤtze liegen faſt fämmtlidh ı fogenannten Boca, etwa eine halbe Legua vu Stadt entfernt, und vor dem Fruͤhſtück fpren eined Morgens, von einem jungen Deutichen be binaus, das Echlachten des Viehes mit anzul

Unfer Weg führte uns faſt durchgängig die Fluß Hin, und widerlich war mir hier befonbe Anblid der, durch ben- Fluß ans Ufer geſchr ten gefallenen Rinder und Pferde. Der ober befier gefagt ber Geftanf, wurde an ı Stellen fo fchauerlih, daß ich den Athem an mußte. An einem Plap blieb und fogar nichts übrig, als über drei dicht bei einander Mi Verde, ober wenigftens bie Weberbleibfel be: hinwegzuſezen. Deutiche Pierde wären bier

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keiner Bedingung vorwärts zu bringen gewefen, bie Duenos Ayres Ponies kehrten fi) aber nicht im minbeften daran, und würbigten ihre gefallenen Ka⸗ meraben faum eines Blide..

Nach einem eima viertelftändigen geftredten Galopp erreichten wir endlich die Ufer der Boca, und ich fonnte im Anfang nicht gleich heraus befommen, was das Weiße feyn mochte, das beide Ufer an vielen Etellen eindaͤnmte, als wir aber näher kamen, erfannte ich m meinem Erftaunen, daß es Rinderföpfe feyen, deren Hörner überall, regelmäßig aufgefchichtet, aus der darüber geworfenen Erde hervorfchauten. Drüben über der Boca lagen bie flachen offenen Gebäude ber Echlachtereien, und wir mußten noch eine Etrede an dem Heinen Waſſer hinauf und dort über eine

Helbrüde reiten (mo, beiläufig gefagt, Zoll bezahlt

wurde) und wir gleich darauf den „blutigen Grund“ betraten.

In den naͤchſten Echlachtereien wurde heute nicht „gearbeitet” es war dort „aufgeräumt,“ und fah verhaͤltnißmaͤßig reinlich aus, und als wir langfam Bindurchritten, fahen wir bie in Maſſen aufgefchich- tn und eingefalgenen Häute in ben einzelnen Eduppen liegen. Mir war aber befondersd darum m thun das wirkliche Echlachten der Thiere mit ans ſehen; glüdlicherweife fanden wir in ber erften

Serſtacer, Reifen. 1. 6 9

130 Schlachterei gleich einen Deutichen, ber und zu bi gefuchten Orte wies.

Schon von weitem hörten wir das Echreien « die gellenden Zurufe der Biehtreiber, und ale u näher kamen, fahen wir wie eben wieder drei Rei in den etwas vom Ecdhauplag entfernten Corral (di Einfenzung) fprengten, um einen Theil ber N bineingeftellten Thiere in die für ihren Yang beftimm Fenz zu treiben. Einer von ihnen war eine | fonder® hervorſtechende Perſonlichkeit ein all ſchlankgewachſener kräftiger Mann von etwa 56 # 60 Jahren, zäh und wettergebräunt, aber mit ein folhen Galgenphyſiognomie wie ih nur je ein Menſchen geieben babe. Er ſchien ber Führer I übrigen, und in Blut und Mord ergraut; fo mußt die Geſtalten ausgefeben haben Die Roſas früber u feinen Blutbefeblen beauftragte, und bie ihre Opf aus Den Kreiien ihrer Aamilien holten und ibm bie Keblen durchichnitten. Er ging ganz in Die Trac der Gauchos gefleider, mit roth und blauem Ponch eben ſolcher cheripa uud ten gewöbnlichem botas v Rferdebaut an. Der Yate bing ihm bintn a Suttel, Denn ebne Laſſo reitet fein ſolcher Purk auch nur einen Schritt, und wenn der RPonche kei raten Neiten mandımal in die Hobe Hatterte, ichar runter der Griff dee Binten im Guürtel ihr.

——_—; 2,

131 fedenden Meſſers hervor. Der gleichfalls graue Bart umgab ihm in Fraufen unorbentlichen Zotteln Kinn und Baden, und eben folche Büfchel hingen ihm über die Augen herunter. Ich konnte im Anfang meine Blide von dem greifen Gaucho nicht abwenden, und hätte ich noch einen Zweifel über feinen Charakter gehabt, der nächfte Augenblid würde ihn zerftört haben.

Bon den Eorrald oder Umzäunungen lagen näm- ih drei dicht neben einander, und ber größte auch von dem Echladhtplag am weiteften entfernt; etwa halb fo groß als diefer war ber nächftfolgende, und der dritte und zur unmittelbaren Aufnahme ber näcıft zu Khlachtenden Thieren beftimmte war ber allerfleinfte, und fonnte nur etwa kaum 40 bis 50 Etüd halten. In den erftern wurde das Vieh gleich aus den Pam- v8 hineingetrieben, in den zweiten dann das für den Gebrauch verlangte abgefondert und in ben britten das zum Schlachten abgeführt.

In den zweiten nun, in Dem etwa 20 oder 30 noch ihrer Todesftunde harrten, fprengten die Drei und trieben die Thiere mit Schreien und Heulen ber fach Knaben indeß geöffneten legten Einfriedigung m Im Anfang ging das auch ganz gut; das junge Vieh wurde durch den wilden Lärm und die zum Ehein hochgefchwungenen Hände, in denen fie ſtets den gefürchteten Laſſo zu Sehen glaubten, fcheu

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gemacht, und drängte felbft von feinen Berfolgern wei faum aber quoll ihnen, in ber Nähe bes legten Go rals, der warme Blutgeruch ihrer vorangegangen Kameraden entgegen, fo fuchten fie auch ebenfo raf wieder zurüdzuflichen, und warfen fich ihren Hentai gerade entgegen. Aber zu fpät; biefe trieben ſi felbft durch das Gewicht ihrer Pferde, ihrem V ſtimmungsort zu ed gab für fie fein Entrinn mehr, und eingefchüchtert und halb betäubt want ſich jetzt die Heine zitternde Echaar mit hochgehobem Schnauzen, ben gefürchteten Ort zu betreten. De das war den Treibern nicht rafch genug vorwärt mit Sporn und Revenka, trieben fie bie eigen Thiere an auf die jungen Rinder einzufprengen; = dem fchweren eifernen Revenfaring fchlugen fie a bie Knochen der ängſtlich Blödenden nieder, und dd alte greife Gaucho zog endlich mit wilden Yluch fe Mefler und ſtieß es den binterften Etieren, bie nit raſch genug vordrängen fonnten, fünfs bis ſechen in den After, um die Haut nicht zu verlegen. 7 Wunden wären vielleicht, hätten fie noch drauß berumlaufen müflen, toͤdtlich geweien; hier fchadı ed ja aber nichts. Die Thiere wurden gleih ( ſchlachtet. Ich bin überzeugt, der Echuft hätte eim Menichen fein Mefler mit eben foldher Ruhe in b Leib gerannt.

133.

Als das legte der armen halb zu Tode geängftig- tm und blutenden ®efchöpfe in den für fie beftimmten Corral fprang, ſchob er das lange Mefler lachend unter ben Poncho zuruͤck, warf fein Pferd herum und galoppirte nun, von den Kameraben gefolgt, um die Einfriedigung herum auf die andere Seite ber Schlachterei. Dort ftieg er ab, befeftigte ein langes, auf der Erde liegendes und aus roher Haut gedrehtes Rarfes Eeil an feinem Eattelgurtring, welchem Bel- fpiele die andern beiden, und zwar mit dem näm- lien Tau, folgten, und richtete ſich dann, nach dem Corral zurüdichauend, hoch im Eattel auf. Ich fand bald die Urfache von diefem allem.

Das Ledertau war ein langer ftarfer Laſſo, beflen über einen richtigen „Bloc“ laufende Echlinge ber auf der Umgäunung des Corrals ftehende Schlächter in dee Hand hielt, ein paarmal um ben Kopf ſchwang und dann, mit faſt nie irrender Eicherheit, einem der Thiere um die Hörner warf. Sowie bie Reiter ſahen daß ber Laſſo nun gefchleudert war, gaben fie ihren Thieren die Haden, biefe zogen an und riffen dadurch ben gefangenen Stier zuerft auf bie Vorder⸗ füe, Dann ganz nieder und zu gleicher Zeit auch dicht zu ber Stelle hinan mo ber Laflowerfer ftand. Viefer hatte jetzt ein langes Mefler in ber Hand, damit bog er fich nieder, flach fein Opfer mit ber

134 fharfen Klinge in den Naden bicht hinter bie Hi ner, baß es tobt zuſammenbrach, griff dann wiet nach dem Laffo und richtete fih auf ihn aufs ne zu werfen.

In dem Eorral, eben da wo ber geftochene Sti lag, öffnete ſich aber zu gleicher Zeit eine Klapf und das ganze Geſtell, auf welches er ſchon vorh durch das Anfpannen des Laſſo gezogen worden, g jet mit dem Stier darunter vor und lief auf ein kurzen „Eifenbahn* den Schlachtfchuppen entlang, | befien Ende fech® Männer bereit fanden ihn v bem fleinen niederen Wagen herabzuziehen, und ie augenblicklich abzuftreifen und auszuſchlachten. T Magen rollte babei ohne weiteren Verzug mid zurüd, die Klappe fiel zu, der Laflo flog, ein « beres Opfer fuchend, burch bie Luft; wieder ſtuͤr der Etier und wurde feinem Tod entgegengerifli wieder glitt der Karren auf den blutigen Schien hin und, von feiner Laft befreit, zunüd, und dritter fiel in demfelben Augenblick bis auch legte gefangen und getöbtet worden.

Ih wandte mich jegt dem Schlachthof felber und ber Anblid ber ſich hier mir bot, war wirf fhaudererregend. Der Plap felbit wurde fo ı gehalten wie. ſich das nur möglicherweije halten I Das Blut floß aber in Strömen in eigens ?

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ausgezimmerte Canaͤle nieder, und beſondere Maͤnner waren ſogar dabei befchäftigt mit eigens zu ſolchem Dienft beftimmten breiten Holzfchaufeln das geronnene Blut auszufchieben und den Lauf des frifch zuftrö- menden frei zu halten. Der Schuppen unter dem die Leute arbeiteten, war body und geräumig, unb die Eifenbahn Tief längs darin hin bie zum Außerften Ente. Hier waren Leute befchäftigt die legt ange- fahrenen Thiere ber Laflowerfer hatte zwei zu gleicher Zeit in die Schlinge befommen abzuftrei- fen; dort hauten andere Keulen und Fleiſchſtücke fchon feüher gefchlachteter ab, und andere trugen, oder warfen vielmehr dieſes wieder feinem Beftimmungsort zum Berpaden zu alle in bloßen Füßen und in Blut watend, mit Blut bededt. Und dazwiſchen die wild umbergeftreuten Köpfe und Gebeine, die Eingeweibe de auf Wägen geladen und fortgefahren wurben, und dort drüben mich efeltö noch wenn ich daran denfe lagen bie ungeborenen Kälber, ein Haufen von vielleicht dreißig ober vierzig Stüd, die hinaus⸗ geworfen und an denen Knaben, bis an die Schul: tem in Blut, eben beichäftigt waren, den älteften und’ Khon ziemlich ausgewachfenen bie Haut abzuftreifen und die andern oder bie fchon beendigten bei ben Hinterläufen nach einem bazu beftimmten Wagen zu Khleifen.

Ein Yurfche in einem rothen Poncho pfı was für ein fchmieriger Geſelle ed war! ſchli fi) lange um den Haufen biefer ungeborenen Kl herum und fchien die dort liegenden mit prüfenb Bliden zu betrachten, endlich ergriff er eines d größten bei den Hinterbeinen, 309 unter dem Pond einen alten blutigen Sad vor, jtedte es dort hine und glitt dann, ohne daß fich weiter jemand um il befümmert hätte, aus dem Schlachthof hatte fi ber Mann etwa unter biefem efelerregenden Wi einen Braten aueégeſucht? Mir fchauderte die Ha bei dem bloßen Gedanken; ich hatte aber auch je an dem Anblid vollfommen genug; follte ich mir b Appetit an Fleiſch ganz verderben?

Unfere Bierde ftanden bicht bei all dem BI und Lärmen angebunden, aber fo ruhig ale ob ſich draußen auf freiem ungeftörten, unentmweiht Plan befunden hätten. Wir lösten die Zäume, fi gen wieder auf und fprengten gleich darauf, wie alle Leute in der argentinischen Republik thun, img ftredten Galopp den Schlachthof entlang über ſchmale, die Boca überfpannende Brüde hinüber w am Ufer des Rio de la Plata hin, Buenos Ayres ; (&8 war mir intereffant genug diefe Echlachtereie von wo aus Fleiſch und Häute in ungeheuren Mafi nach allen Weltgegenden hin verfandt werden, einm

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in ber Nähe gefehen zu Haben; ich konnte aber zwei volle Tage lang feinen Biffen Fleifh eſſen ich mußte immer an ben Mann mit dem vothen Poncho und dem ungeborenen Kalbe denfen.

In den legten Tagen bie ich in Buenos Ayres verliebte, kamen noch Nachrichten über neue Gewalt⸗ thaten ber Indianer am Rio Ouarto follten fie eine Familie ermordet und Andere überfallen haben, die fich ihnen nur durch die rafchefte Flucht entzogen, bißs das Militär aus dem Kleinen, nicht fehr ent ernten Städtchen, aufgeboten wurde und gegen bie wilden Söhne der Steppe anrüdte Weit hinweg durften fich aber einzelne Truppe Soldaten aud) nicht von ihren befeftigten Plägen wagen, denn Los Indios waren tapfere gefürchtete Krieger und nicht zu neradh- imde Gegner. Solche Nachrichten find aber auch weiftens übertrieben; keinesfalls konnten fie meinen Eufhlug mehr ändern.

In der Zeit, in welcher ih mich in Buenos Aytes aufhielt, kam Hier gerade mit dem englifchen Pafetichiff Die Nachricht an von unferem erften und leiten Seeſieg über die Dänen, von der Zerftörung Chriſtian VIII. und der Wegnahme des Gefion.

Zufälliger Weife befand fich gerade in biefer Zeit eine fehr große Anzahl von Echiffscapitänen hier (die Fracht von bier fort fand fehr ſchlecht und bie

Leute Tagen hier mit ihren Schiffen und wartete ob fie etwas Befleres befommen konnten als Maul thiere nad) Havanna zu führen) Das Eßhaus ven Dudwig war aber fchon feit langer Zeit der Sammel plap aller im Hafen befindlichen dänifchen und beut [chen Gapitäne geweien, und da gerabe von biefe beiden Nationen eine ſehr bedeutende Anzahl ber zufammentraf, läßt es fich benfen was für Die cuflionen über dieſen Sieg entftanden. inigemal fam es faft zu Schlägereien zwifchen Einzelnen und mich amufirten nur die verfchiebenen Anfichten un Ideen, die da manchmal vorwucherten. Auch bie Uv fache der einzelnen Etreite war häufig wirklich komiſch, fo meinte ein beutfcher Gapitän eines Tags dem ed wurde faft von weiter nichts ale Fracht wi Seeſchlacht geſprochen es thäte ihm nur leib If bie Deutfchen erſt bei Chriſtian dem achten ange fangen hätten, worüber ſich ein dänifcher Gapiiku auf das furdhtbarfte erboßte, die ganze Nachricht was überhaupt fehr häufig geichah, für eine Je tungslüge erklärte, und Leib und Seele verpfänden wenn fi) die ganze deutfche Nation auf den Kop ftelle, könne fie noch nicht einmal Ehrijtian ben fünf undzwanzigiten befommen.

Die Zeit meiner Abreife rüdte aber auch jef heran und ich freute mich wirklich bag ich mw

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einmal mit beiden Füßen in das neue Leben hinein ſpringen follte, denn bier in Buenos Ayres ſchien Ale darauf angelegt zu feyn, mir womöglich das Herz ſchwer zu machen. Fortwaͤhrend famen neue Berichte über indianifche Grauſamkeiten und fogar von Mendoza wollte man willen daß fchon feit vielen Jahren fo Feine entfegliche Mafle Schnee in den Gebirgen gelegen habe, als dieſen Winter.

Kürzlich war auch ein Deutfcher aus dem Innern | gelommen der mir dabei die fchredlichften Echilderuns | gen von ben Gauchos, ben ingeborenen felber,

lieferte, nach benen ich fürchten mußte einem von 4 nen auch nur ben Rüden zugubrehen, wenn ich nicht ein langes zwölfzölliges Meffer zwifchen ben Rippen Haben wollte. An Nachts ruhig fchlafen war gar nicht zu denken und er verjicherte mich, er könne jet noch nicht begreifen wie er felber lebendig wieder berauögefommen wäre. Der Dann hieß Berger.

Mir fam jest Die ganze Reife vor wie Jemand,

Nr mit einem langen Stod bewaffnet wild um fi) | ber ſchlaͤgt hat man ihn erft einmal um den Leib * geadt, kann er uns nichts mehr anhaben fo "* beit man wenigftene.

Doch fort, fort mit Allem mas mich beunruhigen 4 oder ärgern könnte eben ſchickt mir ber Correo A en Pferd, mich zur neuen Fahrt abzuholen und das

einzige nun was ich fühle und benfe, iſt das wußtfeyn in ein neues thätiges und wenn gefährliche® Leben einzutauchen. Ein Ritt t bie Pampas alle vier bis ſechs Leguas ein ſches Pferd und im geftredten Galopp ununterbre durch die weiten Steppen fprengend fo, fort nad Mendoza, zum Fuß der Eordilleren, dann, m im Winter, über die Echneegebirge und durch ( meinem nächften Ziele, Balparalfo zu, was füme mich das Andere.

Manchmal war’8 mir aber doch auch wieder Einem zu Muthe der Morgens in einem freu Bett aufwacht, und fit um's Leben nicht meh erinnern weiß wie er bahingefommen ; ja es gab ı ih Augenblide, wo ich gar nicht übel geneigt meine fänmtlihe Umgebung, troß handgreifli Gegenbeweis, für einen nedifchen Traum zu ba ber mich urplöglich aus der Heimath, aus dem K meiner raſtlos , politilirenden und zeitungslefei Landsleute fort, mitten zwifchen bie fonnverbrant abenteuerlichen Geftalten der Gauchos hinein ve habe und auch, fowie ich mich nur entichließen ko bie Augen aufzumachen, natürlich eben fo geich wieder zurüdbringen müfle, wohin ich eigentlich höre, damit ih um Gottes Willen bie ° ſchußſizungen und Vereine, die Erercirübungen

141° Generalmärfche nicht verfaume. Die Cache blieb aber unverändert wie fie war, und ich konnte endlich der Ueberzeugung nicht entgehen, baß die Heimath, wirklich weit weit hinter mir, und auf's Neue ein wildes, thätige® Leben vor mir liege.

Eo mit Gott denn, der Anfang war gemacht, und mitten binein will ich nun fpringen in bag Ietendige, rege Treiben, das mich umgibt wenn wir beim erften Anfprung auch die Wellen über dem Kopf einmal zufammenfchlagen ein guter Echwim- er lommt Doch wieder nach oben.

5. Mitt durd die Yampas.

Am 17. Juni Morgens fchidte mir der Corr wie ſchon vorher erwähnt, durch ein paar junge gentinifche Burfchen ein Pferd, mich und mein Ge zu feinem Haufe zu bringen, daß wir dann von I aus, im Laufe des Tags, aufbrechen könnten. Ei argentinifchen Sattel (ben fogenannten fpanifd Cätteln ähnlich, aber doch etwas verfchieben ! ihnen) hatte ich mir fchon am vorigen Tage befe Zaum und Catteltafche ebenfalls und mit mei Waffen, einem Poncho, einer wollenen Tede und paar frifchen Hemden war ich vollfommen zu eir Ritt von meinetwegen vier Wochen gerüftet.

Spaß machte mir hierbei mein Wirth, ein länder, Mr. Davies, der es fidh in den Kopf ge hatte ich mache die Reife durch's Land nur, fhneller nach Galifornien zu fommen, und ih ft während meines Aufenthalt® dort die größte M gab, mir das Kalifornien mit fehredlichen Karben

143 ſchildern. Ex verfäumte es auch nicht mir felbft an diefem Morgen einen Fleinen Beitrag zu liefern, und meinte es ſey förmlich wahnfinnig von mir, nur bes Goldes wegen meine gute Kehle in einem ſolchen tollen Ritt zu wagen. Mr. Davied war übrigens fonft der prächtigfte und auch originelifte Burfche den ich lange getroffen,- und wir hatten manchen Spaß witfammen gehabt nur auf Salifornien durfte das Eeſpraͤch nicht fommen, das lag für ihn außer dem Spaß. Er wünfchte mir übrigens zum Abfchieb alles Gute, und außerdem auch noch „daß mich bie calis ſerniſchen Wilden nicht lange martern, fondern lieber eich todtfchlagen möchten, denn das fey fonft Thier⸗ quälerei.”

Der Eorreo wohnte draußen am Außerften Ende fer Stadt und Buenos Ayres ift entfeglich weit⸗ Wafig gebaut, wir trabten aber luftig drauf 106, und während ich glaubte meinen alten Burfchen fehon in weder Ungebuld auf mich warten zu fehen und dann wenblilich den Thieren die Sporen einzufepen und weiter zu galoppiren, fand ich ihn im Gegentheil ‚fig befchäftigt gar nichts zu thun, und ftatt die verſchiedenen Paͤcke bie noch wild zerftreut am Boden feammiagen, auf das Laftthier zu laden, faß er ruhig

hen, fchlürfte feinen Mateh und fah aus ale er noch gar nicht daran bächte, weder in biefer

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noch ber nächften Woche aufzubrechen. eine gan Familie half ihm dabei reblih, die Frau Fauerte in ber einen Ede neben einem Koblenbeden auf den ein fleiner eiferner Theetopf oder Kocher ftand, und ber Eohn, ein junger Burſch von circa 18 Jahren, lehnte auf dem Bett und Flimperte auf der Guitar.

Sowie ich eintrat, möchte ich fait fagen, denn tb hatte den Fuß kaum auf die Schwelle geſetzt, kam aber auch bie alte Tame jchon mit ber unausweik- lihen Matehröhre auf mich zu, und ich will den Lefer lieber glei) von vorn herein mit diefem, gewij eigenthümlicyen Genuß ber Eübamerifaner befanzt machen, damit es ihn fpäter nicht fo ganz unverke reitet treffe, wie mich damals.

Der Mateh iſt eine Art Ihee der aus den Zrei

gen und Blättern eined gewiften in Brafilien une am Paraguay wachſenden Baumes bereitet werden |

fol. Er ſieht aus wie ein grünliche® Pulver mi kleinen Zweigen und Holzftüdchen darin’ und wit im Aufguß getrunfen. Die Art wie fie ihn trinfes ift aber charakteriſtiſch.

Der Diateh felber fommt in eine, zu dieſem Zee befonderd gehaltene Galebafie, von der Größe ein ftarfen Apfeld ehwa, und auf ihn wird dann bei fochende Waſſer gegoflen. Ta man aber beim fer lihen Trinfen beffelben ben feinen Etaub werk

145 mit in die Kehle befommen, fo gebrauchen fie hierzu eine Feine dünne Blechröhre, die fie Bombille nennen, und deren untered Ende eine theefiebartig durchlöcherte abgeflachte Kugel bildet. Durch diefe etwa ſechs bis fieben Z00 lange Blechröhre ziehen fie, mit anjchei- nendem Hochgenuß, den kochend heißen Tran, deſſen Temperatur ſich dem Blech natürlich augenblidlich mittheilt, und dem, ber folche Kojt nicht gewöhnt ift, unfehlbar die Lippen verbrennen muß, befonders wenn er es „unvorbereitet trinkt." Es verſteht fich von ſelbſt, Daß ich Daffelbe that. Das fatalfte bei Diefem Matehtrinfen it übrigens das rein demokratiſche Princip nad dem er getrunfen wird. In allen Familien gibt es gewöhnlich nur eine Mateh Calebaſſe, nur eine Bombille und dieſe geht im Kreis herum, fo daß Jeder dieſelbe Blechröhre in feinen Mund fchiebt, daran faugt, und fie dann dem Nachbar reicht ich babe ſchon Eachen gefehen, Die appetitlicher waren. Ein Berweigern bderfelben wäre aber eine Mißachtung der Saftfreundichaft, die den freundlichen Geber nicht allein Fränten, fondern auch beleidigen würde, und der Fremde überwindet lieber, wenn e8 ihm von gerabe nicht lieben Lippen geboten wird, feinen Ekel und legt die Haut feiner Lippen auf den Altar der Gon- venienz, ald daß er die Keute, die ihm Damit wirklich

das Beſte bringen was fie jelber genießen, Fränte, Gerſtacher, Reiien 1. 7 10

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Die Päde waren übrigens raſcher geordnet ale ich felbft gedacht, die ſchon vor der Thür ftehenten Thiere wurden gefattelt, und in etwa einer halten Stunde faßen wir endlich zu Pferd. Durch die voll: reihen und hauptfächlich von großen Landwagen ge drängten Straßen ritten wir in kurzem Trab, faum aber etwas in's Freie hinaus, fielen bie Pferde ſchon von felbft in einen furzen Galopp; felbft das Lafttbier, was wenigftens feine 250 Pfund trug, war baven nicht ausgenommen. Ic hielt dad damals für erwat außerordentliche®.

Unfer kleiner Trupp beitand aus vier Pierden und drei Perſonen; erſtlich der fogenannte Portillen, der hinter fich ein ziemlich großes und ſchweres Hei: eifen auf den Eattel gefchnallt hatte und das Laittbier an der Leine führte, dann dieſes, mit vier in unge gerbte Häute forgfältig eingenähten und auf ſeinen Rüden feit gefchnürten Badeten, die ein von Binien gefertigter Packſattel trug, dann der Correo, in blauem Poncho oder Ueberwurf, mit helllebernen hohen Reit ftiefeln in denen fein langes Mefier ſtak, und obe eben mit dem Griff herausfah, riefigen Sporen, rundem Filzhut und einer tüchtigen Peitſche in be Hand, die einzig und allein zum Beſten bes Laſtthier mitgenommen worden; und zulegt fam ich ſelbſt im grauwollenen Staubhemd, ſchwarzem breiträndigen

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sülg, Hohen deutſchen Wafferftiefeln ebenfalls, nad) wgentinifcher Art mit dem Meſſer darin, und ber Büchäflinte an die Seite gefchnallt, die Piftolen im Yürtel mit eben folchen gigantischen Eporen und ben ßoncho mit ber wollenen Dede hinten aufs Pferd ın ben Sattel feftgebunden.

Der Poſtillon trug die Landestracht, Poncho und öheripa, ein rothes Tuch um den Kopf, und die Füße in ber abgeftreiften Pferbehaut, aus ber bie beiden erften Zehen vorfchauten und eben nur in den feinen kaum zwei Zoll breiten Steigbügel hinein- yaßten. An dem rechten Handgelenf hing die Revenfa, die aus einem etwa anderthalb Zoll breiten nach unten etwas ſpiher zulaufenden und oben durch einen großen eiſernen Ring gezogenen Streifen ungegerbter Haut gemachte Peitſche diefer Stämme, und Die langen Eporen hingen ihm mehr von ben glatten Haden berunter, als baß fie daran feit faßen.

Es ift dieß überhaupt eine Eigenthümlichfeit der biefigen Reiter, daß ihnen die Eporen, wenn man Ne zu Pferd figen fieht, fall vom Haden abwärts Mngen. Zu Buß find dieſe Leute dann auch gar vichıs nug, auf ben Zehen balaneiren fie herum und ve viefigen Eifen rollen klirrend hintendrein, einmal ber nur die Hand auf der Mähne ihres Thie⸗ e6, und es find von dem Moment an ganz andere

148 Menfchen; der zuerft förmlich vorjichtige Blid, denn der abgejefiene Reiter ging wie auf Eiern, nimmt ben alten Trotz an, der Körper richtet fich in aller Ela fticität eines naturfräftigen Volkes empor, und ein mal erſt im Cattel oder auch nur auf dem Rüde des fchnaubenden Thieres, und Mann und Rob fcheinen ein einzige zufammengegoflenes, von Feuer durchitrömtes Wefen zu feyn.

Das Herunterhängen der Sporen geſchieht übri gend abjichtlih und hat eigen hödhit triftigen Grund, denn ber Gaucho reitet fehr häufig in den Pampat draußen faſt nur wilde Pferde, und um fichereren Schluß zu haben, dann aber auch nicht der Gefahr aus gefebt zu feyn beim Echeuen bes Thieres, bei Seiten fpringen oder fonftigen Capriolen, feinen Bauch mit den fcharfen Sporen unabfichtlich zu berühren, gen fie jo weit herunter, Daß jie den unbewehrten Hacken frei laffen, aber doch ſtets zum @ebraud bereit jind, wenn fie der Reiter, der dann ben Auf nur etwas zu krümmen braucht, benügen voll.

Tie nächjte, mir freilich nicht mehr fremde Um gebung ber Etadt, in Der ich ſchon in den legte Tagen etwas unihergeitreift, feſſelte jept vor alles Anderem meinen Blick, und allerdings hat fie aud. für den Europäer befondere, viel Eigenthümlichee un |. Anziehendes. Die Gegend jelbit ift flach, eine weit

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eure Ebene, bie fich in ununterbrochener Span- bis zum Fuß der Cordilleren hinauszieht, aber rt ber’ Bebauung, die Einwohner felbft, biefer ı füblichen Republif bieten dem Auge fteten, Inden Stoff, Neues zu fehen und zu bewun- und auf fremdartigen, wunderlichen Gegenftän- u weilen. Die pittoresfe, buntfarbige Tracht ingeborenen ift nicht Das Geringfte dabei; ber Poncho, mit nur einem Loch in ber Mitte, en Kopf hindurchzufteden, die Beintücher und zten Hofen, Die ungeheuren Sporen an ben, ait ungegerbtem Leber bedediten Haden, bie lan- eigentlich verbotenen) Meffer im Gürtel, das Vorüberjagen bderfelben auf ihren Fleinen, leb⸗ Thieren; die Milchreiter denn Alles reitet aft, mas nur möglicherweile auf ein Pferd ge- werben kann die Maulthierzüge, bie großen, ülflichen Wagen, mit ihren oft gehn Buß hohen nu. f. w. das Alles bietet eine rafche, höchft Hante Abwechslung, und der Fremde würde fchon genug Belchäftigung finden, wäre es nicht bald and felber, was mit feinen unendlichen, mit nie: Diftelfträuchen oder fruchtbaren Wiefen bebedten m, feinen wunberlich Durch Aloe und Cactus um: n Feldern und Gärten, feinen Heerden und Eitan- feine volle Aufmerkſamkeit in Anfpruch nimmt.

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Doch vorbei, vorbei, ber Courier hält fich mit dergleichen Betrachtungen nicht auf, und das eigene, muntere Thier verlangt ebenfall®, daß fich der Reiter etwas darum befümmere Puh, was tft das für ein fchauerlicher Verweſungsgeruch nur ein Bier, das hier in der Etraße fiel und liegen blieb, bie die Aasgeier und Hunde das Gerippe reinigten dort wieder ein halb ſchon verzehrter Stier bon noch einer und da drüben ganze Umzaͤumm⸗ gen von Echaf- und Etierföpfen aufgewworfen. Die Straße mit den Echädeln und Gerippen der Geſchlach teten und Gefallenen aufgefüllt vorbei, vorbei, der Correo hat das ſchon tauiendmal gefehen, und jept, wo wir auf etwas befieren Weg fommen, werden bie Mferde ſchaͤrfer angetrieben.

Die erfte Station ift jieben Leguad eine Legua taft dreiviertel Deutfche Meilen und bort wurden die Pferde gewechſelt. Mittag rüdte inbeflen beran, und wir aßen etwas.

Es war Dies Die erite Wohnung der wirklichen Kingeborenen des Landes, die ich betrat eine Heine erbärmliche Hütte aus Lehm aufgeworien, miü Vinſen gededt. Gin Tiich und ein paar mit Häuten uberzogene Stuͤble bildeten Dad ganze Amenblemem: dag Tiſchtuch mugte ſchon wochenlang getient haben, die bein wuren Ichmugig Weiter wurden nice

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egeben es verfteht fich von felbft, daß jeder fein Reſſer bei fich führt, und die Gauchos tragen Meffer on 16— 18 Zoll Länge. Neben mich auf einen Stuhl purde das jüngfte Kind geftelt wir aßen Alle ms einer Schüfiel das Kind war fchauerlich un: . ein es ftarrte ordentlich von Schmuß und bie ta dont mention it, fagen die Amerikaner ch würgte ein paarmal ordentlih an einem Bif m, dennoch konnte ich dem Kinde nicht böfe feyn 8 war gar ein fo lieber, herziger, dickbackiger, dun⸗ eläugiger Junge, mit großen mächtigen Augenwimpern, md ich mußte immer und immer wieder an den eigenen Rnaben benfen, den ich zu Haufe zurüdgelaffen, hier inſam in der Fremde herumzuftreifen. Der Kleine liebe Rerl hatte fo herzige Grübchen im Baden und fo frau- es dunkles Haar wenn er nur nicht ben Löffel mmer fo lange unter die Naſe gehalten hätte.

Tas Mittageffen dauerte nicht lange, frifche Pferde urden gebracht, und bald Darauf galoppirten wir nieder rafch und munter der zweiten Station zu, wo ir für heute unfer Rachtlager auffchlagen wollten. ser Correo ift, was ich übrigens hier exit bemerken wchte, bie regelmäßige Volt, die in der argentini- ben Republif durch die verfchiedenen Provinzen geht. er Gorreo von Buenos Ayres nad Mendoza durch hneidet duch die Provinzen Buenos Ayres,

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Santa Fe, Eördova, Can Luis und Mendoza bie Mepublif von Oft nad) Wet, wartet in Mendoya, bis. der Correo von Chile über die Gebirge kommt (was aber im inter ftetS eine fehr unfichere Sache ift, da der dortige Correo fehr häufig nicht über bie verfchneiten Eorbilleren fann und die Poftverbinbung drei, vier Monate lang unterbrochen bleibt) und kehrt Dann nad) Buenos Ayres zurüd.

Diefe Voftftationen hatte ich mir übrigene mit einer leicht verzeihlichen europäifchen Phan tafie gar verfchieden von benen gebacht, Me id wirflih fand. Das Wort Roftftation if mehr eine Schmeichelei und ber Reifende findet weiter auf der Gottes Welt nichts als eben ein Tach, je nad Verhältniß oder Zufall mit einer Lehm- oder Kork wand und einem mit einer Kuͤhhaut überfpannten Geſtell, auf das er Sattel und Tede und fpäter ſich jelber werfen fann.

Meiter gegen Weften fällt auch felbft der Lurs eines ſolchen Gaſtbettes weg und man befommt eine einfache Lehmbanf zum Taraufliegen, ober auch ben blanfen Erdboden felber angewiefen und bie Flöbe.

Der Sattel ift des Gaucho Bett, und auf dieß Lager, mit unferen Ponchos und Teden, waren alic auch wir einzig und allein angewielen.

Tas Haus, wo wir übernachteten, war ebenic

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hmutzig als das, wo wir zu Mittag gegeflen; ebenſo e Bewohner, und die Matehröhren waren ebenfo 16; dabei lag bie Kleine Hütte ftill und einfam in x weiten öben Steppe fein Feld, fein Garten ıbei, nicht einmal eine Umzäunung, die Pferde darin t fangen; nur ein paar in die Erde gefchlagene Hähle, mit Streifen Rindshaut bazwifchen ausge: yannt, dienten zu diefem Zwed. Ich kann ziemlich tel Unbequemlichfeiten vertragen, und werbe wahr: ch nie über magere Koft oder harted Lager murren dieſer wiberlihe Echmug überall ekelte mich aber ob an, und ich warf mich an dem Abend, troß inem recht fcharfen und gefunden Appetit, ohne einen Affen zu genießen auf meine Deden nieder.

Der naͤchſte Morgen entfchädigte mich jeboch reich: ih für alles ausgeftandene Unangenehme; er war alt und frifch, doch blau und klar fpannte fich das reine Kirmament über die maigrüne Ebene aus und der Anblid, den die zahlreich überall zerftreuten Heer- ben auf dem weichen Grasteppich gewährten, war wirklich entzüdend, Die Pferde wurden gebracht, ns Gepaͤck und unfere Sättel aufgelegt, und im Galopp flogen wir in dem heiteren, lebensfrifchen Bilde, das rafch wie ein Banorama wechfelte, dahin.

Wohin das Auge auch fah, war Leben, und in der Luft, wie auf ben Wielen, trieb es fich im

154 bunten fröhlichen Gewühl durcheinander. Unmaffen von Kibigen ftrichen Freifchend über uns hin, ober faßen diht am Weg oder an ben Lachen unb wanbten faum ben Kopf nad) ben vorüberjprengenden Reitern, gemüthliche Störche fanden ernfthaft bie und da in dem helleren Hintergrund; eine Ffleine Art Eulen, faum größer ald Staare, fauerten neben ihren Erd⸗ höhlen oder flogen mit fchrillem Echrei auf, ſich in etwa zehn Echritt Entfernung wieder niederzulaffen, lange Ketten von Enten ftrichen durch die Luft ober faßen auf den nächſten Waflern, und große flattliche Waflertruthähne erzählten fich, dort wo das feuchte Eumpigras jteht, merkwürdige Gefchichten mit ihren gellenden Etimmen. In dem fehwellenden Grün lag dabei das gefättigte Vieh, oder jagten ſich die jungen Lämmer und nicht fern weidende Pferde fchmetterten ben unferen mit zurüdgeiworfenen Mähnen und fchnau: benden Nüftern den wichernden Gruß entgegen, ben auch unfere Thiere froh und muthig erwiederten. & war ein herrlicher Morgen, und das Herz ging mit auf in al dem Schönen und Freundlichen was mid umgab. Nur eined wirfte ftörend und Dämpfte ben fonft ficherlich unübertroffenen Eindrud das vide gefallene Vieh, was überall, nur zu oft mitten im Weg, oder auch auf den Wieſen felber, theild nun noch als Gerippe, theils halb verzehrt, theild er

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angefrefien von unzähligen darüber Freifenden Raub- vögeln, herumliegt, thut dem Auge in ber fonft fo reizenden friedlichen Umgebung ordentlih weh. Die Thiere felbit find aber fo daran gewöhnt, daß fie, obne je zu fcheuen, ruhig an den Cadavern vorbei- treten, und ſelbſt bie Rinder weiden in geringer Ent- fernung von ben gefallenen Kameraden.

Wir kamen an dem Abend, ed war der 18. Juni, ziemlich fpät ind Quartier, und ich fah mich heute, da ich den ganzen Tag nichts als ein wenig Milch wu efien befommen, durch meinen Magen förmlich genöthigt an bem Abendeſſen Theil zu nehmen. In einer hößernen ESchüflel, die noch die deutlichen Spuren früherer Gerichte trug, befamen wir unfere Suppe und Fleifch, etwas Brod hatte mein alter Gorreo bei fi, und mit ſchmutzigen Köffeln, die ich, die Leute nicht zu beleidigen, nicht einmal abwifchen durfte, verzehrten wir unfer frugales Mahl. Später lemte ich übrigens man fügt ſich ja in Alles, air darin zu helfen und wenn ich einen gar zu Ihauerlichen Löffel befam, ließ ich ihn einfah wie aus Verſehen, auf die Erde fallen. Dadurch befam ich auch ein unbeftrittiened Recht ihn abzu- wiihen und daß ich dann mehr davon nahm, als ih hinangebracht hatte, glaubte ich mit meinem Ges wiſſen ausmachen zu fönnen. Die Lanbleute ber

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argentinifchen Republif leben faft durchſchnittlich einzig und allein von Fleiſch und wollen fie lururiöe ſeyn von einer eigenen, hier viel gepflanzten Art Kürbis, der allerdings ein angenehmes, aber immer noch viel zu wenig gezogened ®emüfe liefert. Brot fennen fie faft gar nicht, oder haben es nicht, wenn fie auch wünfchten, und felbft da wo Maid gezogen wird, baden fie nicht, wie es der nordamerikaniſche Badwoodsman felbit in der Ärmlichften Hütte thut das fo nahrhafte und ficherlich gefunde Maisbrot. Wie der füdjeelindifche Indianer feine Brobfrucht, die ihm förmli in den Mund wächst und bie er nur zu pflüden braucht, fo verzehrt der Sübameri- faner hier fein Fleiſch, das ebenfalld unter feiner Hand und neben und mit ihm aufmäcdhst cr tennt faum, und verlangt felten mehr.

Ich war übrigens an diefem Abend feft entfchlot fen, mir bie Lippen mit dem verwünfchten Mateb nicht wieder zu verbrennen, und bat meinen Alten, der bie ganze Proviantirung übernommen hatte, wm etwas Thee oder Kaffee, was wir beides mit wm führten. Er machte Thee, und ich war in den legten Tagen fo aller Genüfle entmöhnt worden, daß id ben allerdings etwas fehr dünnen Thee fchon ale einen ſolchen betrachtete, bis mich meine Umgebung eines beſſeren belehrte. Der Ihee war nämlich eben

er

aufgegoſſen und ich blickte ſchon mit einer Art Scha⸗ denfreude nach den andern hinüber, die ich auf ihren Mateh angewieſen fah, ließ den Becher etwas Fühlen, und wollte ihn dann auf menfchliche, d. h. civilifirte Art an die Lippen bringen, als ein allgemeiner Schrei des Erftaunens und Gelächter, wie verfchiedene Aus- rufe mich bald darauf aufmerffam machten, es ſey entweder irgend etwas Außerordentliches vorgefallen, oder ich ftehe wenigſtens im Begriff Gift zu trinken. Erichroden hielt ich ein, und fah die Leute im Kreife verwundert an, die aber gaben mir durch Worte und Zeihen (denn mit meinem Spanifch ging ed noch iehr fpärlich), fo gut das möglich war, zu verftehen, daß ich gerade im Begriff fey, etwas ganz Entſetz⸗ lihe8 zu begehen, indem ich den Thee mit dem Mund aus der Schale tränfe; man reichte mir ohne weitered eine der verzweifelten Metallröhren, und es war augenfcheinli), daß man erwartete, ich folle damit meinen Thee, wie ben Mateh, einfchlürfen. Ich wollte nun zwar proteftiren, wurbe aber, unter einem wahren Heibenlärm, überftimmt und mußte

nich endlich mit welchen Empfindungen fann ſich

der Leſer denken ber Majorität fügen. Körperlich wohl durch den ungewohnten langen

Ritt ermübet, geiftig aber nur zu fehr aufgeregt,

auch vielleicht mit einem leifen Anflug von Heimweh,

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dad ben wegmüden Wanderer an ftillen dunklen Abenden ja fo gern befchleicht, warf ich mich enblich auf mein hartes Lager, und wenn ich auch nicht gleich einfchlafen konnte, träumte ich doch wachend von vielen lieben, und doch auch wieber jegt fc traurigen Dingen.

Die Eingebornen waren es, die mich endlich auf andere Gebanfen brachten und zwar bie einge bornen Flöhe Miniaturkaͤnguruhs, die ganz ur plöglich anfingen ſich ein Privatvergnügen an tem Fremden zu machen. Wenn es ein Troft war, daß fich mein alter Correo au unruhig auf feiner Lehm matrage umherwarf, fo hatt’ ich ben allerdinge. Mir nüßte e8 aber doch foviel, daß ich meinen Plänen und Grübeleien entrifien, und der nun einmal eriſti⸗ renden Wirflichfeit wieder zugezogen wurde. Ich fchlief endlich ein, und als ich am nächften Morgen erwachte, ftand die Eonne ſchon hoch am Himmels zelt und Die Pferde wurden draußen eben in bie Umzäunung getrieben, wo bie jungen Leute bie pm Gebrauch beftimmten mit dem Laflo fingen, und dam bie andern wieder hinaus auf die Weide ließen. Et war ein ziemlich fpäter Aufbruch, auch fiel an dieſen Tag nichts befondered weiter vor wir macht nur vier kleine Stationen.

Am 20. erreichten wir ein fleines Staͤdtchen,

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Arrecifes, nad) dem Fluß genannt, an dem es lag, wo ich einen Norbamerifaner ber einzige ber auf dem ganzen Weg zwifchen Buenos Ayres und Men- doza englifch ſprach traf. Er war ſchon fehr lange im Lande, Hatte eine höchit Tiebenswürdige junge Spanierin geheirathet, fich angeliedelt und war auch, wenn ich nicht irre, unter Dem argentinischen Militär. Er nahm mich höchft freundlich auf, und ich ver brachte in feiner Gefellichaft eine fehr angenehme Stunde.

Heute ſollte ich uͤbrigens zuerſt erfahren, wie die Sudamerikaner ihre Thiere rüdfichtslos, ob fie dabei m Grunde gehen ober nicht, anftrengen. Wir hatten eine Station von acht Leguad, und legten biefe, mit dem Laftpferb, in einem geftredten Galopp zu: rd. Ich hielt das damals für etwas Entfegliches, und mich jammerten die armen Thiere, aber was balf mir mein Mitleiden, bei dem Correo mußte ich bleiben und burfte alfo fchon mein Pferd, fo gern ich auch gewollt, nicht fchonen. In Bontezuelag, einer Beinen Pinfieblung, wo wir wieder Pferde wechfelten, rafteten wir faum eine halbe Stunde, ind von bort trieben wir die Thiere zu eben tolcher Cile an, weil mein Alter gern noch an bem Abenb de nächte Station erreichen wollte. Kaum alſo Yaben wir im Sattel, fo fam das gewöhnliche Wort

160 „Galopp,“ der Correo hieb dem Padpferd feine lange Peitſche über die Schenkel, und „hui über die Ram: pad“ hieß die Loſung.

Nur immer den Zügel feft in der Hand, lieber Lefer, und ſchaue vorfichtig auf den Weg, denn Dachſe und Eulen haben hier überall ihre Löcher, - und wenn bu dem Pferd mit deinen Augen nicht zu Hülfe fommft, könnt ihr leicht zufammen die Erde füflen. Sieh, der Gorreo ift fhon ein ganzes Etüd voraus, du haft dein Thier zu fehr geſchont fort weiche dem fchilfigen Gras da aus, ba hate Eumpf, dort zur Linken findet dein Pferb fefteren Boden aber hab Acht auf die Dachslöcher hab Acht. Und ſiehſt du dort, wo bie niederen Diſteln fo üppig ftehen, die Heine Eule figen? da find auch Löcher vermeide die „aber bort figt auch eine Eule, und hier auch, und da ebenfall& hier fügen ja überall Eulen“ ja hier find auch überall Erb löcher, aber nur weiter, bu verfäumft Die Zeit un in rafch einbrechender Tunfelheit fönnteft bu auf bem weiten Plan denn Weg und Eteg habt ihr längi verlaffen Die Führer verlieren. Und fieh, we ber alte Burſche dabei fo feſt und regungslos im Eattel jigt, während ihm ber lange fchwere Bonde in regelmäßigen Schlägen, wie bas Pferd vorm ei Ipringt, um die Echultern flappt an dem ganzen

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x fcheint nur ber rechte Arm mit der Peitfche gung zu haben, und biefe fommt erbarmungslos ven Rüden des armen Laſtthiers nieder, jelbft das nur an einer bös fumpfigen Stelle ben tt auf eineg Moment mäßigt ober rechts oder nad ben ruhig und ungezüchtigt weidenden zaben binüberblinzt. Vorwärts ift fein ein- Gedanke vorwärts —; das Thier, das er Fbas Thier, das fein Gepäd trägt, ift dabei ü 8 lebendiges Geichöpf, es ift

das ſtuͤrzt, kann er hier

echt noch billiger, ein & folde werthlofe Ma

“Abend gerade ein immer beim zehnten ingemein vorfehen. fig; als wir einen Miefenftrich in trat mein Pferd

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haben; kaum eine halbe Diinute fpäter ſaß ich mi im Sattel, und hatt! ich bis dahin mein Tbier n lich geſchont, fo half jetzt wenigftens kein läng Sträuben. Der Gorreo, der meinen Unfall ı einmal bemerkte oder wenn er ihn bemerkte, den Guckuck darum kuͤmmerte, war indeß in dern und mehr einbrechenden Dämmerung weit, weit ! auogeeilt, der mußte wieder eingeholt werden, das von Schweiß triefende Thier that, von Yeit und Sporn getrieben, fein möglichite®.

Der Anblid der Eteppe hatte indeflen eine & eigenthuͤmliche faſt wunderbare Veränderung erli bie feuchten, Dem niederen Boden emtfteigen Schwaden hoben fib und verwandelten, viele auch mit ihrer Abjpiegelung in der Dunftgeträn! Athmoſphäre, Die Ebene in ein formliches wi weißes, von dem Wiederglanz der Wolfen rorb ul hauchteo Meer, in dem ich felber, jet nicht ein mehr eine Bahn erfennend, Dabin ſprengte. überließ eo meinem Thier feinen Kameraden tolgen, und nur manchmal fangen bie Hufſchl derfelben aus weiter Ferne berüber. In ber 3 hatt' ich auch faſt vergeffen, Daß icb mich bier wilder keineowego gemuͤthlichem Terrain, ſondern einer Pampas befand, wo ich, wenn verirrt, me Bahn allein auf viele hundert Meilen durch Die

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deinden bedrohte Steppe fuchen fonnte, Denn ber Correo hatte einmal mein Geld und fümmerte fich wenig darum, ob ich zurüdblieb oder folgte. Die Exenerie, die mich umgab, war mir zu neu, zu intereflant, nicht ihr meine ganze Gedanken, meine ganze Aufmerkfamfeit zuzumenden.

Wunderbar fahen die Heerden aus die ich, in dieſem förmlichen Rebelmeer dahinfprengend, paſſirte; nur der obere Theil ihrer Körper fchaute aus ben weißen Schwaben, die jeßt auch jchon begannen in weiteren Schichten anzufegen und fürmliche Hallen und Srotten zu bilden, hervor, und es fah manchmal md ald ob fie, wie in jtilem Waller geräufchlos dahinſchwaͤmmen, dann wieder wie in tiefem Schnee wadend, von Lavinen und mwanfenden ©letfchern be: droht würden.

Nicht zurüdicheuchen konnte ich dabei Das Gefühl, as ob ich fortwährend einen ziemlich jteilen Hügel niederfprengte, und nun gleich bie Nebelmaflen über air zulammenfchlagen fehen müfle, und doch flog ich mi der ebenen fait horizontalen Steppe mit ichlagenden hufen entlang.

Mit einbrechender Tunfelheit jtieg übrigens auch er Nebel höher und wurde endlich jo Did, Daß ic aum noch wenige Pferdelaͤngen vor mir Den Boden rtennen konnte; aber nicht weit mehr entfernt hörte

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ich jegt deutlich die drei übrigen Pferde in ihrem furzen regelmäßigen Galopp, und ehe wir bie Heine Hütte erreichten, in der wir übernachten wollten, harte ich fie eingeholt.

Es war indeſſen ziemlich fpät geworden, und id fann wohl fagen daß ich ungewiegt fchlief.

Am nächſten Morgen brachen wir fehr früh aul, denn ber Nebel hatte fich in der Nacht vollfommen verzogen, und biegmal einem ziemlich berittenen Piat folgend, auf dem fich auch deutlich ältere Wagenſpuren erfennen ließen, fpvengten wir durch bie fruchtbaren mit bem faftigiten Gras und Klee bebedten (Ebenen, in dem Maflen von Rindern, Pferden und Schafen weibeten, ober hie und da auch gefättigt in dem m halb verdedenden Futter lagen und ruhig wiederkaͤnen die vorbeigaloppirenden Reiter betrachteten.

Die Morgenitunde ift für die ganze Thierwelt der Steppe bie Zeit ber Ruhe, felbft Die Raubvögel tigen auf feinen niederen Bülchen oder Exrdhügeln in ew item Echweigen und fehren ſich nicht an das munter Bogelzeug das fie umflattert langbeinige Etörde geben zu Paaren oder in Gruppen langfam auf der höher gelegenen trodenen Stellen fpazieren, erzählen ſich vielleicht die Abenteuer der vergangenen Rad, und lachen über beftandene Yahrten, daß ihnen ik Schnäbel klappern Maflen von Erbhöhlen, ie

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erall den Boden durchlöchern, ftehen leer; was auch

ihnen wohnt und athmet, fommt um biefe Tages t nicht zum Vorſchein bie Heerden, wie fchon fügt, liegen meift, und fäuen wieder, und felbft bie ferde, bie fonft wild durch die Steppe jagen, ftehen Näftig am Rand ber Heinen Teiche ober lagern enfalle auf dem ſtets für fie gebedten Tiſch ber anpas.

Wie anders wird das Alles wenn ſich die Sonne ven Untergang nähert und etwa noch eine Stunde am Himmel ftehend, die Wolfen bie einzeln über 4 burchfichtige Blau des Himmels treiben, mit ren brechenden Strahlen vergoldet. Die Heerben id dann alle in Bewegung weidend, das junge ieh fpielend, ziehen fie durch Die grünen faftigen atten nicht ber Nahrung nachgehend, denn dicht wer ihnen. wuchert biefe, wo fie auch ftehen, nein 6 füßefte und wohlichmedenbfte herausfuchend aus fer überreichen Speifefammer de Herm. Die mpps ber Pferde fpringen und wiehern einander binein in ben fchmetternden Klang ber heraus dernden Töne ſchallt das weiche melodifche Blöfen e Kühe und ber fhrille Ruf des Falken, der hoch er der freien Steppe Freist, fcheint dazu zu gehören, dem regen gefchäftigen Leben und Treiben.

Hei wie die Roſſe noch einmal fo munter mit den

166 Reitern über den Rafen ftreichen, weit hintaus fie Grund und Gras von ben flüchtigen, tief eingreifenb Hufen, und fie antworten ben befannten 2auten b Kameraden, die heute dem Laffo entgingen, mergi vielleicht dafür deſto fchärfer ben gewichtigen Spe ihre Herm zu fühlen vorbei.

Siehft du wie fi) dort die Höhlen beleben, I noch vor faum einer halben Stunde fo finfter wm bunfel dalagen; fieh wie altflug das wunberlid Mittelding zwifchen Hamfter und Dachs vor fein Thüre fit und zu bir herüberfchaut was bu zu eil haft an dem freundlichen Abend ba brüben fi noch eine da noch einer dort ein britk vierter, fünfter rechts von dir, gerade unter bi wehenden Büfchlein, das vielleicht ſchon Bater w Großvater Schub und chatten gewährt und d Mondlicht Hindurchgelaflen hat auf heranwachſen Gefchlechter, fauerte eine ganze Heine Yamilie w freut ſich über das jüngfte, das zum erftenmal he aus der Höhle kommt und ganz erftaunt und üb raſcht die niegeahnte Herrlichkeit der Welt anflamı

Dort die Heine Eule war zum Beſuch über 3 bei den Nachbarn, und fliegt jegt, mit leifem geräuf loſem Hlügelichlag zu dem Weibchen zurüd, das u geduldig fchon vor der engen fteilen Höhle auf u niebergeht und feinen Aerger fo lange mit ein

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Spaziergang befchwichtigt hat, lieberliches Eulen- nännchen das, den ganzen Tag über, wo eine ordent⸗ liche anftändige Eule in's Neſt gehört, wahrfcheinlich in ſchlechter Geſellſchaft zu figen oder gar, was noch ſchlinmer wäre, braußen im Freien herumzuftreifen und feine Gefundheit den fchäblichen trodenen Son- nenſtrahlen auszuſetzen. Wenn ed jebt Nachts feinen erdentlichen Gefchäften nachgehen fol, ift es faul und Khläfrig und läßt Steppenmaus und Käfer unbeachtet an ſich vorbeilaufen und furren oh was die Eus lenweibchen felbft in der Steppe ihre liebe Roth haben.

Borbei dort brüben weidet eine große Heerde ver Heinen Pampasfchafe, aber weit zurüdgeblieben MR eine Mutter mit ihrem, erſt vor wenig Stunden gworfenen Lamm, unb fucht nun, ängftlich babei nmüdblidend, und während fie das arme Kleine ſchwache Ding, das fich kaum fchon auf den Füßen erhalten ann, fortwährend durch leifes Blöfen ermuntert, bie heerde wieber zu gewinnen, ehe bie Nacht anbricht mb herumftreifende Raubthiere bie huͤlfloſen ohne Schup fänben.

Sieh der große Geier ber dort oben hoch in er Luft ſtand und ben Platz fchon eine Weile in veiten Kreifen umgog hat fie entdedt und ftößt raſch ſerab, ficher geglaubte Beute zu finden aber bie mf fo ſcheue ängftliche Mutter läßt das Kind nidhı

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bem gierigen Sohn ber Lüfte ben Kopf gebew tritt fie gegen ihn an und der Rauboogel, fo ſtark ws ſcharf auch Klauen und Schnabel find, Hält ſich ud vor dem Mutterzgorn, figt nieder auf dem, ihm m wenig zufagenden Boden, und folgt unbehuͤlflich w fhwerfällig in ſechs bis acht Schritt Entfernung etw bem Tleinen Lamm das die Mutter nur vergebens | größerer Eile antreibt. Der gierige Kalte hofft a ben Tod bes armen ſchwachen Heinen Weſens, ed auf die Nacht, und bleibt bei der ſchon ficher haltenen Beute, und die arme Mutter weiß was ba Kinde droht, wenn es nicht die letzten Kräfte a fammenrafft die nahe, und doch noch fo entfeglich fern Heerde zu erreichen.

Borbei hui dort gleitet ein Schuppenthi bligfchnell über den Pfad in das hohe Gras Hinei und ber alte Gaucho richtet fi) hoch auf im Sat ob das zur Seite gefchobene Gras nicht noch einm⸗ die Richtung anzeigt, in der das Thier verfchwunde die Schuppenthiere fchmeden ben wilden Yuridk gar belifat, und vielleicht um fo befier, ba fie ei feltener Braten find.

Und was liegt dort an dem feuchten Yled ü der Steppe wo fi in einer kleinen Senfung ie Bodens Waſſer vom legten Regen gehalten? ei fterbenbes Rind, das grüne glafige Auge ſtier um

169 erblindenb auf ben Klee geheftet, ber es jebt in wei⸗ Gen dichten Maflen umgibt, und ber in wenigen Tagen von feinem verweſenden Körper verpeftet, von Raubthieren zertreten feyn foll die übrigen Thiere ſtehen dicht babei, aber fie achten nicht bes fcheiden- den Kameraden da hier dort, ba drüben überall liegen die noch hie und da mit der vertrods xeten Haut, oft auch vollfommen nadten Gerippe früher vorangegangener bad Vieh meidet fie, fo lange fie die Luft um fich her mit ihrem entfeblichen Duft erfüllen, und grast dicht neben ihnen wenn Sturm und Regen bie legten widerlichen Spuren verwafchen haben.

Vorbei ba, fiehft du dort unfern alten Freund den Storch, wie thätig er geworden, und wie auf werkam und ftill er in das ftille Wafler fchaut dus jwilhen dem Rajen hervorquillend einen Kleinen Karen Teich gebildet? er fümmert fich jet nicht mehr um den Nachbar, dem er vorher fo viel zu erzählen batte, er fchaut nicht mehr bald hinauf nach dem keiihenden Flug von Papageien, die mit fcharfem Blügelfchlag über die Eteppe jtrebten, den gewöhn⸗ lihen Echlafplag für die Nacht zu erreichen, noch nah der Schaar rother Flamingos, die mit ben langen, wunberlich gebogenen Hälfen einen Nachbar⸗ teih in Beichlag genommen nur einen einzigen

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ärgerlichen Blick wirft er hinuͤber auf eine lan Kette fchnatternder quädenber Wildenten, bie fich eb in dicht gebrängter, unruhig wogender Schaar fi zu nahe bei ihm niedergelafien und das Waſſer regt haben, und blidt dann ernfthaft und aufmerkfe wieder auf die dunklen Stellen im fchlammigen hal überwachfenen Grund, geduldig erwartend was il baraus wohl aufgetifcht werben würde.

Borbei die Eonne fanf lange Hinter den © billeren und ihren Mantel wirft die Nacht im raſch Flug über die faum bämmernde Erbe.

6. Die Yampas. Sortfehung.

Am 21. famen wir in die Provinz Santa Fe, und was in Buenos Ayres vielleicht kaum mehr als ein Gerücht geweien, „daß die Bampasindianer naͤm⸗ lich wieber ausgebrochen feyen und bie Anfleblungen der Argentiner bedrohten” fand hier volle Beftä- gung. Die Leute fprachen von nichts als Indias nen ein Gefecht follte fchon zwifchen ihnen und. einem Trupp Soldaten ftattgefunden, und fie felber auch mehrere junge Leute im „Campo“ überfallen und getödet haben ; dabei war das Unangenehme daß fe fehr felten in Kleinen Truppe von acht bis zwölf, fondern meiftens in größeren, von fünfzig bis hun- dert und mehreren gingen; was hätten wir brei, Die andern beiden nur mit ihren Meſſern bewaffnet, gegen eine folche Uebermacht ausrichten wollen. Die einzige Ausficht in diefem Falle blieb, wie und ber Alte verficherte, fchleunige Flucht gen Norden. Fliehende Herden und aufgefcheuchtes Wild follten in bem

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Hal, daß die Indianer in Mafle heranfamen, d erfte und ziemlich gewiſſe Zeichen ihrer gefürchtet Ankunft feyn, und dann fam es in der That dara an, wer die beften und fchnellften Pferde unter fi hatte bie Indianer oder wir.

Der Arroyo de Pavon, ein Fleines feichtes Flü hen bildet hier die Grenze zwifchen den Proviny Buenos Ayres und Eanta und in mehr als ein Hinſicht follten wir den Unterfchied zwiſchen beib Ländertheilen kennen lernen.

Zuaft, was mich aber nichts weiter anging, | ber Correo fämmtliche Kafiengeichäfte zu beforgı hatte, galten von bier an nicht mehr die Buen Ayres Papierthaler, die fogenannten pesos, das Sti etwas über zwei Neugrofchen an Werth, bie in d erſten Provinz wechfelnden Cours haben, und dama lieber als felbft Eilber genommen wurden. Bon hi ab mußte der Correo Alles mit Silber felber bezahleı Dann aber erreichten wir hier erſt das wirflich will Land der Eteppen ben Schauplat der häufigite indianifchen Einbrüche, und faft war es auch ale e biefer Kleine Bach, der die Provinzen ſchied, ſelb eine Echeidewand in der Vegetation bilde,

Der ganze Anblid der Pampas befam, wie bu ben Kleinen Fluß abgefchnitten, etwas Winterlichere als er biöher gehabt. Bis dahin war das Land ein

173 weite, durch nichts unterbrochene, faft maigrüne Ebene geweien; faftiger Klee und frifches Gras, in dem das wohlgenährte Vieh in ungeheuren Maflen weidete oder ruhig gefättigt ausruhte. Hier aber wurde das Vieh fchon feltener, Die Heerden weniger und kleine und nur eine Art breiter borniger Kletten überzog die grüne Unterdede mit einem grauen, aber noch immer oft bucchbrochenen Schleier, und noch auf- tallender follte diefer Wechfel am nächften Tage wer: . tm, wo auch das Land felber mehr wellenförmig wurde und in langen grauen Hängen ben Blick des Reiſenden ermübeten.

Diefen Abend ritten wir bis fpät in die Nacht hinein, foviel al8 möglich von dem am meiften Durch Indianer bedrohten Terrain zurüdzulegen. Noch mit Dunkelwerden wechfelten wir bie Pferde etwas das ganz gegen bie Natur meines alten Correo fchien, der es jich Abends gewöhnlich, fobald ed nur irgend gehen wollte, bequem machte. Wenn ihn aber etwas aus feiner Ruhe bringen Eonnte, fo war es das Zauberwort: los Indios, und wo er bad erwähnen börte ging er auch gewiß nicht eher fort, bis er Alles wußte was er darüber hören, und was viel- leicht auf feinen jegigen Ritt Bezug haben fonnte.

Es war ſchon ſtark dunkel ald wir an ben Rand eines andern Heinen Fluſſes mit fchlammigen Ufern

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famen, an dem wir in der Nacht feine Zurth | fonnten. Wir ritten ein paarmal an ber einen gung wo jie der Correo vermuthete, auf und n und ich fand endlich eine Etelle an ber ein ältere Pferdeſpuren niedergingen. Ich ritt bori unter, die anderen Beiden wollten aber nicht I und müde des langen Umherſuchens befchloß id ih den Durdygang zu verfuhen. Das wär aber beinahe theuer zu ftehen gefommen, denn behielt ich noch Zeit die Büchje in die Höhe gen, baß fie nicht naß wurde, ſo raſch ſank Thier in Schlamm und Wafler unter, und es ein Gluͤck daß ich erjt vor wenigen Leguas « munteres Fräftiges Pferd befommen hatte; Das ı hätte fi) aus dem zähen Schlamm gar nicht herausgearbeitet. Hartnädig geworben verfuch! aber jegt etwas weiter unten zum zweitenmal Fluß und fand hier, wohl ewas tieferes U aber auch harten Boden und fan, von dem & und Poitillon gefolgt, glüdlich hinüber.

Die Flüſſe dieſer Eteppen find nicht gerade ihre fchlammigen Ufer Dem Reiſenden aber oft binderlidy), und manchmal wohl auch gar ge ih, doch follen fie in einer näfleren Jahreszei wir fie gerade trafen auch nicht jelten mit mender Strömung förmliche Fluthen hinab

175 dag fie den Durchgang zu Zeiten felbft unmöglich machen.

Boote, oder nur irgend eine Art anderer Fahr— zeuge habe ich übrigens auf dem ganzen Weg auch nicht an eimem einzigen Ufer gefehen.

Am 22. Morgens hüllte ein fo dichter entfeglicher Rebel Die Ebene ein, daß mein alter Eorreo in die: iem unter feiner Bedingung aufbrechen wollte. Gerade bier ichien eine Art Wech ſel ber gefürchteten »Indios« au ſeyn, die fich in dieſer Gegend früher fehr häufig gaeigt hatten und nicht allein waren wir der Gefahr auögefegt die rechte Richtung zu verfehlen und die naͤchſte Station ‚gar nicht anzutreffen, von der wir in folhem Wetter auf fünfzig Schritt Entfernung nicht geſehen und gefpürt hätten, und dann lag iogar die Möglichkeit vor daß wir, trieb jich wirklich ein Indianertrupp in der Rähe herum, diefem eben io leicht gerade in Die Fänge laufen konnten. Bei ſolchem Rebel follen diefe Söhne der Steppe nämlich gar gem die Ebenen durchſtreifen und überall ihre Waͤchter hinfenden, wenn ſie fich in der Nähe be- Nedelter Etriche wiflen; trafen fie aber auf uns, io blieb uns in ber freien Ebene, ohne jeden Vorjprung, nur jehr wenig Hoffnung zum Entrinnen.

Anderd war ed wenn man jchon von weit ab en Staub flüchtiger Heerden aufwirbeln ſehen

se wg 223

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konnte viele Meilen lagen dann noc ben Feinden und ben Yliehenden und m e8 baß biefe nicht einmal ihre Spur befo paciencia amigo wie mir mein alter & fünfzigmal den Tag zurief, paciencia, kraͤf bringen nachher in wenigen Stunden ein jest verfäumen.

Endlich lichteten fi die Schleier, 3 die Eonne hindurch und oben in bünne Maflen theilte fich die Dede die bis dahi bartnädig auf und gelagert, über den m Himmel hin fuchten die einzelnen abgerifen ihre Bahn tiefer und tiefer arbeitete fid freundliche Eonnenlicht hinein und grub u und fchob endlich Die weißgelben Echwaben Goulifien zurüd von der Yühne, aus be ion wieder grüne lachende Wieienflede un Heerden, nur noch wie von einem luf überbaucht, entgegentraten. Jetzt ichwand ier, der legte Windſtoß der mit ber fliegen! daherſtrich, nahm ihn hinweg auf einen Armen und weiter und weiter zurüdhwich | Weit der Diele tbaubligenten ſchimmernde ie lange verdedt und verbüllt gebalten.

Kaum gewannen wir aber erft einen und vollſtändigen Ueberblid über die Ei

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sein alter Correo auch nach beften Kräften benutzte mb den Horizont wohl mehre Minuten lang mit einen dunklen Adleraugen fcharf firirte. Wir fahen mn, denn ich ließ mein Zafchenteledcop ebenfalls eine Dienfte thun, baß fo weit das Auge nad) Süden reichte, bie wenigen Heerden die noch fichtbar waren ſtill und unbeläftigt, ungefchredt weibeten. Die Kon lang gefattelten und bepadten Thiere wurden vorgeführt vamos lautete der Ruf und von ben Eporen kaum berührt, flogen bie Klepper weit aus über die Steppe.

Wir hatten aber den Plab nur erft wenige Les guas verlafien, ald fi das ganze Ausfehen ber Steppe wirklich merflich veränderte; felbft Die bie hin einzeln zerftreuten Heerben hörten hier auf, em Auge einen Ruhepunft zu bieten. Kein Klee gab dem Vieh mehr die faftige Nahrung, ziemlich hehes, ſchon gelbendes Buͤſchelgras vertrat jet deſſen Etelle, und fiehe da als wir raſch eine kleine Anhöhe hinanſprengten, ſchreckte ein Hirſch aus ſei⸗ nem Lager auf und floh, den hohen weißen Wedel zeigend, raſch einem ficherern oder doch wenigftend ungefiörterem Plage zu. Nicht ein einziges Stüd nößeres Wild Enten und Waffergeflügel natuͤr⸗ Ki genug hatte ich geftern bemerkt, und heute,

wohin das Auge fah, fand es ii äfende, theils Derſtacer, Reifen. 1. 12

fliehende Hirfche, bie fich das hier etwas höhere Land zu ihrem Sammelplag auserfehen zu haben fchienen. Es war dem Auge eined Jägers ein wohlthuender, freudiger Anblid, der bald noch durch einen neuen Genuß verftärkt werden follte.

Wir mochten faum eine Stunde geritten ſeyn, als ich vor uns eine Echaar fi) wunderlich bewe gender Geftalten entdeckte. „Was ift das 7?* war mein faft unmwillfürlicher Ausruf, und ber Poſtillon zeigte lachend hinüber und fagte: „Aveſtruz.“

Etrauße, die eriten wilden, bie ich fa dem zahm Hatte ich fie ſchon hie und da in den einzelnen Anfiedlungen gefunden Strauße, die ſich bort, is den weiten Pampas, jagten und mit den unbebüli lichen Fluͤgeln ſchlugen, die langen Beine rechte unt linf8 binauewarfen, und endlib, al® fie unfer Ro ben hörten, pfeilichnell über Die Ebene dahinſtoben ein Pferd Hätte ihnen mit der Echnelle faum folgen fonnen. Mich drängte es jaft, meinem Thiere die Haden einzufegen und hinter ber wilden, wunder lichen, in der Ylucht miteinander fpielenden und 4 bald recht bald links binüberhegenden Echaar berw fprengen, aber fie flohen nad Eüben hinunter, um mein Begleiter warf noch forhnährend viel zu air trauifche Blide nach jener Himmeltrichrung, wir } zu geftatten, ihr entgegenzujagen. leberbiep hatt

179 wir an bem Morgen auch viel Zeit verfäumt, und ed galt jest vor allen Dingen, exft bie wieder ein- zubringen. Später fahen wir noch eine zweite Heerbe, aber weiter entfernt als bie erfte.

Das Wild ift hier in den Eteppen entfeglicdh fheu, und der europäifche Jäger fol es fich nicht etwa leicht denken, troß ber fehr großen Anzahl, viel zu fchießen. Der Gaucho hat fein Feuergewehr, überhaupt feine Echußwaffe, nur den Laffo und bie Bolas, und mit dieſen ift er genöthigt, will er ein mal Wildpret eflen, fein Wild zu fangen. Mit dieſen Waffen verfolgen deßhalb die Gauchos Hirfche und Etrauße, und hegen das Wild fo lange, bis fie ed überholen. Natuͤrlich muß biefes, auf folche Art fortwährend abgetrieben, ungemein fcheu werden, und wo es nur ein Pferd galoppiren hört, flieht es fchon, Die unvermeiblichen Verfolger fürchtend, in ängftlicher Haft über die Ebene, und ruht nicht eher, bis bie Geſtalten der vermutheten Feinde in neblicher Berne verſchwimmen. Zu Fuß läßt fich ſchon eher ankom⸗ men, doch darf man auch nicht darauf rechnen, bei Meinem Fluchtwild ausgenommen, leicht anzufchleichen.

Nöthig ift es hier übrigens, daß ich Bolas und daſſo dem Lefer zuerft etwas näher befchreibe, benn wenn wir auch in Deutfchland willen, daß ber Laflo eine Echlinge if, und Bolas Kugeln bedeuten, bie

180 geworfen werden, machen wir und boch im Ganzen einen falfchen Begriff davon.

Der Laflo befteht aus einem langen Eeil, meiſt, ia faft ftetS, von ungegerbter Rindehaut feſt geflochten. Das eine Ende befielben trägt einen Kleinen eifemen oder Mefling, ja in manchen Ländern ebenfall® von Leber geflochtenen Ring, und durch dieſen gezogen bil bet das Seil oder der Laſſo eine Schlinge, die, wenn zum @ebrauch fertig, von dem Gaucho fo gefaßt wird, daß fie acht bis zehn Fuß Leine in fich fait. In diefe Schlinge felber greift er beim Wurf binein, während er vielleicht noch dreißig Fuß lofe® Tau in ber linfen Hand loder aufgerollt hält, ſchwingt den Laflo dreis bis viermal um den Kopf, um ihm beim Wurf den rechten Nachdruck zu geben, und fchleudert ihn dann mit ſolcher Sicherheit, daß a ihn nicht allein um den Hals jedes nur in Wurft nähe gebrachten Thieres, fondern fogar beim vollen Lauf um jedes Bein des Wildes legen kann, das a haben will.

Iſt der Gaucho zu Pierd, fo bat er das ander "Ende des Laſſo an feinem breiten, ebenfalle an Rohhaut gefertigten Sattelgurt befeftigt, und dat Thier das er reitet, iſt fo vortrefflich auf dieſe In Bang eingerichtet, oder weiß vielmehr fo gut wei ihm felber droht wenn es nicht feftfteht, daß es Ab

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gleich nach dem Wurf gegenſtemmt, dem erſten in den Laſſoreißen des getroffenen Thieres zu begegnen.

Die Bolas find in ber Natur des Wuͤrfs dem Laflo ähnlich, denn fie werben ebenfalls wie biefer um ben Kopf bed Werfenden gefchwungen und wie diefer gefchleubert, find aber für den Gegenitand, nah dem fie geworfen werben, gefährlicher, ba fie nicht felten felbit die Knochen eines ftarfen Pferdes brechen. Der Pampasindianer gebraucht fie deßhalb auch zur Kriezswaffe.

Sie beftehen aus drei, in Rindshaut feſt einge nähte, etwa zwei bis britthalb Zoll im Durchmefler haltende Steine nicht felten auch, wo es fich die Gauchos verfchaffen Fönnen, aus Fleineren Stüden Blei, die jedes an einem etwa fünf Fuß langen Etreifen ungegerbter Haut befeitigt find und zu einem Mittelpunft zufammenlaufen. Der Werfende erfaßt die eine Kugel, fchwingt ſich die anderen bei- den, wie beim Laflowurf, um den Kopf und fchleu- dert fie dann mit einer eben ſolchen Biegung ber Hand, als es beim Laflo nöthig ijt, nad) vorn. Im Wurf fireben aber die fchweren Gewichte auseinan> der, und während fie fich, ein fürmliches etwa adıt Fuß im Durchmefler haltendes Dreied bildend raſch umkreiſen, fchlagen, fobald der eine Stein ober das Seil an dem er befeftigt ift einen Gegenftand trifft

182 und dadurch Widerftand findet, die anderen beiden mit Gewalt umher, umfchlingen und verwideln was fie faflen, und treffen mit töbtlidher Gewalt, was alfo in den. Bereich ihrer Schwingung gebracht wird.

Pferde, mit foldhen Bolas geworien, habe id zufammenbrechen fehen, ald ob fie vom Blig erichla- gen gewefen wären.

Ein huͤbſches Beifpiel vom Laflowerjen hatte ich am 23. Morgens. Diefe Stationen find, wie ſchon gejagt, nur meiſtens Fleine, roh aufgerichtete Hütten, in benen die Gauchos leben, und nach eingegangenem Eontraft mit dem Staat dem poftreitenben Correo fo viel Pferde ftellen wie er gerade braucht. Sehen fie ihn von Weitem über Tag anfommen denn bie Zeit, wo er etwa pafliten muß wiflen fie ungefähr fo fprengen ein Paar von ihnen, mit ben fletd am Haus bereitgehaltenen Pierden, hinaus, bie nächte Heerde einzutreiben und dort, wenn fie eine Umzäu—⸗ nung haben, jagen fie die Thiere hinein, und ift das nicht ber Ball, fo gehen zwei von verfchiedenen Sei ten auf ſie zu und werfen mit faft nie fehlender Sicherheit dem Thiere, das fie haben wollen, den Laſſo um ben Hald. Die Pferde aber, wie alle Thiere der Steppe, kennen ben Laflo, und ben Rud fürdhtend, der fie gewöhnlich nieberreißt, ſtehen He

183 nicht felten,- wenn fie erft einmal die Schlinge um ſich fühlen, ſtockſtill, obgleich fie ihr vorher meift in voller Flucht zu entgehen fuchen.

An bdiefem Morgen waren ihrer vier mit Laflos hinausgegangen, bie fchon dicht zum Haus gejagten Pferde zu umzingeln, die Thiere zeigten fich aber heute ganz außergewöhnlich fcheu, und fehienen den Wurf, da jie vielleicht erſt Fürzlich durch Bolas befchädigt worben, ungemein zu fürchten. Die drei erften, mit ' Laflos Gefangenen, riſſen fo furchtbar in die Schlinge, daß bie Gauchos, bie zu Fuß hinausgegangen waren, fie nicht Halten konnten und loslaſſen mußten, und mit dem anhängenden Laſſo ftürmten fie, von ber ganzen Heerde gefolgt, wieder hinaus in die Steppe, wei berittene junge Burfche trieben fie aber wieder zurück und fingen eines babei, das fie zugleich zum Haufe brachten, und die Hehe begann dann von Keuem.

Dreimal brannten ie alfo Durch, dreimal wurben fie wieder zurüdgejagt und ſechs Laſſos fchleiften ſchon in ber Heerde, bis wir endlich unfere nöthigen vier Thiere, aber fo abgehetzt und wild gemacht, zufam- men hatten, daß fich weder mit Sporen noch Peitſche etwas mit ihnen ausrichten ließ. Wie Die wilde Jagd ſtob es, endlich einmal im Sattel, mit ung davon fie gingen förmlich mit uns durch, und es

184 war ein Gluͤck, bag wir an bdiefem Morgen zuerk nur eine Feine Station hatten.

Herrlich iſt übrigens ber Anblid der wilden Heer⸗ den, bie von ihren faft noch wilderen Herren verfolgt mit fliegenden Mähnen und fchnaubenden Rüflen durch bie Steppen donnern. Dahinter her dann bie tollen fonnverbrannten Gauchos mit ihren flatternden Ponchos und Kopftüchern, den Laflo fortwährend im wirbelnden Schwung, bie eigenen Thiere ununter brochen zum Aeußerften anfpornend dazu Die ev fchredten auseinanderftiebenden Heerden ber Rinder, buch und über bie hin manchmal bie tolle Hehe geht, die aufgefcheuchten Freifenden oder ſcheu abſtrei⸗ chenden Balfen, bie grüne Eteppe, ober ber blaue Himmel, bie in jedem Moment wechfelnden, male rifchen Gruppen, das Alles macht einen Eindrud auf den Befchauer, ben ed wohl ungemein ſchwer werden möchte, bei ruhigem Blut in tobter Schrilb fprache wiederzugeben. So etwas muß erlebt, ge fühlt feyn bie Nerven müflen dabei ſelbſt erg geweien feyn, das eigene, von Uebermuth fprubelni Thier unter Einem getanzt und in die Zügel ge fhäumt haben und dann weit ausgreifend mitten in dieß Leben hineingeflogen feyn; dann aber bleibt e auch mit unvertilgbaren Zügen in das Herz gegta ben, das biefem wilden Treiben einft mit fo frohes

Hopfen entgegenfchlug und feine Zeit, fein anderes eben kann es je daraus wieder verwiichen.

Am 23. machten wir in einer Fleinen Stadt, Cruz Ita, Station Stadt, ja was wir uns in Deutfch- nd darunter benfen, darf man hier freilich nicht warten; es find Lehmhütten, die dem Anfchein nad chon eigentlich bei dem eriten ordentlichen Regen zu- ammenfchmelzen müßten und die Bewohner? ieber Leſer, ich weiß wahrlich nicht wie ich Dir, ohne fie Leute felber zu Fränfen, ohne aber auch ihnen zu ſchmeicheln, einen recht treuen Begriff von ihnen geben fönnte. Die jungen Leute find meift lauter Fräftige, ſelbſt intereſſante Geftalten, die fich in der malerifchen Landestracht (wenn fie nur nicht gar fo oft die ver- wünfchten europäifchen ſchwarzen Seidenhüte zu ihren vonchos und Cheripas tragen wollten) nur noch pit- Imeöfer und eigenthlmlicher ausnehmen, leider aber ann ich dem ſchönen Gefchlecht nichts fo Rühmliches nachſagen. Es follte mir leid feyn den Frauen ber Bampas Unrecht zu thun, was ich aber bis bahin von ihnen gefehen, diente wahrlich, mit nur jehr wenig Ausnahmen, nicht dazu mir einen günftigen Begriff von ihnen beizubringen. Unreinlichkeit und ein, un- km deutfchen Begriffen wenigſtens nach förmlich widriges Benehmen waren bie vorherrfchenden Eigen Gümlichkeiten und ich fanb das, je mehr ich von ihnen

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fah, auch immer nur mehr und mehr beftätigt. Tas fo fatale, und den Rordamerifanerinnen befontere eigene laute Aufftoßen ift hier etwas fo gemöhnlichet, bag es feinem Menfchen mehr auffällt. Eelbit bei Tiſch geniren fi die guten senoras und senvritas nicht im mindeften, und dergleichen Unanftändigfeiten famen manchmal fo laut und unfchuldig zum Xer- fchein, daß ich oft an mich halten mußte, trotz allem Ekel nicht laut aufzulachen. Das allerdings Dart ic nicht unerwähnt laſſen, daß ich erft über einen Gegenſtand fpäter aufgeflärt wurde, nämlich gar feine hübfchen jugendlichen Geſichter unter den Frauen zu finden; Das aber hatte eben feinen Grund in ben indianiichen Yeindfeligfeiten, vor denen alle junge Maͤdchen na den befeitigten oder wenigſtens durd Militär befepten Pläge gefchafft waren. Etwas rein licher hätte e8 alfo gewiß, wären fie gegenwärtig ge wefen, in den Häufern ausgefehen, jedenjalid freund licher, die Männer blieben aber immer bieielben, une wahrſcheinlich auch Die alten Frauen, und ein mwurme Bab mit ein paar Etüden Bimjteinfeife würde feinem von ihnen gefchabet haben. In folchen kleinen Stäbtchen genießt man übrigens auch ben Zurud eines Stuhls oder einer Banl, dem s Hütten ber Gauchos bebient mar zum Eigen ober, wenn d

187 och kommt, zu diefem Zwed hereingefchaffter Pferde⸗ bäbel, die dann aber auch das vollftändige Ameubles ent einer folhen Wohnung bilden,

Keineswegs appetitlich ift dabei die Kocherei felber. Ye Pampas find fo holzarm, daß fogar die paar Stüden Holz, die der Gaucho zu den Edpfählen feiner finzäunung braucht und von denen er dann, von inem zum anderen, bünn gejchnittene Streifen unge: erbter Haut herüberfpannt, viele viele Tagreifen weit nit Pferden berbeigefchafft werden müflen. An Hol ur Feuerung ift deßhalb, die Stengel einiger holz wiigen Gräfer ausgenommen, gar nicht zu denken, md das vorzüglichite und Hauptbrennmaterial iſt Kühdung, um das dann noch, es etwas beiler zu- ſanmenzuhalten, einzelne Knochen gelegt werden. Diefe brennen allerdings nicht felber, aber fie concentriren die Hige und ftinfen und auf dieß qualmenbe Kauerlich duftende Material, wird dann fehr häufig ein anderer Knochen, an bem noch etwas Fleifch fipt, «legt und gebraten, und meint es der Gaucho, lieber feier, recht gut mit Die, fo nimmt er den Knochen für dich aus dem Zeuer, klopft ihn an feinem Bein ab, reißt ein paar Stüden mit den eigenen Ahnen: herunter, um zu fehen ob er geröftet iſt, und wiht ihn bir dann, und du fügt, muchas gra- Gas senor, mit einem etwas fauerfüßen Kächeln und

188 nagft, weil bu einen wahrhaft fchmähligen Hunger haft, weiter.

Das Geſpraͤch brehte fi) übrigens hier, wie überall, um die Indianer und ihre befürdhteten An griffe, und mein etwas gefchwätiger alter Begleiter erzählte den aufmerffam und aͤngſtlich lauſchenden Etädtern all die fürchterlichen Berichte, bie er „im Lande drinn“ über bie wilden blutdürftigen Etimme der Pampas gehört hatte, und auch alle, wie ich das jeft überzeugt bin, auf Wort und Gewiſſen glaubte.

Sch fand jedoch nur zu bald, daß bie gehörten Berichte keineswegs fo ganz übertrieben feyn mochten, denn auf den naächſten Plaͤtzen bie wir erreichten, waren die Frauen mit ihren Kindern ſchon nach ben nächften Heinen Städten, die Anfunft ber feindlicher Stämme fürchtend, geflohen, und bie zurüdgebliebenen Männer hielten theils bei ihren Heerden Wacht, theild hatten fie für fi) die Pferde dicht am Haus uni gefuttelt ftehen, um ohne Säumniß, fobald fie di Anfunft der blutdürftigen Indianer entdedten, eins fonit, wie fie fagten, gewillen Tode entfliehen m fonnen. Wieder lagen wir hier wohl bie 11 U Morgens, ehe mein alter Correo, des ſtarken Rebe wegen, zum Aufbruch rief.

Als wir endlich, und die Eonne ftanb ſchon bat im Zenith, durch die Eteppe fprengten und enwa alt *

189 j der zehn engliiche Meilen zurücgelegt haben mochten, ah ich plöglich, zu meinem nicht geringen Erſtaunen, inen ©egenftand in ber Berne, der ſich augenfchein- ich gerade auf uns zu bewegte, von dem wir aber uerſt gar nicht ausmachen konnten was er eigentlich ebeute.

Im Anfang griffen wir unferen Thieren in bie jügel es fonnte ein dicht gebrängter Heiner Trupp Indianer ſeyn, das aber, fanden wir bald, war nicht er Hall, und je näher dad wunberliche Ding jetzt am, befto mehr ſchien e8 mir, als ob ich etwas Aehn⸗ cches fchon einmal in meinem Leben geſehen haben rüßte. Die dunkle, faft verwifchte Vorftellung einer eiben Landfutiche die vor Erfindung der Eifenbahn nglüdlihe Paflagiere von einem Landftädtchen zum ndern räderte, tauchte in mir auf, obgleich der Ge anke faft zu abſurd war, bie gelbe Landfutiche hier sitten in ben Pampas zu fuchen. Ale es aber näher mb näher heranfam, gewann ber koloſſale Gegenftand mh mehr und mehr Form und Gewißheit, und end» ih nein wahrlich es war zu komiſch und ich wußte laut auflacdhen rollte die gelbe Landkutſche (aber keineswegs mit gewöhnlicher gelben Landfutichen- Khnelle, fondern von ſechs galoppirenden Pferden ge- gen) raſch durch den Eand heran, und abenteuers ih genug fah ber Zug aus.

190 Die Pferde, ſaͤmmtlich an die Eattelgurte gefpannı, hatten weiter fein ®efchirr ald den Zaum und Eattel, und auf jedem faß eine, in ben flatternden Ponde gefleidete wilde Gauchogeſtalt, mit den langen Eporen und breiten ſchweren Revencad. Die Achien unt Epeichen der Räder aber, fowie alle Yeber- und Holzwerk des langen omnibusartigen Kaſtens war jeft und ficher mit Etreifen ungegerbten Leders umwidelt, und jedes Plägchen dabei auf dem ganzen Wagen, e8 mochte fich nun befinden wo es wollte, zu einem Kiftchen, Fäßchen, Kaften ober Pad benupt. Zu ber gelben Landkutſche aber, follte fie nicht ganz aus ber Rolle fallen, gehörten aber ein paar alte gemütb liche @efichter, Die in loben&werther Geduld, une fih ruhig in ihr Schickſal fügend, eine foldhe Reit machten, und wahrlich, al& bei unferer Annäherung der Wagen hielt und das Fenſter nieberfiel, ſah ein, mit Runzeln bededtes und von hoher Brille übe ragtes Echulmeijtergeficht aus dem Echlag, und m fundigte fich mit nicht geringer Genauigfeit bei ben jezt erkannten Gorreo nach ben &erüchten über Me Indianer. Die Gauchos auf den Pferden hatten wr viel eigenes Interefie bei Diefer Antwort, ale daß fe. hätten gleichgültig bleiben ſollen, fie wandten ſich alt geipannt dem alten Gorreo zu, und lauichten fein Worten, Die wieder viel des Entieplichen fündeten

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er Alte war ordentlich wie eine reitende Hiobspoft. )as berichtet, was er berichten wollte, wandte er ſich b und fprengte wieder davon, ich aber hatte indeſſen wsgefunden daß ein junger Burfche, ein Knabe von ' wa vierzehn Jahren mit im Wagen faß, der englifch wa, und es drängte mich natürlich ebenfalls zu fahren, was er mir über den Schnee der Eordilleren - ein für mich fehr intereflantes Capitel etwa gen könnte. Mit Fragen fam ich aber bei dem mgen Bürfchchens im Anfang gar nicht an, denn iefer wollte nur von Indianern hören, und frug uch, ob alle die Mordgefchichten wahr wären, bie er Correo da eben feinem Profeſſor erzählt hätte. ch fah mich nach dem Eorreo um biefer war aum noch zu erfennen, ließ ich mich auf langes Er- ählen ein, erfuhr ich nie was ich wiflen wollte, Troft onnte den guten Leuten aber auch nicht fchaden, und ch verficherte ihn, fen fein wahres Wort an ber zanzen Gefchichte ich glaubte nicht, daß ein Indianer mi 200 Meilen im Umfreis ſey die Straße wäre fo icher wie Buenos Ayres felber aber die Eordilleren.

„Sind vortrefflich zu pafliren” lautet die Ants wort „aber im Sommer wenn ber Schnee eſchmolzen ift —“

‚Im Sommer? aber ich will, ih muß jetzt Nnüber.*

192

„Sept?“ der Heine Burfche lachte wnonsen fagte er jest kann nicht einmal mehr ein ® herüber von Balparaifo ih habe von meh Bater, der bort wohnt, feit zwei Monaten fi Nachricht die Eordilleren find „geſchloſſen.“

Die Gauchos, bie eine kurze Zeit unferem, fie Kauderwelſch mehr neugierig als gebuldig gelau hatten drückten, beflen jest müde, ihren Thu die Eporen wieder in die Seiten ber Wagenſd fiel zu, und fort brausten bie muthigen Thiere, | fhleppten das unbehülfliche Fuhrwerk in wilder ( durch ben wirbelnden Sand.

Sch hatte, die „geichloflenen* Eorbilleren im Ki eine volle Stunde Arbeit meinen Eorreo wieder einzuhe

Die Hütten, bie wir jegt erreichten, hinb ung übrigens faft alle die Nähe ber Indianer in ber einen fanden wir einen jungen Burfd defien Vater fie vor furzer Zeit überholt und ern bet hatten, und nur felten fand man noch in e der Wohnungen eine alte Frau, bie Fleine Wi fchaft beforgend, d. b. den Mateh tochend. | überall waren die Frauen nad) den hie unb ba legenen feften Pläpen geflüchtet, erftlich felber Eicherheit zu feyn, und dann auch, im Fall tretender Gefahr die Männer nicht, mit der ©ı um fie, zu behindern.

|

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.

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Jetzt fing ich auch an zu begreifen, weßhalb ich ſchon ſeit vielen Tagen kein huͤbſches junges Geſicht mehr geſehen hatte die Wilden ſchleppen die jungen Maͤdchen, felbft Kinder, alle mit fort in bie Ge fangenfchaft, und die Senoritas der Bampas fcheinen feinen Geſchmack an ſolchen Eheherren zu finden.

Aber nicht die Indianer allein find dem Wan- derer in ber weiten Eteppe gefährlich, bie Gauchos ſelber follen ein ziemlich wildes, blutdürftiges Volk kun, und Streitigkeiten unter ſich, mie auch wohl Habgier und Rache, find die Urfachen manches offe nen Todtfchlags, manchen heimlichen Morde.

Einen fatalen Eindrud machen, bie Folge dieſes Charakters, die vielen Kreuze an der Straße Änfache, mit Riemen von ungegerbtem Leder gemöhn- lih zu einem Kreuz verbundene Etüde Holz, welche die Etelle bezeichnen, an ber ein Reifender oder Ein- keimifcher ermordet worben, und bie allerdings del zu häufig vorfommen, ald daß fich der Fremde einem Gefühl vollfommener Sicherheit je hingeben finnte, felbft wenn er nicht auch noch, gerabe wie ir jept, der Gefahr eines Ueberfalls wilder Horben,

: Der doch jeden Augenblick ftattfinden fonnte, auege- ſehtt gewefen wäre. Kein Tag verging, an dem ich nicht zwei, drei, ober gar mehr Diefer fatalen Mes

mento moris erblidte. GerRäder, Reifen. 1. 9 13

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Am 25. machten wir 22 Leguas und übernad teten wieder in einem einfamen Haus, Das übrigene wie alle anderen Eſtancias, ebenfall® feinen beien deren Namen trug. Hier war bie Unreinlictei wieder zu Haufe: ald und Abende das Eſſen üı einer ſchmutzigen hölzernen Echüffel gebracht wurt legte die Frau nicht einmal auegebreitet, ſonder wie ein zuſammengedrücktes Tafchentuh eine Lumpen darunter, der die Spuren verfchiedener fette Speifen und NRupflede feit Gott weiß wie vide Wochen trug und mich fo anefelte, daß ich kaum eiı paar Biflen hinunterwürgen fonnte. Dabei jap de „Herr vom Haufe” daneben und langte mit Fingern die keinenfalls in dieſem Monat Waffer geichen fortwährend in unfere Echüffel hinein, einzelne Enid Sleifch herauszuholen, und doch ich will ia Lefer nicht mit der Wiederholung ali des Efelem genden, was ich dort fehen mußte, ermüden & erreichte aber, gerade in biejer Provinz, feinen bed ften Grad, denn die Frauen fuchten und verzehrit fogar das Ungeziefer eine dom Kopf ber andern ws boten mir dann wieder die Matchröhre, an ber j vorher mit benjelben Lippen gelogen. Ich kann g wiß viel vertragen, aber dad war mir doch ein fiel bischen zu ſtark.

Eo viel übrigens zur Rechtfertigung ber Pampas

"195 daß dieſe letzte ſcheußliche Sitte nur in der Provinz Santa HE vorfommen foll, und die Bewohner ber- jelben Haben fogar einen Efelnamen danach bei ben übrigen Argentinern.

Bis hierher war die Ebene über Die wir ges fommen durch feinen Hügel, durch feinen Baum unterbrochen worden, hier aber, und zwar vom Rio tertio aus, an dem wir einen ganzen Tag hinritten, zeigte fich und Morgens in ber Ferne ein audgebrei- teter Wald mit ftattlichem Holzwuchs, der mir ber Formation ber Bäume nach aus Eichen zu beftehen ibin, was fich aber denn er mußte noch viele Meilen entfernt liegen, auf ſolche Diftanz nicht beut- lih unterfcheiden lieg.

—* machte meinen Begleiter darauf aufmerkſam,

weil ich etwas derartiges gar nicht erwartet hatte; er ſchien mich aber nicht zu verſtehen, denn er ſagte au arboles? und ſchüttelte dann lachend mit dem Senf. Ich ſchwieg, denn ich war überzeugt, wir wirden bis Mittag nahe genug gelommen feyn, ges Bau unterfcheiden zu fönnen, von welcher Ausdeh⸗ kung der Wald hier fen, griff aber ordentlich dem Pferd vor Erftaunen in die Zügel, ald nach etwa Diertelftündigem Ritt ein Hirſch vor und aufftand, mit flüchtigen Sägen über die Steppe und zwar ge

" trade dem Wald zufeßte, in bem er gleich darauf

196 verſchwand, aber bei jebem hohen und flüchtigen binter den erfien Bäumen wieder mit dem hall Körper zum Borfchein kam. Richt fünf Min fpäter erreichten wir das, was ich für einen Wa ſtattlicher Eichen gehalten hatte, und fand nid ad ein breites Didicht niederer Dornbüſc die aber in ihrer ganzen Form und Geftalt, mur Miniatur, unſern beutfchen Eichen auf ein He glihen und jebt, da man bie Umriſſe der einzeln beutlidh und genau erfeunen konnte, gar fo lieb u zierlich ausſahen.

Die meiſten glichen, wie geſagt, unſern Eich andere aber wieder Aepfel- und Birnbäumen u bie Berhältnifle zwifchen Stamm und Laub flimm! auf das Genauefte und Täufchendfte.

Am 26. zeigten ſich die erften Berge: zur Ra ten breitete fich noch in blauer Ferne die Gordel hügelfette aus, und unfere Richtung lag jegt I Außerftien Epipe berielben zu. Die Nacht blieb wir in einem Kleinen Etäbichen am Rio Quar und ich freute mich auf den Ort, weil mir gek war ich würde dort einen Engländer finden. Leil befand ſich ber aber gerade zufällig in Gördoba, I für jedoch erhielt ich die, wie fich ber Lefer gem benfen kann, freudige Nachricht, daß ein Deutſch ein Landemann von mir, im Orte fchon feit lau

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Jahren wohne es fey ein Hutmacher, hieß es, und es gehe ihm ganz wohl. Aus dem Haus fchidten fe gleich jemand ab, ber ihn bitten mußte doch einmal auf bie Poft zu kommen, weil ein Lands⸗ mann von ihm gerade von Deutfchland eingetroffen ſey; vergebens wartete ich aber den ganzen Abend, und zwar fo lange, bis es zu fpät geworden war ihn felber aufzufuchen; er fam nicht, und da ich felber vom langen Ritt ermübet Feine große Luft mehr ver- fpürte weit herumzulaufen, der Eorreo mir auch ſagte, daß wir am nächften Morgen nicht fo gar früh aufbrechen würben, fo verfchob ich den Beſuch auf den anderen Tag.

Mit uns zugleich war ein anderer, gerade von Mendoza kommender Correo eingetroffen, ber nad) Cordoba beflimmt war. Er hatte außer feinem fons Rigen Gepäd noch vier Heine Körbe mit eben fo Dielen Kampfhähnen bei ſich, die er in Cordoba zu einem fehr bedeutenden Preis zu verkaufen hoffte. Die Gauchos find nämlich ganz verfeffen auf Hahn- geiechte fie fcheinen eine Vorliebe für dieß Ber: grügen zu haben, weil Blut dabei fliegt und bie beiden Correos vergaßen im eriten Augenblid wirklich

!' We Indianer, um nun erft die verfchiedenen Tugen- * dm und Eigenfchaften ber Hähne zu beiprechen und " m bewundern. Dann aber ging es natürlich auch

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auf 208 Indios über, und der junge Correo erzählte meinem Alten, daß bie Pampas kürzlich Defaguadere überrumpelt, von den Männern aber Riemanben ev wifcht und nur eine alte Frau zu Haufe gefunden hätten, Sie fchienen fich jeboch dort ziemlich gut be nommen oder wenigftend nichts mehr geftohlen zu haben, als was fie gerade für ihren eigenen Bebari brauchten.

Für und war das allerdings Feine tröftfiche Nach richt, denn Defaguadero lag gerade in unferem Weg, doch Hatten wir ja auch den Beweis, Daß ber ertt getroffene Omnibus von den Wilden ebenfalls nicht gefehen worden und glüdlich burchgefommen war Glück muß ber Menſch haben, und wir rechneten etwas darauf.

Ich fchrieb den Abend etwas an meinen Notizen, und warf mich dann ermübdet auf meine Dede, ben wenigen Stunden und vielen Ylöhen ein paar Stun ben Echlaf abzuringen. Dahin ſollt' ich es aber ned lange nicht bringen; erſtlich hatten bie Correos nd noch fo entfeplich viel zu erzählen, und fo manches Gläschen Caña mitfammen zu trinfen, daß es ein paarmal ſchien als ob fie heute Abend unter feiner Bedingung. mehr fertig werden konnten, und dam mußten die Hähne noch untergebracht werden, unt zwar fo, daß fie fich eines Theils die Nacht über

199 Bu

im Stande waren zu erholen, und doch auch wieder nicht zu einander kommen konnten, fich Schaben zu⸗ zufügen. Der Cordoba⸗Correo hatte darin übrigens ſchon, wie es fchien, eine Art Uebung erlangt, denn er band bie vier verfchiedenen Hähne in bie vier verschiedenen Eden des Zimmers je an einem Beine feſt, und überließ es ihnen dann die Nacht fo gut zu verbringen, wie fie eben fomnten.

Dicht neben der Stelle wo ich lag war eben- fall einer angebunden das heißt man fonnte nirgends im Zimmer liegen, ohne fich wenigftens neben einem zu befinden.

Endlih war Ruhe, ich fchloß die Augen und war au im Ru feft eingefchlafen. Wie viel Uhr es damald gewefen, davon hab’ ich Feine Idee, Uhren gab's in der Billa del Rio quarto feine, mwenigftend feine Schlaguhren, NRachtwächter ebenfowenig, aber foviel weiß ich daß ich Faum glaubte eingenidt zu feyn, ale mich ein Ton weckte, ben ich im erften Khredhaften Emporfahren für nichts Geringeres ale den Schlachtichrei ber einbrechenden Wilden hielt, und von dem ich mich nun erft nach wenigſtens einer halben Minute befinnen konnte, wie es weiter nichts ſey, als mein Rachbar, ber Satanshahn, ber in feiner Ahnung bed anbrechenden Morgend eine Stimme entwidelte, bie ber Lunge eines Straußes Ehre gemacht

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haben würde. Ehe ich übrigens meinen Ingrimm nur gegen ihn wenben fonnte, antwortete es ibm erſt aus der zweiten, dann aus der dritten und vierten Ede, in eben foldhen fchmetternden, herausforbernden Tönen und die Hähne flimmten im nächſten Augen blid ein Quartett an, das feines Gleichen wohl noch nicht auf ber Welt gehabt hat. Und ba lag id mitten b’rin und wollte fchlafen.

Die Satansbeftien zu Ruhe zu bringen, daran war gar nicht zu denfen, und ich mußte mich zulept, nad mehren vergeblichen Verfuchen, damit begnügen mit meinem Ladeſtock, den ich zu dieſem Zweck aus gezogen hatte, wenn ber mir nächfle den Schnabel aufthat nach ihm hinüber zu drohen bie Töne blieben ihm dabei jedesmal im Halfe fteden, Las hielt ihn aber nicht ab, in ber nächſten Secunde einen neuen Verſuch zu machen und ich hatte eine volle Stunde lang reichliche Belchäftigung Ko miſch genug müffen wir beide aber babei ausgefchen haben.

Endlih wurde e8 Tag, und mir waren bie Glie ber wie zerfchlagen, danach wartete ich faum Com nenaufgang ab, meinen mir verfprochenen Landomann aufzufuchen ber Gorreo gab mir zu biefem Zwed einen der jungen Burfchen aus dem Gaſthaus Hahnkorb wäre ein paffenderer Rame geweſen mil,

mm

mb durch ein paar enge Gaſſen und über die Plaza

ingehend, erreichte ich bald darauf das Haus. Hätte ich fünf Meilen deshalb marfchiren müflen,

er Dann wäre mir nicht zu theuer erfauft geweſen.

Es war ein kleines ausgetrodneteds Männchen,

it einem dünnen melancholifchen Geficht und hell- lauen müden Augen er trug einen fehmwarzen Iten Seidenhut Schraube, wie ihn die Matrofen ennen und einen ſehr ſchmutzigen rothen Poncho die Cheripa wie die Argentiner ftatt der Hofen, nd nicht einmal Unterfleider darunter, denn bie adten dünnen Wabden fchauten aus dem Faltenwurf er legten wie mit leifem Vorwurf heraus, und bie benfall8 nadten Füße ftafen in einem paar gerade > abgetragenen rindledernen Schuhen.

Der Mann hieß Hüter und war aus ber Gegend on Mainz gebürtig. Früher Steinhauer geweſen, atte er das Gefchäft aber in den Pampas, wo es ne höchſtens an einigen Fluͤſſen Kiefelfteine gab, ücht fortſetzen Fönnen, bie Hutmacherei angefangen, md natürlid) eine Frau genommen.

Mit der Frau befam er eine unbeftimmte Anzahl on Kindern und ein kleines Materialgefchäft, eine It Stamladen, mit dem er aber auch noch ale koeiggefchäft eine Art Speifehaus zu verbinden dien, denn jelbft während ich dort war, kamen mehre

203 Soldaten herein, und verzehrten glei am Ladentiſch ein Stud Wurft und Brob. In einer Reihe von fiebzehn Jahren, die er jegt im Lande lebte, hatte ex ſich aber ein fehr fchlechtes, halb Mainzer Spanifh und nebenbei noch all bie Unreinlichfeit der Cingeborenen angeeignet; es ſah wahrhaft gräulich bei ihm aus, und wenn ich au für die frühe Morgenftunde etwas Entſchuldigung gelten lafien will, fo fönnte das boch nicht all ben

entſetzlichen Schmug fubtrahiren. Das Eigenthuͤmliche

dabei war, daß der Mann falt gar fein Deut mehr fprechen fonnte; Deutichland war ihm babei auch ganz fremd geworden und Rachrichten von bert fhienen ihn wenig zu interefliren. MWunderbarermweife hatte auch er bier ſchon davon gehört, daß in Deutfchland eine Revolution geweſen fey, er glaubte e8 aber noch nicht fo recht; überhaupt fhienen feine Anſichten über beutfche Berhälmifle etwas verworren. Nur an Mainz erinnerte er ſich nocb, wie er meinte, ziemlich deutlich, und ſagte fopffchüttelnd, als ich ihm verficherte auch dort ſeven Unruhen ausgebrochen, „Mainz wäre eine gute Stadi und bie fünnten fie nicht fogleich nehmen.“ Trogdem übrigens, daß er doch nad) fo langem Aufenthalt in den Pampas von Eübdamerika und burd feine Bamilie bier ganz eingebürgert war, ſchien e

203

m keineswegs fo gut zu gefallen als fich das ver- then ließ. Das Land war, wie er mich ver- herte, gut, aber die Leute bauten hier nichts weil, ie er fich ausdrüdte, zu viele „fchlechte hombres* Menfchen) in der Nähe wären, welche die Probufte iel fchneller wegftählen als fie wachfen könnten. Er Ib hatte früher etwas gebaut, es aber auch wieber ufgegeben, er. mochte nicht „für die Spanier” ars ten. In Buenos Ayres ſey es jest dabei wohl: ifig, man Tonne aber nie wiflen wie lange das mern werde, und ftürbe Roſas einmal, dann fey 3 auch wieder eine Frage wer an die Oberherrichaft ime, und ob die überhaupt gleich wieder Jemand, nd ficher, in die Hände Friegte.

Diefe Furcht ſchien mir im Lande der Hemmſchuh de vernünftigen und fonft gewiß fchon aus ſich ber entftehenden Fortſchritts, und daß fie nicht un- egründet ift beweist fchon ihre Allgemeinheit. Ob: lei) Roſas auch jegt geftürzt ift, und eine andere, nfcheinend mildere Regierung an ber Spitze fteht, Ard das biefe Furcht nicht heben; wer weiß wie mge ed dauert, und dad Volk der Gauchos ift eine xlde, fchwer zu bändigende Menfchenrace bie wie ie Lava ber arbeitenden Qulfane wohl eben eine arte, fcheinbar falte Rinde anzufepen geftattet, inner: & aber fortwährend kocht und gährt und einmal

204 über Nacht wieder Alles was fich ihr anvertraut, über den Haufen wirft.

Das gefellige Leben hier war, wie ber alte Mann weiter erzählte, nun gar erft trüb und traurig; zwiſchen al den Spaniern lebte er feine Tage fill und ein förmig bin und fein einziger Wunſch fey, wieder einmal nad) Deutfchland zurüdtehren zu können, dazu gehörte aber Geld, baares Geld, und das Tönne man fi) hier nur ungemein ſchwer verdienen. Andere Deutfche lebten nicht, weber in feiner Nachbarfichaft noch fonft in der Nähe, und wenn ja einmal einer bort Fleben geblieben wäre (er fah wirklich fo auß), jo hätte er ed doch nie lange ausgehalten bei ib wäre dad aber was anderes, er hätte Yrau und Kinder, und müfle wohl.“

Trotzdem ſchien e8 mir nicht als ob er fich wird ih fpeciel nah Deutfchland zurückſehnte a wollte nur fort von Eüdamerifa. In einer Sad freute ich mich aber auch wieder einen ächten Deus hen in ihm gefunden zu haben die Urfacdhe näm- lich, weßhalb er mich geitern Abend nicht aufgeſucht hatte, war Niemand anders ald die Polizei ge weien, vor ber er fich gefürchtet. Es lagen in dem Neſt nämlich, der draußen herumfpudenden Iw dianer wegen, eine Maſſe Soldaten und die Polizei hatte deretwegen ben Befehl erlaflen, zu fpäter Stunde

205 icht mehr in den Straßen herumzufchwärmen. tun ging das allerdings gar nicht auf ihn, Die zolizei hätt’ es aber doch vielleicht übel nehmen innen wenn er braußen gefehen würde, und mit er mochte ers nicht gern verderben.

Leider durfte ich nicht fo lange mit ihm plaudern ls ih es wohl gewünfcht hätte, denn ber Eorreo and ſchon wieder zum Abmarfch gerüftet, und wir ahmen Abfchied von einander. Er fagte, ald er ir die Hand reichte, „ed kämen wohl mandje Jeutiche in die Gegend, fie gingen aber immer wies er gleich fort, wie ich, und dann bleibe er wieder ıit den Spaniern allein;” fo erfuhr er denn auch hr wenig von dem, was in „Allemanje“ vorfiele.

Der Ritt am 27. ging faft den ganzen Tag durch ine jebt wirklich traurige Einöde; das Steppengras tand überall gelb und welf und der Winter übte bier mgenfcheinlich feine Macht aus. Bor und hatten bir dabei die ftarren, von Feiner Vegetation bededten uederen Hügelfuppen, die weiterhin mit den Cordoba⸗ wrgen in Berbindung zu ftehen fchien, und nicht ein- nal Wild fand fich in diefer troftlofen Steppe. Die yanze Ratur war wie ausgeftorben, und eine entjeß- Ih lange Etation ermüdete die armen Thiere noch mperdbem bis zum Nieberfinfen. Endlich erreichten vir die erften Felsklippen, die wahrlich nicht aus⸗

7206

fahen, als ob fie einen freundlichen Wechfel in der Scenerie hervorbringen Fönnten; wild über einander geworfenes Geſtein flarrte und eben fo monoton ent gegen und bie einzige Abwechfelung fchien Die, aus einer fandigen in eine fteinige Wuͤſte gefommen zu feyn. Als wir aber darüber hinritten, fanden wir und plöglich in einem Thale, das in biefe Einöbde wie hineingezaubert, einen wirklich überrafchenden Eindrud auf mich machen mußte. Draußen die ganze Natur verdorrt, eine faft erftorbene Begetation, fein Grün das dem Auge einen einzigen Ruhepunft ge boten, fein lebendes Wefen zu hören und zu fehen, als die fchnaubenden Thiere unter uns unb ein ein famer freifender Kalte hier dagegen, wie aus dem Boden heraufbefchworen, blühende Bäume und faftis ged Laub, weicher Rafen und rege® Leben, dem felbft eine Menge von Hausthieren gab es hier, Trut⸗ hähne, Hühner, ja felbft zahme Strauße.

Es war ein fo freundliches Plägchen, wie mar ed nur auf der Welt finden fonnte. |

Bon hier ab ging der Weg, mit frifchen Pferden, | durch fühle, mit Echilf und Buſchwerk bewachſen⸗ | Schluchten eine weite Strede lang hin, und ein | murmelnder Bach folgte unferer Bahn. |

Den Bad muß ich übrigend denunciren a | hat Gold damals ritt ich allerdings daran hin, |

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207

hne auf ſolche böfe Gedanken zu kommen, ſeit ich ber die californiſchen und auſtraliſchen Berge geſehen abe, bin ich ziemlich feſt überzeugt davon, denn ſelbſt amald fielen mir Die großen, fchönen und fchnee- seißen Quarzblöde auf, die überall daran hin zer- reut lagen. Nicht weit davon entfernt find auch ie Garolinagoldminen, wie ich fpäter erfuhr, und h bin jest feft überzeugt, daß dort Gold eben fo ewaſchen werden könnte, und gewiß auch einmal ſo ewaſchen wird, wie in Californien.

Wir hatten übrigens noch einen ziemlich weiten ditt, und der Mond leuchtete hell und klar unſerer zahn; plöglich fah ich in dem ſchmalen Pfad in em wir hingaloppirten, etwas Weißes bligen, das iv ein zufammengefaltetes Papier fchien; ich ließ neine Begleiter weiter fprengen, fehrte um, benn nein Pferd war indeß fchon raſch vorübergeflogen, md fand wirklich einen wer weiß durch wen verlore- sen und noch verfiegelten Brief; die matte Dinte ließ ich übrigens bei dem Mondlicht nicht lefen, meine Begleiter famen mir auch zu weit voraus, ich fprang alfo raſch wieder in den Eattel und nach einer Stunde ea erreichten wir ben fleinen Ort wo wir übers nachten follten.

Wenn man fo ben ganzen Tag im Eattel ge bangen hat, freut man fich nicht wenig auf die Zeit,

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ſahen, als ob ſie einen freundlichen Wechſel in der Scenerie hervorbringen Fönnten; wild über einander geworfenes Geſtein ſtarrte und eben fo monoton ent gegen und bie einzige Abmwechfelung fchien die, aus einer fandigen in eine fteinige Wüfte gefommen zu feyn. Als wir aber barüber hinritten, fanden wir uns plöglidh in einem Thale, das in biefe Einöbe wie hineingezaubert, einen wirklich überrafchenden Eindrud auf mich machen mußte. Draußen die ganze Natur verdorrt, eine faft erftorbene Vegetation, fein Grün das, dem Auge einen einzigen Ruhepunft ge boten, fein lebendes Wefen zu hören und zu fehen, al8 die fchnaubenden Thiere unter une und ein ein famer freifender Falke hier dagegen, wie aus dem Boden heraufbefchworen, blühende Bäume und fafti; ged Laub, weicher Rafen und rege® Leben, denn jelbft eine Menge von Hausthieren gab es hier, Truts hähne, Hühner, ja felbit zahme Strauße.

Es war ein fo freundliches Plägchen, wie man ed nur auf der Welt finden konnte.

Bon hier ab ging der Weg, mit frifchen Pferden, durch fühle, mit Echilf und Buſchwerk bewachſen⸗ Schluchten eine weite Strede lang bin, und ein murmelnder Bach folgte unferer Bahn.

Den Bad) muß ich übrigend denunciren er hat Gold damals ritt ich allerdings daran bin,

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ohne auf folche bofe Gedanken zu fommen, feit ich aber die californifchen und auftralifchen Berge gefehen babe, bin ich ziemlich feft überzeugt davon, denn felbft damals fielen mir die großen, fchönen und fchnee- weißen Quarzblöde auf, die überall daran hin zer- freut lagen. Nicht weit davon entfernt find auch bie Garolinagoldminen, wie ich fpäter erfuhr, und ich bin jest feſt überzeugt, daß dort Gold eben fo gewafchen werben Fönnte, und gewiß auch einmal fo gewafchen wird, wie in Galifornien.

Wir hatten übrigens noch einen ziemlich weiten Ritt, und der Mond leuchtete hell und klar unferer Bahn; plötzlich fah ich in dem fchmalen Pfab in dem wir hingaloppirten, etwas Weißes bliken, das mir ein zufammengefaltetes Papier fchien; ich ließ meine Begleiter weiter fprengen, fehrte um, denn mein Pferd war indeß fchon raſch vorübergeflogen, unb fand wirklich einen wer weiß burch wen verlore- nen und noch verfiegelten Brief; die matte Dinte ließ fch übrigens bei dem Monblicht nicht lefen, meine Begleiter famen mir auch zu meit voraus, ich fprang alfo rafch wieder in den Eattel und nach einer Etunde ea erreichten wir den Fleinen Ort mo wir übers nachten follten.

Wenn man fo den ganzen Tag im Eattel ges bangen bat, freut man fich nicht wenig auf bie Zeit,

208 wo man ben Kopf einmal auf ben Eattel Iegen kann, befonders wenn es erſt einmal über Nachtſchlafenszeit hinausgeht; wenn fi} auch die Glieder bald voll- ftändig an das Reiten gewöhnen, wollen fie doch auch manchmal Ruhe Haben, und fi fireden unt behnen. Außerdem kommt für den Magen Abende noch ein befonders wichtiger Moment, denn das ik die einzige Zeit, wo es wirklich etwas zu eflen gikt. Morgens ſetzt e8 gewöhnlich nur einen Schluck Mateh, denn ich habe mich in mein Edhidfal, und meine Lippen preiögegeben, Die nun doch einmal durchge⸗ brannt find und feine Haut wieder anfeben werben, bis ich die legten verzweifelten Bombillas im Nüden habe dann halten wir höchſtens um 10, 11 oder 12 Uhr, wie e& gerade mit der Station paßt, und nehmen eben einen Imbiß Fleiſch früher wo wir Mitch bekommen konnten, tranfen wir einen Schlud Mil, denn viel Efien verträgt ſich über Tag nick mit dem rafchen Reiten, und erft Abende wird tüchtig eingelegt, um nachher wieder vierundzwanzig Stunden audzuhalten. Am Abend verlangt aber auch ker |. Magen etwas Ordentliches, und wenn er das nicht bekommt, fnurrt er und läßt fich Fran melden; den⸗ noch aber mollte ich, wir hätten an dieſem Abent, ohne einen einzigen Biſſen zu fehen, in freier Eiern gelagert, denn noch nie ift mir der Ehmup und Mt

209 Unteinlichkeit beim Efien wie im ganzen Weſen der Leute fo furchtbar wibderlich vorgefommen, als bei den Menſchen gerade, bei denen wir an diefem Abend übernachteten. Ich hatte bis jetzt noch alles Eſſen, was mir geboten worden, fo unreinlich die Umgebung auch immer geweſen feyn mochte, hinuntergewürgt, hier aber weigerte fih der Magen ftanbhaft etwas weiteres zu fich zu nehmen, und ich ließ mir zuletzt heißed Wafler geben und machte mir eine Taffe ftarfen Kaffee, um nur nicht frank zu werden. Der Lefer mag bieß vielleicht für übertrieben halten, er foll aber nur hierher fommen, und ich will dann fehen, ob er fagt ich habe unrecht gehabt.

Der Brief, den ih im Mondenichein im Wege gefunden, war an eine Señora in demſelben Kleinen Ort (Achiras hieß das Etädtchen, ich werde ben Ramen nie vergeflen) beftimmt, ich fchrieb mit deut- hen Buchftaben einen Gruß darauf und ließ ihn dort die Epanierin mag ſich den Kopf zerbrechen, was Die wunberlichen Zeichen bedeuten, Auf dem Brief, obgleich an eine Dame gerichtet, alfo wohl ſchwerlich politifcher Natur, fanden übrigens aud), wie auf jedem argentinifchen Brief ftehen müflen, die unvermeiblihen Worte als oberfte Meberfchrift: »\Viva la confederacion Argentina mueran los Salvajes Unitarios.«

GerRäder. Reifen. 1.' 14

210 28. Der Weg, den wir an biefem Tage ritten, lag ebenfalld durch eine wüfte Steppe hindurch, mein Alter hatte aber in Achiras wieder fo fchredliche Ge fchichten über die Indianer gehört, bie indeß wirklich erft ganz vor Kurzem fi bis Dicht zu ber bier lagernden Garnifon hinangewagt, daß er feine ge wöhnliche Station zu umgehen beſchloß wir fahen beßhalb den ganzen-Tag weder Weg noch Steg überall umgab uns die hier todte öde Pampas. Nur im Hintergrund tauchte nach und nach ein eben nick fehr hoher Berg, der EI Morro, auf, und als wir ihm endlich näher kamen, lag er ebenfo ſtarr mt unfruchtbar vor und als die vorigen. Kein Haus | ließ fi an feinem Fuß erfennen, feine Umzäunung | nur an einem Punkte und e8 fchien als ob fd der Weg gerade dorthin ziehe ftand ein einzelne niederer Baum. Rechts von und tauchten auch ned |: in der Ferne mehre feharf am Horizonte abgezeichnek |- Bergfuppen aus dem flachen Lande vor, und mes alter Correo fagte mir das feyen die Berge, B denen fich die Garolinagoldminen befinden. „Wim wir,“ feste er hinzu, „Indianern in den Weg # fommen, fo hätten wir und nördlich durch jew Berge gewandt, denn fo hoch nad) Norben tras fie fih nicht hinauf. Eo aber iſts beffer, we haben Fürzeren Weg und fparen auch Gelb, Im

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ahin geht Feine Pot und wir müßten und Pferde sufen.“

Indeflen waren wir dem Berge nah gefommen nd fanden und plögli vor einer kleinen, aus {nen eigenen Steinen errichteten Hütte, fo baß fie regen den Hintergrund nicht einmal durch das ſchon benfall8 wettergraue Binfendach abſtach. Bor ber ‚hür, fo dicht daß er ben Schatten felbft auf die schwelle werfen mußte, ftand ein gewaltiger alter eigenbaum, und eine Fleine Umzäunung halb von teinen halb von Holz und Dornen errichtet, voll⸗ ndete alles was zur Anfieblung des Heinen Platzes ehörte. Der Raum aber vor der Hütte war fauber efehrt, und das Innere ber ftillen Bergesmohnung ärmlich zwar bis zum Außerften, und nur den un ntbehrlichften Bebürfnifien genügend) fo nett, fo einlich, fo wohnlich gehalten, daß mir nad) all dem Shbmus und Unrath den ich bis jegt gefehen, ber eine, faum fünf Schritt im Durchmeffer haltende taum wie ein PBalaft erfchien, und der Trunf Milch, en mir die Leute reichten, fo herrlih mundete ale 9 es das Foftbarfte Labſal geweſen.

Ein junges Ehepaar bewohnte mit der alten Rutter biefen frieblichen, freundlichen Platz, und bi die Matrone war fo reinlich gefleidet, wie ich is zu biefem Ort, im Innern des Landes, noch

. 212 nicht einmal ein junges Mäbchen gefleibet gefehen hatte. Um fo wohlthuender war das hier, ba gerade bie Unreinlichkeit der Frauen mir bis dahin fo wider lich gewefen.

Nah einer kurzen Station am Fuß bes Berges bin erreichten wir eined ber gewöhnlichen Fleinen Städtchen, bad voll von Soldaten lag. Sie hatten fi) überall Eleine, oft nicht einmal gegen den Regen gefchüste Hütten gebaut, und dad ganze Leben bier, von ben ftarren Felſen umfchloffen, bot ein bewegtes, heitergs Bild.

Wohin dad Auge auch fah weibeten, hier von feinen wild genug ausfchauenden Burfchen gehütet, Heerden von munteren Pampaspferben, bie fors während zum rafchen Auffigen bereit gehalten werben mußten; Lagerfeuer wohin der Blid auch fireifte mi Gruppen, bie einem Zigeunerlager keine Echande ge macht haben würden und förmliche Maſſen von Mär hen und Frauen, die entweder in den Hütten wirt fchafteten oder am Heinen Bache Gefchirr ober Waͤſche F reinigten.

Wir befamen von hier aus drei frifche Pferde, von benen fich zwei als gut genug auswiefen, dei dritte aber, dad unglüdlicher Weife mir zu Theil wurde, ſchon nad) Drei Leguas nicht mehr von ba fi’ Etelle wollte. Hätten und heute bie Indianer

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überfallen, fo mußte ich einfach Stand halten, denn der Gorreo würde fich verwünfcht wenig um mid) gefümmert haben. Da das Pferd aber zulegt fürm- lich ftehen blieb und in der That nicht mehr weiter fonnte, während der alte Burfche von Eorreo fchon jeit einer halben Etuude meine ungemeine Thätigfeit mit der Peitſche bewundert hatte, mochte er wohl wiegt glauben das Pferd jey nicht Schuld, fondern ih, fam raſch zurüdgefprengt, gab mir fein Pferd und ftieg nun in meinen Sattel, um ba fein Glüd zu verfuchen. Wenn er dem armen Gefchöpf, was ich nicht hatte thun wollen, bie fcharfen entjeglichen Sporen aber auch tief in die Seiten rannte, Daß jeine gelbledernen KReitftiefeln von Blut fürmlich be: iprißt waren, es fonnte nicht mehr, und fluchend ſchickte er endlich den Poſtillon, ber überdieß fchon ganz unfchuldiger Weife bie fchöniten Grobheiten wegen bem nichtöwürdigen Thier befommen hatte, etwa eine halbe englifche Meile nach Norden hinauf, wo acht oder neun andere Pferde ruhig weideten. Tem jungen Burfchen gelang es auch bis in Laſſos— wurf an bie nichts Böfes ahnenden hinanzufommen, denn mit dem ſchweren Yelleifen Hinten auf, hätte er fie nicht verfolgen Eönnen, und als die Echlinge erft um feinen Kopf ſchwirrte und die, Dadurch ge:

warnten Thiere fliehen wollten, war es zu fpät; das 1

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fräftigfte der Heerde, einen prächtigen kleinen Hengk, hatte er gefaßt, und nach wenig Minuten Anfämpient ergab ſich das Thier auch foweit in fein Echidfel, daß es fich wenigitend von und dreien meinen Eattel auflegen und mich hinauf ließ. Kaum fühlte es nd aber wieder foweit frei, daß es feinen Kopf in ik Höhe bringen fonnte, ald es an zu fteigen und tan: zen und gleich darauf an auszufchlagen fing, als et es fich verpflichtet Hätte, mich in einer gewiſſen ge gebenen Zeit, Gott weiß in welchem Theil der Etepm abzufegen. Sch hielt mich jedoch im Eattel und mit Sporn und Revenfa machte ich es zulegt wenigitent joweit mürbe, daß es feinen Eifer auf ten Be: velber richtete, und nun mit mir davon flog, als el wir noch heute Abend Mendoza erreichen wollten.

Meine beiden Begleiter blieben weit zurüd, uml brauchten nachher lange Zeit mich wieder einzuhelen

Heute Abend follte ich aber auch ein Beiſpiel ven einer argentinifchen Rebhühnerjagd jehen, von der id früher vwoirflich feine Ahnung gehabt. Gin paar M fleinen Steppenhühner ftiegen Dicht vor uns auf ual eines fiel, von den andern abgeiondert, era hunter! Schritt von und an einer Etelle nieder, bie durd einige kurze Grasbüfchel marfirt war. Ter alte Gert winfte mir zu ihm in einiger Entfernung zu felgen, und die lange aber furzftielige Peitſche wie eine

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Laflo um den Kopf ſchwingend, vermied er bie Stelle wo das Huhn eingefallen war, und fprengte in einem weiten Kreife darum hin. Immer enger und enger jog er diefen, die Peitſche fortwährend fchwingend und jegt dad Huhn fchon im Auge, das fich, durch nichts gebedt und von der Freifenden Schnur einge- ſchuͤchtert, feft auf den nur mit binnen Grasbüfcheln bewachfenen Boben brüdte, bis das Pferd felbit in Eprungsnähe vor ihm mar und bie ſchwere Peitſche mit fcharfem, aber ficheren Echlag das arme Fleine, jitternde Gefchöpf zu Tode traf.

Es war bieß jebenfalld eine merkwürdige Huͤh— nerfuche.

Ohne abzufteigen nahm ber Gorreo dann das noch Ratternde Huhn vom Boden auf, fo weit bog. er fich, mit dem rechten Fuß im Steigbügel bleibend, zur Erde nieder, und fort gings wieder über bie Steppe in neuer und toller Haft.

Ziemlich fpät in ber Nacht erreichten wir ben Rio Quinto, wo wir, in etwas reinlicherer Um- *bung als bisher, Halt machten.

Ale wir am nächſten Morgen aufbrachen nahm Nr Moftillon wieder, wie bie Leute das ſchon mehr: nals gethan, ein bünn gefchnittened breites Stüd vbes Rindfleiih und legte es ja, warum foll 86 dem Lefer nicht erzählen, wenn ich's habe

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efien müflen unter fein eigenes Eipfleil ben Cattel, allerdingd deckte er noch zuerf Reinlichfeit wegen, ein altes ungegerbted fell Darüber, was vielleicht ſchon feit Jahren zur t decke gedient hatte, aber auch das blieb nicht liegen, und bie cheripa des Poſtillons fein ei etwas zweifelhafter Schuß.

„Aber davon hätte ich feinen Biflen eflen fo:

Ach ja, lieber Leſer, wenn man to fechz achtzig englifche Meilen galoppigt it, verlan Magen wenigitend einen Imbiß, und wenn weiter nichts befommen kann, verföhnt ma ſelbſt mit folchem Fleiſch.

Mittags etwa begegneten wir einer We caravane, die nach Buenos Ayres beitimmt Einige dreißig große Wägen knarrten Dicht hin ander ber, und Daneben bin gehen die Waächt Begleiter mit ihren langen Lanzen auf den Sch und im Wagen vom unter ben langen busſtacheln manchmal ſogar ein geladenes G neben ſich, figen Die Ochſentreiber und ſchauen id über ihre Thiere bin.

Dieſe MWügen verdienen wohl eine furze B bung. Sie ruben auf nur zwei, aber bafın koloſſalen, oft zehn Fuß boben Rädern. Ihr ftige Bauart iſt leicht, und wenn auch das eige

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deitell aus feitem Holz gearbeitet ift, beftehen bie Seitenwände body nur aus geflochtenem Schilf, und ver obere Theil ift mit Häuten überdedt. Die hohen Räder mögen wohl in ben oft ſehr fumpfigen Pam⸗ a8 nöthig, ja unentbehrlich feyn. Sechs oder acht Ochſen find gewöhnlich vorgefpannt, und zwar, je zu mein, in einem, aus einem einzigen Stüd beitehen- ven hölzernen Joch, das ihnen im Naden liegt, ziehend.

Sinnreich und der Bequemlichkeit der Südländer ingemeflen ift aber bie Art, mit der fie ihre Zug- 'hiere antreiben. Die lange Peitfche die der Hot- Imtot führt wäre ihnen viel zu befchwerlich, dafür haben fie eine gewaltig lange Stange, fait ftetd aus leichtem, an ber Wurzel vier und mehr Zoll im durchmeſſer haltendem Bambus, ber aus Brajilien tommt. Die hängt nun, weil fie zu regieren auch) wm beichwerlich feyn würde, an einer, je nach Ber- haͤltniß vorn herausftchenden anderen Stange, fchwe- bend feſt, und mit der vorn daran befeftigten Spige innen fie folcher Art die vorderſten Thiere auch leicht infacheln, während eine andere Stahlfpige gerade da ferunterhängt, wo fie, wenn die Stange niederge- drüctt wird, bie zweitvorderſten Ochſen berühren fann. Für die dem Wagen nächiten Thiere liegt noch ne: ven dem Führer eine fchwächere kürzere Stange, bie eicht zu regieren ift.

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Die Wägen führen in folhen Caravanen Ni Produkte Mendozas, ber Kornkammer der argentin ſchen Republif, nach der Hauptſtadt. Die vorzix lichften Artikel darunter find übrigens Mehl un Wein, dann getrodnete Früchte, Rofinen ıc. Unte dem Wagen, wo die hohen Räder noch einen ziem lichen Raum geftatten, tragen fie babei durch di wirklichen Bampas ebenfalls ihr Brennholz mit, un bintenauf ift ein langer, eigenthümlicher Steinkru befeftigt, in dem fie ihr Trinkwaſſer bewahren un von einem Fluß zum anderen, durch bie ſalzige Wuͤſten, bie jet vor uns lagen, aber auch mand mal noch weiter nehmen.

Merden fie von Indianern bedroht, denn ſie un mehrere Monate unterwegs, fo bilden fie mit ihm Karren raſch eine Wagenburg, in deren Witte " ihr Vieh treiben und fi von den Karren aus ver thbeidigen. Ta fie ftetd einige Schießwaffen mit nd führen ift solche Befeſtigung, beſonders bei ihre Anzahl, auch fait ſtets hinreichend, und ehe ſich MU Wilden in großer Mafle zu iammeln vermögen ihn wirflich gefährlich zu werden, Fönnen ſie leicht einet der Meinen, überall durch die NRampasd zeritreuten Städtchen erreichen und militärifche Hülte bekommen

Natürlich erfundigten fie lich fehr angelegentid bei und nach den Indianern, da wir jept gerade auf

219 der meift bedrohten Gegend famen, und mein alter Eorreo erzählte den armen Teufeln zu ihrer Beruhi- gung wieder fchredliche Gefchichten.

Unfer nächfte® Ziel war jept San Luis, Die Hauptftadt der Provinz gleichen Namens, und ich hoffte hier wieder Deutfche zu finden, doch follte ich mich darin leider getäufcht fehen.

Wir erreichten den Ort Nachmittags, und ale wir eben aus dem nieberen Lande heraus und auf der flachen Anhöhe, auf ber Ean Luis liegt, hin- Iprengten, fah ich in weiter blauer Ferne einen Ge: birgeftreifen, ber ſich am Horizont in ungeheurer Kette hinzog ed waren bie Eordilleren, von benen wir noch wenigftens dreißig deutſche Meilen entfernt ſeyn mußten. Dort alfo Tagerten jene ungeheuren ſchneebedeckten Gebirgsmaſſen über bie ich jetzt, mit- im im Winter, hinüber mußte; bort gähnten jene Schluchten und ftarrten bie bis hoch über die Wol⸗ im hinausragenden Felfen empor, in benen ſchon fo mancher Reifende verunglüdt, hinabgeftürzt, oder in Eis und Schnee erftarrt ſeyn follte. Ein ganz eigen- tbümliches Gefühl durchzuckte mich, als ich das rieſige Rüdgrat der neuen Welt wie ein lauerndes Unge⸗ thüm fo vor mir liegen fah; waren bie Berichte alle wahr, Die ich über einen Wintermarfch über jene Höhen gehört, fo erwartete mich Fürchterlichee. Doch

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ich hatte ſchon zu oft gefunden daß ſolche Berichte aus weiter Berne übertrieben und unwahr geweien: Darauf und auf mein gutes Glüd, das mich ja ned nie ſtecken gelaflen, vertraute ich auch jeßt, und rin guten Muths in die breiten, von niederen Lehmhaͤu jern gebildeten Straßen ber kleinen Stadt ein.

Can Luis hat vor Kurzem viel durch ein Ent: beben gelitten, und eine Menge von Häufern waren von oben bis unten auseinandergeriflen; das if aber auch wohl das einzige was die Heine Stadt mand mal zu bewegen fcheint, denn fonft fahen die Etxapen wie ausgeſtorben aus, und die wenigen Denichen, die ſich wirklich zufällig darin begegneten, ſchienen jich ordentlich Darüber zu verwundern. In San Luis ift weder ‘Deutfcher noch Engländer (ein ganz alter Engländer ausgenommen, der aber jchon einige vierzig Jahre im Lande feyn foll), ſonſt leben jedoch einige Franzoſen und Italiener dort, bie aber auch, ſoviel ib von ihnen hören konnte, ſehr bedeutende Abd» ten haben, nach Galifornien wie fi das ren ſelbſt verſteht auszuwandern.

Bei San Luis ſoll ein nicht ſehr großer See tern mit einem jo bedeutenden Strudel nach der Mitte zu, daß jich fein Boot hinauf wagen darf jo weniy ſtens wurde es mir erzählt; ich erfuhr es leider wm jpät den Eee felber beiuchen zu fönnen.

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Mein alter Correo befam aber hier vom Gouver⸗ wur von San Luis eine Nachricht, bie ihn nicht venig beftürzt machte und zugleich auch in Erſtaunen este. ALS er feine Depefchen abgegeben hatte und a mir zurüd in das Heine Haus fam, in dem wir nfer Lager aufgeichlagen, wünjchte er mir und fidh Zück, einer bedeutenden Gefahr glüdlich entgangen a feyn. Durch einen erpreflen Boten follte ber Zouverneur nämli vor kaum einer Stunde bie tachricht befommen haben, daß die Wilden zu der⸗ {ben Zeit, wo wir dem EI Morro zuritten, in einem ‚rupp von circa 200 Mann über dieſelbe Steppe, nd zwar nad) den norbwärts gelegenen Bergen, bie er Gorreo damals für fo ficher gehalten, geritten yen fie ftreiften jebt in jener Gegend umher, nd wie behauptet wurbe, fogar mit weißen Füh- en. In San Luis vermuthete man, es feyen ein- ine Ylüchtlinge ber Unitarios, die dort in den jergen, weil es befannt war baß ber Gorreo bei idianiſchen Unruhen gewöhnlich ſtets bie nördliche toute nahm, biefem aufpaffen wollten. Und fie ätten gerade feine üble Beute gemacht, denn außer inen Depefchen führte er in ber fchweren Eatteltajche, ie der Poftillon hinten aufgefchnallt trug, eine nicht nbedeutende Quantität Unzen mit.

Fielen wir ihnen in die Hände, jo Eonnten fie

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und, waren wirklich Weiße dabei, ſchon gar nicht am Leben lafien, wenn fie fi} nicht der Gefaht ausfeßen wollten verrathen zu werden, und dann das ganze argentinifche Militär hinter ſich ber zu haben. ®erade dadurch alfo, daß wir den nächften und ge wöhnlihen Weg beibehielten, entgingen wir ihmen, und gebe nur Gott daß jie bie kleine friedliche Hütte am Buße des Berges verfchont haben. Bon San Luis wurde übrigens augenblidlih Cavallerie abgefandt, fie wo möglid von den Ihrigen ab jchneiden, oder doch jedenfall aus ber Nähe ber Anfieblungen zu verjagen.

Der Weg von San Luis aus lag burdh lauter niedere dornige Buͤſche und dad Land fchien hier bürr und froftlloes es war entieplich fandig und wir galoppirten den ganzen Tag in einer förmlichen Staubwolfe.

Mo wir die Nacht lagerten trafen wir einen jun gen Burfchen der etwa zwanzig Leguas von dort ver einigen Tagen einen Kampf mit einem Heinen Trupy Indianer gehabt hatte alfo überall ftreiften dieſe Wölfe der Eteppen umher. Sein Bruder war Dabei getödtet und ein anderer Gaucho ſchwer ver wundet worden, ein Gewehr aber das fie bei ſich führten febien den Eieg entfcbieden zu haben, die ‚Indianer hatten fich wenigitens mit einem Bertuf

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von drei Mann zurüdgezogen. Eine Lanze bie er damals erbeutete, hing hier als Siegstrophäe an ber Band fie war von Bambus, genau vierzehn englifche Fuß lang und Hatte oben darin ein altes, aber ſehr fcharf gefchliffenes Bajonett, das die Ins dianer wohl in einem früheren Echarmügel erbeutet haben mochten, befeitigt.

Mit diefen Lanzen follen fie eine furchtbare Ge⸗ fhidlichfeit befigen, den Etoß an ber rechten Stelle fo anzubringen, daß ber Bebrohte faum, oder nur fehr jchwer, im Stande ift ihn zu pariren. Gie halten diefelben nämlich beim Anfprengen in fort währender ſchwingender, fchaufelnder Bewegung die Spitze auf und nieder führend etwa nad) demfelben Princip wie ber auftralifche Wilde feinen Epeer, ehe er ihm fchleudert, erfchüttert und in zits ternde Bewegung bringt bis die Lanze, zum Stoß bereit, plöglich Feſtigkeit und fait ſtets zugleich ihr Ziel gewinnt.

Außer den Lanzen führen fie nur noch Laſſo und Bolas, aber auch bie letztere Waffe ift furchtbar in ihrer Hand.

Am nächften Tage wurde bie Umgebung nod) trauriger und troftlofer eine fürmliche Wüjte war es, bie wir durchfchnitten, eine Wüfte voll Dornen und Myrtbenbüfchen und weißen Sande Tein

224 fühler fchattiger Platz bot Thier oder Menfchen Küh lung und Erfrifhung. Nicht ein einziges lebendes Thier fahen wir auf der ganzen Station von über 12 Leguad, als einmal einen Sperling und fpäte einen Aadgeier, und ber legte ftrich fo ſtill und hung tig über die dürren Büfche hin, als ob er den er fteren fuchte und nie und nimmer finden könnte. An dem Abend ward uns jedoch , in Geftalt einer Waſſer⸗ melone, wenigftend eine Art Belohnung für langes angeftrengted Reiten und die unberechenbaren Quan⸗ titäten Staub bie wir verfchludt, wobei wir nit einmal den Troft eines orbentlichen Trunks Waſſer hatten, denn all das Wafler hier was wir fanden war brafifch oder falzhaltig, und an kleinen Lachen bie wir bie und ba trafen, lag ber Salpeter ordent- ih in weißem Anflug am Boden. Die Melom mundete deßhalb auch vortrefflich und ich fchlief die Nacht die erfte in der wir nicht von Ylöhen bis aufs Blut gepeinigt wurden, fanft und füß.

An diefem Tag machten wir zwei Stationen, eine von 13 und eine von 16 Leguas. Sechzehn Leguat, alfo über zehn deutſche Meilen mit einem Pie, und zwar in einem faft ununterbrochenen Galopp; mid) wunderte es nur daß das Packthier aushidı Am nächiten Tag follten wir aber erfahren daß nich alle Padthiere folche Riefennaturen haben. Durch

ine eben folche Wüfte wie am vorigen Tag, nur wir heute am Rand eines Fluffes hinritten, und ms doch wenigftend an der Ausficht auf Waſſer freuen konnten, wollten wir eine, ebenfall8 wieder 0 Leguas lange Station zurüdlegen; das Packpferd ber, deſſen fchon von früheren Laften wundgedrüdter nd mit Blut und Eiter bededter Rüden fich unter er neuen Ladung glei von Anfang an gebogen atte, Eonnte diefe neue Dual nicht lange ertragen. Beide gibt es hier faft gar Feine oder nur höchſt pärliche, fowohl für Pferde ald Rinder, abgemattet ind die armen Gefchöpfe fchon ohnedieß, jelbit wenn ie gar nichtd zu arbeiten brauchen; fo ift e8 Denn ein Wunder daß bie, von dem Thier geforderte An- trengung feine Kräfte überftieg und es auf halbem Beg, fich nicht etwa weigerte weiter fort zu galop- siren, denn ed that bi8 zum lebten Augenblid fein nöglichftes, fondern förmlich zuſammenbrach. Zwar wurde ihm jegt die Laft abgenommen und auf eines der ftärferen geladen, und es felber follte nur den Boftillon tragen, aber auch Das vermochte es nicht nehr, und wir fahen und endlich genöthigt ed mit Nefem jelber in einer Gegend, wo es nicht einmal inen Grashalm zu feiner Stärfung pflüden fonnte, urüdzulafien. Der arme Poſtillon hatte ebenfalls

einen Biflen Brod und nichts als feinen bünnen Gerkäder, Rein. 1. 10 15

Poncho bei fih, die Nacht im Freien zugubringen, der Correo bezeigte aber weder mit ihm noch mit dem Pferd nur das mindefte Mitleiden. Tas eim war ja bloß ein Pferd, das andere bloß ein Peon, ein Knecht, den der Sübamerifaner ebenfalls faum höher ald dad Vieh jelber achtet.

Diefe armen Teufel werden faum befler behan⸗ delt al8 die farbigen Leute in Nordamerifa, und die argentinische Republif wird deßhalb auch ihren Ehe rafter noch jehr ändern müffen, ehe fie den Namen einer wirklichen Republif verdient. So lange de Söhne derfelben noch die Abzeichen ihrer Freiheit, die Bänder und Echleifen nur gezwungen tragen, und Gefängnißftrafe zu erwarten haben, wenn ſie die livreeartige Weite auslaften, fo lange braudes jie auf den Namen „Republifaner” gerade nicht ieh u jeyn. Ja wenn jie auch felber, wie Das bei dem jegigen Regierungswechiel wohl ber Fall geweien il, die Farben Ändern, und ftatt roth hellblau oder guis nehmen, fo macht das aus den Knechten Id immer noch feine Republifaner, und bie wirklid Regierung wird ſtets in Den Händen intelligenter ode ehrgeiziger Menſchen bleiben, bis das Volk telber einmal gebildet genug ift zu fühlen welches Red ihm auch zugleich der Name gibt.

Wir brauden daheim nur aus dem Yenfler w

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dauen, um uns ein recht deutliches Bild von dem lllem machen zu fünnen.

Am 23. Zuli erreichten wir Abends ziemlich fpät aich einem, für die Thiere wirklich entfeglich ermü- nden Ritt den Heinen Ort Pescara 6 rodeo Chacon e legte Station vor Mendoza wo wir übernachten ußten, und noch gerade 23 Leguas davon entfernt.

Diefe Stadt zu fehen wurde ich aber wirklich amer neugieriger gemacht, da alles, was ich bis gt im Lande getroffen, von Mendoza und ftets von Rendoza gebracht worben war. Selbit das Brod, bgleich es die Leute an mehrern Orten mit nur einger Mühe hätten felber bauen konnen, fam von ort ber, und Wein, recht guten wohlfchmedenden md geiſtvollen Wein befamen wir von dort zu trinfen. ber Weg wurde auch etwas freundlicher und bie Bierde hielten fie in dieſer Gegend in befonders dazu ingefenzten Weiden, in Denen ein ungemein nahr- aftes Butter wuchs, Wir durften uns alfo darauf etlafien wenigftend gut genährte, Fräftige Thiere zu fommen.

Den Abend faßen wir wieder in einem ber Kleinen Gaftzimmer” vier leere Wände und eine breite ebmbank etwa lang genug, baß zwei Menfchen arauf liegen konnten „einfam bei der Lampe Ccheine“ nd mein alter Gorreo fing ſchon an fich für bie

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Nacht einzumwideln was ihm jedesmal etwa zehn Minuten Zeit wegnahm, als ich draußen plöplid den Ton einer Guitarre und gleich Darauf eine wohl: tönende Männerftimme hörte, die mich veranlafte meinen Schlaf noch etwas hinauszuſchieben, und erk einmal ber Melodie da draußen ein wenig zu Laufchen.

Der Eorreo brummte etwas von Unfinn in ben Bart, ald ich ihm fagte daß ich dem Singenben net ein wenig zuhören wollte, und meinte ich follte ik | auch lieber aufs Ohr legen, denn wir müßten ein paar Stunden vor Tag morgen aufbrechen, Mentey noch früh genug zu erreichen; ich ließ mich aber nick irre machen, folgte dießmal meinem eigenen Willen und follte e8 nicht bereuen.

Im nächiten Kleinen Haus faß eine ziemlich hun Gefellfchaft von Männern und Frauen, denn in ka Nähe des Etädtchend hielten fi die Gauchos ge ibüßt genug gegen die Einfälle ber Indianer fell die jungen Mädchen bei ſich zu behalten, im aut überdieß die weite Wüftenftrede, die zwifchen bie und dem eigentlichen Terrain der Wilden lag, Keit meiſtens abhielt, fidh weit herüber zu verirren. Die Frauen Hatten aber mit einem Theil der Männe nur einen Kreid zum Zuhören gebildet, nur Eim, ein junger fräftiger Burich, mit rabenſchwarzem Has und bligenden Augen, das Geſicht von einem eigenn

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üben Humor belebt, hielt im linfen Arm bie leichte hiitarre und während die rechte Hand nur leis und üchtig Die etwas monotone Begleitung der argen- nifchen Lieder anfchlug, fang er mit einer wirklich elodiſchen glodenreinen Stimme ein wunderlich ge- ellted Lied, das eher Recitativ als Lied zu feyn bien und manchmal, felbit die Begleitung des In⸗ rumentes verfchmähend, in reimlofe wilde Weifen 1brach.

Lautes Lachen bald oder donnernde Bravos un- tbradhen ihn, wie der Inhalt des Vorgetragenen ie Hörer hinriß, und der junge Mann hatte faum nter einem Beifallöfturm gefchloflen, als ein ande- r, in einer entfernten Ede fitender Burfche auf- wang, ebenfalld eine Guitarre ergriff, und dem ten antwortete. Leider verftand ich nicht genug on ber Sprache den, durch den Geſang auch noch mdeutlich gemachten Worten fo raſch folgen zu Fon: en, den Inhalt ganz zu faflen, das Xieb begriff ber, io viel ich davon herausbefommen fonnte, die Berbung eines ber ihrigen um ein junges Mäbchen, as ihn nicht wollte, und wahrfcheinlich waren Die erfonlichkeiten fehr gut gekannt und treffend gefchil- rt, benn das Gelächter wollte manchmal fein Ende inn für Mufif hat der Südamerifaner gewiß,

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benn fo ärmlich die Hütte auch feyn mag, bie durch die Pampas zerftreut findet, fo fehr ihr jede, felbft die geringfte Bequemlichkeit mangeln fo findet man doch faft in allen eine Quitarre, es gibt die Art, wie fie fich derfelben bedienen, wilden ungeorbneten Leben der Gauchos noch « befonderd Romantifches. Ihr Spiel nämlich nigftend was ich davon gehört iſt nicht g ausgezeichnet, auf das Epiel wird aber aud \o viel gefehen als auf den es begleitenden ei denn der Gaucho benugt die Guitarre größtent nur dazu feinen ertemporirten Gefang, mit Den irgend eine That, eine Leidenſchaft, die Geliebt jingt, zu begleiten. Hierauf antwortet nicht i ein anderer, und fucht Das eben vorgetragene zu übertreffen, oder er eriwiedert auch die Verſe es entiteht dann ein Wettgefang, um ben id Zuhörer mit der geipannteften Aufmerffamteit # ven. Gar häufig und meiltentheils find Diele er porirten Geſänge trivialer und keineswege poen Natur, manchmal füllt ed aber auch vor, daj iungen Söhne der Steppe mit begeiftertem G in die Saiten greifen, und hoͤchſt intereflant te dann ſeyn ihren Worten zu lauichen.

Wir braden an dem Morgen, um Mer vecht früh zu erreichen, wohl zwei Stunden rei

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gedbämmerung auf. Es war nod) ftodfinfter und Weg ließ ſich nur ſchwach und unbeftimmt zwi- n ben hier ziemlich niederen Büſchen erfennen, Poſtillon aber, ein Peon aus ber Anfteblung ft, der Doch Weg und Steg hier eigentlich kennen Bte, ritt voran, und follte die Thiere im richtigen ife halten. Eine halbe Stunde mochte das fo gegangen feyn, plöglich aber ſah ich, wie wir h dem Wolfenzug, den ich in Ermangelung einer eren Beichäftigung bis dahin beobachtet, eine ganz ere Richtung nahmen und nad) Norben hinauf ten. Gleich darauf erklärte der Poſtillon, er e bie Straße, verloren, und al8 wir Diefe endlich, #8 einbiegend, wieder fanden, nahm er ohne wei- 8 den Rüdwechfel an und ritt nach Often zurüd, wir hergefommen. Dagegen proteftirte ich aber das feierlichfte, denn mich verlangte nad) Men- a und in die Cordilleren, nicht wieder in bie m verlafiene Sandwüſte; die beiden Leute wollten : aber erft nicht glauben, daß fie verkehrte Rich: g.hätten, bis ich abftieg, Feuer machte und ihnen ı mit bem Gompaß bewies, wir hielten Die pfe unferer Pferde gerade wieder gen Oſten. t wandten um und folgten von da an aufmerf: ver der ſchwachen, und kaum erfennbaren pur, die auffteigende Sonne nicht. allein bewies

232 daß ich recht gehabt, fondern auch unfern Miat erhellte.

Die blauen Berge der Eorbdilleren, wenigitene das was ich dafür hielt, waren jeßt, ba das hei Buſchwerk die Ausficht nicht mehr hemmte, beutlid fichtbar, und darüber, hoch, Hoch darüber hing ein wunderlicher, fchlangenartiger Wolfenftreifen,, wie ik ihn noch nie vorher geſehen. Zuerſt gab ih mir Mühe herauszubefommen, was bad eigentlid iem fönne; die Berge nahmen aber meine Aufmerkiam: feit viel zu fehr in Anfpruch mich heute nach ben Molfen umzufehen, und es wunderte mich nur I} man, doch fo nah gekommen wie wir uns eigentlik befanden, Doch noch feinen Schnee auf ben gewü damit bededten Gebirgen erfennen fonnte.

Bon dem rt aus wo wir gefchlafen, baten wir Die erften zehn Leguas noch immer duͤrres jun diges Land, mit nichts ald den ewigen Dornen. Mvrtben und anderen niederen Büſchen bewachien bald zeigten aber hohe Reihen von PBappelbäumen die aus ber Kerne aus dem Alachlande emporragten. die Nähe von bejiedelten Plägen an, und wir a reichten jeßt eine fürmliche Neibe von Plantagen in denen Kruchtgärten, Felder, Wieſen und Wen pflansungen auf das freundlichfte abwechfelten. She ren von wilden Papagayen ſtrichen bier kreiſchen

233 von einem Feld ins andere, ganze Völker von Tur⸗ teltauben faßen girrend in Feigen⸗- und Pfirfich- bäumen, und wohlgenährtes Vieh beftätigte überall den Segen geregelten Yleißes.

Hier machten wir wieder Station und ritten dann, eine Art Allee oder breite Straße entlang, die zwifchen ben verichiedenen Anftedlungen hinführte, einem flei- nen Hügel zu, von dem aus fich das niebere Land vor und öffnen mußte. Wir hatten prächtige mun- tere Thiere und fprengten raſch den ebenen Weg dahin jegt erreichten wir ben erften freien Platz, weit vor uns lag eine mit Wohnungen und PBlan- tagen bebedte Ebene, und bort drüben ich griff meinem Pferde faft erfchroden in die Zügel, denn dort drüben Heiliger Gott, war denn das Wirk: lichfeit, oder baute ſich Die erregte Phantafie Zauber: gebilden in das blaue Aethermeer hinein? Das Pferd ſchaͤumte unter dem feft angezogenen Zaume, aber ich konnte den Bli nicht abwenden von dem fernen Horizont, während das Auge noch immer nicht dad was es jah faflen und begreifen und bep- balb zu einem feften Ganzen geftalten konnte. End—⸗ lich aber fchied fich dem ftaunenden Blick jene riefige Gebirgsmafle ab, von dem darüber ausgefpannten Himmel, von den darunter wegziehenden Wolfen, und ich fchwelgte in dem Genuß eines Anblids den

234 ich nie, nie im Leben wieder vergeflen werde, und der mich, o wie reich, für alles das entichäbigte, was ich bis dahin an Mühfeligkeiten und Beſchwer— den ertragen haben mochte. j

Wie aber follt ich das mit Worten befchreiben fönnen, wo mir im erften Augenblid das Auge fait den Dienft verfagte e8 zu faflen? Ich verfucde das Unmögliche, und Doch will ich's verfuchen. Vor mir ausgebreitet lag, fo weit ber Blid zur Rechten oder zur Linken reihen fonnte, bie blaue Hügelfetie, Die ich fhon von weiten als die ber Gorbilleren er fannt hatte darüber hin aber lag jener wunder liche fehlangengleiche Wolfenzug, den ich im Anjang für Nebel gehalfen, und fchied fich jest ab, ale Ade und ſchneebedeckte Echlucht, über der der Nebel in fhweren Maflen lag. Und drüber? Herr ta Welten, was jtiegen da für gigantiiche Gipfel em por in ber Sonne funfelnd mit ihren eid: unt ichneegeftönten Häuptern hoch über die Welfen hinausragend, in andere hinein, und als auch über diefe der Blick Hinausichweifte, da da war es, bar ich in jtaunender Bewunderung Das Ungeheure Bieter Berge nicht gleich zu faflen vermochte. Noch über den zweiten Wolfenjaum redten jie die gigantiichen Kuppen hinaus, und ed war fait, ald ob ber Himw mel auf ihren Zadenfronen ruhe. Worte bat:: id

235 icht, und Feine Seele war bei mir der ich das, as ich fühlte, Hätte mittheilen können, aber eine hräne trat mir ind Auge Das Herz war zu bervoll, e8 mußte einen Ausfluß haben.

Meine Begleiter waren indeß weit vorausgerit- m und ich mußte endlich daran denfen fie wieder inzuholen, dem Pferd alfo die Eporen gebend, prengte ich bie leiſe Anhöhe nieder Die fich, jedoch och immer hie und da durch Feine flache Hügel unter: tochen, gegen Mendoza zu ausbehnte; die Augen onnte ich aber faum abwenden von bem eifigen Ge⸗ irgsgürtel, der dieß ganze Land mit feinen Riejen- wımen umfpannt hielt, bis ich mich endlich genöthigt ah mehr auf den Pfad zu achten, weil die Straße, ie Nähe einer größeren Stadt anzeigend, belebter vurde, und und zahlreiche Maulthierzüge, fo wie inzelne Reiter begegneten, die theils Produfte in bie Ztabt gebracht, theild in größeren Quantitäten Wein, Mehl, getrodnete Früchte, Orangen, fpirituöfe Ge⸗ ränfe u. ſ. w. dem inneren Lande zuführten.

Tas Land war hier auch ftarf bejiedelt, überall tanden feine freundliche Häufer, einzeln bier, dort u Heinen Villen zufammengebaut, und man begriff, jah man bie weite Släche Die hier in Kultur lag, wie Mendoza die Korn- und Fruchtkammer fat ber ganzen argentinlichen Republif genannt werden fonnte.

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Da, wo eine fchilfige Släche, eine Art Sumpi, * die Bebauung bis jetzt hinderte, hörten die Plantagen für eine Strede auf und ich gewann wieder Zeit den Blick jenen herrlichen Bergen zuzumenden, bie mid aber doch mit einer Art Schaubder erfüllten, daß id fleines ſchwaches Menſchenkind e8 wagen wollte dort hinüberzumandern, wo ber eifige inter all feine Echreden zufammengeballt hielt, und oft nur in ie furchtbaren Stürmen und Wettern entfeflelte, daß er alles vernichtete was ihm Trotz zu bieten wagte. Ein eigener Reiz lag aber auch wieder in dieſen Gefühle felbftbewußter Kraft, mit dem ber ſchwache Menſch felbft Schweres überwinden kann, und ic hatte bis jegt nur Gefühl für das Große, Herrlide jener Gebirge ihre Schreden lagen mir noch zu fern, um dem Anblid auch nur einen Theil feinet Genufles zu rauben.

Und Hier nun dieſe weiten fruchtbaren Flaͤchen in dem warmen fonnigen Thal (denn das Wetter war, obgleich wir uns mitten im Winter befanden, jo milt wie bei und im Mai) und ringe umher ein Anblid. der Das Herz des Menfcben nur mit Bewunderung und frommer Echeu erfüllen fonnte, wie gut mußten da die Menfcben feyn die hier lebten, wie mußte Int Schoͤne und Herrlihe was jie täglich vor Augen batten, ihr Herz läutern und ed dem Befleren zumenten.

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Companero, fagte dba plöglich mein alter Be gleiter, der jebt Dicht neben mir ritt, und beutete mit dem rechten Arm in die Höhe „feht ein- mal dort!“

Ich blidte empor, und wieder griff ich, faft un- wilffürlich dem Pferd in Die Zügel, aber dießmal nicht aus ftaunender Bewunderung, fondern aus einem Ge- fühl des Schredend und Graufend. Dicht neben ber Etraße war ein langer ftarfer Pfahl, etwas fchräg nach vorn neigend, in die Erde gefchlagen, und von der Spitze beffelben herab grinste das von langem ihwarzem Haar wild umflatterte, bärtige leichenblafle Angeficht eines Menfchenhaupts.

„Ein Raubmörder, der eine ganze Familie um- gebracht hat,“ erzählte mein Alter; „gerade hier an der Etelle war ed, wo er und feine Kameraden von dem Eumpf begünftigt, ihre meiften Verbrechen an Rei: ienden ausübten. “Der Gouverneur ließ feinen Kopf bier aufiteden und feitbem Kat man nicht mehr viel son Anfällen in der Gegend gehört. Arme, Hände und Beine beffelben find an anderen Orten ebenfalls audgehangen.”

Eo lautete der kurze Bericht, und da oben ſtarrte indeß das gräßliche Haupt des Verbrechers jtill und unverwandt nad) ben herrlichen, von flüfligem Golb umflutheten Bergen den Zeugen göttlicher Allmacht

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hinüber ein furchtbarer Punkt in diefem fonft te freundlichen Thal.

Mir war dadurch der Genuß um viele® verbitten worden ber Mord tritt und zu oft entgegen in der ganzen Republif, und jene Maflen von Kreugen bie ftillen Ankläger vergoffenen Blutes Die ich täglid auf meiner Bahn gefunden, famen mir jegt vor wir die blutigen Spuren einer Echredensthat, der ich ten ganzen Weg gefolgt fey, und deren Ziel ich jegt er reicht habe.

Doc fort fort mit den finftern Gedanken, wo die Natur in folder Echönheit und umlacht; die munte ren Pferde trugen uns raſch und fröhlich tem nid! mehr fernen Ziele, der Kleinen freundlichen Berg: unt Grenzſtadt Mendoza entgegen, und ald wieder überall gefchäftige Villen, mit Weingärten erfüllte Flaͤchen und fruchtbare, von thätigem Fleiß zeugente Kelle und umfchloffen, al8 reges Menfchengemühl und um gab, war auch ber Eindruck vermilcht, ber einen Augenblid den vollen Genug all des Reuen, Her lichen was ich erblidte, getrübt hatte.

Nachmittags um 2 Uhr etwa ritten wir in Wan doza's freundliche breite Etraßen ein. Tie Sıabı 1" ganz nach der altipaniichen Art mit den nieder“ flachen Häufern erbaut, aber weit reinlicher ald Pr: nos Apres, und mir fchien fait jedes Haus ein Ara

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ı jeyn, benn hinter mir lag jest die am La Plata nit ſolchen Schreckniſſen bevölferte Pampas, hinter ir der lange Ritt und die wilde Horde der blut- ürftigen Indianer ausruhen fonnte ich, von all en überftandenen Strapazen und felbft Landsleute saren mir in dem freundlichen Heinen Gebirgspläß- ben verſprochen. Was dann noch vor mir lag -- die vom Schnee gefchloffenen Gorbilleren, Die {bgründe dort und die Gefahren der Schneeftürme ag zu weit wenigftens Drei, vier Tage, voraus, nir darüber jet fchon den Kopf zu zerbrechen ober Sorgen zu machen. Das war Zeit, wenn ſich einmal eine wirkliche Urfache dafür fand, und hatte mir ber alte Herr ba oben durch die Pampas geholfen, würde er mich ja auch wohl nicht acht Tage fpäter im . Schnee ſtecken laſſen. Alfo den Kopf oben und ber fahr in's Auge gefchaut und jegt vor allen Dingen et einmal im neuen Gefühl wirklicher Sicherheit außgeruht von dem Ueberftandenen.

7. Mendsza.

Am Fuße der Cortilleren, gegen bie fcharfen Wen und Rortweititürme durch die hohen fchroffen Bery rüden gerchüßgt, liegt an ber weitlichen Grenze der argentiniichen Republif das Feine freundliche Staͤdi ben Mendoza, für das ich ſchon auf dem Ritt dabin, und lange ehe ich das Vergnügen hatte ed perienlid fennen zu lernen, eine gewifle Achtung hegte. Tie meiſten Garawanen benen wir begegneten und trafen deren viele kamen von Mendoza; wo war Mehl, Käfe, Wein, Branntwein oder Früchte ſab - welcher andere Ort hatte fie erzeugt ale Mentep! | Schon die benachbarte Gegend rechtfertigte übrigent | auch das Gerücht des fruchtbaren Landes: überal |. bewiefen gut angelegte Barmen den Fleiß ber & | wohner und gaben der Gegend felbit fchon etwas me Sreundlicheres, Wohnlicheres als es die Umgegen I von Buenos Ayres ein faft nur Viehzucht mr. bender Etaat gezeigt hatte.

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Die Stadt felbft? nun daran ift weiter freilich icht8 au fehen es ift ein Feiner freundlicher Ort on circa 8000 Seelen; bie Häufer ſehen denen in Uen anderen Theilen ber Republik fprechend ähnlich, nd find fo einfach aus Lehm gebaut, daß man immer ngftlich ift, der nächfte ftarfe Regen müßte Die ganze Stadt einmal in einen einzigen Lehmhaufen zufam- tienwafchen, aus dem heraus fich dann bie einzelnen Schornfteine höchft erftaunt die Verwuͤſtung befchauen sürden. Das geichieht aber nicht: der Lehm ift feft eſtampft und nutzt ſich dadurch, felbft bei den här- eften Regenfchauern, nur fehr wenig und unbedeu- md ab. ,

Ihre Verbindung mit dem umliegenden oder ent- eenteren Lande befteht aber auch freilich nur zu Lande, enn ber Fleine Fluß Mendoza, der nicht weit davon ießt, iſt nur, wenn der Schnee der Cordilleren thaut, och genug um befahren zu werden, und dann eben nieder feines fchnellen Steigens und feiner reißenden Strömung wegen unbefahrbar. Wohin alfo auch Rendoza feine Produkte verfendet, oder woher es ine. anderen Bebürfniffe beziehen will, muß bieß ets und allein durch Baravanen gefchehen, die ent eber in Maulthierzügen oder den fchon befchriebenen roßen unbehülflichen, aber zwedmäßigen Güterkarren der Transporwaͤgen beftehen.

Getfäder, Reifen. 1. 11 16

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Bene ne Baer 7 Suulsbieren verfantt, w iger ne Summ ır zwei sieben Paͤcken, au mrier. zur zerher Scufellen zepetüterten Padlät 2 mr er Iıler eier zuitemernien abeı Yırur auf sc iter Dur Seiee miähentelten Tuer Wdeteiueremper teure iieie Sättel (be ume-+ ır !\ex @erhilmes, me eb ewig bergauj uni eu IT zu2 er wur Der Ahnen der armen Ge der zur Te zennr umeier ven Arichem zu beladen, zıt zım: ie \we u erlugeme ichleppen fe ib zsnped Izvr Ir. In} we mblich einmal um mem. wllhrate <eeererer Find ale gewöhnlich eo ax. ar zn* cr Ina rem, weil nie Autier Min W BHONEEREE met VoEaEn und dann im Nix suhtnngır Te Serziriane ik mit ihren Eerteren wu nie

Rentea it zer die würixke Frocbckammer ie benzteurten Sartre, me Khan Dein und Früche sie mit dem tet ie geiegneten Gbile hinüber. Se bilden tıe Mendeza Reiner einen iebr bedentender Santeldunfe uber tie Gertileren, mb im Somme eu Garne auf Garamune dur Ne Berge gehn Nichtöteteıweniger fonnte das Sand noch im wei größerem Umiamg bebaut, und ielbit das bebante wei ärfer benugt unt ausgebeuter werden, ware mich

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ben hier wieder die Bequemlichkeit des Süblänbers In gar zu großes Hindernig es fehlen dba beutfche Präfte, und fpäteren Generationen wenn fich Die olitiſchen Verhaͤltniſſe der argentinifchen Republik erft inmal geregelt haben iſt es vielleicht vorbehalten den Segen zu ernten, der noch im Schooße ber frucht⸗ aren Erbe fchlummernd begraben liegt.

Es leben in Mendoza verſchiedene Ausländer, inter biefen aber nur brei Deutfche: ein Hutmacher Carl Rohde aus Gera, der früher in der Haughk'ſchen sabrif in Leipzig gearbeitet hatte und mit füßer Shwärmerei noch nach dort zuruͤckdachte) ein unger ®oldarbeiter (Schöpf aus Hannover) und ber Behülfe des Hutmachere. Außerdem fchloß fich diefem ich ein Italiener, Mariani an, ber ebenfalls beutich prach. Das nächte Frühjahr möchte fich aber ber Reifende wohl vergeblich nach ihnen in Mendoza um- chen Tann er aber gut fpüren, fo findet ex ficher hre Fährten in den Cordilleren. Und wo find fie in? gone to the diggings, natürlih nad) Balifornien.

Ih felbft kann mich aber nur freuen, daß ich ie noch in Mendoza traf, denn ich wurde auf das xerzlichſte von ihnen aufgenommen und behandelt, und verde ſtets mit vielem Bergnügen ihrer, und durch ne meines kurzen Aufenthalts in Mendoza gebenfen.

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Außerbem fol noch ein einziger beuticher Acer⸗ bauer in der Nähe von Mendoza leben, die Teutichen in der Stabt geben ihm aber feinen befonder® guten Namen, und audy er beabfichtigte fein Kleines Gu auszuverfaufen und, wie bie Anderen, dem Golde nachzugehen.

Auch für die Literatur ift in Mendoza enwae aber freilih erft in legterer Zeit gethan, unt zwar durch einen Rorbamerifaner, einem Mr. Bar Eice, der eine Druderprefie mit aus ben Bereinigten Staaten herüberbrachte und hier, am Fuße der Ger dilleren, aufftellte. Diefe aber in Gang zu bringen hatte er, wie er mir felber erzählte, eine Heidenarbei gehabt, und hatte fie noch fie darin zu halten.

Die Südamerifaner, in einem fo abgefchlefienen Theil der Welt, zeigten im Anfang natürlich nu fehr wenig Einn für eine derartige Entwidlung ik geiftigen Kräfte. Mr. Ban Sice bewies ihnen aka, und er jehte fie Dadurch nicht wenig in Erkaumen dag ed ihnen gerade ein dringendes Bebürinis wäre jelber eine Truderei zu beiigen. Dabei um er die Schwierigfeit zu überwinden benn mit le: ren Worten allein war ed nicht gethan nicht alla bieß Bebürfnip zu befriedigen, ſondern es in Birk lichfeit auch erſt felber hervorzurufen.

Did dahin wuren nur wenige Schul: und Get

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yücher in Mendoza gebraucht worben, und dieſe fa- nen, mit einigen Rovellen und anderen Schriften, urch bie rüdfehrenden Baravanen von Buenes Ayres. Bon biefen verfchaffte fih Mr. Ban Sice vor allen Dingen Erentplare und drudte fie nach, der Bedarf mußte fich aber auch natürlich erfchöpfen, und er rief deßhalb ein monatliches Heft, was er brei Bogen ſtark und zwar mit fehr engen Lettern drudte, ind Reben. Es enthielt dieß meift wiflenfchaftliche, tech- nifche, auch beletriftifche Artifel denn mit Politik durfte er fich in der Republik nicht befaffen und tabelhaft waren, feiner Ausfage nah, die Schwierig. feiten, mit denen ex zu fämpfen hatte, dieſer Schrift eft vor allen Dingen Eingang und dann Abonnenten - zu verfchaffen. Wie die Yanfeeuhrenhändler in feis nem eigenen Baterland mußte er von Haus zu Haus die Bücher förmlich hauſiren, und da die Leute von einem wirklichen Abonnement faum eine Ahnung hat- tm, die Hefte nicht felten zurüdlaflen, wo fich dann Vie unfreiwilligen Beftter berfelben im Anfang bem füßen Glauben hingaben, fie hätten bie „fchönen Bücher“ gefchenft befommen, bis fie die, nach Vers lauf eines Vierteljahrs einfommende Rechnung eines Beſſeren belehrte.

Ein anderes Bebürfniß erweckte ex bei ihnen in Geſtalt von Viſitenkarten, beren Gebrauch fie ebenfalls

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in ihrem unfchuldigen ländlichen Leben bi dahin noch nicht gekannt Hatten. Zuerſt brudte er für fih felber welche und gab biefe bei feinen Beſuchen ab, dann wußte er ben Gouverneur zu bewegen, biefem Beifpiel, als aus der Refidenz kommend, zu folgen, und bamit Hatte er gefiegt es gehörk urplöglich zum guten Ton, und mit einem leiſen Anflug von halb Stolz, Halb Schabenfreube, wie ein Jäger etwa die verfchiedenen Geweihe der Hirſche zeigen würde, die er eigenhändig erlegt hat, zeigte er mir bie, in feinem Zimmer auf einer Tafel aufge ſteckten Sarten derer, bie feiner Politik bie jegt zum Opfer gefallen waren, und nun, ba fie zu ber ie feren Klaſſe des Städtchens gehörten, alle Webrigen bald zur Yolge zwingen mußten.

Bei ber Belegung all diefer Schwierigleiten ge hört das aber gerade nicht zu ben geringften, daß a bier nicht einen einzigen Arbeiter fand, den a gebrauchen konnte. Gleich vom erften Beginn mut er ſich felber Lehrlinge heranziehen und babel felber er⸗ Die Sprache lernen; nur der hartnädige goahes* harafter eined Yankees konnte das Alles befiegen Wie die Berhältniffe aber jetzt fliehen, verdient a auch, freilich bei eifernem Fleiße, feiner eigenen Au fage nad) viel Geld, und wird nun wohl mid wahr lieber Lefer feine Truderei vergrößen.

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Arbeiter aus Buenos Ayres und Valparaiſo herüber ziehen, eine Buchhandlung babei anlegen und halt, halt er wird feines von alle dem im Gegen- theil hat er Jemanden gefunden ber Luft zeigt feine Druderei in Baufch und Bogen zu faufen, und wird nun wohl natürlich nach Ealifornien ziehen. Wie es nachher mit ber Literatur in Mendoza aus- ſieht wifien bie Götter, wenn aber ein Südameri- faner, ber das Alles in Gang und die Triebfedern nicht fieht, Die es barin erhalten, einfach glaubt, ohne den Geiſt eined Yankee zwifchen feinen gleich- gültigen Landsleuten ein folches Gefchäft nur einfach fortführen zu können, fo irrt er fich fehr Alles das jchläft, wenn die Kraft aufhört zu wirken die es in Schwung brachte, wieder ein, und ein Jahr fpäter, wenn Mr. Ban Sice feinen Plan nicht etwa noch ändert, möchten wohl nur noch fpaniiche ®ebetbücher und vielleicht feidene Bänder mit der Regierungsbevife die einzigen Produkte der mendozinifchen Preſſe feyn.

Mr. Ban Sice hatte eine junge Südamerifanerin und zwar gerade aus Achiras, wo ich einen fo ent- feßlichen Abend verbrachte, geheirathet; ich wollte übrigens, ich hätte lauter folche liebenswürdige We⸗ fen dort getroffen als feine Frau war, ich mürbe dann bie Pampas mit einer fehr verfchiedenen Mei- nung von ihren Bewohnern verlaflen haben.

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. Die Menbdoziner fcheinen in dem Yarbenipiel ihrer Nationalität faft noch ftärfer zu feyn als jelbk die Bervohner von Buenos Ayres bort jind bed wenigftens bie Fremden von diefem Livreedienſt ver Ichont, hier aber darf niemand und wenn er aus dem Monde käme das Polizei- und zugleich Por gebäude betreten, ohne das rothe Band um ben Hut und ein gleiches im Knopfloch zu tragen. Alles in roth wohin man blidt, ja bie recht ächten und wirk lichen Republifaner haben ſogar zinnoberrothgefärbte Stiefelfohlen und von eben dieſer Couleur ben Soh—⸗ lenrand derſelben, Damit fie auch an ihren Füßen den Einnfpruch der Devife Federacion ö muerte Federacion oder Tod (dad erjte Durch roth, Das zweite durch ſchwarz ausgedrüdt) tragen. Der Gouverneu und die gutgejinnten Bewohner der Etadt bringen diefe Farben auch, foviel das irgend geht, in ihrem Hausitand an, und ich glaube faſt Gouverneur Roſas hat einen gewillen Grab von Politik dabei beachtet, feine Unterthanen folder Art mit bieten Farben zu beflefien, indem ſie fich unter einer an deren Regierung, Die natürlich die Farben wechſeln müßte, nur mit großem Kojtenaufmand aller der Ar: tifel entledigen mügten Die ſie tragen, und währen jich der Argentiner wohl feinen Augenblid bejinnen würde feine Regierung zu ändern, fo überlegt er

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3 ſich doch vielleicht zweimal, wenn es ihn zugleich nen neuen Poncho Foftet. Freilich hat das zuletzt icht mehr ausreichen wollen, und die Republifaner er La Plataftanten Haben Roſas und Poncho, für ut wenigftens, zugleich abgeworfen. Faſt glauben nöcht' ich es aber, daß fie ſich beide zugleich noch inmal wieder vorholen.

Mas Mendoza’d Lage betrifft, fo kann es für (derbau und Weinzucht wohl faum eine günftigere eben. Gegen die Süd- und Weftwinde durch die waltigen Gorbilleren gefchüßt, deren weiße Zuden- tonen in prachtvoller Majeftät dicht hinter ihm em- jorftarren, und in deren Arm hineingefchmiegt es igentlich liegt, bietet es feinen Bewohnern an ani- nalifcyer wie vegetabilifcher Nahrung Alles, was Das herz nur wünfchen Tann, und zwar zu unendlich illigen Preifen, da der ſchwierige Verkehr mit den ibrigen Ländern, von denen fie auf ber einen Seite ur die Pampas, auf der anderen burch die Eor- dilleren abgefchnitten find, die Ausfuhr natürlich fehr Dertheuert.

Das Klima ift herrlid im Sommer foll der Schnee der Berge die Temperatur mildern, und jegt, wo wir und mitten im Winter befanden, hatten wir ein Wetter, wie bei uns an einem fühlen Sommer⸗ a9. Alles gebeiht hier vortrefflich, und außer dem

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Getreide werden hier beſonders Fruͤchte, wie Oran⸗ gen, Feigen, Trauben ıc. in Maſſe gezogen. Die Trauben find fo füß, daß die Mendoza⸗Roſinen an ber chilenifchen Küfte einen förmlichen Namen haben und in großen Quantitäten über die @ordilleren ge fchafft werden, und ber Wein ber aus ihnen geld: tert wird, fchmedt fo gut, daß mir der Munb net jegt danach wäflert.

Ih kann ihn nur mit gutem Portwein verglei: hen, obgleih er füßer als dieſer ift und fung wich fo viel Feuer hat ald der Portwein, einige Jahre alt, glaub’ ich aber ficher, daß er fich mit biefem in jeder Hinficht meflen Eönnte.

Die Mendozaner trodnen eine große Menge von Trauben, indem fie dieſelben oben in ihren @iekels aufhängen; fie halten fich vortrefflid, find füß wir Zuder, und fait fo faftig, als ob fie eben vom Eid genommen wären.

Ter Wein wirb übrigens hier auf eigenthümliche. dem Klima aber natürlich auch entiprechenbe Weit gebaut und zwar, nicht wie bei und an Cxöden bie wir nöthig Haben, da wir der Traube mie jo viel Sonne zufommen laſſen wie wir ihr ms licherweife nur gewähren können, fondern in fe lichen 2auben, fo daß die Mendozaweingärten me lauter überwachiene Gänge bilden, bie an beiim

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Sommertagen wahrhaft paradieſiſche Spaziergänge eben müflen.

Die Trauben hängen fämmtlih im Schatten, eifen langfam und gewinnen dadurch natürlich nur m Zuderftoff und Saft.

Wir bezahlten für die Gallone (etwa fünf Fla- hen) vom heiten Wein etwa fünf Nor. nach un- rem Geld. Ueberhaupt ift das Leben in Mendoza mgemein billig, und wenn ich mir für einen halben Real (etwa 21/, Ngr.) Früchte Trauben, Orangen mb eigen holen ließ, fo Hatte ich zwei bis drei Tage aran zu eflen.

Brod, Fleiſch und Gemüße ftehen in bemfelben Berhältniß; die Miethen wie Dienftleute find eben- alls fpottbillig, die Gegend ift dabei ein Paradies sas will alfo der Menich mehr? wäre bieß nicht in Plag, ein Afyl für die „Europamüden,” die ſich rgenbwo in ber Welt eine ftille Heimath gründen sollten?

Dem europälfchen Treiben wären ſie hier aller- ings entrüdt, denn von ber übrigen Welt hörten md fähen fie nichts, oder doch wenigftens fo gut 18 nichts mehr, wie e8 aber mit dem argentinifchen pürbe, müßten fie freilich riskiren.

Die Poftverbindung Mendoza's mit der Außen- velt befteht einzig und allein, nach dem atlantifchen

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wie ftillen Dcean hin, in Courieren, bie regelmäßig und zu allen Jahreszeiten zwiſchen Buenod Arte und diefer Stadt, nur fehr unregelmäßig aber im Winter nad) Balparaifo hinübergehen, ba der Schnee der Gebirge den Uebergang nicht allein oft ieh erfchwert, fondern fogar Monate lang ganz ver: hindert.

Einer Annehmlichkeit Mendoza's muß ich aber noch erwähnen, und das find die warmen Bälkı, die fich etwa drei Leguas von ber Stadt entiemt befinden. Das Waſſer ift felbft im Winter, wo ker doch immer thauende Echnee aus den niederen Ber gen bad Uebrige in eifiger Kälte erftarren made, etwa 16° und wird durd) Quellen erzeugt die and der Erde, mitten in ber flachen Eteppe, hervoripms deln, dadurch aber auch ein eigenes, fchilfbefränztet Bett erzeugt haben, und nun von den Bervohnen bes benachbarten Städtchens, beionders in Sommerk zeit, gar fleißig befucht werden. Die Bequemlichkei ten Dort find freilich fehr geringer Art, und beitchen eigentlich nur in mehreren höchit mittelmäßigen Lebe hütten, den Horizont umgürten aber dafür im We jten die ſchnee- und eisbebedten Gorbilleren, und ie Baͤder felber liegen gar traulich und verftedt in ve Darüber wogenden Grün bedarf es da erit ned eines befonderen Lurus und foitbarer, ſchwer ı

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erlangender Bequemlichkeiten, den Aufenthalt doch zu einem angenehmen zu machen?

Sonft bietet Mendoza freilich, dem Fremden wie Einheimifchen, feine befonderen Vergnügungsörter, und bie Leute find hier meiftens auf ihre eigenen Familien angewiefen; wer fich barin glüdlich fühlt, it glüdliy und bedarf nicht weiter und wer nit? den wird auch Die herrlichtte Umgebung, das Luft und Freude athmendfte Leben nicht glüdlich machen Eönnen.

Am 9. Juli wohnte ich einem Freiheitsfeft der Argentiner, das fie gewöhnlich, wie den 25. Mai, auf das feftlichite begehen, bei. Der Tag wurbe übrigend auf höchft unfchuldige Art und Weiſe ge feiert; Morgens war Parade und Abende Illumina- tion. Hier hatte ich denn zum erftenmal Gelegenheit, das argentinische Militär auf einer Parade und beim Exerciren verjammelt zu fehen, denn in Buenos Ayres ift es, wie fich der Lefer erinnern wird, ſtreng unterjagt, jich während biefer Zeit auf ber Straße, ja nicht einmal auf den flachen Dächern der Häuſer bliden zu lafien. Der Anblid war aber auch wirf- lich für einen, der die europäifche, übertriebene Ka- mafchendisciplin nun einmal gewohnt ift, komiſch.

Die Eoldaten, ein kleiner Trupp von hoͤchſtens 120—150 Mann, fchlenderten, nach einer höchit

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mittelmäßigen Mufit, durch Schwarze gepeinigter Inftrumente, und fo langlam, daß ich im Anfang glaubte fie bewegten ſich gar nicht, fonbern Haben nur im Takt die Füße, um den Hauptplag ber Stahı herum. Im allgemeinen waren fie ganz weiß rothen Muͤtzen und Aufichlägen gekleidet, und hatten Bajonnetgewehre, als fie aber langſam, o wie Iangfam näher famen, ſah ich, bag die Beinfleiber feineswegd alle von der Farbe der Unfchulb waren, und noch ungenirter gingen fie mit ihren Füßen. Einige hatten Schuhe, andere Stiefeln, noch andere Hühneraugen, und diefe trugen dann (jebenfalls der größeren Bequemlichkeit wegen) ihre Schuhe ober Etiefeln zufammengebunden über dem einen Arm un gingen lieber barfug ben Lfficieren konnte tat natürlich egal feyn, und war ihnen auch wirklich ie. Das Ererciren ging allerdings dem Namen nah u Reih und Glied, doch Hatten die Commandirenden genug zu thun nur einigermaßen Ordnung zu balten, da eine ziemlich lebhafte und gewiß intereflante Gew verfation zwilchen den „Gemeinen“ deren Aufmerlian⸗ feit etwas zu jehr in Anfpruch nahm.

Die Juumination am Abend war deſto brillanıe. und wurde, ald es ſchon bdunfel war, ek burd die Straßen nieberfprengende Gavallerifien, die a jedem Haus -anbielten und einige, dem Yremie

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ewig umverſtaͤndliche Worte hineinfchrieen, anbe- ohlen.

Wie ſchon erwähnt, ift die Bauart der Häufer a Mendoza noch ganz altfpanifch, die Gebäude find ewöhnlicdy in großen Biereds aufgeführt die Fen⸗ er alle nad) dem geräumigen und hellen Hof oder en Gärten hinaus, fo daß die Straßenfront mur ehr wenig vergitterte Yenfter, und oft ganz Fable Rauern zeigt bie Fenſter konnten alfo auch aus iefem Grund nicht illuminirt werden und man feßte am die Lichter etwa. fechd vor jedes Haus om auf das Straßenpflafter, wo fi dann bie zugend damit amüfirte und auch wohl die Illumi⸗ ſation felber dadurch regulirte, baß fie hier und ba in mißliebiges ober ihrer Anficht nach verichwendes iſches Licht wegnahm, und auf eine mehr protegirte ber weniger beleuchtete Stelle brachte.

Die Illumination begann ſtückweiſe und endete uch fo; ihre Dauer beſchraͤnkte fi) auf die Viertel: inge eines Talglichts. Es gibt doch nichts Kläg- chers auf der Welt, als eine officielle Freudenbe⸗ ugung.

Intereffant war es mir, am andern Tag bie rgentinifche Gavallerie zu jehen, wie fie gerade von er „Hütterung“ kam. Die Soldaten hatten Fleiſch gefaßt" und in ihrer wilden appetitlichen Axt ganz

256 einfach unter den linfen Steigbügel gebunden. Tas es ihnen beim tollen Ritt an bie Füße und bie Beine bes Pferdes ſchlug, fchien ihnen ziemlich gleich gültig.

In diefen Tagen mußten fie aber auch ausrüden, und zwar, wie ich von meinem alten Correo hörte, die naͤchſten Anfiedlungen gegen die Indianer u hüten, bie fi toller Weife ganz in bie Naͤbe Mendoza gewagt haben follten. Der Alte meinte freilich fie wären jedenfalls, da fie ihn am Ei Morro verfehlt hätten, auf feiner Epur nachgefom: men und da man behauptete, einige fühne Unitariet, bie wohl von Buenos Ayred Kunde bekommen haber fonnten, ber Gorreo habe wichtige Depeſchen unt Gold mit fich, feyen die Bührer ber Wilden, to wur bie Cache gerade nicht unmöglich; ich blieb übrigen nicht lange genug in Mendoza es beitätig = hören.

Natürlich fuchte ich jeßt auch, einmal an Er und Etelle, fo viel als möglich authentiiche Aerice über die Gorbdilleren und den Wintermarich über % bin, einzuziehen, aber die Hangen bier am Aus hr. jelben fait ebenjo entieglich al8 in YBueno® Ay und Rio de Janeiro, nur daß hier die Leute lich fagten, bie Gorbdilleren feyen keineswegs „sr ſchloſſen“ und man fünne den Uebergang jeden 3a}

257 verfuchen, und wohl auch glüdlich zu Stande bringen, wenn man aber dabei erwifcht würde, d. h. wenn man einen Temporale oder Schneefturm befäme, dann wäre die Sache auch fertig und man fönnte von Glüf fagen, wenn man nur einfach erfröre, und nicht auch noch verhungerte,

Hier war doch Hoffnung hier gab es doch wenigftens feine Menichen, die da nur bei einer Erwähnung der Sache gleich fehreien, es ift total unmöglich, es ift Wahnſinn ed nur verfuchen zu - wollen auf ben Temporale mußte ich es deßhalb riefiren.

Acht volle Tage Hatte ich in Mendoza gelegen und mid) nach einem Yührer über die Cordilleren umgefehen, während mir alle viethen doch ja lieber zu warten, bis der Correo von Et. Jago herüber füme und ich mit dem dann nicht allein billiger, ſondern auch ficherer gehen könne. Mir ließ e8 aber Teine Ruhe mehr in der argentinifchen Republif, es trieb mich meinem Fahrzeug. wieder zu und ich hatte nun fo viel über die „furchtbaren Gefahren der Berge,“ über Erfrieren, blind und todtgefchlagen zu werden gehört, daß ich es endlich fatt befam und auch gleich: gültig dagegen wurbe.

Eins nur ſchreckte mich wirklich im Anfang ein wenig, und dad war Ber rafende Preis, ben ber

Mernader. Rein 1. 17

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erfte Führer, ben wir auffanden, forderte, mich ficher und gut hinüberzubringen, und das war 300 Tollart fage dreihundert Dollars und dabei mußte id noch durch Die Berge zu Fuß gehen. Er meinte abeı, es fey in jebiger Zeit mit fo vielen Umftänden unt Gefahren verknüpft, daß er es der gute Wann fam glei” um ein Drittel herunter unter 200 feinesfalls thun könne. Selbft das war ich nicht im Etande zu geben, und mußte mich nach einem antı ten umfehen; daburch aber verging die Zeit und id ſah mich endlich genöthigt, wellte ich nicht noch eim Woche herumlaufen, die freilich etwas gemaͤßigteren. aber doch noch immer fchweren Bebingungen eine: anderen Führers einzugehen, der nur fünf Ungen - (alfo etwa 85 fpanifche Thaler), und außerdem net Beköſtigung verlangte ebenfall8 eine Sache rer eirca fünf Tollars, da man ſich auf den fchlimen Hall eines Schneeſturms vorfehen muß. Der Max meinte außerdem, fünf Unzen fey jedenfalls in Biel Jahreszeit ein höchſt mäßiger Preid‘, denn war man einmal fein Leben risfiren wolle, müfle ma auch etwas Dafür erhalten, das Einem bie & fahr" in etwas vergüte und für das Gewagie m ſchaͤdige.

Der Preis der Unzen ſelber war in Mendoj ick verfhieden von Buenos Ayres, wo die argentimiki

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wie chilenifche und merifanifche Doublone gleich fech- sehn Dollar galt, während die argentinifche und merifanifche hier fiebzehn, . die chilenifche achtzehn Dollars ftand.

Sept, einmal mit einem Fuͤhrer im Reinen, ging ich feharf daran die nöthigen Provifionen einzulegen, und dieſe beftanden befonders in getrodnetem Fleiſch, charque genannt, das die Argentiner zu dieſem Zweck es naͤmlich in moͤglichſt kleinen Raum zuſammen gedraͤngt zuzubereiten wiſſen.

Dieß getrocknete Fleiſch, ſchon an ſich feſt und hart, wird nämlich noch mit Hämmern fo zuſammen⸗ gefchlagen, bis es wie dide Pappe ausfieht, und auch eben fo leicht zu Fauen ift; dann noch feft in ein Heines Paket gefchraubt, bildet es zulegt eine fteinartige harte, felfenfchwere Mafle, an der fich Die einzelnen Scheiben ablöfen wie Marienglas, und es in auf biefe Art allerdings eine nicht unbedeutende Quantität NRahrungsftoff in einen möglichft engen Raum zufammengedrängt.

Außer dem Fleiſch, was unfer hauptfächlichftes Eubfiftenzmittel unterwegs feyn follte, hatte mir Herr Rohde oder „Den Carlos,” wie er allgemein in Mendoza genannt wurde, da die Spanier faft nur die Bornamen befannter Leute gebrauchen auch noch in wirklich freundlicher Weife Mehl beforgt,

260 damit ich fo wenig als moͤglich Koften Haben möchte; zu Diefem nahmen wir ein Mädchen ins Haus, welche dad Baden verftand und aus dem Mehl eine Art harter vortrefflicher Zwiebade bereitete, und mit noch einigen Zwiebeln, etwas rothem Pfeffer, einer fleinen Büchfe gebranntem und gemahlenem Kaffe, und einem eifernen Kocher, Waller zu fieben, waren wir fir und fertig.

So viel war indefien von dem blendenden Schnee der Cordilleren und vom wirklichen Erblinden Ein zelner, die um biefe Jahreszeit ben Uebergang gewagt, geiprochen, daß Ton Carlos (Schiller genirte mid ungemein bei diefem Namen) fich nicht abreten lieh mir eine grüne Brille mitzugeben ; ftlbit der Führer verficherte mich dabei ich würde fie gebrauchen fan nen, denn er felber habe den Weg fchon mehremale gemacht, und ſich noch immer nicht an den blendew den Schnee gewöhnen fonnen.

Ih dachte kopfſchüttelnd an unjere Deurichen Schneeflächen, ftedte aber doch die Brille vor allen Dingen einmal in die Taſche ich fannte tie Par bältniffe des Landes nech nicht, und die darin Er geweihten willen fo etwas meiſtens befier wie da Fremde.

Daß der argentiniſche Staat übrigens ein Peli zeiftaat ſey, ſollte ich, che ich dieſe wirklich ver

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Republik verließ, noch erfahren. Ich mußte naͤmlich, trohddem daß mein Paß in Buenos Ayres auf Val⸗ paraifo fchon viſtrt war, noch bier einen neuen Paß nach dieſer Stadt nehmen und bafür (die Paͤſſe find in Mendoza theurer als die Pferde) fünf und ein viertel fpanifche Thaler bezahlen. Ich proteftirte da⸗ gegen und verwies auf ben fchon nach Valparaifo vifirten Paß, die Polizeibeamten frugen mich aber, ‚mag fie Buenos Ayres (die Hauptftadt der argen- tinifchen Republif) anginge,“ und da ich ihnen hiers auf feine genügende Antwort geben konnte, erfuchten fie mich um bie „landesühbliche Münzforte.”

Intereflant waren mir bier die Verhandlungen im Polizeigebäude, das ich ebenfalld nur mit rothem Band um den Hut und mit eben ſolchem im Knopf loch betreten durfte meine fpanifche Erlaubnißfarte bie argentinifche Republit wieder verlaffen zu dürfen wurde in fünf. verfchiedenen Stuben von fünf vers fchiedenen Leuten unterfchrieben es war wie ein Stammbuch und viermal prangte darauf die ars gentinifche Devife viva la confederacion Argen- tina, mueran los salvajes Unitarios.

Doch genug von Mendoza, ich führe den Lefer vielleicht einmal fpäter wieder wenn er Luft has ben follte mir zu folgen dahin zurüd, jetzt aber muß ich nach Valparaiſo aufbrechen, fonft verläume

17°

262 ih mein Schiff, das vielleicht fchon dort im Hafen liegt und meiner nicht wartet, fonbern fo fchnell al8 möglich feine Erfrifchungen einzunehmen unt fein Ziel San Francisco zu erreichen fucht Alfo über die Eordilleren.

8. Wintermarſch über die ECordilleren.

Am Mittwoch Abend, den 11. Juli 1849 festen vir ung endlich, von meinen beiden beutfchen Freun⸗ en Rhode und Echopf bis zum nächften, nur eine !egua entfernten Haltpunft begleitet, in Marſch. Die führer thun das gewöhnlich, um am nächften Mors en gleich frei von der Stadt zu feyn und recht früh ufbrechen zu können. Hier tranfen wir noch ein aar Klafchen Wein zufammen und ich warf mid), 18 fi) die andern Beiden wieder nach ihren eigenen Bohrungen zurüdgezogen hatten, auf meine “Dede, er noch kurzen Nacht ein paar Stunden Ruhe abs ugewinnen.

Das erfte Nachtquartier ging denn auch ruhig, nd ohne weiter etwas befonderes, vorüber wir igerten vor dem Haus, aber ohne Feuer, und es sar ziemlich kalt, doch fchlief ich gut ich war ur froh, fo weit wenigftend meinem endlichen Ziele ntgegengerüdt zu feyn.

Der Mond ftand noch hell und Har am Himmel, als wir am Donnerflag Morgen in die Sätnd fprangen. Die Heine Caravane bildeten mein Füh—⸗ rer, ein Ehilene, im fonft in der argentinifchen Re publif verpönten grünen Poncho, zwei Peons ober Diener, von denen der eine mein Gepäd, ber am dere Provifionen und einige Kohlen tragen follte, und dann ich ſelbſt. Der Morgen war friich aber herrlich; linf8 neben und lagen die prächtigen Berge, hinter denen, in noch weiter Ferne, bie weißen Schneefuppen wie drohend zu uns herüberfchauten, und rechts dehnte jich Die allerdings nicht fehr ww mantifche, mit niebern Büfchen bebedte Ebene aut. Endlich flieg im Often die Eonne empor und war ihren Strahl auf die roth erglühenden Echneejelder der Cordilleren, und über den Himmel hinaus kreis tete fi) der rojige Saum und die Vögel ywis fherten, der Thau hing an den grünen Blättern ta Sträude die Thiere trabten luſtig in den reizen den Morgen hinein und felbft meine Begleiter fonft gerade nicht liebli und holdfelig anzufchauen, fangen und pfiffen, und fdhienen ſich ebenjall6 der herrlichen Natur zu freuen.

Rechts, Dicht am Meg ſtand ein einzelnes Haͤus hen, und ein hoher Weidenbaum dicht davor; dabin bogen fie plöglid ab wollten fie fchon wieder

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tat machen? wir'waren faum eine Stunde ger itten nein, vor dem Baum hielten fie und mmelten ein halblautes. Gebet.

Ich fah ihnen erftaunt zu, als fie aber fertig saren, 309 der eine Peon auf einmal ein ganz reundliches Geficht, zeigte nach dem Baum hinauf mb fagte: una bota (ein Stiefel) ich blidte auf md follte mir denn, fo weit die Republif reichte, eder freundliche Augenblid Durch irgend etwas Scheuß⸗ ſches verbittert werden? oben an ben einen AR ar der Fuß deſſelben Verbrechers, defien Kopf mich don von ber Stange herunter angeftarrt bis zum Inie abgefchnitten angenagelt. Ich wandte mid) haudernd von dem halb verwesten, halb vertrodnes m Ueberreſt jened Berbrechere ab, drüdte meinem Ehier die Sporen in bie Eeiten, und fprengte voran Die andern lachten.

Es mag fein Gutes haben, dieſem Volk die Kol en eined Berbrechensd (das hier wohl nicht einmal u ben feltenen gehört) täglich und wohin es ſich mh wendet vor Augen zu führen, e8 hat aber aud) ebenfalld für den, der nicht gerade immer ein „abs chreckendes Beifpiel” vor fidh zu haben braucht, etwas ſochſt Fatales und Widerliched. Und was haben nun yar die armen Menfchen in dem Ffleinen friedlichen

haus verbrochen, daß fie das fcheußliche Bein ba

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Der Mond ftand noch hell und Far am Himmel, ale wir am Donnerflag Morgen in bie Sättd fprangen. Die Kleine Caravane bildeten mein Füh—⸗ rer, ein Chilene, im fonft in ber argentinifchen Re publif verpönten grünen Poncho, zwei Peons ober Diener, von benen ber eine mein ®epäd, ber am bere Provifionen und einige Kohlen tragen follte, und dann ich ſelbſt. Der Morgen war frilch aber herrlich; links neben uns lagen bie prächtigen Berge, hinter denen, in noch weiter Berne, bie weißen Schneefuppen wie drohend zu uns herüberfchauten, und rechts dehnte fich die allerdings nicht fehr ww mantifche, mit niebern Büfchen bebedte (Ebene aus. Endlich flieg im Oſten die Eonne empor und war ihren Strahl auf die roth erglühenden Echneejelte der Corbdilleren, und über den Himmel hinaus brei⸗ tete fich der rofige Saum und bie Vögel zwir⸗ fcherten, der Thau hing an den grünen Blättern der Eträuhe die Thiere trabten luftig in den reizem den Morgen hinein und felbft meine Begleiter fonft gerade nicht lieblih und holdfelig anzufchauen, ſangen und pfiffen, und fchienen fich ebenfalls ber herrlichen Natur zu freuen.

Rechts, dicht am Weg fand ein einzelnes Haͤus⸗ hen, und ein hoher Weidenbaum dicht Davor; dahin bogen fie plöglid ab wollten fie fchon wie

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Raft machen? wir waren faum eine Stunde ges titten nein, vor dem Baum hielten fie und murmelten ein balblautes. Gebet.

Ih fah ihnen erftaunt zu, als fie aber fertig waren, 309 ber eine Peon auf einmal ein ganz freundliches Geficht, zeigte nach dem Baum hinauf und fagte: una bota (ein Stiefel) ich blidte auf und follte mir denn, fo weit die Republif reichte, jeder freundliche Augenblick Durch irgend etwas Echeuß- liches verbittert werden? oben an ben einen Aft war ber Fuß beflelben Verbrechers, defien Kopf mich fhon von der Stange herunter angefturrt bis zum Knie abgefchnitten angenagelt. Ich wandte mic) fhaudernd von bem halb verwesten, halb vertrodnes ten Ueberreft jene® Verbrecher ab, drüdte meinem Thier die Sporen in die Seiten, und fprengte voran bie andern lachten.

Es mag fein Gutes Haben, biefem Volk die Fol⸗ gen eines Berbrechens (das hier wohl nicht einmal zu ben feltenen gehört) täglich und wohin es fich auch wendet vor Augen zu führen, es hat aber auch jebenfalls für den, ber nicht gerabe immer ein „ab⸗ fchredendes Beifpiel” vor ſich zu haben braucht, etwas hochſt Fatales und Widerliches. Und was haben nun gar die armen Menfchen in dem fleinen friedlichen Haus verbrochen, daß fie das fcheußliche Bein ba

266 bei ihrem Ein⸗ und Ausgang immer vor Augen haben müffen? ich fcheue mich wahrlich nicht vor Leichen und habe beren ſchon in mandherlei Geſtalt geiehen, in dem Haus möcht! ich aber boch nich, fey es um welchen Preis e6 wolle, wohnen.

Der Morgen war mir denn audy richtig wieber verdorben, und ich war nur froh, al& wir und mehr und mehr den Bergen näherten, wo. mit ber alten Umgebung auch bie alten Gedanken verbrängt wer den mußten.

Am meiften trug übrigens das hier gar nicht ie weit von ber Stadt ſchon vorkommende Wild dazu bei, mich zu zerftreuen: wir fahen viele Guanakas bie Lamas der Gorbilleren, und auch einige Strauſe die lepteren aber fehr ſcheu und gleich, beim An bli der Pferde, in wilder Flucht.

Das Guanaka ift ein prächtige Thier ke groß wie ein Hirſch faſt, nur mit noch längerem Hals und weicher herrlicher Wolle, aber fehr leicht zu ſchießen, denn die Jagd darauf wird bier mm fehr ichwach betrieben, und das Wild läßt die Jaͤger mit nur einiger Vorſicht, leicht auf hundert Schriu⸗ binan.

Für mich waren übrigens auch noch außerden meine Begleiter, und befonders bie beiden Peont, bie mein Gepäd trugen, von höchftem Intereffe.

267 Der chilenifche vaquiano bot nichts beſonders; eine kraͤftige unterſetzte Geftalt, von dem grünen, mit bunter Einfafiung befebten Poncho überhangen, bie niebere Stirn mit einem breiträndigen Strohhut be- bedt und fonft mit einem ziemlich nichtöfagenden Ges fiht, das nur gleichgültig bald über Die rechte, bald über bie linfe Schulter hinüberfchaute, ritt er vor aus. Die beiden Peons dagegen erinnerten mich und fonderbarer Weife gleich wie es nur Tag wurbe ihre Phyfiognomien erfennen zu können lebhaft an bie beiden Banditen aus Flotows Strabella. Der Eine ein troden drolliger Burfch, aber mit einer Galgenphyfiognomie, wie fie wohl noch faum dageweſen, verzog nur felten das Geficht zu einem Lachen, während ſich der Andere, ein Eleiner jünge- rer Burſch, fortwährend über die Gefchichten, die jener erzählte, ausfchütten wollte.

Der erfte war ein Argentiner, der zweite ein Ghilene, beide trugen aber die argentinifche Tracht, beide auch das lange argentinische Meſſer hinten im Gürtel, und ich zweifle gar nicht, daß fie bei paſſen⸗ ber Gelegenheit auch recht paflenden Gebraud) davon zu machen gewußt hätten.

Bir waren alle vier beritten, biegmal aber nicht auf Pferden, fondern auf Maulthieren, benn Pferde würden, wie mir ber Baquiano fagte, in ben

268 Engpäflen, die wir zu paſſiren Hätten, nicht allein nicht fortfönnen, fondern auch ben Reiter, wenn ber nicht fortwährend zu Fuße gehen wollte, zu ſehr gefähe den. Die Maulthiere waren übrigen® vortrefflic, und wenn fie und auch vielleicht noch im flachen Lande nicht fo raſch vorwärts trugen ale es Pferde gethan haben würden, ritten fie fi) doch leicht und bequem.

Dreizehn Leguad von Mendoza entfernt betraten wir zuerft die Grenzhügel der Corbilleren, aber fein Baum erfreute dad Auge, nur nieberes Yufdhrerl ftand in den Thälern, und an den Eeitenhalben hin hingen Ziegen und hie und da auch Kühe und Mauk thiere, und weideten bad fpärliche Gras ab. Tas Waſſer ſchien aber in biefer Gegend befonber6 rar, und wir hatten an dem Abend wirklich Mühe einen guten Lagerplab zu finden. Es mar fchen dunkei ale wir endlich eine ziemlich fteile Felswand erreid ten, unter deren Echuß wir ein Feuer anzünden m ein Etüd Guanakafleiſch braten konnten, aber te neswegs Holz genug da, bie ganze Radıt ein Feuer zu unterhalten. Als wir unfere Mahlzeit beenke hatten, mußten wir ed audgehen lafien unb legten und, fo gut das angehen wollte, in unfere Deden gewidelt, die Sättel unter dem Kopf, zur Rube nieder. Den Abend vorher war es aber gar nicht

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9 Falt, und ich felbft auch wohl die warmen Kächte Rendoza’8 noch gewohnt geweien, kurz, ich gab mir ar Feine bejondere Mühe mein Lager nad) allen tegeln des Berg⸗ und Waldlebens zu bereiten, fon- ern warf mich eben nur auf eine Dede hin und eckte mich mit der andern zu. Dafür follte ich aber uch büßen ich fror die Nacht fchmählih, und mnte mir im Anfang eigentlich gar nicht erklären ober das kam, bis ih am andern Morgen das Bafler in dem neben mir ftehenden Blechbecher efroren fand.

Das erite Zeichen, wie wir fehon in die Berg- hen vorgerüdt feyen, machte fich hier bemerflich, nd ald wir ausrüdten fanden wir beren nur zu ald mehr. Der Bach an deſſen Ufer wir hinauf mieten, hatte überall Eis, jo daß mein Maulthier n mehreren, wirklich abfchüfligen Stellen verfchie- enemale ausglitichte und zu ftürzen drohte, jedes- al aber durch den ermunternden Zuruf der Führer ueber zu neuer Anjtrengung angefpornt wurde. Diefer uruf felber aber hatte wirklich etwas charafteriiti: bes, und beftand nur in dem Worte: »oh mula, h mulac dem ftrauchelnden Thiere wurde nur gerufen, daß es ein „Maultbier“ fey, und es fo ei feinem Ehrgefühl auf die wirffamjte Art ange: ißt. Ein Maulthier und ftolpern nein das ging

270 gar nicht der Führer hatte vollfommen recht, unt es nahm jebt alle feine Kräfte zufammen, fo das wir Etellen glüdlich paflirten, auf benen Pierde Hald und Beine gebrochen hätten.

Höher und höher fliegen oder kletterten wir vie: mehr hinauf, bis wir die mit dünnem Echnee be beten Kuppen erreichten doch lange noch fein Eordilleren und diefe an ſich ſchon ziemlich heben Berge haben den für den Wanderer, ber hier fen Bedeutendes geleiftet zu haben glaubt, allerdings nicht ermuthigenden und auch etwas unanftändigen Ramer der „Piojos der Cordilleren.” Hier fand ich aud im Echnee die Spuren der Guanakas und bes Pum: oder -amerifanifchen Löwen, der die Höhen zu liebe icheint bie Fährte war etwas größer als bie I amerifanifchen Panther, und mein Baquiano jicherte mich, Daß man das Thier zwar manchmal, abe: doh nur äußert felten am Tag zu feben befüm Nachts aber, und felbit bei Monpfchein, ftreiie « umher, und folge ſogar manchmal ben Yährten I Menichen, die es aber nie felber angriffe.

Auf dem hHöchiten Gipfel diefer Hügel, wie it fie doch wohl nennen muß, öffnete fi uns aka auch plöglich ein Panorama, das ich nun und nis mer vergeflen werde; unter und zu unjeren Füße lag das unmittelbar bie. Gordilleren umfchliegeni‘

271

Thal, und ſchroff und fcharf fliegen aus diefem empor bie gewaltigen Berge bie Riefenleiber in ihre weißen, bligenden Schneededen gehüllt und hinein- ragend in die Wolfen mit den ftarren zadigen Kronen.

Da hinüber wollt’ ich arme ſchwaches Men- ſchenkind da hinüber, wo unberechenbare Echnee- maflen oft Berg mit Berg verbanden, und Die Schluchten in ihrer unergründlichen Tiefe bis zum Rande füllten da hinüber, wo alle andere Leben in eifigem Froſte eritarrt war, und felbft der Condor mit rafcherem Hlügelfchlag die zadigen Eisfelder und Kuppen überflog? ja, da hinüber wollt! ih und ed war’ zugleich auch ein ſtolzes freubiges Ge: fühl, daß gerade die ſchwache Menjchenfraft ed wa— gen konnte all die Echwierigfeiten zu befiegen und ich Die Bahn zu brechen, wo jede Bahn, jeder Fort: gang unmöglich fchien.

Der Himmel fpannte ſich dabei in freundlicher Bläue über der prachtvoll großartigen Winterlanb- ſchaft aus, nur der Windzug ftrich fcharf da oben, wo wir flanden, über Die Kuppen hin.

Doch mein Führer war nit der Mann fich lange bei „Raturfchönheiten“ aufzuhalten er hatte die Gorbilleren ſchon mehr gefehen und wollte ine hal, wo die Thiere nicht allein zu freflen befom- men, fondern ex felbft auch mit feinen Leuten beſſere

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Mflege erhalten konnten, wie wir fie in ben lebten zwei Nächten gehabt. Bergab gings jetzt nun wie der feharf, und zwar fo, daß wir ben erften Schnee bald hinter uns ließen und in ein fonniges, freund licheg Thal binabftiegen, mo grüne Myrthenbuͤſche wenigften® auf eine Zeitlang bie fahlen nadten Fa. fen verdrängten. Die Eonne fehien bier warm un erquidend, und gegen Abend erreichten wir, den Yauf eines Meinen Waſſers in der lepten Stuude folgend, ein Haus wo die Maulthiere, die Ach ie tepten Tage fpärlich genug behelfen mußten, gu Weide und wir ſelbſt ein vortreffliches Glas Mendes: wein fanden, und daran zu erquiden. '

Dieß war Das weitlichjte Haus Der argentiniicen Republik und bier verforgten wir und auch noch mi ein paar Hörnern voll Mendozawein, Die wir ülre Pferd hingen.

Dieſe Art Flüuͤſſigkeiten gu trandportiren ı€ übrigens te eriginell ald praftiich: ein puar gewebn libe Ochſenhörner, natürlich io ron wie fie telde bekommen fonnen, werden unten gerade abgelägt um? wie einem tert eingeſezten und verpichten bölzemer Noden verieben, Dunn oben durch ME ige bar Ende ein Loch hineingebehrt und cin Stoͤpiel drauf gelegt, und Die Tlaſche it ſerrig. Drei ioiche Alain Kinder man mit einem kurzen Ente Robbaut iv

273 e überall den Bindfaden vertritt zufammen, d haͤngt fie folder Art über den Eattel.

Schon von Buenos Ayres hatte ich ein paar her „Zwillinge“ nur etwas Heiner für. Cana (ben tlauf von Rum, eines ber angenehmften und bteften fpirituofen Getränfe) mitgenommen, und in alter Correo, dem das Steppenwaffer auch nicht onders zu behagen fchien, nahm recht häufig einen hluck daraus. Er hatte fie „aus Gefälligfeit“ auf ı eigened Thier gebunden, und fie wären ihm ge- 3 noch lieber geweien, hätte ber alberne &töpfel bt jedesmal fo gequitfcht, wenn ex ein Fleines ud zurüdgeblieben war, irgend etwas an feinem ıttel ober Neitzeug nachzufehen. Ich fand fpäter ar aus, daß ihm dieſe Cana beſſer fehmedte als Mt der Diateh, den er gewöhnlich nur aus Höf— ‚feit zu trinken ſchien.

Apropos Mateh, den hatte ich jetzt, Gott fey nf, mit den Pampas, Hinter mir, denn bier ide mehr Wein getrunfen, und meine Lippen, bie den lebten Wochen gar nicht mehr zugeheilt was 1, festen friiche Haut an.

An dem Abend fpät kamen auch vier Guanakajäger t fünfzehn mächtigen Hunden zurüd, mit denen das arme Thier in den Bergen zu Tode gehept ten. Das if bie einzige Art wie fie das Wild Gerpäder, Reifen. 1. 18 18 Ä

274 in biefer Gegend erlegen fönnen, benn Feuergewebt führen fie nicht, oder wiflen nur fo mittelmäßig de mit umzugehen, daß fie fih nicht barauf verlaflen fönnen.

Hier hatten ſich unfere Maulthiere, die von da an, wie mein Baquiano fagte, in ben Bergen nid mehr viel Futter finden würden, noch einmal tuͤchtiz fatt gefreffen, und die armen Beftien fchienen et ink zu wiflen daß es jet einem für fie fchlechten Ten | rain zugehe, denn jo wie fih nur @iner ber Eis friedifäng näherte, fpisten fie fchon die Ohren m liefen nach dem entfernteiten Ende berjelben, um mm | nicht eingefangen zu werden. Arme Geichöpie, da hilft euch nichts der Laflo erreicht euch, wo ik auch ſeyd, und feiner fliegenden Schlinge, unter a }. ihr erjcbredt und zitternd zufammenzudt, enigeit ihr nicht.

Am nächtten Morgen Eonnabent, den 14.3 lius, brachen wir früh auf und zwar jept em Ei gang der Gordilleren, einem jchmalen Thale zu, In fih der Tucunjado in die Felien gerifin. Wir Nie ben an der linfen Scite des Bergſtroms, und fi mußte ftaunend jeben, wie jich die Spuren des iech allerdings niederen Stromes bis zu 30 und AM A über und erhoben, und dann noch Zeugniß geht wie er das nächite niedere Land überfchwenmt jet

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fine furchtbare Gewalt muß es ſeyn, bie all bie wfendb Waſſer diefer ungeheuren Bergfette im Früh ihr fammelt und bonnernd ins Thal hinabfenbet, nd nicht zu verwundern iſt's dann, baß fie ganze jelsſtücke mit fortreißt, und felbft an ben fteinigen fern mit Erfolg wühlt und gräbt, und ihr Bett erändert und erweitert.

Der Anblid des Gebirges war von hier wahr aft wundervoll wie eine riefige Wand lag bie ınze feft in fich zufammengedrängte Maffe der eigent- den Gorbilleren, des Rüdenmarfd eines ganzen ngeheuren Welttheild, das fich aus den Eisregionen es Nordens bis hinunter erftredt zum 53. Grad süber Breite und dort no, am Cap Horn mit er flarren Selfenftime weit und troßig in die das egen vergebens anflürmende See hinaus droht . erade und hochaufftrebend vor und, und eine zadige echneemafle Frönte bie gewaltigen Gipfel. Aber e8 ah nicht aus, als ob der Echnee auf dieſe Berge tiebergefallen wäre, fondern der ganze obere Theil ver Gebirgsmaſſe fchien aus Schnee und Eis zu veftehen, fo bliste und funfelte und ftrahlte es im yellen fröhlichen Sonnenlicht und nur hie und da, wo Die fenfrecht nieberfchiegenden Hänge fo fehroff und Blatt abfielen, daß auch nicht eine Flocke daran hatte haften können, zeigte ber alte Berg bie nadten lieber

2776 und verrieth dadurch bie ungeheuren Edhichten des gefangenen Schnees, ber in feine Zaden hineingeweht worden, und bort Schluchten ausfüllte, in denen andere Gebirge Raum gehabt hätten.

Im Anfang war ber Weg ziemlich gut, d. &. fteinig und abjhüflig genug, aber doch breit um nicht gefährlich, wir waren ja einmal in den Bergen, wo e8 eben Feine Chauffeen mehr gibt; je weiterwua aber bineinfamen, befto höher mußten wir auch bie | auf, und defto näher traten von beiden Seiten ie Gebirge zufammen, fo daß ber jest plöglich gam fhmale Pfad ſchon anfing an fteilen brödlicen Schluchten binzuführen, und bie Maulthiere nid mehr die Wahl hatten wo fie gehen wollten, ſonden ſich auf den einen fchmalen Weg verwiefen ſaben Dit paflirten wir jept Pläge, wo linfs ber Abgrımt viele hundert Fuß fteil unter uns lag, während ed I: Ichroffe vorragende Felsſtücke jedes Abdrängen baren | auf das unerbittlichite verfagten, fo allmählig laws wir aber in bdiefen Engpaß hin, und fo viel If Keuen umgab mich zu berfelben Zeit, daß ih m I: Anfang faum auf den Weg adhtete. Mein Biid Hip . in den fleilen, gäh niederfchießenden Schluchten x oben, von meichen fchimmernden Echneeichichten aus gefüllt, unten von grünen Myrthentüfchen base fen waren und bier dort drüben firkh er m

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langfam gewaltigem Slügelfchlag fah ich den erften Condor, ben Riefengeyer diefer Berge und zum erften- mal fing ich hier an bie unendliche Oröße ber Ge⸗ birge zu ahnen als der ungeheure. Vogel, der fo dicht an und hingeflogen war daß ich das fcharfe Echlagen keiner Echwingen hatte hören können, nad) Dem gegenüberliegenden Hang, ben ich für nur wenig hundert Schritte entfernt gehalten hatte, hinüber und weiter und weiter ſtrich, und Die Hänge immer noch nicht erreichte, und zuleht fo Hein ausſah wie ein junger Rabe.

Der Weg wurde aber wirklich immer fchmaler, und wo er fich vor ung in Echlangenlinien dicht um die Helfen jchmiegte, fchien es mir plötzlich als ob er dort vollfommen aufhöre, denn mein fonft gewiß Icharfes Auge konnte nicht die Spur eines Ausſprungs mehr entdeden,- und Doch befanden wir uns fchon mehre hundert Fuß über bem kleinen Etrom, ber tief unter und wie ein Milchbach über Felsblöde, die aber in biefer Entfernung wie Kieſel ausfahen, dahinfprudelte und hinauf? lieber Gott die ganzen Eordilleren lagen noch wie in einer fchroffen Felsmaſſe über uns, und da hinauf Eonnte der Pfad unmöglich gehen. Aber der helle Etreifen, ber eigentlich nur wie eine Ader in dem dunfleren Geftein auefah, Fonnte doch aud wahrhaftig nicht der Pfad

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feyn auf dem wir, an ſolchem Abgrund Hin, mit unferen Thieren die Bahn fuchen follten.

Doch ich durfte nicht mehr fo weit vorausfchauen; bie nächfte Nähe nahm bald meine ganze Auf merkfamfeit vollfommen in Anfpruh und es fing fhon an einige Selbftüberwindung dazu zu gehören das Thier das ich ritt, an ſolchen Stellen nicht leiten zu wollen. Mein Vaquiano hatte mir aber befonters angerathen an irgend einem, mir vieleicht gefährlich fcheinenden Paß, dem Maulthier nur ganz ruhig und unbeforgt den Zügel zu laflen, denn das wille ge wöhnlich am allerbeften wohin es treten müffe, feine Knochen gefund und unzerbrocdhen über Die Berge zu bringen und nun wahrlich das war die Sielle von ber ich fchon früher gehört an deren äuf unten Maflen von Maulthieren zerfchmettert Lagen, und wo ein einziger Sehltritt Thier und Reiter todt, ehe fie den Boden erreichten in bie Tiek fenden mußte. Dabei führt der Maulthierpfad auch gerade am alleräußeriten Rande hin, denn bie Maul thiere müffen mit ihren Päden fo weit vom Felien abgehen wie nur möglich, da fie, fobald fie an dieien feit anitoßen, verloren jind. Fuͤr den, an felde halebrechende Partien nicht gemohnten Europäer bat es aber etwas höchit fataled, das Thier auf dem fr reitet förmlich über den Abgrund fortichreiten F

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fehen, während Doch zur Rechten noch gewiß brei ZoU Raum find, die es wenigftens ein klein wenig von dem gähnenden Schlund abbrächten. Auch mir fam es fo vor und als ich, fcheu zwifchen dem Eteigbügel und der Schulter des Thieres hinunter- fhauend, in die Tiefe blidte und dort, Gott weiß wie tief unten, die Maſſen von Maulthiergerippen fah, die mahnend zu mir beraufftartten, da griff ich faft unmwillfürlih dem Thiere das ich ritt in die Zügel, und that dadurch etwas, was der Reiter auf folchen Etellen nur im äußerſten Nothfall thun ſollte ein anderer mag da aber auch fifchhlütig zufehen.

Dadurch nämlich daß ich den Kopf meines Maul- thierd vom Abgrund wegzudrängen fuchte, verlor dieſes feinen ficheren Schritt, trat zur Seite, ftieß mit ber Eatteltafche an den Felſen an, erfchrad wahrs fbeinlich felber darüber und nein lieber Leſer, wir flürzten nicht zufammen da hinunter, fonft fünnte ih dir meine Bahrt hier nicht erzählen es ftol- perte nur, aber wie es fehl trat, und der Stein an den es ftieß nur eben vielleicht einen Zollbreit von feiner Stelle geftoßen wurde und auch gleich geräufchlog in die Tiefe ftürzte, mo er lange, lange nachher dumpf⸗ dröhnend anfchlug, da ja ich brauche mich def nicht zu fchämen, denn ed war mir allerdings nich t egal ob ich Hinunterfiel oder oben blieb ba lief's

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mir bech eislalt und fröſtelnd ben Rüden binunter, und ed war ald ob mir das Blut in ben Adern fiodte. Die Maulthiere ud aber vortrefflidhe Ge ichöopfe, und wenn ich auch nicht eingebilbet genug bin zu glauben, daß es ch nur meinetwegen bemüht habe wieder feften Zus zu fallen, fo that es bad toch feined eigenen langehrigen Selbit willen, und fchritt gleih darauf jo ruhig und ficher als ob gar nichts vorgejallen geweſen, und wir nicht fecunben lang am Rand eines entieglichen Grabes gehangen, über die geführliche Stelle hinweg; ich ließ ihm aber von da an, beionderd an ſolchen Orten, ben Zügd vollfommen, und habe mich nur wohl dabei befuntn.

Tiefe Stelle war aber keineswegs, wie ich früber immer geglaubt, nur wenige Zuß, ſondern im Gegen theil viele hundert Echritt lang, "und ich fand je da alle die Pläge, wo ich ben helleren banbartigen Etreifen um ſteile Felehänge herum fchon vorher mit den Augen verfolgt hatte, wirflich ein eben feld, oder Doch wenigitend ganz ähnlicher Pfad waren, em wir, wir mochten jet wollen oder nicht, treu bleiben mußten, denn an manden Orten hätten wir be Maulthiere nicht einmal wenden fönnen.

Tropdem foll e8 doch etwas ungemein feltene? feyn, daß ein Thier mit einem Reiter in biefe Türe | ſtuͤrzt, und die meiften bie hier verunglüden ſiu

u

aſtthiere, und zwar alte Laſtthiere die von den jungen, um erftenmal diefe Bahn befchreitenden, Hinabges rängt werben. Das junge Thier ftößt nämlich im Infang gewöhnlich zuerft ein paarmal mit feinen zacken an die Felfen, und wird dadurch von felber em äußerften Rande der gefährlichen Bahn zuge efen. In den vor ihm gähnenden Abgrund fann ber das arme erfchredte, von dem Treiber noch ges einigte Thier, nur mit Entfegen binabfchauen und m biefem Anblid zu entgehen drängt es jest in ngftlicher Haft, unbefümmert ob feine Baden gegen en Fels anfchlagen, ben Kopf zwifchen das ihm ächfte, vor ihm gehende Thier und ben Felſen hinein nd das arme, alfo mit Gewalt dem Abgrund zuge⸗ bobene Wefen ftürzt, fo faum wenige Zoll von em äußerſten RAnd entfernt, vielleicht mit einem ſchon auf einem fchwanfenden Steine ftehend, ettungslos in bie Tiefe.

Iſt der Fluß nicht zu Hoch, dann gehen wohl inige der Treiber zurüd um glei) von vorn herein em Lauf bed Tucunjabo unten am Wafler zu folgen md wenigftend die Paden und den Sattel noch zu etten, bat es aber furz vorher geregnet, fo dürfen ie das nicht einmal wagen, benn der Strom fchwillt sanchmal fo reißend fchnell an, daß fie, in der engen Schlucht von ihm überrafcht,, vielleicht felbft ihr Leben

282 noch dabei einbüßen könnten, und tritt erſt einmal das Waſſer aus dem fchmalen Bett, dann iſt auch alles was in feinen Bereich fommt verloren.

Eine andere böfe Stelle ia faft noch ſchlimmere Stelle ald die vorige, hatten wir nur wenige Stunden fpäter an demfelben Felshang zu pafliren; der Weg war hier ebenfo fchmal, der Abgrund ebenfo tief und noch dazu eine Ecdhneewehe, oben von ben Bergen herunter, gerade darüber hingeſtürzt, fo Daß man den Pfad nicht einmal unterfcheiden fonnte. Der Führer war vorangeritten, und durch ein Felsſtück meinen Augen entzogen worden, fo daß ich nicht bemerke ob er im Eattel geblieben ober abgeftiegen war, ik ritt denn auch ruhig fort, bis ich plöglich Dicht ver der fchmalen bösartigen Schneewehe ftand, wo in# Ihier im wahren Einn des Wortd einen durch den darüber gejtürzten Echnee noch unficher gemachten Pfad von höchitend vier Zoll Breite hatte und die hinter mir heifommenden Peons riefen mir ploglid mit lauter Etimme zu „abzufteigen.“

Das war eine höchſt intereflante Lage den einzigen Plap wo man noch abiteigen fonnte bunte ich verfiumt links hinunter, wie es ſich geben, fonnte ich gar nicht, denn auch fein Zolibreit wur da, auf den ich hätte fußen können, unb rechts ſtieg biht am Maulthier der Helfen empor zurück komt

283 h ebenfowenig, ba half alfo fein langes Befinnen, h mußte, fo gut das gehen wollte, an ber rechten seite des Thieres hinunter, zwifchen dieſes und den elfen hinein wobei fid) dad arme Weſen, das atürlich fürchtete den Abgrund Hinabgefchoben zu erden, fo feit ald es nur möglicherweife konnte, gen mich anpreßte. Nichtsbeftoweniger gelang es ir endlich ih Froch dann unter feinem Kopf or und ſchritt langfam den ſchmalen Pfad im Schnee r übrigend faum ſechs Schritt lang war, voran 18 Maulthier folgte, und wir legten auch biefen 3eg glüdlich mitfammen zurüd.

Der Weg blieb von da an mohl noch immer hmal und geführlih, wir waren aber durch dieſe ngpäffe fo an Schluchten und Abhänge gewöhnt orden, daß ich ſchon anfing einen Pfad von drei Breite, neben einem gähnenden Abgrund hin, ir etwas chauffeeartiged zu halten, und dem Thier ıbei unbefümmert die Eporen gab.

„Aber warum fteigt der Reiter überhaupt an folchen ngpäflen nicht ab?“ fragt hier ber Leſer, und eigents ch mit ganz gutem Grund „es iſt doch taufendmal ler ein paar Meilen zu Buße :u gehen und einfach 18 Maulthier und feine Satteltafche zu riskiren, als eib und Leben leichtfinniger Weiſe im Sattel preis

igeben..“

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Ein richtiger Grund exiſtirt dafuͤr freilich nicht die Bergbewohner bleiben aber im Sattel ſehr wahrſcheinlich weil fie zu faul find den Weg zu gehen und ber Fremde, der manchmal diefe Stellen be fucht, fcheut fih dann gewöhnlich weniger Muth zu zeigen wie er nämlich glaubt als dieſe, die nd nur wundern würden wenn er ginge, daß er ſich einer ſolchen Unbequemlichfeit unnützer Weile ausiept. Daß fie zerfchmettert werden würden, wenn ihr Maub thier einen falfchen Echritt thut, wiſſen fie dabei recht gut, aber auch eben fo genau was ihr eigene® Leber werth ift und das fcheint ſich dann meiſtens des Abfteigens nicht zu lohnen.

Die Nacht lagerten wir an der Echneegrenze, und es war, da wir auch nicht einmal Holz zu einem ordentlichen Feuer hatten, ziemlich kalt; an Auelagen aber gewöhnt, richtete ich mir mein Lager mit Hülk bes Eatteld und meiner Deden fo gut her, daß ib weich und warm bis zum nächften Morgen fchlief und ber Führer, ein Chilene, ber die Berge ſchon gar efl paflirt war, gab mir das hoͤchſt fchmeichelhafte Jeur niß „wenn ich auch wirflich weiter nichts Vverftänke, wuüßt’ ich doch wenigftend mein Bett zu machen.”

Unfere Thiere fuhren hier fehr ſchlecht nich ein Grashalm wuchs dort für fie, an dem fie #6 hätten legen können, nur hie und ba gelbes, ſtich

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artiged Geftrüpp, das noch „vom Sommer ber bie bürren faftlofen Halme aus einzelnen Rigen vorftedte, wo vielleicht vor Jahren Maulthierdünger ein wenig Sruchterde gefammelt hatten. Selbſt einen Echlud Waſſer zu befommen mußten fie mehre hundert Fuß eine fteile bröckliche Schlucht Hinunterklettern, dort mit Lebensgefahr faufen, und nachher wieder, mübe - wie fie waren beraufflimmen und nachher feinen Biſſen zu freſſen.

Als ich ſie übrigens bedauerte meinte der Vaquiano ganz ruhig oh heute iſt nur der erſte Abend, da ſpuͤren ſie noch nichts, wenn's aber laͤnger dauert geht's ihnen freilich hart an, doch ſind ſie zaͤh und fonnen ungemein viel aushalten. Und länger mußte es allerdings dauern, denn vor und lagen die Echnees gebirge und ich zweifelte fehr daß ihnen dort oben ſelbſt die fchwache Erholung gewährt werden würde, Zahnftocher zu kauen.

Bon hier ab verließen wir aber auch den Karten feften Boden und betraten die Echneeregion, die wir bis dahin fich fortwährend über unferen Köpfen bin aber doch näher und näher hatten ziehen fehen. Iept reichte fie bis zu und nieder, und wie abgelchnitten haft liefen plögli, erft ein paar Windwehen über ben Pfad hinüber, vielleicht zwanzig Schritt breit und wieder ebenfoviel Raum hart geftorenen nadten Stein,

286 bodens zwifchen fich Iafiend, und dann plötzlich be gannen fie in einer, ununterbrochenen oben bligenden Flaͤche.

Der Winter hatte fein Leichentuch über bie ſchlum⸗ mernden Cordilleren geworfen, und bie feden Men fhenfindlein wagten, e8 mit Füßen zu treten.

Eonntag, den 15. Juli machten wir nur einen furgen Marſch, denn die Peons hatten, anftatt ihre Vorbereitungen in Mendoza zu treffen wie fie vor gegeben, alles das verfäumt, und vergeubeten nun bier förmlich einen ganzen Tag ein Tafchentuch vol Kohlen zu brennen und ihre Schneeſchuhe vorzube reiten. Unter Echneefhuh darf fich der Lefer aber nicht die in Nordamerika gebräuchlichen weibenge flochtenen ©eftelle denken; die hieſigen follen nicht dazu dienen über den Echnee hinzulaufen, fondern mr benfelben von den Büßen abzuhalten, und diefe werten deßhalb erft in ein weiches Echaffell dicht einge (lagen und ummidelt, und befommen dann noch eine fefte rindölederne Eohle, was, wie ſich fpäter zeigte, ‚Klima und Umftänden auf das vortrefflichſte ange meflen if.

An dem Hügel nun wo wir lagerten umb Ne Kohlen brannten, hatten wir ſchon eine ganze Weile auf unferen Führer gewartet, der vor etwa eimt Stunde zurüdgeblieben war, und jept erft, viel ſpaͤter

287 eintraf. Endlich fam er und trug etwad, dem An- fhein nach ziemlich Schwered und Umfangreiches in feinem Pondyo. Ich glaubte erft es feyen Kohlen, er aber bog fich zu mir über, öffnete den Boncho und zeigte mir eine wahre Unmaffe der vortrefflichften Ro- finen Traubenroſinen im Echnee. „Wo er bie ber habe," war mohl bie erfte und natürlichfte Frage, er aber zeigte lachend nach einer gar nicht entfernten, ebenfalls mit Echnee zum großen Theil bededten Fels- wand Hin und verficherte mich: von dort her, und es feyen noch eine ganze Menge dort.

Das war jedenfalls ein Naturwunder fonnten bie Trauben hier an einem, vielleicht vor der Kälte gefchüsten Ort gereift und zu Rofinen geworben feyn? aber biefe Süße ben Ort mußte ich unter ieber Bedingung in Augenfchein nehmen, und troß des tiefen Schnees machte ich mich, da die Maulthiere abgefattelt ftanden, zu Buße auf, dieß Naturwunder wu befuchen.

Fuͤnfhundert Schritt mußt’ ich, etwa gehen, ba überfchritt ich einen Fleinen niederen Hügel, kam zu den bezeichneten Felfen und fand Feine Rebenftöde mit aus dem Schnee vorragenden Trauben, wie ich fie Höchft romantifcherweife wirklich erwartet, fondern einige zwanzig hier verlaffen ftehende Kiften mit Ros finen, bie ein vom Schneeſturm überrafchter Maulthier⸗

trupp hatte zurüdlaflen müflen, um nur Menfcken und Thiere in Eicherheit zu bringen. Und biefe, hier buch Zwang ben Borbeipaflicenden Preis gegebenen Güter wurden fo von denen refpectirt, bie felbft nur zu oft mit Waaren durch die Berge zogen, und denen jeden Tag ein gleiches paſſiren konnte? Ale id noch daftand, und Fopfichüttelnd den hier halb im Schnee vergrabenen Vorrath betrachtete, von tem fhon zwei Kiften faft ganz geleert und eine drirte angebrochen waren, kam einer unferer Peons auf ſei⸗ nem Thiere ebenfalls herangelprengt, unb begann, ohne weitere Umftände, feine mitgebracdhten Sattel tafchen zu füllen; ich machte ihm, fo gut ich das vermochte, Vorftellungen beghalb, er lachte aber mur und meinte, „wenn er es nicht nähme nähmen «et andere,“ wie Figura zeigte, und ſchien darin über haupt gar nichts außerordentliche zu finden daß a fremdes Eigenthum plünderte.

Das Kohlenbrennen felber war ein höchſt einfache Geſchaͤfft mit ihren langen Mefiern gingen tie Burſchen daran das Holz der fleinen niederen Büſche, bie hier noch wuchſen, abzuhauen oder da wo es nd brechen ließ, niederzubrechen und fchafften dad jept Alles auf zwei ziemlich hohe Haufen die fie zuiam mentraten, fo gut das eben gehen wollte, und nz anzündeten. Als das Holz zu Kohle heruntergebrannt

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war, überbedten fie ben jetzt ziemlich Flein gewordenen Haufen mit etwa drei Zoll Erde und ließen das Heuer foldher Art ausgehen. Die ganze Kohlenmaffe betrug folcher Art etwa fünfzehn Pfund die fich Einer ber Peond am anderen Morgen in ein altes Hemd band und auf den Rüden warf, und ich meines theild fah noch nicht recht ein wie wir mit ber Kleinigkeit Feuerung durch den ganzen Schnee fom- men wollten wenn es nicht unterwegs Aushülfe gab und gab ed dag, mozu dann überhaupt die Kohlen ?

Doch es wäre thöricht geweſen fich jetzt mit fol- chen Sachen den Kopf zu zerbrechen, und ich fchlenderte indefien ein wenig an bem Hügel herum, zu fehen ob ich nicht die Fährten irgend eines wilden Thieres im Schnee erfennen koͤnnte.

Fuchsfährten, bie wenigftend den unfrigen auf ein Haar glichen, fchienen viele da zu feyen, von einem größeren yierfüßigen Raubthier konnte ich aber nicht8 weiter erfennen nur ein Etrauß mußte fidh bier in diefe Echneewüfte hinaufgemacht haben hier im Echnee und dort im weichen, feuchten nadten Boden ließen fih die enormen Spuren bed Thieres auf das genauefte erkennen.

Als ich aber meinen Begleitern von einem ave- struz erzählte, lachten fie laut auf und ber Vaquiano meinte, ber Etrauß ließe ſich nicht, ent in den exfien

Gerſtacker, Reifen. 1. 19

290 und niedrigften Hügeln, befonders nicht im Winter, blidten, und wenn hier dem Boden die Spuren eines großen Vogels eingebrüdt wären, fo könne es eben nur ber Condor feyn.

Ich wollte erft gar nicht glauben daß es einen Raubvogel auf der Welt gäbe, ber eine foldde Spu hinterlaffen fünne und hatte an einen Condor im ber That anfangs gar nicht gebacht, bei genauerer Ur terfuchung fand ich aber doch daß ber Mann redt habe; die Krallen gingen tief tief in den Boden hin ein, wo das koloſſale Thier hingetreten hatte, und felbft der Echritt war einwärts, nicht gerade gefellt wie beim Strauß.

Nicht weit von dort, wo wir und jeßt befanden, folte auch, der Ausfage meiner Führer nach, una casa, ein Haus an ber fogenannten punta del vaca ftehen, wo wir noch an dieſem felben Abend über nachten wollten. Meine Erwartungen darüber, als wir ed etwa eine Etunde vor Eonnenuntergang er reichten, waren aber, wie ich mir dort geftehen mußte, etwas zu eraltirt geweien, denn wir fanden nur eine fleine niedere und vorn offene, roh aus Eteinen er richtete, und mit Reiſig und Erde gedeckte Doppel hütte, und ringsum tiefen Echnee, ſelbſt fein Helj ein Feuer anzumachen, und nur einige, früher ein mal bier zurüdgelaffene Kohlen.

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Und was befamen die Maulthiere zu frefien? nichts zum Waſſer wurden fie einmal getrieben, und dann mußten fie Die ganze Nacht, ohne auch nur einen Grashalm zu befommen, mit den wunbd- gefcheuerten Rüden in ber Falten Hütte ftehen; ja felbft, wenn fie am anderen Morgen von hier zus rüdgingen, Tonnte ber nächfte Abend ihnen doch noch kaum Nahrung bringen.

Die Daulthiere find wirklich nach dem Kameel wohl das zähefte, ausdauernbfte Laſtthier der Welt, denn welches andere Geſchoͤpf hätte das bei ſchwerer Arbeit ausgehalten, zwei Tage in die Gebirge und zwei wieder hinaus, ohne eine Handvoll ordentliches Butter ja zwei Tage davon, auch ohne nur einen Grashalm zu fehen, Berg auf» und abzumarfchiren und an Hängen hinzuflettern, wo fie ſich manchmal ordentlich mit ben Hufen fefthalten mußten.

Im Eommer, wenn fie die ganze Tour über bie Gordilleren zutüdlegen Tonnen, haben ſie's übrigens nicht beffer, und find häufig vier volle Tage aud) total ohne Butter, wo fie dann den troden gewors denen Dünger anderer Maulthiere, als einziges zu erreichendes Rahrungemittel, verzehren und dabei beſtehen.

Manchmal halten ſie's aber auch nicht aus, wenn der rohe gefühllofe Menſch Laſt auf Laſt auf ihren

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Rüden ladet und bie erfchöpften Glieder in den ſtei⸗ Ien Bergen enblich ben Dienft verfagen; Zeugniß da⸗ von geben die Unmafien von Maulthiergerippen, bie überall an dem ganzen Weg durch bie Eorbilleren liegen, und bie da, wo fie flarben, auch unter ihrer Laft erlagen und eben ruhig ihrem Echidfal über: laffen wurden. Die Condors und andere Raubvögel reinigen dann in ungemein fchneller Zeit das Aas, und an dem Öerippe vorbei nie barüber hinweg fuchen fich die nachfommenden Maulthiere die Yan.

Am nächften Morgen fanden wir früh zum Marſch gerüftet; zu meinem Erftaunen that aber mein Führer gar nicht jo, ald ob er überhaupt beabfichtige feinen Fuß in Schnee zu fegen und in der That beab— fichtigte er das auch wirklich nicht, Er eröffnete mir jet, daß er mit den Maulthieren hier umkehren werk, ich aber mit den Peons meinen Weg weiter und allein fuchen müfle. Auf der anderen Eeite ber Gorbilleren würde ich dann von feinem Vater, der dort anfüfı wäre, andere Pferde befommen bie mich nach Ba: paraifo brächten. Ich verftand zu wenig Epanitt um Dagegen ernitlich zu proteftiren, im Grunde wur mir's auch wirflich einerlei, wenn er nur drüben fein Wort erfüllte, und wir brachen jetzt, nadhtem ich gegen den Echnee alle möglichen Borfichtemsr regeln gebraucht, auf, unferen befchwerlicdhen, wi

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wenn ein Unwetter eintrat, auch wirklich gefährlichen Weg jo rafch wie nur immer möglich zurüdzulegen.

Die ES chredensgefchichten nämlich, die man mir von einem Wintermarfch durch die Eorbilleren erzählt hatte, gingen wirklich ind Unglaubliche wie viele waren fchon in dem Echnee, wenn die Eonne darauf fhien, erblindet wie viele in plößlichen »tempo- rales« erfroren. Beftätigt ift, daß einmal in den argentinifchen Kriegen ein ganzer Trupp der feind- lichen befiegten Truppen in Winterszeit in Die Berge flüchtete, um nach Chile zu entfommen und bort in ben bie und da errichteten kleinen Steinhäufern jäm- merlich verhungerte oder erfror. Kurz alle dieſe Er⸗ zähfungen hatten keinenfalls viel Ermuthigendes, und fonnten nur dazu dienen, mir ben ganzen Weg als etwas Entfepliches erfcheinen zu lafien. Bald fand ich jedoch, daß wenigftend der Anfang nicht fo gräßlih ſey als er geichildert worden bie grüne Brille, die ich in der Taſche trug, meinen Augen im Rothfall zu Hülfe zu fommen, blieb eben in ber Tafche; ich brauchte fie gar nicht, obgleich Die Sonne gewiß aus beften Kräften auf den blendenden Schnee hernieberbligte ei, zum Wetter, unfere deutfchen Echneeflächen find jo weiß wie bie ber Gordilleren, die Eonne fcheint dort ebenfo hell, und man trägt doch Feine grünen Brillen. Auch fand ich

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bald, dag ih am Körper vollflommen warm genug gekleidet fey, benn bie fcharfe Bewegung thut auf fhon das Ihrige ihn zu erwärmen. So wanderten wir denn (ich voran, um im Thal hinauf eine Bahn zu treten, in ber mir die mit meinem Sattel und Proviſionen Beladenen leichter folgen könnten) zwar langfam, denn ber tiefe Echnee ließ feine Eilmaͤrſche zu, aber body rüſtig vorwärtd, und hatten jept, wenn wir einmal ausruhen wollten, fein andere® Lager als den Echnee oder einen durch ben Wind von feiner Dede befreiten Felſen.

Hierbei muß ich aber noch eines höchft nüglichen Meubled Erwähnung thun, das jeder Gebirgewan derer bei fi) und auch wirklich nöthig hat. Es ik dieß ein Stuhl aber weder von Mahagoni noch Kirſchbaum, weder gepolftert noch rohrgeflochten, we der drei=, vier- noch einbeinig unb überhaupt fein Etuhl, wie wir ihn eigentlich in civilifirten Ländern zu fehen gewohnt find, fondern einzig und allein ein Schaffell, das umgürtet wird und hinten bie tie unter den „legten Rüdenwirbel® hinunterhängt. Bit dem fann man ſich getroft auf den Schnee niederlab fen, man wird fich nicht erfälten, und es liegt fr auf der rechten Etelle.

Unfer Weg lag noch immer an dem Fleinen Fluße hin, deſſen Lauf wir ſchon aus dem Thal her

295 gefolgt waren, als wir aber bie erfte Felſenſpitze um- fhritten, die über ber punta del vaca hinauslief und dieſen Platz etwas gegen die Rorbweftftürme fhüste, breitete fih ein Echaufpiel vor unferen Bliden aus, das ich nie im Leben vergefien werde.

Zief in das Gebirge hinein dehnte fich ein weites Thal und himmelauf an beiden Eeiten, obgleich wir doch fchon mehrere Tage aufwärts geflettert waren, ftarrten die Berge empor in wilden phantaftifchen Maſſen, bier durch gewaltige Schneewehen zu einem glatten, faft abgerundeten Ganzen zufammengegoffen, dort wieder wie Riefen, die gewaltfam ben drängen» den Echnee von fich abfchüttelten, ſchroff und nadt auseinanbergeriflen.

Der Anblid war furchtbar fchön, und ich blieb wirklich erflaunt vor dem prachtvollen Panorama ſtehen das ſich in einer Ausdehnung, von ber ich damals felber feinen Begriff hatte denn ich. wußte noch nicht, wie nah die bünne burchfichtige Luft une in foldher Höhe, felbit die entfernteften Gegenſtaͤnde, rückt vor mir ausbreitete.

Meine beiden Begleiter benütten dieſe Gelegen- heit ihren erften Ruhepunft zu machen, und ihr wunberliche monotone® Singen lenkte meine Auf merkſamkeit zuerſt wieder von ben fühnen Gonturen ber mich umgebenden Gebirgemafien ab unb ben

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beiden Burſchen zu, die allerdings ebenfalls originell genug ausſahen.

Meine Banditen waren, wie ſchon gefagt, fehen geblieben und den Oberförper vorn überbiegend, wäh rend fie fich mit beiden Händen auf den langen Etab ftüsten, den fie als Schneeftange mit fich führten, brachten fie die Laſt bie fie trugen, bie aber feine wegs übermäßig ſchwer war, gerade auf ihren Rüden, der fich darunter zu biegen ſchien, und eine Art Lieh, bad nur aus zwei Tönen beftand, babei mehr mur⸗ melnd als fingend, gönnten fie fo den „Hüfttnochen,“ wie fie fagten, eine furze Raſt.

Das gefchehen, und als jie fahen daß ich eben falls wieder marfchfertig war, richteten fie fich emper, und weiter ging's, einem Fleinen runden Gebaͤude, einer fogenannten casucha zu, die wir deutlich, und wie ed fchien, in gar nicht großer Entfernung vor ung konnten liegen fehen. Deiner Berechnung nad glaubte ich wenigftend, daß wir in zwei, ſpateſtens drei Stunden recht gut müßten dort feyn fönnen. Zu meinem Erſtaunen marfchirten und marſchirten wir aber den ganzen Tag bid Abends faſt zu Sen nenuntergang, und ald wir endlich ihren Gingang erreichten, und ich zurüdichaute, fah der Berghang, an bdefien anderen Eeite bie punta del vaca lg gerade jo aus, als ob eine Büchienfugel bis dorthin

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etragen haben würde und wir waren den ganzen ag gewandert. |

Bon Morgens bis Abends hatten wir nun aller Inge nur vier Leguas zurüdgelegt, waren aber doch » erihöpft als ob wir fechzehn gemacht hätten. )as Waten in dem tiefen Schnee ermüdet ungemein, och bazu, ba ber Fuß gar keinen feften Haltpunft ndet auf dem er Grund faflen fann. Die Schnees dichten find allerdings viel zu tief, al daß fie den törper bis ganz hinunterlaflen follten, nur beim Heben efielben geben fie wieder nach, und gewähren fo nie inen feften, fondern ftetS einen unficheren Tritt.

Eine nähere Erwähnung verdienen jedoch hier efe, im Lande fogenannten Caſuchas, ohne deren bülfe eine Winterreife durch die Cordilleren, wenn richt unmöglich, doch mit wirklicher Lebensgefahr ver: mipft wäre. Es find Heine einfache Hütten, aus Badtfteinen und zwar gewölbt gebaut, um dem Wan⸗ derer bei etwa eintretenbem Schneefturm ein Obdach u bieten. Zu dieſem Zweck ftehen fie auch wohl mf zehn bis zwölf Fuß hohem Mauerwerk, zu dem ne Treppe hinaufführt, damit fie nicht fo leicht erweht werben können. Bequemlichkeiten bieten fie teilich weiter keine ald eben nur bie vier nadten Bände und die Nähe des Waflers, denn Feuerung auß fich jeder, will er fie haben, mitbringen. Richt

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felten gefchieht es dabei, baf bei einem recht ſcharſen Schneeſturm Reifende fchon acht, vierzehn Tage, ja vier Wochen in ihnen feftgehalten wurden, und bann vor Kälte und Hunger faft umfamen, und noch ter legte Correo, ber nad Chile hinüberging, war ge nöthigt, eilf volle Tage in einem biefer Kleinen Re tungehäuschen beizulegen, weil Echnee und Etur ihn feinen Echritt weit hinaus ließen. Ohne bie felben wäre der Reifende aber gewiß rettungslos ver loren, überrafchte ihn nur das geringfte Wetter, denn er ift erftlich nicht im Stande genug Yeuerum mitzunehmen, fih auch nur eine Etunde an jeden Abend warm zu halten, und bie furdhttaren Schnee wehen, die foldhen Temporales eigen find, würden ihn bald bebeden und vernichten.

In ber argentinifchen Republif fiehen biefe Es ſuchas nur etwas zu weit von einander entfernt, ui wer gerade in der Mitte zwifchen zweien einmal vos einem tüchtigen Wetter überfallen wird, fann vs Glüd fagen wenn er mit dem Leben davon fommt.

Wir fanden einige Kohlen in dieſer Gafuda, brauchten alfo unferen Eleinen Vorrath nicht glei anzugreifen, und machten und etwas fochenb Wal zu Thee und einer „Gharquefuppe*, bie ich dem dee Fi in der That nicht appetitlich genug fchildern Kaum. fr

Zuerft muß ich ihm freilich die Nothwenbiglelt I,

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der Suppe überhaupt darthun; das Charque ober getrodinete Fleiſch war nämlich fo hart gefchlagen und fo zäh, daß es erſt wieder fürmlich zwiſchen zwei Steinen zermalmt und dann in heißem Waffer halb aufgelöst werden mußte, um nur einigermaßen ge: nießbar zu werden.

War das Fleiſch foweit zubereitet und das Wafler fochend, dann nahm Barbarino ein altes, zu dieſem Zwed mitgebracdhtes Kuhhorn, bließ zuerft hinein, alles unnöthige, was fich vielleicht darin gefammelt haben mochte, zu entfernen, wifchte es möglicherweife, wenn er einmal gerade feinen eigenen Tag hatte, mit dem einen Zipfel feines wahrhaft fchauerlich ſchmutzi⸗ gen Ponchos aus, brödelte dann mit den Händen, an bie Feiner von ihnen auch nur einen Tropfen Waf- fer brachte, wenn fie das irgend vermeiden konnten, etwas von bem Fleifch hinein, fchnitt eine Zwiebel dazu, that etwas Ealz und rotken Pfeffer dran und goß nun das heiße Wafler auf, was fich durch biefen Proceß augenblidlich in Suppe verwanbelt.

So weit ging die Wafferfcheu der beiden daß fie mir, ale wir in die Gebirge famen und ich mid) wie gewöhnlich in dem falten, aus den Echneeregio- nen nieberftrömenden Waſſer wuſch, ernitliche Vor⸗

"Rellungen deßhalb machten und mir auseinanderzu⸗

fepen fuchten, wie ich aufgefprungene Hände, mit

00° allen möglichen anderen Nachtheilen davon befom würde. Ganz entfebt waren fie aber fürmlidh, ich, felbft im Schnee angefommen, bei meinem finnigen Berfahren beharrte, und als gar feine ! ftelungen mehr halfen, Tachten fie über mich, erzählten es fpäter fogar ihren Belannten in C baß fich ber Fremde unterwegs gewaſchen habe, bie wollten es nicht glauben. Als mir aber u Geficht noch Hände wirklich darnach auffprangen ich ihnen das zeigte, da fchüttelten fie mit dem: und zudten die Achfeln fie waren jebenfalle davon überzeugt daß ich eine befondere Art haben müfle, felbit das Wafchen mit Schnee zu tragen, was ihre zarte Haut unter feiner Bedin aushalten würde. Und mit den Händen machte das Efien, mit den Händen brodten fie Brod is Suppe und fneteten fie Zwiebeln und Fleiſch zu men mich fchaudertd noch jetzt wenn ich d benfe, und doch ich damals, aber ber Hu trieb hinein, und ich betrachtete dad Ganze wirklich als eine Art Sühne, wo ich, das ei auögeftanden, nach meinem einftigen Tode jeden gleich direct in den Himmel eingehen müſſe. Dazu befaß meine Begleitung noch das a nehme, daß ich ihr nicht recht trauen mochte, alle Urfache zu haben glaubte fie, trop me

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Müdigkeit, im Auge zu behalten. Sie hatten fort vährend mit einander leife zu flüftern, und bie Begenb felber würde jeden feindlichen Anfchlag den le nur im Schilde haben mochten, auf bas vollfom- aenfte begünftigt haben. Ueberall die Echluchten und Schneeftürze, die erſt wieder in mehren Monaten afthauten, und felbft in dem Fall Condor und Raub: hiere in Mafle, vorkommende Spuren zu vertilgen, ußerdem die Cordilleren felber als Scheidewand wifchen beiden Ländern, was wollten fie mehr? Belegenheit macht uͤberdieß Diebe, und um ihnen ie auch nicht im Geringſten zu geben, befchloß ich ie keinen Augenblid aus den Augen zu laflen, und nich befonderd Nacht fo zu placiren, daß fie im Dunfeln nie wiflen konnten ob ich wirklich fchlafe, der mich nur fo ftelle. Ob ich ihnen dann unrecht hat oder nicht mir felber war ich jedenfallß dieſe leine Aufmerffamfeit fchuldig.

Die Nacht verging übrigens, außer dem Bellen der Fuͤchſe, bie einen eigenthümlichen Lärm volführ- in, ziemlich ruhig; ich ließ fich meine beiden Com» pañeros zuerft niederlegen und fuchte dann bie entge- gengefeßte Ecke der Bafucha, wo ich vor ihren Augen meine Büchsflinte neben mich legte, und die Piftole ebenfalls herauszog. Ich Löfchte dann das Hleine Talglicht, das neben mir ſtand, aus, knackte ein

302 paarmal mit ben Hähnen, und war sehn Minuten fpäter fo fanft und füß eingefchlafen, als ob ich bw beim in vollſter Eicherheit in meinem eigenen Bett gelegen hätte,

Dienftag den 17. marfchirten wir früh wieder aus und ber ganze Tag ſchien eine Wiederholung bed vorigen werden zu wollen. Die Berge, von denen ih am vorigen Morgen geglaubt hatte baf wir fie vor Mittag erreichen müßten, lagen nch allem Anfchein nach ebenfo weit von und entfernt, und nur tieferen Echnee fanden wir in bem immer enger werdenden Thal, je höher wir fliegen, obgleich wir von dieſer Seite aus nur fehr allmählig bergar zu Himmen hatten. Ter Weg muß im Eommer ein wahrer Epazierritt feyn, jetzt aber galt es harte Arbeit und tüchtige Ausdauer, ihn zu überwinden. Es gefchah heute mehrmals, daß einer von und in den Echnee förmlich einbracy und durch Die anderen berausgehoben werden mußte, und einmal jtad id fo feit barin, bag, wär’ ich allein geweſen, weil nur das Meſſer mir wieder hätte Bahn hinaus ms hen fünnen. Barbarino mußte mir aber dießmal die Hand reihen, und id) war auch dabei vollfemmen unbeforgt ihm zu trauen, Denn fie wußten, ih tn Piſtolen bei mir, und daß ich fchießen fonnte hate ich ihnen ſchon einigemal bewiefen.

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prachtvoller Anblid ſollte mich aber balı für. alles bisher Ertragene reichlich entfchäbis e Peons hatten mir ſchon am Morgen gefagt e zu einer beißen Quelle fommen würden, fe erreichten wir ‚etwa gegen Mittag. on von weitem zeigten, aus dem Gott weiß en Echnee vorragende Büfche, daß die Beges ter eine Fräftigere ald an ben anderen bürren eyn müfle, und eine Fleine Anhöhe Hinter der rgrom verfchwand, hinanklimmend, ftanden & darauf am hohen, abfchüfligen Ufer des⸗ und hatten, und gegenüber aue den Felſen d, die heißen Quellen, bie ſich in drei ftarfen Bahn aus dem beengenden Stein brachen, » durch bie harte Arbeit erhikt, den Qualm auffandten in bie reine, Falte, klare Luft. Anblick war wirklich überrafchend großartig Uferbank, fteil und überhängend, und bie reißen Strahlen zifchend ausftoßend, geftattete 38 hier dem Winter nicht fein warmes Kleid zu beden, aber jene unterirdifche Kraft konnte thindern, daß ſich die feden Kinder bed alten ven Greifes, die munteren Sloden, dicht darum ten und dem wunderlichen Treiben neugierig en, das tief und gewaltig aus dem Innern e heraus felbft ihnen eine Grenze zu jegen

304 wußte. Hoch über ben Rand ber Banf 5 quellend, wie ein riefiges Federbett, das el Begriff ift durch fein eigenes Gewicht nieberzu und nur noch burdy bie angefpannte Leinwa halten wird hing eine folofiale Echneema| denen bie heißen, zu ihr auffteigenben Tämp während ledten, bie fie aber doch nicht im | waren, zu fchmelzen, denn aus ben Höhen Be 309 es mit gar zu ſcharfem Luftzug, und raubte die Kraft. Was fie aber davon niedergezogen das formten fie zu ein paar mächtigen von bei berlichften Tropffiguren gezierten Eisfäulen an Seiten, die das obere Echneegewölf audy 1 trugen, und gegen fie hin fprigten die heißen 2 und die Eonne funfelte und blinfte auf ihr mantenen Ylächen und brach fih in den bi Regenbogenfarben an ben zadigen Aueamwücht in dem Eprühregen felber, ber den Strahlen Aber die Säulen ftanden feft und unberührt geben fie her von dem was fie gewennen, ! aber ein Feder Tropfen zu nahe an fie hinan da hielten fie ihn feft mit ihren blißenden { und ein neuer Brillant wurde es in ihr fun Diabem,

Ich konnte mich nur fchwer von dem ı berrlihen Punkte trennen, und wäre gar a

305 einmal zu dem heißen Strubel felber nieder geftiegen, das war aber, wie Eis und Schnee und bie fchroffe Bank die Stelle jegt umlagert hielten, unmöglic, ich hätte mich erft müflen von dieſer Seite hinein durch den Schnee graben, und wer weiß ob dann bie Bank nicht eben fo fteil nieder ging und ich felber vielleicht zu Schaden gefommen wäre, hier in ber Wildniß.

Ueberdieß wuͤrde es auch zu viel Zeit an eine Stelle gekoſtet haben, wo jede Stunde foftbar iſt, und dem Eäumenden ber Tob werden fann für feinen Leichtfinn. Im Sommer fol diefer Platz aber von Mendoza aus, ja felbft von Chile her befucht werben, und dann ein reigender Aufenthalt feyn.

Schoͤner und lieblicher mag ſich dann übrigens die Natur hier geftalten, das geb ich zu, aber groß- artiger wahrhaftig nicht.

Wir hatten von hier aus wieder einen fehr ſchlim⸗ men und ermübenden Mari, denn zwei „Schnee fürze* lagen in unferer Bahn die wir unmöglich, des daneben hinquellenden Stromes wegen, umgehen tonnten, und deßhalb überflettern mußten.

In bdiefen Bergkuppen können nämlich feine 2a winen fallen, die Klüfte und Hänge gehen zu furcht⸗ bar fteil hinab einem Schneeball zu erlauben, baß er langfam nach und nach anſetzen Fünnte; en fid) aber

, Gerkader, Reifen. 1.

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eine Mafle Schnee auf einer dieſer Stellen ange und wird das oben laftende Gewicht zu ſchwe bie Feine Bafi6 unten, auf der fie ruht, fo I fie nieder und ein einziger Schneeſturz räumt manchmal ganze Yeldwände auf, bie er Tahl nadt, bis zum nächften Temporale, ftehen läßt, | zend er eine Schneemafle ind Thal wirft von man fich wahrlich feinen Begriff machen fann, 1 man fie felber nicht einmal überflettert hat.

Gefaͤhrlich ift es dabei gewöhnlich, zu ſeh ber Rühe des Bergftromes felber zu bleiben, total von ſolchen Stürzen überdedt, zuerft volffon . gedämmt wird und fih dann, durch den Se arbeitend, ein neues Bett mandmal in einer ßeren, oft auch in vielen Heinen Röhren bohrt. gerade die Mafle Tiegt, ift man jedenfall ber ® lichfeit ausgeſetzt über folch unterirdiihem das dann feine förmlich ausgehöhlten Gewölbe ſchwer zu bünne Dede zu finden, und durchzubrechen, nicht immer träfe man eine Etelle an der man fo Teicht wieder hinaufarbeiten könnte.

Ueber einen biefer Echneeitürze hatten wir volle Stunden zu Hlettern, und ich glaube nicht daß «es die Beine viel ermübdendere Sachen auf ber Welt

Als wir endlich wieder eine der größeren Fla erreichten, wo ber Echnee wenigftens hart ge

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war und nicht mehr als drei oder vier Zoll tief ein- finfen zu laſſen, ſah ih plöglich einen Fuchs, ber mir bedeutend Heiner als bie europäifchen Füchſe fhien, gerade auf und zufommen. Er hatte allem Anfchein nach auch nicht die geringfte Idee, daß fich außer ihm noch andere lebende Weſen in biefer Cchneewüfte aufhalten fönnten, und trabte fo ges müthlich und forglos über den Echnee, als ob er „bei fich zu Haufe” wäre.

Jäger find eigentlich recht graufame Gefchöpfe; obgleidy mir die arme Beftie in ihrem ganzen Leben nod) nichts zu leide gethan, ja trotzdem, daß ich nicht einmal den geringften Nutzen aus ihr ziehen konnte, wenn ich fie wirklich erlegte, war doch mein erſter Gedanke Mord, und ich erwartete mit wahrhafter Schadenfreude den Augenblid mo der Buche in Schuß- nähe fommen würde.

Meine beiden Begleiter, die fich felber für bie Sache zu intereflicen anfingen, waren ebenfalls res gungslos ſtehen geblieben, und paßten auf dad Re fultat, und Reinefe kam wirklich fo unbeforgt an, als er wahricheinlich gewohnt war, jeden Nachmittag bier zu feiner beftimmten Zeit vorbei zu pafliren. Blöglich befam er Wind etwas was er hier nicht gewöhnlich fand, mußte feine Geruchsnerven getroffen baben, und er blieb ſichernd ftchen.

Meiner Rechnung nad), und als Jäger gewinnt man in ber Diftancebeftimmung mit ber Zeit eine ziemlich große Fertigkeit, fand er jebt in etwa hun bert Schritt Entfernung, alfo gerabe treffliche Buͤchſen⸗ weite, ich ſtach, und beim Schuß fprang ber Fuchs hoch in die Höhe, aber keineswegs getroffen, benn ich felber fah die Kugel noch eine ganze Strede vor ihm in den Schnee einfchlagen.

Die Büchfe hatte ich noch an biefem Morgen nachgefehen,, die Piftons ausgefchraubt gehabt un frifches Pulver nachgefchüttet, der Schuß hallte auch weit in den Bergen wieder es war Pulver gem geweien, und die Spigfugel begnügt ſich feibk mit wenigerem, was war Die Urfache daß fie nicht him überreichte.

Der eine Peon lachte und fagte lejos los weit, weit, ich beobachtete aber zuerſt den Fuce, ber über den Knall und Rau wie bie fich jep regenden Menfchenbilder im Anfang jedenfall mehr überrafcht al8 erfreut war, dann fich aber leife wm vorfichtig zurüdzog, bis er eine Echneelage erreidt hatte, die ihn unferen Blicken verbarg, und plöplid verfchwunden war.

Jedenfall wollte ich mich jept überzeugen mt groß die Entfernung war in der ich gefchoflen, m die ich auf etwa hundert Schritt tarirt hatte, wa

309 h fand nun zu meinem unbegrenzten Erſtaunen daß 3 zweihundert und einige fechzig Schritt waren. so Har zeigte hier oben bie bünne reine Luft bie ıtfernten Gegenftände, daß fie dem Schauenden faft or die Augen gerüdt werben.

Bon da an beobachtete ich die Gegenftähde mehr, ahm mir beſonders auffallende Pläge vor ung, ankle Stellen im Echnee oder die oberften Spigen ned Bufches die unter der tiefern Dede vorfchauten, 8 Auge und tarirte ihre Entfernung, fand aber deemal daß ich mich manchmal um das Dreifache rte.

Jetzt erſt begriff ich auch wie ungeheuer dieſe chneemaſſen ſeyn müßten die von ben, wie une dien, nächften Hängen heruntergefchurrt waren, wäh. end fie nach dieſer Berechnung eine Strede von Helen Meilen einnehmen und taufende von Adern tanded bebedten.

Die Sonne vergoldete fchon die höchiten Gipfel we öftlich gelegenen Berge, und noch immer fahen Bir die Caſucha nicht, die für diefe Nacht uns Quar⸗ ker geben follten, das gewaltige Felſenthal aber, in em wir bi6 dahin fortgefchritten waren, zog fich ler zu bichtgebrängten Maffen zufammen, und hinter nem ber niederen Kuppen bie hier, wie riefige laulwurföhligel aufgerworfen waren, mußte fie jedens

*

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falls Tiegen. War das aber nicht der Fall, fo | wir und nur ruhig darauf gefaßt machen bie einfach auf dem Schnee zu campiren, benn iu fein war der Weg jedenfalls zu gefährlich.

Endlich fchimmerte fie und vom Hang eh nen Anhöhe, die beutlicher Hinter einem g Berge vortrat, entgegen und Wetter noch was wir für Schritte machten, den Platz raf erreichen, denn drinnen brannte ein Feut Menfhen waren noch in dem kleinen fle Raume und wir befamen wieder einmal andere G zu fehen, hörten andere Stimmen als die un

Erft mit völliger Dunkelheit erreichten w ben Plag, der und, da wir ihn zuerft erblid faum noch etwa dreihundert Schritt entfernt ge hatte, und fanden jebt ben Correo von Ct drei Peons, der fih auf feiner Tour gen 9 befand. Fragen wurden natürlich gleich ge nach dem paflixten Weg gewechſelt, und wir zu unferer $reube, daß der Echnee auf ber Seite wohl fehr tief, aber auch ziemlich hart fi fogar bei der vierten Caſucha, an der Schne ein Maulthiertrupp liege, den wir fehr wahrk benugen fönnten. Das waren gute Reuigfeite bei einem fnifternden Feuer und einer tüchtige Thee verbrachte ich ben Abend ziemlich angen

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Der Eorreo gratulirte und übrigens zu dem fchö- en Wetter und erzählte und jegt wie er felber in iefem nämlichen Winter und in ber legten Caſucha ie wir paflirt hätten, nahe dran gewefen wäre fein eben zu verlieren und bie mitgebrachten Provifionen don bis auf den letzten Biffen aufgezehrt gehabt ätte. Nur die Verzweiflung trieb fie zulekt hinaus n's Freie, und ein Glüd war's daß ſie's ihaten, enn fie benüsten dadurch gerade eine Furze Pauſe m Sturme, ber gleich darauf, als fie die punta del aca paflirt hatten, und dem niederen Land näher saren, mit voller Kraft wieder an zu wüthen fing. dier fleden wir übrigens, wie er fagte, grade in er Mitte drin, und wenn wir jegt eines „auf bie Rüse Friegten” könnten wir und gratuliren.

Bor und hatten wir aber am nächften Tag, am Rittwoch den .18. Juli, ein ziemlich hartes Stüd Arbeit, wir mußten heute die Eordilleren überfteigen, mb ſchon von der Caſucha felbft aus lief es fteil ergan; damit war denn aber auch, aller Ausfagen sah, dad Schwerfte überwunden, und wir gingen eßhalb mit Freudigem Muth und mit Tagesanbrud) m die Arbeit. Und Arbeit war es wirklich, noch yazu ein recht faures, ſchweres Stüd, denn die Höhe vollte Fein Ende nehmen, und immer, wenn wir bon den Gipfel erreicht zu haben glaubten, lagen

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noch andere, weit höhere Schichten über und. Dabei fing der Schnee an biefer ftellm Hügelwand an u thauen unb gab unter dem Fuße nach, und famen wir ja einmal auf eine gänzlid) von Schnee freie Etelle, die Eonne, Regen oder Sturm gereinigt hatte, dann fonnten wir gar faum fortlommen, benn ber brödliche naſſe Steinboden wich unter den Füßen un? war noch viel fchlüpfriger als der Schnee felber.

Eine Stelle befonders, viele viele hundert Schritt hoch fand ich durch Wetter und Luft wunberlich zugerichtt ber Schnee lag hier zu fehr gefchägt vor dem Wind, ganz zerftört zu feyn, aber bie Wir terung hatte doch Einfluß genug darauf ausgeübt bie oberfte Dede befielben förmlich in Stufen zu brechen, bie jich, alle etwa zwei Fuß hoch, wie eine ungeheu Treppe an dem fchroffen Hang hinaufjogen und N, wo fie hart genug waren den Körper.zu tragen, If Bortfchreiten fehr erleichterten, da aber wo fie nach gaben ben Kletternden auch manchmal zur Verprei lung brachten.

Der einzige Troft ftand mir fortmährend rer Augen „das hier ift Die Iekte Kuppe einmal biri Höhe erreicht, und das Echlimmfte ift überſtanden und da uns jeder Echritt auch foviel höher bradt, konnte der Mari ja nicht mehr ewig daren Endlich lag der höchite Gipfel nur noch wenige Llaſer

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iber mir, dad Bewußtfeyn gab mir faft neue Kräfte, nd alle Mübigfeit von mir fchüttelnd fland ich mit venigen Sprüngen im nächiten Augenblid auf dem Bipfel der Eordilleren, auf der Scheidegrenge zweier Meere, dem NRädenmarf eined ganzen ungeheuren Belttheils.

Ein herrliches Gefühl war es, ald der Blick zum rften Mal frei nad Weiten hinüberfchweifen Eonnte mb weit hinaus, ba brüben wo fein anderer Berg nehr die Ausficht Dämmen durfte, den dunflen nebligen dorizont, das ſtille Meer, mehr empfand als erkannte, as wie ein anderer gewaltiger Gebirgägürtel in feinem iefenhaften Umfang dem Auge gerade gegenüberlag, pährend, fo dicht zu unferer Linken, daß ed mir faft bien, als ob eine Büchfenfugel die ftarren Waͤnde ätte erreichen müflen, ber Tupungato bie höchite tuppe biefer füblichen Eordilleren noch fünf bis ſechs⸗ aufend Buß über uns fteil und fchroff, die fühn ges iſſenen Wände dicht in Echnee gehüllt, emporftieg.

Diefer Pag fol 13,000 Fuß ber Tupungato ber 18,000 Fuß über der Meeresflüche liegen.

Ich fchlug die wollene Dede, die ich umgegürtet mg, feiter um mich her, denn ber Wind wehte hier den gar fcharf von ber Eee Her, warf mich auf inen der breitmächtigen Eteine, die durch bie über fie ingegangenen Stürme von Iahrtaufenden weich und

bradlich geworlen waren, uni Ismge kınge vuhte mein Did nicht auf den Gebirgen Ehile's, nicht auf tem herrlichen Panorama der um mich ber umd tief unter mir auffteigenben Gebirgötuppen, Die wie bie farren Bogen eines Riefentees in Ben blauen Aether hineinftarrten nein, auf ber weiten Liebe, bie über ben aflichen Bergen tem atlantiichen Ocean zuge fredt lag, denn dert, weit zurick ließ ich die Hei math, ließ ich das Meer das Nie umfloß, unb wie, wann ſollt ich das Alles wieder ſehen?

Es war ein ſchoner, aber auch wehmuͤthiger Au genblid, den ich da oben auf dem @ipiel ber Gor bilferen verträumte, doch Me Zeit verfirich, und raſch bergab feuchten ſchon bie beiden Peons, die fich den Blirem um die Landſchaft kümmerten.

Als ich mich wieder emporrichtete fand, wie p dem Ort gehörig, ein ftattlidher Condor faſt in Stein wurfsnähe über mir und ſchlug mit den gewaltigen Flügeln die Luft, ald er aber fah daß der Konya ben er da unten erkannt, noch Leben und Bewegung habe, ftrich er langfam ber feheidenden Eonne nad. Ich hätte es für Mord gehalten auf ihn zu fchießen

Die feheidende Sonne mahnte mich aber auch, daj ih auf ein Nachtlager denfen müfle, und das ia noch dort unten in bläulicher Finſterniß, tief per ſchen den zadigen Echneegipfeln, die aus ber

315 abfchießenden Thalfchlucht finfter zu mir heraufdrohten bie beiden Burfchen waren. mit ihren Päden auch) ſchon lang dahinter verſchwunden, und allein fand ich noch immer lange, lange, und mußte mich zulegt gewaltfam losreißen von biefer Stelle, an ber ich einen Tag hätte verleben mögen.

Gerade mit biefer Stelle ift aber auch felten zu fpaßen, und ich hörte fpäter, daß ich den Uebergang gar audgezeichnet getroffen hätte, Gewöhnlich weht hier oben ein fliegender Sturm, und im Sommer befonderd danken die Reifenden manchmal Gott, wenn fie die wenigen Schritte die über diefe Außerfte Kuppe führen, hinter fi) haben. Oben liegt auch in ber That nicht die Probe von Schnee und Boreas hält feinen Tanzplag gar rein und faubergefehrt; nur wenige Buß hinunter aber, und ber Echnee beginnt wieder, und jetzt zwar, in ben engen Schluchten in folher Tiefe daß die nächfte Caſucha die wir erreichten, bis an die Schwelle eingeichneit war.

Wer übrigens weiß was ed fagen will ermübet einen fteilen Berg hinabzufteigen, ber Tann ſich un- gefähr denken, wie mir zu Muthe feyn mochte, als ich die Cordilleren kaum mit Mühe und Noth er- fommen, wieder hinunter mußte. Meinen Körper hatte ich dabei wohl auch in der legten Zeit etwas zu fehr angeftrengt, denn wir waren kaum eine Stunde,

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aber fortwährend fo fteil daß Gefahr im Ausgleiten fhien, hinabgeftiegen, als mir bie Glieder förmlich ben Dienft verfagten, und ich mid mehrmals auf den Echnee nieberwerfen mußte, um nur in etwas wieder Kräfte zu fammeln. Mir wurde dabei ſchwind lih und übel, und ich fürchtete wirklich ſchon krank zu werden. Das Wortchen muß ift aber ein vor treffliches Heilmittel; die Peons kehrten ſich ben Henker um mich, ob ich im Schnee da liegen blieb oder nachkam, und wollt’ ich dort nicht allein über nadhten und die nothiwendige Folge jedenſalls erfrieren, fo mußte ich mich fchon zufammenraffen und meine lebten Kräfte brauchen. Es ging aud endlich, und mein einziger Troft dabei war die Aus ficht die nächfte, nur eine Legua entfernte Caſucha bald zu erreichen, und dann bei einem Becher recht heißen Thees den erfchöpften Körper in etwas zu jtärfen.

Mit Dunfelwerden erreichten wir die Caſucha, aber großer Gott was für ein Aufenthalt. Ale ob Vieh und Menfchen darin gelagert hätten, fo ſah ber Platz aus, und fo roch er, und Dicht, gang Dicht vor der Thür lag noch, um dem Ganzen die Krone auf zufegen, ein gefallenes und halb ſchon von den Geier verzehrted, Halb angegangened® Maulthier. Und iM follten wir übernadhten? War das ein Aufenthalt für Menfhen? Es blieb aber feine andere Wahl,

317 bie nächfte, ebenfalls eine Legua entfernte Caſucha hatte fein Waſſer (und Schneewafler hat einen fchauer- lichen Geſchmack Thee daraus zu kochen) und zwei Leguas, noch dazu bei Nacht, und bie fleilen Berge binunter, wären wir gar nicht mehr im Stande ge weien zu erzwingen; ed ging nicht anders, wir muß ten bableiben.

Mit Efel machte ich mir mein Lager in ber ent⸗ fernteften Ede, und rief den Peons dann zu ein Teuer anzuzünden und den Kocher mit Wafler hin- anzuftelen lieber Gott, Feuer die Schufte hatten die Kohlen, um fie nicht bergan tragen zu müflen, bis auf die legte in der vorigen Nacht ver- brannt, und wir lagen jet hier mitten im Schnee, ohne einen Bunfen Feuer zu haben. Nichts als bie falten nadten Wände und das zerfrefiene Maulthier dicht. vor der Thür.

Das war ein harter Schlag, ließ fich aber jebt unter Feiner Bedingung Anden eine harte Brob- tinde kaute ich deßhalb, würgte ein Feines Stüd des getrodneten Fleiſches hinunter, tranf einen Schluck Magenbitter, ben ich der Vorſorge des italienischen Apothefers in Mendoza verdankte und glüdlicherweife noch bei mir führte, und warf mich dann, zum Tode exihöpft, in meine Deden gewidelt, zum Schlafen, Wenigftend zum Ausruhen nieder.

DER

Gm SDutkeflüte.. Tem Jeeuer, tur kurs (eibh faul 0 weumier Sur Luger mıdke un eiterlich, um? De erelitst mitte m 2er am Wehan bie anırer. Atem Ur en, Mr Sana arlinese, mich me De S.fnühecumger smmarr. ed zumigfend ieh gu nuiiter Itei ieruieı mu halım, mährend dae ei; med Eıcer mm uk cimen glucdlichen Eh Ihrer o$. era Dad auge Trefbringeak

& ar nz menge Ermadien mid, fror ul abe Eliete: tere mi ne dazu bie Us artung »= cheerless bomes 8 icdhauberte mid nur bie kurt eizmichen, tie falı und fröftelnd genn; Fur ten engen Eingang tremie endlich uͤberwau it mid, Hand auf, zündete mir großer Mühe, dem meine Ectweielbölser hatte ih jaft ſaͤmmtlich verleren, ein glüdlicherweiie mitgebrachies Talglicht an und fi dann auch die Peons, um Heute mit Tagedguumts aufzubrechen und recht bald die Maulthiere zu er chen, und meiner Umgebung und Begleitung enıheba su ſeyn.

Die Burfchen mochten ehrlich ſeyn oder ward fle auch nur vielleicht feige, weil ich ihnen fm günftige Gelegenheit geboten, aber der Ehmup, #

319 m fie ſich augenfcheinlich wohl fühlten, fing an, tr wiberlich zu werben, und ich fehnte mich um fo ehr den fonnigen Thälern Chiles zu.

Noch vor Eonnenaufgang, ja fogar noch bei iger Dunkelheit marfchirten wir aus; denn heute abe trieb es mich vorwärts mit einem Eifer, ben y mir felber nicht recht erklären fonntee Das Wis rliche des legten Nachtlagerd mochte wohl viel dazu getragen haben, ich fühlte aber daß ich feine Ruhe ıben würde, bis ich in Valparaiſo wäre, und dort enigitend Gewißheit über mein Schiff befüme. Wir nnten übrigens Gott banfen, daß wir geitern Abend ht mehr weiter marfchirt waren, ‚denn der Weg a wir heute zu gehen hatten, zeigte ſich am hellen age gefährlih, wie vielmehr alfo in Nacht und vunkelheit und mit erfchöpften Kräften.

Die Berge bildeten bier lauter abfchüffige Hänge, nd die obere Krufte war durch den fcharfen Süd⸗ eftwind, ber fie hier vollfommen gut beftreichen wnte, geftoren, und fpiegelglatt; dabei mußten wir made an biefen Abhängen hinklettern, und fo fteil ab hart war der Echnee, daß eine Stelle beſon⸗ ers, ald wir fie erreichten, faft unpaflirbar ſchien.

Es war der weite Hang eines förmlichen Gebir⸗ 6, denn wirklich Bergehech“ thürmte es -fich noch u unferer Linken empor, während es fich zur vechten

&

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in einem Winkel von etwa 60 Brab fomweit nieder fenfte, daß das Thal da unten, ober bie Schluch vielmehr, bläulich dunfel zu uns herauf fchimmerte. Der Schnee lag wer weiß wie tief, war aber oben mit einer hart gefrorenen Krufte, fo glatt wie Eis, überdedt und fein Buſch, feine Erhöhung, fein Biegung gewährte auch nur ben mindeiten Th, daß man fi, im Halle eined Ausgleitene, daran halten könne. Bortwährend wehte babei von be höher liegenden Kuppen ber feine Echneeflaub ber über und wirbelte über die Fläche hin, jede Unregeb mäßigfeit ausfüllend und einen Plap fuchend, we a felber den Ruhepunft finten könne.

Ein Umgehen dieſes Plages war nicht möglit und ber eine Peon verjicherte mich, wir fönnten fi nicht anders hinüber, ald wenn wir mit dem Meſe Stufen, Schritt für Schritt, in den Echnee Rüde ber alte Correo, der und geftern begegnet wär, hätte, weiter oben oder unten, jedenfall daſſelbe @ than, bie Epuren feyen aber lange wieber durch a Schneeſtaub ausgefüllt.

Tas war ein böfes Etüd Arbeit, ließ ich ade nicht ändern und Echritt für Echritt mußte ich j% vorangehend, mit meinem ſchweren Iagbmefler ie J bauen in bie glatte Rinde, die obere Krufle u Io hen und einen Eintritt für ben Buß zu gewimk

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und bag hier gleich zum erftenmal auf eine Etrede von über eine Biertel englifche Meile fpäter ber famen wir noch einige foldye Etellen, aber nicht mehr fo lang, “eine aber dagegen noch fteiler. Die nachfol- genden Peons traten langfam und vorfichtig Hinter mir ein und ein Sehltritt, ein Ausgleiten hätte und hundert von Buße hinab in die bläulich ſchimmernde Tiefe gefandt, und dort in dem dünnen hinabgeweh⸗ ten Echneeftaub rettungslos begraben.

Gtüdlicherweife kamen dieſe Stellen nicht häufig vor, aber doch immer oft genug, unferen Weg um ein Bedeutendes aufzuhalten, und waren babei, ich lann wohl fagen ein Flein wenig zu intereffant.

Nah etwa breiftündigem Marfch, bei dem wir einmal auch einen ganz ähnlichen Hang zur Abwechs⸗ lung nieberfteigen mußten, nur mit dem Unterjchieb, dag wir hier zum Gluͤck weicheren Edhnee fanden, ich weiß fonft wahrhaftig nicht wie wir hätten hin- unterfommen wollen, erreichten wir wieder eine Caſucha, die höchſt malerifch in einem tiefen, gegen Stuͤrme ziemlich gefchüsten Keſſel lag.

Ton hier ab war der Weg, oder der Echnee vielmehr, denn Wege gibts im Winter nicht in den

we Gortilieren, beffer, wenigitens fanden wir feine lebens» ws gefährlihen Stellen mehr, und hie und ba famen 8 ſchon Pläpe, an denen man erkennen Tonnte, daß

Serſtader, Reifen. 1. 14 21

322 ber Echnee, in dem tiefer gelegenen Land, I wurde. Und ed daͤuchte mich Zeit, daß r tiefered Land kommen mußten, denn was für. waren wir fchon hinunter gerutfäht.

Die Quellen beren Lauf wir heute, weni in den Schluchten der Gebirge, gefolgt waren, nen fich Hier zu fammeln und fingen fchon an einen etwas größeren Bergftrom, den Puen bilden. Bon hier ab wurde das Thal breit: bie und da kamen ſchon vom Echnee freie vor, und als wir endlich die nächite Caſucha ten fanden wir, ber alte Correo hatte wahı recht gehabt, einen Heinen Trupp Maulthiere deren Führer ich augenblidli um ein Thier Orte zu, wo ich frifche Pferde befommen ſollte, akle

Bon hier ab follte der Weg nämlidy fd Maulthiere, wenn aud an einigen Etellen fchwer, zu pafliren feyn, und die Yeute waren hergefommen zu recognosciten, ob jie durch Schnee hinüber fönnten. Zu dieſem Zwed | fie mehre Tage hier gelagert und einzelne P audgefandt, dieſe waren aber fümmtlid an Dem lihen Morgen mit keineswegs befriedigenden richten zurüdgefehrt, und heute Nachmittag w fie wieder nady Santa Roja zu aufbrechen, güni Jahreszeit abzuwarten.

Dadurch, daß ich jept ritt und auch feine Pros vifionen mehr brauchte, hatte ich den beiden Peons die ganze Laft abgenommen, bie nun leicht und uns beladen ebenfo rafch wie das Maulthier auf ber immer noch nichts weniger ald bequemen Paflage, vorwärts fhreiten konnten. Wir hielten hier jedoch etwa eine halbe Stunde, um wenigftend vorher einen Becher heißen Kaffees zu machen, und brachen dann, fort- während dem Lauf des „Puente“ folgend, dem flachen Lande zu, auf. Der Weg zeigte ſich aber immer noch für Maulthiere fehr befchwerlich und oft kamen E chneeftürze, in ungeheuern Maflen von den Bergen heruntergefchoflen, welche die ganze Ihalfeite an ber wir un® befanden, ausfüllten, und und zwangen zu Fuß, die Maulthiere am Zügel, einen Weg hinüber zu ſuchen. Doch was that das; ber Echneeregion entzogen, drangen wir mit jedem Echritt tiefer in das fonnige Thal ein, und warme Frühlingsluft wehte uns ſchon aus ben Gründen an, und erfüllte mir die Bruft mit einem unbefchreiblichen Gefühl ftiller, aber freudiger Genugthuung.

Sch war jept in Chile, dem Lande nach bem ich mich fo lange gefehnt, deſſen Erreichung mir fo furcht- bar gefährlich gefchildert worden, und das zu erreis hen ich auch wirklich Mühfeligfeiten und Gefahren genug ausgeſtanden hatte, und wie an beiden Seiten

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ber Echnee, in dem tiefer gelegenen Land, bünner wurde. Und ed dauchte mih Zeit, daß wir in tiefered Land kommen mußten, denn was für Hänge waren wir fchon hinunter geruticht.

Die Quellen beren Lauf wir heute, wenigitens in den Echluchten der Gebirge, gefolgt waren, ſchie nen fi bier zu fammeln und fingen ſchon wieder an einen etwas größeren Bergftrom, ben Puente, ı bilden. Bon hier ab wurde das Thal breiter, ja bie und da kamen ſchon vom Echnee freie Stellen vor, und als wir endlich die nächfte Caſucha erreich ten fanden wir, ber alte Gorreo hatte wahrhaftig recht gehabt, einen Kleinen Trupp Maulthiere, mu deren Führer ich augenblidlid um ein Thier bie In Orte zu, wo ich frifche Pferde befommen follte, aklordint

Bon hier ab follte der Weg nämlich ſchon ir |" Maulihiere, wenn auch an einigen Stellen em fchwer, zu pafliren feyn, und die Leute waren bir hergefommen zu recognosciren, ob fie durch is Schnee hinüber fönnten. Zu dieſem Zwed haun fie mehre Tage hier gelagert und einzelne Partın ausgefandt, dieſe waren aber fimmtlid an dem nis lichen Morgen mit keineswegs befriedigenden Rob richten zurüdgefehrt, und heute Nachmittag weis fie wieder nach Eanta Rofa zu aufbrechen, günfigr Jahreszeit abzuwarten.

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323 Dadurch, daß ich jept ritt und auch feine Pros vifionen mehr brauchte, hatte ich den beiden Peons die ganze Laft abgenommen, die nun leicht und uns beladen ebenfo raſch wie das Maulthier auf ber immer noch nichts weniger ald bequemen Paſſage, vorwärts fhreiten fonnten. Wir hielten hier jedoch etwa eine halbe Stunde, um wenigftend vorher einen Becher heißen Kaffees zu machen, und brachen dann, fort: während dem Lauf des „Puente“ folgend, dem flachen Lande zu, auf. Der Weg zeigte fich aber immer noch für Maulthiere fehr befchwerlich und oft famen E chneeftürze, in ungeheuern Maflen von den Bergen heruntergefchoflen, welche die ganze Ihalfeite an ber wir uns befanden, ausfüllten, und und zwangen zu Fuß, bie Maulthiere am Zügel, einen Weg hinüber u ſuchen. Doch was that das; der Echneeregion ntzogen, drangen wir mit jedem Echritt tiefer in 18 fonnige Thal ein, und warme Frühlingeluft wehte is ſchon aus den Gründen an, und erfüllte mir Bruſt mit einem unbefchreiblichen Gefühl ftiller,

z freudiger Genugthuung. Sch war jept in Chile, dem Lande nad) dem ich ) fo lange gefehnt, beflen Erreichung mir fo furcht- gefährlich gefchilbert worden, und das zu erreis ih auch wirklich Mühjfeligkeiten und Gefahren Jausgeſtanden hatte7 und wie an beiden Seiten

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die Berge fo fchroff und fühn emporftiegen, mit ihren ‚zadigen, noch immer ſchneegedeckten Kuppen nad den Wolfen binaufftarrten, und ber Bergbach, den ih als Kind gefannt, toll und lebendig dazwiſchen binfprubelte, da fam es mir faft vor, ale fey ic bier gar nicht mehr fremb, als fey das meine Heimath die ich betreten, und ich fenne Die grünen Kuppen, bie weit ba vorne lagen, und bie Quell, bie neben mir aus dem Felſen fprang, und die Thaͤ⸗ ler, denen das Wafler entgegenftrömte, ſchon teit langen, langen Jahren, und hätte fie lieb gewonnen alle mit einander, Berg, Thal, Duelle und fchneeigen Abgang.

Es war nur eine Täufchung, wenn auch ein freundliche, und der enge Maulthierpfad nahm bald meine ganze Aufmerfjamfeit in Anſpruch, daß mir nicht noch aus Unachtfamfeit zu guter Legt ein Un glüd zuftiege. Tas wärmere Klima ber chilenitden Republik fündete ich jegt aber fchon in aufwuchen den Sträuchen und Bäumen an; hie und da zeigten fih fleine Didichte, zwifchen und unter denen dk Thiere hinfchritten, und Gras ein lange nidt gejehener Gegenjtand, fproßte am murmelnden Stron Sonſt blieb ſich die Gegend gleich, ein noch ziemlid winterliched Bergthal, die tiefe, gähnende Schluck in die riefigen Gebirgemaſſen fcharf bineinjchneident,

> y

325 und baneben hin, manchmal das Waffer hoch über» tagend, baß ed unten, tief unten ſchaͤumte und dumpf beraufbrauste, manchmal dicht an feinem Ufer hin, daß bie fprigende Welle die Hufe der Maulthiere berührte, lief ber Pfab.

Gegen Abend rafteten wir ein wenig an einem freundlichen, von Bäumen überhangenen Plägchen. Hier befanden wir und fchon wieder in einer, von Menfchen bewohnten, belebten Gegend und wie ein Paradies fam mir das, nur fpärlich von fleinen Bäumen überragte, von thürmenden Schneegebirgen umgebene Haus vor, beffen Herr dem fargen Boden bier vielleicht eine nur mühfame Eriftenz abgewann.

Dem Heinen Gebäude gegenüber, auf ber andern Seite des Bergſtroms, der rafch und fchäumend vor- überfprang und nur dicht unter dem Haus eine Furth gewährte, lagerten wir, und hier follte ich auch zum eritenmal eine Acht chilenifhe Mahlzeit foften.

Bon meinen Peons war ber ältefte, der Be quemlichfeit halber, zurüdgeblieben, und der jüngere, der mich begleiten mußte um den Brief abzuliefern, nach dem ich wieder Pferde empfing und mein Gelb zu zahlen hatte, führte noch etwas von dem Charque oder getrodneten Hleifch mit ji), von dem er und wieder eine- feiner vortrefflichen Kraftfuppen in das

326 alte noch nicht ein einzigedmal ausgefpühlte Kuh horn einbrodte. Der Burfche hatte noch feinen Tro⸗ pfen Wafler an fich gebracht, fo lange ich ihn Tannte, und ich glaube wahrhaftig feine Mutter konnte da% felbe von ihm fagen, fo fah er wenigftens aus. Ich danfte ihm aber jebt herzlich für feine Mahlzeit und hielt mich an das, allerdings nicht fo lururiöfe, aber reinlichere Gericht der Chilener, das einfach in rohem Mehl und Waſſer beftand.

Das Mehl, grobes, aber fehr füßes und ange nehm fchmedendes Weizenmehl, thaten fie in einen, ebenfalls aus eınem Horn, aber fauber hergerighteten Becher, und goßen dann Wafler hinzu, bie es m einem vollfommen dünnen Brei wurde. Tiefe Ce richt fehien ihnen allen trefflich zu fchmeden, und id muß geitehen, daß ich felber im Anfang es ein we nig mißtrauifch betrachtete, es fchien mir um eine Kleinigfeit zu primitiv und unfchuldig; war aber ber Hunger, oder mein in den Pampas total verdorbe ner Gefchmad daran fchuld, es fchmedte mir wirllich, und ih fand bald zu meinem eigenen Erſtaunen, daß ich zivei foldhe große Becher voll fogar mit Ber gnügen audgetrunfen oder vielmehr gegeflen hatt. Eine gute Zwiebel, die in Ehile vortrefflich wacien mit etwas fpanifchem Pfeffer vollendete die Malt zeit, und ich legte mich, volllommen gefättigt, a

327 in freundliches Bläschen in's Gras unter einen zaum, einen Luxus, nach bem ich mich die lebte Boche nicht wenig gefehnt hatte.

Der Chilene ift weit civilifirter als der Argen- ner, und fhon die Nahrung zeigt dad deutlich icht auf rein animalifche Koft mehr angewieſen, die en Menſchen ſtets roh erhält, gewinnt er feine eige- en Bebürfniffe dem Boden ab, und der Adermann at ftetd den Vorzug vor dem Viehzüchter.

Wir rafteten bier wohl drei Stunden, denn bie hiere batten noch einen langen Marfch vor fich, nd die Zeit über, da oben im Echnee, nur wenig ı frefien befommen; mir felber aber war alles neu as mich umgab, und leicht und gern verträumte b hier die wenigen Etunben.

Noch befanden wir uns inmitten ber wildeften jerge, denn wenn wir auch, gerade ba wo wir eben ıgerten, bie Echneelinie verlaflen und den feimen- en grünenden Boden wieder erreicht hatten, fo hingen och noch dicht über und, an den abichüfligen wilden Yangen mächtige und aufgethürmte Echneemaflen, mb ſelbſt bis hierher hatten fie oft ihre Stuͤrze geſandt, me fie und noch manchmal, wenn auch nur auf une Streden, den Weg verbämmten. Die Scenerie gewann aber etwas befonders eigenthümliches durch bie gewaltigen Eactus, die hier überall in den Bergen,

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wo ſich nur die dünnfte Fruchterbe gefammelt hatte, wucherten, und von denen ih, gerade ba wo id lag, einige überfehen fonnte, die wenigſtens achtıebn Fuß Höhe und einen ziemlich beträchtlichen Umfang haben mußten.

Höchſt interefiant war e8 mir dabei, eine Fleine Art wilder Enten oder Taucher, die hier in den Bergwaflern der Eorbilleren ihre Heimath haben, m beobachten; Heine Dinger, Die in den bunteften Far⸗ ben ihres Gefieders prangten und mehrere verkkie bene Arten zu zählen fchienen, obgleich fie alle augen fcheinlich zu einem und demfelben Geſchlecht gehörten.

Allerliebft fah es aus, wie fie auf dem wilden ftürmifchen Bergwaflern, oft über Fälle von vier bit fünf Fuß, fe und behaglih dahin ſchwammen die Strömung war oft fo ftarf, baß fie iaft im Schaum und Sprubeln derfelben verſchwanden, abe der meift hochrothe oder grün und blau gefärbte Kepl de8 muntern Thiers blieb immer oben fichtkar une mitten in der Gewalt des Waſſers, dem fie allerdings nicht wiberftehen konnten, ſondern von dem fie ſich muf ten mit fortführen laſſen, fteuerten fie bald hier bald Ds einem über bie fochende und gährende Fluth ver fchauenden Felfen zu, auf den fie, im Borbeifkieies hinaufzuflimmen wußten.

Hier faßen fie nun manchmal Biertelftunden om

bauten ernfihaft und aufmerffam in bie vor: lende Fluth, bis fie etwas entdedten, bas der Mühe werth fchien nachzugehen wie itz waren fie dann verfchwunden, um bald wieder, zwanzig oder dreißig Fuß weiter aus dem weißen Schaum emporzutauchen, munter ihre rafche wilde Bahn zu verfolgen, her. | ſt mit Sonnenuntergang brachen wir wieder auf, wir jest einen Weg, ber mit Pferden ficher ı hellen Tage lebendgefährlich geweſen wäre, finjterer Nacht denn nicht einmal der Mond zurüdlegten. Im Anfang fam mir ber uch felber fat unheimli vor; in völliger heit: einen fo fchmalen Pfad Hinzufchreiten, ı ihn, wenn ich mich vorn über den Sattel it der angeftrengteften Sehfraft nicht erfennen und dann nur das filberne Bligen bes tief, ten ſchaͤumenden Stromes gerade fo zu jehen, das Maulthier in freier Luft darüber ſchwebe, db bas dumpfe Murmeln und Raufchen gar lich zu und herauftönte, ift gerade nichts ans e8 noch Dazu, ba ich gar nicht mehr darauf et hatte, folche Hänge paffiren zu müflen en diefen bösartigen Pfad aber fo lange berg⸗ b ab, und ich war durch bie in ben legten

330 Tagen gehabten-Anftrengungen fo gleichgültig g ben und abgeftumpft gegen alle dergleichen Eint die fonft mein ganzes Nervenſyſtem in ber leb ten Spannung erhalten haben würden, daß legt förmlich im Eattel einfchlief und im Halbı nur noch den Abgrund neben mir an ber einer die fchroffen Felswände an der anderen Edi blidte; bie erfchöpfte ſchwache Menfchennatn langte nach Ruhe, und als wir endlich, um el etwa einen Pla erreichten, wo die Maulthiere. zu frefien befommen fonnten, glitt id) nur aud Sattel, breitete meine Deden an ber Etelle nu ſtand, aus, und träumte im nächften Augenblid „von daheim und Glüd und Frieden.”

Am nädjiten Morgen brachen wir miete Tag auf es war bie Nacht recht Falt ge und es hatte mich gefroren; wir nahmen auch einmal etwas zu und aus dem Cattel au Erde geworfen und von der Erde auf wieder ü Sattel ein traurige Xeben doc jühr mich meinem Ziele entgegen, und ich mußte ; den feyn.

Der Wind z0g recht fältend die Echluct £ und ich widelte mich feit, feit in meinen Re ber Traum, den ich die Nacht gehabt mar gar zu lieb und freundlidy gewfen, ich mocht

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noch nicht aufgeben und fuchte ihn fortzudenfen, und wie die grauen daͤmmernden Morgennebel von ben Halden herunter ind Thal glitten, und die Gegen⸗ fände um und her nur erft langfam und ſchwach Form und Geftalt annahmen, während im Oſten die Sterne erbleichten und den friichen Morgenhaud) über die Bergfuppen fandten, ba faß ich wieder mit balbgeichlofienen Augenlievern auf meigem Thier und fuchte die Außenwelt fo viel ald möglich zu vergefien.

Hunde ſchlugen an und Kinderftimmen drangen an mein Ohr ich hob den Kopf und fchaute über rafcht, erftaunt empor wacht” ich denn, ober träumte ich noch fort? kam ich denn wirklich erft eben aus eifigem Froſt heraus, oder hatte mich ein nnedendes Bild geäfft? geftern Morgen noch bie am Gürtel im Schnee, bald an eifigen Hängen hin⸗ Letternd, wo weder Baum noch Strauch die mono- tone Dede von Schnee und ſtarren Yeldmaflen unter Brad), und jegt —?

Bor mir eine friedliche reinliche Hütte, feft in grüne laubige Büfche hineingefchmiegt, Dicht Daneben dad dunkle Laub ber Orangen und die Aepfel ber Hefperiden in voller herbftlicher Pracht daraus her- vorglühenn Monatsroſen in Knofpen und aufges brochene Blumen Pfirfichbäume bis zur Spitze mit den weichen füßen Blüthen bededt, und um mid)

332 ber überall blühende Sträuche und das faftige Grin der Wiefen und Hänge ein Zuuberfchlag hate ben flarren Winter zerftört, und Eommer war's ge worden fo rafch, wie fich die Nacht in Licht verwan beit, mir aber 309 es wie Fruͤhlingsluſt in Die Seck, und mit dem erwärmenden Strahl der über die Berge emporfteigenden Eonne fehüttelte ich Schwäche m Erſchöpfung von mir, und fühlte midy wie nase boren. Der Schnee ber Gebirge Tag Hinter ums, und durch das fonnige Thal hin, wo bald grünen MWeizenfelder und eingezäunte Weiden die gejchäftige Hand des Menfchen verriethen, trabten wir rakbır als es Die Thiere bis jebt gethan, Der Ebene m, die ſich vor und in grüner herrlicher Pracht entialielt und außbreitete.

Ein weite Thal öffnete fih, in dem jede Hunb breit fruchtbaren Bodens benugt jchien, und zublreidk Muaulthierzüge die und begegneten, fündeten ba lebendigen Berfehr diefer Gegend. Ueberall Drange und blühende Pfirſiche und Acpfelbäume, die Haͤuiet wohnlid und nett in Deren Schatten, bie Kira und Felder mit ficheren Mauern oder Heden uw geben, und von den Bergen nieder trefflide Wañer leitungen angelegt, den trodner gelegenen Yänteri die gehörige und nöthige Feuchtigkeit zuzuführen.

Zu Mittag erreichten wir endlich ein Aland

333 Städtchen, Santa Rofa, und in biefem audy das daus, in dem ich, wie mit dem in Mendoza ges wmmenen Führer afforbirt worden, friiche Pferde 8 Balparaifo befommen follte.

Driginell war die Meberlieferung bes, oben in en Cordilleren mit Brodteig zugeflebten Briefe, den u entziffern die eine Hälfte ber Bamilie "verwandt ade, während die andere dabei fland und mid) uf das aufmerffamfte von Kopf zu Füßen mufterte.

Mit Hülfe der mündlichen Erflärung meines zeons befamen fie endlich heraus was fie eigentlich fi der ganzen Geſchichte zu thun hätten, und ber ohn vom Haus der Bruder meines früheren quiano erflärte ſich auch bereit mich „am naͤchſten dorgen“ nad) Balparaifo zu begleiten. Damit war h aber wieder nicht einverftanden gleich mußten ir fort, denn mir ließ es Feine Ruh und Raft ehr, bis ich wußte was aus meinem Edhiffe ges orden, und ich erflärte dem guten Mann ganz einfach ich, wenn er mir bem Eontraft nach fein Pferd ugenblidlich zur Verfügung ftelle, ich mir im te felber ein anderes miethen und nad Bals araifo allein reiten würbe, nachher fonnte er fehen »o er feine fünf Unzen befam.

Der Grund war vollwichtig; hätte er das Geld Yon gehabt, fo würde es ihm ficher Vergnügen

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gemacht haben mich los zu werden, fo aber hatte ich es noch und die Sache änderte ſich er made ohne weitere Umftände Anftalten ein Pferd für mic zu befommen, unterbeflen wurde das WMittagefien hergerichtet weiche Eier und eingekochte getrodnet Pfirſiche, an denen ich mich nicht wenig delektirte und etwa’ zwei Uhr Nachmittags brachen wir wieter auf, mit dem Verfprechen meines Führers, am näk: ſten Abend bei guter Zeit in Balparaiio zu jem. Rod an dem nämlichen Abend paflirten wir tx Heine freundliche Stadt Can Felipe, mit ihren breit regelmäßigen Etraßen und mauerumgezogenen Gärten, mit ihren dichten fruchtbeladenen Orangenhainen wm blumigen Heden; ja vor der Thür des Regienng gebäudes jtanden fogar, etwas Das ich in Chile net nicht gejehen und unter dieſer Breite auch gar dt erwartet hatte, zwei ftattliche Palmen bie Der gan Gegend einen jonnigen tropiichen Charakter gaben Auch das Bolf hatte wieder fein Eigentbümlidet und gar VBerfchiedenes von der NRachbarreruklil dem argentinijchen Reiche den Poncho tragen # ebenfall8 aber er ift fürzer, leichter und wi von jo blutigen Farben als der argentiniiche N Leute galoppiren auch meiſtens mit ihren Piece wie ed bie Argentiner thun, aber es iſt fein Im halebrecdender Earriere wie da drüben, ka Mi

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inen Bfifferling drum fchiert ob das Pferd in dems ben Augenblid todt zufammenbridht, fo es ben leiter nur erft zu dem beftimmten Ort geliefert hat. He chilenifchen Barmer traben auch fogar fehr Aufig, was ich an der anderen Seite der Gorbilleren ur in Buenos Ayres felber gefehen hatte, wo nicht

ıloppirt werden burfte.

Ebenfo unterjheidet ſich das Neitzeug auf das efentlichfte von einander, und wenn auch der Zaum iber große Aehnlichkeit hat, nur daß ber argens niſche fchärfer ift, fo fann man an Sattel unb steigbügel einen argentinifchen Reiter von einem ülenifchen fo weit unterfcheiden, wie man nur über- aupt Roß und Mann zu erfennen vermag.

Der Sattel ded Argentinerd ift gewöhnlich mit pei, manchmal audy nur mit einem Schaffell , bei ornehmeren mit einer reicheren Echabrafe bebedt, bließt aber dicht and Pferd an. Beſonders origis ell find aber daran die Steigbügel. Der Argentiner er überhaupt Schuhwerk trägt, bat auch zugleich Steigbügel nach unferer Art am Sattel, wenn aud) edeutend fleiner, in die er nur eben die Epige ſei⸗ er Stiefel bineinbringen kann. ‘Der ärmere ober vildere Argentiner mit feinen ‘Pferdehautftiefeln (bo- as) aus denen ber große Zch und fein Nachbar vor: chauen, benugt biefe Steigbügel ebenfalls hie und

———

ba; weiter in ben Pampas hinein verſchmaht er je bech dieſen Lurueartifel und es gibt dann Maſſen ron Reitern bie gar feine Steigbügel führen, ie das aber tech geichieht ta bemugen fie eine andere Art, die aber auch em wur in ben Pampas au wentbur wäre. Dieſe beftehen nämlidy in einem einfachen ftarfen Riemen aus ungegerbter Haut, une in dieien an ber Etelle wo ber Steigbügel eigentlid feon jellte, ein Heined Stückchen Holz ober einen furgen Knochen bineingefnüpft. Zwiſchen bie beiten, aus dem Bota verichauenten Zehen fafien fie Dunn da Etreifen ungegerbter Haut, unter denen das Helj oder der Knochen feftipt, und ber Eteigbügel ik fertig.

Himmelweit von dieſen verfchieden find bie dile: nifchen Eteigbügel, und zwar anicheinend jo unbe hülflih, wie die argentinifchen bünne und mangels haft find. Die Chilener fchnigen fie förmlich aus einem Block Holz, groß und weit fünf bie ſech Zoll breit, etwa vier Zoll hoch und bis drei Jel did und laflen eine Wand an der äußeren Seite gegen welche die Yußfpige antritt, daß ber Fuj nicht hindurchfchlüpfen Fann, und haben das Gange noch gewöhnlich verziert und” gepreßt.

Die Eporen der Chilener gleichen ben argew tinifchen, doch find fie ebenfall® nicht ganz fo ſchrer

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und bösartig als jene, und die Stacdheln daran Dicht zufammenftehend und fonnenartig.

Wunderliche Caravanen begegneten mir biefer Art, die Pferde und Maulthiere mit ihren Wein und Mehl gefüllten, aus roher Thierhaut verfertigten Säden beladen, bie ihre Produfte dem nächften Städt: hen zuführten.

Den Abend übernachteten wir in einer Fleinen Hütte dit am Wege. Welch ein Unterfchied zwi⸗ ſchen den Leuten an der anderen Seite der Gebirge bie Hütte war allem Anfchein nach ärmlich, aber nichtöbeftoweniger fauber und gut erhalten, und bie Bewohner freundlich, ja herzlich.

Am nächſten Morgen ritten wir vor Tagesan⸗ bruch aus eine mir felber unbegreifliche Ungebuld hatte mich erfaßt ich mußte nach Balparaifo. Gott weiß, wie vielmal wir in ber Dunfelheit ben Bergſtrom kreuzten, der das Thal nach nur zu vielen Richtungen durchzieht und vieled Land, das fonft treff- (ich zu Weiden oder Feldern benutzt werden koͤnnte, mit Steinen füllt. Toll und wild lagen hier fürm- liche Kiefelblöde burcheinandergemwürfelt, und gaben Zeugniß, welcher Gewalt diefe Bergftröme fähig wer- den, wenn ber Sommer erft einmal jene ungeheuren Schneemafien fchmilzt und ein fürmliches Meer von

Bergwäflern in das Thal Hinunterjchleubert. Gerfäder, Reifen. 1. 15 22

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Die jebigen Biegungen bed Stromes, bie im Sommer aber alle überfluthet find, waren mit Mai fen von herrlichen Blüthenbüfchen bebedit und we nın ein höher gelegener Strich ben geringften Anbau ge ftattete, ftanden auch gewiß Kleine Wohnungen, unt irgend ein fleißiges Menfchenfind hatte ber gierigen Fluth einen kleinen Fleck zum Bau feiner Nahrung und Bedürfniffe abgewonnen.

Wieder erreichten wir eine Hügelreihe, an welde eine Waflerleitung hingeht, deren Bahn wir fpäte bi8 nach Balparaifo folgten, und gleich barauf be traten wir ein anderes Thal, das uns zugleich wie ber ein gar nicht unbedeutendes Etädtchen in Sich brachte. Ringe umher waren die Felder auf Int forgfältigite beitellt, die Etraßen vortrefflich erhalten. und der Heine Ort felber, Guillota, fchien beieht und gefchäftig.

Wir hielten vor einer PBulperia, uns felber um bie Thiere ein wenig zu erfrifchen, und ich beleftixk mich an köſtlichen Dliven, wohlfchmedendem Brel und herrlihen Trauben und Orangen. Auch eim Art Moft jchenften fie aus, er hatte aber ſchon em truͤbes fataled Anfehen und fehmedte noch viel jau leer überhaupt kann ſich der chileniiche Wein ms dem Mendoziner nicht meflen, und e& wird auch re von dort herübergeichafft.

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Als ich fortging, wollte ich mir für, einen halben teal (etwa 2 gute.Grofchen) Orangen und Trauben uitnehmen, konnte fie aber nicht alle transportiren nd mußte bie Hälfte zurüdlaffen, fo viel befam ich.

Nach etwa einer Stunde Raſt, in der die Pferde terig ein paar Bündel frifch geſchnittenes Gras ein- efrefien hatten, brachen wir auf und fuchten bie ihiere wieder in Galopp zu bringen, aber fie fingen n nachzugeben, bejonderd das meinige, und wollten legt faum noch aus ber Stelle Meitfche wie Sporn blieben gleich erfolglos die armen Beftien aren erfchöpft. Der Geiz meined neuen Vaquianos atte ihnen, wie ich leider erft zu fpät merfte, das utter nur farg zugemeflen, und wir waren nur im Stande Schritt für Schritt mit ihnen vorwärts zu aumen. Mein Yührer behauptete endlich, als bie Sonne unterging, nicht mehr weiter zu fünnen, und rflärte da, wo wir und gerade befanden, über achten zu wollen ich aber erklärte ihm dagegen, ann ging ich noch an bdemfelben Abend zu Fuß ach dem nody etwa fünf Leguas entfernten Hafen, md da der Accord lautete, daß er verpflichtet war nich zu Pferde hinzubringen, fo fügte er fich endlich, venn auch murrend.

Wieder, nach kurzer Raft im Sattel, und jegt angfam mit ben tobtmüben Pferden bergauf, bergab,

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mehr nebenhergehend, als fie durch bie Laſt bes Rei: terd erkköpfen? gen Balparaiio mich drängte ed auch aus den Sleitern zu fommen, in benen ich nun in Staub und Thau, Tag und Racht in ia Pumpuıs wie im Schnee geſteckt. Selbft bie hoben Waſſerſtiefel wuren an ber Seite, vom ſcharfen Riu wuch Die Steppe, wuigeicheuert, das grammellen Jagdhemd durch dus darangeſchnallte Gewehr m die Dornen zerriffen und meine Beinfleider natürlid total durchgeritten ber Poncho bebedite Alles mu nothrürftig. Hatte der Talisman dann auch Bali raiſo chen wirklich verlafien, fo waren, genau ge troffener Abrede nach, meine Sachen doch bort, im Geſchäft der Hm. Lampe, Müller und Fehrmam zurüdgeblieben, und ich konnte mit einem ber na: folgenden Echiffe ron Heydorn und Compagnie we tergehen alſo nur erft nad) Balparaifo, in friſch Wäiche, in ganze Kleider zu fommen. Aber der Ba wollte fein Ente nehmen neun Uhr ſchon wart, und noch immer hatten wir die Etadt nicht erreicht

Die Gegend wurde dabei monoton und oͤde nug, die Hügel waren kahl und baumleer, ja jet das wenige Grad was darauf wuchs, fchien his merli und dürftig das Land dehnte ſich babe wellenformig vor und aus fein Berg, aber auf feine Ebene, wenn man auf einen langweiligen

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°

Hügel hinauf war, und hoffte nun eine Ueberſicht weiter nach vorn über das andere Land zu gewinnen, fo ſah man ſich wieder getäufcht denn weiter vorn lag affurat wieder ein foldher Hügel wie ber, ben wir eben zwei Stunden gebraucht hatten zu über- winden. Als es zulegt dunfelte, wurde die Sache eben nicht andere, Hügel ab und auf die Hügel hinunter that man ed fich zu liebe daß man abftieg, und hügelauf dem Pferd, was blieb da. Endlich erreichten wir eine Windmühle, und es fam mir fait vor, ald ob man hier einen Weberblid über Die See gewonne; lange hatte ich aber feine fo dunfle Nacht gefehen ald diefe, und ich bin auch feft überzeugt, daß uns nur der Inftinkt der Pferde im Wege felber hielt.

Ein helles ftrahlendes Licht wurde jegt vor une fihtbar es war, wie mir mein Yührer fügte, ber Leuchtthurm bes Hafens wir mußten und alfo ganz dicht am Meer befinden, aber vergebene ftrengte ich meine Augen an ed zu fehen, nicht einmal die Lichter von Balparaifo ließen ſich erfennen, und dennoch fonnten wir nur noch eine fehr kurze Strede davon entfernt feyn. Die ewigen wellenförmigen Hügel benahmen die Ausjicht, und dichtes Gebüfch und Gärten jet aber nur in ihrem noch dunkleren Schatten unterfcheibbar, dämmten felbit fpäter jeden Bid der Stabt zu ab, als wir die leßten Hügel

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hinabflommen und nun ein fandiges feichte® Flußben erreichten, in dem hin wir und eine Bahn fuden mußten, an’d andere Ufer zu fommen.

Mein Begleiter fehlen hier felber die Furth nice recht zu fennen, denn zweimal verfehlte ex fie, um wir geriethen in tiefes Waller, und das unheimlidx Plätfchern ded Stromes, wie dad nahe gewaltige Braufen der Brandung, die jest fo deutlich an una Ohr ſchlug ald ob wir fie dicht neben und Härten, mit der Mattigfeit unferer Glieder und dem ecke: druß des langen endlofen Marſches, diente wahrtik nicht dazu und fröhlicher zu ſtimmen. Muͤrriid und fchweigend wateten und trieben wir vorwäre, einem Ziele zu, das uns Beiden fat vorfam ale ob wir es im Leben nicht mehr erreichen fellten.

Endlid endlih famen wir an die Aupenzt bäude, und zwar an bie eriten Häufer Der langen am Strand hin, weit in die Hügel hineinlaufende Straße, aber die meilten Thüren waren ſchon « ſchloſſen die Menfchen gingen zu Bette, es we: Nacht, und da unfere Thiere auch wirklich mit beiies Willen nicht mehr weiter fonnten und ich an bieten Abend felber natürlich nicht im Etande war noch enret auszurichten, gab ich endlich Dem Drängen meines Be gleiter8 nach, in einer „ihm bekannten Pulperia,“ ein Art Schenke unb Krämeritand, zu übernachten.

9. Valparaiſo und Chile.

Mein erfter Abend in Valparaifo verfprach nichts weniger ald angenehm zu werben. Die kleine Pul⸗ peria in ber wir unfer Rachtquartier genommen, lag ziemlich am öftlichften Ende der Stadt, und mußte ‚ber aͤrmlichſten Art dieſer Klaſſe von Häufern ange hören, denn ärmlich genug fah ed wahrlich darin aus. Ich war aber auf meiner legten Reife, weber durch die Pampas noch über die Berge, ſehr verwöhnt worden, warf meinen Sattel deßhalb in eine Ede und mich mit der Dede oben drauf und wartete, ruhig bis „Donna Beatriz“ bie ich mir beiläufig andere gedacht hatte und eine Mahlzeit bereitet haben würde, die hungrigen Mägen zu befriedigen. Bor allen Dingen ließ ih mir ein Glas Wein geben, befam aber wieber biefen entjeglichen fauren Moft und gab es in Verzweiflung auf.

Die PBulperia war eine Heine Art Kramlaben, wo bie Nachbarn Talglichter und Zuder, Eier und

344 Seife, Dochte und Kohlen in Fleinfter Quantität be: fommen konnten; vorn ftand aber auch ein Tiſch mit einigen Bänfen, und eine Reihe mit Ylafchen, bie das unterfte und bequemfte Real zierten, verfünbderen mit ihren angeflebten Zetteln Die verfchiebenften Gar tungen von agua ardiente.

Woran mir übrigens jetzt, faft noch vor bem Efien, lag, war herauszubefommen ob der Talismar ſchon gefegelt ſey, und meine erfte Frage lautete nad einer Zeitung leider fchien feine im Haus zu fem und zu folder „nachtichlafender” Zeit fonnte man bie Nachbarn auch nicht weden. Ich richtete jept meine Fragen an den Hausheren wie an mehre Gühk, feiner wußte mir aber Beicheid zu geben, und nın Einer meinte, den Ramen hätte er gehört und bat Schiff müffe im Hafen liegen, dad war aber aud Alles.

Donna Beatriz wirthichaftete indefien am Kamin herum, und brachte erft eine ganze Portion Gier und dann eine Bratpfanne zum Vorfchein und hielt die legtere dann gegen das Licht, zu fehen, in welden Zuftand fie fi) eigentlich befünde.. Was ich daven erfennen fonnte, jo war dieß ein jehr trauriger, Tonm Beatriz ließ aber den Lappen, mit Dem fie wahrſchein ih im Anfang beabjichtigt hatte ſie auszuwiſchen, wieder fallen und fagte, „das wäre ſchade es it

345 ch Bett d'rin“ und ſchlug ruhig die für une veftimmten Eier oben auf diefe vorfünbdfluthliche Fett⸗ chicht in löblicher Sparfamteit.

„Das ift mir aber lieb“ dacht ich, doch hatt' ich inen Bärenhunger und nebenbei ben feften Entichluß jefaßt, mich durch nichts mehr abfchreden zu lafien ınd hineinzueflen was mir vorgefebt werden würde. Schlimmer wie die Kuhhornfuppe meines früheren Argentiners fonnte ed doch nicht feyn.

Am naͤchſten Morgen war ich noch vor Tag auf, nd am Hafen ed lagen viele Schiffe dort, und eined hatte die Segel auf außerdem rührte fich ch Fein Luftzug, und befand fich der Talidman jebt woch unter ihnen fo fonnte er mir nicht mehr ent: schen. Es war aber noch zu früh am Tag und noch ru an einem Sonntag Morgen, irgend einen Men- hen zu treffen ber mir hätte genauen Befcheid geben önnen, befhalb blieb mir nichts übrig ald indeſſen am Landungsplag ein wenig aufs und abzugehen..

Wie mir zu Muthe dabei war wird fich ber Lefer unmöglich denken können, ich müßte ihm denn eine Yan, genaue Befchreibung meines eigenen Außerlichen GSelbſt liefern, und fogar das fann ich nicht, denn haen nur einen beutlichen Begriff meiner unteren Bieidungsftüde zu geben wäre unanftändig id) Darf ihm nur, wie es bie Redaktionen ber politifchen

346 Zeitfchriften mit Rußland, Oeſtreich unb machen, ihren Zuftand ahnen laflen.

‚Der Lefer mag übrigens bebenfen daß einen vollen Monat im Sattel gebangen hoa felbft meine langen Wafferftiefeln, von den ©aloppiren, an der Seite bucchgeritten, un Kleidungsſtücke unterwegs nicht zu bekommen ih auch nichts weiter, Wäfche ausgenommen führt hatte, ald mas ich am Körper trug einer einfachen Kettenrechnung läßt fich ba | Bacit Herausbefommen. Ein ziemlich langer nifcher Boncho, mit fehr vorherrichender roth verdedte übrigens meine meiften Mängel, a ber fah wild genug aus. Das rothe Tuch I den Hald, wie's die Argentiner tragen, bei abzuhalten ben alten breiträndigen, ver Filzhut deſſen Krempe vom fortwährenden 3 Riederfchlagen an einigen Stellen nur jcbein aus befonderer Gefälligfeit für mich zuſammenl fonnverbrannte Geficht und Bart und Haar auch feit geraumer Zeit feinen Friſeur geieben Wunder da, baß die wenigen Yeute, bie | und nach auf der Straße bliden ließen, etwas ü Die wunberliche abenteuerliche Gejtalt anfchar ih an dem anbrechenden freundlichen Sonnta beftaubt und übernädhtig auf der Straße blic

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Da ich aber glüdlicyer Weife nicht felber Hinter mir hergeben Eonnte, vergaß ich auch bald mein eigene® Ausfehen in dem Drang Näheres über „mein Schiff” zu hören. Im Anfang fonnte ich jedoch von feinem ber Vorbeipaſſirenden etwas genaueres erfahren; einige fügten, er fey da, andere fie hätten ihn noch gar nicht gefehen Einer meinte, er wäre geftern Abend fort was wußte der Mann mit dem blauen Rod vom Talisman. Endlich traf ich zufällig den Wirth bes „Star Hotel“ in dem die meiften ber Talisman- yaflagiere gewohnt hatten „und warn ift er fort?“ frug ih den Mann gefpannt.

„Geſtern Rachmittag um 5 Uhr hätten Cie noch an Bord kommen Fönnen ‚" Tautete die Antwort und der Mann betrachtete mich dabei von Kopf zu Füßen, während es ihm ordentlich auf ber Zunge lag aber wo um Gotteswillen fommft Du benn eigent- fd) Her?“

Alfo fort aber das ließ fich nicht ändern und nur um wenige Stunden bei einer foldhen Reife von Monaten verfehlt eigentlich hätt’ ich mich ärgern müflen und ordentlich geahnt hatt’ ich’8 in ben legten Tagen, in meiner inneren Unruhe bie Reife zu beenden. Das follte dabei noch ein Troft ſeyn, daß ich zu gleicher Zeit erfuhr, beinah hätt‘ er noch einmal Anker geworfen, denn er habe fich,

348 bis 5 Uhr Nachmittags eben, gegen einen leichten Nordwind abquälen und fortwährend dagegen ankreuzen müflen, aus dem Hafen zu fommen.

Aber was ſchadete e8? Dagegen thun ließ ſich doch nichts und es blieb mir jetzt nur das Einzige übrig, augenblidlih meine Sachen abzuholen.

Hier aber lag eine andere Echwierigfeit «+ war Sonntag Morgen e8 gibt wirklich nichts Ber zweifeltered in der Welt, als an einem Conmy | Morgen in einer fremden Stadt anzufommen fein Geichäft eröffnet, Fein Menich zu finden, bie Lane alle nur in ihrem Sonntagsputz auf den trafen, und Alle vollfommen müßig ben Fremden Biertel ftunden lang anzuftieren und dabei ein Hunger das etwa waren meine ©ebanfen.

Die Herren bed Firma, bei der meine Sada niebergefegt waren, mußte ich alfo jetzt in ihrer eigenen Wohnung auffuchen, und fonnte ich fo hingehen wir ih da ging und ſtand? nun fonnte ich etwa anders hingehen?

Als ih in einem folchen geringen Anfall ven Verzweiflung in ber Straße ftand, und eben, mi Hülfe einiger gefälligen Vorübergehenden eine Anzahl von dort in Maſſen herumlaufenden Hunden abgewehr hatte, denen wahrfcheinlich das viele roth an mir aup gefallen war, denn einer hatte mich zuerft angebell

349 und damit ein halbed Dubend anderer Kameraden berbeigerufen, fiel mein Auge zufällig auf ein Feines Schild das über einer, eben halb geöffneten Ihüre bing, und auf dem, unter den ſpaniſchen Eigenichafte- namen mit de utfchen Buchftaben ein unverfennbares „Deutfcher Schuhmacher” prangte.

Das war ein Lichtblid, denn um dieſe frühe Tageszeit konnte ich noch feine Viſite machen und ber beutiche Schufter wußte hier jedenfalls‘ genug Beicheid, mir erftlich die Adreſſe des Lampe, Müller und Fehrmann'ſchen Gefchäfts und vorher einem Ort zuzuweiſen, wo ich eine menfchlihe Mahlzeit befom- men konnte.

Mein Kleiner Schuhmacher, der eben feine Schuhe aber wohl feine Toilette zu dem heutigen Feſttag machte, war auch wirklich gleich zum guten Anfang ein Kleines Original, empfing mich aber, wenn aud) erſt mit einem etwas mißtrauifchen Blick über meinen ganzen äußeren Menichen, vorzüglich aber über mein Schuhwerk, freundlich, bot mir fein Dreibein zum Sit an, und band fi, während ich mich darauf, mir zugleich den Rüden bedend, nieberließ, oder fhnürte fich vielmehr, denn er friegte einen ganz diden rothen Kopf babei, feine Cravatte vor bem Heinen Spiegel um, ber bie eine Ede feiner „Werk Rott” zierte. Ich mußte ihm dabei meine Gefchichte

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erzählen, und er fprang mit beiden Beinen zugleich herum, als er hörte daß ich Direft über die Cordil⸗ teren füme. Ich gewann dadurch fein Herz und er bedauerte nur, indem er meine Stiefel noch einmal eines genaueren Blickes würdigte, Daß er wahrſchein lich fein pafendes Schuhzeug fertig für mich Haken würde.

„Wenn Sie nur erft ein paar anftändige Stie fein an den Füßen haben,” fagte er dabei beruhigen, „auf das andere fommt ed weniger an bie febes aber bös aus —“ das andere hatte er naͤmlid noch nicht gefehen.

Ih fah ihn im Anfang erftaunt an, benn I | dahin hatte ich viel zu viel Zartgefühl gezeigt, mein Garderobe auch nur mit einem Wort zu erwähnen, aber ich vergaß daß heute Conntag war, und men feiner Echufter, wenn er mit mir zum Frühiti⸗ über die Etraße gehen mußte, ſich wahricheinit jchämte, in folcher Gejellichaft gefehen zu werte. Hatte er mich aber in gutem Schuhwerk, fo gim ihn Das andere nichts weiter an.

Mein neugewonnener Freund erzählte mir ip nun auch feine Lebendgefchichte denn nach kim Heinen, bien, filbernen Uhr hatten wir noch wenig itens eine halbe Etunde Zeit, ehe wir zu eflen bo famen. Er war vor einigen Jahren fchen nad

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Chile gekommen und befand ſich hier vorxtrefflih bis dahin Hatte er immer nicht gewußt, weßhalb bie Stadt Balparaifo „paradiefifhes Thal“ genannt werde benn das Paradies hätte er fich eigentlich anders gedacht, nun aber wifle er ed, denn für bie „Schuhmacher fey es ein wirkliches Valparaiſo. Er, der als armer Echuhmachergefelle hierherfam, wurde augenblidlih Meifter, ohne ein Meifterftüd machen. zu bürfen, und lieferte nicht allein vortxeffliche Arbeit, tonbern hielt ſich auch noch, er der arme Echufter- gefelle, einen „Wichfier”, einen Achten Epanier, ber ihm dabei nicht allein das Flickwerk beforgte, fonbern fogar beftellte und für ihn zugeſchnittene Arbeit recht Leiblich ausführt. Das war aber das wenigſte aufßerbem konnte er arbeiten, wenn er gerade Luft Hätte, Feierabend ebenfo machen wie er wollte, und Sonntage hatte er nicht etwa feine gewöhnlichen „paar Groſchen,“ fondern eine Handvoll fpanifcher Dollar in der Tafche und trug fich „fo fein wie nur irgend ein anderer Senior.“

Ich beneidete ihn in dem Augenblick wirklich um ein Lleidungsftüd, er fuhr aber fort mir zu erzählen, we er ſich einmal habe verleiten laflen denn ber Nenſch verlange es immer befier zu kriegen auf ber Veit, fo lange er lebe von Balparaifo fort und Bach Baldivia zu gehen, um „Landwirthichaft" zu

352 treiben „ich und Landwirthichaft“ feßte er dabei verächtlich Hinzu, dazu paflen nur rohe Raturen, hie zu nichts weiter gemacht find, ald unvermünftig dide Bäume zu fällen und Erdboden aufufragen es it ebenfo mit dem Vieh fie liefern die Rohprokuk, und wir müflend dann verarbeiten.”

In Baldivia jchien es ihm bitterboß gefallen p haben Sonntags feine Bergnügungen, fein ban Geld zu verdienen, benn wie er wirflic) angefangen hatte, in feinem Handwerk zu arbeiten, fomntes ihm Die Xeute fein baar Geld dafür geben, ſonden er follte Leder, noch im Urzuftandb nehmen, ut da hörte doch wahrhaftig Alles auf.

Unter tiefen Geſprächen war er enblidh fer geworden, die Zeit des Frühſtuͤcks rüdte auch heran und wir gingen dann zufammen in ein amerifanikhe „Boardinghoufe,” wo man für einen mäßigen Pat ein recht gutes Frühftüd befam. Mir menigiient. der ich fo etwas lange nicht gefoftet, fchien es em lukulliſches Dahl und die einzige Satalität dabei wer. daß ich eritlich meinen Poncho nicht ablegen burie und mich zweitens noch nicht fo recht daran gemchens fonnte, mit Meſſer und Gabeln, beſonders mit ben kp teren, zu eflen. Faſt unwillfürlich famen mir noch immer die Finger ber linfen Hand dazwiichen, und mein Cie fter fchüttelte mehrmals fehr bedenklich mit dem Kap.

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Rah dem Eflen war ed nun au fpät genug eworden Herm Fehrmann, beflen Wohnung mein einer Schufter nämlich wußte, und zu dem er fich re freundlich erbot mich Hinzuführen, aufzufuchen.

Glüdlicherweife war er noch zu Haufe, denn ich and ihn eben im Begriff auszugehen, und fo erftaunt e mich im Anfang betrachtete denn er hatte bei seinem erften in Sicht fommen wohl kaum geglaubt, ih ihn deutſch anreden würde, fo erftaunt lieb er, al& ich ihm von meinem Koffer fagte, der ier für mich ftehen folle. Er rief augenblidlich einen einer jungen Leute, ob der „Talisman“ irgend etwas ür einen ber Paflagiere im Gefchäft oder Zollhaus urüdgelaflen. Keiner wußte von etwas, und im fugenblid war mir klar, Daß der Talisman gegen je mit Gapitän und Gargadeur getroffene Abrebe meine fümmtlihen Sachen mitgenommen habe: Väſche, Kleider, Bett, Bücher, kurz alles, was ich iberhaupt jegt auf der Welt mein nannte und noth: vendig brauchte, nicht allein um in Walparaife wftändig zu ericheinen, fondern auch eine weitere Seereife, mit ben dringendften Bequemlichkeiten ver: ehen fortiegen zu können, befand ſich auf dem Weg nad) Galifornien und ich faß hier fo blanf und Kbön auf der wohlriechenden Haide, wie es jich ein Menſch nur wünichen konnte, Wernäder, Reiten. 1. 23

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Allerdings war die Sache, für mich wenigj auch nichts weniger ald ſpaßhaft, dennoch mußt im erften Moment laut aufladen. Niemand & meine „inneren“ wie „aͤußeren“ Berhältnifie b als ich felber, und fo plöpli und total im wirklichen Urpatfche zu figen, hatte jedenfalls e poetifch- fomifchee.

Herr Schrmann, dem ich meinen Namen m und mit ein paar Worten die Umriffe meines Un gab, während er durch den Cargadeur ſchon meiner beabfichtigten Fahrt unterrichtet war, I im erſten Augenblid allerdings mit über meine : und ber Henker hätte da ernithaft bleiben mi bot mir aber zu gleicher Zeit mit der größten freundfchaft jein Haus zum Aufenthbalteort an, das nächfte Echiff deſſelben Rheders, die „Reie das täglich erwartet wurde, eintreffen jellte. nahm Das Anerbieten fo gern an, wie es mir boten wurde, und fand mich bald darauf nicht a in das Haus, jondern felbit in die Familie des H Fehrmann mit einer Herzlichfeit aufgenommen, ich den guten Menfchen nie vergeflen werte.

Co abgerifjen war ich übrigene, daß ic jogar Kleider borgen mußte, um nur in der herumgehen und neue einkaufen zu fonnen; IN6 @ was mir im Anfang ein Mißgeſchick gejchienen, we

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jegt für mich zum Glüd. Unter den freunblichften_ Berhältnifien war ich nicht allein im Stande, mich von wirklich faft zu harten Etrapazen und Mühjfelig- feiten auszuruhen, fondern auch Balparaifo felbft, das ich doch im anderen Falle nur zus flüchtig hätte ſehen, und ganz und gar nicht näher Fennen lernen fönnen, länger zu bdurchftreifen und auch mehr über das Land felber zu hören.

Balparaifo, einer ber bebeutenditen Handels. pläte der Weftfüfte Amerika's, ift wohl fchon oft genug gejchilbert worden, und ih will mich deßhalb auch auf feine lange, den Leſer vielleicht ermüdende Beichreibung des Ortes einlafien, fondern ihm nur kurz den Eindrud geben, ben die Stadt beim erften Betreten und bei einem mehrmwöchentlichen Aufenthalt auf mich machte.

Balparaifo gleicht keineswegs den übrigen füb- amerifaniichen, im altipanifchen Geſchmack gebauten Städten, fondern mehr als felbft Rio Janeiro und Buenos Ayres, einem europäifchen Handelsplag. Daran tragen aber nicht allein die jetigen Bewohner, fon- Bern auch ein früheres Erbbehen und eine fpätere, ſehr ſtarke Feuersbrunſt die Echuld, benn bie zer- : Mörten Stabitheile wurden alle im neueren Gefchmad errichtet, ja die an ber Bay hinlaufende Hauptftrafie Beftent fogar, im gänzlicher Verachtung kommender

336 ‚Erdbeben, aus großentheild zweiftödigen Häu und biefe, wie die Fleineren an dem ber Bal gewandten Hang ber Küftenhügel ftehenden Geh haben alle hohe und nicht flache Ipanifche Däch

Der Hafen ift geräumig und fiher und nm Rordwinden preidgegeben, Die allerdings bier fehr felten wehen, aber wenn fie fommen, gewöh jtarf und furdhtbar einfegen und großen Sch unter den Eciffen anrichten. Befeſtigt iſt ber fen fonft faft gar nicht, denn die paar Kane die bie und da hinter nur unbedeutenben nid Mauern ftehen, können ficher nicht ale Bert gungswerfe gelten. Chile lebt aber mit den uh Nationen in Frieden, Deren eigener Nutzen icho nöthigt, Handel und Hafen der blühenden Rer eher zu fchügen als anzugreifen.

Chile ijt jedenfalls ein blühendes herrliches & obgleich erjt in feiner Entwidlungsperiode: ie Bergs wie Aderbau, befonderd Dem erfteren, | man wohl eine glänzende Zukunft prophegeien. Silber= und Kupferminen find unglaublich reid, die Regierung begünftigt vorzüglich den Bergha deſſen Echug die umfajlenditen Gelege gegeben und mit eijerner Etrenge gehandhabt werden.

So wird zum Beilpiel Dem Entdeder einer I jte mag ſich befinden auf weſſen Land fie wil,

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Eigenthumsrecht derfelben unbedingt zugefprochen. Der Eigenthümer des Landes aber ift nicht allein ver pflichtet, ihm den Grund und Boden zu einem von der Regierung feftgefeßten und nicht nach dem Werth der Mine, fondern nad) dem Werth des Bodens beflimmten Preis abzulaffen, fondern muß ihm auch noch Holz und Waffer, was er zu ber Bebauung feiner Mine bedarf, ebenfalls zu einem von ber Regierung zu beftimmenden und fich ben örtlichen Berhältnifien anpaflenden Preis herbeifchaffen.

&etreide, wie alle Arten von Früchten, bringt das Land in großer Menge und Güte hervor; nur an Händen fehlt e8 noch, ben Boden zu bearbeiten, und ba bieß die Regierung recht gut einfieht, fo thut fie auch alled Mögliche die Einwanderung fleißiger Arbeiter, befonders beutfcher, zu befördern. Sowohl in Baldivia wie Goncepcion beginnen Anftedlungen, die fpäter die erfreulichften Früchte tragen fünnen.

In Eoncepcion befist der Praͤſident felber bebeu- tmde Streden Land als Privateigenthum, und bot ſchon damals deutſchen Einwanberern,, die fich bort- Bin ziehen wollten, vortreffliche Bedingungen, und Baldivia, die fühlichfte Provinz bes Landes, feheint don Teutfchen ftarf befiebelt werden zu wollen.

Die beutfche Einwanderung wird auch natürlich

auf das eifrigfte von den beutfchen Kaufleuten 3 &

358 Valparaiſo's unterftügt, Die ganz richtig fchließen, daß durch eine bedeutende Anzahl von beutichen Ader: bauern und Handwerfern in Ehile, beutfche Betürt nifle auch ihre eigenen Gefchäfte ſoviel mehr beichen müflen und der deutſche Einwanderer kann fich zien (ich feft darauf verlaflen, daß er in Valparaiſo ſelber jeden nur möglichen. und billiger Weiſe zu erwarten den Borfchub genießen wird.

Eo lagen gerade, als ich mich in Balparaiie befand, mehrere deutfche Familien Hier, bie nad Baldivia auszuwandern beabjichtigten und feine Ge legenheit dorthin finden fonnten. Herr Fehrmam reichte endlich ein Geſuch an die Regierung ein, dar Leuten mwomöglih an den Ort ihrer Beitimmung zu helfen, und ungefäumt wurde das fleine Kriegektit Condor, was gerade fegelfertig im Hafen lag, v gewiefen, fie paffagefrei nad) Baldivia zu führen Nur ihre Provifionen hatten fie ſich felber zu Kell

Unter biefen befand fich eine Frankfurter Jam, bie ich fennen und achten lernte, und der alte Hm, der fchon mit greifen Haaren, aber noch jungem Mut und erwachſenen Eöhnen und Töchtern einen neu Welttheil hatte auffuchen müffen, ſich eine Heimsi zu gründen, ſchien praftifche Erfahrung genwy 3 beiigen, ihm, mit einiger Ausdauer, ein gunkixt 2008 zu verfprehen. Der Erfolg bat das md

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bewährt, und feine neueren Briefe zeigen, daß er ſich vollfommen wohl im Süden von Chile fühlt.

Kür die Fruchtbarkeit des ganzen Landes braucht man überhaupt wohl faum eine andere Bürgfchaft, al daß es bis jetzt nicht allein die Kornkammer Baliforniens, fondern in letzter Zeit auch Auftralieng gewefen und bad alled bei einer Bevölkerung, Die uch nicht die mindefte Anftrengung machte eben mehr m ziehen, als fie mit größter Bequemlichfeit gewin- nen fonnte. Der Chilene überarbeitet fi) gewiß nicht und wo ein chilenifcher Landmann fi) nur wohl befindet, bin ich überzeugt daß ein Deutfcher, wenn rw feinen beutfchen Fleiß, feine deutſche Ausdauer ebenfalls mit dorthin bringt, reich wird.

Das chilenifche Klima fagt babei dem Europäer vollfommen gut zu, denn nach Allem was ich von den verichiedeniten Perſonen darüber gehört habe, fol ſelbſt im heißeiten Eommer die Temperatur dem deutſchen Körper nicht unerträglich werden, Wir haben in Teutfchland auch heiße Tage, und überhaupt uns terfcheidet der höhere Waͤrmegrad felbft die heiße Zone weniger von ber gemäßigten als die in ben, unter den Tropen liegenden Ländern anhaltende ununterbrohene Würme, die ben Körper er Hlafft und aufreibt. Ein Land das feinen Win- er ober felbft Falte Nächte hat, wird deßhalb nie

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fo fchäblih auf die Gefundheit des Nordlaͤnders wirfen.

Was die Scenerie betrifft, fo läßt darin Valpa⸗ raiſe wo doch gerade der Name etwas derartige vermuthen ließe, allerdings fehr viel zu wounichen übrig, die Hügel die es einjchliegen find vollfommen fahl, und nur bie und ba mit einzelnen burftigen Cactus bewachſen, doch zeigt bad Land Srpurca einer früheren ftärferen Vegetation, und einzelne be Thäler, mit ihren gepflegten Orangen, eigen une fhattigen Tamarindenbäumen bieten ein deſto framl: licheres Bild.

Die Stadt felbft ift übrigens für ben remis fo interefjant, und öffnet feinen Bliden fo viel bei Neuen und Ungewohnten daß mir die wenigen ®e chen die ich dort verweilte, wirklich wie im Eums verflogen, es war ein fortdbauernder Genup, m Chile hat deshalb auch wohl im Ganzen einen * fehr freundlichen und günftigen Eindrud auf mit gemadht.

Die Stadt felbft theilt fi) in zwei fehr beitimmk Theile, der eine iſt vollfommen europäijch unb bir her gehört befonderd der neuere Theil berfelben we bie ſämmtlichen am Hafen hingebauten Häuſer w Wuarenlager der Kaufleute Die theild in burdumd europäijchem, theils in füblicdem Gefhmad, ss

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Verandahs und Iuftigen Räumen errichtet find. Se weiter fich Diefe aber von dem Gefchäftstheile ber Stabt entfernen, befto mehr laufen fie wieder in bie fleinen einftodigen Häufer der früheren Bewohner aus, bie einem doch einmal wieder eintreffenden Erd⸗ beben nicht fo Ted die Stirne bieten wollten, wie der Fremde, der zwei und drei Stodwerfe aufeinander und ſich dadurch der Gefahr ausſetzt daß ihm beim nächften „Schütteln Dach und Stodwerfe über dem Kopf zufammenpoltern.

Die Landung in Balparaifo ift von allen Stadt: theilen jedenfalls nicht allein der belebtefte und wich- tigfte, nein auch intexreffantefte Punkt. Die Landung für Die Boote felber beftand damals freilich nur noch aus einem hölzernen, mit Brettern eben überleg. ten Ausbau, um ben die Boote anlegen fonnten, und von dem eine hölzerne Treppe niederführte, bie gerade fo ausfah, als ob fie ber erfte tüchtige Rorder mit binwegichwenımen müßte; ein größered Werk war aber im Bau und die Regierung beabfichtigte übers haupt, wie ich hörte, eine Art Damm in ben Hafen binein aufzunverfen Damit wenigſtens ein Theil ber Schiffe benn alle zu fohirmen wäre nicht mög- lich gegen die befonderd im Winter manchmal eintretenden Norder geſchuͤtzt läge.

Nur eine Stelle ift bis jest im Hafen wo eine

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Anzahl Klippen eine Art natürlichen Tamm gegen die eintretende Dünnung bildete, der Raum den dieie aber fchüten iſt verhältnißmäßig ſehr Fein, und fremden Echiffen nicht erlaubt dort zu ankern.

An der Hauptlandung wimmelt es den gamen Tag, von frühfter Morgenftunde an, in dem leben digften Treiben biefer thätigen Etabt es if ber Mittelpunft des ganzen Gelchäfts, zu dem fich bier alled drängt und um ben fich Land⸗ wie Seelente den Tag über fammeln müflen, da Zollgebiuie, Börfe und Marft ihn in einem Halbmond umgeben.

Die Börſe iſt faft ebenfoviel ein Lefeclub als ein Berfammlungsort für bie Kaufleute Valparaiſos hilenifche und argentinifche Zeitungen liegen mit englifchen und franzofifchen Blättern in ziemliche Anzahl aue, troßdem aber baß fehr viel beurice Kaufleute in Balparaifo leben und Mitglieder ber „Börſe“ find, fah ich dort oben nicht eine einzige beutfche Zeitung, die Teutfchen halten jich dieſe lieber felber fie haben ja feine Nation zu vertreten.

Mit der Börſe in Verbindung ftcht Der Telegrapb der von dem weitlich gelegenen Hügel aus, von ve man einen weiten Sernblid über das jtille Meer bat, herübermeldet von welcher Richtung her ein Schi fichtbar wird, und wenn es näher fommt, welder Art es iſt Schiff, Parque, Brigg x., und melde

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Flagge es führt. Dicht vor ben Benftern ber Börfe, die den Hafen überfchauen und an benen mehrere vortreffliche Telescope aufgeftellt find, fteht ein klei⸗ nerer Telegraph, die Meldung bes erfteren augen- bliflich wiederzugeben, und in einem oben auslie⸗ genden Buch werden die gemeldeten hahrzeuge dann ſogleich eingetragen.

Mich intereſſirten natuͤrlich gerade in jener Zeit die einlaufenden Schiffe ganz beſonders, und ich ver⸗ brachte manche Stunde oben in dem freundlichen lichten Local, in dad Fremde durch die Mitglieder der Börfe eingeführt werden können und diefelbe, einen gewiflen Zeitraum hindurch, unentgeltlicy benuten dürfen.

An der anderen Seite bed Plabes ift der Markt, oder eigentlich beſſer gefagt die Marktſtraße, ba Balparaifo ein eigentliche und allgemeines Markt gebäude nicht hat und die Stände meiſt alle in dieſer Gegend in die unteren Räumlichkeiten der Häufer bineingebaut find.

Früchte und Gemüfe fpielen da eine ſehr bedeu- tende Rolle, und die auslaufenden Schiffe finden bier einen fehr günftigen Platz Erfrifchungen einzu⸗ nehmen. Orangen find befonderd. in ungeheuren Duantitäten aufgehäuft, ebenfo zu diefer Jahreszeit viele Beigen und Trauben vorräthig Pfirſiche waren noch nicht reif, oder vielmehr erſt in Bluͤthe.

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Für tropifche Gewächfe und Frücte ift Balparaifo aber feinesfalls der Plap, denn wenn man auch hie und da Bananen auf tem Markt fieht, fo famen diefe faft flets von Peru herunter, und für eime Annanad wurden mir zwei Thaler abgeforbert. Vice leben überhaupt in dem irrigen Glauben, Ghile ſey ein tropifches Land, wie ih Manche au Amerika überhaupt gar nicht anders als mit Palmen bewachlen benfen können, fey das nun Kanada oder Yrafilien, ja ich habe fogar in einem älteren Gonverfation& lericon unter Balparaifo gefunden, daß die Küte dort mit Cocospalmen dicht bewachſen wäre wer "aber eine Cocospalme an der Küfte in ber Räbe von Balparaifo, oder überhaupt am ganzen dile nifchen Ufer finden wollte, follte ſchwere Arbeit be fommen.

Chile liegt auch gar nicht in den Tropen, m es erftredt fih vom 45. Grad etwa, auf dem ik Inſel Chiloe liegt, hinauf, bis zum 26. oder 2°. ſuͤdliche Breite, alfo vollitändig noch der gemäßigten Zone gehörend. Der obere oder nördliche Theil Int Landes wie der fühliche von Peru, ift eine unfruch bare Sant: und Ealzmwülte. v

Gemüfe fpielen auf dem Markt eine Hunt rolle, und mit Recht, denn die dhilenifchen Bohnen, Kartoffeln und Zwiebeln find berühmt, und te}

365 hilenifche Mehl wurde kefonders in Californien unge- mein gern gefauft. .

Californien übte aber auch damals auf die Preife einen wirklich californifchen Einfluß aus, benn jene fabelhaften dorthin verfchifften Maffen von Mehl und Degetabilien hätten ein weniger fruchtbares Land förmlich audgefogen und mußten natürlich, felbjt wo genug Nahrungsmittel vorhanden waren, ihren Werth um ein Bedeutendes jteigern. Chite hatte für den Transport dorthin auch, gleich nach den Sandwichs— inſeln, bie günftigfte Lage, und die erften Sendungen machten enormen Profit, fpäter gab es aber auch wieder, wie fich dad gar nicht anders erwarten ließ, manchen Rüdichlag, und gerade während ich mic dort befand Tauteten die Nachrichten für Waaren- ttansporte dorthin fo entmuthigend, daß die Kauf— leute anfingen ängftlich zu werden, ja es famen fo gar ſchon Vorräthe befonderd an fertigen Kleidunge- ftuden, wieder zurüd und auch Lebensmittel fingen deßhalb wieder an etwas im Preiſe zu fallen. Die nächften günftigen Nachrichten fteigern das aber auch eben wieder fo fchnell, und der Aderbauer kann fich noch lange eined guten Nugens feiner Mrodufte er: freuen.

Auch der Verkehr nad) Californien ijt noch eben jo ſtark, ja vielleicht ftärfer als je; es laufen täglich

366 dorthin beftimmte Schiffe ein, und bie Kaufleute bier, befonders folche die mit bem Seehandel zu thun haben, machen glänzende Geſchäfte. Die Wechsler discontiren babei nur mit 15 Procent, und Berme- gen werden nicht felten wie im Eldorado felber in wenigen Monaten erworben.

Der Hafen, fehon früher wohl das ganze Jahr hindurch von zahlreichen Echiffen befucht, bietet in Folge Diefes namen Verkehrs gerade jetzt ein bein ders reges Bild gefchäftigen Lebens. Die meihen der nach Californien beftimmten Schiffe von allen Häfen ded atlantifchen Oceans laufen hier ein, Wafler und Erfrifhungen an Borb zu nehmen, mt bie Landung wimmelt fortwährend ron Amerifanern, Franzoſen und Engländern. Speculirende Dante aber haben vorzüglich Hier ihre Angeln ausgeworin Bortheil aus den eben eintreffenden Fremden zu ziehen, ehe die Chilenen felbjt Dazu fommen. Ten lanbenten Booten ſticht ſchon von fern ein großes Schild A lifornia chophouse« in die Augen, und ber eigen thümliche, den Amerifanern aber befannte Name tee Gaſthauſes „The hole in the wall (das Loch in ir Mauer)“ zieht befonderd dieſe an. Es iſt jehed wie »The golden lion,« ber ebenfalls fein Süß auf dem SHintergebüude dem Waſſer zufehrt, ren geringerer Gattung. Tas befte englifche Carb

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it jedenfalls das »Star hotel«, dicht an ber Lan- dung; boch fucht ihm jebt ein von einem jungen Belgier neu errichtete®, dad »Ship hotel,« den Rang abzulaufen, und bie Fremden bie dort einfehren, find ficherlich fehr zufrieden mit Koft wie Wohnung. Der Preis ift in beiden 11, Dollar täglich für Koft und Wohnung. Das Bictoriahotel (1Y, Dollar per Tag) von einem Italiener gehalten, ftand in einem etwas ſchlechten Ruf, feiner Reinlichfeit wegen. Einen fehr guten Namen hatte dagegen das Hotel de Chile und ein franzöfifches Koft- und Logishaus.

Auch mehrere frangöfiiche Kaffeehäufer find hier errichtet, die Deutfchen aber haben, um doch etwas wenigftend zu ihrer Bereinigung zu thun und nicht ganz zu vergeflen, daß fie eben Deutiche find, einen deut- ihen Elub gegründet. Diefer Elub ift befonders für bie Abendftunden beftimmt, obgleich bie Mitglie- der auch über Tag jede Stunde Zutritt haben, und befindet ſich in einem fehr eleganten freundlichen Lo⸗ cal, in dem bie deutfche Flagge aufgepflanzt ift und die mit ſchwarz⸗roth⸗goldverzierte Namensliſte der Mit- glieder hängt. Hier werden nur beutiche Zeitungen gehalten, und ich fah auf dem Tiſch die Allg. Zeitung, Das Ausland, Morgenblatt wie viele andere. Die Sendung diefer Zeitungen ſchien aber leider nicht regelmäßig betrieben zu werden, denn trotzdem, daß

in legter Zeit mehrere Schiffe bireft von Hamburg und Bremen gefommen waren und das europaͤiſche Dampfboot zegelmäßig alle vier Wochen eintrifft, | waren die neueften Kachrichten, die ich bort jan, vom December 1848, während in der Boͤrſe fchen englifche Zeitungen vom 17. Mai 1849 auslagen. Tie Schuld davon tragen wohl jedenfalls Die läfigen Abfender in den Seeftäbten.

Der Zweck diefes deutfchen Clubs ift, was it davon erfahren fonnte, die Deutichen in Baparaiie joviel ald möglich zu vereinigen und fich gegenteit: Gelegenheit zu geben, einander fennen zu lemen jedenfalli8 ein waderes Unternehmen, dem man is beiten Erfolg wünfchen muß. Im Uebrigen bar m aber Die ſchwarz⸗roth-goldene Sahne, Die im beutid«: Club aufgeſteckt ift, nicht über die Geſinnung ie Deutjchen ſelbſt täufchen. Ich bin zwar feit darer überzeugt, Daß fie die deutfche Einheit, falls ir I. Sieg im Anfang gleich gelungen wäre, mit Freute ja mit Jubel begrüßt hätten; fie leben bier in cm Republif und haben feine Eympathien für Die Deu Bielitaaterei, aber tie find auch faſt Alle ja # glaube, ih kann fogar fügen, Alle Kauflam. denen das eigene Gejchäft und Yortfommen nik |: am Herzen liegt al& ber politiiche Zuftand des eme Baterlandes, in deſſen nähere Verhältnifie fe de ſ.

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ber großen Entfernung wegen nicht fehr eingeweiht feyn fönnen. Kommt z. B. heute ein Dampfboot an und bringt Zeitungen bis zu einem gewiflen Datum, fo werben die mitgetheilten Neuigfeiten nicht felten fhon wieder durch „Privatnachrichten,“ Die mit eben- demfelben Fahrzeug kommen und etwas fpäter datirt find, widerlegt oder durch Gerüchte in den Hinter- grund gedrängt. Dadurch kommt man hier nie zu einem wirklich klaren Bewußtſeyn der dortigen Ber- hältniffe, und das fchon müßte das Intereſſe am „Fremden“ lähmen, felbft wenn nicht das Eigene fo bedeutende Rechte geltend machte. Die deutfchen Kauf- leute aber, die hier wohnen (denn die deutfchen in Balparaifo lebenden Handwerker find von diefem Club, wahrfcheinlich die deutfche Einigkeit recht treu bar- wiftellen, auegefchloffen, fcheeren fich übrigens auch den Henfer um beutfche Politik), ftehen mit nur wenigen Ausnahmen mit dem beutfchen Handel in fehr enger Verbindung, und biefe fönnen durch län- gere Unruhen in Deutfchland nur Echaben leiden, nie aber einen Nutzen daraus ziehen. Die natürliche Solge ift, daß fie was man in Deutfchland „Bas natifer der Ruhe“ nennen würde, find, und unter jeder Bebingung ein raſches Wiedereintreten der Orb» Rung und dadurch ungeftörte Handelefreiheit wünfchen. Die Republit fcheint ihnen, nad) einem gewiflen Gerkader, Reifen. L 16 24

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Inftinkt, nicht der befte Weg zu jenem Ziel. Tie meis ften fpringen alfo zum Ertrem über, und bie natür- liche Folge ift, daß fie zuerft auf die Kandeleute in Deutfchland fchimpfen, weil diefe nicht gleich ven Anfang an durchgegriffen hätten; dann wünichen ne, „zur Strafe” möchte jetzt die Militärgemalt fiegen und endlich einmal dem zwedlofen Krawall ein Ent machen. Ueber dieſem Wunſch hängt bie ſchwarr othgoldene Fahne, und darunter figen die Leute und lefen die deutichen Zeitungen vom Tecember 1848.

Tod laffen wir die Politik, Jeder hat ba ſeine Anjichten und mag Die auch vertreten; im Webrigen find die Deutſchen Valparaiſo's gar wadere Leur und ftehen hier in Südamerika (fehr verfchieben ren Nordamerika) in großer Achtung. Nicht allein die Regierung begünftigt fie vor anderen Rationen mt wünjcht ihre Einwanderung, fondern Die Chile felber find freundlich gegen Die deutichen Nachbarn mt führen fie mit vieler Herzlichfeit in ihre Familien ax.

Sch felber bin von den hiefigen Teutichen cha falls, und zwar ohne Ausnahme, auf dae freumb lichite aufgenonmen worden. Herr Fehrmann ie ders Hffnete mir in fo herzlicher Weile Haus w Samilie, daß ich e& ihm jicherlich nie vergeflen werk. und Balparaifo fann mir nur ein liebes Antesie froh verlebter Etunden bleiben.

—_—. .—

0. Wanderung durch die Straßen der Stadt.

In bem belebteren Etadttheil Valparaiſo's ſowohl, ie in den wunderlich gebauten und gelegenen Bor: äbdten Balparaifo’8 fällt dem Fremden gar Manches uf, das er im alten Baterlande nicht gefehen hat, nd das ihm durch Die ganze eigenthümliche Um⸗ ebung oder Einfaffung des Bildes um fo viel an- iehender, feflelnder erfcheint. Hat der Lefer Luft, fo gt er mir einmal einen Tag, und wenn ich ihn ihre, auch wohl bis fpät in Die Nacht hinein h hoffe ihn nicht zu ermüben.

Morgend mit Tagesanbruch beginnt ſchon Das eben in den Straßen bie Leute fommen zu Rarft theild mit ziemlich fchwerfälligen Ochſen efpannten Karren, theild ihre Pferde und Mauls viere mit Näden und Körben beladen.

Selbſt die Tracht des Landmann feflelt hier das luge bed Fremden: ber furze, meift blaue Poncho sit gemuftertem Rand und ber breiträndige, an ben

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Seiten etwas aufgebogene, niedere Etrohhut, das hohe, von oft fünf bis ſechs Echaffellen aufgeitapelıe Cattelzeug, bie großen niederhängenden Eporen une unförmlichen Holzblöden gleichenden Eteigbügel,, ſchaut eigenthümlich genug aus, und ber in Fellſchlaͤuchen gefüllte Wein, der hinter ihnen auf den Hüften bei Thieres liegt, wie bie riefigen Trinfhörner, bie an beiden Eeiten niederhängen, geben ihm einen nech wunbderlicheren Anſtrich.

Ungeftört wandert man durch die ftillen Straßen, ed ift noch fühl und fchattig, und über die Garten mauern fchauen fchweigend die fruchtbeladenen Iran genzweige und fchütteln den Ihau auf das Platter Pflafter? was ift das für eine eigenthümlid« Verzierung hier mit fleinen Prlafterfteinen und Kne hen, ftatt den Trottoird Kreuze und Sterne ki den fie, und dad Weiß der legteren fticht freundlid gegen das Grau der Eteine ab welch fonkerturt Idee, mit Knochen zu pflajtern ja, lieber Leier, Du haft recht, noch dazu mit Menfchenfnehe. Diefe Sterne und Kreuze find die Hand» und Zur wurzeln der damals, als jich Chile vom ſpaniſchen Joche freifämpfte, erichlagenen Tyrannen und Feinbe, und fo weit ging damals der Haß gegen bie frübe ven zu ftrengen Herren, daß die Sieger ſich miht einmal damit begnügten, fie von ber Grte u

373 vertilgen, nein, ſie wollten auch noch etwas von ihnen über ber Erbe behalten, das fie mit Füßen treten fonnten wenn fi) doch alle zu ftrengen Herten baran ein Beifpiel nehmen wollten.

Die Erbitterung gegen biefe fol damals wahr: haft furchtbar geweſen feyn, und noch jet mag ber Eübdamerifaner nichts von dem Spanier miflen; „wir fprechen nicht fpanifch,” fagen fie felber, wir fprechen caftilianifh.

Aber vorbei mir tragen feine Echuld, daß unfer Fuß die Reliquien der Erfchlagenen ſchaͤndet, der Fanatismus that ed, und Mephifto, der nun einmal feinen Spaß daran hat Glauben und Un- glauben in ber Welt durcheinander zu fchütteln, läßt in ber einen Ede unferes Fleinen Ameifenhaufeng, den wir bie Erde nennen, verehren, was an ber anderen in den Staub getreten wird.

Wir fangen fchon an, die äußeren Gärten zu erreichen, was für ein wunderlicher zierlicher Weih⸗ nachtöbaum, der über die Mauer ſchaut gerad» ablaufend, fo egal, als ob fie mit Zirkel und Hori⸗ zontalwage gefeßt wären, ftehen bie Zweige baran Mnaus, und die Krone fteigt fein und ſcharf abge- fhnitten aus den breiten federartigen Armen empor. Das ift eine Rorfolktanne, wie fie hier genannt wers den, denn ber Baum kommt von einer Kleinen Infel

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unfern ber auftralifchen Küfte, einer jebigen Verbre⸗ chercolonie, und wirb hier,; feiner ungemeinen Zier⸗ lichfeit wegen, gern in den Gärten angepflanzt und enorm bezahlt. Ein junger Baum von zehn bie zwölf Fuß Höhe fol oft mit acht und mehr Ungen gefauft werben.

Ein anderer, bei und in Treibhäufern ziemlich häufig gezogener Stod, die Camelia fcheint hier eben; falls förmliche Summen zu foiten; die Damen tragen bie Blumen zum Echmud im Haar, und zahlen für eine einzelne zwei bis drei Tollar, während ein ſchöner Camelienſtock vol Blüthen und Blumen ebenfall6 mit fünf bis fech8 Unzgen 80 —90 Dollar verfauft wird eine enorme Eumme für einen Ylumenitod.

An und vorbei gehen ein paar in groben ſchwarzen Mollenftoff gefleidete Srauen, eine eben ſolche Kapute oder ein Tuch, über den Kopf geworfen, daß faum bie dunfeln feurigen Augen Darunter fichtbar werten aber die Hand die den groben wollenen Stoff ven unter dem Kinn zufammenhält, ift von blendender Weije und mit edlen Eteinen bejegte Ringe funfeln daran Und könnten das Büßerinnen feyn.

Nein, das fit die Kirchentracht der senoras uml senoritas der Etabt, die noch vor einigen Jahren einen folhen Schmuck und Schauputz mit riefigen Kaͤmmea und koſtbaren Echleiern und Spitzen zur Kirche trugen.

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baß ſich die frommen Väter bewogen fühlten ſie zu einer bejcheidenen Tracht zu nöthigen, und wenn ich irgend etwas in der Welt nachahmungswerth gefunden habe, fo ift es dieß. Weßhalb geht jebt, nicht allein in einem, nein in allen Theilen ber Erde, das fchöne Geſchlecht nur zu Häufig in bie Kirche? feinen Schmuck feine Kleider zu zeigen und gefehen zu werben behauptet fo viel Ihr wollt das Gegen- theil die Sache bleibt doch wahr und fann nicht ab- geftritten werben das ſchwarze Tuch aber verbirgt Alles wie die Seelen die vor Gott gebeugt liegen und vor ihm gleich find, fo knieen bie Körper, von gleichem ſchwarzem Stoff umhüllt, in der Kirche wer dann nicht der Andacht wegen bie heilige Echwelle betritt, hat feinen Zwed verfehlt, und fann daheim bleiben.

Meint Du, lieber Leſer? aber Du inf benn manches Rendezvous wird noch, felbft unter ber ſchwarzen Hülle, in ber Kirche gegeben, Doch bag ändert auch die Tracht nicht und wenn fie in Sadleinwand gingen, das Herz fchlägt ja Doch darunter.

Wir nähern und hier einem feinen Bergwafler, das bie Stadt, wenigftend den oberen Theil derjelben durchſtrömt und hier in einem gemauerten Canal feinem Ausflug, der See, zugeführt wurde. Kleine niedere Hütten faſſen die eine Uferfeite ein, und bie

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Familien figen draußen vor der Thür und trinfen ihren Kaffe. Doc die Familien nicht allein ſehen fih Hier zu Tiſch, fondern dieß find auch, wie «6 fcheint, Kaffeeftände für die in die Etadt fommenden Guaſſos und Farmer. Mit den Pferden halten fe an dabei, und laffen ſich die Taffe hinaufreichen ober fteigen ab und rüden den ſchmalen Seflel, ben Zügd babei nicht aus der Hand laffend zum niederen mit bunten Dampfenden Kannen und Taſſen befeßten Tiſch Und felbft diefe ärmlichſten Stände verrathen meh Reinlichkeit al8 jene Hütten der Pampas mit ihre wohl gaftlichen- aber für den Fremden entjeglichen . Bombilla,

Noch ein Feines Etüd weiter hinaus hören hie Häufer auf und einzelne Gärten begrenzen bie Siakt ein Schwarm von Kettengefangenen beginn hier die Straßen zu fegen fie find an Hund unt Fuß mit einer dünnen Kette gefchloffen, und ren Eoldaten bewacht; auch findet man unter ihnen bw und da wohl eine richtige Galgenphyliognomie der man ed, ohne langes Studieren anfieht, wie ® unter ber Kette, fchen wieder auf neue Unthalen brütet. Zwiſchen dieſen aber fchreitet auch Kal und veräcdhtlich unter der Kette, ein wohlhabenit Guaſſo, deſſen Hand in heftigem Zanf mit dem Rab bar, ber alten Eitte gedenfend, und ber num

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ergefiend, nach dem Meffer zuckte, und ber fein fchlechtes jebächtniß mit vierzehn Tagen Kettenſtrafe büßen mpte. Das Geſetz kannte feinen Unterfchieb und ezt licht das rauhe Eifen gar traurig gegen ben inen blauen Poncho, die weiße Wäfche und ben eftichten Unterärmel des Gefangenen ab, deſſen Hand un ben Befen führt, die Straßen der Stabt rein ı halten, Durch Die er fonft auf fhäumendem muthigem ‚hier dahingefprengt wäre. Trobig begegnet er abei dem Blick bed Borübergehenden und er lacht venn fein Blid auf die Kette fällt er weiß bie Stunde feiner Erlöfung fchlägt bald wieder, und er t dann fo geachtet als früher, denn die Kettenftrafe hänbete ihn nidht.

Das Geſetz fcheint mit dieſer Etrafe ziemlich flinf ei der Hand zu feyn, und felbit Ausländer finden ch gar nicht felten unter diefen „Sträflingen“ unter men ſchon Sranzofen, Engländer und Amerifaner m Handſchmuck trugen, nur die Deutfchen find bie st ſtolz darauf, daß von ihren Landsleuten noch iner dieſem Geſetz verfallen gewefen.

Nur noch wenige hundert Echritt weiter oben, made an jenem freundlichen Gärtchen vorbei, in Dem ie Pfirfiche fo reizend blühen, fommt der Bach aus m Bergen und fpringt fchäumend über Felsgeſtein nb Kiefel fort. Das klare Wafler blist und funfelt

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aber wirflih über eine Maſſe goldichimmernten Glimmer hin, ber bier mit dem fchwereren Sanbe aufgewafchen, diefen an manchen Etellen oft ſchichten⸗ weis bededt.

Man erzählt ſich hier daß von einem nach Cali⸗ fornien beftimmten Schiff mehre Golbdurftige in bie Berge gemwandert feyen, bie Gegend um Balparaiie fennen zu lernen, und an biefen Ölimmer gekommen wären, den ſie augenblidlich für wirfliche® Golt ge halten und in ihren Tafchentüchern eine ganze Cum tität in Todesangſt dabei entdedt zu werden, au Bord gefchleppt hätten. Die Leute waren faum pa überzeugen daß ſie eben nur Glimmer gefunden, une wollten ſchon Californien aufgeben und in Cbile bleiben, bis jie fpäter ihren Irrthum doch wirllic einfahen.

Ehile ijt übrigend ebenfalld goldreich und vet die nüchiten Hügel müflen das edle Metall enthalten, ba nach heftigem Regen die armen Leute ſogar in den Etragen, nächſt zu den Hügeln, Gold waichen und etwa einen halben Tollar Tagelohn Dabei verbienm folen. In den Gordilleren liegen noch reiche Scux begraben, deren Enthüllung fpäteren enerarienn vorbehalten bleibt. Die Minenipekulation bildet ad auch ſchon jegt einen Hauptzweig des hieñgen Ge ſchaͤfts und Mancher iſt durch einen glüdlichen Bar

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über Nacht zum reichen Mann geworden, während Andere mühfam und unermüblid Dollar nad) Dollar in Schachte und Stollen warfen und endlich fehen mußten wie Die unerbittlichen Schlünde auch das Letzte erbarmungslos verfchlangen.

Doch wir kehren zurüd. In den Straßen ift es jeßt ſchon lebhafter geworden, und dort brüben, über dem Canal fcheint fogar ein Wettrennen zu feyn nein, nur die Pferde werden geübt zu dem, den Ehilenen eigenen Anfprung beim Rennen, und eine Maſſe von Zufchauern hat fich darum verfam, melt, mit anzufehen was für Fortfchritte Die gelchrigen Thiere machen werben.

Diefer Anfprung beim Wettrennen der Pferde ift hier befonders wichtig, da bei fehr furzen Dijtancen die hier gebräuchlich find oft der ganze Vortheil allein vom erften Sprunge abhängt bie Chilenen ges wöhnen deßhalb ihre Pferde zu dieſem Zweck fchon in die Stellung des Sprungs, bie Vorderhufe dicht vor die Hinterhufe, wie eine Ziege faft, die oben auf einem Steine fteht, und mit dem gegebenen Wort, bem üblichen Zeichen zum Ablauf ift ſchon der ganze Körper der Thiere, wie die gefpannte Eenne bed Bogens, zum Borfchnellen bereit und gerichtet.

Die chilenifchen Pferde find eine nicht ſehr große, aber Kräftige und lebendige Race und beſonders zäh

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im Aushalten. Der Chilene galoppirt faſt ſiets, doch nicht in einem fo wilden Garriere wie ber Av gentiner, und er fcheint auch feine Thiere mehr mu fchonen und beffer zu füttern, als jener.

Der Laffo fehlt aber auch hier felten am Cattd eines Guaſſo, wie bie Lanbleute genannt werten, und fchon die Fleinften Kinder fangen an, ſich im Gebrauch deffelben zu üben. Jungen von kaum vier ‚und fünf Jahren laufen in den Straßen mit Fleinen, aus Bindfaden felber angefertigten Laſſos herum, und werfen und fangen damit Hühner und kleine Hunde, bis fie ed einmal einem größeren um ten Hals fchleudern und diefer, der faum eine Edhling am Naden fühlt, erfchredt mit bem Laflo und mand mal auch noch eine Etrede mit dem Jungen daran, fortläuft.

Wie alle Thiere nämlich in den Ländern, in denen der Laſſo im Gebrauch ift, diefe für fie fo furde bare Waffe kennen und fürchten, fo haben aud bier vorzüglich Die Hunde, die befondere von ibm beirit find, eine fehr heilfame Angft, wenn fie nur m Seil gefbwungen, ja nur die Bewegung bes Ari feben, und ich mußte dabei immer wieber bet era Morgens gedenken, ben ich in Balparaifo mit me nem rothen, ober doch reich mit roth burdhwirfies Poncho fpazieren ging. Nirgend in einer Etatt Mt

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Belt gibt es aber, glaub’ ich, mehr Hunde in den traßen als in Balparaifo, und Hunde von fo toll nb bunt durcheinander gemifchten Racen, daß man m ganzen Tag zwilchen ihnen herumlaufen fann, und icht zwei ähnliche findet. Einer von diefen hatte faum, ı dem ungewohnten Roth etwas befonderes entdeckend, m Alarm gegeben, als fie auch von allen Seiten rbeiftrömten und ich mich in faum einer halben Mi- ute von mehreren Dugend großer und Heiner Kläffer droht ſah, die am Ende auch mehr gethan hätten, 6 nur zu bellen, da noch dazu ihre Zahl in jedem ugenblid zu wachſen fchien, ald nur einfach einer ber ichiten Peons zwifchen fie trat und den rechten Arm n paarmal um feinen Kopf ſchwang. Er hatte ihn ver noch nicht zum drittenmal herum, als es wie n panifcher Schreden zwiſchen die ganze Echaar m, und ben Schwanz zwilchen die Beine nehmen id die Straße hinunter pirfchen, als ob ber böfe eind hinter ihnen fey, war eind. Ja die Hunde gar, Die ihnen unterwegs begegneten, ſchienen ges wm zu wiflen, was vorgegangen wäre, und folgten, igenblidlich mit umkehrend, dem Beifpiel der Fluͤch⸗ gen, ohne fich auch nur einmal nach der Urjache ldher Eile zu erkundigen.

Heute folte mir die Löfung des damaligen Räth- He werben, benn ich fah einen etwas ruppig aus⸗

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fchauenden Gefellen, in einem abgetragenen ber langfam in fo früher Morgenftunde bur Etraßen ritt, und ben in ber Hand bereit gehal Laflo vorfihtig, fo viel das gehen wollte, mit Poncho zu deden fuchte. Er fah ſich weder noh links um, und felbft das Pferd fchien Gleichgültigkeit zu theilen, und ließ den Kopf, dann und wann einmal eine Fliege abichüt läffig Hängen. Mehrere Hunde waren in ber ! fie mußten den Mann mit dem alten blauen P aber fennen, denn fie ließen plöglich das, wor genagt, im Stich, und gingen langfam, mit dem Echwanz, um die nächite Ede, faum abe Eiht war es plöglich, als ob fie neues Lebe wännen, und wäre der grimmigjte Feind hinter geweſen, fie hätten nicht fchärfer laufen können

Der Mann mit dem alten Poncho ſah ſich gar nicht nach ihnen um, aud dad Pferd nicht die mindefte Notiz von ihnen, und ein fr Hund, der zum Befuch heut Morgen wahrid« in bie Etadt gefommen war, blidte mißtrauiid hinter den davon gelaufenen Kameraden ber, dann dem Mann entgegen, der mitten in ber heraufritt. Diefer war etwa neh dreißig &c entfernt, und fchien in ber That im Eattd ı fchlafen zu feyn; nur das Pferd fpigte, ale es

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Hunde näher und näher kam, langfam das linke Chr aber nur das Iinfe, denn ber Hund Rand an ber rechten Seite.

Jetzt waren beide bis in etwa zehn Echritte heran- gefommen, und befanden fi dem Hund beinahe ge- genüber in der Straße diefer, der wohl nirgends etwas verbäcdhtiged entbeden fonnte, dem aber Doch die ganze Stille in der Etraße und auch vielleicht das faft zu friedliche Ausfehen des Mannes nicht gefallen haben mochte, Hatte eben den Knochen wie- der aufgehoben und wollte ihn lieber mit fich fort, nach einem beffer befannten Drte nehmen, als die erfte Bewegung bed Reiters feine Aufmerkfamfeit blißesfchnell anzog. Diefe Bewegung des erft fo läfligen Mannes zu Pferd mar aber nichts geringeres ald dag Em- porfahren des rechten Armed, und im nächſten Mo- ment wirbelte ſchon die gefürdhtete Edhlinge in ber Luft. Den Knochen fallen laffen und fliehen, war natürlich der erfte Gedanke, aber das arme beftürzte Thier rannte im erften Anfturz erfchredt gegen bie Häufer an, und ed war audy überhaupt zu fpät das erft fo fihläfrige Pferd fprang mit gefpigten Ch ven nach vorne, ber Reiter bog fich im Eattel vor der Lafio flog in berfelben Eecunte fait warf fh das Pferd auf den Hinterbeinen berum, und gleich Darauf fprengte der Reiter, den armen, nur

384 zu ficher geworfenen Hund in dem Laſſo hängent, hinter ſich her fchleifend, die Etraße nieder.

Galoppiren darf aber nur bie Polizei ober ein Arzt in den Etraßen ber Etadt. Jeder Andere, ba ed dennoch verfuchen follte, wird augenblicklich von ben faft an allen Eden zu Pferd haltenden Tienem ber Gerechtigkeit angehalten umb abgeführt, feine Etrafe zu zahlen.

Dieß Gefeb hat übrigens befonders eine Mn fchenklaffe in Balparaifo ſchon ſchwer geärgert, und das find die „Balifornier* jene Waffen von Aus wanderern, bie mit ihren Echiffen hier auf zwei ober drei Wochen anlegen, Erfrifchungen einzunehmen, und nun, um einmal die an Bord eingeichrumpiten Glie ber wieder ordentlich zu ftreden, augenblidlich Pierde nehmen und in Die Berge wollen. Aber langiım dabei reiten fällt ihnen gar nicht ein, „Drei und vier Knoten loggen” das haben fie an Bord gehabt, neun und zehn muß c8 gehen und ein paar von den großen hilenifhen Eporen müflen fie ebenfalls haben, 8:4 Pferd ordentlih in Bang zu bringen. Dieſe liegen nun mit den Molizeidienern fortwährend in Halt, wobei fie ſtets den fürzern ziehen, und müflen nidt felten noch obendrein Strafen und jedesmal weniy ftend die Kojten bezahlen.

Die Amerikaner befonders find rein toll auf Id

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©aloppiren und Geftalten fommen dabei manchmal an, bie zu Fomifch ausfehen. Co war auch in biefen Tagen ein Schiff von Baltimore eingelaufen und vier von ben Paflagieren hatten natürlich nichts Eiligeres zu thun ald einen »Livery stable,« wie fie überall in ben Straßen angezeigt find, aufzufuchen und bie gemietheten Thiere zu befteigen. Der Vermiether fagte ihnen nun dabei allerdings, daß fie durch bie Stadt niit galoppiren dürften, fie hielten das aber für eine von feinen Finten, bie Thiere fo viel ale möglich zu ſchonen, und festen, gleih vom Stalle ab, im Öalopp an. Sie waren noch nicht bie zweite Ede paſſirt, als fchon der Ruf der Polizeibeamten an ihre Ohren drang, und bei dreien von ihnen fchienen Diefen auch die Pferde felber fo gut zu fen nen, baß fie troß Eporn und Peitfche anhielten und nicht weiter wollten; ber vierte aber, ber ein ziemlich muntere® unb noch frifches Pferd ritt und daheim in ben „grünen Bergen“ wohl manchen Eonnabend Abend fein Pferd abgehegt hatte, glaubte auch hier von diefen „Epanjolen” nichts zu fürchten zu brauchen, ſah fih nur einmal verächtlih nach ihnen um, ges brauchte Eporen und Beitfche, und flog mehr ale er ritt die Etraße hinunter. Ihm auf dem Yuße folgte aber ber Poligeimann und verfuchte erſt ihn mit dem eignen Thier zu überholen, ba er jebody Gerkäder, Reifen. 1. 17 25

386 bald fand, daß er, obgleih nur kurze Etxede ren dem Flüchtigen entfernt, doch nichts an ihn gewin⸗ nen fonnte, ja eher noch verlor und näher und näher zu den Grenzen des Weichbildes fam, löste er ruhig ben Laſſo von feinem Eattel, ſchwang ihn zweimal um ben Kopf und im naͤchſten Augenblid lag ber aufs Aeußerſte erfiaunte Yankee mit zufammenge fhnürten Armen und betäubt von dem rafchen Erun, im Etaub der Straße, indem er nur wieber zu fich fam, einige Tollar und fo und fo viele Reale Strafe zu zahlen.

Außer den Pferden hat man übrigen® auch ned in ber Stadt die Bequemlichkeit der Droſchken. ur ihre Beſpannung iſt eigenthümlich fie fahren mi Pferde eines und zwar das Handpferb auf uniar gewöhnliche Art angeſchirrt, das Eattelpferb ak, das ber Kutfcher auch reitet, nur am breiten Zane: gurt angehangen, und felbit dieſes gewöhnlich mil dem Laſſo hinten befeftigt.

Eo früh e8 auch am Tage feyn mag, wenn mu durch die Straßen Valparaifos geht, hört man Int ſchon Muſik die Töne der Guitarre jchallen hüll hier bald da aus einem Haus heraus, und Geianz begleitet fie faft ftetd. Der Chilene it überbumt fröhlich und gefellig, und möchte ih mir je ein iren bes Land zu einer neuen Heimath wählen, ſo wirt ed, beionderd aus diefem Grunde, Chile.

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Die Amerikaner wie Engländer fo gaftlich und utmüthig in fich felber fie auch feyn mögen, find falt nd abgefchlofien, der Fremde muß ihnen vor allen Yingen erft vorgeftellt feyn und nachher hält es och unendlich ſchwer, ja ſcheint in manchen Fällen gar gänzlich unmöglich, daß er fich freundlid an m anſchlöße er bleibt auf feine eigene Yamilie efchränft und was wir daheim unter Gefelligfeit erftehen, ift ibm er mag fo viele Beſuche bei en Nachbarn machen, wie er will, fremd. Der hilene dagegen kommt gerade dem Fremden ftetd serft freundlich entgegen, und unter ſich felber gibt 3 wohl kaum, wenigftend was ich Davon gefehen abe, ein gemüthlicheres und fröhlicheres Völkchen.

Eo blieb von der Reform, wie ich fchon erwähnt abe, ein Paflagier, der Dr. von Bibra, in Vals araifo und miethete ſich in einem ber kleinen Häufer er Etadt, bei einer chilenischen Familie ein, kaum yar er aber zwei Tage in feinem Logis, und bie tachbarn hatten erfahren, daß er ein Fremder hier ı der Stadt und ein ordentlicher Mann fey, als er uch ſchon von einer benachbarten Yamilie eine Ein- bung befam, fie zu befuchen und bei ihnen zu thun, als ob er zu Haufe wäre.” In welchem anderen Yanbe ber Welt wäre das in einer Stadt ben Rachbarnn eingefallen.

Mit dieſem ganz correfpondirend iſt ihre Leiten [haft für Muſik ich glaube nit, daß es ein Haus in Ehile gibt, in dem nicht wenigftens eine Guitarre gefpielt würde und Gefang und Tarny ge hören zu ihren Hauptbeluftigungen. Bei etwas Neuen find fie dann gerade fo, wie wir anderen Eterblichen und fo fiel denn bier einmal vor mehren Jahren ein armer beuticher Leierfaftenmann in eine mahre Gold grube hinein. Es war ber erſte Leierfaften, ber nad Balparaifo und fehr wahricheinlicherweife auch an das Ufer bes ftillen Meeres (das von diefem Augenblid an nicht mehr den Ramen bes ftillen verdiene) gefommen war, und ald er am erften Morgen in alter Weife durch die Etraßen zog, feine ſechs Lieder abzuorgeln, fand er ſich höchft angenehm überraikt glei) in das erfte Haus und in eine jehr weis habende Familie gerufen zu werben, wo er jeim Lieder abfpielen mußte und jtatt eines erwarten Real drei oder vier fpanifche Tollars befam. Ta Mann glaubte er träumte, oder hätte einen Zauber bann entdedt, mit dem er Schaͤtze aus ber Erde heraufbannen fünnte; das aber war nur ber Anianz befien, was ihn erwartete. Wo er feine Orgel nm hören ließ wurde nad) ihm geichidt, und er kehre ben erften Abend mit einer Laft Tollare nad) Hut zurück, wie er fie noch nie zufammen auf einem dled

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efehen Hatte. Der zweite Tag erwies ſich als noch effer, wie ber erſte die Drehorgel bildete das Stadtgefpräch und ber Künftler war ber gefuchtefte Rann, ber fich in einigen Monaten ein förmliches 3ermögen erorgelt hatte. Nun fing fein Inftrument llerdings an etwas gemwöhnliched zu werden, mit em Reiz der Neuheit fanf auch fein Honorar, bie eute fingen an einzufehen daß man das Ding eben ur zu drehen brauche, aber er hatte fein Echäfchen n Trodenen, und überließ bald darauf die Orgel inem Landsmann, um felber in fein Vaterland als reicher Mann” zurüdzufehren.

Die Zeit der Drehorgeln ift aber in Balparaifo orüber d. h. fie hat ordentlich angefangen, denn Irgeln fieht man genug, nur die Dreher befommen eine Dollare mehr dafür ihr Stern ift gefunfen.

Wir find jegt wieder im Herzen der Stadt, ber !andung gerade gegemüber.

Wie dad da von Menfchen wimmelt und herüber ınd hinüber drängt eben find aber auch wieder wei Ausmwanbererfchiffe für Californien eingetroffen nd die Paflagiere haben zum erftenmal das fefte Rand betreten, während von jenem englifchen Kriege- ſchiff, an beffen Hed. ber Pennant flattert, ebenfalls wei Boote an Land kamen, Kohlen herüber zu fhaffen und die Mannfchaft nur noch des Dfficiers

harrt, wieder an Borb zurüdzufehten. Die Lee haben fi) aber „Grog“ zu verichaffen gewußt, und von einer bicht gedrängten Mafle von Peons und Fremden umftanden, fangen fie an fich untereim ander zu prügeln und zu boren zwei liegen ſchen mit blutigen Naſen und gefchwollenen Augen am Boden, ald militärifche Muſik die Straße berabtöme und die Unruhftifter, die doch nicht wiſſen, wie ihnen ber hier am Etrande begonnene Skandal angerechnet werben möchte rafch ihr Boot zu gewinnen fuchen.

Die Bewußtlofen wurden aufgegriffen und be Mannichaft fuchte aus dem fie umdrängenden Knaͤul von Menfchen binauszufommen, bie Chilenen aber, denen das Komiſche folcher Flucht bald in die Augen fiel, lachten in ihrer gemüthlichen Weife über die ſchnell verträglichen Matrofen, die in dieſem Auges blick an feine Feindfeligfeit untereinander mehr w denfen fchienen. Jack aber, leicht beleidigt, nabe das übel, und wenn er jet auch gerade feine Ju hatte, verfchob ers auf ein andermal. Am Vord it Bootes wartete übrigens ſchon ein kleiner winzige Midfhipman auf die Leute, und trieb fie an hinumm zu fommen, bie von Rum und Echlägen noch % täubten wurden alfo, ohne viel Umftände, die Trepn hinunter gerollt und unter die Thwarts ins ee geworfen, die Mannfchaft fprang raſch nah wat

391 fieß, unter dem Hohngelächter der Chilenen und auch wohl eined Theil der fremden PBaflagiere, vom Sand ab.

Das Boot hatte aber, wie fchon erwähnt, Stein- fohlen ans Ufer gebracht, und von dieſen waren noch eine Menge Stüden zurüf im Boden beffelben liegen geblieben, bie von ben Seeleuten jetzt als einzige und vortrefflihe Waffe aufgegriffen und raſch und mit vortrefflicher Wirkung gegen den an ber Landung Dicht gedrängt ftehenden Menichenfchwarm, ber ſich ſolchen Angriffs gar nicht verfehen, gebraucht wurben. Im Nu ftob Alles auseinander, denn die ſchweren eigen Kohlen fielen hageldicht, und die Matrofen gaben in allem Uebermuth fchon, nach ihrer gewöhn- lichen Art, drei »cheers« oder Hurrahs. Das Blatt follte fich aber raſch wenden, denn ihre Munition mußte bald erichöpft feyn, während die Beons, Gleis ches mit Bleichem zu vergelten, nad) benachbarten Steinhaufen eilten und jegt nach dem faum zwanzig Echritt entfernten Boot, in dem die Matrofen, nun freilich aber doch etwas zu fpät, zu den Rudern griffen, hinüber warfen.

Der Heine Midfhipman hatte fih im Anfang, als nur vom Boot aus mit Kohlen bombardirt wurde, ungemein über das beftürzte Zurüddrängen ber „Lands lubbers“ amüfirt, ald ſich aber die Sache umgelehrt

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harrt, wieder an Bord zuruͤckzukehren. Die Leite haben fich aber „Grog“ zu verichaffen gewußt, und von einer bicht gedrängten Mafle von Peons und Fremben umftanden, fangen fie an ſich untereim ander zu prügeln und zu boren zwei liegen fchen mit blutigen Naſen und gefchiwollenen Augen am Boden, als militärifche Muflf die Straße herabtoͤme und die Unruhftifter, die doch nicht wiflen, wie ihnen ber hier am Strande begonnene Skandal angeredne werben möchte rafch ihr Boot zu gewinnen fuchen.

Die Bewußtlofen wurden aufgegriffen und be Mannichaft fuchte aus dem fie umdrängenden Knaͤul von Menfchen hinauszufommen, bie Ehilenen aber, denen das Komifche folder Flucht bald in die Auge fiel, lachten in ihrer gemüthlichen Weile über De | ſchnell verträglichen Matrofen, die in dieſem Auges blick an feine Seindfeligfeit untereinander mehr = denfen fchienen. Jack aber, leicht beleidigt, nabe das übel, und wenn er jebt auch gerabe feine Ju hatte, verfchob er& auf ein andermal. Am Vord Int Boote wartete übrigens ſchon ein Fleiner winzige Midſhipman auf die Leute, und trieb fie an hinumm zu fommen, bie von Rum und Schlägen ne& W täubten wurben alfo, ohne viel Umflände, Die Tran hinunter gerollt und unter die Thwarts ins Alec geworfen, die Mannfchaft fprang raſch nah ul

391 fieß, unter dem Hohngelädhter der Ehilenen und audy wohl eines Theild der fremden PBaflagiere, vom Land ab,

Das Boot hatte aber, wie fchon erwähnt, Stein- kohlen and Ufer gebracht, und von dieſen waren noch eine Menge Stüden zurüd im Boden beffelben liegen geblieben, die von den Seeleuten jebt ald einzige und vortreffliche Waffe aufgegriffen und raſch und mit vortrefflicher Wirkung gegen den an der Landung Dicht gedrängt ftehenden Menſchenſchwarm, der fich folden Angriffs gar nicht verfehen, gebraucht wurben. Im Nu flob Alles auseinander, denn bie ſchweren edigen Kohlen fielen hageldicht, und die Matrofen gaben in allem Uebermuth fchon, nach ihrer gewöhn- lichen Art, drei »cheers« oder Hurrahs. Das Blatt follte fi) aber vafch wenden, denn ihre Munition mußte bald erfchöpft feyn, während die Beons, Glei⸗ ches mit Gleichem zu vergelten, nach benachbarten Steinhaufen eilten und jept nad) dem faum zwanzig Echritt entfernten Boot, in dem die Matrofen, nun freilih aber doch etwas zu fpät, zu den Ruben griffen, hinüber warfen.

Der Heine Midfhipman hatte fi) im Anfang, als nur vom Boot aus mit Kohlen bombardirt wurde, ungemein über das bejtürzte Zurüddrängen ber „Lands lubbers“ amüfirt, als fi) aber die Sache umgelehrt

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harrt, wieder an Borb zurüdzufehren. Die Lee haben fich aber „Grog“ zu verfchaffen gewußt, unb von einer dicht gedrängten Mafle von Peons unb Fremden umftanden, fangen fie an fich untereim ander zu prügeln und zu boren zwei liegen fdhen mit blutigen Nafen und gefchwollenen Augen am Boden, ald militärifche Muſik die Straße herabtoͤne und die Unruhftifter, die doch nicht willen, wie ihnen ber hier am Strande begonnene Skandal angerechnet werben möchte rafch ihr Boot zu gewinnen fuden.

Die Bemwußtlofen wurden aufgegriffen und bie Mannichaft fuchte aus dem fie umdrängenden Knaͤul von Menfchen hinauszufommen, die Ehilenen aber, denen das Komiſche folcher Flucht bald in Die Auge fiel, lachten in ihrer gemüthlichen Weiſe über tu ſchnell verträglichen Matrofen, die in dieſem Auges blick an feine Yeinbfeligfeit untereinander mehr w benfen fchienen. Jack aber, leicht beleidigt, nabe das übel, und wenn er jebt auch gerate feine Zeu hatte, verfchob ers auf ein andermal. Am Lord Int Boote wartete übrigens fchon ein Heiner winzige Midfhipman auf die Leute, und trieb fie an hinume zu fommen, die von Rum und Echlägen nech % täubten wurden alfo, ohne viel Umflände, Die Iren hinunter gerollt und unter die Thwarts ins Are geworfen, die Mannſchaft fprang raſch nad we

391 ftieß, unter dem Hohngelächter der Chilenen und auch wohl eines Theild der fremden PBaflagiere, vom Sand ab.

Das Boot hatte aber, wie ſchon erwähnt, Stein- kohlen ans Ufer gebracht, und von biefen waren noch eine Menge Stüden zurüd im Boden beffelben liegen geblieben, die von den Seeleuten jeßt ald einzige und vortrefflihe Waffe aufgegriffen und raſch und mit vortrefflicher Wirkung gegen ben an ber Landung dicht gedrängt ftehenden Menjchenfchwarm, der fich ſolchen Angriffs gar nicht verfehen, gebraucht wurben. Im Nu ftob Alles auseinander, denn die ſchweren eigen Kohlen fielen Hageldicht, und bie Matrofen gaben in allem Uebermuth fchon, nach ihrer gewöhn- lihen Art, drei »cheers« oder Hurrahs. Das Blatt foltte fich aber rafch wenden, denn ihre Munition mußte bald erichöpft feyn, während die Beons, Glei⸗ ches mit Gleichem zu vergelten, nad) benachbarten Steinhaufen eilten und jegt nach dem faum zwanzig Schritt entfernten Boot, in dem die Matrofen, nun freilich aber doch etwas zu fpät, zu den Rudern griffen, hinüber warfen.

Der Heine Midfhipman hatte fi im Anfang, als nur vom Boot aus mit Kohlen bombardirt wurbe, ungemein über das beitürzte Zurüdbrängen der „Land- lubbers“ amüfirt, als ſich aber die Sache umgelehrt

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geftaltete, und die Steine ihm ein paarmal dicht am Kopf vorbeifurrten, fing er doch an um feine eigene Haut beforgt zu werden, und bdrüdte ſich jet vor fichtig hinter einen breitfchulterigen Bootsmann, ber hochaufgerichtet und trogig, bie niebere mit fraufem hartem Haar begrenzte Stimm dem Feinde zukehrend, vorn im Boote ftand, und mit Wort, Dlid und drohender Geberde die fortwährend lachenden, aber nicht8 deſtoweniger fcharf dabei herüber werfenben Gegner herauszufordern fchien.

Das Boot begann indefien dem Waſſer Wider ftand zu bieten und eine halbe Minute fpäter wäre es den Würfen entrüdt geweien, hätte nicht ein Ruf des Bootsmanns felber, die Ruder eingehalten, benz durch die Peons an der Landung draͤngte fich in dieſem Augenblid einer ihrer Leute, ber, ziemlid angetrunfen, in der Verwirrung bed erften Moment zurüdgelaffen war und jebt, als er faum fah, wie ſich das Boot ſchon wohl vierzig Schritt von der Landung entfernt befand, ohne weitere® von ber Balken des Landungsgerüftee ab, in Eee ſprang. Zuerft unterbrach dad nun zwar das Werien int Peons nicht im mindeften, denn fie merften, daß fie das Boot dadurch deito länger in Wurfsnaͤhe be hielten, und den troßigen und kecken Bootsmam batte noch feiner von ihnen ordentlich getroffen, glei

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darauf fahen fie aber auch, daß der Schwimmenbe dem, was er unternommen, nicht gewachfen fey und wahrfcheinlich von Rum oder Agua ardıente betäubt, nicht einmal mehr die Richtung des Bootes hielt und fi) im Kreife herumbdrehte. Zuerft lachten fie | darüber, aber dee Mann fing an zu finfen, und bewegte nur noch mechanifh Arın und Beine das Waſſer ſchlug ihm ſchon über dem Kopf zufammen, und er mußte, wenn er nicht Huülfe befam, rettunge- los finfen.

Die im Boot bemerften jest ebenfalls die: Ges fahr des Kameraden und fuchten, fo rafch fie fonn- ten, daſſelbe wieder zurüdzubringen, während zwei ber gutmüthigen Chilenen gleichfal8 in ein Boot fprangen und dem Ertrinfenden zuruderten. Es war die höchfte Zeit, denn eben, als beide Yahrzeuge zus fammentrafen und nach dem fchon Bemwußtlofen griffen, fanf er zum brittienmale und wäre nicht mehr nach oben gefommen, fo aber erfaßten fie noch fein wol lenes Hemd, hoben ihn an die Oberfläche und über den Rand ber Barkafje, und während die Leute bes man of war fich jest ernftlich in die Riemen legten, zu ihrem Echiff zu rudern, kehrten die Ehilenen an’e Land zurüd und ber Kampf war aufgehoben.

Die Leute am Land hatten jetzt aber auch in ber That mehr zu thun, als fi) um trunfene Matrojen

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zu kümmern, denn die Militärmuflf war inbeflen den Pla paflirt und zog fich die Straße hinunter dem Leuchttfurm zu, wo heute eine Art Borfeier, gewiffermaßen eine Uebung zu ben eitlichkeiten bes Septembers, dem Befreiungstag vom fpanifchen Joche, ftattfinden follte. Alles drängte dorthin, und die eben angefommenen Fremden hatten natürlich nichts Ber ſeres zu thun, al& dem allgemeinen Zuge zu folgen.

Die blau, roth und weiße chilenifche Ylagge mit den beiden aufftehenden Guanakas flatterte Iuftig im Wind, und die weißgefleideten Bürgerfoldaten mar fhirten, nad) einer guten Militärmuftf, mit ihrem Geſchuͤtz, von einer zahlreihen Maſſe Neugierig theils begleitet, theild gefolgt, die fchlängelnden Gaͤnge bes Berges hinauf. Oben auf dem Berg waren aber fhen, in Erwartung der vielen Gaͤſte, Buben un Zelte aufgefchlagen und Bier und Wein, agus ar- diente und Limonade wurde ausgefchenft und Arüdt, Eßwaaren und »dulces« ftanden überall zum Verlar aus. Das Bürgermilitär manövrirte indeflen mm flingendem Epiel, und die Schaaren der Zuſchaum fammelten ſich theilweife um ben Zelten, nach vs warmen Marich bergauf, Die trodenen Kehlen = erfrifchen,, oder lagerte in einzelnen bunten Grupes an ben wohl fahlen, aber grünen Hängen uml. theild ihre Aufmerffamfeit dem Militär, theile ut

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dem Meere zumendend, das fich hier nach Süden, Weften und Rorden hin frei ihren Blicken ausbreis tete, und hie und da weißbligende, dem Hafen zus firebenbe oder die weite See fuchende Segel erfen- nen ließ. |

Zwifchen diefen herum, in bie dichteften Grup⸗ pen, ja in die Zelte und Gebäude hinein, als ob ihre Thiere forgfältig gepolfterte Hufe und nicht eifen- hartes Horn trügen, fprengten die guassos, hier mit einem gefundenen Freunde lachend und erzählend, dort von einem Anderen das Glas nehmend und galant auf dad Wohl der nächiten Damen trinfend, die Pferde felber aber, fchon gewohnt des Umgangs mit Menfchen, fchoben die klugen Köpfe, oft wie ſpie⸗ end, zwifchen bie bichteften Menfchenfnäuel hinein, aus benen fich ihr Herr einen Bekannten herausholen wollte, und hüteten fich wohl Jemanden dabei auf die Fuͤße zu treten.

Förmliche Züge von Herren und Damen, bie legteren faft fämmtlich in eleganten englifchen Reit- coftümen, oft aber auch in ber Tracht ber guasso senoritas mit den gewöhnlichen Röden und einem kurzen geſtickten Poncho übergeworfen, fehr häufig von englifchen Eeeofficieren begleitet, fprengen jept ben Berg hinauf und galoppiren Die breite, glattge- tretene Straße dem Leuchtthurm zu, ober halten ber

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erercierenden Artillerie gegenüber, deren Manöver, die Geichüge nur von Menſchen gezogen, mit zien⸗ licher Schnelligfeit und Genauigkeit ausgeführt werten.

Mitten in diefem Leben und Treiben gibt es aber auch wieder eine ziemlich bedeutende Anzahl von Menfchen, die weber die See mit ihren Segeln unt bligenden Wellen, noch die fchwanfenden Golonnen, noch die drängenden Maflen der Zufchauer, noch bie funfelnden Augen der fchönen Mädchen Balparatic'd und ich glaube faft Balparaifo hat feinen Rx men nach ihnen befommen fehen, noch das " umfchwirrende Toben, Lachen und Drängen ber Ben fchenmaffe hören oder fühlen das find die E pie ler, bie hier in freier 2uft um einen auf bloßer Erde einfach ausgebreiteten Poncho her kauern und fiehen. Theil Würfel, meift aber bie fpaniiden Karten, fefleln fie hier in der wunderfchönen Ratur, in Allem, mas ihnen ihre Umgebung Reigendes und Intereffanted zu bieten vermag, an einen traurigen Sled, und Gold und Silber liegt da, bunt und mil durcheinander gehäuft und die vieredigen, oft inhalt fchweren Würfel rollen dazwiſchen herum und lañen das Metall von einer Ede des Tuches zur anderen wandern.

Manchmal kommt auch ein luftiger guasso. va die legten Gläfer Wein, Me er bald hier ut 8

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getrunfen, auch bie lebten Sorgen und trüben ®e- banfen verfcheucht haben, mitten hineingefprengt zwi⸗ ſchen die Spieler, und während fein Pferd, das ſich erſt Bahn gefchoben, bie beiden Vorberfüße auf ben Poncho ftellt und ſich die Spielenden wieder unter und neben ihm zufammenfchließen, wirft er eine Biertel- oder eine halbe Unze auf eine Karte hinun- ter, und ſchaut, den linfen @übogen auf feinen Sattelfnopf, bie rechte Hand auf fein Knie geftügt, halb pfiffig Halb fchmunzelnd zu dem Bankhaltenden nieder.

Aber fort wir verfäumen bier oben zu viel Zeit, und unfer Weg liegt wieder. in bie Stabt hinunter. Wir wollen audy den Hauptweg dießmal vermeiden und bort die Heine Schlucht bergabfteigen, bie, wie all ihre Schweftern, von den Hügeln nad) ber Hafenbucht niederlaufend in der Stadt felber müns bet. Diefe quebradas oder Schluchten bilden deßhalb auch einen großen Theil der Stabt und faft alle bie ärmeren Hütten der Einwohner Balparaifo’8 hängen bier oft an den förmlich fteilen Wänden der Ravinen. Die Front des Haufed ruht häufig nur mit dem vorderen Ende ihrer Tragbalfen auf feitem Grund und Boden, während ſchon zwölf Echritte dahinter ein Stamm von zehn bis zwölf Buß Höhe nöthig it, ben entgegengefebten Theil deſſelben wagrecht zu halten.

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Ein Erdbeben, das diefe Stützen fehüttelte, ober ein Feuer, das vom günftigen Wind getrieben, bin aufledte an den fchroffen Echluchten, und überall

praffelnde duͤrre Nahrung fände für die gierige Zunge,

müßte von furchtbar verheerender Wirkung feyn, unt fol auch wirklih in den legten Jahren ba wieder einmal gewüthet haben.

Ein tüchtiges Erdbeben fcheint Hier überhaurt lange nicht da gewefen zu feyn, und nur einzelne fleine Stöße gefchehen manchmal, die Bewohner m mahnen, daß bie da unten gährende Kraft nicht etwa ausgetobt habe und machtlos geworden fey, ſonden nur fchlafe und zu Zeiten im Traume bie riefigen lieder ftrede.

Wunderlich genug fieht diefer Theil Nalparaiie 4 aus; Hier hängen die Häufer an ber einen Seiue ber Schlucht, fo daß es dem Beſchauer oft rer fommt, als ob fie nur mit eifernen Klammern an die Wände gefeitigt wären, während an Der anteren ein faum vor dem Abgrund geichügter ſchmaler Etez binführt dort, wo die Berge an beiden Seiten emporlaufen, drängen fich auch die Häufer mit ibnen binan, wo ed der Raum geftattet, das Hinterbaut über das Vordergebäude vorfchauend (obgleich in Ne fem Theil der Stadt die Vorderhäufer überbuupt ale wie Hinterhäufer ausfehen), und bier einmal, we

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bie Hänge zu fleil waren auch nur ein Taubenhaus daran zu bauen, eine furze Etrede weit die nadten gelben Felſen zeigend, hinter ber die Wohnſitze ber Menfchen wieder beginnen.

Hier liegen auch die meiften, von Pen Matrofen am häufigften befuchten Echenf- und Tanzhäufer, von denen zwei auf den Hauptfuppen thronen und von den Eeeleuten den bezeichnenden Namen der Vor⸗ und Maintops erhalten haben. Nach Dunkelwerden hüte man fich aber zu lange in dieſer Gegend zu weilen, oder man fönnte in ben Fall fommen, das wilde Leben in der Stabt näher fennen zu lemen, als wenige die Abficht hatten. Tirunfene Seeleute und Landlubbers, denn ber Unterfchied ift hier eben nicht groß, zwingen oft Die VBorübergehenden in einer "rauhen Gutmüthigfeit mit ihnen zu trinfen, und Zanf und Eiferfucht Haben dabei fchon manches Mefler entblößt und in warmem Herzblut getränft. Biel ein Menſch, dann fchloflen ſich raſch die Thüren und bie draußen Herumſtreifenden flüchteten bie fteilen dunk⸗ len Schluchten hinauf, dem Gefeg und feinen Unbe- quemlichfeiten zu entgehen, ber Mörder aber glitt, während die Polizeidiener bie Leiche aufhoben und dahin trugen, wo’ fie Hülfe für noch etwaiges Leben befommen fonnten, durch die dunklen Straßen ber äußeren Vorftadt hinaus, aus ber Stadt fort an

400 dad Ufer des Meered und wuſch ben Stahl unk feine Kleider vom Blute rein felten, daß er der Gerechtigkeit ein Opfer wurde.

Die Ehilenen find nicht fo blutdürftig wie bie Argentiner, aber bennoch mit ihren Meflern raich genug bei der Hand, und nur zu gemeigt eine wirl⸗ liche Beleidigung ober vielleicht auch eigene Edult in Blut auszuwafchen.

Eo fand eined Abende, gerade in ber kurzen Dämmerung dieſer füblichen Länder ein junger Mam in ber gewöhnlidden Tracht ber Landleute auf der Plaza, dicht vor ber Hauptkirche ber Etabt unt etwa vierzig Schritte von ihr entfernt, mit einer jungen Frau im eifrigen Geſpraͤch. Die Etrape mır fehr belebt, und eine Menge Leute gingen, ritter und fuhren an ihnen vorüber, als die Frau plöglid einen lauten Echrei ausftieß und zu Boden ianl, während der Mann an ber Kirche Hin eine fleim Beiftraße annahm und darin verfhwand. In ine: felben Moment faft hielt eine Drofchfe neben ke Unglüdlihen ein Herr und eine Tame ſaÿen darin, und der Herr fprang hinaus, wo möglich ned Hülfe zu bringen; als er aber das quellende Us fah, hob er die Verwundete raſch zu fi im die Droſchke, mit ihr dem nächiten Arzte zuzueilen Es war nuplos, fie ftarb, che er den Weg hal

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zurüdgelegt, aber der Mörder, obgleih man viel leicht auf den richtigen Mann Verdacht hatte, wurde nie entdedt.

So ift auch der Foretop und feine Umgebung fhon gar oft Zeuge blutiger Scenen gewefen, Doch - bie nächfte Stunde wäfcht die Erinnerung, ber naͤchſte Regen das Blut fort, und die alte Fröhlichfeit mit Tanz, Geſang und Guitarrenfpiel, wie die ſtets wech feinden Gaͤſte Iaffen feinen Gedanken an Emft und Zrübfinn auflommen in diefen Räumen.

Es bunfelt fhon was für ein Heidenlärm [halt dort drüben, wenige Häufer unter dem Fore⸗ top und dieſem fchräg gegenüber, aus bem erleuch⸗ teten, nach der Straße zu offenen Zimmer? Buls tarren und Harfentöne, die droͤhnenden Laute eines Tamburins und ein Hämmern und Klopfen, ald ob Bank und Tiſch Solo und Duetten hätten und bie Melodie eigenes Spiel des Echidfald .ein Bremer Eigarrenmacherlied in Ehile „höcher op, höcher op”: von fo wunderlichen Inftrumenten aufgeführt. Ich drängte mich in ben fchon von Menfchen gefüllten Raum, in dem ſich außer den Muficirenden zwei Parteien gebildet hatten. Jeden⸗ falls mußte hier ganz vor furzer Zeit, vielleicht gerade jest eine Prügelei flattgefunden haben, benn auf der linfen Bank lag ein englifcher Matrofe mit

Gerſtacker, Reifen. 1. 26

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total zerfchlagenem Geſicht, und feine Kameraden leerten ihm eben die Tafchen von Uhr und &elt, damit er nicht im Gebränge beftohlen würde, waͤh rend bie andere, diefen wahrfcheinlich feindliche Partei fhon wieder mit den Matrofen eine® chileniichen Kriegsſchiffs und den hier hauſenden Mäbchen au getreten war. Wild und toll flogen die Paare nach ber fremden Weife im Kreife herum und ſtellten Ad dann wieder, faum in Ordnung, boch immer im Takte, zu einer Art Eontretanz auf, der aber ill darauf in einen wilden Lärm und das jubeln Singen und Schreien der Zufchauer ausartete. Ta ftieß ein hoher fonngebräunter fchwarzlodiger Geiel⸗ einen eigenthümlichen wilden Schrei aus, unt wur Hut und Poncho von den breiten Schultern, wib rend zu gleicher Zeit die Guitarren mit ber Ha in eine andere Melodie, die tragende ſchwellende Weife des chilenifchen Nationaltanzes, überging uni Die bisherigen Tänzer zurüdtraten an die Wink.

Der Chilene war das prachtvolle Eremplar eine fräftigen Südamerifanerd und feine dunkeln Auya bligten und funfelten, als ihm gegenüber ein wa derſchönes fchlanfed blondbes Mäbchen aus ka Reihen trat und mit dem wehenden Tuch in ie Hand ihm begegnete und gewiffermaßen zum Im: begrüßte.

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Die Bewegungen der beiden jungen Leute waren ungemein graciös und die Art des Tanzes ein me nuetartiged Begegnen und Zurüdweichen, wobei fie die Tücher, die Dame befonders, ein wenig fofett hoben und fchwenkten, und von ber Seite und wie ber zunidfchritten und im Begegnen, ohne fich zu berühren, dicht an einander vorüberglitten. Aber jebt fiel die Harfe ein und die Trommel die Schritte wurden lebendiger, leidenfchaftlicher, die Mädchen Hatfchten in die Hände und fangen bie Melodie in immer wilderen, fchrilleren Tönen, und eine von ihnen, der dad Taktſchlagen nicht laut und lärmend genug feyn mochte, fprang von dem Kaften, auf dem fie bis jeßt, bes beſſeren Zuſchauens wegen, geftan- den hatte, und ſchlug mit den geballten Fäuften bie Melodie der Kamm fiel ihr aus dem Haar und biefes glitt ihr unorbentlich über ihre Echultern nie ber, ihr Halstuch löste fich und ihre Wangen brannten ihr wie in Fiebergluth, aber toller und fchneller fchlug fie ihr neues Inftrument, und zwang baburch auch bie Öuitarren und bie Harfe ihrem Takte zu folgen. Mehr und mehr Paare fprangen nun in die Reihen, aus allen Eden tönten ihnen bie Etimmen ber Zur fhauer entgegen und ein anderes Mädchen, dem ber Lärm noch immer"nicht groß genug war, trat zu dem einen Guitarrenfpieler und ſchlug mit ben

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Knöcheln ber beiden Hänbe auch ben Taft auf berfelben Guitarre, die er fpielte, ohne ihm dadurch irgend außer Faſſung zu bringen. SHeftiger und übermürk, ger wirbelten und flogen bald Paare, bald einzelne ©ruppen durch den Saal und quer über, unb kein einziger befand fich, wie es fihien, in dem ganzen Raum, der nicht mit Füßen, Händen, Ellbogen ober wenigftens feiner Stimme Theil an dem bacdhantiichen Tanz zu nehmen ſchien. Nur ber blutig gefchlagene Matrofe lag bleich und ſtill auf der Bank eir⸗ traurige IUuftration zu dem raufchenden Feſte.

Mir wurde ber Lärm zu toll, und ba ich mi biht an der Thüre gehalten hatte, Tonnte ich leicht wieder in's Freie gelangen. Ueberdieß hatte ich nick viel Zeit zu verlieren, denn ich wünfchte heute Abend noch das Theater zu befuchen, in dem ein bejontert für die franzöfifche Bevölkerung der Stadt intereflaw tes Etüd gegeben werben follte.

Bor kurzer Zeit war dad, ebenfall® nad Gals fornien beftimmte große frangöfiihe Schiff Ednard, ich glaube von Havre kommend, hier eingelauien, und unterwegs audgebrochene Etreitigkeiten pwiſche Paffagieren und Eapitän ſchienen einen ſehr verlin gerten Aufenthalt der PBaffagiere in WBalparaite zum Folge haben zu follen. Unter ben leßteren bein ſich aber auch der greife blinde Dichter Arage, m

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zwar ebenfalls auf feinem Wege nach Californien, wo bie Franzoſen gemeinfchaftlich eine Art von Com⸗ pagnie zu gründen beabfichtigten, und biefer hatte ein kleines Vaudeville gefchrieben, das an dem Abend zur Aufführung fommen ſollte. Es fpielte in Vals paraifo, und zwar in den jebigen Berhältnifien fran⸗ zöfifcher, nach Ealifornien beftimmter Auswanderer. Mit dem Eduard felber waren einige Schaufpieler gefommen, bie darin bebütiren wollten.

Dabei ftellte fih aber ein Mebelftand heraus biefe fprachen nicht fpanifch, und die übrigen chiles niſchen Echaufpieler nicht franzöfifch ‚und fo fam man denn auf ben wunbderlichen Einfall jeden feine eigene Sprache reden zu laflen, und das Feine Stüd halb ſpaniſch, halb franzöfifch zu geben. Da beide Theile ihre Rollen vorher gelernt hatten, verftanden fie auch genau was fie einander fagten, unb mir felber war es interejlant genug etwas derartige einmal mit an wufehen. Die Branzofen, von benen erftlich eine ziemliche Anzahl in Balparaifo leben, und dann aud) mehrere hundert mit dem Eduard und noch einigen andern frangöfiichen Auswandererfchiffen gekommen waren, fchienen, indem fie die Eache als eine Art nationalen Triumph betrachteten, wirflich Seuer und Flammen Gott weiß wie viel Paare Glacehands

ſchuh an diefem Abend zerfchlagen wurden, unb ber W

406 greife blinde Dichter warb beim Schluß bes Meinen einaftigen und in feiner Handlung allerdings jeh: einfachen Vaudevilles ftürmifch gerufen.

Er faß in ber linken hellerleuchteten Prokeniunt Ioge des erften Ranges, zwiſchen zwei weißgefleideten jungen Damen, erhob fi, bei dem ſtürmiſchen Herausruf, mit biefen von feinem Eig, und hiel aus ber Loge eine kurze Anrede an das Publikum, worin er ihm, natürlich franzöfifh, für die herzliche Aufnahme, bie fie ihm bewielen, ein paar freund: liche Worte ſagte. Das Ganze machte fidh rei gut, war aber doch nur ein Bischen Theaterfpielen beim Theaterſpielen.

Das Theater Balparaifos ift ein geräumige anftändiged Gebäude; das Orcheſter war vortremlit und einige Opern, die ich dort fah, befriebigten mit vollfommen. Der erfte Tenorift befonders hatte eire wohlflingende fchöne Etimme und gefiel jehr, u! dad Epiel der chilenifchen Herren und Tamen wu leicht und natürlich,

Nah dem Theater wanderte ich noch mit en paar Echiffdcapitänen, bie an Bord zurüudjahır wollten, ber Landung zu, als und ſchon ven ter befannte Töne grüßten ed war Mujif und zer deutſche Mufif aus der Flotow'ſchen Oper Martkx bie von Blasinftrumenten irgendwo in der Etraie

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gefpielt wurde. Im bie nächfte Querftraße einbiegenb, fanden wir uns bald dem Schauplat des „Ständ- hend“ gerabe gegenüber, bad von dem Muſikchor ber DBürgergarbe mit militärifcher Begleitung und einer Maſſe bunter Laternen, einem ihrer Officiere gebracht wurde. Eine Menge Menfchen hatte ſich Dabei in den Straßen verfammelt, und zog mit dem Chor, als biefer zu der Wohnung eined anderen ihrer Borgefegten weiter ging.

Das Boot lag und wartete auf die Capitäne, und wie es abgeftoßen und in ber Dunfelheit vers ſchwunden war, wollte ich allein zurüdgehen, als ein Stüd die Straße hinauf, in der am Tage ber Markt gehalten wurde, wieder laute fröhliche Muſik an mein Ohr traf und ich dem Drte, doch einmal im Umbherfchlendern, zufchritt, zu fehen was es bort noch fo fpät gebe. Die Thür war aber verfchloffen, vor ben Fenſtern hingen Gardinen, bie Feftlichfeit fand jedenfall in einer Privatwohnung ftatt, und ih mußte meine Neugierde fchon bezähmen. Rur wenige Minuten hatte ich den lauten Tönen ber Guitarren, den luftigen Sängen und dem rafchen Tanz der Jubelnden gelaufht, und wollte mich eben wieber bie Straße hinabwenden, als bie Thür aufs ging und zwei Männer den hellerleuchteten Raum verließen, während ein britter, ber ihnen das Geleite

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gegeben hatte, wieder die Thür fchließen wollte, als er mich erblidte und zugleich auf das freundlichſte nöthigte einzutreten. Keine Weigerung half, ih mußte ihm folgen und fand mich glei darauf in einem nieberen, aber durch eine Maſſe Lichter hei erleuchteten Raum, über ben ich, eben von der buw feln Straße kommend, nicht gleidy einen Weberblid gewinnen fonnte, bis fi) das Auge erſt an ben unerwarteten Glanz in etwas gewohnt hatte.

Es war im Ganzen ein ziemlich ärmlicdhes Ge mad, die Wände weiß getündht und nur an vielen Stellen mit Heinen bunten Heiligenbildern gefchmudi bie Tifche und Stühle von rohem Hol; und ein großes Himmelbett, das in ber einen Ede fand und in der That faft den vierten Theil des Ganzen auß füllte, trug grobcattunene Vorhänge. Tiefe hingen aber zurüdgefchlagen, das Bett zugleich ald Sig den Gäften anzubieten, und überhaupt fchien jedes Bi felchen benugt, Zufchauern und Tanzenden Raum ya halten. Die Erjteren faßen auf den enfterbänfen, Tifhen und Stuͤhlen herum, jede Ede ausfüllen und für bie Letzteren war nur ein fehr Fleiner, be⸗ fchränfter Raum geblieben, in dem fie ihren dilmi fhen Nationaltanz, fo lange ich wenigftens im Zimmer war, ausführten. Agua ardiente und Dulces wurtın fortwährend herumgereicht, und Männer und Frauen

408 tranken ben erfteren, während alle faft ohne Aus nahme, nur bie Tänzer nicht, ihre Cigarillos rauchten.

Die erfte Ueberrafchung einmal vorüber, und nachdem ich- dem gaftlidhen Angebot von Effen und Trinken genügt, und meine Bapiercigarre angezündet, fiel auch mein Blid auf einen Gegenſtand, ben ich bis dahin allerdings: fchon gefehen, aber in dem all gemeinen Lärm und bem vielen Neuen was fich mir ringsum bot, nicht fo beobachtet hatte, wie ex es eigentlich verdiente.

Es war dieß ein etwa fieben Fuß hohes Gerüft, um bas die Muſici herumfaßen und fanden, unb das mit Blumen, Lichtern und Heiligenbildern von oben bis unten bebedt fchien. Der wunberlichite Zierrath darauf war aber eine vortrefflich gearbeitete Wachspuppe ein Feines Kind vorftellend, bas in einem fchneeweißen Kleidchen, mit gefchloffenen Augen, bie zarten bleichen Wangen von einem leifen Rofen- fein überhaudht, und von Blumen förmlidy umgeben, auf einem Fleinen Kinderftuhl ſaß. Co täufchend war bie Puppe gemacht, baß ich bag Kind im An- fang für ein wirkliche hielt, und die Augen nicht abwenden fonnte davon, noch dazu, ba gerade baw unter eine fehöne, bleiche, junge Frau mit Thraͤnen in den Augen ftand, die recht gut hätte als befien Mutter gelten konnen. Darin hatte ich mich aber '

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auch geirtt, denn gerabe jetzt trat Einer der Männer lachend auf fie zu, fie zum Tanze abzuholen, und fe folgte ihm nicht allein, fondern war auch in wenigen Augenblicken mit die fröhlichfte der Schaar.

Aber e8 mußte ein wirkliches Kind ſeyn he täufchend konnte fein Künftler die Formen nachbilden unb jet verlöfchte das eine Licht, Dicht neben feinem Köpfchen, und bie Heine ihm zugedrehte Wange verlor dadurch ben rofigen Schein. Meine Rab barn mußten endlich merfen, mit welcher Aufmal: famfeit ich jened Kind oder jene Figur, was es num auch jeyn mochte, befchaute, und ber mir Naͤchſte erzählte mir, ſoviel ich von feiner Rebe verichen fonnte, es fen das jüngfte Kind jener jungen Frau mit dem bleichen Geficht, die da fo fröhlich tanzt, und die ganze Yeierlichkeit in der That nur jene Heinen geftorbenen Engelchens wegen.

Ich fchüttelte ungläubig mit dem Kopf, main Nachbar aber, um mid zu überzeugen, nahm mie am Arm, und führte mid zu dem Gejtell, neben bem ich auf einen Stuhl und Tiſch treten muß, bie Kleinen Händchen des Kindes zu berühren.

Es war eine Leiche und bie Mutter, als ſie fah, daß ich daran gezweifelt hatte und mich je überzeugt mußte, trat von ihrem Tänzer ab auf mid zu und lächelte mih an fie fagte mir, das M

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ihr Kind gewefen, und jegt ein Engelchen im Himmel und die Buitarren fielen wild ein fie mußte zum Tanze zurüd,

Ich verließ das Haus wie betäubt, denn. ich wußte wahrhaftig nicht, ob ſich das Alles, was ich ba eben geſehen, auch wirflih vor meinen eigenen Augen zugetragen habe, fpäter aber befam ich bie Löfung. |

Wenn in Chile ein Feines Kind, ich glaube bis zu vier Jahr, oder noch jünger, ftirbt, fo glauben die Leute daß es direkt zum Himmel eingehe und ein Engelchen werde und die Mutter ift ftolger darduf, als ob fie es zu kräftigem Alter frifch und fröhlich herangezogen hätte. Die Eleine Leiche wird dann, wie ich es gefehen, audgeftellt, und oft fo lange davor getanzt und getrunfen bi ber Fleine Körper Spuren ber Verweſung zeigt. Die Mutter aber, fo weh ihr auch immer ums Herz feyn mag, muß lachen und fröhlich feyn und tanzen und fingen fie darf nicht egoiftiich an fich felber denfen, gilt ed ja doch das Glüd ihres eigenen Blutes arme Mutter.

Als ich wieder auf bie Straße trat und langfam bie jegt öde und menfchenleere Straße hinab fchritt, paflirte ich etwa zwanzig Schritt von bem Haus, bie dunkle Geftalt eines Mannes, der auf der Schwelle

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eined ber bort ſtehenden Gebäude faß. Ich adhtete feiner nicht, denn bie Straßen find vollfommen ficher in Balparaifo, als ich aber ſechs ober acht Schrit an ihm vorüber war, fließ er einen langgezogenen, gellenden Pfiff aus, daß ich überrafcht flehen blieb und mich umfah. “Die Geftalt rührte ſich jedoch nick es war jedenfalld ein Rachtwächter, ber hier bie Stunde pfiff. An ber nächften Ede ftand ein Pied angebunden, doch fah ich feinen Mann babei, und als ich das Pferd paflirt war, fchallte dicht Hinter mir wieder berfelbe gellende Pfiff.

Sonderbar, dachte ih, und wanderte langfam weiter bald fah ich wieder eine Geſtalt an einem ber Häufer lehnen, die nicht im mindeften auf mid zu achten fchien, faum aber war ih vorüber, io hörte ich auch wieder benfelben Piff, was mir in ber einen Straße fechömal begegnete, und ich mußte nun wohl merken, baß ich folder Art gewiflermaßen Durch die ganze Etadt gepfiffen wurbe.

Die Polizei in Balparaifo ift jebt berühmt, und biefe Art, nächtliche Wanderer dem „Gollegen® zu bezeichnen, hat mir ungemein gefallen. Geht cin Menfch auf der Straße und ift nur das erfte Zeichen gegeben, fo mag er fich hinwenden wohin er will, überall wiflen die Nachtwächter daß irgend Jemank, ber eigentlich um biefe Zeit ber Nacht fchon in feinem

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Bett Tiegen follte, noch draußen herumwandelt. Hat der Mann dann weiter nichts Böfes im Sinn, fo wird er nur bis an feine eigene Hausthür gepfiffen, und damit ift die Sache gut, wäre aber das Gegen- theil der Ball geweien, fo müßte er bad ruhig auf geben, benn bie Nachtwaͤchter, benen er angemeldet it, und bie nichts mehr von ihm gefehen Haben, pafien nun auf wie die Heftelmacdher und es wuͤrde ihm ſchwer werden ihre Aufmerffamfeit zu betrügen.

Da ich übrigens gerade von Polizei fpreche, fällt mir auch die chilenifche Calebouſe oder das öffentliche Gefängniß ein, bie ich Gelegenheit hatte zu befuchen. Ein Belannter von mir, ein beutfcher Echiffecapitän, hatte feine ganze Mannfchaft dort fiten, und forderte mich, eines Morgens auf, mit ihm borthin zu fahren.

Die Einrichtung berfelben war fo eigenthümfich wie praktiſch die verfchiebenen Gefangenen faßen in feinem feften Gefängniß fondern in einer Art großer Menageriewägen, wie wir fie zur Meßzeit bei und mit Löwen und Tigern zu fehen befommen. Rings in dem geräumigen Hof ftanden ſolche Fuhrwerke mit großen langen eifenbefchlagenen und vorn und hinten mit ftarfen eifernen Gittern verfehenen Kaſten, unb die wunberlichiten Gruppen faßen, lagen und fauerten darin, alle „zu Tage.“ |

Der Eapitän hatte feine ganze Mannfchaft „zehn

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Stück“ wie er fagte, in einem ſolchen Ommibus die Leute follten fich geweigert haben mit ihm weite nach Ealifornien zu gehen, weit fie ſich mit bem erim Steuermann nicht vertragen fonnten. Er frug fie ot fie fih nun anders befonnen Hätten und mit ibm fegeln wollten; fie beriethen ſich aber furze Zeit mit einander und antworteten dann einfach nein. Ü& machte ihnen hierauf begreifli daß fie mit ibe fegeln müßten, fie möchten wollen ober nicht, mt baß ber einzige Unterfchied wäre, ob fie freiwillig mit ihm gehen, ober durch bie Polizei zum Edi hinunter gefahren werden wollten; bie einzige Antwen bie fie hierauf gaben war, baß fahren bequemer fa als gehen, und fie deßhalb das letztere vorzögen. Sie wurden auch wirklich fpäter in dem Katar bis hinunter an die Landung geführt und dert mu Polizei, ald das Schiff fegelfertig war, an Ber gebraht. Allerdings liefen fie in San Yrancike augenblidlih davon, bad wußte der Gapitän aber vorher, und hatte wenigftens feinen Willen gehakt.

11. Eine Hadt aufdem Kirchhof zu Valparaiſo.

„Waren Sie ſchon oben im Pavillon des Kirch⸗ hofs?“ frug mich Einer meiner in Valparaiſo neu⸗ gewonnenen Freunde, als wir zuſammen eines Morgens an der Landung auf⸗ und abgingen, und ich eben ber reizenden Ausſicht erwähnt hatte, die wir ſelbſt von bem niederen Strand aus genoflen.

„Roh nicht?" erwieberte er lebhaft auf meine verneinende Antwort „ei das bürfen Sie nidht verfäumen es find auch einige in Italien und vortrefflich aus carrarifchem Marmor gearbeitete Mo⸗ numente oben.“

Ich bin gern zwifchen Gräbern es hat etwas unbeſchreiblich Ruͤhrendes für mich die niederen Hügel zu durchiwandern, unter benen bie ftillen Todten, fo ruhig und friedlich mit gefaltenen Händen in enger freundlicher Nachbarſchaft wie Blätter in einem Stammbuch liegen, jeder in feinem Etübchen und die kurze Infchrift zu Häupten nennt Namen und

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Datum bes Blattes. Dort freue ich mich auch jeder Blume, bie eine treuforgende Hand für die legte Rube ftätte ber Entfchlafenen gepflüdt und den Heinen Hügel mit den buftenden Blüthen gefhmüdt hat.

„Wandle zroifchen Gräbern, dort wohnt Me Fick auch aus ber Ferne weht ihr warmer Athem Tir entgegen.“

„Wir wollen gleich einmal hinaufgehen,* ſagu mein Freund, ber fi nach einem eben erſt einge nommenen bedeutenden Srühftüd etwas Bewegung zu machen wünfchte „bie Ausficht vom Parillen it wahrhaft entzückend Sie haben dort oben cin vollfommenen Weberblid über Stadt und Hafen, un bie Monumente find allein das Bergfteigen werth.‘

Die Monumente lodten mid nidt mir ulm bie großen mafliven Marmorblöde auf den file Wohnungen ber Todten etwas Unheimliches, Er brüdendede. Zu ſchwer laftet ihr Gewicht auf Ina armen Dahingefchiedenen, zu undurdhdringlich lager fie fich zwifchen ihn und die Blumen, die den Steun wohl umfchmiegen, aber ihren Thau nicht auf du}

Grab fchütteln und füße liebe Worte hinunterfliiten

fönnen, anders wünfche ich mir felber einmal ix eigene ftile Ruheitätte im Wald möcht ib be graben werben, im lieben grünen raufchenden Buß und der Baum, befien Wurzeln fih dann um mit

f

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ſchlaͤngen, ſollte mir auch den Huͤgel mit ſeinem Thau begießen und den Voͤgeln Schutz und Schirm gewähren, bie ihre leiſe Todtenklage über mich ſaͤngen. Nur keinen kalten unbeweglichen Steinblock oben darauf die Erde druͤckt ſchwer genug wenn wir Abſchied von ihr und alle dem nehmen mußten, was uns auf ihr, ach ſo unendlich lieb und theuer war.

Wir kletterten langſam den ſteilen, zickzack laufenden Bergpfad hinan, und erreichten endlich ein langes ſchmales, aber freundliches Gebäude das des Todten⸗ graͤbers Wohnung, wie Capelle und Betfäle enthielt.

Als wir durch den Eorridor gingen warf ich ben Blick links in ein offenftehendeds Gemach, und ſah barin einen behäbigen Mönch in weißer Kutte (Fran⸗ zisfaner glaub’ ich) ber die dicken fetten Hände auf dem Bauch gefaltet hielt und feine Daumen, in Mangel befierer Beichäftigung, umeinander herum jagte. Hatte er Meffen für die Todten gelefen? es fah ſchwuͤl und dumpfig in dem Zimmer aud und die weiße Geftalt diente nicht dazu, den Raum freunds liher zu machen. Mir bleibt e8 ſtets ein uns heimliche® Gefühl, dieſe Gebete für und über bie Dahingeichiedenen, und ich ging raſch vorüber.

Erf als wir auf den offenen freundlichen Plat binaustraten, ber hier, auf der Kuppe bed Küften- hügel® die Gräber ber in Balparaifo geftorbenen

GerRäder, Reifen. L 18 27

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Katholifen umſchloß, athmete ich wieber frei auf. Rechts und links von uns lag ein ſchmales, wit niederem Etafet umfchlofienes Gärtchen, voll fchartiger Drangen und Eyprefienbäume, voll Blumen und Blu⸗ then, unb bicht dahinter ber Gottedader mit feinen Stein- und Marmorplatten unb einfachen prunflcien Gräbern, während hie und da, aus ihnen heraus, bas prachtvolle, von hohem Eifengitter umichlefiene Monument eines „Großen der Etabt” emporragte, und noch jegt fogar für den Todten denn a felber lag jo tief und fill wie die Anderen übe bie Rachbargräber hinwegfchaute und die Plide des Wanderers auf ſich lenkte. Ter aber fand aud hier nur Etaub, fo gut wie bei tem Nachbar, und die Bewunderung, die er dem herrlich gemeigelten Steine zollen mußte galt auch eben nur dem Stein unt dem Künitler, der dem Marmor foldyes Leben ein⸗ zuhauchen wußte nicht dem, Der darunter den langen Todesſchlaf fchlief und der Auferſtehung enr gegenträumte.

Mein Führer hatte aber wirflih reht nur das eine Monument der Bamilie Waddington wirt e8 werth, den Ort zu befuchen. Es if ein einfader Würfel aus carariihem Marmor, mit einem eben folden Sarkophag darauf, und auf diefem liegt in leichten, die fchlanfen jugendlichen Glieder umfliegenten

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Gewande, eine trauernde Mäbchengeftalt; aber biefe ſchmerzdurchzuckte Bruſt ſcheint zu athmen und ber Wind in ben zarten Falten bes Kleides zu ſpie⸗ fen, fo kunſtvoll ift ber Etein gemeißelt. Es find noch einige reihere Monumente auf dem Gottesader, mit ebenfalls kunſtreich ausgeführten Figuren und von trefflicher Arbeit, ich fehrte aber immer und immer wieder zu ber trauernden Frauengeftalt zurüd und konnte mich faum fatt fehen an bem lieblichen rührenden Bilde.

Gerade Hinter dem prachtvollen Monument ber Familie Gonzales erhob ſich ein wunderliches thurms ähnliches Gebäu oben darauf mit eifernem Git⸗ terwerk, faft wie ein Vogelbauer, weitläufig übers fpannt, das Ganze jedoch hoch, und weder mit Ein⸗ gang noch Treppe.

Mein Bührer erflärte mir, das fey ein Bein- haus, in welches die „alten Knochen“ hineingewors fen würden. „Räumt man denn bie Gräber wie der aus?” „Die Gräber fowohl ald jene Kuhle dort“ lautete die Antwort, „Doch die wollen wir nachher befuchen, jetzt müffen Eie exft einmal bie Ausficht des Pavillons bewundern.”

Wir fchritten rechts an dem Knochenfäfig vor über, gingen burch ein Heined Zimmer, in welchem einige „Sargkaſten,“ beren Gebrauch ich mir aber

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beim erften Anblid nicht gleich erflären konnte, fan ben, und betraten dann den Balkon des Pavillons, ber, dicht an den Hang gebaut, ben ganzen Hafen bis hinaus in das ftile Meer, wie weit weit nad ben fchneegebedten Corbilleren hinüber, überichaute.

Der Anblid war, gerade von biefem Punkt aus, entzüdend, und ich fonnte das Auge nicht abwenden von dem reizenden Panorama. Tief tief unter mir bie von Menfchen bewegte, lebendige Stadt Maul⸗ thiertrupps,, die dicht am Etrande zufammengefchaatt ftanden unb gebuldig bes Führers harrten, hin» und beriprengenbe Reiter, fchwerbelabene Wägen, welche bie Produfte des inneren Landed zum Marfte ober zum Hafenplag ſchafften; baneben das rege Treiben der Bai die zahlreichen dort liegenden Schiffe ihren bunten Flaggen und Pennants, die hin» unt berfchießenden Boote einjegelnde Fahrzeuge, ven benen ber vor ber Börfe ftehende Telegraph ſchen lange die Meldung gebracht felbft die Möven und bliefchnellen Taucher der Bai, die auf ber ftillen, ipie gelglatten Waſſerflaͤche umherſchwammen, bie icharb gefchnittenen Köpfe vorfichtig nad) allen Richtungen bindrehten und bei bem geringiten Anzeichen von Ge fahr raſch in die Tiefe fuhren, und nur in ben aus fhwellenden Waflerfreifen ihre Spur zurückließen bann barüber ber heiter unb blau ausgeipunnz

a1,

Himmel, ber weit im Often drüben auf ben zadigen, fchneeglühenden Kuppen ber ordilleren zu ruhen fhien das Alles breitete ſich in einem reizen⸗ den, nie vergefienen Bilde vor dem entzüdten Auge aus, und nicht fatt ſchauen konnte biefes an all dem Herrlichen, was ihm hier in folcher Fülle geboten wurde.

Die Umgegend von Balparaifo hat gewiß, ba ihr der Baumwuchs gänzlich fehlt, wenig Anziehendeg, von ba oben aus vergißt man aber faft diefen Mans gel, und während die belebte reizende Bai den Mits telpunft des fchönen Panorama's bildet, ift der Eins druck des großartigen Hintergrundes vom Dcean und Cordilleren zu gewaltig, fich ber einzelnen Mängel zu erinnern.

Sch weiß nicht wie lange ich da geftanden has ben würde, hätte mich nicht mein Führer darauf aufs merffam gemacht, daß wir eigentlich noch etwas auf dem Kirchhof anfehen müßten, was ich nicht verfäus men dürfe bie Kuhle.

Die Kuhle? ich wußte gar nicht, was er mit dem Worte Kuhle eigentlich meinte Kuhle, Grube, was für eine Grube ein neugemachtes Grab?

„Nein, bie Kuhle, wohinein die Armen von Vals paraifo kommen,“ lautete die Antwort, und er ging mir voran durch bad Sargfaftenzimmer wieder durch

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und vechts einem hochaufgeworfenen Erdhaufen zu. Ih folgte ihm, und ftand bald darauf am Rank einer wohl 10 Fuß tiefen, 16—18 Fuß langen unb auch vielleicht 10 Fuß breiten Grube, die mir beim erſten flüchtig hineingeworfenen Blick Teer ſchien.

„Hier hinein fommen bie Armen,“ fagte mein Freund.

„Alfo werden die Särge hier wahrfcheinlich ſchich tenweiß beigefeßt?* frug ih „aber da iſt's dad nicht recht, daß fie nicht wenigftend ein Dach gegen den Regen darüber machen das Wafler muß id ja da unten ſammeln.“

„Ich weiß nicht einmal, ob fie Särge haben,’ lautete die Antwort; „mir ift nur gefagt daß man fie in ben Kaften, die da drinne ftehen, bier berauk trägt, und da geht doch keinenfalls ein Earg hinein.‘

„Run, ohne Särge wird man fie doch nicht hie in das offene Loch legen,” erwiederte ich ihm un gläubig, „fo begraben ja die Wilden nicht einmal ihre Todten fehen Sie das Schwarze Ma unten, von dem ber Sand heruntergerutfcht iſt, das mus jedenfalls ein Sarg ſeyn.“

„Ein Sarg? wohl ſchwerlich, es ift rund mi unegeal mahrhaftig, das ift eine Leiche ſeben Cie die Feuchtigfeit, die da an der Seite heran: fommt? ba unten liegt auch ein Kinderſchuh.“

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„Ein Schuh?” erwiederte ich ſchaudernd, denn der einmal gewedte Verdacht überfchaute jet fchärfer und aufmerffamer die früher nicht beachteten Exhö- hungen und Bertiefungen der Grube der Schuh ftand aufrecht auf dem Haden, der Sand, ber von ihm ausging, lag gerade da, nad) ber Ede hinauf, höher als anderswo auch das war eine Leiche,

„Sie bewundern wohl bier die Katacomben, Gent: lemen,“ näfelte in biefem Augenblid ein Amerikaner, der ganz unbemerft zu und getreten war, „ja, fie haben bier in Balparaifo eine ganz freundliche Art, ihre Todten unter, oder eigentlich genau genommen, nur in die Erde zu bringen, denn unter bie Erbe fann man das doch eigentlich nicht gut nennen, wenn Einem nachher noch Arme und Beine herausftreden.”

„Alle find das wirklich Leichen, die dort unten ohne Sarg und faum mit einer Handvoll Erde bes dedt liegen?“ frug ich, und fonnte mich babei eines unmwillfürlichen Grauſens nicht erwehren.

„Treten Sie einmal dort unter den Wind,” fagte ber Amerikaner lachend, „dann fünnen Sie mir bie Antwort erfparen; man braucht fein Indianer zu feyn, um da Menfhen zu wittern. Beugen Sie ſich übrigend einmal ein wenig vomüber fehen Sie ben Ellbogen hier in der Ede? das ift eine Frau, bie fie geftern binuntergeworfen haben.“

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„Hinuntergeworfen?“ rief ih faft unwillkürlich „von oben hinunter ?”

„Ha ha ha! Fremder, you're green yet,“ amüſirte ſich der Yankee, „hier werben mit ben abgetragenen „Seelfutteralen® nicht viel Umftände gemacht. Es ift dieß übrigens das beſte Mittel gegen das „leben dig begraben werben” vor bem ich, beiläufig gefagt, allen möglichen Reſpekt habe, das wohl je erfunden wurde. If man noch nicht tobt, fo bricht man ziemlich ficher beim „Beifegen“ ben Hals, und wäre felbft der zäh genug, einen ſolchen Sprung ausw halten, und käme man fpäter da unten wieder jur Befinnung, ei, fo braucht man nur einfach auf ftehen, fich das Bischen Erde abzufchütteln und an ber hier Ichnenden Leiter hinauszufteigen bat man fi) nachher den Sand etwas aus den Haaren ge fammt, fo find alle Epuren ber Beerdigung ver ſchwunden.“

„Aber hinunter geworfen werden die Leichen doch nicht," entgegnete ih dem Mann, und zmur keineswegs in einer Stimmung auf feine Scherze einzugehen „die Leiter iſt doch jedenfall® Dazu da fie hinunter zu tragen.“

„Wenn Ihnen dad fo unglaublich ſcheint,“ ent gegnete ber Amerifaner, „fo feyn Sie fo gut und fehen Sie einmal jene Ede bort an dort, we

425 ie verjchiebenen Fetzen von alten Kleidern häns en benfen Sie denn daß mit einem armen Teufel, ıit dem nur eben Leute genug gehen ihn herauszus hleppen, große Umftände gemacht, und etwa gar och Leute herbeigeholt werben ihn fanft und bequem inunter zu legen? Gott bewahre, die Träger kom⸗ ıen in einem halb Trott, und immer dabei ihr Santa Raria x. brummend, an die Grube hier ie Leiche liegt offen, gewöhnlich in ihrer Alltags⸗ sat, manchmal wenn die Verwandten e8 baran enden fönnen, in ein ſchwarzes Tuch eingefchlagen, ı biefem ebenfalls offenen Kaften, von denen fie in paar da drinnen fehen fönnen, und am Rande ieſes freundlichen Plaͤtzchens fenbet ein plöglicher tud und Wurf den Cadaver zum Ort feiner Bes immung nieder. Nachher fteigt einer von ihnen inunter bie Leiche gerade zu ziehen nidht etwa er Leiche wegen, fondern nur damit fie nicht mehr ap wegnimmt, ald unumgänglich nöthig if. Von ben hinunter werben dann ein paar Schaufeln voll irde geworfen; auch wieder nicht ber Leiche, fondern ur bed Geruches wegen, und bad Begraͤbniß ift senbet. Sind ihrer mehre babei, fo faflen fie ben örper wohl bei Armen und Beinen an und reichen n ſich hinunter, fonft aber nicht ich bin ſchon, ie manchmal, babei gewefen. Sehen Sie bort

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Drüben, in der einen Ede, wo das halbe Gerippe noch in feinen alten Lumpen aus ber Erde vorfchaut, bert werben fie gewöhnlich „abgeladen.” Die Knochen da brödeln fi bei der ®elegenheit auch langſam mit 108 und jeder neue Leichnam nimmt fich ein paar mit zum Andenken in die Tiefe.“

„Doch Gentlemen,“ unterbrach er fich plopli, „der Aufenthalt hier ift nichts weniger ald angenehm, ber Wind fommt bald von ber, bald von jener Seite und fo fehr ich auch die Todten achte, fo riede ih fie doch nicht gern." Mit diefen Worten warnte er fih ab und fchlenderte pfeifend an dem Gebein fäfig vorüber, dem Ausgang zu.

„Nun wollen wir auch noch den proteftantikken Kirchhof befuchen”, ſagte mein Freund, „er liegt bie gerade gegenüber und ift zwar einfach, benn von eine hohen Mauer rings umgeben fehlt ihm tie ſcher Ausficht, fehlen ihm Die prachtvollen Monumente ihm fehlt aber auch Gott fey Tanf dafür eine iolche Leichenfuhle mich ekelts hier bei den Todten*

Faft willenlos folgte ich ihm, denn ich muß ar richtig geitehen, das Widerliche bed eben geiehenen Grabes hatte, vielleicht auch weil es fo ganz une: wartet gefommen, einen ſolchen Eindrud auf wet gemacht, daß ich den gar nicht fo fchnell wieder db aufchütteln vermochte. Wir fchritten langfam neiktes

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den Gräbern hin, dem kleinen Gärtchen wieder zu, aber ich Hatte Feine Augen mehr, weder für die Mos numente noch Die Blumen „— immer und immer wieder fehrte mein Blick von ihnen nach jenem Exbs haufen zurüd und gerade fie mit dem blau und freund- lich darüber ausgefpannten Himmel machten ben Gegenſatz nur noch furchtbarer. Ich war ordentlich froh, als wir den Pla verlaſſen hatten.

Dicht neben dem Fatholiichen Kirchhof, und von biefem nur durch einen Fahrweg getrennt, ebenfo wie diefer aber von einer hohen Mauer eingefchloffen, fiegt der proteftantifche Gottesader von Balparaifo eine gewiß lobenswerthe Toleranz ber jetzigen Re- gierung, wenn man bebenft, wie noch vor gar nicht fo Tangen Jahren die Inquifition an den Ufern bes ſtillen Meeres gewüthet hatte. Ihm fehlte allerdings die prachtvolle Ausficht des Fatholifchen. Kirchhofs, ihm fehlten die foftbaren Monumente, ja ich weiß nicht einmal ob ein proteftantifcher Geiſtlicher Die Aufficht über den „geweihten Grund“ hatte aber dafür lag Arm wie Reich in feinen ftillen Gräbern frieblich nebeneinander. Einfache Steine oder Kreuze fanden zu Häupten ber Gefchiedenen; bie Zurüd- gebliebenen konnten Blumen auf bie Gräber ihrer Lieben pflanzen und ben Ort befuchen, ohne mit Schaudern vor ihrer legten Ruheftätte zurüdzubeben.

AW

Beſonders viel Matroſen ſchienen hier, den ver⸗ ſchiedenen Inſchriften nach, beigeſetzt zu ſeyn, auf deren Denkplatte oder goch häufiger auf ben einfach hölzernen Kreuzen ein paar Bere die Trauer ber Kameraden oder eine kurze Betrachtung ausbrüdten. Ja ich fand fogar hie und da einen gewiſſen fee männifchen Humor, ber fich bis auf das Grab hinaus erftredt hatte, So lautete die eine Grabſchrift Iſaak Tidelts von Ihrer Majeſtaäͤt Schiff Präfident: »Shipmates, all my cruise is up My body’s moor'd at rest My soul is where? aloft of course, Rejoicing with the blest. 1 Eine andere: The commodore short warning gave For me, to anchor ship My moorings hard and fast are laid Till signal’s made to trip. 2

ı Kameraden, meine Fahrt ift aus, Mein Körper liegt ruhig vor Anter, Meine Seele ift wo? mun natürlich noch ebes. Und jubelt mit den Seligen. 2 Der Commobore gab kurze Orbre Mein Schiff vor Anker zu legen, So lieg ih denn bier hart und feſt Bis das Signal zum Lichten gegeben wird.

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Wir fanden noch mehre ähnliche Infchriften umb tließen endlich den Kirchhof, wieber in bie Stabt nunter zu fteigen. Mir fam aber die Grube nicht 6 bem Gebächtnig nich vergeffen font’ ich bie ichen bie Dort oben, wild und bunt durch und rereinander geworfen, und faum mit einer Hand U Staub bebdedt, in Sonne und Regen lagen, und n nächftien Morgen wanderte ich, troß dem Schauber n ich beim erften Anblid empfunden, doch wieber nauf, den Gottedader zu befuchen.

Gottes Ader dad Wort Hang mir, wenn ih ben ber fchauerlichen Grube ftand, wie bie fuͤrch⸗ rlichfte Ironie. Ein Ader Gottes follte das ſeyn? re Düngergrube war's in die man menfdhliche We⸗ 1, oft noch warm benn ber Südamerifaner läßt ? Reichen, befonders die der Aermeren manchmal faum ht oder zehn Stunden über der Erde hinabges fen. Aber felbft der Schauder den ich em- ınd, hatte eine Art fchwer zu befchreibenden Reizes e mid. Co eisfalt e8 mir jedesmal über Herz d Seele lief, wenn ich fpäter die Nähe bes Schres nsorte® betrat, fo konnte ih doch auch id} nbe wenn ich felbft gewollt hätte, den Platz nicht hr meiden. Eo muß, jenem naturhiftoriihen Märs n nach, dem Vogel zu Muthe feyn, ber von ben t auf ihn gerichteten Bliden der Schlange wie

430 betäubt, den Ort der Gefahr meiden will, und fat ihn zu fliehen, nur näher und näher dahin gezogen wird.

Tag für Tag ginf ih hinauf, mandhmal fogar zweimal, und die Leichen in ber Grube famen mir zulegt vor wie alte Befannte, auf beren Geſichter ich mich nur nicht mehr recht befinnen fonnte. Der Knabe in der Ede mit dem vorgeftredten Bein und ber fchwarze Leichnam an ber Eeite ber brame Todtenkopf, der dort fo flier und ernſt nach em blauen Himmel halt am jweiten Tag hatten bie ba .unten Befuch befommen. Dort lagen ein paar Füße die ich noch nicht kannte die Ede waren oben aufgefchnitten den Mann brüdte feine Hühneraugen nicht mehr und rothe Aub lappen fchauten durch.

Das Frauenkleid, was am andern Morgen unter dem Sand vorfchimmerte, mußte auch über Nadt eingeführt feyn ih war noch fpät, am Atem vorher, oben geweſen, und hatte nichts von ihr ge fehen, und mein alter Freund, das Gerippe me rauh fie mit dem umgegangen bie Hälfte der Rippen lag unten; das hatte jebenfalld der Mam mit ben rothen Yußlappen gethan.

Eins that mir weh fo falt und übe lagen be Leichen ba unten in ihrer Gruft, feine einzige Ylume

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war ihnen mitgegeben in das traurige Grab fein Zeichen ber Liebe, Feines der Trauer um die Hins gefchiebenen, und da draußen blühten fo viele Blumen.

Am nächten Tage war ich Morgens, unterhalb bed Leuchtthurms, am Ceegeftade, um nach anfoms menden Schiffen auszufchauen und Maffen von Blu⸗ men wucherten bort, wohinauf die Brandung mit ihren peitfchenden Salzarmen nicht langen fonnte, zwifchen ben Steinen und Klippen. Sternblümcdhen beſonders viel, und eine andere Art, die genau wie unfere Maiblumen bufteten, und rothe glodenartige Blüthen. Bon ben allen pflüdte ich einen großen mächtigen Strauß das ganze Tafchentuch hatt’ ih voll, trug fie geraden Wegs auf den Kirchhof hinauf, und ftreute fie dort über die armen Ders lafienen Bergefienen in die Grube. Auch das Gerippe befam fein Theil, e8 fah aber gar jo wuns derlich aus, wie die Blüthen in den gräßlichen Ueber⸗ Heibfeln eines Menfchen Hingen.

Ich befam jest eine ordentliche Sehnſucht dar⸗ nach ein Begräbniß mit anzufehen fo oft ich das Grab befuchte war faft ſtets ein neuer Gaft einge feet, und feiner mir vorher vorgeftellt worden ich wollte auch einmal bei der Einführung ſeyn. Dieß Berlangen wurde noch gefteigert als ich er fuhr, daß man in Valparaiſo bie Todten alle um

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Mitternacht begrabe. Mit dem Glodenfchlag meelf verlafien die Träger mit der Leiche das Haus oder Ediff, und ziehen mit Laternen, deren Anzahl hd natürlich nad) dem Reichthum bed Verſtorbenen rid- tet, dem Kirchhof zu; mir wurde auch gefagt, id brauche mich nur eine einzige Nacht gerade vor zweli Uhr vor dem Gottesacker einzufinden, und ich würk nicht vergeblich warten, denn es verginge felten eim Nacht, in der nicht wenigftens eine Leiche begraben wuͤrde.

In der erſten Nacht traf ich es aber bed ie, und faß faft bi8 um ein Uhr an dem fteilen Hügel, bicht unter der Mauer und harrte umfonft es Im feine Leiche. In ber zweiten Nacht war ich glid: licher ; gleich nach drei Viertel auf zwolf faß ich icker auf meinem Poften, und der Mond fdien bel wrt ar auf die mir gegemüberliegende zerrifiene Schluct. beren einen Abhang ber Gottedader deckt und a die an ber anderen Seite barüber bingeftreuten Ne: nen Gebäude nieder. Da pfiffen in der Stabt hr Wächter und fchrieen Etunde und Wetter ab, wm von einem ber Echiffe in der bunfeln Bai löete üd faft in bdemfelben Moment ein Boot ab, und jedt Hleine, aber fcharf abgezeichnete Lichter bligten ar ber faft Schwarzen Flaͤche und glitten raſch dem Urn zu. Kaum konnten fie bieß berührt haben, als mb

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te Lichter ſchon in ber Straße fichtbar wurben und ch jest die ſchmale düftere Straße heraufzogen, bie om Stande ab gleich nad) dem Gottesader hinauf ihrte und bie Kirchhofsgaffe genannt wurde,

Deutlich Tonnte ich ihnen folgen, ‘als fie in bie erfchiedenen Biegungen bes Echlangens und Zickzack⸗ fabes einlenkten nicht viel fpäter waren fie oben ei mir, benn ber Berg iſt nur wenige hundert Fuß och, und ich fonnte jebt den ſchmalen' Earg erfen- en, ben vier und viere abwechfelnd an zwei Nie ven (Ruder) hängend feiner letzten Nuheftätte zu⸗ rugen.

Die Thür des proteftantifchen Kirchhofs war aber och verfchloffen und ein Midfhipman, der die Leiche egleitete, klopfte erft leife, dann immer ftärfer an je verfchloflene Thür. Das Getöfe fchallte unheims ch durch bie ftille Nacht, doch trieb e8 den ſchlaͤf⸗ gen Todtengräber von feinem Lager uf er fnete die Pforte, und die Matrofen betraten den roteftantifchen Kirchhof, durch den hin fie langfam mw Kapelle fchritten, dort ein kurzes Gebet über bie siche fprachen und dann ben Kameraden in fein es, ſchon für ihn bereitetes Kämmerlein ernſt und ihig beiſetzten.

Meine Aufmerkſamkeit wurde aber hiervon bald ogelenkt, denn von unten herauf vernahni ich ein Berfkäder, Reifen. 1. 19 28

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dumpfes wunderliches ®eräufch, und als ich an ben Rand des Hügel®, vor den Kirchhof trat, ſah ih einen langen Zug bligender Laternen, wohl mehr hundert Stüd, und eine Maſſe ſich raſch den Berg herauf beiwegender Männer, bie unter einem umunter brochenen monotonen Gemurmel näher famen. Ich fonnte übrigens nur bie Worte Santa Maria Io verftehen; die Leute hatten fchon fait den Athem ver loren, als fie die Kuppe des Berges erreichten, um das Gemurmel, wenn e8 ein Gebet ſeyn follte, wurde zum unverftändlichen Stöhnen.

Drei Eärge folgten fi, mitten in biefem Kiew ſchenſchwarm und einem wahren Lichtitrom dicht hinter einander, fpäter fand ich aber, daß alle biefe Kicker nur einen, und zwar dem zweiten Sarge galten: die andern beiden waren nur Cargfajten und ana ſich zu dieſem feierlichen Geleit gewiſſermaßen aw geſchwaͤrzt.

Die Träger ſchienen ihre Laſt uͤbrigens ungenen gern loswerden zu wollen, und nicht zu verdenler war’8 ihnen, denn ber Berg ijt fteil, und ben era und dritten Sarg warfen ſie audy mehr von ix Schultern, als daß jie ihn, endlich Die Kirchheie thüre erreicht, niederſetzten.

Ein Mond in weißer Kutte trat hier vor du Thür und ſprach einen kurzen Segen über die keihen,

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vonach fie ber geweihten Erde zugelafien werben onnten. \

Einer der gemwöhnlichften und ordinärften Earg- aften war im Zug, jedenfalls feiner Türzeren Ent ernung vom Haufe wegen, ber erfte gewefen, biefer außte aber jest, auf einen firengen Wink des Tobten- raͤbers, der recht gut wußte, was fich hier oben nter den Todten fchide, warten, bis ber beffere Sarg voran über die Echwelle getragen worben. diefer enthielt den Leichnam eines hochgeftellten Mans «8 und fam gleich in die Kapelle, wo er fo lange eigefegt blieb, bi8 am andern Morgen das Hoch- mt, oder eine andere Todtenfeier über ihn gehalten erden konnte. Die, Befannten und Freunde diefes Rannes Ffehrten auch, gleich oben am Hügel, nach⸗ em fie den Sarg nur den Händen des Priefters berliefert hatten, wieder um; die Peons aber, die Yiener, welche bie Laternen trugen, oder dem Zug mft, theild aus Anhänglichkeit, theild aus Neugierde folgt waren, begleiteten auch die beiden andern richen zu dem Ort ihrer Beitimmung der Kuhle.

Um einen „guten Plag” zu befommen, war ich yon ein paar Minuten vorangegangen, und hatte eine Etellung am äußerften Rande ber Grube ges ymmen, wo ich ben nahenden Zug und den Ort lbſt vollfommen gut überfchauen konnte. O wie

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IN und unheimlich lagen fie da unten in ihrem Talten troftlofen Grab wie fchien der Mond ber liebe reine Mond fo fehauerlih auf Mober und Bermweiung hernieber,, und gab fich vergebene Mühe den entiey lichen Anblick des geichwärzten Leichnam zu mildern, - oder einen Schatten über die ſonſt unbebedten und vor ragenden Gliedmaßen ber hier Begrabenen zu werten.

- Inbefien war oben ber Segen fertig gefpreden worden, und bie Laternen näherten fi) der Griit Die beiden Sargfaften, ber eine mit ſchwarzem Tud überfpannt, voran, ber andere ganz offen, wurde bis dicht zum Rand getragen, und dann von iem erften die obere Hülle abgenommen.

Ein in ein ſchwarzes Leichentuch gehüllter Körper lag darin; drei der umftehenden Peons nahmen ia heraus, zwei andere ftiegen an ber Leiter Die Grube hinab, und bereiteten fich, fie unten in Empfang u nehmen; ed waren Menfchen genug ba, und % brauchten bie Körper nicht gerade hinunter zu wer fen. Aber wie rüdfichtslos die Lebenden da um I auf den Tobten herumfchritten wie fie fidh gar midt [| ein wenig in Acht nahmen, unb doch unter ihre I’ Füßen die Köpfe und Glieder der kaum mit Erde Bebedten fühlen mußten. Sie fchonten gar nid, |‘ felbft nicht die ehrmürbige ſchwarze Leiche und bei |" wahrhaftig der eine Echuft hatte mit dem ana |

437 gerad’ hineingetreten,.. und zog ihn jebt, felber fchredt, vafch wieder zurück. Sie verdarben mir n ganzen Platz, und flampften auch meine armen nen Blumen .unerbittlich in den weichen, leichen- ſchwellten ·Boden hinein.

Den einen Körper hoben ſie jetzt hinunter er itte die Arme auf ber Bruſt gekreuzt und war. ſchon ırr und ſteif. Die beiden die unten ſtanden legten n ordentlich. und lang ausgeftredt ‚Dicht an bie. fteile id fcharf abgeftochene Wand der Grube an und ihmen ihm dann, wie ed Gebrauch und Sitte if, is ſchwarze Grabtuch von dem bleichen Antlitz. Es ar ein edles, baͤrtiges Geſicht und ber Mond, ſchien U und Far in die ftillen, von feinem Schmerz mehr fürchten bleichen Züge.

Der eine Peon, der oben ftand, Ries feine Schaufel

den Boden und wollte mit der ausgehobenen Erbe n unten Ausgeftredten bewerfen, ber ihm. Nächfte if aber feinen Arm und fagte „erft den Anderen ch“ und in ber That ſtand auch fehon der zweite arg dicht neben dem erften, ber Deckel wurde abs nommen unb wie ich aus einigen. Worten meiner achbarn verftehen fonnte, war es bie Leiche eines tannes, ben man in einem ber wilden Stadtviertel ich an bemfelben Abend ermordet gefunden hatte. er Körper hatte noch feine volle Gelenligfeit, ja

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wahrfcheinlih auch Wärme und es fchien ſchwierig ihn aus dem Sargkaſten zu nehmen, auch faßten kei dieſem nur zweie an, und feßten dann bie Leiche, daj bie Süße über den Rand hinunterhingen, auf die Exke nieder. Die beiden Untenftehenden traten inbeflen näher hinan, ber Eine ftemmte ſich mit dem rechten Fuß gegen bie dort verfcharrte Kinderleiche, einen fefteren Stand zu befommen, und der Andere hob die Arme, den Herunterfommenden aufjzufangen. Als aber bie am Sarg poftirten Maͤnner gerade unter Be ſchlaff niederfallenden Arme griffen, fiel der bie dahin über den Kopf der Leiche geichlagene Zipfel bes alt Poncho Herunter, und wie ein Stich zudte es mir durch die Eeele, ald mein Blid dem flieren Alım in des Todten noch weit geöffneten Augen begegnet. Die bleichen, mit Blut befledten Züge waren wie iz Angft und Zorm verzerrt, und das ungewiſſe Lickt des Mondes verlieh ihnen in dem wechſelnden Schauca eines dünnen, über den Berghang ftreichenten Rebeit ein eigenes, entfepliche® Leben. Gleichzeitig glirt der ſchwere Körper von ber fo fchon loegebröckelten Erde ab und mit vorgeftredten Armen, ald ob er ſich ſelber noch vor dem Eturz bewahren wolle, fiel er gegen ben, auf fo etwas nicht gefaßten und fich raſch um ihm fortbüdenden Peon, nahm babei einen Theil tet Gerippes und alle meine Blumen mit hinunter, uni

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lag im nächften Augenblid ftil und regungslos auf dem Kameraden mit den rothen Fußlappen. Die beiden Männer rüdten ihn aber rafch wieder zurecht, fo daß er dicht neben ben zuletzt Hineingebetteten zu liegen fam, und al& das gefchehen war, fliegen fie wieder nach oben und warfen von dort einige Spaten vol Erde auf die beiden Leichen nieder.

Die Körper erzitterten dabei jedesmal wenn das Gewicht der Erde auf fie ftürzte und der Mond fchien jet voll und Ear in die beiden Menfchenantlige bis endlich der Sand die Züge verdeckte. Lange noch konnte ich aber die Stirn des Ermordeten erkennen wie ein weißer Punkt leuchtete fie aus dem dunk⸗ feren Erdreich vor, bis eine Schaufel voll Erde auch bieß verwifchte und das letzte fichtbare Zeichen ber Hingefchiedenen blieb nur noch etwa bie ungefähre Form der Körper unter dem trockenen Sande.

Das Begräbniß war beendet bie Leute flellten bie Spaten und Eargfaften wieder in das fleine Ed. zimmer des Pavillons und ich felber folgte ihnen dorthin, und trat auf den Balkon hinaus. Mir war das Ganze wie ein fürchterlicher Traum, ber Kopf brannte mir fieberhaft, und ich zitterte an allen Gliedern. Eonft habe ich felber gewiß feine außer gewöhnlich ſchwache Nerven, und dem Tod ſchon manchmal in's Auge gefchaut, dieß ganze Treiben aber

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hier, das Beſeitigen der Leichen, denn Begraben konnte man das ja doch wahrlich nicht nennen, die entſetzliche Gleichguͤltigkeit der Leute dabei, ihr Lachen und Erzählen ſelbſt noch in Gegenwart ber Todten und das monotone Abplärren ber Gebetöformeln, af wie zum Spott und Hohn der Hingefchiedenen, hatte etwas unbefchreiblich Yürchterliches für mich.

Und wie til und frieblich Tag dabei dicht unter mir die freundliche Bat, die ruhig fchlummernte Etat leiſe plätfchernd fchlug in einem weißen, von ten Mondesftrahlen mit Silberglanz übergofienen Schaum⸗ ftreifen die Brandung an den Etrand, und von ben Schiffen in der Bat, die wie müde Waflerrögel aut dem unbewegten Spiegel der See ruhten, bligte nur hie und da ein einzelnes Wachtlicht herüber, währen? ein Boot, daſſelbe wahrfcheinlich das Die Leiche det Matrofen zu Rande geichafft, mit regelmäßigen, in Inn Mondftrahlen jedesmal aufbligenden Ruderſchlägen, zwiſchen die dunklen Bahrzeuge hineinglitt und in ihrem Schatten verfchwanb.

Die Straßen der tief unter mir liegenden Stadt fchimmerten ebenfalls hell und weiß in de Montes Licht, da und bort bogen einzelne Wanderer, Be Nüdkehrenden von ihrem Leichengang, in Die ftillen Straßen ein und verfchwanden bald hier bald da, Die Pläße und Gaſſen wieder fo öbe laſſend als vorber

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und nur noch ber fchrille Pfiff der Nachtwaͤchter, der das einzelne Anfchlagen eines Hundes tönte zu air herauf und hinter mir?

Umwillkuͤrlich faft zog es mich zu der offenen Gruft wüd ber Kirchhof lag ſtill und öde ba, denn ie legten ber Männer hatten den unheimlichen Platz erlaffen und ich feßte mich leife, als ob ich die da nten Schlummernden zu ftören fürchte, auf den aus⸗ eworfenen Erdhaufen nieder, von wo aus ich bie leberficht über den ganzen Kirchhof hatte.

Ich weiß nicht wie lange ich da geſeſſen habe in fo eigenthümliches wildfchauerliches Gefühl hielt nir aber Herz und Sinne befangen, daß ed mir faft orfam, als ob ich mit zu denen da unten gehöre nd nicht mehr fort von ihnen dürfe, fondern nun Bachthalten müffe auf dem Schredensplaß.

Der Mond war fchon tief auf die Bai hinabges ınfen, und nur noch auf die Ueberrefte bes ſchmutzig⸗ veißen Gerippes in der einen oberen Ede der Grube el fein bleicher Strahl, als ich mich endlich gewaltfam Brig von allen Gedanken und Bildern die mich hier ıft wie gebannt hielten mit ihren Beifterarmen. Es nnte auch nicht mehr weit von Morgen feyn, und h fürchtete fchon die Thür verfchloffen zu finden. jei ber Leiche des „reichen Mannes“ mochten aber ohl noch Meſſen gelefen werden es brannte Licht

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in der Kapelle wie in dem Wohnzimmer bes Todien⸗ gräberd, und bie Thür ſtand ebenfalld nır eiw geklinkt.

Langſam ſtieg ich in die Stadt hinab und träumte bie Nacht ich läge in ber Grube, und fonnte nict warm werben bei ben falten Nachbarn und Edlaf kameraden.

12. Die Reform und Weiterreife nad Ealifornien,

Drei volle Wochen hatte ich jebt, und nach und ach mit einem gewiſſen ängftlihen Gefuͤhl, ben Felegraphen beobachtet, ber mir täglich die Meldung aachen follte daß die Reform in Sicht fey, aber r that ed nicht, und telegraphirte er wirflich einmal ine Brigg, fo war es faft immer eine englifche oder merifanifche, und nie bie erwartete; ich befam uletzt einen ordentlichen Zorn auf die „falfchen Farben.“

Im Leben hatte ich dabei nicht geglaubt, daß ich ih je fo nah einer ruffifchen Flagge fehnen yürde, und doch war e8 fo, denn viele unferer deut⸗ ben Schiffe fegelten damals, den Unannehmlichkeiten er bdänifchen Blofade zu entgehen unter fremden flaggen, von denen Rußland beſonders gefällig ge⸗ vefen zu ſeyn fcheint, gegen „ein billige Honorar" eutſchen Handelsfchiffen Schug gegen die bänifchen Preuzer zu gewähren.

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Es ift fchmählich deutſche Thater bezahlen zu müflen, um Echuß gegen bäntfche Kreuzer zu haben.

Hier erfuhr ih auch etwas, das mir bie dahin noch fremd gewefen war; Rußland führt naͤmlich ebenfalls blau roth und weiß, die Tricolore, in feinen Farben, die Streifen lang wie bie der hollänbifchen Flagge, nur mit dem weiß oben.

Einen Leidensgefährten befam ich dabei in einem jungen Bremer, ber ebenfall® ein vaterlaͤndiſches Schiff, nur unter natürlicher Ylagge enwartete, und wir beiden wanderten manchen langen Morgen hinaus nad) dem Leuchtthurm und fchauten weit hin über das ftille blaue Meer, den ankommenden Segeln entgegenharrend, bis fie ſich entweder als andere Fahrzeuge wie wir fie erhofften, auswieſen, oder fremde Flaggen zeigten wenn die Sache noch lange gedauert hätte wären wir ein paar wirflich Toggenburger geworben.

Sch ſollte endlich zuerft erlöst werben, obgleich mein Leidendgefährte fchon drei Wochen länger ge wartet hatte. Am 12. Auguft flatterte Die weiß bla und rothe Blagge von der Gaffel einer einlaufenten Brigg herab und ich ließ mich ohne weiteres an Berk fahren, meine neu eingetroffenen Landsleute zu be grüßen, wie mich auch dem Gapitän, als neum Paflagier, vorzuftellen. Egoiftifh aber, wie ber

Menſch überhaupt ift, vergaß ich von dem Tage an total meinen bisherigen regelmäßigen Begleiter nad) dem Leuchtturm, und ging nicht ein einzigesmal mehr hinaus,

Don Capitän wie Paſſagieren wurbe ich übrigens auf das freundlichite aufgenommen mir war es faft, als ob ich zu alten Bekannten fäme; es ift das ein Liebeszins, den mir bie Echriftftellerei ab» wirft, und wahrlich nicht der fchlechtefte, denn ich fenne kaum ein wohlthuenderes Gefühl als weit in ber. Sremde, da wo man Fremde zu finden erwar⸗ tet, Freunde zu treffen, bie ung mit herzlihem Will⸗ fomm bie Hände bieten.

Auf der Reform fah es übrigens etwas Friegeriich aus; bad Verhältniß zwifchen Capitaͤn und Pafla- gieren ſchien nicht ganz fo zu feyn wie e8 eigentlich fenn follte, und eine Spannung herrfchte zwiſchen beiden Parteien, die auf einer Eeereife um fo fataler it, da fich die feindlich Gefinnten nicht ausweichen fönnen, fondern, fie mögen wollen oder nicht, in engfter und nächfter Verbindung mit einander bleiben müflen. .

Die Paflagierfahrt ift überhaupt eine gar ſchwie⸗ rige Sache und nicht fo ganz leicht, wie ſich man her Echiffsrheber und Capitän wohl gern einreben möchte. Ein Gapitän fann 3. B. ein ganz aus

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gezeichneter Seemann feyn, fein Geſchäft aus dem runde verftehen, und unermüblich feinen Pflichten obliegen, das Schiff macht dadurch eine vortreffliche Reife, er verliert weder Stengen noch Segel, a bringt Fracht und Paflagiere in möglichft Kurzer Zeit und wohlbehalten an ben Ort ihrer Beſtimmung, aber er weiß nicht mit ben Paflagieren ſelber umzugehen, er verwechfelt diefe zu leicht mit ber Fracht felber die er führt, und hat leider nur zu eft „zu viel Zeit auf feine Seemannskunde verwandt, um auch noch außerdem zu wiflen wie man eine zufammengewürfelte Mafle gebilbeter und ungebilbeter Leute, wie fie ja doch auf jedem Schiff vorfommen, behandeln muß. Er glaubt fi) etwa® von feinem Recht und Anſehen zu vergeben, wenn er freundlich mit ihnen ift, läßt fie fo viel ald möglich fühlen, daß er der Erfte an Bord ſey und deßhalb unke dingten Gehorfam von ihnen zu fordern hate ja ik vielleicht unflug genug ihnen das mit dürren Worten zu fagen.

Der Eapitän muß allerdings den Oberbefehl eine Schiffes haben und darauf unbefchränfter Herrice feyn, aber er darf dad, will er nicht unnügertecik ein fataled Verhältnig zwiſchen ſich und ben Pair gieren herbeiführen, nicht felber ausfprechen, ſondern e8 muß als eine Sache angefehen werden die nd

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on felbft verfteht, bie jeder DBernünftige auch ein⸗ ben wird und einfieht, und bie fich fihon aus dem. anzen Gang bes Eghiffslebens in ben erften Tagen on felber ergibt.

Der Capitän follte dagegen aber auch wieber, - efonderd in ber erften Zeit vorfichtig feyn, wie er ch, ehe ex feine Leute etwas genauer Tennt, zu viel nd zu freundfchaftlich, oder vielmehr familiär mit men einläßt. Wird das nachher von biefen gemiß- taucht, fo vergibt er ſich entweder wirklich von ber lchtung die er auf feinem Echiffe zu fordern hat, der er muß ber erfte ſeyn, ber durch unfreundliche Borte, diejenigen welche er vorher felbft dazu aufs emuntert hat, wieber in bie gehörigen Echranfen srüdweist. Beides ein paar höchit unangenehme 'älle,

Ueberhaupt haben ſich durch die Kortichritte uns zer Eultur fowohl, wie durch die bebeutendere Aus⸗ anderung, bie jept in einem ganz anderen Kreis nferer Gefellfchaft Verbreitung gefunden, die An« wderungen die an ben Führer eines Schiffes geftellt erden geändert, das heißt vergrößert.

In früherer Zeit genügte ed, wenn ein Mann, er von ber Pike auf gedient hatte, und im ftreng- en Einn des Wortes „ein guter Matrofe” war, in Schifffahrtsexramen ordentlich machte; irgend ein

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gezeichneter Seemann feyn, fein &eichäft aus bem runde verftehen, und unermüblich feinen Bflichten obliegen, das Schiff macht baburch eine vortrefflide Reife, er verliert weder Etengen noch Eegel, a bringt Fracht und Paflagiere in möglichft kurzer Zeit und wohlbehalten an ben Ort ihrer Bejtimmung, aber er weiß nicht mit den Paſſagieren felber umzugehen, er verwechfelt dieſe zu leicht mit ber Fracht felber die er führt, und hat leider nur zu eft „zu viel Zeit auf feine Seemannskunde verwankt,“ um auch noch außerbem zu willen wie man ein zufammengewürfelte Mafle gebildeter und ungebilbeter Leute, wie fie ja doch auf jedem Ediff vorfommen, behandeln muß. Er glaubt ſich etwas von feinem Recht und Anfehen zu vergeben, wenn er freunblid mit ihnen ift, läßt fie fo viel ald möglich fühlen, baß er ber Erite an Bord ſey und deßhalb unke dingten Gehorfam von ihnen zu fordern hate ja ı* vielleicht unflug genug ihnen das mit dürren Worten zu fagen.

Der Capitän muß allerding6 den Oberbejehl eine Schiffes haben und darauf unbefchränfter Heide feyn, aber er darf dad, will er nicht unnuͤgerwe:ie ein fatale VBerhältnig zwiſchen fih und den Rai gieren herbeiführen, nicht felber ausfprecdhen, ſondem e8 muß ald eine Eache angefehen werden bie nd

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on felbft verfieht, die jeder Dernünftige auch ein- hen wird und einfieht, und bie fich fchon aus dem. anzen Gang bes Schiffslebens in den erften Tagen on felber ergibt.

Der Capitän follte dagegen aber auch wieber, - efonderd in ber erften Zeit vorfichtig feyn, wie er dh, ehe er feine Leute etwas genauer kennt, zu viel nd zu freundfchaftlih, oder vielmehr familiär mit men einläßt. Wird das nachher von dieſen gemiß- raucht, fo vergibt er fich entweder wirklich von ber lchtung die er auf feinem Schiffe zu fordern hat, ber er muß ber erfte feyn, ber durch unfreundliche Borte, Diejenigen welche er vorher felbft dazu aufs emuntert hat, wieder in die gehörigen Schranken müdweist. Beides ein paar höchft unangenehme älle.

Ueberhaupt haben ſich durch bie Yortfchritte ums zer Eultur ſowohl, wie durch die bebeutenbere Aus⸗ anderung, bie jept in einem ganz anderen Kreis nferer Gefellfchaft Verbreitung gefunden, bie Ans wderungen die an den Führer eines Echiffes geftellt erden geändert, das heißt vergrößert.

In früherer Zeit genügte ed, wenn ein Mann, er von ber Pife auf gedient hatte, und im ſtreng⸗ en Einn des Wortes „ein guter Matrofe” war, in Schifffahrtsexamen ordentlich machte; irgend ein

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Rheder febte ihn dann auf ein Schiff, gab ihm feine Frachtbriefe und Empfehlungen an ein anderes be fimmtes Haus mit, und wie ein Fuhrmann, der mr barauf zu fehen hat daß feine Ladung vor Waſſer und euer und überhaupt vor Schaden bewahrt wirt, ging er in See, machte feine Reife fo fchnell unt gut er konnte, nahm dort wieder ein was er ven dem Haus, an das er adreflirt war, befam, unt fuhr heimmwärts wie er gefommen war.

Die Auswanderung befchräntte ſich in jener Jet auf den Handwerker und Aderbauer, die Goncurresz zwiichen ben Echiffen war unbebeutend, bie Verbin dung zwifchen ben Ländern langfam.

Das hat fich jetzt alled geändert.

Erftlih wandert jest, wie ſchon geſagt eine gun andere Klaffe von Menſchen aus, mit Denen ta Eapitän in nächfte Berührung fommt, und dieſe wr- langt daß der Mann, der bei manchen Reiſen mur auf wenige Wochen, bei anderen aber auf viele Monate nicht allein ihr Xeben unter feinem Schuß nein auch ihre ganze Bewirthung und Behandlung in der Gewalt und unter Aufjicht habe, ein gebil deter Mann. feyn ımb findet fie das auf Dem einen Schiff, bei dem einen Rheder nicht, fo geht fie zu einem anderen.

Gebildete junge Leute fangen jebt an zur Tee

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zu gehen, unb wir verbanfen babei viel unferer „deut⸗ ſchen Seemacht“ wenn biefe auch leider nur als Schat« tenfpiel über bie Bühne ging ber Dienft auf einem Kriegsſchiff mit Ausficht auf Anancement hatte mehr Verlodendes als das monotone Gefchäft eines Kauf fahrers, aber biefe werben felbft nur zu häufig wies ber durch das rohe Betragen ber Capitäne, unter denen fte fahren müffen, zurüdgefchredt,, welche Her⸗ ren meift ein förmliches Borurtheil gegen folche junge Leute haben, was aber auch barin. fehr natürlicher- weife begründet liegt daß es fie ärgert, wenn ein gewöhnlicher Matrofe, ja nicht einmal das, noch ein Schiffsjunge oder leichter Matrofe, was Navigation, Berechnungen ober Aftromonie betrifft, mehr verfteht als fie felber.

Ter legte Kapitän mit bem ich fuhr, ber von feinem eigenen Rheber, allerdings ungerecht, ber ges bildetſte der Bremer apitäne genannt wurbe, fagte in meiner Gegenwart, wie fich fein Steuermann, ein fo bidföpfiger Matrofe ald je ein Ded gemwafchen beflagte, daß zwei ber leichten Matrofen den Augenblid, wie fie ihre „Wacht zur Coje hätten,” über ben Büchern fäßen, „ja, fie hätten follen Pros feſſors werben.”

Aber noch einen anderen Grund gibt es, der bie

Rheder zwingen wirb fich eine „neue ©eneratiant Gerhäder, Belfen 1. a

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zu Capitänen heranzuziehen und bie wenigen guten, bie fie fchon haben, beſonders warm zu halten.

Dampfichifffahrt, Eifenbahnen, wie außerdem noch bie eleftro-magnetifchen Telegraphen haben einen neuen Umſchwung in bie Gefchäfte gebracht. Fruͤher fegelie ber Bapitän mit feinem Echiff nach dem fremien Hafen, und war es ein.guted Bahrzeug, fo macte er eine ſchnelle Reife und kam eher oder wenigitend fo rafch zurüd, als andere Nachrichten von dert her eintreffen fonnten. Der Rheber gab damals tem Eapitän feine Juftruftionen mit, und war das Schill erft einmal in See, fo ließ fih daran nichts meh ändern. Ob fidh bie Preife in der Heimath für de verfehiedenen Produfte indeflen fo oder fo geitalterm, blieb fich gleich, ber Auftrag mußte, wie einms gegeben, auch ausgeführt werben. Jetzt kann ca Schiff nad) Indien z. B. ſchon zwei Monate in Er ſeyn und den Ort feiner Beſtimmung faſt erreict haben und doch ift es möglich neue Radhritie borthin zu bringen, ehe es Anfer geworfen, zuglest erfährt ber Schiffer felber von anderen Orten, mr hen benen früher faum eine Verbindung berant. Nachrichten über die Preiſe der nämlichen Protatte. über die fein Rheder noch nichts wiſſen kann med erfährt, bis er feine Ladung genommen, unb je wird unendlihen Nugen daraus ziehen, voemm- e

. 451 felber im Stande ift, in ſolchem Fall für fich zu handeln, und vortheilfaften Einkauf. zu benutzen, anftatt fih an ben Buchftaben feines Auftrags zu Bolten.

Alles das erfordert aber eben mehr ald nur einen Matrofen, au die Kauffahrer haben eine Cadet; tenfchule nöthig, und der Vortheil, der dadurch ben Rhebern erwüchle, wirb bald augenfcheinlich werben. | Doch um wieder auf bad Verhaͤltniß ber Paſſa⸗ giere mit dem Gapitän zurüdzufommen, fo find es ebenfal® nur zu häufig auch bie erfteren, welche mit einen großen Theil der Schuld tragen. Zu viele nur geben fidh, wenn fie befonders als Ca— jütenpaflagiere eingefchrieben find, ben fühnften Er⸗ wartungen einer mit jeber Bequemlichfeit ausgerüs fleten Eeefahrt hin, und viele fcheinen babei wirk lid den Glauben zu haben, daß fie, wenn fie nicht offenbaren Berluft leiden follen, ihren vollen Paſſage⸗ preiß unterwegs herausdefien müffen. Die Paflage felbft ift ihnen nichts; „jo und fo viel haben fie bes zahlt, dafür kann ber Rheder eine fo und fo große QDuantität, und eine fo und fo gute Qualität Lebens» mittel angeichafft haben, und das muß ihnen werden, fonft find fie verrathen und, verfauft und werben unwürdig und fchändlich behandelt.“

452. ' .

Daß fte fich dabei das. Leben felber, ganz uw nöthigerweife, -verbittern, Daran benfen fie gewöhnlich gar nicht, und doch fpielen fie fich dabei ben größten Poſſen. An das Schiffsleben nicht gewohnt, und mit ben gebrudten Berfprechungen der Rheder in ker Taſche, die fie fich nicht etwa fo wie fie gemeint waren, fonbern wie fie felbft e8 erwartet, aukgeleg haben, treten fie, fobald fie fi nur im minbejten in ihrem Rechte gekraͤnkt glauben, ungeſtüm auf, und fordern dabei oft Sachen, bie fie nicht einmal zu fordern haben. If nun ber Gapitän ein wer nünftiger ruhiger Mann, der fi) von vormberein nichts vergeben und Anfprud auf die Achtung in Paſſagiere hat, fo kann er mit ein paar freundlichen Morten und einigen’ Berichtigungen ober Verſprechu— gen ungemein viel ausrichten. Eelbft mit mittelmäß gen Lebensmitteln fann der Capitän, wenn nur eine gute Ordnung eingeführt wurde, und bie Raflagier fehen, er thut was in feinen Kräften flieht, Die Menſchen, die er über dad Meer führen fell une die in ber Zeit Gefahren und Aufenthalt mit ibm theilen, zufrieden ftellen bie beften werden ibmen Dagegen nicht genügen, wenn ein ſchroffes Betragen des Capitaͤns fie dazu nöthigt, fi nur immer mb immer wieder unter fich felber auszuſprechen. Ten findet fi dann felten jemand, der ihnen genügende

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Auskunft geben könnte und wenn er ſich wirklich fände, würden fie ihm nicht glauben, und mehr und mehr erbittert wächst ber Unmuth, bis er enblich zum unheilbaren Bruche wird.

Die Leute haben dabei gewöhnlich gar feinen Begriff von einer Seefahrt, wiflen nicht einmal wie fie fich felber unterwegs benehmen müflen, und wollen dabei noch Eapitän und Aufwärtern ihre Pflichten vorschreiben. Nur eine Sache will ich, bes Beifpiele wegen, erwähnen das Wachen ber Paffagiere in ber Cajüte (Damen natürlich ausgenommen) wie im Zwifchended auf Auswanbererfchiffen, wie das Halten von Nachtgeſchirren; wäre ich Gapitän, ich würbe es unter feiner Bedingung dulden, und lieber zum Wafchen eine Vorrichtung am Ded anbringen, ed gefchieht aber nur zu häufig. Die Paflagiere glauben jich auf einem Schiff wie in einem Gafthof einrichten zu fönnen, hetzen ben armen, vielleicht im Anfang felbft feefranfen Cajuͤtenjungen bald bin bald her, und zwar um Sachen, bie fie fich felbft recht gut und ohne ihrer Würde ald Eajüitenpaflagiere etwas zu vergeben, beforgen fünnten, und fchleppen ober laſſen fi das Wafler in bie engen Räume ihrer Schlafftellen ober Eajüte hineinfchleppen. Die geringfte Bewegung bes Schiffs verichüttet ihnen

jedenfalls, wann fie nicht gar das ganze Deden D

umftößt, einen Theil der Ylüfligkeit, die nun ibrer. feitö wieber verbunften muß und die inneren Räume mit einem fchlechten Dunft und Ehmup erfüllt. Selbft beim Hinaustragen ließe fich, während tue Schiff ſchwankt, das Uebergießen kaum vermeiden. und nachher ſollen ein ober zwei ungluͤcſſelige Ge ſchöpfe von Stewards oder Aufwärtern, Die miı ewigem Hin⸗ und Hergefchid gehept werben, nun auch noch im Stande feyn, ſich felber zu reinigen. Cajüten unb Gefchirre fauber und in Ordnung m halten. Es ift wahr, biefe Burfchen fehen auf Im Paflagierfchiffen oft genug zum Anekeln aus, unt ‚wären im Stande dem hungrigiten Magen Das Gen das fie auftragen, zu verleiden, gemöhnte man nd nicht endlih an fie und ihr fchmugiges Geichn: Das iſt aber auch nicht anders möglich, ſo lanı nicht die Paflagiere ji) die größte Muübe gebe alles das, was jie fich felbit holen, was ite tele verrichten können, auch wirklich jelber zu heilen unt zu verrichten, und dadurch die paar Aufwärter ı kr. für jeden Paffagier fann nicht gut ein Weine gehalten werden), ihren nöthigeren Geichäften nid: mehr zu entziehen.

Allerdings muß man fich dabei, felbit werm ma: Gajütenpaffagier ift, vieles auf einem Schiff geialler laflen und ertragen, wos man auf dem feiten Land

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nicht zu ertragen brauchte, dafür ift man aber auch auf Reifen und follte fi) das befonbers immer und immer wieber felber vorerzählen. Klug ift es babei von ben Paflagieren gehandelt, wenn fie fich mit dem Gapitän fo gut als möglich ftelen fie brau- hen ihm gar nicht zu fehmeichen, fie follen ſich nichts vergeben ich wäre ber legte, bad von ihnen zu verlangen, aber fie dürfen fich auch, unbefchadet ihrer eigenen Würde, in manche Laune, oder das wenig- ſtens was ihnen Laune zu feyn fcheint, fügen, manches erbitten, was fie vielleicht ein Recht zu fordern hätten, das fchadet gar nichts, fondern ftellt fie im Gegentheil auf einen freundichaftlichen Fuß mit dem Gapitän an Bord, der, wenn er. böfen Willen genug dazu hat, fie chicaniren, ärgern und fnapp halten fann fo viel er will. Möge mir feiner Darauf erwiedern: „Das kann und darf er nicht, oder wir machen ihn im nächiten Hafen bafür verant- wortlich,“ weiß er e8 Hug anzufangen, fo fann und darf er alles, und die Paflagiere find es dann ftets, die Darunter leiden mülfen.

Die Eonfuln in fremden Hafenpläpen haben ba- bei keineswegs, wie viele irethümlich glauben, eine enticheidend richterliche, fondern nur eine vermittelnde Stimme. Ueber ben Proviant und Waflervorrath des Schiffe haben fie allerdings ein gewichtiges Wort

4536 zu fprechen, fie können nach vorgebrachten Klagen deßhalb die Vorräthe unterfuchen lafien und ben Capitän nöthigen, das ben Paſſagieren gefeglich Ber: Iprochene zu halten, fonftige Klagen aber geboren, befonders wenn fie ernfterer Natur find, vor Be wirklichen Gerichte der verfchiedenen Länder, und wer noch nicht weiß was es mit „wirklichen Gerichten“ in irgend einem Theil ber Welt für eine Bewandtnij bat, der kann das auf Koften feiner Zeit und feines Gelbbeuteld in jeder fremden Hafenſtadt, am be quemften aber (wenn das überhaupt bequem if) im eigenen Baterland erfahren.

Nein am vernünftigften ift c6 jede Streitigfei gleich von vorn herein fo viel als möglich zu ver meiden, und thun das bie Paſſagiere, jo werden ic mit nur geringer Erfahrung bald einjehen, daß ie jich felber am beften dabei geftanden haben.

Al ich die Reform damals betrat, waren Denn auch jämmtlihe Parteien an Bord MWaflagierr wie Capitän, euer und Flamme. Tie PBaflagierr auf Ded erklärten mir daß jie mit dem Gapi tän nicht weiter gingen, er jtehe ihnen nach tem Leben und laffe fie halb verhungern, und ber Ga pitän in ber Gajüte verjicherte mich daſſelbe. Sein Leben ſey, wie ex feft behnuptete, bedroht wer. den, und felbft feine Matrofen weigerten fich weiter

457 mitzugehen, wenn die Räbelsführer nicht erft befeitigt wären.

Es war ordentlich komiſch bie fchredlichen Ger ihichten ber beiden Parteien zu hören, doch zweifelte ch nicht im geringften baß ſich das in Valparaiſo Kon Alles reguliren würde, und hütete midy, weder ei der einen noch der anderen Partei etwas d'rein u reden.

Die Reform hatte eine ziemlich glüdliche Reife ım Cap Horn gemacht, überhaupt ift dieſe Reife, die ils das Echredbild einer Winterfahrt wohl ſchon nanchen armen Reifenden wochenlang vorher geängitigt at, wenn er an all das Eis, all den Schnee, all ie furdhtbaren Stürme und Wellen dachte die bort einer warteten, in legter Zeit von fehr vielen Schiffen, md zwar glüdlich zurüdgelegt worden. Zur Be uhigung manches Reifeluftigen, dem vielleicht nur och vor diefer böfen Tour graut, will ich deßhalb ad, was ich darüber von vielen Paſſagieren und yapitänen gehört, mittheilen; es mag vielleicht dazu ienen bie und ba eine irrige Meinung zu berichtigen.

Sehr viele Seefahrer behaupten, daß die Sommer: ihrt für eine Reife von Oſten nach Welten, um Cap yorn herum, bie beflere jey, andere dagegen nehmen ie Monate Mai und Juni aus in benen, wenn es

uch ſehr kalt zu biefer Zeit in fo hoher füblicher

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Breite ift, die öftlidhen Winde doch vorherricben un gutes klares Wetter eine raſche glüdliche Fahrt au dem atlantifchen in den ftillen Ocean follen erwarten laflen. |

Gerade jest find mehre Schiffe Hier eingelauten bie in den lebten Monaten Gap Horn ungemein rakt und glüdlich umfegelten. Eo hatte die Reform ein Reife von 42 Tagen von Rio de Janeiro bis Bal: paraifo; eine norwegiiche BVarke fam in 31 Tagen von Buenos Ayres hier an, und eine englifche Yarfe hat ebenfald nur 34 Tage dazu gebraucht. Te Talisman ift in 42 Tagen von Rio herumgelommen, und noch viele andere Bahrzeuge hatten ungemein jchnelle und gute Reifen. Nichtsdeftomweniger hänat aber dennoch, wie bei jeder Seefahrt, fo viel von Sir und Gapitän al8 auch von Glück dabei ab, Lem zwei gleichfchnell fegelnde Schiffe können zufällig in zwei verichiedene Winditrömungen gerathen, to tan das eine, welches gerade den günftigen Ztrem ge troffen, feine Keife ruhig und Ichnell fortiegt, mühren? das andere zurüdgehalten, vielleicht noch von einem Sturm überholt und ganz aus feinem Cours heraus gebracht wird. So fam hier kurze Zeit vor der Neierm eine oldenburgifche Brigg an, Die nicht weniger ale 104 Tage von Rio Janeiro gebraucht hatte. Aud Durch Die Magellanftrage hat fürzlib ein Hamturge

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Schiff, die Athene, die Reife verjucht, aber freilich durch eine entfeglich lange und befchwerliche Fahrt ichwer dafür büßen müflen. In der Magellanitraße berrfchen nämlich meiftene Windftillen, und bei um günftigem Wind geftattet wieder das fchmale Fahr: waffer feinen hinlänglichen Seeraum, fo daß die Schiffe dann jebedsmal vor Anker gehen, und dadurch viel ihöne und koſtbare Zeit vergeuden müflen.

Der Athene war es fo gegangen, 40 Tage trieb fie fih in der Magellanftrage herum und befam ba- durch eine Reife von 151 Tagen von Liverpool aus.

Die durchichnittliche Reife von Deutfchland nad) Balparaijo ijt 110 Tage. Die Reife von hier nach Californien fann in ſechs bis acht Wochen recht gut jurüdgelegt werben.

In letzter Zeit find allerdings einige Schiffe bei Cap Horn untergegangen, man bedenfe aber erftlich die ungeheure Zahl von Yahrzeugen die jetzt dem neuen Eldorado entgegenjtreben, und es werben nur wenig Procente herausfommen, die hier dem wilden Meere zum Opfer fielen. Ueberdieß haben beionbers die Nordamerifaner in legter Zeit, wo der Ruf nad) Sahrzeugen zu einem allgemeinen Schrei wurde, von der Ausjicht auf Gewinn gedrängt, fämmtliche alte, ſchon vielleicht in Vergeſſenheit gerathene oder befeitigte Kaften wieder vorgejucht und aufgetafelt, das alte

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mürbe Holz mit trügeriicher Farbe neu übermalt, und ber Eee Leben und Eigenthum ber Paflagiere und Mannſchaft auf oft gewiß unverzeihlich leichtiinmige Weife anvertraut; fein Wunder dann, wenn fo ein altes Geftell den flürmifchen Wogen bes Cape nidt mehr gehörig wiberftehen fonnte, und bei längerer an ſtrengender Fahrt lebensmübde auseinander ging.

Vielen Spaß machten mir an dem Morgen, we ih an Borb der Reform kam, die „Beler der Küſte die fogenannten Schiffsmäkler, von denen breie zu gleicher Zeit-die Reform „enterten“ dem Gapitän ik eigenes Geichäft zu empfehlen und wie da6 jelten oder nie babei unterlaflen wird, das ihrer übrigen Collegen nad) beiten Kräften herunterzureigen. Nir- gends habe ich diefe guten Leute aber in größerer Bear legenheit gefehen und fie find fonft eben nidı leicht in Verlegenheit zu bringen, als gerade bie. Die beiden eriten Boote hatten nämlich ſchon eim ganze Zeit lang liegen und warten müffen, ba fan Fuß das Schiff betreten darf, bis nicht Das Gefund heitöboot feine Viſite gemacht und alles in Ordnung gefunden hat, das dritte Hatte fie dann überholt unt fie Hletterten fat zufammen die Kallreepstreppe bin. Dieje drei Echiffemäfler oder shipchandlers geborten nämlich drei verichiedenen Häuiern an, waren en ander natürlich bitter feind (denn in keinem Geihärt

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herrſcht wohl ein fchlimmerer Brobneid als gerade. bei diefem) und wurden von bem Eapitän, ber in feiner Unſchuld zu glauben fchien die Leute feyen nur an Bord ;gefommen ihm guten Tag zu fagen, auf das freundlichfte in Die Cajute geladen und mit Wein bewirthet. Dort faßen fie nun einander gegenüber, jeder mit einem Glas vor ſich und mit einem ge jwungenen freundlichen Gefichte. Jeder fcheute fich babei den Mund aufzuthun, fein eigenes Geichäft zu empfehlen, und das der anderen in Mißcerebit zu bringen ging ja doch jegt, in ihrer Gegenwart, gar nicht an. Dabei wurde noch die fchöne herrliche Zeit verfäumt, denn zwei andere Schiffe liefen ebenfalls in den Hafen ein, doch feiner mochte dieſe auffuchen, weil er damit das einmal betretene Schiff total aufs gegeben hätte und bei einem beutichen Schiffe dachten fie doch wahrfcheinlich immer ein wenig mehr au fchneiden.

Der Capitän beendete indefien feine »shore« Toi⸗ lette und fuhr richtig an Land, ehe bie drei Männer im feurigen Ofen zu einem Refultat gefommen wären ad wie lieb fie fich einander hatten, und wie freundlich fie einander guten Morgen boten, als fie von Bord gingen, und wie mag’s ihnen dabei im Herzen ausgefehen haben.

Mit der Reform war auch der Raturforfcher von

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Bibra angelommen, ben ich das Vergmügen hatte hier kennen zu lernen. Herr von Bibra wollte anfänglich mit demfelben Echiffe bis San Francisco weiter gehen, durch das häßliche Verhältnig an Bord aber beivogen, gab er die Reife nach Californien auf, und befblei ſich zuerft Chile einmal ordentlich anzufehen. Wir verlebten einige recht angenehme Stunden mitfammen, und ich bedauerte nur, ihn jept als Reifegefährten verlieren zu müflen.

Paflagiere wie Gapitän verflagten fich inbeflen wirklich gegenfeitig in Balparaifo, und zwar ber Exiten bie Leßteren auf mörberifche Abfichten, wobei er ſich auf bie Drohung eines Einzelnen, eine® noch fer jungen Mannes ftühte, der ein Mefler gezeigt baben ſollte die Paflagiere den Capitän dagegen wegen erhaltener fchlechter und verborbener Proviſionen. Tat Gericht zu dem fie babei gehen mußten, war Nr ruſſiſche Conſul da ja die Reform unter ruſſiſcher Flagge fegelte und dieſer ernannte eine Gommir fion, die Lebensmittel zu unterfuchen.

Das rufliiche Gonfulat, hier durch einen my lifchen Kaufmann vertreten, den das überhaupt nur zum Schein unter ruffifche Flagge geſtellte Edit wenig genug intereſſiren mochte, und ſich auch wabr fheinlih nicht lange und groß damit zu beiaflen wünichte, gab fich feine befondere Mühe, genau auf

463 Grund ober Ungrund der Klage zu kommen. Die ernannte Commiſſion, ein Engländer und ein Ameris faner, befichtigten zwei oder brei Yäfler Fleifch und einige andere Provifionen nur höchft oberflächlich, frühftüdten mit dem Capitän und rubderten dann fehr felbftzufrieden an Land zurüd.

Das Refultat war nun bag fämmtliche Provi⸗ onen für gut befunden wurden, und man bem Gas pitän nur aufgab Waſſer, wie einige andere Erfris Khungen, als Eier, Gemüfe, etwas frifches Fleiſch u. f. w. einzunehmen.

Die Paffagiere,. Die e8 dabei herzlich fatt befamen in Balparaifo liegen zu bleiben noch bazu ba bie, Unzufriebenften gerade das wenige Geld was fie bie dahin überbehalten, verzehrt hatten, draͤngten eben» falls wieder fort, und hüteten fich wohl große Ein, Iprüche zu thun fie waren froh baf bie Sache fin Ende nahın. Der Gapitän drang auch nicht weiter auf feine Klage wegen bebrohtem Leben, weil er damit vor den chileniſchen Gerichtshof gemußt hätte und eben auch feine Beweife aufbringen fonnte, and fo fehlen ſich die Sache viel frieblicher zu löfen, 18 beide Parteien im Anfang geglaubt haben mochten.

Um biefe Zeit gerade kam ein Deuticher nad Balparaifo, ber fehr viel Auffehen machte ber Mann war feines Handwerks nad Schufter geweien

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umb vor einem Jahre ober acht oder neun Monaten nach Galifornien gegangen, von wo er gerade jet mit, nad) Einigen, ungemefienen Echägen, nach Anderen mit acht taufend Dollaren, zurüdfehrte. Die gang Stadt ſprach von ihm, er wurde als aufmunterndet Beifpiel hingeftellt und hieß überall ber „caliien nifhe Schuſter.“ Die Goldduͤrſtigen fahen auch wir lich mit einer Art Ehrfurcht zu ihm auf, und 8 Geheimnißvolle, womit er überhaupt Californien be handelte, mochte nicht wenig dazu beitragen. Einige behaupteten fogar er habe eine: fabelhaft reiche Stelle entbedt, die noch fein anderer Menfch wiſſe, und a fey nur nad Ehile gefommen einen Theil teinet Goldes in Sicherheit zu bringen, wonach er augen⸗ blidlich wieder nach Galifornien zurüdichren werte.

Der „californifhe Echufter* beabjichtigte aber m ber That nichts weniger ald nach Galifernien zunüd zufehren, und hatte bafür feine triftigften Grünte, denn azufälligerweife fam ich fpäter genau in dieielbe Gegend, wo er bie „reiche Etelle” gehabt hatte und mit denfelben Leuten zufammen mit denen er, wi rend feines Aufenthalts in Galifernien verfehrte, und hörte da, kaum zu meinem Grftaunen, denn ich fing an berlei Sachen gewohnt zu werden, daß dieier gute Echufter ein nichtswuͤrdiger Betrüger war, ber fein Gold dadurch erworben hatte, daß er an zwi

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rſchiedenen Orten Maulthiere und Provifionen auf _ rebit nahm, damit in Die Minen ging und die ganze ärtie verkaufte, dann das nämliche in einer andern tabt wiederholte und noch einmal durchbrannte. Von alifornien war auch ſchon Jemand hinter ihm ber, ie ich aber Fürzlich erfahren habe, zu fpät gefom- en, benn ber fchlaue Echufter hatte feinen Erebit ıd die Leichtgläubigfeit der Valparaifer zu benuben wußt, feinen Schatz felbit in Chile zu vermehren, ıd war auch von dort fpurlos verfchwunden.

Mancher Beutel mit Gold der von Galifornien mmt, ift wohl auf folche Art erworben.

Am 23. Auguft follte die Reform endlich fegeln;

h. wir wurden Morgens an Bord gerufen, ber apitän erflärte aber hier feinen Paflagieren daß er ht eher mit ihnen in See gehen würde, bis fie iht einen Contract den er ihnen vorlegen wolle, nterfchrieben haben.

Diefer Bact, der wunderbarer Weife unter lauter yeutihen von einem Deutfchen englifch aufgefeht ar, und ben fieben Achtel der Paflagiere natürlich rw nicht verftanden, wurde natürlich von allen ver: orfen, überdem enthielt er nur Artikel welche bie ‚aflagiere an ihre Prlicht banden, feinen bagegen, rt den Capitän auf irgend eine Art verbindlich ge- acht hätte,

Gerſtacker, Rein. 1. 2 30

So ungen ih mich nun auch, befonders gleid von vorn herein, in die mir fremden und mid ga nichts angehenden Streitigfeiten milchte, lag mir tet zu viel daran bald in See zu fommen, und ba rd auf andere Art gar feine Einigung herauszuftellen Ichien, übernahm ich ed endlich eine Schrift aufs fegen, von ber dann beide Parteien erklären ſollien. ob fie damit einverftanden feyen oder nicht. Tat geichah denn auch; die ganze Sache war indepen doch nur Form, denn wer hätte fpäter in Galiter nien wegen an Bord vorgefallener Streitigfeiten klagen wollen; ich fegte deshalb eine Schrift mit, ich wei nicht mehr wie viel Paragraphen auf, in ber nt beide Parteien eigentlich zu gar nichts verpflichten. beide Parteien waren aber damit volllommen cas verftanden, und während wir noch, der Gapitin cu Eremplar und wir das andere, unterzeichneten, tu felten oben an Ded bie Anferfetten in Die He. Eine halbe Stunde fpäter flatterten die Segel ver ven Raaen; ein paar andere Schiffécapitäne, Mr noch bei und an Bord waren, fuchten ibr eigene Boot, um zum Lande zurüdzurudern, und mit gi ftigem, aber fehr ſchwachem Wind verließen wir lar; fam die von Bergen dicht eingeichloflene Bai.

Anders wurde es jedoch als wir hinauskamen bui, wie e8 vom Eüden jcharf und fchneident heram—

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ff; all die leichten Segel mußten augenblidlich ein- holt werben, und ich glaube, wir hatten die Nacht jar ein Reef in den Marsfegel, Pfeilfchnell durch: offen wir Die fchäumente Fluth, und höher und her, je weiter wir in bie offene See hinausfamen, ben fich die Wellen. Prachtvol war babei das ınorama ber Gordilleren, die in ihrer ehrmürbigen figen Herrlichkeit den Hintergrund ber bewegten See- ne bildeten; die weißen blikenden Kuppen fchauten r freundli, wie grüßend, nach mir herüber waren ja alte Belannte, die ich in ihrer eigenen eimath befucht hatte und es überfam mich ein ' wiſſes behagliches Gefühl der Sicherheit, biefe gi- ntifchen Bergriefen, die ich auf der anderen Eeite üben mit einer Art fcheuer Ehrfurcht betrachtet, 3t zurüdgelegt und hinter mir zu haben. So groß- tig fchauten fie aber auf dieſer Seite doch nicht ein ald damals, wie ich, aus den Pampas kom⸗ end, mich dem Fleinen Städtchen Mendoza näherte, fehr wurden fie hier von anderen Bergen, ben üftenhügeln, verdedt, während ich dort gleich ben mzen vollen Anblid ihrer fämmtlichen ungeheuren daſſen vom Fuß bis zum ©ipfel in mich aufneh- en fonnte.

Unfer Cours war TNW., Temperatur von Luft id Wafler 14°,

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Am nächften Morgen befanden wir uns in ef ner See felbft die Cordillerenkette lag außer Ci hinter uns, eine frifche, ja ſcharfe Briſe ftand une vol in die Segel, und wir liefen wohl adht bid nem englifche Meilen die Stunde. Schiffe ließen ich eben falls nirgends erfennen, und unfere einzigen Begleuer waren die Captauben, die wir im atlantifchen Com etwa auf berfelben Höhe angetroffen, und eine llein Art mir noch fremder Seemöven, bie in ihrem dla; wie Ausfehen ungemein bem beutfchen Sperber gi hen. Ebenfalls fahen wir wieber die Heinen Cr fchwalben, bie über Den ganzen Ocean vertheilt fcheinen: ber Engländer nennt fie »motber careys chickens- der Deutfche, Gott weiß weßhalb, Malefiten. Ee jind Heine, liebe, geichäftige Thierchen, und ich Ich fie gar zu gern im Fahrwaſſer des Schiffed. Tu ber Sübdjee haben übrigens cine Eigenbeit, die id an benen bes atlantiichen Meeres noch nicht beeb achtet habe; fie laufen nämlich weit mehr ale hu“ über das Waſſer bin und fchnellen fi) dabei durt einen plöglichen Rud wieder in die Höhe.

Bon den Captauben fingen wir einige an an gewworfenen, mit Eped beftedten Angeln; fie famr in Schaaren darum hergeflogen und liegen ſich u gemein leicht bethören. An Ded liegen wir Ne he. umbherlaufen, fie konnten ſich von ben feiten Planes

469 r.nicht wieder emporheben, nad) wenigen Minuten on wurden fie aber feefranf, ober brachen menig- nd eine weiße ölige Ylüffigfeit aus.

Doch auch ein Wort über unfere Baflagiere: Es d meiftend junge Männer und faft lauter Kauf te, bie großentheild mit Waaren nach San Fran- co gehen und gerade nicht über bie keineswegs nftigen Berichte in Valparaiſo erfreut find. Ange hm ift der Aufenthalt in der Eajüte dadurch, daß r faft ohne Ausnahme nur gebildete Leute darin ben, andererjeit8 wird er aber nur zu häufig durch ige Streitereien und Häfeleien verbittert. Das rhältnig zwifchen diefen und dem Gapitän ift da⸗ . ein durchaus gefpanntes, und obgleich Die Pro- ionen jet bebeutend befler feyn follen als fie von o nach Balparaifo geweſen, fo bin ich doch über: gt, daß auf einer längeren Fahrt der alte Groll b Unfriede jedenfalls wieder ausbrechen würde. is gute Wetter hat jedoch auch viel mit dazu bei- tagen ben Frieden in etwas zu erhalten; bie te können fich beichäftigen und fallen deßhalb nicht 8 reiner Langeweile auf unnügen Zanf und Streit. ſonders viel Schach wird gefpielt, und intereflant b dabei die Gruppen ber Herumftehenden, denen areden fireng verboten ift, die aber dennoch ge hnlich nicht an fich halten konnen und bei nächfter

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Gelegenheit jedesmal in heftigiten Worwechſel x rathen. Auch Whift, Lhombre und Mariage wit viel gefpielt, aber nichts um Geld, ſondern höchitent zu geringen Sägen, um Eitronen, Apfelfinen ein Eigarren.

Bis zum 1. September behielten wir, fait mu gleicher Stärke, den herrlichften Wind, der und nähe und näher zum Aecquator und dadurch auch in eim wärmere Temperatur brachte, denn bei bem he. fhenden fcharfen Südwind war es bis dahin, treg ben raſch abnehmenden Breitengraben, noch imm recht friſch geweſen. Unfer Cours lag faſt ſo vi gen Weften als gen Often, bed erwarteten Nordwei paſſats wegen, den wir über der Linie treifen jelıer (San Francisco liege auf etwa 122% weitlicher Kanıı von Greenwich etwa 38% nördlicher Breite). Lu Temperatur ber Luft war 17°, die Des Warner 15. Am 2. September Winpitille, und das tus Hin= und Herfchlingern des Schiffes, das ven cinc Seite auf bie andere Rollen, dad um io mehr e müdet, da man Die Zeit des Stillliegend ale am total verlorene betrachten muß, begann. Tiere I wegung iſt, für mich wenigſtens, aud Die Tasalı denn man kann ſich wenig oder gar nicht Dagegt: ihügen, und fliegt gewöhnlich in Zwilchenriune von einer halben Minute, aus einer Ede in ii

471 andere, wenn man nicht nämlich feine ganze Zeit darauf verwenbet, ſich feit zu halten.

Vergebens hofften wir dabei einen Hai zu fangen, bie fich faſt ftets bei ruhigem Wetter zeigen, es wollte und feiner der gefräßigen Burfchen einen Beſuch abftatten. Selbft mehre Delphine, die wirklich zum Schiff famen, hielten fich nicht auf, fondern gingen wieder in bie Tiefe.

Unter den Baflagieren felber hatte es indeflen fo viel Streit und Zanf gegeben, daß und die Sache zuwider wurde, und ba fich der meifte Lärm auf nur wenige Perſonen zurüdführen ließ, fielen wir enblich auf ein Mittel, diefen ewigen Streitigfeiten, die fogar nicht felten in gemeined Schimpfen aue- arteten, ein Ziel zu feben.

Wir fertigten eine richtige, ehrliche, hausbadene Rachtwächterfchnarre in breiteftem Format an und belehnten einen der Paflagiere, mit feierlicher Rebe und fpäterem Umzug um das Quarterdeck (ein ver- nünftiger Menſch auf feftem Land Hat gar feine Idee davon, was für tolled Zeug felbit die ruhigften und geſetzteſten Leute oft an Bord eines Schiffes, und längere Zeit in See, angeben), mit diefem Werkzeug der Autorität und befien „unverantwortlicher" Aus- übung.

Sowie nämlidy zwei in Streit geriethen, wurde

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es feine Pflicht zu wachen Debatten über irgent einen Gegenſtand burfte er babei, fie mochten ije hitzig werben wie fie wollten, nicht unterbrecen, artete aber der Wortwechiel nur im minbeften au, wurde er nur im entfernteften perfonlich, ja kam et gar zu einem Echimpfwort, fo fuhr er plöglih mit dem fehmetternden Inftrument dazwiſchen, das, mi bem Lachen der Uebrigen jedes weitere Wort ben übertäubte, jeden weiteren Zank aber rein unmöglik machte. Natürlich fielen babei die komiſchſten Scenen vor und die Echnarre wurde ein wahrer Eegen nk den Frieden unferer Eajüte.

Am 5. erhob fich endlich eine frifche treffliche Brife, mit der wir rajch wieder, und jegt zwar wer dem Wind, unjerem Ziele entgegenftrebten.

Am 9. September befanden wir uns ſchon unıe: 90 jüdlicher Breite, und dem 106° weitlidher künı von Greenwich (Temperatur der Luft 19%; des Wai jerd 18). Die Kühe der Linie fündete Dabei beſondere häufige Regenichauer an, die mich vor allen anden am meilten trafen, da ich ſchon jeit dem 28. in eima Hängematte am Ded jchlief, ich hielt aber rubig ame. obgleich ich ein paarmal ordentlid) naß wurde. So mi warme Nächte eintraten, jchliefen mehrere Der Parkayicır an Ded, der Regen icheuchte jie aber jedesmal beim u die zwar trodenen, aber doch dunitigen ſchwuͤlen untere

4713 Räume, und wie Schatten der Nacht hufchten fie dann mit ihren weißen wollenen Deden unter dem Arm, rafch und vorfichtig den dunfeln Eingang hinab.

Am 15. Morgens früh paflirten wir unter 1109 15° weftl. Länge die Linie, und fo fühl blies ber Mind die Nacht in ben Segeln herunter, daß ich in meiner Hängematte ordentlich fror.

Ein alter lieber Bekannter von mir, der Nord—⸗ tern, kam jett ebenfalls wieder zum Vorfchein, wenn uns auch ber faft ſtets bewölfte Himmel nur höchſt felten feinen freundlichen Anblick geftattete. Luft wie Waſſer waren 21°.

Am 18. und 19. Regen Regen was vom Himmel herunter wollte, und e8 wollte viel herunter. Der Aufenthalt in Gajüte wie Zwilchended tft an ſolchen Tagen entfeglich, die Luken können fchon ber Hige und ded Dunftes wegen nicht feftgemacht wer: ben, und ber Regen fidert dadurch fortwährend, theild in feinen Tropfen, theil® dann und wann in förmlihen Rinnen von den Segeln herunter, in bie unteren Räume. inzelne der Paffagiere, die nicht unauögefegt die Stidluft einathmen können oder mis gen, gehen eine Zeitlang hinauf, und fommen dann ebenjalld wieder mit ihren durchnäßten Kleidungs- ftüden zurüd; durch da8 Zufammendrängen der PBafla-

474 giere werden auch fortwährend Getränfe und Alüfig feiten verfchüttet, Die meiften find felbjt zu faul zum Wachen an Ded zu gehen, und thun das ebenialle unten, und jeden nur möglichen anderen Raum füllen bann Karten» und Schadhipieler aus.

Eine wahre Pein waren bis jegt die verſchiede nen Inftrumente: fein einziges, außer einer Chuitarre und Flöte, wurde wirklich ordentlid am Bord x fpielt, aber in jedem Winfel ftubirte an fchonen Tagen bier einer bie @ither oder Guitarre, ten quälte einer die Flöte, rechts davon zerriß ein ante. rer die Ohren der Zuhörer durch die Pideljlöte, unt links fauerten zwei mit Waldhorn und Trompete jeder fi den Teufel um den Nachbar idherent und unbefümmert feiner eigenen Melodie, seinem eigenen Takte folgend. Ein paarmal wurde Die Sache jo arg, daß ſämmtliche Paflagiere, den Heibenlärm zu übertäuben, nach allen möglichen Werkzeugen. Gefäßen und Inftrumenten griffen, und bie Fiich im Meere müflen fich dann über den Skandal fegt haben. Mörfer, Klingel, Schnarre, Eprachrokt. Blechtöpfe und Pfeifen fpielten dabei Die beteutentw Rolle, und dazu heulten die Hunde und Die, weid« nichtd hatten, den Lärm zu vergrößern, brauchten wenigftend nad) beiten Kräften ihre Stimmen. Aut den Gajüten felbit verbannten wir übrigens Piek

475 mufifalifchen Uebungen. einzelner durch einen Beichluß ber Berfammlung einftimmig gegen drei daß nur auf freiem Verdeck ein Inftrument gefpielt ober geübt werden durfte eine höchſt wohlthätige Ein- richtung.

Das Negenwaffer des Quarterdecks wurde übri- gend fortwährend fehr forgfältig aufgefangen und theils in Faͤſſer gefüllt, um fpäter zum Trinkwaſſer zu die⸗ nen, theil& glei) zum Wachen von den Pallagieren benutzt. Wunderlich feuchte, aber fleißige Gruppen fieht man da, meift nach einem ftarfen Regen, an Ded, nach allen Richtungen hin zerftreut, und Waͤſche wird an allem ftehenden Takelwerk, oft freilich noch in dem traurigiten Zujtand, manchmal aber aud,, ſehr zum Aerger der Matrofen, an dem laufenden aufgehängt und getrodnet. !

Am BDonnerjtag den 20. befamen wir wieder Windſtille, und damit auch trodenes Wetter. So rubig aber auch Luft und Meer feyn mochte, fo wild

ı Stehendes und laufendes Takel- und Tauwerk bedarf vielleicht einer Turzen Erklärung. Stehendes ift alles bas was fo befeftigt ift, daß e8 nicht verändert werben kann wie Wanten, Barbunen und Stage was fanmtlid zum Stützen und Halten der Majte dient; laufendes Tauwerk find bagegen die Falle und Braffen ꝛc., Die zum Stellen ter Raaen ober Einnehmen der Segel benutt werben und durch nichts behindert werben dürfen.

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und unruhig ging ed an Bord bei uns zu. Ter „Schnaps war alle geworden“ wie der Gapitän tagte, und Zwiſchendecks⸗ wie Bajütenpaflagieren wurde ibre bi8 dahin beftimmte und ebenfalls durch den Schifft contract feftgeftellte Ration entzogen. Tas Zwiſchen bed fchien aber nicht gefonnen fich diefe Neuerung, ohne eine andere Vergütung bafür zu befommen, fo ruhig gefallen laflen zu wollen; der Ruf „Echnaps,° „Schnaps“ wurde erft bier und da vereinzelt, Dann in vollem Chore laut bald dabei in lautem, bulk lachendem, halb gornigem Auffchrei, bald in vell tönendem langgetragenem Akkord, bald nach der Me— lodie irgend eines befannten Liedes. Tas Reſultat blieb aber daflelbe, der Branntwein trog Dem aut, und wenn auch dad Rufen und Eingen mebren Tage anhielt, jo mußten ſich die Leute doch endlich Darüber beruhigen.

Der Leer auf dem feiten Lande lacht vielleicht über einen folchen Speftafel, der eines Glajes Arannı: wein wegen erhoben wird, aber er muß auch beten fen baß auf einem Schiff, das abgefchloffen von der ganzen übrigen Welt nur allein auf ſich ſelber angewieſen ift, ſolche und hier unbedeutend ſcheinende Dinge und Fälle allerdings von Bedeutung int. Die Leute fönnen fich für bad, an das fich vide vielleicht gewöhnt haben, und das ihnen jegt plöglic

477 entzogen wird, feinen Erſatz verichaffen, ber Etoff zu Gefprächen ift überdieß lange erfchöpft und was _ auf dem feften Lande in wenigen Stunden ver gefien wäre, bildet hier in den engen Räumen bie Unterhaltung für Wochen. Leicht erflärlich ift es deßhalb, daß ſich die Paſſagiere felbit über einen fo geringen Gegenſtand, als ein entzogened Glas Brannts wein an und für ſich ſeyn mag, nicht fo fchnell wieder zufrieden geben wollten.

Wir trieben und jegt eine Zeitlang mit Wind- stille und Regen, ber traurigen Zugabe des Aequas tors, herum, ich wurde fait allnächtlid) in meiner Hängematte naß, und das Schlimmfte ber Wind drehte ſich dabei, als er emblich wieder zu wehen anfıng, nach der verfehrten Seite herum. Wir wa⸗ ven nämlich, wie mehrere mit ber Sübfee befannte Eapitäne dem unfrigen auch in Balparaifo befondere angerathen hatten, in Erwartung eines fpäteren Rorb- weitpafiats, fehr ftarf weitlich gegangen, ja befanden und ſchon am 22. auf bemfelben Längengrad mit San Francisco, jebt aber, anftatt einem Nordweſt, fam ein richtiger Nordnordoitwind, mit dem wir ganz ordentlich Nordweſt anliegen mußten.

Am 26. hatte ich eine intereffante Jagd auf Schweinefifche, von denen ich einen harpunirte, bie Harpune riß aber wieder aus, ehe wir ihn heraui-

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und unruhig ging ed an Bord bei une zu. Te „Schnaps war alle geworden“ wie ber Gapitän fagte, und Zwifchendeds- wie Eajütenpaffagieren wurde ihre bi8 dahin beftimmte und ebenfalls durch den Chili“ contract feitgeftellte Ration entzogen. Das Zwifchen det fchien aber nicht gefonnen jich dieſe Neuerung, ohne eine andere Vergütung dafür zu befommen, fo ruhig gefallen lafien zu wollen; der Ruf „Echnape,* „Schnaps“ wurde erft hier und ba vereinzelt, bann in vollem Chore laut bald dabei in lautem, halt lachendem, halb zornigem Auffchrei, bald in voll: tönendem langgetragenem Akkord, bald nad der Die: lodie irgend eine® befannten Liedes. Tas Reſultat blieb aber daſſelbe, der Branntwein troß Dem aus, und wenn auch dad Rufen und Eingen mehren Tage anhielt, jo mußten ſich die Leute Doch enblid Darüber beruhigen.

Der Leer auf dem feften Lande lacht vielleicht über einen folchen Epeftafel, der eines Glaſes Pramnt: wein wegen erhoben wird, aber cr muß auch beten. fen daß auf einem Schiff, das abgefchlojien ven der ganzen übrigen Welt nur allein auf jich telber angewiefen ift, foldhe und hier unbedeutend ſcheinende Dinge und Bälle allerdingg von Bebeutung int. Tie Leute konnen fih für das, an das jich vice vielleicht gewöhnt haben, und das ihnen jegt plöglid

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entzogen wird, feinen Erfag verichaffen, ber Etoff zu Geiprächen ift überbieß lange erfchöpft und was _ auf dem feſten Lande in wenigen Stunden ver gefien wäre, bildet hier in den engen Räumen die Unterhaltung für Wochen. Leicht erflärlih ift es deßhalb, daß ſich die Paflagiere felbit über einen fo geringen Gegenſtand, als ein entzogened Glas Brannt« wein an und für jich ſeyn mag, nicht fo fchnell wieder zufrieden geben wollten.

Wir trieben uns jetzt eine Zeitlang mit Winb- jtile und Regen, der traurigen Zugabe des Aequas tor, herum, ich wurde fait allnächtlidh in meiner Hängematte naß, und das Schlimmfte der Wind drehte fi) dabei, ald er endlich wieder zu wehen anfing, nach der verfehrten Seite herum. Wir wa- ren nämlich, wie mehrere mit der Eübfee befannte Gapitäne dem unfrigen auch in Balparaifo beſonders angerathen hatten, in Erwartung eines fpäteren Norb- weitpaflats, fehr ſtark weitlich gegangen, ja befanden und fon am 22. auf bemfelben Längengrad mit San Francisco, jetzt aber, anftatt einem Nordweſt, fam ein richtiger Rordnordojtwind, mit dem wir ganz ordentlich Nordweſt anliegen mußten.

Am 26. hatte ich eine intereffante Jagd auf Schweinefiiche, von denen ich einen barpunirte, bie Harpune riß aber wieder aus, ehe wir ihn herauf:

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befommen fonnten. Es ift überhaupt ungemein ſchwie rig dieſe gewichtigen Fifche an ſcharfer Harpune aue dem Waſſer zu ziehen, und gelingt, befonderd wenn nicht gleich nach dem Wurf der Fortgang bes Echiffee durch Badlegen der Segel gehemmt wird, nur felten. Auf dem Talidman haben wir bi Rio fünf harpu nirt, ohne einen einzigen zu befommen, und bieiee war auf der Reform ebenfall® der fünfte, mit nid befferem Erfolg. Richtsbeftoweniger ift ſchon ber An- ftand auf diefe Fiſche das Echönfte und Belebenite. was man fich in diefer Art denfen Tann.

Draußen, in Wirflichfeit vor dem Schiff, mn durch ein paar dünne Taue ober Ketten und ein it ausipreizended Holz gehalten, von dem Echiff hilt hoch emporgehoben, bald jo tief geſenkt, daß bie au leckenden Wellen den Buß berühren und banınıa das rege Schäumende Meer, der helle ziichente Giſch der von dem rafch Die Fluth theilenden Bug dee Fahrzeugs zurüdgeworfen wird, das Herausichnelier ber großen ftattlichen Fifche Dabei und ihr bligichneliee Vorüberfchießen,, belebt die Nerven auf eine ichmer ır befchreibende Art, und ich habe mandıe lange Snmi da draußen in nicht zu ermüdender Luft geitanten.

Noh erregender ijt aber die Jagd bei Radı wenn ber bligende Echaum ber Wogen leuchtet unt glüht, und die Fiſche wie Yeuerftreifen durch ir

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tiefe und dort dunfle Fluch ziehen. Wie ein Gluth⸗ ſtrahl zudt die Harpune nieder in das Meer unt wird fie emporgezogen, tropfen die hellen Yunfen davon herunter in den Schoog der Mutter zurüd.

Aber die Jagd war es nicht allein was uns befchäftigte, und ein komiſcher Zwiſchenfall fommt mir bier wieder ind Gedächtniß, ben ich erzählen will. Er mag dem Leſer beweifen, was für tolles Zeug an Bord eines Schiffes oft angegeben wird, denn wo fo viele junge Burſchen zufammen find und den ganzen lieben geichlagenen Tag Monate lang feine Beichäftigung haben, da weiß der Eine, was dem Anderen nicht einfällt, und gnade dann Gott dem, ben fich die Mafle zum Opfer auserſehen.

Unter den Paſſagieren befand ſich ein junger Schweizer, feinen Ramen habe ich vergeflen, ein Buriche von etwa neunzehn bis zwanzig Jahren, der, allerdings etwas von der Natur in feinen Verſtandes⸗ kraͤfien vernachläfligt, ichon mehrmals zum Beiten gehabt war und es ftets feiner Echlauheit zuichrieb, ſich aus ben verfchiedenen Affairen fo glüdlich ber: ausgezogen zu haben.

Dielen frug eines Morgend, wir befunden und nicht mehr weit füblich vom Aequator, zufällig einer der Paflagiere, ob er einen Podenimpfungsichein bei rich führe, und als er darauf ein eiwas eritauntes

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nein erwiederte, fam ein Anderer auf bie Idee, auszurufen: „Ja, dann darfit Du ja gar nicht nad Californien binein!“ und auf einmal ftürmte Alles auf den jebt wirklich beſtuͤrzten armen Teufel lod, dem nun von dem einen Theil ber Paſſagiere Klar gemacht wurde, daß ein neues amerikaniſches eich, wie ihnen der Conſul in Balparaifo felber angeküͤn bigt babe, feinem fremden, unter welcher Bebin gung es auch ſey, die Landung in Ean Francike geitatte,- wenn er nicht einen ſolchen Schein bei bringe, während ficb der Andere wunberte, daß er das noch nicht wiffe.

Ter Schifféarzt weigerte ſich dabei bartnädia ibm einen ſolchen Schein auszuſtellen und er hi endlich inftändigit darum wenn er jich nicht ver ber auch wirklich impfen lafle, denn er Durfte eben falls, wie er fügte, den geleifteten Eid nicht brechen Tem Schweiger blieb alſo zulegt nichte übrig, als jicb in der That impfen zu laflen, und Die „Grefu tion,“ wie c& allgemein an Bord genannt wurt. war wirklich fomilch.

Mit einer alten Yancette und envas ſüßem La. das als Lvmphe gelten mußte, warten ibm auf jeder Arm fünf ſolche Ginichnitte gemacht, daß zwei Yan cetten Dabei abbraden (der Doktor befaßte ſich m türlih nicht Damit, und bie ganze Sache Nieb is

481 Zwifchended) dann wurde er in zwei Dide wollene - Deden eingepadt e8 war eine Hitze Daß man es un- ten faum in der leichteften Kleidung aushalten fonnte und in feine Coje gelegt. Dort mußte er-in einer Temperatur die einen Ochfen gebraten hätte, zweimal vierundzwanzig Stunden liegen bleiben. Während der Zeit wurde er mehrmals unterfucht, ob das Pockengift angefchlagen hätte und feine Coje nahm dafür fein Fleiſch, feinen Kaffee und feinen Branntwein, denn damals gab es noch welchen, in Beichlag, da ihm dieſe Artikel von feinem Arzt einem Apothefer, der fich ebenfalls mit unten befand auf daß ftrengite verboten waren.

Am dritten Tag durfte er erit in ber Mittag: ftunde, bei einer Hitze von 320, aber dicht in feine Tede gewidelt eine Stunde auf Ded und in ber Sonne auf: und abgehen, und mußte dann wieder hinunter, und erft am jiebenten Tag erflärte man ihn geiund oder vielmehr er erflärte fich felber io, denn er fing an zu merfen daß man ihn zum Beten gehabt.

Uebrigend brauchte er acht Tage bis er ſich wie: der vollfommen erholte, fo bleich und elend war er Durch das unausgeſetzte und erbarmungslofe Schwitz⸗ bad geworden.

Roc möchte ich hier ein Unternehmen erwähnen,

das damals an Bord ungemeined Intereſſe erwedte, Werfäder. Reifen. 1. 21 31

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hätte nicht der Charakter der Leute felber ſchon von vorn herein jeden Erfolg ald unmöglich herausgeftellt. In Rio Janeiro nämlich fchon verbreitete fich das Gerücht: das fpäter in Balparaifo eine Art Be ftätigung erhielt daß der neue californifche Gew verneur gefonnen ſey, fo wie er californifchen Boden betrete, ein Geſetz ergehen zu lafien, nach weldem Ausländern oder vielmehr nicht amerikaniſchen Bürgern bad Bearbeiten der Minen für ihre eigene Rechnung verboten würde.

Unter den Paflagieren der Reform befand ſich aber ein alter Matrofe, ein wunderlicher alter Burſche ber viel im Leben gejehen hatte und zwar vid mehr ald er Luft zu haben fchien wieder zu erzählen. Ungemein praftifh, wie ihn ein fo langes Umber. treiben natürlich machen mußte, wußte er von allem ein wenig, von manchem fogar fehr viel, pfuichit in alle Handwerfe hinein, verftand etwas von der Altronomie, war ein audgezeichneter Segelmade. fchnitt fehr gut in Holz und faft das halbe Schi hatte Petſchafte von ihm, die er audgeichnige und faß, wenn er einmal eine halbe Stunde raitete. was aber fehr felten vorfam, ftets jtill und ſinnent in einer Ede und jimulirte. Dieſer hatte alſo tra gefürchteten Gefeg zu begegnen einen Gegenplar enhvorfen, nach welchem er ein Zinfboot mit einem

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Bohrer herrichten wollte, den Flußfand aus ben - Strömen aus dem Bett heraufzuholen und gleich im Boot audzumafchen. Auf dem Wafler mit feinem Boot zugleich lebend, glaubte er dadurch auch ber Gerichtöbarfeit der Vereinigten Staaten enthoben zu feyn, und trotz allen Geſetzen das eble Metall in Maſſe auswafchen zu Fönnen.

Die Unternehmen, das er gleich auf der Fahrt bi8 Rio de Janeiro gefucht hatte auf Aktien zu gründen, fand aber bei den Paflagieren, öffentlich wenigftend, gar feinen Anklang, und ſchien ſchon bie zur Ankunft in Brafilien aufgegeben. Die Leute begriffen damald kaum vollfommen das rein Wahn- jinnige eines ſolchen Plans und ed war möglicher Weife mehr Imftinkt, der fie von dem alten Bur- hen zurüdhielt; das Ganze fchlief aber fo ein, daß gar nicht einmal mehr davon gefprochen wurde. Da ftellte ſich jedoch plöglich heraus, daß das Unter- nehmen keineswegs aufgegeben fey, fondern im Ge gentheil grüne und blühe. Es fanden in Rio de Saneiro Anfäufe ftatt an Zinf, Tau⸗ und Eegelwerf, und die Paflagiere der Reform fanden zu ihrem Er⸗ ftaunen, daß der alte Burfche, ganz unter ber Hand, vier Paflagiere, drei aus dem Zwifchended und einen aus ber Eajüte, angeworben und von bem legteren jogar eine hinreichende Summe, b. h. alled, was er

484 bei fich hatte (etwa 120 Tollard), erhalten habe, feinen Plan ind Werk zu ſetzen.

Wie fchlau der alte Matroje bei der ganzen Ge: fhichte zu Werf gegangen war, bewied er ſchon durch die Wahl feiner Leute zuerft hatte er nd die herausgefucht die baar Geld bei ſich führten, unt von biefen wieder foldhe, denen es, wie fie auch ſchon durch die Annahme der ganzen Gefchichte bewieſen, an dem gehörigen Mutterwig fehlte. Er felber war ihnen an Erfahrung wie an Geift weit überlegen, und mit den andern Plänen, die er noch daneben hatte, und die fait alle auf gleiche Chimaͤren hinaus liefen, brauchte man eben fein Prophet zu jeon, um das Ende des Unternehmens vorauszuiehen.

An Bord biegen Die vier Angeworbenen ubrigene jest die Haimonskinder.

Eine andere höcht intereffante Perfonlichkeit baueıe ebenfall& im Zwiichended. Es wur dieß ein gemwehn- liher Bauerfnecht, der nicht mit der Hoffnung, nem mit Der fejten Ueberzgeugung nach Californien ging, das Gold dort in Muffe und wirfliden Klumpen w finden und dann Ichnurftrads als fteinreicher Wann zurüdjufcehren. Seine Grwartungen fann man ed Dabei eigentlih gar nicht nennen, denn er er wartete garnicht; er wollte jich Das Gold nur ak bolen hatte er Dabei auch auf ein beitimmiet

485 Gewicht feftgefegt und zwar 100 Pfund nicht etwa Troy, fondern zweiunddreißig Koth das Pfund und die Naivetät, mit der er über biefe Sache fpradh, ift ordentlich rührend.

Einer der Paflagiere frug ihn einmal, was feine Zwede in Californien eigentlich feyen, und er antwor- tete ihm ganz ruhig und ernfthaft, „der Amtmann in feinem Dorfe habe ein hübfches Gut, was 30,000 Rthlr. foften follte, das wollte er gerne kaufen und fi das Gold dazu „hier in Californien abholen.” „Aber lieber Freund,“ erwiederte ihm der Frager, „dazu braucht Ihr ja denn auch nicht die vollen 30,000, wenn Ihr erft 15,000 baar niederzahlt, werdet Ihr's ebenſo gut befommen Tonnen.” Der Bauerburfche fchüttelte aber mit dem Kopf und meinte bagegen, „mit Schul⸗ den wolle er nicht gerne anfangen.”

Donnerftag den 4. Oktober befanden wir und 130° w. 8. und 300 n. B. in ſechs Tagen Fön nen wir, wenn ber feit brei Tagen eingefegte Suͤd⸗ weitwind ſtet bleibt, in Californien feyn.

Heute begleitet und auch ein fogenannter Dog: fiſch (Hundefifch), von etwa vier bis fünf Fuß Länge, der fortwährend, theild hinter, theild neben bem Schiff, aber immer dreißig Schritt ungefähr davon entfernt, berläuft. Die Angel mag er dabei nicht annehmen und zur Harpune fommt er nicht nah

486 genug. Er hat im Schwimmen Aehnlichfeit mit einem fleinen Hai, zu deſſen Gefchlecht er gehört, nur if ber Kopf Heiner und fpiger; er fol auch nah Me fhen im Wafler beißen. Die Matrofen fagen, daj er oft zwei bis drei Tage in ganz gleicher Art neben dem Schiff bleibe.

An Bord werden jest fehon bedeutende Vorberei tungen zum nahen Landen getroffen, Koffer gepadt, MWaflerftiefeln geſchmiert, Jagdtaſchen, Gewehrriemen und Gürtel hergerichtet, Gewehre und Piftolen (mut gegen das Geſetz nicht abgeliefert worden) gereinigt, und Kleider und Leberzeug ausgebeſſert. Tie Hu mondfinder nähen auch an ihrem Eegelwerf, um ber gleich ernfthaft an ihren Bau gehen zu fönnen, unt das Verdeck bietet jest, beſonders noch bei bem 1“ nen Wetter, ein fortwährend reges, gefchäftiges Dit.

Es find gar wunderlihe Gruppen bie ſich is oft bilden und hHerausftellen, und Die Hoffnungen. die bis jegt noch Jedes Phantafie umſchweben, ver golden feine Träume und Gedanken. Unt me follten die bei Vielen, o fo fehr vielen venwirflid! werden?

Jener fchöne große Mann mit dem ftarliden Schnurrbart und blonden Haar, der jo reigent iu Flöte fpielt und jegt, in fomifcher Gravität ten G> pitän nachahmt wie er die Sonne nimmt, daß ta}

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ganze Zwifchenbed ihn jubelnd umſteht und den Leu- ten vor Lachen die Thränen an den Baden herunters laufen ſechs Monate fpäter liegt er, eine Cho⸗ leraleiche in feinem Zelt auf der blanfen Erbe.

Jener junge Yurfche, der dort mit dem Bruber die Pläne beredet, wie fie nun ihren Zug am beiten durchführen wollen, in furzer Zeit mit dem erwor- benen Geld die Heimath, die Eltern wiederzufehen, noch ift dad Jahr nicht vorüber und mit zerichmets tertem Schädel mobdert ee ein Eelbftmörder, unter einer Eiche, im Herzen des fo heißerfehnten Landes,

Jener Matrofe, der lachend die Wand hinauf- Hlettert und oben fchon feine buntjubelnden Pläne baut wie er, in Ean Francisco gelandet, entfommen und nad den goldenen Schäten graben will vier fremde Männer tragen ihn in der Weihnachtäzeit ohne ang, ohne Gebet in fein faltes Grab.

Aber fort, fort mit den Gedanfen mwahnfinnig fönnte man werden, wenn man bergleicdhen ausden⸗ fen wollte der größte Segen ben Gott dem Men fchen erwiefen, iſt der, daß er feinen Blid in bie Zufunft mit Nacht umhüllt. Die Hälfte von und würde Selbftmörder oder fchleppte ein elendes Da⸗ feyn elend durchs Leben, wäre e8 anders.

An Bord herrichte audy in diefer Zeit nichts wer niger als trübe Gedanken, es wurde gelacht unb

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gefungen bis ſpät in die Nacht hinein der Steuer mann mußte faft jeden Abend um acht Uhr Ruk gebieten, daß die zu oje gehende Wacht ichlaten fonnte. Das junge Volf lebte wild in ben I hinein, Californien war nahe, das Leid des Schiffe lebens bald überftanden und mit frohen friichen Krät ten fonnten fie ein neued Leben beginnen. Wae dahinten lag Fümmerte fie nicht und wenn « die eigene Leiche gewejen wäre.

Der Bapitän, um fi) in etwas an ten Rama gieren, für mandyen Aerger den ihm dieſe bereiten. zu rächen, verheimlichte unter anderem auf das erg fältigfte Die Längen und Breitengrade, auf Denen wir uns jeden Tag befanden. Frug ihn einmal Gina zum Spaß danach, befam er jedesmal eine talit« Antwort er wußte aber gar nicht, dag Der Steuer mann jeden Mittag, wenn er zum Een gene. wurde, feine Tafel in der eigenen Goje lieg, auf te: Die genaue Berechnung jeder mittäglichen Obſervaner ftand, und Diefe Zeit wurde dann auch von ben Paña gieren regelmäßig benügt, den Ort, wo fie ih N fanden, auf Minute und Eefunde zu erfahren.

Connabend, der 6. Oktober, brachte ung wiete Windſtille ich follte aber eigentlich gar nicht Sen: abend, fondern Stodfiich fagen, denn das in m nigftend der Schiffsname, den wir Diefem Wochen:

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gegeben haben. Die übrigen Tage mußten fich näm- lich baffelbe gefallen lafien, und wir theilten demnad) die Woche in „Pubding” (als Sonntag), „Erbfen- fuppe” (Montag), „Pödelfleifch" (Dienftag), „Wein: fuppe* (Mittwoch), „Hutzeln“ (Dormerftag), „Poͤckel“ (Freitag) und wie gefagt „Stodfifch“" Sonnabend es follte das übrigens Feine Schmeichelei für die Ra- men feyn.

Dienitag den 9. Es ift Morgend um 4 Uhr, und ich warte nur dad dämmernde Tageslicht ab, um in ben Maſt hinaufzufteigen und nach Land umzufchauen. Geftern hatten wir den ganzen Tag ziemlich Dichten Rebel, der unferen Geſichtskreis auf einen ehr engen Horizont beichränfte, wir mußten deßhalb fogar Abende, jtatt dem legten Cours NNO. NNW., ja fogar NW, fteuern; ebenfalls befam das Meer jene grüne Färbung, bie ſtets die Nähe bes Landes anzeigt. Trotzdem läugnete der Gapitän daß wir und wirklich nahe dem Lande befänden, und be: hauptete wenigftend noch acht Tage davon entfernt u feyn. Der gute Mann hatte feine Ahnung, daß wir die Entfernung vom Lande fo genau wußten ale er jelber.

Ter Landgerudy war geitern morgen ungemein ſtark und deutlich, und wehte wie frifcher Heubuft iu und herüber, aber noch immer haben wir auf ber

Gerſtacker, Reifen. 1. 32

490 ganzen Reife, heute fchon 46 Tage, nicht ein an ziges Segel gefehen, und es ift faft, als ob wir ganz mutterfeelen allein auf dem weiten ftillen I cean herumtrieben.

Damit follte e8 aber auch noch nicht einmal ab gemacht feyn. Am nächften Morgen famen wir alle: dings in Sicht bes Landes, da jedoch weder Bapitän noch Steuermann bie Küfte Fannten, die Umriſſe bee Landes bei dem trüben Wetter nicht zu erkennen waren und Lootfen noch nicht eriltirten, ein tüchtiger Sübweiter und aber gerade auf die Klippen hinaut. zujagen drohte, fo blieb Fein anderer Rath als eben wieder umzudrehen und dahin zurüdzufehren, von we wir gefommen waren. Drei Tage wiederholte nd daſſelbe Manöver, wir befamen, wie'd der Seemann nennt, recht tüchtig „Einen auf die Naſe“ und tut Land wurde und immer nur gezeigt um davor ji fliehen.

ALS wir am dritten Tag die Küjte wieder an liefen und dießmal zwar mit ruhigerem Wetter, ıw: ven wir immer noch um nichts gebefiert, denn mı: fonnten den Eingang nicht finden und freuzten ter ganzen Nachmittag vergebene auf und ab.

Unterhaltung hatten wir aber Dabei genug, ter: eine wahre Unzahl von Waltfiichen, Die fleine huu- bug. nach Anderen humpback genannte Art, pic:

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überall um uns her, blies die hellen Strahlen hoch in die Luft und tauchte manchmal mit Dem breiten ſchwarzen Rüden faft Dicht neben dem Echiff empor. Der humbug fol übrigens nicht allein fehr ſchlecht u tödten feyn, da er auf der Oberfläche bes Waſſers bligesfchnell entflieht, und wenn er getöbtet ijt, auch noch finft, fo daß die Boote in beiden Yällen genö— tbigt find, ihre Eifen zu fappen, und nur in feichtem Waſſer, wie hier, ganz nah an ber Küfte, koͤnnte die Jagd mit einigem Erfolg betrieben werden, wäre die Küfte eben wieder nicht fo gefährlid. Deßhalb nennen ihn die Fifcher aber gerade humbug weil fie ihn trogdem für die beflere Art halten, anzulaufen jucben, und ihre Zeit, den Irrthum erft fpäter ein- fehend, damit verfäumen.

Endlich am vierten Tag, an einem wunderherr: lichen Morgen, famen wir in Eicht mehrerer Eegel und fahen fogar eine chilenifche Heine Brigg aus dem erjehnten Hafen heraushalten. Der Wink wurde audı nicht verfäumt, felbft alle übrigen Yahrzeuge, Die in Sicht waren und augenfceinlich ebenfall® auf einen berartigen Fall gepaßt hatten, änderten ihren Cours und ed war wirklich ein herrlicher Anblid, wie der dünne Nebel, der bis dahin auf Der Oberfläche des Meeres gelegen, plöglich ſank, und eine förmlich Alotte von Segeln enthüllte, Die exit mit ihren Augen

bald da⸗ bald dorthin hielten und jest, kaum ben Punft erfennend dem alle zuftrebten, rafch ihre Segel umbraßten und nun, von einer friichen Briſe be günftigt dem Ziel ihrer langen beichwerlichen unt auch wohl gefährlichen Reife zueilten. Nachminagé um zwei Uhr etwa fteuerten wir gerade dem ioge nannten „goldenen Thor Baliforniend“ entgegen, unt vor und öffnete fich Die fchöne herrlihde Bai Sm Francisco's.

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